Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia 3515074597, 9783515074599

Die Universalhistorie und die Oikumenegeographie Strabons werden unter methodischen und historiographischen Aspekten unt

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Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia
 3515074597, 9783515074599

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JOHANNES ENGELS AUGUSTEISCHE OIKUMENEGEOGRAPHIE UND UNIVERSALHISTORIE IM WERK STRABONS VON AMASEIA

GEOGRAPHICA HISTORICA BEGRÜNDET VON ERNST KIRSTEN HERAUSGEGEBEN VON ECKART OLSHAUSEN BAND 12

JOHANNES ENGELS

AUGUSTEISCHE OIKUMENEGEOGRAPHIE UND UNIVERSALHISTORIE IM WERK STRABONS VON AMASEIA

© FRANZ STEINER VERLAG GMBH STUTTGART 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Engels, Johannes: Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia / Johannes Engels. — Stuttgart : Steiner, 1999 (Geographica historica ; Bd. 12)

ISBN 3-515-07459-7

ISO 9706

Jede Verwertung des Werkes

außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist

unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. © 1999 by Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Druck: Druckerei Proff, Eurasburg. Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

I.

Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen ..................

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1. Zur Biographie Strabons, der Entstehungszeit seiner Werke und zu seiner Selbsteinschätzung als ‚Philosoph‘ ....ueeesneseresesnesensnessenssnnonnannennanennnnenennnnernen l. Anhaltspunkte zur Eingrenzung des Geburts- und Todesjahres Strabons.... 2. Strabons Ausbildung, seine Reisen und wichtigen Wohnorte mit einigen Vermutungen über seinen Aufenthaltsort von der Zeitenwende bis zum ΕΞ

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3. Die Entstehungszeit der Historika Hypomnemata und der Geographika Strabons

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4. Der Historiker und Geograph Strabon als ‚Philosoph‘ und das erweiterte strabonische Begriffsverständnis von der ‚Philosophie‘.............. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Jh. n. Chr. . . Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie und die Tradition der literarischen Hypomnemata bis zu Strabon DREERRRRRRRRRMRMMMMMMMMMMMMMMKMMAKEKFHRRPHRPRWRAÁRBBEEBEMBMRMBRMRBRE,RERKEEK/RogEANNMRMNMMMMMMM

l. Historika Hypomnemata: ein auffälliger Titel einer Universalhistorie und Fortsetzung des Polybios... Ὸ-- 59 2. Die drei für Strabon wichtigen Gruppen der literarischen Hypomnemata ." 60 3 . Übersicht über literarische Historika Hypomnemata-Werke in chronologischer Folge ........usssusenscensnnennennnessannsnnnonsenneennesnennnannnansronsnnonsnasnssusseneensene 4. Ὑπόμνημα, Ὑπομνήματα und Ὑπομνηματίζειν bei Polybios und anderen Autoren der hellenistischen Historiographie .................................. 3. Eigenheiten der strabonischen Historika Hypomnemata innerhalb dieser Gattungstradition NM 6. Historische Exempla-, Apophthegmata- und Strategemata-Sammlungen als nahe Verwandte und erfolgreichere Konkurrenten der Historika Hypomnemata Strabons ........ceserenenennnsoeennennennnnnsennunnnsnennnonnnnnenonnansennanneerennann

Die begrenzten Rekonstruktionsmöglichkeiten der strabonischen Universalhistorle ....ccasceeaseaneeesneanssenonennnaneennnerennuen nen nenennernannsonssn onen naunnanunnsnonsnennnensannansesennn

l. Zur Kritik am Fragmentbegriff OTTos sowie seiner Auswahl, Anordnung und Präsentation der Fragmente ss 2. Der Berichtszeitraum der strabonischen Universalhistorie und die unzureichenden Zeugnisse über eine strabonische Alexandermonographie ΡΝ 3. Erhaltene Werke Appians, Plutarchs und Caesars sowie s Fragmente der Werke des Theophanes oder Q. Dellius als Basis der Rekonstruktion der Historika Hypomnemata Strabons? sn Der methodisch gleichartige, inhaltlich komplementäre Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika und weitere methodische Äußerungen Strabons .......... eerte tnnt tnt tete teens l. Kontinuität der Tradition und inhaltlich-methodische Neubestimmung

der Kulturgeographie in Strabons Geographika.….........

80 85 . 90

eee .

Inhaltsverzeichnis

"2. ^ 3. 4. 5. 6. 7. 8.

οἱ 93 102 109 111 112 113

Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon .................... 115 l. Homer als ,Archeget der Geographie‘ in der Auffassung Strabons und seine Verteidigung des Dichters aus der stoischen Tradition und im Anschluß an PolybiOSs ..eueneneacesssnnessonsessasanensannsnsnonnsnsennonnenennannennonnnsnannnanassnsnnensnnnanennnannnennesenen 115

\ 87

ἢ.

Der komplementäre Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika Strabons, ihre gleiche kompilatorisch-hypomnematische Methode und identische Leserzielgruppe .................... eese Strabons Anforderungen an einen idealen Kulturgeographen und Universalhistoriker iii. ms Epigraphische und archäologische Quellen Strabons für die Geographika ............ ces esee eee eee teta tae t otn e the bassin sees aan sean eta eth Prep Der Rang der Autopsie oder der Wert direkter und indirekter Informationen in Geschichtsschreibung und Geographie .......................... Die übereinstimmenden Absichten Strabons mit seinen beiden Werken und der vielfálüge Nutzen der strabonischen Geographie .......................... Strabons programmatische Charakterisierung seiner Universalhistorie und Oikumenegeographie als ,riesenhafte Kunstwerke‘ (,Kolossurgiai*).. Die gattungstheoretische Neubestimmung der Position der strabonischen Geographika nach dem Prooimion zu Buch 8...

Geschichte und Geographie bei Herodot und Strabons Kritik an Herodot ..... Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie ............................ l. ,Universalhistorie* im griechisch-rômischen Verstándnis.......................... 2. Oikumenegeographie und Universalhistorie in den Historien des Kessuonersunnssssenennsssssssnnsensensssntnensannen Ephoros .....neesanessersonessnnarsnnennenennn 3. Ephoros als Quelle Strabons.«........ A Senssonsnsenensssonnsnnsnnantnnussannssnsnsestnsenessenen Strabon und die Historien des Polybios ss. NM 1. Leben und Werke des Polybios aus Miesalonolis ΜΚ ῃῃῃᾳ.ᾳΝ 2. Universalhistorische Leitgedanken des Polybios und seine Stellung zur römischen Weltherrschaft in den Historien ss 3. Die Definition der ‚pragmatischen Geschichte‘ durch Polybios und seine Kritik an Vorgängern und Konkurrenten ss

121 127 127 132 137 145 145 152 154

4, Geschichte und Geographie in den Historien des Polybios und die Kritik Strabons an Polybios .....rseaaaseenonensnannnensnensensoossennonenanuunsnsanzeönssansnsennneresnennen 157 Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios "- 166 1. Leben und Werke des Poseidonios, Abfassungszeit und Berichtszeitraum der Historien und das Problem der angeblichen Pompeiusmonographie … 166 2. Die Verteilung des Stoffes der Historien des Poseidonios auf einzelne Bücher

serres

eeeeee aereo naut oot te etate teneas ones esee toabe eee P asse ete ssa teach enu 174

3. Leitende Gedanken und charakteristische Eigenarten der Historien des Poseidonios ........22cc0sn2s0sn200sensonenenasonenunannennansnunnene 4. Der geringe Einfluß der Universalhistorie des Poseidonios auf Historiker

des 1. Jh. v. Chr. und der augusteischen Ära ..........

e

185

189

5. Die Historien und das Ozeanbuch des Poseidonios als Quellen

Strabons .................... SER ΠΝ 6. Strabons Kritik an Poseidonios . , NET Strabon und die Historische Bibliothek Diodors .ΟΝ 1. Zur Lebenszeit Diodors und zum Abfassungs- und Berichtszeitraum » der Historischen Bibliothek

195 . 198 … 202

Inhaltsverzeichnis

2. Die Einschätzung Diodors als Historiker und die Leitgedanken der Historischen Bibliothek nes

7

205

3. Diodors Urteil über Roms Weltherrschaft und über führende Römer........ 208

4. Diodors Prooimien als Charakteristikum seiner Historischen ΠΝ 5. Geographisches Weltbild und hellenistische Universalhistorie bei .

Diodor und Strabon

211

.........ucuresoosneessennarennoonesennnnunnnnsnnunasenanssesnerannnnsnnnennnnanen 214

7. Einige weitere hellenistische Universalhistoriker und Oikumenegeographen ............... ceci cies esee esee eene eene ee ertet tasa se sn asses eaa set etn nones sapete saP aa sE sess eese pa 217

8. Geschichte, Geographie und antiquarische Forschungen des 1. Jh. v. Chr. und ihr Verhältnis zur ἐγκύκλιος παιδεία rennes 224 9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes ......................... eere 229 1. Timagenes als frühester augusteischer Universalhistoriker ....................... 229 2. Die Werke des Timagenes: Charakteristik und Zeitraum ihrer Entstehung

rss

eee esent eene

σον νον este tttaa rase tena bebé sten nnne ene se titan e sene 231

3. Timagenes als angeblicher Vertreter einer ‚literarischen Opposition‘ gegen den augusteischen Prinzipat sers 4. Geographie, Ethnographie und Universalhistorie bei Timagenes .............. 5. Timagenes als Quelle Strabons und des Pompeius Trogus ........................ 10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus I. Die Entstehungszeit, der Titel und die Werkökonomie der Universalgeschichte des Pompeius Trogus ss 2. Geschichte, Ethnographie und Geographie in den Historiae Philippicae.. 3. Die Einschátzung des rómischen und des parthischen Reiches durch ΤΓΟΡΊΙΒ RR

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos ..................... 1. Zur Biographie und zum sozialen Status des Nikolaos .............................. 2. Kurze Charakteristik der Werke des Nikolaos ...........................sssss 3. Strabon und Nikolaos als Quellen des Josephus über hasmonäische und römerzeitlich-jüdische Geschichte ss 4, Nikolaos von Damaskos, Dionysios von Halikarnassos und Strabon über die Legitimität des Prinzipats des Augustus ..................... eere ΠῚ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes ΒΝ 1. Die Geschichte des Attalidenreiches als Beispiel für Strabons Beschreibung einer hellenistischen Monarchie ...... RR

234 240 240 243 243 251 255

261 261 263 269 273 277 277

1. Das Attalidenreich und seine Herrscher in den Geographika .................... 277

2. Das Herrschertestament Attalos‘ IIL, der Usurpationsversuch des Aristonikos und die Errichtung der Provinz Asia in der Darstellung der Geographika sine 2.

Strabons Notizen über Rom und über die Genese und Legitimität der

NEN römischen Weltherrschaft.. 1. Die Eigenart und proaugusteische Tendenz der strabonischen Beschreibung der Hauptstadt Rom ME —— 2. Roms Aufstieg zur Herrin Italiens und der gesamten MittelmeerOIKUMENE ——————————— € 3. Der Überblick über das augusteische Oikumenereich und die Begründung seiner Legitimität am Ende der Geographika MMMMMMMMMMMZMM …

291 298 298 303

310

Inhaltsverzeichnis

3. Das Bild führender Römer der späten Republik und des augusteischtiberischen Prinzipates in den Geographika.... eee |. Von 146 v. Chr. bis zu Strabons Geburt 63 v. Chr... eese 2. Pompeius, andere Rómer und hellenistische Dynasten bis zu Caesars TOM RRRRRRRRRRRREEEEEEEEEEEEMEEM 3. Strabons Notizen über C. Iulius Caesar... 4, Antonius, andere Rômer und hellenistische Dynasten bis zur Schlacht von Actium .....κνονννν νι νονννννννοννοον

νοονοονοννκοοννοοσνον

Strabons Notizen über Augustus .ΟΝ ἍΜ, Agrippa und andere Mitglieder der domus Augusta bis zu Tiberius..... Vornehme Römer, mit denen Strabon bekannt war ................................... Die Nähe verschiedener strabonischer Bemerkungen in den Geographika zu Leitgedanken der Res gestae des Augustus ..................... 4. Die Commentarii und die ,Weltkarte' des Agrippa als typische rómische Formen der Darstellung der augusteischen Oikumene ................................... l. Römische Traditionen der Erfassung, Vermessung, Beschreibung und Abbildung des rómischen Reiches bis zur Zeit des Agrippa und AUTUSTUS RRRRRRRRRRDRRRRRENMINNMME

2. Die geographisch-administrativen und statistischen Projekte unter der Leitung Agrippas und des Prinzeps Augustus .................. esee 3. Die geographischen Commentarii Agrippas und seine Oikumenekarte in der Porticus Vipsania sise

V.

319 327

σον se nesrenee ses reaneneneeseceneeres ess 331

5) 5. 7. 8.

IV. Zusammenfassung...

314 315

ΟΝ

337 346 350 353 359 359

365 369 378

Appendices A-D A. Das geographische Weltbild des lateinischen Westens und der Verlust der Kenntnis des strabonischen Werkes im lateinischen Mittelalter................ B. Das geographische Weltbild des byzantinischen Ostens und die ausschließliche Überlieferung Strabons im griechisch-christlichen Kulturraum ......eescesssasessnsnensonnonennanenssuonsannnnsnnnnensnnnnnnnennunnsnsonsrnuonansasnentensnsnensnn C. Das geographische Weltbild im islamischen Kulturraum und die Dominanz des Ptolemaios gegenüber der deskriptiven Kulturgeographie Strabons ........ D. Strabon im Italien der Renaissance und im frühneuzeitlichen NordwestEUTOPA. scene ΜΝ

VI. Literaturverzeichnis ............................ eet

ΠΝ

VII. Register ........ ERREUR l. 2.

Quellen ....... NER Orts- und Personenregister

.

383 385 391 396 399

een

434

. ΟΝ 434 sense snssunonssranenssnersensnnsnnnne 449

VORWORT Die meisten Universalhistorien von der Begründung der Gattung durch Ephoros von Kyme bis in die augusteische Zeit, die heute sämtlich nur noch unvollständig oder gar nur in Fragmenten überliefert sind, haben in der althistorischen und philologischen Forschung ein ihrer Bedeutung entsprechendes Interesse gefunden. Strabon von Amaseia ist jedoch dem weiteren Publikum als Historiker fast unbekannt geblieben. Selbst die meisten Fachkollegen verbinden ihn vermutlich zunächst mit der griechischen Kulturgeographie. Bezeichnend für die allgemeine Geringschätzung der Bedeutung Strabons als Universalhistoriker und die vorherrschende Meinung, daß Strabon ausschließlich ein Geograph sei, ist die Art und Weise, wie ALoNso-NÓNzz in einem kürzlich veröffentlichten Überblick über die hellenistische Universalhistorie ausdrücklich auf die strabonische Oikumenegeographie verweist, ohne gleichzeitig an die umfangreichere Universalhistorie zu erinnern!. Denn die Geographika? Strabons sind das umfangreichste erhaltene Werk der antiken griechischen Kulturgeographie und von fundamentaler Bedeutung auch für die Rekonstruktion der Leitgedanken der wichtigsten hellenistischen Geographen vor Strabon. Von den Qualitäten Strabons als Historiker und Schriftsteller hat Syme? in seinem jüngst aus dem Nachlaß erschienenen Buch über Strabons Notizen zur anatolischen Geographie und Geschichte eine denkbar schlechte Meinung, erkennt aber doch seinen hohen Quellenwert für einzelne Informationen an, der sich dadurch noch erhöht, daß uns

heute keine zeitgenössische historische Gesamtdarstellung der augusteischen Epoche mehr vorliegt. Immerhin muß aber doch die Beschäftigung mit Strabon selbst für einen durch sein intensives Tacitusstudium verwöhnten Kenner der antiken Literatur wie SYMe interessant und lohnend genug gewesen sein, daß er diesem Autor zwischen seinen berühmten Werken über ‚The Roman Revolution‘ und ‚Tacitus‘ eine dritte Monographie widmete. Nachdem die Universalhistorien des Nikolaos von Damaskos durch WACHOLDER und die des Pompeius Trogus jüngst sowohl durch ALonso-Nüsez als auch durch van WIckeI

2

Vgl. ALoNso-NüRez 1990, 173-192; er nennt dort die Werke des Diodor, Nikolaos von Damaskos und Pompeius Trogus outstanding examples“ (192) der Universalhistorie der spätrepublikanisch-augusteischen Zeit. Inderfolgenden Untersuchung werden antike Autoren und Werke nach der Abkürzungsliste des „Kleinen Pauly" zitiert, sofern sie darin enthalten sind. Andere Autoren und Werke werden ausgeschrieben, Verweise auf Strabons Geographika nur durch die Buch- und Paragraphenzáhlung nach MEINEKE sowie die Seite der Ausgabe des CASAUBONUS gekennzeichnet. Der griechische Titel der strabonischen Oikumenegeographie ist nicht eindeutig überliefert. Die Suda Σ 1155 s.v. Στράτων (!) = FGrHist 91 T 1 nennt das Werk allgemein und untechnisch eine Γεωγραφία in 17 Büchern, Harp. s.v. Λευκάς (= L 10 Keaney mit Verweis auf 10,2,8 C. 452) und erneut s.v. Λέχαιον (= L 15 Keaney mit Verweis auf 8,6,22 C. 380 ) aber Τὰ yewypatodueva. Strabon selbst spricht in 17,1,36 C. 809 vom ersten Buch seines Ὑπόμνημα τὴς γεωγραφίας, in 2,1,41 C. 95 allgemeiner von seiner Γεωγραφία, in 8,3,17 C. 346

gar von einer Χωρογραφία, im Kontext des Hauptprooimions in 1,1,22-23 C. 13 = FGrHist 91 F2 aber

3

nennt er das Werk einfach seine Σύνταξις, die gleichartig mit den früheren Ἱστορικὰ ὑπομνήματα sei. Deswegen nenne ich die Oikumenegeographie Strabons in den vorliegenden Untersuchungen zur Unterstreichung dieser methodischen Parallelität auf diese Stelle des Prooimions gestützt (und der Praxis Jacopys und anderer Altertumskundler folgend) Geographische Denkwürdigkeiten oder abkürzend Geographika. Vgl. SyME 1995; Syme urteilt schroff z.B. 356: Strabo has no style, and his opinions matter very little; but chance has made him the principal, sometimes the only, source for important facts". Er hält sowohl Strabons Universalhistorie als auch die Geographika für „not merely compilation, but copying, and hasty at that“ (ebd. 361).

10

Vorwort

VOORT CROMMELIN? gründlich untersucht worden sind, liegt es nahe, auch das historischgeographische Gesamtwerk Strabons unter methodischen, gattungsgeschichtlichen und ausgesuchten historisch-politischen Fragestellungen ausführlich zu betrachten. Strabon versteht sich selbst nicht in erster Linie als einen Fachgeographen und auch nicht nur als einen in der Tradition der rhetorischen Kunstprosa stehenden Universalhistoriker, sondern als einen weltweisen ‚Philosophen‘, der seinen Lesern ein enzyklopädisches Bild der Geschichte, des Raumes und der wichtigsten Personen der hellenistischen Epoche von Alexander bis Augustus vermitteln will. Strabon stammt aus Amaseia, einer Stadt an der Südküste des Schwarzen Meeres, in der sich pontisch-anatolische und hellenistisch-griechische Kultureinflüsse mischten. Vermutlich 64/3 v. Chr. geboren und gegen 25 n. Chr. verstorben, zählt er angesichts der damaligen Lebenserwartung zu den langlebigen Autoren der Antike und wurde deswegen Zeuge umwälzender militärisch-politischer Entwicklungen, Er erlebte die an Krisen und Kriegen reiche politische Endphase des hellenistischen Zeitalters und den Beginn der römtschen Prinzipatsordnung und ihre Stabilisierung über den Tod des Augustus hinaus. Die Neuordnung der anatolischen Staatenwelt und der gesamten Mittelmeeroikumene unter der römischen Herrschaft erreicht seiner Meinung nach mit dem Prinzipat des Augustus ihren historischen Zielpunkt. Er begrüßt die römische Weltherrschaft und das monarchische System des Prinzipats nachdrücklich. Seine Herkunft aus einer vornehmen und vermögenden pontischen Familie ermöglicht Strabon eine gründliche Ausbildung, die ihn mit der literarischen, philosophischen, historischen und geographischen hellenistischen Tradition vertraut machte, weite Reisen vor allem in der östlichen Mittelmeerwelt und bis

Italien und ein Leben als Gelehrter und Bekannter hochgestellter griechischer und römischer Personen. Seine Auffassung über die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse und den Raum dieser Ereignisse, die Mittelmeeroikumene, Jegt Strabon in zwei großen Werken nieder, die sich gegenseitig inhaltlich ergänzen sollten und beide nach ähnlichen methodischen Prinzipien konzipiert waren, zuerst in einer Universalhistorie der Zeit von Alexander dem

Großen bis zu Kaiser Augustus in 47 Büchern, den Historika Hypomnemata, und danach in einer Oikumenegeographie in 17 Büchern, den Geographika. Beide Werkteile sind in der Gattung der literarischen Hypomnemata verfaßt. Strabon ist der einzige antike Autor, von dem wir wissen, daß er eine Universalhistorie mit dem Titel Historika Hypomnemata schrieb.

Die Ungunst der Überlieferungsgeschichte, bestimmte Eigenarten des strabonischen Werkes sowie die spátere Entwicklung der griechischen Historiographie und des Publikumsgeschmackes haben bis auf wenige sichere Fragmente zu einem fast vólligen Verlust der strabonischen Universalhistorie geführt. Doch glücklicherweise hat sich die als ergänzender Kommentar zu diesem Hauptwerk gedachte Oikumenegeographie in siebzehn Büchern bis auf wenige Lücken vor allem am Ende des 7. Buches so gut wie vollstándig erhalten. Diese sehr unterschiedliche Uberlieferungsgeschichte der beiden Werkteile, die doch ursprünglich von Strabon als ein zusammengehöriges Gesamtwerk konzipiert waren, macht neugierig auf die Suche nach möglichen Gründen, die zu dem fast völligen

Verlust dec Universalhistorie und andererseits der weitestgehenden Erhaltung der Oiku-

menegeographie geführt haben kónnten. Orros inzwischen schon über hundert Jahre zurückliegender Versuch einer Wiedergewinnung möglichst vieler ‚Fragmente‘ der strabonischen Universalhistorie aus angeblichen Selbstzitaten in den Geographika verlangt auch heute noch eine kritische Diskussion. OTTos Auffassungen erweisen sich bei einer näheren Betrachtung seiner Methode 4

Vgl. WacuoLbpER 1962; ALoNso-NüREZ 1992; van WickevooRT CRoMMELIN 1993.

Vorwort

11

der ‚Fragmentsammlung“ und einer Diskussion der Unschärfe seines ‚Fragmentbegriffes‘ jedoch als unbegründet, und sein Rekonstruktionsversuch ist gescheitert. Auch mehrfach von verschiedenen Seiten vorgetragene Hypothesen der Quellenforschung über eine Benutzung Strabons durch spätere Geographen und Historiker (Appian, Flavius Josephus und Plutarch} haben nicht zu einem allgemeinen Konsens geführt. Insbesondere kann man aus solchen Passagen späterer Autoren keine ‚Fragmente‘ der strabonischen Universal-

historie rückgewinnen. Alle über die Quellengrundiage der von Jaconv in den ,Fragmenten der Griechischen Historiker“ gesammelten sicheren Fragmente der Historika Hypomnemata hinausgehenden Aussagen über historisch-politische Auffassungen Strabons müssen sich daher auf eine Interpretation der erhaltenen Geographika stützen, In dieser Kulturgeographie des römischen Weltreiches und der angrenzenden Regionen bestimmt Strabon nach einem Prooimion, das methodisch für den komplementären Zusammenhang der Universalhistorie

und der Oikumenegeographie sowie für die Interpretation seiner Absichten wertvoll ist, zunächst in den ersten beiden Büchern seine eigene Position in der Tradition der geographischen Wissenschaft von Homer bis in die eigene Zeit, indem er sich kritisch mit den Positionen der führenden hellenistischen Vertreter dieser Disziplin auseinandersetzt. Dabei behandelt er auch übergreifende geographische Fragen nach der Gestalt und dem Umfang der Erde, ihren Meeren und Kontinenten und erörtert bekannte Probleme der mathematischen oder astronomisch-physikalischen Geographie und der Kartographie.

Danach folgt in den Büchern 3-17 eine kulturgeographisch orientierte Beschreibung der gesamten Mittelmeeroikumene. Strabon beginnt in Buch 3 mit der iberischen Halbinsel, fährt in Buch 4 mit dem keltischen Nordwesteuropa und dem Alpenraum fort und beschreibt in den Büchern 5-6 Italien und die umliegenden großen Inseln sowie im Buch 7 Zentral- und Osteuropa. Die Bücher 8-10 sind dem griechischen Raum gewidmet. Mit Buch 11 wendet sich Strabon Kleinasien einschließlich dem Kaukasus und Armenien zu. Die Bücher 12-14 setzen die detaillierte Beschreibung der anatolischen Staatenwelt und der wichtigen dazugehörigen Inseln fort, Diese Bücher sind vielleicht wegen der Genauigkeit der Beschreibungen als ein Kernstück des Werkes zu bezeichnen. In Buch 15 über Indien und das Partherreich verläßt Strabon zwar schon den Raum der augusteischen Mittelmeeroikumene, aber nicht denjenigen des Alexanderreiches und einiger Diadochenreiche, die er in seiner Universalhistorie behandelt hat. Zur rómisch beherrschten Mittel-

meeroikumene kehrt er dann im Buch 16 über Assyrien, Babylonien, Mesopotamien, Syrien und die phoinikisch-palästinische und arabische Region zurück. Buch 17 beschreibt schieBlich Ägypten, Äthiopien und den Norden Afrikas. Mit voller Absicht stellt Strabon an das Ende seines Gesamtwerkes im Buch 17 der Geographika eine Übersicht über das augusteische Oikumenereich mit seinen Provinzen, abhängigen Dynasten und Klientelkönigen. Strabon schöpft aus dem reichen, in seiner Zeit noch vollständig verfügbaren Schatz der klassischen und hellenistischen Traditionen vor allem der griechischen, aber auch ın

geringem Umfange der lateinischen Literatur und zieht selbst eine Summe aus der Tradition eines literarisch vermittelten historisch-geographischen Weltbildes. Homer gilt für Strabon nicht nur als der gróBte Erzieher aller Hellenen, sondern auch als der Archeget der Geographie. Den Bildungswert der homerischen Epen auch in historisch-geographischen Sachfragen verteidigt Strabon mit einer Ausführlichkeit, die nicht einfach als anstößiges Kuriosum seines Werkes durch den heutigen Leser notiert werden darf, sondern einer eingehenden Diskussion bedarf. Denn die Homerverehrung Strabons verweist auf sein

kulturelles Selbstverständnis. Geographie und Geschichte sind bekanntlich in ihren 1onischen Ursprüngen und noch im Werk Herodots nicht streng voneinander getrennte Disziplinen gewesen. Sie haben erst nach Herodot eine getrennte Gattungsentwicklung genom-

12

Vorwort

mens. Strabons Gesamtwerk vereinigt am Ende der hellenistischen Epoche erneut die Traditionslinien der Geschichtsschreibung und Geographie. Daher ist es notwendig, zunächst den Blick gleichermaßen auf die universalhistorischen Vorgänger und auf die späthellenistisch-augusteischen Zeitgenossen Strabons auszuweiten, um die neuartige augusteische

Enzyklopädie Strabons deutlich von diesen abzuheben. Es ist auffällig, wie wenig sich Strabon auf den pater historiae Herodot zurückbezieht, obwohl dieser manche universal-

historisch-kulturgeographischen Interessen mit Strabon gemeinsam zu haben scheint. Strabon selbst sieht sich námlich in einer Traditionslinie der Universalhistoriker, die erst mit Ephoros von Kyme begonnen und sich in steter Auseinandersetzung mit den Werken der Vorgänger und in einer produktiven Wechselbeziehung zu den jeweils veränderten politisch-geographischen Rahmenbedingungen der Mittelmeeroikumene von Ephoros und der Zeit Alexanders des GroBen bis zum Otkumenereich des Augustus mit einer inneren Zielstrebigkeit (fast könnte man sagen ,Entelechie* oder ,Teleologie") fortentwikkelt habe. In der kritischen Auseinandersetzung mit den Werken seiner Vorgänger in der Universalhistorie, also Ephoros, Polybios, Poseidonios, Diodor und Timagenes, bestimmt Strabon auch seinen eigenen universalhistorischen Standort. In einer vergleichbaren Kritik an den großen fachgeographischen Vorgängern findet er seinen eigenen Standort und seine spezifische Methode in der Kulturgeographie. In augusteischer Zeit erlebt die antike Universalhistorie eine — vielleicht gar ihre produktivste — Blütephase. Die Werke des Pompeius Trogus und Nikolaos von Damaskos sind nur wenig jünger, dasjenige des Timagenes ist nur wenig älter als die Universalhistorie Strabons. Bald nach der Fertigstellung seiner Universalhistorie aber beginnt Strabon schon mit dem ersten Entwurf der Geographika. Strabon, Timagenes, Trogus und Nikolaos sind also wichtige Zeugen dafür, daß die Universalhistorie, die Strabon allerdings als einziger von diesen durch eine ausführliche Oikumenegeographie ergänzt, die vielleicht

adäquateste historiographische Form der Beschreibung von Raum und Geschichte des augusteischen Oikumenereiches war. Ausführliche Vergleiche der universalhistorischen Entwürfe von Ephoros bis zu Nikolaos von Damaskos mit der Disposition und der Methode Strabons kónnen einerseits die innere Entwicklung dieser historiographischen Gattung und andererseits auch die charakteristische Eigenart der strabonischen Konzeption aufzeigen. Hierbei wird besonders auf die Ponderierung und historiographisch-technische Behandlung des Verhältnisses von Geschichte und Geographie in den Universalhistorien zu achten sein. Mit den augusteischen Universalhistorien und insbesondere in der universalhistorischen Enzyklopädie Strabons erreicht diese traditionsreiche Gattung gleichzeitig ihre höchste Blüte und einen Endpunkt ihrer Entwicklung. Es ist signifikant, daß nach

Strabon bis zu Kephalion in hadrianischer Zeit — abgesehen vom umstrittenen Werk C. Sulpicius Galbas — nicht einmal Autorennamen, Werktitel oder spärliche Fragmente zur griechischen Universalhistorie in Jacogvs Sammlung der ‚Fragmente der Griechischen Historiker* vorliegen. Die spáteren griechischsprachigen Reichsgeschichten des 2. und frühen 3. Jh. n. Chr., insbesondere diejenigen von Appian und Cassius Dio, denen jüngst Hose eine ausführliche Untersuchung widmete, verstehen sich aber selbst nicht als

unmittelbare Fortsetzer der hellenistischen und augusteischen Universalhistorien. Ihre Werke erweisen sich bei genauer Analyse vor allem als Zeugen der politischen Verhält-

nisse und kulturell-literarischen Strömungen ihrer eigenen Zeit‘. 5

Siehe demnächst ausführlich meinen Beitrag in Orbis Terrarum 4,1998, 63-114: Die strabonische Kulturgeographie in der Tradition der antiken griechischen geographischen Schriften und ihre Bedeu-

6

sung für die antike Kartographie (= ENGELS 1998b). — Vgl. dazu Hose 1994.

Vorwort

13

Strabon betont mehrfach in den Geographika, vor allem im Prooimion, im 11. Buch und im Uberblick über das augusteische Reich am Ende der Geographika, die komplementäre Zusammengehörigkeit seiner Oikumenegeographie und der Universalhistorie von Alexander bis Augustus. In seine geographische Beschreibung der Welt legt Strabon auch häufig historisch-politische, biographische oder philosophische Bemerkungen ein, die es — mit aller gebotenen Vorsicht — erlauben, seine Auffassungen über bestimmte historische Probleme und solche wichtigen Personen der Epoche von Alexander bis Augustus zu erkennen, die er auch in seiner Universalhistorie behandelt haben dürfte. Eine detaillierte

Rekonstruktion der Werkökonomie der strabonischen Universalhistorie scheitert dagegen am fragmentarischen Uberlieferungszustand. Strabon hat mehrfachen Anlaß, auf Alexander den Großen und die Bedeutung des Alexanderzuges einzugehen. Für den Oikumenegeographen Strabon bedeuten der Alexanderzug und die frühe Diadochenzeit den Beginn einer neuen Epoche in der Erweiterung der Kenntnisse insbesondere über Asien und der Ausweitung des geographischen Welt-

bildes der Griechen. Die Explorationen unter Alexander und den ersten Diadochen bilden die Basis für das geographische Werk (und die Weltkarte) des Eratosthenes, das Strabon durch seine neue Oikumenegeographie ersetzen will. Die Taten Alexanders und sein Leben stehen am Beginn der gesamten welthistorischen Epoche, die für Strabon erst mit Augustus und der Errichtung der neuen Prinzipatsordnung ihren AbschluB findet. Vermutlich hat Strabon diese πράξεις Alexanders daher schon in der Einleitung der Historika Hypomnemata im Zusammenhang und ausführlich erzählt. Aber auch in die Geographika fügt er eine Vielzahl von wertvollen historisch-politischen Notizen über Alexander, den Alexanderzug und das Oikumenereich des Makedonenkónigs ein. Es würde sich daher anbieten, diese Passagen in diesen Untersuchungen zu analysieren. Hierzu móchte ich jedoch auf eine an anderer Stelle schon veröffentlichte Untersuchung verweisen, die eine unverzichtbare Ergänzung der hier vorgelegten Untersuchungen darstellt’. Ferner hatte sich unter den östlichen Gegnern Roms zuletzt und in einer extremen Form der Stilisierung und Steigerung Mithradates Eupator der imitatio Alexandri als Motiv antirömischer Propaganda und Ideologie bedient, in dessen Kriege gegen Rom auch einige Mitglieder der Familie Strabons direkt verwickelt waren. Im und nach dem Kampf gegen Mithradates übernahmen Sulla, Lucullus, Pompeius, Caesar, Antonius und natürlich Octavian/Augu-

stus und sein Haus (Germanicus) ihrerseits das Alexanderthema als ein ideologisches Fundament der rómischen Herrschaft über den Osten, im innerrómischen Machtkampf dieser ‚kolossalen Individuen‘ und schließlich zur Legitimierung der augusteischen Universalmonarchie. Die Formen und individuellen Unterschiede dieser römischen imitatio Alexandri® sind für Strabon als Apologeten der römischen Oikumeneherrschaft ein hochinteressantes Thema. Die strabonischen Notizen über das Attalidenreich bieten sich als Beispiel für die Behandlung eines hellenistischen Reiches durch Strabon in den Geographika an. Danach folgt eine Sammlung und Auswertung aller Stellen, an denen Strabon zusammenfassend über die Genese und Legitimität der römischen Weltherrschaft spricht und führende Rómer oder hellenistische Dynasten der Zeit vom Epochenjahr 146 v. Chr. bis in die ersten Jahre des Tiberius erwáhnt. Denn Leben und Taten der herausragenden Individuen dieser 7 8

Vel. Pfoech 1974, 129-145 und jetzt ausführlich ENGELS 1998a, 131-172 mit Literatur zum Thema Strabon und Alexander. Zur Alexanderimilatio führender Römer siche u.a. TREVES 1953, MicheL 1967, Braccesi 1975 und ders. 1976, 179-199, LEHMANN 1971, 23-36, WEiPPERT 1972, WingTH 1975, 181-210 und Diskussionsbeiträge 211-221, Green 1978, 1-26, Crescı MARRONE 1978, 245-259 und dieselbe 1980, 35-41, SorDi (Hg.) 1984, Boum 1989, Nencı 1992, 173-186, GuzmAN 1995, 11-27 sowie ENGELS 19982, 131-172

und in diesen Untersuchungen Kap. II[.3. und IH.4.

14

Vorwort

Epoche bilden unzweifelhaft, nach dem Proormion der Geographika und einer erstaunlich hohen Anzahl weiterer einzelner Notizen zu urteilen, ein zentrales Thema auch der strabonischen Universalhistorie. Aus der Auswahl der namentlich erwähnten Personen und der mit diesen verbundenen Ereignisse oder Orte sowie aus der zumindest für bestimmte Personen (vor allem die ‚kolossalen Individuen‘ Pompeius, Caesar, Antonius und

natürlich Augustus selbst) erkennbaren Tendenz Strabons lassen sich methodisch gesicherte Aussagen über seine histonsch-politischen Auffassungen gewinnen. Es wird zu untersuchen sein, worin für Strabon die Begründung der Legitimität der römischen Weltherrschaft in augusteischer Zeit liegt, die er unter den damaligen prorömischen Intellektuellen besonders radikal vertritt. Man kann auch versuchen, aus der Auswertung dieser Einzelstellen zu erfassen, worin für Strabon im Vergleich zu den übrigen herausragenden Römern und hellenistischen Dynasten, Gelehrten und Königen die überragende Stellung des Augustus selbst besteht und inwiefern seine Oikumenegeographie trotz der aktualisierenden Überarbeitungen zwischen 14 und 24 n. Chr. weiterhin ein im Kern augusteisches Werk bleibt. Der Beginn einer neuen historisch-geographischen Epoche mit dem augusteischen Oikumenereich ist Strabon als aufmerksamem Zeitzeugen, der einige Jahre lang in den führenden Metropolen der Mittelmeeroikumene Alexandreia und Rom gelebt hat, wohl bewußt, und er versucht für diese neue Zeit eine adäquate und aktuelle Beschreibung der Welt zu geben. Die Spannungskräfte zwischen der weiterwirkenden und in seinem Falle letztlich dominierenden griechischen Bildungstradition und dem aus dem Bewußtsein einer neuen Epoche entsprungenen Aktualitätsanspruch seiner eigenen Werke kann Strabon (aus heutiger Sicht) nicht befriedigend ausgleichen. Aber diese Spannung und dieser doppelgesichtige Charakter machen sein Werk auch zu einem interessanten und in verschiedener Hinsicht typischen Zeugnis seiner Zeit. Die Eigenheiten der romfreundlichen, abet konzeptionell hellenistisch-griechischen Darstellung der augusteischen Oikumeneherrschaft Strabons werden vielleicht noch deutlicher, wenn man sie mit einem alternativen zeitgenössischen, (fast) offiziell-römischen Weltbild vergleicht, wie es sich abgesehen

von den Bemerkungen des Augustus selbst in den Res gestae vor allem in den Commentarii und der Weltkarte des M. Vipsanius Agrippa niedergeschlagen hat. Ein solcher Vergleich der hellenisttsch-griechischen und der rómischen Darstellung des augusteischen Oikumenereiches steht daher am Ende dieser Untersuchungen. Mit seinem Gesamtwerk, einer wahren ,Kolossurgia', versucht Strabon ein enzyklopädisches Bild der Oikumene seiner Zeit zu entwerfen. Während die Universalhistorie und die Oikumenegeographie in einem bildhaften Vergleich als die Hauptflügel eines

Diptychons bezeichnet werden können, strebt Strabon mit seinem Gesamtwerk eine neuartige Synthese aus Elementen der schon eingeführten literarischen Gattungen der Universalhistorie, der politischen und literarisch-gelehrten Biographie, der Kulturgeographie und der philosophisch-wissenschaftlichen Traktatliteratur an. Die Analyse des strabonischen Werkes kann zeigen, daß die griechische (Universal-) Historiographie und Kulturgeographie weniger streng von der gelehrten antiquarischen Literatur getrennt waren, als

dies zuweilen unterstellt worden ist”. Der ‚interdisziplinäre‘ Ansatz kann als eines der charakteristischen Kennzeichen des Werkes Strabons bezeichnet werden. Inwiefern

Strabon seinem eigenen methodisch-theoretischen Anspruch aber auch in der Ausführung mit den Geographika gerecht geworden ist, werden die folgenden Untersuchungen jedoch zu prüfen haben. 9

Strabon als ‚wissenschaftlichen‘ Autor, der sich in seinen matertalreich-nüchternen Werken bewußt mit autobiographischen Angaben und persönlichen Wertungen zurückhäll, stellt CLARKE in den Mittelpunkt einer anregenden Studie, in der sie von einem systematischen „replacement of himself with the academic subject treated in his work" {CLARKE 1997, 109) spricht; Dueck 1996 n.v.

Vorwort

15

Viele Kollegen und Freunde haben diese Untersuchungen über Strabon in den unterschiedlichen Stadien ihrer Entstehung gefördert. Ihnen allen sei für ihre Ratschläge, Kritık und Hinweise gedankt. Herr Professor Lehmann und später Herr Professor Hólkeskamp gaben mir als wissenschaftlichem Assistenten an der Universität zu Köln die nötigen Freiräume zur Arbeit an Strabons Werken. Das Manuskript der Kölner Habilitationsschrift vom WS

1995/6, aus der das vorliegende Buch entstand, wurde von ihnen und den

Herren Professoren Zahrnt, Schwarte, Manuwald sowie von Frau Professor von den Brincken mit kritischem und sachkundigen Blick gelesen. Ihnen gilt mein erster Dank. Bei mehreren Aufenthalten an der KU Leuven, zuletzt als Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung und des Onderzoeksfonds der KU fand ich dort hervorragende Arbeitsbedingungen für die Erforschung der hellenistischen Historiographie. Insbesondere möchte ich hierfür den Herren Professoren Schepens, Hauben und Steel danken. Während zweier Semester als Lehrstuhlvertreter an der Universität Trier förderte Herr Professor Heinen die vorliegenden Studien durch viele anregende Gespräche. Den Herausgebern der Reihe Geographica Historica, Herrn Professor Olshausen und Herrn Hochschuldozent Dr. Sonnabend, gilt mein besonderer Dank für die Aufnahme des Buches in diese Reihe, Herrn Hoppen und Herrn Sieveking für die professionelle und engagierte Betreuung durch den Franz Steiner-Verlag. Am meisten habe ich jedoch meiner Frau, Dr. Marianne Engels, und meinem Sohn Johannes für ihre Liebe, Geduld und Hilfe

wührend der vergangenen Jahre zu danken.

Il. LEBEN UND WERKE STRABONS METHODISCHE FRAGEN

SOWIE

l. ZUR BIOGRAPHIE STRABONS, DER ENTSTEHUNGSZEIT SEINER WERKE UND ZU SEINER SELBSTEINSCHÄTZUNG ALS ,PHILOS PH"... |. Anhaltspunkte zur Eingrenzung des Geburts- und Todesjahres Str Als gelehrter, wissenschaftlicher Autor hält sich der Historiker und Geograph Strabon von Amaseia mit Äußerungen über sein Leben und seine persönlichen Ansichten absichtlich sehr zurück!. Zudem gibt es über ihn auch keine antike Biographie noch ist seinem Leben ein Exkurs in historisch-geographischen Werken anderer Autoren oder in Biographien über andere Griechen und Römer gewidmet?, Die spätantike und byzantinische le-

xikographische Tradition überliefert nur wenige und manchmal verwirrende biographische Notizen. Bezeichnend hierfür ist, daß in der Suda Strabon mit falscher Orthographie im Lemma Straton als ein Philosoph aus Amaseia eingeführt wird. Er habe zur Zeit des Kaisers Tiberius gelebt und ein Geographiewerk in siebzehn Büchern verfaßt?. Vielleicht ist aus einer Randglosse zu einem früheren Artikel Strabon die falsche Namensvariante

Straton notiert worden. Aus dieser Notiz hat dann der Kompilator der Suda zwet verschiedene, biographisch mehr verwirrende als klärende Artikel (Strabon und Straton) gemacht. Aus dem Artikel der Suda über den Historiker Polybios erfahren wir, daB Polybtos zwei Fortsetzer gehabt habe, Poseidonios den Olbiopoliten, einen Sophisten (gemeint ist Poseidonios von Apameia, der häufig auch Poseidonios der Rhodier genannt wird), und Strabon aus Amaseia. Dieser habe als Fortsetzung des Werkes des Polybios eine Universalhistorie in 43 Büchern verfaßt‘, Alle übrigen biographischen Angaben über das Leben Strabons müssen wir aus wenigen hierzu aussagekräftigen Fragmenten der Historika Hypomnemata und der Geographika, also aus seinen eigenen Werken, heraussuchen. Auch in diesen Werken legt Strabon jedoch leider keinen zusammenfassenden autobiographischen Exkurs ein, sondern erwähnt nur in verschiedenen Büchern der Geographika interessante Einzelheiten über sich und seine Familie. Strabon spricht von Amaseia an der pontischen Küste des Schwarzen Meeres, dem heutigen Samsun, als seiner Heimatpolis (πατρίς)". Über seine Vorfahren und seinen famuliären Hintergrund unterrichtet er seine Leser in verstreuten Hinweisen insbesondere |

— Vgl.zu dieser für den Autor Strabon bezeichnenden Eigenart ausführlich CLARKE 1997.

2

Vgl. zur Biographie Strabons einführend Dubois 1891, HoNiGMANN 1931, sp. 76-155 s.v. Strabon 3 und van der VLıet 1977, 36-53,

3

Vgl, SudaX 1155 s.v. Στράτων; Daus 1882 (ND 1972) 18 zu Hesych und anderen vermutlichen Quellen der Suda.

4

Vgl. Suda Π 1941 s.v. Πολύβιος; Strabon FGrHist 91 T 1-2 sowie die Kommentare JaAcoBys zu den nur [9 sicheren Fragmenten der strabonischen Universalhistorien FGrHist IC 1926, 291—295. Ta μετὰ Πολύβιον oder Geschichte nach Polybios war nach Jacoby F 1 und T 2 ein Nebentitel zum Hauptütel Historika Hypomnemata in 47 Büchern, von denen die ersten vier (als προκατασκευὴ nach dem Vorbild des Polybios) deutlich von den übrigen $—47 als Hauptteil der Fortsetzung des Polybios abgehoben waren und vermutlich einen weiten Bogen über die hellenistisch-griechische Geschichte vom Ende der Historien des Ephoros und der Alexanderzeit bis zum Ende des polybianischen Werkes 145 v. Chr.

und dem Beginn der strabonischen Haupterzähiung schlugen. 5

Vgl.12,3.15 C. 547 (über die Stadumauer von Amaseia, seiner wohlbefestigten Vaterstadt) und 12,3,39

C. 561 (zur Beschreibung seiner Heimatstadt Amaseia).

18

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

im 10.-12. Buch der Geographika. Aus diesen Notizen entsteht das Bild einer sozial hochgestellten Familie, die unter Mithradates Euergetes (bis 120 v. Chr.), während der Regentschaft der Laodike sowie unter Mithradates Eupator (112/1-63 v. Chr.) in engen Beziehungen zum pontischen Königshaus stand. Mehrere Vorfahren des Historikers und Geographen Strabon zählten schon zu den φίλοι, den ‚Freunden‘ des Königs, und zu den σύντρο-

got, den zusammen mit den Thronfolgern der pontischen Herrscher erzogenen Kindern, Strabons Vorfahren waren als Strategen und Militärberater sowie als Stadt- und Festungskommandanten der pontischen Herrscher im Königreich Pontos selbst und in den hierzu gehórigen Gebieten von Kolchis und dem bosporanischen Reich bekannt. Die meisten Vorfahren Strabons erlangten ihre einflußreichen Positionen vom Regierungsantritt Eupators 112/1 v. Chr. bis zum Ausbruch des Ersten Mithradatischen Krieges gegen die Rómer, also zur Zeit der GroBväter und des Vaters Strabons. Einige Verwandte behielten ihre führenden Positionen sogar bis an das Ende der Regierung des Mithradates. Man darf deswegen unterstellen, daß seine Familie auch damals noch zu den vermógendsten Familien des pontischen Königreiches gehörte. Strabon ist möglicherweise der erste in seiner Familie gewesen, der entgegen der großen Tradition beider Linien der Vorfahren keine aktive militärische oder politische Rolle mehr zu spielen versucht hat, sondern sein Leben als vornehmer Privatgelehrter aus der óstlichen Honoratiorenschicht sowie als zeitweiliger Berater rómischer Politiker, besonders des Aelius Gallus, verbrachte. Eine solche

Familiengeschichte, in der auf Generationen von aktiven Politikern und Heerführern in selbständigen Städten und Reichen nun unter der rómischer Herrschaft aus der gleichen Familie Gelehrte und angesehene Honoratioren folgen, ist in der Phase der Umwandlung späthellenistischer Reiche in römische Provinzen und Klientelherrschaften im anatolischsyrischen Raum kein Einzelfall. ‚Strabon‘, das heißt ‚der Schieler', ist ein eher seltener griechischer Name. Auch einige rómische Adelige des 1. Jh. führten bekanntlich das cog-

nomen Strabo®, vor allem Pompeius Strabo, der Vater des großen Pompeius, und Servilius Strabo. Spekulationen, daß die Familie Strabons vielleicht zur Klientel des P. Servilius Isauricus gehört oder daß Strabon selbst durch einen vornehmen Römer seiner Zeit (L. Aelius Gallus?) das rómische Bürgerrecht erlangt haben kónnte, finden jedoch weder in

eigenen AuBerungen Strabons noch in sonstigen literarischen oder epigraphischen Zeug-

nissen eine genügende Stütze’. Einige Namen seiner Vorfahren, die Strabon nennt, klingen typisch griechisch und drücken -- passend zur militärischen Tradition eines Familienzweiges — kriegerische Tüchtigkeit aus, z.B. zweimal Dorylaos, Lagetas oder Stratarchas; andere griechisch gebildete Namen haben aber keinen Bezug zum Krieg und zur Heerführung, nämlich Ainiates (7),

Philhetairos und Theophilos. Andere Namensbildungen weisen dagegen auf pontisch-per-

sische (zB. Moaphernes) und paphlagonische Wurzeln (z.B. Tibios)*. Das Namensmaterial läßt also eine Mischung von hellenistisch-griechischen und kleinasiatischen Elementen erkennen, wie sie auch für die Landesbeschreibung des Kónigreiches Pontos und seiner Nachbarreiche durch Strabon in dem Gegensatz zwischen hellenisierten Poliszentren und dem durch Fürstensitze, Tempelstaaten und Festungen geprägten, indigenen agrarischen Binnenland deutlich hervortritt, Die Hellenisierung der Familie Strabons hat sich in schnellen Schritten in den letzten beiden Generationen vor seiner Geburt vollzogen, als 6

7 8

Vgl.zu.Strabo' als rómischem cognomen im 1. Jh. Kasanto 1965, 239 sowie SoLm und SALOMEES 1994 {ohne wesentliche Nachträge zu Kasanto 1965).

Vgl.aber Bowersock 1965, 129 zu der (abwegigen) Vermutung, der römische Name des Historikers

und Geographen könne eventuell Aelius Strabo gelautet haben. .Tibios' wird als in Athen typischer Name für paphlagonische Sklaven (wie ‚Manes‘ oder Midas für Phryger) in einem vergleichenden Namensexkurs 7,3,12 C. 304 erwähnt. Stehe aber 12,3,33 C. 557 zu einem Tibios, der ein vornchmer Verwandter Strabons war.

1. Zur Biographie Strabons

19

einige Familienmitglieder in Amisos und Amaseia, griechisch geprägten Poliszentren, oder im Umkreis des Königshofes von Sinope lebten. Strabons Andeutungen über seine ausgezeichnete Ausbildung ini Kleinasien, Alexandreia und Rom sowie viele ÁuBerungen und. Werturteile in den Geographika beweisen, daß er sich kulturell als Hellene, sozial als Mitglied der Elite einer rómischen Provinz und politisch eindeutig als Anhänger des rómischen, monarchisch geführten Oikumenereiches verstand.

Über die Vorfahren von der Seite seiner Mutter äuBert sich Strabon ausführlicher als über die von der väterlichen Seite. Möglicherweise waren jene prominenter und für die Verwicklung der Familie in die Geschichte des pontischen Kónigshauses und seiner Kriege mit der römischen Republik interessanter, Von Dorylaos dem Älteren (im letzten Drittel des 2. Jh. v. Chr.) bis zum Sturz des Mithradates Eupator legt Strabon einen kleinen familiengeschichtlichen Exkurs ein?. Dorylaos der Áltere war schon in der Regierungszeit des Mithradates Euergetes ein ,Freund' des Königs, ein erfahrener Stratege und Fachmann für militärische Logistik, den der pontische König mehrfach nach Thrakien und in gnechische Staaten schickte, um für seine Armeen Sóldner anzuwerben. Auf einer dieser Reisen nach Kreta geriet Dorylaos in einen der Kleinkriege, die dort seit Generationen zwischen den Städten Knossos und Gortyn ausgetragen wurden. Es ist für die damaligen Verhältnisse auf Kreta und für den hohen militárischen Rang des Dorylaos im Kónigreich

Pontos und für sein Prestige bezeichnend, daB er zum Oberbefehlshaber der knossischen Streitkräfte ernannt wurde. Ein eindrucksvoller Sieg ließ ihn in ganz Kreta zum berühmten und hochgeehrten Mann werden. Es verwundert kaum, daB Dorylaos nach der Ermordung des Mithradates Euergetes, die sich bald nach diesem Sieg 120 v. Chr. ereignete, nicht nach Pontos zurückkehrte und sich dort nicht großen Risiken für sein eigenes Leben aussetzte, sondern in Knossos als sicherem Aufenthaltsort die unklare Entwicklung in

Pontos während der Regentschaft der Kónigin Laodike bis 112/1 v. Chr. abwartete. Aus einem provisorischen Refugium wurde durch die Heirat mit einer Frau namens Sterope, die aus einer standesgemäßen einflußreichen knossischen Familie stammte, ein langjähriger Aufenthalt in Knossos. Wir wissen nicht, ob die beiden Sóhne des Dorylaos, Lagetas und Stratarchas (sowie eine Tochter, deren Namen wir nicht erfahren), einen ähnlich groBen militärischen Ruhm wie ihr Vater erlangen konnten. Sie sind später während der Regierung des Mithradates Eupator wieder nach Pontos zurückgekehrt. Eupator zog sie als Berater an seinen Kónigshof und zeichnete sie mit Ehren aus. Strabon erwähnt, daB er Stratarchas als alten Mann noch selbst gesehen habe. Die meisten Vorfahren Strabons von der mütterlichen Seite blieben aber während der Wirren des Überganges von Mithradates Euergetes zu Mithradates Eupator in Pontos und seinen Nebenländern. Dorylaos der Jüngere, der Sohn des Philhetairos aus Amisos und Neffe Dorylaos' des Älteren, war noch unter Mithradates Euergetes σύντροφος des jun9

Vgl. den ‚Stammbaum‘ Strabons nach 10,4,10 C. 477—478 anläßlich der Beschreibung von Knossos auf Kreta mit einigen Bemerkungen über Strabons Urgroßvater Dorylaos, dessen Söhne Lagetas und Stratarchas: auch 12,3,33 C. 557-558 über Dorylaos den Älteren und einen jüngeren Dorylaos, Sohn des Philhetairos aus Amisos, und den Sturz der väterlichen Sıppe durch den Verrat des Großvaters im

Dritten Mithradatischen Krieg zugunsten des Lucullus. Den Namen des GroBvaters nennt Strabon in 12,3.33 C. 557 nicht. Der Manuskripttext der Stelle ist schwer verständlich, und man wünscht sich hier einen Eigennamen des Großvaters vüterlicherseits. Daher emendierte Pais ὁ πάππος ἡμῶν ὁ πρὸς αὖτῆς mit einer nicht durch Parallelen aus Strabon für diesen Namen gesicherten Konjektur in ὁ πρὸς πατρὸς ᾿Αινιάτης. ,Ainiates* wäre (wie Tibios) ein bekannter paphlagonischer Name und würde gut in diesen Zweig der Sippe passen, vgl. 12,3,25 C. 553; über Moaphernes, den Onkel der Mutter Strabons von Seiten ihres Vaters vgl. auch 11,2,18 C. 498—499; über diese schwierige Stelle siehe schon HASEN-

MÜLLER 1863 und Pais 1922, 296 Anm. 2 (sowie ders., 1908, 410 Anm. 3); ein Stemma über die drei Zweige der Familie, den ,paphlagonischen' (Tibios, Ainiates?), ,pontisch-persischen* (Moaphernes) und ,hellenischen' (Dorylaos, Philhetairos) gibt HoNiGMANN 1931, 77-78.

20

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

gen Eupator (geb. 132 v. Chr.) und wurde von diesem als regierenden König um 105 v. Chr. zum ἐπὶ τοῦ ἐγχειριδίου und τετάγμενος ἐπὶ τῶν δυνάμεων βασιλέως ernannt. Diese Stellung entspricht etwa der eines Gardegenerals und Kriegsministers in einer Person. Im Kriegsjahr 88 v. Chr. kommandierte er im buntgemischten Heer des Mithradates

die Elitetruppe der Phalanx, 86 v. Chr. führte er das zweite pontische Invasionsheer nach Griechenland und verlor zusammen mit dem Strategen Archelaos die kriegsentscheidende Schlacht von Chaironeia'®. Mithradates schenkte ihm dennoch weiterhin sein volles Vertrauen und ernannte ihn in der zweiten Hälfte der 80er oder in den 70er Jahren sogar zum

Oberpriester des Tempelstaates von Komana!!. Dies war eine Schlüsselposition des pontischen Königreiches und die höchste Stellung, die einer der Vorfahren Strabons jemals

eingenommen hat. Denn der Oberpriester des Heiligtums von Komana stand dem Range nach im pontischen Staat unmittelbar hinter dem König und seinen Söhnen. Komana war das bedeutendste Heiligtum und sein Oberpriester die einfluBreichste religiöse Autorität des pontischen Reiches. Zum Heiligtum gehörte einer der flächenmäßig größten, reichsten und durch den Oberpriester verwalteten ‚Tempelstaaten‘ innerhalb des pontischen Königreiches, eine eigene δυναστεία, ja fast ein kleiner Staat im Staate. Auch die Söhne Dorylaos' des Älteren wurden als φίλοι an den Hof Eupators gezogen und lebten im engsten Umkreis des Herrschers. Dorylaos der Jüngere, der Oberpriester von Komana, wurde später vom König be-

schuldigt, den Verrat des Kônigreiches Pontos an die Rómer vorbereitet zu haben, um sich von diesen als rómischer Klientelkónig an Stelle Eupators einsetzen zu lassen. Über die Einzelheiten dieser für die Familiengeschichte sehr wichtigen Episode áuBert sich Strabon leider nicht. Sowohl eine genaue Datierung als auch eine kritische Überprüfung der Vorwürfe gegen den jüngeren Dorylaos ist auf der Basis der uns vorliegenden Quellen daher schwierig'?, Seine Machtstellung war so herausragend, daß er tatsächlich mit römischer Hilfe nach der pontischen Krone greifen, jedenfalls aber Mithradates Eupator dies ernsthaft von ihm befürchten konnte. Dieser neigte zeitlebens zu Mordbefehlen und schnellen Todesurteilen, wenn er seine Position bedroht sah, und wurde am Ende seiner Regierung noch immer mißtrauischer. Es häuften sich nämlich tatsächlich in den Kriegen gegen Lucullus und Pompeius schwere Fälle von Verrat auch durch Verwandte, langjährige Freunde und Günstlinge. Falls der Verrat des Dorylaos in etnem Zusammenhang mit den ersten schweren Niederlagen gegen Lucullus stehen sollte, wie REINACH vermutet, zählte Dorylaos der Jüngere zu den ersten Mitgliedern der Familie Strabons, die sich — wie andere prominente hellenische φίλοι, z.B. Metrodoros von Skepsis — nun zu den Römern umorientierten, weil Mithradates zu unterliegen drohte und man auf der Seite der römischen Sieger reiche Belohnung und eine dauerhafte Sicherung der bisherigen sozialen Stellung er-

hoffte. Neben Dorylaos fielen zur gleichen Zeit und unter dem Vorwurf der Beteiligung am Verrat auch Lagetas, Strabons Großvater mütterlicherseits, und sein Großonkel Stratarchas in Ungnade. Die Tochter des Lagetas, Strabons Mutter, erlebte als Kind noch einige Zeit das prachtvolle, aber auch intrigenreiche und gefährliche Leben am Königshof Eupators. Auch der Ehemann der Großmutter Strabons hatte eine hohe Position inne und war ein Bruder des Moaphernes, des mithradatischen Gouverneurs von Kolchis. Die sich abzeichnende Niederlage Eupators gegen Lucullus hatte die bisher einmütige Loyalität der Vorfahren Strabons zum pontischen Kónigshaus gegen Ende der Regie(0 It

12

Belege bei Reinach 1895 (ND 1975), 116 und 180ff. Vgl. 104,10 C. 477-478; Dorylaos, Sohn des Philhctairos, wird als σύντροφος auf einer Inschrift zu einer Büste an der Westwand des Heroons des Mithradates auf Delos erwähnt, vgl. Dirrsach Choix 1921, 136f Nr. 9 und zu weiteren σύντροφοι und φίλοι des Eupator McGmG 1986, 90f sowie zu Dorylaos auch REINACH 1895, 289f. Vgl. Reinach 1895, 332-333.

1. Zur Biographie Strabons

21

rung Eupators also aufgebrochen. Führende Mitglieder der Familie, vor allem Dorylaos der Jüngere, Lagetas, Stratarchas und Strabons eigener Großvater väterlicherseits (Ainiates?), suchten mit dem römischen Feldherr Lucullus politisch ins Geschäft zu kommen. Strabons Großvater verriet möglicherweise aus privater Rache, aber wohl auch aus politi-

schem Kalkül nicht weniger als fünfzehn Festungen, die er im Auftrag Eupators kontrollserte, an die Römer. Doch die baldige Ablösung des Lucullus durch seinen Gegner Pompeius betrog den Verräter um seinen erhofften und wohl insgeheim zugesagten Lohn. Mithradates hatte zuvor schon zwei Mitglieder der Familie, nämlich Tibios, den Neffen des GroBvaters Strabons, und Theophilos, den Sohn des Tibios, hinrichten lassen. Die

Familie Strabons mußte die Hinrichtungen des Tibios und Theophilos angesichts ihrer Nähe zum Königshaus und der eigenen exponierten Stellung als ein klares Zeichen dafür

verstehen, daß sie direkt bedroht war. Solche ‚Säuberungsaktionen‘, die sich gegen Ende der Regierung des Mithradates häuften, haben einem großen Teil der pontischen ein-

flußreichen Familien die Entscheidung für Rom erleichtert. Andere vornehme Mitglieder der Familie Strabons, z.B. Moaphernes als Gouverneur des Mithradates in Kolchis, hiel-

ten dem König bis zuletzt die Treue und wurden deswegen in seinen Untergang hineingezogen. Diese dramatischen Ereignisse der späten 70er und 60er Jahre fielen schon in die Zeit unmittelbar vor Strabons Geburt. Durch Auswertung mehrerer absoluter oder relativer Zeitangaben ın den Geographi-

ka kann man versuchen, aus dem Werk selbst das Geburtsjahr Strabons näher einzugrenzen. Methodisch wird bei diesem Versuch vorausgesetzt, daß alle Ereignisse, die Strabon mit den Zeitangaben καθ᾽ ἡμᾶς oder ἐφ᾽ ἡμῶν (d.h. zu unserer Zeit) datiert, auch tatsáchlich immer in seine eigene Lebenszeit fallen, während Datierungen mit der ungenauen Formulierung μικρὸν πρὸ ἡμῶν (d.h. wenig vor unserer Zeit) auf jeden Fall Ereignisse vor der Geburt Strabons meinen. Nur unter diesen Annahmen kann man dann das früheste von Strabon erwähnte Ereignis nach seiner Geburt und das späteste vor ihr ermitteln. Diese Eckdaten führen auf einen Zeitraum, während dessen nach Strabons eigener Aus-

sage seine Geburt liegen muß!?. Diese Methode ist nur verläßlich, wenn Strabon die genannten Zeitangaben durchgehend präzise und im chronologisch-autobiographischen Sinne verwendet. Bei der groben Unterscheidung von Ereignissen vor oder während der eige-

nen Zeit scheint diese Annahme zuzutreffen. Strabons Gebrauch der Zeitangaben νεωστί (jüngst) oder νῦν (jetzt) Jäßt dagegen eine wünschenswerte Präzision zur Bestimmung von Ereignissen ausschließlich der augusteisch-tiberischen Zeit vermissen. Mit beiden Zeitangaben bezeichnet Strabon nämlich auch Ereignisse während seiner gesamten Lebenszeit und schon vor dem Prinzipat des Augustus. Als ein bemerkenswertes sittengeschichtliches Ereignis aus seiner frühen Lebenszeit berichtet Strabon in einem Vergleich, den er in die Beschreibung der Sitten der Tapyrer

im 11. Buch einfügt, von der fórmlichen Abtretung der Ehefrau Catos Marcia, die mit ihm 13

Diese Untersuchung wurde zuerst durchgeführt von NiEsE 1878, 33—45, dessen Ergebnissen ich für das vermutliche Geburtsjahr Strabons folge, während ich in der Einschätzung des Todesjahres und in den Hypothesen über die Enstchungszeit und -weise der Historika Hyÿpomnemata und der Geographika von ihm abweiche. PorHECARY 1997, 235-246 nimmt als Ergebnis einer erneuten Untersuchung aller Stellen mit den Zeitangaben καθ᾽ ἡμᾶς oder ἐφ᾽ ἡμῶν in den Geographika an, Strabon gliedere seine

historischen Notizen in zwei große Zeilblöcke, einerseits bis zum Ende der Herrschaft des Mithradates und andererseits nach der Neuorganisation Kleinasiens durch Pompeius (65-63 v. Chr.). Zeitangaben

καθ᾽ ἡμᾶς oder ἐφ᾽ ἡμῶν betreffen ihr zufolge immer Ereignisse dieser letzten Periode, in deren Anfang (ca. 65-60 v. Chr.) auch Strabons Geburt falle, bezeichneten aber nicht stets im strengen Sinne Ereignisse während seiner Lebenszeit. CLARKE 1997, 108 betont, daß solche Zeitangaben insbesondere in Verbindung mit bestimmten Historikern, Philosophen oder anderen Personen nicht in erster Linie präzise chronologische Informationen bieten, sondern den so bezeichneten Personen eine einflußreiche Rolle in der Formung von Strabons eigenen Ansichten und Einstellungen zuweisen sollten.

22

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

schon mehrere Kinder hatte, an Hortensius (+ 50 v. Chr.). Diesen Vorfall muß Strabon

aber keineswegs selbst in Rom miterlebt haben, sondern er mag darüber wegen der Promi-

nenz der beteiligten Männer bei einem späteren Besuch in der Stadt gehört haben", Er erwähnt auch Ptolemaios Auletes, der 58 v. Chr. von seinen ägyptischen Untertanen und einer rivalisierenden Hoffraktion vertrieben, nach gewaltigen Bestechungen an die Römer durch Gabinius aber wieder eingesetzt wurde und erst 51 v. Chr. gestorben war, noch als

seinen ,Zeitgenossen'!5. Ein in seiner Bedeutung umstrittenes biographisches Zeugnis hat Athenaios in seinem Gelehrtengastmahl überliefert!®. Strabon soll an einer Stelle gegen Ende des heute leider nur noch unvollständig überlieferten 7. Buches der Geographika gesagt haben, „daß er den stoischen Philosophen Poseidonios gekannt habe“. Der Text des Testimoniums bei Athenaios ist jedoch nicht frei von sprachlichen und sachlichen Anstößen und bietet daher

Interpretationsprobleme!?. Akzeptiert man die handschriftliche Überlieferung der Athe-

naiosstelle, wie dies BALADIE in seiner Ausgabe des 7. Buches der Geographika tut, fällt die Stelle als Zeugnis für eine biographische Verbindung zwischen Poseidonios und Strabon weg. Denn dann hat Strabon lediglich bei der Beschreibung Makedoniens, Thrakiens oder der nordosteuropäischen Regionen beiläufig gesagt, daß irgendjemand anders den Poseidonios gekannt habe. Dabei kann es sich z.B. im Rahmen einer Städtebeschreibung um einen ἔνδοξος ἀνήρ handeln, aber man könnte auch mit MEINEKE oder

KAIBEL an Pompeius denken!®. Sollte Strabon aber an dieser Stelle tatsächlich von sich selbst sprechen, ergeben sich gravierende chronologische und sachliche Probleme. Denn

der ca, 63 v. Chr. geborene Strabon müßte schon als Junge den ca. 51 v. Chr. verstorbenen Philosophen ‚gekannt‘ haben. Der originale Wortlaut im Griechischen deutet auf eine meistens längere Zeit dauernde, intensive Form der persönlichen Bekanntschaft, z.B. ein Schülerverhältnis oder eine politische und private Freundschaft. Aber diese Möglichkeiten scheiden wohl aufgrund der Jugend Strabons und seiner mehrjährigen Studien als junger Mann in Nysa (nicht aber auf Rhodos, wo Poseidonios in seinen letzten Lebensjahren lehrte) aus.

Näher an das Geburtsjahr Strabons führt die Erzählung in den Geographika von der Verbannung des C. Antonius, des Onkels des Triumvirn, im Jahre 59 v. Chr. Antonius 14

119,1 C. 515; vgl. Plut. Cat. 25 mit Harıch 1990, 212-223. Im Unterschied zu den Tapyrern und

anderen Barbarenstämmen war allerdings in Rom eine vorherige Scheidung und neue EheschlieBung formale Voraussetzung der Abtretung der Frau an einen Standesgenossen. Diese wichtigen Unter15

schiede hat Strabon nicht erwähnt. Vgl. über Ptolemaios XD. Auletes 17,1,11 C. 795-796; ferner 17,1,13 C. 798: die schlechteste und sorgloseste Regierung Ägyptens unter den Piolemäern sei unter Auletes gewesen; 12,3,34 C. 558 zu

seiner Wiedereinsetzung durch Gabinius; 14,6,6 C. 684f eine Anekdote über das Ende der ptolemäischen Herrschaft auf Zypern und die Errichtung der rómischen prátorischen Provinz. 16 17

Athen. Deipnos. 14,657e-f = 7 Fr. 61 Baladié = Fr. 60 (58b) Jones = Poseidonios T 8 Edelstein/Kidd mit Kommentaren Bd. 1, 11-12. Die besseren Handschriften überliefern hier den Akkusativ αὐτόν, nicht aber das grammatisch gefor-

derte reflexive, αὑτόν oder den Nominativ αὐτός, sofern man unter ‚er selbst‘ Strabon verstehen wil]. 18

Daher ist hier von einigen Interpreten (ScHwetGHAUSER folgend) αὐτός konjiziert worden. Memere und KaAtBEL berufen sich bei ihrer Vermutung auf Strabon 3,4,10C. 161 und 11,1,6 C. 491/92. In der vorliegenden Athenaiosstelle sind vielleicht verschiedene Strabonstellen kontaminiert worden, und dabei sind wohl sachliche und chronologische Fehler entstanden (vgl. auch 3,4,10-11 C. 161-162 über Pompeiopolis (Pompelon) und den Vergleich verschiedener ausgezeichneter „Schinkenregionen“ bei Strabon mit dem Exzerpt bei Athenaios). EpELSTEIN und Kıpp erwähnen im Kommentar zu T 8 (Bd. 1, t1f) noch weitere Versuche, diese problematische Notiz über Poseidonios zu emendieren oder zu

interpretieren. Es wird beispielsweise eme Verwechslung des Poseidonios mit Panaitios durch Athenaios erwogen. In 12,3,16 C. 548 bezeichnet sich Strabon ausdrücklich als Schüler oder Hörer des Tyrannion und formuliert dies auch bei anderen Lehrern eindcutig. Er hätte sich also vermutlich wohl ühnlich klar ausgedrückt, wenn er wirklich ein Schüler des Poseidonios gewesen wäre.

1. Zur Biographie Strabons

23

hatte 63 sein Konsulat zusammen mit Cicero geführt, hielt sich seit dem Jahre 59 v. Chr. auf der Insel Kephallenia auf, kehrte aber von Caesar begnadigt vor seinem Tode wieder nach Rom zurück. Strabon sagt auch von diesen Ereignissen, sie seien während seiner

eigenen Lebenszeit geschehen”.

Ebenfalls schon während seiner eigenen Lebenszeit sei ferner Galatien durch Pompeius geteilt worden. Pornpeius traf diese Maßnahme zur Teilung Galatiens in drei Teilge-

biete auf seiner Rückkehr aus Syrien nach Amisos vor dem Wintereinbruch 63 v. Chr.?®. Die Teilung Galatiens ist das früheste Ereignis, das Strabon mit einer der Zeitformeln καθ᾽ ἡμᾶς oder ἐφ᾽ ἡμῶν ausdrücklich aus seiner eigenen Lebenszeit nennt. Sie ist damit ein ferminus ante quem und ein erstes entscheidendes Testimonium für Strabons Ge-

burtsjahr. Auch die Gegenprobe durch die Suche nach den spätesten genannten Ereignissen, die ausdrücklich vor die eigene Lebenszeit Strabons datiert werden, bestáugt, daB wir 64/3 v. Chr. als terminus ad quem der Geburt Strabons annehmen dürfen. Der bekannte Philosoph Antiochos von Askalon, der ‚kurz vor seiner etgenen Zeit' gelebt habe, starb nämlich

wahrscheinlich 68/7 v. Chr.2!. Strabon erwähnt weiter, daß das Binnenland von Paphlagonien nicht mehr zum pontischen Reich der Nachfolger des Mithradates zähle, sondern kurz vor seiner eigenen Lebenszeit durch Pompeius an verschiedene Dynasten verteilt worden sei. Eutrop und die Epitome aus Livius datieren diese MaBnahme nach Pompeius’ Siegen über die Iberer und Albaner und vor dem Zug nach Syrien und Judäa in einem Zuge mit der Neuordnung von Pontos. In der ersten Jahreshälfte 64 hat die Verteilung einiger Gebiete von Paphlagonien an die Nachkommen des Pylaimenes stattgefunden. Die Vermutung der Geburt Strabons im Jahre 64/63 v. Chr. wird also auch durch diese Notiz bestätigt”?. Bei diesem heute von den meisten Forschern angenommenen, ungefähren Geburtsdatum wäre Strabons als Begleiter des Aelius Gallus auf dessen Reise durch

Agypten etwa 40 Jahre alt gewesen. Eine ähnliche Methode erlaubt auch, einen terminus post quem für das Todesjahr

Strabons festzulegen, der in Anbetracht seines hohen Alters dem tatsáchlichen Todesjahr nahekommen wird. Zum Zweck der Eingrenzung des Todesjahres muB man die spätesten in den Geographika erwühnten Ereignisse sammeln. Diese Methode wird zwar hinfällig, sofern man späte Passagen zu postumen Zusätzen namentlich nicht näher bekannter Herausgeber der Geographika erklärt. Aber hierfür gibt es keine hinreichend starken Argumente. Mehrfach erwühnt Strabon das verheerende Erdbeben von 17 n. Chr., das auch Sardeis und Magnesia am Sipylos zerstörte”. Er rechnet im 4. Buche vor, daß es ‚jetzt‘ das 33. Jahr sei, seit die Alpenvólker durch Tiberius und Drusus unterworfen wurden. Diese Stelle führt also auf das Jahr 18/19 n. Chr.“*. Strabon erwähnt ferner, Kommagene sei ‚jetzt‘

Provinz geworden. Dies spielt auf die Neuordnung von 18 n. Chr. an. Germanicus, über dessen Triumph am Ende des Monates Mai 17 n. Chr. in Rom Strabon möglicherweise als 19

Vgl. 10.2.13 C. 455.

20

Vgl. 12,5,1 C. 567; App. Mithr. 114 berichtet Details über die Chronologie.

21

Vgl.16.2,29 C. 759; über Cicero als Hörer des Antiochos in Athen siehe Cic. Brut. 315 und fin. 5,1. Zu Antiochos' Leben und Lehren siehe ausführlich GLucker 1978 und FLADERER 1996. Vgl. 12,3.41 C. 562 und 123,1 C. 541 Gebiete der Nachkommen des Pylaimenes; siehe Eutr. Brev.

22

6,14 nach Liv. Epit. 102.

23 24

25

12,8.16 C. 579 Laodikcia als Erdbebengebiet; 13,3,5 C. 621 über Erdbeben in Magnesia in jüngster Zeit und 13,4,8 C. 627 Tiberius läßt Sardeis und andere erdbebengeschädigte Stádte wieder aufbauen; vgl. Tac. ann. 2,47. 4,69 C.206.

Vgl 16,2,3 C. 749 über Kommagene als Provinz; zum Jahr siehe Tac. ann. 2,56.

24

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Augenzeuge berichtet, und Drusus der Jüngere werden von Strabon noch beide als lebend

erwähnt. Damit ergibt sich das Todesjahr des Germanicus, 19 n. Chr., als terminus ante quem der letzten strabonischen Zusätze zu Buch 6%. Einige Anordnungen des Germanicus im Osten von 18 n. Chr. werden von Strabon noch berichtet, andere aber nicht mehr. So erfahren wir zwar die 18 n. Chr. vollzogene Umwandlung Kappadokiens nach dem Tode des Archelaos 17 n. Chr. in eine Provinz, aber nicht mehr die folgenden endgültigen

Regelungen". Zenon, der Sohn der Pythodoris und des Polemon, wurde unter dem Namen Artaxias von Germanicus 18 n. Chr. als König in Armenien eingesetzt. Strabon erinnert an die Ermordung des Kónigs von Thrakien Kotys noch im gleichen Jahre oder An-

fang 19 n. Chr.28. Es ist offenkundig, daß Strabon sich für die Person des Germanicus und die rómische Politik gegenüber den licher ist es, daB er den Tod des keineswegs notwendig, deswegen Strabon diesen Todesfall gar nicht

óstlichen Klientelkónigen interessierte. Umso erstaunGermanicus 19 n. Chr. nicht berichtet. Es ist jedoch mit Hilfe des argumentum e silentio anzunehmen, dab mehr erlebt hat. Diese Folgerung hatte aber schon Nis-

SE gezogen”. Die strabonische Notiz, daß Kyzikos ‚bis zum heutigen Tag‘ noch eine freie Polis mit großem Territorium geblieben sei wird von den einen Interpreten als wichtigstes Testimonium für einen terminus post quem des Todesjahres akzeptiert, von anderen aber — methodisch unzulässig — als ein Nachtrag eines postumen Editors gedeutet. Entscheidende Bedeutung für die Festlegung des Todesjahres Strabons kann die Notiz indessen vielleicht auch dann nicht beanspruchen, wenn sie von Strabons eigener Hand stammt. Denn unter Augustus verlor die Polis nach antirómischen Ausschreitungen schon in den 20er Jahren v. Chr. für einige Jahre erstmals ihre ‚Freiheit‘, endgültig aber erst nach erneuten Unruhen unter Tiberius 25 n, Chr. Bei einem wörtlichem Verständnis der Notiz über Kyzikos kann Strabon hier nur den Status der Stadt vor den ersten Unruben unter Augustus im Auge

haben. Dann fällt sie aber als Zeugnis für das Lebensende Strabons weg". An drei Stellen der Geographika wird jedoch erwähnt, daß König Iuba II. jüngst ver-

storben sei?!. Strabons mehrfacher Hinweis auf den Tod des mauretanischen Klientelkónigs, bekannten Geographen und Historikers führt uns nach neueren Untersuchungen über 26

Triumph des Germanicus am 26.5.17 n. Chr.: 7,1,4 C. 291—292 und Tac. ann. 2,41,2-3 mit KOESTERMANNS Kommentar 326f; Germanicus und Drusus ais Söhne des Tiberius noch lebend: 6,4,2 C. 288. Tod des Germanicus:

27 28 29

30

10.10.19 n. Chr. vgl. Tac. ann. 2,72,2. Tacitus schildert bewegt die Trauer um

Germanicus besonders auch im römischen Orient. Um so mehr erstaunt, daß Strabon den Tod des Germanicus (vielleicht aus Rücksicht auf Tiberius?) nicht einmal erwähnt. Drusus starb bald nach dem 1. Juli 23 (nach Suct. Tib. 62, 1f, vgl. auch Tac. ann. 4,9,2 zu Ehrungen). 6,4,2 C. 287—288 ist auch eine Kernstelle für die Romideologie Strabons und täßt Rückschlüsse auf seine historisch-politischen Auffassungen zu (siche Kapite] IIl.2.). Vgl. 12.1.4 C. 534-535; Tac. ann. 2,42. Zenon: 12.3.29 C. 556; Koiys: 7 Fr. 47 Baladié = Fr. 47 Jones. Auf Kotys folgte einer seiner Söhne: 12.3.29 C. 556. Nisse 1878, 35; ähnlich mit Bezug auf die Veränderungen im Osten vor dem Tod des Germanicus noch Syme 1995, 357: „Dated to the years 17 and 18 these are the latest events that Strabo can be proved to have chronicled". Vgl. 12,8,11 C. 576. Cass. Dio 54.7.6 berichtet über Unruhen in Kyzikos in den 20er Jahren v. Chr., in deren Verlauf mehrere römische Bürger zu Tode gepeitscht wurden. Als Strafe hierfür nahm Augustus der Stadt ihren Status als freie Stadt auf fünf Jahre weg, vgl. Bowersock

1965, 21 Anm. 4. Unter

Tiberius kam es zu erneuten antirömischen Unruhen, einige Römer wurden ins Gefängnis geworfen,

3]

und nach der Unterdrückung dieser Unruhen im Jahre 25 n. Chr. verlor Kyzikos endgültig seinen Status als freie Stadt, vgl. Tac. ann. 4,36; Suet. Tib, 37; Cass. Dio 57,24,6 sowie Bowersock 1965, 108. 17,37 C. 828 und 17.3.9 C. 829 Iuba Il. ist jüngst verstorben, sein Sohn Ptolemaios hat den Thron übernommen; 17.3,25 C. 840 cine Übersicht über das rómische Reich in der Zeit des Augustus und in den ersten Jahren des Tiberius: dort wird nochmals Ptotemaios als Nachfolger Iubas II. genannt.

1. Zur Biographie Strabons

25

die Regierungszeit Tubas auf 23/24 n. Chr. als einen sicheren terminus post quem des Todes Strabons. Aus dem Befund der mauretanischen Münzprägungen ergibt sich námlich für Iuba, der 25 v. Chr. unter rómischem Druck als Kiientelkönig Mauretaniens ein-

gesetzt wurde, eine Regierungszeit von 48 Jahren??, HONIGMANN und andere Interpreten wollen hingegen die Bemerkung über Kyzikos und die drei Stellen über Iubas II. Tod als bloße postume Zusätze in das strabonische

Werk als Zeugnisse aus der Diskussion um das Todesjahr Strabons ausschließen. HonicMANN selbst tritt für ein Todesdatum Strabons schon bald nach 19 n. Chr. und „gewiß vor

23" ein. Bei den Stellen über Iuba handelt es sich jedoch meines Erachtens um aktualisierende Zusätze aus der eigenen Hand Strabons ähnlich denen, welche die Jahre 18/9 n. Chr. und die Anordnungen des Germanicus im Osten betreffen. Honismann kann keine einleuchtende Erklärung dafür geben, aus welchem Interesse ein postumer Editor oder spáterer Abschreiber ausgerechnet dreimal an den Tod eines mauretanischen Klientelkónigs 23 n. Chr. und an seine Thronfolge erinnern sollte, während die für das gesamte Reich entscheidend wichtigen Ereignisse der Todesfille des Germanicus 19 n. Chr. und des jüngeren Drusus 23 n. Chr., die für jeden späteren Editor und seine Leserschaft doch ungleich wichtiger waren, unerwähnt bleiben. Wie hat man sich unter den damaligen Bedingungen der Buchproduktion und bei der typischen Arbeitsweise antiker Gelehrter die Tátigkeit eines postumen Editors der Werke

Strabons überhaupt vorzustellen? Man könnte vermuten, daß ein Bekannter Strabons das vom Autor selbst zu Lebzeiten noch nicht zur Abschrift durch andere Personen freigegebene Exemplar durch testamentarische Verfügung des Verstorbenen oder durch einen bloBen Zufall in die Hände bekam. Es wäre jedoch ganz außergewöhnlich, wenn ein solcher früher ‚Editor‘ es unternommen hätte, eigenmächtig massiv durch sachliche Zusätze und Aktualisierungen in den vorhandenen Textbestand einzugreifen und seinerseits — und zwar unsystematisch, nicht aber von Buch zu Buch und von einer Region der Oikumene zur nächsten fortschreitend — Einzelheiten von nicht gerade überragender Bedeutung wie den

Tod Iubas II. zu ergänzen. Es erscheint auch generell problematisch, mit der durch kein antikes Testimonium zu stützenden Hypothese eines frühen, philologisch-wissenschaft-

lich interessierten Editors zu operieren. Denn die in der alexandrinischen Tradition stehenden Philologen und Grammatiker des frühen Prinzipates betrachteten es als ihre Haupt-

aufgabe, kritische Texteditionen der kanonischen und ‚klassischen‘ Meisterwerke vorzulegen. Einem durch den Tod des Autors unvollendeten und noch weitgehend unbekannten Geschichts- und Geographiewerk würde sich ein solcher antiker Gelehrter höchstens dann als Editor‘ zuwenden, wenn es z.B. von einem Mitglied des Kaiserhauses selbst verfaßt wurde. Statt unsystematischer aktualisierender Zusätze erwartet man ferner als typische Eingriffe eines antiken ‚Editors‘ eher sachliche Erläuterungen und Verständnishilfen, die aber zur Lektüre des strabonischen Werkes für gebildete Leser des 1. Jh. n. Chr. gar nicht erforderlich waren. Auch solche allgemeinen Überlegungen über die Arbeitsweise antiker Editoren und Kommentatoren lassen die Meinung wahrscheinlich scheinen, daß auch die

späten aktualisierenden Zusätze in den Geographika gerade aufgrund ihres unsystematischen und subjektiven Charakters noch von der Hand des Autors Strabon selbst stammen

und deswegen als Zeugnisse für eine Eingrenzung des Todesjahres auf 24 n. Chr. oder bald danach mit ihrem vollen Gewicht herangezogen werden dürfen. Obwohl Strabon deutlich länger unter dem Prinzipat des Augustus als unter dem des Tiberius gelebt hat und es aufgrund der gesamten Tendenz seines Werkes, auf der Basis 32

Zu luba siehe auch Tac. ann. 4.5; zur Datierung der Regierungszeit GskLL, Bd. VIII, 1928, 222f und R.-

33

Vgl. HONIGMANN 1931, 77-78.

ALFOLDI 1979, 69-72, die seine Regierungszeit von 25 v. Chr. 23 n. Chr. ansetzt.

26

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

zahlreicher Einzelstellen (siehe die Kapitel IIL.2.—4.) und wegen der Verbindung seiner Universalhistorie mit einer Oikumenegeographie bessere Gründe dafür gibt, ihn einen augusteischen als einen tiberischen Autor zu nennen, bezeichnen Hesych, die byzantinische

Chresthomatie, marginale byzantinische Notizen zu zwei Stellen der Geographika?^ sowie die Suda Strabon wohl lediglich wegen des Todesjahres innerhalb der Regierungszeit

des Tiberius schematisch als einen tiberischen Autor?^. 2. Strabons Ausbildung, seine Reisen und wichtigen Wohnorte mit einigen Vermutungen über seinen Aufenthaltsort von der Zeitenwende bis zum Tode Möglicherweise wurde Strabons Familie bald nach seiner Geburt durch die Wirren nach dem Sturz des Mithradates Eupator dazu veranlaßt, von Amisos nach Nysa in Westkleinasien umzuziehen. Dort hörte jedenfalls Strabon schon in einem recht jungen Alter den gesamten Lehrkurs des Aristodemos, des Sohnes des Menekrates, der seinerseits ein Schüler des berühmten Aristarchos war. Aristodemos hatte sowohl in Rhodos als auch in Nysa eine Schule für Rhetorik und Grammatik. Später siedelte Aristodemos nach Rom über und wurde unter anderem auch Lehrer der Söhne des Pompeius Magnus. Strabon betont aber ausdrücklich, daB er noch in Nysa den gesamten Kurs des Aristodemos in Rhetorik

und Grammatik gehört habe?, Man kann vielleicht Aristodemos sogar als wichtigsten

Lehrer Strabons betrachten. Eventuell wurde auch das historisch-geographische Interesse Strabons schon durch ihn oder durch seinen als geographischen Autor bekannten Bruder Sostratos gefördert”. Selbst vornehme Söhne aus begüterten Familien mußten ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben sowie die bildungsmäßigen Voraussetzungen mitbringen, um am höheren Unterricht einer Koryphäe wie Aristodemos teilnehmen zu können, dessen vollständiger Rhetorikkurs ein komplettes damaliges ‚Hochschulstudium‘ darstellte. Wenn Strabon also ungefähr 64/3 v. Chr. geboren wurde, so kann man seine mehrjährige Schülerschaft in Nysa nicht vor das Ende der 50er oder sogar erst in die mittleren 40er Jahre v. Chr. datieren. Noch während er in Kleinasien lebte, mag Strabon außerdem einige griechische Intellektuelle kennengelernt haben, die er in den Geogra-

phika heraushebt. So nennt er ausdrücklich Diodoros den Jüngeren aus Sardeis als seinen Freund, der ein Historiker und Dichter im attizistischen Stil gewesen sei??. Ferner behauptet Strabon, P. Servilius Isauricus noch gesehen zu haben??, Dieser starb aber schon 44 v. Chr. in Rom, als Strabon etwa zwanzig Jahre alt war. Strabon sagt nicht, wo und aus welchem AnlaB er Isauricus gesehen habe. Man kann daher aus dieser Ángabe weder für das Geburtsjahr Strabons noch für das Ende seiner Studien in Nysa und die erste Reise nach Rom entscheidende Hinweise ableiten. Der Wortlaut der strabonischen Notiz 34

Die Notizen finden sich zu 6,4,2 C. 288 und 13,2,3 C. 618 (über M. Pompeius, Sohn des Historikers

35

Theophanes, und dessen Sohn, einen Freund des Tiberius). Vgl. zu allen Stellen, die auf Augustus, Tiberius und die Mitglieder des julisch-claudischen Hauses anspielen, und zu Strabons Eigenart als typisch „augusteischem“ Autor Kap. II. 2.4.

36 37 38 39

Vel. 14,1.48 C. 650. Über Sostratos siehe FHG IV S04ff. Zu Spekulationen über den Einfluß des Aristodemos auf Strabons historisch-geographische Interessen zuletzt Linosay 1997, 296. "Vgl. 13,4,9 C. 628. vgl. 12,6,2 C. 568—569; die Stelle wird von Birascht 1994, 181 Anm. 1, Mappou 1994, 181—210 und Linosay 1997, 489 zu Unrecht als angeblich sicherer Beleg für einen ersten Romaufenthalt Strabons im Jahre 44 v. Chr. angeführt. Ein Strabo Servilius aus Nysa, den Cicero (fam. 13,64) ohne Zusammen-

hang mit dem Historiker und Geographen erwähnt, sollte bei allen Überlegungen zu Strabons Biographie ausscheiden.

1. Zur Biographie Strabons

27

beweist auch nicht, daß Strabon schon vor dem Jahr 44 v. Chr. oder doch in eben diesem

Jahr in Rom gewesen sei. Denn er kann Isauricus auch in Kleinasien gesehen haben, das diesem Römer als einem Spezialisten für die Region Anatolien bestens vertraut war. Ein Aufenthalt Strabons in Rom schon vor oder doch im Jahre 44 v. Chr. ist wegen seiner Jugend und der eigenen Berichte über philosophische Studien in frühem Alter an mehreren Orten in Kleinasien, besonders in Nysa, sogar unwahrscheinlich.

Strabon nennt unter seinen wichtigen Lehrern auch den peripatetischen Philosophen

und Grammatiker Tyrannion aus dem pontischen Amisos°°. Tyrannion der Ältere, eigentlich Theophrastos, Sohn des Epikratides und Schüler des Dionysios Thrax, forschte und lehrte überwiegend in Rom. Er war ein berühmter Gelehrter und der Besitzer einer der bedeutendsten Bibliotheken seiner Zeit. Zuerst Kriegsgefangener, dann Freigelassener des L. Licinius Murena, wurde Tyrannion ein guter Bekannter des Atticus, Ciceros, dessen Neffen er unterrichtete, und Caesars. Tyrannion erwarb sich durch breitgestreute gelehrte Publikationen hohes fachliches Ansehen. Er förderte entscheidend die Neuedition der als Kriegsbeute Sullas nach Rom gelangten aristotelischen Schriften. Daran erinnert auch

Strabon ausführlich®!. Ein Brief Ciceros an Atticus deutet an, daß Tyrannion für einen

Grammatiker des 1. Jh. außergewöhnlich große geographische Interessen und Kenntnisse gehabt und damals an einem geographischen Werk gearbeitet habe*2, Sollte dies zutreffen, würe es vielleicht ein biographisch wichtiger Hinweis darauf, daB geographische Interessen seines Lehrers Tyrannion auch den Schüler Strabon beeinfluBt haben kónn-

ten??. Ciceros Notiz könnte sich jedoch auch nur auf eine philologisch-grammatische Kri-

tik des Tyrannion an bestimmten Thesen früherer Gelehrter, z.B. Eratosthenes, Serapion oder Hipparchos beziehen. Da ein Studium Strabons bei Tyrannion nur nach den vorherigen Studien bei seinem wichtigsten Lehrer Aristodemos in Nysa als Vertiefung und Ergánzung vorzustellen ist, darf man als Ort der Studien Rom vermuten, Es liegt jedoch kein Anhaltspunkt dafür vor, schon das Jahr 44 v. Chr. als exakten Zeitpunkt solcher Studien anzusetzen. Denn Tyrannion lebte und lehrte in Rom bis ca. 26/25 v. Chr., und daher wäre ein ,Aufbaustudium' während der bezeugten Romaufenthalte Strabons in den 30er und frühen 20er Jahren ebenfalls gut vorstellbar. Xenarchos aus Seleukeia am Kalykadnos ist ein dritter Lehrer Strabons, an den er als berühmten zeitgenóssischen Peripatetiker bei der Beschreibung Seleukeias kurz erinnert. Xenarchos habe sich nicht lange in seiner Heimat aufgehalten und dort seine Zeit vertan, sondern sei bald in die intellektuellen Metropolen seiner Zeit gezogen, nach Alexandreia, Athen und schließlich Rom, An allen drei Orten habe er als Lehrer gewirkt. In Rom sei er mit dem Philosophen und Gelehrten Areios Didymos und sogar mit Augustus bekannt gewesen. Bis ins hobe Alter habe er dort hochgeehrt gelebt, schlieBlich sei er blind gewor40

Vel. 12,3,16 C. 548; den Unterricht bei Tyrannion datiert BigAscHi 1994, 184 Anm. 6 ins Jahr 44, ohne hierfür überzeugende Quellenbelege angeben zu können.

41

Vgl. 13,1,54 C. 609; vgl. zum Einfluß des Aristodemos und des Tyrannion auf Strabon und zu Strabons

42

Vel. Οἷς. Att. 2,6,1: „er enim γεωγραφικὰ quae constitueram, magnum opus est ita valde Eratosthe-

ausführAbsichten mit dem ausführlichen Exkurs über die Geschichte der Bibliothek des Aristoteles

lich LiNpsAv 1997, 290-298.

nes, quem mihi proposueram, a Serapione et ab Hipparcho reprehenditur; quid censes, st Tyrannio

accesserit? et hercule sunt res difficiles ad explicandum et ὁμοειδεῖς nec tam possunt avünpoypaφεῖσθαι, quam videbantur". Hinweise auf Ciceros Plan zu einem geographischen Werk, auf die Schwie-

43

in den rigkeit der geographischen Materie und seine nur geringen Fortschritte findet man 59 v. Chr. Atticusbriefen 2,4,3 und 2,7,1: Strabon selbst hebt besondere geographische Interessen oder Schriften des Tyrannion jedoch nicht hervor, vgl. 12,3,16 C. 548 und 13,1,54 C. 609. So schon SITLINGTON STERRETT, dessen Entwurf einer Einleitung in seine geplante Strabonübersetzung

weitgehend von Jones, Bd. 1, 1917 (ND 1989), XVII übernommen wurde und erneut nachdrücklich

LiNpsav 1997, 297—298.

28

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

den und an einer Krankheit verstorben*, Seine Lebenszeit ist nur grob aufgrund dieses Strabontestimoniums bestimmbar. Man nimmt an, daß Xenarchos ca. 75 v. Chr. geboren ist und weiß aus den Geographika Strabons, daß Xenarchos zum Zeitpunkt der Nie-

derschnft der Notiz im 14. Buch schon tot war. Leider können wir aber nicht sicher sagen, wann genau diese Stelle verfaßt wurde. Damit bleibt als terminus ante quem des Todes des Xenarchos nur das Jahr 23/4 n. Chr. als das Jahr, auf das sich die späteste Notiz der gesamten Geographika bezieht, Da Strabon ausdrücklich darauf verweist, daß Xenarchos im augusteischen Rom bis ins hohe Alter gelehrt hat, ergeben sich zwei Hypothesen für Ort und Zeit des Studiums Strabons bei Xenarchos. Denn Strabon war unseres Wissens nach nie in Athen, lebte jedoch in den 20er Jahren v. Chr. mehrere Jahre in Alexandreia und besuchte in der Triumvirats- und der Prinzipatszeit mehrfach Rom. Wenn aber Xenarchos zunächst, und zwar in recht jungen Jahren, in Alexandreia, darauf in Athen und zuletzt in Rom lehrte und zusätzlich Strabons Aufenthalt in Alexandreia etwa in das sechste Lebensjahrzehnt des Xenarchos fällt, so ist es fast sicher, daß Strabon ihn nur in Rom gehórt haben kann, und zwar eher in der Prinzipats- als in der Triumviratszeit. Strabon ist übrigens der einzige uns namentlich durch Selbstzeugnis bekannte zeitgenóssische Schüler des Xenarchos. Strabon lobt unter den zeitgenóssischen berühmten Philosophen auch Boethos von Sidon, einen weiteren Peripatetiker und möglicherweise einen ungefähren Altersgenossen, mit dem zusammen er aristotelische Philosophie studiert habe. Leider sagt Strabon auch hier nicht, wo und wann oder unter welchem Lehrer diese Studien stattfanden. Xenarchos wáre denkbar, aber es lassen sich auch Studien unter Andronikos von

Rhodos nicht ausschlieBen“*, Alle in den Geographika namentlich erwähnten Lehrer Strabons gehören der peripatetischen Schule an. Doch Strabon selbst bezeichnet sich mehrfach ausdrücklich als Anhänger der Stoa, z.B. wenn er von der Stoa als ‚unserer Schule‘ und von ihrem Gründer

Zenon als ‚unserem Zenon' spricht, Strabon erkennt als Stoiker das Walten der als göttlich aufgefafiten πρόνοια als Wirkungsmacht in der Geschichte und in der Geographie an

und betont die Übereinstimmung zwischen der Vernunftordnung und der Naturordnung

im Kosmos", Strabon war außerdem mit führenden Stoikern seiner Zeit befreundet, deren philosophische und wissenschaftliche Leistungen er anerkennt. Eine persónliche Bekanntschaft mit Poseidonios ist zwar unwahrscheinlich, aber Strabon erwáhnt mehrfach

Athenodoros von Tarsos??, Als Fortsetzer des Polybios, Kulturgeograph und Verfasser einer aktuellen Perihegese der Mittelmeerwelt sah sich Strabon in einer großen Tradition weitgereister Gelehrter von Hekataios und Herodot bis zu Artemidoros und Poseidonios. Strabon rühmt sich selbst

— deutlich übertreibend — seiner weitausgreifenden Reisen?. Obwohl keine konkreten Namen genannt werden, erkennt man aus den angegebenen Räumen, daß Strabon einen 44

Vgl. über Xenarchos: 14.5.4 C. 670.

45

Zu Boethos 16,2,24 C. 757; zu Andronikos von Rhodos 14,2,13 C. 655 im Honoratiorenkatalog von Rhodos, dort aber nicht als Lehrer Strabons, sondern nur als bekannter Peripatetiker erwähnt.

46

Vgl. 1,2,3 C. 15 („unsere Schule geht noch weiter, indem sie behauptet, daß nur der Weise ein Dichter Sci"); siche auch 2.3,8 C. 104 mit Kritik an Poseidonios wegen seiner zu gründlichen Erforschung der αἰτίαι und der methodischer Nähe zu Aristoteles, die „unsere Schule (d.h. die Stoa) vermeidet"; Zenon, den Begründer der Stoa, rühmı Strabon in einer Homerdiskussion über die Erember als ‚unseren Zenon* 1,2,34 C. 41. Vgl. 17,1,36 C. 809-810 und vielleicht am deutlichsten über das Flußsystem Galliens 4,1,2 C. 177-

47

178 und 4,1,14 C. 189.

48 49

Vgl. zu Athenodoros: 16,4,2] C. 779 und 14,5,14 C. 674—675; er wird auch gemeinsam mit Poseidonios in 1,3,12 C. 55 und 3,5,7 C. 173 als maßgeblicher Wissenschaftler zum Problem der Gezeiten genannt. Doch gibt die Kernstelle 2,5,11 C. 117 nur die geographischen Endpunkte seiner Reisen an.

1. Zur Biographie Strabons

29

ros) hätten nur kleinere Räume im Osten der Oikumene durchmessen, und diejenigen, die weiter in den Osten vorgestoßen seien (u.a. Poseidonios und Theophanes, die Alexanderhistoriker, Isidor von Charax und Apollodoros von Artemita), hätten weniger von den westlichen Regionen geschen als er. Strabon erhebt den programmatischen Anspruch,

über das eben beschriebene Gebiet der Oikumene mit grôBerer wissenschaftlich-geographischer Autoritát zu schreiben als seine Vorgünger. Hingegen ráumt er freimiitig ein, sich bei seinen Ausführungen zu anderen Gebieten der Oikumene vóllig auf schriftliche Quellen und mündliche Auskünfte verlassen zu haben. In der modernen Strabonforschung ist bezweifelt worden, daß der aus den Geographika selbst zu belegende Umfang der Reisen Strabons angesichts seines hohen sozialen Status, der relativen guten Reisemöglichkeiten in der Friedenszeit des augusteischen Prinzi-

pates und seiner Absicht, eine aktuelle Universalgeschichte und eine Beschreibung der Mittelmeerwelt zu verfassen, tatsächlich als außergewöhnlich groß einzuschätzen ist. Strabons Selbstlob gibt nur die Endpunkte seiner Reisen an. Er behauptet nicht einmal selbst, daß er die einzelnen Orte oder Regionen innerhalb der bezeichneten Endpunkte gleichmäßig genau zu erforschen versucht habe, und sagt nur auffällig selten, welche Orte

er in diesem Raum denn tatsächlich selbst besucht hat?”.

Aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ist sehr zu bezweifeln, daß Strabon im Vergleich zu seinen Vorgängern die geographische Kenntnis auch nur einer einzigen Grenzregion der damaligen Oikumene infolge eigenständiger Forschungen und Reisen wesent-

lich erweitert hat. Was den Westen und Nordwesten betrifft, liegt der beschränkte Radius seiner eigenen Reisen durch die Nennung von Populonia gegenüber Sardinien als Grenz-

punkt klar zu Tage. Im Süden und Südosten waren andere Geographen und Historiker schon in der Alexanderzeit sowie unter den ptolemäischen und seleukidischen Dynastien

weiter vorgestoBen, als Strabon mit einem Besuch der ägyptischen Südgrenze und des

syrischen Küstengebietes. Alle Gebiete östlich des Euphrat, also den Kernraum des Partherreiches, das Strabon als zweite Weltmacht der augusteischen Zeit anerkennt, den gesamten indischen Raum sowie die zentralasiatischen Handelsrouten ins ferne Land der Serer kennt Strabon nur aus der Lektüre klassischer, aber veralteter Werke über den Alexanderzug, und aktueller Autoren über die Feldzüge des Lucullus und Pompeius. Im Nordosten zählt er für die Regionen Pontos, Kolchis und das bosporanische Reich aufgrund

seiner Herkunft mit gutem Recht jedenfalls bis zum Tode Polemons zu den wohlinfor-

mierten Autoren. Der Schwerpunkt der Reisen Strabons liegt im direkten Vergleich mit Polybios und Poseidonios, seinen wichtigsten Vorgängern und Konkurrenten, deutlich in der östlichen Mittelmeerwelt. Außer seiner pontischen Heimat kennt Strabon die Orte und ihre Umgebung am besten, in denen er lánger gelebt hat, also seine Studienorte Nysa, Alexandreia und Rom. Bei SO

Schröter 1874 nahm einen zu weiten Umfang der Reisen Strabons an; kritisch gegenüber Strabons Selbstlob schon ΝΊΕΒΕ 1878, 41-45.

mie +

Vorgänger unter den geographischen Autoren finden, der größere Räume und Distanzen durchreist habe als er selbst. Denn diejenigen früheren Geographen, die tiefer in die westlichen Regionen vorgestoßen seien (wa..Pytheas, Polybios, Poseidonios und Artemido-

rud

Vergleich mit seinen jüngeren hellenistischen Vorgängern im Auge hat. Stolz gibt der Geograph die Grenzen seiner eigenen Reisen an, die von Armenien im Osten bis zur tyrIhenischen Küste gegenüber Sardinien im Westen, vom Norden des Schwarzen Meeres bis zu den südlichen Grenzen Athiopiens gereicht hätten, Dieses Gebiet bildet den Kernraum des geographisch-politischen Interesses Strabons innerhalb der augusteischen Mittelmeeroikumene, wie man an der für die Beschreibung dieses Raumes reservierten großen Buchzahl der Geographika erkennen kann. Strabon rühmt sich, man werde kaum einen

30

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

einigen Reisen, z.B. bei der in Strabons Lebenszeit sehr beliebten Ägyptenreise, ist aufgrund des Itinerars sogar fraglich, ob es sich um eine Forschungsreise mit dem Zweck der Materialsammlung für das Geschichts- und Geographiewerk oder doch nur um eine touristische Vergnügungsreise und die übliche ,tour d'horizon* eines jungen Mannes der gebildeten kleinasiatischen Oberschicht handelte. Seine Reise durch Agypten (26 v. Chr.?) machte Strabon in der Begleitung seines hochgestellten rómischen Freundes, des Präfek-

ten Aelius Gallus. Es wäre aber vorschnell, von dieser Reise auf die übrigen Reisen Strabons Schlüsse zu ziehen und mit einigen modernen Interpreten die Initiative zu allen großen Reisen Strabons, zu deren Zeitpunkt und Route vollständig seinen römischen Bekannten zuzuschreiben, die Strabon als Lehrer, Freund oder lediglich als ihre Entourage

zierender Intellektueller begleitet hätte?!. Häufige Italien- und Romaufenthalte, die sich sogar bei einigen Besuchern über mehrere Jahre erstrecken konnten, waren in Strabons Lebenszeit für einen gebildeten Gnechen von hoher sozialer Stellung und entsprechenden Mitteln üblich. Strabon besuchte aber auch in Italien abgesehen von der Hauptstadt Rom nur relativ wenige Gebiete und bevorzugte darunter die griechisch geprägten Städte und Regionen. In Italien kannte Strabon aus Autopsie mehrere Hafenstädte, insbesondere Brundisium, Dikaiarcheia?? und Neapel, ferner die gut ausgebauten Fernstraßen von Brundisium nach Rom, von Rom über Neapel nach Puteoli, sowie von Rom nach Populonia. Auch die nähere Umgebung Roms in Latium und den Golf von Neapel mit Teilen Kampaniens hat er gründlich und zum Teil

durch längere Aufenthalte erkundet”. Im Nordwesten Italiens gelangte er jedoch nur bis zur tyrrhenischen Küste bet Populonia in Etrurien. Die nord westlich Italiens gelegene Mittelmeerhälfte hat Strabon anders als Polybios und Poseidonios nie selbst bereist, Dies erweist sich für seine Oikumenebeschreibung in

den Büchern 3-7 und seinen Anspruch auf ein aktuelles Bild der augusteischen Welt als nachteilig, weil sich in Iberien, Gallien und Germanien in den Jahren vom Werkende des

Poseidonios bis zur Abfassung der Geographika Strabons viele neue geographische Erkenntnisse ergeben und wichtige politisch-militärische Entwicklungen zugetragen hatten. Strabon betont auch selbst mehrfach die gegenüber ihren Vorgängern bessere Position der Autoren seiner eigenen Lebenszeit, die über Britannier, Germanen, Donauvülker (z.B. Geten, Tyregeten und Bastarner), Kaukasusvölker (u.a. Albaner und Iberer), über Hyrkanien und Baktrien, das parthische Reich, Arabia Felix und den Seeweg bis Indien Schreiben. Strabon unterscheidet zwischen den nordwesilichen Teilen Europas bis zur

Elbe und entlang der Donau, die die Rómer erst kürzlich unterworfen und der Wissenschaft erschlossen hätten, den östlichen und nördlichen Randgebieten des Schwarzen Meeres, die Mithradates Eupator erobert habe, und schlieBlich den weiten ‚skythischen‘ Ráumen in der Nähe des Kaspischen Meeres und Baktriens, die erst aufgrund der Expansion

des parthischen Reiches bekannt geworden seien. Diese Regionen seien zur Zeit Alexanders und der hetlenistischen Geographen noch gar nicht oder nur aus märchenhaften und erfundenen Berichten bekannt gewesen. Strabon behauptet, er habe nun in augusteischer Zeit Neues und Wichtigeres über diese Länder zu sagen als seine VorgänS1

52 53

Die Meinung, Strabon habe seine Reisen primär als Begleiter vornehmer anderer Personen unternommen, wurde schon von Pais und SILINGTON STERRETT vertreten (zustimmend auch Jones in der Einleitung zur Loeb-Ausgabe Strabons XXV). Strabon erwähnt allerdings lediglich Aelius Gallus (vgl. 2,5.12 C. 118, 17,1,29 C. 806 und 17,1,46 C. 816) explizit im Zusammenhang mit der Agyptenreise, während z.B. schon die Nennung Cn. Pisos keineswegs in einem klaren Zusamenhang mit einer bestimmten Reise Strabons steht (2,5,33 C. 130). 171,7 C. 793. Vgl. die gute Beschreibung des Golfes von Neapel und Kampaniens in 5,4,3-9 C. 242-249; zum Golf

von Neapel als vornehmer Villenregion für reiche Römer und Griechen siehe D’ Arms 1970.

1. Zur Biographie Strabons

31

ger**. Doch eventuell mit Ausnahme der Westküste des Kaukasusgebietes und der Gebiete des pontischen Reiches hat er keine dieser Regionen selbst gründlich durchreist. Als methodischen Grundsatz empfiehlt es sich anzunehmen, daß Strabon nur die Orte selbst besucht und gesehen hat, von denen er das auch innerhalb seiner Werke ausdrücklich bezeugt. Eine sehr detaillierte, auf direkten Eindrücken beruhende Beschreibung eines Ortes in den Geographika beweist nämlich noch keineswegs immer, daß Strabon selbst dort gewesen ist, wei] er solche Augenzeugenbeschreibungen bei seiner schriftstellerischen Methode auch von früheren Autoren übernehmen konnte. Wendet man die hier verfolgte vorsichtige Methode an, so werden möglicherweise weniger Orte erfaßt, als Strabon tatsáchlich besucht hat, aber man vermeidet doch die Gefahr, aufgrund bloBer Spekulationen über hypothetische Reiserouten des Geographen oder durch die Qualität bestimmter Beschreibungen verleitet den Umfang seiner Reisen zu überschätzen. Durch Selbstzeugnisse Strabons sind nur folgende Orte und Regionen gesichert, die er selbst gesehen hat: Amaseia und das pontische Kónigreich als Heimat Strabons sowie Rom mit Teilen Latiums. Bestimmte Städte und Orte in Kleinasien, darunter Komana in Kappado-

kien?^, die Pyramos-Flußgrenze nach Kilikien?6, Hierapolis am Mäander mit dem Plutonion?/, Magnesia am Mäander’8, wohl Mylasa°? und Seleukeiaf?. In Nysa wohnte der junge Strabon längere Zeit und nahm Unterricht bei Aristodemos°!. Auf Schiffsreisen von Kleinasien nach Brundisium sah Strabon vorwiegend Inseln, Hafenstádte und Küstenstriche entlang der bekannten Reiserouten in seiner Zeit. Er erwähnt die Gegend von Chios?? und die Kykladeninseln, u.a. das kleine und arme Gyaros?), sowie die Hafenstädte Korinth und Patras, möglicherweise auch Nikopolis®*, Die Mehrheit der Forscher seit NiEsE meint, daB Strabon keine weiteren Städte oder Gebiete des griechischen Mutterlandes persónlich kannte, sondern seine Beschreibungen bestimmter Orte aus guten Reiseführern

oder historisch-geographischen Beschreibungen älterer Besucher übernahm", Die frühen Reisen in Kleinasien kann man noch als allgemeine Bildungsreisen, nicht aber schon als

regelrechte Forschungsreisen im Hinblick auf das spátere Geschichts- und Geographiewerk auffassen. Wie man die Agyptenreise und die Reisen nach Italien und Rom auffassen soll, ist dagegen umstritten. Denn sie fanden zu einer Zeit statt, als Strabon schon an seinem Geschichts- und Geographiewerk arbeitete. Daher ist für diese Reisen auch ein wissenschaftlicher Charakter als Forschungsreisen glaubhaft. Strabon ist spätestens gegen 35 v. Chr. zum ersten Male nach Rom gekommen. Er berichtet nämlich, daß er selbst Zeuge der Hinrichtung des Seluros, des sogenannten ,Sohnes des Átna', in Rom war. Entweder hielt Strabon sich dann von 35 bis 31 v. Chr. 54

55 56 S7

Vgl. nachdrücklich 2,5,12 C. 117-118 über erst jüngst erschlossene Gebiete; 1,2, 0 C. 14 über Alexander, die Römer, Mithradates und die Parther als Eroberer und indirekt als Förderer neuer geographischethnographischer Erkenntnisse. 122,3 C. 535 Komana. 122,4 C. 536 Pyramos-Grenze. 13,4414 C. 629-630 Plutonion bei Hierapolis.

58

14,1,41 C. 648 Magnesia mit einem bei Strabon seltenem Verweis auf eine Inschrift einer Statuenbasis

59 60

aus Autopsie. 14,2,23—24 C. 658-659 zu Mylasa. 14,5,4 C. 670 zu Scleukeia.

61

14,1,43-48 C. 649-650 zu Nysa.

62 63 64

14,1,35 C. 645 zu Chios. 10,5,3 C. 485—486 zu Gyaros. 8,6,21 C. 379 zu Korinth, Akrokorinth und Umgebung.

65

Vgl. zum Stand der Diskussion BiRAscHI 1994, ferner PRONTERA 1991, Funke 1991, 313-332 und AL-

66

Cock 1993, 25-27 zu Strabons ,Topoi'. 6,2,6 C. 273 über Seluros,

32

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

dauerhaft in der Hauptstadt auf, oder er ist vor 31 erneut nach Rom gereist. Denn er berichtet ebenfalls, noch selbst ein Bild des Dionysos aus der Hand des Malers Aristeides gesehen zu haben, das seit der Plünderung Korinths im Cerestempel in Rom gezeigt wurde. Doch dieser Tempel brannte mitsamt seinem Inhalt 31 v. Chr nieder. Strabon erinnert an dieses Unglück als eine ‚erst jüngst‘ vergangene Katastrophe®?. Mit seinen Romaufenthalten reiht sich Strabon cin in den breiten Strom griechischer Intellektueller, Philologen, Rhetoren, Historiker und Künstler, der, durch Augustus selbst ermuntert, in der spáten Triumviratszeit und nach der Schlacht von Actium in die Hauptstadt floß®, Eine weitere Reise Strabons nach Rom hat man aus dem angenommenen Fahrtziel seiner Seereise von Kleinasien über die Kykladeninseln in Richtung auf Korinth erschlossen, von der uns Strabon seinen Aufenthalt auf der Inse! Gyaros zu der Zeit berichtet, als Augustus sich auf der Rückreise von Agypten nach Rom zur Feier seines Triumphes aus dem Sieg bei Actium in Korinth befand (29 v. Chr.)*?. Möglicherweise gelangte Strabon 29 v. Chr. auch nur bis Nikopolis bei Actium, an das er lebhaft als ‚erst jüngst‘ gegründete Kolonie erinnert

und das genau auf der oben skizzierten Fahrtroute lag??, Ob Strabon aber tatsächlich bei dieser Reise bis Rom gelangte und wie lange er insgesamt im augusteischen Rom blieb, vermógen wir nicht mehr zu entscheiden. Im Laufe der 20er Jahre zog er mit Aelius Gallus nach Alexandreia. Er beschreibt aus Rom besonders nachdrücklich Gebäude, die erst

nach 20 v. Chr. und vor 7 v. Chr. errichtet wurden’. Es ist jedoch keineswegs mit NiESE vorauszusetzen, daß Strabon nach seiner Rückkehr von Ägypten Rom und dessen nächste Umgebung nicht mehr verlassen hat??, Denn es findet sich kein positives Zeugnis dafür, daB Strabon am Ende der 20er Jahre v. Chr. aus Alexandreia sofort wieder nach Rom gezogen ist und er dort ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode, ca. 24 nach Chr., also über vierzig Jahre lang, gelebt hat. Man hat beispielsweise auch den Golf von Neapel oder seine kleinasiatisch-pontische Heimat als Aufenthaltsorte Strabons in seinen letzten Lebensjahrzehnten vermutet. Gegen einen dauerhaften Aufenthalt in einer der beiden Metropolen Alexandreia oder Rom mit ihren reichen Bibliotheken während der späten Uberarbeitung der Geographika zwischen 14 und 24 n. Chr. spricht vielleicht eine Stelle, an der Strabon beklagt, daB er die Schriften des Eudoros und Ariston über den Nil zwar früher einmal eingesehen habe, jetzt aber nicht direkt miteinander vergleichen kónne, weil er keine Abschriften verfügbar habe? In der Mitte und gegen Ende der 20er Jahre v. Chr. lebte Strabon lüngere Zeit in Alexandreia und bereiste verschiedene Orte in Ägypten bis zur Grenze nach Äthiopien,

bis zum westlichen Wüstengürtel und der Küste des Roten Meeres’*. Er besuchte aus archäologisch-antiquarischer Sicht für Touristen und Forscher gleichermaben interessante und bekannte Orte außerhalb Alexandreias'? und machte wahrscheinlich als Mitglied 67

68

69

"Vgl. 8,6,23 C. 381; zum Datum 31 v. Chr. Cass. Dio 50,10. Diese Stelle spricht gegen eine Abfassung der Geographika in Rom und in einem Zuge gegen 18/9 n. Chr., weil Tiberius 17 n. Chr. den Cerestempel wiederaufbauen lic& und neu weihte. Dies hätte Strabon bei seinem Interesse an diesem Gebáude aber dann bekannt und erwähnenswert sein müssen. Zur politischen Stellung der Griechen unter Augustus siehe Syme 1982 (auch in ders. 1988, 1-20 bes. 129; ferner ausführlich Bowersock 1965 und ders. 1969,

Vel. 10,5,3 C. 485.

70 71 72 73

Nikopolis: 7,7,6 C. 325. Ein Aufenthalt Strabons in Athen ist nicht beweisbar. Vgl. die Einweihung der Porticus der Livia 7 v. Chr., 5,3,8 C. 236 sowie unten IIL2.1 und ITL4.2. Niese 1878, 44. Vel. 17,1,5 C. 790.

75

als Prüfekten sowie 17.1.54 C. 820-821 über Cornelius Gallus, Aelius Gallus und C. Petronius als die ersten drei Präfekten und ihre Leistungen; vgl. ferner Cass. Dio 54,5. Z.B.Heliopolis, Memphis, das Labyrinth, die Mernnonsäule, Syene, Philai.

74

Vgl. 2,3,5 C. 101 πολὺν χρόνον; und ebenfalls ohne genaue Jahresdaten 17,1,3 C. 788 über Petronius

1. Zur Biographie Strabons

33

der cohors amicorum seines Freundes Aelius Gallus, des damaligen Präfekten Ägyptens, einen Ausflug nilaufwärts’®. Es ist zu vermuten, daß Strabon Aelius Gallus schon bei der Reise aus Rom nach Ägypten und beim Antritt seiner Stellung als kaiserlicher Präfekt und Nachfolger des Comelius Gallus (26 v. Chr.) begleitet hat. In diesem Falle ist es gut vorstellbar, daß er Agypten wieder bei der Ablösung des Aelius Gallus (22 v. Chr.) durch

Petronius verlassen hat. Über den Arabienfeldzug des Gallus ist Strabon zwar aus erster Hand und offiziellen Quellen so präzise wie über keinen anderen augusteischen Kriegszug unterrichtet, hat aber an diesem Unternehmen wohl kaum selbst teilgenommen. Denn eine solche Teilnahme hätte er aus imitatio und aemulatio zu den Alexanderhistorikern sowie zu Polybios und Poseidonios seinen Lesern keinesfalls verschwiegen’’. Während die enge Freundschaft Strabons zu Gallus es naheliegend erscheinen läßt, seinen Aufenthalt zeitlich mit demjenigen des Gallus zu koppeln, weisen zwei Stellen im 15. Buch der Geographika darauf hin, daß Strabon noch im Jahre 20/19 v. Chr. in Alexandreia gewesen sein könnte. Die zur Unterstützung dieser Vermutung angeführten Stellen können dies aber nicht sicher beweisen. HONIGMANN und Ausac halten es wegen der Erwähnung des

Caesareum, das erst 10 v. Chr. eingeweiht wurde, bei Strabon sogar für denkbar, daß er

bis zur Einweihung des Caesareums 13 oder 10 v. Chr. in Ägypten blieb’®. Auf einer Fahrt nach oder von Ägypten sah Strabon zumindest vom Schiff aus auch Kyrene’?. Zusammen-

fassend kann man also nicht definitiv sagen, wann genau Strabon in Alexandreia lebte. Ed. MEYER, P. MEYER und noch nachdrücklicher als diese HoNiGMANN und Syme haben

den Golf von Neapel als letzten bezeugten Aufenthaltsort Strabons in der spáten augusteischen und frühtiberischen Zeit vorgeschlagen®®. Dort habe er die Geographika in hohem Alter verfaßt oder wahrscheinlicher das Werk unsystematisch überarbeitet. Strabon kannte die Gegend gut aus eigener Anschauung. Neapel war für iha die vielleicht am meisten „griechische“ Stadt Italiens, Dieser Charakter machte die Stadt und ihre Umgebung für ihn sehr attraktiv. Ferner war die Golfregion ein beliebter und vornehmer Seniorenwohnsitz der griechisch-römischen Oberschicht. Aber genügend deutliche Indizien für den Golf von Neapel als späten Wohnort Strabons fehlen dennoch. Es ist aus dem Wortlaut bei Strabon nicht sicher, ob er die zwischen 2 v. und 2 n. Chr. eingerichteten und

alle vier Jahre begangenen Festspiele in Neapel zu Ehren des Augustus selbst gesehen hat,

die er bei der Stadtbeschreibung Neapels erwähnt®!. Keiner der Zusätze zu den Geogra-

phika aus der tiberischen Regierungszeit gibt einen eindeutigen Hinweis auf den Aufenthaltsort Strabons in den letzten Jahren vor seinem Tode. Ein prominenter Hinweis im 76 77 78

Aelius Gallus wird unter allen Römern als ἀνὴρ φίλος ἡμῖν καὶ ἐταῖρος besonders hervorgehoben (2,5,12 C. 118; 17,1,29 C. 806 praefectus Aegypti und 17,1,46 C. 816). 2,5,12C. 118 und 16,4,22-24 C. 780-782 über den Arabienfeldzug. Vel. 15,1,45 C. 706 über eine Riesenschlange aus Indien, die er in Agypten gesehen habc, aber ohne sicheren Bezug auf die Schlange, die unter den Präsenten einer indischen Gesandtschaft war, die 20 v. Chr. (Cass. Dio 54,8) Augustus auf Samos aufsuchte. Auf dem Hin- oder Rückweg dorthin traf Nikolaos von Damaskos diese Gesandschaft in Antiocheia (15,1,73 C. 719 = Nikojaos FGrHist 90 F 100). Strabon sagt ferner ohne nähere Orts- und Jahresangabe, daB er unter den Wunderdingen, von denen Nikolaos erzählt, selbst auch einen „Hermes“, einen Mann ohne Arme, gesehen habe. Das Caesarcum erwähnt Strabon (17.1,9 C. 794) möglicherweise nur als Nachtrag zu seiner Agyptenbeschreibung. Die Erwähnung beweist keineswegs, daß er bei der Weihung 13 oder gar 10 v. Chr. noch in Alexandreia gewohnt hat (vgl. aber zu dieser Meinung Ausac und LASSERRE, Tome Li, 1969 XXXV Anm. 5 und

79 80

schon HONIGMANN 1931, 83). 17,3220 C. 837. "Vgl. 5,4,7 C. 246 über Neapel; Meyer 1879, MEYER 1889-1890, 3, HONIGMANN 1931, 84 und SYME 1995, 321; aber die Stelle ist kein klares Selbstzeugnis über seinen Lebensabend, vgl. auch die Diskus-

81

Vgl. 5,47 C. 246.

sion bei LiwpsAv 1997, 499-493.

34

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Prooimion auf kürzliche Niederlagen Roms in den Germanenkriegen, die man durch verbesserte geographische Kenntnisse vermeiden könne, läßt sich nicht ausschließlich auf die erst nachtráglich im Zusammenhang mit dem Triumph des Germanicus vom Jahre 17 n. Chr. erwähnte Varuskatastrophe von 9 n. Chr. deuten und beweist keine Anwesenheit Strabons in Rom zwischen 9 und 17 n. Chr. Auch wenn die Notiz vom Triumph des Germanicus 17 n. Chr. tatsáchlich auf eigenen Eindrücken Strabons beruhen sollte, so beweist auch sie gegen Niese und andere Forscher nicht, daß Strabon das letzte Vierteljahrhundert seines Lebens dauerhaft in Rom gelebt und mit hoher Wahrscheinlichkeit dort seine Geographika verfaßt habe, sondern eben nur, daB Strabon zum Anlaß des Tri-

umphes des Germanicus nochmals in Rom war. Rom bleibt jedoch der biographisch späteste in den Geographika durch Selbstzeugnis gesicherte Aufenthaltsort Strabons®?. Die Beschreibung bestimmter Bauwerke, der Umgebung und einiger Ereignisse in Rom zeigt zwar deutliche Spuren der Autopsie?*, Aber diese Notizen beweisen keinen kontinuierlichen Aufenthalt Strabons in Rom bis zu seinem Tode. ΝΊΕΞΕ legt meiner Meinung nach zu groBes Gewicht auf die Ortspartikel ἐνθάδε (hier), die Strabon auBerhalb seiner Italienbücher im 7. und 13. Buche zweimal mit Bezug auf Rom verwendet. Es handelt sich aber dabei um assoziative Notizen, die Strabon wührend eines seiner früheren Romaufent-

halte schon in sein Manuskript eingebaut haben mag®*. Anläßlich der Stadtbeschreibung von Lampsakos erinnert Strabon an die Überführung des ‚Gestürzten Löwen‘ des Ly-

sippos aus Lampsakos durch Marcus Agrippa nach Rom. Dieser habe den bekannten Löwen zwischen dem ‚See‘ (stagnum Agrippae in Rom) und dem Eurippos aufgestellt. Hier wird jedoch nicht ausdrücklich gesagt, daß der Löwe zur Ausschmückung des Marsfeldes und des Campus Agrippae wührend der Orientreise Agrippas 16/15 v. Chr. nach Rom weggeschafft wurde9*, Diese Auslassung ist nach ΝΊΕΞΕ nur verständlich, wenn Strabon eben in Rom selbst schrieb. Aber angesichts der exzerpierenden Technik Strabons ist der Zeitpunkt der Niederschrift der Stelle schwer zu bestimmen und kann sehr wohl schon vor 7 v. Chr. liegen. Damit wäre sie aber kein Indiz mehr für die letzten Jahre Strabons. AuBerdem war für die Leserschicht, die sich Strabon erhoffte, auch ohne ausdrückliche Nen-

nung Roms klar, in welcher Stadt und bei welchem ‚See‘ und ,Eurippos' M. Agrippa den Löwen aufstellen ließ. Ob die Erwähnung des Mausoleums des Augustus (mitsamt seinem Scheiterhaufen) innerhalb der Rombeschreibung tatsächlich beweisen kann, daß die"82

Vgl. 1,1,17 C. 10 über die Feldzüge gegen die ‚Parther‘ und ‚gegen die Germanen und Kelten', bei

denen die Römer aus Unkenntnis der klimatisch-geographischen Besonderheiten und Distanzen sowie infolge der Guerillakriegsführung der Einheimischen schwere Niederlagen erlitten. Ein Feldzug mit

ciner Invasion Parthiens fand weder unter Augustus noch in den ersten Jahren des Tiberius statt. Strabon bezieht sich mit dem Partherkrieg also zeitlich ungenau woh! auf die Katastrophen der Feldzüge des Antonius oder sogar auf den Untergang des Crassus. Mit den Feldzügen gegen ‚Germanen und Kelten‘ künnten dann sogar noch bestimmte Feldzüge Caesars (z.B. gegen die Eburonen) gemeint sein. Unter

den augusteischen Kricgen kónnte man eher an die Kriege des Drusus des Alteren (bis 9 v. Chr.) oder des Tiberius und des Drusus (bis 13 v. Chr.) als an die Varuskatastrophe 9 n. Chr. denken, Dann wäre aber der Ausdruck ‚Germanen und Kelten‘ zur Bezeichnung der Gegner ungenau. Varus' Untergang

83 84

wird von Strabon erst rückblickend anläßlich der Rachefeldzüge des Germanicus und seines Triumphes erwähnt: 7,1,4 C. 291-292; vgl. aber Niese 1878, 33-45; dagegen jedoch schon HABLER 1884, 235-241. 5,3,7-8 C. 234-236. "Vgl. 7,1,3 C. 290 über Marhod, der ‚hier‘ in Rom in seiner Jugend erzogen worden sei und Wohltaten von Augustus empfangen habe, und 13,1,54 C. 609 über das Schicksal der aristotelischen Schriften. An

beiden Stellen gebraucht Strabon die Ortspartikeln δεῦρο und ἐνθάδε eindeutig mit Bezug auf Rom und im Gegensatz zu Germanien und Alexandreia. 85

13.1,t19 C. 590; RonoAz 1984, 287 Anm. 326 und 423 mit Anm. 24: die dort genannten Quellen geben keinen Hinweis auf das Jahr der Anlage des stagnum Agrippae und des ‚Eurippos‘, des nahen Kanals; Ropopaz vermutet ca. 27-25 v, Chr; zum stagnum Agrippae siehe auch Tac. ann. 15,37.

1. Zur Biographie Strabons

35

se Bemerkung von Strabon als Bewohner Roms nach [4 n. Chr. geschrieben ist, möchte ich bezweifeln®®. Man könnte der guten Beschreibung des Augustusmausoleums in seinem Zustande nach dem Tode des Augustus die aus der Sicht der Jahre 18/9 n. Chr. völlig anachronistische Beschreibung des „jüngst“ erst niedergebrannten Cerestempels und die allgemeine Dürftigkeit der spätaugusteisch-frühtiberischen Informationen über Ereignisse

in Rom und im Kaiserhaus als Indizien entgegenhalten, die gegen einen dauerhaften Aufenthalt Strabons nach 14 n. Chr. in Rom sprechen.

Pais vertritt dagegen eine andere Meinung über den Entstehungsort der Geographika. Strabon habe das meiste Material für den ersten Entwurf seines Geschichts- und Geographiewerkes in Alexandreia und Rom gesammelt, sei aber in seinen letzten Lebensjahrzehnten wieder an einen Ort in Kleinasien, vielleicht in seine pontische Heimat zurückgekehrt. Dort habe er müglicherweise im Interesse der Kónigin Pythodoris, die er auBergewóhnlich lobend erwähnt?”, seine frühen Entwürfe überarbeitet und aktualisiert. Insbesondere habe er in ihrem Interesse nach 14 n. Chr. einige Hinweise auf den neuen Prinzeps Tiberius und auch auf Germanicus eingebaut, der bis zu seinem Tod wichtige Regelungen

im Osten traf. Diese Hinweise auf Tiberius seien mehr aus Furcht vor dem neuen Prinzeps und zur Sicherung der Position der Kónigin Pythodoris, welche ihre Stellung Augustus verdankte, als aus politischer Anhängerschaft zum zweiten Prinzeps eingelegt worden. Eine Entstehung des Werkes fernab von Rom würde zwar die auffällige Tatsache erklären, daß nicht wenige Ereignisse aus der augusteischen Zeit bis ungefähr zur Zeitenwende, aber nur sehr wenige interessante und wichtige aus der spätaugusteisch-uberischen Zeit

erwähnt werden. Auch verschiedene weitere Auslassungen und Fehler in den Geographika erklären sich leichter, falls er das Werk nicht in einem wissenschaftlichen und politischen Zentrum des Reiches, sondern an einem abgelegenen Ort geschrieben hat. Eine Abfassung oder Überarbeitung in spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit in seiner pontischen Heimat ist jedoch deshalb doch eher unwahrscheinlich, weil Strabon sich gerade über die spütaugusteisch-frühtiberischen Veränderungen in Pontus, Kolchts und im bosporanischen

Reich unter Aspurgos schlechter informiert zeigt als Über die unmittelbaren Nachfolger Mithradates' VI. und die Ereignisse bis zur frühaugusteischen Zeit. In Pontus und Galatien schildert er fast durchweg den administrativen Status bis ca. 2 v. Chr. und nicht die

spátaugusteisch-frühtiberischen Entwicklungen. Strabon weiß nicht, daß Pompeiopolis und Neapolis zur Provinz Pontus gehórten, bevor sie ab 2 v. Chr. zur Provinz Galatien kamen. Die nach Augustus benannten Städte Sebastopolis und Sebasteia nennt er noch mit ihren lange veralteten Namen Megalopolis und Karana. Das rege Interesse Strabons für Pontos und die Schwarzmeerregion und seine guten Kenntnisse über die Familien der östlichen Dynastien erklären sich leicht, weil diese Region seine Heimat ist und er aus einer hochgestellten Familie des pontischen Reiches mit engen Kontakten zum mithradati-

schen Königshaus stammt*5, Die dynastischen Einzelheiten, die er aus der spätaugusteischen und frühtiberischen Zeit erwähnt, sind allen interessierten Zeitgenossen auch in anderen Reichsteilen allgemein zugángliche Informationen. Ste verraten keine Anwesen86

Vgl. 5.3.8 C. 236; LassERRE, Tome III, 1967, 209 erkennt die Erwähnung des Platzes für den Scheiterhaufen des Augustus als zuverläsigen Beleg für die Anwesenheit Strabons im Jahre 14 n. Chr. selbst

87

oder zwischen 14 und 23/24 n. Chr. in Rom an. Vel. 12,329 C. 555-556 mit dem im strabonischen Werk außergewöhnlichen Lob für eine Frau als γυνὴ σώφρων kai δυνατὴ προίστασθαι πραγμάτων; siehe auch 14,1,42 C. 649 und zu Pythodoris als Frau des Königs Polemon L auch 11,2,18 C. 499, 12,3,31 C. 556 und 12,3,37 C. 559. Tiberius wird von

Strabon meist noch nicht als Prinzeps, sondern im Zusammenhang mit Ereignissen aus der Zeit des Augustus namentlich genannt, vgl. Kapitel III.3.6-7. 88

Vgl. PAts 1890, 327-360 (aufgenommen in ders.: 1922; erneut in einer englischen Fassung 1908, 379430), kritisch hierzu ANDERSON 1923, 1-13.

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I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

heit Strabons im pontischen Gebiet in seinen letzten Lebensjahren. Die wichtigen Fragen, wo er sich ungefähr von der Zeitenwende bis zu seinem Tode aufhielt und wo er den Hauptteil der Geographika verfaßt bzw. diese Fassung später überarbeitet hat, sind also auf der Basis der uns heute bekannten Quellen nicht definitiv beantwortbar. 3. Die Entstehungszeit der Historika Hypomnemata und der Geographika Strabons Über die Entstehungszeit der strabonischen Universalhistorie und der Oikumenegeographie wird schon seit dem Ende des 19. Jh. diskutiert, ohne daß sich in der Forschung bisher ein Konsens herausgebildet hat, Sicher ist zumindest, daß die Historika Hypomnemata vor den Geographika entstanden sind. Orro plädiert in seinem Rekonstruktionsversuch der strabonischen Universalhistorie für das Ende der 20er Jahre v. Chr. als Beginn der Arbeit an der Universalhistorie, die aber vermutlich erst „intra primum p. Chr. decen-

nium" vollendet worden sei®”. Diese Hypothese einer extrem späten Datierung wird heute fast einmütig verworfen. JacosY vertritt eine Datierung der Abfassung der Historika Hypo-

mnemata in den Jahren nach 20 v. Chr. = vielleicht erst ca. 12 v. Chr. — und damit relativ kurz vor dem ersten Entwurf der Geographika®, Eine extreme Gegenposition zu JacoBv nimmt Atv ein. Seiner Meinung nach wurde ein großer Teil der strabonischen Universalhistorie schon in Rom verfaßt, bevor Strabon Aelius Gallus als Mitglied der cohors

amicorum nach Ägypten begleitete?!, AmBacLio schließt sich ebenfalls den Vertretern einer frühen Datierung auf ca. 29-25 v. Chr. an??, Gegen eine Abfassung der Universalhistorie batd nach Actium kann man aber als Bedenken anführen, daß Strabon in den Fisto-

rika Hypomnemata schon die Geschichtswerke des Timagenes und des Asinius Pollio benutzt. Die Mehrheit unter den heutigen Forschern, für die stellvertretend LASSERRE ge-

nannt sei, plädiert für eine Abfassung der Universalhistorie verrnutlich in den späten 20er Jahren v. Chr.”. Dieser Datierung schließe auch ich mich mit aller gebotenen Vorsicht an. Der Zeitraum der Abfassung der Geographika und die Art und Weise, wie man sich die Entstehung dieses Werkes vorstellen kónnte, sind kaum weniger umstritten als die Entstehungszeit und die Genese der strabonischen Universalhistorie. Die Vermutung NIEsEs?^, Strabon habe die gesamten siebzehn Bücher der Geographika erst in tiberischer Zeit, und zwar um die Jahre 18-19 n. Chr., begonnen und damals in Rom in einem Zuge niedergeschrieben, ohne hierfür auf weitgehende Vorarbeiten zurückgreifen zu kónnen, ist schon wegen des großen Umfanges der Geographika und des damals hohen Alters 89

Orro 1889,12.

90

Vgl. Jacoeys Kommentar zu FGrHist 91, in ΠΟ p. 291: „die nach unten durch die in Strabons letzte jahre fallenden Γεωγραφικά begrenzte abfassung liegt wohl sicher nach 20 a. Chr., und F2 macht nicht den eindruck, als ob zwischen beiden werken eine größere zeitspanne anzunehmen sei.“ FGrHist 91

F2=1,1,23C. 13-14 bezieht sich jedoch nur auf die methodisch-thematische Gleichartigkeit und den komplementáren Charakter des Geschichts- und Geographiewerkes Strabons, nicht explizit auf die Abfassungszeit. Vielleicht deutet der ausführliche, wie ein Nachtrag wirkende Bericht in 16,4,22—24

91

C. 780-782 über den Feldzug des Gallus in Arabien von 25 v. Chr. darauf hin, daß dieses Ereignis in der Universalhistorie nicht mehr behandelt war. Vgl Arr 1957, 165; ΑἸ ebd. 397 vermutet ohne hinreichende Begründung sogar, daß Strabon von der pax Brundisina bis zu seinem Tode, über fünfzig Jahre lang, schrittstellerisch tätig gewesen sei.

92 93

Vel. AMBAGLIO 1990, 377—425, insb. 380. "Vgl. Lasserre 1982, 870 und Anm. 6, ähnlich Bowersock 1965, 126-128 sowie PÉDECH 1972, 395408; Ausac 1969, XXX-XXJIV legt sich auf keinen Zeitraum und keinen Ort der Abfassung der Uni-

versalhistorie und der Oikumenegeographie fest, weil klare Selbstzeugnisse Strabons oder andere zeit94

genössische Hinweise hierzu laut Ausac fehlen. Vol. Nıese 1878.

|. Zur Biographie Strabons

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ihres Verfassers wenig wahrscheinlich, selbst wenn Strabon mehrere fähige Schreiber

beschäftigte, denen er parallel diktieren konnte. Eine solche Arbeitsweise kennen wir z.B. vom älteren Plinius. Doch gerade dessen den Geographika in mancher Hinsicht áhnliches, enzyklopädisch angelegtes Werk, die Naturalis historia, stützt sich auf umfangreiche Notizen und Exzerpte, die zuvor in jahrelanger Arbeit systematisch angelegt worden waren, und erforderte auch dann noch eine mehrjáhrige Arbeit an der Niederschrift. MEYER vermutet, daß die Geographika in zwei Werkteile zerfielen, welche mit deutlichem zeitlichen Abstand voneinander entstanden seien. Während die Bücher 1-7 zwischen 6 v. und 2 n. Chr. verfaßt worden seien, habe Strabon die Bücher 8-17 erst später, nämlich zusammen mit seinen Nachtrügen zu allen siebzehn Büchern bis Anfang der 20er Jahre n. Chr. niedergeschrieben. Für eine so markante Trennung der Kulturgeographie in

zwei Werkteile mit deutlich verschiedener Entstehungsgeschichte ergeben sich aber aus dem vorliegenden Werk keine genügenden Anhaltspunkte, obwohl der Beginn von Buch 8 in der Tat durch ein zweites, kleines Prooimion gegenüber anderen Buchanfängen klar hervorgehoben ist”. Schon FoRBIGER% hat die heute zu Recht vorherrschende Auffassung vertreten, daß Strabon zunächst eine Urfassung der gesamten Geographika erstellt und diese später selbst unsystematisch ergänzt hat. Diese Urfassung versucht man daher nun genauer zu datieren.

Die jüngsten in den Geographika erwähnten Ereignisse betreffen die Jahre von 18/19 bis 23/24 n. Chr. Dabei handelt es sich aber eindeutig erkennbar um aktualisierende Zusätze im Kontext eines älteren Haupttextes der Geographika. In die Diskussion um die vermutliche Entstehungszeit der Geographika müssen daher stets die Probleme infolge der spä-

teren Zusätze und Ánderungen des ursprünglichen Textes des Geographiewerkes einbe-

zogen werden. Solche Zusätze sind oft nur oberflächlich mit dem Kontext verbunden,

einige wirken technisch ungeschickt und manche führen sogar zu Widersprüchen zu an-

deren Stellen in den Geographika. Aus diesem Befund ergibt sich die Frage, ob solche

Passagen und weitere literarisch ungeschickten Verknüpfungen noch von Strabon selbst, von einem postumen Editor (im 1. Jh. n. Chr.) oder erst in der späteren Uberlieferungsge-

schichte der Geographika durch byzantinische Abschreiber und Glossatoren verfaßt und

eingebaut wurden. Letzeres vermuten KRAMER?! und MEINEKE", Strabon selbst habe zwar

bei einer Überarbeitung der Geographika noch einige Zusätze eingebaut, die man im heutigen Text als zeitgenössische Interpolationen entdecken könne. Die Mehrzahl der auffälligen, sachlich anstößigen Passagen gehe jedoch erst auf das Konto späterer byzantinischer

Abschreiber und Bearbeiter. Deswegen versuchen die beiden um den Strabontext verdienten Philologen KRAMER und MEINEKE, durch Konjekturen im überlieferten Text der Geographika oder durch Umstellungen einzelner Passagen sprachlich und sachkritisch anstößige Abschnitte zu bereinigen. Auch MEver hält es für abwegtg, daß verschiedene Textstellen an sehr unpassenden Stellen und auf eine so ungeschickte Weise von Strabon

selbst als Zusätze eingebaut worden seien, wie wir sie jetzt in unserem Text finden”. Es

erweist sich jedoch leider nur selten als möglich, zwischen den aktualisierenden, aber ungeschickt eingebauten eigenhändigen Zusätzen Strabons, den Feh! griffen eines von manchen Interpreten postulierten frühen Editors, den als ursprüngliche Glossen eines Kommentators erkennbaren späteren byzantinischen Zusätzen sowie einfachen Korrup95 96 97 98 99

Vgl. 8,1,1 C. 332 und P. Meyer 1889/90. FonBtGER, Bd. 1, 1842 (ND 1966), 306ff. Kramer 1844-1852 in den Prolegomena dieser editio maior.

"Vgl. MEmEKE 1852 (ND 1972) und seine dreibändige editio minor des Strabontextes 1852-53 (ND 1877 und erneut 1969). P, Meyer 1879, 47-72 und ders. 1889/90.

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l. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

telen in der Textüberlieferung zu unterscheiden. Die ältesten heute noch erhaltenen mittelalterlichen Strabonhandschriften, die die anstößigen Passagen enthalten, gehen auf einen Archetypus des 9. Jh. zurück. Doch die Untersuchungen von Atv, DiLLer und SBORDONE zum deutlich älteren Strabonpalimpsest haben erwiesen, daB bereits dieser die meisten problematischen Stellen aufweist, die auch die späteren Handschriften überliefern. Wenn man also nicht zu der wenig überzeugenden Vermutung Zuflucht nehmen will, daß schon von der Zeit des Todes Strabons bis zum Ausgang der Antike und zur Zeit des Strabonpalimpsestes die Mehrzahl der problematischen Stellen in den Text hineingeraten sei, wird man zu der Vermutung geführt, die ALv, DiLLER und SBORDONE vertreten,

daß Strabon selbst die meisten zu beanstandenden Stellen als unsystematische, oft ungeschickt eingefügte Zusätze verfaßt hat. Pais versucht vielleicht am gründlichsten, den Zeitraum für die Niederschrift eines ersten Entwurfes aller siebzchn heute vorliegenden Bücher sowie den Zeitpunkt und das Motiv des Beginns der spáteren Zusátze zu den Geographika durch Strabon einzugrenzen, indem er systematisch alle zeitgeschichtlichen Ereignisse der augusteischen und frühtibe-

rischen Ära zusammenstellt9, Zwischen der Weihung der Porticus der Livia 7 v. Chr. und den Ereignissen im Osten um Germanicus in den Jahren 17-19 n. Chr. finden sich nur relativ wenige aktualisierende Nachträge in den Geographika. Pais findet lediglich etwa dreißig sichere Anspielungen auf Ereignisse, die erst nach 7. v. Chr. stattgefunden haben. Aus diesen beiden Befunden schließt er, daß alle Hinweise auf Ereignisse nach 7 v. Chr. spätere Zusätze Strabons zum ursprünglichen Entwurf der gesamten Geographika seien, der eben ungefähr mit dem Jahre 7 v. Chr. (oder kurz zuvor) geendet habe. Einen ähnlichen Ansatz vertritt auch ANDERSON, der jedoch für den Abschluß der ersten Fassung der

Oikumenegeographie gegen 2 v. Chr. eintritt!'. Nach der Einweihung der Porticus der Livia 7 v. Chr. erwähnt Strabon aber immerhin doch noch einige spätere Ereignisse aus der Regierungszeit des Augustus. Diese Stellen hält SYME für so bedeutend, daß er für eine

Datierung der Urfassung der Geographika zwischen ca. 4 v. Chr. und 6 n. Chr. pládiert, in die nur noch wenige spätere Nachträge eingebaut worden seien’, CLARKE vermutet schließlich in einem kürzlich erschienenen Beitrag „a process of accumulation of data and

writing of the work which was gradual! and long-lasting"9?, ohne sich auf ein bestimmtes

Jahr oder einen Zeitraum festzulegen. Auch LiNpsAv hält es aufgrund der kompilatorischen Arbeitsweise Strabons und seiner Eigenart, mehrfach Nachträge einzufügen, für unmóglich, ein genaues Jahr oder einen bestimmten Zeitraum der Entstehung des Werkes

nachzuweisen!4. 100

Pais 1887, 97—246 und ders. 1890, 327-360.

101 ANDERSON 1923, 1-13, als atıraktive Hypothese noch von BaLADIÉ 1980, 12 Anm. 5 erwähnt.

102 SvME 1995, 364-365 mit Verweisen insbesondere auf die Erwähnungen des Todes des Herodes 4 v. Chr. (162,46 C. 765); die Spiele in Neapel, die 3 oder 2 v. Chr. eingeführt und sicherlich 2 n. Chr. abgehalten wurden (5,4,7 C. 246); die Hinrichtung des ‚Verräters‘ Syllaios in Rom 5 v. Chr. (Ende 16,424 C. 782}: möglicherweise einem Hinweis auf den vermeintlich bevorstehenden Partherkrieg des

C. Caesar | v. Chr. bis 2 n. Chr. und die Feldzüge des Ahenobarbus in Germansen I v. — 1 n. Chr., wenn sich dies nicht doch eher auf die Niederlage von Carrhae des Crassus und den Eburonenfeldzug Caesars von 53 v, Chr. bezichen sollte (1,1,17 C. 10); Syme betont auch die Nennung der Festung Artagira,

vor der C. Caesar 2 n. Chr. verwundet wurde (11.14.6 C. 529); doch erwähnt Strabon C. Caesar hier nicht; ferner gibt es nur undeutliche Hinweise auf Kriege zwischen 4 und 11 n. Chr. gegen das Marbod-

reich (7,1.3 C. 290), auf die Langobarden und Kimbrer (7,1,3 C. 291 und 7,2,1 C. 292f), auf die Varuskatastrophe 9 n. Chr. (7,1.4 C. 292) und schließlich den illyrisch-pannonischen Aufstand von 6-9

n. Chr. (7,5,2-5 C. 314-315). Vonones, der 6/8 n. Chr. König in Parthien wurde, wird bei Strabon noch als Sohn des Phraates und Geisel in Rom ausdrücklich erwähnt (16,1,23 C. 748). 103 Vgl. CLarke 1997, 103. 104 Linosay 1997, 484—507 mit einem Überblick über die Geschichte der Datierungshypothesen und über

alle von Sirabon erwähnten Ereignisse aus augusteischer und tiberischer Zeit,

1. Zur Biographie Strabons

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Methodisch ist es problematisch, aus zeitgeschichtlichen Ereignissen oder wichtigen Veränderungen, die Strabon nicht erwähnt — aber nach subjektiver Auffassung moderner Interpreten ,unbedingt' hätte erwähnen müssen — oder aus Einzelheiten seiner Rombeschreibung und unseren sonstigen Kenntnissen über die Baugeschichte bestimmter Gebäude auf die Entstehungszeit der Geographika zu schließen. Verläßliche Anhaltspunkte kónnen nur die datierbaren Ereignisse sein, die er tatsächlich erwähnt. Diese führen aber in der Tat in recht großer Dichte in die Nähe der Zeitenwende, ohne daß man angesichts des Desinteresses, das Strabon an exakten chronologischen Aussagen in den Geographika

zeigt, beim heutigen Stand unseres Wissens ein Entstehungsjahr oder einen festumrissenen Zeitraum eines ersten Entwurfes wird definitiv nachweisen können. Die Geographika waren als eine kulturgeographisch-historische Ergánzung zur eigenen Universalhistorie Strabons konzipiert, wie der Autor im Prooimion der Geographika

selbst klarstellt. Betrachtet man den gesamten Prinzipat des Augustus und die ersten Jahre der Regierung des Tiberius, ist meines Erachtens offenkundig, daß Strabon absichtlich Ereignisse von 31 oder 27 v. Chr. bis zur Zeitenwende deutlich häufiger und ausführlicher behandelt als solche der späten augusteischen (6 v. Chr.-14 n. Chr.) oder gar frühtiberischen (14—23 n. Chr.) Zeit. Selbst die eindrucksvolle Ubersicht über die rómischen Provinzen in augusteischer Zeit am Ende der Geographika wurde trotz ihrer prominenten

Stellung im Werk als Summe und Schlußstein nicht mehr systematisch auf den aktuellen Stand des Jahres 23/4 n. Chr. unter Tiberius gebracht!®. Die strabonische Kulturgeographie bleibt ein für die augusteische Zeit typtsches Werk. Vermutlich wird das Erlebnis, daB sich die neue Verfassungsform der Monarchie nach dem Tode des Augustus unter Tiberius fortsetzte, Strabon zu einer partiellen Überarbeitung der Geographika motiviert haben. Außerdem war auch aus geographisch-administrativer Sicht mit dem Abbruch der Kriege in Germanien 16/17 n. Chr. und mit der Neuordnung des Strabon besonders interessierenden anatolisch-östlichen Raumes, die sich 18/19 n. Chr. abzeichnete, eine

Züsur eingetreten, die umfangreiche Aktualisierungen der Geographika trotz des hohen Alters Strabons wünschenswert machte. Strabon mußte zu seinen aktuellen Nachtrágen nicht erst durch den Wunsch einer einflußreichen Person in Rom (geschweige des Augustus oder Tiberius)99 oder in seiner pontischen Heimat (z.B. der Königin Pythodoris) motiviert werden. Eine interessante Frage lautet, ob zu Lebzeiten Strabons schon Exemplare einer „Urfassung“ der Geographika ohne die Zusätze aus tiberischer Zeit im Umlauf waren. Die meisten Autoren der späten Republik und des frühen Kaiserreichs ließen die Entwürfe ihrer Werke unter ihren persónlichen Bekannten und Freunden mit der Bitte um kritische Kommentare und zum Zweck der stilistisch-literarischen, seltener der sachlich-inbaltlichen Verbesserung sowie zugleich auch als einen risikolosen Test ihrer Entwürfe zirkulieren. Der Freundes- und Adressatenkreis solcher zirkulierender Buchentwürfe wurde durch das literarische Interesse des Autors und durch seinen sozialen Status bestimmt. Buchhandlungen oder óffentliche Bibliotheken, die ein Buch frühzeitig und leicht einer groben Zahl von Individuen zur Verfügung stellen kónnen, die mit dem Autor selbst nicht bekannt sind, spielen im frühen Prinzipat noch keine mit neuzeitlichen Verhältnissen vergleichbare Rolle. Jedes Exemplar eines antiken Buches mußte der Autor oder ein fremder Interessent unter großem finanziellen und zeitlichen Aufwand kopieren lassen. Indem ein Autor fertige Manuskripte an Bekannte verschickte, ohne ihre Weitergabe an unbekannte Dritte ausdrücklich zu verbieten, eröffnete er die Möglichkeit zu unkontrollierbaren wet105 Vgl. 17,3,25 C. 840 und unten das Kapitel II1.2.3.

|

106 So ALv 1957, 398 mit einer überspitzten Interpretation von 1,1,23 C. 13. Gemeint ist hier aber nicht nur

das Kaiserhaus, sondern allgemein die politisch-militárische Elite des Reiches.

40

|. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

teren privaten oder kommerziellen Abschriften. Der Text war ab diesen Zeitpunkt gegen Eingriffe und Veränderungen durch die Abschreiber ungeschützt und galt im antiken Sinne als publiziert. Der Autor hatte de facto jede weitere maßgebliche Einwirkungsmöglich-

keit auf die Textüberlieferung verloren!?", Einer gewerblichen Verbreitung seiner Werke durch mechanische Kopisten, die oft viele neue Fehler in ein Manuskript brachten, stand Strabon skeptisch gegenüber. Dies kann man aus seinen verallgemeinernden Bemerkungen zum Überlieferungsschicksal der Werke und der Forschungsbibliothek des Aristoteles ableiten. In den Text der Werke des Aristoteles seien durch gedankenlose Kopisten und geschäftemacherische Buchhändler schwere Fehler hineingekommen. Erst Tyrannion und andere Gelehrte suchten in ihren kritischen Neueditionen den Text wieder von solchen Korruptelen zu befreien. Fehler kónnten sowohl in Rom als auch in Alexandreia, den beiden wichtigsten Zentren des zeitgenössischen Buchhandels neben Athen und Rhodos, leicht in einen Text hineingeraten,

sofern Bücher dort rein kommerziell abgeschrieben würden, ohne daß dabei wissenschaft-

lich sorgfältig der Wortlaut der Kopie mit dem der Vorlage verglichen werde!®. Die Sorge um den ‚philologisch‘ korrekten Text seines Werkes mag Strabon vielleicht von einer frühzeitigen Publikation einer ersten Fassung der Geographika abgehalten haben. Wir müssen zur Erklárung der offenkundigen Seltenheit der strabonischen Werke schon im 1. Jh. n. Chr. meines Erachtens sogar damit rechnen, daB die Geographika zu seinen

Lebzeiten noch gar nicht vollständig veröffentlicht wurden!®,

4. Der Historiker und Geograph Strabon als ‚Philosoph‘ und das erweiterte strabonische Begriffsverständnis von der ‚Philosophie‘ Strabon faßt im Prooimion der Geographika seine historisch-geographischen Werke als

einen Teil der Philosophie auf!!®. Er beansprucht damit natürlich nicht, ein fachphilosophisches Werk verfaßt zu haben, sondern will darauf hinweisen, daß seine Geographika auch philosophische Reflexionen enthalten, welche die geographische Perihegese der

Oikumene begleiten. Sein Werk erhebt einen hóheren Anspruch, als lediglich ein geographisches Fachbuch für Fachleute zu sein. Zumindest einige Leser der strabonischen Werke im 1. und 2. Jh. n. Chr. haben diesen zunächst erstaunlich klingenden Anspruch ernst genommen. Denn Plutarch zitiert Strabon in der Lucullus- und in der Caesarbiographie als

einen ‚Philosophen‘, obwohl an diesen Stellen eindeutig ist, daß sich Plutarch hier auf die Historika Hypomnemata bezieht, nicht auf eine fachphilosophische Schrift Strabons!!!. Über philosophische Fachwerke Strabons im strengen Sinne kennen wir im Unterschied zu den zahlreichen Schriften seines berühmten Vorgängers und Konkurrenten Poseido107 Vgl. van GRONINGEN 1963, 24f und 33ff zur Problematik des Begriffes ‚Veröffentlichung‘ und ‚Edition‘ unter antiken Verhältnissen. Instruktiv zur Entstehung antiker Werke in mehreren Entwürfen ist STARR 1987, 213-223. 108 Vgl. 13,1,54 C. 609. 109 Zur Hypothese einer erst postumen Veröffentlichung der Geographika siehe SBORDONE 1963, IX mit Verweis auf dens. 1958, 56-59, ALy 1957, 396 und ders., Vorwort zu Vol. I, libri I-II 1968, DILLER 1975. 5. Auch Ausac 1969, Tome 1,1, XXXIV, hält eine erst postume Veröffentlichung für „fort vraisemblable“.

HO Vel. 1,1,1 C. 1-2; ALv 1964, 9-19, Froratos 1972, Ausac 1983, 17-29, HoNiGMANN 1931, 80f und 111

demnächst ausführlich RosEMAN in ANRW II 37.5. Plut. Luc. 28 = FGrHist 91 F 9 und Plut. Cacs. 63 = FGrHist 91 F 19. In F 9 werden die Historika Hypomnemata des Philosophen Strabon zusammen mit dem fachphilosophischen Werk Über die Götter des Antiochos zitiert.

1. Zur Biographie Strabons

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nios keine Zeugnisse. Die spätantike und byzantinische Tradition der Lexikographen kennt Strabon ebenfalls als Philosophen, der unter Kaiser Tiberius gelebt und ein Geogra-

phiewerk in siebzehn Biichern verfaßt habe. So nennen ihn auch Stephanos von Byzanz?!? und der zweite Eintrag der Suda unter dem Stichwort ‚Straton‘, der sich jedoch auf den Geographen und Historiker Strabon bezieht, wie ein Vergleich der Notizen der Suda mit Stephanos von Byzanz ergibt, einen Philosophen. Nur als Randnottz zum Codex A der Suda werden unter dem Stichwort Polybios auch die strabonischen Universalhistorien als

eine Fortsetzung der Historien des Polybios erwühnt!!'*. Eine Erklärung für das strabonische Selbstverständnis als „Philosoph“ könnte darin liegen, daß auch andere kaiserzeitliche Historiker, Architekten oder Árzte schon in den

Prooimien ihrer Werke selbstbewußt den Anspruch erheben, statt bloßer fachlicher Spezialschriften ‚philosophische‘ Werke zu verfassen. Hierzu zählen der Architekt Vitruv, der Arzt Galen und nicht zuletzt der Geograph Ptolemaios. Sie alle wollen námlich Themen von allgemeiner Interesse für das in der ἐγκύκλιος παιδεία gebildete Publikum untersuchen und lassen in ihre fachlichen Werke philosophische Reflexionen einfließen. Strabon berücksichtigt vor allem stoische, seltener auch aristotelische Lehrmeinungen über

die Naturkunde und das Walten der πρόνοια in der Geographie und Geschichte. Bei dem Anspruch Strabons und anderer Fachschriftsteller handelt es sich nicht lediglich um einen Topos, den alle damaligen Fachschriftsteller vorgebracht hátten, um ihren Werken durch

die Verbindung mit der Philosophie als der ,Krone* der damaligen Wissenschaften ein höheres Ansehen und eine größere Leserschaft zu sichern. Denn die Fachwerke Strabons, Vitruvs und Galens unterscheiden sich von früheren Fachschriften auf ihren Gebieten, soweit wir aus unserem gerade für diese Fachschriften sehr fragmentarischen Material noch Vergleiche anstellen kónnen, durch einen über das Fachgebiet weit hinausgehenden Anspruch, Rechenschaft über die verwandte Methode zu geben. Sobald eine Fachdisztplin (τέχνη, disciplina) im Laufe ihrer Entwicklung einen genügend großen Umfang an spezifischen Fachkenntnissen, eine eigene Methode und einen signifikanten Grad der Kompliziertheit ihrer Materie erreicht hatte, gewannen die Vertreter solcher in der Antike ursprünglich deutlich geringer als Philosophie und Rhetorik angesehenen Fachdisziplinen

ein immer größeres Selbstbewufitsein, das sich auf ihr Fachwissen und -kónnen gründete. Sie begannen dann auch bald, eigene methodische Traktate und ‚Summen‘ ihrer Fächer zu

verfassen! !4,

Auch Strabon drängt mit der Definition der Geographie als Teil der πραγματεία τοῦ

φιλοσόφου darauf, seiner Fachwissenschaft eine gesicherte Stellung und feste Veranke-

rung im System der damaligen allgemeinen Bildung zu verschaffen. Obwohl es in der

Lebenszeit Strabons schon ein lebhaftes Interesse an der Geographie und sogar eine ge-

wisse Konjunktur für Geographieschriften gab, von der außer umfangreichen geographischen Exkursen in historischen Werken auch Ciceros Versuche zu einem geographischen Werk und vor allem die unter Leitung des Agrippa und Augustus entstandenen halboffiziellen Geographiewerke Zeugnis ablegen, war die Geographie als eigenständige Fachdisziplin noch nicht in den Kanon der allgemeinbildenden antiken Unterrichtsfächer aufgerückt. Teilbereiche der mathematischen Geographie wurden allerdings innerhalb der Geometrie und Astronomie, Einzelheiten der Kulturgeographie und historischen Geogra112 Steph. Byz. Eth. s.v. ᾿Αμάσεια ed. Meıneke 1849 (ND 1992, 83-84). | | 113 SudaS 1155 und 5 1187 s.v. Στράτων; vgl. DiLLER 1975, 17 mit Anm. 42. Dieser Eintrag ist von JACOBY

als FGrHist T 1 aufgenommen worden. Die Randnotiz zum Stichwort Polybios der Suda Π 1941 ist bei Jacosy das T 2. Die Suda nennt noch zwei weitere Personen namens Straton, einen Komödienautor der | Mittleren Komödie und einen lampsakenischen Philosophen: Z 1184 und 1185. 114 Vgl. insbesondere zur technologischen Fachliteratur der Antike Meissner 1998 mit älterer Literatur.

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I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

phie im Literaturstudium und in den Fächern Rhetorik und Philosophie als exempla behandelt. Die mathematisch-physikalische Geographie gehörte nach stoischem Verständnis zur Physik, die zusammen mit der Logik und der Ethik die drei philosophischen Kemdisziplinen bildete. Seneca der Jüngere nennt an einer interessanten Stelle auch den Historiker Livius einen philosophischen Autor und verweist zweimal auf angebliche Dialogi oder philosophiam continentes libri, die Livius in seiner Jugend vor seinem berühmten Geschichtswerk verfaßt habe. SCHINDEL macht jedoch durch eine eingehende Analyse wahrscheinlich, daß wir keineswegs mit frühen philosophischen Fachschriften des Livius in dialogischer Form rechnen sollen, sondern daß sich die knappen Bemerkungen Senecas über die philosophischen Dialogi wohl auf Passagen in Reden und Gegenreden im Geschichtswerk des Livius beziehen. Die Geschichte Roms Ab urbe condita bis zum Tod des älteren Drusus enthielt genügend viele und gehaltvolle Passagen, die wegen ihres allgemeinen moralischen oder geschichtsphilosophischen Tenors eine Bezeichnung des Geschichtswerkes des Livius als philosophiam continentes libri rechtfertigten! ^. Wenn Seneca den Historiker Livius also einen Verfasser philosophischer Werke nennen konnte, erscheint auch Strabons Anspruch weniger überraschend, mit den Historika Hypomnemata und den Geographika philosophische Werke vorzulegen. Der thematische Bereich der Philosophie erweiterte sich im Laufe der hellenistischen Epoche durch die Initiative einflußreicher Fachphilosophen aus dem Peripatos mit seinen breitgefächerten Fachforschungen und durch Philosophen der jüngeren Stoa. Poseidonios konnte schließlich allgemein die ‚Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge und

ihrer Ursachen‘ als das Gebiet der Philosophie bezeichnen. Als gemeinsame Grundiagenwissenschaft hielt die Philosophie eine Reihe weiterer, auf hohem theoretischen und me-

thodisch abgesicherten Niveau betriebene Fachdisziplinen zusammen und überhöhte sie zugleich '*, Strabon schätzt sich selbst nun keineswegs lediglich als Fachgeographen und Fachhistoriker ein, sondern sieht sich in der Rolle eines philosophischen Ratgebers für die fübrenden Männer des Reiches und kommt daher auffällig oft auch auf ‚philosophische‘ Ratgeber bei fremden Völkern und in anderen Kulturen zu sprechen, beispielsweise Magier,

Brahmanen, Druiden oder Schamanenpriester!7, Als praktisch-nützliches Ziel der Geo-

graphika nennt Strabon deshalb auch ein philosophisches Anliegen, námlich das Leben der Menschen seiner Zeit zu verbessern. Indem die strabonische Geographie die Kenntnisse vom natürlichen Lebensraum der Kulturwelt vertiefe, trage sie zum Hauptziel der

späthellenistischen Philosophie bei, dem ‚guten Leben‘ der gesamten Menschheit. Methodisch betriebene Kulturgeographie durchsetzt mit philosophisch-stoischen Reflexionen sei eine konkrete Lebenshilfe für die Leser, weil sie durch Wissensvermittlung zur Haltung der ἀθαυμαστία führe. Diese Überlegung Strabons ist den psychologisch-philosophischen Zwecken der Geographieschriften des Poseidonios eng verwandt, der seine Werke aber noch stärker zur Erreichung dieser Zwecke philosophisch akzentuierte als

Strabon! 4. Die philosophischen Ansprüche der Geographika Swabons erscheinen aller-

dings den meisten heutigen Lesern des Werkes móglicherweise übertrieben hochgesteckt, sachfremd oder aber durch die philosophischen Aspekte und das methodische Niveau der strabonischen Kulturgeographie nur unzureichend eingelóst.

115 116 117 118

Vgl. Sen. epist. 46,1 und 100,9; dazu SCHINDEL 1983, 411—419. Vgl. EpgcsTEIN 1984, 133f. Darauf wies jüngst erneut French 1994, 123-128 hin. Vel. LAFFRANQUE 1964, 160f und 346-352.

1. Zur Biographie Strabons

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‚Philosoph‘ bedeutet auf Strabon, Vitruv oder Galen angewendet einen ,Gelehrten*! 1? im umfassenden Sinne. Eine vergleichbare Begriffsentwicklung macht auch die Bezeichnung ,Peripatetiker* im späten Hellenismus durch. Peripatetiker muß in der Zeit Strabons durchaus nicht immer Anhänger der Schule des Aristoteles bezeichnen, sondern bedeutet häufig einfach einen Wissenschaftler oder Gelehrten, weil der Peripatos unter den großen Philosophenschulen seit seiner Gründung der Förderung der Einzelwissenschaften die größte Bedeutung beigemessen hatte, Der ‚Philosoph‘ als ein Weltweiser tst eine leitende

Vorstellung, die Strabon nicht erst selbst entwickeln muß, sondern die unter den hellenistischen Philosophenschulen und im Sprachgebrauch seiner gebildeten Zeitgenossen schon

üblich geworden ist. Einige kaiserzeitliche Theoretiker der Rhetorik formulieren angesichts dieser Begriffsentwicklung der Philosophie nur folgerichtig, daß auch „Geschichts-

schreibung ethische Theorie anhand von Beispielen“ sei!20, Der stoischen und peripatetischen Philosophie fühlen sich Strabon und viele seiner Zeitgenossen als einer aufgeklärten ‚Bildungsreligion‘ verpflichtet. Als philosophisch gebildeter Mann hält er sich hingegen mit eindeutigen Ausagen über seine persönliche Frömmigkeit in den Geographika zurück. Er billigt jedoch ausdrücklich die stoisch be-

gründete Vernunftreligion und erkennt mehrfach das göttlichen Walten der πρόνοια an. An einigen dieser Stellen spricht er auch für seine eigene Person. Dagegen lehnt er alle nach seinem Urteil absonderlich scheinenden oder barbarisch-grausamen religiösen Lehren und Riten ab. Strabon verurteilt auch die meisten Ausdrucksformen der zeitgenóssischen griechisch-römischen Volksreligion und — damit eng verwandt — alle Formen von

Aberglauben vorzüglich der Völker an den Rändern der Oikumene!*!, Er differenziert zwischen der aufgeklärt-gebildeten εὐδαιμονία der Elite, der er sich selbstverständlich

zugehörig fühlt, und der in verschiedenen Formen der δεισιδαιμονία befangenen Reli-

gion der Massen, Alle Ausprägungen des Aberglaubens sind nach stoischer Lehre wider die Vernunft. Als häufige Anhängerinnen der abergläubischen oder magisch-primitiven Formen von Religion tadeft Strabon mehrfach die Frauen. Auch bestimmte Anhängerinnen der anatolischen Kulte in Komana nimmt er von seiner Kritik nicht aus, obwohl seine Familie mit diesem ‚Tempelstaat‘ über Dorylaos den Jüngeren engste Verbindungen hat-

te^

^, Wie schon bei der Übersicht über die Lehrer Strabons und über seinen Bildungsgang betont wurde, hat die Stoa von den großen Philosophenschulen auf Strabon die größte Anziehungskraft ausgeübt. Mehrfach bezeichnet er sich als Angehörigen dieser Schule

und Schüler ihres Gründers Zenon von Kition!#, Entsprechend den Lehren der stoischen

Schule verteidigt Strabon Homer als Archegeten der Geographie und aller Einzelwissen-

schaften, als wahren Philosophen und Vorbild für alle folgenden Dichter!**. An einen

Rückverweis im 17. auf sein 1. Buch fügt Strabon einen stoisch inspirierten Kommentar

über die Identität der Werke der Natur und der göttlichen Vorsehung an!?, Die Anlage

des gallischen Flußsystems scheint Strabon so sinnvoll und nützlich, daß er es als Exem-

pel des Waltens der göttlichen Vorsehung in der Naturentwicklung

herausstellt'”°. Man-

119 Vgl. Haan 1989. 120 Vgl. Ps.-Dionysios, Ars rhetorica X12 p. 376,20f Usener — Radermacher. I21 Vgl. WoLrram 1922. | 122 Vgl. zur Religion der philosophisch gebildeten Elite im Gegensatz zur Religion der ungebildeten Mas-

se 1,2,8 C. 19-20 und 7,3,4 C. 296-297; WoRDELMAN 1989 (n.v.), vgl. aber SHEPARD KRAEMER 1992, 3 Anm. 1; ferner WiMMER 1947 zu den seltenen persönlichen Urteilen Strabons.

123 Vgl. 1,2,3C. 15; 1,2,34 C. 41; 2,3,8 C. 104 und öfler; dazu Frrrz 1906.

124 Vgl. zu Strabon und Homer hier Kap. 1.1. Wichtige Gedanken auch bei Bıraschı 1984, 131-136. 125 17,1,36 C. 809-810. 126 Vgl, 4,1,2C. 177 und 4,1,14 C. 189.

44

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

che Städte besitzen eine ausgezeichnete natürliche Lage, durch die ihre blühende Entwicklung schon vorbestimmt wurde, z.B. in Gallien Massilia, Narbo und Lugdunum. In der Lehre von den Klimazonen und der physikalischen Geographie ist Strabon gleichfalls der

Stoa verpflichtet? Es läßt sich nun zwar nach ÁLvs Untersuchungen auch eine aristotelische Komponente im philosophischen Denken Strabons nicht bestreiten, von dessen peripatetischen Stu-

dien in seiner Jugend wir immerhin ein wichtiges Selbstzeugnis besitzen!*®, aber insgesamt dominiert in seinem Denken doch die stoische Schule. Im Kontext stoischer Tradition könnte sich auch die Kenntnis der strabonischen Werke vom frühen 3. Jh. n. Chr. und von Tertullian, Athenaios und Harpokration, den letzten Autoren, die wörtliche Zitaten aus den Historika Hypomnemata überliefern, bis zu den Lexikographen Hesych und Stephanos von Byzanz übermittelt haben. So ließe sich auch aus der Überlieferungsgeschichte die Bezeichnung Strabons als ein stoischer Philosoph aus Amaseia am Pontos bei den spáten Lexikographen erklüren.

127 Vgl. zum geographischen Weltbild Strabons auch ausführlich demnächst meinen Beitrag: Die strabonische Kulturgeographie in der Tradition der antiken geographischen Schriften und ihre Bedeutung

für die antike Kartographie, in: Orbis Terrarum 1998,4, 63-114 (= EnGezs 1998b). 128 Vgl. 16,2,24 C. 757 zu peripatetischen Studien; Auy 1964 und neuerdings Binascur 1984, 133-134 überbetonen eine aristotelische Komponente in Strabons philosophischen Auffassungen. Schon FRITZ 1906, FLoRATOs 1972 und ders. 1973, 34ff sowie Ausac 1983 unterstreichen dagegen zu Recht die dominierenden stoischen Elemente in Strabons philosophischem Weltbild.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Jh. n.Chr.

2. ZUR ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE DER WERKE BIS ZUM 6. JH. N. CHR.

45

STRABONS

Jeder Autor und jedes Werk der griechisch-rómischen Antike haben eine individuelle Uberlieferungsgeschichte, in der jeweils unterschiedliche Wirkfaktoren dazu beigetragen haben, daß ein Werk vollständig oder nur noch fragmentarisch, in philologisch sehr gutem Textzustand oder mit vielen sprachlichen Anstößen und Problemen überliefert worden ist.

Oft spielt hierbei der Zufall eine entscheidende Rolle! In diesem Kapitel sollen die Grund-

züge der Uberlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis ins 6. Jh. n. Chr. und zum Ausgang der Antike nachgezeichnet werden. Allgemeine Entwicklungen in der Gattungsgeschichte der Historiographie und Geographie sowie sich wandelnde Vorstellungen vom Verhältnis geographischer und universalhistorischer Schriften zueinander spielten in der

Überlieferungsgeschichte der strabonischen Werke? eine nicht unerhebliche Rolle. Auch

die Entwicklung des geographischen Weltbildes und seiner kartographischen Abbildung im rómischen Kaiserreich und im Mittelalter veränderte die Einschätzung des strabo-

nischen Werkes und verminderte seine Überlieferungschancen. Nur vor dem Hintergrund

der Entwicklung der Geographie als Fachdisziplin und unter Berücksichtigung des jeweiligen Stellenwertes geographischer Kenntnisse im Rahmen der hóheren allgemeinen Bildung läßt sich erklären, warum Strabons Geographika im lateinischen Westen, byzantinischen Osten und islamischen Süden der Mittelmeeroikumene vom 6. — 15. Jh. n. Chr.

in so unterschiedlicher Weise bekannt blieben?. Die Überlieferung der Werke Strabons wurde schon durch die eigentümliche Anlage

des Gesamtwerkes negativ beeinfluBt. Die Universalhistorie in 47 Büchern und die Oikumenegeographie in 17 Büchern waren zwar komplementär aufeinander bezogen, wurden aber in zwei getrennten Werken niedergelegt. Zudem wurden wahrscheinlich zumindest die Geographika noch gar nicht zu Lebzeiten ihres Verfassers veröffentlicht. Auf

jeden Fall waren beide Werkteile schon im 1. und 2. Jh. n. Chr. seltene Werke. Warum

geriet aber nun die Universalhistorie seit dem späten 2, oder frühen 3. Jh. n. Chr. in Vergessenheit? Und wie kann man die völlig unterschiedliche Überlieferungsgeschichte der Geographika im Vergleich zur Universalhistorie erklären? Es wäre sogar denkbar, daß Strabon auch seine Universalhistorie noch nicht in der

augusteischen oder frühtiberischen Zeit vor der Fertigstellung der Geographika separat veróffentlicht hatte, sondern sein privates Manuskript mit der Universalhistorie solange nur für sich — und eventuell seine engen Freunde — behalten woilte, bis er auch die Geographika als ethnographisch-geographischen Kommentar zu seinem Geschichtswerk abgeschlossen hatte. Als Strabon dann auch eine erste Fassung seiner Geographika fertiggestellt hatte, entschlof er sich unter dem Eindruck des Herrscherwechsels von Augustus zu TibeI

2

Vgl. allgemein zur Überlieferungsgeschichte RevnoLos und WiLsoN 1991, PasquaL1 1952 (ND 1988), CAvALLO 1986, 83-172 und Hunger 1961 (ND 1975).

Indie spezifischen Probleme der Überlieferungsgeschichte Strabons führen ein: Ausac und LASSERRE

1969, Tome 1,1 in den Kap. III-IV der Einleitung. Die in ihren Hauptergebnissen bis heute gültige und nur in Einzelaspekten erweiterte Monographie schrieb DiLuer 1975; vgl. als Vorarbeiten hierzu ders.,

1954, 29-50; ders., 1950, 241-253; ders., 1952. Ferner legten LAsserre 1959, 32-75, SaorDONE 1953, 202-206, ders. 1961, 11-32, Atv

1931,

151-155, ders., 1950, 229-263, ders., 1956 und ders. 1957

gewichtige Studien zur Überlicferungsgeschichte Strabons vor; ALv begann auch selbst eine kritische Ausgabe der Geographika, siehe I (libri I-II) 1968 aus dem Nachlaß ediert von KiRsTEN und Lap und

3

ferner SALMERI 1988, 287-312, | Einige knappe Bemerkungen über die Grundzüge der Entwicklung des geographischen Weltbildes dieser drei mittelalterlichen Kulturkreise und über die Verbreitung der Werke Strabons in der frühen Neuzeit schließen sich in den Appendices A-D an.

46

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

rius und neuer geographischer Erkenntnisse dazu, diese erste Fassung durch aktuelle Nachträge zu ergänzen. Während dieser Arbeiten ist Strabon aber verstorben, Es gelangte vermutlich sowohl zu Lebzeiten Strabons als auch in der für eine Verankerung des Werkes in der Tradition besonders wichtigen ersten Generation nach seinem Tode bis zur Zeit Plinius' des Álteren nur eine sehr geringe Anzahl von Manuskripten der strabonischen Werke in Umlauf. So wird verständlich, warum auch unter den Geographen des 1. Ih. n. Chr. weder Mela noch der belesene Plinius die Geographika als Quelle nutzten und warum die Historiker dieser Zeit vor Josephus und die Biographen vor Plutarch das Geschichtswerk nicht zitieren. Nach unseren Testimonien sind diese beiden Autoren die frühesten sicheren Leser der Historika Hypomnemata Strabons, danach folgt erst wieder Tertullian. Das ist wenig an ‚Nachwirkung‘ und bestätigt das scharfe Urteil von Schwartz: „Seinen sorg-

fültig, aber in hellenistischem Kathederstil geschriebenen Büchern fehlte das Publikum. Der Menge waren sie zu gelehrt und den Gelehrten, denen die Originalquellen zu Gebote

standen, zu sehr Kompilation‘“. Flavius Josephus zitiert Nikolaos von Damaskos und Strabon mehrfach in den Ántiquitates und Gegen Apion zusammen und bemerkt dabei, daß ihre Berichte über die Feld-

züge des Pompeius und Gabinius in Judäa sich sehr ähnelten*. Auch Plutarch zitiert sowohl Nikolaos als auch Strabon. Sehr viel später werden beide noch einmal zusammen in der Kirchengeschichte des Sokrates erwähnt. Das Zitat in Sokrates’ Kirchengeschichte kann sowohl aus der Universalhistorie als auch aus den Geographika Strabons stammen. Eine Zeitlang wurden also vielleicht die Universalhistorien des Nikolaos und Strabons zu bestimmten Themata parallel eingeschen und zitiert. Man móchte es für wahrscheinlicher halten, daß Plutarch, Josephus und Sokrates die Werke des Nikolaos und Strabons als thematisch und gattungsmäßig verwandt empfunden haben. Nach Tertullian in seinem Traktat De anima (ca. 210-213 n. Chr.) fehlen nun sichere

Zeugnisse dafür, daf) irgendein späterer antiker Autor (abgesehen von Sokrates?) noch die strabonische Universalhistorie zitiert hat. Das inhaltlich recht knappe Fragment der Universalhistorie Strabons, das Tertullian zitiert, ist überlieferungsgeschichtlich interes-

sant$, Aus dem Wortlaut darf man nämlich auf eine direkte Lektüre Strabons durch Tertullian schlieBen. Alle anderen bekannten Benutzer der Historika Hypomnemata stammen aus dem griechisch-hellenistischen Ostteil des Reiches, während Tertullian überwiegend

in Rom und seiner Heimatstadt Karthago lebte, zwei Metropolen der lateinisch geprägten Westhälfte des Reiches. Auch dort konnte man am Ende des 2. und Anfang des 3. Jh. also

noch die Universalhistorie Strabons lesen’. Die mit Strabons Werk annähernd gleichzeitig entstandene Universalhistorie des Nikolaos lag nach WACHOLDER noch im 10. Jh. vollständig oder fast vollständig vor, als sie im Auftrag Konstantins VII. ausführlich exzerpiert wurde®. Ab dem frühen 3. Ih. verliert sich jedoch die Spur der Universalhistorie Strabons in der Überlieferung. Ein Schlüssel zur Erklärung

dieses seltsamen Befundes könnte darin liegen, daß die meisten heute noch

erhaltenen Fragmente aus Nikolaos sich auf die Zeit beziehen, die seine Universalhistorie 4 5

6 7

8

Schwartz 1895, 1244 s.v. Arrianus (auch in ders. 1957, 151). Vgl.Jacoby FGrHist 90 und 91; zu Nikolaos (und Strabon) als Quellen des Josephus siehe WACHOLDER 1962 und Laqueur 1920 (ND 1970); einführend zur Josephus-Forschung vgl. Schaum 1973, Rasa 1983, FELDMAN 1984, insb. 392-419 und WacHoLbrR 1989, 147-172. Vgl. FGrHist 91 F 5 = Tert. De anima 46 über Mithradates. JacosY weist ein in der Suda aus Dexippos überliefertes Fragment ohne Buchtitel der Χρονικὴ totopia des Dexippos zu (FGrHist 100 F 12), In diesem Fragment wird die überragende GróBe und ráumliche Ausdehnung des rómischen Weltreiches gegenüber früheren Reichen nach einer hellenistischen Quelle behandelt, Man könnte an Poseidonios oder Strabon denken. Aber dies bleibt Spekulation. DiLLER 1975, 7 und WAcHOLDER 1962, 8f.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Ih. n.Chr.

und diejenige Strabons beiden nicht zusammen Fragmente des Nikolaos und stammen aus seinen ser und der Byzantiner

47

nicht parallel behandelten, und auf die Themata, zu denen die im späten 1. und 2. Jh. zitiert wurden. Die meisten erhaltenen betreffen nämlich die Weltgeschichte der früheren Jahrhunderte ersten Büchern. Das nachlassende Interesse der spätantiken Lean der späthellenistischen Epoche, dem Kernzeitraum des Ge-

schichtswerkes Strabons, wirkte sich ungünstig auf die Überlieferung seiner umfangreichen

Fortsetzung der polybianischen Historien aus. Strabon selbst hatte seine Universalhistorie und die Kulturgeographie als zwei Teile eines Gesamtwerkes aufgefaßt. Die Geographika sind nun offenbar schon relativ früh in der Überlieferungsgeschichte von der Universalhistorie getrennt worden. Dies konnte entgegen der Absicht des Autors dadurch leicht geschehen, daß er selbst sein Geographiewerk in einer äußerlich separaten Form konzipiert hatte und seine beiden Werke aus der Perspektive späterer Benutzer unterschiedlichen Gattungen angehörten. Wenn man annimmt, daß die Universalhistorie und die Geographika schon im 1. oder frühen 2. Jh. n. Chr. nicht mehr als eng zusammengehórig betrachtet wurden, erklären sich die Erhaltung des Geographiewerkes und der Verlust der Universalhistorie schon während der Spätantike leichter. Zeugnisse für das antike Nachleben der Geographika liegen erst ungefähr aus der Zeit vor, als die Zeugnisse über die Überlieferung der Universalhistorie gerade aufhören. Mela und Plinius sind die Geographika Strabons nicht bekannt gewesen. Nach den Untersuchungen von SazLMANN gilt Iuba IT. als der einzige augusteische griechische Quellenautor, den Plinius insbesondere für die Geographie der südôstlichen Regionen häufiger benutzte. Die älteren griechischen Autoren bis zu Xenophon von Lampsakos und die jüngeren Kulturgeographen Artemidoros, Isidor von Charax und Philemon sind — wena überhaupt direkt — dann nur für doxographische Details herangezogen worden”. Plinius hatte zwar eine Vorliebe für Autoren der augusteischen Ára, stützte sich dabei aber vor allem auf lateinische Quellen, besonders auf Agrippas Commentarii und Varros Schriften. Vielleicht hat sich Plinius bewußt für Agrippa und Varro sowie gegen Strabons Geographika entschieden, weil ihm die halboffiziellen lateinischen Commentarii Agrippas und die Schriften Varros leichter zugánglich waren, Etne zweite, mit Agrippa fast zeitgleiche und proaugusteische Perihegese der Oikumene auf Griechisch, aber in der Tradition der literarischen Weltbilder des Hellenismus, brauchte Plinius dann nicht mehr als Quelle. Es bleiben aber doch gegen eine solche Erklärung Bedenken. Falls Plinius die Geographika gekannt hátte, hátte er in seinem enzyklopädischen Sammeleifer Strabon vermutlich wenigstens in seinen langen Äutorenlisten für die Geographiebücher genannt. Auch im 2. Jh. werden die Geographika weder von Pausanias noch von Ptolemaios oder Marinos von Tyros zitiert, die AnlaB gehabt hätten, das Werk zu konsultieren und es aus ihrer Sicht zu kritisieren. Dionysios Perihegetes (ca. 125 n. Chr.) weist jedoch in einigen Versen eine inhaltliche Nähe zu Strabon auf, die vermuten läßt, daß er für sein im

byzantinischen Raum als Schulbuch viel gelesenes didaktisches Gedicht über die Geographie der gesamten Oikumene in nur 1185 Hexametern Strabon benutzt hat, doch zitiert Dionysios leider seine Vorlagen nicht namentlich. Daher kónnten die strabonisch klingenden Stellen bei Dionysios auch aus gemeinsamen Quellen Strabons und des Dionysios, z.B. Eratosthenes, Poseidonios oder Polybios, stammen'®. Der Vater des Dionysios 9

ZuPlinius und Varro als Geographen siehe Sarımann 1971, 88 (und demnächst DESANGES in ANRW IT 37.5). Vgl. über die Quellen des Plinius auch die Kommentare in den Ausgaben der „Geographiebücher" (IT, 242 — VI Schluß} von DerLErFsEN 1904 und Bropersen 1996.

10

Duuer 1975, 7-8 rechnet mit einer Benutzung gemeinsamer Quellen; er hält aber Dionysios dennoch für den frühesten uns bekannten geographischen Autor, der die Geographika (vgl. 2,5,32—33 C. 130131 und Dion. Per. 174-219) benutzt hat; doch anders BRODERSEN 1995, 95-100.

48

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Perihegetes war Bibliothekar und zuletzt Sekretär des Kaisers Traian. Vielleicht hat er eines der seltenen Manuskripte der Geographika in die Bibliothek von Alexandreia gebracht!!. Sicher nachzuweisen sind die Geographika dort erst am Ende des 2. Jh. n. Chr. wo sie Athenaios als Quelle benutzt haben könnte, falls man nicht annimmt, daß Athe-

naios schon ein Exemplar des seltenen Werkes Strabons in der guten privaten Bibliothek seines Patrons P. Livius Larensis fand. Zwei Zitate aus Strabons Geographika finden sich

im 3. und 14. Buch der Deipnosophistai!?, weitere Zitate bei Harpokration!? in seinem Lexikon zu den zehn attischen Rednern. Auf Papyrus sind bisher drei Textabschnitte aus den Geographika, jedoch mit Ausnahme eines einzigen umstrittenen Textes keine Überreste der Historika Hypomnemata Strabons bekannt geworden. Die Papyri bestütigen also den aufgrund der literarischen Testimonien gewonnenen Eindruck, daß das 2. und frühe 3. Jh. n. Chr. für die Überlieferung der Werke Strabons eine kritische Zeit war und diese insgesamt nicht viele Leser

fanden. Ein Oxyrhynchospapyrus (P.Oxy. 3447)!* stammt nach Meinung

der Editoren aus

dem frühen 2. Jh. n. Chr. und enthält Stücke aus dem 9. Buch der Geographika mit der Beschreibung Griechenlands. Der Papyrus zeigt Reste einer mit kalligraphischer Schrift und aufwendig breitem Rand ausgeführten Edition, die schon für das 9. Buch einen hochgerechneten Umfang von ca. 160 Kolumnen oder 14,5 Meter Papyrus erforderte. Man kann aus dieser Schätzung folgern, daß es im frühen 2. Jh. n. Chr. im ägyptischen Oxyrhynchos noch ein Interesse daran gab, sich von diesem Werk Strabons eine aufwendige Ausgabe anzufertigen. Wenig später, auf das späte 2. oder frühe 3. Jh., wird auch ein weiterer Oxyrhynchospapyrus (P.Oxy. 4459)? mit dem bisher ältesten Textzeugnis für eine Passage aus dem 2. Buch der Geographika datiert, Der Editor Huanes vermutet auf der Basis eines Vergleiches des Raumes, der in Kolumne 2 des Papyrus zur Verfügung gestanden haben dürfte, und des Textes der entsprechenden Stelle in den heutigen Ausga-

ben der Geographika, die sich auf die mittelalterlichen Handschriften stützen, daß „Strabo, like the papyrus, had a much shorter version than the medieval Mss. and that it was

substantially different“. Wenn diese Vermutung zuträfe, hätte sie weitreichende Folgen für die Überlieferungsgeschichte der strabonischen Geographika. Aber die Textgrundlage für solche Folgerungen scheint mir derzeit noch viel zu schwach. Auch das letzte bisher bekannte Zeugnis, ein Kölner Papyrus (P.Kóln I 8)", ist in einer gleichmäßigen, gut lesbaren Schrift verfaßt und stammt nach Auffassung der Editorin aus einer Buchedition zumindest einiger Bücher der Geographika. Ob sich der Papyrus Vogliano 46 (40) aus Mailand (aus dem späten 1. oder dem Anfang des 2. Jh. n. Chr.) dagegen tatsächlich den

Historika Hypomnemata Strabons zuweisen läßt, muB entgegen der Meinung MANGANAROS und AMBAGLIOS offen bleiben. Daher kann dieser Papyrus nicht als Zeugnis für die Überlieferungsgeschichte oder in Diskussionen über den Charakter der Historika Hypomne-

mata angeführt werden!?, Il 12 13

14 15 16 17 18

Dies vermutet Duier 1952, 8 und Anm. 17; vgl. zu Dionysios, Sohn des Glaukos, Suda A 1173 s.v. Διονύσιος. Athen. Deipnos. 3,121a = 3,4,2 C. 156 und 14, 657ff = 7 Fr. 60 (58b) Jones. 8,6222 C. 380 und 10,2,8 C. 451-452; siehe jetzt KrANEY 1991, IX-X1 zur Datierung Harpokrations auch mittels neuerer Papyrusfunde in die 2.Hälfte des 2. Jh. sowie die beiden Zitate Strabons L 15 s.v. Λέχαιον und L 10 s.v. Λευκάς. Einige Forscher halten diese Harpokrationzitate für bloße Glossen, doch KEANEY, DiLLER und DinDorr nicht. Vel. P.Oxy. 3447 in P.Oxy. Bd. 49, 1982, 47-73. P.Oxy. 4459 (= inv. 17 2B 57/Ea) ed. Huckes 1998, 71-75 (in P.Oxy. Bd. 65, 1998). Huckes 1998, 75 in einer kurzen Kommentarnotiz zu P.Oxy. 4459 col. Π,11--14 und 2,5,21 C. 124. Ed. Kresger 1972, 204—221 (= P.Köln I 8). Zur Interpretation des Anfanges des Textes mit einer Geschichte über Methana siche MrRxEr BACH 1973, 194—196 und ebenfalls mit abweichenden Abtrennungen und Ergänzungen des Textes Luree 1994, 115-118. Vgl. aber ManGarano 1974, 157-171; auch AMsBAGLIO 1990, 405 und 416 übersetzt und kommentiert

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Jh. n.Chr.

49

Vom Ende des 2. und dem Anfang des 3. Jh. bis zu Sokrates’ Kirchengeschichte!? (ca.

380-440 n. Chr.) sind keine Zitate aus den Geographika in der antiken Literatur mehr

nachweisbar. Der Palimpsest (P) Strabons?? umfaßt Stücke aus den Büchern | und 8-17

der Geographika. Wahrscheinlich stammt er aber aus einer vollständigen Ausgabe aller Bücher 1-17, Nach seiner Majuskelschrift des späten 5. Jh. ist dieser heute in der Vatikanbibliothek befindliche Palimpsest sogar früher als die Zitate im geographischen Lexikon des Stephanos von Byzanz aus dem 6. Jh. zu datieren. Der Text des Palimpsestes ist stellenweise aber nicht mehr zu entziffern. Es fehlen ferner interessante Zusätze, wie sie spä-

tere mittelalterliche Handschriften oft bieten, z.B. Titel, Argumenta, Indices, Commentatio-

nes, Glossae und Varianten. Nur ein Buchanfang ist erhalten, aber kein Buchende?l,

Erst seit dem 6, Jh. werden die Testimonien für eine Benutzung der Geographika im byzantinischen Raum dichter, während wir für die Universalhistorie abgesehen von einer problematischen Stelle im Yosiphon, einer jüdischen Chronik, keine Hinweise mehr finden. Man hat auch vermutet, daß Markians Edition des älteren Periplus des Menippos aus Pergamon oder ein unter Arrians Namen laufender Periplus durch Kenntnis Strabons beeinflußt seien. Doch läßt sich eine direkte Benutzung der Geographika in beiden Werken

nicht sicher nachweisen??. Stephanos von Byzanz zitiert Strabons Geographika dagegen in den Ethnika häufig. Er nennt dabei durchweg die Buchzahl, nicht aber regelmäßig auch den Werktitel Geographika, weil diese eben das einzige Stephanos noch bekannte Werk Strabons waren. Stephanos ist allerdings fast ausschließlich an Ortsnamen (mit Varianten) und deren Ableitungen

interessiert. Über den Kontext seiner Fundstellen erfahren wir deshalb selten etwas. Leider liegt uns heute auch nicht mehr das gesamte Lexikon des Stephanos vor, sondern nur eine Epitome im Umfang von ungefähr einem Fünftel des Originales?. Wir können aber erkennen, daß der Strabontext, der Stephanos vorlag, noch nicht sämtliche Mängel und Lücken hatte, die wir heute beklagen. Das Ende von Strabons Buch 7 und der gesamte Text der Bücher 8-9 waren noch vorhanden. Dennoch läßt sich nicht nachweisen, daß der Text, der Stephanos vorlag, der Archetyp der mittelalterlichen Strabonmanuskripte ge-

wesen ist. Dieser dürfte noch deutlich älter als der Palimpsest sein?*. Markian von Hera-

19

das Papyrusfragment als Rest der Historika Hypomnemata. Die Tatsache, daB Strahon in 17,1,54—55 C. 820-21 außergewöhnlich ausführlich über die Schlacht bei Pselchis im Feldzug des C. Petronius gegen die Aithioper berichtet, spricht nach der Regel der komplementären Ergänzung beider Werke eher dagegen, daß Strabon der Verfasser des detaillierten und lebhaften Schlachtberichtes der Römer gegen die Aithioper sein sollte, aus dem der Pap. Vogl. 46 (40) stammt. Sokr. 7,25 Hansen. Hier ist allerdings nicht zu entscheiden, ob sich der Hinweis auf die Geographika (12,4,2-3 C. 563) oder die Historika Hypomnemata bezieht, die anläßlich des Angriffes des Mithra-

dates auf Chalkedon 74 v. Chr. auch über Chrysopolis berichtet haben können. In diesem Falle hätte 20

man hier doch noch einen isolierten Hinweis auf die Hypommentata Strabons. Ed. ALv 1956 = Cod. Vat. Gr. 2306, vgl. auch SBORDONE, vol I: libri I-Il, (963, X-XVII mit interessantem Schema der im Palimpsest erhaltenen Passagen und der entsprechenden Parallelen in den Edi-

tionen der Geographika von CasAUBONUS und MEINEKE; siehe auch DuLer 1975, 19ff. 2]

"Vgl. Ducer 1975, 21 Anm. 60, ferner ALv 1956 und Sporpone 1963. Überlegungen zum Archetyp der

mittelalterlichen Sirabonhandschrifien stellt Diuer 1975, 23 und 25ff an. Der P. Oxy. 3447 bestätigt, daß der Palimpsest stellenweise cinen schlechteren Text als die späteren Handschriften bietet.

22

Vgl. dazu DiLLER 1952 zum unter Arrians Namen laufenden Periplus ponti Euxini. Er geht auch auf die wichtigsten Quellen dieses Periplus cin, nämlich die Edition Markians des Periplus des Menippos aus

Pergamon, Arrians Brief an Kaiser Hadrian mit seinem Periplus und die Fragmente des Pseudo-Skym-

nos, der Perihegesis ad Nicomedem regem. DiLuers Buch bietet auch eine nützliche kommentierte Bibliographie (48-101) zu den kleineren griechischen Geographen.

23

24

Vel. die Ausg. von MEINEKE 1849 (ND 1992).

Vgl. zum Palimpsest SBORDONE 1963, X-XVII, LassEnRE 1969, LIT-LII sowie Cook 1959, 19-26 und Dun

1975, 10-15.

50

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

kleia, Priscian, der Onomatologos des Hesych von Milet und möglicherweise Cassiodor (in seiner Gotengeschichte) zitieren Strabons Geographika. Auch Prokop in achten Buch der Historien über das Schwarze Meer und Euagrius in seiner Kirchengeschichte nennen Strabons Namen. Man möchte also annehmen, daß sich im 6. Jh. noch zumindest ein vollstándiges Exemplar der Geographika in den Bibliotheken Konstantinopels befand. Môglicherweise hat sich die Kenntnis des strabonischen Werkes vom frühen 3. Jh. bis zu den frühbyzantinischen Lexikographen, z.B. Stephanos von Byzanz, im Zusammenhang mit stoischen Traditionen erhalten. Bei einer solchen Annahme wäre die mehrfach belegte, selbstverständliche Bezeichnung Strabons als stoischer Philosoph aus Amaseia am Pontos sowohl bei Plutarch als auch in den lexikographischen Quellen der Byzantiner erklärlich. Die Tatsache, daß außer Flavius Josephus, Piutarch, Harpokration, Tertullian und Athenaios keine weiteren Autoren Strabons Geschichts- und Geographiewerke in den ersten Jahrhunderten nach ihrer Entstehung zitieren, spricht nicht schon an sich gegen den Wert dieser Werke. Sie verlangt aber eine Erklärung für die offensichtlich geringe Verbreitung. Auch Pausanias, den wir heute für einen bedeutenden Geographen der Antike halten

und dessen Perihegese wir als ein grundlegendes Werk der antiken ,Reiseführerliteratur' schätzen, wurde in der Antike erstaunlicherweise nur ein einziges Mal zitiert, nämlich von seinem Zeitgenossen Aelian$. Möglicherweise erklären sich die seltenen Hinweise auf Strabon und Pausanias zum Teil durch vergleichbare Faktoren der Überlieferungsgeschichie. Mehrere Faktoren haben sich in der Überlieferung der Universalhistorie Strabons ungünstig verstärkt. Sie haben aber gleichzeitig eine separate Überlieferung seines geo-

graphischen Kommentares in der byzantinischen Ära nicht entscheidend behindert. Erstens wirkte es sich gerade in der christlichen Spätantike immer stärker als ein Mangel aus, daß Strabon im Unterschied zu Nikolaos oder anderen Konkurrenten des universalhistorischen Genus die für Christen interessante Geschichte der altorientalischen Reiche und die mythische Frühzeit nicht (oder nur mit ganz verstreuten Notizen) behandelt hatte, Zweitens dürfte die thematische Konzentration Strabons auf die Fortsetzung des Polybios, also auf die späthellenistische Geschichte von 145 — ca. 27 v. Chr., dem vorherrschenden Interesse der Leser weltgeschichtlicher Darstellungen ab dem 3. Jh. zuwidergelaufen sein, Sie wollten auch die weitere Entwicklung bis zu ihrer eigenen Lebenszeit erfahren sowie die altorientalischen, biblischen Reiche behandelt sehen, wie dies die Uni-

versalhistoriker Diodor, Trogus und Nikolaos getan hatten. Drittens erwies sich das Geschichtswerk von 144 Büchern des Nikolaos gegenüber demjenigen Strabons in 47 (bzw. 25

Vgl.Priscianus Lydus, Solutiones ad Chosroen, Prooemium p. 42.8—11 Bywater = T 72 Poseidonios Edelstein/Kidd mit guten Kommentaren. Priscian ist (neben Cassiodor) das späteste Zeugnis im frühen

6. Ih., das in der lateinischen Tradition Strabons Geographika und Poseidonios zusammen als nützliche Quellen nennt. Priscian hat auch die Erdbeschreibung des Dionysios in lateinische Hexameter 26

übersetzt. Acl. var. 12,61 = Paus. 8,27,14; vgl. Hunger 1975, 300. CHAMoUx 1996, 45-70 untersuchte die „historische" Methode des Pausanias, die in ihrer kompilatorischen Arbeitsweise Vergleiche zu den Geographika zuläßt; siche zu Pausanias als historischer Quelle auch Hagicur 1985, BEARzoT 1992, die Beiträge in BiNazN 1994 sowie PnrrcuErr 1998. Got pMANN 1991, 145—164 widmet den Topoi des Gedenkens und Pausanias! Reise durch die griechische Gedächtnislandschaft eine interessante Studie. Insbeson-

dere die Denkmäler vor dem Epochenjahr 146 v. Chr. veranlassen bei Pausanias mythologisch-historische Exkurse, und umgekehrt werden diese gebildeten Exkurse durch Denkmäler bezeugt. Eine ähnliche Absicht könnte teilweise auch Strabon in den Geographika geleitet haben. Bei ihm sind es jedoch bestimmte Orte und Regionen der Oikumene, die gelchrte historisch-philologische Exkurse und Bemerkungen veranlassen. Meist nennt Strabon dabei Details, die ein allgemein gebildeter Zeitgenosse des späten Hellenismus aus dem Osten des Reiches wissen sollte. Wie bei Pausanias spielt auch bei Strabon, u.a. in seinen Honoratiorenkatalogen, das Vokabular des Erinnerns eine wichtige Rolle.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Sırabons bis zum 6. Jh. n.Chr.

51

selbst mit den Geographika zusammen nur in 64) Büchern für das t. Jh. und hinsichtlich der Ereignisse im syrisch-judáischen Gebiet, also die Zeiten und Regionen, die beide Autoren behandelten und die aus theologisch-kirchengeschichtlichen Gründen wichtig waren, als deutlich detaillierter. Da Josephus sich in seinen in der Spätantike vielgelesenen Werken primär auf Nikolaos stützte, war dem damaligen Leser die Version des Nikolaos vertrauter als die Strabons. Josephus lernte nach den gründlichen Untersuchungen AL-

BERTS?’ die Historika Hypomnemata wohl erst in der späten domitianischen Zeit und bei

der gezielten Suche nach ergänzenden Quellen zur Geschichte des syrischen Raumes in der späthellentstischen Zeit kennen.

Die politische Tendenz Strabons, seine Unterstützung des Prinzipates als neuer Staatsform und des Prinzeps Augustus als Person, wurde von den konkurrierenden augusteischen Universalhistorikern geteilt. Sie kann das ungünstige Überlieferungsschicksal der Werke Strabons nicht erklären. Möglicherweise könnte es in der frühen tiberischen Zeit der Verbreitung des Geschichts- und Geographiewerkes Strabons jedoch geschadet haben, daß er unter seinen wichtigen römischen Bekannten zwei Männer hervorhebt, die beide schon unter Tibertus in Ungnade fielen, Cn. Piso und Aelius Gallus. Zudem haben vor allem Bowersock und SUMNER die Vermutung geäußert, daß Strabon auch Verbindungen zur Familie des mächtigen Prätorianerpräfekten Seianus gehabt haben kann, Der Sturz des Seianus in der Regierungszeit des Tiberius kónnte in diesem Falle der Beliebtheit des strabonischen Werkes am tonangebenden Kaiserhof geschadet und seiner Verbreitung entgegengewirkt haben. Die vermuteten Verbindungen zur Familie des Seianus sind jedoch aus den erhaltenen Werken Strabons oder in unabhängigen anderen Quellen nicht eindeuttg nachweisbar. Auch die groBe Länge von 47 Büchern mufite nicht schon notwendigerweise zum Untergang des strabonischen Geschichtswerkes führen, wie das riesige Werk des Nikolaos von 144 Büchern zeigt, stellte aber ein technisches und ókonomisches Hindernis für

eine weite Verbreitung und kontinuierliche vollständige Überlieferung dar. Timosthenes von Rhodos, der berühmte ptolemäische Admiral und Zeitgenosse des Eratosthenes, fertigte daher selbst aus seinem zehnbündigen Werk Über Hüfen in je einem Buch eine Epitome und eine Zusammenstellung der Stadiasmen an. Diese Epitome trug ihren Teil dazu bei, daß Timosthenes bis zur Zeit des Stephanos von Byzanz ein oft zitierter Autor blieb??, Eine - allerdings zweifelhafte — Tradition berichtet auch über eine eigenhändige Epitome der Geographumena des Artemidoros. Photios bezeugt, daß auch Dionysios von Halikarnassos aus seinen umfangreichen Antiquitates Romanae selbst eine Epitome verfaBt habe, aus der wir wahrscheinlich inzwischen ein Papyruszeugnis besitzen?" Die meisten Leser historischer Werke begeisterten sich seit der Zeit des Tiberius für

kurze Exempla-Sammlungen, Chroniken, Epitomai! und Exzerptliteratur sowie rhetorisch stark stilisierte Werke. Brevitas, Stoffauswahl im Hinblick auf verwertbare Exempía und rhetorischer Pointenstil waren ‚en vogue‘. Der Prinzeps Tiberius selbst förderte universalhistorische Werke kaum, weil sie seinem literarischen Geschmack weniger ent-

sprachen als gelehrte antiquarische, rhetorische oder philologische Studien und kunstvol-

le Kleinformen der Dichtung??. Weder unter den späten julisch-claudischen Kaisern noch 27

Vgl. ALBERT 1902, 32.

28 29

Bowersock 1965, 128ff und Sumner 1965, 134-145. "Vgl. Berger 1380 (ND 1964), 209 Anm. 3.

3l 32

1108). Vgl. zur Gattung der Epitome OreLT 1962, 944-973, | Vgl. KarLan 1990, 202-252. Besondere Favoriten des Kaisers Tiberius waren bekanntlich die Dichter Euphorion, Rhianus und Parthenius. Ihre Werke licB der Kaiser ausdrücklich in die öffentlichen Bi-

30

Vgl. Phot. Bibl. Cod. 84 p. 65a 22f Henry und P. Antinoop. 19.8,2 (vgl. APF 16, 1958, S. 110, Nr.

52

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

während der flavischen Dynastie kam es zu einer neuen Blüte der Universalhistorien, die

mit derjenigen unter Augustus vergleichbar gewesen wäre. Man könnte sogar nach dem Tode Strabons von einem Paradigmenwechsel in der griechischen Historiographie spreChen, der von der Universalhistorie wegführte. Es ist bezeichnend, daf) uns nach Strabon — abgesehen von C. Sulpicius Galba, den man aber aus der Reihe der griechischen Historiker wohl streichen muß — bis zu Kephalion in hadrianischer Zeit nicht einmal weitere Namen von Verfassern und Werktitel von Universalhistorien überliefert sind”. Die kontinuierliche griechische Tradition der Universalhistorien riß nach Strabons Werk vorerst ab, und in der lateinischen Literatur hat Pompeius Trogus auch keinen gleichartigen Nachfolger gefunden. Die Entwicklung des historiographischen Geschmackes des breiten Publikums kann man schon früh in der freimütigen Begründung Diodors antizipiert finden, seine Historische Bibliothek sei für die Leser besonders nützlich, weil sie sich durch ihre Lektüre den

mühevollen und teuren Erwerb aller darin kompilierten und exzerpterten Historiker sparen könnten’*. Die thematische Breite und der kompilatorische Charakter der Historischen Bibliothek fórderten ihre Überlieferung sehr», Die Aufwertung seiner Historischen Bibliothek setzt schon vor der Spätantike ein. So wie das Werk des Nikolaos unter den griechischsprachigen Universalhistorien der augusteischen Ära blieb auch das Werk Diodors bis zum 10. Jh. vollständig erhalten. Im Erfolg des kurz nach dem Tode Strabons entstandenen lateinischen historischen Abrisses des Velleius erkennt man den Fortgang

dieser für Strabons Werke fatalen Entwicklung. Mit der Epitome des Florus? und ähnlichen Werken hat sich dann im 2. Jh. eine zugleich rhetorisch stark stilisierte, biographisch akzentuierte und knappe Form der Geschichtswerke zu der Zeit etabliert, als die Universalhistorie Strabons verlorenzugehen scheint. Die umfangreichen Werke Appians und Cassius Dios in griechischer Sprache knüpfen nur in einigen Elementen an die hellenistisch-augusteische Universalhistorie an, sind aber im Kern neuartige Reichsgeschichten und signifikante Zeugnisse der kulturellen Situation ihres Jahrhunderts. Dennoch machten auch diese neuen Werke zu einem gewissen Grade eine weitere Lektüre der vollständigen Historika Hypomnemata Strabons für viele Leser entbehrlich. Vergleicht man die reichen Angaben Strabons in den siebzehn Büchern der Geographika mit den oft auf bloBe Ortsbestimmung und toponomastische Reihen reduzierten Notizen des Pomponius Mela in seinen nur drei Büchern De chorographia knapp eine Generation nach Strabons Tod, so kann man den inhaltlichen Niedergang der deskriptiven Kulturgeographie im 1. Jh. n. Chr. ermessen und einen für die Überlieferung des straboni-

schen Werkes gefährlichen Trend in der Geographie te Mela jedoch keineswegs eine ununterbrochene und obwohl er im Unterschied zu Strabon in den langen finden wir danach erst wieder in einem spätantiken

33

34 35 36

erkennen. Selbst diese Kürze sicherintensive Wirkungsgeschichte. Denn Quellenlisten des Plinius auftaucht, Scholion zu Juvenal und bei Servtus

bliothcken aufnehmen und auf viele andere Weise fördern (Starr 1987, 216 und Anm. 24). Einen hervorragenden Überblick über die lateinische Historiographie des 1. Jh. gibt No& 1984. Vel.dazu FGrHist 91 Strabon, danach FGrHist 92 C. Sulpicius Galba, der nach der Meinung von Hose 1992, 151-152 aufgrund unseres durch Inschriften erzielten Wissenszuwachses gegenüber JAcoBv aus dieser Reihe zu streichen wäre, und mit FGrHist 93 folgt schon Kephalion, dessen Μοῦσαι oder Παντοδαπκαὶ ἱστορίαι cher in einer antiquarisch-poikilographischen als in der universalhistorischen Tradition stehen.

Diod. 1,3,8; vgl. zur universalhistorischen Konzeption Diodors unten Kapitel H.6. Vel. die Einleitung von Norurss in die Übersetzung Diodors von WirTH und VEH 1992, 1-24 sowie ZeEccHinı 1987, 43-52, Plinius nennt einen Diodor (aber aus Syrakus und nicht aus Agyrion stammend) als Quelle im Index zu den Büchern 3 und 5 und in der Plin. nat. praef. 25. Vel. über Florus jüngst Bessone [996 und über die frühkaiserzeitliche Historiographie TROIANI 1979

und Hose 1994; zum Zeitgeschmack an Geschichtswerken siehe auch Val.Max. praefatio 1,1.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Jh. n.Chr.

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eine Erwähnung Melas?". Der erschütternd dürftige Inhalt der Οἰκουμένης Περιήγησις

des Dionysios Perihegetes (ca. 125 n. Chr.) verhinderte keineswegs den Siegeszug dieses nur 1186 Hexameter umfassenden Lehrgedichtes als wichtigstes geographisches Schulbuch der byzantinischen Ara. Die deskriptive Kulturgeographie Strabons wurde als dominierende Richtung der geographischen Literatur seit Marinos von Tyros und Klaudios Ptolemaios, also im Laufe des 2. Jh. n. Chr., von der astronomisch-mathematischen Geographie und Kartographie abgelóst. Diese Gegner der strabonischen Geographie dominierten somit genau in der Epoche

das ‚Fach‘ Geographie, als man im Zu ge der Kanonbildung für einzelne Fächer immer

strikter nur wenige Autoren als Schulautoritäten festlegte. Die drei Hauptwerke des Ptolernaios Σύνταξις μαθηματική, Τετράβιβλος und Tewypasırn ὑφήγησις entwarfen zusammengenommen und aufeinander aufbauend ein moderneres, systematisches und nach der Auffassung des 2. Jh. n. Chr. sowohl wissenschaftlicheres als auch aus Sicht des römischen Publikums nützlicheres Bild der Oikumene als die alten Beschreibungen von

Eratosthenes bis Strabon. Die Mathematik und Geometrie besonders in der Syntaxis, die Astronomie und die auf die Ethnographie und Geographie angewandte Astrologie in der

Tetrabiblos sowie die mathematisch-astronomisch durch umfassende und aktuelle Posiüonsmessungen vorbereitete Kartographie der Oikumene und ihrer Einzelregionen in der ptolemäischen Geographie bildeten die methodischen Grundpfeiler der Geographie nach Ptolemaios?5, Während Strabon in seinen Geographika nur an wenigen Stellen - und ohne die notwendigen mathematisch-kartographischen Kenntnisse der Projektionslehre, die später Marinos von Tyros und Ptolemaios verfeinerten - die Probleme und den Nutzen einer Oikumenckarte oder vieler Einzelkarten erörterte, betrachtete es Ptolernaios als sein Hauptziel, möglichst lückenlose, verläßliche und aktuell bestimmte Positionsangaben und Distanzen als Material für eine solche Oikumenekarte und Regionenkarten bereitzustel-

len. Mit dieser Orientierung kam Ptolemaios dem Interesse eines breiten Publikums seiner

Zeit entgegen”. Auch die späthellenistische Theorie der κλίματα und οἰκήσεις, wie sie Theodosios von Bithynien“ oder Strabon im 1. Jh. v. Chr. vertraten, entwickelte Ptolemaios den Bedürfnisen und Erkenntnissen seiner Zeit gemäß weiter. Die Leser der strabonischen Perihegese konnten mit den Geographika in der Hand in

ihrer Bibliothek eine literarische Reise um die Welt machen. Die dynamische Entwicklung des tatsächlichen Reiseverkehrs innerhalb des Imperium in den ersten beiden Jahrhunderten machte nun bis zu einem gewissen Grade rein literarische Reisen überflüssig, weil viele der Leser der Oberschicht, an die sich Strabon zunächst richtete, solche Reisen nun 37

38

39

Vgl. Schot. Juv. 2, 160 und Serv. Acn. 9,30; schon Plin. nat. 14 pracf. 2f beklagt einen beginnenden Rückgang des Interesses an der gelchrten wissenschafilichen Tradition. Er bringt diese Entwicklung in einen Zusammenhang mit den saturierten und materiell gesicherten Verhältnissen im römischen Katserreich. BRODERSEN 1995, 87-94 hingegen hält Mela zusammen mit Dionysios Perihegetes für Autocen, deren Werke das geringe allgemein verbreitete geographische Fachwissen zutreffend widerspiegelten. Man dürfe nicht vom Niveau der gelchrien Werke Strabons, des Marinos von Tyros oder des Ptolemaios ausgehen. Über Melas Chorographia und die geographischen Kenntnisse im rómischen Kaiserreich siche auch demnächst PARRONI und SiLBERMAN in: ANRW II 37.5. | | Vgl. zu Ptolemaios Auiac 1993 (sowie demnächst BERGGREN in ANRW II 37.5) und über die Entwicklung der Geographie im römischen Kaiserreich PRoNTERA 1992, 275-317. |

Vgl. 2,5,1 C, 109-110 und 2,5,10 C. 116-117 mit Ptol, Geog. 1,1,1. Ein ‚kartographischer‘ Blick auf

die Erde ist auch in Lukian, Ikarom. 18 und Charon 6 belegt. Einfache Karten halte Ptolemaios schon

der Tetrabiblos beigegeben, die die Oikumene unter das Wirken bestimmter astrologischer Konsiella-

40

tionen stellte. Der Geographie gab Ptolemaios wahrscheinlich sogar eine Oikumenekarte und 26 Regionalkarten bei, [0 für Europa, 4 für Afrika und 12 für Asien. Zum „hodologischen Weltbild" der Antike s.u. Kapitel TIL.4. und demnächst meinen Aufsatz in Orbis Terrarum 1998,4 (= EnceLs 1998b). Vgl. zu Thcodosios von Bithynien Fecht 1927.

54

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

selbst unternehmen konnten. Der Rhetor Aristeides sagt zugespitzt, es gebe keinen Bedarf mehr für literarische Beschreibungen der Welt und für Berichte über Sitten der Völker. Denn der Kaiser habe für alle Bewohner des römischen Reiches die Möglichkeit geschaffen, im befriedeten Reich selbst herumzureisen und diese Dinge mit eigenen Augen zu

sehen^!. Das weiterhin starke geographisch-ethnographische Interesse hätte auf den ersten Blick Strabons Werk zugute kommen und eine Überlieferung seiner Werke fördern können. Doch andere Gattungen der Literatur deckten das exotische Interesse der meisten Leser aktueller und in amüsanterem Stil 8052, Die romanhafte Historiographie (z.B. die Alexandergeschichte des Curtius Rufus), die eigentlichen Romane (z.B. des Longos) oder

auch die Biographien mit romanhaften und geographischen Exkursen (z.B. das Leben des Apollonios von Philostrat) und die paradoxographischen Sammelwerke (z.B. des Ailian)

kónnte man hier anführen. Der pädagogische Nutzen eines Werkes im Rahmen der septem artes liberales und seine rhetorische Stilisierung entschieden über seine Eignung als Schulbuch in der antiken allgemeinen oder hóheren Bildung. Die Verwendung eines Werkes als Schulbuch sicherte fast immer seine Uberlieferung, eine Ablehnung der Eignung setzte einzelne Werke, ganze Autoren und Gattungen der Gefahr des Unterganges in den folgenden Jahrhunderten aus. Die Geographie war nun zwar als Hilfswissenschaft der Geschichtsschreibung und der Literaturwissenschaft, als Teilgebiet der Astronomie, der Rhetorik und Gram-

matik sowie aus Gründen ihrer politisch-militärischen Nützlichkeit in der Lebenszeit Strabons angesehener geworden, doch erhielt sie als eigenständiges Fach keinen festen Platz im Fächerkanon der Schulen des Kaiserreiches. Historische Beispiele aus der griechischen Geschichte, die man im Rhetorikunterricht verwendete, wählte man bevorzugt aus dem ‚klassischen‘ Zeitraum des 5. oder 4, Jh. v. Chr., den Strabons Universalhistorie nur

in wenigen zurückgreifenden Bemerkungen berührte. Weder die Historika Hypomnemata noch die Geographika waren inhaltlich als rhetorische Exempelsammlungen geeignet. Der Einfluß des attizistischen Stil- und Sprachideals wurde im 2. Jh. n. Chr., das für die Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons sehr wichtig ist, auch innerhalb der Gattungen der Historiographie und Kulturgeographie dominierend. Der Attizismus erhob

die Sprachstufe der attischen Prosa des späten 5. und 4. Jh. v. Chr. zu seinem Ideal. Es schadete der Überlieferung des strabonischen Werkes sehr, daB es noch in einem komplizierten späthellenistischen, rhetorisch wenig ansprechenden Sprachstil verfaßt war. Den Attizisten mußten Strabons Werke sprachlich-stilistisch mißfallen. Sie weisen im Vergleich zu den Fragmenten des Poseidonios oder Agatharchides in der Wortwahl und im

Satzbau zwar Eigenarten auf, die von der späthellenistischen Kunstprosa wegführen. Mit ihrer syntaktischen Kompliziertheit steht Strabons Sprache oft aber noch in der Tradition der hellenistischen Universalhistorie des Polybios, die von Dionysios von Halikarnassos

bis zu Ailios Aristeides und Hermogenes von Tarsos als nicht mehr nachahrnenswert abgelehnt wurde. Auffallend ist, daß im 6. Jh. mindestens sieben Autoren*? Strabon zitieren, die alle in

Konstantinopel gelebt haben. Vielleicht erweckten die politisch-militärischen Rückeroberungspläne [ustinians und seiner Nachfolger im italisch-afrikanischen Raum in der Elite der Hauptstadt ein neues verstärktes Interesse an Beschreibungen der Mittelmeeroiku41

42

43

"Vgl. Aristcid, or. 24 und 26; ähnliche Äußerungen findet man bei Appian, Philon, Plutarch oder Epiktet; zum Ausmaß des Tourismus im römischen Kaiserreich am Beispiel Agyptens siehe Hout wEIN 1940, 253-278 und allgemeiner ANDRE 1994, 248-256. Dic tatsächliche Leserschaft cines griechisch-rómischen Historikers und Geographen läßt sich auf der Basis der wenigen uns vorliegenden Testimonien kaum mehr bestimmen, vgl. Ρυτνὰμ 1896, MomrGLiANO 1978, 59-75 und MaLrrz 1990, 323-349.

Vgl. Duver 1975, 18fF.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Ih. n.Chr.

55

mene“*. Strabons Lob der unter dem Augustusfrieden vereinten Mittelmeeroikumene paßte auch gut zu den imperialen Ansprüchen der Zeit Iustinians. Ein Indiz für das große geographische Interesse der Elite der justinianischen Zeit sind zahlreiche geographische Pas-

sagen in der Johannis des Flavius Cresconius Corippus über die Feldzü ge des Johannes

gegen die Mauren. Es verringerten sich damals auch schon spürbar die mathematischastronomischen Kenntnisse und Interessen. Daher könnte die mathematisch-astronomische Richtung der Geographie des Ptolemaios gegenüber der in dieser Hinsicht anspruchsloseren deskriptiven Geographie Strabons in der allgemeinen Wertschätzung zu-

rückgefallen sein. Jedenfalls bewirkte dieses neue Interesse spätestens im 6. Ih. die Über-

tragung der Geographika von Papyrus auf Pergamentcodices, ohne die Strabons Geographiewerk in den ‚dunklen Jahrhunderten‘ der byzantinischen Geschichte des 7. bis 8. Jh. völlig verloren gegangen wäre. Der vatikanische Palimpsest P wurde von seinem Editor ALY um 500 n. Chr. oder ins frühe 6. Jh. datiert. Einige Indizien weisen auf das byzantini-

sche Süditalien als Entstehungsort des Palimpsestmanuskriptes?. Rom, Konstantinopel, Alexandreia, eventuell Karthago und Süditalien sind also die Orte und Regionen, in denen

sich eine spärliche Kenntnis der strabonischen Werke erhielt, Doch die fast vollständige Überlieferung der Geographika im Mittelalter verdanken wir ausschließlich byzantinischen Gelehrten (vgl. Appendices A - D). Das ungünstige Schicksal der strabonischen Historika Hypomnemata teilen in der Überlieferungsgeschichte in weniger krasser Form auch die übri gen hellenistischen und augusteischen Univeralhistorien. Sie alle liegen heute nicht mehr vollständig und in einer kontinuierlichen Manuskriptüberlieferung seit ihrer Entstehung vor. Unterschiedlich gro-

Be Teile sind vielmehr nur noch durch Fragmente, Exzerpte oder Inhaltsreferate späterer Auforen aus ihnen noch vorliegenden vollständigen Büchern oder auch in der Form einer Epitome oder einer Chrestomathie, die man in spätantiker oder byzantinischer Zeit anleg-

te, vorhanden. Hinzu kommen weitere Passagen, die man heute nicht mehr erhaltenen Originalwerken aufgrund der Ergebnisse der Quellenforschung mit einem sehr unterschiedlichem Grad an Wahrscheinlichkeit und in jedem Einzelfall schwierig abzugrenzendem

Textumfang zuweist^?. Ohne dieses schwierige und heterogene Material einzubeziehen,

kann man sich weder von der Werkökonomie noch den leitenden Gedanken des Ephoros, Polybios, Poseidonios, Diodor, Timagenes, Pompeius Trogus und Nikolaos eine Vorstel-

lung machen. Eine Untersuchung der Auffassungen Strabons innerhalb der Gattungsgeschichte der Universalhistorien ist auf dieses Material in besonderem Maße angewiesen. Die in direkter Handschriftentradition überlieferten Werkteile, die dem originalen Wortlaut des jeweiligen Autors entsprechen oder ihm zumindest möglichst nahekommen,

bleiben die Basis aller weiteren Analysen und Überlegungen. Sie besitzen innerhalb des gesamten heterogenen Materials der Überlieferung zu den Werken aller griechischen Universalhistoriker den hóchsten Quellenwert. Mit Namensnennung des Autors, des Ori-

ginalwerks und móglicherweise sogar mit genauer Buchzahl bei späteren Autoren über-

lieferte wörtliche Fragmente bilden die zweitsicherste Erkenntnisquelle. Auch dieses Material stellt zwar noch eine unmittelbar überlieferte Außerung des Autors dar, ist aber in seiner Bedeutung für die Werkökonomie, die historiographische Methodik und die

Leitgedanken eines Historikers schon insofern problematisch, als meist der ursprüngliche Kontext verloren gegangen ist. Durch das Interesse des Verfassers einer Zwischenquelle, 44

Dies vermutet schon ALY 1956, XIII.

45

Vielleicht nicht zufällig stammt auch der Yosiphon, die jüdische Weltchronik des sogenannten „Klei-

nen Josephus", die Strabon noch im 10. Jh. zu kennen scheint, aus dem süditalisch-sizilischen Raum 46

(s.u. Appendix B). THOMPsoN 1985, 119-139 und Brunt 1980, 477—494 (auch in: ALoNso-NüREz 1991, 334—362) sind

grundlegende Studien zur hetesogenen Struktur des Quellenmaterials.

56

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

aus der das Fragment stammt, kann leicht ein irreführender Eindruck über das Originalwerk und die Interessen seines Verfassers entstehen, Beispielsweise stammt die Mehrzahl der besonders interessanten und mit Namensnennung und Buchzahl überlieferten Poseidoniosfragmente aus dem Gelehrtengastmahl des Athenaios. Diese Fragmente schildern extreme Beispiele von Dekadenz und Luxus und ihre schlimmen Konsequenzen. Stellt man das eigene Interesse des Athenaios nicht gebührend in Rechnung, gewinat man den irreführenden Eindruck, daB Poseidonios sich fast ausschließlich mit diesen Themata befaßt habe. Im Falle der Historika Hypomnemata Strabons stammen dic meisten wörtlichen Fragmente aus Flavius Josephus. Sie könnten einen irreführenden Eindruck von der überragenden Bedeutung der späthellenistischen, jüdisch-syrischen Geschichte bei Strabon suggerieren. Der beträchtliche Umfang aller hellenistischen und augusteischen Universalhistorien machte sie zu einem beliebten Stoff für spütantike und byzantinische Epitomatoren und für Verfasser von Chrestomathien. Wir wissen von einer sehr frühen, aber nicht erhaltenen Epitome des Polybios, an der M. Brutus im Feldlager während der rómischen Bürgerkriege vor Pharsalos arbeitete*", Die unheilvolle Praxis, Epitomai aus hellenistischen

Universalhistorien anzulegen, begann also schon, bevor Strabon und die übrigen augusteischen Universalhistoriker ihre Originalwerke verfaBten. Erhalten sind die Epitome, die Iustin aus dem Pompeius Trogus anlegte, und die byzantinische Chrestomathie aus den Geographika Strabons, Sobald einmal eine solche Epitome oder Chrestomathie existierte, bedrohte sie die weitere vollständige Überlieferung des zugrundeliegenden Werkes unmittelbar. Eine Epitome oder Chrestomathie vermittelt zwar meist noch ein einigermaßen vollständiges Bild von der Werkökonomie des Originalwerks, die eigenen sprach-

lich-stilistischen, politisch-zeitgeschichtlichen und historiographischen Ansichten des

Epitomators oder Verfassers der Chrestomathie prägen aber den Gesamteindruck und erschweren exakte Rückschlüsse auf das Originalwerk. Außerdem gilt es hier, noch viel mehr aber bei lediglich aus Exzerptensammlungen bekannten Werkteilen, die verzerrenden Mechanismen der teils extremen und durchaus nicht über das gesamte Werk gleichmäßig proportionalen Verkürzung des Originalmaterials zu bedenken. Hier sei an die signifikanten Kürzungen und völligen Streichungen ganzer Passagen des Trogus durch Iustin erinnert. Auch die Chrestomathie aus den Originalwerken Strabons zeigt im direkten Vergleich mit erhaltenen Buchgruppen der Geographika auffällige inhaltliche Unterschiede. Inhaltsreferate über ansonsten nicht erhaltene Werke oder Buchgruppen sind noch weniger zuverlässig. Dennoch sind sie für eine Reihe von hellenistischen Autoren eine unverzichtbare Erkenntnisquelle. Exemplarisch sei hier an die unschätzbare Bedeutung der Lesefrüchte des byzantinischen Patriarchen Photios (ca. 820-891) in seiner Mupióβιβλος erinnert. In dieser findet man 280 Abschnitte mit unterschiedlich langen Referaten

über antike Bücher und auch Exzerpte aus ihnen. Photios referiert über Inhalt, Stil und Quellenwert auch einiger ansonsten nicht mehr erhaltener Werke oder Werkteïle und legt

manchmal auch wörtliche Zitate ein. Dennoch wird hier meist nur der Lektüreeindruck des hochgebildeten und mit der klassisch-heidnischen Literatur vertrauten byzantinischen Kirchenfürsten wiedergegeben. Einige für die Tendenz der Universalhistorien des Diodors und Poscidonios in der Forschung oft herangezogene Passagen (u.a. über die sizilischen Sklavenkriege) entstammen eben dieser Bibliothek des Photios. Die Ausführlichkeit des Autorenreferates und das Urteil über die Bedeutung einzelner Autoren bei Pho-

tios decken sich durchaus nicht immer mit der heutigen Einschätzung in der philologischen und historischen Forschung. Beispielsweise berichtet Photios wesentlich ausführlicher über Diodor als über Polybios, den er nur beiläufig innerhalb eines Referates zu 47

Vel. Plut. Brut. 4.

2. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Strabons bis zum 6. Ih. n.Chr.

57

Dionysios von Halikarnassos für eine nähere Datierung des Werkendes der Antiquitates Romanae erwähnt, ihm aber kein eigenes Referat über die Historien widmet. Unser Bild von der gesamten zweiten Werkhälfte des Diodor und den meisten Bü-

chern des Polybios (außer 1-6, 12,18, 34) wird aufgrund der Überlieferungstage durch

Exzerpte bestimmt, die Kaiser Konstantin VIE Porphyrogennetos unter bestimmten the-

matischen Aspekten anlegen ließ“, Dieses Material ist äußerst wertvoll, verlangt aber

eine noch vorsichtigere Interpretation als Texte aus den bisher skizzierten Arten der Überlieferung. Konstantin VII. ließ ungefähr zwischen 945 und 959 n. Chr. die gesamte aus Sicht seiner Hofgelehrten relevante und damals noch erhaltene griechische Historiographie nach 53 verschiedenen Stoffgebieten exzerpieren. Das Suda-Lexikon, das dem byzan-

unischen Publikum 976 n. Chr. mit Sicherheit vorlag, erwähnt die Exzerptensammlung zum ersten Male als erschienen”, Diese Exzerptensammlung wird heute Konstantinische Exzerpte genannt”. Nur vier der ursprünglich 53 Abteilungen sind teilweise erhalten: de legationibus, de sententiis, de virtutibus et vitiis, de insidiis. Sie deuten in ihren Namen schon ihren Themenschwerpunkt, zugleich aber auch den selektiven Auftrag an die Exzerpierenden an. Der Aufbau und die Absicht der Exzerptensammlung haben für die Auswahl der Texte, ihren Umfang und die Prásentation der Passagen offenkundig Konsequenzen. Denn

der originale Wortlaut wird meist ähnlich drastisch verkürzt wie in einer £pitome oder Chrestomathie, und der ursprüngliche Kontext ist — sofern keine präzise Buchzahl der Quelle genannt wird — durch die systematische Suche der Exzerptoren nach thematisch interessanten Stellen in den Original werken verloren. Außerdem muB man die oft stereotypen Eingangs- und Schlußformeln dieser Exzerpte den byzantinischen Exzerptoren zuweisen. Es kónnen daher leicht irreführende Eindrücke über ganze Buchgruppen der Universalhistorien z.B. des Diodor oder Potybios entstehen, wenn man nicht bedenkt, daß die überwiegende Mehrheit der Konstantinischen Exzerpte aus Diodor den thematischen Abteilungen de virtutibus et vitiis, danach de insidiis, de sententiis und de legationibus,

derjenigen des Polybios aber dem Abschnitt de legationibus entstammt. Eine präzise Rekonstruktion des gesamten Aufbaus der Konstantinischen Exzerpte ist leider nicht móglich. Die Vorrede zu der fünfzigsten Exzerptensammlung de virtutibuset vitiis ist jedoch erhalten und läßt einige Rückschlüsse zu. Die erste Sammlung hieß Über die Wahl von Herrschern. BÜTTNER-WossT bietet eine Liste der bekannten exzerpierten Autoren, die

aber sicher nicht vollständig ist”!. Nur teilweise geben die Exzerpte die Buchzahl der Originalwerke an. Daher ist die genaue Zuweisung oft problematisch. Läge heute noch die vollständige Exzerptensammlung vor, würde sich unsere Einschätzung ganzer Werkteile des Diodor, Polybios, Poseidonios oder Cassius Dio verändern. Vermutlich wäre dann auch Strabon als Universalhistoriker besser zu beurteilen. Von dem bisher genannten heterogenen Material sind weitere Passagen zu trennen, die man auf der Basis bloBer Hypothesen der Quellenforschung bestimmten Autoren zuweist. Nicht immer herrscht in der Forschung jedoch Einigkeit darüber, daß ein bestimm48

Ausgabe: Boissevatn, de Boon und Bürmer-Wonst: vol, 1: C. de Boon, Excerpta de legationibus, 1903, vol. 2,1 und 2.2 T. BürrNER-WoxssT und A. G. Roos, Excerpta de virtutibus et vitiis, 1906 und

49

1910, vol. 3: C. de Boon, Excerpta de insidiis, 1905, vol. 4: U, P. BoissEvaiN, Excerpta de sententiis, 1906. "Vgl. zur Problematik der historisch-biographischen Informationen der Suda, die meistens über Hesych als Zwischenquelle vermittelt sind, DAuB

1882; gute allgemeinere Informationen über die byzantini-

schen Lexika bietet ALPERS 1990, 14-38, 50

Vel. BürrNER-Wossr 1906, 88-120, TovNBEE 1973, 575-580 und LEMERLE 1971, 280-288 zu den lite-

5i

rarischen Werken Kaiser Konstantins. "Vgl. BürrwER-Wonsr 1906, 96f.

58

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

tes Buch eines späteren Autors von einem einzigen und zudem eindeutig benennbaren Werk eines früheren Autors abhängt. Selbst ein von älteren Vorlagen stark abhängiger Autor folgt ferner nur selten mechanisch einer einzigen Hauptquelle, sondern er benutzt auch weitere Nebenquellen. Schließlich verändern auch kompilatorische Historiker sprachlich-stilistisch ihre Haupt- und Nebenquellen bei der Niederschrift der eigenen Werke. Daher kann man keinesfalls mehr ausschlieBlich mit Methoden der Quellenforschung aus spáteren kompilatorischen Werken den Wortlaut ihrer Vorlagen zurückgewinnen. Diese gerade skizzierten Probleme der indirekten Überlieferung historischer Informationen, die vermutlich im Kern auf die Werke der hellenistischen und augusteischen Universalhistoriker zurückgehen, müssen bei allen Vermutungen über besümmte Auffassungen Strabons und bei Vergleichen seiner Positionen mit denen anderer Universalhistoriker bedacht werden.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

39

3. HISTORIKA HYPOMNEMATA ALS TITEL EINER HELLENISTISCHAUGUSTEISCHEN UNIVERSALHISTORIE UND DIE TRADITION DER LITERARISCHEN HYPOMNEMATA BIS ZU STRABON 1. Historika Hypomnemata: ein auffälliger Titel einer Universalhistorie und

Fortsetzung des Polybios

Der Titel Historika Hypomnemata stammt von Strabon selbst, der in den Geographika

sein früher entstandenes Geschichtswerk so zitiert!. Man kann also ausschließen, daß der

Autor dort etwa einen noch unfertigen Zustand seines früheren Geschichtswerkes bezeichnen wollte. Auch die siebzehn Bücher Geographika nennt Strabon einmal Hypomnemata, als er in einem Rückverweis an das erste Hypomnema seines geographischen Werkes erinnert?. Im Prooimion der Geographika weist er auf die methodisch analoge Struktur und gleiche Zielrichtung beider Werkteile hin?. Sie sollen zwei Seiten eines enzyklopädischen Diptychons der Oikumene darstellen. Auch wissenschaftliche Fachwerke anderer Autoren, beispielsweise Geographieschriften des Eratosthenes, nennt Strabon Hypomne-

mata*, ferner die schriftlichen Vorlagen des Eratosthenes? und nicht mit dem Namen der Verfasser und vollem Titel bezeichnete ethnographische Monographien über Randvölker der Oikumene*.

Historika Hypomnemata ist für eine Universalhistorie und Fortsetzung der Historien des Polybios ein schr auffälliger Titel. Der übliche Titel dieser Gattung, den Ephoros, Polybios und Poseidonios gewählt hatten und den die griechischsprachigen universalhistorischen Zeitgenossen Strabons, Timagenes und Nikolaos von Damaskos, selbstverständlich auch benutzen, lautet Historiai. Diesen Werktitel gebraucht Strabon für sein Universalgeschichtswerk absichtlich nicht. Mit der Wahl des eigenartigen Titels will Strabon methodische und inhaltliche Signale setzen. Seine Historika Hypomnemata waren die erste Universalhistorie mit diesem Titel und sind die einzige uns bekannte geblieben, Obwohl wir einige spätere Historika Hypomnemata-, Hypomnemata und Apomnemoneumata-Werke des 1.—4. Jh. n. Chr. kennen, haben diese alle einen (auto-) biogra-

phischen, memoirenhaften oder poikilographischen Charakter und kehren damit stärker zu den Wurzeln der literarischen Hypomnemata im späten 4. und frühen 3. Jh. zurück. Wenn man sämtliche bezeugten literarischen Hypomnemata-Werke zusammenstelit und darunter die große Gruppe der wissenschaftlichen Kommentarwerke außer Betracht." läßt, stammen die meisten übrigen Werke aus dem späten 4.-t. Jh. v. Chr. Die urkundlichen Hypomnemata (von sorgfültig ausgefeilten Memoranden und offiziellen Dokumenten bis zu bürokratischen Notizzetteln und aide-mémioires) stellen einen noch umfangreiche-

ren Zweig

der Gattung dar, doch genügt es in unserem Zusammenhaag, kurz an ihre the-

matische Breite zu erinnern. Um besser erkennen zu kónnen, in welcher Tradition Strabon steht und worin er sich von anderen Verfassern literarischer Hypomnemata unterscheidet,

aa N

m

seien deren Hauptgruppen kurz charakterisiert.

Vgl. Vgl. Vgl. ZB. Z.B. Z.B.

11,9,3 C. 515 = FGrHist 91 F 1. 17,1,36 C. 809-810. 1,1,22-23 C. 13-14 = FGrHist 91 F 2. 1,3,23 C. 62 und 1,4,9 C. 66-67. 2,1.5 C. 69. 3,4,19 C. 165-166.

60

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

2. Die drei für Strabon wichtigen Gruppen der literarischen Hypomnemata In der spätklassischen und hellenistischen Epoche konnten mit dem Titel Hypomnema (Hypomnemata) ohne Zusatz oder mit signifikanten Erweiterungen dieses Titels literarische Werke sehr verschiedenen Inhalts bezeichnet werden’. Unter den literarischen Hypomnemata stehen am Beginn der Gattungsentwicklung philosophische Schulschriften des Peripatos, die den für eine Veröffentlichung vorgesehenen Schriften, den συνταγματικά, gegenübergestellt werden. Die Aristoteleskommentatoren definieren ὑπομνηματικαὰ als

nicht für eine Veröffentlichung außerhalb des Peripatos gedachte Schriften, in denen lediglich die Hauptpunkte des jeweiligen Themas (τὰ κεφάλεια) aufgeschrieben wurden. Von den συνταγματικὰ unterscheiden sie sich durch ihre geringere gedankliche Ordnung (τάξις) und die mangelnde Schönheit der sprachlichen Darstellungsform (κάλλος Epurvetag)*. Die frühesten, peripatetischen literarischen Hypomnemata blieben also noch im ursprünglichen und umgangssprachlichen Wortsinne Gedächtnisstützen, manchmal nur wenig erweiterte Notizzettel?. Man könnte sie mit modernen ‚Vorlesungsskripten‘ in der Philosophie oder auch anderen Fachdisziplinen wie der Medizin vergleichen. Zuweilen dienten sie auch den Gelehrten selbst als Materialgrundlage für Vorträge oder spätere

Veröffentlichungen'®. Zur Gruppe der literarischen Hypomnemata zählten zweitens auch die wissenschaftlichen Kommentarwerke. Sie waren schon im Titel durch die Singularform Hypomnema und den Verweis auf das kommentierte Werk oder den kommentierten Autor erkennbar und für eine Veröffentlichung gedacht, Zusammen mit kritischen Editionen, Monographien zu bestimmten Themata der Philologie und speziellen Lexika bildeten die Hypomnemata-Kommentare die vier wichtigen Gattungen für die wissenschaftlichen Publikationen der alexandrinischen Gelehrten. Die Qualität eines in monographischer Form herausgegebenen Hypomnemata-Kommentares hing vom Niveau des jeweiligen Kommentators ab und konnte daher erheblich schwanken. Doch handelte es sich prinzipiell um wissenschaftliche Werke auf einem höheren Niveau als bloße Scholienerklärungen. Sie

teilten die sprachlich-rhetorische Schiichtheit und das Hauptinteresse ihrer Verfasser an Sach- und Spracherklárungen und gelehrten biographisch-literaturgeschichtlichen Bernerkungen mit den ersten Historika Hypomnemata, aber unterschieden sich von diesen in einem signifikanten Punkt. Denn Historika Hypomnemata soliten als eigenstándige Monographien gelesen werden, während man einen Hypomnemata-Kommentar zusammen mit dem Text las, der erklärt werden sollte. Ohne diesen waren viele Hypomnemata-K ommentare unverständlich, obwohl sie einzelne Lemmata oder ganze Passagen des Original-

textes meist zuerst zitierten und erst danach kommentierten!!. 7

8

Siehe Körke 1857 und ders. 1842, 1-38 und 1863, ferner Schumrick 1909, 69-93, bes. 75ff; die umfassenden griechischen Literaturgeschichten untersuchen die Entwicklung der Hypomnemata als Gattung nicht in besonderen diachronen Kapiteln, sondern verzeichnen nur einzelne Werke unter ihren jeweiligen Autoren. Für dic hellenistischen Vorläufer Strabons ist hier vor allem auf SUsEMmL 1891-92 (ND 965) zu verweisen, Zur gattungstheoretischen Charakterisierung von biographisch-historischen Hypomnemala knapp AMBAGLIO 1990, 503-508 und EngeLs 1993, 19-36, zum commentarius als lateinischem Aquivalent siehe von PREMERSTEIN 1900, 726-759 und BOMER 1953, 210-250. Vgl über diese Werke die Kommentare des Ammonios zu Περὶ τῶν κατηγορίων des Aristoteles p.4,4f Busse und des Simplikios zur gleichen Schrifi p.4,14f und 19f Kalbfleisch; weitere Belege für ὑπό-

μνῆμα (ὑπομνήματα) aus den aristotelischen Schriften findet man im Aristotelesindex der Ausgabe der 9 10 Il

Preußischen Akademie der Wissenschaften Bd. 5, 1870 von Bonrrz. Dercommentarius als das gattungsmäßige lateinische Aquivalent des griechischen ὑπόμνημα war zunächst gleichfalls lediglich ein ntemoriae subsidium vel suppositum. Belege bei SCHUMRICK 1909, 70-74. Vgl. ARRIGHETTI 1987; Turner 1968 (ND 1980), 112-124.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

61

Ein weiterer Zweig der hypomnematischen Literatur, in dem man Autobiographien,

Apologien, politische Memoiren'? und damit verwandte apophthegmatische Literatur findet, setzte schon im 4. Jh. v. Chr. mit der literarischen Auseinandersetzung um die Persónlichkeiten des Sokrates, des Alkibiades und Platons ein. Er spielt eine nicht unerhebliche

Rolle in der Frühgeschichte der griechischen Biographie und erlebte mit Alexander und den Diadochenherrschern einen weiteren Aufschwung. Die literarischen Hypomnemata

nach dem Vorbild der hellenistischen Kónige oder der Scipionen und commentarii in lateinischer Sprache, die sich aus den amtlichen Rechenschaftsberichten eines rómischen Magistraten entwickelten, wurden auch unter führenden Rómern des

1. Jh. immer be-

liebter. Bekannte Werke verfaßten Scaurus, Rutilius Rufus, Caesar und der Prinzeps Au-

gustus. Caesars Commentarii!? erhoben diese Gattung auch im Lateinischen endgültig

über reine Stoffsammlungen und bloße Amtsberichte hinaus zu einer literarisch-historiographischen Gattung und näherten sie den rhetorisch stilisierten Historiae oder Annales

an, Obwohl Caesars Commentarii eine Quelle der strabonischen Geographika (und mögli-

cherweise auch schon seiner Historika Hypomnemata?) waren, haben sie die Wahl der

hypomnematischen Gattung durch Strabon und seine Methode nicht nachweisbar entscheidend beeinflußt. Augustus selbst, Agrippa, Maecenas und weitere Mitglieder des julischclaudischen Hauses, darunter mit Agrippina der Jüngeren sogar eine Frau, verfaBten apologetisch-autobiographische Commentarii. Vespasian bediente sich später dieser literarischen Gattung, um seine umstrittene Rolle im Vierkaiserjahr 68/69 n. Chr. und dem blutigen Bürgerkrieg nach Neros Tod zu rechtfertigen. Doch solche autobiographischen Hypomnemata oder commentarii haben mit den strabonischen Historika Hypomnemata

als einer Universalhistorie nur wenig zu tun!*. 3. Übersicht über literarische Historika Hypomnemata-Werke in chronologischer Folge

Näher stehen den strabonischen Historika Hypomnemata bestimmte Exzerpten- und Sammelwerke, deren Verfasser auf die sprachlich-stilistische Qualität nur äußerst geringen Wert legten!5, obwohl diese das antike Urteil über ein Literaturwerk häufig noch 12

Vgl. insb. FGrHist IC 227-238 mit Werken des Demades von Athen FGrHist 227 T 1 und F 1, Deme-

uios von Phaleron FGrHist 228 T 1 3b F 28 und 34, König Pyrrhos von Epeiros FGrHist 229 F I, eine

literarische Bearbeitung dieser Basilika Hypomnemata durch Kineas aus Thessalien in der |. Hälfte des 3. Jh. v. Chr. vgl. FGrHist 603 T 3a, Theodoros von Rhodos FGrHist 230 F 1, Aratos von Sikyon 1 (1-95, P. FGrHist 231 T 3,5-6 und F 1-6), P. Cornelius Scipio Africanus Maior FGrHist 232 F Cornelius Scipio Nasica Corculum FGrHist 233 F 1-3, König Ptolemaios VIII. Euergetes II. FGrHist 234 T2 und F 1-11, M. Tullius Cicero FGrHist 235 T 1-2 und F 1-3, Herodes I. von Judäa FGrHist 236 F 1, Nikolaos von Damaskos FGrHist 90 F 131-139, Kaiser Hadrian FGrHist IIB p. 990, Appianos

von Alexandreia FGrHist 237 T 1 sowie Kaiser lulian FGrHist 238 T 1-3; folgende verwandte Werke

Asklepiawerden demnächst in FGrHist IV A gesammelt und kommentiert werden: Erastos, Sohn des Ende 4. und 1. Häifte 3. des, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr. ᾿Απομνημονεύματα Πλάτωνος, Philon von Athen

13 l4 15

Chr.?, Jh. v. Chr. ᾿Απομνημονεύματα {über Pyrrhon von Elis?), Diodoros, spätes 4. bis 2. Jh. v. {᾿Αποφθέγματα ᾿Απομνημονεύ Chr., v. Jh. 3. und 4. spätes Samos, ᾿Απομνημονεύματα, Lynkeus von ματα), Dioskurides, ca. 100 v. Chr. ᾿Απομνημονεύματα FGrHist 594 F 6-7, Empedos (Empodos?), 1. Jh. alexandrinisch-hellenistisch oder frükchristlich?, ᾿Ἀπομνπημονεύματα; Asinius Pollio aus Tralleis, unter Serenus, (Aelius) 1; T 193 FGrHist φιλοσόφου toU v. Chr., ᾿ἀπομνημονεύματα Movaoviou Hadrian (2), ᾿Απομνημονεύματα FGrHist 790 T 4. Vel. zu Caesar als Schriftsteller Ancock 1958 und weitere Lit. bei GescHE 1976, 184—186. Vel. Leo 1901, 146ff und ENGELS 1993, 26-36, zu den commentarii der augusteischen Zeit und des 1. Jh. n. Chr. Not 1984, 24f. 1857 und Beispiele für fachliche Materialsammlungen bei ScHuMmRrICK 1909, 75-82 und Körke 1342,

ders. 1863 passim.

62

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

stärker bestimmte als dessen sachlicher Inhalt. Jacosv versteht Historika Hypomnemata im Regelfall als veröffentlichte Materialsammlungen und Zusammensteliungen aus sachlichem Interesse!®. Sie finden sich in der Rhetorik, Philosophie, Medizin, Musik, Theo-

logie, Kriegskunst, zum Theaterwesen und in der Symposienliteratur. Sie informieren den Leser durch ihren erweiterten Titel (oder ihren Untertitel) über ihren Inhalt. Ihr Hauptwert

lag im Matenalreichtum und dem gesammelten nützlichen Sachwissen. Strabon entwikkelte nun seine Historika Hypomnemata als eine Adaption dieses Typus der gelehrten Fachschrift an die Bedürfnisse der Universalhistorie. Aristoteles, Theophrast von Eresos, Theodektes von Phaselis, Aristoxenos aus Tarent, Antigonos von Karystos, Euphorion von Chalkis, Hieronymos von Rhodos, Theodoros von Rhodos, Zenodotos, Kallimachos von Kyrene, Karystios von Pergamon, Strabon, Thallos, Pamphile, Tochter des Soterides und einzige bekannte Verfasserin griechischer Historika Hypomnemata, und Abas verfaßten solche Historika Hypomnemata. Aristoteles oder Theophrast aus Eresos!? und Theodektes von Phaselis sind unter diesen die ältesten Autoren. Schon die frühen Peripatetiker stellten wichtige Weichen der

Gattungsgeschichte für die hellenistischen Historika Hypomnemata. Neben traditionellen Stoffen der Historiographie (Kriegstaten, politische Ereignisgeschichte sowie topographische Beschreibungen) enthielten diese Hypomnemara-Werke fortan - und zwar sogar überwiegend — Antiquarisches, Naturkundliches sowie die ausgefallensten Wunderge-

schichten und Paradoxa. FORTENBAUGH hat die Historika Hypomnemata des Theophrast gemäß dem alten ionischen Verständnis der ıstopin als „research memoranda" übersetzt.

In den erhaltenen Zeugnissen werden naturkundliche Fragen der Erdbebentheorie und des Vulkanismus behandelt. Man kann keinen thematischen Zusammenhang der Historika Hypomnemata des Theophrast mit der historischen Literatur des 4. Jh, v. Chr. erkennen!®.

Es gibt aber deutliche thematische Berührungen mit paradoxographischen Sammlungen'?.

Theodektes aus Phaselis (der Jüngere) lebte am Ende des 4. und Anfang des 3. Jh. v. Chr. Sein gleichnamiger Vater Theodektes (der Ältere) war 333 v. Chr. schon verstorben. Nach der Suda verfaßte er eine Reihe von Werken, ein Enkomion auf Alexander den Molosser, Historika Hypomnemata, Νόμιμα βαρβαρικά und viele andere Hypomnemata.

Leider besitzen wir aus seinen Historika Hypomnemata kein Fragment^?. Die Werkliste

der Suda läßt aber auf ein breites ethnographisch-poikilographisches Interesse schlieBen, wie es auch andere frühe Peripatetiker, darunter Aristoxenos, Antigonos von Karystos

sowie Theophrast hatten, die alle ebenfalls Hypomnemata-Autoren waren. Aristoxenos aus Tarent verfaBte um 300 v. Chr. Historika Hypomnemata, Τὰ κατὰ βραχὺ ὑπομνήματα, Συμμείκτα ὑπομνήματα, Τὰ σποράδην ὑπομνήματα und schließlich Συμμείκτα συμποτικά. Wenngleich sich nicht definitiv ausschließen läßt, daß in unserer

Überlieferung ein Werk des Aristoxenos mit unterschiedlichem Titel zitiert wird, ist doch 16

So verstand Jacoev im Kommentar zu FGrHist 227-238 p. 639 die Hauptbedeutung der Historika Hvpomnemata,

17

Denn die meisten Forscher nehmen heute an, daß es sich bei den von Diogenes Laertios im Werkkata-

18 19

20

log (Text | Fortenbaugh = Diog. Laert. 5,48) genannten sechs Büchern Hypomnemata des Aristoteles oder Theophrast um ein Werk des Theophrast handelt. Vgl. Fortenbaugh F 196 A und B aus den Historika Hypomnemata sowie FGrHist IIIC p. 565, FGrHist 731 F | und 6 sowie 840 F 24. Vgl. z.B. die Taropiov παράδοξων συναγωγὴ des Antigonos (F 130 Giannini p. 88). Es gab auch Berührungspunkte zwischen den Hypomnemata des Theophrast und der Paradoxographie des Kallimachos (Giannini Nr. I) oder des Phlegon von Tralleis (ebd. Nr. XV), der (in F 26 Giannini) auch die Hypomremata des Dorotheos als Vorlage nennt; zur Paradoxographie als hellenistischer und kaiserzeitlicher Gattung siehe jetzt SCHEPENS und DELCROIX 1996, 373—460. Vel. FGrHist 113 T 1 = Suda 6 139 s.v. Θεοδέκτης.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hetlenistisch-augusteischen Universalhistorie

63

eindeutig, daß Aristoxenos sich der literarischen Gattung der Hypomnemata mehrfach

bediente?!. Die wenigen Reste, die wir aus dem umfangreichen Schrifttum des Aristoxe-

nos?? besitzen, lassen auf keinen politisch-militärischen oder spezifisch historischen Inhalt seiner Historika Hypomnemata schließen. Wenn sie ähnlich umfangreich gewesen sind wie die Symmeikta Hypomnemata mit ihren 16 Büchern, läßt sich ahnen, welche Materialfülle von Aristoxenos in peripatetischem Sammeleifer zusammengetragen worden war. Sueton stellt Aristoxenos in eine Reihe mit den Begründern der griechischen Biographie (Aristoxenos, Antigonos, Hermippos und Satyros). Unter dem Titel Historika Hypomnemata könnten bei Aristoxenos deswegen auch biographische Notizen über berühmte Männer der Literatur und Politik gesammelt gewesen sein. Plutarch zitiert ihn z.B. als Autor über den angenehmen Körperduft Alexanders des Großen. Eine solche Nachricht paßt natürlich nicht in eine pragmatische Alexandergeschichte, die sich auf die po-

litischen und militärischen Leistungen des Königs konzentrierte??. Neben Artstoxenos kleidete auch Antigonos von Karystos, ein zweiter bei Sueton genannter Biograph, Philosoph, Potkilograph und Künstler des 3. Jh. v. Chr., seine Biographien in die literarische Form von Hypomnemata. In diesen versuchte er nicht, chrono-

logisch vollstándige Lebensläufe darzulegen, sondern lebendige Charakterbilder als Bei-

spiele für seine Leser zu zeichnen?*.

Diese Absicht läßt an Strabon denken, der in der programmatischen Erklärung der Hauptthemen seiner Historika Hypomnemata und Geographika im Prooimion der Geographika ankündigt, große und wichtige Ereignisse aus dem Leben der wichtigsten Politiker und Feldherrn, dagegen keine politisch-historischen Qutsquilien oder Biographien unbedeutender Personen behandeln zu wollen. Große Ereignisse und bedeutende Männer seien ein passendes Thema seiner ‚Kolossurgia‘. Mit dieser Ankündigung und durch die in den Fragmenten der Historika Hypomnemata und dem Text der Geographika tatsächlich erkennbaren biographischen Akzente greift Strabon das biographische Interesse der frühen peripatetischen Hypomnemata des Aristoxenos und Antigonos wieder auf. Strabons Universalhistorie und Oikumenegeographie setzen einen noch stürkeren Akzent auf die Viten der Angehórigen der politisch-militürischen und geistig-literarischen Elite, als es Polybios und Poseidonios schon getan hatten. Euphorion aus Chalkis lebte im 3, Jh. v. Chr. und gelangte nach einem bewegten Leben als wohlhabender Mann in die Position des Leiters der óffentlichen Bibliothek des Königs Antiochos III. Er starb in Apameia oder Antiocheia. Euphorion verfaßte verschiedene poetische Werke, aber auch unterschiedliche kleine Prosaschriften historisch21 22

Zu Aristoxenos insb, Athen. 14,619e = Fr. 129 Wehrli; die Fragmente des Aristoxenos findet man bei WEHRLI, Heft II, 1967, insb, Fr. 128-139 mit Kommentar zu seinen hypomnematischen Werken, zur Interpretation siehe auch Leo 1901, 102. Der Umfang der Συμμείκτα ὑπομνήματα des Áristoxenos betrug nach einem Zeugnis des Photios (Müller FHG Il p.291 = Fr. 139 Wehrli) zumindest sechzehn Bücher. Diogenes Laerlios (Fr. 83 und 89 Müller = Fr. 130f Wehrli) und Plutarch in der Alexanderbiographie (Fr. 84 Müller = Plut. Alex. 4 = Fr. 132 Wehrli) benutzten die Hypomnemata des Aristoxenos ats wertvolle Quelle für in ihren historischen Hauptquellen nicht enthaltene gelehrie Informationen. Ein Hinweis bei Athenaios (Fr. 85 Müller = Athen. 14,619e = Fr. 129 Wehrli) läßt jedoch die Vermutung zu, daß die Ὑπομνήματα des Aristoxenos

sehr knapp formuliert waren. So könnte man auch den Titel Τὰ κατὰ βραχὺ ὑπομνήματα, d.h. die knappen Denkwürdigkeiten oder Notizen, interpretieren.

23

Möglicherweise (KOPKE 1842, 12 und Fr. 10a Wehrli) nennt Plutarch die Hypomnemata des Aristoxe-

24

nos an anderer Stelle auch mit dem Titel Biot ἀνδρῶν, Dies wäre ein Hinweis auf einen starken biographischen Akzent. Im römischen Kaiserreich galt Aristoxenos vor allem als bedeutender früher Biograph und musikwissenschafilicher Autor (vgl. Wenru 1967 insb. zu Fr. 10b). Zu Antigonos als frühem Biographen siehe Aristoxenos Fr. 100 Wehrli, Leo 1901, 102f und DiHLe

1970; grundlegend bleibt von WitAMOowrrz-MozLLENDORFF 1965 trotz einiger aufgrund des fragmentarischen Materials notwendigerweise spekulativer Vermutungen.

64

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

antiquarischen Charakters, darunter ein Buch über die Aleuaden, eines über die Isthmischen Festspiele, ein literaturgeschichtliches Werk über melische Dichter sowie Historika Hypomnemata®, aus denen nur vier Fragmente erhalten sind. Das erste spricht von Römern, die sich freiwillig köpfen lassen, um ihren Erben eine Summe von fünf Minen zu

hinterlassen*, ein zweites bespricht knapp ein Geschenk, das der jüngere Dionysios den

Tarentinern machte?”. Ein drittes Fragment erinnert an ein Sprichwort und die samische Frühgeschichte?®, Das letzte Fragment stellt eine medizinische Wundergeschichte über den Stoffwechsel des Lasyrtas vor^?. Kein Fragment des Euphorion läßt einen inhaltlichen oder historisch-thematischen Schwerpunkt des Werkes erkennen. Es enthielt wohl in bunter Folge seltsame und staunenswerte Nachrichten. Hieronymos aus Rhodos war ein peripatetischer Autor der Mitte des 3. Jh. v. Chr., von dem auch literaturgeschichtliche Werke über (Tragódien-) Dichter bezeugt sind. Hieronymos wird zwar als Verfasser von Historika Hypomnentata und von Τὰ σποράδην ὑπομνήματα erwähnt, aber móglicherweise handelt es sich um zwei Titel des gleichen

Werkes. Die erhaltenen Fragmente behandeln elegante Bemerkungen bekannter Philosophen und Dichter, vor allem des Sophokles gegen seinen iüngeren Konkurrenten Euri-

pides, Kulturgeschichtliches und Biographisches??. Sie gehören mehr in den Bereich der Philosophie- und Literaturgeschichte oder der Biographie als der politisch-militärischen Ereignisgeschichte. Auch bei Theodoros von Rhodos ist ein streng historisches Thema seiner Hypomne-

mata nicht erkennbar. Es kónnte sich bei den Hypomnemata dieses Feldherren nach dem einzigen erhaltenen Fragment in der Suda auch um eine Sammlung von Strategemata

handeln*!. Ob Zenodotos {mit dem Beinamen ὁ ἐν ἄστει) oder sein Namensvetter Zenodotos aus

Ephesos Verfasser der bei Athenaios bezeugten Historika Hypomnemata eines Zenodotos war, kann man nicht mehr sicher entscheiden, Das Werk dürfte aber nach der Meinung

PFEIFFERS jedenfalls einem dieser beiden und nicht dem berühmten Gelehrten Kallimachos zuzuweisen sein”. Wir können nicht entscheiden, ob derselbe Zenodotos Verfasser der Historika Hypomnemata und eines mit mindestens zwei Büchern bezeugten Werkes mit

dem Titel 'Enttopat, einer kurzgefaßten Darstellung der griechischen Sagengeschichten,

ist. Jacogy vermutet dies und rechnet mit zwei getrennten Werken’”. Es ist jedoch Keineswegs auszuschließen, daß mit den Titeln Epitomai und Historika Hypomnemata ein und dasselbe Werk des Zenodotos gemeint war. Das einzige erhaltene Fragment aus den Historika Hypomnemata* berichtet lexikalisch knapp und völlig schmucklos auf die anti25 26 27 28 29 30 31 32

33 34

Siehe FGrHist [ΠΒ p. 383 und 738; Ausgabe der Fragmente FHG III 72-73; die Namensform Euphronios ist wohl falsch, siehe MürLers Bemerkungen in FHG III 72. Euphorion Fr, | Müller = Athen. 4, 1S4c. Fr. 2 Müller = Athen. 15, 700d. Fr. 3 Müller = Acl, nat, 17,28. Fr. 4 Müller = Athen. 2,44f—45a. Vgl. zu Hieronymos FHG IT 450 Anm. und FGrHist IIIB p. 504 und Weurut, Heft 10, 1969, insb. Fr. 34—49. Vgl. zu Theodoros FHG IV p. 512 und FGrHist 230 F 1. Vel. zu Zenodotos (aus Ephesos?) FHG IV 531 und FGrHist 19 F 2; zum Einfluß des Kallimachos auf Zenodotos FGrHist 19 F 3 und Preirrers 1949-1953 (ND 1965-66) Kommentar zu Kallimachos F 622 Pfeiffer: auch SusemmL 1892, Bd. 2, 193 und Puscu 1890, 147 und 161—174 (ohne eindeutige Entscheidung) diskutieren die Probleme der Identität des Verfassers der Historika Hypomnemata und die Abhüngigkeiten zwischen Zenodotos und Kallimachos; zu Zenodotos' textkritischer Methode siehe auch NickAU 1977, 14-19, der aber chenfalls keine neuen eindeutigen Belege für Zenodotos aus Ephesos als Verfasser der Historika Hypomnenata kennt, Jacoßy im Kommentar zu Zenodotos FGrHist 19 F 1 und 2, F2= Athen. 3,95f-96a.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

65

quarische Sacherklärung konzentriert über ein Schweineopfer der Argeier und ein Fest das nach diesem Opfer heiße.

Karystios von Pergamon? lebte gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. Seine Hypomnemata umfaßten zumindest drei Bücher und erzählten von persönlichen und biographischen Eigenheiten bekannter Herrschergestalten und Geistesgrößen der hellenistischen Zeit. Das

Werk hatte also ein historisch-antiquarisches und zugleich btographisches Thema und ähnelte darin den Historika Hypomnemata Strabons. Es ist aber nicht erkennbar, daß Karystios in seinen Hypomnemata auch eine durchgehende Geschichtserzählung vorgelegt oder damit gar eine Universalhistorie angestrebt hätte. Die Fragmente deuten vielmehr darauf hin, daß er Memorabilia über Sitten und Einrichtungen von Völkern und insbeson-

dere über Charaktere und Schicksale berühmer Männer sammelte*. Karystios ist auch als Verfasser von Didaskalien und eines Buches über den Dichter Sotades bekannt.

Nach Karystios ist nun Strabon der chronologisch nächstfolgende bekannte Verfasser von Historika Hypomnemata. Diese fallen aus der Reihe der bisher genannten Werke deutlich heraus, indem Strabon unter diesem Titel eine Fortsetzung der pragmatischen Universalhistorie des Polybios verfaßte, die er selbst noch um einen umfangreichen geographisch-historischen Kommentar erweiterte. Nach Strabon wählten den Werktitel in der

Kaiserzeit nur wenige Autoren, über die wir leider viel zu wenig wissen, um einen detaillierten Vergleich mit Strabon anstellen zu kónnen. Keiner scheint jedoch Strabon in der Wahl der hypomnematischen Form für eine kaiserzeitliche Universalhistorie in griechischer Sprache gefolgt zu sein. Offenbar fand etwa gleichzeitig mit dem Tode Strabons ein Paradigmenwechsel in der griechischen Historiographie statt, der das vorláufige Ende der

augusteischen Blüte der griechischen Universalhistorie mit sich brachte. Uber Thallos, einen kaiserzeitlichen Chronographen und Historiker, wissen wir nichts Genaues: „mann und buch sind für uns gleich schattenhaft‘”. Thallos wird von verschiedenen christlich-spátantiken und byzantinischen Autoren als ein wertvoller und wohlinformierter Gewührsmann zitiert. Zeittafeln und chronologische Handbücher wurden ühnlich wie die meisten literarischen Hypomnemata in einem schmucklosen Prosastil verfaßt. Beiden Gattungen war eine gelehrte und antiquarische Tendenz eigen, und ihr Hauptwert lag in der präzisen, die historiographischen Hauptwerke ergänzenden Sachinformation. Der hypomnematisch-antiquarische Charakter des chronologischen Handbuches des Thal35

Zu Karystios siehe schon FGrHist ITIB p. 228; Müller FHG IV 356-359. Die ungefähre Lebenszeit erschließt man aus seiner Erwähnung des Nikander bei Karystios, der seinerseits in der Zeit Autalos’

36 37

III. lebte (Athen. 15, 684c). Vgl. Philipp II. Fr. 1-3 Müller; Alexander d. Gr. Fr. 4—6; Antipater Fr. 7; Kassandros Fr. 8; Lysimachos Fr. 9; Demetrios Poliorketes Fr. 10; Philhetairos, den ersten Attalidcn Fr. 12 und Aristophon Fr. 11. JacogY im Kommentar zu Thallos FGrHist 256 ITB p. 835; Müller FHGTIL 517. FGrHist 256 F 1 ist das einzige Zitat aus Thallos mit Buchtitel und Buchzahl. Es stammt aber aus dem 3. Buch der zehnbándigen Ἱστορίῖαι des Thallos. Jacosy hat Thallos daher nicht unter die Universalhistoriker oder die Verfasser von Hypomnemata-Literalur gerechnet, sondern unter die Verfasser von Zeittafeln ähnlich der Chronik aus Oxyrhynchos (FGrHist 255) und dem Werk des Phlegon von Tralleis (FGrHist 257). Die Fragmente des Thallos bestehen aus einer echten chronikalischen notiz, die denn auch buchtitel und buchzahl hat (F1); aus einer reihe unbrauchbarer und 1eilweise inhaltsloser sammelzitate (F 5-8); aus

dem reste einer durchgeführten cuhemerisierung der ältesten griechischen und orientalischen geschichte (F 2-4)" (Kommentar zu FGrHist 256 IB p. 835). Jacogv und FREUDENTHAL

1875, 100f vermuten, daß

alle Fragmente des Thallos aus einem einzigen mit der Urzen beginnenden chronikartigen Buche stammten. Josephus (ant. lud. 18,167) erwähnt einen Thallos als Freigelassenen des Tiberius aus Samaria, der rnit der Quelle des Eusebios (Hist. eccl. 2,2,5) und unserem Thallos identisch sein könnte. Allerdings

ist der Text an der Josephusstelle problematisch (siehe Jacopys Kommentar JIB p. 836), und diese Identifikation beruht auf vielen Unsicherheiten. Eine Identität des Thallos mit einem bei Sueton (Aug.

67,2) genannten Sekretär des Augustus ist gleichfalls nicht zu sichern.

1

66

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

los wird erkennbar an den Einschätzungen Tertullians, des Laktanz und Minucius Felix.

Sie stellen Thallos mit griechischen oder lateinischen universalhistorischen, phischen und antiquarischen Autoren zusammen?5, darunter dem angesehenen Rhodos oder Diodor. Sie nennen ihn aber nicht in einer Reihe mit anderen Verfassern von Historika Hypomnemata. Josephus hat Thallos’ Hypomnemata

chronograKastor von bekannten als Quelle

herangezogen und dabei auch in Einzelfällen kritisiert”. Es mag sich bei Thallos’ Werk,

wie JacoBv meint, eher um eine erweiterte Zeittafel als um einen knapp gefaßten universalhistorischen Abriß gehandelt haben. Das Werk reichte ursprünglich wohl von

den frühen orientalischen Königreichen“® und der mythischen griechischen Epoche*! oder von der Einnahme Trojas bis zum Ende des 2. Jh??. Weil das einzige sichere Fragment mit Buchtitel eine Sonnenfinsternis tiberischer Zeit (32/33 n. Chr.) erwähnt und Josephus das Werk schon benutzte, liegt seine Datierung in die Mitte des 1. Ih. n. Chr. nahe. Diese Folgerung läßt sich aber mit der ausdrücklichen Angabe über das Ende des Werkes schon

mit der 167. Olympiade (112-109 v. Chr.) nur dann harmonisieren, wenn man annimmt, daß eine Urfassung des späthellenistischen Werkes durch einen Kontinuator bis in die julisch-claudische Zeit fortgesetzt wurde. Für solche Fortsetzungen gibt es in der antiquarischen Literatur und unter den Chronographen bekanntlich mehrere Beispiele. Die Fragmente des Thallos behandeln Ereignisse und Themen nicht nur der griechisch-hellenistischen, sondern auch der jüdischen, assyrischen und babylonisch-persischen Geschichte. Vielleicht verfaßte er also eher eine Zusammenstellung interessanter und umstrittener datierter Ereignisse als ein durchgehendes Geschichtswerk. Dann wäre er als Chronograph einzuschätzen und daber aus der Reihe der Autoren von Historika Hypomnemata zu streichen. In diesem Falle wäre die nächste Autorin, die nach Strabon ein Werk mit dem ver-

wandten Titel Symmeikta Historika Hypomnemata verfaßte, erst Pamphile**, eine Tochter des Grammatikers Soterides und Zeitgenossin Kaiser Neros. Sie ist die einzige Frau unter den Verfassern von Historika Hypomnemata, die wir kennen. Während Photios in seiner

Bibliothek Pamphile als Ägypterin bezeichnet, nennt die Suda Epidauros als ihre Vater-

stadt. Die Suda schreibt die gleichen Werke sowohl der Pamphile als auch - mit Berufung auf andere anonym bleibende Autoren - ihrem Vater Soterides zu. Durch diesen gegenüber Frauen als Autorinnen feindlichen Topos wird der Sudaartikel weniger glaubwürdig als das ausführliche Referat des Photios, der sogar aus dem Prooimion der Hypomnemata Pamphiles zitiert. Während der Sudaartike] deren Umfang mit 33 Büchern angibt, schreibt Photios in seiner Bibliothek ihnen mindestens acht Bücher zu, nennt aber keine Gesamt-

zahl. Gellius überliefert in seinen Noctes Atticae das Fragment mit der hóchsten überlieferten Buchzahl, eine Passage aus dem Buch 32. Den einfachen Stil, den Photios heraushebt, und eine knappe Darstellungsweise der einzelnen Themata vorausgesetzt, darf man aus der hohen Buchzahl von 32 Büchern nach Gellius oder gar 33 Büchern nach der Suda 38

FOGrHist 256 T 3: „reseranda antiquissimarum etiam gentium archiva", T 4 a-c; commentator antiqut-

latum, rerum antiquarum scriptores, scriptores vetustatis".

39

FGrHist 256 T 3 2 Tert. Apologeticum 19,5—6.

40 4ι 42 43 44

Darauf deuten F 2-8 mehrfach hin. Vel.F2. Auf die Werkdimension nur innerhalb des spatium historicum weist T 1. Jacoev zu FGrHist 256 T 1 = Eus. Arm, Chron. p. 125,22 Karst. ZuPamphile siche FHG III 520-522; Suda IT 139 s.v. Παμφίλη; Phot. Bibl. cod. 161 (Sopatros) p. 103 a 35f Henry: ein Referat des Photios aus den acht Büchern Hypomnemata der Pamphile findet man in

Bibl. cod. 175 p. 119 b 16 - 120 ἃ 4 Henry. Einzelne Zeugnisse und Fragmente auch bei Köpke 1842, 15-17; zur Person der Pamphile REGENBOGEN 1949, 309-328 und zu den Notizen des Photios SCHAMP 1987; zusammenfassend mit guten Kommentaren jetzt CAGNAZA 1997.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

67

die Historika Hypomnemata Pamphiles als eines der umfangreichsten Werke dieser Gattung betrachten. Sein Verlust bis auf wenige Fragmente ist daher sehr bedauerlich. Wir kennen in der griechischen Historiographie anders als in der Dichtung, Philologie oder Philosophie kaum Frauen, die sich mit bedeutenden Werken hervorgetan hätten. Unter den wenigen ‚wissenschaftlichen‘ Autorinnen der Antike finden wir überdurchschnittlich oft Tóchter (oder Schülerinnen oder Geliebte) von Philosophen oder Philologen, die sich wiederum diesen gleichen Disziplinen widmeten. Dies läßt sich kaum mit bloBer Ungunst der Uberlieferungslage erklüren, sondern muB auf eine Bevorzugung bestimmter Gattun-

gen durch die wenigen wissenschaftlich-literarisch aktiven Frauen weisen*?, Unter den

Römerinnen kennen wir nur Agrippina, die Mutter Neros, als Verfasserin von Commentarii mit autobiographischem und familiengeschichtlichem Inhalt, die Tacitus immerhin als eine Quelle seiner Annales zitiert®. Auch im Bereich der historischen Nebengattungen der Biographie und der Historika Hypomnemata ist Pamphile die einzige uns bekannte griechischsprachige Autorin, Photios berichtet, daß sie selbst in ihrem Prooimion schrei-

bc, sie habe zunächst dreizehn Jahre als treue Gattin mit ihrem Mann (Sokratidas?) zu-

sammen gelebt und erst danach mit der Niederschrift ihrer Historika Hypomnemata begonnen. Falls man dieser Angabe Glauben schenken darf, wollte Pamphile wohl im Prooimion ihre außergewöhnliche literarische Tätigkeit als Frau in dieser Gattung rechtfertigen. Sie habe aufgeschrieben, was sie von ihrem Mann oder von anderen gebildeten Besuchern ihres Mannes und Hauses gehört habe und was sie verschiedenen Büchern an interessantem und erinnerungswürdigen Material entnommen habe. Der Hinweis, daB sie die Tochter eines Philologen oder Grammatikers war, ist für uns wichtig. Über ihren Vater mag ihr Interesse an antiquarisch-philologischen und literaturhistorischen Stoffen, der ,wissenschaftlichen* Gattung der Hypomnemata-Schriften und der Methode des Exzerpierens gefórdert worden sein. Die Suda nennt als weitere Werke der Pamphile noch eine Epitome des Ktesias in drei Bänden und auBerdem eine weitere Epitome aus Historien und vielen anderen Werken. Móglicherweise wird allerdings mit diesem letzten Hinweis lediglich der kompilatorische Charakter der in unserem Zusammenhang besonders wichtigen Historika Hypomnemata umschrieben. Epitomai und Hypomnemata ähneln sich in ihrer kompilatorischen Methode, die sich allerdings bei einer Epitome auf ein einziges Werk be45

46

Vgl. zu einigen bekannten Dichterinnen SwvpER 1989; eine Auswahl übersetzter Passagen aus den Werken der Sappho, Korinna, Praxilla, Erinna, Anyte, Nossis, Sulpicia, Claudia Trophime und Hinweise auf Caecilia Trebulla, Balbilla und Damo findet man in LErkowtrz und FANT 1992, 2If. Zu Philosophinnen und Grammatikerinnen ebd. 167-170 und Anm, 24: beispielsweise seien Lasthenia von Mantineja und Axiothea von Phlius als Schülerinnen Platons, Hipparchia als Schülerin und Geliebte des Kynikers Krates, ferner Magnilla oder Euphrosyne genannt; LErkowrrz und FanT Text Nr, 219 ist eine Übersetzung des Zitates aus der Suda über Pamphiie, die eine Erwähnung in der dreizehn Bücher umfassenden Geschichte der gelchricn Wissenschaflen des Dionysios erlangte; vergleichbar mit Pamphile sind vielleicht Demo, eine Grammatikerin, die einen allegorischen Homerkommentar verfaßte (Cramer, Anek. Gr. III p. 189), oder Agallis von Korkyra, dic gleichfalls über Homererklärungen schrieb (vgl. SusemmL 1965, Bd, 1,450 Anm. 82). Athenaios 434c äußert Zweifcl daran, daB eine Nikobule Autorin der unter ihrem Namen laufenden Syngrammata sei. Charon von Karthago verfaßte wohl vor 146 v. Chr. eine besondere Sammelbiographie über Btot ἐνδόξων γυναικῶν, Artemon von Magnesia Διηγήματα τῶν κατ᾽ ἀρετὴν γυναιξὶ πεπραγματευμένων (Phot. Bibl. cod. 161 p. 103a 370) und ein weiterer Artemon sogar eine Sammlung über Γυναῖκες ἐν πολεμικοῖς συνέται καὶ ἀνδρεῖαι (Westermann p. 213-218). Leider kennen wir von diesen Sammelwerken lediglich noch ihre Titel.

Vgl. Tac. ann, 4,53,2 (wahrscheinlich auch in 2,72,1 benutze): dazu Not 1984, 56 Anm. 185. Während

Plinius (Plin. nat. 7,46 und Index zu B. 7) die commentarii Agrippinas noch als Quetle erwähnte, werden sie von Kcinem griechischen oder rómischen Autor mehr zitiert, der spáter als Tacitus schrieb. Cacnazzı 1997 kommentierte außer Pamphiles Fragmenten auch diejenigen von Nikobulc FGrHist 127, einer der (zusammen mit Aristodama von Smyma FGrHist 483 und Zenobia von Palmyra FGrHist 626) nur drei Autorinnen, die Jacoby als Verfasserinnen historischer Werke in FGrHisr 1-1Π aufgenommen hat,

68

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

schränkt, während der Verfasser von Hypomnemata seinen Stolz daran setzt, viele gute

Vorlagen zu exzerpieren. Photios referiert aus dem Prooimion der Historika Hypomnemata der Pamphile einige interessante Passagen, in denen sie sich über ihre Absicht bei der Niederschrift des Werkes und dessen Eigenart äußert. Wenn sich Pamphile dafür entschuldigt, keine für dieses Genus übliche Ordnung des Stoffes eingehalten zu haben, kann man daraus eine sach-

liche, wenn auch nicht streng chronologische Ordnung des gebotenen Stoffes als übliches

Element in Historika Hypomnemata auch schon in der Zeit Strabons ableiten. Strabon mußte sich allerdings an einer primär chronologischen Ordnung des Materials orientieren, wenn er die hypomnematischen Gattung für eine Universalhistorie verwenden wollte. Parnphiles Werk solle nützlich sein für die πολυμαθία der Leser, die breitgefächerte

Gelehrsamkeit auf den wichtigsten Fachgebieten, die auch Strabon für seinen idealen Hi-

storiker-Geographen fordert, die aber Kritiker auch als seichte Vielwisserei diffamieren konnten. Man findet nach Photios von historischen Stoffen vieles Notwendige, auch manches an bedenkenswerten Aussprüchen (d.h. Apophthegmata) und Stoffe aus der rhetorischen Diatribe, philosophische Gedanken und Bemerkungen über Dichtkunst, also ein Potpourri nicht nur streng historischer Stoffe der pragmatischen Geschichtsschreibung. Pamphile schrieb in ihren Historika Hypomnemata jedoch durchaus auch über strenger historische oder biographisch-literaturgeschichtliche Stoffe, beispielsweise über das

Alter und die Lebensdaten des Ephoren Chilon* und (nach einem in seinem Quellenwert

umstrittenen Zeugnis des Gellius) über Hetlanikos, Thukydides und Herodot5. Sie erwähnte auch biographische und doxographische Einzelheiten über die alten Weisen und Philosophen Thales, Periander und Sokrates. Das Fragment mit der hóchsten sicheren Buchzahl aus dem 32. Buch berichtet eine Einzelheit über Theophrast als Lehrer des Ko-

módiendichters Menander? Über Pamphiles Stil urteilt Photios hart. Ihre φράσις sei einfach und den Themata angemessen. Wo die Autorin eigene Gedanken beitrage und nicht in der für Hypomnemata üblichen Weise frühere Werke zitiere oder paraphasiere, werde dieser knappe, an-

spruchslose Stil? deutlich. In der stilistischen Anspruchslosigkeit liegen wichtige Ähnlichkeiten mit Strabons Geographika. Schon Pamphile, die Strabon (abgesehen von Thallos) zeitlich am náchsten steht, hat allerdings keineswegs eine Fortsetzung der Universalhistorie Strabons verfassen wollen. Die Historika Hypomnemata verlassen mit ihrem Werk schon wieder und zwar endgültig das Gebiet der Universalhistorte. Der späteste uns bekannte Verfasser von Historika Hypomnemata heißt Abas. Doch

nicht einmal die Lebensdaten dieses Abas, eines Sophisten, kaiserzeitlichen Verfassers eines rhetorischen Lehrbuches und eines Historika

Hypomnemata- Werkes, sind präzise

bekanne?!. Aus seinen Historika Hypomnemata ist nur ein Fragment bekannt, in dem er in gelehrter Weise den Namen

der Frau des Kandaules, der in der bekannten Geschichte

Herodots über Gyges und Kandaules nicht genannt wurde, angab. Vielleicht legte also Abas einen Schwerpunkt auf gelehrte Nebenüberlieferungen und Varianten zu den histonographisch-literarischen Klassikern. Es ist aber beim derzeitigen geringen Kenntnisstand über das Werk des Abas auch nicht auszuschließen, daß er diesen Namen der Frau selbst erfunden hat. 47

Pamphile Fr. 2 Müller = Fr. 2 Cagnazzi.

48

Fr. 7 Müller = Fr. 7 Cagnazzi = Gell. 15,23 aus dem 11. Buch der Pamphile,

49

Fr. 10 Müller = Fr. 10 Cagnazzi = Gell. 5,36.

30 51

Dieser einfache Stil sei auch dem Bildungsniveau einer Frau angemessen, wie Photios anmerkt. Zu Abas siehe FHG IV 278; Suda A 20 s.v. "Apac; der Verfasser der Historika Hypomnemata und eines Rhetoriktraktates Abas ist wohl nicht identisch mit dem Genealogen Abas. Jacosv schátzt im Kommentar zu diesem homonymen ‚Schwindelautor‘ Abas (FGrHist 46 in 1,526) seine Lebenszeit

später als die des bekannten Rhetors Hermogenes aus Tarsos (+ ca. 225).

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

69

4, Ὑπόμνημα, Ὑπομνήματα und Ὑπομνηματίζειν bei Polybios und anderen Autoren der hellenistischen Historiographie Der Wortgebrauch von ὑπόμνημα, ὑπομνήματα oder verbal ὑπομνηματίξειν und anderen Ableitungen dieses Stammes bei Polybios ist auch für eine Untersuchung über seinen

Fortsetzer Strabon aufschluBreich??, Sofern Polybios das methodische oder gattungstheoretische Spezifikum seiner eigenen Geschichte bezeichnen will, nennt er sie bekannt-

lich eine πραγματικὴ ἱστορία. Polybios benutzt (aus Gründen der variatio) für sein eige-

nes Historien-Werk die drei Ausdrücke πραγματεία, αἱ κατὰ μέρος συντάξεις und tà ἡμέτερα ὑπομνήματα, ohne daß diese drei verschiedenen Termini einen markanten me-

thodisch-historiographischen Unterschied ausdrücken sollten”. Schon im Prooimion des Polybios erhält Hypomnema eine synonyme Bedeutung mit Hisroriai als Bezeichnung des eigenen polybianischen Werkes**. Der Plural Hypomnemata wird von Polybios stets für Werke in mehreren Büchern verwendet, der Singular für einzelne Bücher aus einem Gesamtwerk oder Werke, die nur ein Buch umfafiten?. Auch historische Werke seiner Vorgänger, die als Kunstprosa und vollgültige Geschichtswerke stilisiert waren, faBt Polybios als Hypomnemata zusammen”. Dieser Sprachgebrauch bei Polybios wird in Dio-

dors Historischer Bibliothek sogar noch ausgeweitet”’. Hypomnemata bezeichneten also schon vor Strabon im 2. Jh. v. Chr. mehr als bloße unfertige Skizzen oder Materialsammlungen für spätere Geschichtswerke. Die Bezeichnung Hypomnemata konnte aus ,under-

statement‘ sogar für literarisch hochstehende Geschichtswerke gewählt werden?*. Die Bedeutung einer Skizze, einer Materialsammlung und eines bloßen Entwurfs für ein später noch zu vollendendes Geschichtswerk ist für literarische Hypomnemata-Werke besser durch die hellenistische Geschichtstheorie, deren Spuren wir bei Cicero finden kónnen, als im praktischen Wortgebrauch bedeutender hellenistischer Historiker, z.B. des

Polybios oder Strabons, bezeugt??. Erst bei Lukian findet man ein Schema mit drei Stufen der Ausarbeitung eines Geschichtswerkes von der Materialsammlung über das Konzept (beide Stufen kónnen als ὑπόμνημα bezeichnet werden) bis zur fertigen Ausführung auf

hohem sprachlich-stilistischen Niveau (den tstopiaı)”. DonANpI untersuchte jüngst die Entstehung enzyklopädischer und philosophisch-wissenschaftlicher Prosaschriften der Kaiserzeit (Plinius der Ältere, mehrere Aristoteleskommentatoren, Galen)*!, Auch hierbei wurden in einer ersten Phase ὑπομνηματικά angefertigt, eine „provisorische Fassung 52

Vgl. hierzu AmBaauio 1990, 503-504.

53

Stellen bei Schumrick 1909, 83f' und neuerdings, allerdings ohne Kenntnis der Beiträge von Körke und

34 55 56

57

SCHUMRICK, auch bei AMBAGLIO 1990, SO3f. Pol. J.1,1f, 1,35,6, 3,32,1—4 und 9,2,7. Belege bei ScHUMRICK 1909, 87-92. So über Timaios in Pol. 12,25d/e 1 und 12,28a 2-3 (vgl. auch 12,25h 5, 12,26d 5-6 und 12,27,3); weitere Stellen bei Schumrick 1909, 83-84 und AmMBaAGLIO 1990, 504. Polybios bezeichnet in 8,10,11 eine Diadochengeschichte, in 9,1,3 allgemein historische Werke, in 10,44,1 eine militärisch-nolitische Denkschrift des Aencas Tacticus und in 29,21,1 sogar einen Traktat des Demeirios von Phaleron als Hypomnema oder Hypomnemata. An einer schwierig zu interpretierenden Stelle Pol. 5,33,5 scheint Politika Hypomnemata officially published memoranda" auf Wänden von Häusern zu bedeuten, siche dazu den guten Kommentar Wat BANKS p. 563f. Bei Diodor kann Hypomnema oder Hypomnemata historische Notizen (Diod. 1,4,4), die königlichen Paptere Alexanders (18,4,2—4) oder auch Archivmaterial der Königskanzleien, z.B Denkschriften der Ptolemäer (3,38,1), mythologische Sammelwerke (3,67,4) oder Literatur aus der frühgriechischen Epo-

58 59 60 61

che (5,57,3) meinen. Zum Wortgebrauch von Hypomnema bei Plutarch vgl. AMBAcLIO 1990, 506. Vel, ScuuMRICK 1909, 82 zum Topos der modestia. Vgl. Cicero FGrHist 235 T ta, Ib und 2 = Cic. Att. 2,1,2; vgl. Cic. fam. 5,12,10 an Lucceius. Lukian. De hist. conscr., 16 und 48, Doranbi 1991, 11-33 und insb. 26-29 und 32 zu Hypomnemata im Enistehungsprozeß solcher Werke.

70

1. Leben und Werke Sirabons sowie methodische Fragen

eines Buches, wobei das Rohmaterial größtenteils überarbeitet und geordnet war, aber noch nicht die letzte sülistische Verfeinerung erhalten hatte‘. Der Arzt Kallimorphos wird von Lukian kritisiert, weil er nur ein einfaches Hypomnema zusammengestellt hatte, dieses aber mit dem Titel Πάρθικαι ἱστορίαι versehen und zur Irreführung seiner Leser publiziert habe. Auch bei Fronto erkennen wir die Wortbedeutung des commentarius als bloßer Skizze für ein Geschichtswerk®*, Eunapios nennt die Schrift des Oreibasios eine

exakte Materialsammlung für sein eigenes Geschichtswerk®°. 5. Eigenheiten der strabonischen Historika Hypomnemata innerhalb dieser Gattungstradition Alle Historika Hypomnemata wollen ihren Lesern ein umfangreiches, zuverlässiges, nützliches und interessantes Sachwissen vermitteln. Diesen Zweck der Abfassung seiner Werke spricht auch Sirabon im Prooimion der Geographika klar aus. Sie sollen nützlich für die ethische und politische Philosophie sein, also zu moralischem Handeln anleiten, und für die praktischen Zwecke der politisch-militärischen Elite geeignet sein, Die kompilatorische Methode des systematischen Exzerpierens aus einer Vielzahl von Originalquellen verbindet die thematisch so vielfältigen Historika Hypomnemata. Diese Methode der Quellenauswertung kennzeichnet auch Strabons Arbeitstechnik in allen Werkteilen, in denen er nicht zeitgenössische Ereignisse oder jüngst erst seit der mittelaugusteischen Zeit erschlossene Räume beschreibt. Die Autoren historischer Hypomnemata

exzerpieren ihr gelehrtes Material aus thematisch oder auch chronologisch geordneten Geschichtswerken”. Sie präsentieren es dann aber gerne in einer sachlich-thematischen Ordnung, während Strabon die strengere, historisch-chronologische Ordnung bevorzugt.

Die Qualität der Hypomnemata hüngt vom Niveau und der Anzahl der exzerpierten Autoren und der sachlichen Zuverlässigkeit der zusammengetragenen Zitate, Paraphrasen und Exzerpte ab. Aus dieser bewuBt gewählten hypomnematisch-kompilatorischen Arbeitsweise resultiert der absichtlich kunstlose Stil Strabons, der seine Quellenautoren oft nebeneinanderstellt und offenlegt, während die größten Historiker der Antike, z.B. Thukydides und Tacitus, ihre Quellen in stilistischer Meisterschaft so perfekt verarbeiten, daß sie im thukydideischen oder taciteischen Bericht meist nicht mehr in ihrer originalen Form erkennbar sind. Besonders deutlich wird dies bei Tacitus und der zeitgeschichtlichen se-

natorischen Historiographie des 1. Jh. n. Chr. Strabons kompilatorischer Stil ist also nicht Folge einer erstaunlichen Unfähigkeit zu einer zumindest gewissen rhetorischen Stilisierung, die man jedem gebildeten Griechen und Römer zutrauen darf, sondern Konsequenz der Gattungsgesetze und der Technik der gelehrten Hypomnemata. Vor dem 1. Jh. v. Chr. 62 63 64

Doranoı 1991, 32. Vgl. dazu AvENARIUS 1956, GEORGIADOU und LArMmourR 1994, 1448-1509. Front. Ep. ad Verum 2,3 p. 125 van den Hour; über die Principia historiae des Fronto siehe Cova 1970.

65

Eun. Fr. 8a Müller FHG IV,7ff.

66

Vgl. 1,1,22-23 C. 13-14; dazu schon Wacusmura 1895, 225. Fuurer 1996, 116-122 betont, daB für ‚die Kalltmacheer der Unterschied zwischen Historiographie und Dichtung außer in der Form insbeson-

dere in der unterschiedlichen Zielsetzung bestand. Geschichtswerke sollten ausschließlich der sachlichen Information und Belchrung dienen. In diesem Sinne ist auch Strabon ein „kallimacheisch“ be-

einflußter Autor, weil er seine Historika Hypomnemata in einen Gegensatz zur ψυχαγωγία der Alexanderhistoriker und der ,.tragischen" bzw. peripatetischen Historiker des Hellenismus (z.B. Agatharchides, Duris, Poseidonios) stellt.

67

Diese kompilatorische Arbeitsweise und Technik des Exzerpierens verbindet Strabon übrigens auch mit den Verfassern von Sammelbiographien, vor allem mit Diogenes Laertios, vgl. hierzu MEER 1978,

16-29.

3. Historika Hypomnemara als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

71

legen insbesondere Philologen und Fachautoren bestimmter Téy vo: ihre Quellen in ähnlich systematischer Weise offen. Diese Eigenart der Hypomnemata machte Strabons Werke für Josephus, Plutarch, Appian und Athenaios als Quelle attraktiv, weil sie an zuverlässigen und von ihren Hauptquellen abweichenden Sachinformationen interessiert waren. Diese Autoren sind daher auch unsere Hauptquellen für erhaltene Fragmente der Historika Hypomnemata Strabons. Man könnte daher die hypomnematische Technik Strabons ähnlich der des fast eine Generation älteren Alexander Polyhistor und seines gelehrten Zeitgenossen, des mauretanischen Klientelkónigs Iuba IL. zutreffender als grammatischphilologisch oder fachwissenschaftlich denn als konventionell historiographisch beschreiben. Es galt in Strabons Zeit keineswegs als unnütze Arbeit nur für kleinere Geister, eine enzyklopädische Kompilation vorzulegen. Das große Publikum favorisierte damals im-

mer stärker enzyklopädische ‚Summen‘, die als Zuvayayn, Βιβλιοθήκη oder Tlapaôeiyuata-Sammlungen firmieren konnten. Von Historiai oder Hellenika-Werken unterscheiden sich die Historika Hypomnemata thematisch dadurch, daß sie dem Leser sehr

gemischte, bunte Stoffe darbieten, sich also keineswegs wie die große Historiographie der Griechen in der Nachfolge des Thukydides, Xenophon und Polybios auf die politischmilitärische Zeitgeschichte konzentrieren. Auf die signifikante Buntheit der Stoffe und eine Vorliebe für gelehrte und abweichende Varianten deutet auch hin, daß einige Historika Hypomnemata in der Antike möglicherweise unter Titeln wie Vermischte Denkwürdigkeiten (Aristoxenos von Tarent, Pamphile) oder Sammlung verstreuter, gelehrter Denkwürdigkeiten (Hieronymos von Rhodos, Aristoxenos von Tarent), genannt werden.

Insgesamt hatten Verfasser von Historika Hypomnemata eine größere Freiheit als die Verfasser von Historiai oder Hellenika-Werken auszuwählen, welche Stoffe sie für erinne-

rungs- und sammelwürdig hielten, Verfasser von Historika Hypomnemata analysierten vor Strabon in der Regel geschichtliche Prozesse nicht unter übergreifenden geschichtsphilosophischen Gedanken oder einer ihre historischen Denkwürdigkeiten zusammenhaltenden Leitfrage. Als universalhistorischer Fortsetzer des Polybios mußte Strabon auch in diesem Punkt über das übliche Niveau der Historika Hypomnemata hinausgehen. Aus Strabons Sicht vollendeten sich das geographische Raumbild und die einheitliche politische Ordnung der Mittelmeeroikumene in der Epoche seit Alexander erst mit der Etablierung der augusteischen Universalmonarchie als einer neuen und qualitativ gegenüber den republikanischen Verhältnissen überlegenen Form der römischen Weltherrschaft. Dieser Leitgedanke gibt Strabons historisch-geographischem Werk einen für die hypomnematische Gattung besonderen inneren Zusammenhang. Ällerdings hat er dieses Hauptthema zunundest in den erhaltenen Geographika lange nicht so konsequent durchgeführt, wie es Polybios in den Historien mit den Themata des Aufstieges und der Bewertung der republikanisch-rómi-

schen Weltmacht vorgeführt hatte. Auch auf eine eingehende Kausalanalyse der historischen Einzelereignisse oder einzelner Prozesse kónnen Verfasser von Hypomnemata nach ihrem Verstündnis dieser Gattung verzichten. An ausgesuchten Stellen der Geographika, beispielsweise in der Kurzgeschichte des Aufstiegs Roms am Ende des 6. Buches, in der Analyse der Entstehung der Piraterie aus der Agonie des Seleukidenreiches oder im Abrif der Attalidengeschichte, 68

Vgl. auch so thematisch breitgefücherte Werke wie die Γελοῖα ἀπομνημονεύματα des Aristodemos FHG IH 310,7, die Ἡθικὰ ὑπομνήματα des Demokritos von Abdera FHG II 24; die Ὑπομνήματα θεατρικά des Nestor FHG III 485 Anm. (vielleicht Nestor von Laranda FGrHist 153 F 137); die Ὑπομνήματα πολιορκητικά des Daimachos aus Plataiai FHG II 442,8 (dieser Daimachos wird in FGrHist 65 F 3-4 von Jacosy zu den Universalhistorikern gerechnet) oder die Fig τοὺς σίλλους ὑπομνήματα des Apollonios von Nikaia FHG IV 310.

72

1. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

hat Strabon jedoch eine solche Kausalanalyse immerhin im Ansatz versucht. Man darf aufgrund der von Strabon selbst betonten komplementären Struktur seiner Universalhistorie und Oikumenegeographie erwarten, daß Ursachenanalysen sich auch in den Historika Hypomnemata fanden. Gegen ein allzu gründliches Erforschen der Ursachen nicht nur geographisch-naturkundlicher Phänomene, das er dem Poseidonios vorwirft, hat

Strabon jedoch erhebliche Vorbehalte, Auch in der relativen chronologischen Abfolge der berichteten Ereignisse ist Strabon als Fortsetzer des Polybios zu einer größeren Präzision als seine Vorgänger in der Gattung der Historika Hypomnemata aufgefordert. Außerdem ergibt sich gleichfalls als Erbteil der hellenistischen Universalhistorie ein zeithistorischer Schwerpunkt für Strabons Geschichtswerk. In mehrfacher Hinsicht führt Strabon also die Historika Hypomnemata näher an die höher geachteten Historiai heran. Vielleicht deutet jedoch schon der programmatisch nüchterne Werktitel Historische Denkwürdigkeiten auf eine methodische Kritik an der rhetorisch-exemplarischen Universalhistoriographie hin, die Poseidonios nur eine Generation vor Strabon zu ihrem Höhepunkt geführt hatte. Strabon schließt sich hier historiographisch wieder stärker dem pragmatischen Historiker Polybios an. Nüchterne Sachlichkeit in der Darstellung als Reaktion auf den übertriebenen Einsatz aller rhetorischen Mittel in einigen Geschichtswerken des Hellenismus entspricht auch einem ästhetischen und literaturkritischen ‚Trend‘ der augusteischen Schaffenszeit Strabons. Die Autoren literarischer Hypomnemata drücken mit ihren Werktiteln aus, daß sich ihre Leser allein auf deren sachlichen Inhalt und den

Argumentationsgang konzentrieren sollen, ohne durch die übliche rhetorische Stilisierung abgelenkt zu werden. Die Leser sollten mehr auf die res als auf die verba achten. Der auffällige Titel Historika Hypomnemata für eine universalhistorische Fortsetzung des Polybios trägt wohl auch der Annäherung zwischen Geographie, Geschichte, Philologie und antiquarischer Literatur Rechnung, die im 1. Jh. in der griechischen und lateinischen Literatur deutlich spürbar ist. Die Annäherung der antiquarisch-philologischen Literatur an die streng historische wird schon vor Strabon im Griechischen von Alexander Polyhistor und im Lateinischen von Varro, die der kulturgeographischen Werke an die

Weltgeschichte schon durch Artemidoros von Ephesos eingeleitet. Dieser verfaßte um 100 v. Chr. Jonika Hypomnemata und Geographumena9?. Die beiden aufeinander bezogenen Werkteile des Artemidoros gaben Strabon wahrscheinlich ein Vorbild für den Zusammenhang seiner eigenen Historika Hypomnemata und Geographika, das er weiterentwickelte. Er weitete die räumlich und thematisch enger gefaßten

Ionika Hypomnemata zu einer Universalhistorie der Mittelmeeroikumene aus. Gleichzeitig verschmolz er die gelehrt-antiquarische Tradition der Hypomnemata mit der rhetorisch-exemplarischen der Historiai und der Bioi. Strabon kehrte ferner die innere Gewich-

tung der beiden Werkteile seiner eigenen Enzyklopädie im Vergleich zu den Werken des Artemidoros um. Bei Strabon sind nämlich die früheren Historika Hypomnemata

das

Hauptwerk (47 Bücher) und die späteren Geographika Hypomnemata (mit 17 Büchern) der geographische Kommentar dazu. In diesem Versuch einer Synthese aus verschiedenen etablierten Genera, in der spezifischen neuen Ponderierung von zeitgeschichtlichen Denkwürdigkeiten und kulturgeographischen Erläuterungen sowie in der Benutzung der Form der Hypomnemata für eine Universalhistorie liegen die charakteristischen Eigenarten seines Werkes und interessan-

ten Leistungen des Autors Strabon. Der exemplarisch-pädagogische Charakter der strabonischen Enzyklopädie wurde dadurch gegenüber den früheren hellenistischen Universal-

historien noch verstärkt, die rhetorisch-stilistische Durchformung jedoch der kompilatorischen Methode und der ,kolossalen* stofflichen Fülle auch im Vergleich mit seinen augu-

steischen Kollegen weitgehend geopfert. 69

Vel. zu Anemidoros FGrHist 438 und hier Kapitel 11.3.3. und 1.6-7.

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistoric

73

Strabon wollte ein Gesamtinventar der Kulturwissenschaften in der augusteischen Epoche vorlegen. Deswegen ist auch ein Vergleich seiner Historika Hypomnemata und Geographika mit den berühmten Compilationes oder Summae, also den Enzyklopädien des 13. und 14. Jh., nicht abwegig??. Vincent von Beauvais beansprucht für sein Speculum maius, eine der einflußreichsten mittelalterlichen Compilationes, keineswegs den Ruhm

einer literarischen oder stofflich-sachlichen Originalität, Das Ansehen der Verfasser, die Güte der exzerpierten Autoritäten (auctores) und die für den Leser übersichtliche und nützliche dispositio oder ordinatio des Materials entscheiden über den Wert einer mittelalterlichen Enzyklopádie. Der besondere modus faciendi librum des compilator entbindet ihn im Unterschied zum historiographischen auctor von der inhaltlichen Verantwortung für das prásentierte Material. Dennoch unterscheidet sich die compilatio von einer bloBen collectio eben durch die Kunst der ordinatio, die nach sachlichen Themata oder alpha-

betisch durchgeführte, jedenfalls kunstvolle und nützliche Anordnung des Materials?!.

Die Werke Strabons schwanken in diesen mittelalterlichen Kategorien ausgedrückt, zwischen einer compilatio, einem commentarius und dem historischen opus eines auctor.

Meistens hält Strabon das mittlere Niveau des commentarius ein, während er nur selten auf das Niveau eines bloBen compilator absinkt, sich aber gleichfalls nur in einzelnen Exkursen und persónlichen Beobachtungen zum Rang eines selbstündigen auctor aufschwingt.

6. Historische Exempla-, Apophthegmata- und Strategemata-Sammlungen als nahe Verwandte und erfolgreichere Konkurrenten der Historika Hypomnemata Strabons W ACHSMUTH behandelt die Historika Hypomnemata mit Recht zusammen mit historischen Beispiel- und Apophthegmata-Sammlungen sowie sonstigen Sammlungen historischen

Inhaltes’?, Hypomnemata seien stets nur eine Nebengattung der historischen Literatur geblieben, die allerdings vom Beginn des Hellenismus und den Sammelarbeïten des frühen Peripatos bis in die Kaiserzeit zahlreiche und teils umfangreiche Werke hervorgebracht habe. Solche historischen Sammlungen hätten mit großem Eifer Merkwürdigkeiten aus

der Menschheitsgeschichte gesammelt, so wie die Paradoxographen’?, Geo- und Ethno-

graphen merkwürdige Phänomene der Naturkunde zusammentrugen. In der lateinischen 70

71

Vgl. zu diesen Werken einführend Minnis 1979, 385-421,

Bonaventura faite eine verbreitete Auffassung seiner Zeit treffend zusammen, es gebe vier Arten, ein Buch zu schreiben: Aliquis enim scribit aliena, nihtl addendo vel mutando; et iste mere dicitur scriptor. Aliquis scribit aliena, addendo, sed non de suo; et iste compilator dicitur. Aliquis scribit et aliena

er sua, sed aliena tamquam principalia, et sua tanquam annexa ad evidentiam; et iste dicitur commentator, non auctor. Aliquis scribit et sua et aliena, sed sua tamquam principalia, aliena tamquam annexa ad confirmationem: et talis debet dici auctor"; zitiert nach Minnis 1979, 415f.

72 73

Wachsmum 1895, 223-240, Scherens 1996, 373-424 für die hellenistische Periode und Deccroix 1996, 425—460 für die Kaiserzeit

wiesen kürzlich auf einige auch im Vergleich zu Strabon interessante strukturelle Eigenarten des Genos der Paradoxographie hin: das thematisch zentrale Thauma bzw. Mirabile wird kombiniert mit den

methodischen Prinzipien einer guten Dokumentation, der Glaubhaftigkeit sowie einer systematischen Ordnung der Materialexposition mit Offenlegen der Quellen. Paradoxographen isolieren die Geschichten oder Tatsachen, die sie berichten, in ihren Sammlungen vom ursprünglichen Kontext. Ihre eigene Leistung als Autoren liegt in der Sammlung, systematischen Anordnung (geographisch, nach Orten, alphabetisch oder bibliographisch} und eventuell in der stilistischen Überarbeitung der Geschichten bzw. Tatsachen. Strabon ordnet dagegen das Material in seinen Historika Hypomnemata primär nach übergreifenden universalhistorischen und chronologischen Gesichtspunkten. Er interessiert sich aber durchaus gelegentlich auch für Thaumasia und Paradoxa, sofern diese in einer „seriösen“ Quelle bezeugt sind.

74

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Literatur seien die wahren Erben dieser hellenistischen und republikanischen Sammlungen, zu denen er auch Strabons Historika Hypomnemata rechnete, die spätrepublikanischen Exemplawerke des Cornelius Nepos/*, unter Augustus die Werke des Hyginus” und später im griechischen Sprachraum die Ποικίλῃ iotopia’6 Aelians um 200 n. Chr.

der sich auf die Παντοδαπὴ ἱστορία und die ᾿Απομνημονεύματα des Favorinus von Arelate?” aus hadrianischer Zeit stützte. Das historisch wichti gste erhaltene Beispiel der Exempla-Literatur sind jedoch die lateinischen Facta et dicta memorabilia des Valerius Maximus aus der Zeit des Kaisers Tiberius, die noch keine zehn Jahre nach Strabons Tod

entstanden’®, Vielleicht hat der große Erfolg dieses und ähnlicher Werke einer weiten Verbreitung der Historika Hypomnemata Strabons nachhaltig geschadet. In der lateinischen historiographischen Tradition war der moralisch-exemplarische

Aspekt der Geschichtswerke seit Fabius Pictor und Cato immer sehr stark ausgeprägt

gewesen. Von Polybios über Poseidonios und Diodor bis zu Strabon verstärkte sich auch in der griechischen Universalhistorie die Auffassung der Verfasser, ihre Werke als eine exemplarische Anleitung für moralisches und staatsmännisches Handeln zu verstehen. Die Ursachenanalyse historischer Prozesse blieb aber für Polybios und Poseidonios weiterhin zentrales Anliegen, während sie bei Diodor, Nikolaos oder Strabon oberflächlicher

wurde. Aus den voluminösen späthellenistischen Universalhistorien schöpften daher durchaus folgerichtig kaiserzeitliche Autoren für ihre Beispielsammlungen, die das für

Moralphilosophen und Rhetoren geeignete historisch-exemplarische Material bequem bereitstellten, ohne daß sich ihre Leser noch mit der zeitraubenden und anspruchsvollen

Lektüre beispielsweise des Poseidonios oder Strabons aufhalten mußten. Eng verwandt mit den Exemplasammlungen sind Chreiai, Apophthegmata, Memorabi-

lia und Apomnemoneumata sowie im politisch-militärischen Bereich die Strategemata, Taktika und Poliorketika von Aeneas dem Taktiker bis zu Iulius Frontinus und Polyaen, der móglicherweise schon für sein Werk auf thematisch aufbereitete Hypomnemata als 74 TS 76

Vel. dazu Perer HRR, 1906, Bd. II, XXXX-LV{: und 25-40. Dazu Perer HRR, 1906, Bd. II, CI-CVII; und 72-77. Aelian, Ausg. HERCHER, 2 Bde, 1864-66 (ND 1970).

77

ZuFavorinus von Arclate siehe FHG ITE 577 und FGrHist IIIB p. 427, MENscHING 1963 und BARIGAZZI 1966, 194-195 (zum Charakter der Apomnemoneumata des Favorinus) und ebd. 196-207 (Textausgabe der sicher bezeugten Fragmente dieses Werkes) sowie einführend Barıcazzı 1993, 556-581. Einige methodische Eigenarten der Werke des Favorinus sind mit Strabons Hypomnemata vergleichbar, vor allem der kompilatorische Charakter und die namentliche Erwähnung zahlreicher benutzter Quellen.

Die Apomnemoneumata des Favorinus haben jedoch weder eine streng chronologische Ordnung, noch stellen sie alles Material über eine Person an einer Stelle zusammen. Den Kern des Werkes bilden Anekdoten und bunte Notizen über Leben und Lehre verschiedener Philosophen des 6.—4. Jh. Die Nähe zum biographischen Genre ist klar. Sie erklürt die groBe Wirkung auf Diogenes Laertios und Gellius; zur Pantodape Historia siehe Barıcazzı 1966, 207—214 mit einer Einleitung in die folgende Ausgabe (207—242) der Fragmente. BariGazzi (208) trägt ferner eine interessante Variante des Bepriffes Historia scit dem spälen Hellenismus vor. Einige Grammatiker, z.B. Asklepiades von Myrlea (bei Sextus Emp. adv. math. 1,1520) teilten die γραμματική in die drei Bereiche τὸ ey vixóv, τὸ ἱστορικὸν und τὸ γραμματικόν. Dabei umfafit τὸ ἱστορικόν erstens die ἀληθὴς ἱστορία oder ἡ πρακτική, zweitens die ψευδὴς ἱστορία oder ἡ περὶ μύθους und drittens die ὡς ἀληθὴς ἱστορία, also oia ἡ κομῳδία καὶ οἱ μῖμοι. Die ἀληθὴς Ἱστορία wird wieder differenziert in drei Abschnitte ñ μὲν περὶ τὰ πρόσοπα θεῶν καὶ ἡρώων καὶ ἀνδρῶν ἐπιφανῶν, zweitens ἡ δὲ περὶ τοὺς τόπους καὶ χρόνους und drittens ἡ δὲ περὶ

τὰς πράξεις. Die Notizen des Favorinus in der Pantodape Historia (ähnlich denen Strabons in den Historika Hypomnemata) betreffen überwiegend die πρόσωπα und die πράξεις solcher ἄνδρες ἐπι78

φανεῖς, Valerius gibt freimütig schon in seiner praefatio zu, er habe seine Sammlung kompiliert, „ut docu-

menta sumere volentibus longae inquisitionis labor absif', vgl. FARANDA 1971 (ND 1987) und ferner zu den Eigenarten und Zielen der Facta et dicta memorabilia MastAkov 1992 und SkIDMORE 1996.

1984, 437—496, BLOOMER

3. Historika Hypomnemata als Titel einer hellenistisch-augusteischen Universalhistorie

75

Materialsammlung zurückgreifen konnte. Ein starkes historisches Interesse zeichnete auch die historisch-thematischen Sammlungen des Phlegon und des Pseudo-Lukian aus. Sol-

che Werke kamen einem breiten Leserinteresse entgegen, dem die hohen Gattungen der

Annales oder Historiae zu schwere Kost boten und Strabons Werke zu lang und zu wenig rhetorisch aufbereitet waren. Solche Leser meinte wohl Cicero, als er über ein auffälliges Interesse an Geschichtswerken auch in ,bildungsferneren* Kreisen der späten Republik berichtet: ,,guod homines infima fortuna, nulla spe rerum gerendarum, opifices denique

delectantur historia“®. Die schnell wachsende Beliebtheit dieser Alternativen zu den traditionellen Geschichtswerken hat also möglicherweise eine Schlüsselrolle im Prozeß der Verdrängung der umfangreichen späthellenistischen Universalhistorien gespielt.

79

Cie. fin. 5,52,

76

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen 4. DIE BEGRENZTEN REKONSTRUKTIONSMÖGLICHKEITEN STRABONISCHEN UNIVERSALHISTORIE

DER

l. Zur Kritik am Fragmentbegriff Orros sowie seiner Auswahl, Anordnung und Präsentation der Fragmente Nur fünfzehn Fragmente der strabonischen Universalhistorie! hatte MÜLLER in seine ver-

dienstvolle Sammlung Fragmenta Historicorum Graecorum aufgenommen?, Auch in der heute noch maßgeblichen Sammlung der ‚Fragmente der Griechischen Historiker‘ Jaco8YS sind nur diese spärlichen Überreste mit einer etwas sinnvolleren Aufteilung der Texte

unter insgesamt neunzehn Fragmentnummem aufgenommen und knapp kommentiert.

Zwischen Müllers und Jacosys Sammlungen aber liegt der ehrgeizige Rekonstruktions-

versuch Orros*, Er wollte zunächst sämtliche noch auffindbaren historisch-politischen

Überreste (reliquiae) der Historika Hypomnemata sammeln. Aufgrund dieser Sammlung hoffte er, zumindest die Grundzüge ihrer Werkökonomie rekonstruieren zu können und ein annähernd zuverlässiges Bild der Hauptpersonen und Ereignisse zu erhalten, die Strabon behandelt hatte. Zweitens wollte er in den Quaestiones Strabonianae, die der Samm-

lung der Fragmente beigegeben sind, den Einfluß Strabons auf Flavius Josephus, Appian und Plutarch analysieren. Als erstaunliches Ergebnis seiner Sammlung präsentiert Orro 257 angebliche „Frag-

mente" der strabonischen Historika Hypomnemata. Grundsätzlich wählt er eine zeitliche Anordnung der Texte nach den behandelten Ereignissen oder Personen. Wenn die zeitliche Einordnung einer Notiz nicht klar ist, stellt er sie nach ihrem sachlichen Inhalt zu einem anderen, inhaltlich verwandten ‚Fragment‘, das er zeitlich präzise bestimmen konnte. Wenn Passagen aus verschiedenen Büchern der Geographika sich inhaltlich gegenseitig ergänzen oder auf die gleiche Sache, den gleichen Ort oder die gleichen Person beziehen, ordnet OTTO sie alle unter eine einzige Fragmentnummer mit verschiedenen Unternummern. Doch hat die Fragmentsammlung Orros schon früh besonders durch SCHWARTZ und Jacosv scharfe methodische Kritik erfahren. Die Mehrheit der heutigen Strabonforscher hält die methodischen Probleme einer Rekonstruktion der Historika Hypomnemata

für unüberwindlich. AmsaGLio konzentriert sich daher in seiner jüngsten italienischen Übersetzung und Kommentierung der Fragmente der Historika Hypomnemata wieder auf das gesicherte Material, das schon JacoBv in seine Sammlung aufgenommen hatte, ohne die Problematik des Fragmentbegriffes Orros und seine Methode der Sammlung der Fragmente überhaupt noch ausführlich zu diskutieren. Jacopys Fragmenten fügt AMBAGLIO

lediglich einen kurzen Papyrustext als angebliches Strabonfragment hinzu, dessen Zuweisung aber umstritten ist. Bei genauerer Prüfung stellt sich in der Tat die Methode, mit der Die wichtigsten Studien bis 1978 über die Historika Hypomnemata und die Geographika findet man

a

AR

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2

bei ΒΙΒΑΒΟΗ͂Ι, MaRIBELLI, MASSARO und PAGNOTTA 1981: über die Univeralhistorie siehe einführend: PÉpecH 1972, 395—408, Lasserre 1982, 867-896, Pranpı 1988, 50-60 und AMBAGLIO 1988, 73-83. MütLer FHG III, 490-494 Fr. 1-15; das Fr. 12 ist in 12a und 12b unterteilt und von MÜLLER unter Nikolaos von Damaskos FHG II, 343ff Fr. 62 und Fr. 63 abgedruckt. Strabon FGrHist 91, Kommentare in Band IIC, 291-295. Otto 1889. Beispielsweise Fr. 45a-i Otto, ein eindrucksvolles Beispiel mit neun Untergliederungen und Material aus dem 1., 2. und 7. Buch der Geographika oder Fr. 46a-e Otto. Vgl. AMBAGLIO 1990, 377—425. Das Fr. 20 Ambaglio aber ist kein sicheres Strabonfragment im Sinne der F 1-19 Jacoby (= Fr. 1-19 Ambaglio), sondern ein Papyrustext, den AMBAGLio lediglich aufgrund des [nhaites vermutungsweise Strabon zuschreibt. Strabon (17,1,54f C. 820 = FGrHist 673 F 163a) weicht aber in einem signifikanten Detail der geschilderten Schlacht des Petronius bei Pselchis gegen die Aithioper vom Text des Papyrus ab. Bei Strabon fliehen die Aithioper in die ἐρημία, nach dem

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmöglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

77

Orro die Mehrzahl seiner ‚Fragmente* bestimmt, als ein Irrweg heraus, und sein Fragmentbegriff ist zu ungenau. Orro schickt seiner Sammlung der reliquiae der Historika Hypomnemata eine kurze

methodische Einleitung! voraus, in der er Rechenschaft darüber gibt, welche Texte er in seine Sammlung aufgenommen hat und wie er dieses umfangreiche und heterogene Material anordnet. Diese Einleitung ist jedoch methodisch unbefriedigend. Gegen den unscharfen Begriff des Fragmentes, mit dem Orro arbeitet, gegen die Vorgehensweise bei der Identifizierung bestimmter Passagen der Geographika als Fragmente der Historika

Hypomnemata, aber auch gegen die chronologische Anordnung, Abgrenzung und Auftei-

lung der in Orros Sammlung aufgenommenen Textpassagen erheben sich gravierende

Bedenken. Über neunzig Prozent seines Materials sind politisch-historische oder gar rein

geographische Passagen aus den Geographika, dem zweiten fast vollständig erhaltenen

Werk Strabons, keineswegs aber Fragmente seines verlorenen Geschichtswerkes. Die

Untersuchung aller historisch-politischer und kulturgeographischer Notizen in den Geographika ist ein aussichtsreicher Weg,

wenn man die historisch-politischen Interessen

und Auffassungen des Autors Strabon aus den erhaltenen Geographika rekonstruieren will. Aber für eine Rekonstruktion der Historika Hypomnemata ist dieser Weg ungeeignet. JacoBv hat sogar davon abgesehen, historische Stücke der Geographika Strabons, die mit den sicher bezeugten Fragmenten der Historika Hypomnemata in einem klaren Zusammenhang stehen, in einem Anhang zu diesen abzudrucken. Nicht nur äußerliche Gründe des großen Umfanges solcher Passagen haben ihn davor zurückschrecken lassen, son-

dern er verzichtet aus methodischen Überlegungen darauf, „weil es nach dem oben gesag-

ten ganz fraglich ist, wie weit man die grenzen ziehen soll‘.

Nur als Ausnahme räumt Orro die Möglichkeit ein, daß Strabon für seine Geographika erneut direkt auf seine Vorlagen zurückgegriffen hat, die er auch schon für die Universalhistorie ausgewertet hatte, also beispielsweise auf Poseidonios, Artemidoros, Theophanes, Timagenes, Caesar, Asinius Pollio oder Q. Delius. Doch genau dies ist meines

Erachtens als der Regelfall anzunehmen. OTTo führt zur Unterstützung seiner Auffassung, dab Strabon sein eigenes Material der Universalhistorie seitenweise in die Geographika verkürzend übernommen habe, vor allem zwei Stellen aus den Werken Strabons an?. Die

erkennbaren Übereinstimmungen sind aber zu allgemein und oberflächlich, um die folgenreiche Hauptthese Orros zu stützen. Sie beschränken sich lediglich darauf, daß Sulla in Euboia zur Badekur war. Streng genommen wird 3m Fragment 65a nur der signifikante Name der Krankheit Sullas auf Strabons Universalhistorie zurückgeführt. Genau dieser Name fehlt aber in dem angeblichen Zitat dieser Stelle in den Geographika im Fragment 65b Ottos. Die Lokalisierung der Heilquellen auf Euboia unterscheidet sich deutlich, inPapyrus aber in cin Berggebiet, Turner 1950, 57-59 bezweifelt nachdrücklich, daB der P. Vogliano

eine Episode aus dem Feldzug des Petronius beschreibt. VocLiano selbst als Editor des Papyrus hat für Nikolaos von Damaskos als möglichen Autor plädiert. Mit Berufung auf MaNGANARO 1974 schlägt AMBAGLIO niin Strabons Universalhistorie vor, doch gibt es keine sicheren Indizien dafür, daß der Papyrustext überhaupt aus einem hochrangigen literarischen oder genauer historischen Werk stammt. TURNER erwägt z.B. einen Brief eines Feldzugsteitnehmers im Zusammenhang mit einer Sudan-Expedition unter Nero als Quelle, Kırwan 1957, 16-19 hält den Text möglicherweise für eine Beschreibung des Konfliktes mit einer rómischen Patrouille. Unbegründet ist auch die Zuversicht MaNGARANOS 1974,

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06Ὁ

165 Anm. 40, daß Plin. nat. 6,181

(FGrHist 673 F 163d) eine Kenntnis des strabonischen Werkes

belegen könne. Orro 1889, 1-19. Kommentar Jacouys zu FGrHist 91 1IC, 292.

Vgl. Orro 1889, 14 und Fr. 65a Otto = Fr. 7 Müller = F 8 Jacoby; Fr. 65b Otto = 10,1,9 C. 447 über Sulla; Fr. 124b Otto = Fr. 12 Müller = F 15 Jacoby; Fr. 124a Otto = 16,2,40 C. 762-763 über die Eroberung von Jerusalem durch Pompeius an einem Sabbath.

78

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

dem Fragment 65a sie bei Aidepsos, die Stelle aus der Beschreibung Boiotiens in den Geographika jedoch in der Lelantischen Ebene angibt. Diese Abweichung wäre bei einem Selbstzitat des Historikers und Geographen kaum vorstellbar. Die bekannte Tatsache, daß Sulla die Thermen auf Euboia aufsuchte, konnte Strabon aber aus vielen anderen Quellen

erfahren. Die Eroberung Jerusalems an einem Sabbath 63 v, Chr. berichtet Strabon zwar sowohl in den Historika Hypomnemata als auch in den Geographika, aber in diesem Werk bezieht er sich mit einem unverbindlichen Ausdruck für diese Information auf die Meinung mehrerer, namentlich nicht genannter Quellen. Darunter kann man alle Autoren verstehen, die über Pompeius und seinen jüdischen Krieg geschrieben haben. Abgesehen von der übereinstimmenden Angabe über den Sabbath reichen die Gemeinsamkeiten zwischen Fragment 124a und 124b Otto also keineswegs aus, um eine systematische Praxis der verkürzenden Selbstzitate in den Geographika zu belegen. Es ist wesentlich auffälliger und spricht gegen OTTos Auffassung, daß wir für siebzehn der neunzehn sicheren Fragmente aus den Historika Hypomnemata keine sachlich eng entsprechenden Parallelstellen in den Geographika finden. Wenn man die methodische Aussage Strabons über die komplementäre Anlage seines Geschichts- und Geographiewerkes im 11. Buch der Geographika ernst nimmt, daf er sich im späteren Geographiewerk nicht zu den gleichen Dingen wiederholen wolle, die er schon in der Universalhistorie behandelt habe!®, und wenn sich nach dem Prooimion der Geographika erst beide Kolossurgiai Strabons zusammen zu einem enzyklopädischen Bild der Mittelmeeroikumene ergänzen sollten, dann durfte sich Strabon in seiner Kulturgeo-

graphie nicht so systematisch — und dabei oft verkürzend und gar teilweise verfälschend selbst zitieren, wie dies OTro unterstellt. Es handelt sich bei den historisch-politischen

Notizen vielmehr um echte Ergänzungen, zusätzliche Informationen oder im kulturgeographischen Kontext der Geographika anders akzentuierte Tatsachen!!, In der jüngsten Zeitgeschichte nach 27 v. Chr. brachte Strabon ohnehin völlig neues politisch-historisches Material in die Geographika ein. Orro verzichtet grundsätzlich auf eine Aufnahme vieler auf Polybios (oder Ephoros) zurückgehender historisch-geographischer Passagen,

weil Strabon diese nicht aus den eigenen Historika Hypomnemata, sondern eben aus Polybios direkt übernommen habe!2, In diesem Falle räumt er also selbst eine erneute direkte Benutzung der gleichen historischen Vorlagen durch Strabon in den Geographika ein, die er auch schon für seine Historika Hypomnemata exzerpiert hatte. Der Wert des Rekonstruktionsversuches der Historika Hypomnemata durch Orro liegt

meiner Meinung nach heute nur noch darin, interessierten Lesern eine chronologisch geordnete Fundgrube an historisch-politischen Notizen der strabonischen Oikurnenegeographie zu Verfügung zu stellen. Wertvoll sind auch die (nicht vollständigen) Hinweise OTTOS auf literarische Parallelquellen zu den ausgeschriebenen Passagen Strabons. Insgesamt ist aber sein Versuch einer Rekonstruktion der Historika Hypomnemata gescheitert. Der unzureichende Fragmentbegriff und die im Ansatz verfehlte Methode der Sammlung und Identifizierung der „Fragmente“ sind seine entscheidenden Mängel. Es kommen noch weitere, eher äußerliche Kritikpunkte hinzu, die die Präsentation der griechischen Texte, 10 11

119,3 C. SIS = Fr. 7 Otto = Fr. 2 Müller = FGrHist 91 F 1; dazu Orro 1889, 17 Anm. 1, aber hier 90—

95, insbes. 94-95.

Vgl. schon Αἱ 1957, 195 über jüdische Geschichte in den Historika Hypomnemata und den Geogra-

phika: „ Dabei ist zu berücksichtigen, dass er vieles in seinem historischen Werke bereits behandelt

12

hatte, was er hier forilassen musste .... Ausführlich gibt er nur, was dort entweder keinen Platz gefunden hatte oder was er erst später aus der Lektüre kennen gelernt hatte.“ Ähnlich ebd. 398.

Orr 1889, 15-16. Aber Orro nennt andererseits Fr. 78, 103b und 103c Otto über die angebliche Herkunft der pontischen Achaier als Kronzeugen für die These der Abhüngigkeit Appians in Mithr. 67 und 102 von der strabonischen Universalhistorie.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmôglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

79

ihre Anordnung und Numerierung betreffen. Die grundsätzlich chronologische Präsentation des historisch-politischen Materials ist nur mit einer oft benutzerfeindlichen, unübersichtlichen Zerteilung von Notizen zu erreichen, die Strabon selbst in den Geographika zusammengestelit hatte. Orro reißt häufig zusammengehôrige historisch-politische ExKurse in den Geographika auseinander. Beispielsweise macht er aus den Notizen eines einzigen Paragraphen der Oikumenegeographie zur Stadtgeschichte von Amisos vier

„Fragmente“!, Schon Jaconv kritisiert Orros Aufteilung der in den Geographika zusam-

mengestellten Passagen u.a. zu den Kimbrern, zur jüdischen Religion und Zeitgeschichte

des Hasmonäerstaates auf verschiedene Fragmente!4,

Es ist ferner problematisch, daß OTTo in seine Sammlung nicht selten rein (kultur-)

geographisches Material aufnimmt!?, sofern es hierzu Parallelberichte bei Appian und Plutarch gibt!®, Inwieweit schon in den Historika Hypomnemata auch genuin ethnographische und kulturgeographische Themata behandelt worden waren, ist nicht mehr abzuschätzen. OTTO verweist auf die parthischen ‚Bräuche‘ als ein Thema auch der strabonischen

Universalhistorie!", An dieser Stelle ergänzt Strabon jedoch nicht einen ethnographischen

Exkurs über parthische Sitten und Gebráuche, sondern eigene Informationen über parthische Verfassungsinstitutionen. Denn hierzu macht Strabon einen Zusatz mit der Bemerkung über die zwei Ratsgremien der Parther. Die Ethnographie und Kulturgeographie sind dagegen Kernthema der Geographika, welche die frühere Universalhistorie als Fortsetzung der pragmatischen Geschichte des Polybios um genau diese Aspekte zu einem enzyklopädischen Gesamtbild ergänzen. Daher sind meiner Meinung nach ethnographische oder kulturgeographische Notizen nur äußerst selten schon in den Historika Hypomnemata vorgetragen worden. Auch die literarhistorischen Notizen Strabons in den Geographika hätte Orro besser nicht in seine Sammlung aufgenommen. Sie waren nämlich der Universalhistorie als Gattung im Hellenismus fremd'®. Keinesfalls hätte OTTo die Bernerkungen über berühmte Männer aus einer einzigen Stadt aus der Zeit von 146 bis 27 v. Chr. auf mehrere Fragmentnummern aufteilen und in einigen Füllen sogar von Notizen

zur Geschichte ihrer Städte trennen sollen'?.

Der Benutzer der Sammlung Orros wird schließlich häufig irritiert durch seine seltsame Praxis der Numerierung der Fragmente und bestimmte Eigenarten des Druckes der Texte. Häufig teilt Orro einen einzigen Paragraphen MEINEKES oder eine Seite der Ausgabe des CASAUBONUS in mehrere Fragmente mit verschiedenen Nummern auf, Er verweist in solchen Fällen aber nicht stets an Ort und Stelle vor und zurück, sondern läßt den Leser solche Passagen über den ,,conspectus fragmentorum'* am Ende des Werkes Orros selbst

zusammensuchen??, Andere Passagen der Geographika werden zweimal mit identischem 13

Vgl. über Amisos

12,3,14 C. 547 = Fr. 83, 171, 220 und 242 Otto; dies ist keineswegs ein Einzelfall,

vgl. über: Laodikeia Fr. 50, 140 und 210, Diodotos Tryphon und Apameia Fr. 10a, 120 und 191, zur Geschichte Massilias Fr. 25b und 163, zur Zerstórung Korinths und Karthagos und ihrem spáteren Wiederaufbau Fr. 29a und 184b, über Sinope Fr. 44, 84 und 182 sowie zu Tralleis Fr. 52 und 231 Otto. I4

Vgl. Jacopys Kommentar zu FGrHist 91 HC, 292,

15

Vgl. aber z.B. die folgenden primär geographischen Fragmente Orros: Fr. 6a, 31, 79 (sogar aus mythisch-geographischem Kontext), 91, 104, 106a, 106b, 107b/c, 108b/c, 152, 156a und 238b. Orro 1889, 17. 11,9,3 C. 515 = FGrHist 91 F 1 = Fr. 7 Otto. Jacosys Kommentar zu FGrHist 91, ΠΟ 292. Vgl. die folgenden Fragmente OrTos: über die Stadtgeschichte und berühmte Personen aus Sinope Fr.

16 17 18 19

44, 84 und 182, Laodikeia Fr. 50 und 210, Tralleis Fr, 52 und 231, Adramyttion Fr. 53 und 60, Strabon

nennt auch Honoratioren und Gelehrte aus Sardeis Fr. 54, Mytilene Fr. 140, Milet Fr. 141, Nysa Fr.

142, Tarsos Fr. 159 und Pergamon Fr. 175a.

20

Vgl. z.B.: Otto Fr. 2 und 29c; 3 und 1842; 6a und 45h; 10a, 120 und 191; 10b und 95a; 12, 194 und 234; 16 und 73; 25b und 163; 26b und 26c; 29a und 184b; 29b und 178b; 30 und 178a; 42 und 219 und öfter,

80

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Textumfang, aber unter unterschiedlichen Nummern aufgenommen. Auch diese Praxis

erkennt man mit einer Ausnahme erst mit Hilfe des ,,conspectus fragmentorum"?!, Kürze-

re Fragmenttexte werden z.T. später in lángeren Fragmenten mit anderer Nummer erneut

aufgenommen“, Der Textumfang bestimmter Fragmente mit unterschiedlichen Nummern überschneidet sich zuweilen erheblich? Eine konsequente drucktechnische Differen-

zierung zwischen dem Kontext und dem Wortlaut des Fragmentes, wie dies später JACOBY vorbildlich in den ‚Fragmenten der griechischen Historiker‘ durchführt, wäre auch der Sammlung Orros zugute gekommen.

2. Der Berichtszeitraum der strabonischen Universalhistorie und die unzureichenden

Zeugnisse über eine strabonische Alexandermonographie Wir können nur vermuten, bis zu welchem Endjahr Strabon den zeitgeschichtlichen Endteil seiner Historika Hypomnemata führte. Strabon beendete seine Universalhistorie je-

denfalls nicht schon mit der Diktatur oder der Ermordung Caesars?^. Denn der Historiker und Geograph lebte noch lange genug, um zu sehen, daB erst mit Augustus (und der Konsolidierung der Prinzipatsordnung durch die Übernahme des Prinzipates durch Tiberius) die hellenistische Periode zu Ende ging und eine neue welthistorische Epoche für die Mittelmeeroikumene begann. Es sind für Strabon im Unterschied zu Livius, Ephoros oder Diodor keine äußeren biographischen Gründe ersichtlich, die ein bestimmtes Abschlußdatum seiner Universalhistorien im Anschluß an Polybios erzwungen hätten. Das späteste erhaltene, sichere Fragment über die Gefangennahme des Hasmonäers Antigonos durch Sosius und Herodes und seine Hinrichtung auf Befehl des Antonius wird in der

heutigen Forschung auf 37 v. Chr. datiert^?. Dieses Ereignis eignet sich zwar kaum als Endpunkt einer Universalhistorie, kann aber als sicherer terminus post quem für einen

solchen angesehen werden. In der augusteischen Periode boten sich verschiedene Endpunkte an. Die nächstliegenden universalhistorischen Zäsuren waren der Sieg von Actium 31, das Ende des letzten hellenistischen Diadochenreiches der Ptolemäer 30 v. Chr. sowie die Neuordnung des römischen Weltreiches von 27 v. Chr. JacoBv vermutet, daß „nach F 18 das werk jeden-

falls bis zum ende der bürgerkriege ging. sehr möglich aber, daß es beträchtlich darüber

hinaus reichte'?5, Die Historika Hypomnemata seien nämlich erst Ende des zweiten Jahrzehnts v. Chr. abgeschlossen worden. Zahlreiche Hinweise auf Ereignisse und Personen in den Geographika noch nach dem Ende der 20er Jahre deuten Jacoav zufolge darauf hin, daß sie eventuell auch schon in der Universalhistorie behandelt worden sein könnten. 2| 22

23 24

"Vgl. den conspectus fragmentorum bei Otto 1889, 331—334 und den zweimaligen Abdruck der identischen Texte von Fr. 78 = 103c oder Fr. 100 = 143; nur bei Fr. 173 = 175b wird ausnahmsweise im späteren Fragment einmal rückverwiesen, aber nicht im früheren voraus. Z.B.:Fr. 37c Otto und 153; 46a und 116a; 46b und 116b; 46c und 116d; 51 und 200; 66a und 134c; 66b wird sogar zweimal erneut aufgenommen in 134b und 146b; 96c und 97a; 109 und 215 und an weiteren Stellen àhnlich Aufnahmen. 2.B.: Fr. 30 und 178a; 37b und 151; 46e und 101; vor allem Fr. 83, 171, 220 und 242 sehr ungünstig abgeirennt, [37 und 211; 189 und 217a. Vel. aus Plut. Caes. 63 das Fr. 14 Müller = FGrHist 91 F 19 = Fr. 187 Otto über omina vor der Ermordung Caesars. Sicherlich reichte das Werk auch weiter als bis zur Ermordung Ciceros, wie HARTOG

1996, 201 ohne nähere Begründung vermutet. 25 26

Orro 1889, 12; vgl. Fr. 214 Otto = Fr. 15 Müller = FGrHist 91 F 18 aus Ios. ant. Iud. 15,8. Jacosy Kommentar zu FGrHist 91 in ΠΟ, 291 (F 18 über die Hinrichtung des Antigonos): Syme folgend erwog Jüngst Liwpsay 1997, 485 erneut das Jahr 30 v. Chr. als Endpunkt der Historika Hypomne-

mata.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmöglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

81

Aber unter dem Gesichtspunkt einer schlüssigen universalhistorischen Periodisierung verbot sich ein zu weites Ausgreifen über das Ende der 20er Jahre, in denen sich die neue Ordnung des Prinzipates etablierte. Dies läßt sich auch indirekt aus den Geographika erschließen. Die politische Errichtung des Prinzipates im Staatsakt von 27 v. Chr. unter dem wohlklingenden Namen der res publica restituta markierte eine noch tiefere Zäsur als der militärische Sieg von Actium 31 v. Chr. Dies war schon der Eindruck vieler Zeitgenossen und entspricht der Meinung wichtiger Historiker und Chronographen der römischen Kai-

sergeschichte?”, In der Übersicht über das augusteische Oikumenereich, die Strabon mit

Absicht am Ende der Geographika gibt, spiegeln sich die Neuordnung von 27 v. Chr. und der Zustand der Administration des römischen Reiches der späten 20er Jahre v. Chr., nicht aber die aktuelle Situation in den ersten Jahren der Regierung des Tiberius kurz vor dem

Tod Strabons ca. 24/25 n. Chr., als Strabon seine letzten Nachträge zu den Geographika

machte??, Wenn man das Selbstzeugnis Strabons über die Gleichartigkeit und gegenseitige Ergánzung von Universalhistorie und Oikumenegeographie aus dem Prooimion der

Geographika berücksichtigt, wáre 27 v. Chr. (mitsamt den 22 getroffenen Modifikationen über die Verwaltung der Provinzen) ein sehr plausibler Endpunkt für die strabonische Historie, dem dann die Übersicht am Ende der Geographika entsprechen würde. Wegen dieses Endpunktes seiner Universalhistorie hat Strabon vermutlich diese wichtige ÜberSicht über das augusteische Reich mit seinen Provinzen und Klientelreichen auf dem längst

veralteten Stand der 20er Jahre vor Christus belassen und sie nicht einmal mit seinen eigenen mehrfachen Aktualisierungen in den Büchern 3-17 der Geographika harmoni-

siert. Auch der Anfang des Berichtszeitraumes der Historika Hypomnemata bleibt noch zu erörtern. Im 11. Buch der Geographika unterscheidet Strabon die ersten vier Bücher seiner Historika Hypomnemata als Werkteil von den folgenden, indem er das 6. Buch er-

läuternd als das zweite seiner ‚Geschichte nach Polybios‘ benennt??. Dies ist das einzige sichere Fragment mit einer überlieferten Buchzahl aus der Universalhistorie Strabons.

Schon diese Tatsache macht jeden Versuch aussichtslos, die Verteilung des historischen Stoffes der Universalhistorie auf einzelne Bücher oder Buchgruppen, d.h. die exakte Werkókonomie, mit hinreichender Sicherheit wiedergewinnen zu können. Der Gesamtumfang des Werkes von 47 Büchern ergibt sich jedoch aus einer Kombination der genannten Stelle der Geographika mit dem Hinweis der Suda, daß die strabonische ‚Geschichte nach Polybios* 43 Bücher umfaßt habe, indem man die vier ersten Bücher und die 43 Bücher

der ‚Geschichte nach Polybios‘ zusammenrechnet?®, Wenn erst mit dem Buch 5 der Histo27

ZudenRegelungen von 27 v. Chr. als Beginn einer neuen Epoche vgl. Cass. Dio 53,17 über 31, 29 und vor allem 27 v. Chr. als Epochenjahre des Beginns der ἀκριβὴς μοναρχία;

siehe dazu Manuwaib

1979, 77ff, Kıenast 1982, 71(f. und Rica 1990; unter den Chronographen rechnet auch Censorinus in De die natali liber ad Q. Caerellium, 21,8 Sallmann den Beginn dcr Zählung der rómischen Kaiserjahre (annus Augustorum) ab 27 v. Chr. Die offizielle Jährliche Zählung der tribunicia potestas des

Augustus setzte jedoch die 1. trib. pot. von 26.6.23 — 25.6.22 v. Chr. an und rechnete von dort bis zu seinem Tode

28

14 n. Chr. (KIENAST 1990, 66).

Vel. 17.3.25 C. 840 = Fr. 257 Otto; vgl. Orro 1889, 13. Lasserre 1982, 871 Anm. 8 datiert die bei Strabon beschriebenen Provinzverteilung und herrschaftliche Ordnung auf „entre 22 et 11 av. J.-C." (mit nur einer Aktualisierung 7 v. Chr.).

17,3,24-25 C. 839-340 und 6,4,1-2 C. 285-288 sind die

einzigen erhaltenen zusammenhängenden historisch-politischen Exkurse über die Entwicklung und 29

den aktuellen Zustand der römischen Weltherrschaft bei Strabon. Diese Passagen werden daher im Kapitel ITI.2. noch näher untersucht werden. 119,3 C. 515 = Fr. 2 Müller = Fr. 7 Otto = FGrHist 91 Fi.

30

Suda II 1941 s.v. Πολύβιος in einer Randnotiz = FGrHist 91 T 2 und F 1. Acv 1957, 397 vermutet irrtümlich einen Umfang von 45 Büchern.

82

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

rika Hypomnemata der Hauptteil der Ereigniserzühlung, die Geschichte nach Polybios begann, dann liegt es in einer Fortsetzung des Polybios nahe, in den ersten vier Büchern eine Entsprechung zur προκατασκευή des Polybios zu vermuten, obwohl Strabon selbst diesen Ausdruck in den erhaltenen Werkteilen nicht verwendet. Strabon verdoppelte viel-

leicht ihren Umfang sogar im Vergleich zu Polybios von zwei auf vier Bücher. Über den

vermutlichen Inhalt dieser strabonischen Einleitungsbücher wurden sehr unterschiedliche, spekulative Meinungen vorgetragen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts vertrat MiLLER in mehreren Studien nun die Auffassung, daB Strabon auch der Verfasser einer eigenständigen Alexandergeschichte sei, die er vor den Historika Hypomnemata und den Geographika verfaßt habe. Sie sei

methodisch und stilistisch ebenfalls als Hypomnema konzipiert gewesen?!. MILLER interpretiert einen Zusatz zum Polybiosartikel des Suda-Lexikons dahingehend, daß die Historika Hypomnemata in 43 Büchern nur den Zeitraum nach Polybios umfalit hátten, während die Alexandergeschichte Thema eines selbständigen Werkes in vier Büchern gewesen sei”. MiLLER ist der Auffassung, daß man aus zahlreichen Hinweisen in den Geographika Strabons über die Taten Alexanders und aus Erwühnungen von Orten und Regionen, die Alexander wührend seines berühmten Zuges berührte, eine eigene Alexandergeschichte Strabons rekonstruieren könne, die „neben den Werken von Arrian, Plutarch, Curtius, Diodor und Justin einen eigenen selbständigen Wert zu beanspruchen

vermüge“#, Strabon habe schon für die frühe Alexandermonographie (mit dem Titel Πράξεις

᾿Αλεξάνδρου») die ihm damals noch vollständig vorliegenden Werke der frühen Alexanderhistoriker und Geographen der Diadochenzeit studiert und in diesem Werk ein eigentümliches Verfahren der Anordnung des Materials befolgt, das er auch später in den Geographika praktiziert habe. Alle geographischen und naturwisenschaftlichen Fragen behandele er „genau in der Ordnung und Reihenfolge, in welcher der Zug Alexanders vor sich gieng und in speciellem Bezug auf denselben, Man erkennt deutlich, wie die Alexandergeschichte als fortlaufender hellglänzender Faden durch seine geographische Behand-

lung der ostasiatischen Länder sich hindurchschlingt"?, Aufgrund dieser eigentümlichen Disposition könne man den Aufbau der früheren Alexandermonographie aus den Notizen der Geographika und mit Hilfe des Berichtes Arrians als chronologischem Leitfaden re-

konstruieren”,

Da aber zahlreiche Stellen der Geographika aus ihrem geographischen Kontext herausgenommen über den Fortgang der politisch-militärischen Ereignisse des Alexanderzuges kein zusammenhängendes Bild vermitteln, führt MiLLer bei seinem Rekonstruktionsversuch zusätzlich jeweils inhaltlich entsprechende oder überleitende Passagen aus Arrians Alexandergeschichte an. Selbst rein ethnogeographische oder naturkundliche Be-

merkungen Strabons nimmt MiLLer als ,,Fundamentstücke auf, welche mit zu dem trümmerhaften Bau der Alexandergeschichte gehóren'??, wenn es zu ihnen Parallelen bei 31 32

"Vgl. Mırzer 1882, ders. 1891 und 1877. Mnuer 1882, 1 und 3; vgl. FGrHist 91 T 1.

33

Mur

34 35 36

2,1,9 Ὁ. 70 = FGrHist 91 F 3. Mituer 1882, 2-3. Ebd. 4. Dererste Teil der Untersuchungen MiLLers (5-65) enthält Passagen aus den Geographika über

1882, 3.

die ,Anabasis' Alexanders vom Beginn seines Kriegszuges bis zur Flottenfahrt auf dem Indus, der zweite Teil über die ‚Katabasis‘ von den Vorbereitungen zum Rückzug des Heeres aus Indien und der Flottenfahrt, die den Rückzug der beiden Marschsäulen des Heeres begleitete, bis zum Tode Alexan-

37

ders und einer Bewertung seiner historischen Bedeutung durch Strabon (MıLer 1891,1-13). Ebd. 18.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmöglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

83

Plutarch oder Curtius (oder auch nur bei Diodor oder Iustin) gibt. MiLer findet jedoch

kein methodisch zuverlässiges Kriterium, nach dem Überreste einer hypathetischen strabo-

nischen Alexandergeschichte in den Geographika sicher identifiziert werden können. Vor-

wiegend geographisch-ethnographische und rein naturkundliche Notizen der Geographi-

ka erklären sich ohnehin besser als echte Zusätze und Ergänzungen früherer Beschreibungen der politisch-militärischen Taten Alexanders. Diese Stellen kompilierte Strabon erst für die Geographika aus Originalwerken der Alexanderhistoriker und frühen hellenistischen Geographen. Den postulierten eigenständigen Charakter der strabonischen poliüsch-militárischen Ereignisgeschichte des Alexanderzuges kann MiLLER also aus den

Notizen der Geographika nicht aufzeigen??, MırLer äußert sich zudem nicht hinreichend darüber, ob Strabon Alexander primär als Eroberer eines Weltreiches, als politischen Erben der Achaimeniden und Gottkönig oder als großen Entdecker bisher unbekannter Welten des Ostens sah und wie Strabon mit den in der augusteischen Zeit schon lange diskutierten dunklen und despotischen Zügen Alexanders und den Vorwürfen seiner Gegner umging”. Die Existenz eines hypomnematischen Werkes Strabons über Alexander ist daher zu Recht schon von Schwartz und Jacogr nachdrücklich angezweifelt worden*?, Auch meines Erachtens gibtes keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß es eine frühe Alexandermonographie als drittes Werk Strabons gab. SCHwARTZz bezweifelt jedoch andererseits, daß für eine über kursorische Notizen hinausgehende Alexandergeschichte in den Historika Hypomnemata Strabons Raum gewesen sei. Daher könne man den Hinweis Strabons in den Geographika auch nicht auf seine frühere Untversalgeschichte beziehen. Doch wenn Strabon im 2. Buch der Geographika auf das spätere 15. Buch des gleichen Werkes vorausweisen wollte, konnte er doch nicht gut sagen, daß er sich von den Lügengeschichten einiger Alexanderhistoriker selbst schon überzeugen konnte, als er die Taten Alexanders

beschrieben habe. Er hätte sich sonst hier unbedingt sprachlich genauer im Präsens oder

Futur ausdrücken müssen®!. Alexander und der Alexanderzug sind in den Geographika

ein zentrales Thema und zwar nicht nur unter entdeckungsgeschichtlicher und geographi-

scher Perspektive. Doch gerade dieser thematische Akzent macht wahrscheinlich, daß

über Alexander und seine Zeit auch schon innerhalb der Historika Hypomnemata berichtet wurde und nicht in einem dritten, frühen Werk, Strabon spricht nirgendwo in den Geographika davon, daB diese ein drittes Werk in einer ähnlichen Weise ergänzen sollten wie

die Universalhistorie. Vermutlich setzte die strabonische Universalhistorie absichtlich mit einem Rückblick auf die Taten Alexanders als Beginn der Epoche des „Hellenismus“ ein, Denn mit dem

Feldzug in Asien ab 334 v. Chr. oder nach den Siegen Alexanders von 331/30 v. Chr. 38

Doch Mie stellt (18-20) dennoch einige interessante Eigentümlichkeiten der strabonischen Notizen über Alexander und den Alcxanderzug heraus.

39

Vgl. dazu EvagLs 1998a passim.

40

Vel. ScmwaRrz 1895, insb. 1243-44 (auch in ders. 1957, 150-151) und ihm zustimmend Jacory im Komm. zu FGrHist 91 F 3; auch SEtBERT 1981, 39 weist MiLLers Spekulationen zurück. Auch Jacopy Kommentar HC, 291 vermutet, daß FGrHist 91 F 3 und eventuell 10, aber nicht F 5 (das er als Rückverweis deutct) aus den ersten vier Büchern der Universalhistorie stammen.

4]

42

Jacopr schließt die Möglichkeit nicht aus, daß die Historika Hypomnemata schon mit Ereignissen vor der Alexanderzeit einsetzten. Man könne nicht entscheiden, ob Strabon nicht auch in großem Umfange

aus dem Werk des Ephoros frühe Passagen exzerpiert habe wie später in den Geographika. Exkurse in der Haupterzählung nach 146 v. Chr., also den Büchern 5—47, oder die Notizen zur Geschichte vor 336,

die er in den Geographika nachgetragen hat, boten sich meines Erachtens jedoch als geeignete Mittel

an, falls Strabon historisch-politisches Material vor der Alexanderzeit einzubauen wünschte, z.B. die Gründungs- und Frühgeschichten einzelner Städte und Notizen über frühe Wanderungsbewegungen von Volksstämmen nach Ephoros.

84

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

brach eine neue welthistorische Epoche an, indem der Makedone die Nachfolge der Achaimeniden antrat. Aus der augusteischen Sicht Strabons gehörte die Regierungszeit Alexanders als Beginn der Epoche, die mit dem augusteischen Oikumenereich und dem rómischen Prinzipat zu Ende gegangen war, unverzichtbar in seine Universalhistorie. Auch gattungsgeschichtliche Überlegungen und Rücksichtnahme auf die Werkökonomie seiner universalhistorischen Vorgänger ließen es ratsam erscheinen, die Historika Hypomnemata schon mit der Regierungsübernahme Alexanders einsetzen zu lassen. Unter seinen nüchsten Vorlüufern in der Gattung der Universalhistorie nennt Strabon im Prooimions des 8. Buches der Geographika Ephoros und Polybios*?, Die Absicht Strabons, die Historien des Polybios fortzusetzen, ist ausdrücklich durch ein Selbstzeugnis gesichert und wird in der Tradition der Suda bestätigt. Wenn Strabon aber zu Anfang seiner Universalhistorie auch schon den Übergang des makedonischen Kónigtums von Philipp II. auf Alexander den Großen und dessen Regierungszeit behandelte, erreichte er mit dieser Werkökonomie außerdem einen fast lückenlosen Anschluß an das Werkende des Archegeten der Universalhistorie, Ephoros. Es würde sich mit dem doppelten Anknüpfen an Ephoros und Polybios durch Strabon auch eine schóne Parallele zu Strabons Vorgánger Polybios ergeben, der mit seinen ersten beiden Büchern ab 264 v. Chr. zunächst den Anschluß an das Werkende des Timaios suchte, bevor mit dem Jahre 220 v. Chr. im An-

schluß an Phylarchos die Haupterzählung begann. Wenn Strabon in seiner Einleitung über

Polybios zurückgreifend bis auf das Ende der Historien des Ephoros zurückging, erkannte er implizit Hieronymos von Kardia, Diyllos und Timaios^^ nicht als Universalhistoriker zwischen Ephoros und Polybios an. Überlegungen zum komplementären Charakter der beiden strabonischen Werke, zur Epochengliederung von Alexander bis Augustus und zum historiographischen Anschluf an Ephoros und Polybios führen also dazu, das reiche historisch-politische Material aus den Geographika, das Ereignisse oder Personen vor 146 v. Chr. betrifft, entgegen der Auffassung Orros sehr wohl für die Rekonstruktion der

Themen der ersten Bücher der Historika Hypomnemata heranzuziehen“. Über die Geschichte einer Stadt oder einer hellenistischen Dynastie vor 146 v. Chr.

hatte Strabon nämlich in diesem Werk häufig Anlaf zu sprechen. Sogar Orro nahm einige solcher Passagen über die Ptolemäer oder Attaliden trotz seiner sich selbst auferlegten Zeitbeschránkung in seine Fragmentsammlung auf, falls Strabon in den Geographika eme zusammenhängende Darstellung der Geschichte eines Volkes oder Reiches von den An-

fängen bis 146 v. Chr. und darüber hinaus bis 27 v. Chr. gegeben hat. 43 44

8.1.1, C. 332. Timaios spielt bei Strabon eine untergeordnete Rolle, Nur an sieben Stellen der Geographika wird er erwähnt: vgl. 4,1,8 C. 183 Kritik an der von Timaios genannten Anzahl der Mündungsarme der Rhône, 5.4.9 C. 248 1cktonisch-vulkanische Wundergeschichten über Pithekussai aus Timaios; 6,1,9 C. 260 eine Anekdote über den Streit zwischen Eunomos und Ariston von Rhegium bei den Pythischen Spie-

len; 6,2,4 C. 271 über den Fluß Alpheios; 13,1,39 C. 600 Kritik des Demetrios von Skepsis an Timaios" Version der Befestigung des Achilleions; 14.1,22 C. 640 schroffe Kritik des Artemidoros von Ephesos an Timaios wegen Unkenntnis der Geschichte des Heiligtums der Artemis von Ephesos; Timaios wird

als βάσκανος und συκοφάντης kritisiert; Strabon bzw. Artemidoros erinnem an den Spitznamen des

45 46

Timaios ἐπιτίμαιος (der ‚Beckmesser‘); 14,2,10 C. 654 Kritik Strabons an Timaios' Meinung über die Baleareninseln. Strabon benutzt Timaios also vorwiegend als Quelle zur Geschichte, Geographie und Mythologie des Westens, kritisiert ihn aber häufiger, als er ihm zustimmt. Diyllos wird von Strabon gar nicht erwähnt. Auf Hieronymos von Kardia bezieht sich Strabon möglicherweise in der Beschreibung Korinths 8,6,21 C. 378f., zur Größe Kretas 10,4,3 C. 475 und über Thessalien 9,5,22 C. 443. Orto 1889, 15. Orro 1889, 15f; einige Beispiele für Personen und Ereignisse vor 146/45: Fr. 1 Otto ein namentlich bezeugtes Zitat über Antiochos IV. und die Eroberung Jerusalems; Fr. 4 und 5 Otto über den Beginn der Herrschaft des Arsakes in Parthien und die Sezession des graeko-baktrischen Reiches von den Seleukiden: Fr. 9 Otto Tod Antiochos' IIL; Fr. 17 Otto eine Kurzgeschichte des Attalidenreiches; Fr.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmöglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

85

3. Erhaltene Werke Appians, Plutarchs und Caesars sowie Fragmente der Werke des Theophanes oder Q. Dellius als Basis der Rekonstruktion der Historika Hypomnemata Strabons? Eine große Anzahl von Stellen aus den Geographika verdankt ihre Aufnahme in Orros Sammlung nur seinen spekulativen queilenkritischen Überlegungen über Strabons Universalhistorie als Vorlage für Josephus, Appian und Plutarch sowie bloßen Scheinparallelen zwischen einzelnen Passagen bei diesen Autoren und solchen in den Geographika. Diese

„Fragmente“ in Orros Sammlung sind besonders problematische Texte. Bei ihnen weitet Orro nämlich seine Hypothese von der verkürzenden Wiederholung historisch-politischer Passagen aus dem Berichtszeitraum der Historika Hypomnemata durch Strabon in den Geographika sogar auf rein geographisch-ethnographische Stellen aus. Er unterstellt ferner Ergebnisse seiner Quellenforschungen zu Josephus, Appian und Plutarch als gesichert, die seither im Gang der Forschung überwiegend abgelehnt werden. Strabons gelehrte Kompilation hat nämlich in den Antiquitates des Josephus nur den Wert einer Nebenquelle zur Korrektur oder Ergänzung der Hauptquelle Nikolaos von Damaskos. Allerdings weist die Benutzung der strabonischen Universalhistorie durch Josephus in den Antiquitates und in der Schrift Gegen Apion auf eine direkte Lektüre. Doch

ist das Vorgehen Orros? methodisch unzulässig, bei tatsächlichen oder nur von ihm behaupteten Übereinstimmungen der historisch-politischen oder geographischen Notizen Strabons über die Zeit von 146 bis 27 v. Chr, mit dem Bericht des Josephus solche Passagen der Geographika als ,,Fragmente" der strabonischen Universalhistorie aufzunehmen. Von zentraler Bedeutung ist für OTTO seine Vermutung, die Historika Hypomnemata seien die Hauptquelle langer Abschnitte in verschiedenen Werken Appians sowte die gemeinsame Hauptquelle Appians und Plutarchs in einigen seiner Rómerbiographien. Um den umfangreichen Stoff seiner wohl 24 geplanten Bücher von den Anfángen Roms bis in die hohe Kaiserzeit bewältigen zu kónnen, bedient sich Appian einer kompilatorischen Arbeitsweisefs, Er wählt keine streng chronologische, sondern zunächst eine ethnographisch-geographische Disposition des Materials nach einzelnen ἔθνη, Erst innerhalb dieser großen geographischen Ordnung erzählt er in chronologischer Abfolge. Appian nutzt

dabei für jedes Buch oder doch jeden größeren Buchteil eine weitverbreitete Hauptvorlage und bevorzugt annähernd zeitgenössische Primärdarstellungen. Er folgt ihnen aber

nicht sklavisch in der Art eines bloßen Epitomators — deswegen hat die jüngere Appianforschung auch radikale Einquellentheorien für seine Arbeitsweise verworfen —, sondern bearbeitet sie. Erstens ordnet er sein Material neu in geographisch-historischer Weise an. Au-

Berdem wählt er Ereignisse gemäß seinen eigenen politisch-literarischen Intentionen und Interessen an Diplomatie und Kriegführung aus und gewichtete sie dabei anders als seine Vorlagen. Appian erzähit die Geschichte der einzelnen Nationen von ihrem ersten Kontakt mit Rom bis zu ihrer Eroberung und Integration in das rómische Reich. So zeigt er die historisch-geographische Genese der rómischen Weltmacht von der frühen Republik bis in die Zeit des Kaiserreiches auf. Durch die geographische Großeinteilung seines historischen Materials gewinnen die

Provinzen des rómischen Kaiserreiches bei Appian automatisch ein stárkeres Gewicht als Rom und Italien selbst. Man mag dies teilweise mit seiner Herkunft aus Agypten erklären,

47 48

42 Otto über Mithradates ,Klistes*; Fr. 86a Otto eine Kurzgeschichte Armeniens; Fr. 13[a Otto über die Galater vor 146 v, Chr. "Vgl.Orro 1889, 225-244 über Sırabon als Quelle des Josephus in den ant. Jud. 13-15; weitere Literatur über Strabon und Nikolaos als Quellen des Josephus im Kapitel IT. 1 1.3. Vgl. BRobERsEN 1993, 339-363, insb. 345.

86

l. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

dem letzten formal selbständigen Diadochenreich, das erst unter Augustus ins römische Reich integriert wurde. Vielleicht förderte auch der unter Hadrian und Antoninus Pius bis zum vermutlichen Todesdatum Appians dauerhafte Kaiserfrieden des römischen Reiches eine solche geographisch-historische Dispositionsweise der Geschichte des Weltreiches. Verschiedentlich hat man auf historiographische Einflüsse durch Herodot oder auch Ephoros unter den Klassikern und Florus unter den jüngeren Autoren verwiesen, die Appians

eigenartige Disposition teilweise erklären sollten*. Appian begründet seine ethnogeographische Anordnung aber nicht mit bestimmten historiographischen Traditionen, sondern vor allem damit, er sei in chronologisch geordneten Werken von einem politisch-

militärischen Schauplatz auf den anderen geradezu ‚umhergeirrt“®. Außerdem ermögliche eine geographische Anordnung des Stoffes auch einprägsame Vergleiche der Tugenden der Römer mit denjenigen anderer Völkern und ein plastisches Raumbild von der

Größe des Kaiserreiches“!, Infolge seines Todes (wohl vor 165 n. Chr.) konnte Appian seinen im Prooimion angekündigten Plan nicht mehr ausführen, an das Ende des gesamten Werkes eine Übersicht über die aktuelle Provinzialverwaltung des römischen Reiches im 2. Jh. n. Chr. zu stellen’, Das Verhältnis von Geographie und Geschichte in einem umfangreichen Geschichts-

werken hat Appian also sehr beschäftigt, wie man aus seiner Disposition des Materials und dem unausgeführten Plan dieser geographisch-administrativen Übersicht erkennen kann. Appian erweist sich als einer der wenigen Historiker, die in der griechischen Historiographie des Kaiserreiches Strabons starke Akzentuierung des Raumes der Geschichte fortführen. Im Unterschied zu Strabon verfaßt Appian aber keine separate Oikumenegeographie des römischen Kaiserreiches, sondern integriert seine ethnographischen

und geographischen Bemerkungen in sein Geschichtswerk. In seiner grundsätzlichen Auffassung von der Legitimität der römischen Weltherrschaft und in seiner bei einem kaiserlichen Beamten und politischen Berater nicht überraschenden Loyalitát zum Kaiserhaus ist Appian der strabonischen Haltung gegenüber Rom

und Augustus eng verwandt. Materielle Faktoren, der Reichtum einzelner Länder und Provinzen, Steuereinnahmen, Geldmittel und Korruption spielen im Werk Appians (auch

als entscheidende Faktoren diplomatisch-militürischer Aktionen) aber eine erkennbar gróBere Rolle als in den historisch-politischen Notizen Strabons”. Auch ist der Einfluß der Rhetorik auf die sprachliche Stilisierung seines Geschichtswerkes stárker als bei Strabon.

Wenn Appian und Plutarch mit bestimmten Notizen der Geographika Strabons

übereinstimmen, nimmt Orro diese Stellen der Geographika als Übernahmen aus den

eigenen Historika Hypomnemata und als „Fragmente“ in seine Sammlung auf?*. Dies sind insgesamt fast ein Drittel seiner „Fragmente“. Es fehlen jedoch Passagen, die eine direkte Benutzung der strabonischen Werke durch Appian als Vorlagen eindeutig bewei-

sen könnten. Diese Hypothese Orros wurde daher schon durch Schwartz” widerlegt. Es müsse ,von vornherein befremden, daB eine gelehrte, die überlieferte Tradition ordnende Kompilation, wie Strabons Geschichtswerk es war, dem historischen Roman, den Appi49

Zur Werkökonomie Appians siche Bronersen 1993, McGinG 1993, 496-522 und Lewr 1993, 428462,

SO St

Vgl. App. Prooimion 12 (45-46). Vgl. Hose 1994, 159-161.

52

Vel. App. Prooimion 15 (61).

53

Siehe dazu jüngst McGma 1993, 513.

54

Vgl. Orro 1889, 245 — 268 und 245-290 zu solchen Passagen Appians.

56

"Vgl. Schwartz

55

Vgl. Orro 1889, 290-327 und Fr. 41-67 und 78-140 Otto.

1895, 216-237 (auch in ders. 1957, 361-393) und ihm zustimmend JAcosv im Kom-

mentar zu FGrHist 9] in IIC, 292.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmóglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

87

ans Erzählung gibt, zugrunde liegen sollte, und geradezu verblüffend wirkt es, daß ein durch geographische Unwissenheit sich auszeichnender Autor mit dem Verfasser eines

geographischen Handbuches zusammengebracht wird“’. ScHWwARTz resümiert ironisch,

die Untersuchungen Orros und anderer Forscher hätten „sehr wider den Willen der Verfasser, für jeden, der das Material auch nur einigermaßen nachprüft, zu dem Resultat geführt, daß Strabon als Quelle Apptans gar nicht, als die Plutarchs nur in sehr geringem Maß in Frage kommt. Die behaupteten Übereinstimmungen mit Strabon drehen sich entweder um kurze Erwähnungen fest stehender Tatsachen oder sind nur insofern vorhanden, als von

derselben Sache ohne Übereinstimmung in den Einzelheiten geredet wird"93, Zudem führt SCHWARTZ einige bemerkenswerte Diskrepanzen zwischen Strabons Geographika und Ap-

pians Mithridateios und Bürgerkriegen auf??. Besonders diese Diskrepanzen erschüttern die Thesen Orros grundlegend. Nach der heftigen Kritik von Schwartz findet sich daher in der breiten Literatur über Appians Quellen abgesehen von 501. ταῦθ und Oppo?! niemand mehr, der Strabons Universalhistorie als Hauptquelle im Mirhridateios oder anderen Werken Appians vorgeschlagen hat. Ein eindeutiger Konsens über die Quellen Appians hat sich indessen auch nach inzwischen fast anderthalb Jahrhunderten ‚Quellenfor-

schung‘ nicht herausgebildetf?. „The vast steppes of Appianic Quellenforschung ... are still completely fogbound", beklagte McGinG®. Ich resürniere daher nur kurz die für unseren Zusammenhang relevanten Hauptpositionen in der Diskussion. McGins und Hose®* erwähnen in ihren Überblicken über Appians Quellen im Mithri-

dateios OTTos Studie gar nicht mehr. Wenn Strabons Name heute noch in der Queilenforschung zu Appian fällt, vermutet man ihn als bloße Zwischenquelle zwischen Posetdonios

und Appian. Die meisten Interpreten nennen der Meinung Rernacus folgend für den ersten Krieg gegen Mithradates Livius und vereinzelt Poseidonios, für den zweiten und dritten Krieg und die Endzeit des Mithradates aber Nikolaos von Damaskos (oder erneut Poseidonios) als Hauptquellen Appians. Ein wichtiges Argument gegen Strabons Universalhistorie als Hauptvorlage des Mithridateios sind die nur oberflächlichen geographischen Kenntnisse Appians von Kleinasien und sogar von den Marschwegen des Mithra-

dates bei der Invasion von 89/88 v. Chr.$%, Appian erwähnt Strabon ferner im Mithridateios überhaupt nicht. Die nur oberflächliche Nähe einiger Stellen der Geographika zu bestimmten Passagen der Syriake Appians kann entgegen Orros Behauptungen ebenfalls nicht als Beweis dafür ausreichen, daß Appians Bericht dort von der verlorenen Universalhistorie Strabons abháüngi??, In der Frage nach den Quellen Appians für seine 37 S8

Schwartz 1895, 234-5 (= 1957, 389). ScHwanTZ 1805, 235-36 (= 1957, 300). Es gebe nur sehr wenige wichtige Konkordanzen. SCHWARTZ nennt App. civ. 2,003,429 und 3,4,9 C. 160 = Fr. 179 Otto mit Caesars Marsch nach Spanien in nur 27

Tagen; App. Mithr, 103,479 und 11,2,19 C. 499; App. Mithr. 102,470f und 9,2,42 C. 416 = Fr. 78 = Fr. 59 60 61

103c Otto, aber anders nach Theophanes bei Strabon, 11,2,12 C. 495—496 = Fr. 103b Otto. Schwartz 1895, 236-237 (= 1957, 391—393). SoLTaUu 1899, 593-634. Oppo 1901.

62

Vgl. zum Stand der Quellenforschung zu Appian Han 1982, 251-276, Bronersen 1993, McGinc

63 64 65

1993, Lem 1993, Hann und NÉMETH 1993, 364—402, Gömez EsreLosin 1993, 403—427, MARAscO 1993, 463 — 495 und Macnıno 1993 523 — 554, McGiwc 1993, 498, McGinc 1993, 500f; Hose 1994, 220-246. REINACH 1895, 445-449 mit Kritik an Otto 1889, 446-447, vor allem zu Abweichungen über die

66 67

Zeitfolge der Feldzüge des Pompeius zwischen Appian und Strabon und den Scheinparallelen Orros. "Vgl. McGma 1993, 517-518. Das gleiche Argument spricht auch gegen Poseidonios als Vorlage. "Vgl. Orro 1889, 10 über App. Syr. 52-68 Ende: Otto verweist hierzu auf LUEDECXE 1889, 1-86, doch dagegen Bropersen 1989, 132 zu App. Syr. 282, 295ff und 332. Strabon wird auch für die Antiochike Appians von BRODERSEN nicht als wichtige Quelle erwogen, vgl. BRODERSEN 1991 und Hose 1994, 203— 219,

88

I. Leben und Werke Suabons sowie methodische Fragen

Bürgerkriege ist die Forschung kaum über die grundlegende Studie von GAB8A®® hin-

ausgelangt. Er hält Asinius Pollio für die Hauptquelle Appians. Der fragmentarische Über-

lieferungszustand aller vorgeschlagenen Vorlagen Appians läßt auch nach dem jüng-

sten Überblick über die Diskussion von MaGnıno® keine definitive Entscheidung mehr

zu. In bestimmten Abschnitten des 4. Buches, die Orro auf Strabon zurück geführt hatte,

folgt Appian nach Macnıno tatsächlich einer in geographischen Fragen gut informierten Quelle. Andererseits hat der Verfasser dieses Werkes aber auch wahrscheinlich große

Reden in sein Werk eingelegt?, was man mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Historika Hypomnemata ausschließen kann?!. MAGNINO nennt unter verschiedenen Vorschlägen, die

bisher für die griechischen Vorlagen Appians gemacht wurden, auch die strabonische Universalhistorie. Aber die Mehrheit der Appianforscher vermutet unter seinen griechischen Vorlagen mit besseren Argumenten Theophanes oder Timagenes, unter den lateinischen Asinius Pollio, Q. Dellius, Cremutius Cordus oder Seneca den Älteren??, Auch für die Iberike, Hannibaike oder Ilyrike Appians wird die strabonische Universalhistorie

nicht mehr als eine wichtige Quelle in Erwägung gezogen." Man kann also als fast ein-

heilige Meinung der modernen Quellenforschung zusammenfassen, daß Strabons Universalhistorie nicht aus bestimmten Werken Appians zu rekonstruieren ist. Als Plutarch und wenig später Appian ihre Werke verfaßten, hatten sie noch direkten Zugriff auf die heute verlorenen, vollständigen Quellenwerke Strabons über das späte 2.

und 1. Jh. v. Chr. Ein in den klassischen und hellenistischen Originalwerken so belesener

Autor wie Plutarch kannte fast alle Autoren, aus denen Strabon seine Universalhistorie kompilierte, aus direkter Lektüre. Der Rückgriff auf die Primärquellen Strabons gilt daher auch für die Rómerbiographien Plutarchs in der heutigen Quellenforschung als die wahr-

scheinlichste Hypothese über seine Arbeitsweise4, Es steht andererseits außer Frage, daß

Plutarch zumindest in den Biographien des Caesar, Lucullus und Sulla Strabons Universalhistorie für einzelne Passagen benutzt hat und das Werk also noch kannte. Aber er hat es selbst für diese drei Biographien nicht als seine fortlaufende Hauptquelle benutzt, sondern als ein damals schon seltenes und gelehrtes Werk zur Ergünzung anderer Hauptquellen. Deshalb besteht über die namentlich bezeugten Fragmente hinaus keine methodisch zuverlässige Möglichkeit, die strabonische Universalhistorie aus den Rómerbiographien Plutarchs zu rekonstruieren. Noch problematischer sind die Versuche Orros zu beurteilen, aufgrund seiner

Quellenforschungen über die Benutzung der Commentarii Caesars? und der Geschichts68 69 70 71

GaBsa 1956, insb. 229-249. MaaNiNO 1993, 523-554 und ähnlich Hose 1994, 254-301. Macnıno 1993, 533, 14,5.14 C. 674—675 und 14,2,24 C. 659-660 können allerdings als Belege dafür angeführt werden, daß

72

Charakter der Geographika verstieBen. MacNiNO 1993, 548 Anm. 28; er verweist aber auch auf Timagenes, so schon KLorz 1910, 57-135; KORNEMANN 1921, 33-43 denkt eher an Cremutius Cordus; GABRA, Appiano 1956 pládiert für die Historien des Asinius Pollio; ZeccuiNi 1977, 145-148 äußert Bedenken gegen Seneca d. A. als wahrschein-

Bonmots oder berühmte Einzelsätze aus einer Rede nicht prinzipiell gegen den hypomnematischen

liche Quelle Appians; Vu

73 74

1987 und ders. 1989, BRODERSEN im ersten Band der Übersetzung von VEH

1987, 5f und STEIOLE 1983, 402-404 lassen die Quellenproblematik offen. Gomez EsPELOSIN 1993, 422-425, Leior 1993, 428 - 462 und MARASCO 1993, 463-495, Siche zu den Römerbiographien TrrcuENER 1992, 4128-4153; dort wird Strabon 4129-4131 nicht als wichtige Quelle genannt; vgl. ferner PeuuinG 1979, 74-96 und ScARDIGLI 1979, die Strabon ebenfalls

nicht für eine wichtige Quelle der Rómerbiographien halten. Zu Plutarchs M. Antonius siehe auch 75

PrLLING 1988, 30f und Scubert 1984; selbst für Plut. Ant. 36,4 und 50,37 ist ein direkter Rückgriff auf Q. Dellius wahrscheinlicher als einer auf Strabon. Orro beruft sich auf VoceL 1882, 508-531, insb. S19ff.

4. Die begrenzten Rekonstruktionsmóglichkeiten der strabonischen Universalhistorie

89

werke des Theophanes und des Dellius durch Strabon in den Geographika „Fragmente“ der Historika Hypomnemata zu identifizieren. Für seine Notizen über den Gallischen Krieg stütze sich Strabon wahrscheinlich sowohl in dem verlorenen Geschichtswerk als auch in den Geographika auch auf Caesars Commentarii, aber für die Masse der Notizen über die Kelten auf álteres, durch Polybios und Poseidonios, sowie jüngeres, erst durch Asinius Pollio oder Timagenes vermitteltes Material. Wir kennen kein einziges sicheres Fragment

der Historika Hypomnemata Strabons über den Gallischen Krieg Caesars. Ähnlich un-

sicher sind Orros auf Überlegungen von FaBRiCIUS gestützte Spekulationen, daß Strabon auch in den Notizen der Geographika über die Mithradatischen Kriege und die Feldzüge des Antonius hauptsächlich seine eigene Univeralhistorie als Vorlage benutze, während er hierzu nur selten die Berichte des Theophanes und Q. Dellius erneut als Vorlagen eingesehen habe’®. Wesentliche Teile der Werke des Theophanes und Q. Dellius über diese Feldzüge sind jedoch nur in den Geographika erhalten, so daB sich das Argument im Kreis dreht. Auch aus dem Vergleich der Geographika Strabons mit den Commentarii Caesars und den Fragmenten der Geschichtswerke des Theophanes und Q. Dellius lassen sich also keine „Fragmente“ der strabonischen Universalhistorie bestimmen, sogar nicht einmal sichere Erkenntnisse über deren Aufbau und Themen gewinnen.

76

Vgl. Faarıctus 1888.

90

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

3. DER METHODISCH GLEICHARTIGE, INHALTLICH KOMPLEMENTÄRE CHARAKTER DER HISTORIKA HYPOMNEMATA UND DER GEOGRAPHIKA UND WEITERE METHODISCHE ÄUSSERUNGEN STRABONS 1. Kontinuität der Tradition und inhaltlich-methodische Neubestimmung der Kulturgeographie in Strabons Geographika Strabon ist keineswegs der erste Historiker gewesen, der neben seinem historischen Hauptwerk separate geographische Schriften verfaßte, noch auch der erste Geograph, der zugleich als Geschichtsschreiber auftrat. Denn Geographie, Ethnographie und Historiographie haben in der griechischen Literatur ihre gemeinsamen Wurzeln in der ionischen iotopin, und beide Gattungen waren lange Zeit nicht streng voneinander getrennt. Fast alle kleineren geographischen Werke von Historikern vor Strabon sind jedoch nur in wenigen Fragmenten erhalten oder mit ihren Titeln bezeugt. Über den Stellenwert, den die Kulturgeographie innerhalb des Gesamtwerkes beispielsweise des Damastes von Sigeion, Charon von Lampsakos, Ktesias von Knidos und Kallisthenes von Olynth hatte!, können wir uns deswegen auch keine hinreichend klare Meinung mehr bilden. Ephoros, Polybios

und Poseidonios haben sich dem Problem der Rolle der Kulturgeographie innerhalb ihrer

universalhistorischen Werke gestellt und es auf individuell unterschiedliche Weise gelöst. Doch keiner von ihnen hat eine zeitgeschichtlich orientierte Universalhistorie und eine historisch akzentuierte Kulturgeographie der Mittelmeeroikumene als zwei Teile einer umfassenden Enzyklopädie in Angriff genommen (s.u.). Strabon dagegen konzipiert seine Kulturgeographie als unverzichtbare, aber separate Ergänzung des früheren Geschichts-

werkes. Man könnte das Geographiewerk als einen großdimensionierten Kommentar zu

der Universalhistorie charakterisieren, in dem systematisch ein Weltbild der Oikumene

entworfen und unsystematisch an vielen Einzelstellen historisch-politische Aktualisierungen und Nachträge zum universalhistorischen Hauptwerk niedergelegt werden. Die geographische Abhandlung bezeichnet Strabon ausdrücklich als methodisch-thematisch

gleichartig (ὁμοειδής) mit dem früheren hypomnematischen? universalhistorischen Werk.

Strabon verfaßt die umfangreichste griechische Kulturgeographie unter den antiken Universalhistorikern. Er erhebt den Anspruch, die hellenistische und auf den Ergebnissen des Alexanderzuges gegründete Oikumenegeographie des Eratosthenes zu ersetzen, die bis zu seiner Zeit das führende geographische Referenzwerk war. Strabons eigenes Werk soll aktueller, umfangreicher und aufgrund neuer Forschungsergebnisse und Erkenntnisse korrekter als dasjenige des Eratosthenes, zudem aber auch auch methodisch und inhaltlich anders akzentuiert sein. Es geht Strabon um die Aufwertung der Kulturgeographie sowohl gegenüber der mathematisch-astronomischen Fachgeographie als auch gegenüber der Methode früherer Universalhistoriker, die kulturgeographische Fragen nur innerhalb ihrer Geschichtswerke auf dem Niveau einer reinen Hilfswissenschaft abgehandelt hatten. Wahrscheinlich ist Strabon aber darüberhinaus auch der erste, der eigene neue Regeln einer Kulturgeographie der Oikumene aufstelit. Er ordnet sie als Gattung zwischen dichterischen, historischen, biographischen, fachgeographischen und philosophischen Schrifl 2

Vgl Damastes von Sigeion FGrHist 5, Charon von Lampsakos FGrHist 262, Ktesias von Knidos FGrHist 688 und Kallisthenes von Olynıh FGrHist 124. Jones 1917 (ND 1989) zu 1,1,22-23 C. 13-14, Bd. 1, 46f Anm.i meint, daB von den 47 Büchern der Historika Hypomnemata nur der erste einleitende Teil der Bücher 1—4 hypomnematischen, d.h. für ihn

„Sskizzenhaften“ Charakter gehabt habe, während die Fortsetzung des Polybios „presented a complete history from 146 B.C. to the time of the Empire“, die alten methodisch-stilistischen Anforderungen der

Historiai-Werke des Hellenismus von Ephoros bis Poseidonios Rechnung getragen habe. Für eine solche Vermutung gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

9]

ten ein). Einige wichtige methodische Aussagen Strabons über die Geographika und ihren Zusammenhang mit den Historika Hypomnemata sollen nun gründlicher untersucht wer-

den.

2. Der komplementäre Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika Strabons, ihre gleiche kompilatorisch-hypomnematische Methode und identische Leserzielgruppe Mit gewichtigen Sätzen zum komplementären Charakter seines Geschichts- und Geographiewerkes, zur Rechtfertigung seiner Themata, zu seinen gewünschten Lesern und dem spezifischen Nutzen der Lektüre seiner Werke beschließt Strabon das lange Prooimion seiner Geographika^. Dessen letzte Paragraphen leiten zur Kritik Strabons an den geographischen Weltbildern seiner großen Vorgänger seit Homer über. Diese Kritik und seine eigene allgemeine Erdbeschreibung (τὰ £v ταῖς καθόλου) fat Strabon in den ersten beiden Büchern zusammen, die er als Werkteil von den Beschreibungen einzelner Länder (τὰ ἐν ταῖς καθ΄ ἕκαστα) in den Büchern 3-17 differenziert”. In den beiden Prooimien zu den Büchern 1 und 8 und den beiden ersten Büchern der Geographika finden sich viele metho-

disch wichtige Bemerkungen. Aber Strabon faft leider seine Methode als Universalhistoriker und Kulturgeograph nicht wie Thukydides in einem eigenen ,,Methodenkapitel" zusammen. Die Summe

der strabonischen Einzelbemerkungen ergibt aber dennoch eine

methodisch klare Anleitung für eine neuartige Oikumenegeographie. Deren Wert wird nur geringfügig dadurch vermindert, daß Strabon in der Ausführung seiner Geographika den eigenen methodischen Anforderungen oft nicht genügt. Die beiden letztea Paragraphen des Prooimions der Geographika überliefern die ent-

scheidenden Aussagen des Autors zur Auswahl des Stoffes, die in der Universalhistorie und Orikumenegeographie natürlich noch viel wichtiger ist als in anderen historischen oder geographischen Gattungen®. Schon bei Polybios zeigt sich eine Tendenz zur Verstärkung biographischer und autobiographischer Passagen. Erinnert sei hier an ausführliche Passagen über Aratos und Philopoimen, Philipp V., Flamininus, Aemilius Paullus oder die Scipionen. Strabon verstärkt diesen biographischen Akzent noch. Ein Hauptthema der Historika Hypomnemata und der Geographika sind nach Strabons Worten berühmte und große Personen (ἐπιφανεὶς ἄνδρες xai Bio)! sowie berühmte und große Taten und Ereignisse (τὰ ἔνδοξα καὶ μεγάλα), insbesondere solche, die für die politisch-militärischen πράξεις relevant, leicht erinnerlich, gut zu merken und angenehm für die Leser sind. Historische Detailfragen, das Leben und die Taten der sozial niedrigstehenden, einfachen Menschen, alles KIeine, Unbekannte und Unberühmte (τὰ μικρὰ, ἄδοξα, ἀφανῆ) sollen

bei Strabon nur in begründeten Ausnahmefällen behandelt werden. Diese Definition der eigenen Themata ist vieldeutiger und ungenauer als die der πράξεις als Hauptinhalt der

polybianischen Historien, die Strabon bekanntlich fortsetzen will und mit denen er sich hier auseinandersetzt. Strabon trennt sich von der strengen polybianischen Konzentration 3 5

5 6

7 8

Vgl. PRONTERA 1984, 187-256. 1,122223C.13-14 = FGrHist 91 F 2; das Haupt-Prooimion reicht von 1.1.1 C.] bis 1,1,23 C. 14.

'43,6C. 300; vgl. zu wichtigen fachgeographischen Positionen Strabons neue Ausführungen in ENGELS

1998b in: Orbis Terrarum 1998,4, 63-114. 1.,22223C.13-14.

1123C. 13: τὰ περὶ τοῦς ἐπιφανεῖς ἄνδρας καὶ βίους; ähnlich 1,1,18 C. 10-11. Das πραγματικόν (eine absichtliche Anspielung auf Polybios) wird von Groskurp mißverständlich

und zu wortgetreu mit ,gescháftswichtig" übersetzt, von FORBIGER besser als „praktisch nützlich“, von Jones ähnlich als „practically useful“ und von Awac mit „utiles pour l’action“.

92

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

der pragmatischen Geschichte auf die zeitgeschichtlich akzentuierten politisch-militärischen und diplomatischen Ereignisse. Den polybianischen πράξεις entspricht bei Strabon lediglich eines von drei Auswahlkriterien des Stoffes, das πραγματικόν, und dieses wird auch noch durch die übergeordneten und in der Definition zunächst erwähnten Kriterien des Berühmten und Großen einschränkt. Historisch-politischen Details oder dem Leben und den Taten niedrigstehender und nicht berühmter Personen gibt Strabon nur Raum, sofern diese die Neugier und das Interesse des φιλειδήμων καὶ πραγματικός, also des um die Weltweisheit bemühten, neugierigen Lesers und Angehörigen der politisch-militärischen Elite der Staatsbürger erwecken, Die beiden anderen strabonischen Auswahlkriterien des leicht erinnerlichen und des angenehmen Stoffes widersprechen dagegen sogar der Definition der pragmatischen Geschichte des Polybios am Anfang des 9. Buches der Historien. Dort betont er den nüchternen und strengen Charakter seiner pragmatischen Geschichte (τὸ αὐστηρόν) und als ihr Thema die aktuellen πράξεις τῶν ἐθνῶν καὶ πόλεων καὶ δυναστῶν. Deswegen sei sein Werk auch für weniger Leser interessant und weniger angenehm zu lesen als genealogische oder antiquarisch-historische Werke?. Strabon spielt nochmals im 10. Buch der Geographika auf diese Stelle an. Polybios habe gesagt, Inhalt seiner pragmatischen Historien sei es, die gegenwärtigen Tatsachen (τὰ νῦν ὄντα) zu beschreiben. Die in die Historien eingeschlossene Chorographie betreffe insbesondere die Lage der Orte und die Distanzen zwischen ihnen!®, Strabon erkennt dagegen neben dem πραγματικόν auch die angenehme Unterhaltung der Leser (τὸ ἡδύ, τέρψις) als ein Auswahlkritierion an. Er schränkt allerdings wenig später diese erstaunliche Abweichung von Polybios wieder ein. Die politisch-rnilitárisch Tátigen (ot πράττοντες) geben dem Nützlichen entschieden den Vorzug gegenüber dem bloßen Unterhaltungsstoff. Daher solle der Geograph sich auch mehr um das Nützliche als um das nur Berühmte und Gefällige bemühen. Der Primat des nützli-

chen Stoffes gelte weiterhin für Historia- und andere Mathemata-Werke!!, Auch das freimütig eingeráumte dritte Kriterium des leicht erinnerlichen Stoffes widerspricht der

polybianischen Tradition, der von seinem Leser Anstrengung bei der konzentrierten Lek-

türe seines anspruchsvollen und sprachlich-stilistisch teilweise sperrigen Textes verlangt. Was denkwürdig und erwähnenswert ist, liegt nun allerdings im subjektiven Urteil Strabons. Mit diesen drei Kriterien steckt Strabon den Rahmen für die Auswahl seiner Inhalte sehr weit und räumt sich als Autor eine große Freiheit der Stoffauswahl ein. Man kónnte dies als adäquaten methodischen Ausdruck der oikumenischen und universalen Weite seiner Themenstellung loben. Eine so weitgefaBte Themenstellung hätte eine umso strengere Selbstdisziplin als dauerhaftes Korrektiv erfordert. Strabon hätte sich immer wieder zur kritischen Musterung des erzáhlenswerten Materials anhalten müssen. An die-

ser Disziplin mangelt es indessen häufig. In dieser methodischen Schwäche Strabons liegt jedoch für die moderne Forschung ein Gewinn, weil die Geographika durch ihre Erzáhlfreude, die wertvollen historisch-politischen Exkurse und ihre thematische Buntheit ein Schatzhaus an Informationen über die griechisch-rómische Welt sind. Doch droht schon aus dieser weitläufigen Themenstellung den strabonischen Werken die Gefahr mangelnder Stringenz und Konsistenz, ja sogar der Inkonzinnität.

Dieser Eindruck verstärkt tung und die kompilatorische für beide Werke wählte. Mit Vorlagen und fühlt sich dabei

9 Vgl Pol.9,1-2. [0 10,3,5 C. 465, 11 LLI9C.I.

sich noch durch die Eigenarten der hypomnematischen GatArbeitsweise, die Strabon schon in jungen Jahren bewuBt Absicht verarbeitet er zahlreiche und äußerst heterogene mehr der nüchtern-zuverlässigen Informationsvermittlung

5. Der Charakter der Historika Hypominemata und der Geographika

93

und dem maximalen Nutzen der Leser als einer sprachlich-stilistischen Durchformung

und gedanklichen Verschmelzung des heterogenen Materials verpflichtet!?,

Auch in der Beschreibung der Leserschaft, die sich Strabon wünscht, unterscheidet er sich auffällig von seinem Vorgänger Polybios. Strabon schreibt für eine deutlich größere und stärker heterogene Leserschaft. Sie reicht von allgemein gebildeten Zeitgenossen, allen an der Weltweisheit, der Philosophia, Interessierten und der griechischen Sprache

kundigen Mitbürgern bis zur politisch-militärischen Elite"? der augusteischen Oikumene, die als wichtigste Zielgruppe in einer präzisierenden Erläuterung herausgehoben wird. Als gebildete Staatsbürger (toAvaxoi) faBt Strabon alle auf, die an der für freie Bürger üblichen allgemeinen Bildung Anteil haben und sich um die Philosophia oder Polymathia bemühen. Nur solche Leser sind befähigt, lobend oder tadelnd ein qualifiziertes Urteil über seine Werke abzugeben. Weil Strabon nun für eine weitgefaßte und heterogene Leserschaft schreiben will, muß er sein Werk in einem einfachen Sprachstil vorlegen. Rheto-

rische Kabinettstücke der hellenistischen Kunstprosa sind mit Rücksicht auf einen möglichst breiten Leserkreis, vor allem aber und wegen der wissenschaftlichen Tradition der Hypomnemata-Literatur zu vermeiden.

Historika Hypomnemata und Geographika Strabons sollen nützlich sein für die Fórderung der sittlichen und staatsbürgerlichen Lebensweisheit (ἠθικὴ xai πολιτικὴ φιλοσοφία); beide Werke bilden im erweiterten Begriffsverständnis ihrer Zeit einen Teil der

Pragmateia eines Philosophen'^. Mit der Auffassung, daß seine Werke einen ,phitosophi-

schen' Charakter haben, steht Strabon schon in einer isokrateischen Tradition der

Geschichtsschreibung und ihres erweiterten Begriffes der ethischen oder politischen Philosophie. Diese Gedanken Strabons berühren sich zudem eng mit programmatischen AuBerungen des literarischen Zirkels der augusteischen Attizisten und Klassizisten um Dionysios von Halikarnassos. Auch sie wollen ihren Lesern keine bloß technisch-rhetori-

schen Kenntnisse vermitteln. Dionysios bezeichnet im Prooimion zum Traktat Über die Alten Redner als seine Ziele die Wiederherstellung der alten und ‚philosophischen‘ rheto-

rischen Studien und die Förderung der attizistischen Stilrichtung, aber auch die Förderung einer höheren Bildung. Auch Dionysios will mit seinem literaturkritischen Traktat allen Lesern dienen, welche die für das bürgerliche Leben nützliche πολιτικὴ φιλοσοφία er-

lernen wollen’®. 12

Allerdings prägen auch die unsystematischen und nicht vollendeten Aktualisierungen der Geographika und die frühe Überlicferungsgeschichte des wahrscheinlich zu Lebzeiten des Autors nicht mehr veröffentlichten Werkes den heutigen inhomogenen Eindruck des Werkes, vgl. Kapitel 1.2.

13

GROSKURD übersetzt 1,1,23 C. 13 gut mit „Männer der höheren Stánde", FORBIGER: „für Hóherstehe nde“, JONES; „men of exalted stations in life" und Ausac: „gens haut placés“, Unter ihnen sollte man keines-

falls ausschließlich den Kreis des Kaiserhauses verstchen, sondern die gesamte geistige und politischmilitärische Elite des Reiches, vel. van der VLiet 1977, 102-113 und MarıncorA 1997, 30: „men in positions of responsibility, since they can put the lessons of history to practical use“, zu Vergleichen der gewünschten Leserschaft Sırabons mit derjenigen des Dionysios von Halikarnassos und Nikolaos von Damaskos siehe GanBA

1991, 49-51 und Nikolaos FGrHist 90 F 135. Zu den Schwierigkeiten, die

Leserschaft antiker Geschichtswerke zu beschreiben, siche PumnaM 1896, MomicLiano 1978, 59-75

und Macrzz 1990, 323-349. STRASBURGER 1990, insb. 242-48 betont, daß fachgeographische Erkenntnisse ähnlich anderen bedeutenden wissenschaftlichen Entdeckungen und Erkenntnissen antiker Ge-

Ichrter für die großen Entscheidungen der politisch-militärischen Geschichte damals relativ folgenlos blieben. Entgegen Strabons Hoffnungen war die Geographie eben primär cine mareries ingenii für die Bildungselite des Reichs. Auch Meyer 1998, 204 betont, daB sich Periploi und Oikumenebeschreibungen, u.a. diejenige Strabons, an cin gcbildctes Eliiepublikum wenden. Solche Werke und ebenfalls die noch stärker abstrahierenden Karten dienten nach MEYER in erster Linie den Studien- und Bildungs-

zwecken dieser wissenschaftlichen Elite, wurden dagegen nut in geringem Maße für praktische Zwckke der Poliuk, Kriegführung oder des Handels verwendet. 14

15

Vgl. 1,1,1 C. 1 und 1,123 C. 14.

Vgl. Dion. Hal, De ant. Or. 1-4 Usener-Radermacher I, p. 3,5-7,23; dazu die Bemerkungen von USHER

94

I. Leben und Werke Surabons sowie methodische Fragen

Im 11. Buch der Geographika macht Strabon eine entscheidend wichti ge Bemerkung darüber, auf welche Weise sich Historika Hypomnemata und Geographika ergänzen: „Da ich von den parthischen Gebräuchen im sechsten Buche der historischen Denkwürdi gkel-

ten oder im zweiten der Geschichte nach Polybius gesprochen habe, so will ich sie hier übergehen, damit ich nicht zweimal dasselbe zu sagen scheine, und füge nur so viel hinzu,

daß Posidonius berichtet, der hohe Rat der Parther bestehe aus zwei Teilen, dem Rate der

Verwandten des Königs und dem der Weisen und Magier; aus beiden würden die Könige erwählt“!®, Strabon übergeht also die parthische Verfassung in den Geographika in der

landeskundlichen Beschreibung Parthiens!?, weil er sich nicht wiederholen wolle. Einen

vermutlich ausführlichen Bericht in den Historika Hypomnemata ergänzt Strabon hier nur um ein Detail über den zweifachen Rat bei den Parthern. Strabon sollte in der Sache jedoch präziser sagen, daß die Magier als Wähler im zweiten Rat aus den Verwandten des Königs, also dem Königsgeschlecht der Arsakiden im ersten Rat als wählbaren Kandidaten, jeweils die Könige wählten. Man darf nun meines Erachtens mit Berufung auf diese Stelle den fundamentalen methodischen Grundsatz erschließen, daß sich Strabon in sei-

nen beiden Werkteilen grundsätzlich nicht wiederholen will. Tatsächlich hebt Strabon es zumindest in den Geographika als Ausnahmen jeweils hervor, wenn er einen bestimmten

Sachverhalt erneut vorträgt, den er schon zuvor im gleichen Werk erwähnt hat!®. Alle

historisch-politischen Bemerkungen und auch die zusammenfassenden Exkurse der Geographika sind analog dann als Zusätze, Präzisierungen oder Aktualisierungen, nicht aber als bloße Dubletten bereits in der Universalhistorie behandelter Personen und Ereignisse zu verstehen. Diese These über Strabons Methode läßt sich auch durch eine weitere Passage stüt-

zen, in der Strabon im 2. Buch der Geographika an seine eigene Erzählung der Taten Alexanders erinnert: „Allerdings nun sind alle, die über Indien geschrieben haben, in ho-

hem Grade Lügner; vor allem jedoch Deimachus. Die zweite Stelle aber nimmt Megasthenes ein, auch Onesikritus, Nearchus und andere dergleichen erzählen schon Albernheiten. Auch ich hatte Gelegenheit, mich zur Genüge davon zu überzeugen, als ich die Taten Alexanders beschrieb“!?, Dieser Verweis bezieht sich in der Vergangenheitsform eindeutig auf ein früheres Werk als die Geographika, nicht aber auf das spätere Indienbuch des gleichen Werkes, Strabon erinnert nur stichwortartig an angebliche Lügenerzählungen der Alexanderhistoriker, mit denen er sich schon ausführlicher wahrscheinlich in den er-

sten vier Büchern der Historika Hypomnemata auseinandergesetzt hat. Das Prinzip der komplementüren Ergänzung der Historika Hypomnemata durch die Geographika gilt von den frühesten erwähnten Ereignissen und Personen über die gesamte hellenistische Epoche bis in die Lebenszeit Strabons, also auch für den Kernzeitraum

der Geschichte nach Polybios ab 145 v. Chr. Lediglich bei zeitgeschichtlichen Ereignis1974, XVIF, siehe ferner über Klassizismus, Attizismus und Asianismus GeLzER 1979, 1-41 und die Diskussion ebd. 42-55, zu Strabon insb. 21f und 51. Als ein nützliches Hypomnema für ἄνδρες πολι-

τικοί versteht auch Pseudo-Longin seinen Stiltraktat De sublimitate (vgl. 1,2; Ausg. MAzzuccni 1992

16

und RUSSELL 1964 mit Komm. 609); RUSSELL hält die Bezeichnung des eigenen Traktates durch PseudoLongin als Hypomnema für ironische Bescheidenheit des Autors und für eine Spitze gegen den zuvor erwähnten Traktat des Kaikilios von Kale Akte. 11.9.3 Ὁ. 515 = FGrHist 91 F 1; Übers.: Forsiger 1908-12, 39. Diese Stelle darf nicht mit AMBAGLIO 1990, 406 als bloßer Topos abgetan werden.

17

11,9,1-3C. 514-515.

18

Vorverweise sind seltener als Rückverweise, vgl. die Rückverweise 7,3,14 C. 305 auf 7,3,8 C. 302; 9,5,8 C. 433 auf 9,5,4 C. 430; 12,3,5 C. 542 auf 8,3,17 C. 345; ein seltener Vorverweis z.B. ebenfalls 8,3,17 C. 345 (im Futur) und ebd. C. 346 auf 12,3,5 C. 542.

19

2,1,9 C. 70 = FGrHist 91 F 3; Übers. Forsicer 1907, 111.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

95

sen der augusteisch-frühtiberischen Periode (nach 27 v. Chr.) gilt diese Regel nicht mehr,

weil sie in den Historika Hypomnemata nicht mehr enthalten waren. Die zeitgeschichtlichen Notizen in den Geographika lassen auch deshalb einen unmittelbaren Rückschluß auf das historisch-politische Interesse Strabons zu, weil er sie nicht aus älteren schriftlichen Vorlagen übernommen hat, sondern selbst Augenzeuge war oder ihm unmittelbar von Augenzeugen über diese Ereignisse und Personen berichtet wurde. Sie zeigen daher viele Charakteristika der „histoire de premiere main“ und das historische ‚Eigengut‘

Strabons?", Einige Stellen über führende Personen und Ereignisse der augusteischen Zeit werden daher im Kapitel III.3.—4. noch gründlich untersucht werden.

3. Strabons Anforderungen an einen idealen Kulturgeographen und Universalhistoriker Über die Anforderungen an einen idealen Kulturgeographen der Oikumene äußert sich Strabon in den Geographika, und man darf vermuten, daß sich ähnliche Überlegungen über die Methode der Universalhistorie und die Anforderungen an einen Universalhistoriker schon in den Historika Hypomnemata fanden. Strabon verzichtet im auffälligen Unterschied zu Polybios darauf, von einem idealen Kulturgeographen und Universalhistoriker eine aktive politisch-militärische Karriere und praktische Erfahrungen zu fordern. An die Stelle der politisch-militárischen Erfahrung tritt bei Strabon die philosophisch akzentuierte Forderung der πολυμάθεια des Geographen, der sich durch universale Gelehrsamkeit dem stoischen Weltweisen annähert, Diese signifikante Abweichung erklárt sich wohl aus den unterschiedlichen Biographien beider Historiker. Strabon verkörpert die Lebensform eines reichen, gebildeten und sozial hochstehenden Mitglieds der östlichen spáthellenistischen Elite. Nur zeitweilig vertauscht er seinen Status als Gelehrter und Schriftsteller mit einer Tátigkeit als Berater des Aelius Gallus. Durch weite Reisen erworbene eigene Kenntnisse der wichtigsten beschriebenen Orte und Regionen sowie gründliches Studium vor allem der literarischen, weniger der dokumentarisch-epigraphischen Quellen hält indessen auch Strabon für unverzichtbare Anforderungen an einen Oikumenegeographen und Universalhistoriker. Ein Geograph unter den Indern werde nach Strabons Meinung selbstverständlich anders urteilen und über andere Stoffe schreiben als einer bei den Aithiopern, den Römern oder bei den Griechen. Dieser solle sich auf die griechisch-rómische Kulturwelt konzentrieren. Denn erstens sei diese Oikumene bekannter als die beispielsweise von Krates theo-

retisch postulierten, aber noch nicht erkundeten drei anderen Oikumenen der Erdkugel?!. Zweitens sei eine Beschreibung der Mittelmeeroikumene auch für die Praxis des bürger-

lichen und staatlichen Lebens seiner Leser nützlicher”. Ein Geograph bei den Indern brauche dagegen seinen Lesern nichts über die Verbültnisse im griechischen Boiotien mitzuteilen, weil diese Notizen für deren Leben nutzlos seien. Diese Uberlegung gelte sogar,

falls die gesamte Erde politisch unter ein einziges Reich falle. Selbst dann seien nicht alle Teile dieser Erde gleich gut bekannt und Kenntnisse über alle Regionen für alle Bewohner

nicht gleich nützlich. Von den mathematisch-astronomisch orientierten Fachgeographen der Schule des Era-

tosthenes und Hipparchos weicht Strabon deutlich ab und begründet dies auch methodisch. Die Grundwissenschaften der Geographie — Naturkunde, Physik, Klimakunde, Astronomie und Geometrie — müsse der strabonische Geograph nur in ihren Grundzügen und 20 21 22 23

Dazu siehe LASSERRE 1984, 9-26. 1,4,6C. 65; 2,5,5 C. 112. 1,1,16C. 9; 2,5,1-2 C. 109-110: 2,5,6 C. 113; auch 2,5,34 C. 132. 1,1,16C. 9-10.

96

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Hauptergebnissen kennen?*, An der aktuellen Fachdiskussion der wichtigen Probleme dieser Disziplinen solle er sich nicht beteiligen“. Strabon lehnt es ab, alle ihm bekannten Meinungsunterschiede über konkrete Kontroversen systematisch zu diskutieren und ein definitives Urteil zu fällen. Wo es ihm möglich sei, mache er seine Meinung in kontroversen Punkten deutlich, wo aber nicht, halte er es für das richtige Vorgehen, den Lesern die Meinung anderer vorzulegen. Sofern er zu einem unwichtigen Punkt in seinen Quellen keine glaubwürdige Meinung gefunden habe, trage er angesichts des umfassenden Themas seiner Kolossurgia keine Bedenken, solche Kleinigkeiten zu übergehen. Der Kulturgeograph sei nicht verpflichtet, regelmäßig die sich häufig wandelnden staatlich-politischen Ordnungen der jeweiligen Regionen detailliert zu beschreiben. Auch hier genüge es, die Grundzüge anzugeben. Eine systematisch-wissenschaftliche Behandlung kónne er

anderen überlassen?, Wandlungen der staatlich politischen Ordnungen und die politisch relevante Gliederung der Bevólkerungsgruppen waren wahrscheinlich schon Thema der Historika Hypomnemata. Dies belegt zumindest für die parthische Verfassung der Rückverweis in den Geographika. Auch mit den vier unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung von Kyrene befaßt sich Strabon nach einem bei Josephus überlieferten Frag-

ment in der Universalhistorie ausführlich? Strabon nimmt in der Disposition (τάξις, μερισμός) seiner Beschreibung Rücksicht auf die besondere Natur der jeweiligen Länder?®. Häufige Wanderungsbewegungen der Bevölkerung einer Region und generell geringe Kenntnisse über die Völker an den Rändern der Oikumene oder in unzugänglichen Wüsten und Gebirgsregionen erschweren nach Strabon einen wissenschaftlich präzisen Bericht über die natürliche und siedlungsgeographische Aufteilung bestimmter Gegenden und ihre Geschichte. In den wohlbekannten und berühmten Regionen der Oikumene seien dagegen die Wanderungsbewegungen und Verschiebungen der Völker, die Gliederung des Landes, die Wechsel in der Benennung

der Orte und ähnliche wichtige Fragen der Kulturgeographie inzwischen beantwortet. Je weiter entfernt von der griechischen Welt und je barbarischer oderje kleiner und in regionale Untergliederungen oder politische Herrschaften zersplitterter aber eine Region und ihre Völker sind (z.B. in Iberien)?, desto seltener und unzuverlässiger werden die Berich-

te der griechischen Autoren über diese. Die Legitimitát seiner neuen Oikumenegeographie verteidigt Strabon mit verschiedenen Argumenten. Der Kulturgeograph solle eine aktuelle Beschreibung der Oikumene vorlegen und sich grundsätzlich stärker auf die jüngeren Beschreibungen der Länder als auf die älteren stützen. Im allgemeinen übertreffen die neueren Erdbeschreibungen qualitativ die älteren?®. Die Ausweitung der Reiche der Römer und der Parther habe das geographische Wissen über entlegene Regionen vor allem im Vergleich mit den Kenntnissen zur Zeit des Eratosthenes (oder Polybios) erheblich vermehrt. Jüngere Autoren über die östlichen Regionen und Völker seien im allgemeinen zuverlässiger als die älteren Alexanderhistoriker. Hier werden zwar keine Namen genannt, aber man kónnte an Poseidonios von

Apameia, Apollodoros von Artemita, Iuba von Mauretanien oder Isidor von Charax den-

ken. Doch bestimmte andere jüngere Autoren, die über den Osten Asiens, das Partherreich

und Indien geschrieben hätten, besitzen immer noch keine verläBlichen aktuellen Infor24 25

Emeut 2,5,1-2 C. 109-110 und 2,5,4 C. 112. 1,1,19-21 C. 11-13.

26

4,1 C. 177.

28

Vgl. 12,3.42 scheibungen 3,4,5 C. 158 Z.B. 7,3,6 C.

27

29 30

Vel. FGrHist 91 F 7 = Ios. ant. Iud. 14, 114-118.

C. 563; die Folgen dieser Unterschiede sind bei einem Vergleich der strabonischen BeAgyptens, Iberiens, Italiens und der Keltike gut zu erkennen. und 3,4,19 C, 166. 299,

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

97

mationen. Dies gelte erst recht für Kaufleute, die regelmäßig auf den Karawanenstrafien

oder Schiffsrouten Handel trieben und darüber Itinerarberichte verfaßten. Nur wenige von

ihnen seien jemals bis zum Ganges gelangt, und ihre Berichte seien als Mitteilungen blo-

Ber Geschäfts- oder Privatleute für Gelehrte ohne ‚wissenschaftlichen‘ Wert?!fIn Strabons

Beschreibung der nordwestlichen und südöstlichen Ränder der Oikumene wirkt es sich aus heutiger Sicht besonders nachteilig aus, daß er solchem Pionierwissen der‚merchant

explorers*, z.B. des Pytheas, Eudoxos oder der anonymen ügyptisch-arabische Kaufleute

und Schiffskapitüne, mißtraut. ᾿ Von vielen jüngeren römischen Historikern und Geographen hat Strabon eine schlechte Meinung. Sie seien meist Imitatoren der Griechen, würden es aber selbst darin nicht weit bringen. Das meiste, was sie überlieferten, seien lediglich Übersetzungen aus den Werken griechischer Autoren. Es mangele ihnen an wissenschaftlichem, historisch-geographischen

Interesse und echter Wißbegierde. Überall, wo die griechischen Autoren eine thematische Lücke hinterlassen hätten, hätten die Rómer nur unbedeutende Ergánzungen geliefert.

Von den berühmtesten Autoren der Literatur seien die allermeisten Griechen und schrieben daher natürlich auf Griechisch. Diese Regel gelte sogar für ein so weit von Hellas

entferntes Gebiet wie Iberien??. Solche überheblichen Bewertungen sind bezeichnend für das elitäre Selbstverständnis vieler späthellenistisch-augusteischer Gelehrter. Dennoch benutzt Strabon -- wenn auch meist aus indirekter Kenntnis -- Informationen einiger lateinischer Autoren von hohem Rang als Ergánzung seiner hellenistisch-griechischen Vorlagen, z.B. Asinius Pollio und Caesar über Gallien und die Oikumenekarte und die Com-

mentarii des Agrippa??,

Polybios hatte in den geographischen Passagen des 34, Buches der Historien die Postulate der Aktualität und Faktentreue aufgestellt^*, denen sich Strabon theoretisch anschlieBt. Seine neue Oikumenegeographie sei nur zu tadeln, wenn er auf die gleiche methodische Weise und über die gleichen Gegenstände wie seine Vorgänger schreiben würde. Schon wenige ergänzende Zusätze rechtfertigten jedoch eine erneute Behandlung eines groDen Themas. Doch die betrüchtliche Erweiterung der geographischen Kenntnisse seit der Zeit des Eratosthenes insbesondere in der eigenen Lebenszeit Strabons infolge der römischen (und parthischen) Feldzüge und Explorationen verlange nach einer großen neuen Synthese und kritischen Auseinandersetzung mit den Positionen der berühmtesten hellenistischen Historiker und Geographen: Eratosthenes, Hipparchos, Poseidonios und Polybios.

Vom Plan dieser aktuellen Oikumenegeographie weicht Strabon dana aber in der Ausführung seiner Geographika oft ab. Er nimmt sich zwar vor, die gegenwártigen Verhältnisse der augusteischen Zeit zu beschreiben, will aber gleichzeitig als Gelehrter den Zustánden in alter Zeit und den Meinungen der klassischen Autoren, insbesondere Homers, ihren gebührenden Rang einráumen?". Während einer weitläufigen Diskussion über die Wanderungsbewegungen und Koloniegründungen nach dem Trojanischen Krieg muß sich Strabon selbst zur Ordnung rufen und an sein Hauptthema, die Beschreibung der gegenwärtigen Verhältnisse der Oikumene, erinnern”, Trotz der Widersprüche in den

Berichten der Historiker über die ferne Vergangenheit sei es seine Aufgabe, auch hierüber

ein begründetes Urteil zu versuchen. Wenn ihm aber aus der Geschichte der alten Zeiten (παλαιὰ ἱστορία) etwa ein Detail entgangen sei, dann solle ihm das der Leser nachsehen. 31 32

15,1,3 C. 686. 3,4,19 C. 166.

33

Vgl. hierzu unten Kapitel ΠῚ,4,

34

Vgl, auch 10,3,5 C. 465.

35

"Vgl. 12.4.6 Ende C. 565.

36

12,8,7 C. 574.

98

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Er selbst werde auch von sich aus bewußt manche Details der frühen Geschichte übergehen, weil seine Hauptaufgabe in der Darlegung der gegenwärtigen Zustände liege. Doch zahlreiche Exkurse in die griechische Frühgeschichte und Übernahmen aus klassischen literarischen Beschreibungen einzelner Regionen oder Orte häufen sich störend in einzelnen Büchern Strabons, vor allem in der Griechenlandbeschreibung in den Büchern 8-10, aber auch in den Büchern 5-6 über Italien und Sizilien sowie 12 über die Troas. Im 8. Buch stellt er fest, daß er in seiner Griechenlandbeschreibung die gegenwärtigen Verhältnisse in Hellas mit denen, die in Homers Epen beschrieben werden, regelmäßig ver-

gleichen werde*?. Er tue dies wegen des außerordentlichen Ruhmes des Dichters und der von Kindesbeinen an erworbenen Vertrautheit aller Gebildeten mit seinen Epen. Jeder

Gebildete glaube, daß das Thema, das er sich vorgenommen habe, dann richtig abgehandelt sei, wenn in seiner Abhandlung nichts den Worten Homers widerspreche. Daher füge er die entsprechenden Passagen des Dichters auch seiner eigenen Perihegese Griechenlands bei. Wenig später entschuldigt sich Strabon für seine Ausführlichkeit bezüglich überholter Verhältnisse, die der Aktualität der Oikumenebeschreibung widerspreche. Doch

mit der alten Zeit seien wertvolle und nützliche Geschichten verknüpft, die allen gebildeten Griechen vertraut seien. Er selbst müsse nun quasi der Schiedsrichter sein, wenn unter den Kommentatoren und Historikern unterschiedliche Meinungen herrschten. Widerspre-

chende Varianten in seinen Vorlagen sind noch lange kein hinreichender Grund für Strabon, das sich widersprechende Quellenmaterial insgesamt als unzuverlässig auszuschelden?? oder sich nach reiflicher Prüfung für eine einzige Variante zu entscheiden. Anläßlich der stark abweichenden Berichte über den Namen der Pisatis und ihrer Frühgeschichte weist Strabon erneut darauf hin, daf sich die alten historischen Darstellungen eben oft widersprechen. Außerdem beurteilen jüngere Berichte viele Punkte häufig so weit abwelchend von den alten, daB daraus ein fast entgegengesetzter Eindruck resultiere. In diesem

Dilemma solle man sich als Leitregel an das halten, was unter den voneinander abweichenden Autoren meistens einmütig angenommen werde”. Im allgemeinen glauben die meisten Menschen Strabon zufolge den Berühmtesten, Âltesten und Erfahrensten. In allen diesen Aspekten aber übertreffe Homer die übrigen Autoritäten. Deswegen müsse auch er die Meinungen

und Berichte Homers

zur Geographie

und Geschichte mit den ge-

genwürtigen Verhältnissen vergleichen. Strabon entschuldigt sich in der Einleitung des 12. Buches bei seinen Lesern. Sie móchten nicht ihm die Schuld für bestimmte langatmige Passagen der Geographika geben, sondern denen, die nach Wissen um die berühmten und

alten Fragen streben. Deren Interessen diene sein Werk nämlich auch. Selbst zu gut bekannten Regionen der griechischen Welt wie der Troas widersprechen sich allerdings die frühen Historiker häufig in wichtigen Punkten und drücken sich zudem nicht immer klar aus”. Das Argumentieren mit literarischen Autoritäten und kanonischen Autoren ist typisch für die spätalexandrinisch-gelehrte Methode Strabons*!. Der Einfluß des literarisch tra-

dierten, historisch-politischen und geographischen Weltbildes auf Strabon bleibt überragend. Obwohl Strabon eine zeitgenössisch akzentuierte Universalhistorie nach Polybios und eine aktuelle Oikumenegeographie vorlegen will, wagt er es nicht, die klassischen

Berichte Homers und anderer kanonischer Autoren der eigenen Bildungswelt als überholt außer acht zu lassen oder ihnen aufgrund neuerer Vorlagen und eigener Anschauung Sy37

Z.B. 8,3,2-3 und besonders am Ende dieses Abschnittes in 8,3,3 C. 337.

38 39

Vel. 1,2,13 C. 22. 8,3,31C. 356.

40

Erneut 13,1,1 C. 581.

41

8,3,23 C. 348,

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

99

stematisch zu widersprechen. Strabon geht sogar mehrfach so weit, Passagen über in seiner Zeit zerstörte alte Städte, überlebte Bräuche oder längst schon veränderte politische Ordnungen gründlich zu referieren, weil in solchen Beschreibungen ein ähnlich großer

Nutzen liegen könne wie in der Beschreibung

der aktuellen Situationen und Taten*2, Auch

der Besuch untergegangener Städte wie Olynth oder der Gräber berühmter Männer der Vergangenheit erwecke die Neugier späterer Generationen und sei für sie als Beispiel nützlich. In der praktischen Welt der römisch-italischen Kaufleute und Heerführer veral-

ten berühmte literarische Beschreibungen indessen erheblich schneller als in der gelehrten

Welt Strabons. Er erlaubt sich von der selbstgewählten Verpflichtung auf den Primat der Zeitgeschichte und einer aktuellen Erdbeschreibung viel weitgehendere Freiheiten als

Polybios oder Poseidonios. Die Treue zum literarisch-klassischen Weltbild seit Homer

und der Versuch einer zeitgeschichtlich akzentuierten Universalhistorie und Oikumenegeographie lassen sich nicht in einem homogenen und gedanklich-literarisch geschlossenen Werk versöhnen. Doch Strabon hat sich wissentlich in dieses Dilemma begeben. Die Verpflichtung des Historikers - und des Geographen - auf die Wahrheit war zur Zeit Strabons schon ein reichlich abgegriffener Topos. Natürlich bekennt sich auch Strabon

mehrfach zu dem Grundsatz, daß der Historiker nur Wahres berichten soll. Sein Bericht über die Amazonen veranlaßt ihn zu einer interessanten Anmerkung?*. Die Geschichte

verlange die Wahrheit sowohl in Berichten über alte Geschichte als auch über Zeitgeschichte, Sie dulde kein noch so geringes Element des Schauerlich-Wundersamen (tepaτὠδες). Generell solle man sich um eine strikte Trennung der Bereiche des Mythisch-

Sagenhaften und des Tatsáchlich-Historischen bemühen; denn das Alte und Falsche (oder

gar bewußt Erlogene) und Schauerlich-Wundersame werde ‚Mythos‘ genannt, aber die Geschichte verlange nur die Wahrheit als ihren Inhalt**. Selbst Polybios wird durch Strabon nicht von dem Vorwurf des Poseidonios freigesprochen, aus politischer Gefälligkeit gegenüber Tiberius Gracchus seinen Bericht schôngefärbt und einer verbreiteten Praxis der Historiker folgend Lügen vorgebracht zu haben über dessen Kriegserfolge in Iberien und

die Eroberung von dreihundert angeblichen ,Stádten'^, Leichtfertigen Umgang mit histo-

rischen Tatsachen wirft Strabon vor allem den meisten Alexanderhistorikern vor. Sie hätten es mit der Wahrheit nicht so genau genommen, weil sie als Schmeichler vor allem den Ruhm Alexanders mehren wollten und dabei ihren eigenen Vorteil im Auge gehabt hätten. Außerdem sei der Alexanderzug bis an die Grenzen der damals bekannten Welt gelangt. Es sei für spätere Leser oder Kritiker daher schwer gewesen, Ausagen zu widerlegen, die über so weit entfernte Regionen wie Indien oder den Osten des Achaimenidenrei-

ches gemacht würden®,

Von der Verpflichtung auf das Wahrheitspostulat erlaubt sich Strabon jedoch selbst großzügige Lizenzen, die er nicht einmal heimlich in der fortlaufenden Oikumenebeschreibung zu verbergen sucht. Er rechnet offen damit, daß sich auch in seinem Werk aufgrund von Irrtümern seiner Vorlagen, die er nicht bemerkt und korrigiert habe, noch Fehler befinden können. Der Nutzen und die Vertrauenswürdigkeit des eigenen Berichtes werde im

Kern nicht durch Widersprüche oder Fehler in seinen Vorlagen?” geschmälert. Man solle

als Leser zufrieden sein, wenn er in der Mehrzahl der Fälle die Berichte seiner Vorlagen 42 43 44

2,5,17 C. 121; auch anläßlich einer antiquarischen Diskussion über die Frühgeschichte der Lukaner in Italien 6,1,2 C. 253 und erneut 8,3,3 C. 337 über Homer und die Frühgeschichte der Peloponnes. 11,5,1-3 C. 503-504 und folgende Paragraphen. 11,5,3 C. 504.

45 46

3,4,13C. 163, 11,6,4 C. 508.

47

1,2,13C. 22 und 1,1,23 C. 13.

100

L Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

verbessere oder die alten Berichte durch zusätzliche Fakten ergünze^?. Der Satz Strabons, daB das Verschweigen einer Sache durch einen Autor noch kein Beweis seines Nichtwissens sei, wird zwar zunächst nur mit Bezug auf Homer und andere frühe Dichter und Gelehrte gesagt. Aber da diese für Strabon maßgebliche Autoritäten darstellen, kann man

die Bemerkung auch verallgemeinern und auf ihn selbst beziehen??. Alles, was aus der Absicht und dem Plan eines spezifischen Werkes dem Autor unwichtiger scheine, kónne

ein Dichter, aber auch der Geograph einer ‚Kolossurgia‘ weglassen, ohne daß man ihn deswegen wegen Unwissenheit mit Recht kritisieren dürfe*?, Man könne außerdem bestimmte Dinge dem gebildeten Publikum sogar schon hinreichend deutlich machen, indem man sie nicht ausführlich darlege, sondern mit geschickten Anspielungen, wegweisenden Epitheta und allegorischer Redeweise nur andeute?!, Das zeige besonders die wissenschaftliche Homerinterpretation und sei auch für die Geographika zu bedenken. Falls bestimmte wichtige Tatsachen nur erwähnt seien, sei es nicht mehr nótig, daraus selbstverständlich zu interpretierende oder hierzu automatisch zu ergänzende Details ausführlich auszuführen. Eine solche methodische Vorgehensweise der allegorischen Rede, absichtlichen Auslassung und nur andeutenden Beschreibung kann nur in einer festen Bildungs-

welt mit allgemein anerkannten und konstanten Bildungsinhalten funktionieren”. Das Gegenteil des methodischen und absichtlichen Verschweigens sieht Strabon in bewußten Übertreibungen eines Historikers und Geographen. Solche Übertreibungen findet er anstößig, wenn sie einem Herrscher lediglich schmeicheln sollen und aus offenkundiger

Parteinahme des Historikers erfolgen”. Historiographie, Rhetorik, Kulturgeographie und Philosophie haben sich Strabon zufolge erst später aus der Poesie entwickelt. Die Kunstprosa ahme in ihrer Gattung bestimmte Elemente der poetischen Redeweise nach?^. Historisch betrachtet habe sich die Prosa immer weiter vom poetischen Schmuck und hohen Stil der dichterischen Rede entfernt und bevorzuge gegenwürtig einfache Formen. An dieser Stelle stellt sich für Strabon die Frage nach der Rolle des Mythos in Geschichtsschreibung und Kulturgeographie. Der Mythos gehört in der Dichtung und in der Prosa für ihn zu den Inhalten, die der Gattung der Geschichte entgegenstehen”. Dennoch werden die Mythen Homers wegen ihres wah-

ren Kernes und anerkannten hohen Bildungswertes?9 von Strabon verteidigt. Exemplarisch-bildende Mythen und Fabeln werden auch von seriósen Historikern in ihre Werke

aufgenommen??. Ephoros, den Strabon mehrfach als Archegeten der Universalhistorie lobt, habe sich in seinen Historien auch nicht an seine eigenen Vorsätze gehalten, daf man

in Geschichtswerken keine Mythen einlegen solle und die Wahrheit in der Geschichts-

schreibung das allein entscheidende Kriterium sei. Zum delphischen Apollonorakel er-

zähle er eine ausführliche mythische Gründungsgeschichte des Sieges Apollons über den

Pythondrachen??, 48 49

54 55 56 57

10,3,5 C. 465. "Vel. über Homer und andere Dichter 1,2,30 C. 36; ferner 1,2,14 C. 23; 1,2,19 C. 27; 1,2,35 Ende und 36 C. 43 und 7,3,6-7 C. 299 Ende. Vgl. 12,3,26-27 C. 5534, Dies sei eine übliche Technik Homers 1,2,29 (Ende) C. 36 und 1,2,31 C. 37; vgl. 12,3,26 C. 553; und über andere Dichter 1,2,35 C, 43. Vgl.9,5,5 C. 431. Sinnvoll und sparsam eingesetzte Übertreibungen werden jedoch andererseits als ein rhetorisch effektives Mittcl der Verstárkung anerkannt (1,2,36 C. 44). 1.2.6 C. 18. Zur Geschichtsschreibung als Subgatiung der rhetorischen Prosa auch 1,2,6 C. 18 und 11,5,3 C. 504. ὕ02Δ. 1.2.8 C. 19. 1n 1,2,35 C. 43 wird Theopomp nicht für seine Mythen kritisiert.

58

9,3.11-12 C. 422; vgl. (1,6,2-3 C. 507.

50 51 52 53

3. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

101

Strabon selbst nimmt aus Freude am Erzählen, zur Auflockerung seines kompilatorischen Stiles und zur Belehrung seiner Leser ca. fünfzig verschiedene Mythen oder Fabeln

auf”. Mit Strabons Praxis gut vergleichbar ist in diesem Punkt der etwas ältere Diodor,

der in seinem Hauptprooimion® einräumt, daß selbst frei erfundene Mythen einen morahschen Wert haben kónnten und wegen des Nutzens für die Leser daher auch in Geschichtswerke aufgenommen werden dürften. In den ersten Büchern Diodors zur Frühgeschichte findet man eine ähnlich hohe Zahl von mythischen Berichten wie in den Geographika. Strabon kritisiert, daß einige Historiker in ihren Prosawerken absichtlich viele Mythen einflechten, obwohl sie die wahren historischen Tatsachen sehr wohl kennen. Sie wollen aber bewußt unmögliche Dinge aus bloßem Vergnügen an Wundergeschichten und zur Unterhaltung der Leser erfinden. Solche mythischen Einlagen seien aber nicht in der Gattung der strengen Historiographie, dem σχῆμα ἱστορίας, sondern nur bei Prosaautoren zulässig, die sich offen dem Publikum als Mythographen zu erkennen geben. Die Historiker, die solche Wundergeschichten und Mythen in ihre Werke einflechten, täuschen gerne vor, daß sie dies aus Unwissenheit und im besten Glauben, mit ihren Mythen die Wahrheit zu berichten, täten. Denn eine solche Vortäuschung verleihe ihren unvertrauten und dunklen Wundergeschichten eine größere Plausibilität. Hekataios von Milet und andere frühe Logographen und Kulturgeographen werden an einer anderen Stelle getadelt, die sich mit Mythen in historischen Werken und der Glaubwürdigkeit der Frühgeschichte befaßt. Die frühen Historiker schreiben viele ‚gar nicht existierende, frei erfundene Dinge‘ in ihren

Werken, weil sie durch die damals allgegenwärtigen Mythen geradezu mit der Lüge aufgewachsen seien. Daher erklärten sich auch die häufigen Widersprüche bei diesen Auto-

ren®!. Herodot, Kiesias, Hellanikos und die Autoren der Indika-Werke Deimachos, Mega-

sthenes, Onesikritos und Nearchos haben sich nach Strabon der bewußten, aber nicht dem Leser deutlichen und daher unzulässigen Einflechtung von Mythen in das historische Genus schuldig gemacht. Die μυθοποιία, die sich offen zu erkennen gibt, hat auch nach Strabons Ansicht einen altehrwürdigen und legitimen Rang in der alten Theologie, den Gründungsgeschichten der Staaten und zur Legitimierung der alten Gesetzgebungswerke. Mythen seien oft als ein hervorragendes Erziehungsmittel bewußt und in legitimer Weise eingesetzt worden, um philosophisch weniger gebildete, ‚einfachere Gemüter‘ im Volk, die Kindern ähnlich

seien, zu beeindrucken*?. Sie haben in dieser Funktion einen festen Rang im sozialen und

politischen Leben der Griechen und in der Geschichtsschreibung. Erst in historisch jüngeren Zeiten seien die Geschichtsschreibung und die als praktische Weltweisheit verstandene Philosophie gegenüber der Dichtung als Erziehungsmittel hervorgetreten. Aber die Philosophie bleibe zu allen Zeiten nur für wenige Begabte ein Bildungsweg, während die Dichtung immer massenwirksamer und im Volk beliebter sei. Dichtung fülle im Unter-

schied zur Philosophie ganze Theater mit Zuhörern”.

Die frühe Geschichte der nordöstlichen Skythenvölker gibt Strabon im 11. Buch erneut Gelegenheit, methodische Kritik an der Glaubwürdigkeit der frühen Historiker vorzubringen. Die alten griechischen Historiker und die noch früheren Autoren, also wohl Genealogen und Autoren von Periploi, hütten noch keinen zuverlässigen Bericht über diese Regionen und Vólker geben kónnen. Dennoch hätten sie teilweise ausführlich über 59

Siehe Grosskurn 1834, Bd. 4,14 Register s.v. einzelne Fabeln".

60

Diod. 1,2,2; vgl. WARDMAN 1960, 403—413 und zur Rhelorik in der klassischen Historiographie WoopMAN [988.

61 62

8,39 C. 341, 1,2,8C. 19-20.

63

1,2,8 Ende C. 20: hier wird das interessante Attribut δημωφελές für die Dichtung verwandt, das Strabon auch für seine geographischen und historischen Werke in 1,1,22 C. 13 benutzt.

102

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

den Feldzug des Kyros gegen die Skythen und Massageten berichtet®*, Die Leichtgläubigkeit und unkritische Einstellung der alten Historiker und ihre Vorliebe für Mythen hätten bewirkt, daß das gebildete Publikum späterer Zeiten der gesamten Frühgeschichte

der Perser, Meder und Syrer keinen großen Glauben schenke. Die alten Historiker hätten gerneint, daß ihre Werke für das Publikum angenehmer zu lesen seien, wenn sie aufschrieben, was sie tatsächlich niemals gesehen oder gehört, nicht einmal von glaubhaften Zeugen übernommen hatten. Leichter als solchen unseriösen Historikern wie Ktesias, Herodot und Hellanikos könne man dann doch Hesiod und Homer oder auch den tragischen Dichtern Glauben schenken, wenn diese über die mythische Heroenzeit sprächen.

Das Erzählen von frei erfundenen Wundergeschichten (tepatoAoyeiv)* ist für Strabon

nur in der Dichtung legitim. In der Historiographie dagegen sei es fast ausnahmslos zu kritisieren, wie dies zu Recht schon Apollodoros in seinem Homerkommentar getan habe. Als oft übernommene Beispiele für solche ‚Wundergeschichten‘ in Historikerwerken führt Strabon (nach Apollodoros) die rhipäischen Berge", den Berg Ogyios, die Wohnsitze der

Gorgonen und Hesperiden und das Land Meropis bei Theopomp°®, die Stadt Kimmeris bei Hekataios und das utopische Inselland Panchaia des Euhemeros?? an. Wenn nun schon die bewußte Einflechtung solcher Fabelorte in Geschichtswerke unzulässig ist, so solle

sich ein angesehener Wissenschaftler und Philologe wie Kallimachos erst recht damit zurückhalten?0, Unseriöse Autoren wie Damastes von Sigeion oder Euhemeros solle man überhaupt nicht als Vorlagen benutzten, selbst wenn sich unter ihren bergäischen (d.h. ‚Münchhau-

sen‘-) Geschichten ab und zu ein Kom Wahrheit finden sollte. Man solle sich vielmehr an Autoren von Rang und Reputation halten, die nach übereinstimmender Meinung der spä-

teren Autoren und Kritiker in den meisten Punkten das Richtige gesagt hätten. Selbst wenn die Verfasser solcher anerkannter Werke Einzelheiten übergangen oder etwas aus späterer Sicht noch unzureichend behandelt hätten, so hätten sie wenigstens an keiner

Stelle bewußt mit falscher Absicht und lügenhatt geschrieben”!. Seinen insgesamt gerade im Vergleich zu Polybios nur geringen Anspruch in der Quellenkritik drückt Strabon am deutlichsten im 10. Buch mit Bezug auf voneinander abweichende Varianten seiner Vorlagen aus. Alle Probleme mit Genauigkeit zu lósen sei nicht einfach; wenn aber die Vielzahl der überlieferten Quellenvarianten vorgestellt worden sei, von denen die einen Berichte miteinander übereinstimmen, die anderen aber einander widersprechen, dann kón-

ne man wohl leichter aus diesen Berichten die Wahrheit folgern??. 4. Epigraphische und archáologische Quellen Strabons für die Geographika

Der größte Teil der Geographika basiert auf kompilatorischer Auswertung einer Vielzahl von literarischen Vorlagen sehr unterschiedlicher Gattungen und Zeitstufen. Besonders

im Vergleich zu seinem Vorgünger Polybios fällt das geringe Gewicht auf, das dagegen

urkundlich-dokumentarische Quellen bei Strabon haben. Nur selten und als exotisch64 65 66 67

Vgl. Hdt. 1.201ff über den Feldzug des älteren Kyros. 11,6,2 C. 507, Vgl. 7,3,6 C. 299 = Theopomp FGrHist 115 F 75d. "Vgl. hierzu 7,3,1 C. 294-95,

69 70

1.3.1 C. 47 und 2.4,2 C. 104 nach dem Messenier Euhemeros. 7,3,6 C. 299,

71 72

1,3,1 Ὁ, 47. 10.323 C. 474.

68

Vgl. Ael. var. 3,18 = Theopomp FGrHist 115 F 75c.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

103

gelehrten Schmuck seiner Beschreibungen, nicht als entscheidende Zeugnisse im Rahmen politisch-geographischer Diskussionen, erwähnt er Inschriften oder Aufschriften. Die

meisten hiervon hat er zudem nicht selbst gesehen, sondern übernimmt ihren Text aus

einer literarischen Vorlage. Daher kann man die epigraphischen Quellen kaum als eigenständige Quellengruppe den literarischen Quellen Strabons gegenüberstellen. Eine Diskussion des genauen Textes einer Inschrift zur Korrektur oder Bekräftigung der mündlichen oder literarischen Tradition findet man Strabon fast nie. Die Mehrzahl der erwähnten Inschriften stammt aus lange vergangenen Zeiten. Sie haben nur einen antiquarischen Rang als gelehrte Belege innerhalb der Beschreibungen, berühren aber nur ausnahmsweise das Bild der aktuellen Oikumene oder die Zeitgeschichte. Zur Illustration der Art und

Weise, wie Strabon Inschriften oder Aufschriften als Zeugnisse benutzt, folgt eine Über-

sicht über alle in den Geographika erwähnten Inschriften oder Aufschriften: Strabon erwähnt nach Eratosthenes eine Aufschrift auf einer Weihung der Kyrenaier

im Ammonheiligtum". Ferner zitiert er (nach Eratosthenes) ein vierzeiliges Epigramm auf einer bronzenen Hydria im Asklepiostempel von Pantikapaton’”*. ‚Andere Autoren‘

beschreiben zwei Bronzesäulen im Heraklestempel in Gades als die ‚Säulen des Herakles‘, aufdenen die Kosten für die Errichtung des Tempels verzeichnet seien. Der genaue

Text dieser Inschrift wird aber von Strabon nicht mitgeteilt”, Die Diskussion über die Säulen des Herakles führt Strabon assoziativ auf eine Grenzsäule, die vor Urzeiten am Isthmos von Korinth gestanden habe. Sie habe an die Vertreibung der Ionier aus der Peloponnes erinnert. Auf ihrer Megara zugewandten Seite habe gestanden: „Dies Land (Attika) ist nicht mehr die Peloponnes, sondern Ionien", auf der anderen Seite aber: „Dies ist

die Peloponnes, nicht aber Ionien'?*, Ähnlich bekannt wie diese Grenzsäule und in der Literatur schon oft vor Strabon zitiert war der Text einer Inschrift in der Nühe des Polyandreions der Spartaner bei den Thermopylen: „Opoeis, die Metropolis der Lokrer, die gerechte Gesetze achten, trauert um diese, die gefallen sind zur Verteidigung Griechenlands

gegen die Perser“??. Strabon erwähnt auch das allen gebildeten Griechen bekannte Epigramm auf die an den Thermopylen gefallenen Spartaner: ,,Fremder, verkünde den Lake-

daimoniern, daß wir hier liegen getreu ihren Gesetzen“’®, Im Tempel der Artemis Amarynthia in Eretria stand ein Inschriftenpfeiler, auf dem verzeichnet war, daß die Eretrier vor den Perserkriegen auf dem Höhepunkt ihrer Macht eine Festprozession mit dreitausend Hopliten, sechshundert Reitern und sechzig Streitwagen veranstaltet hátten. Strabon führt diese Inschrift (vermutlich aus Ephoros zitierend) als eines von mehreren Indizien für die vergangene Größe Eretrias an??, Dieser zitiert in seinen Historien als ein Zeugnis über den Ursprung der Kureten und zur elisch-aitolischen Frühgeschichte zwei Inschriften, die Strabon beide wôrtlich übernimmt. Eine Inschrift in Thermai in Aitolien auf der Basis der Statue des Aitolos, des eponymen Heros der Aitoler, lautet: „Der Gründer dieses Landes, einst aufgezogen an den feuchten Ufern des Alpheios, Nachbar der Wagenrennen 73

74 75 76

„Von den Theoren, den sakralen Gesandien aus Kyrene“: 1,3,4 C. 49. Diese Inschrift werde von Hipparchos zu Unrecht für eine Fülschung gehalten (1,3,15 C. 56).

2,1,16 C. 74; „Falls irgendjemand nicht glaubt, was in unserem Lande sich ereignet hat, soll er diesen

Wasserkrug (Hydria) ansehen und die Wahrheit wissen; Stratios der Priester stellte ihn nicht als ein schónes Weihegeschenk für die Gottheit auf, sondern als ein Beweisstück der harten Winter“. 3,5,5 C. 170 und dasselbe 3,5,6 C. 172. Strabon erinnert an diese Grenzsáule noch ausführlicher nach Philochoros oder Andron im 9. Buch

(9,1,6-7 C. 392 = FGrHist 329 F 2). Sie wurde nach Plut. Thes. 25,4—7 durch Theseus errichtet und 77 78 79

später bei einem Angriff der Herakliden auf die Megaris zerstört. 9,4,2C. 425, 9,4,16 C. 429. 10,1,10 C. 448,

104

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

von Olympia, der Sohn des Endymion. Dieses Standbild des Aitolos wurde von den Aitolern aufgestellt als ein Denkmal seiner Arete“. Eine zweite Inschrift auf der Basis einer Statue des Oxylos auf der Agora der Eleier verkündete: „Aitolos verließ einmal früher sein autochthones Heimatvolk, und nach vielen Mühen eroberte er mit seinem Speer das

Land Kuretis; aber der zehnte Nachkomme des gleichen Geschlechtes Oxylos, Sohn des

Haimon, gründete diese alte Stadt ἘΠῚ:50, Aus Nikolaos von Damaskos ist wahrscheinlich eine athenische Grabinschrift übernommen, die Strabon als zeitgenóssisches kulturgeschichtliches Kuriosum anführt. Der

Inder Zarmanochegas, ein Mitglied der indischen Gesandtschaft an Kaiser Augustus”, habe sich aus freien Stücken in Athen selbst verbrannt. Während andere Menschen aus Not, Unglück oder Krankheit den Freitod wählten, habe dieser Inder, dem bisher alles in seinem Leben nach Wunsch verlaufen war, sich als glücklicher und gesunder Mensch umgebracht, um dem Schicksal keine Gelegenheit zum Wechsel seiner Glücksumstánde zu geben und um sich selbst nach alter indischer Sitte unsterblich zu machen. Auf seinem Grab finde sich die folgende Inschrift: „Hier ruht Zarmanochegas, ein Inder aus Bargosa, der sich selbst nach den väterlichen Bräuchen der Inder durch seinen Tod unsterblich

machte"? ,

Grabepigramme und Grabinschriften für Herrscher der altorientalischen Reiche sind eine weitere Gruppe der seitenen inschriftlichen Texte bei Strabon. Nach Aristobulos zitiert er die griechische Übersetzung einer assyrischen Inschrift auf dem Grabmal des sprichwörtlichen königlichen Wüstlings Sardanapal. Sein Grab sei mit einer Steinskulptur geschmückt gewesen, die die Finger der rechten Hand so zusammengestellt zeige, als ob sie

gerade ein Schnippchen schlage. Darunter stehe: „Sardanapalos, Sohn des Anakyndaraxos, baute Anchiale und Tarsos in einem Tage. Du Wanderer, esse, trinke und scherze; denn das Andere ist nicht so viel wert wie diese Geste“ (der Hand, die ein Schnippchen schlágt). Auch der Dichter Choirilos erwähne dieses Grabepigramm, von dessen berühmter Fassung Strabon dann zwei Verse zitiert. Die Grabinschrift des Sardanapal erfreute die gebildeten Leser Strabons, die sie mit dem ihnen bekannten Choirilosgedicht vergleichen konnten”.

Nach Aristobulos und Onesikritos berichtet Strabon über Alexanders Besuch der alten Königsgräber des Kyros und des Dareios und zitiert aus der Alexandergeschichte des Aristobulos eine Inschrift auf dem Grabmal des Kyros: „O Mensch, ich bin Kyros, der das Reich der Perser begründete, und der Großkönig Asiens; neide mir also nicht dieses mein Grabmonument.“ Nach Onesikritos aber befinde sich nur auf dem obersten Stockwerk des Grabturmes des Kyros auf Persisch, aber in griechischen Buchstaben notiert, folgende

Inschrift: „Hier liege ich, Kyros, der König der Kónige'94. Strabon nennt beide Varianten,

ohne sich für eine zu entscheiden. Er überläßt dem Leser das Urteil. Nach Onesikritos zitiert Strabon die folgende Inschrift auf dem Grab Dareios I.: „Meinen Freunden war ich ein Freund; als Reiter und Bogenschütze war ich der beste; als Jäger war ich allen über80

Beide Inschriften 10,3,2 C. 463-464.

81

Er wird bei Cass. Dio 54,9 Zarmaros genannt.

82 83

15,1,73 C. 720.

Vel. 14.5.9 C. 671—72 und Groskuro 1833, 81f zu der Geste und zum wohl unechten sechszeiligen

Grabepigramm, das in einigen Strabonhandschriften hier folgt. Das Grabepigramm und das Choirilosgedicht werden in der antiken Literatur häufig erwähnt: vgl. Arr. an. 2,5,3-4 mit etwas anders beschrie-

bener Geste: Athen. 8,14 p. 335e-336b (nach Chrysippos) und ausführlicher 12,39 p. 529e — 530c (nach Amyntas, Kleitarch und Aristobulos) mit dem Choiriloszitat, ferner Suda À 1927 s.v. 'Avaxvvδάραξος und schol, Aristoph. Av. 1022; Cic. Tusc. 5,101 übersetzt nur die zwei Verse des Choirilos, die auch Strabon nennt. Cicero überliefert hierzu den treffenden Kommentar des Aristoteles: Quid

aliud ín bovis, non regis sepulcro inscriberes"? 84

15,3,7 C. 730.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

105

legen; ich hatte die Macht, alles zu tun“$, Solche Inschriften von assyrischen oder achai-

mnenidischen Königsgräbern sind für seine augusteischen Leser, die sie möglicherweise schon aus den Alexanderhistorikern Aristobulos und Onesikritos kannten, von primär gelehrt-antiquarischem Wert. Wie ein guter Reiseführer für Bildungsreisende vergißt Strabon auch nicht, die Inschrift am Leuchtturm von Pharos, einem der sieben Weltwunder der Antike, zu erwähnen. Den Text des Weihepigramms des Sostratos von Knidos, eines Königsfreundes des

Ptolemaios Soter und der Berenike, überliefern nur einige Strabonhandschriften: „Sostratos der Knidier, Sohn des Dexiphanes, für die Seefahrer den Göttlichen Reitern“ (d.h. den

Dioskuren oder übertragen gesagt dem ptolemäischen Königspaar)®. Dieses Epigramm

Könnte Strabon bei seinem Agyptenaufenthalt in Alexandreia selbst gesehen haben, doch

er beansprucht hierfür keine Autopsie. Dagegen hat er sicher selbst auf seinen Reisen mit Aelius Gallus im ägyptischen Theben Inschriften auf den Obelisken bei den Königsgräbern gesehen, auf denen der Reichtum der alten Pharaonen, die geographische Ausdeh-

nung ihres Reiches, die Höhe der ihnen zufließenden Tribute und die Größe ihrer Armee

verzeichnet waren. Den Wortlaut dieser Inschriften nennt Strabon aber nicht; ein einhei-

mischer Reiseführer wird ihm ihren Inhalt erklärt haben?". Strabon erwähnt die große Zahl von Votivinschriften in Tempeln des Asklepios in Epidauros, Kos und Trikke8® oder des Sarapis in Kanopos nahe Alexandreia?. Vom Text solcher Inschriften gibt er aber

kein Beispiel.

Im Honoratiorenkatalog des kleinasiatischen Magnesia erwühnt Strabon unter den zeitgenóssischen Berühmtheiten auch Anaxenor, einen der Freunde des Triumvirn M. Antonius. Die dankbaren Mitbürger hätten Anaxenor in Magnesia ein Gemälde auf der Agora gestiftet, auf dem er beim Opfer für Zeus Sosipolis zu sehen war, und ihm im Theater von Magnesia eine Bronzestatue erichtet mit einem schmeichlerischen Epigramm, das zwei Hexameter der Odyssee enthalte?®, Offenkundig ausnahmsweise aus Autopsie diskutiert Strabon hier den genauen Text und die Lünge der beiden Inschriftenzeilen. Es fehlte nach Strabon nämlich im letzten Wort der zweiten Zeile ein Iota, der Text wurde dadurch doppeldeutig, und die Magnesier waren blamiert. Das seltene Interesse Strabons ist Jedoch nur durch den Homervers und die móglichen Fehlinterpretationen des verkürzten Verses hervorgerufen. Dies ist die einzige zeitgenössische griechische Inschrift, die Strabon in den Geographika zweifelsfrei aus Autopsie zitiert. Außerdem ist sie zusammen mit der Grabinschrift für den Inder in Athen eine Besonderheit, weil sie sich auf einen zeitgenóssischen Nichtrómer bezieht.

Nur dreimal in den Geographika erwühnt Strabon Meilensteine als Quelle?!. In der

Zurückhaltung gegenüber dem typisch römischen geographischen Quellenmaterial der militärisch-administrativen Vermessung von Straßen, Kolonien, Regionen und Provinzen werden Strabons Vorbehalte gegen die römische Tradition der Geographie spürbar. Er bleibt von der literarischen Tradition der griechischen Universalbistoriker und Geographen geprágt, obwohl er ein rom- und prinzipatsfreundlicher Autor ist. 85 86 87

88 89 90 91

15,33 C. 730. 17,1,6C. 791. 17,1,46 C. 816. Einer dieser Obelisken aus der Zeit Ramses’ II. steht heute in Paris auf der Place de la

Concorde. Zu dem Obelisk, den Augustus 10/9 v, Chr. nach Rom brachte, siehe ILS 91. 8,6,15C. 374; zu Kos auch 14,2,19 C. 657. 17,1,17 C. 801. Vel. 14,1,41 C. 648 und Hom. Od. 9,3, Um Rom 5,32 C. 230; auf der Via Egnatia 7,7,4 C. 322 bis Kypsela und zum Hebros; und seltsamerweise Meilensteine mit Angaben über abzweigende Straßen und Distanzen (15,1,50 C. 708) auf indischen LandsiraBen im regelmäßigen Abstand von 10 Stadien.

106

]. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Unter den wenigen sicheren Fragmenten der Historika Hypomnemata findet sich nur ein einziges, in dem Strabon eine Inschrift wörtlich zitiert, die Aufschrift auf dem goldenen Weinstock, den der Hasmonäerkönig Aristobulos, Sohn des Alexandros, dem Pompeius in Damaskos 63 v. Chr. als politisches Geschenk verehrt und den dieser in Rom im Iuppitertempel auf dem Kapito! geweiht hatte. Der Text ist für den historischen Kontext der Stelle, die Regelungen für die östlichen Länder durch Pompeius in Damaskos 63 v.

Chr., ohne Belang”. Echte oder fingierte Königsbriefe waren in der hellenistischen Historiographie und auch in den lateinischen Historien Sallusts ein beliebtes Stilmittel. Strabon erwähnt jedoch in den Geographika nur dreimal Briefe als Quellen. Es liege ein Brief des Krateros an seine Mutter vor, in dem neben anderen seltsamen Dingen auch behauptet werde, Alexander sei bis zum Ganges vorgerückt und Krateros habe den Ganges, den größten Strom der Welt, selbst gesehen??, Strabon deutet aber sofort starke Vorbehalte gegen die Echtheit dieses Briefes an. Weiter erwähnt er die nur kulturgeschichtlich interessante Praxis der Inder, ihre Briefe statt auf Papyrus auf Baumwollstoffe oder eine bestimmte Sorte Baumwollpapier zu schreiben?*, Nach Nikolaos von Damaskos berichtet Strabon über einen auf Tierhaut geschriebenen Brief, in dem der indische König Poros um die Freundschaft des Augustus ersucht, und den eine Delegation der Inder dem Prinzeps überbracht

habe?5, Selbst dieser politisch interessante Brief wird von Strabon aber nicht wörtlich zitiert, sondern nur als kulturgeschichtliches Kuriosum mit den begleitenden Geschenken der Inder an Augustus genannt. Archäologische Überreste, besonders Tempel, Grabdenkmäter und berühmte öffentliche Gebäude sind für Strabon eine wichtigere Quellengruppe als Inschriften. Dies ist durch die perihegetische Tradition verständlich, der die Geographika verpflichtet sind. Die meisten archäologischen Monumente, über die Strabon schreibt, kennt er allerdings, von denen aus wenigen Regionen Kleinasiens, Ägyptens und Italiens abgesehen, nur aus der Literatur. Deswegen fallen sie streng genommen ebenfalls in den dominierenden Bereich der literarischen Quellen. Archüologisch-historisch interessante alte Monumente übertreffen nach der Anzahl ihrer Erwähnungen und der Ausführlichkeit, mit der sie beschrieben werden, die zeitgenóssischen Monumente deutlich. Besonders gerne beschreibt Strabon Heiligtümer und Orakelstätten?®, Grab- und sonstige Denkmale. Fast nie vergibt

er, ein bedeutendes griechisches oder auch barbarisches Heiligtum einer Stadt oder Region zu nennen. Einige sehr prominente beschreibt er sogar näher und legt einen Exkurs über ihre Geschichte seit der Gründung ein. Eine genaue Besprechung aller erwähnten Heiligtümer würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen und soll einer separaten Untersuchung vorbehalten bleiben. Ich beschränke mich daher exemplarisch auf die Grabmäler und einige prominente Denkmäler. In seiner Beschreibung Boiotiens erinnert Strabon an die Schlacht von Plataiai 479 v.

Chr., den Tempel des Zeus Eleutherios und die Grabhügel bei Plataiai? sowie an die beiden berühmten Schlachten bei Chaironeia (338 v. Chr. und 86 v. Chr.). Philipp, der Sohn des Amyntas, habe sich nach seinem Sieg über die Athener, Boioter und Korinther bei Chaironeia zum Herren von Hellas gemacht. Strabons Sympathien gelten nur der klassischen Kultur der griechischen Polisstaaten, politisch begrüßt er die monarchische Ord92

Vel. FGrHist 91 F 14 = Ios. ant. Iud. 14,34.

93 94 95 96

15,1,35 C. 702 = FGrHist 153 F 2. 15.1.67 C. 717. 15,1,73 C. 719. Man findet schon im Register GRoskunps 1834, Bd. 4,38 und 52-54 ungefähr 150 Erwähnungen von Orakeln und Tempeln.

97

92,31 C. 412,

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

107

nung Makedoniens und seine Suprematie über Hellas. An die Gefallenen von Chaironeia

338 v. Chr. erinnern mehrere Monumente vor Ort”. Der vollständige Sieg der Römer über das Expeditionsheer des Mithradates im Ersten Mithradatischen Krieg 86 v. Chr. wird von dem Pontier Strabon ohne jede Sympathie mit der pontischen Seite notiert. Der historischen Schlacht von 338 v. Chr. und ihren Monumenten wird ein gleich großer Raum

gegeben wie der zeitgeschichtlich und biographisch aus Strabons Sicht wichtigeren Schlacht von 86 v. Chr. Das berühmte Polyandrion bei den Thermopylen zur Erinnerung

an die Perserkriege findet dagegen nur eine beiläufige Erwähnung”. Mit den Sagen und frühen historisch-geographischen Berichten vom Volk der Amazonen verbinden sich alte Geschichten von Städtegründungen, Ortsbenennungen, Gräbern und anderen Denkmalen!®, In ganz Karien und in Milet seien noch Gräber, alte Befestigungen und Siedlungsspuren der Leleger zu sehen, die dort und in den umgebenden

Regionen in der griechischen Vorzeit ein volkreicher Stamm gewesen seien!"'. Solche Ruinen mag Strabon als Tourist selbst besichtigt haben. Das Grab Memnons, des Sohnes des sagenhaften Gemahls der Göttin Eos, in der Nähe des Aisepos und des Flusses Granikos, verdankt seine Erwähnung der literarischen Verbreitung des Vaters Tithonos als

Prototypos des hinfälligen Greises!?, Gut vergleichbar hiermit ist die Nennung des Grabes des Killos, des Wagenlenkers des Pelops!*. Die Gräber des Mopsos und des Amphilochos, zweier homerischer Helden, die beide bei einem Duell gegeneinander nach der Rückkehr aus Troja zu Tode kamen, seien noch in seiner Zeit nahe Magarsa beim Fluß Pyramos zu sehen!®*, Auch das Grab des Erythras, des sagenhaften Königs der Insel Ogy-

ris im Roten Meer, der diesem Meer seinen Namen gegeben habe, werde noch gezeigt!®. Diese verstreuten Notizen, die alle in einer aktuellen Oikumenegeographie entbehrlich sind, bezeugen indessen das antiquarische Interesse der Leser Strabons und den gelehrten Charakter seines Werkes. Einen ähnlichen Charakter haben die Erwähnungen der Gräber der alten lydischen Könige, die seine Leser aus Herodot kannten!%, Bei der Beschreibung der karischen Hauptstadt Halikarnassos vergit Strabon natürlich nicht, das Mausoleum, das Grab des Dynasten Maussollos aus dem 4. Jh. v. Chr., als eines der steben Weltwunder zu erwähnen, die

er alle im Fortgang seiner Chorographie an Ort und Stelle nennt", Die Königsgräber berühmter Herrscher der Reiche des alten Orients, des Kyros und Dareios, des Assyrers

Sardanapal, des Belos in Babylon, mesopotamischer Künige und Fürsten, der alten ägyptischen Könige bei Memphis und im ägyptischen ‚Labyrinth‘ und des bosporanischen Dynasten Satyros werden nur als in der Literatur oft genannte und kulturgeschichtlich be98 9,2,37 C. 414. 99 9.4,2 C. 425. 100 Vgl. 11,5,4 C. 505; das Grab der Amazone Myrina wird nach Hom. Il. 2,813 auch in 12,8,6 C, 573 und

13,3,6 C. 623 erwühnt. 101 102

13,1,59 13,1,11 aber die 103 13,1,63 104 14,5,16

C. 611. C. 587; Eos hatte von Zeus für ihren menschlichen Gatten zwar die Unsterblichkeit erbeten, als Ergänzung wichtige Bitte um ewige Jugend ihres Gatten vergessen. C. 613. C. 676.

105 Diese Nachricht gibt Strabon mit Vorbehalten nur aus dritter Hand weiter. Mithropastes, der spátere Satrap Phrygiens, habe es Nearchos und Orthagoras mitgeteilt (16,3,5 C. 766). 106 13,4,7 C. 627. 107 Vgl. 14,2,16 C. 656; ferner: der Koloss von Rhodos 14,2,5 C. 652; der Leuchtturm von Pharos 3,1,9 C.

140 und 17,1,6 C. 791; die Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon 16,1,5 C. 738; die Cheopspyramide 17,1,33 C, 808; die Statue des Zeus in Olympia von Pheidias 8,3,30 C. 353-354; der Artemistempe] zu Ephesos 14,1,22-23 C. 640—641; siche auch BRODERSEN 1992 über die Sieben Weltwun-

der und ihre Beschreibung durch andere antike Autoren,

108

1. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

rühmte Stätten aufgeführt!®. Sinnvoll ist es dagegen ohne Zweifel in einer augusteischen

Universalhistorie, an das Grab Alexanders zu erinnem!®., Strabon erwähnt auch die Altäre, die Alexander als östliche Grenzmarken seines Indienfeldzuges zu Ehren der ‚Zwölf

Götter‘ errichtet haben solt!!®. Berühmte Grenzsteine und Altäre können einem Ort noch nach Jahrhunderten seinen Namen geben, selbst wenn man die originalen Monumente schon lange nicht mehr sehen kann, Als Beispiele hierfür nennt Strabon die Säulen des Herakles als westliche Grenzmarken der Oikumene, die Altäre, die Dionysos, Herakles

und Alexander in Indien errichteten, oder die Arae Philainorum in Afrika an der Grenze des karthagischen Reiches zur kyrhenischen Pentapolis. Das Tropaion des Quintus Fabius Maximus Aemilianus zur Erinnerung an seinen Keltensieg am Zusammenfluß von Isere und Rhöne und die beiden dortigen Tempel für Mars und Herakles mag man wohl noch nicht zu den Monumenten rechnen, die einen

Zeugniswert für die Zeitgeschichte haben!!!, Von den zahlreichen politisch interessanten Denkmalen des 1. Jh. v. Chr. und der augusteischen Ära nennt Strabon jedoch nur erstaunlich wenige. Das Siegesdenkmal des Pompeius in den Pyrenäen bei La Junquera wird mehrfach als bekannter Fixpunkt für Distanzmessungen und als einer der Grenzpunkte

zwischen Iberien und Gallien angeführt!!2. In der Perihegese Galliens beschreibt er den Altar für den Provinzialkaiserkult der sechzig gallischen civitates in Lugdunum! 2. Diese ara kennt Strabon aber auch nicht aus Autopsie und interpretiert sie nicht als eine zeitgeschichtliche Quelle für den Prinzipat. In Rom nennt er verschiedene Bauten der spátrepublikanischen und der augusteischen Epoche, darunter das Marsfeld mit dem Mausoleum

des Augustus!!^, Diese werden jedoch zunächst als touristische Sehenswürdigkeiten genannt, nicht zugleich als zeithistorische Zeugnisse interpretiert. Angesichts des Interesses Strabons für Augustus und die Mitglieder des kaiserlichen Hauses verdient die Tatsache Erwähnung, daß die berühmten Ehrenbógen und Grabdenkmale für Drusus und Germanicus an bewußt ausgewählten, markanten Orten nicht genannt werden. Unter einer Vielzahl von Standbildern und Bildsáulen berühmter Personen oder Gottheiten, die Strabon erwähnt, ragen die seinen Lesern vertrauten Gótterbilder der klassischen und frühhellenistischen griechischen Welt eindeutig heraus. Erst in zweiter Linie folgen Ehrenstatuen für Honoratioren bestimmter Städte und die Altäre und Standbilder

für Augustus in Rom!’3, Auf Befehl eines römischen Befehlshabers wurden z.B. aus einem Heraklesheiligtum im akarnanischen Alyzia Statuen des Lysippos, die die Heldentaten des Herakles zeigten, nach Rom geschafft. Strabon nennt hier nicht den Namen des rómi-

schen Feldherrn, der dies veranlaßte. Außerdem beschönigt und entschuldigt er den Abtransport dadurch, daß er vorausschickt, die Lysipposwerke hätten zuvor wegen der öden Einsamkeit des Platzes neben dem eigentlichen Heraklesheiligtum auf dem Boden gele-

gen!!. Falls den Abtransport aus Alyzia wirklich Augustus, und zwar möglicherweise

108 Kyros und Dareios 15,3,7-8 C. 730, Sardanapalos 14,5,9 C, 671-672, Belos 16,1,5 C. 738, Könige und

Fürsten des Zweistromlandes 16,1,11 C. 741 nach Aristobulos, ägyptische Könige bei Memphis 17.1.33 C. 808, das ,Labyrinth* 17,1,37 C. 811 und 17,1,42 C. 813, die Grabanlage des Maindes oder Amon-

109 110 111 112 113

em-hat ITI., der bei Diodor des) genannt wird, und das 17,1,8 C. 794. 3,5,5-6 C. 171; vgl. Diod. 41,11 C. 135. 34,1 C, 156: 3,4,7 C. 159: 4,32 C. 192.

Mendes, bei Strabon abweichend entweder Imandes oder Memnon (IsmanGrab des Satyros 11,2,7 C. 494. 17,95. 3,4,9 C. 160; 4,1,2 C. 178.

114 Vgl. unten Kapitel IIL2.1. 115 5,3,8 C. 236. 116

10,2,21 C. 459; denkbar wäre auch, daß die Einwohner von Alyzia mit ihren Kunstschätzen ausstehende Schulden bezahlten, wie die Koer, denen Augustus gegen Überlassung der Aphrodite Anadyomene

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

109

kurz nach Actium, veranlaßt hat, ist diese Stelle für die augustusfreundli che Tendenz Strabons interessant. Auch Agrippa überführte Kunstwerke nach Rom, beispielsweise den

Löwen des Lysippos aus Lampsakos!!7, Nur mit Augustus verbindet Strabon dagegen

ausdrücklich die fromme Restitution von Antonius weggeschaffter Kunstwerke. Im Kontext der Begründung des Rachefeldzuges des ägyptischen Präfekten Petronius gegen die Aithioper von Meroe liest man bei Strabon beiläufig, daß die Aithioper bei ihrem Überraschungsangriff auf Syene, Elephantine und Philai auch Statuen des Augustus niederge-

rissen hätten!!®. Der Überblick über in den Geographika erwáhnten Inschriften, Aufschriften, Grab-

male, Grenz- und Siegesmonumente und Statuen hat gezeigt, daß die überwiegende Mehrheit dieser Monumente lange vergangenen historischen Perioden bis zur Alexanderzeit angehören. Viel seltener werden zeitgeschichtlich wertvolle Monumente erwähnt. Fast gar nicht interpretiert Strabon epigraphisch-archäologische Quellen historisch und konfrontiert sie mit literarischen Beschreibungen. 5. Der Rang der Autopsie oder der Wert direkter und indirekter Informationen in Geschichtsschreibung und Geographie Autopsie spielt als methodische Forderung an einen Kulturgeographen in der griechischen Literatur schon seit ältesten Zeiten eine große Rolle. Dagegen war in der mathematischastronomischen Geographie Autopsie von sehr untergeordneter Bedeutung. Im Rahmen seines universalhistorischen Werkes zur Fortsetzung des Polybios und der Geographika mußte sich Strabon umso mehr die Frage nach dem Rang der direkten Informationen und Kenntnisse aus eigener Beobachtung stellen, weil Polybios bekanntlich Autopsie oder

sogar ‚Autopathie‘!!? ats eine der unerläßlichen Voraussetzungen für den pragmatischen

Historiker postuliert hatte. Doch konnte ein Universalhistoriker oder ein Geograph der gesamten Mittelmeeroikumene selbst bei sehr ausgedehnten Reisen und einem so unge-

wóhnlich langen Leben, wie es Strabon oder Polybios geschenkt war, niemals den gesamten Raum seines Themas selbst bereisen und schon gar nicht bei allen gleichzeitigen Ereignissen als Zeuge anwesend sein, um dem Ideal einer vollständigen direkten Information gerecht zu werden. Mit seinen Bemerkungen über den Wert der Autopsie und die Zuverlässigkeit der mündlichen Auskünfte glaubhafter Zeugen ergänzt Strabon eine Reihe álterer methodischer Notizen, die sich schon in den Werken des Herodot und Thukydides

sowie in Universalhistorien bei Ephoros und Polybios finden. Ephoros hält an sich universale Autopsie für die vorzüglichste Form der direkten Information des Historikers, sofern

sie ihm eben möglich ist!”®. Zwangsläufig muß sich jedoch die Autopsie des Oikumene-

geographen auf zahlreiche Lokal- oder Regionalbeschreibungen reduzieren. Daß ein Historiker als Augenzeuge sich auf direktem Wege Informationen verschafft und dann über eine Begebenheit oder Region berichtet, verbürgt aus Strabons Sicht noch nicht, daß sein Bericht deswegen immer wahrer und besser ist als andere, die auf seriösen des Apelles einhundert Talente Steuerschulden erließ (14,2,19 C. 657). Wenn der römische Kommandeur die Statuen des Lysippos schlichtweg gekauft hätte, wie Agrippa zwei Kunstwerke des Timomachos für den stolzen Preis von 1,2 Millionen Sesterzen, hätte Strabon dies offen gesagt, vgl. Plin. nat. 35, 26, 91 und 127. 117 13,1,19 C. 590. 118 17,1,54 C. 820.

119 Pol. 12,25e und hier Kapitel 11.4.2-3.

. 120 Vgl. Ephoros FGrHist 70 F 110; dazu vgl. Pol. 3,4,13; 3,58,9; 12,25e und 12,27; zur Interpretation SCHEPENS 1970, 163-182 sowie ders. 1975, 81-93 und 1980.

110

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

Quellen der indirekten Information (Befragen von Zeugen, Studium älterer Werke usw.) basieren. An einer methodisch wichtigen Stelle nimmt er Stellung zur großen Bedeutung mündlich übermittelter Berichte und ihrer Glaubwürdigkeit. Er wolle zuerst berichten, welchen Teil der Oikumene er selbst zu Lande und zu Wasser gesehen habe. Den größten Teil seines Stoffes habe er jedoch nur durch mündliche Berichte von Zeugen des Geschehens oder durch (in der Antike meist laute) Lektüre erfahren. Aus solchen Berichten sei auch seine geographische Vorstellung über die Gestalt, die Dimension und die übrıge

natürliche Beschaffenheit der Regionen der Oikumene geformt!?!,

Hier schlieBt Strabon eine kurze philosophisch-erkenntnisphysiologische Erláuterung an. Die alle Sinneseindrücke beurteilende Vernunft (das nyeuovikôv der Stoiker) forme aus mechanisch vorgestellten Sinneseindrücken ein Gemälde in Gedanken oder ein Gedankenbild (xà νοητά). Münner, die etwas lernen wollen, auch die Historiker und Geographen vertrauen als ihren ,Sinnesorganen' anderen Mánnern, die bestimmte Regionen selbst

gesehen oder durchwandert haben. Aus deren Berichten formen die Geographen dann ein geistiges oder gedankliches Bild der gesamten Kulturwelt (διάγραμμα τῆς ὅλης οἰκουμένης). Strabon vergleicht diese Tätigkeit mit derjenigen eines Strategen, der sich meist auf mündliche Berichte zur Lage verlassen müsse, aufgrund dieser Berichte seine Ent-

scheidungen treffe und diese durch mündlich überlieferte Kommandos von Dritten an anderer Stelle ausführen lasse. Scharf wendet sich Strabon gegen nicht näher genannte Gegner, die ausschließlich den direkten Informationen aufgrund von eigenen visuellen Sinneseindrücken einen verläßlichen Quellenwert zumessen. Über den relativen Wert der fünf Sinne des Menschen

für die Erkenntnis der Welt gibt es eine Vielzahl von Äußerungen antiker Philosophen22, Die meisten Autoren halten den Gesichtssinn für den vornehmsten und wertvollsten unter den fünf Sinnen und deswegen methodisch die Autopsie des Historikers abweichend von Strabon für eindeutig überlegen. Ein locus classicus für diese alte Auffassung ist schon bei Herodot zu finden, als Kandaules vor Gyges die Schónheit seiner Frau preist. Gyges solle sich davon selbst überzeugen, weil die Ohren für die Menschen unzuverlässiger set-

en als die Augen!2.. Für einen Primat des Gesichtssinnes bei der direkten Informationsbeschaffung spricht auch die Tatsache, daß das für die Rhetorik fundamentale mnemotechnische System völlig auf Gedankenbildern basiert. Es finden sich jedoch auch schon in der klassischen griechischen Literatur einige Stellen, die dem Ohr eine besonders enge Verbindung zum menschlichen Geist und einen herausragenden Wert zuweisen!^, Die Hochschätzung mündlich eingeholter, indirekter Informationen kann vor Strabon schon in der Zeitgeschichte auf eine lange Tradition seit Herodot und Thukydides zurückblikken. Die mündliche, indirekt tradierte Informationsübermittlung überwog überdies nicht nur im Alltag und Berufsleben, sondern auch in der Wissenschaft und Lehre zu Strabons

Zeiten weit die rein Schriftliche!?5. 121 2.5.1} C. 117. 122 Vgl. Βιυμ 1969, 164—171; seine Studie behandelt insbesondere die antike Mnemotechnik, Rhetorik und Sinnesphysiologie. Dic heutige Psychologie unterscheidet übrigens zwischen drei Vorstellungsund Gedächtnistypen, dem visuellen, akustischen und motorischen. Bei jedem Menschen überwiegen

individuell die visuellen oder die miteinander gekoppelten akustisch-motorischen Vorstellungen; vgl. die Literatur hierzu bei BLum 1969, 172-174. Generalisierende Aussagen über den Wert der Sinne sind

wissenschaftlich ausgesprochen problematisch. Man kann sinnvoller von ihrem Wert für einzelne Individuen und in unterschiedlichen Situationen sprechen.

123 Vgt. Hdi. 1,8,2. 124 Vgl. Wirte 1959 n.v. (genannt bei BLuM 1969, 166 Anm, 119 und 211). 125 Vgl. zur Vorherrschaft der mündlichen Unterweisung auf den verschiedensten Gebieten in Strabons Zeit GENTILI und Cerri 1978, 137-155, Harris [989 und Rosa 1994.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

111

6. Die übereinstimmenden Absichten Strabons mit seinen beiden Werken und der

vielfältige Nutzen der strabonischen Geographie

Von einer Kulturgeographie, die nach Strabons Vorstellungen verfaßt wurde, darf sich der Leser seiner Meinung nach einen sehr großen Nutzen erwarten. Dieser sei in verschiedenen politischen, militärischen sowie wissenschaftlich-philosophischen Bereichen spürbar!#: „Ebenso aber bezeichnet auch ihr Nutzen, der ein vielfacher ist, teils in Bezug auf die Staatsgeschäfte und die Unternehmungen eines Herrschers, teils hinsichtlich der Kenntnis der Himmelserscheinungen, der Tiere auf der Erde und im Meere, der Pflanzen und Früchte und alles übrigen, was bei jedem Volke zu schauen ist, denselben Mann, der über

die Kunst des Lebens und die Glückseligkeit nachdenkt“!?7, In diesem strabonischen Kon-

zept sind stoische Einflüsse spürbar. Unerklärliche, unbekannte Naturphänomene verwirren die Sinne des Menschen und versetzen ihn in unbegründete Furcht aus Unkenntnis, die die εὐδαιμονία des Menschen verhindert. Umfassende Kenntnisse der natürlichen

geographischen Phänomene und Entwicklungen führen dagegen zur wissenschaftlich-philosophischen Grundeinstellung der ἀθαυμαστία (des lateinischen ni! admirari) oder zur

ἁταραξία. Indem Strabon in den Geographika viele Beispiele erstaunlicher geographischer oder naturkundlicher Phänomene sammelt, erweitert er die Kenntnis seiner Leser von der

Welt und ihren Veränderungen und nimmt ihnen unbegründete Furcht. Die Geographika tragen damit zum Ziel aller hellenistischen Philosophenschulen bei, dem guten und glück-

lichen Leben der Menschen. Strabon hat sein Geschichts- und Geographiewerk ausdrücklich als nützlich zur För-

derung der für das bürgerliche Leben wichtigen praktischen Weltweisheit bezeichnet’,

Das Werk richtet sich an alle allgemein gebildeten Staatsbürger, vor allem aber an die

Angehörigen der politisch-militärischen Elite. Denn sie können aus der strabonischen Universalhistorie und Oikumenegeographie den größten praktischen Nutzen ziehen".

Politische Philosophie und Kulturgeographie dienen in erster Linie den Bedürfnissen dieser führenden Männer!%, Kleine und unwichtigere Ereignisse spielen Strabon zufolge auch in kleinen Räumen, während wirklich große und berühmte Ereignisse, sein eigentli-

ches Thema, auch immer große Räume betreffen und beeinflussen. Schließlich sei die gesarnte Oikumene der Raum für die wichtigsten Ereignisse, die das Leben aller dort

lebenden Menschen betreffen. Daher sei auch seine Oikumenegeographie von ganz besonderem Nutzen für die leitenden Politiker und Heerführer eines Oikumenereiches'”'. Strabon gibt hierfür historische (Kampf um Troja, Schlacht an den Thermopylen) und

aktuelle Beispiele, Unter diesen nennt er jüngere Niederlagen der Römer gegen die Parther (Carrhae? die Feldzüge des M. Antonius?) und gegen die Germanen und Kelten (Cae-

sars Eburonenfeldzug 54? oder eher die clades Lolliana, vielleicht auch augusteische Kriege?), die durch mangelnde geographische Kenntnisse verursacht worden seien. Die mei-

sten Argumente, mit denen Strabon über den großen Nutzen seiner Historika Hypomnemata und Geographika unterrichtet, stammen aus dem Arsenal der Topoi hellenistischer Historiographie und Traktatliteratur!?2, Ein eigenständiger Akzent liegt aber in der star-

ken Betonung des größten Nutzens der Universalhistorie, der sich dem Leser erst durch Lektüre einer Universalhistorie und einer gleichartigen und gleichrangigen Kulturgeogra-

phie der gegenwärtigen Oikumene voll erschließe. 126 127

1.1,1 C.2. 1,1,1 C. 1-2; Übers, ForBicer 1907, 1-2.

128

1,1122 C. 13.

129 130 131 132

1.1.16 C. 9 und erneut 1,1,23 C. 13. 1,L,18 C. 10-11. 1.1,16-17 C. 9-10. Siehe hierzu u.a. AvENARIUS 1956, 22ff.

112

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen 7. Strabons programmatische Charakterisierung seiner Universalhistorie und Oikumenegeographie als ‚riesenhafte Kunstwerke‘ (‚Kolossurgiai‘)

An die thematische Ankündigung, sich vorrangig mit dem Berühmten, Großen und Ganzen befassen zu wollen, schließt Strabon den aufschlußreichen Vergleich seiner beiden Werke mit riesenhaften Kunstwerken oder Kolossalstatuen (κολοσσικὰ ἔργα) an!3?, Wie man bei unserem Urteil über Kolossalstatuen nicht das Vollendete in jedem einzelnen Detail aufsuche und es akribisch untersuche, sondern eher den Gesamteindruck beurteile, ob das Ganze gelungen und schön ist, so solle man auch seine Geographika beurteilen. Denn diese seien eine literarische κολοσσουργία. Strabon spielt mit diesem Vergleich vielleicht auf eine Position des Kaikilios von Kale Akte aus seinem Traktat Περὶ 1070-

píac!?^ an. Kaikilios hatte aber anders als Strabon nur den grandiosen Gesamteindruck

klassischer Werke auf das Publikum und die Nachwelt mit der geringeren Wirkung der Genauigkeit im Detail in anderen Werken verglichen. Er hatte vor allem einem wissenschaftlichen Autor aufgrund seines ‚kolossalen* Themas keine so weitgehenden inhalt-

lichen und formalen Freiheiten von den Postulaten auch sprachlich-stilistischer Durchformung des Stoffes und sachlicher Zuverlässigkeit erteilen wollen, wie Strabon dies tut. Nur kurz nach dem Traktat des Kaikilios wendet sich Pseudo-Longin, der Autor des Traktates Über das Erhabene, nachdrücklich dagegen, daß man bei einem großen literarischen Werk wie bei einer Kolossalstatue mehr auf den Gesamteindruck als auf die korrekte Ausführung im Detail schauen müsse!?, In der Natur sei durchaus das Grandiose, das Große und Großartige um seiner selbst willen trotz kleiner Fehler im Detail oder in den Proportionen eindrucksvoll und bewunderungswürdig, aber in der Kunst und in der Literatur seien die Genauigkeit und Kunstfertigkeit im Detail und die Stimmigkeit der Proportionen das entscheidende Kriterium und eine unverzichtbare Vorbedingung klassischer Meisterwerke. Daher führt er auch mit dem ‚Doryphoros‘ des Polyklet die kanonische Statue der klassischen griechischen Kunstgeschichte als Ideal und Vorbild an. Als literarische Ideale gelten ihm in der Poesie Homer und in der Prosa Demosthenes. Umstritten

bleibt aber, worauf sich der ungenaue Hinweis des Stilkritikers auf eine leicht fehlerhafte, aber trotzdem weit bewunderte Kolossalstatue bezieht. Erwogen wurden zunächst der Ko-

loB von Rhodos als eines der Weltwunder oder der olympische Zeus des Pheidias. Denn von diesem bemerkt auch Strabon, daB er im Verhältnis zum Tempel in den unteren Kórperteilen zu groß und fehlproportioniert sei, so daB man befürchten müsse, daß er durch

das Dach stoße, sollte er von seinem Thron aufstehenU6, Diese Statue war eine zur Zeit Strabons unter griechischen Lesern allseits bekannte Kolossalstatue, deren Schöpfer und

Thema man nicht mehr näher bezeichnen mußte, die aber trotz ihres grandiosen Gesamteindruckes auch künstlerisch kritisiert wurde. Vielleicht war aber doch der KoloB von Rhodos für Strabons späthellenistisch-augusteische Leser die erste Assoziation, die

sie beim Vergleich mit dem riesengroßen wissenschaftlichen Werk Strabons einstellte!7". Strabon fühlte sich als Zeitgenosse einer neuen Epoche der geographischen Kenntnis von der Welt und zugleich einer , kolossalen" politischen Transformation von der hege-

monialen rómischen Republik zur Prinzipatsordnung. Kleine geographische Meinungs133

t,1,23 C. 14; FonnicER übersetzt „kolossale Bildwerke" und „ein kolossales Werk“, GROSKURD: ,,rie-

senhafte Kunstwerke" und „Riesenwerk“, Bd. 1,21, Jones: „colossal statues“ oder „colossal works“, Bd. 1,49 und AuiAc; statue colossale" oder „oeuvre colossale", Bd. L1, 85. 134 Orentoch 1907 hat 1.1,23 C, 13-14 als Fr. 3 aufgenommen. 135 Ps.-Longin. De subl. 36,3; dazu MAzzuccui 1992, 98f (Text) und 265f Kommentar zur Stelle, vgl. aber auch den wertvollen Kommentar von Russezz 1964, 169. 136 8,3,30 C. 353-354, 137 Vgl. Roux 1960, 5-40 insb. 37 und Dickie 1986, 237-257.

5. Der Charakter der Historika Hypomnemata und der Geographika

113

verschiedenheiten unter früheren Historikern und Geographen verlieren unter der oiku-

menischen Perspektive, die Strabon für sein Werk schon im Prooimion ankündigt'?®, ihre Bedeutung. Details des Küstenverlaufes der großen Kontinente und kleinere Abweichungen in den Distanzen zwischen Orten hält Strabon daher für wenig bedeutend. Denn bei

groBen Themata hätten Kleinigkeiten kaum Bedeutung'?. Aus Strabons Vorstellung von

den eigenen Werken als κολοσσουργίαι erklärt sich die methodisch nicht unbedenkliche Auffassung, daß kleinere Fehler in einer enzyklopädischen Oikumenegeographie ver-

zeihlich seien, solche in bedeutenden und großen Fragen aber nicht!

8. Die gattungstheoretische Neubestimmung der Position der strabonischen Geographika nach dem Prooimion zu Buch 8 Strabon beginnt seine Beschreibung des festlandgriechischen Gebietes samt seinen um-

liegenden Inseln (Bücher 8-10) mit einer interessanten Übersicht über verschiedene Vorgänger in der Beschreibung von Hellas, die er den wichtigsten Genera der Geographie zuordnet!*!, Erwartungsgemäß wird auch an dieser Stelle emeut Homer als der erste be-

deutende Geograph Griechenlands gelobt. Mit geographischen Passagen Homers und gelehrten Homerkommentaren des Hellenismus wird sich Strabon in den folgenden Büchern auf Schritt und Tritt befassen. Als erste Autoren geographischer Werke über Hellas nach Homer und als frühe kulturgeographische Vorbilder nennt er die Verfasser von Schriften über Häfen (Auéuves-Werke), Beschreibungen von Küstenfahrten (TlepinAouc-Wer-

ke) oder allgemeinen Beschreibungen der Erde (Περιήγησις γῆς. Werke). Strabon erwähnt für diese erste Gruppe keinen einzigen Verfasser namentlich. Dies muß an dieser methodisch differenzierenden Stelle Absicht sein, weil ihm eine Vielzahl solcher Autoren seit Skylax, Hekataios und Ánaximander bekannt waren. Er selbst zitiert sie in den Ceogra-

phika häufig. In diese Gruppe sind auch jüngere, hellenistische Autoren dieser Gattung bis zu Patrokles und Artemidoros einzuschließen. In seinem Prooimion zu Buch 1 der Geographika hatte Strabon den Verfassern von Auuéves oder Περίπλοι unvollständige geographische Untersuchungen vorgeworfen, weil sie unverzichtbare Bereiche der Geometrie und Astronomie als mathematische Grundlagenwissenschaften der Erdkunde nicht

berücksichtigten!*., Als zweite Gruppe kulturgeographischer Vorläufer unterscheidet Strabon Verfasser von Geschichtswerken, die von ihrer fortlaufenden Ereigniserzählung getrennt eine Oikumenegeographie in ihre Universalhistorien eingelegt und dabei unterschiedlich ausführlich auch die Geographie von Hellas behandelt hätten, Als Beispiele nennt er Ephoros und Polybios. Diese Gruppe ist besonders wichtig, weil man erwarten könnte, daß er sich selbst als Universalhistoriker und Fortsetzer des Polybios in dieser Traditionslinie sehen würde. Aber Strabon setzt seine Geographika nochmals deutlich auch von dieser Gruppe ab.

Eine dritte Gruppe von mathematisch-geographischen Fachautoren hat nach Strabons Meinung nur ausgesuchte Themen der Kulturgeographie von Hellas in ihre Abhandlungen über allgemeine physikalische und mathematische Geographie aufgenommen. Als exemplarische Vertreter nennt Strabon Poseidonios und Hipparchos. Während Hippar138 1,3,3 C. 49. 139 2,5,18 C. 122; ähnlich 6,3,10 C. 285. 140 Vgl. die Vorwürfe Strabons gegen Eratosthenes 2,.1,35 C. 87; ähnlich 2,1,40 C. 92 über die Einteilung der Oikumene nach Eratosthenes. 141 142

8,1,1 C. 332. 1,1,21 Ende C. 13.

114

I. Leben und Werke Strabons sowie methodische Fragen

chos auch aus heutiger Sicht ein Exponent der mathematisch-astronomischen Fachgeographie ist, erstaunt die Nennung des Poseidonios, den man als Universaïhistoriker durch-

aus auch in der zweiten Gruppe hätte erwarten können. Die Einstufung des Poseidonios

als Fachgeograph bezieht sich wohl auf dessen geographisches Hauptwerk Über den Ozean, das Strabon im 2. Buch seiner Geographika regelrecht rezensiert. Bedenkt man das große Interesse, das Poseidonios an der Kulturgeographie im strabonischen Sinne hatte,

erscheint diese Einschätzung durch Strabon in der Einleitung seines 8. Buches sogar als

eine gewollte Distanzierung. Von den Autoren der ersten Gattungsgruppe führt Strabon zu Beginn der Geographika nur ihre Gründerväter Hekataios und Anaximander, aber keine hellenistischen Vertre-

ter auf! ^^, Die zweite und dritte Gruppe hält Strabon für bedeutender. Mit ihren Vertre-

tern, vor allem Eratosthenes, Hipparchos, Poseidonios, Ephoros und Polybios will er sich

als seinen führenden Vorläufern kritisch auseinandersetzen. Die eindrucksvolle Reihe von ‚Geographen und Philosophen‘ am Anfang des 1. Buches differenziert anders als die Einleitung zum 8. Buch stärker nach Epochen als nach Gattungen. Deswegen bilden in dieser Einleitung Ephoros mit Demokrit, Eudoxos und Dikaiarchos eine schr heterogene Gruppe, während Polybios mit Eratosthenes und Poseidonios als repräsentative Vorläufer in der hellenistischen Epoche genannt sind. Die Eigenart seiner Geographika als Teilwerk seiner neuartigen hellenistisch-augusteischen Enzyklopädie ist für Strabon mit den Termini technici der damals vorhandenen Gattungen nur schwer zu bezeichnen. Er zählt in den Geographika alle wichtigen damaligen geographischen Genera auf. Doch keinem davon kann er sein eigenes Werk zuweisen. In den Unterschieden zu den genannten Gattungen und in der strabonischen Kritik an den Werken ihrer herausragenden Vertreter wird der eigene Charakter seiner deskrip-

tiven Kulturgeographie deutlicher. Strabon versäumt es aber leider, die Gelegenheit zu

nutzen, am Beginn des 8. Buches systematisch zusammenfassend die Eigenart der Geographika zu skizzieren und seine Bemerkungen des Hauptprooimions und der ersten beiden Bücher zu präzisieren. Strabons Geographika sind im Umfang und der Themenstellung über die geographischen Exkurse der früheren Universalhistoriker weit hinausgewachsen. Strabon bedient sich verschiedener Traditionen damals bekannter geographischer Gattungen, um daraus eine aktuelle und philosophisch begründete Oikumenegeographie zu machen. Auf einer höheren Ebene fügt sich die strabonische Kulturgeographie dann erst mit der zeitgenössisch akzentuierten Universalhistorie zu einem vollständigen Bild der augusteischen Oikumene zusammen. Strabon versucht also mit seinem Gesamtwerk eine ‚interdisziplinäre‘ Synthese der Gattungen der Historiographie, Geographie, Biographie und philosophischen Literatur.

143

1,1,1-2C, 1-2.

II. GEOGRAPHIE UND UNIVERSALHISTORIE VON IHREN ANFÄNGEN BIS STRABON 1. HOMER ALS ,ARCHEGET DER GEOGRAPHIE: IN DER AUFFASSUNG STRABONS UND SEINE VERTEIDIGUNG DES DICHTERS AUS DER STOISCHEN TRADITION UND IM ANSCHLUSS AN POLYBIOS Zur Zeit Strabons waren die überragende Bedeutung Homers innerhalb der griechischen Literatur und sein über den Bereich der Dichtung hinaus dominierender Einfluß auf die griechische Paideia unter allen Gebildeten eine Selbstverständlichkeit. Homer wurde auch als πρῶτος εὑρετής vieler verschiedener Fachwissenschaften und Fachkenntnisse angesehen!. Von Hipparchos stammt vielleicht die Formulierung im strabonischen Prooimion über Homer als ἀρχηγέτης τῆς γεωγραφικῆς ἐμπειρίας, und Homers Dichtungen nehmen in dem doch auf Aktualität zielenden kulturgeographischen Werk Strabons einen — aus heutiger Sicht — übertriebenen Rang ein?. Die homerischen Epen zählen jedoch als früheste und vornehmste zu einer Reihe poetischer Werke, die der polyzentrischen griechischen Staatenwelt einen kollektiven „nationalen“ Mythos von ihren Ursprüngen und

einen gemeinsamen Wertekanon vermittelten. Im gemeinsamen Besitz dieser Mythen vergewisserten sich die einzelnen griechischen Staatswesen ihres Hellenentums^ ähnlich wie in der Verehrung der groBen panhellenischen Heiligtümer und der gemeinsamen Feier der panhellenischen Kultspiele von Olympia und Delphi. Fragen der Homerkritik und die Diskussion über die Glaubwürdigkeit Homers beschäftigten die griechischen Gelehrten jahrhundertelang. Das Niveau, aber auch die Schárfe der Diskussionen über Homers Glaubwürdigkeit erreichten ihren Höhepunkt im Hellenismus. Dies war keineswegs ein folgenloser Gelehrtenstreit zwischen Homerkorypháen aus Athen, Rhodos oder Alexandreia. Denn nach der Meinung der Traditionalisten und Verteidiger Homers war das Fundament für jegliches Fachwissen, auch für die Geographie, schon in den Dichtungen der Zlias und der Odyssee gelegt. Homers Epen hatten als Schultexte eine Autorität, die man mit derjenigen der Bibel oder des Koran in späteren Zeiten vergleichen kann. Deshalb ergriffen führende Philologen, Philosophen, Historiker und Geographen auch im Streit über Homer als geographische Autorität so heftig Partei. Aus

der hellenistischen Zeit seien zunächst Kallisthenes? sowie Zenon erwühnt?, der durch philologische Emendation oder subjektiv angewandte allegorische Interpretation Widersprüche im überlieferten Text der Epen Homers bereinigen wollte. Aristarchos und DeI

Vgl über Homer als „Quelle allen Wissens“ MucLEn 1963, Ausac 1966, 19-36, VERDENIUS 1970 und

2 3

HiLGRUBER 1994, 1,1,2C. 2; Strabon hat den Ausdruck jedenfalls nicht als erster geprägt. Vgl. 1,1,1C. 1; 1,2,9 C. 20 und 1,2,19 C. 26-27 und SmicLıa 1987, 45-54; vgl. zur fundamentalen Bedeutung Homers für Strabon: NEUMANN

1886, 134-141, Kanes,

1977, 207-212, ferner SCHENKE-

VELD 1970, 162-178 und ders. 1976, 52-64, Ausac 1966, 19-36 und dics. in; AUJAC und LASSERRE, Géographie Tome

LI, 1969,

11-23, Birascul

1984,

127-153, BALADIÉ, Tome

V (livre VIII),

1978

Qu CA

m

sowie (nicht nur über die Troas) LEAF 1912 und ders. 1923; jüngst zusammenfassend Mocci 1993, 1033-1045.

Vgl. FRANKEL 1967 und zum Ideal des καλὸς κἀγαθός WaNkEL 1961 (ND 1979) und Bounnior 1995. Vgl. 12.3,5 C. 542.

Vgl. Dion Chrys. or. 53,4 = Arnim SVF I, 63 F 274; zu seinem Lósungsvorschlag für das Problem der Identifikation der Erember bei Homer (Troglodyten oder Araber?) siehe SVF I, 63 F 275.

116

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

metrios von Skepsis’ gehörten beide der alexandrinischen Gelehrtenfraktion an, die hinsichtlich Homers geographischer Kenntnisse skeptisch eingestellt war. Eine wichtige Quelle Strabons ist der große Homerkommentar des Apollodoros zum sogenannten ‚Schiffska-

talog'*. Apollodoros schloß sich der Meinung des Eratosthenes und des Demetrios an, daB

Homer und die alten Dichter nur innerhalb des engen Gebietes von Hellas und der kleinasiatischen Küste gute geographische Kenntnisse gehabt hätten. Hipparchos? und Eratosthenes!? fanden als Vertreter einer auf mathematisch-astronomischer Grundlage basıe-

renden Geographie Anlaß, die geographische Fachautorität Homers zu kritisieren, ohne seine überragende Bedeutung als Dichter prinzipiell in Frage zu stellen. Auf der Seite der prominenten Verteidiger Homers befand sich trotz phitologisch-grammatischer Kritik ei-

niger Einzelstellen dagegen auch Krates!!.

Die Hochschätzung Homers durch Strabon erklärt sich zunächst durch seine ‚klassizi-

stische* Grundhaltung, die auch bei vielen anderen Autoren der augusteischen Ära nach-

zuweisen ist. Zudem lag Strabon als Stoiker!? die Verteidigung des geographischen Weltbildes Homers gegenüber den alexandrinischen Fachgeographen am Herzen. Die Stoiker hielten nämlich die homerischen Gedichte für einen echten Ausdruck der frühen Volksreligion. Homer selbst galt der Stoa auch als der Prototyp ihres philosophischen Ideal-

menschen, des ‚vollkommenen Weisen‘!?. Umgekehrt galt nach strenger stoischer Lehre sogar allein der stoische Philosoph als der wahre Dichter!4, Strabon nennt entsprechend

Homers Dichtkunst eine πρώτη τις φιλοσοφία5,

Aus Sicht der Fachgeographen stellten sich folgende Grundfragen: Stimmen die Hinweise Homers auf einzelne Orte oder Gegenden mit lokalisierbaren, tatsächlich existierenden Orten und Gegenden überein? Sind bei Homer fehlende Hinweise auf Orte oder Tatsachen, die späteren Geographen bekannt waren, ein hinreichender Beweis dafür, daß er diese noch nicht kannte? Wollte Homer überhaupt in seinen Dichtungen fachgeogra-

phisch korrekte Aussagen machen? Oder waren auch seine aus Sicht der hellenistischen 7

Vgl. BERGER 1880, 31f über Arístarchos und Demetrios; Demetrios sprach Homer die Kenntnts der östlichen Richtung der Argonautenfahrt ab und besiritt, daB der Dichter zu seiner frühen Lebenszeit

geographische Kenntnisse von so weit entfernten Gegenden habe besitzen kónnen, vgl. 1,2,38 C. 45.

8

9

Kleinliche Kritik übt Strabon an Demetrios in 13,1,45 C. 603. Vgl. FGrHist 244 F 157. Die homerischen Exkurse über die Randvölker der Erde erscheinen Apollodoros ais fabelhafte Märchen, vgl. z.B. F 170 (14,5,22-29 C. 677-682) mit Kritik des Apollodoros an der homerischen Geographie Kleinasiens, F 171 (12,3,24—25 C. 552-553) eine Diskussion über die Halyzones, Verbündete der Trojaner . Strabon 1.2.3 C. 16 überliefen einen treffenden Vergleich des Hipparchos: Homer mit allem im Laufe der Jahrhunderte gefundenen Fachwissen zu überfrachten sei charakteristisch für den übertriebenen

Eifer der Homerfreunde, aber genauso lächerlich, als ob man Äpfel, Pfirsische und alle anderen Früchtc an einen attischen Olivenzweig hängen wollte, die dieser doch niemals tragen könne. Andererseits

nahm Hipparchos die alten Geographen und Kartographen gegen die Kritik des Eratosthenes z.T. in 10 11

12 13.

Schutz, vgl. BERGER 1880, 53f. Vgl. zu den Auffassungen des Eratosthenes BERGER 1880, 19-40. Strabon bezeichnet Krates und Aristarchos in 1,2,24 C. 30 als Koryphäen der wissenschaftlich-philologischen Kritik und referiert anschließend 1,2,24—25 C. 30-32 eine Auseinandersetzung mit Krates und Aristarchos; vgl. auch 3,4,4 C. 157. Von Zenon und den stoischen Philosophen spricht Strabon mehrfach als ‚unserer‘ Richtung der Philasophie: 1,2,34 C. 41; 12,3 C. 15; 2,3,8 C. 104 über andere Stoiker. Vgl. 1.2.3 6, 15. Sen. epist. 88,3-5, erklärte allerdings bald nach der Abfassung der Geographika die Diskussion darüber, ob Homer ein ,Philosoph* gewesen sei und wenn ja, welchem späteren Schul-

system man ihn wohl zurechnen dürfe, als unsinnig im Hinblick auf den Weg zur sittlichen Vollkom14 IS.

menheit, Vgl. 1,2,3,C. 15 und 1,1,1-2C. 1-2. Diese Lehrmeinung hatte wohl schon Chrysippos begründet, vgl. SVF ΠῚ 654 und 655. 1110C.7,1,2,3C. 15; 1,2,17 Ὁ. 25.

1. Homer als ‚Archeget der Geographie‘ in der Auffassung Strabons

117

Fachgelehrten korrekten Aussagen nur zufällig und unbeabsichtigt? Nur im ersteren Falle konnte Strabon natürlich die Dichtungen Homers auch als ein erstes Handbuch der Geographie verteidigen. Tatsächlich fanden in die geographischen Vorstellungen der homerischen Epen, der

Argonautensage und der alten Sagenkreise!? um Herakles und Dionysos trotz der dichterischen Transformationen auch wirkliche Erfahrungen der ionischen Seefahrer!” und Erinnerungen an das geographische Wissen der mykenischen Welt!$ Eingang. Die ‚heimischen‘ Gewässer wurden in den homerischen Gedichten ungefähr begrenzt durch die Troas im Nordosten, Kreta im Süden und die ionischen Inseln mit Ithaka im Westen, als die ‚frem-

den‘ galten schon die Küstengebiete Thrakiens, Phoinikiens, Agyptens und Siziliens. Nur die ‚heimischen‘ Küsten gehörten der wirklichen Erfahrungswelt der Seefahrer an, und es werden in den Epen aus diesen Lándern meist wohlbekannte Orte genannt. Wind- und

Wetterverhältnisse in der (Ost-) Ägäis sind dem epischen Dichter gut vertraut, die nauti-

schen Bedingungen in der Levante oder dem westlichen Mittelmeer jedoch nur sehr grob!?. Nachdem Odysseus über Kap Malea nach Westen hinausgetrieben wurde, verließ er die wirkliche Erfahrungswelt. Deswegen werden auch Zeitangaben und Fahrtrichtungen danach vager, die Länder werden nach seltsamen Bewohnern benannt. Dieser märchenhafte mythologische' Raum entfernt sich mit der Nekyia, der Fahrt in die Unterwelt, am wei-

testen von der wirklichen Welt der damaligen Seefahrer?0.

Die Verteidiger der geographischen Autorität Horners versuchten in einer wahren Sisyphosarbeit, sámtliche in den homerischen Epen genannten Orte systematisch zu lokalisieren. Einige eklatante Widersprüche zwischen den geographischen Angaben in den Epen

selbst oder zum Stand der geographischen oder fachwissenschaftlichen Kenntnisse in hellenistischer Zeit mußten bei solchen Bemühungen irgendwie aufgelöst oder zwar eingeräumt, aber doch sofort entschuldigt werden, ohne die Autorität Homers zu verletzen. Solche Stellen wurden daher entweder emendiert oder in allegorischer Weise, zuweilen

gegen den offenbaren Wortlaut interpretiert, Schon Theagenes von Rhegion hatte die allegorische Homerdeutung eingeführt, und Zenon von Kition hatte sie systematisiert. Ze-

non differenzierte auch zwischen dem, was der Dichter lediglich κατὰ δόξαν, und dem,

was er καθ’ ἀλήθειαν gesagt habe’!, Krates von Mallos zeichnete sich im 2. Jh. v. Chr. als 16

Zu den geographischen Vorstellungen und Kenntnissen Homers und anderer griechischer Epiker siehe

Forsicer Bd. 1, 1842, 2-41, Hann 1878, Bunsurv, Bd. 1, 1883, 31-91, BERGER 1903, 25—49, KunirSCHEK 1933, 289-297 sowie Dion 1977, 3-172 und RAMIN 1979; vgl. ferner LorpKiranıpze 1996, 13-66

über die Sage von den Argonauten und Strabons Geographika; zu Apollonios Rhodios siehe auch WALTHER 1891 und DÉLAGE 1930, Apollonios ergänzt die ältere epische Tradition regelmäßig aus jüngeren Quellen, insbesondere aus der gelehrten Literatur (WaLTHER 1891, 27-30 mit einer Liste der

Quellen); besonders wertvolle geographische Angaben finden sich über Kyzikos, Herakleia und das Pontosgebiet, aber auch zur Ethnographie von Barbarenstämmen und über das Gebiet der Donaumün-

dung; zu geographischen Vorstellungen und Texipassagen in den Tragódien siehe BERNARD 1985. 17

"Vgl. zum frühen Seewesen Gray 1974 sowie Berarn 1902-1903 und ders. (mit sehr spekulativen Rekonstruktionsversuchen der Reisen des Odysseus) 1927-1932.

I8

Vgl. zum Schiffskatalog und der mykenischen Geographie Hope Simpson und LAzeNsv 1970, BINTLIFF

19 20 21

(Hg.) 1977, MiLanı 1988, 3-18 und jetzt grundlegend VissER 1997: siehe ferner NiEMEIER 1991, 123— 149 und zum Reich von Pylos HıLLer 1972. Entgegen der Meinung Worrs sollte man nicht unterstellen, daß Homer an bestimmten Stellen der Odyssee schon ein konkretes Kartenbild vorschwebte, vgl. aber WoLr 1992, 3-36. Vgl. zum ‚mythologischen Raum‘ die Bemerkungen HOLSCHERS 1990, 135-158. Uber Theagenes siche BERGER 1880, 22 und Anm. 6; zu Zenons Differenzierung vgl. Dion Chrys. or.

53,4. Aus heutiger Sicht erscheint die allegorisierende Interpretationsmethode hermeneutisch bedenklich. Doch ohne eine allegorisicrende Interpretation hátten die homerischen Epen (und weitere heidnisch-antike Literaturwerke) ihren Wert für die spátere Antike und das christliche Mittelalter verloren und wären noch stürker der Gefahr des Unterganges in der Überlieferungsgeschichte ausgesetzt gewesen,

118

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

der einflußreichste allegorische Homerinterpret der Stoa aus. Für Krates stellten die homerischen Gedichte eine wertvolle Quelle exakter Kenntnisse aller Arten von geographischen Phänomenen dar. Er entwarf als Illustration seiner Homerinterpretationen auch den ersten Erdglobus*?. Während Eratosthenes und Aristarchos die Fahrten des Odysseus als

fiktive Fahrten auf erfundenen Meeren verstanden, galten sie den Stoikern und Strabon als Reisen, die tatsächlich stattgefunden hatten. Krates verlegte die Fahrt des Odysseus über den Ozean zu den Lotophagen in den Atlantik außerhalb Gibraltars, während Aristarchos ein radikaler Verfechter der Lokalisierung aller Abenteuer innerhalb des Mittelmeeres war. Diese ,Exokeanismos'-Frage gab Stoff für eine leidenschaftliche Gelehrtendiskussion®. Asklepiades von Myrlea akzeptierte die homerischen Angaben über die Irrfahrten des Odysseus als wortwörtlich wahr und wird deswegen wohlwollend von Strabon erwähnt. Asklepiades behauptete sogar, aus einer Weihung in einem spanischen Tempel

in Turdetanien noch Spuren der Irrfahrten des Odysseus erkannt zu haben“. Unter den hellenistischen Universalhistorikern verteidigten Polybios, Poseidonios und Strabon Homers Autorität in der Geographie. Strabon schließt sich in wesentlichen Zügen der Verteidigung Homers durch Polybios in seiner Universalhistorie und Krates in seinen philosophisch-geographischen Traktaten an. Es läßt sich nicht mehr genau entscheiden, wie viele Argumente, die bei Strabon angeführt werden, direkt auf Polybios zurückgehen

oder lediglich allgemeine Positionen der stoischen Verteidigung Homers aus der Zeit Strabons sind. Daher ist auch der eigenstündige Beitrag Strabons zur Verteidigung Homers schwer zu bestimmen. Das Vorgehen WALBANKS, der fast alle Strabonpassagen mit

einer Verteidigung Homers auf Polybios’ 34. Buch zurückführt, scheint mir jedenfalls

nicht genügend begründet#. Bei einem solchen Vorgehen wird ferner ein wesentlicher Unterschied zwischen Polybios und Strabon verwischt. Wührend námlich jener hauptsächlich die Autorität Homers als eines alten Geographen und Historikers verteidigen will, stellt ihn Strabon in den Prolegomena der Geographika zugleich stárker auch als stoischen Philosophen vor. Im Unterschied zu Krates und später Strabon akzeptiert Polybios aber nicht die für die Verteidiger Homers bequeme Möglichkeit einer fast schrankenlosen allegorischen Interpretation von Homerstellen. | Homer hat nach Strabons Auffassung verständlicherweise das Recht der ‚dichten-

schen Freiheit‘ aus pädagogischer Absicht in Anspruch genommen?®. Nach drei Richtun-

gen erlaube die ποιητικὴ ἐξουσία dem Dichter größere Freiheit als einem Historiker: in der Erkundung des Stoffes (der ἱστορία), in der ordnenden Darstellung und rhetorischen 22

Krates vertrat nämlich die unzutreffende Meinung, schon Homer habe die Kugelgestalt der Erde er-

kannt, Die Abbildungen auf dem Schild des Agamemnon interpretierte er als Bild des gesamten Kos-

mos (Schol. T zu Homer, Il. 11,40); vgl. über Krates, der u.a. Bibliothekar Eumenes’ U. war, HANSEN 1971, 409—418

23

sowie Μεττε

1936; zur Meisterschaft des Krates in der allegorischen Interpretation

Homers KRoLL 1922, insb. 1639, Zum Terminus ‚Exokeanismos* 1,2,37 C.44, 1,2,40 C. 46 und Pol. 34,4,5 mit dem Kommentar WALBanks Bd. 3, 1979, 586f. und BuonaurTo

1996,

|-8. Die Diskussion ging bei Strabon nicht primär

darum, ob Odysseus, sondern ob Menelaos (Hom. Il. 4,81ff) auch auf den Weliozean gelangt set. In diesem Streitpunkt unterschieden sich die Lager der Exokeanisten und der Thalattisten noch schärfer als in der Lokalisierung der Irrfahrten des Odysseus. In 1,2,31 C. 38 übernimmt Strabon ein Zitat aus

dem zeitgenössischen Grammatiker Aristonikos, Hierin wird deutlich, daß die Entrückungsgeschichte

des Menelaos Auslöser der Exokcanismos-Debaite wurde und nicht die Infahrten des Odysseus. Strabon lokalisiert die Lotophagen Homers auf der kleinen Insel Meninx und bezeichnet insgesamt die Kleine

Syrte als Lotophagitis, vgl. 1.2.17 C. 25 und 17,3,17 C. 834, doch andererseits findet man bei ibm auch eine Lokalisierung in der Großen Syrte: 3,4,3 C. 157.

24

3,4,3C. 157.

25

Wassank 1948, 169—173 und ders. 1979, Bd. 3, 577-587; vel. auch Ρέρεοη 1964, 582-586.

26

Strabon entschuldigt falsche Angaben Homers manchmal auch mit der dichterischen Freiheit der Erfin-

dung Homers, 1,2,19 C. 27.

I. Homer als ‚Archeget der Geographie‘ in der Auffassung Strabons

119

Gestaltung (διάθεσις) und der kreativen Umformung und der Ausgestaltung des Mythos?”.

Wahrheit und Dichtung sind in den homerischen Epen nach Polybios und Strabon eng

verbunden, wobei nur Nebensächliches und Ausschmückungen hinzuerfunden seien, der Kern der Geschichten jedoch der historischen Wahrheit entspreche. Die angemessene Me-

thode der Interpretation schwieriger Homerstellen ist daher nach Strabon auch nicht allein eine allegorische Methode, sondern zunächst die ‚historische‘ Exegese?®. Außerdem müsse man aber auch bei anscheinend falschen Bemerkungen Homers zu geographischen Fra-

gen noch eine mögliche Veränderung der Erdoberfläche seit seiner Zeit in Rechnung stellen”. Nur falls sie mit feineren philologischen Interpretationsmethoden keine Lösung finden konnten, räumten Strabon und Polybios als Verteidiger der geographischen Autorität Homers einfache Unkenntnis des Dichters ein*?. Unkenntnis Homers schließt Strabon jedoch in fast allen durch seine Kritiker Eratosthenes und Apollodoros angeführten Punkten aus. Der Dichter habe es ferner oft aus freien Stücken vorgezogen, über wohlbekannte Dinge zu schweigen oder anderes doch nur anzudeuten. Mit dieser sophistischen Argumentation kann Strabon die großen weißen Flecken auf einer hypothetischen Karte der Welt Homers insbesondere im westlichen Mittelmeer und in Asien bequem erklären. Die gesamte allegorische Richtung der Homerphilologie machte sich indessen aus Sicht des Eratosthenes lächerlich, und ihr Vorgehen war zudem zur Verteidigung des Ansehens Homers als eines Dichters von hohem Niveau unnótig. Eratosthenes verurteilte alle Versuche, die Irrfahrten des Odysseus zu lokalisieren, als zwecklos. Man werde den genauen Plan der Fahrten erst finden, wenn man den Riemenmacher gefunden habe, der den

Sack des Aiolos genäht habe?!, Dagegen erklärte Polybios zu dieser Stelle euhemeristisch, Aiolos sei ein Berater gewesen, der Odysseus Segelanweisungen und Tips für die Windver-

háltnisse gegeben habe??,

Die Verteidigung des moralisch-pádagogischen Nutzens Homers durch Strabon erklärt sich nach der Analyse BiRAscuis auch als ein Beitrag zu der aktuellen literaturästhetischen Kontroverse der spütrepublikanischen und augusteischen Ára über die ,Nützlichkeit der Literatur, insbesondere der Dichtung. Der einzige Zweck der Dichtung als Literaturgattung war es nach Eratosthenes zu unterhalten, nicht aber auf einzelnen Fachgebieten zu belehren??. Herausragende oder auch schlechte Kenntnisse in Geographie, in

der Heerführung oder anderen Fachwissenschaften änderten nicht die Wertschätzung eines Dichters. Umgekehrt seien auch historische Wahrheiten oder tiefe philosophische Gedanken bei der Beurteilung eines Werkes der Dichtkunst keine angemessenen Kriterien, sondern ausschließlich die sprachliche und poetische Qualität*?. Trotz dieser Einschrän27 28 29

1,2,17 C. 25; vielleicht fand Strabon diese Definition schon bei Polybios vor, wie WALBANK annimmt, vgl. aber das Verständnis der Diathesis nach Péveca 1964, 583f. Die ‚historische Exegese' als Interpretationsmethode erläutert 1,2,19C. 26-27; dazu SCHENKEvELD 1976, S9f. Mitsolchen Veränderungen rechneten Polybios und Strabon auch noch in der jüngeren Vergangenheit, vgl. Pol. 4,39,7-4,42,8 zum

Schwarzen Mecr. Strabon waren sie als Folgen von Vulkanausbrüchen,

30

Erdbeben oder der Kräfte des Meeres und der Flüsse bekannt. Apollodoros hatte häufiger als Strabon einfach Unkenntnis Homers angenommen, vgl. 1,2,35 C. 43

31

und 7,3,6 C. 299; 1.2,22 C. 29 über die Nilmündungen gegen Eratosthenes. Vgl. Hom. Od. 10,19-20 und 1,2,15 C. 24; vgl. THALAMAS 1921 und BERGER 1880, 19—40 zu den

32

Fragmenten I À 1-21, ebenfalls BERGER 1903, 385-44 t. Vgl. Pol. 34,2,4-34,4,8 in der Anordnung der Testimonia bei WaLBANK 1979.

33 34

BerGer 1880, 37 FI A 20; diese Meinung vertrat auch Agatharchides GGM I, 117 (8.). 1,23 C. 15-16 und 1,2,12 C. 22: Spezialkenntnisse in Geographie überflüssig; 1,2,17 C. 25 Unterhaltung als Zweck der Dichtung; vgl. 1,1,10 C. 7 nach Eratosthenes ist yuxayoyta, nicht διδασκαλία der

Hauptzweck der Dichtung; vgl. hierzu Neumann 1884, 138f und ScHenkevezD 1976, 551.

120

ἢ. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

kung rühmte Eratosthenes dennoch Homer als ersten, der sich mit geographischen Fragen noch vor Anaximander und Hekataios befaßt habe. Wenn auch sein Horizont noch recht eingeschränkt gewesen sei, so habe Homer zumindest eine recht genaue geographische

Kenntnis von Hellas besessen, wie sein ,Schiffskatalog* erweise35. Doch Strabon zufolge

begründete die allgemeine μιμητικὴ ἀρετὴ τοῦ βίου διὰ λόγων gerade den hohen pädagogischen Wert der Dichtungen Homers?®. Diese ziele sowohl auf ψυχαγωγία als auch auf moralische διδασκαλία),

Philodem hatte in einer Schrift Περὶ ποιημάτων gegen

Theorien der Stoiker und Aristoteliker über μίμησις, dichterische ἀρετή und den mora-

lisch-pädagogischen Nutzen der Dichtung polemisiert?®, Die strabonische Definition der μιμητικὴ ἀρετή könnte durch Einflüsse seines Lehrers Tyrannion geprágt worden sein, der seinerseits auch über genaue Kenntnissse der aristotelischen Dichtungstheorie aus der im 1. Jb. v. Chr. wiederentdeckten Bibliothek und der Edition der Schriften des Stagiriten

verfügte. BIRASCH? stellt in ihrer Analyse Strabon im literaturpolitischen Sinne als Klassi-

zisten und Anhänger der auch durch Augustus favorisierten horazischen Auffassung heraus, nach der die Dichtung das delectare mit dem prodesse verbinden solle. BrRASCHI

verknüpft die Verteidigung Homers durch Strabon aber vielleicht zu stark mit der aktuellen literarisch-ästhetischen und kulturpolitischen Diskussion, die ihren einfluBreichsten Niederschlag in der Ars Poetica des Horaz findet. Ein solcher Gedanke liegt bei der bekannten Anhángerschaft Strabons zum Prinzipat des Augustus zwar nicht fern, doch dürften sein Selbstverständnis als Stoiker, seine Methode der historischen Exegese und seine Auffassungen von der deskriptiven Geographie ihn stärker zur Verteidigung Homers veranlaßt haben als Aspekte der aktuellen literaturästhetischen Diskussion. Polybios und Strabon als geographisch interessierte Historiker haben zu Homer als Geographen ein traditionelleres Verhältnis als die Schule des Eratosthenes. Den Zugang zum poetischen und weltanschaulichen Kern der Odyssee und der /lias haben sich Strabon und seine Nachfolger trotz ihrer tiefen Verehrung für Homer als Dichter, Geographen und Philosophen aber aus heutiger Sicht vielleicht eher verbaut als eröffnet.

35

1.2.14 C. 23 mit 1.2,3 C. 16 und 7,3,6 C. 298, der Schiffskatalog findet sich in Horn. Il. 2, 494—759

(und ebd. 816-877 zu den Verbündeten der Trojaner).

36

Vgl. 1,2,5 C. 17 mit Diogenes Laertios 7,60.

37 38

"Vgl. FLORATOS 1972, 44f; auch Kosren 1970, 143ff. Vgl. Doranoı 1978, 38-51.

39

Vgl. 13,1,54 C. 608—609 und BinAscut 1984, 143-145.

2. Geschichte und Geographie bei Herodot und Strabons Kritik an Herodot

2. GESCHICHTE UND GEOGRAPHIE BEI HERODOT STRABONS KRITIK AN HERODOT

121

UND

Der Sieg der Hellenen in den Perserkriegen des 5. Jh. v. Chr. und die staunenswerten Entwicklungen in der griechischen Welt während der Pentekontaetie riefen bei Herodot das Bedürfnis wach, die Ursachen dieser epochalen Vorgünge zu erforschen und ihren Verlauf zu berichten. Herodot wurde durch die Darlegung seiner Forschungen zum pater historiae, zum Vater der griechisch-rómischen Geschichtsschreibung. Man kónnte die neun Bücher Herodots in mancher Hinsicht schon als einen Vorläufer der hellenistischen Universalhistorien bezeichnen. Vielleicht sollte man das Werk aber vorsichtiger noch als zeitgeschichtliche Kriegsmonographie einschätzen, die an eine historisch-genetische Beschreibung des Wachstums des Achaimenidenreiches und der gesamten Oikumene an-

schließt!. ‚Bewundernswerte und erinnerungswürdige Taten der Griechen und Barbaren‘

zu überliefern, ist zweifelsohne aber in der Ausdrucksweise der Zeit Herodots schon ein universalhistorisch weitgespanntes Thema, das er in seinem Prooimion vorstellt. Der Gedanke der Einheit der Menschheit, den man in philosophischen Schriften des Protagoras schon im 5. und frühen 4. Jh. angelegt, aber erst in der hellenistischen Stoa voll ausgeprägt findet, zog historiographisch die Konsequenz auch der Einheit ihrer Geschichte nach sich

und könnte Herodot, einen Zeitgenossen des Protagoras, beeinflußt haben?. Nach Mei-

nung Diodors hat Herodot durchaus schon eine Gesamtdarstellung der Geschichte der ihm damals bekannten Welt (abgesehen vom westlichen Mittelmeerraum) versucht?. Aus Sicht der meisten hellenistischen Vertreter des Genus - und nicht zuletzt im Urteil Strabons — gilt jedoch erst Ephoros als der Begründer der Gattung der griechischen Universalhistorie. In unserem Zusammenhang interessiert vor allern das Verhältnis zwischen Kulturgeographie und Geschichte bei Herodot. Diese Frage fübrt auf ein Kernproblem der Herodotforschung, wie man sich die Entstehung und den Grundplan seiner Historien vorstellen soll. Der Vater der Geschichte fügte in sein Geschichtswerk umfangreiche, ethnographisch orientierte Exkurse ein. Bekannt sind seine λόγοι über Ägypter, Perser, Lyder und Skythen. Selbstverständlich hielt Herodot eine möglichst aus Autopsie geschópfte Beschreibung wichtiger Orte des historischen Geschehens für bedeutend, Er unterstrich auch den Wert allgemeiner geographischer und klimatologischer Ausführungen. Ein angeblich dominierendes geographisches und ethnographisches Interesse Herodots an allen Ländern des Acharmenidenreiches und der Kontinente Asien und Libye (Afrika) sowie eine strukturelle Nähe der ersten sechs Bücher der Historien zu den ionischen Periodos-Werken betont daher schon Jacopy. Das zeitgeschichtliche, politisch-militärische und universalhistorische Thema der Gründe für die Perserkriege und ihres Verlaufes set für Herodot erst wáhrend der Arbeit an den Historien durch das Erleben der bewegten Jahre der Pentekontactie und unter dem Einfluß der athenischen Kultur und Politik stärker hervorge-

treten‘, Dieser Einschätzung ist allerdings zu Recht auch deutlich widersprochen worden, indem man die historische Dimension des Gesamtwerkes und die Instrumentalisierung der geographisch-ethnographischen Passagen Herodots im Sinne der Erklärung der

RUN πὸ

geschichtlichen Erzählung betonte. EnBsE untersucht z.B. die ausführlichsten geographisch-ethnographischen Passagen hinsichtlich ihrer Erzáblstruktur und der Stellung innerVgl. BURDE 1974, 10-17. Vgl. zur antiken Menschheitsidee Mour 1928, BaLorv 1965 und ders. 1962, 169-239.

Diod. 11,37,6. Vgl. Jacony 1913, 205-520 (auch in ders. 1956, 77164); zum Verhältnis von Ethnographie und Geschichte bei Herodot siehe das ausgewogene Nachwort von STRASBURGER 1983, 383—465 zur deutschen Übersetzung der Historien Herodots von MARG.

122

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

halb des Gesamtwerkes Herodots?. Diese geographischen Exkurse (über Ägypten, Libyen, die Skythen mit einer Diskussion der Erdkarte und der Erdteile) finden sich in den Büchern 2, 4 und 5 jeweils dort, wo das Perserreich seine größte räumliche Ausdehnung

erreicht oder vergeblich zu erreichen versucht hatte. Formal werden Ausführungen Herodots, die über eine topographische Erklärung des aktuellen Kriegsgeschehens oder der Lage einer Stadt hinausgehen, als Exkurs (oder im skythischen Logos sogar kunstvoll als Exkurs im Exkurs) in den Verlauf der historischen Haupterzählung eingebaut und für diese instrumentalisiert. Die Passagen des 4. Buches über Geographie und Ethnographie der Skythen sind die umfangreichsten in den Historien und daher besonders geeignet, die historische Dimension der geographischen Exkurse Herodots, ihren engen Bezug auf den Skythenzug des Dareios I., zu illustrieren. Dies wird deutlich aus einer Skizze der Disposition des Exkurses und den Interpretationen Erases®. Aus heutiger Sicht gilt auch der

Exkurs Herodots über die Sitten und Bräuche der Perser? als ein frühes Meisterstück der griechischen Ethnographie, das fast alle Standardthemata der späteren hellenistischen Ethnographen schon berührt. Für die Geringschätzung, die Strabon insgesamt Herodot als Vorgänger entgegenbringt, ist es bezeichnend, daß er sich nicht auf dessen klassische Ethnographie der Perser gestützt hat. M nzs und LANziLorTA untersuchen die Einflüsse der ionischen Naturphilosophie auf

das Modell der Erde und die Beschreibung der Länder bei Herodot? Die archaische Periplus-Literatur und die alten ionischen Oikumenekarten beeinflußten Herodots Vorstellung von der Gestalt der Küsten der Mittelmeerwelt und direkt angrenzender Länder noch stark. Sein geographisches Bild von Europa wich aber in einigen Aspekten von der 10nischen Tradition ab?. Sieht man von der unverzichtbaren Erklärung der in Europa gelegenen Schauplätze der Perserkriege ab, so läßt sich das stärkere Interesse Herodots an der Geographie und Ethnographie Asiens und Libyens gegenüber derjenigen Europas kaum übersehen. Für den gesamten Aufbau der Historien waren persische Vorstellungen von der Geographie der Welt rings um das Oikumenereich Dareios I. und die Aufteilung dieses Reiches in Satrapien schr wichtig. Als Alternative zu den frühesten ionischen Rundkarten der Mittelmeeroikumene mit drei Kontinenten gab es wahrscheinlich auch ein abweichendes Modell, in dem die vier großen Völker der Perser, Meder, Saspirer und Kol-

cher das Raumbild des achaimenidischen Weltreiches gliederten!?. 3

EnnsE 1992, 157-179 Appendix: Geographie und Ethnographie.

6

Vgl. EnnsE 1992, 166: Hdt. 4,16-58 behandelt die Beschreibung des Skythenlandes. Sie enthält 4,32— 45 die Diskussion des Hyperborcerproblems und der alten Erdkarten, in 4,36,2 eine Polemik gegen Hekataios und implizit gegen Anaximander, 4,46-58 die großen Flüsse des Skythenlandes, die es von

Norden nach Süden in den Pontos fließend in Streifen gliedern und zusätzlich zur unermeBlichen Weite des Raumes gegen feindliche Angriffe schützen: Istros (Donau), Tyres (Dnestr), Hypanis (Bug),

Borysthenes (Dnjepr), Pantikapes (moderner Name hierfür unsicher), Hypakyris (moderner Name hierfür ebenfalls unsicher), Gerros (Samuri), Tanais (Don), Hyrgis (Donez). Anschließend folgen 4,59-82

die Ethnographie der Skythen, ihre Religion, Kultur und Sitten. Alle diese Informationen werden dem Leser als Hintergrundwissen zum Verständnis des folgenden Zuges des Dareios 4,83-4,144 geboten.

In dessen Beschreibung legt Herodot 4,85,2-86 die Maße des Pontos, 4,99-101 die Längenmaße des

Xo

00-J

Skythenlandes und eine Visualisierung mittels geographischer Figuren, 4,102-117 einen Katalog den Skythen benachbarter Völker und deren Sitten ein. Die Qualität des Skythenlogos Herodots wird bei Busca 1993, 15-28, Levi 1989, 82-107 und Lvz.ov 1990 mit reichem Bildmaterial archäologischer Funde und Verweisen auf neue Literatur bestätigt. Vgl. Hdt. 1,131-140 und zu nichtgriechischen Völkern bei Herodot Nencı 1990.

Mns 1983, 115-134 (= ital. Übers. von ders. 1953, 32-46) und LaNziLLoTrA 1988, 25-27.

AMIOTT 1986, 49-56 und MıLanı 1986, 3-11 zu Belegen über Europa in der antiken geographischen Tradition. Mit Passagen Herodots über Europa und den Europamythos setzen sich auch Polybios und die folgenden hellenistischen Historiker bis zu Strabon auseinander, vgl. Zecchin 1986, 124-134 und

10

zur weiteren Entwicklung der Vorstellungen von Europa auch Fischer 1957, 19-23. Vgl. Hdt. 4,36-42, insb, zu den vier Völkern 4,37.

2. Geschichte und Geographie bei Herodot und Strabons Kritik an Herodot

123

Die persönlichen Reiseerfahrungen des Historikers und Auskünfte seiner Gewährsleute, schließlich die aktuellen hippokratischen Schriften formten seine kulturgcogra-

phischen!! und anthropologischen Auffassungen. Man kann Einflüsse der hippokratischen

Schriften in der Lehre der Verschiedenartigkeit der Rassen und der Vererbung von Eigenschaften sowie der Wechselbeziehung zwischen dem Klima und der Geographie des Lebensraumes einerseits und andererseits der Lebensweise, den sich wandelnden Bräuchen und Sitten der Menschen erkennen. Bestimmte geographische Fachprobleme, die Schon Herodot behandelt hatte, diskutierten die Historiker und Geographen noch bis in die Zeit Strabons weiter, z.B. sagenhafte Völker an den Rändern der bewohnten und zivilisierten Oikumene (die Hyperboreer, die südlichen und östlichen Aithioper, die Amazonen), die Frage der Umschiffbarkeit der Kontinente, insbesondere Afrikas (Fahrtberichte des Sataspes, Skylax und Euthymenes bei Herodot im Auftrage des Dareios und unter

Necho), die Ozeantheorie, die Quelien und der Verlauf der großen Ströme in Europa und

Agypten (besonders der Donau und des Nils} und die klimageographischen und ethnogeographischen Theorien der Schule des Hippokrates. Man könnte schon deshalb in Herodot einen direkten Vorläufer Strabons und in seinen Historien eine wichtige Vorlage der Geographika vermuten, weil Herodot in seinem Werk weitgespannte kulturgeographische, zeitgeschichtliche und universathistorische Interessen verbindet. Aber Strabon schätzt Herodot als Historiker keineswegs besonders hoch und zitiert Herodot trotz dessen Zugehörigkeit zum Kanon der griechischen Historiker nur relativ selten, Als wichtigen Vorgänger erwähnt Strabon Herodot weder im pro-

grammatischen Katalog der berühmten geographischen Vorgänger des Prooimions noch

in der Übersicht zu Beginn des 8. Buches. An einigen Stellen der Geographika beruft sich Strabon mit Namensnennung auf ihn, an anderen nur auf anonyme λόγοι, hinter denen man durch Textvergleiche mit den Historien Herodots aber seine Tradition erkennen

kann’?, Herodoteisches Material hat Strabon oft durch eine jüngere Zwischenquelle, meist 11 12

Siehe CATAUDELLA 1987, 1-2 und 33-57 sowie Mona 1986, 57-67. Vgl. Artuaus 1941 und Pranpı 1988, 52-72, Nach diesen Beiträgen ist die folgende Liste der namentlichen Erwähnungen Herodots in den Geographika erstellt: 14,2,16 C. 656 über Herodot aus Halikarnassos, den man später den Thurier nannic, einen Historiker; 1,2,23 C. 30, 1,2.29 C. 36, 12,2,4 C. 536, 15,1,16 C. 691 über Ägypten als das ‚Geschenk des Nils‘ (nach Herodot 2,5); 1,2,35 C. 43 und 11,6,4 C. 508 Herodot erzähle Fabeln und sei manchmal eine ähnlich unzuverlässige Quelle wie Ktesias,

Hellanikos oder die Indika-Autoren (dazu 2,1,9 C. 70 gegen Deimachos, Megasthenes, Onesikritos

und Nearchosy; 1,3,22 C. 61 Herodot leugnet die Existenz der Hyperboreer, die Strabon anerkennt; 2,3,4 C. 98 und 2,3,5 C. 100 Poseidonios überliefere, daß Herodot von der Umschiffung Afrikas unter Pharao Necho erzähle, die Strabon nicht glaubt; 3,2,14 C, 151 Herodot nenne den Namen des Kónigs Arganthonios von Tartessos (Hdt. 1,163); 6,3,6 C. 282 Herodot erwähnt (7,170) die Stadt Hyria in

lapygien; 7,3,8 C. 301 Herodot erzählt (4,126-127) den Feidzug des Dareios gegen die Skythen und die stolze Antwort des Idanthyrsos; 9,4,14 C. 428 Herodot (7,198 und 200) spricht über den thessalischen Fluß Asopos und eine gleichnamige Schlucht; 10,1,10 C. 448 Herodot berichtet (6,31) über die persische Eroberung Eretrias; 10,3,21 C. 473 Herodot (3,37) erzählt über Kulte für die Kabiren und Hephaistos in Memphis; 11,14,13 C. 531 Herodots Angaben über den Araxes-FluB (1,202) sind nicht

stimmig; 11,14,16 C. 532 und 13,4,7 C. 627 nach Herodot (1,93) über die Tempelprostitution der Lyderinnen in Sardcis; 12,2,3 C. 534 Herodot (1,6,1) über die Gebiete diesseits des Halys und seinen

Flußlauf; 12,3,9 C. 544 Herodot nennt die Kappadoker Syrer (nach Strabon heißen sie auch Leukosyrer); 12,3,20—21 C. 550 Herodot nennt angeblich lügenhafi und geschwätzig verschiedene Stammesnamen, z.B. die Alazonen, Kallipiden und weitere Skythenvölker; 12,8,5 C. 573 über die Termilen, Milyer und Solymer bei Herodot (1,173 und 7,92); 13,1, 59 C. 611 Herodot über Pedasos und die dortige

Priesterin Athenas (Hdi. 1,175 und 8,104); 13,2,4 C. 618 Herodot erzählt die Fabel vom Sänger Arion aus Methymna und seiner Errettung aus der Hand der Seeräuber (Hdt. 1,23f); 13,4,5 C. 626 über den

Hermos und seine Nebenflüsse (Hdt. 1,80); 13,4,7 C. 627 über das Denkmal des Alyattes in Sardeis

(Hdt. 1,93); 14,4,3 C. 668 über die Abstammung der Pamphyler nach Herodot (7,91); 17.1.52. 818819 Herodot (2,28) erzählt angeblich Märchengeschichten über die Quellen des Nils um Syene und

124

II. Geographie und Universathistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Ephoros, Apollodoros, Demetrios, Poseidonios und Kallisthenes vermittelt übernommen.

Methodisch anfechtbar ist aber meines Erachtens die Auf fassung, sámtliche Zitate aus den Historien, die Strabon unter direkter Namensnennun g Herodots macht, ausschlieBlich auf Zwischenquellen zurückzuführen. PRANDI demonstriert an einigen exemplarischen Einzelstellen die Probleme der indi-

rekten Übernahme von Material durch Strabon aus Herodot!4, Dieser beschreibt beispielsweise eine persischen Taktik, das σαγηνεύειν, bei der die Einwohner einer eroberten

Insel oder Stadt systematisch eingefangen wurden, indem man sie vor einer Menschenkette der Perser wie wilde Tiere mit Netzen bei einer Treibjagd in die Enge trieb. Nach

Strabons Notiz haben die Perser diese Taktik auch bei der Eroberung Eretrias angewendet, aber hierüber findet sich im Bericht des Herodot über die Eroberung dieser Stadt kein

Wort. Strabon stützt sich hier wohl auf Ephoros, der den herodoteischen Bericht schon mit späteren Traditionen verschmolz'”, Im 2. Buch der Geographika referiert Strabon mit einem langen Zitat aus Poseidonios alte Berichte über die Urnschiffbarkeit Afrikas von den Notizen Herodots und den Zeitgenossen des Pharao Necho bis zu Eudoxos von Kyzikos im 2. Jh. v. Chr. unter Ptolemaios VIII. Euergetes II. Bei Poseidonios liegt noch der originale Bericht Herodots zugrunde, den Strabon aber hier offenbar nur indirekt über-

nimmt'?, Andere indirekte Herodotzitate übernimmt Strabon aus Kallisthenes!7. Es ist nicht einzusehen, warum man zwischen Kallisthenes und Strabon noch eine jüngere Zwischenquelle einschieben soll, wie dies ALTHAUS und in jüngerer Zeit PEARSON annehmen. Denn Strabon kennt das Werk des Kallisthenes aufgrund seines groBen Interesses für die Taten Alexanders gut 8, Verschiedene nur über Zwischenquellen vermittelte Herodotzita-

te bei Strabon lassen sich also sicher belegen.

ALTHAUS geht jedoch mit seiner Behauptung zu weit, daß sich keine einzige Stelle der Geographika anführen lasse, die eine unmittelbare Lektüre Herodots durch Strabon belegen könne, Herodot war immerhin bis zur Zeit Strabons der nach Ephoros am häufigsten zitierte historische und geographische Prosaautor für die Zeit bis zu den Perserkriegen

und die von ihm behandelten Räume'?. Auch Dionysios von Halikarnassos hat in der augusteischen Zeit das Geschichtswerk Herodots im Vergleich zu dem des Thukydides wieder aufgewertet. Strabon aber kannte und schätzte Dionysios als Autor und möglicherweise sogar als Freund. Für Strabons geringe Wertschützung Herodots spielt es meines Erachtens eine entscheidende Rolle, daß er die Exkurstechnik, mit der Herodot Historie und Ethnogeographie in ein- und demselben Werk ineinander verwoben hatte, zugunsten einer getrennten

Veróffentlichung seiner zeitgeschichtlich orientierten Universalhistorie und seiner geographischen Kommentare verworfen hat. Zwar erfreuen sich auch noch heutige Leser Elephantine; 17,2,5 C. 823 Herodot (2,36) erzählt, wie die Ägypter Lehm mit den Händen, aber Brotteig mit den Füßen kneten.

13

Vgl. grundlegend Auruaus 1941 und ferner Murray 1972, 210 zur geringen Bedeutung und einer angeblich nur indirekten Kenntnis Herodots bei Strabon und Dionysios von Halikarnassos; knapp PRANDi, La Critica 1988, 58 Anm. 23. Vgl. 15,3,13-14 C. 732 und Hdi, 1,131-132; siehe ferner die verschiedenen Versionen über die Gründung Milets und die Leleger in 7,72 C. 321—322, 14,227 C. 661 und 14,1,6 C. 635 sowie Hdt. 1,171,

wo herodoteisches Material aus Ephoros übernommen und mit dessen Erzählung und aristotelischen Politien vermischt worden ist.

I».

Vgl. 10,1,10 C. 447-448 mit Hdt. 6,31 (coynveóetv) und Hdt. 6,101 zur Eroberung Eretrias.

16

Vel. 2,3,4--5 C. 98-100 mit Hdr. 4,42,

18

14,4,3 C. 668; dazu die Interpretationen PRANDIS, La Crítica 1988, 61-64 und derselben 1985. Siehe aber AUTHAUS 1941, 44—45 und Pearson 1960, 45,

1? Siehe 11,14,13 C. 531, 11,14,16 C. 532-533, 13,1,59 C. 611, 13,4,5 C. 625-626, 13,4,7-8 C. 627 und 19

Vgl. RiEmanN 1957.

2. Geschichte und Geographie bei Herodot und Strabons Kritik an Herodot

125

Herodots an seinen elegant in den fortschreitenden Erzählverlauf eingebauten Mythen

und märchenhaften Novellen, aber Strabon kritisiert solche Erzählungen in wissenschaft-

lichen historisch-geographischen Schriften. Im 11. Buch tritt Strabon für eine scharfe Trennung der Bereiche des ἱστορικὸν und des μυθῶδες ein. Das ‚Alte, Erfundene und Wundersame* nenne man nämlich Mythen, während die Historie nach dem ,Wahren' strebe, sei es im Bereich der alten Geschichte oder der Zeitgeschichte. Die Geschichtsschreibung im strengen Sinne lasse das Wundersame als Thema aber gar nicht oder doch höchstens in

wenigen Notizen zu^?, Die Kritik Strabons an Herodots freizügiger Verwendung von

Mythen in der historischen Erzählung wird gleichfalls deutlich, wenn Strabon ibm zusammen mit Hellanikos, Ktesias und anderen Autoren der Indika-Werke nur einen geringen Quellenwert zubilligt?!. Möglicherweise folgt Strabon mit dieser schon von Aristoteles vertretenen Kritik an Herodot auch einem in rómischen Kreisen seit der Zeit Ciceros nachweisbaren Urteil über den ‚pater historiae* als inventor fabularum??, Zu den bewunderten Glanzstücken herodoteischer Exkurstechnik gehórten die Exkurse über die Skythen und Ägypten. Gerade für diese beiden Regionen aber glaubt Strabon durch aktuellere Quellen den neueren Siedlungsverhältnissen in der beimatlichen Pontos- und Krimregion besser Rechnung tragen oder gar in Ägypten aus Autopsie auf Herodots Beschreibung verzichten zu kónnen.

Man kónnte einwenden, daf vielleicht Herodot ausschlieBlich zu den in der Lebenszeit Strabons schon als kanonisch geltenden Historikern zählte und daher nicht unter den geographischen Vorgüngern im Prooimion zu Büchern 1 und 8 der Geographika aufgeführt werde, aber dieser Überlegung widersprechen die Namen des Ephoros, Polybios und Poseidonios, die Strabon zugleich als große Historiker und Geographen gelten. PRANDI weist zu Recht auf die im Prooimion der Geographika? deutliche Hochschätzung für die alten ionischen Geographen Anaximander und Hekataios hin. Sie bilden mit Homer die erste der drei chronologisch geordneten Gruppen der griechischen Geographen. Eben diese alten ionischen Geographen, ihre teils noch auf Homer zurückgehenden Kosmosmodelle und inzwischen veralteten Rundkarten der Oikumene aber hatte Herodot scharf getadelt. Auch die relativen Größenverhältnisse der Kontinente und ihre Form hatte er deut-

lich abweichend von den alten Ioniern beschrieben**,

Es folgt als zweite Gruppe im Prooimion der Geographika die Reihe der ,Klassiker‘ mit Demokrit, Eudoxos, Dikaiarchos und Ephoros. Den Abschiu der ‚philosophischen‘ Geographen bilden die modernen‘

Autoren und Verfasser der wichtigsten Werke, auf

denen Strabon aufbaut, mit denen er sich aber auch systematisch kritisch auseinandersetzen will, Eratosthenes, Polybios und Poseidonios. Indem nun Strabon einen großen Teil seiner ersten beiden Bücher der Kritik an Eratosthenes widmet, wird zugleich die ähnliche ältere Kritik Herodots an den Begründern der Geographie, Homer und den alten Ioniern, zurückgewiesen. Aus der ehrfurchtsvollen Hochschätzung der ältesten Geographen durch Strabon und seiner Gegnerschaft zu Eratosthenes erklärt sich also gleichfalls seine erstaunliche Zurückbaltung gegenüber den Historien Herodots. In der Traditionslinie der geographischen und historiographischen Autoren sieht sich Strabon als direkten Fortsetzer des Polybios. Dieser hatte jedoch Thukydides wesentlich 20 21 22 23

24

"Vgl 11.5.3 C. 504. Vgl. 1,2,35 C. 43 und 11,6,3 C. 508 mit Kritik Surabons an der Zuverlässigkeit Herodots, des Ktesias und des Hetlanikos; zu den lrndika-Werken siche auch 2,1,9 C. 70. Vgl. z.B. Cic. leg. 1,5 und Cic. div. 2,116. Vgl. 1.1.1 C. 1-2 und Pranni, La Crítica 1988, 54f. Diese Hochschätzung wird auch in der Geschichte der Oikumenemodelle und -karten in 1,1,11 C. 7 erkennbar.

"Vgl. Hdt. 4,36; prüziscre Notizen ebd. 5,52-54.

126

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfingen bis Strabon

näher gestanden als Herodot?, wenngleich Polybios Herodot nicht so offen kritisierte wie Strabon. Die kritische Distanz schon des Polybios gegenüber Herodot erklürt zum Teil auch die Einschätzung Strabons. Wenn Strabon im 14. Buch in seiner Beschreibung Kleinasiens zur Stadt Halikarnassos, der Heimat Herodots, gelangt, führt er diesen nur lakonisch als Historiker ein, der an

der Gründung der athenischen Kolonie Thurioi teilgenommen habe, ohne daß ein offen lobendes Wort über Werk oder Person Herodots füllt, Pranpı weist auf den vielsagenden Gegensatz zur freundlichen und lobenden Vorstellung des Ephoros unter den Honoratio-

ren und Berühmtheiten Kymes hin?7. Man könnte auch das persönliche Lob für Poseldonios oder für Theophanes durch Strabon anführen, um den Gegensatz zur Geringschätzung Herodots klarer werden zu lassen. Die teilweise sogar heftige Kritik Strabons an Herodot wird deutlich an zwei Stellen, an denen er ihn zum Thema der nórdlichsten

Skythenstámme?? und der Nilüberschwemmungen? mit dem harten Vorwurf der lügen-

haften Geschwätzigkeit abfertigt. Strabons Geringschätzung des Herodot erklárt sich also

aus verschiedenen Motiven. Eine nur vordergründige Gemeinsamkeit zwischen Herodot

und Strabon in der Verbindung von geographischen und historischen Interessen darf nicht über ihre tiefgreifende Differenzen im methodischen Selbstverstündnis, in ihrer Auffassung vom Verhältnis der Geographie zur Universalhistorie und in den mit ihren Werken angestrebten Zielen hinwegtáuschen. Es führt keine direkte Linie von Herodot zu Strabon.

25 26

Siche Rıemann 1957 und MoMiGuiANO 1958, 1-13 (auch in ders. 1966, 127-142). 142,16 C. 656. 13,3,6 C. 622-623 und dazu Pranot, La Critica 1988, 55 und Anm. 10 mit Hinweis auf PRANDI, Srrabone 1988, 50-60.

28

Skyıhenstämme: 12.3,21 C. 550.

29

Nilüberschwemmungen und Nilquellen: 17,1,52 C. 819.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universathistorie

3. EPHOROS

127

ALS BEGRÜNDER DER GRIECHISCHEN UNIVERSALHISTORIE

1. ,Universalhistorie* im griechisch-römischen Verständnis

Eine Universalhistorie im modernen Sinne einer historischen Erzählung von allem, was sich unter den Menschen überall und zu allen Zeiten ereignet hat, hat niemand von den

griechisch-römischen Historikern in Angriff genommen. Alle antiken Universalhistoriker konzentrieren sich aus Rücksicht auf das Weltbild, das Interesse und den Nutzen ihrer

Leser auf den Raum der Mitteimeeroikumene und die nächsten angrenzenden Regionen!. In der Antike gilt allgemein Ephoros mit seinen Historien als Begründer der Universalhistorie, die der Kymeer als eine große Sammlung von Anschauungsmaterial zur Erziehung der Leser konzipiert. Ihm folgen Polybios mit einer Entwicklungsgeschichte der römischen Weltherrschaft und einer Materialsammlung für deren Beurteilung, Poseidonios mit einer auf psychologisch-philosophischen Lehrmeinungen gegründeten Universalhistorie, Diodor, für den die Universalgeschichte die adäquate historiographische Form der Kosmopolis und ebenfalls eine riesengroße moralische Beisptelsammlung ist, schließlich Timagenes, Strabon und Nikolaos, die sie als einzig angemessene Beschreibungsform des augusteischen Oikumenereiches wählen, und Trogus, der die Universalgeschichte als Abfolge von Weltreichen in der teleologischen Orientierung auf Roms Weltherrschaft akzentuiert. In der bisherigen Forschung ist nun unter den hellenistischen und augusteischen Universalhistorikern vor allem Strabon kaum angemessen gewürdigt worden?.

Die Historiker der hellenistischen Epoche verwenden verschiedene Umschreibungen für das Genus der ,Universalhistorie* oder ‚Weltgeschichte‘: In griechischen Werken meistens τὰ καθόλου, τὰ παρὰ πᾶσι γεγονότα, αἱ κοιναὶ τῆς οἰκουμένης πράξεις, καθολικὴ καὶ κοινὴ ἱστορία, in lateinischen res gestae omnium saeculorum, res gestae (oder

historia) regum nationum populorumque. Die polybianische Formulierung καθολικὴ καὶ κοινὴ ἱστορία kommt wohl unserem heutigen Verstündnis am nächsten. Polybios lobt Ephoros als einzigen echten Vorgänger in der Universalhistorie (τὰ καθόλου γράφειν). Diodor umschreibt das neuartige Thema der Historien des Ephoros als Beschreibung der allgemeinen politisch-militärischen Ereignisse und Taten (γράφειν τὰς κοινὰς πράξεις)", der Taten der Hellenen und Barbaren (πράξεις τὰς te τῶν Ἑλλήνων καὶ βαρβάρων)" oder der allgemeinen politisch-militärischen Taten (τὰς κοινὰς πράξεις). Strabon schließlich spricht an einer gattungsgeschichtlich akzentuierten Stelle in einem Atemzuge mit Poly-

|

Der Begriff der Universalhistorie, den BüpiNGER 1895 verwendet, ist zu ungenau, Unter bedeutenden

deutschsprachigen Althistorikern des 20. Jh. haben sich zur Definition der Universalhistorie mit Bezug auf die Alte Geschichte u.a. Meyer 1913, insb, 198-200, VocT 1961, Vrrrivogorr 1969, 17-27, (Dis2

kussion 27—40) und Heuss 1968 geäußert, Thukydides und Tacitus widmet Bopinger 1895 als angeblichen Universalhistorikern breiten Raum, während sich Strabon oder Nikolaos von Damaskos mit knappen Hinweisen (in Anmerkungen und 194f) begnügen müssen. Unter die Nachfolger des Polybios rechnet er zwar Agatharchides und Poseidonios, nennt aber Strabon nicht (103-111); nützlicher ist eine Studie von BREEBART 1966, 1-21 (auch in: ALoNso-NüREz 1991, 39-62); BurDe 1974, 7 beschränkt sich auf Studien zu Herodot, Ephoros, Polybios, Poseidontos, Diodor und Trogus, weil von der Konzeption der übrigen Universalhistoriker,

CN

Vn

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also auch von Strabon, wegen der fragmentarischen Überlieferungslage kein klares Bild mehr zu gewinnen sei. Der Historiker Strabon wird auch bei ALoNso-NURrEZ 1990, 191 zu knapp behandelt, Vgl. Ephoros FGrHist 70 T ? = Pol. 5,33,2. Vgl. ebd. T 8 = Diod. 4,1,2. Vgl. ebd. T 10 = Diod. 16,76,5. Vgl. ebd. T 11 = Diod. 5,1,4.

128

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

bios von Ephoros als Verfasser eines allgemeinen Werkes über die Geschichte (einer kot-

vn τῆς ἱστορίας γραφή)".

Polybios und Diodor* grenzen ihre Universalhistorien von den Landes- und Lokalgeschichten und Darstellungen der griechischen Zeitgeschichte, den Hellenika-Werken, so ab, daß die Universalhistorien geographisch möglichst umfassend sein und thematisch Ereignisse bei möglichst vielen Völkern der Oikumene zum Inhalt haben sollen. Der geographisch tendenziell oikumenische Aspekt wird also schon in der antiken hellenistischen

Definition der Universalhistorie betont und nicht erst in modernen Untersuchungen an diese antike Gattung herangetragen. Offener als der geographische ist dagegen der zeitliche Rahmen der Universalhistorie, die zwar immer bis knapp vor oder in die eigene Lebenszeit des Historikers führt und einen zeithistorischen Schwerpunkt setzt, aber unterschiedlich weit in die Vergangenheit zurückreicht.

Als zeitliche Anfangspunkte zumindest der Hauptteile der Ereignisgeschichte wählt

man in der Tradition der Hellenika-Werke gerne den Endpunkt des Werkes des letzten Vorgängers der Gattung, den Beginn der griechischen Frühgeschichte (des spatium hi-

storicum) mit den markanten Ereignissen des Kampfes um Troja oder der Rückkehr der Herakliden, den Beginn der mythischen Geschichte der griechischen Sagenkreise oder gar die Anfänge der altorientalischen Reiche (z.B. Nikolaos von Damaskos, Pompeius Trogus). Die Erschaffung der Welt und der Beginn der Menschheit sind zwar schon im 4. Ih. v. Chr. bezeugte, aber später besonders in der jüdisch-christlichen Weltgeschichte beliebte Anfangspunkte.

Keiner der heidnischen griechisch-römischen Universalhistoriker ist jedoch in der Auffassung der Weltgeschichte vom Anfang der Welt sogar bis zur Beschreibung ihres zukünftigen Endes so weit gegangen wie — nach Anregungen durch die Weltreichslehre des Augustinus in De civitate Dei libri XXII - ihr christlicher Nachfahre Otto von Freising in seiner Chronica sive historia de duabus civitatibus aus dem 12. Jahrhundert. Denn Otto beschrieb in seinem achten und letzten Buch sogar noch die Ereignisse der zukünftigen Endzeit, des jüngsten Gerichtes und des Endes des irdischen Staates überhaupt. Das

zukünftige Weltende und damit das Ende aller Geschichte bleibt der heidnischen, griechisch-römischen Universalhistorie als Thema fremd. Ähnliche Gedanken finden sich allerdings schon im Buch Daniel des Alten Testaments oder in den Untergangsprophezeiun-

gen gegen Rom aus dem 2. Jh. v. Chr., die historische Ereignisse mit Entwürfen der Apo-

kalypse verknüpfen'®. Dieses Thema wird in der heidnischen griechisch-römischen Antike eher von Philosophen und Dichtern als von Universalhistorikern behandelt. Jene benutzen in ihren Werken dabei drei bekannte Schemata der Periodisierung mythischer und

historischer Ereignisse, die erstaunlicherweise bis in die augusteische Ára keiner der be-

kannten Universalhistoriker verwandt hat!!. Das erste Schema postuliert die Abfolge der Geschichte der Menschheit nach einzelnen saecula oder aetates, die nach Metallen benannt sind, und reicht bis in die Gegenwart

des jeweiligen Autors. Es wird meist mit einer kontinuierlichen Dekadenztheorie, nur

De

selten mit zyklischen Modellen verbunden. Dies eröffnet jedoch die Möglichkeit, das auVgl. ebd. T 12 2 8,1,1 C. 332. Vgl. beispielsweise Pol. 5,33,3f und Diod. 1,3,1-2.

10

Vgl. Fuchs 1964, 20ff und 58tf und Doren 1927, 167-174 (zu Rom) und 172f (über apokalyptische

il

Ausg.: LAMMERS mit einer Übersetzung von Scuwipr 1980 (mit guter Einleitung); siehe auch mehrere Beiträge in LAMMERS 1961 (ND 1984) und allgemein zu Funktion und Formen mittelalterlicher ‚Weltchronik' und ähnlicher Gattungen von den BRINCKEN 1957 und SCHMALE 1993, insb. 105—123. Erlösungsgedanken); dieser greift weit über die antiken Weltreichs- und Weltalterlehren hinaus; siehe ferner Herz 1991, 67-88. Vgl. MomiGLiano 1982, 533-560.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

129

reum saeculum wieder zu erneuern. Diese Abfolge nach bestimmten saecula oder aetates bildet seit der frühgriechischen Epik Hesiods einen beliebten Leitgedanken von Dichtungen und philosophischen Werken. Sie stellen weltgeschichtliche Entwürfe außerhalb der Historiographie dar. Es fehlt jedoch bis zum Buch Daniel der Bibel die Verknüpfung kennzeichnender Metalle mit einzelnen historischen Weltreichen und historischen Ereignissen. Keiner der hellenistischen Universalhistoriker, die ihre Geschichtswerke durch die Abfolge von Hegemonien oder führenden Reichen strukturieren, hat eine Abfolge der Geschlechter mit bestimmten historischen Zäsuren dieser Weltreiche verknüpft. Das organisch-biologische Geschichtsmodell, nach dem in Analogie zu einem individuellen Menschen auch Städte, Staaten und sogar die gesamte Welt eine Entwicklung vom Kind zum Greis durchlaufen sollen, ist in Dichtung und Philosophie als ein zweites Schema ebenfalls verbreitet. Es findet sich als Gliederungsprinzip von Universalhistorien

aber erst in der stark rhetorisch beeinfluBten Epitome des Florus im 2. Jh. n. Chr. Dieser

führt die organische Geschichtsmetaphorik nur bis in die frühe Prinzipatszeit an das Ende des ,,Mannesalters" Roms. In seiner eigenen Lebenszeit glaubt Florus jedoch eine erneute Verjüngung, die durch die segensreiche Herrschaft Traians hervorgerufen worden sei, zu

erkennen!?. Auch bei Florus fehlt aber noch eine eindeutige und ausdrückliche Gleich-

setzung der Lebensstufen der rómischen Geschichte mit dem Lebensalter der gesamten Weltgeschichte. Zwischen den pessimistischen Konsequenzen einer solchen LebensalterMetaphorik und dem Glauben an die Roma aeterna klafft schon seit dem 1. Jh. v. Chr. in Schriften der Historiker und Philosophen Roms ein spannungsreicher Widerspruch, den Ciceros trotzig-patriotischer und der Selbstvergewisserung gegen erste Zweifel dienender

Satz „nullus interitus est rei publicae naturalis ut hominis ? andeuten mag. Erst christ-

liche Autoren der spáteren Kaiserzeit führen in Analogie zu bestimmten Philosophen die

Gleichsetzung der senectus Romae mit der senectus totius mundi konsequent als Glie-

derungsschema der Universalhistorie durch.

Ein drittes Epochenschema findet man in der Dichtung und Prosaliteratur, besonders oft in philosophischen Schriften der Epikureer. Die Geschichte der Welt und der Menschheit entwickelt sich hiernach von primitiven und barbarischen Anfängen bis in die Gegenwart des jeweiligen Autors durch eine Serie von kulturbringenden Segenstaten einzelner Götter oder Heroen zu immer höheren Stufen der Zivilisation. Diese von einem zivilisatorisch-technischen Fortschrittsgedanken'? geprägte Entwicklung wird auch in der Zukunft andauern. Unter Universalhistorikern des Hellenismus findet sich die bedeutendste Spur dieses Fortschrittsdenkens im 1. Buch der Historischen Bibliothek Diodors. Das Schema hat aber für den Hauptteil seiner Universalhistorie keine überragende Bedeutung mehr. Außer Diodor hat vermutlich kein hellenistischer Universalhistoriker sein Werk auf einem ungebrochenen Fortschrittsglauben aufgebaut. Bei Polybios, Poseidonios und Strabon wird der Glaube an cine unbegrenzte kulturell-zivilisatorische Hóherentwicklung der Menschheit durch die Bedenken ihrer stoischen Philosophie und die Kreisiauftheorien der Verfassungslehre eingeschránkt. Die Meinungen des Trogus und Nikolaos lassen sich in diesem Punkt nicht mehr sicher fassen. 12

Flor. praef. 4-8. Zum Vergleich dieser Auffassungen mit geschichisphilosophischen Konzeptionen von Kreislauf und Wiedergeburt bei Seneca und Lukan vgl. BRACHER 1987, 274—289 und ALonso-

]3 I4

NüRzz 1982. Cic.rep. 3,34; vgl. zu ähnlichen Beispielen organischer Metaphorik DEMANDT 1978, 36-45. Vgl. MOMIGLIANO 1982, 538—39 und zur Vorgeschichte der Weltalterlehre bei Augustinus und anderen

15

christlichen Autoren auch Schwarte 1966, 43-57 und ScuwanL 1975, 783-850. Zum Fortschrittsgedanken in der Antike siche MoMiGLtANO 1982, 538-542, EpELsTEIN 1967, Dopps

1977, NisBEr 1980, Meier 1975 (ND 1979), 353-363.

130

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Alle hellenistischen Universalhistorien haben politische und militärische Geschichte zum Hauptthema: die πράξεις. Kulturgeschichte wird meist in Exkursen abgehandelt. Sie bleibt primär ein Mittel, bestimmte Lehren einzelner Philosophenschulen anhand historischer exempla zu illustrieren. Deshalb findet sie sich auch am stärksten berücksichtigt,

wenn Philosophen (z.B. Theophrast, Dikaiarchos!$ oder Poseidonios) historische Werke

verfassen oder philosophisch gebildete Universalhistoriker (z.B. Agatharchides und Strabon) zugleich bedeutende Geographen sind. Auch einige jüdische oder phoinikische Schriftsteller, z.B. Artapanos im 2. Jh. v. Chr. und Philon von Byblos im I. Jh. v. Car. vertreten in ihren historischen Werken eine eigenstündig akzentuierte Kulturentwicklungslehre. Umstritten ist die gattungsgeschichtliche Abtrennung der Universalhistorien von den Hellenika-Werken. Jacosy nimmt beispielsweise keine Trennung der zeitgeschichtlichen Monographien und des Hellenika-Typus von der in die Vergangenheit hin erweiterten hellenischen Universalhistorie seit Ephoros vor, „weil ein Wesensunterschied zwischen

ihnen nicht empfunden worden ist und auch tatsächlich nicht besteht". Denn auch in der

griechischen Universalhistorie sei stets der zeitgeschichtliche Abschnitt nach Umfang und Bedeutung für das Werk der wichtigste. Diyllos habe die Universalhistorie des Ephoros wie ein normales Hellenika-Werk in der Tradition der historia perpetua fortsetzen können, ohne das einschneidend Neue der ephorischen Universalhistorie schon zu erkennen. Die Entscheidung des Isokratesschülers!? Ephoros und seiner rhetorisch ausgebildeten hellenistischen Nachfolger für die neue Universalhistorie sei letztlich dem Wunsch ent-

sprungen, die gesamte Geschichte in einem einzigen, stilistisch-sprachlich einheitlichen

Werk statt in mehreren Werken im unterschiedlichen Stil und durch verschiedene Autoren dargestellt zu finden. Nach Jacosvs Meinung werden dagegen weder Ephoros noch seine Nachfolger bis zu Polybios durch ihr Thema selbst oder historiographisch-geschichtsphilosophische Überlegungen zu der Wahl der neuen Form der Universalhistorie geführt”. Schon für die Historien des Ephoros móchte man allerdings an dieser Einschätzung zweifeln. Erst recht aber muß man die späteren Universalhistorien des Polybios sowie seiner Fortsetzer Poseidonios und Strabon gattungsmäßig deutlich von den Hellenika-Werken unterscheiden. Denn ihnen geben die Entstehung und die spátere Existenz der rómischen

Herrschaft über die Oikumene mit ihrem Hauptthema unausweichlich den Raum des Geschehens und die Form der universalhistorischen Darstellung vor. Nicht der bloße

Wunsch nach stilistisch-sprachlich einheitlicher Darstellung oder ein abstrakter geschichtsphilosophischer Entwurf lassen die Gattung der Universalhistorien im 2. und 1. Jh. v. Chr. zu ihrer vollen Ausprügung gelangen, sondern die historischen Ereignisse selbst. Denn 16

Vgl. zu den Fragmenten des Dikaiarchos Weurus, Heft I, 1967. Dikaiarchos, etwas jünger als Theo-

phrast, lebte in der ersten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. Er war ein literarisch sehr produktiver peripatetischer Philosoph und Verteidiger des Bios πρακτικός als eigentlicher philosophischer Lebensform, ein Bio-

graph und Verfasser einer Kulturgeschichte Griechenlands mit dem interessanten Titel Leben von Hellas in drei Büchern (Bios Ἑλλάδος Fr. 47-66 Wehrti), außerdem einer für Strabon wichtigen geographischen Fachschrift (Fr. 104—115 Wehrli). Bonet Gicuiom 1986, 629-652 und ALoNso-NUREz 1997, 53-37 analysicren die kulturgeschichtlichen, philosophischen und zivilisationskritischen Positionen

des Dikaiarchos im Bios Hellados, seiner Kulturgeschichte von Griechenland, die zum Vorbild für ein gleichnamiges Werk des Iason von Nysa (Suda I 52 s.v. Ἰάσων), des Enkels des Poseidonios und

Erben sciner Schule auf Rhodos, und für Varros De vita populi Romani wurde. Der starke Einfluß der

aristotelischen Lehren auf die historiographische Konzeption des Dikaiarchos ist noch in den erhalte17 18

19

hen Fragmenten erkennbar, Jacosv 1956, 42 und ähnlich im Kommentar zu Ephoros FGrHist 70. Ephoros wird häufig als Schüler des Isokrates genannt, vgl. u.a, Ephoros T 1 aus der Suda und T 2a aus 13,3,6 C. 622-623; ferner T 2b-c, 3a-c, 4, 5,

Vel. Jacogv 1956, 43 Anm. 75.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

131

die zeitgenössischen Historiker erleben und beschreiben zunächst die Blüte und den Zerfall der Nachfolgestaaten des Alexanderreiches und dann den Aufstieg und die Etablierung der römischen ‚Weltmacht‘ bis in die Zeit des Augustus. TAUBLER bemüht sich in einer anregenden Studie darum, die Universalhistorie von ihrer historischen Anschauungsform her präziser zu erfassen. Seiner Meinung nach liegt in der Ausweitung und Vervielfältigung der geschichtlichen Zusammenhänge eine nur

additive Steigerung, nicht eine qualitative Veränderung der historiographischen Form.

Echte Universalhistorie beschränke sich dagegen thematisch auf das, „was seinem Wesen

nach universal ist oder universal wirkt'?!, Religionen, philosophisch-naturwissenschaftli-

che Weltbilder und grundlegende psychologische und biologische Triebkräfte des Menschen versteht TAUBLER als solche universal wirksame Krüfte. Das Spezifikum der Universalhistorie liege also in der nur auf das Universale hin ausgerichteten Betrachtung. Diese muß häufig gerade über Jahrhunderte oder weiteste Räume hinweg Parallelen und Gegensätze heranziehen, um ihr Thema behandeln zu kônnen. Jede solche Darstellung sei aber dadurch ihrerseits perspektivisch eingeschrünkt und bedürfe der Ergänzung durch

viele einzelne Landes- und Spezialgeschichten, um ein annähemdes Vollbild einer Epoche bieten zu können. TÄUBLER betont nun, daß von Herodot bis zu Polybios ein gemeinsames teleologisches Prinzip der Universalhistorie eine gewisse Einheit und innere Form gegeben habe. Diese habe sich aber bei den Nachfolgern des Polybios verloren. Deshalb sei die Universalhistorie zwischen Polybios und den christlichen Universalhistorikern der Spätantike, vor allem lulius Africanus, Hippolytos und Eusebios, lediglich „zu einem enzyklopädischen Inventar“ hinabgesunken, sei dieses nun synchronistisch (bei Diodor)

oder ethnographisch (bei Trogus) strukturiert". Die Idee der Abfolge der weltbeherrschenden Reiche (translatio imperii-These) biete keinen Ersatz für eine echte Teleologie. Aus der Sicht aller nachpolybianischen Universalhistoriker hat diese Idee der Abfolge der Reiche jedoch sehr wohl einen zentralen teleologischen Aspekt. Sie alle fassen nämlich Roms Weltherrschaft aus unterschiedlichen Gründen als Endpunkt der historischen Entwicklung auf. MoMtGLtANO hat deshalb zu Recht die Gliederung der Universalhistorien anhand der vorherrschenden Hegemonialmächte und der Abfolge der Weltreiche bis auf Rom als den verbindenden Leitgedanken der antiken heidnischen Universalhistoriker auch nach Polybios bezeichnet.

BurDE und BREEBART? bestreiten, daß es einen historisch-politischen Leitgedanken gebe, der die Historien des Ephoros zu einer homogenen Weltgeschichte verknüpft hätte. Doch es findet sich ein solcher in der Überlegung des Ephoros, daß Aufstieg und Fall

eines Staates stärker von der παιδεία und dem ἦθος seiner Bewohner und Staatsführer abhängen als von natürlichen Ausgangsbedingungen oder einer zeitweiligen militärischen Überlegenheit. Diesen Gedanken illustriert Ephoros bekanntlich an der kurzfristigen Hegemonie Thebens im 4. Ih. v. Chr. unter Epaminondas und ihrem Zusammenbruch. Die

politischen Handlungen bestimmter Personen, Städte und Völker werden nicht nur von Ephoros als neutralem Chronisten verzeichnet, sondern fortlaufend moralisch bewertet. Die Universalhistorie des Ephoros

stellt ihren Lesern nachahmenswerte

oder ab-

schreckende Beispiele vor Augen. Die Genese und Geschichte der Ausbildung der grie-

chischen Staatenwelt mit der Konstante der spartanischen Hegemonie von der Zeit der lykurgischen Gesetzgebung bis zur Schlacht von Leuktra?! bildet ein weiteres Leitmotiv des Ephoros, 20 21 22

23

24

TAUBLER 1926, 1-16, insb. 6-7. Ebd. 10 und erneut 15. Ebd.4.

Bunrpe 1974, 17-25 und BREEBART 1966, 1-21.

Vgl. 85,5 C. 365-366 = Ephoros F 118 sowie 9,2,2 C. 400-401 = Ephoros F 119 über die Hegemonie Spartas und Thebens Aufstieg.

132

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

2. Oikumenegeographie und Universalhistorie in den Historien des Ephoros Polybios sieht unter seinen Vorgängern nur Ephoros aus Kyme als Verfasser einer Universalhistorie an?, Seinem Urteil stimmt auch Strabon zu. Weil die Historiai des Ephoros für alle folgenden Universalhistoriker bis zu Strabon ein Modell darstellen, mit dem sie sich auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen, seien hier einige Bemerkungen über Leben und Werke des Archegeten der Universalhistorie vorangeschickt. Über die Biogra-

phie des Ephoros sind wir nur schlecht unterrichtet?®. Er wurde in den Jahren zwischen dern Ende des Peloponnesischen Krieges und dem Kónigsfrieden geboren und starb wohl bald nach 330 v. Chr. in der Zeit Alexanders des Großen. Als Politiker und Feldherr hat er keine bemerkenswerte Karriere gemacht, sondern verkórpert den Typus des bürgerlichen Literaten und Gelehrten der spátklassischen Polisstaatenwelt. Für das häufig bezeugte Schülerverhältnis zu Isokrates finden sich im Stil seiner Werke und in der biographischen Tradition viele Belege. Abgesehen von einigen bekannten Orten Griechenlands und der griechischen Agäisregion, die er besuchte, hat Ephoros keine nennenswerten Forschungs-

reisen unternommen. Er verfaßte neben seinem Hauptwerk, den Ἱστορίαι, noch weitere kleinere Schriften. Bezeugt sind eine Geschichte seiner Heimatstadt Kyme mit stark 1o-

kalpatriotischen Akzenten, der Ἐπιχώριος, in der er Homer als frühen Sohn Kymes vereinnahmen wollte", eine isokrateische rhetorische Fachschrift Περὶ λέξεως und ein in der Tradition der kulturgeschichtlichen Interessen der Sophisten stehender Traktat über

Erfindungen: Περὶ εὑρημάτων", Das Hauptwerk des Ephoros sind die Historien in dreiBig Büchern. Mit dieser Universalhistorie knüpft er zeitlich an die Darstellung der mythischen Zeit in den Epen und Genealogiai-Werken an. Sein Thema ist „die gesamte innere

und äußere geschichte des griechischen volkes im mutterlande und den kolonien; dazu die der barbaren im osten und westen, soweit sie mit den Griechen in berührung kamen; denn die geographischen und naturwissenschaftlichen interessen der Ionier fehlen E ebenso

vollständig wie das verständnis für die naturhafte bedingtheit der menschen'??. Ephoros hat vermutlich vom Ende der 350er Jahre bis kurz nach 330 v. Chr. an seiner Universalhistorie gearbeitet. Über das exakte Jahr, in dem er mit den Historien begonnen hat, und 25

Vgl. Pol. 5,332 = FGrHist 70 T 7.

26 Vgl. FGrHist 70 und die Kommentare ΠΟ 22-24; Suda E 3930 s.v. Ἔφιππος = T 1 ist für die ErschlieDung der Geburtsdaten und die ἀκμή des Ephoros keine zuverlässige Basis; in der Forschung werden Geburtsdaten zwischen ca. 408 und 376 v. Chr. vorgeschlagen. Strabon beschränkt sich auf eine knap-

pe Erwähnung des Ephoros im Honoratiorenkatalog zu Kyme, 13,3,6 C. 622-623 = T 2a. Die meisten Zeugnisse (T 1-34) bei Jacopy betreffen die bekannte Tatsache, daß Ephoros ein Schüler des Isokrates

war. Andere behandeln einen Vergleich des Ephoros mit Theopomp oder Stilfragen der Sprache des

Ephoros. Über Leben und Werke des Ephoros siehe Schwartz 1907, 1-16 (auch in ders. 1957, 3-26), ferner die Kommentare JAcosys

27

zu FGrHist 70 im Band UC 1926 (ND 1963); Barëer bleibt die gründlichste Monographie (eine erweiterte Neuauflage dieses Werkes hg. von Micier 1935 1993 war mir nicht zugänglich); zur Werkükonomie und der Geschichtsschrei bung κατὰ γένος siehe Drews 1963, 244—255, Scuerens 1977, 95-118 und VaNNICELLI 1987, 165-191.

Vgl. F 1; Kyme spielt im Ἐπιχώριος und in den Historien gleichermaßen eine wichtige Rolle. Der Lokalpatriotismus des Ephoros bot u.a. Strabon billige Gelegenhe

ihn lächerlich zu machen. Ephoros während des Berichtes über wichti ge Ereignisse in seiner it, Universalhistorie nichts ErzáhlenAls s-

wertes über Kyme einfiel, fügte er die Bemerkung ein, daB dessen Einwohner zu dieser Zeit Ruhe gehalten hätten: 13,3,6 C. 622-623 = F 236, Dic auffälli ge Bedeutung Kymes ist jedoch auch Indiz für

die Verknüpfung von lokal- und universalhistorischen Interessen. Die Lage und historischen Erfahnın-

gen der äolischen Griechenpoleis am Rand des Perserreiches förderten die ökumenische Perspektive

28

va Ephoros wohl stärker, als man bisher meinte (vgl. BReGLIA Puzci Doria 1996, 41-55).

29

Vel,ebd. F2-5, nach 13,3,6 C. 622-62 3=T 2a keine bloße Kompilation aus den Historien. In Ephoros T 33d (Plin. nat. 1,7) wird eine ἀντιγρ αφή des Straton gegen diesen Traktat erwähnt. Jacony in FGrHist 70, IIC p. 25,

30

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

133

die wichtige Fragen, ob bestimmte Bücher schon zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wur-

den, Kann man heute keine Klarheit mehr gewinnen?!.

Er beginnt seine Erzählung mit der Eroberung Trojas und der ‚Rückkehr der Herakliden‘, d.h. der dorischen „Eroberung“ der Peloponnes, und führt sie in dreißig Büchern bis

auf seine Gegenwart hinab. Das Werk setzt also ungefähr mit dem Jahre 1069 v, Chr. ein und solite möglicherweise bis zum Beginn des Alexanderzuges 334 (oder seiner Nieder-

werfung des Perserreiches 331?) als Epochengrenze reichen??, Aber weil Ephoros sein Werk unvollendet hinterließ, wissen wir nicht, welchen Endpunkt er schließlich angestrebt hat. Sein Sohn Demophilos ergänzte das 30. Buch der Historien über den Verlauf des Dritten Heiligen Krieges von 357/6-346 v. Chr., nachdem Ephoros selbst nur bis zum 29. Buch und an einer Stelle vorausgreifend zur Belagerung von Perinth 341/40 v. Chr. gelangt war”. Die späteste sicher bezeugte Nachricht aus den Historien betrifft damit ein Ereignis von nur sekundärer Bedeutung, das als Schlußpunkt einer Universalgeschichte

ganz ungeeignet ist?“.

Ephoros' Entscheidung, die griechische ‚mythische‘ Vorzeit und die Geschichte der ägyptischen und babylonischen Großreiche nicht in seine Universalhistorie zu integrieren, kennzeichnet sein Werk. Sie erklärt sich aus dem veränderten Interesse des Autors an Mythen. Den rhetorisch-sophistisch gebildeten Historiker des 4. Ih, interessieren aus den tradierten Sagenkreisen vorwiegend noch Notizen zu ἀποικῖαι, κτίσεις und συγγένειαι der Städte. In seiner Behandlung der frühgriechischen Kolonialzeit, der Städtegründungen und der mythisch-politischen Verwandschaftsbeziehungen der Stämme und Städte untereinander behält das Werk des Ephoros dann auch noch in der Zeit des Polybios und Strabon autoritative Geltung”. Ein geographisches und zugleich antiquarisches Interesse bestimmt wesentlich den zeitlichen Beginn der Universalhistorie des Ephoros°®. Mit der ‚Rückkehr der Herakliden‘ verknüpft sich in der griechischen Erinnerung die Verteilung der hellenischen Stämme auf diejenigen historischen Wohnsitze, die sie im Großen und Ganzen auch noch in der Zeit des Ephoros bewohnten. Man könnte also die ersten drei Bücher der Historien des Ephoros als eine προκατασκευή über die Entstehung der griechischen Staatenwelt ansehen, die er in den Büchern 4-5 um eine politisch akzentuierte Oikumenegeographie ergänzt. In den Büchern 4-5 faßt Ephoros seine übergreifenden Ausführungen zur Oikumenegeographie zusammen (s.u.). Die Bücher 6-10 führen die Geschichte der griechischen Staatenwelt bis zu den Perserkriegen. Für die gesamte frühe Geschichte der Griechen gab es nun keine zeitgenössischen historiographischen Darstellungen, ja vielfach 31

Vgl. Jacosv FGrHist 70 IIC p. 24f. Die Zerstörung Thebens erwähnt Ephoros noch (Diod. 15,88,4),

und wahrscheinlich hat er auch die Eroberung des Achaimenidenreiches bis 330 erlebt (vgl. F 217 = Tert. de anima 46). Barger 1935, 12 spekuliert über die Abfassungszeit und Publikation einzelner Bücher der Historien.

|

32

Diese Anfangs- und Enddaten stützen sich auf Clem. Al, Strom. 1,139,3 = F 223. Eine Übersicht über

33

die in Grundzügen rekonstruierbare Gliederung des Werkes gibt Jacosv in FGrHist TIC p. 26-30. Vgl. Diod. 16,14,3 = T 9a und Athen. 6,22 p. 2324 =T Sb; F 93-96.

34

Vgl. Diod. 16,76,5 = T 10. Vermutlich hinderte der Tod den Autor daran, das Werk bis zu einem passenderen Endpunkt, 2.B. Chaironcia 338 oder dem Übergang Alexanders nach Asien 334 (vgl. oben F 223) fortzusetzen.

33

Vgl. Pol. 9,1,4=T 18b und 10,3,5 C. 465 = T 18a. Das Interese des Ephoros an mythisch-politischen

Verwandschaftsbezichungen der Stämme und Städte war zu seiner Zeit kein nur wissenschaftlich-

antiquarisches Thema. Auch in zwischenstaatlichen Gerichtsverfahren, in der Publizistik und Propaganda des 4, Jh. argumentierte man mit solchen Verwandschaftsbeziehungen und genealogischen Ar-

gumenten. 36

Ephoros (vgl. F 9) war sich durchaus bewußt, daß er trotz aller Bemühungen von der frühen griechi-

schen Geschichte keine ähnlich präzise Darstellung geben konnte wie von Ereignissen der Zeitgeschichte,

134

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

überhaupt kaum schriftliche Quellen irgendwelcher Art. Daher erhebt Ephoros bekanntlich einen nur geringeren methodischen Anspruch für die ersten drei Bücher als für seine späteren, zeitgeschichtlichen Werkteile. Ab Buch 11 beginnt die Pentekontaetie. In den Büchern 11-20 beschreibt Ephoros das Ringen der Athener und Spartaner um die Hegemonie in Hellas vom Ende der Perserkriege bis zum Höhepunkt der spartanischen Hegemonie nach dem Königsfrieden. Die Bücher 21-25 sind dem Sturz dieser spartanischen ἀρχὴ und der kurzen thebanischen Vorherrschaft gewidmet, also im weiteren Sinne der

Zeitgeschichte des 4. Jh. Doch erst mit den Büchern 26-30 beginnt Ephoros seinen im engeren Sinne zeitgeschichtlichen Werkteil über die Ereignisse von der Schlacht von Mantineia 362 bis zum nur hypothetisch anzugebenden Endpunkt des Geschichtswerkes. Dieser zeitgeschichtliche Teil wird aufgrund der vorliegenden Fragmente und der bekannten Buchzahlen auf etwa ein Sechstel des Gesamtwerkes geschätzt, wäre aber vom

Epochenjahr 404/3 an gerechnet noch viel umfangreicher. Wenn Ephoros tatsächlich 362 v. Chr. als Epochenjahr seines zeitgeschichtlichen Teiles wählte, ergibt sich zugleich ein direkter Anschluß der letzten Buchpentade an das Ende der "ERAnvıca Xenophons. Insbesondere die Urteile seiner universalhistorischen Nachfolger Polybios, Diodor

und Strabon über den Charakter des Werkes sind in unserem Zuammenhang wichtig. Sie bestätigen den Ruhm des Ephoros vor allem aufgrund seiner Ausführungen zur griechischen Frühgeschichte, in der sprachlich-stilistischen Darbietung des Themas und der Werkökonomie, nicht aber in der Darstellung der Zeitgeschichte?". Diodor und Polybios rühmen die Werkókonomie des Ephoros hóher als seine rhetorisch-stilistische Darbietung des Stoffes??. Er teile den Stoff nicht annalistisch oder innerhalb bestimmter Olympiaden synchronistisch, sondern nach einem flexiblen neuen System auf: κατὰ γένος. Ephoros bildet in einzelnen Büchem (und auch häufig Buchgrenzen überschreitend) in sich abgeschlossene Themenkomplexe, die der fortlaufenden Erzüblung vorgreifen konnten. Ein

berühmtes Beispiel sind die von Jaconv treffend benannten ‚Epaminondasbücher“ 22(23) bis 25. Die eigenhündige Buchaufteilung des Gesamtwerkes und ihre Festschreibung durch Einzelprooimien für jedes Buch sind weitere intelligente Neuerungen des Ephoros””. Das Material wird ferner von Ephoros auch nach vier Hauptschauplätzen des historischen

Geschehens geordnet: Griechenland, Makedonien, der Westen und der Osten. Ephoros benutzt infolge seiner programmatischen Abkehr von der Primärforschung und direkten Informationsbeschaffung für seine Universalhistorie eine ganze Reihe illu-

strer Vorgänger unter den Historikern und Genealogen als literarische Quellen: Hekataios, Herodot, Charon von Lampsakos, Hellanikos, Antiochos von Syrakus, Thukydides,

Ktesias®, Xenophon, Philistos, die Hellenika aus Oxyrhynchos, Anaximenes, Kallisthenes (aber auch die Alexandergeschichte?) und wohl die älteren Atthidographen, schlieB37

Siehe 10,3,5 C. 465 = Pol. 34,1,3 =T 18a, Pol. 9,1.4 = T 18b und auch Pol. 6,45,1 =T

38

Vel. Diod. 5,1,4 2 T 11 sowie Pol. 12,28,10 = T 23 Jacoby mit Kommentar zum Lob der οἰκονομία

13.

39

und des χειρισμός des Stoffes bei Ephoros. Zu den Buchaufteilungen antiker Werke vgl. ΒΙΆΤ 1882 (ND 1959), 46tf (zu Theopomp und Ephoros) und BLanck 1992, 85f. T 10 (= Diod. 16,76,5) belegt die eigenhändige Buchaufteilung der Historien und die Abfassung eines einzelnen Prooimions fürjedes Buch. T 11 (2 Diod. 5,1,4) bleibt unser Hauptzeugnis für die κατὰ yévoc-Methode. Über das Verständnis dieser Disposition siehe V ANNICELLI 1987,

165-191 und Drews 1963, 244-255. Die Bücher 22(23) — 25 der Historien über Epaminondas wurden

in der Kaiserzcit ev. sogar als eine zeitgeschichtliche Monographie

40

des Ephoros getrennt von den

Historien herausgegeben. ALoNso-NünEZ 1996, 327 zufolge kann Ktesias von Knidos aufgrund seiner Persika nicht als universalhistorischer Vorläufer des Ephoros bezeichnet werden, obwohl ihm — wie zuvor schon Herodot

(1,95 und 1,130) - das Schema der Weltreichssukzession als ,Ja base de l' interpretation de l'histoire d'un point de vue universel" schon bekannt war.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

135

lich boiotische Historiker*!. Für das Ende des 5. und die eigene Lebenszeit des 4, Jh. hat Ephoros fast keinen wichtigen Historiker völlig übergangen. Für die frühe und klassische griechische Geschichte bleiben Ephoros’ Historien trotz mancher Fehler und ihres Alters lange ein Referenzwerk. Polybios schätzt Ephoros und benutzt sein Werk trotz substantieller Kritik gerne, Diodor ist in der klassischen griechischen Geschichte (Bücher 11-15) von seinem Bericht als Hauptquelle abhängig, Nikolaos von Damaskos, Pompeius Trogus und Strabon zitieren Ephoros ebenso aus direk-

ter Lektüre wie auch aus indirekter Überlieferung und schätzen ihn sehr. Indem die späteren Universalhistoriker allerdings ihre Werke mit zeitgeschichtlichem Schwerpunkt bis in die augusteische Ara fortführen, ersetzen sie seit der römischen Kaiserzeit mit ihren Passagen bis zur Zeit Alexanders des Großen für manche Leser das Originalwerk des Epho-

ros. Ephoros hat in seinen Historien geographischen Fragen einen hohen Wert beigemessen. Daher bleibt er auch unter geographischen Autoren ein hochgeschätzter Autor, wo-

von u.a. mehrere Stellen in den Geographika Strabons zeugen”. Bei der Rekonstruktion

der geographischen Vorstellungen des Ephoros spielen die in den strabonischen Geographika überlieferten Fragmente sogar eine Schlüsselrolle. Noch bis in die christliche Spät-

antike und byzantinische Ära wird Ephoros z.B. von Kosmas Indikopleustes oder Stephanos von Byzanz (allerdings wohl nur noch in indirekter Überlieferung) benutzt. Ein substantieller Teil jedenfalls der 236 mit Namensnennung bezeugten Ephorosfragmente wird schon durch Jacosv den ‚Geographiebüchern‘ 4 und 5 der Historien zugewiesen. Aus den von JacoBy mit ungewisser Stellung im Werk aufgenommenen und ohne feste Buchzahl überlieferten Fragmenten könnte man zudem noch weitere ‚geographische‘ Fragmente

sammeln. Der Umfang und die Aussagekraft dieser geographischen Fragmente schwanken allerdings erheblich. Die Fragmente reichen von einzelnen Ortsnamen und fraglichen Etymologien bis zu wertvollen Gesamtbildern der Oikumene oder methodischen Überle-

gungen über den Zusammenhang von Geschichte und Geographie. Für das Genus der Universalgeschichte wird die Methode des Ephoros wegweisend, sein geographisches Weltbild in zwei von seinen dreißig Büchern, den Bücher 4 und 5,

zusammenzufassen®. Die Darlegung des geographischen Weltbildes eröffnet bei Ephoros den Rahmen für die folgende Geschichtserzählung. Unter den späteren Universalhistorikern ist Diodor (in den geographischen Passagen der Bücher 1-5) am engsten hierin Ephoros gefolgt. Ephoros und Diodor unterscheiden sich hierin wesentlich von Poly-

bios, der sein 34, Buch zur Oikumenegeographie in den zeitgeschichtlich aktuellsten Teil seines Gesamtwerkes, nicht aber in die προκατασκευή der ersten Bücher integriert. Poseidonios, Strabon und Nikolaos von Damaskos haben wiederum eigene Wege gewählt

(s.u.). Das geographische Weltbild des Ephoros konnte natürlich nicht die epochalen

Erweiterungen durch die Alexanderzüge und erst recht nicht die rómischen Eroberungen in West- und Nordeuropa aufnehmen und bleibt daher für die späteren Universalhistoriker von primär literaturgeschichtlichen Wert. Ein Fragment aus dem Beginn des 4. Buches ermöglicht in groben Zügen eine Rekonstruktion des geographischen Weltbildes des Ephoros**, Die bewohnte Erde stellt er sich als ein Rechteck vor, dessen nördliche und südliche

41

Vgl. zu den Quellen des Ephoros BArBer 1935, 113-137 und Scherens 1977, ÉO2fF.

42 Vgl. 1,1,1C. 1-2 = Ephoros T 19 und 8,1,1 C. 332-333 = T 12, auch 10,3,5 C. 465 = T 18a. 43 Vgl. Ephoros T 12 = 8.1.1 C. 332-333; T 32 = Ps.-Skymn. 109-115 und die Kommentare zu P 30. Grundlegend bleiben Dopr 1900, ders. 1908 und 1909 sowie die Fragmentsammlung Forperers 1913

als methodisch jedoch angreifbare Versuche, in den Geographika Strabons über die dort mit

Namensnennung gekennzeichneten Fragmente hinaus weitere Passagen auf die Geographiebücher des 44

Ephoros zurückzuführen.

F 30a (=1,2,28 C. 34-35} und 30b (= Kosmas Indikopleustes, Topogr. Christ. II p. 148).

136

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Seiten länger sind als die östlichen und westlichen. Vier große Barbarenvölker bezeich-

nen die geographischen Ränder der Oikumene, die Inder, Aithioper (in der ionischen Tra-

dition waren an dieser Stelle die Libyer üblicher), Kelten und Skythen. In vieler Hinsicht bleibt Ephoros in den großen Linien seines Weltbildes noch von Hekataios und der Tradi-

tion der ionischen Περίπλοι und Περίοδοι 5 abhängig. In seiner Beschreibung der Oi-

kumene beschränkte sich Ephoros nicht auf den Binnenraum der Anrainerländer des Mittelmeeres, sondern behandelt nach (vielleicht massaliotischen ?) Quellen, die noch vor der karthagischen Seeblockade der Straße von Gibraltar verfaßt wurden, auch Teile der

westspanischen und nordwestafrikanischen Küsten. Nach Meinung des Ephoros sind die Lage eines Landes zum Meer und die Zahl und Qualität seiner Häfen für die wirtschaftliche

und kulturelle Entwicklung eines Volkes von großer Bedeutung“. Geschichtliche Entwick-

lung und natürliche, geographisch-klimatische Ausgangsfaktoren bedingen sich gegenseitig. Allerdings kann auch eine schlechte geographische Ausgangsbasis zum Stimulans für

eine wirtschaftliche Blüte werden, wie der Aufstieg des unfruchtbaren Aigina zur reichen Handelspolis durch die Tüchtigkeit seiner Einwohner exemplarisch beweist". In Buch 4 wird zunächst die Nordhälfte der Oikumene (einschließlich des Pontosgebietes) behandelt. Zu dieser Nordhälfte besitzen wir die meisten in der Überlieferung

namentlich auf Ephoros zurückgeführten Fragmente. Buch 4 wird bei Strabon mit dem Untertitel Εὐρώπη zitiert^*. Für das griechische Kerngebiet tritt bei Ephoros die Anordnung nach den Siedlungsráumen der ἔθνη gegenüber dem allgemeinen System der Peri-

ploi als Ordnungsprinzip des geographischen Materials in den Vordergrund. Ephoros kann die allgemeine Geographie Griechenlands bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen. In Strabons Geographika und der Parallelüberlieferung bei Pseudo-Skymnos herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, ob nach Ephoros das Gebiet des eigentlichen Hellas im Nordwesten schon mit Akarnanien (so Strabon) oder erst mit Aitolien (Ps.-Skymnos) beginnt. Die Propontis- und Schwarzmeergebiete sind geographisch sehr ausgiebig beschrieben worden. Dies dürfte mit dem Interesse des Ephoros für die frühe Kolonialzeit und die Randvölkerethnographie zusammenhängen. Es ist kein Zufall, daß von den ethnogeograpischen Exkursen der folgenden Universalhistorien die eindrucksvollsten gerade die Randvólker betreffen. Buch 4 schlieBt mit einer Beschreibung der Skythen, die unter den

Barbarenvólkern in der Universalhistorie von Herodot bis Trogus immer wieder das Interesse der Historiker in besonderem Maße auf sich gezogen haben. Mit Buch 5 geht die Perihegese des Ephoros von Europa zu den anderen beiden damals meist unterschiedenen Erdteilen, Asien und Afrika, über. Auf die Verteilung der

einzelnen ἔθνη im Raume Kleinasiens kommt er später in den Büchern 11-14 noch mehrfach zurück. Uber seine geographischen Vorstellungen von Libyen bzw. Afrika kónnen

wir aufgrund der Uberlieferungslage nicht viel Sicheres sagen. Interesse an den Wanderungsbewegungen und Siedlungsráumen der Aithioper (im Zusammenhang mit der Homererklámng?) und den Handels- und Hafenplätzen auch an der afrikanischen Atlantikküste (aus der karthagisch-griechischen Periplus-Tradition stammend) ist aber noch erkennbar”. 45 46 47

48

49

7,3,9 C. 302-303 = F 42 (περιοδεύσας τὴν ᾿Ἐυρώπην μέχρι Σκυθῶν). 9,2.2 C. 400-401 = F 119. Vgl.8,6,16 C. 375-376 = F 176.

Vgl. 1,2.28 C. 34 z F 30a: 7,3,9 C. 302 = F 42; die Fragmente 128-133 und 171 betreffen Westeuropa, F 134-141 Italien und Sizilien, F 32-40, 142-155 Kreta, Griechenland und Südthrakien, F 41-45 und 156-161 den Bereich der Propontis und des Pontos Euxeinos. Jacosy hält allerdings F 30 für kein Zeugnis eines umfassenden geographischen Weltbildes, sondern lediglich einen Beleg für eine politische Geographie des Ephoros. Frühe Zeugnisse über Europa als geographischen Namen findet man bei NiNcK 1945, 15-23 und Sonpi (Hg.) 1986. "Vgl. F 46—49 und 162-169 über Kleinasien und F 50-53, 169-172 über Afrika; ferner einführend in die griechischen geographischen Vorstellungen über Afrika Desanges 1978.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

137

Die geographischen Kenntnisse des Ephoros entsprechen dem Stand eines durchschnittlichen Buchgelehrten und Rhetors seiner Zeit, liegen aber deutlich unter dem damaligen fachgeographischen Niveau. Ephoros will die wissenschaftlich-geographische Forschung über bedeutende fachgeographischen Probleme, z.B. die Lokalisierung der Nilquellen, die Theorie des Weltozeans und seiner Teilmeere, die Klimazonen oder genaue Positionsmessungen, nicht durch eigene neue Theorien und Ergebnisse voranbringen. Die beiden geographischen Bücher entsprechen in ihrem literarisch-kompilatorischen Charakter dem allgemeinen Ziel seiner Universalhistorien, die rhetorisch und stilistisch gute sowie pädagogisch wertvolle Historiographie sein wollen, nicht aber ein Dokument umfassender Primärforschungen und Entdeckungen. Polybios wirft Ephoros zu Recht vor, ein bloßer Schreibtischgelehrter zu sein und aus Mangel an politisch-militärischer Erfahrung be-

sonders unzureichende Schlachtberichte verfaßt zu haben°®.

Universalhistoriker haben größere Probleme als Verfasser anderer historiographischer Werke, die räumliche Struktur und zeitliche Folge der erzählten Ereignisse zu disponieren und dadurch den Eindruck der Einheitlichkeit der Darstellung zu erzielen. Lokalhistoriker oder Verfasser von Hellenika-Werken kónnen den kleineren Raum der Ereignisse leichter in einem Exkurs zur fortlaufenden Erzählung oder innerhalb der politisch-militärischen Ereignisgeschichte selbst skizzieren. Die ,Geographika* in zwei Büchern von der Haupterzählung zu separieren, bedeutet eine bewußte Abkehr des Ephoros vom Kompositionsprinzip der integrierten Exkurse des Herodot. Theopomp, der seine Φιλιππικαὶ ἱστορίαι etwa gleichzeitig mit Ephoros verfaßt und gleichfalls Isokrateer ist, bleibt in der Tradition des Herodot und integriert geographische Passagen als Exkurse in die fortlaufende Erzählung seines Hauptwerkes. Aus diesen gegensätzlichen Entscheidungen kann man ersehen, daß es in der isokrateischen Schule keine einheitliche Auffassung über die Behand-

lung geographischer Stoffe innerhalb von (Universal-) Geschichtswerken gab. Schwartz?! hält die Behandlung geographischer Grundfragen in abgetrennten Büchern bei Ephoros und Polybios im Vergleich zur Integration solcher geographischen Fragen in die fortlaufende Geschichtserzählung für ein Zeichen einer geringeren historiographischen Kunst. Diesen Vorwurf kónnte man ebenso gegen die Geographika Strabons erheben, die als Ergänzung seiner Universalhistorie konzipiert sind. Aber für die Universalhistorien des Hellenismus scheint er unberechtigt. Der enorme Zugewinn an geographischem Wissen

durch die Expansion der Diadochenreiche und die rómische Weltherrschaft, die Weite des Raumes der Geschichtsdarstellung, die Unvertrautheit auch der gebildeten Leser mit den Völkern am Rand der Oikumene erfordern eine zusammenhängende Behandlung der geo-

graphischen Fragen, die über Exkurse im Rahmen der fortlaufenden Ereignisgeschichte hinausführt. 3. Ephoros als Quelle Strabons Die Universalhistorie des Ephoros ist nicht vollständig überliefert, sondern, von wenigen Papyri abgesehen, ausschließlich durch Zitate und Testimonien späterer Benutzer, vorwiegend Historiker, Lexikographen und Geographen, faBbar. Unter den namentlich überlieferten Fragmenten des Ephoros stammt allein rund ein Viertel aus den Geographika Strabons. Strabon ist damit mit weitem Abstand vor Polybios und Plutarch zusammen

mit Diodor der wichtigste Autor für die Rekonstruktion der Universalhistorie des Ephoros, Strabon schátzt Ephoros als Vorgänger in der Universalhistorie hoch, obwohl er ihm 50

51

Vgl.Sc1970, ueP163-1 eus 82.

Schwartz 1957. 16.

138

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

mehrfach sachliche Ungenauigkeit und einen leichtfertigen Umgang mit der Wahrheit

vorwirft??. Ferner nennt er ihn als Lokalpatrioten aus Kyme und Isokratesschüler??, Paraphrasen, also eng an den Originaltext angelehnte Wiedergaben mit Strabons eigenen Worten, und über eine Zwischenquelle zwischen Ephoros und Strabon übernommene Fragmente bilden die größte Zahl der bei Strabon belegten Stellen aus Ephoros. Es finden sich aber auch direkt aus den Historien übernommene Passagen. In einigen Fállen ist eine Rückführung bestimmter Passagen, in denen Strabon Ephoros' Namen nicht nennt, auf diesen dennoch móglich, indem man Strabons Geographika mit der Parallelüberlieferung in einer ca. 110 v. Chr. abgefaßten Perihegesis ad Nicomedem regem vergleicht, die direkt auf Ephoros zurückgeht und früher meist Skymnos zugeschrieben wurde, nach DiLLER aber eher einem Pausanias von Damas zuzuweisen ist?*. Sofern ihm aktuelle historisch-geographische Quellenwerke keine genügend zuverlässige Information bieten, greift Strabon häufig auch auf klassische Darstellungen

wie die des Ephoros zurück*. Strabon verwendet seinen Vorgänger aus Kyme auch als Quelle, wenn er einen aktuelleren Bericht für zu knapp hält* oder wichtige Einzelheiten in jüngeren Quellen fehlen?" Ein regionaler Schwerpunkt der Benutzung des Ephoros durch Strabon ist in den Büchern 5 und 6 der Geographika über Italien und Sizilien erkennbar, allerdings meist in der Vermittlung durch den Geographen Artemidoros?*. In geringerem Umfang und nur als eine Nebenquelle benutzt Strabon Ephoros auch mehrfach in den Büchern 8-10 über Hellas und 12 bis 14 der Geographika über Kleinasien. Strabon beruft sich gerne auf Ephoros zu den Berichten über frühe griechische Städte- und Koloniegründungen, in Streitfragen nach dem ‚Oikisten‘ bestimmter Kolonien und in der

Genealogie adeliger Familien insbesondere in Stüdten Italiens oder des westlichen Mittelmeerraums. Strabon zitiert Ephoros auch zu frühen Bevölkerungsverschiebungen und Wanderungen??, wobei er ihm aber manchmal eine gewisse Leichtgläubigkeit vorwirft, und zur Festigung und Konsolidierung der griechischen Staatenwelt in der geometrisch-früharchaischen Epoche. Eine Autorität ist Ephoros ferner zur ältesten griechischen Gesetzgebung und ihren angeblich kretisch-lakedaimonischen Vorbildern. Strabon benutzt ihn auch als Vorlage für ethnographische Beschreibungen einiger Barbarenstámme und in der kleinasiatischen Frühgeschichte und Geographie. Zur festlandhellenischen Geschichte kritisiert er Ephoros jedoch ausdrücklich in Fragen der aitolischen und akarnanischen Geschichte und Geographie. FORDERER und in seiner Tradition Ausac und LASSERRE, neuerdings auch BALADIÉ tendieren zu der problematischen Auffassung, daB Strabon nur sehr wenig Material aus direkter Ephoroslektüre geschópft habe, dagegen das meiste nur indirekt aus unterschiedlichen hellenistischen Zwischenquellen vermittelt sei£?, Die Identifikation einzelner Stel-

len der strabonischen Geographika als Belege einer nur indirekten Überlieferung des Epho-

ros über Poseidonios, Artemidoros und Apollodoros wirft jedoch methodische Schwie52 53

Vgl. 7.3.9 C. 302-303, 10,3,5 C. 465, 9,3,12 C. 422-423 und Forperer 1913. Vel. 13,3.6 C. 622-623 = T 2a; über Ephoros als geographischen Vorgänger 1,1,1 C. 1-2 Ξ T 19.

54

Vgl. Ps.-Skymn. GGM Bd. I, p. 196-237 und Der

55

Vgl. F 42, 122b und 216.

56 57 58

1952, 165-176,

Vgl.2.B.F 115, 116, 117, 119, 149. Vgl z.B.F 180 oder 118. Außerdem benutzt er in diesen Büchern Polybios, den ‚Chorographen‘ (die Commentarii des Agrippa?) und die sizilisch-unteritalische Geschichte des Antiochos aus Syrakus von den Anfángen der Besiedlung und den Mythen um Kokalos bis 424 v. Chr. (FGrHist 555).

59 60

Vel. 10,3,5 C. 465 2 T 18a. Vgl. FORDERER 1913, LASSERRE, Ausac und BaLaDIÉ in den Bänden I, 3 und 5 der griechisch-franzósischen Strabonausgabe über die Bücher 1, 5-6 und 8; ferner BALApIÉ 1980.

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universathistorie

139

rigkeiten auf. Alle angeblichen Zwischenquellen zwischen Ephoros und Strabon, vor allem Poseidonios, Artemidoros und Apollodoros sind nämlich ihrerseits nur fragmentarisch und zwar gleichfalls in großen Teilen über Strabons Geographika erhalten. Strabon lobt aber Ephoros an so vielen Stellen als hervorragenden Autor, darunter vor allem im Prooimion des 8. Buches der Geographika, daB man schon auf grund dieser Hochschátzung auch eine direkte Benutzung der Historien an einigen Passagen der Geographi-

ka erwartet?!, wie dies u.a. DEstpERI und PRANDI tun®2, Eine direkte Übernahme aus Ephoros scheint ihnen für folgende Stellen plausibel: — 7,3,9 C. 302-303 = Ephoros F 42 über die Degeneration der Skythen6?.

— 8,1,3 C. 334 = Ephoros F 143 über Akarnanien als westliche Grenze von Hellas. — 8,3,33 C. 357—358 = Ephoros F 115 über die Etymologie des Aitolernamens von

Aitolos. — 8,4,7 C. 361 = Ephoros F 116 — 8,5,4 C. 364f = Ephoros F 117 und die helotische Abstammung der — 8,5,5 C. 365-366 = Ephoros F

über die Eroberung Messeniens durch Kresphontes. über die Eroberung Lakoniens durch die Herakliden Perioiken. 118 zur spartanischen Verfassung und Frühgeschich-

te und die Nachrichten über die spartanische Verfassung bei Ephoros F 149 = 10,4,16 C. 480—481.

— 8,8,5 C. 389 = Ephoros F 18b mit einer Liste der Gründer wichtiger Städte der Peloponnes. Die Parallelüberlieferung bei Pseudo-Skymnos 526 = Ephoros F 18c und Nikolaos von Damaskos FGrHist 90 F 30 erweist Ephoros als Endquelle Strabons. Weitere Namen einzelner Städtegründer werden aus ephoreischer Tradition bei einzelnen Städte genannt, z.B. bei Elis F 115, Messene F 116, Sparta F 117-118. — 9,2,2-5 C. 400-403 = Ephoros F 119 zur boiotischen Hegemonie und zum Barbarenbegriff Strabons,

—9,3,11-12 C. 422-423 = Ephoros F 31b Strabon kritisiert den Bericht des Ephoros über die Gründung des delphischen Orakels. — 9,3,12 C. 422-423 = Ephoros F 122b über die Frühgeschichte und die Mythen Aitoliens. — 10,3,2 C. 463 = Ephoros F 122a (ebenso). — 10,2,25 C. 462 = Ephoros Ε 123a (über Akarnanen).

—7,7,7 C. 325-326 = Ephoros F 123b (ebenso). — 10,4,16-22 C. 480-484 = Ephoros F 149 zur Abhängigkeit der vorbildlichen spartanischen Gesetzgebung von frühen kretischen Vorbildern‘. 61

Vgl. zu Strabons Lob über Ephoros: 1,1,1 C. zT 2a.

62

Vel. Desieri 1992, 19 und PRAwDI, Strabone 1988, 54 Anm. 8 und 58 Anm. 23.

63

22 T 19; 8.1.1 C. 332 € T 12 und auch 13,3,6 C. 622-623

Vgl. Lurors 1929 über die Unterschiede der strabonischen Skythenethnographie zu Herodot und Epho-

ros; siche ferner zum herodoteischen Erbe der Skythencthnographie Levi 1989. 64

Ephoros führt sieben Argumente für die Verwandschaft zwischen der spartanischen und kretischen Verfassung und Gesetzgebung auf. Dic Magistrate in Kreta und Sparta tragen teils gleiche Namen (Gerontes, Hippeis), oder Magistrate mit unterschiedlichen Namen haben fast giciche Funktionen

(Ephoren, Kosmoi), auf Kreta und in Sparta gebe es die tyischen Syssitien, ferner gleiche sich die Aufteilung der Jugend in Agclai und die Strenge der Erziehung insgesamt, die Bräuche des Liebeslebens seien verwandt, und auch einige typische Tänze und kulturelle Riten gleichen sich auffällig. Die

kretische Verfassung und frühe Gesetzgebung werden oft in der griechischen Literatur gelobt, z.B. durch Plat. leg. 631b oder Apollodoros (aus Ephoros) bei Strabon 10,4,9 C. 477 (vereinzelte Kritik jedoch bei Pol. 6,45-47,6). Man fragt sich daher, warum Strabon sich innerhalb seiner Geographika nur so knapp mit Kreta befaßt, obwohl er doch die frühe kretische Verfassung als vorbildlich schätzt. Möglicherweise stört ihn der Kontrast zwischen der Größe des frühen Kreta und dem Niedergang zur

Piraten- und Söldnerbasis und wenig bedeutenden Provinz Roms in seiner eigenen Lebenszeit? Auch die Familie Strabons war andererseits mit der jüngeren kretischen Geschichte über Dorylaos verbun-

140

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

> 13,3,6 C. 622-623 = Ephoros F 236 über den Lokalpatriotismus des Ephoros.

Eine indirekte Uberlieferung ephoreischen Materials über Poseidonios erkennt man im Text der Geographika Strabons manchmal an einer für Poseidonios typischen quellenkritischen Vorgehensweise. Zunächst referiert Poseidonios ältere Meinungen in der

Fachliteratur über bestimmte Fragen, um diese dann aufgrund eigener Beobachtungen zu

verifizieren oder eben auch häufig zu korrigieren. Strabon zieht Poseidonios als Übermitt-

ler ursprünglich ephoreischer Überlieferung zur Geographie und Gründungsgeschichte wichtiger Städte heran, z.B. für Gades$?, Naxos, Megara oder Syrakus. Poseidonios bevor-

zugt es ferner, sein ethnographisches Material in einer bestimmten Reihenfolge zu präsentieren: Gestalt des Landes, Charakter, Lebens- und Kriegsgewohnheiten der Bevölkerung, Künste, Wissenschaften, Religion. Sofern sich in den strabonischen Geographika eine solche Reihenfolge findet und gleichzeitig ältere Quellen durch Autopsie verifiziert oder

häufiger kritisiert werden, deutet dies auf Poseidonios hin®®.

Artemidoros aus Ephesos? verfaßte um 100 v. Chr. zwei für Strabon wichtige Werke,

die Ἰωνικὰ ὑπομνήματα und die Γεωγραφούμενα in elf Büchern. Für die Hochschätzung des Artemidoros durch Strabon ist dessen pronongierte Abkehr von der mathematischastronomischen Geographie des Eratosthenes der entscheidende Grund. Material aus der Universalhistorie des Ephoros, das über die Γεωγραφούμενα des Artemidoros in die Geographika Strabons gelangt ist, zeigt noch häufig typische Eigenheiten. Auch wenn er von Strabon nicht namentlich als Quelle genannt ist, kann man daher zuweilen aus der Anordnung des Materials über die Küstenregionen Italiens und die umliegenden Inseln in den Büchern 5-6 und zu Libyen in Buch 17 nach Art eines Periplus und aus der Perspektive einer Küstenfahrt mit der Abfolge der Häfen, Kaps und Flußmündungen sowie den

häufigen Distanzangaben auf Artemidoros als Quelle Strabons schließen®. Die Schilde-

rung des Hinterlandes der Küstenregionen ist bei Artemidoros dagegen sehr knapp. Thematisch sind weitere durch Artemidoros vermittelte Passagen aus Ephoros der Gründungsund Frühgeschichte einzelner Städte, etymologischen Problemen und der italisch-west-

griechischen Frühgeschichte gewidmet‘,

65

den. Vielleicht hatte Strabon in den Historika Hypomnemata schon ausführlicher über die jüngere kretische Geschichte geschrieben. | Vgl. 3,5,5 C. 169-171 zu Gades und den Säulen des Herakles: 3,2,11 C. 148 = Fr. 1 Forderer über die Phokäer und Tartessos; 3,2,14 C. 151 = Fr. 1b Forderer über den Reichtum der Iberer und der Stadt Tartessos, An folgenden Stellen könnte Poseidonios Zwischenquelle für Stellen aus Ephoros in Strabons Geogra-

phika sein: 1226 C. 32-33 = F 128 über frühe Völkerbewegungen in Libyen und Äthiopien; 1,2,28 C.

34-35 = F 30a Grenzen der Oikumene sind umstritten; 3,1,4 C. 137-138 =F 130 über die Westspitze Iberiens; 4.4.6 C. 199 = F 131a Grenze des Keltenlandes nach Ephoros bis Gades reichend; 6,2,1 C.

266 = F 135 über die Dauer einer Umsegelung Siziliens von 5 Tagen und Nächten; 6,2,2 C. 267 =

67

F 137a zur Gründung von Naxos und Megara Hyblea als ältesten Städten auf Sizilien (dieses Fragment Ist intcressant im Hinblick auf die Chronologie des Ephoros, weil er für solche frühen Daten ein genealogisches Daticrungssystern verwendet, vgl. auch F 122a und F 149); 6,2,4 C. 270 = F 136 zur Gründung von Syrakus und den vorgriechischen Einwohnern; 7,2,1 C. 293 = F 132 über die Bedrohung der Kelten an der Küste durch den Ozean. Über Strabons Verhältnis zu Poseidonios siehe ausführlich Kapitel 11.5.5-6. Die Fragmente des Artemidoros werden nach STIEHLE 1856, 193-244 zitiert (vgl. auch Markianos von Herakleía GGM 1, 566, Z. 31-37 zur Lebenszeit des Artemidoros und GGM 1, 574—576 zur Epitome des Markianos aus Artemidoros); Jacogv hat nur ein Fragment der ᾿[ωνικὰ ὑπομνήματα aus Athen.

3,111d in FGrHist 438 F 1 aufgenommen und verwies für die Fragmente der elf Bücher Γεωγραφού-

μενα auf den bis heute noch nicht vollendeten Teil V der FGrHist; über Strabons Verhältnis zu Artemidoros siehe unten Kapitel 11.3.3, TL.7, und ausführlich DAsrrrz 1905 und Hagenow 1932,

68 Vgl. zu Italien und umliegenden Inseln bei Strabon Soma 1879, HuwRATH 1879, Srenverocx 1909, Bırrı 1988, MAnporı 1988 und Weiss 1991, 69

An folgenden Siellen der strabonischen Geographika vermuten STIEHLE, DABRNZ, HUNRATH, STEIN-

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

[41

Apollodoros, Sohn des Asklepiades aus Athen und Schüler des Stoikers Diogene

s von Seleukeia sowie des Aristarchos von Samothrake, ist einer der herausragenden Philologen und Gelehrten im Alexandreia des 2. Jh. v. Chr. Er benutzt insbesondere in seinem groben Homerkommentar für die Frühgeschichte Griechenlands und die frühen geogra-

phischen Verhältnisse vornehmlich Ephoros, nicht ohne ihn stellenweise deutlich zu kriti-

sieren^?, Inhaltliche Übereinstimmungen mit anderen erhaltenen Fragmenten des Apollo-

doros, Spuren der philologischen Methode des Aristarchos im Strabontext, eine sorgfältige Unterscheidung von Homonymen, einige Metonomasien zählen zu den Indizien für

Apollodoros als Zwischenquelle für Ephoros bei Strabon’!, der gerne ephoreisches Ma-

terial aus Apollodoros über die Gründungslegenden und die Frühgeschichte bei Homer erwähnter Orte und griechischer Stämme übernimmt. Die meisten solcher Stellen findet m in den Büchern der Geographika über Griechenland 8-10 und über Kleinasien 12Weil aber Artemidoros, der Verfasser der Γεωγραφούμενα, seinerseits möglicherweise auch den Homerkommentar des Apollodoros schon benutzt haben kann und Strabon selbst wiederum Poseidonios, Artemidoros und Apollodoros gleichermaßen als Quellen

verarbeitet, bereitet es im Einzelfall unüberwindliche methodische Probleme zu entscheiden, welche ursprünglich den Universalhistorien des Ephoros zugehörige Stellen bei Strabon nun aus Ephoros direkt, aus Apollodoros als Zwischenquelle oder gar aus ApolloBRUCK und HAGENOW, daß Strabon Ephoros durch Artemidoros vermittelt benutzt habe: 5,4,5 C. 243245=F 134a über den Avernersee und das Totenorakel mit ephoreischer Homerdiskussion und lingui-

stischen Spekulationen; 6,1,1 C. 253 = Fr. 3 Forderer über die Lage von Laus, einer Kolonie von Sybaris und einen Kriegszug von 390 v. Chr.; 6,1,5 C. 255 = Fr. 4 Forderer über die Stadt Temesa im Zusammenhang mit den Fahrten des Odysseus; 6,1,6 C. 257 = Fr. 5 Forderer über die Gründung von Rhegium. Allerdings wird diese Passage bei Jacouy dem Antiochos von Syrakus als FGrHist 555 F9 zugeschrieben; 6,1,7 C. 259 =F 138a über die Herkunft der Kolonisten, den Oikisten und die Gründung von Lokroi Epizephyrioi mit wohl unberechtigter Kritik an Ephoros; 6,1,8 C. 260=F 139 bei den epizéphyrischen Lokrern die ältesten geschriebenen Gesetze durch Zaleukos; 6,1,10 C. 261 = Fr. 6 Forderer gleichfalls über Städte der Küstenregion, insb. Sagra; 6,1,12 C. 262 = Fr, 7 und 7a Fordeter über Kroton und die sprichwértliche Gesundheit des dortigen Klimas; 6, 1,12 C. 262 = F 140 über die Iapyger als frühe Einwohner Krotons; 6,1,15 C. 265 2 F 141 über Daulios, den Oikisten von Metapont;

6,3,3 C. 279 = F 216 Gründung der Stadt Tarent; 8,6,14 C. 374 = F 150 über das Heiligtum dcs Posci-

124 über die zwei Söhne des Ikarios; 12,3.10 C. 544 don auf Kalauria und ein Orakel; 10,2,9 C, 4525: =F 185 zur Etymologie von Kytoron, dem Hafen von Sinope.

70 71 72

"Vgl. 10,3,2 C. 463 = F 122a aus Apollodaros. 1877 1 Siehe über Apollodoros' Kommentar zum homerischen ‚Schiffskalalog‘ als Quelle Strabons NE 1880 un 267-307 und ders. 1909, 161-169; ilber Strabon und Demeirios von Skepsis siehe GAEDE Schwartz 1894, 2856-2875 (auch in ders. 1957, 253-281, insb. 264-273). | len: 524 on ^ 4 Ὅμλερε 1880 und Schwartz 1957, 269-273 geben Übersichten über solche vermutlichen Ste Alkmaon ὃ sr nr C.221 - F 113 über das Alter des Volkes der Pclasger; 7,7,7 C. 325-326 = F 123b

gründer des Griechentums in Akarnanien; 7,7,10 C. 327-328 = F 142 über die Gründung des 7 d pain Dodona; Strabon 7 Fr. 33 Jones = Fr. 10 Forderer ein Sprichwort; vgl. zu Spic

roemiographischer Überlieferung bei Strabon Κειμ 1909; 8,5,5 C. 365-366 ΞΕ 118 pus

dber "ic

" $616C

Frühgeschichte von Lakonien; 8,5,5 C. 365121 =zurFr. Etymologie 9 Forderer zurdes Frühgeschichte der Achaei en ^ Namens Naupaktos n 4 63 PT 122a 375-376 = F 176: 9,4,7 C. 426—427 =F

rolle der Lokrier; 10,2,25 C. 462 = F 123a über Alkmaion und die Akarnanen, 1032 frühe Richter;

Frühgeschichte der Aitoler; 10,4,8 C. 476-477 = F 147 Minos und Rhadamantys 25 E 146 über die 1 3C S82 SP 10,4,9 C. 477 = F 33 Kretas frühe Gesetze als Vorbild für Hellas; 10,4, 15 €. 479-480

neunzig oder hundert Städie Kretas; 12,3,21 C. 550 ΞῈ 114a Wohnsitze der Am

13.14 C.

= Fr. 11 Forderer zu den Grenzen der Troas in der Frühzeit und det aiolischen À te Abgrenzung der

582-583 — F 163a Abgrenzung der Aiolis und der Tross; 13,1,39 C. 007

In ΤΩΝ,

Fr. 12

Aiolis von Abydos bis Kyme: 14,1,6 C. 634-635 = F 127 über die KUSIS Milets; 62 Di skussion über die Forderer (?} Seeräuberunwesen in der Korykos-Bucht; 14,5.23-26 C. 678 -F ᾿ Phaidon auf Aigina.

Volksstámme Kleinasiens; 8,6,16 C. 376 = F 176 Beginn der Münzprägung mit

572

142

TI. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

doros, aber erst vermittelt durch Artemidoros als eine zweite Zwischenquelle, stammen. Eine nähere Diskussion einzelner Stellen ist zudem im Kontext der vorliegenden Untersuchung nicht notwendig. Die Definition von Hellenen und Barbaren und Probleme ihres Zusammenlebens insbesondere in der Frühzeit und der hellenistischen Epoche interessieren Strabon sehr. In Kleinasien standen schon seit Jahrhunderten hellenische Poliskultur und Traditionen barbarisch-anatolischer Ethne des Hinterlandes in einem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austauschverhältnis. Ephoros aus Kyme in der Aiolis trägt mit seiner wenig rigiden Differenzierung zwischen Hellenen und Barbaren und der Einteilung der Volksstämme (yévn) Kleinasiens in drei Kategorien dieser ethnischen Mischregion Rechnung. Ephoros unterscheidet zwischen drei hellenischen (Ionier, Dorer, Aioler) und dreizehn

barbarischen ἔθνη (Kiliker, Pamphyler, Lykier, Bithyner, Paphlagoner, Mariandyner, Trojaner, Karer, Pisider, Myser, Kalyber, Phryger, Milyer) „mit Ausnahme der gemischten“

(χωρὶς τῶν μιγάδων)"3, Die ganze strabonische Diskussion dieser Passage zielt darauf,

die wissenschaftliche Berechtigung der dritten Kategorie des Ephoros von ‚gemischten‘

hellenisch-barbarischen Volksstämmen Kleinasiens zu bestreiten. In Anatolien mischen sich Hellenen und Barbaren besonders offenkundig in Lydien, bei den Bewohnern von Korykos und in Pamphylien, aber natürlich auch in den Küsten- und Residenzstädten des

Königreiches Pontos, Strabons Heimat. Doch auch in solchen Mischregionen gibt es für Strabon immer entweder ein vorherrschendes hellenisches oder barbarisches Element (ἦ ἐπικράτεια), das diese Volksstámme entweder zu Hellenen oder Barbaren mache. Er beendet seine wenig überzeugende Kritik an Ephoros abrupt mit dem apodiktischen Satz: „Wir kennen keinen dritten Volksstamm einer ‚gemischten‘ Bevólkerung'*^. In seiner Griechenlandbeschreibung hat Strabon die Gelegenheit eines Ephoroszitates ergriffen, um seinen von dem Universalhistoriker aus Kyme abweichenden Hellenen- und Barbarenbegriff deutlich zu machen. Ephoros hatte nämlich ausgeführt, daß Boiotien aufgrund seiner Fruchtbarkeit, der zentralen Lage in Hellas und der Verkehrsanbindungen zu

Wasser und zu Lande eine natürliche Prädisposition gehabt habe, eine Hegemonialposition

im griechischen Raum zu erlangen. Die thebanische Hegemonie von Leuktra bis Mantineia habe aber nur kurze Zeit gedauert, weil die boiotischen Anführer sich nicht um eine

ausgewogene und anspruchsvolte παιδεία und um das richtige ἦθος für die Boioter bemüht hátten, sondern einseitig ihre militárische Tüchtigkeit vervollkommneten; dabei hát-

ten sie die Bedeutung des geistigen Austausches und der für eine Hegemonie über Griechen notwendigen Bildung mißachtet, Hier wendet Strabon in einem selten persönlichen Kommentar ein, daf Bildung und geistiger Austausch nur im Verkehr mit Hellenen wirkungsvolle, herrschaftsstabilisierende Faktoren seien, dagegen im Verkehr mit Barbaren überlegene militárische Gewalt nützlicher sei als Bildung der Herrschenden oder gar kultureller Austausch mit den Unterworfenen. Auch die Rómer hätten noch keiner griechischen παιδεία bedurft, als sie gegen barbarische Stämme kämpften, sondern erst nachdem sie in der óstlichen Mittelmeerwelt mit zivilisierten Nationen, d.h. der griechisch-

hellenistischen Welt, in Kontakt gekommen seien”.

73

|

Vgl.14,5.23-26 C. 678f = F 162. Zur strabonischen Kritik an Apollodoros und Ephoros bezüglich der ethnischen Gliederung der anatolischen Halbinsel und an der dritten Kategorie der ‚gemischten Volksstämme‘ siche Desıoerı 1992, 19-31,

74 Vgl. 14,525 C. 679. 75

Vgl 9,2,2 C. 400-401 = F 119. Das Fragment ist auch methodisch interessant, weil zwischen 9,2,2 C. 409-401 (indirekt), 9,2,3 C. 401 (direkt) und 9,2,4 C. 401—402 (erneut indirekt) innerhalb eines

Zusammenhanges die formale Zitierweise Strabons mehrfach wechselt Falls dies nicht einfache Nachlássigkeit Strabons ist, darf man wohl einen Quellenwechsel vermuten und z.B. für 92,3 C. 401 einen boiotischen Historiographen des 4, Jh. als Vorlage (nach Mns 1990, 49 ev. Daimachos von Plataiai)

3. Ephoros als Begründer der griechischen Universalhistorie

_

143

Im Vergleich zur vorherrschenden philosophischen (z.B. des Aristoteles) und rheto-

rischen (z.B. des Isokrates) Auffassung seiner Zeit sind das starke Interesse des Ephoros

für die Ethnographie der Völker am Rande der Oikumene, die Welt der ‚Barbaren‘, und

das Fehlen eines ausgeprägten kulturellen hellenischen Chauvinismus?f auffällig. Wäh-

rend Eratosthenes sich Ephoros in seiner Heltenen-Barbaren-Definition anschließt, folgt

Strabon der klassischen Lehre des Aristoteles und Isokrates und betont erneut eine strikte Trennung zwischen der zivilisierten Welt der Griechen und Römer einerseits und der Welt

der Barbaren andererseits’’. Eratosthenes hat am Ende seines großen Geographiewerkes

die traditionelle schroffe Hellenen-Barbaren-Antithese kritisiert, wie sie sich im angeblichen Rat des Aristoteles an Alexander niedergeschlagen hatte, die Hellenen wie ein Hegemon (nach Strabons Version als Freunde), die Barbaren aber wie ein Herrscher {nach

Strabons Fassung als Feinde) zu behandeln. Eratosthenes schlägt wissenschaftlich überzeugend vor, die Oikumene nicht mehr schematisch in Hellenen und Barbaren, sondern sinnvoller in Menschen und Völker einzuteilen, die der ἀρετή verpflichtet seien, und andere, die der koxia folgten, also nach moralischen statt ethnischen Kategorien. Es gebe

erfahrungsgemäß viele schlechte Griechen und andererseits kultivierte Barbaren. Eratosthenes nennt unter den Barbaren mit den Indern, den Artern, den Römern und Karthagern

vier Musterbeispiele für wohlgeordnete Staatswesen und kultivierte Vólker/*. Hier hält sich Strabon nicht mehr zurück, darauf zu insistieren, daß die Hetlenen-Barbaren-Antithese doch gerade deswegen aufgekommen sci, weil bei den Hellenen Gehorsam gegen das Gesetz, Leben in politischer Ordnung, Hochschätzung der Kultur und Bildung sowie der Rede vorherrschen, während bei den Barbaren das völlige Gegenteil der Fall sei. Mit

diesem Kommentar geht Strabon jedoch gar nicht auf die Kritik des Eratosthenes an der

traditionellen Hellenen-Barbaren-Antithese ein.

In einer langatmigen Polemik über den Ursprung des Barbarenbegriffes und der Wendung von den barbarophonen Karern bei Homer greift Strabon auch Thukydides an, weil dieser behauptet habe, daß weder zur Zeit des Trojanischen Krieges sich die Hellenen schon als eine Gemeinschaft gebildet hätten noch auch der Dichter Homer den Ausdruck oder Autopsie Strabons annehmen. Wie auch sonst häufiger gibt FORDERER 1913 einen größeren Ten-

abschnitt aus 9,2,5 C. 402-403 als cin Ephoros-'Fragment' als Jaconv. Nach FORDERER ok tische lich sogar noch die Bemerkung über die Zerstörung Thebens 335 v. Chr. aus Ephoros. Über Geschichte und Geographie bei Strabon vgl. im allgemeinen WALLACE 1979. chichte) 76

Vgl.7,3,9C, 302-303 = F 42 (über Skythen, Sauromaten und die Anacharsis-Gest

77

Vgl.9.2,2 C. 401

ich er d auch die

2 F 119: ferner 1,4,9 C. 66-67 über Hellenen und Barbaren; leri FD

ethnographischen Passagen bei Strabon über die Aitoler 10,3,2 C. 463-464 und Sr

bolo 423 LE

à bz Barbaren:

122a/b und über die Akarnanen 10,2,25 C. 462 und 7,7,7 C. 325-326 = F 1298 " der VLIET 1977. zur Ethnographie Strabons und seinem Bild von den ,Barbaren? zusammenfassen van Ener bis zu 145-310, ders. 1984, 27-86 sowie THoLLARD 1987. SCHMAL 1995 zeigt auf, da den jn der griechiAischylos eine neutrale, manchmal offen interessierte Sicht auf die Welt der M s in der attischen

schen Literatur vorherrscht. Erst scit der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. seizı sich να

πάρη und Barbaren

von Fremden durch Literatur die stereotype Geringschätzung und ein klischeehaftes Feindbilé ΩΣ durch. Dennoch changieren nach Hartos 1996 die Muster der Wahrne Mei 1997 untersucht in

Griechen weiterhin zwischen Empirie und Theorie, Aulopsie und Tradition. helienic identities", von einer methodisch anregenden Studie dic Pluralität der verschiedenen ,Jnlrah he Gruppen im alter denen die Ionier, Dorien, Äoler und Achäer nur die bekanntesten sind. E er kulturell, sondern Hellas waren seiner Meinung nach nicht primär rassisch, linguistisch, eig 5 en der Hellenen mit sozial bestimmt. Zu den in der Epoche des Hellenismus intensivierten Begebn un d Perzeptionspro-

anderen Hochkulturen siche MomiGLıano 1979 und zu Schranken der Erkenntni

blernen antiker wie neuzeitlicher Ethnographen NirPEt. 1996.

78

raphika und zugleich

Vgl. 1,4,9 C. 66-67 an prominenter Stelle am Ende des ersten Buches der Geog Fassung des Rates an als Resümee seiner Kritik an der Geographia des Eratosthenes. E ine alternative Alexander überliefert Plut. De Alcxandri fortuna 1,6 Mor. 329 b.

144

11. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Barbaren als kulturellen Gegenbegriff zu den Hellenen benutze’?. Strabon ist also bemüht, die klassische Hellenen-Barbaren-Antithese der Zeit des Aristoteles oder Isokrates

gegen ihre Aufweichung im frühen Hellenismus durch Ephoros und Eratosthenes zu verteidigen. Mit Verweis auf Homer will Strabon den zeitlos-autoritativen Charakter dieser

Antithese hervorheben. In der Lebenszeit Strabons ist es seiner Meinung nach gemeinsame Aufgabe der Hellenen als Angehörigen der führenden Kultumation und der Römer als

der politisch-militärisch Herrschenden, auch die Randregionen der Oikumene zuerst zu erobern, um sie danach zu zivilisieren und zu romanisieren.

79

Vel. 14,228 C. 661-663, insb. C. 661 und Thuk. 1,3; nur die Karer werden in Hom. Il. 2,867 als βαρβαρόφονοι bezeichnet, Die Trojaner und ihre Verbündeten gelten ethnisch nicht ausdrücklich als ‚Barbaren‘,

4. Strabon und die Historien des Polybios

4. STRABON

145

UND DIE HISTORIEN DES POLYBIOS

l. Leben und Werke des Polybios aus Megalopolis Polybios stammte aus einer vornehmen Familie des arkadischen Megalopolis und wurde ca. 200 v. Chr. geboren. Schon sein Vater Lykortas gehörte zur politisch-militärischen Elite seiner Heimatstadt, eines Mitgliedes des damals fast die gesamte Peloponnes umfas-

senden Achäischen Bundesstaates!. Lykortas übernahm sogar mehrfach das oberste mili-

tärische Bundesamt des Strategen. Auch der Sohn Polybios erhielt eine gründliche Erziehung und machte danach eine politisch-militärische Karriere im Achäischen Bundesstaat. Er wurde schon in seiner Jugend mit dessen führenden Staatsmännern bekannt, vor allem mit Philopoimen. Den politischen Zielen des Achäischen Bundes in der Zeit des Aratos und Philopoimen blieb der spätere Universalhistoriker trotz seiner romfreundlichen Ten-

denz innerlich lebenslang verbunden?. Mit ungefähr zwanzig Jahren nahm er an einer

Gesandischaft zu Ptolemaios V. teil und war Mitglied einer Kommission zur Regelung eines Grenzstreites zwischen Megalopolis und Messene. Schon 170/169 v. Chr. Hipparch

des Bundes, bekleidete er das zweithöchste Amt des Bundesstaates’. Polybios war ein

Vertreter der Neutralitätspolitik der Achaier im Krieg zwischen Rom und dem makedonischen König Perseus. Nach der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.) wurde er dennoch als eine unter tausend vornehmen achäischen Geiseln nach Italien deportiert. Dort wurde er nicht wie die übrigen Geiseln in etrurischen Städten in Sicherheitsverwahrung gehalten, sondern gelangte wegen des Ansehens seiner Familie, durch seine eigene hohe Stellung als Hipparch, aufgrund seiner wohl enkomiastischen Syntaxis auf Philopoimen, durch ein Werk über die Kriegskunst und den schon einsetzenden literarischen Ruhm nach Rom in das philhellenische Haus des Aemilius Paullus und der Cornelij Scipiones. Dort schloß er Freundschaft mit dem gerade erst etwa achtzehnjährigen P. Cornelius Scipio Aemilianus^. Polybios wuchs in die Rolle eines hellenischen Beraters und väterlichen Freundes des Scipio Aemilianus hinein, Über die Aemilier und Scipionen wurde Polybios mit weiteren rómischen Aristokraten bekannt. Erst 150 v. Chr. wurden die dreihundert letzten Geiseln der Achaier freigelassen, darunter auch Polybios. Er begleitete Scipio Aemilianus auf wichtigen Reisen und Kriegszügen, z.B. im Dritten Puni-

schen Krieg, als er Augenzeuge der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr, wurde. Polybios

spielte 146/45 eine wichtige politische Rolle in Griechenland, als der Achäische Bund nach der Katastrophe von 146 v. Chr. aufgehoben worden war und er bei der Neuordnung der peloponnesischen Staatenwelt nach der Zerstórung Korinths im rómischen Auftrage beteiligt war. Bei der Zehnmünnerkommission des Senates für die Neuordnung der griechischen Verhältnisse konnte Polybios Milderungen der ursprünglichen Pläne zugunsten I 2 3

Vgl. Meıster 1990, 153-166, WatBANK 1972, ZieGLer, 1952, 1440-1578 zu einer ersten Information über Polybios von Megalopolis. ZumStellenwert der acháischen Geschichte für Polybios vgl. GeLzer 1940, LEHMANN 1967, ders. 1989/ 90, 66-77, WaLBank 1990, 15-30, SutMRoN 1979/80, 94—117. Die ‚Parteilichkeit‘ antiker Historiker behandelte zusammenfassend Luce 1989, 16-31. Das Datum der Gesandischaft zu Ptolemaios (180 v. Chr.) und der Mitgliedschaft in der Grenzkom-

mission (Pol. 24,6,5; Syll. 686), die Übernahme des Hipparchenamtes 170/169 (Pol. 28,6,9), die An-

gabe seiner ἀκμῇ in der Suda unter Ptolemaios VIII. Euergetes II. (Suda IT 1941 s.v. Πολύβιος) und

4 5

eine Rückrechnung seines bei Pseudo-Lukian Makrobioi 22 bezeugten Lebensalters von 82 Jahren von seinem um ca. 120 v. Chr. angenommenen Todesdatum erlauben es, die Geburt auf ca. 200 v. Chr. anzusetzen. Vgl. Pol. 31,23,9ff und zu den Beziehungen zwischen römischen nobiles und griechischen Philosophen und Intellektuellen GEHRKE 1994, insb. 608—613 über Scipio, Polybios und Panaitios. Vgl. Pol. 31,23-25 und Karthago 38,19-21 mit Kommentaren.

146

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

seiner Landsleute durchsetzen, die ihm in vielen Städten der Peloponnes aus Dankbarkeit Ehrenstatuen aufstellten®. Noch in hohem Alter unternahm Polybios erneut in der Mittelmeerwelt Reisen und besuchte dabei Rom, Alexandreia und vielleicht während des Nu-

mantinischen Krieges Spanien. In seinen letzten Jahren lebte er wahrscheinlich überwiegend in seiner Heimat Megalopolis und arbeitete an seinem historischen Hauptwerk, einer Universalhistorie der Mittelmeeroikumene insbesondere in den Jahren von 220 bis 146 v. Chr. im Umfang von vierzig Büchern, und einer Monographie über den Numantinischen Krieg 134/33 v. Chr. Die pseudo-lukianische Schrift Über Langlebige schreibt Polybios ein hohes Alter von 82 Jahren zu. Falls diese in der jüngeren Forschung angezweifelte Angabe glaubhaft sein sollte, wäre der Historiker ca. 120/118 v. Chr. verstorben. Die Zerstórung Numantias und den Beginn der gracchischen Unruhen in Rom hat er sicher noch erlebt. Im 3. Buch der Historien erwühnt Polybios auBerdem eine Vermessung der Entfernung von Emporion bis zum Rhóne-Übergang, die gerade stattgefunden habe. Diese Notiz spielt wohl auf die Anlage der Via Domitia in der Gallia Narbonensis an und gibt damit einen terminus post oder gar ad quem seines Todes von ca. 118 v. Chr. Einige Forscher nehmen allerdings ein wesentlich früheres Todesdatum schon ca. 132/31 v. Chr. und damit noch

vor dem Tode des Scipio Aemilianus 129 v. Chr. an*.

|

Polybios verfaßte drei kleinere Werke, deren Tite] wir aufgrund von Selbstzeugnissen und zuverlässigen antiken Testimonien noch kennen. Als früheste Schrift legte er eine Syntaxis, wohl ein biographisch akzentuiertes Enkomion Περὶ Φιλοποίμενος in drei Büchem vor. Polybios hatte als große Auszeichnung in seiner Jugend die Ume des Philopoimen in dessen Leichenzug 183 v. Chr. von Messene nach Megalopolis tragen dürfen. Man

darf vermuten, daß die Monographie des Polybios ein ausgesprochen positives Bild von

Philopoimen vermittelt hat und zwischen dessen Tod und dem Ende des Dritten Makedonischen Krieges 168 entstanden ist. Spuren der Tendenz des Werkes sind noch in einigen

Stellen der Universalhistorie des Polybios und in der Plutarchbiographie des Philopormen greifbar. Als nächste Schrift ist ein Traktat über Kriegstaktik, die Taxrıa (oder Ta περὶ τὰς τάξεις ὑπομνήματα!0) anzusetzen. Man datiert ihn heute meistens in die aktive Zeit des Polybios als politisch-militärischer Führer des Achäischen Bundes, also vor die Deportation von 167 v. Chr. Der Traktat trug zur Festigung seines Ansehens als militärischer Fachmann bei, möglicherweise auch zu seiner Wahl als Hipparch des Bundes 170/169 v. Chr. Als schon beträchtliche Teile der Historien fertiggestellt und eventuell schon erste Bücher daraus veröffentlicht waren, schrieb Polybios parallel zur Überarbeitung seines Hauptwerkes im hohen Alter noch eine Monographie über den Krieg in Numantia 134/33 6

Ua. in Olympia (Syll.? 686) und seiner Heimat Megalopolis (Paus. 8,30,8f). j Ps.-Lukian. Makrobioi 22: Tod durch Reitunfall im Alter von 82 Jahren; als unhistorisch bezweifelt diese Information jedoch DuBuisson 1980, 72-82. Diese Gelehrten, darunter DUBUISSON, können aber die Bemerkung über die Via Domitia in Pol. 3,39,8 als Datierungshinweis nicht entkräfien: außerdem wird in Pol. 28,21,3 sowie 31,28,13 (über die Gesundheit Scipios) zwar der Tod Scipios nicht ausdrücklich vermerkt, doch vorausgesetzt; für die spáte Datierung des Todes ca. 118 v. Chr. plädieren WALBANK 1972, 13 und Ecxstem 1992, 387-400. Vgl. Pol. 10,21 = FGrHist 173 T 1 als Selbsizeugnis über einen ὑπὲρ αὐτοῦ λόγος in drei Büchern, der vor der Universalhistorie entstand; mehrfach wird Philopoimen in den Büchern

1-2 der Historien in

den sogenannten Achaika in biographischen Passagen gerühmt; vgl. über ihn auch Pol. 10,22; 11,9-10 und 23,12,1-8 sowie 24,11,1-24,13,10; eine Benutzung der Syntaxis des Polybios über Philopoimen als Quelle in Plut. Philop. 21,5 wird meistens angenommen; vorsichtiger ist JaCoBY im Kommentar zu

FGrHist 173, der jedenfalls Plut. Philop. 16 auf die Historien des Pol. (21,32c,1—4) und Liv. 38,33, 10

nicht aber auf die Syntaxis über Philopoimen zurückfühn. Vgl. Pol. 9,20,4: der Traktat wurde später von Arrian und Aclian für ihre militärische Fachschriften als Quelle benutzt.

4. Strabon und die Historien des Polybios

147

v. Chr. Sie ist uns durch Cicero mit dem lateinisch übersetzten Titel Bellum Numantinum

bezeugt!!. Biographisch orientiertes Enkomion, Hypomnemata, Kriegsmonographie und

als Krónung die Universalhistorie geben Zeugnis von der Vielseitigkeit des Polybios als Autor in sehr unterschiedlichen Gattungen. Die hypomnematische Form benutzte Polybios im Unterschied zu seinem Fortsetzer Strabon indessen nur für seinen Traktat zur Kriegskunst. Für die zeitgenössische Universalgeschichte hielt er diese Form für un geeignet. Sehr viel undeutlicher sind unsere Zeugnisse über ein eventuelles viertes Werk des

Polybios, eine eigenständige geographische Monographie Über die Bewohnbarkeit der Zone am Äquator. Nur Geminos!?, ein Stoiker, Mathematiker und Astronom des 1. Jh. v.

Chr., nennt dieses Werk, das parallel zu der Arbeit an den Historien und vielleicht im Zusammenhang mit den Reisen des Polybios auf die Jahre nach 150 v. Chr. zu datieren wäre. Abweichend von WALBANK glaube ich indessen, daß es überhaupt keine geographische Monographie des Polybios gibt, sondern es sich um eine von Geminos irrtümlich als separates Werk verstandene Passage aus dem der Geographie gewidmeten 34. Buch der Historien handelt.

Das Hauptwerk des Polybios ist eine zeitgenössische Universalhistorie, der er den üblichen Titel Ἱστορίαι gab. Diese Universalhistorie soll ursprünglich gemäß dem Prooimion zu Buch 1 vom Beginn des Zweiten Punischen Krieges 220 bis zur Schlacht von Pydna 168 v. Chr. berichten und den Aufstieg Roms zur Herrin der gesamten Mittelmeerwelt in nicht ganz 52 Jahren beschreiben". Polybios faßt es zunächst als sein Hauptthema auf, die Gründe dieses Vorganges von universalhistorischer Dimension zu erklären. In den ersten beiden Büchern knüpft er mit einer προκατασκευή im Sinne der Tradition der historia perpetua zeitlich an das Ende des Werkes seines Vorgängers Timaios an und imitiert historiographisch zugleich auch die Archäologie und Pentekontaetie des Thukydides!^. Zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich erst nach 146 v. Chr., erweitert Poly-

bios seinen Werkplan und berichtet in den heutigen Büchern 30-40 sowie überarbeiteten Passagen der früheren Bücher 1—29 auch über die Periode von Pydna bis zur Zerstórung von Karthago und Korinth 146/45 v. Chr. Nicht nur die letzte Buchdekade, sondern das gesamte Werk stellt er jetzt unter die im zweiten Prooimion zum Buch 3 akzentuierte neue Hauptfrage, welche Auswirkungen die Tatsache der rómischen Weltherrschaft nach 168 v. Chr. auf die siegreichen Römer und die besiegten Völker des Mittelmeerraumes gehabt habe und ob man die römische Weltherrschaft begrüßen, kritisieren und gar moralisch

verurteilen solle!5.

Die Entstehungszeit der gesamten Historien (oder einzelner Buchgruppen) vorn Ende der 160er Jahre v. Chr. bis zum Tode des Polybios, die Identifizierung überarbeiteter Passagen und ihre Datierung, schließlich eine Publikation des Gesamtwerkes oder einzelner

Bücher noch zu Lebzeiten des Polybios (oder erst postum) bleiben aus Mangel an eindeutigen antiken Testimonien bis heute umstritten. Denn die nachträgliche gravierende 1i 12 13

Vgl Cic. fam. 5,12,2 = FGrHist 173 T 2; diese Monographie war eine Quelle für App. Ib. 76-98. Geminos, Elem. Astron. 16,32-38 = Pol. 34,1. Vgl Pol. 1.1.5: auch 1,3; 3,1,9; 3,4,2 und anscheinend auch im Epilog 39,8,4: Dort wird 264 v. Chr. als

14

Ausgangspunkt der Geschichte für den Westen, aber ca. 220 für den Osten genannt. Vgl Pol. 1,5,1 und 39,8,4.

15

Vgl. Pol. 3,44-7,3,5,5, 3,6,6—7, 3,32,5-6 und 31,25,3-7. Der letzte Zweck des Geschichtswerkes des

Polybios liegt nach 3,4,8 und 12 nicht in der Erklärung, wie und aufgrund welcher Verfassung Rom zur

Herrscherin der Mittelmeeroikumene wurde, sondern darin, historisches Material für eine Beurteilung

dieser Herrschaft zusammenzutragen. Die Bedeutung dieser späteren Fragestellung in den Historien wird in 30,6,3f und 38,4,8 betont. Dagegen verweist der Epilog 39,8 nur auf das erste Prooimion und sein Thema,

148

I. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Sırabon

Verschiebung des Endpunkts der Historien von 168 v. Chr. auf 146/5 v. Chr., die Ausweitung des Gesamtwerkes um ein volles Drittel von dreißig auf vierzig Bücher und die neu

akzentuierte Themenstellung haben an vielen Stellen des vorliegenden Textes zu Unstim-

migkeiten geführt, die Polybios offenkundig bis zu seinem Tode nicht mehr durch eine

systematische Uberarbeitung bereinigen konnte. An einigen Stellen des heute überliefer-

ten Textes der Historien wird nämlich anachronistisch die staatliche Existenz Karthagos'®

und des Achäischen Koinon" weiterhin vorausgesetzt, während andere Stellen auch in frühen Werkteilen über die Jahre bis 168 v. Chr. eindeutig erst nach 146/5 verfaßt oder

zumindest doch bis Anfang der 20er Jahre überarbeitet worden sind'®. Extreme Positionen zur Entstehungsgeschichte des Werkes vertreten LAQUEUR und Ersse. Jener hat durch minutióse philologische Schichtenanalyse im heute vorliegenden Polybiostext nicht weniger als fünf verschiedene, aufeinander folgende Auflagen zu differenzieren versucht. Eine solche penible Schichtenanalyse setzt sich angesichts des fragmentarischen Erhaltungszustandes des Werkes aber sofort dem Vorwurf der Subjektivität aus. ERBSE dagegen meint, daB sámtliche Werkteile erst nach 144 v, Chr. und zwar in einem Zuge niedergeschrieben worden seien!?, Die unbestreitbaren Frühindizien, nämlich alle Verweise auf die Existenz von Karthago und das Achäische Koinon in den Büchern 1-15, versucht er wenig überzeugend als ‚achronistisches‘ Präsens zu erklären. Beide Hypothesen wer-

den in der heutigen Forschung meist zurückgewiesen?0. 16

17

"Frühe Stellen‘, die noch die Existenz von Karthago voraussetzen, sind: Pol. 1,73,4, 6,52,1-3, 6,56,13,9,9,9f, 14,10,5, und 15,30,10; dagegen sind 6,9.14; 31,12,12 und 31,21,2-3 als Frühindizien umstritten, siehe WALBANKS Kommentar 1957, 1967 und 1979 insb. WaLBANK 1957, 2931f und LEHMANN 1974, 136-183. Es gibt keinen eindeutigen Beweis dafür, daß der Historiker 146 v. Chr. in der Niederschrift schon über Buch 15 und die Ereignisse des Jahres 203/2 v. Chr. hinaus gelangt war. Vgl. insb. Pol. 2,37-71 und 4,1,4-9. WatpANK 1957 nimmt in der Nachfolge GeLzers 1940 (auch in ders. 1964, 123-154 und in ὅτιενε und HoLzeers 1982, 38-78) wegen der beschriebenen Stärke des

Achäischen Bundes zu Recht an, daß Polybios selbst deutlich vor 168 einen auf den Bund und die Vorgeschichte des Kleomeneskrieges konzentrierten Exkurs als separates Werk konzipierte, ihn aber dann erst nach dem Ende des Achäischen Bundes 146 in das 2. Buch der Historien einschob, eventuell 18

sogar erst nach 129, als das verkleinerte Koinon der Achaier wieder existierte.

EineReihe von Passagen läßı sich anführen, die sicher nach 146 v. Chr. verfaßt oder bearbeitet wurden und damit Spätindizien für die Arbeit an den Büchern 1-15, 12, 28, 30-31 auch nach 146/45 und bis in die frühen 20er Jahre sind. Die bekanntesten und unumstrittensten Stellen aus frühen Büchern stam-

men aus dem 3. und 12, Buch. Pol. 3,32,1-2 gibt den Werkumfang mit vierzig Büchern an und preist die Vorteile einer bei der ersten Abfassung von Buch 3 sicherlich nicht vorliegenden ,Buchausgabe*

der Historien. Eine solche Ausgabe noch aus der Hand des Polybios bleibt aber problematisch; 3,37,10-

11 schildert die Kampagne des D. Iunius Callaicus von 138/7; 3,39,2-12 spielt auf den Bau der Via Domitia an; in 3,59,4 wird über griechische Politiker gesagt, sie seien derzeit frei von Sorgen über Kriege und politische Konflikte. Dies kann kaum vor 145 so gesagt scin. In 3,61,11 wird die Grenze

Italiens am Rubikon angesetzt, während sie bis 133 v. Chr. am Aesis verlief (vgl. 3,86,2); die starke Betonung der αὐτοπάθεια und der Reisen des Polybios in 12,27 wird erst aus seiner eigenen Biographie nach 146 verständlich; der Verweis auf den Regierungsantritt Attalos’ III. 138 v. Chr. (3042,50): zwei Stellen mit Andeutungen über die Gesundheit des Scipio (38,21,3 sowie 31,28,13) deuten darauf hin, daB sie erst nach seinem Tode 129 verfaßt sind.

19

20

LAQUEUR 1913; ERBsE 1951, 157-179 (auch in: Syrewe und HoLzeeno 1982, 162-185), doch dagegen Siche WALBANK 1967 zu Pol. 9,9,9-10 und ders. 1963, 203-213, insb. 203-208 (auf dt. in: STIEWE und HorvzBERG 1982, 415—428). "Vgl.als Ausgangspunkt Svoaopa 1913, 465—483 und zum Gang der Forschung WALBANK 1957 zu Pol. 3,1-5 in Bd. 1, 292-297, ders. 1979 zu Pol, 39,5 in Bd.3, 734f und zu Pol. 39,8 ebd. 739—744 und 764 Addendum (1979); siehe ferner ders., Polybius 1972, 22€: Der Hinweis auf den Tod des Potybios in Pol. 39,5,4 weise zwar auf eine postume Gesamtausgabe, die aber nicht notwendig die Erstausgabe sein muß; 3,32,1-2 beweist nicht eindeutig, daß schon zu Lebzeiten eine vollständige Ausgabe der vierzig Bücher vorlag, wie es WALBANK erwartet, siehe ders. 1977, 139-162 (auch in ders. 1985, 325— 343), keine Publikation aller vierzig Bücher vor 134/133 oder 129 v. Chr., sondern erst eine postume

4, Strabon und die Historien des Polybios

Polybios hat mit der Arbeit an 168 und noch in einfügen konnte.

meiner Meinung nach wahrscheinlich seinen Universalhistorien begonnen, Griechenland konzipierten Teile zur Möglicherweise war er bis zum Ende

149

erst ab dem Ende der 160er Jahre in die er auch die wohl schon vor achäisch-griechischen Geschichte der 150er Jahre in die Nähe seines

ursprünglich beabsichtigten Schlußpunktes 168 gelangt, als ihn die dramatischen Ereig-

nisse zwischen 152/12! und 145 v. Chr. von einer kontinuierlichen Weiterarbeit abhielten. Die Erfahrungen des Jahres 146 gaben wohl den endgültigen Anstoß, die Historien bis zu diesem Jahr fortzuführen. Diese Arbeit, die durch Reisen und die Monographie über den Numantinischen Krieg 134/33 v. Chr. unterbrochen wurde, verband sich mit einer bis zum Tod nicht mehr vollständig durchgeführten Revision des ersten Werkteils unter der jetzt anders akzentuierten Themenstellung. Man sollte vermuten, daß der ca. siebzigjährise Autor mit seinem Hauptwerk fast fertig zu sein glaubte, als er nach 133 noch eine Monographie über den Numantinischen Krieg begann. Alle anderen Hypothesen unterstellen Polybios eine zu hohe Arbeitskraft im Alter und zu geringes Interesse daran, zunächst

sein Hauptwerk noch selbst zu vollenden. Der moderne Ausdruck ‚Veröffentlichung‘ der Historien kann jedoch falsche Assoziationen über die Geschichte des Polybiostextes hervorrufen. Es handelt sich nur um die Freigabe des gesamten Originalmanuskripts oder einzelner Bücher daraus für private oder gewerbliche Abschriften und deren von diesem Zeitpunkt an durch den Autor nicht mehr kontrollierbare Verbreitung^". Einige Bücher der Historien mógen schon vor dem Tod des Polybios auf diese Weise einem nicht mehr

abschätzbaren Freundes- und Leserkreis zugänglich gewesen sein?, Insgesarnt ist von den vierzig Büchern der Historien des Polybios nur weniger als ein Drittel in der direkten Manuskriptüberlieferung erhalten, darunter so gut wie vollständig die Bücher 1—5 und unterschiedlich ausführliche Fragmente und Exzerpte aus den Büchern 6-40 mit Ausnahme der Bücher 17, 19, 37 und 40, die vollständig verloren sind®*. Die Werkökonomie der Historien ist uns trotzdem noch deutlich erkennbar. Die ersten Gesamtedition nimmt LEHMANN 1974, 192f an, vgl, auch schon ders. 1967. Ferrary 1988, 276ff greift

die Diskussion erneut auf. Er glaubt, mit der Hypothese einer Publikation nur der Bücher 1-2 im Jahre 150/149 und einer weiteren Teilpublikation der Bücher 3-4 145/144 sowie eines nicht näher defi-

21

nierbaren Teiles des Werkes vor dem Tode des Polybios alle Inkongruenzen und anstößigen Stellen im heutigen Polybiostext erklären zu künnen, D.h.nach dem heutigen Buches 33, als der Historiker absichtlich das 34. Buch zur Ojkumenegeographie einlegte.

22

23

Vgl. Yan GRONINGEN 1963, 1-16 und KLEBERG 1967,

Eine frühe Publikation könnte man für das 3. Buch aus einigen Passagen vermuten, die vielleicht gezielt auf die Politik in der Krise vor Ausbruch des Achäischen bzw. Dritten Makedonischen Krieges einwirken sollten,

z.B. der Geschichte der Rechisbeziehungen

zwischen

Rom

und Karthago

(Pol.

3,21,9f). LEHMANN 1974, 186ff bestreitet allerdings, daß diese Diskussion der Vertragsgeschichte in den direkten Kontext der Vorgeschichte des Dritten Makedonischen Krieges gehöre und rechnet mit einer erheblich früheren Einlage bei der Beschreibung des Endes des Zweiten Makedonischen Krieges.

Auch für das 4. Buch mit den sogenannten politischen Flugschriften zu den akarnanischen Verträgen

(4,27 und 4.30,4-5:; 4,31,3-33,12) oder Passagen über Arkadien, Messenien und ihre Gegnerschaft zu Sparta (4,73,6—4,74,8 und Stellen aus Buch 5) nimmt WaLBank eine Publikation vor 146 v. Chr. an.

24

LEHMANN bezweifelt aber, daß die Exkurse über Elis und Messene in die Situation von 150/49 passen. Daher will er alle diese Flugschriften erst nach 145 daticren. Der Status quo nach der Gesandtschaft des Polybios werde im Sinne von 39,8,2 geschildert. BorrmwER-Wossr, 5 Bde., 1889-1904 (ND 1964-67) bleibt die maßgebliche kritische Ausgabe des Polybiostextes; vgl. ferner PAToN, 6 Bde., (LCL) 1922-27; Ptpech, Foucault, Wer und NicoLer, 8 Bde.,

(CUF) 1961-82 mit guten Einleitungen und Erläuterungen in den Bänden I, 1969 (P£veca), II, 1970 (PépEcw) und XII, 1961 (P£vech); nützliche Arbeitsinstrumente sind auch SCHwEIGHÄUSER 1822, Mau-

ERSBERGERS Lexikon 1956-75 (unvollständig) sowie der Kommentar von WatBANK 1957, 1967 und

1979; zu weiterer Lit. siehe die Bibliographien: Musni 1965, 380—426, ders. 1972, 1114-1181 und HotzaERG, in: STIEwE und HovzsERG [982, 439-448,

150

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

beiden Bücher schlieBen als vorbereitende Einleitung die zeitliche Lücke zwischen dem Ende des Geschichtswerks seines Vorgüngers Timaios 264 v. Chr. und dem Beginn der eigenen chronologischen Haupterzählung 220 v. Chr. Es folgt die Beschreibung der Ereignisse in Italien und Griechenland 219-216 v. Chr. bis zur Schlacht von Cannae in den Büchern 3-5. Mit der Analyse der römischen Verfassung und des römischen Heereswesens unterbricht Polybios im 6. Buch zum ersten Mal an einer signifikanten Stelle angesichts der größten militärischen Krise Roms im Hannibalkrieg seinen Ereignisbericht. Mit Buch 7 beginnt eine Darstellung des Stoffes bis 168 v. Chr. nach Olympiaden, die jahrgangsweise die Geschehnisse jeweils in Ost und West zusammenstellt. Das 12. Buch und das 34. Buch unterbrechen die Ereigniserzählung erneut an markanten Stellen. Polybios been-

det das 11. Buch mit den Siegen Scipios in Spanien, der Rückkehr des Antiochos des Großen aus dem Osten und einem Überblick über das Jahr 205 v. Chr. Danach wird im 12. Buch in ausführlichen und gedankenreichen Passagen die Methode der ‚pragmatischen‘ Geschichtschreibung diskutiert. Polybios trägt harte Polemik gegen seine Vorgänger, ins-

besondere gegen Timaios, vor. Die Bücher 31-33 behandeln die Jahre 162/1 bis 15271. Bewußt legt Polybios vor dem eigentlichen Ausbruch der großen ταραχή, der mit dem Iberischen Krieg, dem Makedonischen Krieg gegen den Pseudo-Philippos und dem Konflikt mit dem Achäischen Bund aufbrechenden Krise in der rómischen Herrschaft, eine Pause ein und schiebt das Buch 34 über seine geographischen Anschauungen ein. Danach folgen die Bücher 35-39 über die Jahre 152/1 bis 145 v. Chr., in denen Polybios Scipio nach Spanien und Afrika begleitete, Karthago und Korinth zerstórt wurden und der Historiker, in rómischem Auftrage mit der Regelung der achäischen Verhältnisse betraut, einen späten Höhepunkt seiner politischen Karriere erlebte. Daraus erklärt sich, warum Polybios die rómische Politik von 168 bis 152 teils heftig kritisiert, doch für die Ereignisse von

151 bis 145 v. Chr. den angeblich verblendeten Anführern der Gegner Roms, Andriskos

in Makedonien, Diaios und Kritolaos in Achaia oder Hasdrubal in Karthago, schwere

politische Schuld zuweist®, Nach einem Fragment des Epilogs des 39. Buches fand der Leser am Werkende im heute verlorenen 40. Buch eine Inhaltsübersicht über das ganze Werk mit Angaben der

jeweiligen Buchzahlen?Ó. Einen Index im modernen Sinne darf man ausschließen. Das

antike Buchwesen kennt nämlich erste Verzeichnisse, die einem modernen Index vergleichbar sind, erst in der Spätantike. Man unterteilte umfangreiche Prosa- und Dichtungswerke allerdings schon in alexandrinischen Ausgaben und Kommentaren nach Verszahlen, Kolumnen, Kola, Kommata und Buchgrenzen. Umfangreiche Geschichtswerke des Hellenismus sind auch durch Aufteilung in Buchgruppen oder seit Ephoros durch Einzelprooimien zu bestimmten Büchern gegliedert worden.

Unsere heutige Vorstellung von den spáten Werkteilen des Polybios, die für Strabon

als einen Fortsetzer des Polybios thematisch die bedeutendsten sind, wird durch die fragmentarischen Überlieferungslage der letzen zehn Bücher der Historien des Polybios bestimmt, die daher an dieser Stelle noch etwas näher charakterisiert werden soll. Zitate aus

diesen Büchern bei anderen antiken Autoren sind abgesehen von seinen direkten Nachfolgern Poseidonios und Strabon sowie später Plutarch und Athenaios erstaunlich selten, wenn man die große Bedeutung des Polybios als Quellenautor für Sempronius Asellio, Coelius Antipater, Titus Livius und Plinius in der römischen oder Diodor, Timagenes, 25 26

Andiesem Gesamturteil ändert auch Pol. 36,9 mit den referierten vier Meinungen anonymer Griechen über den Untergang Karthagos nichts. Eine indirekte Kritik an Rom kónnte man aus 10,36,2f oder aus der Beurteilung Philipps V. in 5.t1,5 ableiten. Vgl. Pol. 39,8. Parallelen zur Formulierung ὁ ἀριθμὸς τῆς ὅλης npaypateiag bringen keinen endgültigen Aufschluß, weisen aber auf einen Fachbegriff aus der Sprache der Kommentare.

4. Strabon und die Historien des Polybios

151

Plutarch und Appian in der griechischen Literatur bedenkt. Bis zum Ausgang des Alterturns war das Werk des Polybios sicher noch vollständig erhalten. Photios verweist jedoch nur noch ein einziges Mal auf die Historien und widmet ihnen kein eigenes Inhaltsreferat^? Vielleicht war das Werk also im 9. Jh. nicht mehr vollständig erhalten, jedenfalls war Polybios für Photios kein bekannter Autor mehr. Als Kaiser Konstantinos Porphyrogennetos im 10. Jh. seine große byzantinische Enzyklopädie anlegen ließ, besaß man

nach Meinung Moonzs nur noch die Bücher 1-5 vollstándig??. Sicher waren schon die Bücher 14, 17, 19, 26 ganz verloren. Der Verlust des vollstándigen Polybiostexts erfolgte

also schon vor dem verhängnisvollen Vierten Kreuzzug von 1204. Die Masse der heutigen Überreste der Bücher 6-40 der Historien entstammt den Exzerptensammlungen Konstantins VIT. Der wertvollste Teil davon sind die sogenannten Excerpta antiqua aus dem 10. Jh., die auffälligerweise nur direkte Fragmente aus den Büchern 1-16 und 18 des Polybios enthalten und daher für die späten Werkteile keinen

AufschluB geben. Durch eine Stelle bei Polybios?? über den militärischen Nutzen von

Strategemen und die geschickte Ausnutzung des Geländes beeinfluBt war der Exzerptor

der Excerpta antiqua primär an taktischen und militärisch-geographischen Fragen interessiert, nicht an politischer oder historiographischer Analyse und damit nicht am Kernbereich der pragmatischen Geschichte des Polybios. Hintergrund seines Interesses ist die byzantinische Eigenart, die klassische Literatur nach dem Prinzip der refractatio wiederaufzubereiten und den Erfordernissen der eigenen Zeit angepaßt als Handbuch in der Praxis zu nutzen. Kaiser Konstantin VIL, der Auftraggeber der Exzerptensammlung, nahm regelmäßig antike militärische Handbuchliteratur mit auf Feldzüge, darunter Polyaen und

eine Auswahl aus Polybios. Die antiken Kampftaktiken haben die Byzantiner nach Ausweis der byzantinischen Geschichtsquellen und Taktikschriften tatsächlich auch noch angewandt. Die meisten Polybiosexzerpte stammen jedoch aus den Abteilungen der Konstantinischen Exzerpte de legationibus, weitere aus de virtutibus et vitiis und de insidiis. Durch die Dominanz der Fragmente aus de legationibus im zweiten Werkteil des Polybios entsteht der irreführende Eindruck, daß der Historiker in den späten Büchern stärker an Diplomatie als an Kriegsgeschichte und politischer Geschichte als dem früheren Kern der pragmatischen Zeitgeschichte, ferner auch unverhältnismäßig stark an den res Graeciae im Vergleich zu den res Asiae oder Hispaniae interessiert gewesen sei. Die Fragmente

und Exzerpte aus Polybios über den Dritten Makedonischen Krieg haben beispielsweise in unseren heutigen Ausgaben einen Umfang von ca. 55 Teubnerseiten, wovon aber alleine 33 Seiten als Exzerpte aus de legationibus stammen. Man darf aber in Analogie zu den ersten elf Büchern und nach den Ankündigungen im 3. Buch vermuten, daß im Originalwerk des Polybios auch die Iberischen Kriege zwischen 153 und 146 recht ausführlich beschrieben wurden. Ihre Bedeutung für Roms Machtstellung und ihre Auswirkungen auf Roms Verfassungs- und Militárordnung waren ihm bekannt.

27 28 29

Phot. Bibl. Cod. 83 p. 65a 2 Henry im Referat über Dionysios von Halikarnassos; vgl. über Photios als Literaturhistoriker und seine Bibliothek ScHaMP 1987 und HAGG 1975. Moore 1965. Pol.9,12,1f,

152

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

2. Universalhistorische Leitgedanken des Polybios und seine Stellung zur rómischen Weltherrschaft in den Historien Polybios ist vom Aufstieg Roms zur Weltmacht und von der Persónlichkeit führender Rómer, z.B. des Titus Quinctius Flamininus, des Aemilius Paullus oder des Scipio Aemi-

lianus, fasziniert. Er beschreibt diesen epochalen Vorgang

mit einer nicht vóllig einseiti-

gen, aber stark prorómischen Tendenz. In den Jahren von 168 bis 146 v. Chr. verstárken sich aber seine Bedenken gegenüber bestimmten rómischen Politikern und Heerführern

sowie einzelnen Entscheidungen. Das Jahr 146 mit der Zerstórung Karthagos und Ko-

rinths, die turbulenten Jahre des Iberischen Krieges bis zur Zerstörung Nurnantias und der Beginn der innerrömischen Auseinandersetzungen um die Personen und die Politik der Gracchen bekräftigen seinen Eindruck von einer selbstverschuldeten Krise der römischen Weltherrschaft. Es gibt bei Polybios zahlreiche romkritische, pessimistische Passagen, die mit der unverblümten, durch Krisen oder Katastrophen nicht zu erschütternden rom-

freundlichen Einstellung Strabons scharf kontrastieren. Die Polybios zuweilen unterstellte Absicht, Scipios Taten zu verherrlichen und gleichzeitig die eigene Laufbahn nach 150 v. Chr. herauszustellen, reicht als Motiv für die Erweiterung des Werkes um die Bücher

30-40 nicht hin. Der Historiker warnt vielmehr vor der düsteren Zukunftsperspektive der

römischen Weltherrschaft, falls diese sich zunehmend häufiger der brutalen Gewalt als Mittel zur Lösung lästiger Regionalkonflikte bediene, wie die Vernichtung von Karthago und Korinth 146 und Numantia 133 v. Chr.?® zeigen. Solche Aktionen verstoßen gegen

das Programm des politischen Philhellenismus des Scipio Africanus und gegen die eigenen römischen, bisher beispiellos erfolgreichen Traditionen. Eine solche Gewaltpolitik gefährde die römische Machtgrundlage, indem sie die politischen Tugenden preisgebe,

mit denen eben diese Hegemonialstellung errungen worden sei. Eine von Polybios ab-

weichende Bewertung findet man 2.8. bei Diodor, der die Orientreise Scipios 140 v. Chr.

als krönenden Abschluß einer gelungenen Diplomatie Roms in der Mitte des 2. Jh. feiert, oder in Strabons offen romfreundlich-apologetischen Bemerkungen anläßlich der Zerstörung Korinths?!. Im ersten Prooimion vergleicht Polybios die rómische Weltherrschaft mit früheren

Weltreichen und Hegemonien und stellt sich als Historiker in die griechische universalhistorische Tradition??, während er zugleich die Einzigartigkeit der Epoche, die er

beschreibt, sehr präzise definiert?*. Er stellt stolz fest, daß erst in seiner Lebenszeit fast alle Gebiete der Oikumene für geographisch-ethnographische Forschung zugänglich geworden seien**, Der gewaltige Fortschritt der geographischen Kenntnisse gegenüber der Zeit seines universalhistorischen Vorgängers Ephoros sei vor allem der systematischen Exploration zu verdanken, die Hand in Hand mit der römischen Machtexpansion

ging. Deswegen befinde er selbst sich in einer wesentlich besseren Ausgangsposition als der Begründer der Universalhistorie, der sogar noch vor dem großen Erkenntisfortschritt durch den Alexanderzug schrieb. Universalhistorie muß für Polybios die ganze Mittelmeeroikumene als Raum der Ereignisse umfassen. Denn der Aufstieg Roms zur Welt30 31 32

"Vgl. PerzoLno 1983, 241—263. Diod. 33,28b,1—4 und 8,6,23 C. 381-382. ΜΝ]. Pol. 1,2,1; Auonso-Nüfiez 1983, 411-426 und 1984, 640—644 (auch zu Strabon); zur Tradition des

33

Hegemonic- und Weltreichsdenkens siche auch Ferrarv 1988, 505-510 und zu den Weltreichssukzessionen bei Trogus und anderen hellenistischen und augusteischen Universalhistorikern Kapitel IL. 10.3. Einführend hierzu Geizer 1956 (auch in ders. 1964, 161—190), Devrove und Kemp 1956, Perzoup 1969 und 1973, 367-389, Scuercns 1975, 257-274, VEnDIN 1975, 66-74, Sacxs 1981, Ρετζοι 1986, 139— 145, Wen. 1988, 185-200 und Vercruvsse 1990, 17-38.

34

"Vgl. Pol. 1,4; 3,59,3 und 4,40,2 sowie P£oech 1974, 39-64.

4. Strabon und die Hisrorien des Potybios

153

macht und die Analyse dieser Weltmachtstellung lassen keine Trennung mehr in einzelne regionale Schauplätze der Geschichte (Italien, Libyen, Griechenland und Asien} zu. Auch Strabon rechtfertigt in seinen Prolegomena seine angeblich aktuellere und im Vergleich mit den Vorgängern nützlichere historisch-geographische Darstellung damit, daß erst in der augusteischen Ara das römische und das parthische Weltreich ihre größte Ausdehnung erlangt hätten. Hierdurch seien auch im Vergleich mit der Zeit des Polybios und Foseidonios neue Gebiete der geographischen und historischen Forschung eröffnet worden””,

Die wichtigsten methodischen Äußerungen des Polybios über die Universalhistorie als Gattung und seine Methode der ‚pragmatischen‘ Geschichtsschreibung finden sich in den Prooimien des I. und 3. Buches, am Anfang des 9, Buches und im gesamten 12. Buch. Der Historiker begründet ausführlich, warum nur die Universalhistorie als Gattung die Zeitgeschichte angemessen beschreiben könne?®, Der wichtigste Grund liegt nicht in einer áuBerlichen historiographischen Tradition seit Ephoros oder in ihrem hohen Prestige, sondern

im Thema

selbst, den Ereignissen seiner Zeitgeschichte. Alle Ereignisse und

Entwicklungen in der Mittelmeeroikumene haben sich gegen Ende des 3, und im 2. Jh. nach Meinung des Polybios miteinander verflochten (συμπλοκὴ τῶν πραγμάτων) und

sind nach Planung und Durchführung unauflóslich zu einem Ganzen verschmolzen??. Mo-

nographien kónnen lediglich unzureichend partielle Aspekte dieses gewaltigen Vorganges erläutern. Sie verwirren ihre Leser durch ihre große Zahl, ihren Umfang und ihre Tendenz, statt sie im Sinne der ,pragmatischen' Geschichte über die wesentlichen Ereig-

nisse und ihre Gründe aufzuklären”®, Monographien verlieren zudem oft das richtige Maß für Wichtiges und Unwichtiges und betonen die Rolle ihres Helden oder die Bedeutung

eines bestimmten Krieges zu sehr”.

Polybios tritt der von romkritischen Historikern immer wieder vorgebrachten Behauptung entgegen, der Aufstieg Roms zur Weltmacht sei vor allem ein Ergebnis des un-

erklärbaren Wirkens der Tyche. Ein originärer Beitrag zur Universalhistorie gelingt ihm, indem er durch seine Analyse der Mischverfassung Roms im Vergleich zu den Verfassungen der hellenistischen Staatenwelt (Buch 6) einen rationalen, aus der griechischen Staats-

theorie nachvollziehbaren politischen Grund für Roms Aufstieg angibt. Der Wert der polybianischen Mischverfassungstheorie wird dadurch nicht gemindert, daß sie in erster

Linie der hellenistischen Staatstheorie entspringt, nicht aber die zeitgenössische römische Verfassungswirklichkeit adäquat beschreibt. Polybios vermengt sie im 6. Buch überdies mit der Kreislauftheorie der Verfassungen (ἀνακύκλωσις). Doch enthält selbst Buch 6 eine pessimistische Anspielung darauf, daß auch Rom dem historischen Gesetz nicht ent-

gehen werde, nach dem auf Wachstum und Blüte eines Staates der Verfall folge”. Die προκατασκευή des Polybios, also die Bücher 1-2 über die Ereignisse von 264-

221 v. Chr., behandelt mit dem Ersten Punischen Krieg unerläßliche direkte Voraussetzungen des historischen Verstándnisses der Zeit von 220-168 v. Chr. Zudem stellen die bei35 36

37

Vgl.1,2,1 C. 14, 2,5,12 C. 117-118 und auch 17,3,24 C. 839. "Vgl. u.a. Pol. 1,3,3ff; 1,4,3-8; 3,32; 7,7; 29,12 über das Verhälinis zwischen Universalhistorie und Monographie; siehe dazu MouM 1977, BURDE 1974, 25-34, BREEBART 1966 (ND 1982), 47-52, ALONSOo-NUNEZ, Emergence 1990, 185-191 und ders. 1991, 6. Vel. WALBANK 1975, 197-212 (auch in ders. 1985, 313-324) und VoiLMEa 1990, Strabon betrachtetes

als die Aufgabe Roms, barbarische Randvülker mit der griechisch-rómischen Zivilisation in Verbindung zu bringen und gebraucht hierfür das signifikante Verb ἐπιπλέκειν, das die Leser an die συμ-

38

πλοκὴ τῶν πραγμάτων des Polybios erinnern soll (2,5,26 C. 127). Vgl. Pol. 3,32,

39 40

"Vgl Pol. 29,12. Vgl. Pol. 6,9,12f und Meyer 1924, 363-421 über den Einfluß des Erlebnisses der gracchischen Krise

auf die kritisch-pessimistischen späten Werkteile des Polybios.

154

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

den Einleitungsbücher das Werk durch den direkten chronologischen Anschluß an Timaios in die Tradition seiner historischen Vorgänger. Strabons Bücher 1-4 der Historika Hypomnemata sollen weniger die direkten Voraussetzungen des Beginns seiner eigentlichen Geschichte nach Polybios 145 v. Chr. aufzeigen, weil diese schon minutiös durch Polybios selbst beschrieben worden sind, als vielmehr den Bogen bis in die Alexanderzeit und zum Werkende des Ephoros schlagen. Mit der Alexanderzeit deutet Strabon

den wahren Anfangspunkt einer Universalhistorie der hellenistischen Welt an, die er mit der Zerschlagung des letzten Nachfolgereiches des Alexanderreiches durch Augustus und der Übersicht über das neue augusteische Oikumenereich enden läßt. 3. Die Definition der ‚pragmatischen Geschichte‘ durch Polybios und seine Kritik an Vorgängern und Konkurrenten

Am Anfang des 9. Buches der Historien unterscheidet Polybios zwischen drei groBen Gattungen der Geschichtsschreibung (μέρη ἱστορίας) und ordnet ihnen jeweils bestimmte

Lesergruppen zu*!. Der an Unterhaltung und guten Geschichten interessierte Leser (ὁ $1-

Añxooc) greife vorwiegend zu genealogischen Erzählungen (ὁ γενεαλογικὸς τρόπος) über

Götter und Heroen. Der an neuen, gelehrten oder antiquarischen Details interessierte Leser (ὁ πολυπράγμων καὶ περιττός) bevorzuge historisch-antiquarische Werke mit Darstellungen von Kolonisationen, Stadtgründungen und Stammesverwandschaften (περὶ τὰς ἀποικίας καὶ κτίσεις καὶ συγγενείας). Als ein Werk, das diese Themata hervorragend behandele, lobt Polybios die Ἱστορίαι des Ephoros. Der politisch interessierte Leser dagegen (ὁ πολιτικός) bevorzuge die Darstellung der πράξεις τῶν ἐθνῶν καὶ πόλεων καὶ δυναστῶν. Diese πράξεις sind das Hauptthema der pragmatischen Geschichte. Sie ist besonders anspruchsvoll, äußerlich aber weniger attraktiv und unterhaltsam. Sie interessiert daher weniger Leser als die ersten beiden Gattungen. Die pragmatische Geschichte schließt zwar im weiteren Sinne die gesamte Epoche von der Zeit der Gründung der griechischen Kolonien bis zur Gegenwart ein, legt aber ihren Schwerpunkt eindeutig auf die politisch-

militärischen und diplomatischen Ereignisse der Zeitgeschichte". Polybios sieht die Universalhistorie mit Schwerpunkt auf den zeitgenössischen Ereignissen als die einzige seinem Thema adäquate Form der historiographischen Darstellung an. Die pragmatische Geschichte ist für den Leser nützlicher als andere Gattungen. Aus der Lektüre soll man politische Lehren für ähnliche künftige Situationen ziehen, Außerdem kann der Leser aber auch durch die beschriebenen Wechselfálle des Schicksals herausragender Personen lernen, in stoischer Gleichmütigkeit diesen Wechsel des Schicksals zu ertragen. Die pragmatische Geschichte richtet sich zunächst an die politisch-militärische Elite der griechischhellenistischen Staatenwelt und des römischen Reiches, im weiteren Sinne aber auch an alle interessierten Leser. Pragmatische Geschichte kann ihre Absicht nur erfüllen, wenn sie streng dem Wahrheitspostulat verpflichtet bleibt und gründliche Ursachenerforschung

versucht. Polybios legt sich nicht auf monokausale Erklärungen fest. Er analysiert gerne die Psychologie der handelnden Personen, die politischen und militärischen VerfassungsInstitutionen, das kulturelle und auch das geographische Milieu.

4|

Vgl. Pol. 9,1-2 aus dem Prooimion des 9, Buches mit Erläuterungen von SCHEPENS 1974, 277-287.

42

"Vgl. GELzER 1955, 87-91 (auch in ders. 1964, 155-160) und Meissner 1986, 313-351; Beisrer 1995, 329-349 faßt dagegen die pragmatische Geschichtsschreibung als ,Idealtyp' auf, bei dem ihre zeitlichen Grenzen und der Akzent auf die Gegenwartsgeschichte nur von sekundárer Bedeutung seien. Vgl. Pol. 3,6,3 und 3,31—32; dazu VERCRUYSSE 1984 und ders. 1990, 17-38.

43

4. Strabon und die Historien des Polybios

155

Polybios entwickelt eine strenge Methode und legt hohe Anforderungen an einen ‚pragmatischen* Historiker fest. Diese erläutert er in einem wichtigen Fragment des 12. Buches

in einem Vergleich mit der zeitgenössischen Medizin**. Sie zerfalle in drei Teile, Theorie,

Diätetik und Chirurgie, die pragmatische Geschichtsschreibung in das eingehende Studium der Quellen (nicht nur der historiographischen Vorgänger und sonstiger literarischer Quellen, sondern auch dokumentarischer Materialien) als erste Stufe, eine genaue Kenntnis der topographischen und geographischen Verhältnisse der Regionen und Orte, in denen sich die beschriebenen Hauptereignisse abspielen, und schließlich als wichtigste und schwierigste Anforderung die eigene praktische politisch-militärische Erfahrung des Historikers^. Diese letzte und anspruchsvollste Forderung enthält zugleich eine deutliche Kritik an seinem Vorgänger Timaios, aber auch an Ephoros, dem einzigen unter den kano-

nischen Historikern des 5. und 4. Jh., den Polybios als universalhistorisches Vorbild akzeptiert, und an Theopomp. Die zuverlässigsten Informationen erhält der pragmatische Zeithistoriker durch Befragen von Zeitzeugen und durch persönliche Erfahrung als Teilnehmer der beschriebenen Vorgänge. Dabei unterscheidet Polybios interessanterweise drei Gradstufen der Intensität einer solchen Teilnahme. Dem Historiker als αὐτόπττις, also dem Augenzeugen, stellt er den an den beschriebenen Ereignissen aktiv Mitwirkenden, den συνεργὸς, oder als höchste Stufe die handlungsbestimmende Person bestimmter Er-

eignisse, den χειριστής, gegenüberS.

Die Universalhistorien des Polybios haben mit Poseidonios und Strabon zwei direkte Fortsetzer gefunden, aber diese beiden schreiben keine pragmatischen Geschichtswerke. Beide Fortsetzer fühlen sich wie Polybios der wahrheitsgemäßen Darstellung verpflichtet, aber diese Ankündigung entspricht schon lange einem Topos der Historiographie. Poseidonios und Strabon nehmen eindeutiger im prorómischen Sinne Partei als Polybios. Poseidonios sieht unter den wichtigen Ursachen historischer Entwicklungen ófter als PoIybios psychologisch-anthropologische Faktoren als dominierend an, während Strabon, jedenfalls in den Geographika, sogar vor einer extensiven Ursachendiskussion der historisch-geographischen Phänomene warnt, Das gründliche Studium aller älteren literarischen Quellen zu ihrem Thema ist eine Verpflichtung für alle Universalhistoriker des Hellenismus. Sowohl Poseidonios als auch Strabon benutzen aber in deutlich geringerem Maße epigraphisches und dokumentarisch-archivarisches Queilenmaterial für ihre Darlegungen als Polybios. Beide Fortsetzer bevorzugen eindeutig die literarische Quellentradition oder mündliche Auskünfte von Zeitzeugen, Auch Diodor, Nikolaos, Timagenes und

von den lateinischen Historikern Pompeius Trogus weichen in ihrer Methode und ihren Leitgedanken von Polybios ab. Dies wird in diesen Untersuchungen noch ausführlich vorgeführt werden. Sofern antike Historiker und Geographen mit früheren Autoren, die sie als Quellen benutzen, sachlich übereinstimmen, ist es keineswegs

üblich, diese Vorlagen immer

namentlich zustimmend anzuführen. Solche Übernahmen gelten auch nicht als Plagiate, Solange der übernehmende Autor das Material selbst sprachlich-stilistisch etwas umformte. Zahlreiche ungekennzeichnete Zitate oder Anspielungen belegen zudem die profunde Bildung eines Autors und erlauben dem gebildeten Leser bei der Lektüre, solche Zitate dennoch wiederzuerkennen, Zitate unter ausdrücklicher Nennung der Quelle findet man in der hohen Historiographie dagegen fast immer, wenn gegen ältere Werke polemisiert wird. Eine interessante Form des wissenschaftlichen Schrifttums des Hellenismus bilden nun 44 45 46

Pol. 12,256. "Vgl. hierzu Pol. 12,25e 1, 12,25g 3, 12.251 7 und 12,28,1-5. Vgl.Pol. 3,4,13 und Scherens 1970, 165-182 und ders. 1975, 81—93; zu den Wurzeln der Wertschätzung der Autopsie unter den griechischen Historikern siche umfassend ders. 1980.

156

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

die avnypabai, polemische Gegenschriften gegen bestimmte Werke anderer Autoren in verschiedenen Gattungen, nicht zuletzt in der Philosophie, Historiographie und Geographie. Die Gattung der polemischen Einzelschrift ist zuerst im Bereich der Philosophie im

Schriftenkatalog des Aristoteles und seiner ersten Schüler nachweisbar^', Von dort wird sie im Hellenismus in die Historiographie übernommen.

Man findet historiographische

und geographische Polemiken hüufiger in Prooimien oder Exkursen umfangreicher Ge-

schichtswerke als in eigenständigen Monographien. Skylax?? verfaßt jedoch eine Gegenschrift gegen die gesamten Fistorien des Polybios (oder einzelne Abschnitte daraus), Seleukos eine Schrift gegen Krates, Hipparchos gegen Eratosthenes sowie Aristarchos eine gegen Philetos, Kolamas und Xenon. Polybios selbst verfaßt zwar keine monographisch eigenständige Polemik, aber seine in die Historien eingelegten kritischen Passagen addieren sich zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit Timaios, Duris oder Phylarchos. Auch Strabon hat seine umfangreiche Einzelkritik z.B. am Ozeanbuch des Poseidonios oder am Oikumenebild des Eratosthenes nicht als monographische ἀντιγραφή verfaßt, sondern in die Geographika integriert. Der an einigen Stellen persönlich verunglimpfende Stil des Polybios fällt keineswegs aus dem Rahmen der damals verbreiteten Kritik. Dies gilt für einige Stellen der Kritik an Timaios, in der man auch die Absicht erkennen kann, mit dem großen Historiker des westlichen Mittelmeerraumes zu konkurrieren. Die Kritik an Eratosthenes als dem führenden Geographen auch noch der polybianischen Zeit zur Gestalt der gesamten Oikumene will nicht zuletzt seinen Lesern Polybios selbst als geographische Autorität empfehlen. Polybios zielt mit seiner Kritik an Phylarchos auf einige ,Auswüchse der Historiographie. Viele Autoren einer in moderner Zeit auch ‚tragische‘ oder ,pathetische* Geschichtsschreibung genannten hellenistischen Stilrichtung verletzen aus Effekthascherei oder zur Umsetzung ihrer Ideale der μίμησις, ἐμπάθεια und ἐνάργεια die oberste Verpflichtung der Geschichtsschreibung zur wahrheitsgemäßen Darstellung. Geschichte dürfe nicht unter dem Vorwand der Anschaulichkeit und lebendigen Darstellung zu einer

Sensationsdarstellung in grellen Farben verkommen. Ähnliche Gefahren für die der Wahr-

heit verpflichtete Geschichtsschreibung drohen durch einen unbeschrünkten Einsatz aller verfügbaren rhetorischen Mittel. Diese Gefahr demonstriert Polybios in seiner Kritik des

Timaios??. Polybios selbst legt gerne an wichtigen Stellen der Historien Reden oder ago-

nistische Redenpaare ein. Aber seine Reden sollen im Unterschied zu den Reden in Werken der isokrateisch-peripatetischen Historiographie oder den psychologisch-philosophischen Analysen des Poseidonios dem wirklichen Wortlaut des Gesagten móglichst nahe kommen, also primär dokumentarisch-analytischen Zwecken dienen. Weil sich Strabon 47

Vgl. Phainias von Eresos Fr. 9 und 10 Wehrli mit Kommentaren; vgl. aber auch schon aus dem 4. Jh. v.

48

Chr. die Schrift κατὰ Ἰσοκράτους τοῦ ῥήτορος des Zoilos von Amphipolis (FGrHist 71 T 1). SudaZ710s.v. Σκύλαξ; Hier ist zwar von einer ᾿Αντιγραφὴ πρὸς τὴν Πολυβίου ἱστορίαν im Singular die Rede, Aber dennoch scheint eine Gegenschrift gegen eines der unbekannteren kleinen Werke des

Polybios unwahrscheinlich. Es könnte sich {trotz des Eintrages in der Suda unter dem Lemma Skylax

von Karyanda) eventuell um Skylax von Halikarnassos, einen Geographen und Astronomen des 2. Jh. v. Chr., handeln. PÉDECH 1964, 596 Anm. 471 vermutet, daß sich diese Gegenschrift speziell mit den

geographischen Teilen der Universalgeschichte (34. Buch) befaßte. Vgl. allgemein PépécH 1964, 577 Anm. 347 zu geographischen und Scherens 1990, 40f Anm. 3 zu historischen ἀντιγραφαῖΐ, z.B. denen 49

des Ister von Kyrhene (FGrHist 334 F 59) oder des Polemon von flion (FHG III p. 108) gegen Timatos. Zu Pol. 2,56-63 und Phylarchos vgl. GagBA 1957, 3-55 und 193-239, Africa 1961 und PÉDECH 1989; zur Kritik an Timaios siehe SCHEPENS 1978, 117-148; zum leicht irreführenden Begriff der ‚tragischen‘

Geschichtsschreibung ZeGers 1959, WaLsank 1960, 216-234 (auch in ders, 1985, 224-241), ders. 1938, 55-68 (auch in ders. 1985,

210-223), Scherens 1975, 185-200; zur Kritik des Polybios an frühe-

ren Historikern KOERNER 1957, WaLBank 1962, 1-12 (auch in ders. 1985, 262-279), LEHMANN 1974, 145-205, Musm 1974, 103-143, Meister 1975 und Scherens 1990, 39-61.

4, Strabon und die Historien des Polybios

157

an die für Hypomnemata üblichen Gattungsregeln hält, muß er in seinen Historika Hypomnemata auf direkte Reden ganz verzichten oder doch ihre Länge und ihren Schmuck

zugunsten des reinen Informationsgehaltes extrem beschrünken??,

Polybios' Historien waren schon für seine Zeitgenossen und für gebildete Stilkritiker der augusteischen Ara kein leichter Lesestoff. Dionysios von Halikarnassos bewog nicht nur sein attizistisches Vorurteil gegenüber der hellenistischen Gelehrtenprosa zu dem harten Urteil, es sei fast unmöglich, jedenfalls aber eine Zumutung, die vierzi g Bücher der

Universalhistorie des Polybios bis zum Ende durchzulesen?!, Polybios hat nämlich eine

wenig leserfreundliche Vorliebe für abstrakte Begriffe. Seine Sprache vermeidet die flieBende Eleganz und die ausgewogene Ponderierung der Satzkonstruktionen der isokrateischen Historiker. Statt dessen überrascht sie den Leser häufig mit einem komplizierten und

sperrigen Satzbau, durch überlastete Partizipialkonstruktionen und substantivierte

Infinitive. Auch das wägende Differenzieren bei Charakterisierungen und Werturteilen ehrt zwar Polybios als Historiker aus heutiger Sicht, machte sein Werk aber zu einer im weiten Publikum wenig beliebten Lektüre. 4. Geschichte und Geographie in den Historien des Polybios und die Kritik Strabons an Polybios

Geographisch-ethnographische Exkurse gehóren als ein typisches Element zum formalen der Zeit Repertoire der griechischen Historiographie. Solche Exkurse sind bei Historikern des Polybios jedoch oft nur äußerlich mit der fortlaufenden Erzählung der politisch-militärischen Geschichte verknüpft. In der ‚tragischen‘ Geschichtsschreibung des Helienis-

mus dienen sie in erster Linie der spannenden und farbigen Unterhaltung der Leser, geben

dem Historiker Gelegenheit zur Demonstration sprachlicher Brillanz oder bef riedigen einfach die Neugier des Publikums auf staunenswerte Berichte über die Randvölker der Barbarenwelt. Polybios macht sich dagegen über die Rolle der Geographie in einer M Pn

schen Universalhistorie gründlichere Gedanken. Auf seine in einem gesonderten Buc

konzentrierte Abhandlung zur Geographie weist et schon im 3. Buch voraus"^. CE phische Exkurse oder Notizen sollen nicht lediglich als Glanzlichter für Iiterarische "a

naisseurs dienen??, Die möglichst aus Autopsie geschôpfte Kenntnis der historischen u

me und Schauplätze der politisch-militärischen Ereignisgeschichte Ist eine seinen der Mit. forderungen an den ‚pragmatischen Historiker‘°*. Für einen Universalhistori M Darsteltelmeeroikumene ist es jedoch praktisch unmöglich, das gesamte Gebiet seinen auch lung gleichmäßig zu erkunden, Daher muß der Universalhistoriker nach à ihre Aussa-

geographische Auskünfte bei möglichst zuverlässigen Zeugen einholen un on sangaben gen kritisch bewerten’®. Knappe Ortsbeschreibungen, Distanz- oder DES e nio Im fügt Polybios mühelos in den kontinuierlichen Verlauf der Ereignisses” ic hat Polybios

Zusammenhang der politisch-militärischen Ereigniserzählung der Historten 50 5]

und

-261)) ; WatBaNk 1965 (auch in ders. 1985, 242-26D Vgl. Pol. 2,56; zu den Reden bei Polybios siehe kern . Grund149-176 1976, | 99. 1988, an WoonM Sacks 1986, 383-395 sowie zu römischen Histori

macher; dazu 1893 "ehe aber auch de Vgl. Dion. Hal. De comp. verb, 30 p. 21,2 Usener-Rader s bleibt Hurtsch 1891-1829, legend zum Sprachstil und der Syntax des Polybio FoucauLT 1972 und Dupuisson 1985.

52

Vgl nachersten Überblicken über die Gestalt der Oikumene (Pol. 3,37,1 -338,3) 2.B. 357

56

Vgl ebd. 5,21,3-9.

53 54 55

Ebd, 3,57,6-7. Ebd. 12,25e, Ebd. 12,4c,3-4,

‚5 und 2,59.

158

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

auBerdem recht genaue geographische und topographische Beschreibungen eingelegt. Erinnert sei abgesehen von Notizen zu einzelnen Städten? an die Beschreibungen Nord-

italiens??, Arkadiens? und der Küste des Schwarzen Meeres um Byzanz6®. Doch die

geographisch-ethnographische Beschreibung ferner Länder und Völker am Rande der Oikumene und die übergreifenden Ausführungen zu geographischen Fragen stellen für ihn ein historiographisches Problem dar, weil sie sich wegen des größeren Umfanges schlechter in die fortschreitende Geschichtserzählung integrieren lassen®!. Polybios lehnt es als fruchtlos und für die Leser langweili g ab, nach Art der Perihegeten oder Ethnographen lange Reiben unaussprechlicher Namen fremder Orte oder Ethnographien von barbarischen Vólkern ohne jeden Zusammenhang mit seinem politisch-

militärischen Thema in seine Weltgeschichte einzulegen®?. Diese Einstellung hindert ihn

andererseits nicht daran, einige für uns sehr wertvolle ethnographische Beschreibungen (Spanien, Gallien) zu verfassen, Um der sprachlich-stilistischen Geschlossenheit seines

Geschichtswerkes willen vermeidet Polybios auch in geographischen Passagen meist die aktuelle Fachterminologie der Geographen. Aus Stilgründen nennt er nicht einmal die genauen einheimischen Ortsnamen der Alpenpässe, die er selbst benutzt hat. Deshalb ist z.B. auch die Diskussion über die Route des Marsches Hannibals von Spanien nach Oberitalien auf der Basis des Berichtes des Polybios lange hin und her gegangen®”. Polybios kanonisiert eine genaue Ortskenntnis als eine seiner Anforderungen an den pragmatischen Historiker. Dieser soll Landregionen und einzelne Orte, Flußverläufe und

Meeresküsten, alle besonderen geographischen Eigenschaften des Raumes, über den er schreibt, und besonders die Distanzen der einzelnen Orte voneinander studieren. Regel-

mäßig verwendet Polybios in seinen geographischen Beschreibungen die Termini θέσις τόπων (die genaue Lage und Positionsbestimmung

eines Ortes oder einer Region), φύσις

(die Grundkonstanten der physikalischen Geographie, des FluBsystems und der Gebirgslandschaft), γένος (die rassische und ethnische Beschreibung der Einwohner) und βίος

(Lebensweise und Eigenarten der Einwohner). Polybios erwähnt zuerst in seinen Beschreibungen die genaue und aktuelle Position eines Ortes (θέσις τόπων), seine speziellen Eigenheiten (ἰδιώμα) und als unabhängigen Parameter auch die aktuellen Distanzen von diesem Ort zu einem anderen (διαστήματα). Er definiert die genaue Beschreibung der Lage der Orte und die aktuellen Distanzen als den Kernbereich der χωρογραφία. Er setzt sich auf diese Weise von den auf die Gründungen von Städten, Genealogien und WandeVgl. z.B. Leontinoi Pol. 7,6, Akragas ebd, 9,27,1-10, Alexandreia ebd. 34,42 oder Carthago nova 58 59

(Cartagena) ebd. 10,9,8—10,10,13. Pol. 2,14-17 über die Galíta cisalpina. Ebd. 4,20f. Ebd. 4,38—45; Polybios schätzt geographische Informationen von Kaufleuten und Kapitänen zu sei-

nem eigenen Nachteil als minderwertig ein, vgl. über die Region von Byzanz und das Schwarze Meer 4,39,11

oder 4,42,7 (ἡ τῶν πλοιζομένων ψευδολογία καὶ Tepateta); über die erfolglosen Er-

kundigungen Scipios in Anwesenheit des Polybios bei den Kaufleuten gallischer Städte über das Kel61

tenland 34,10,6-7. Bezeichnend ist auch die Schraffe Ablehnung des Fahrtberichtes des Pytheas.

Vgl. als Sammlung von Belegstellen schon Scamiot 1875, ferner BERGER 1903, 493—525 und Dusois 1891, 343—356. Die neuere Diskussion über die geographischen Vorstellungen des Polybios wird durch die Beiträge von PÉDECH 1956, 3-24, ders. 1964, 515-597 und WaLaanx 1948, 155-182, ders. 1972,

97-129 und mehrfach im Kommentar zum 1., 3., 9. und 12, Buch bestimmt. Fundamental ist die detail-

lierte Diskussion über den Aufbau und Zweck von Buch 34 im Bd. 3 des Kommentares WALBANKS

62

1979, 563-639; vgl. auch TExieR 1976, 395-407 (über Afrika) sowie MaRrtNEz LAcv 1991, 83-92. Pol. 3,36,2-6 und 3,36,6 bis 3,38,3.

63

Vgl. die jüngste Zusammenfassung der Diskussion bei SkiBerT 1993, 191—200.

64 G5

Vgl. WALBANK 1948, 155-182 und ders. 1967, 391f zu Polybios 12,25e; siehe ferner Scherens 1970, 165-182. Vgl. Pol. 34,1,4—5 = 10,3,5 C. 465 und zu diesen Termini van PAASSEN 1957, 293ff.

4, Strabon und die Hisrorien des Polybios

159

rungsbewegungen konzentrierten Werken des Ephoros und Eudoxos ab und tritt in Auseinandersetzung mit den führenden wissenschaftlichen Werken des Eratosthenes und des Hipparchos. Strabon teilt das Verständnis von χωρογραφία des Polybios nicht, sondern versteht unter ywpoypadia eine umfangreichere kulturgeographische Beschreibung von Orten und Ländern und bezeichnet die polybianische χωρογραφία oft seinerseits mit yeoγραφία oder τοπογραφία. Schon in der Zeit des Polybios ergab sich für einen Historiker die Schwierigkeit, daß

sich durch natürliche Veränderungen (Erdbeben, Änderungen der Küstenverläufe, Verkarstung, Versteppung) oder Eingriffe des Menschen (Bauprojekte, landwirtschaftliche Nutzung, Rodung, Trockenlegen von Sümpfen) die Topographie eines Ortes oder einer

Gegend stark veränderte. Ortsnamen wechselten gerade in der hellenistischen Ära häufig,

und ihre Identifikation Konnte schon nach einer oder zwei Generationen späteren Histori-

kern und Geographen Schwierigkeiten bereiten. Einige Probleme mit der Toponymie bei Polybios werden verständlicher, wenn wir uns die vielen weiteren Umbenennungen seit der Zeit des Polybios vor Augen halten. Indem Polybios und Strabon sich vornehmen, möglichst viele Orte selbst zu besuchen und zumindest für andere Orte möglichst aktuelle

Quellen zu benutzen und glaubwürdige Zeugen zu befragen, versuchen sie, auch das Problem mit den aktuellen Ortsnamen zu lösen. Strabon nennt jedoch viel häufiger veraltete Ortsnamen als Polybios und bemerkt einmal ausdrücklich, daß die Makedonen in Asien

häufig alte Orts- oder Flußnamen verändert haben®®, PépEcH! vertritt nachdrücklich die Auffassung, daß Polybios erst durch seine eigenen, aus seiner Sicht bahnbrechenden Forschungsreisen an der afrikanischen Küste, in Spanien, im Alpenraum und Gallien dazu angeregt worden sei, ein ganzes Buch seines zweiten Werkteiles geographischen Diskussionen zu widmen, um dort seine teils polemische Auseinandersetzung mit Berichten früherer Autoren über diese Regionen getrennt von der Ereigniserzühlung der pragmatischen Geschichte führen zu kónnen. Polybios habe

sich unter dem Eindruck seiner eigenen Forschungsreisen vom pragmatischen Universalhistoriker und hellenistischen homme politique‘ zu einem Fachgeographen und Ethnographen entwickelt, der sich dem Ziel einer ‚recherche pure‘ verschrieben und im Alter schon

die Legitimitát einer von der Historie emanzipierten, autonomen Fachwissenschaft der Geographie anerkannt habe®®, Geographische Probleme sollen Polybios in seinen späten Jahren um des reinen Fortschrittes der geographischen Erkenntnisse willen und losgelöst von der pragmatischen Geschichte interessiert haben. Die Integration dieser Ergebnisse in seine vierzig Bücher Universalhistorie habe Polybios aus einem rein äußerlichen und technischen Grund beibehalten, nämlich der im Vergleich zur Veröffentlichung als separate

geographische Fachschriften bequemeren Publikationsmöglichkeit®?. Sein immer selbständiger und stärker werdendes geographisches Interesse habe zu einer deutlich veränderten Auffassung des Verhältnisses von Geographie und Geschichte innerhalb der Universalhistorie während der späten Überarbeitungen der Historien geführt. Polybios habe nach 145 v. Chr. gemäß dieser späten methodischen Überzeugung, die von PéÉDECH „la seconde manière” genannt wird, entscheidend wichtige Passagen der Bücher 1-30, die geographischen Einzelpassagen der Bücher 31-40 und das ganze Geographiebuch 34, aber 66 67 68

Vel.11,11,5 C. 518. PepecH 1956, 3-24 und ausführlicher ders. 1964, 515-597 über den ,Geographen' Polybios. PEDECH spricht von einer „transformation d'un homme politique en savant" und faBt zusammen: „söparant progressivement la géographie de l'histoire, abandonnant la liaison entre les événements et leur cadre naturel, il s'est lancé dans la description des régions encore inconnues et dans la discussion des

69

problèmes de la géographie de son temps“ (1964, 516); ähnlich auch ders. ebd. 555 und 563—597. Vgl. PépscH 1964, 574 Anm. 331.

160

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

auch das Historiographiebuch 12 abgefaBt"?, Als Ideal des geographischen Forschers seiner Zeit habe Polybios die Figur eines neuen Odysseus vorgeschwebt, eines politischmilitárisch erfahrenen Mannes, der nach eigenen Reisen später seine erforschten Erkundungen niederschreibt. Man erkenne leicht, daf sich Polybios selbst als Prototyp des

Geographen seiner Zeit gefühlt habe?!,

Polybios unternimmt in der Tat weite Reisen, deren genauer Umfang und Chronolo-

gie aber umstritten bleiben??, Er spricht mit deutlichem Stolz und einem neuartigen autobiographischen Akzent von seinen Reisen nach Afrika, Spanien (u.a. Carthago Nova und Numantia), Gallien (Massilia, Gallia Narbonensis und keltisches Hinterland), auf dem

atlantischen Ozean??, über die Alpen’*, nach Kleinasien und besonders nach Sardeis”,

Alexandreia’® und Byzanz’’. Abgesehen von Poseidonios übertrifft Polybios in der Zahl und im weiten Raum seiner Reisen alle übrigen Universalhistoriker und unter diesen sicherlich auch seinen Nachfolger Strabon. Posch differenziert nun streng zwischen den frühen Reisen des Polybios in Griechenland, im hellenistischen Osten und während der Zeit als Geisel in Italien, auf denen er noch ein ,, voyageur et touriste“ geblieben sei, des-

sen Beobachtungsgabe allerdings durch „le jugement du stratège et du politique" geschärft gewesen sei, und den späten Reisen zwischen 151 und ca. 134 v. Chr. nach Spanien, Nordafrika, Gallien und an den Atlantik, die er jetzt als geographischer Forschungsrei-

sender unternommen habe’®, PébecH hat eine längere Liste von geographischen Zusätzen vorgelegt, die nach 146/5 v, Chr. in frühere Bücher der Historien eingefügt worden seien.

Doch sind andererseits lángst nicht alle topographischen oder ethnogeographischen Exkurse vor Buch 34 als erst nach 146 v. Chr. eingefügte Zusütze nachzuweisen, mit denen Polybios seinem verstürkten geographischen Interesse habe Rechnung tragen wollen??. Angesichts der ungeklärten Chronologie und der unklaren Ausdehnung der einzelnen Reisen des Polybios, seiner nur fragmentarischen Aussagen über deren Ziel und der ungesicherten Abfassungszeiten der einzelnen Werkteile ist eine solche strenge Differenzierung zwischen frühen und späten Reisen, die für Pépecus These von der Entwicklung des Historikers Polybios zum Geographen bedeutsam ist, nicht überzeugend. Gegen den unterstellten Wandel des Universalhistorikers Polybios zum reisenden Gelehrten und

Geographen hat WALBANK® ferner zu Recht eingewandt, daB sowohl in den ,spáten' Büchern 30-40 der Historien als auch in der Monographie über den Numantinischen Krieg von 134/33 v. Chr. die politisch-militürische Zeitgeschichte das Haupttherna des Polybios geblieben ist. Dagegen fehlen eindeutige Testimonien über eigenständige fachgeographi-

sche Schriften aus dem Spütwerk des Polybios, welche wir im Falle einer solch gravieren70 71

72

Vel. Pol. 3,36-39 und 3,57-59 mit Verweis auf das spätere ,Geographiebuch' 34; ühnlich vorausweisend auf Buch 34 auch 12,25g,3 — 12,25h,1. Vgl, den Stolz des Polybios auf seine geographischen Erkundungen ebd. 3,59,4-7; 9,16,1 (der Vergleich mit Odysseus); 12,28,1. Vgl. ScHMipT 1875, 32-38, WaAtiBANK 1948, 159-160 sowie ders. im Kommentar 1957, 393-395 zu Pol. 3,57-59 sowie gut dokumentiert Pensch 1964, 516-529. Reisen waren zur Vorbereitung von Geschichtswerken üblich. Darauf deutet auch eine Anspielung bei Plautus, Men. 235-248, wo Messenio,

der weite Seereisen im Mittelmeer unternommen hat, fragt: „guin nos hinc domum redimus nisi si 73 74 75 76 77

historiam scripturi sumus?" Pol. 3,58,7-59,7, 12,28.1; 34,157. Ebd. 4,48,12; 12,28a,4 Ebd. 21,38,7. Ebd. 34,14,6 = 17.1,12 C. 797. Pol. 4,38,11-13; mit einem informativen Exkurs über das Schwarze Meer 4,38—45.

78

Vel. PeoecHh 1964, 521.

79

Vgl. zu allen bei PÉDECH 1964, 572 genannten Einzelsteflen die Kommentare WALBANKS.

80

Vel. WaLBANK, Polybios 1972, 117.

4, Strabon und die Historien des Polybios

161

den Wandlung, wie PÉDECH sie annimmt, erwarten müßten®!. Einen Autor von der Qualität und dem sozialen Status des Polybios mußten keine äußerlichen Rücksichten auf die Publikationsform von der Veröffentlichung eigenständiger geographischer Fachschriften abhalten.

Polybios hegt in den Historien starke Vorbehalte gegen alle übertriebene Fachgelehrsamkeit einschließlich der Fachgeographie. Falls er tatsächlich einen radikalen Wandel vom Universalhistoriker zum Fachgeographen durchgemacht hätte, hätte er unbedingt bestimmte Passagen in den Historien tilgen oder umschreiben müssen, die auch das geographische Fachgelehrtentum als für einen Historiker und für die politisch-militärische Elite unnütz bezeichnen®2. Die mathematisch-astronomisch orientierten Geographen Di-

kaiarchos, Eratosthenes oder Hipparchos bleiben Polybios unsympathisch. Wie tief die Fachkenntnisse des älteren Polybios in der mathematischen Geographie waren, läßt die

große Zahl an geographischen Autoritäten, die er zitiert, nicht erkennen, Strabon stellt schließlich in der Einleitung zu seinen Griechenlandbüchern 8-10 Ephoros und Polybios als Vertreter der ‚topographischen‘ Richtung der Geographie innerhalb der Universalhistorien der ,mathematisch-physikalischen' in den Werken des Hipparchos und Po-

seidonios entgegen?. Polybios rechtfertigt die Konzentration seiner übergreifenden geographischen Bemerkungen in einem eigenen Buch damit, daß er so die Ereigniserzählung und Ursachenanalyse von geographisch-topographischen Fachkontroversen entlasten wolle. Auch diese Begründung weist aber darauf hin, daß er die Geographie keineswegs schon als von der Universalhistorie emanzipierte, autonome Fachwissenschaft betrachtet, sondern einen neuen Weg sucht, die Geographie als Hilfswissenschaft der pragmatischen Universalhistorie auszurichten. Die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der gesamten vierzig Bücher der Universalhistorien des Polybios wird durch die Konzentration geographischen Materials in Buch 34 keineswegs gestört, wie PÉDECH meint, sondern sie wird sogar gefördert. Polybios hat nach den Erfahrungen seiner persönlichen Reisen keineswegs verlernt, Orte und Regionen primär mit den Augen eines Politikers und Strategen zu sehen. Alle geographischen Beschreibungen in den ersten dreißig Büchern, selbst wenn einige erst nach 145 v. Chr. eingefügt wurden, sind jeweils immer auch an historiographisch im Verlauf der Ereignisgeschichte sinnvollen Stellen plaziert. Man wird P£pech jedoch Recht geben, daß Polybios auf seine eigenen Reisen ausgesprochen stolz war. Ihre Beschreibungen hat er aber formal bewußt in sein Haupt-

werk, die Historien, integriert. Es drängt sich die Vermutung auf, daß PÉpEcus These von der Wandlung des Universalhistorikers zum Forschungsgeographen vielleicht eine voreilige (und in der Entwicklungsrichtung umgekehrte) Analogie zu ähnlichen Überlegungen darstellt, die man zu Herodot angestellt hat. Denn dieser soll nach der Meinung JacosBvs und von FRirz’ erst im Laufe seiner Arbeiten und durch die politisch-zeitgeschichtlichen Erfahrungen der Perserkriege und der Pentekontaetie von einem Geographen zu einem

Historiker geworden sein®*. Der praktische Nutzen umfangreicher Ortskenntnisse für einen Feldherren und Politiker ist ein Topos der hellenistischen Historiographie, den auch Polybios nicht ausläßt. Polybios legt allerdings außergewöhnlich großen Wert auf den Nutzen dieser Kenntnisse, den er besonders im 9. und 12. Buch der Historien diskutiert. Die Ansichten des Polybios 81

82 83

84

Ein angebliches polybianisches Buch Über die Bewohnbarkeit der Áquatorialzone ist nur bei Geminos, Elem, Astron, 16,32-38, unsicher bezeugt (s.0.). Ein von den Hisrorien separat publizierter Periplus-Bericht ist ebenfalls unwahrscheinlich. Z.B. Pol. 3,4,10-11 und 9,20,5-6. Vel. 8.1.1 C. 332,

"Vgl. zu dieser nicht unbestrittenen angeblichen Entwicklung Herodots MEıster 1990, 32-34.

162

IL. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

sind aber auch noch deutlich aus den Werken von ihm abhängiger anderer Autoren erkennbar, z.B. aus der 4. Dekade des Livius und der Plutarchbiographie des Philopoimen®®. Seine Kenntnisse soll der gute Feldherr durch eigene Reisen sowie durch Lektüre von geographischen oder historischen Werken erwerben. Die großen Umrisse von Ländern oder Inseln verdeutlicht Polybios seinen Lesern gerne aus mnemotechnischen Gründen und zur leichteren Visualisierung komplizierter geographischer Verhältnisse durch Vergleiche mit geographischen Figuren (z.B. das Dreieck Siziliens) oder alltäglich bekannten Dingen oder Lebewesen (z.B. einem Platanenblatt für die Peloponnes, dem Stiefel für Italien). Am häufigsten verwendet er Dreiecke zur Konstruktion geographischer Schemata. Damit knüpft er an die σφραγίδες, die Trapeze und Vierecke des Eratosthenes an. Irrtümer des Polybios in der geographischen Aus-

richtung wichtiger Küstenverläufe und Inseln, z.B. von Sizilien, resultieren teilweise aus dieser visualisierenden Vergleichsmethode oder dem zugrundeliegenden ,hodologischen'

Weltbild®®. Einige dieser Irrtümer werden auch von späteren Autoren bis zu Strabon über-

nommen??, Stärker in den geographischen Beschreibungen Afrikas und Spaniens als in denen Italiens, Griechenlands und Asiens wird ein wichtiger Aspekt deutlich, den TEXIER

unterstreicht®®, Jene geographischen Beschreibungen des Polybios sind durchweg aus rómischer Perspektive und in rómisch bestimmtem Erkenntnisinteresse verfaßt. Seine stark romanozentrische Perspektive auch in geographisch-ethnographischen Passagen verbindet Polybios unter den Universalhistorikern mit den Exkursen des Trogus über die Skythen, Parther und spanischen Vólker sowie mit einigen Passagen Strabons, z.B. der Beschreibung der Kelten und der britischen Inseln. In der Beschreibung des Umrisses der geographischen Gestalt ferner Länder und der Berechnung der Distanzen weit auseinanderlicgender Fixpunkte irrt sich Polybios auch deswegen häufig erheblich, weil er in einem methodisch zweifelhaften Vorgehen bewegliche und subjektiv variable MeBpunkte und Angaben von Himmelsrichtungen zur Beschreibung festumrisssener geographischer Regionen und Berechung von Distanzen einsetzt. Auch die Grenzen der Kontinente versucht Polybios zu definieren, indem er genaue Himmelsrichtungen nennt, ohne aber gleichzeitig jeweils den variablen Beobachtungspunkt anzugeben, auf den sich die Richtungsangabe bezieht. Strabon kritisiert dieses Verfahren deshalb als konfus, weil „niemand Regeln und variable Maßangaben zur Bezeichnung von Dingen brauche, die nicht variabel seien oder variable Positionsberechnungen für

feste Orte nehme“®°, Für Spanien und den Nordwesten Europas verwertet Polybios jedoch als erster Universalhistoriker und Oikumenegeograph neue Distanzangaben als Ergebnis des im 2. Jh. schon forcierten römischen Straßenbaus, offizielle militärische Quellen so-

wie eigene Reisen und Forschungen. Für Asien und Afrika übernimmt er dagegen meistens ältere Angaben des Eratosthenes”. Die Angaben des Eratosthenes für die Meeresdistanzen verringert Polybios dabei oft geringfügig. An aktuellen fachgeographischen Kontroversen beteiligt sich Polybios nur in ausgesuchten Fragen (Südkontinent und Nordgrenzen, Aquatorzonenlehre, geometrisch kor85 86 87 88 89 90

Vgl. Pol. 9,12-20 zum Umfang geographischer Kenntnisse für einen Feldherren. Liv. 35,28,1-7 und Plut. Philop. 4,8 lassen an Philopoimen als Anreger dieser Gedanken des Polybios denken. Vgl. dazu mit der älteren Literatur zusammenfassend ENGELS 1998b. "Vgl. 6.2,1 C. 265-266 mit Pol. 1,42,1-7. Vgl. TEXIER 1976, insb, 401 zur „vision coloniale" des Polybios. Nach der Kritik Strabons (2,4,8 C. 109) macht Polybios in seiner τῆς Λιβύης περιοδεία, meines Erachtens eines Teils des 34. Buches der Historien, einige Fehler in Distanzangaben und der Beschreibung des Küstenverlaufes. "Vgl. Pol. 3,36,6-3,38,3 mit der Kritik Strabons in 2,4,7 C. 108 in einer längeren Auseinandersetzung mit geographischen Fachpositionen des Polybios 2,4,1-8 C. 104-109. Eine gute Ubersicht über das Problem der unterschiedlichen MaBangaben bei Polybios findet man schon bei SCHMIDT 1875, 5-32; siche auch jetzt POTHECARY

1995, 49-67.

4. Strabon und die Historien des Polybios

163

rekte Beschreibung der gesamten Oikumene). Eine eigene, von der herrschenden des Eratosthenes grundsätzlich abweichende Auffassung vertritt Polybios aber in der Zonenlehre. Gegen Eratosthenes und Krates verteidigt Polybios die Unbewohnbarkeit der Aquatorialzone und eine Einteilung der Erde in sechs große Zonen. Eine Wechselbeziehung zwischen den geographisch-klimatischen Rahmenfaktoren eines Raumes und der Natur seiner Einwohner hat nach Andeutungen des Hekataios und des Herodot im 5. Jh. erstmals systernatisch der Verfasser der Schrift Über Klimata, Wasser und Örtlichkeiten innerhalb

des hippokratischen Corpus zu begründen versucht?!. Aus ursprünglich medizinischem Interesse entwirft der unbekannte Verfasser hier den ersten GrundriB einer allgemeinen

Anthropogeographie. Ferner läßt sich aus seinen Überlegungen der Schluß ableiten, daß die Umwelt zunächst die Natur des Menschen, darüber hinaus aber auch seine Kulturgeschichte, das Schicksal eines Einzelnen wie auch ganzer Völker, sogar die politische

Verfassungsform bestimmt. Alle hellenistischen Universalhistoriker kennen diese Theorien und nehmen dazu Stellung. Auch Polybios vertritt die Auffassung, daß Sitten und

Gebräuche eines Landes nicht ausschließlich die Folge einer durch den Menschen gesetzten politischen und kulturellen Verfassung seien, sondern ursächlich auch mit den geogra-

phischen und klimatologischen Rahmenbedingungen zusammenhángen??, Strabon schätzt vielleicht die Auswirkungen des Klimas, der Zonenlehre und der anderen naturráumlichen Faktoren noch stärker ein als Polybios und Poseidonios. Dieser sieht nämlich Erziehung

und Tradition als wichtigste Faktoren in der Kulturentstehung an?*. Polybios legt seine Meinung zu den zu seiner Zeit heiß diskutierten Streitfragen über Homer als Geographen

wahrscheinlich auch innerhalb des 34. Buches dem Leser vor”*. Der Zweck des 34. Buches geht weit über eine allgemeine Einleitung in die Geographie des Westens und eine Beschreibung des Kriegstheaters der langjährigen Keltiberischen Kriege hinaus. WALBANK?? vertritt die überspitzte Auffassung, daß das Buch 34 von Polybios als Gegenstück zu der Verfassungsanalyse in Buch 6 gedacht sei. Die Bücher 6 und 34 wiederum rahmen in der Tat die Bücher 7-33 mit dem Kern der Ereigniserzählung ein. Aber ereignisgeschichtlich ist doch mit Buch 33 erst das Jahr 152 v. Chr. erreicht, wührend der Züsurcharakter des Jahres 146 klarer ist und die Jahre von 152 bis 146 vom Kern der Ereigniserzählung nach dem spáten Werkplan weniger schroff abgetrennt werden sollten. Wahrscheinlich überschätzt man die Bedeutung des 34. Buches innerhalb der gesamten Oikonomie der vierzig Bücher des Polybios, wenn man ihm eine solche Rahmenfunktion zubilligt. Der klágliche Erhaltungszustand des 34. Buches sperrt sich gegen eine prázise Rekonstruktion und eindeutige Interpretation, die für einen Vergleich mit den Geographika Strabons hochinteressant wäre. Denn die meisten Passagen in den Geographika Strabons, der Naturalis historia des älteren Plinius oder dem Gelehrtengastmahl des Athenaios, die heute dem 34. Buch des Polybios zugewiesen werden, sind keine wórtlichen Fragmente, sondern lediglich Testimonien, Paraphrasen und Referate angeblich polybianischer Gedanken, oder auch eine Kritik an Auffassungen des Polybios. Dennoch haben PÉDECH und WALBANK den Aufbau des 34. Buches aus wenigen direkten Fragmenten und aus längeren Passagen bei Strabon und anderen spáteren Geographen zu rekonstruieren versucht. Jeder

solche Versuch sollte nach WALsANK?* nicht von einer äußerlich chronologischen, son91

"Vgl. Mois, Bd. 1, 1972, 137-144 (zu Hippokrates). Man findet ähnliche Theorien auch in den pseu-

92 93 94 95 96

do-aristotelischen Problemata Physika (phys. 14,1 p. 909a 12-17). Vgl. MARTINEZ Lacy 1991, 83-92. 2,3,7-8 C. 102-104. Vgl. Pol. 34,2,41f = 1,2,15-17 C. 23-25; vgl. über Strabons Verhältnis zu Homer Kapitel Π.1. Vgl. WaLsank 1948, 169. Vgl. vor allem den Kommentar WALBANKS 1979 zu Buch 34, Bd. 3,43 und 563—569 sowie ferner Ῥέρεοη 1956, 3-24 und ders. 1964, 573tf.

164

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen his Strabon

dern von einer inhaltlich historischen Bestimmung und Anordnung der Fragmente oder Testimonien ausgehen. Eine chronologische Anordnung der Fragmente im 34. Buch sei nämlich gar nicht zu erwarten. Es gelte vielmehr, den Zweck dieses Buches im Werk-

ganzen zu erkennen und seine vermutlichen Themen zu bestimmen. Diesen könne man schließlich einzelne Fragmente und Testimonien zuordnen und sodann eine Rekonstruktion des Aufbaus versuchen.

Im Zusammenhang unserer Untersuchung verdienen umfangreiche Passagen aus den Geographika Strabons eine nähere Betrachtung, die den Kern des Materials bilden, das

bis heute auf das 34. Buch zurückgeführt worden ist und ohne das alle heutigen Rekonstruktionsversuche unmöglich wären. Auch aus den Büchern 1-5 der Geographika

Strabons möchte WArgANk?" längere Passagen als Zeugnisse des 34. Buches aufnehmen.

Nur ein Teil der Passagen, die PÉDECH und WALBANK diesem Buch zuweisen, wurde aber auch schon von den älteren führenden Polybioseditoren SCHwEIGHÄUSER und BÜTTNER-

Wosst als Überreste des 34, Buches aufgenommen. WaLBANK und PÉDECH sind nun ohne Zweifel als zwei ausgezeichnete Kenner des Polybios ausgewiesen. Doch ist WALBANK der naheliegenden Versuchung erlegen, zu viele und zu umfangreiche angeblich polybianische Passagen in den strabonischen Geographika zu entdecken. Die Diskussion über die

Auffassung des Polybios von der Rolle der Geographie innerhalb der Universalhistorie sollte sich nur mit äußerster Vorsicht auf die stark hypothetischen Rekonstruktionsversuche des 34. Buches stützen. Die methodischen Passagen der Bücher 1, 3, 9 und 12 des Po-

lybios bleiben die entscheidende Quellengrundlage für das Verhältnis von Geographie und Geschichte bei Polybios. Einige plausible Vermutungen lassen sich dennoch über einzelne Aspekte des 34. Buches hier anfügen. Möglicherweise hat Polybios dieses Buch

mit einer Differenzierung der Fachrichtungen der Geographie und einer Bestimmung des eigenen Standortes im Vergleich mit den Auffassungen des Eudoxos von Knidos und des Eratosthenes begonnen. Breiten Raum wird die Diskussion der Zonenlehre und der Probleme der ,homerischen' Geographie (einschließlich des Exokeanismos-Problems) einge-

nommen haben. Die polybianische Chorographie Europas dürfte von hoher Qualität und mit vielen aktuellen Informationen bereichert gewesen sein. Auffällig ist andererseits, daß Polybios nach einer gut begründeten Vermutun g WALBAnKS und P£pechs seine Leser wohl

auf die Beschreibungen Asiens bei Eratosthenes und Artemidoros verwiesen hat, ohne eine eigene umfangreiche Chorographie Asiens als Pendant zu seiner Beschreibung Euro-

pas vorzulegen®.

| Wenngleich Strabon Polybios wegen einiger Einzelheiten der Chorographie Europas, Griechenlands und Afrikas und in der Zonen- und Kontinentelehre kritisiert, überwiegt

doch ganz eindeutig seine Hochachtung vor Polybios, dessen Historien Strabon mit den eigenen Historika Hypomnemata und den Geographika fortsetzen will. Schon in diesem bewußt gewählten Anschluß liegt eine hohe Anerkennung. Im Prooimion zu Buch 1 der

Geographika erwähnt Strabon Polybios als Philosophen und geographischen Vorläufer in einem Atemzug mit Eratosthenes und Poseidonios. Nur mit solchen erstrangigen Autoren will sich Strabon kritisch auseinandersetzen. Diese Au seinandersetzung bezeichnet Strabon

einer für ihn typischen Wendung als φιλοσοφεῖν gegen Eratosthenes, Hipparchos, mit Poseidonios, Polybios und ähnliche Autoren®.

97

R

9

Vgl. WALBANK 1979, Bd, 3, 563-69 und ders. 1972, 122f. Folgende Stellen der Geographika nennt

WALBANK 1979: 1,2,15-18 C. 23-25 solle bis Ende 18 d.h. bis C. 26 gehen; 2,4,1-3 C. 194-105 solle mit dem folgenden 24,3 C. 105-6 zusammengefaßt werden; 2,4,8 C. 108 solle bis zum Ende von C.

109 als Testimonium für Polybios 34 aufgenommen werden; in 3,2,15 C. 151 solle der Text länger abgedruckt werden; 32,8 C. (46, 4,6,2 C. 202 und 5,1,8 C. 214 sowie einige weitere Stücke aus Stra-

bons Buch 3 sollten als Testimonien in Erwágung gezogen werden.

val 14,2,29 C. 663 = Pol, 34,13, 1 und dazu WaLsank 1972, 122 und erneut 1979, 568 und 628. 2,1 C. 14; vgl. zu methodischen Aussagen Kapitel 1.5. und Engers 1998b.

4, Strabon und die Historien des Polybios

165

Wie Polybios lehnt Strabon die mathematisch-physikalische Geographie zugunsten der Kulturgeographie weitestgehend ab. Eine um topographische Exkurse und sogar ein eigenes Buch zur Geographie erweiterte Universalgeschichte nach dem Vorbild des Polybios kann nach Strabons Meinung jedoch kein enzyklopädisches Vollbild seiner augustei-

schen Gegenwart mehr bieten. Dusois9 vertritt die Meinung, daß Strabon eine sehr nahe-

liegende Konsequenz aus der Verstärkung der Bedeutung der Geographie innerhalb der

Universalhistorien durch Ephoros und Polybios gezogen habe, indern er eine mit starken historischen Elementen angereicherte Kulturgeographie (eine ἱστορικὴ ye@ypadia) statt der Geschichte zur Grunddisziplin seines enzyklopädischen Entwurfes erhoben habe. Aber dieser irrtümliche Eindruck resultiert meines Erachtens lediglich aus der fast vollstándigen Überlieferung der siebzehn Bücher Geographika, wührend uns die strabonische fast dreimal so umfangreiche Universalhistorie in 47 Büchern nur noch in wenigen Fragmenten vorliegt.

100 Vgl. Dusois 1891, 353.

166

IL. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

5. STRABON

UND

DIE HISTORISCH-GEOGRAPHISCHEN DES POSEIDONIOS

HAUPTWERKE

1. Leben und Werke des Poseidonios, Abfassungszeit und Berichtszeitraum der Historien und das Problem der angeblichen Pompeiusmonographie Als Suabon zu Beginn des Prinzipats des Augustus seine Universalhistorien begann und diese Historika Hypomnemata an Polybios anschlossen, existierte schon seit ungefähr einer Generation eine anders akzentuierte Fortsetzung zu dessen Historien, die ebenfalls Historien betitelte Universalhistorie des Poseidonios (ca. 135 — 51/50 v. Chr.). Dieser

wiederum war zugleich ein wichtiger Konkurrent und sein Werk eine der Hauptquellen Strabons in den Historika Hypomnemata und den Geographika. Über das Leben des Poseidonios liegen viele interessante Einzelnachrichten vor, aber wir kennen nur wenige sichere Daten!, Spuren der antiken biographischen Tradition fassen wir in der Suda. Diese Zeugnisse werden ergänzt durch eine Vielzahl von biographisch verwertbaren Erwähnungen des Poseidonios schon bei seinen Zeitgenossen, darunter auch einige interessante Notizen Strabons, und zahlreiche Selbstzeugnisse?. Einige biographische Informationen sind für das soziale Profil des Poseidonios interessant. Außerdem verdienen in unserem Zusammenhang natürlich alle Zeugnisse und persónlichen Urteile Strabons über Poseidonios nähere Aufmerksamkeit, der die universale Gelehrsamkeit des Poseidonios als eines ἀνὴρ t&v καθ᾽ ἡμᾶς φιλοσόφων πολυμαθέστατος" lobt. Er erinnert an die aktive politische Tätigkeit des Poseidonios auf Rhodos, seine Rolle als Philosophieund Rhetoriklehrer und natürlich an Poseidonios als Verfasser einer Universalgeschichte (n κοινὴ τῆς ἱστορίας γραφή)", In der Breite seiner Fachkenntnisse in der Philosophie, der Geographie, Astronomie, Mathematik und Medizin übertraf Poseidonios alle universalhistorischen Vorgänger und Nachfolger. In seiner Jugend und seinen Mannesjahren bezeichnen unsere Zeugnisse Poseidonios zunächst als Philosophen, Politiker, Naturforscher und Rhetor, dagegen nur selten als Historiker. Wie seine gründliche Bildung, seine Reisen und spätere Karriere schließen lassen, entstammte Poseidonios einer wohlhabenden Honoratiorenfamilie Apameias am Orontes, eines Zentrums des späthellenistischen Seleukidenreiches*. Griechisch-hellenistische, jüdische und syrisch-aramäische Kultur mischten sich in dieser Stadt kaum weniger stark als in Damaskos, aus dem Nikolaos stammte, oder (mit einem ägyptischen statt des syri-

Schen Elements) in Alexandreia, der Heimat des Timagenes. Auch Amaseia, die Vater|

Vgl. zur Einführung über Poseidonios REtNHARDT 1921 und ders. 1953, 558—526 (ND 1954), LAFFRAN-

QUE 1964, 45-97 zum Leben und dem Bildungsgang und 109-214 über Poseidonios als Historiker und 2

Geographen sowie Maurrz 1983, 5-33. JAcoBY sammceli die namentlich bezeugten und historischen Poseidoniosfragmente (mit einigen weiteren in einem Anhang) in FGrHist 87 (mit treffenden Kommentaren in IIC p. 154ff); vgl. hiermit aber

die beiden jüngeren Sammlungen von EpELsTEIN und Kipo 1988 und 1989 [= EK] sowie Turnen 1982

3

{= Th]; THerner legt einen unschürferen Begriff des ,Fragmentes* zugrunde als Jacosv oder EDELSTEIN und Kipp, Die ausgewogenen Kommentare THEILERS sowie EDELSTEINS und Krops fassen den aktuellen Forschungsstand zu einzelnen Fragmenten gut zusammen, Vgl.16,2.10C. 753 z T3Jacoby 248 EK 22c Th im Honcrauorenkatalog von Apameia; auch Gal. De sequela (in: Scripta minora II, pp. 77.17—78.2) = T 58 EK = F 423 Th lobt Poseidonios als πάντων

ἐπιστημονικώτατος und ἄξιος ἐπαίνων μεγίστων. 4

5

Vgl. 14,2,13C. 655 =T 2 Jacoby = 2a EK und Th; 11,1,6 C. 491-492 ΞΤ

11 Jacoby = F 206 EK = 47a

Th; 8,1.1 C. 332 2 T 14 Jacoby= 77 EK = 31 Th. Über Apameia als Geburtsort des Poseidonios 14,2,13 C, 655 = T 2 Jacoby= 2a EK und Th und 16,2,10C. 753 = T 3 Jacoby = 48 EK = 2c Th; femer Suda TI 2107-2109 s.v. Tocetäinoc = T 1 Jacoby = EK und Th la undT 4 Jacoby = 4 ER = 3 Th.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

167

stadt Strabons in Pontos, zeigte eine Mischung von pontisch-indigenen und griechischhellenistischen Bevólkerungs- und Kulturelementen. Nach einer Notiz in der Suda befand sich Poseidonios im Konsulat des M. Marcellus (51 v. Chr.) in Rom. Möglicherweise war er zur Erneuerung eines rhodisch-rómischen Bündnisses in die Hauptstadt gekommen, und vielleicht liegt hiermit auch ein Hinweis auf das Todesjahr des Philosophen vor. Die Belagerung von Rhodos durch Cassius 43 v. Chr. ist allgemein als terminus ante quem des Todes des Poseidonios anerkannt’. Cicero, einer seiner persönlichen Freunde, scheint ihn bei der Arbeit an den Tusculanae disputationes (4S v. Chr.) schon nicht mehr unter die

Lebenden zu zählenf. Unter den zahlreichen Fragmenten des Poseidonios ist keines erhalten, das auf den römischen Bürgerkrieg ab 49 v. Chr. oder den Tod seines rörnischen Freundes Pompeius anspielt. Daher wird heute allgemein angenommen, daB Poseidonios gegen Ende der 50er Jahre, müglicherweise 51/50 v. Chr., gestorben ist. Sein ungefähres Geburtsdatum kombiniert man aus Nachrichten darüber, daß er Schüler des Panaitios war,

und der Angabe Lukians, er sei 84 Jahre alt geworden, indem man von 51 auf ca. 135 v.

Chr. zurückrechnet®.

90 --1

c^

Außer in seinem Geburtsort Apameia lebte Poseidonios längere Zeit in Athen, Rhodos und Rom. Unter allen Universalhistorikern unternahm er vielleicht die weitesten Reisen in der Mittelmeeroikumene, die auch ausdrücklich als Forschungsreisen zur Vorbereitung geographischer, philosophischer und historischer Werke geplant waren. Genaue Daten, Anzahl und exakte Routen der Forschungsreisen des Poseidonios sind aber unbekannt. Im Mittelpunkt dieser Reisen standen Südgallien, die iberische Halbinsel mit der Atlantikküste und die nordafrikanische Küste, ferner Italien selbst mit den großen umliegenden Inseln. Hinzu kam bei dem gebürtigen Apameer eine gute Ortskenntnis Syriens und seiner Nachbarlünder. Die Forschungsreisen im Nordwesten und die làngeren Aufenthalte in Gallien waren nicht vor dem Ende der Kimbrerkriege móglich. Hierzu paßt auch die Vermutung, daß Poseidonios eventuell Angaben des Artemidoros von Ephoros zur Ozeanlehre, dessen Γεωγραφούμενα ca. 100 v. Chr. erschienen, vor Ort überprüfen wollte!®, Poseidonios verfaßte sein geographisch-ethnographisches Hauptwerk Περὶ Ὠκεανοῦ vor den Ἰστορίαι; dies ergibt sich schon daraus, daß er sein Ozeanbuch in den Historien zitiert. Entgegen den Ausführungen THEILERS in seinem Kommentar zu den Fragmenten des Poseidonios ist aus den antiken Zeugnissen nicht zu erweisen, daß die Reisen des Poseidonios nach Spanien mit den Jahren der prokonsularischen Magistratur des P. Licinius Crassus (96-93 v, Chr.) in Hispania ulterior in Verbindung gebracht werden kónnen. Deshalb ist auch keineswegs erwiesen, daB das Ozeanbuch sofort nach 94/3 begonnen und kurz nach der Gesandtschaftsreise 87/6 nach Rom abgeschlossen wurde. Möglich bleiben auch eine Datierung der Reisen in den äußeren Westen im Zusammenhang mit der ersten Gesandtschaft nach Rom und damit eine Abfassung des Ozeanbuches erst Mitte bis Ende der 80er Jahre.

9

Vgl. T 1 Jacoby mit Kommentar IIC p. 154f und Maurrz 1983, 29.

Vgl. dazu Jaconv IC p. 154.

Vgl. Cic, Tusc. 5,107 2 T3 EK = 4 Th; Maurrz 1983, 29 Anm, 191 weist als Datierungsindiz für den Tod des Poseidonios auch darauf hin, daB Cicero vor und nach seiner Amtszeit in Kilikien 51/50 keine Anstalten gemacht habe, dicsen in Rhodos zu besuchen.

Vgl. 84 Jahre Ps.-Lukian. Makrob. 20 =T 4 Jacoby = 4 EK = 3 Th; Schüler des Panaitios T 1 Jacoby, EK und Th = Suda FI 2107 s.v. Ποσειδώνιος und Mazrrz 1983, 12. Wenn Strabon 13,4,9 C. 628

Aristodemos als den besten Schüler des Panaitios bezeichnet, könnte darin eine Spitze gegen seinen Konkurrenten Poseidonios liegen.

10 Vel 17,3,10 C. 830 = F 80 Jacoby = 223 EK = 66 Th oder 3,5.7 C. 172-173 = F 85 Jacoby = 26 Th mit Kommentaren.

2217 EK

168

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Wenn Poseidonios 87/6 v. Chr. als Gesandter!! seiner zweiten Heimat Rhodos in Rom war und man seine rhodische Prytanie mit JacoBv schon vor diese Gesandschaft datieren darf, dann hatte der Philosoph seit seiner Übersiedlung nach Rhodos am Ende der 90er Jahre dort eine erstaunliche politische Karriere gemacht. Vermutlich erklären sein schon damals großer Ruf als Philosoph und seine guten Kontakte zu wichtigen Römern, daß ein Neubürger in der aristokratischen Republik Rhodos so schnell in das oberste Amt der Prytanie gelangen konnte. Als erfolgreicher und angesehener Diplomat im Verkehr zwischen Rhodos und Rom, als philosophische Berühmtheit, Gastgeber und Freund führen-

der Römer, z.B. Ciceros!? (77 v. Chr.), des Pompeius (66 und 62 v. Chr.) und wenig später auch Caesars, Varros, Catos und des Brutus, lebte und lehrte Poseidonios, abgesehen von seinen Forschungsreisen und diplomatischen Missionen, bis zu seinem Tode über-

wiegend auf Rhodos!^, das sich dem Philosophen aus zwei Gründen als zweite Heimat

empfahl. Rhodos hatte sich als ein Zentrum der rhetorischen und philosophischen Ausbildung etabliert, das mit den wichtigsten Bildungszentren der späten Republik und des Prinzipats — Athen, Alexandreia und Massilia — konkurrieren konnte. Zweitens sagten die politischen Verfassungsverhältnisse auf Rhodos Poseidonios genauso sehr wie Strabon

χα 5. Seine Schule auf Rhodos übernahm bei seinem Tode sein Enkel Iason!5, doch kann

man hier nicht von einer philosophischen Schulsukzession im Sinne der Diadochai-Traditionen sprechen. Seine Karriere als aktiver Politiker und Diplomat sowie das fachphilosophische Ansehen nach seinem Tode verbinden Poseidonios biographisch stärker mit Ni-

kolaos von Damaskos als mit Strabon, Timagenes oder Trogus. Die Anzahl und die Be-

11

Vgl Plut, Mar. 45,7 = T 7 Jacohy und F 37 Jacoby = T 28 und F 255 EK z T 6 Th und F 249 Tb zur

12

Als Cicero ihn in Rhodos als Philosophie- und Rhetorikschüler hörte, befand sich Poseidonios schon

Gesandtschaft von 87/6 und zugleich eine für Plutarchs Mariusbiographie aufschlußreiche Charakterstudie; 7,5,8 C. 316 = T 6 Jacoby = 27 EK = 5 Th zur Prytanie des Poseidonios,

auf der Höhe seines Ruhmes als führender Vertreter der Stoa, gefcierter Lehrer und Redner (vgl. T 29-

34 EK z 10-14 und 19 Th).

13

14 15

Vel. 11,1,6 C. 491-492 = T 8a Jacoby = 35 EK = 15 Th, das einzige Zeugnis über den Besuch des Pompeius 66 v. Chr. und Plut. Pomp. 42,10 Ξ T 8b Jacoby = 36 ἘΚ = 16 Th über einen weiteren Besuch des rómischen Triumphators 62 v. Chr. auf dem Rückweg nach Italien bei Poseidonios als dem ‚Geistesfürsten* der Epoche. Im Juni 60 v. Chr. lebte Poseidonios auf Rhodos (Cic. Att. 2.1.2 = T 9 Jacoby = 34 EK = 14 Th}. Hinweise über chronische Erkrankungen des Poseidonios im Alter lassen es unwahrscheinlich scheinen, daß er noch in den 50er Jahren als über Achtzigjähriger ausgedehnte Reisen unternommen hat Strabons lobt die Rhodier und ihre Verfassung (14,2,5 C. 652-653), sie seien δημοκηδεῖς ... καίπερ οὐ δημοκρατούμενοι. Die reiche literarische und epigraphische Überlieferung belegt eine formal demokratische Verfassung der Inselrepublik, in praxi wurde sie aber durch eine Aristokratie politisch gelenkt, in der die reicheren Bürger für die ürmeren durch Sitarchien und Leiturgien sorgten. Dies

geschah Strabon zufolge weniger aus humanitären Gründen als vielmehr vor allem mit Rücksicht auf die Stärke der rhodischen Flotte. Die führenden Magistrate in Rhodos verfügten in Kriegs-, aber auch

in Friedenszeiten über weitgehende Machtbefugnisse, und der faktische Einfluß der rhodischen Elite

auf die Besetzung dieser Ämter war groß. Die rhodische Nauarchie war ein über mehrere Jahre verlän-

gerbares Amt mit der Kompetenz, in Kricgszeiten sogar den Staat bindende Verträge abzuschließen. Gegenüber dem einzelnen Nauarchen hatte das mehrköpfige Kollegium der Strategen der Landtruppen eine geringere Bedeutung. In Friedenszeiten vereinigten die fünf oder sechs Prytanen als Obermagi-

strate jáhrlich die üblicherweise in griechischen Demokratien getrennten Funktionen des Prásidiums der Volksversammlung und der Spitze der zivilen Exekutive. Sie gewannen dadurch entscheidenden Einfluß auf die Beschlüsse der Volksversammlung. Partizipation aller Rhodier in den Gerichtshófen und der Volksversammlung verband sich also geschickt mit der politischen Leitung des rhodischen Staatswesens durch die politisch-militärische Elite; vgl. ΟΝ ει, 1981, 468-473, BERTHOLD 1984, AGER

16

1991, 10-41 und Miceotte 1989, 515-528. Sudal$52 s.v. Ἰάσων z T 40 EK = 20 Th mit Kommentaren; Iason verfaßte auch eine Kulturgeschichte

Griechenlands mit dem Titel Biog ᾿Ελλάδος, in der er vielleicht philosophisch-historiographische Positionen des Poseidonios fortführte.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

169

deutung seiner persönlichen Freunde und Bekannten unter der politisch-militärischen wie geistigen Elite seiner Zeit übertraf diejenige des Nikolaos oder Timagenes und noch deutlicher diejenige des Trogus und Strabons. Die Zugehörigkeit zur Stoa als der ihnen vertrautesten Philosophenschule verbindet wiederum Strabon und Poseidonios enger als andere Universalhistoriker. Der Titel des historischen Werkes des Poseidonios im Umfang von 52 Büchern lautete in traditioneller Weise Ἰστορίαι oder auch Ἱστορία ἡ μετὰ Πολύβιον. Diese Univer-

salgeschichte entstand erst nach dem geographischen Hauptwerk Über den Ozean. Da die Historien des Poseidonios diejenigen des Polybios fortsetzen, begann ıhre kontinuierliche Ereignisgeschichte mit dem Jahr 145 v. Chr. Wahrscheinlich reichten sie — von zeitlich

vor- und rückgreifenden Exkursen abgesehen!” - von der Zerstörung Karthagos und Korinths 146/45 bis zur Eroberung und teilweisen Zerstörung Athens 86 v. Chr. durch Sulla. Dieser vermutliche Berichtszeitraum entspricht jedenfalls der heute ın der Posei-

doniosforschung vorherrschenden Auffassung, die THEILER, MALttz sowie EDELSTEIN und Kopp referieren!®. Ältere Vermutungen, Posetdonios habe noch das Ende der römischen Bürgerkriege zwischen Marianern und Sullanem und die Errichtung der Diktatur Sullas 82, die Feldzüge des Lucullus und Pompeius im Osten bis 63 oder gar Ereignisse bis zu Caesars Konsulat von 59 v. Chr. im Rahmen der kontinuierlichen Ereigniserzählung seiner Historien behandelt, werden heute als unwahrscheinlich verworfen!?,. Der Tod des Marius am Anfang seines siebten Konsulats 86 v. Chr., der die innerrömische Bühne für seinen Rivalen Sulla freimachte, die Eroberung Athens im gleichen Jahr oder der wenig später geschlossene

Frieden von Dardanos als außenpolitischer Abschluß des Ersten

Mithradatischen Krieges boten sich als Endpunkte seiner Universalhistorie für Poseidonios durchaus an. Schwierig zu erklären ist aber die Angabe der Suda, Poseidonios habe sein Geschichtswerk bis zum ‚Kyrrhenischen Krieg‘ des Ptolemaios Alexandros geführt. Denn einen solchen bedeutenden Krieg kennen wir aus unserer sonstigen Überlieferung 17

Die Bemerkungen über die Beerdigung der Pythionike, einer Mätresse von Alexanders Schatzmeister

Harpalos, 324 v. Chr. in Athen (Athen, 13,594 d/e = F 14 Jacoby = 66 EK = 168 Th) und möglicherweise das ohne Buchzahl überlieferte Fragment mit einem (in anderer Tradition jedoch dem Demades zugeschriebenen) Bonmot über das makedonische

Heer, das nach Alexanders Tod dem geblendeten

Zyklopen geglichen habe (F 39 Jacoby = 252 EK = 84 Th), stammen aus Buch 22 der Historien. Dies sind die frühesten namentlich auf Poseidonios zurückgeführten historischen Fragmente. Sie belegen, wie weit Poseidonios aus dem jeweiligen fortlaufenden Erzühlzusammenhang zurückgreifen konnte, 18

19

Vel. Tuer

1982, Bd. 2, 78f, MauTz 1983, 32, 63 und 70f, EDELSTEIN und Kipp 1988, Bd. IE (1), 277ff

sowie Jacoëy FGrHist ΠΟ p. 156 mit einem Überblick über ältere Forschungsmeinungen zum End-

punkt der Historien.

ArNoLD 1884, 149f plädiert für das Jahr 82 als Endpunkt der Historien des Poseidonios. Die späten 80er Jahre boten aus der Sicht der östlichen hellenistischen Reiche auch eine andere Zäsur für ein universalhistorisches Geschichtswerk. Denn 83 v. Chr. wurde Tigranes von Armenien auch König in Syrien. Damit endete der zwëlfjährige Bruderkrieg unter den Sóhnen des Antiochos Grypos, aber auch die selbständige Existenz des Seleukidenrciches. Zugleich wurde das Schicksal Syriens von nun an bis zur Errichtung der rómischen Provinz 63 v. Chr. mit der Geschichte des Mithradates, des Schwiegerva-

ters und Verbündeten des Tigranes, verknüpft. Für die Rückkehr des Pompeius 62 aus dem Osten

spricht sich mit Vorbehalten SrRAsBURGER aus, 1965, 40-53, insb. 43f (eine dt. Fassung in ders. 1982, 920-945, insb. 927), erst für 59 v. Chr. Meyer 1922, 619 Anm. 1. Wenn Poseidonios die markanteste auBenpolitische Zäsur seiner Lebenszeit suchte, so markierten die Siege des Lucuilus und Pompeius

über Mithradates VI. und Tigranes gravierendere Zäsuren als die Siege Sullas der 80er Jahre. Auch mit Blick auf die nordwestlichen Grenzregionen hätte sich eine Zäsur Ende der 60er Jahre vor den großen Eroberungen Caesars in Gallien angeboten. Doch solche aus heutiger Analyse attraktiven Hypothesen über das Ende der Historien finden in dem spätesten, sicher mit Buchzahl überlieferten Fragment des Poseidonios zum Jahre 92 ein unüberwindliches Hindernis, weil es schon aus dem 49. von insgesamt 52 Büchern stammt.

170

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

über die Jahre von 88-85 v. Chr. nicht. Vielleicht bezieht sich die Notiz auf den Tod Ptolemaios’ X. Alexandros L nach seiner Vertreibung aus Alexandreia in einer Schlacht bei Zypern (87 v. Chr.). Die Streitigkeiten in Kyrene, die Lucullus 87/86 v. Chr. schlich-

tete?°, kann man kaum als ‚Kyrrhenischen Krieg‘ des Ptolemaios Alexandros verstehen.

RUSCHENBUSCH versucht, abweichend von der Mehrheit der heutigen Forscher, dıe das Datum 86 v. Chr. bevorzugen, durch Kombination verschiedener subtiler Beobachtungen zu den Quellen der Suda, Diodors, des Plutarch und des Athenaios und durch die Beobachtung auffälliger Vorgriffe in der kontinuierlichen Erzählung Diodors schon das Jahr 88 v. Chr. als exakten Endpunkt der fortlaufenden Ereigniserzählung der Historien nachzu-

weisen?!, Mit diesem Jahr werden das Ende des Bundesgenossenkrieges und die Situation

kurz von Ausbruch des Ersten Mithradatischen Krieges und der Bürgerkriege zwischen Marianern und Sullanern erreicht. Ereignisse des Jahres 86, vor allem der Tod des Marius, sind RUSCHENBUSCH zufolge nur im Vorgriff erzählt worden??. Bei dieser Hypothese mübte man auf den symboltrüchtigen Zusammenhang zwischen der Zerstórung Karthagos und Korinths 146 am Anfang und der Eroberung Athens 86 am Ende des Werkes verzichten.

Das 49. Buch der Historien des Poseidonios enthielt zweifelsohne Ereignisse aus dem

Jahre 92 v. Chr. Stellt man nun die allgemeine Tendenz der hellenistischen Universalhistorien in Rechnung, auf ihre eigene Lebenszeit hin immer ausführlicher zu werden, so spricht diese Überlegung nach Meinung RUSCHENBUSCHS ebenfalls dafür, daß das 52. Buch zwar durchaus Ereignisse des Jahres 88, aber kaum des Jahres 86 v. Chr. berichtet haben könne, Wir haben aber keine sicheren Zeugnisse über die unterschiedliche Länge der einzelnen Bücher des Poseidonios. Der fragmentarische Überlieferungszustand des 37. Buches Diodors, das im Zentrum der Argumentation RUsCHENBUSCHS steht, hat zur Folge,

daB seine Überlegungen hypothetisch bleiben und den Endpunkt 86 v. Chr. am Ende des Ersten Mithradatischen Krieges nicht definitv widerlegen können.?* Auf Vermutungen

zur Werkökonomie, daß Poseidonios die Ereignisse eines Jahres im Regelfall in jeweils

einem Buch beschrieben habe, kann man sich angesichts des fragmentarischen Überlieferungszustandes in der Diskussion über das Werkende nicht als entscheidendes Argument berufen.

Auch Beobachtungen darüber, auf welche Quellen sich Athenaios in seinem Gelehrtengastmahl für die 80er Jahre stützt, führen zu keinem entscheidenden Indiz gegen das Jahr 86 als Endpunkt der Historien des Poseidonios. Für Ereignisse nach der Mitte der 80er Jahre zitiert Athenaios nicht mehr Poseidonios, sondern bevorzugt Nikolaos von Damaskos. Doch für seinen Bericht über die Versklavung der Chioten 86 v. Chr. durch

Mithradates kann sich Athenaios?® noch sowohl auf Nikolaos als auch auf Poseidonios

berufen. Während man über den Umfang und die Sicherheit der plausiblen Zuweisung eines Stückes aus der Mariusbiographie über den Tod des Marius 86 v. Chr. zu Poseidonios als Vorlage Plutarchs streiten mag, ist das Fragment des Poseidonios über die Versklavung der Chioten ein Eckstein der Argumentationen zum Werkende. Dieses Zeugnis wertet die Mehrheit der heutigen Forscher zu Recht als ein wichtiges Indiz für 86 als SchluBpunkt der Historien des Poseidonios, während RUsCHENBUSCH es weniger überzeu20

"Vgl .Plut. Luc. 2,34,

21

RuscuENBUscH 1993, 70-76.

22

Plut. Mar. 45,3-12 = F 37 Jacoby = 255 EK = 249 Th.

23 24

Ruschensusch 1993, 72. Vgl. zur Kritik an RuscuENBUsCHS Überlegungen TEptsco 1995, 91-103, der wiederum kein exaktes Jahr während der 80er Jahre als Endpunkt für erweisbar hält.. Vgl Athen. 6,266ef = F 38 Jacoby = 51 EK = 250 Th mit Kommentaren; zum Parallelbericht des Nikolaos siche FGrHist 90 F 95 sowie Maurrz 1983, 70, Plut. Mar. 45,3-12 = F 37 Jacoby = 255 und T 28 EK = 249 Th.

25 26

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

171

gend als Teil eines vorgreifenden Exkurses möglicherweise anläßlich der Seeschlacht der Rhodier gegen Mithridates 88 v. Chr. auffaßt.

Wie über den Endpunkt kann man leider auch über den Entstehungszeitraum der Historien des Poseidonios nur Vermutungen anstellen, In den 80er und 70er Jahren war Poseidonios noch primär mit rhetorisch-philosophischen Schriften beschäftigt. Bis 62 v. Chr. gibt es keinen Hinweis darauf, daß sich der Ruhm des Poseidonios auch schon auf

veröffentlichte oder gerade entstehende historische Arbeiten gründete. THeıLer plädiert als einziger unter den Jüngeren Forschern für eine sehr frühe Abfassungszeit der Historien

und meint, daß sich die Abfassungszeit der „nach 86 begonnenen Historien ...bis mindestens etwa 75 erstreckt? habe. Ein Hauptargument für eine frühe Abfassungszeit der Historien bildet die völlig unbewiesene Annahme, daß die Historien des Poseidonios oder auch eine separate, nur schlecht bezeugte angebliche Pompeiusmonograptue schon vorgelegen haben müften, als ihm Cicero im Juni 60 v. Chr. sein bekanntes Hypomnema als

Materialsammlung für eine glanzvolle rhetorische Darstellung seiner eigenen Taten übersandte. In dem Atticusbrief, der uns hierüber berichtet, ist allerdings nirgendwo ausdrück-

lich die Rede davon, daß der damalige Ruhm des Poseidonios auf schon vorliegenden

historischen Werken beruhte?®. REINHARD vermutet, daß Poseidonios alle 52 Bücher der Historien nicht erst zusammen nach ihrer Vollendung, sondern schon vorher einzeln oder in Büchergruppen sukzessive veróffentlicht habe. Für eine solche, bei umfangreichen historischen Werken nicht unwahrscheinliche Weise der ‚Veröffentlichung‘ der Historien des Poseidonios haben wir aber keine Belege. REINHARDTS Behauptung, „der Ruhm des

Historikers stand um 60 fest“, kann sich auf kein klares und datierbares Zeugnis stützen?" Verschiedene Angaben zur politischen Geographie des syrisch-armenisch-kommagenischen Grenzraumes in den Geographika Strabons gehen wahrscheinlich auf Poseidonios zurück und beziehen sich auf Verhältnisse, die dort erst von ca. 66 bis 55 v. Chr.

herrschten??, Diese Beobachtung legt eher den Schluß nahe, daB Poseidonios zumindest

an diesen Werkteilen noch bis in die Mitte der 50er Jahre gearbeitet und (in einem groDen Exkurs zum Ersten Mithradatischen Krieg?) über das vermutliche Werkende 86 v. Chr. bis in die späten 60er oder gar 50er Jahre vorgegriffen hat. Cicero wandte sich an Poseidonios, den Philosophen, brillanten Stilisten und Rhetor, nicht an einen allgemein anerkannten Zeithistoriker. Wären die Historien Cicero tatsächlich damals schon zumindest in repräsentativen Teilen bekannt gewesen, so hätte ihr Inhalt ihn übrigens kaum dazu ermuntert, sich vom Verfasser ein monographisches Enkomion über seine Karriere zu erbitten. Eine genaue Analyse signifikanter Passagen der Historien weist ferner darauf hin, daB die wissenschaftlichen und philosophischen Ansichten des Poseidonios von der Welt schon voll entwickelt waren, als er seine Universalhistorie verfaßte, so daß sie seine historische Konzeption nachhaltig beeinflussen konnten. Auch diese Überlegung spricht für eine

Spätdatierung der Abfassung und der Veröffentlichung der Historien?". Theophanes aus Mytilene war ein enger Vertrauter des Pompeius und Augenzeuge seiner Feldzüge. Er verfaßte eine enkomiastische Monographie über Pompeius, die schon während oder unmittelbar nach dem Ende der Feldzüge noch vor dem Triumph von 61 v. Chr. und mit der Absicht der Stärkung der innerrómischen Position des Pompeius veróf27 28 29 30

31

TueıLer 1982, Bd. 2, 79. Vgl.Cic. Att. 2,1,2=T 9 Jacoby = 34 EK = 14 Th; anders u.a. GicoN 1967, 83-99 (auch in ders. 1972, insbes. 249). Remmarod 1953, 631. ou Vel. Syme 1995, 95-110 zu Strabons Notizen über Zeugma und die Euphratübergánge sowie signifikanten territonalen Veränderungen Kommagenes vor 55 v. Chr.

Vgl. Maurrz 1983, 30-33.

172

TI. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

fentlicht wurde?2, Mit diesem Geschichtswerk stellte Theophanes dem schon über siebzigjährigen Poseidonios eine willkommene, aktuelle und in seiner enkomiastischen Tendenz attraktive Quelle zur Verfügung, die er in den Historien benutzt hat. Auch für Strabons Geographika (Buch 11) und die spätere biographische Tradition bei Plutarch blieb Theophanes eine wichtige Quelle über die Feldzüge des ,neuen Alexander‘ Pompeius im Osten. Es fragt sich aber sehr, ob Poseidonios innerhalb von knapp zwei Jahren nach dem Erscheinen der Monographie des Theophanes eine weitere eigene, in der Tendenz zugunsten des Pompeius ähnliche Monographie veröffentlicht hat und ob zweitens ein solches Werk Cicero auch schon im Jahre 60 v. Chr. bekannt geworden wäre. Verschiedene Testimonien bezeugen die propagandistisch geschickte Hochachtung,

die Pompeius Poseidonios entgegenbrachte. Diese galt aber mehr dem angesehenen stolschen Philosophen und Rhetor als dem Historiker und Geographen. Diese persönliche öffentliche Auszeichnung und der demonstrative Philhellenismus des Pompeius lassen es selbstverständlich erwarten, daB umgekehrt Pompeius im historischen Werk des Poseidonios eine herausragende Rolle erhielt. Falls aber die Historien des Poseidonios vermutlich schon 86 v. Chr. endeten, so ergab sich nur in einem vorgreifenden Exkurs dieses Hauptwerkes Gelegenheit, die größten Taten und den Charakter des Pompeius in den 70er und 60er Jahren angemessen zu würdigen. Denn er rückte bekanntlich erst nach Sullas Rückkehr aus dem Osten ins Rampenlicht, krönte seinen raschen Aufstieg (nach wenig chrenhaften Siegen gegen Sertorianer und bewaffnete Sklaven) mit dem Konsulat 1m Jahre 70 v. Chr. und erreichte in den späten 60er und 50er Jahren nach den Siegen über die Seeräuber und vor allem Mithradates, der Neuordnung des Ostens und dem Ersten Trium-

virat die ἀκμή seiner Laufbahn. Eine denkbar knappe, sprachlich wie sachlich problematische Notiz Strabons im 1 l. Buch der Geographika ist das einzige und umstrittene Testimonium dafür, daB Poseidonios möglicherweise eine von den Historien getrennte, frühere Monographie über die Kriegs-

züge des Pompeius verfaßte??, Die übrige reiche Überlieferung über die Werke des Poseldonios und über Pompeius weif nichts von einer solchen Pompejusmonographie. Das Fehlen sicherer weiterer Spuren einer poseidonischen Monographie über Pompeius" gilt manchen Interpreten angesichts der gründlichen Bescháftigung auch der Prinzipatszeit mit Pompeius als bedenkliches Indiz dagegen, daß ein zweites historisches Werk des Poseidonios überhaupt existierte. Die Tatsache, daß niemand außer Strabon eine Monographie des Poseidonios über Pompeius erwähnt, ist andererseits noch kein hinreichender Grund,

deren Existenz zu bestreiten. MaLırz weist in seiner Diskussion der Stelle zu Recht darauf

hin, daß gerade kleinere Werke berühmter Historiker im Schatten ihrer Hauptwerke in der Überlieferung leicht verloren gehen konnten, wie ein Vergleich mit Polybios’ Monographie

über den Numantinischen Krieg’? neben seiner Universalhistorie zeigt. Aber aus dieser richtigen Beobachtung kann man auch noch kein positives Argument für die Existenz 32 33 34

Vel. FGrHist 188, insb. T 3a = Cic. Arch. 24 aus dem Jahre 62. Vgl. 11,1,6 C. 491—492 =T 11 Jacoby (im direkten Anschluß an T 8) = F 79/206 EK = F 47a Th. Die Schilderung der Eroberung von Jerusalem 63 v. Chr. und der ganze Exkurs über jüdische Religion und Sitten bei Strabon sind schon mehrfach vorschnell auf Werke des Poseidonios zurückgeführt worden (16,2,35-40 C. 760-763 = F 70 Jacoby = 133 Th); aber diese Zuweisung ist, abgesehen von der knappen Teilpassage 16,2,42-43 (44) = F 279 EK = 60 Th, zu schwach begründet. Im Bericht Strabons über die Eroberung Jerusalems hat man eine Spur der Benutzung einer angeblichen Pompeiusmonographie durch

35

Strabon entdecken wollen, weil die Stelle zeitlich besser in eine solche Pornpeius-

monographie als im Sinne eines vorgreifenden Exkurses z.B. zum militärischen Zusammenstoß der Seleukiden mit den Hasmonäern 134 v. Chr. in die Hisrorien des Poseidonios passe. Auch diese Hypothese überzeugt nicht. Vgl. Pol. FGrHist 173 T 2,

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

173

einer Pompeiusmonographie des Poseidonios gewinnen. Der Wortlaut der Strabonpassage ist daher genauer zu prüfen, Pompeius hat Poseidonios vermutlich zweimal auf Rhodos besucht, vor dem Feldzug im Jahre 66 v. Chr. und nach seinem siegreichen Abschluß im Jahre 62 v. Chr.36, Für den

ersten Besuch vor dem Feldzug ist Strabon unsere einzige Quelle. In diesem Fall ist es

unwahrscheinlich, daß Strabon das Datum verwechselt haben und es tatsächlich nur einen Besuch 62 v. Chr. gegeben haben sollte. Der homerische Rat des Philosophen an Pompei-

us, er solle sich bemühen, „immer der erste zu sein und empor zu streben vor andern'??, kann allerdings sowohl mit Blick auf die Zukunft vor den großen Feldzügen im Osten als auch als Anerkennung der Leistungen und Tribut des ‚Geistesfürsten‘ Poseidonios an den

siegreichen Feldherrn und zurückkehrenden Herrn des Orients aufgefaßt werden. Strabon berichtet von einem Besuch, den Pompeius seinem ‚Freund‘ Poseidonios auf Rhodos im Frühjahr oder Sommer 66 v. Chr. abgestattet habe, bevor er gegen die Iberer und Albaner gezogen sei. Dieser Feldzug fast bis zum Ufer des Kaspischen Meeres fand Ende 66 und im Winter 65 v. Chr. statt. Dieses Binnenmeer hielt er wie Strabon irrtümlich für eine

Einbuchtung des östlichen Weltozeans. Deshalb wollte er auf dem Kaukasusfeldzug in einer großen Geste der imitatio Alexandri die Küste dieses Ozeans als eine Grenze der

Welt erreichen®. Man hat den Eindruck, daß Strabon und seine Quelle durch die zweima-

lige Betonung des Kaspischen Meeres in einem einzigen Abschnitt dieses Scheitern des

Pompeius überspielen wollen. » Strabon schlieBt seinen Bericht über den Besuch des Pompeius mit einem kritischen Hinweis: „Hierzu nehme man noch, daß er auch eine Geschichte der Zeit des Pompeius geschrieben hat. Schon deshalb hätte er sich etwas mehr der Wahrheit befleißigen sol-

len“#, Nun ist leider Strabons griechische Formulierung (προστίθει δὲ τοῦτοις, OT M

τὴν ἱστορίαν συνέγραψε τὴν περὶ αὐτόν) viel unbestimmter als die hier exempranoe zitierte interpretierende Übersetzung Forsicers. Vor allem ist der grammatische dnd

der Personalpronomina „er“ und , ihn" im griechischen Wortlaut nicht eindeutig versta

lich.

EE

Während fast alle älteren Interpreten zu Recht ‚über ihn‘ (περὶ αὐτόν) auf ok

beziehen, äußert ALv die meines Erachtens unzutreffende Ansicht, daß die pesas

:

hub

vor der dote über den Besuch des Pompeius auf Rhodos nur ein ungeschickter pie Strabons sei und man daher die Worte ,über ihn* und den ganzen Satz a se. Strabon gesamten Episode zum Besuch des Pompeius genannten Okeanos beziehen Tr ios und gar habe hier also eine kritische Bemerkung über das Ozeanbuch des Poseidoni 36

37 38

39

Tusc. 2.61, Plut. Pomp. 42.10, Plin. nat. 7.112 und Dazu sieheT 36-39 EK = Th 13,16-17 aus Cic.

daraus Solin. Collectanea 1.121.

4).

Ein Zitat des Rates, den bei Homer Peleus an Achill gibt (Hom. Il. 6,208 und obd. T^ 764

Vel. Plut. Pomp. 36,1.

-.

11,1,6C.492=T 11 Jacoby = F 79 EK = F 47a Th; Übers. FORBIGER

1908-

Hinweis auf eine von den Historien getrennte Pompeiusmonographie SC hen

p. 157, 162 und TuriLer 1982, Bd. 2, 59f; dagegen faßt REINHARDT

Zeugnis für eine solche Monographie auf, ähnlich - aber vorsichtiger

zuversichtlich Lasserre, Tome VIII (Livre XD, 1975, 20; MA

skeptisch hinsichtlich einer eigenständigen Monographie. Er erwägt 417

1935 ^35

5

331333 und

73 Anm. 109 ist wiederum

nes nlichkeit, es könne sich um

et Buchzähtung?) in der Art

einen großen biographischen Anhang oder Exkurs der Historten (mit P LII f und Anm. 53 rechnet mit der Exkurse des Philistos oder Timaios handeln. Auch KONRAD 1994, / analog denen über M. ClauWriAMowiTZ 1984, 1 umfangreichen vorausweisenden Exkursen in den Historien zu PO dius Marcellus (cons. 51}, für dessen Vorfahren man - Mil Ausnahme Is Vorlage Plutarchs annimmt.

397 - aber keine eigenständige Marcellusmonographie des Poseidontos à die Existenz einer eigenstanNach Teoesco 1995, 97-99 ist 11,1.6 C. 492 = F 79 EK weder gener orien in ihrerk

digen Pompeiusmonographie zu beweisen, noch zu belegen, da6 die Ereigniserzählung bis zum Ende der 60er Jahre reichten.

174

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

nicht über die Historien oder eine Pompeiusmonographie gemachtP. Es ist meines Erachtens auch abwegig, an der vorliegenden Stelle den Strabontext mit Schwartz’! durch Emendation von αὐτόν in αὐτῶν dahingehend zu ändern, daß die Iberer und Albaner im Mittelpunkt der umstrittenen ἱστορία gestanden hätten. Nur The£iLer hat sich modifizierend den Interpretationen von SCHwArTZ und ALy angeschlossen. Auch THEıLer* hält die vorliegende Strabonstelle für eine Kritik Strabons am Ozeanbuch des Poseidonios. Unter den von Strabon kritisierten unklaren Angaben bei Poseidonios versteht er die Strecke von der Maiotis bis zum Ozean, unter den klaren und eindeutigen Angaben aber das Gebiet der Iberer und Albaner zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer. Streng gramma-

tisch ist dies zwar — unter der unbewiesenen Annahme des ungeschickten Einschubs der gesamten Notiz über den Besuch - eine mögliche Interpretation, sie ist aber sachlich abwegig. Meines Erachtens läßt die Formulierung τὴν ἱστορίαν συνέγραψε τὴν περὶ αὐτὸν angesichts des im späten Hellenismus üblichen Wortgebrauchs doch viel eher an ein historisches Werk denken als an die lexikalisch mögliche, aber nur in anderen Zusammenhängen bei Strabon belegte und an dieser Stelle fernliegende Übersetzung „geographische Forschung" für ἱστορία, Damit sollte doch angesichts der Kürze des Ausdruckes eher ein Geschichtswerk als eine bloße Biographie, ein Enkomion oder gar ein Verweis auf den fachgeographischen Traktat Über den Ozean gemeint sein. THEILER kann aus den Werken Strabons oder anderer mit Poseidonios etwa zeitgenössischer Universalhistoriker keinen Beleg dafür anführen, in dem ἱστορία oder iotopeiv in der alten ionischen Bedeutung der geographischen Forschung eng mit συγγράφειν verbunden wird.

Eine ungeschickte und sinnstörende Interpolation dieses wichtigen Satzes über die angebliche Pompeiusmonographie in eine frühere Fassung des umgebenden Textes durch

Strabon selbst oder einen späteren Bearbeiter, bei der dann auch noch Poseidonios mit

Theophanes verwechselt worden sei*?, oder gar eine Verwechslung des Pompeius Ma-

gnus mit seinem Vater Pompeius Strabo, tiber den Poseidonios eigentlich geschrieben

hátte, sind nur unbefriedigende Notlósungen, auf die man besser nicht zurückgreifen sollte. Ich verstehe daher Strabons Bemerkung so, daß Poseidonios auch über den Kaukasusfeldzug des Pompeius und die Expedition zum Schwarzen Meer in einem historischen Werk berichtete. Eben dabei hitte Poseidonios als einem Freund des Feldherrn Pompeius nach Strabons Kritik kein so grober Fehler wie die Verkürzung des kaukasischen Isthmos unterlaufen dürfen. Strabon bezieht sich hier aber nicht auf eine eigenständige Monographie über Pompeius, sondern auf die vorgreifende Behandlung der Kriegstaten des Pornpeius in den Historien.

2. Die Verteilung des Stoffes der Historien des Poseidonios auf einzelne Bücher Die Verteilung des Stoffes auf die einzelnen Bücher der Historien und die innere Disposition dieser Universalgeschichte lassen sich insbesondere für die späteren Bücher nicht mehr mit völliger Sicherheit erschlieBen'*. Denn wir kennen nur 27 mit genauer Buchzahl 40 41 42 43 44

"Vgl. ALv 1957, 93-100 und 407-411. Falls der Bericht über den Besuch einer der späteren Finschübe Strabons sein sollte, so hätte er die beiden Abschlußsätze des heute vorliegenden Textes von 11,1.6 C. 491—492 zumindest direkt an die Erwähnung des Okeanos anschlieBen müssen. | | Schwartz 1931, insb. 391-92 (auch in ders. 1956, Bd. 2, insb. 260-261 Anm. 1). | Vgl. den Kommentar Tuer ens zu F 47 Th, Bd. 2, 59f, aber dagegen die berechtigten Einwände bei EpEt STEIN und Kipo 1988, Bd. IT, 332 (insb. zum Verständnis des xat). Jacopy hat in FGrHist IIC p. 157 als Erklärung von T 11 eine Interpolation erwogen. Als Titel ‚Geschichte des Pompeius‘ würde man eher Περὶ Πομπείου erwarten. Vgl. zur Werkökonomie JAcoav FGrHist TIC p. 155f, THEILER 1982, Bd. 2, 78-84 und Marrrz 1983,

34—59 zu älteren Vermutungen sowie 60-74 zu seiner eigenen Rekonstruktion.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poscidonios

175

und Namensnennung des Poseidonios überlieferte Fragmente aus insgesamt 52 Büchern der Historien, und diese stammen aus dem Gelehrtengastmahl des Athenaios, einem Werk,

das die spezifischen Interessen des Gelehrten aus Naukratis an seinen Vorlagen zeigt. Diese Fragmente bilden das Gerüst, in das man ohne Buchzahl, aber mit Namensnennung überlieferte weitere Fragmente und mit der gebotenen Vorsicht danach andere aus inhaltlich-stilistischen Gründen und als Ergebnis der Quellenforschung vermutete Poseidoniospassagen aus verschiedenen Autoren einfügen kann, um eine Vorstellung vom Auf-

bau der Historien zu gewinnen. Die folgende Übersicht orientiert sich an der chronologischen Anordnung der Fragmente in den Sammlungen JAcoevs und THEILERS, obwohl die thematische und an bestimmten Personengruppen orientierte Anordnung bei EDEL-

STEIN und Kipp für die inhaltlichen Schwerpunkte der Universalhistorie ebenfalls erhellend ist. ALonso-NÜRßez schlägt noch eine andere Zuordnung von bestimmten, ohne Buchzahl überlieferten Fragmenten der Sammlung JAcoBvs zu einzelnen Büchern der Historien vor. Poseidonios habe den Stoff auf vier große geographische Regionen verteilt: Itali-

en, Syrien (einschließlich der Völker des Ostens), Ägypten und die Welt des Westens

(insbesondere die Gebiete der Kelten). Das geographische Modell der Stoiker, nach dem die Erde eine Kugel ist, habe den historischen Bericht des Poseidonios beeinflußt, „den er

in kreisfórmiger Abfolge verfaßt hat“. Hierin liege ein Unterschied zu der Beschreibung Strabons, die sich an der traditionellen Periplusrichtung orientiert. Doch bleiben solche Vermutungen angesichts des fragmentarischen Zustandes der Historien und des Ozeanbuches des Poseidonios unbeweisbar. Poseidonios erlaubt sich großzügig zeitliche Rückgriffe auf die Zeit vor 146/5 und Vorgriffe über die 80er Jahre hinaus. Wenn er die fortlaufende späte Seleukidengeschichte durch den großen Kimbrerexkurs und die Geschichte der Kriege Roms gegen Kelten und Germanen auseinanderreißt, aber andererseits wieder über einzelne Eponymenjahre deutlich hinausführende, thematisch zusammenhängende Blócke bildet, deutet dies für den Aufbau des Werkes an, daB er keine politisch-militärische Staatengeschichte der hellenistischen Welt anstrebt, in der die verschiedenen Kriegs- und Handlungsschauplátze jahrweise hintereinander zur Darstellung kommen sollen“. Poseidonios orientiert sich in der

Ordnung seines Werkes aber auch nicht strikt am Modell des Ephoros*?, sondern wählt eine blockweise thematische Behandlung bei grober Orientierung am chronologischen

Schema“, Er beschreibt jeweils ein oder mehrere Bücher lang zusammenhängend die Ereignisse auf einem bestimmten Schauplatz, bevor er sich einem anderen Schauplatz

zuwendet, z.B. von der Geschichte des Westens zu der des Seleukiden- und Ptolemáerreiches übergeht. Dabei wechselt Poseidonios zwischen den für ihn wichtigsten Schauplätzen Griechenland und dem Nordwesten (Italien/Gallien/Spanien) einerseits und dem seleukidisch-ptolemäisch-parthischen Orient andererseits. Einige Fragmente erwecken den Eindruck, daß Poseidonios trotz seines hohen wis-

senschaftlichen Niveaus in der Chronologie auffällige Fehler gemacht hat“”. Er mißt der 45 46

ALONSO-NOREZ 1994, insb. 92-93 und Zitat 107. Dem leitenden Kompositionsprinzip des Polybios, chronologisch nacheinander die jeweils synchron ablaufenden Ereignisse in West und Ost auch möglichst zusammenhángend zu berichten, hat sich eher

47 48

Zur Bedeutung des ephorischen κατὰ yévoc-Prinzips siche oben Kapitel 11.3.2. Vgl. zwar die Argumente THeILERS für eine streng ,polybianische (Pol. 38,5f) Aufteilung des Stoffes auf die Bücher auch bei Poseidonios, doch dagegen bleibt Jacosvs Plädoyer für eine mehr blockweise Behandlung des Stoffes bei Poseidonios (FGrHist 87 Kommentar 155) und gegen die mechanische Faustformel pro Jahr ein Buch überzeugend.

49

Er nimmt z.B. an, während des Ersten Sizilischen Sklavenkrieges (hierüber BRApLEv 1989, 46-65) hätten die Prätoren zunächst nicht einzugreifen gewagt, weil die meisten Großgrundbesitzer römische

Diodor anzuschließen versucht.

176

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Chronologie, einem der Fundamente der thukydideischen und polybianischen Geschichtsschreibung, offenbar nur recht geringe Bedeutung zu. Die chronologischen Fehler des Poseidonios dürften aber von den meisten damaligen Lesern als weniger gravierend empfunden worden sein als von heutigen Althistorikern. Schwierige chronologische Diskussionen wies man in der Antike den Werken der Chronographen, Antiquare und Kommentatoren als von der hohen rhetorisch-paradigmatischen Historiographie getrenn-

ten gelehrten Gattungen zu. Zur Zeit des Poseidonios lagen ferner schon mehrere synchronistische und tabellarisch-chronologische Werke vor, die man begleitend zur Lektüre eines universalhistorischen Werkes einsehen konnte”, Ein Überblick über die gesicherten Fragmente mit ihrer Stellung innerhalb der Historien mag einen besseren Eindruck vom Aufbau des Werkes als einer Hauptquelle Strabons vermitteln. Aus Buch 1 der Historien hat sich kein Fragment erhalten. Es muß aber nach dem Nebentitel Ἱστορία ἡ μετὰ Πολύβιον an Polybios angeschlossen haben und wird mit aller Wahrscheinlichkeit ein Prooimion gehabt haben. Aus Buch 2 haben wir nämlich ein Fragment, das zum Jahre 145 v. Chr. über den Triumph des L. Mummius berichtet?!. Das läßt genügend Raum für eine ausführliche, stoisch akzentuierte Gesamteinleitung im ersten Buch. Im Prooimion der Historischen Bibliothek Diodors hat man wegen seiner stoischen Terminologie deutliche Spuren der verlorenen Einleitung des Poseidonios in die Historien vermutet, Man darf aber daran zweifeln, daß man das verlorene Hauptprooi-

mion des Poseidonios aus dem erhaltenen Prooimion Diodors rekonstruieren Καπη Nach einer Vermutung JAcoBvs beginnen die Historien des Poseidonios mit einer wohl zwei Bücher umfassenden Einleitung über die Geschichte und Ethnographie Italiens und Roms (sowie weiterer westlicher Gebiete?), in der der Autor zugleich Ereignisse und

Entwicklungen bis zum Epochenjahr 146 v. Chr. darstellt”. Italiens günstige Mittellage

in der Mittelmeeroikumene und Roms Lage im Zentrum der italischen Halbinsel, das gemáBigte Klima, die Mischung der vielfältigen Eigenarten und Vorzüge der italischen Stámme fórdern die Erringung der römische Weltmachtposition. Thematisch auf Rom und Italien konzentriert, unterscheidet sich diese Einleitung jedoch von den ersten beiden Bü-

chern des Polybios, seiner προκατασκευήῆ, und wohl auch den ersten vier der Historika Hypomnemata Strabons. Als Stoiker widerspricht Strabon natürlich der Idee des Wirkens der schicksalhaften Vorsehung auch im politisch-historischen Leben nicht. Auch er unter-

streicht vielmehr nachdrücklich die natürlichen Voraussetzungen für den Aufstieg Roms und Italiens, nämlich die günstige Mittellage zwischen den westlichen und östlichen Län-

dern des Mittelmeeres, die Fruchtbarkeit sowie das ideale Klima. Doch erst die militärische Tüchtigkeit und kluges politisches Handeln erlaubten es den Rómern, diese Vorteile auszunutzen. Andererseits überliefert Strabon auch ein Orakel, das Aineas die spátere

Weltherrschaft Roms prophezeit habe?^.

In den ersten beiden Büchern des Poseidonios fand sich wahrscheinlich noch keine systematische ethnographische Analyse der Römer und der übrigen italischen Stämme unter den Fragestellungen der hellenistischen Ethnographie, die er spáter auf die Kelten Ritter waren, die über die Ex-Prätoren spáter zu Gericht hátten sitzen kónnen. Diese Gerichtsbarkeit 50

erlangten die Ritter bekanntlich aber erst durch die lex iudiciaria ab 122 v. Chr. Z.B. Apollodoros aus Athen FGrHist 244 (bis 120/19 reichend), Kastor von Rhodos FGrHist 250, später auch Dionysios von Halikamassos Περὶ χρόνον FGrHist 251 F 1—5; aus der lateinischen anti-

quarischen Literatur vgl. u.a. eine chronologische Studie des Nepos oder frühe Werke Varros.

51 52

F1Jacoby 2 53 EK -- 82 Th. Vgl. Tnener 1982, Bd. 2, 84f; doch SAcks 1990 weist die Möglichkeit zurück, das Prooimion des Poseidonios aus dem Diodorprooimion rekonstruieren zu kónnen.

53

"Vgl.Jacosv FGrHist HIC p. 155, 163, 193.

54

Vgl. 13,1,53 C. 608 über das Orakel.

5, Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

177

anwandte. Wenn man eine lange Passage aus dem 6. Buch des Gelehrtengastmahls des Athenaios über die beispielhafte Tugend der alten Römer im Kern als poseidonisch anerkennt, haben die Römer lange Zeit ihre äußerst einfache, sittlich vorbildlich Lebensweise

der frühen Generationen” beibehalten und sich nicht von Verweichlichung und Luxus ihrer italisch-etruskischen, griechischen und vor allem östlich-hellenistischen Umwelt blenden lassen. In dieser Zeit hätten sie von Etruskern, Samniten, anderen Italikern, von

Griechen und spanischen Kelten unterschiedliche Techniken oder bestimmte Güter übernormmen und jeweils verbessert. Der sich schon über mehrere Generationen intensivierende Prozeß der Hellenisierung in der römischen Oberschicht, unter italischen Kaufleuten und vielen Intellektuellen wurde hier wohl nicht ausdrücklich erwähnt. In Buch 3 bis Buch 7 wendet sich Poseidonios dem hellenistischen Osten zu und

beginnt dort seine fortlaufende Ereigniserzählung der Geschichte nach Polybios”. Der Herrschaftsantritt Ptolemaios' VIIL Euergetes’ II. (145-116 v. Chr.) bot Gelegenheit, an den Nachruf des Polybios auf dessen Vorgänger Ptolemaios VI. Philometor anzuknüpfen und über das ptolemäische Ägypten und das seleukidische Syrien zu sprechen, in dem 145 v. Chr. Antiochos VI. Epiphanes nach dem Tode Alexanders I. Balas an die Macht gelangte. In der Lebenszeit des Apameers Poseidonios zeigte sich in den dynastischen Kämpfen der Exponenten der seleukidischen Hauptlinien immer krasser die innere Krise der Seleukidenmonarchie. Diese kritisiert auch Strabon in den Geographika treffend aus der Rückschau nach der Neuordnung des syrischen Raumes durch Pompeius als ἡ τῶν βασιλέων οὐδένεια τῶν τότε ἐκ διαδοχῆς ἐπιστατοῦντων τῆς Συρίας ἅμα καὶ τῆς Κιλικίας (die Nichtswürdigkeit der damals infolge der Erbfolge an der Macht stehenden Könige

Syriens und Kilikiens)?”. Die drastische und burleske Schilderung des ‚Operettenkrieges‘

Apameias, der Heimatstadt des Poseidonios, gegen die Larisaier, in der er den Ausmarsch seiner Mitbürger mehr mit einem κῶμος (festlichen Umzug) als mit einem πόλεμος (Kriegszug) vergleicht, beleuchtet das Ausmaß der ‚Dekadenz‘ einiger griechisch-seleu-

kidischer Städte”. Solche städtischen Auseinandersetzungen waren zugleich sichtbare

Zeichen der Schwäche der seleukidischen Zentralregierung. Dieser Abschnitt des Werkes endete wahrscheinlich mit der Gesandtschaftsreise des Scipio Africanus Numantinus in verschiedene Staaten des Orients 141-139 v. Chr., an der auch der philosophische Lehrer

des Poseidonios, Panaitios, teilnahm”. Der unglückliche Feldzug, den Demetrios II. Nikator (150-140, 129-126 v. Chr.) im Jahre 140 v. Chr. gegen die Parther unternahm und auf dem er sogar gefangengenommen wurde, gibt Poseidonios Gelegenheit, einen langen Exkurs über die Ursprünge und den Aufstieg der Parther einzulegen9?, Es zeigt sich, daß Poseidonios ethnographisch-geogra-

phische Exkurse nicht in gesonderten Büchern nach Art des Ephoros oder Polybios zusammenfaßt, sondern wie später Pompeius Trogus das (auf Herodot zurückgehende) Exkurssystem bevorzugt! . Diese Exkurse gewannen wahrscheinlich in einigen Buchgruppen des Poseidonios ein so großes Gewicht, daß sie die politisch-militärische Ereignisge-

55

Athen. 6,105-109 p. 273a-275b = F 59 Jacoby = 265 EK = 125c Th; vgl. im weiteren Verlauf auch 266 EK = 81 Th; 267 EK = 81 Th.

S6 S7 58

"Vgl. F 2-6 Jacoby = 54-58 EK = 86, 87, 88, 114, 126 Th.

14,52 C. 668; Strabon sieht die inncre Krise des Scleukidenreiches und die Schwäche anderer regiona-

ler Mächte als Hauptgrund auch für die Ausbreitung des Seeräuberunwesens an.

F2Jacoby = 54 EK = 86 Th aus dem 2. Buch, wirkungsvoll am Anfang der Ereigniserzählung; vgl.

auch Diod. 33,4,1-—4 und 4a = F 99 und 100 Th. 59

Athen. 12, 549 d/e = F 6 Jacoby = 58 EK = 126 Th aus dem 7. Buch behandelt die Gesandtschaftsreise; vel. Asrın 1967, 127 und Plut. Max. cum princ. Mor. 777a = F 30 Jacoby = 254 EK = 125a Th.

60

Vgl. daraus Athen. 4,152f-153a = F 5 Jacoby = 57 EK = 114 Th über die φίλοι der parthischen Könige

61

und ihre Sitten. MouLer 1972, Bd. 1, 310-347.

178

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfüngen bis Strabon

schichte und deren Kausalanalyse thematisch an den Rand drängten und sie zum Skelett der Verankerung der sukzessiven Exkurse und auskomponierten philosophisch-moralischen exempla und psychologischen Analysen degradierten. In den Fragmenten, die aus Poseidonios' Schilderung des Ersten Sizilischen Sklavenkrieges stammen, zeigt sich eindrücklich, in welch unterschiedlicher Form das Material in den drei führenden Sammlungen der Poseidoniosfragmente dargeboten wird. Infolge eines unterschiedlichen Fragment- und Testimonienbegriffes fchlen in der Sammlung von ÉDELSTEIN und Kipp lange Passagen, die für unser heutiges Verständnis des Sklavenkrieges und des Autors Poseidonios entscheidend wichtig sind. Jacoev hingegen macht die

Interpretation des Berichtes über Damophilos bei Athenaios in seinem ,Katalog der Schwelger‘, in den Exzerpten aus Diodor (34./35. Buch) und im Referat des Photios (Bibl. 384—386) geradezu zum Eckstein seiner Argumentation, daB der ganze Bericht über den Ersten Sklavenkrieg bei Diodor auf Poseidonios zurückgehe. Es ist aber umstritten, wie genau diese Exzerpte aus Diodor die Historien des Poseidonios wiedergeben. Aus byzantinischen Exzerpten kann man eben keine ‚Fragmente‘ des Poseidonios mehr wiedergewinnen, allerdings sehr wohl Aussagen über seine Positionen ableiten. Ihr Abdruck

zusammen mit reichem weiterem Parallelrnaterial in TueıLers Sammlung erlaubt zwar eingehende Untersuchungen der historischen Phänomene, erweckt aber trügerische Sicherheit hinsichtlich des Umfangs des Materials, das ohne Zweifel auf Poseidonios zurückzuführen ist, on Auf Busorts alte Untersuchungen geht die Auffassung zurück, daß Poseidonios die Hauptquelle sei, auf die sich die Diodorexzerpte der Bücher 32-37 zurückführen ließen®?. Die meisten Poseidoniosforscher führen weiterhin großzügig byzantinische Exzerpte des

34.135. Buches Diodors über die Gracchen direkt auf Poseidonios' Historien zurück.

Andere Autoren haben in jüngerer Zeit mit erwägenswerten Argumenten aber bestritten, daß Poseidonios die Hauptquelle der gesamten Diodorbücher 32-37, insbesondere der Exzerpte über die Gracchen aus den Büchern 34/35 seif*. Wegen ihres strengen Fragmentbegriffes fehlen bei EDELSTEIN/Kipp sämtliche Passagen aus dem 34. und 35. Buch Diodors. Wir verfügen nämlich tatsächlich über kein sicheres Kriterium, um zu entscheiden, ob eine bestimmte Passage dieser Bücher Diodors nun auf Poseidonios zurückgeht oder nicht, dessen Namen in den vorliegenden Texten der Exzerptoren Diodors nicht

erwähnt wird,

Mit Buch 8 beginnt — nach einem radikalen Ortswechsel — die Geschichte des We-

stens in den Büchern 8-10°°. Hier nahm wohl der Erste Sizilische Sklavenkrieg 135-132

v. Chr. einen großen Raum ein®”, Poseidonios hat den Ersten wahrscheinlich mit Berich62

63

Busour 1890, 321-349 und 405-438.

Vgl. die aus Diod. 34/35,5-7 und 24-29 stammenden Konstantinischen Exzerpie, die Jacopv als F 110 (= Th 140-141 = nicht bei EK) und 111 (= Th 165-167 = nicht bei EK) abdruckt und hierzu die Kommentare TueıLers 2, 105f zu F 165-167 Th, ferner RemHanpr 1953, 635f und BRINGMANN 1986,

64 65 G6 67

29-59 (mit wertvollen Diskussionsbeitrágen 60-66) zur Einschätzung dieser Exzerpte als wichtiger Quellen für Poseidonios. Die Methode, die psychologische Analyse mit dem Erziehungsmittel des historischen Beispiels zu verknüpfen, ist das distinktive Merkmal der auf Poseidonios zurückzuführenden Passagen der Diodorexzerpte aus den Büchern 33-37. Z.B. BorrER) und RaskozNikorr 1975 sowie emeut Borrgg! 1992. "Vgl. Jacopys ‚Anhang‘ F 108-123; MaLrrz 1983, 429—437 hat in die Appendix seiner Monographie über Poseidonios unter dem seine Bedenken andeutenden Titel , Testimonia 1-25" sogar noch einige Texte mehr als THEILER als Reste der Historien aufgenommen. Taier 1982, Bd. 2, 88ff vermutet ohne überzcugende Begründung, die Iberischen Kriege unter dem Befehl des Marcellus (cons. 166) und die Ethnographie der Keltiberer und Lusitaner seien schon ab Buch 4 Thema gewesen. Vgl. über den Sklavenhalter Damophilos als wahren δοῦλος seiner τρυφή und κακουργία Athen. 12,542b = F 7 Jacoby = 59 EK = 136a Th; dazu vgl. F 108 Jacoby aus Photios und den Konstantini-

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

179

ten über den Zweiten Sklavenkrieg auf Sizilien, den Sklavenaufstand in Attika 104-100 v.

Chr.° und den Usurpationsversuch des Aristonikos im pergamenischen Kónigreich9? sowie eventuell mit einem Vorgriff auf den Spartacuskrieg der 70er Jahre zu einer historisch-philosophischen Gesamtanalyse der Sklaverei in der rómischen Oikumene verbunden. Weit davon entfernt, die Sklaverei für grundsätzlich ungerecht zu halten und deshalb auf ihre generelle Abschaffung zu drängen, lassen sich Ursache und Wirkung der Entartung eines ursprünglich natürlichen und gerechten Verhältnisses seiner Meinung nach am Thema der Sklaverei deutlich analysieren. Die krassen Gegensätze zwischen dem blanken Elend der Sklaven (und armen Freien) und der Prasserei der Latifundienbesitzer sowie die

Hilflosigkeit oder Indolenz der rómischen Staatsmacht angesichts dieses sozialen Krisenherdes reizen den Philosophen zu einer der packendsten überlieferten Passagen der Hrstorien. Aus dem Beispiel des Sklavenkrieges zieht Poseidonios eine Lehre für die römische Elite: „Nicht nur in der Ausübung politischer Herrschaft ist es notwendig, daß die an der

Spitze Stehenden die geringeren Leute maßvoll behandeln, sondern auch in den privaten Häusern müssen sie, sofern sie bei rechter Vernunft sind, ihren Sklaven mit Milde begegnen. Denn Überhebung und Härte bewirken in den Städten Bürgerkriege unter den Freien, in den einzelnen Häusern aber Anschláge der Sklaven gegen ihre Herren und fürchterliche gemeinsame Erhebungen in den Städten. In dem Maße, in dem Herrschaftsausübung in Grausamkeit und Gesetzlosigkeit umschlügt, verwildern die Sitten der ihr Unterworfenen

bis zum Wahnsinn“?,

Aus Buch 11 stammt das Fragment über die angeblich freiwillige Unterwerfung der kleinasiatischen Mariandyner unter die Milesier in einen unfreien Status. Poseidonios führt die Einwohner dieser Polis als Beispiel dafür an, daß sich freiwillige Unterordnung und

Sklaverei philosophisch und politisch rechtfertigen lassen. In diesem Punkt ist jedoch Strabon wohl besser informiert als Poseidonios. Er berichtet nämlich nach Ephoros und mit kritischer Tendenz gegenüber Poseidonios von einer gewaltsamen Unterwerfung der

Mariandyner durch ihre milesische Nachbarstadt?!. Mit der Einführung der Kaufsklaverei

und angesichts von Tausenden an Sklaven, die damals täglich auf den größten Sklaven-

märkten, z.B. auf Delos, gehandelt wurden, beginnt indessen für Poseidonios die Ent-

artung der Sklaverei. Als gerechte Strafe hierfür wird deshalb die Versklavung der Chioten, die mit diesem Menschenhandel angeblich begonnen hatten, durch Mithradates VI.

im Jahre 86 v. Chr. beschrieben".

Poseidonios scheint mit Buch 11 wieder nach Osten und zur pergamenischen Geschichte gewechselt zu sein. Denn Exzerpte aus den Büchern 34 und 35 Diodors behandeln nach dem Sizilischen Sklavenkrieg die pergamenische Geschichte und den Usurpa-

tionsversuch des Aristonikos. Von den Büchern 12-13 des Poseidonios ist nichts explizit

erhalten. THEILER nimmt jedoch ein Orakel aus den Konstantinischen Exzerpten als móg-

liches Fragment des 13. Buches auf, das schon Attalos I. gegeben worden war und später

im Zusammenhang mit dem Aristonikoskrieg erwähnt worden sein kónnte". Buch 14

beschreibt die Geschichte des Ostens mit dem Feldzug Antiochos' VII. Sidetes gegen die Parther. Dieser Feldzug führte für Antiochos 129 v. Chr. in seine persónliche Katastrophe,

schen Exzerpten (= nicht bei EK) und die gründlichen Kommentare THEiLERS zu seinen F 136b-f, 124134 und 147.

68

Diod. 363-6 = F 194a Th zu Sizilien und F 35 Jacoby = 262 EK = 193 Th zu Attika.

69

Vel. hier Kapitel IHT.1.2,

71

Athen. 6,263c/d = F 8 Jacoby = 60 EK = 147 Th (den gleichen Gedanken verallgemeinert Sen. epist. 90,4—5); dagegen 12,3,4 C. 542 und Ephoros FGrHist 70 F 44 b.

70 72 73

Diod. 34,2,33 ΞῈ 108e Jacoby Anhang = 136d Th. Athen. 6,266e/f = F 38 Jacoby = 51 EK = 250 Th.

Diod. 34/35,13 aus den Konst. Exc. 4,387 = F 149 Th.

180

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

die die Agonie des Seleukidenhauses und den Zerfallsprozeß seines Territoriums beschleunigte. Der Niedergang des Seleukidenreiches destabilisierte ihrerseits die umliegende Region und begünstigte das Piratenunwesen und die Expansion der Reiche der Hasmonäer und Nabatäer, der armenischen und der pontischen Kónige. Diese Mechanismen erkannten schon Poseidonios und Strabon. Mit dem Scheitern des Antiochos Sidetes verbindet sich auch für Mever der Beginn der politischen Katastrophe des Hellenismus in Asien”.

Der Tod des Antiochos wird aber erst im Buch 16 des Poseidonios beschrieben’”. Daraus kann man auf eine recht ausführliche Darstellung dieses Abschnitts der Seteukidengeschichte schließen, die für den gebürtigen Apameer Poseidonios von besonderem Interesse ist. Parthische Institutionen, Bräuche und Geschichte als Thema eines ausführlichen Exkurses des Poseidonios sind anzunehmen aufgrund zweier Fragmente über kónigliche Bankette bei den Parthern, besonders aber über die zwei wichtigen Ratsgremien der Par-

therkünige, das der ‚Verwandten‘ und das der Weisen und Magier’®. Seine oikumenische Perspektive und sein Interesse an ,Randvólkern' der rómischen Welt legen Poseidonios dieses Thema ebenso nahe wie die wechselvolle Geschichte der rómisch-parthischen Be-

ziehungen unter Lucullus, Pompeius und Crassus. Schon in diesem Zusammenhang wäre für Poseidonios Gelegenheit gewesen, einen Exkurs über jüdische Religion und Geschichte in die Historien einzulegen. Der bekannte Exkurs im 16. Buch der Geographika Strabons und die Exzerpte aus dem 34/35. Buch Diodors über den Zusammenstof des Antiochos Sidetes von 134 v. Chr. mit dem Hasmonäerreich sind häufig als ‚Fragmente‘ der Historien, zumindest als sichere Belege über die Meinung des Poseidonios über Judentum, jüdische Religion und jüdische Geschichte interpretiert und zur Entlastung des Poseidonios vom Vorwurf einer antijüdischen Einstellung

verwendet worden. Denn Josephus nennt ihn als einen antijüdisch eingestellten Autor wie

Apion in der Schrift Gegen Apion. Während ReınHarpt und THelLer nachdrücklich eine antijüdische Einstellung des Poseidonios verneint haben und sich dabei mehrfach gerade auf die genannten Stellen bei Diodor und Strabon berufen, gibt STERN, vielleicht der beste Kenner der griechisch-rómischen Zeugnisse über das Judentum, der Einschätzung des

Josephus wieder mehr Gewicht”.

Nach JAcosvs Rekonstruktion widmet sich Poseidonios der römischen Geschichte der Gracchenzeit ab Buch 17, nach TugiLERs Vermutung erst wieder ab Buch 20. Die von BusotT und Jacosv angeführten Indizien weisen auf Poseidonios als eine der Quellen des Berichts Diodors über die Gracchenzeit, sind aber alle nicht eindeutig. Eine Analyse des

politischen Vokabulars in den diodorischen Fragmenten und der politischen Vorstellungen

des in byzantinischer Zeit exzerpierten Autors über die Gracchen Jäßt erkennen, dab hier

griechische Termini auftauchen, welche aus zugrundeliegenden lateinischen Begriffen übersetzt sind. Die Begriffe δημοκρατία und ἀριστοκρατία werden zur Beschreibung der rómischen Verfassungskümpfe benutzt, ὄχλος, πλῆθος und μέρος erhalten Bedeutungen, die in den namentlich bezeugten Fragmenten des Poseidonios nicht nachweisbar sind. Die Diodorfragmente reflektieren die politische Wertewelt der rómischen Optimatenpartei und

ihre Sicht des Konfliktes mit den Gracchen. Sie überliefern die Auffassungen z.B. des P. Rutilius Rufus oder des Q. Mucius Scaevola??, Auch Poseidonios könnte sich durchaus 74 75

Mever 1925, 1-82 (auch in: ALTHEIM und Rexork (Hgg.), 1969, 19-72); dazu LeBMANN 1993, 77-93. Vgl Athen. 10,439d/e = F 11 Jacoby = 63 EK = 155 Th und Athen. 4, 153a/b = Ε I2 Jacoby = 64 ΕΚ

76 77

= 154 Th. 1193C. 5152 F 71 Jacoby 2282 EK = 48 Th. Vel. RENHAROT 1953 und THEILER 1982, Bd. 2, 96-98 zu F 131b und 133. Die Rückführung von 16,2,35-

39 C. 760-762 auf ein Werk des Poseidonios ist keineswegs nachgewiesen, vgl. die Kommentare Sterns 1974, Bd. 1, 304—311 zu seinem Text Nr. 115. 78

Vel. Bortert und RasKOLNIKOFF 1975, 135-138, die auf μετιέναι für ambire, βάρος für gravitas mit

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poscidonios

181

auf ihre Versionen der Gracchenzeit und der Ermordung des Tiberius Gracchus gestützt haben. Wie groß man aber auch den Einfluß lateinischer Quellen auf die poseidonische Darstellung der Gracchenzeit einschätzt, ihren genauen Wortlaut kann man auf keinen

Fall mehr aus byzantinischen Exzerpten aus Diodor gewinnen”.

Seine Universalhistorie ersetzt für Poseidonios eine im reichen schriftstellerischen Gesamtwerk auffällig fehlende, theoretische Erörterung des Staats- und Gesetzesproblems (in der Art der beiden ciceronianischen Staatsschriften De re publica und De legibus), die

er an solch kritische Ereignisse wie die Sklavenkriege oder Leben und Tod der Gracchen als Exkurse anschließt?®. Poseidonios ergreift eindeutig für die Sache und die Anführer der Optimaten gegen die Gracchen Partei und rechtfertigt — wie später Cicero — ganz

ungeniert den Mord an Tiberius Gracchus durch Scipio Nasica und seine Anhänger. Diodors Nachruf auf Scipio Nasica, der die konsequente Verwirklichung seiner philosophi-

schen Maximen und Reden in der politischen Praxis lobt, klingt stoisch beeinflußt, muß

aber deshalb nicht vollständig von Poseidonios stammen®'. Andererseits wurde das Geschichtswerk des Poseidonios nicht völlig einseitig von einem optimatischen Standpunkt

geschrieben, wenn wir aus dem nuancierten Bericht des Ersten Sklavenkrieges bei Diodor

und der Entwicklung des Charakters des Marius in der Plutarchbiographie Rückschlüsse ziehen dürfen. Die plastische Charakterisierung des alten Marius stellt zugleich das Paradebeispiel für die herausragende Fähigkeit des Poseidonios dar, die Wandlung von Charakteren unter dem Einfluß widriger äußerer Umständen lebendig darzustellen. Hierin übertrifft Poseidonios sogar Polybios in dessen Charakterisierung PhilippsV. Kelten In Buch 23 erzählt Poseidonios die Kämpfe der Römer gegen die ligurischen

seit Mitte der 120er Jahre. Möglicherweise reichte die Geschichte des Westens und der Kriege Roms gegen Kelten- und Germanenstämme bis Buch 27, ın dem über die Un ternehmungen des L. Caecilius Dalmaticus, Konsul

119 v. Chr., berichtet wurde

^ Or

um der Beschreibung der Kriege Roms mit den Kelten legt Poseidonios nun seinen berü

Sra i ten Exkurs über die Sitten und Gebräuche der Kelten ein, den wir aus Diodor und

en: -. recht gut rekonstruieren kónnen. Auch in diesem Falle gewinnt der eihnogeogribPJgeng gegenüber der politisch-militärischen Ereignisgeschichte ein starkes

n

wicht?",

In den Büchern 28

bis 29 wechselt Poseidonios wohl wieder zur o

Pi Seleukidenreiches und berichtet über die Regierungszeit Antiochos’ VIII.

e

.

os Limxus

Grypos). In diesem Zusammenhang beschreibt er ein großes Fest mit uner D "eidonios : M bis zum das vielleicht im Jahre 121 v. Chr. in Antiocheia stattfand". In Buch 34 setzt Seleukidenrelc des Geschichte die schon in den Büchern 28-29 begonnene

Tode dieses Königs 96 v. Chr. fort*?,

des princeps . oder die; Umsc hreibung B den jeweiligen Konnotationen, die diese lateinischen Wörter haben, senarus hinweisen.

39 80

81 82

BOTTERI und RASKOLNIKOFF 1975, 137, 145. Vel. dazu gut THEILER 1982, Bd. 2, 105.

_

Konstantinische Exzerpte aus Diod. 34/35,33 = F 112,8 J acoby = | Athen. 9,369c/d = F 19 Jacoby = 70 EK = 174 Th. —

178 Th

ς Kommentar zu F 169 (Diod.

83 F 15-17 Jacoby = 67-69 EK = 170-172 Th; zur Disposition vgl. THEILERS "Pc ooo findet man in

84

5,25-32), in Bd. 2, 107f und Maurrz 1983, 169-198; Strabons Ethnograp denbild in der Literatur der. den Büchern 3, 4 und 7 der Geographika. Jantz 1995 untersucht das ἐπ oBlich auf der Basis von lateirómischen Republik am Beispicl von Hispanien und Gallien fast ausc c der Keltenethnographie bei nischen Quellen, insb. Caesars, und verzichtet leider auf eine Diskussion Poseidonios, Timagenes, Trogus und Suabon.

Athen. 12,540a/b und 5 210e= F 21a/b Jacoby = 72a/b EK = 1809/6 orb

85 Athen. 6.246d und 4,153 δίς = F 23-24 Jacoby = 74-75 EK = 204-20»

7

182

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Poseidonios hat die Gewohnheit, beim ersten Zusammenstoß der Römer mit einem Volk, über das er noch nicht berichtet hatte, einen längeren Exkurs über dessen Sitten einzubauen. Daher fügt er auch in Buch 30 einen berühmten Exkurs über die Kimbrer und Teutonen ein, der die Vorlage für Strabons entsprechende Passage wurde®. Den äußeren Anlaß bot ihm auch hier ein bekanntes militärisches Ereignis, die Niederlage des Cn.

Papirius Carbo bei Noreia im Jahr 113 v. Chr. Nach den Topoi hellenistischer Ethnographie aufgebaut, zählt auch dieses Stück zu den Glanzpassagen der Hisrorien des Poseidonios. Auch in der Schilderung der Auseinandersetzung Roms mit den Vülkem Nordwesteuropas konzentriert sich Poseidonios stärker auf Kulturgeschichte, Ethnographie und philosophische Lehren aus exemplarischen Ereignissen der Geschichte als auf den Versuch einer exakten Chronologie und minutiósen Erzählung der Staats- und Kriegsaktionen. Geschichtsschreibung bleibt für Poseidonios nämlich nur eine Façette seiner ‚Philosophie‘, der umfassenden Beschäftigung mit allen móglichen Phänomenen der Welt und deren ganzheitlicher Erklärung. Poseidonios erklärt die Wanderung der Kimbrer völkerpsychologisch aus ihrem nomadischen und räuberischen Charakter. Die ihm schen aus Ephoros vorliegenden Erzählungen über Flutkatastrophen an der friesischen Küste akzeptiert

er nur mit starken Vorbehalten als äußeren Auslöser der Wanderungszüge, nicht als ihren

wahren Grund. Der Kimbrerexkurs ist ein Musterbeispiel dafür, daß Poseidonios die Ethnographie zur Erklürung prágender Züge des jeweiligen Nationalcharakters instrumen-

talisiert®?. Die typischen psychologischen Eigenschaften einzelner Individuen und ganzer

Völker werden dann zur Erklärung wichtiger politisch-militärischer Ereignisse und Entscheidungen herangezogen. Über die Disposition des gesamten letzten Drittels der Historien (Bücher 35 bis 52) herrscht keine Klarheit. Denn wir kennen aus den Büchern 35-46 keine exakt datierbaren Fragmente mit gesicherter Buchzahl. Die byzantinischen Exzerptoren des Poseidonios haben die Jahre bis zum Ausbruch des Bundesgenosenkrieges 91 v. Chr. übergangen. Daher fehlen selbst nach TueiLERs großzügiger Fragmentbegriff weitere Texte, das heißt sogar selbst Exzerpte oder Referate, aus den Büchern 36-42, in denen nach THEILERS Vermutung die Jahre 99-92 v. Chr. mit Schwerpunkt auf der Geschichte der östlichen Staatenwelt behandelt wurden. Der große romfreundliche Stoiker Poseidonios wirkt durch seine kulturkritische Tendenz und als Geschichtsphilosoph auf griechische und auch lateinische Autoren zur Geographie und Geschichte viel stärker als durch seine Erzählung der Ereignisgeschichte nach 146 v. Chr. Poseidonios prangert Luxus und Dekadenz innerhalb der östlich-hellenisti-

schen (und immer stärker auch der römischen) Elite nach dem Epochenjahr 146 v. Chr.

an. Es kann kaum mehr mit purem Zufall der Überlieferung und dem selektiven Interesse des Exzerptors Athenaios erklärt werden, daß unter den mit Buchzahl und Namensnennung des Poseidonios überlieferten Fragmenten der Historien abschreckende oder nachahmenswerte Sittenbilder, Schilderungen von Gelagen und Empfängen sowie Anekdoten über Schmarotzer überwiegen. Während die seleukidische, die ptolemäische und die hasmonäisch-jüdische Monarchie sowie wichtige Städte des Ostens in drastischen

Schilderungen der τρυφή ihrer Repräsentanten als irreversibel degeneriert karikiert wer:

den$8, erhofft sich Poseidonios von einer Wiederbelebung und Stärkung altrömischer Ein86 87

88

Athen. 4,153e = F 22 Jacoby = 73 EK = 188 Th. Vel. vor allem F 31 Jacoby = 272 EK = 44a Th aus 7,2,1—3 C. 292-294.

Vgl.Poscidonios über Antiochos Hierax F 4 Jacoby = 56 EK = 88 Th, Ptolemaios VIII. F 6 Jacoby = 58

EK = 126 Th, Antiochos Sidetes F 9a/b Jacoby= 6ta/b EK = 151a/b Th, Antiochos SidetesF 11 Jacob} = 63 EK = 155 Th, syrische Städte F 2 Jacoby = 54 EK = 86 Th und F 10 Jacoby = 62a/b EK = 157a/b Th, Partherkönige F 12 Jacoby = 64 EK = 154 Th und zu Piolemaios VIE. Physkon F 26 Jacoby = 77 EK = 236 Th.

3. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

183

fachheit und Rechtschaffenheit und von einer überragenden Stellung des Pompeius über den streitenden hellenistischen Dynastien und factiones der rômischen Aristokratie, daß die innere Krise Roms erkannt, ihre Ursachen geheilt und damit der auch unter den Rómern schon begonnene DegenerationsprozeB wieder umgekehrt werden können. Wenn man 51 v. Chr. als annäherndes Todesjahr des Poseidonios annimmt, wird das Lob für Pompeius noch deutlicher durch die Beobachtung, daß Poseidonios vom dramatischen Aufstieg Caesars keine Notiz nimmt. Strabon dagegen bevorzugt Caesar und noch mehr Augustus gegenüber Pompeius und Antonius als Hoffnungsträger für die Oikurnene. Timagenes schätzt gleichfalls Pompeius geringer als Antonius oder Augustus. Trogus zählt durch Familientradition des Vaters eher zur caesarfreundlichen Richtung, und Nikolaos best gleichfalls stárkere Sympathien für Caesar, Antonius und natürlich Augustus als für

Pompeius, weil jene seinen Patron Herodes entscheidend gefördert hatten? Der persönlich von ihm hochgeschätzte Pontifex Q. Mucius Scaevola (Konsul 95 v. Chr.) verkórpert für Poseidonios durch seine korrekte Verwaltung der leidgeprüften Provinz Asia 94 v. Chr. zusammen mit seinem Legaten und Berater, dem Historiker P. (nicht Quintus) Rutilius Rufus ein Beispiel alter virtus Romara in einer Verfallsperiode9?. Zwei weitere Ausnahmen von der üblichen Korruption römischer Amtstráger waren nach Poseidonios C. Sentius, ein Statthalter in Makedonien, und L. Sempronius Asellio als vorbild-

licher Statthalter Siziliens?!. Die letzten sechs Jahre von 92 bis zum vermutlichen Endda-

tum der Historien 86 v. Chr. sind nach THEILER eventuell in den Büchern 43-52 erzählt

worden??, Daraus kennen wir zunächst ein Fragment aus Buch 47 über die Regierungszeit

des Ptolemaios X. Alexandros I. (107-87 v. Chr.), der ab 101 nach der Ermordung seiner

Mutter bis zur Vertreibung durch die Einwohner Alexandreias und revoitierende Soldaten

88 v, Chr. im Ptolemäerreich herrschte und 87 in einer Schlacht vor Zypern umkam??,

Unser spátestes mit Buchzabl zitiertes Fragment des Poseidonios stammt aus dem 49.

Buch zum Jahre 92 v. Chr. Es berichtet über die Schwelgerei des Apicius, der für die

Exitierung des P. Rutilius Rufus aus Rom verantwortlich war. Poseidonios kontrastiert diesen Verfasser einer rómischen Geschichte in griechischer Sprache scharf mit dem unübertreffbaren Prasser Gavius Apicius?^. Rutilius Rufus war nämlich ein Mann, dessen

Leben und stoische Haltung Poseidonios vorbildlich erschienen. Nach militürischer und politischer Bewährung in Spanien, Kreta und Afrika Konsul 105 v. Chr., verkehrte Ruti$9 90

Diese unterschiedliche Einschätzung führender Römer ist durchaus nicht lediglich eine Folge der unterschiedlichen Lebensdaten der Universalhistoriker. Vel. Diod. 37,5-6 = F 213 Th. Der römische Senat selbst stellte Scaevola (nach Val. Max. 8,15,6) seinen Amtsnachfolgern — ohne großen Erfolg — als Muster einer vorbildlichen Amtsführung, exernplum aique normam officii, vor Augen. Dic dankbaren Provinzbewohner ehrten Scaevola durch góttliche Ehren und mit einem auf scinen Namen eingetichtcten, regelmäßig wiederkehrenden Fest; siehe

die Belege hierzu bei THeILER 1982, 120 zu F 213 Th.

9|

Vgl, Diod. 37, 5a = F 214 Th zu Sentius; Diod, 37,8 = F 215 Th zu Asellio. Die σύνενσις und ἀρετῇ solcher Heerführer und Politiker wie Scacvola, Sentius oder Asellio (und oikumenisch gesehen des Pompeius) waren nach Meinung des Poscidonios nölig, aber auch in der Lage, den gefährlichen Haß

der römischen Untertanen auf ihre Herren durch Euergesie wieder abzubauen und die römische Weliherrschaft dauerhaft zu stabilisieren, vgl. dazu Diod. 37,6 aus den Konstantinischen Exzerpten=F 213 Th.

9? Alle ‚Fragmente‘ Tueıers 211-242 sind (außer F 236 Th) Exzerpte der konstan tinischen Sammler aus dem 37. Buch Diodors. THEILERS Zuweisung dieser Texte zu einzelnen Büchern 43-48 des Poseidonios

EG

bleibt rein spekulativ.

Athen. 12.550a/b = F 26 Jacoby = 77 EK = 236 Th. Athen. 4,168d/e = F 27 Jacoby = 78 EK = 243 Th. aus Buch 49, nicht zum Jahre 88 wie THEILER 1982,

Bd. 2, 125 meint. Gavius Apicius war ein geistesverwandter Vorfahr seines Namensvetters, des bekannten Verfassers eines Kochbuches und Schlemmers unter Tiberius. Zu 92 v. Chr. als ProzeGdatum Liv. Per. 70: auf 94 v. Chr. datiert den Fall aber KALLET-Marx 1990, 122-139,

184

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

lius mit den angesehensten und mächtigsten Rednern, Juristen und Philosophen seiner Zeit. Er war wie Poseidonios ein Hörer des Panaitios gewesen. Auch die gefeierte Beredsamkeit des Rutilius war nach Ciceros Urteil stoisch geprügt??. Er versuchte als Legat des Q. Mucius Scaevola 94 in Asien mit Erfolg, die ausgebeuteten Provinzialen gegen die gierigen rómischen Steuerpáchter zu schützen. Diese im Sinne des Poseidonios ehrenhafte und vorbildliche Handlungsweise trug ihm vermutlich 92 in Rom einen Schauprozeß vor dem mit Rittern parteiisch besetzten Repetundengerichtshof ein. Die Richter verurteilten ihn erzürnt über die stolze Mißachtung des Gerichtes durch den Angeklagten und trotz der Fürsprache des Scaevola zur Verbannung. Rutilius aber zog sich zum Hohn auf das Gericht demonstrativ in seine alte Provinz Asia zurück, wo er in hohen Ehren lebte und sein Geschichtswerk schrieb, das stark autobiographische Züge hatte?®. In dem poli-

tisch-pädagogischen Optimismus, mit guten Beispielen den Verfalls- und KrisenprozeB Roms noch stoppen und eine konkrete Anderung des Verhaltens bei den Lesern erzielen zu kónnen, unterscheidet sich Poseidonios übrigens stark von Sallust.

Das spáteste Ereignis, über das in einem sicheren Poseidoniosfragment, aber leider

ohne Buchzahl berichtet wird, erzählt von der Versklavung der Chioten nach der Eroberung

der Insel durch Mithradates 86 v. Chr.??. Nikolaos von Damaskos und Poseidonios sahen

in dem plötzlichen Schicksalsschlag für die Chioten eine gerechte Strafe dafür, daß diese als erste Sklavenhandel in großem Umfang betrieben. Diese Episode könnte aber auch nicht in die fortlaufende Ereigniserzählung des Ersten Mithradatischen Krieges eingefügt, sondern im Zusammenhang mit den Sizilischen Sklavenkriegen oder dem Seeräuberproblem an einer früheren Stelle des Werks berichtet worden sein. Im Zusammenbang des Ersten Mithradatischen Krieges hat Poseidonios exemplarisch über die erstaunliche Karriere und den späteren Sturz des Philosophen und Demagogen

Athenion berichtet??. Das wörtliche Zitat aus Poseidonios und das folgende Exzerpt des Athenaios bilden zusammen das lüngste zusammenhängende sichere Poseidoniosfragment

aus den Historien. Daher kommt seiner Interpretation eine herausragende Bedeutung zu,

selbst wenn uns hier eine besonders glanzvolle und deshalb nicht für alle Bücher typische Passage vorliegt. Der Bericht des Poseidonios über Athenion entspricht in nuce dem Aufbau einer hellenistischen Biographie, nimmt aber auch Züge einer meisterhaften Karikatur an. Dieser Rahmen wird angefüllt mit massenpsychologischen Beobachtungen. Das ganze Stück kulminiert in einer demagogischen Rede Athenions vor den Athenern”. An das längste überlieferte wörtliche Fragment des Poseidonios schließt sich bei Strabon noch eine Paraphrase damit zusammenhängender Gedanken des Poseidonios an. Das Zitat und

die Paraphase Strabons zeigen, wie weit sich Poseidonios von der pragmatischen Ge-

schichtsschreibung des Polybios entfernt hatte, um für seine Leser ein mitreißendes Exempel einer zeitgenóssischen Tyrannenherrschaft in grellen Farben zu zeichnen. Dabei werden die römerfeindlichen Hauptpersonen Athenion, Aristion und Apellikon von Poseidonios so negativ und vóllig aus der Sicht der rómischen Aristokratie beschrieben, dab dieses wertvolle Fragment der Glaubwürdigkeit des Ereignisberichtes des Poseidonios in den Historien kein gutes Zeugnis ausstellt. Doch den Übergang von der Demokratie zur Tyrannis, die Verführbarkeit der großen Masse, die Labilität der römischen Herrschaft in 95 96

97 98 99

Cic. Brut. 114. Vgl. Val. Max. 2,10,5 und Vell. 2,13,2; Fragmente des Geschichiswerkes, das eine wichtige Rolle in

der Entwicklung der ‚Memoiren‘ zu vollgültigen Geschichtswerken spielt, bei PETER 1914, 187-190. Athen. 6,266e/f = F 38 Jacoby 2 51 EK = 250 Th. Athen. 5,211d-215b = F 36 Jacoby = 253 EK = 247 Th, dort vermutungsweise ins 50. Buch gesetzt.

Grundlegend bleibt zu den Passagen über Athenion von WiLamowrrz-MoELLENDORFF 1923 (auch in ders. 1937, 204-219); vgl. aber auch TuEILER 1982, Bd. 2, 125-128 und Kipp 1989, 41—45 sowie zum historischen Kontext BApiAN 1976, 105—128 und Buau 1992, 108-123,

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poscidonios

185

den griechischen Städten des Ostens verdeutlicht Poseidonios brillant an diesem sekundären Ereignis der jüngeren Zeitgeschichte, Zugleich gelingt ihm eine köstliche Karikatur des Demagogen. Interessant ist auch die frühe Formulierung des Anspruchs auf Weltherrschaft, die die antirömische Propaganda des Mithradates und die ihm willfährigen Orakel schon verkündeten, kurz bevor die Römer selbst die Formel von der Herrschaft über den

orbis terrarum (als lateinischem Aquivalent der Oikumene) in ihre eigenen Reden, Dichtungen und Geschichtswerke und das Bild der Erdkugel auf die symbolischen Bilder ihrer

Münzen übernahmen!®.

Das lange Fragment des Poseidonios wird ergänzt durch das knappe Resümee Strabons in den Geographika über die athenische Geschichte im Ersten Mithradatischen Krieg

88-85 v. Chr.!!, Der Peripatetiker und athenische Hoplitenstratege Athenion ist nach WiLAMOWITZ’ Analyse, der sich auch jüngst Buch anschloß!®, zu unterscheiden von dem

promithradatischen Epikureer und seinem Nachfolger als Tyrannen, Ariston, hat aber in der Tradition bei Athenaios verschiedene Einzelzüge von diesem angenommen. Strabon erwähnt nur Aristion, von dem auch Passagen der Werke des Plutarch und Appian handein. Denn Aristions Ankunft ‚im Gepäckwagen‘ des mithradatischen Feldherren Archelaos war aus historischer Sicht für Strabon das entscheidende Ereignis der athenischen Geschichte jener Jahre. Aristion blieb wahrscheinlich von 88/7-86 v. Chr. Stadtherr in Athen. Sein Name verband sich mit den Feldzügen des Archelaos und Sullas in Hellas, die Strabon in den Geographika erwühnt und die vermutlich ausführlich in den Historika Hypomnemata behandelt worden waren. Während die kurze Zeit der Herrschaft des Athenion für Strabon uninteressant bleibt, benutzt Poseidonios diese Episode als signifikantes Beispiel der schlimmen Folgen unkontrollierter Massenemotionen und der politischen Verführbarkeit des Volks. Die pompóse Ankunft Athenions und seine psychologisch geschickten Auftritte in der Stadt waren der erste Akt im Drama, das zur Eroberung und Plünderung Athens durch Sullas Truppen 86 v. Chr. führte und wohl in den Historien des Poseidonios den mit der Eroberung und Zerstórung Karthagos und Korinths begonnenen Themenkreis schloß. 3. Leitende Gedanken und charakteristische Eigenarten der Historien des Poseidonios Poseidonios verbindet in seinen Historien geographische, ethnographische und historische Beobachtungen zu einer aus stoischer Philosophie begründeten Gesamtschau des Weltgeschehens. Hinter der Vielfalt der beobachteten Erscheinungen sucht er die Einheitlichkeit und Gesetzmäßigkeit aller Phänomene philosophisch mittels des Leitbegriffs der συμπάθεια aller Phänomene in der Natur und der menschlichen Zivilisation zu er-

forschen. Man kann dieses philosophisch-psychologische Konzept der συμπάθεια in klarer Differenzierung von dem älteren polybianischen der συμπλοκὴ τῶν πραγμάτων in der

Zeitgeschichte als den wichtigsten Beitrag des Philosophen Poseidonios zur Entwicklung der hellenistischen Universalhistorie bezeichnen. Das Konzept der συμπάθεια ermöglicht es ihm, alle Dinge in der Welt der Menschen und der Natur in einem synoptischen Blick auf die Oikumene als miteinander verbunden zu betrachten. Es läßt ihn auch die Universalhistorie als einzig mögliche Form für sein historisches Hauptwerk wählen. Der Vorwurf GicoNs!?, es mangele den Historien an „innerer Geschlossenheit“ und einer 100 Vgl. Athen. 5,213 Anfang: τὸ κράτος τῆς οἰκουμένης; zur orbis terrarum-Propaganda Roms im 1. Jh. und der augusteischen Zeit hier Kapitel IIT.2.2-3 und 11.3.8. 191 9,1,20 C. 398,

102 Buch 1992, 108-123. 103 Vgl. Gicon 1972, insb. 245-247.

186

IT. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

„einheitlichen Linie eines großen, zentralen Geschehens“, der aus einem zu oberflächlichen Vergleich mit Polybios und dem Leittherna des Aufstiegs Roms zur Weltmacht entstanden sein dürfte, trifft meines Erachtens nicht zu. Denn der Zerfall der späthellenistischen Monarchien der Attaliden, Seleukiden und Ptolemäer und die Auseinandersetzung Roms mit den Kelten und Germanen des Nordwestens bezeichnen schon zwei politisch-

militärische Grundthemen des Poseidonios. Eine unveränderte polybianische Themenstellung in einer inzwischen stark gewandelten Welt hätte den Historien des Poseidonios geradezu einen epigonalen Charakter gegeben. In der Zeit der Gracchen, des Marius, Sullas und des Pompeius stellten sich andere zentrale Fragen als in der Zeit des Scipio Aemilianus. Wenn man auch LAFFRANQUE zugestehen mag, daß einige Vertreter der deutschen Poseidoniosforschung (u.a. PonLENz und REINHARDT) die geographisch-historischen Werke in überspitzter Weise lediglich als einen Ausfluß seiner stoischen Philosophie betrachteten, so trägt es meines Erachtens noch weniger zum adäquaten Verständnis des Poseidonios bei, das Ozeanbuch und die Historien aus einem von der stoischen Philosophie getrennten Impetus der reinen πολυμάθεια, der Gelehrsamkeit, des Poseidonios zu erklä-

ren!%. Nicht der ‚Wissenschaftler‘ Poseidonios und seine Leistungen eröffnen den Zugang zum Philosophen und Historiker, sondern der universelle Gelehrte ist in seiner Definition der Philosophie und seinem philosophischen Selbstverständnis verwurzelt. Der programmatische Bezug im Titel des geographischen Hauptwerks Über den Ozean auf den Weltozean, der die einzelnen Teile der Kulturwelt umfließt und zusammenhält, verweist schon auf die Absicht des Poseidonios, eine große Synthese kultur- und

fachgeographischen Wissens vorzulegen und die Zusammenhänge hinter der verwirrenden Buntheit der Einzelphänomene aufzuzeigen. Während Poseidonios in den Historien äußerlich und zeitlich an diejenigen des Polybios anknüpft, ist mit Über den Ozean keine Fortsetzung eines älteren geographischen Werkes erkennbar. Obwohl Poseidonios als Geograph seinerseits Eratosthenes, Hipparchos und Artemidoros sehr viel verdankt, ist er vielleicht in Über den Ozean noch origineller und selbständiger als in den Historien gewesen. Sein geographisch-historisches Gesamtwerk zieht eine Summe des Kenntnisstandes über Nordwesteuropa vor dem Beginn seiner direkten militärischen Eroberung durch Caesar und der weiteren Entdeckung. Thematische Schwerpunkte der Universalhistorie des Poseidonios liegen in der Analyse der Lebensweisen und Denkformen der Völker der Mittelmeeroikumene, der Untersuchung der psychologischen Motive der Handlungen von Individuen und Völkern sowie der engen Verbindung von ethnologischen und anthropo-

logischen mit politisch-militärischen Fakten zu einem umfassenden, philosophisch fundierten Geschichtsbild. Polybios hatte in typisch hellenistischer Weise das Walten der Tyche als letzter noch wirkmächtiger Gottheit in der Weltgeschichte auch im Zusammenhang mit dem Aufstieg der Römer zur Weltmacht diskutiert. Poseidonios lehnt als stoischer Philosoph einen be-

deutenden Einfluß der Tyche auf die Weltgeschichte ab und bemüht sich dagegen, die Weltgeschichte und die Herrschaft der Römer über die Oikumene als Wirkungen der gôttlichen Vorsehung, der πρόνοια, oder in der Sprache seiner vornehmen römischen Freunde des fatum (der providentia), und schon deshalb als gerechtfertigten und begrüßenswerten Zustand aufzuzeigen. Die geschichtsphilosophischen Paradoxien zwischen dem fürsorg-

lichen Walten der Vorsehung und dem freien Willen der politisch handelnden Menschen, zwischen der vernunftgemäßen Grundordnung des Kosmos und den Katastrophen und Kriegen seiner Lebenszeit kann Poseidonios in seinen Historien nicht auflösen. Hätten Diodor und Plutarch nicht ihre eigene abweichende Auffassung vom Eingreifen der Gott104 Vel. LAFFRANQUE 1964, 149 und öfter, dagegen aber von Frrrz 1977, insb. 168f und auch Nock 1959, 1-15 (ND in ders. 1986, 853-876).

5. Strabon und die historisch-geographischen Haupiwerke des Poseidonios

187

heit und der Vorsehung in die Geschichte in ihre aus Poseidonios geschópften Passagen hineingetragen, wäre der EinfluB der stoischen Vorsehungslehre auf die Geschichtsphilosophie des Poseidonios noch deutlicher.

Poseidonios lehnt eine Spaltung zwischen Fachwissenschaft und Philosophie strikt ab. Aus seiner Sicht sind Über den Ozean, die Historien und seine kleinen Traktate nicht

weniger philosophische Schriften als seine erkenntnistheoretischen, ethischen und naturphilosophischen Hauptwerke. Wie REINHARDT formuliert, hängt das Geschichtswerk mit dem philosophischen Hauptwerk des Poseidonios auf dreifache Weise zusammen: „l. durch das Stoffliche, z.B. in den Sittenschilderungen und Charakteristiken, auch durch das Universale, seine Geschichte war ökumenisch; 2. dadurch, daß in der Beurteilung der

geschichtlichen, zumal auch der sozialgeschichtlichen Verläufe stoische Maßstäbe und Ideale bestimmend sind, als: Einheit, Gemeinschaft (κοινωνία), Verwandtschaft (ouyyé-

vera) der Völker trotz oder wegen ihrer Differenzen, Rechtsgedanke, Verantwortung, auf Griechisch: ‚Rechenschaftsablage vor dem einigenden göttlichen Allwillen‘ ... 3. dadurch,

daß in geheimer Übereinstimmung das Werk des Historikers und das des Philosophen

analoge Gefahren des Verfalls zu bannen suchen: in der Zeitgeschichte den allgemeinen Niedergang, die Degeneration, in der Ethik den Aufstand und die Hypertrophie der un-

terzuordnenden Triebkräfte des Irrationalen. Die Kategorien der Ethik kehren wieder in

der Politik. Therapeutisch wie die Ethik war auch das Geschichtswerk“1®5,

Stoisch-philosophische Wertungen, psychologische Charakterstudien und ethnographische und kulturgeschichtliche Exempla und Exkurse nehmen bei Poseidonios gegenüber der politisch-militärischen Ereignisgeschichte einschließlich der Verfassungsanalyse besonders deswegen einen bedenklich hohen Rang ein, weil das Werk ja eine Fortsetzung der pragmatischen Historien des Polybios sein sollte. Dies verdeutlichen die berühmten Passagen über den zum Tyrannen entarteten Volksphilosophen Athenion, über Marcellus und Fabius MaximusX6, die Sklavenkriege, die Kelten, Kimbrer oder die iberischen Bergwerke. An bestimmten ‚Bravourstellen‘ der Historien lauert die Gefahr, daß die späthellenistische Universalgeschichte trotz des Anschlusses an die pragmatische Historiographie des Polybios sich nach Poseidonios zu einer philosophisch-pädagogisch orientierten Psychohistorie oder historischen Anthropologie entwickelte. Noch kein Universalhistoriker vor Poseidonios hatte alle entscheidenden politischen Handlungen in systematischer Geschlossenheit und aufgrund einer wissenschaftlich fundierten Methodik auf psychologische Ursachen zurückgeführt und diese ‚aitiojogische‘

Ursachenanalyse mit einer moralisch-politischen Belehrung verknüpft'?’. Das αἰτιολογι-

κόν (d.h. „ultimate explanation and principal causes") bildet den Kern des Interesses des Poseidonios an der Geschichte: „by analogy the History performed the same function for ethics as the sciences did for natural philosophy, and if it cornes to that, probably mathe-

matics for logic"99, Poseidonios nimmt mit seinen Historien die kaiserzeitliche Defini-

tion eines rhetorischen Handbuches vorweg, daß auch Geschichtschreibung eine Form der Darlegung ethischer Theorie seil®. „Der Historiker Poseidonios ist ohne den Psychologen und Anthropologen nicht zu versteben, und die angemessene Interpretation seines Geschichtswerkes setzt die Kenntnis seiner Ethik und speziell seiner Psychologie voraus“! Poseidonios erklärt z.B. den Ausbruch des Ersten Sizilischen Sklavenkrieges nicht 105 106 107 108 109 110

Renmarot 1953, 627f. F 41-44 Jacoby = 257-261 EK = 92-95 Th. Vgl. von Fnrrz 1977, 183, BRNGMANN 1986, 29f und ferner Haum 1989, 1325-1363. Kmo, Posidonius 1989, 40. Dion, Hal. rhet. 11,2, p. 376,20f Usener-Radermacher und vgl. dazu BRINGMANN 1986, 61. BnicMANN 1986, 30 mit Verweis auf die philosphicgeschichtlich hervorragenden Kommentare von THEILER und Kipp sowie auf Kipp 1971, 200-215.

188

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

als rational geplante Auflehnung gegen die unerträglichen sozialen und ökonomischen Unterdrückungsstrukturen und die miserablen Lebensbedingungen, sondern als Explosion der Affekte, als bis zum Wahnsinn gesteigerten Wut der Sklaven über das ihnen

ungerecht zugefügte Leiden!!!, Die Aufdeckung der Ursachen, vor allem der dem mensch-

lichen Handeln zugrundeliegenden Affekte, geht Hand in Hand mit einer lebhaften Dar-

stellung vorbildlicher oder abschreckender exempía!!?. Poseidonios gibt der Universal

historie mit seiner Vólker- (Keltenexkurs), Massen- (Athenionepisode, Sklavenkriege) und Individualpsychologie (Portráts hellenistischer Machthaber, rómischer Adeliger wie Marius und Anführer der Barbaren und Sklaven) eine ,wissenschaftliche* anthropologi-

sche Grundlage. Die inhaltlich eindrucksvolisten Fragmente aus den Historien illustrieren die zusammenfassende Bemerkung des Athenaios, daß Poseidonios „in seinen Historien in Übereinstimmung mit dem philosophischen System, das er bevorzugte, viele Bräuche und Sitten

bei vielen Völkern aufgezeichnet hat‘“!!3. Athenaios verweist regelmäßig „to Posidonius

as the philosopher, never the historian, and does not cite him for historical reasons, nor indeed in historical contexts", betonte Kipp kürzlich!!%. In der Mehrzahl der Fälle trifft diese Einschátzung auch für Strabon zu, der aber zumindest einmal Poseidonios eindeutig

auch als Historiker nennt! "5,

Nach dem 90. Brief Senecas zu urteilen, hat Poseidonios eine knappe Geschichte der

Entwicklung der Macht und Herrschergewalt von Urzeiten bis in seine Gegenwart vorgelegt. Für die elenden Lebensbedingungen der Sklaven und der ‚kleinen Leute“ hat Poseidonios (ähnlich Agatharchides und im Unterschied zu den meisten republikanischen lateinischen Historikern aus dem Senatorenstand) durchaus Mitgefühl!!6. Die Erfahrungen der Iberischen und der Mithradatischen Kriege sowie der Sklavenaufstände führten Poseidonios vor Augen, daß die pessimistischen Prognosen des Polybios über die römische Weltherrschaft sich zu bewahrheiten drohten. Dieser politische Anschauungsuntericht war einer der auslösenden Faktoren dafür, daß der Philosoph und Universalgelehrte Poseidonios auch noch zum Universalhistoriker und zum Fortsetzer des Polybios wurde. Dennoch lehnt Poseidonios jeden gewaltsamen Versuch der Erschütterung der durch die Vorse-

hung legitimierten römischen Herrschaftsordnung ab. Er will mit seinen Historien die herrschende römische Elite davon überzeugen, durch eine maßvolle Ausübung ihrer Herrschaft ohne übertriebene Brutalität den Ausbruch weiterer Aufstandsversuche zu ver-

hindern. Die rómische Weltherrschaft war in der Zeit des Poseidonios ein etabliertes Fak-

tum. Über die Gründe des Aufstiegs zur Weltmacht zu sinnieren, batte sich zwei Genera tionen nach Polybios' Tod erübrigt. Umso mehr war es weiterhin geboten, die Krise der herrschenden Weltmacht zu analysieren. Diese Krise wurde im immer háufigeren Rekurs auf drastische militärische Gewalt statt auf durchdachte politische Konzepte erkennbar. Während die politisch-diplomatische Geschichte der römischen Weltherrschaft durch Polybios in der hellenistischen Tradition zu einem Hóhepunkt geführt wurde, blieb die Qualität der gesellschaftlichen und psychologischen Analysen des Poseidonios unter den Universalhistorikern der griechischsprachigen Antike ohne Konkurrenz. 1113. Vgl. die texinahe Analyse bei BRINGMANN 1986, 35—44.

112 Vgl. Sen. epist. 95,65-67 über die drei Elemente der ethischen Erziehung aus der Tradition des Poseidonios: aetiologia, ethologia und praeceptio (2 F 176 EK = 452 Th). 113

Athen. 4,151e (= T 12a Jacoby = 80 EK = zusammen

mit F 170 Th abgedruckt); móglicherweise

handelt es sich nach Kipp, Posidonius 1989, 39 sogar um ein Zitat des Athenaios aus Poseidonios mit einer Charakterisierung der eigenen Werke.

114 Kınd, Posidonius 1989, 39. 115 Vgl. 11,1,6 C. 491-492 2 T 11 Jacoby = F 79 EK = 47a Th. 116 Vgl. STRASBURGER 1965 (= ders. 1982, 935-937), HaRMATTA 1967, 367-371 und Desinerr 1972, 481493,

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

189

Poseidonios hat darauf vetzichtet, ein der Geographie und seinem Weltbild der Mittlmeeroikumene gewidmetes Einzelbuch wie Polybios (34. Buch) oder eine Gruppe von Büchern wie Ephoros (Bücher 4-5) in die Historien einzuschieben. Statt dessen müssen wir mit zahlreichen, stilistisch sorgfältig ausgefeilten kulturgeographischen Exkursen rechnen, die eingelegt wurden, wenn die fortlaufende Erzählung der politischen Geschichte geeignete Anlässe bot. Auffällig ist die Verteilung aller großen geographischen Exkurse

auf die erste Werkhälfte. Allerdings sind die letzten Bücher der Historien viel schlechter überliefert als die ersten. Ein Exkurs über Pontos und das bosporanische Reich wäre zu Beginn des Ersten Mithradatischen Krieges passend gewesen. Seine fachgeographischen Anßerungen scheint Poseidonios in Einzelschriften publiziert und nicht als mit dem Geschichtswerk direkt zusammengehörig aufgefaßt zu haben. Übergreifenden Fragen der physikalisch-mathematischen Geographie (Kosmoslehre, Geophysik, Ozeanlehre, Hydrologie, Klimatheorie) ist ja das Buch Über den Ozean gewidmet, das aber in keinem vergleichbar engen Zusammenhang mit den Historien steht wie später die Geographika mit den Historika Hypomnemata Strabons. 4. Der geringe Einfluß der Universalhistorie des Poseidonios auf Historiker des 1. Jh. v. Chr. und der augusteischen Ara Wenn man nach dem Einfluß der Werke des Poseidonios fragt, sollte man zwischen seinen philosophischen, naturkundlichen und historisch-geographischen Werken prázise differenzieren. Den nachhaltigsten und folgenreichsten Einfluß übte Poseidonios auf lateinische philosophische Autoren, besonders Cicero und in geringerem Maße Seneca aus. Zunächst gelangten Gedanken des Poseidonios, die dem vorherrschenden religiósen Bedürfnis entgegenkamen, in die Popularphilosophie des Kaiserreiches. Dabei haben sie sich jedoch von den Eigentümlichkeiten des Apameers so weit gelöst, daß man sie in den Diatriben nicht mehr immer sicher identifizieren kann. Die philosophisch-naturkundlichen Schriften des Poseidonios fanden bis in die Spätantike mehr Leser als die historischen, aber auch die philosophischen Schriften galten schon zur Zeit Plutarchs und Galens als eine seltene Lektüre. Eine mit Platon und Aristoteles, Chrysippos oder Epikur vergleichbare Nachwirkung hat der Philosoph Poseidonios keinesfalls gehabt, wei] er weder Gründer einer eigenen Schultradition wurde noch seine philosophierenden Zeitgenossen so weit überragte, daß er auch die nächsten Generationen der griechischen Stoa prägend beeinfluBt hátte. Antiochos von Askalon und die Stoiker der augusteischen Zeit übergingen Poseidonios fast schon in der stoischen Diadoche, wie der Abri der stoischen Ethik bei Areios Didymos nahelegt, der Antipater, Diogenes, Archedemos und Panaitios, aber nicht Poseidonios als führende Köpfe nennt. Eine ausführliche Suche nach psychologischen Ursachen bestimmter Handlungen und allgemein den Gründen bestimmter Phánomene, das ‚Aitiologische‘, das Strabon an Poseidonios’ Ozeanbuch tadelte, kritisierten auch die schulmäßigen Stoiker an seinen philosophischen Schriften. Als ab dem 1. Jh. n. Chr. die Stoa wieder die führende Philosophenschule im rómischen Geistesleben wurde, griff Scneca stärker auf die Alte Stoa zurück, besonders auf Chrysippos, den Poseidonios hart angegriffen hatte. Die philosophischen Lehren des Poseidonios verbanden also zwar in origineller Weise das hellenistische Erbe der Stoa mit peripatetischen und akademischen Einflüssen, aber sie bildeten keinen entscheidenden Ausgangspunkt für die stoischen Lehren der Kaiserzeit oder für die neuplatonische Philosophie, das dominierende System der

heidnischen Spütantike!!?, 117 Vgl. gegen die oft überschätzte Wirkung des Poseidonios in der antiken Philosophiegeschichte machdrücklich schon Epeusren 1936, 286-325, insb. 323f.

190

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

In unserem Zusammenhang ist aber nun präziser die Frage nach dem Einfluß des Poseidonios auf die griechisch-römische Historiographie, insbesondere auf die (Universal-) Historiker von der Zeit Ciceros bis in die frühe Kaiserzeit, zu stellen. Hierbei führt

meines Erachtens methodisch der richtige Weg über die direkte antike Überlieferung, also die mit Nennung des Namens des Poseidonios überlieferten Testimonien und Fragmente. Strabons Geographika und das Gelehrtengastmahl des Athenaios sind mit weitem Abstand unsere wichtigsten Autoren, die namentlich bezeugte Fragmente aus den historischen und geographischen Schriften des Poseidonios überliefern. Man muß dieses entscheidende Material untersuchen, bevor man weitere Rückschlüsse aus mehr oder weni-

ger sicherem Material zieht oder gar nur einen ,EinfluB* des Poseidonios auf bestimmte spätere Historiker unterstellt. Ausschließlich das intersubjcktiv nachprüfbare Quellenmateria! der namentlich bezeugten Fragmente und der durch die Tradition, nicht erst durch philologische Interpretation moderner Autoren Poseidonios zugewiesenen Passagen soll nach EDELSTEIN in der Diskussion über den Einfluß des Poseidonios herangezogen wer-

den!!$, Mit dieser strengen, aber wohl begründeten Auffassung stehen JACOBY, EDELSTEIN und Kipp im Widerspruch zu einer angesehenen Richtung der deutschsprachigen Poseido-

niosforschung. Sie wird verkörpert durch bedeutende Gelehrte wie PonteNz!?, REINHARDT!? und zuletzt TuEiLER!?!, Diese Gelehrten schließen in ihre Überlegungen zum Einfluß des Philosophen auf spätere Autoren in erheblichem Umfang auch Texte ein, von denen sie nur wahrscheinlich machen zu können glauben, daß diese Passagen durch Posetdonios beeinfluBt seien. Die bloße Behauptung, daß alle Universalhistoriker „der ersten Generation nach Poseidonios, die über die Zeitspanne von der Zerstórung Karthagos bis zum ersten Mithri-

datischen Krieg geschrieben haben, ... Leser und Benutzer" der Historien des Poseido-

nios seien!?2, 1äßt sich wegen des fragmentarischen Zustandes sowohl dieses Werkes als

auch derjenigen der angeblichen Benutzer zwar nicht zweifelsfrei widerlegen. In keinem Fragment dieser Historiker wird Poseidonios jedoch ausdrücklich als Historiker bezeichnet.

Nur einmal wird von Strabon namentlich in einem Fragment historischen Inhaltes zwei-

felsfrei die Universalhistorie des Poseidonios zitiert. Kein bedeutender Historiker der Kaiserzeit nach Strabon außer Flavius Josephus!? nennt Poseidonios als Historiker oder zitiert ihn zweifelsfrei für ein bedeutendes Geschichtswerk. Der von einigen Poseidoniosforschern unterstellte erhebliche EinfluB auf die griechischen und lateinischen Univer-

salhistoriker des 1. Jh. von Diodor über Timagenes und Strabon bis zu Trogus und Nikolaos sowie unter anderen lateinischen historiographischen und geographischen Autoren 118 , Whether the influences of Posidonius on later writers are determined by pointing out a certain parallelism of ideas or words, whether they are recognised by an intuitive understanding of his thinking, the results cannot be proved by external evidence. The philologist, however, is the interpretet of external

evidence, the philosopher alone is allowed to be his own witness. For the philologist therefore, the attested fragments are the proper subject of his studies; therein lies the necessary limitation of his research"... .."fragments ascribed to Posidonius by tradition are material quite different from passages

ascribed 10 Posidonius by modern scholars": EDELSTEN in EDELSTEIN und Kipp 1989, Bd. I, XIX und ähnlich auch schon LAFRANQUE 1964, 109-151.

119 Vgl. insb. seine grundlegende Monographie über die Stoa PourENz, Bd.1, 1964, 208-238. 120 RriNHARDT 1921, 1926, 1928 sowie schließlich der monumentale RE-Artikel von 1953 (ND 1954), in dem Poseidonios zu einem Universalgelehrten und Geistesfürsten des 1. Jh. erhoben wird. 121 THEILER 1982. 122 Maurrz 1983, 52 mit Verweis auf Gicon 1972, 246f. Die bei Maurrz 1983, 52-59 genannten Autoren sind meines Erachtens jedoch - und zwar nur in einem allgemeinen Sinne — durch die philosophischen Schriften des Poseidonios beeinflußt, nicht aber durch seine historischen Werke.

123 Ios. c. Ap. 2,79 = F 69 Jacoby = 278 EK = 1310 Th erwähnt Poseidonios zusammen mit Apollonios Molon als judenfeindlichen Autor .

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poscidonios

19]

auf Sallust, Varro, Vitruv und Plinius ist im Einzelfall nur sehr schwer nachzuweisen. Während man in vollständig erhaltenen Werken der philosophischen Literatur verschiedene Passagen aufspüren kann, die indirekte Testimonien zum Einfluß des Poseidonios

darstellen, auch wenn sein Name an diesen Stellen nicht genannt ist, scheitert eine vergleichbare Analyse der zeitgeschichtlichen Teile des poseidonischen Einflusses auf die späthellenistisch-augusteischen Weltgeschichten, nicht zuletzt auf Strabons Historika Hypomnemata, daran, daß auch diese Werke oder Werkteile bis auf wenige Fragmente oder eine späte Epitome des Trogus verloren und oft nur ihrerseits indirekt im Werk späterer Historiker und Biographen (Josephus, Plutarch, Appian) als Quellen greifbar sind. Unter den Biographen und Buntschriftstellern interessieren sich Plutarch und Athenaios besonders für Passagen aus Poseidonios, die kulturgeschichtlich-ethnographisch oder als exempla interessant sind, nicht für die fortlaufende Geschichtserzählung in den Historien. Nun mag man anführen, daß Strabon in der Geographie und Geschichte oder Galen

in der Medizin ihre Werke als Teil der ,Philosophie* auffaßten und sie deswegen vielleicht Poseidonios als Philosophen bezeichnen konnten, obwohl sie sehr wohl auch seine historiographischen Werke kannten. Dennoch unterstützt ein Überblick über die Testimonien über Leben und Einfluß der Werke des Poseidonios von den 40er Jahren des 1. Jh. v. Chr. bis zum Ende der Antike den Gesamteindruck, daB die Zeitgenossen und die späteren Autoren das historiographische Werk des Poseidonios innerhalb des enzyklopädisch breiten Gesamtwerkes für nachrangig hielten. Ohne Zweifel galt Poseidonios in gebildeten gnechisch-rômischen Kreisen der späten Republik und des frühen Prinzipates jedoch als ein Universalgelehrter. Eine Durchsicht der ausführlichen Testimoniensammlung bei EpELSTEIN und Kipp über Leben, Werke und Einfluß des Poseidonios!^* unterstreicht den Eindruck, den man schon aus den Werken Ciceros und der antiken biographisch-doxographischen Tradition gewinnt. Poseidonios wurde in erster Linie als stoischer Philosoph, groBer Rhetor und Bekannter wichtiger Personen der geistigen und politisch-militärischen Elite geschätzt. Ein ausdrückliches Lob seiner Historien oder eine mit Namensnennung des Autors und Werkes gesicherte Benutzung findet sich vor Strabon überhaupt nicht. Auch Poseidonios selbst versteht sich primár als Philosophen im Sinne einer universellen Gelehrsamkeit. Selbst- und Fremdeinschützung in den antiken Testimonien stimmen also bei ıhm überein. Noch die Suda kennt Poseidonios den Apameer in erster Linie als stoischen Philosophen, überliefert uns jedoch auch erstmals die vollstándige Buchzahl von 52 Büchern der Historien!?. Die Notizen in der Suda zeigen allerdings auch, daß schon die spátantiken Autoren, auf denen diese byzantinische Kompilation basiert, gravierende Probiere hatten, zwischen verschiedenen Autoren namens Poseidonios und ihren Werken zu

unterscheiden und dabei sogar die Historien nicht mehr dem Apameer, sondern einem anderen Poseidonios zuschrieben. Cicero stellt Poseidonios in zahlreichen Zeugnissen als Philosophen meist unter anderen Stoikern vor. Gerne betont er seine freundschaftliche Bekanntschaft mit dem großen CGeistesfürsten*!?$, Das vielberufene Zeugnis aus den Atticusbriefen besagt genau genom-

men aber nicht, daß Cicero Poseidonios als Historiker und wegen seines historischen Renommés gebeten habe, sein Hypomnema historisch zu überarbeiten. Cicero hat ihn viel-

mehr gebeten, „ut ornatius de iisdem rebus scriberet", also daß er mit einer rhetorischstilistischen Überarbeitung seinem Hypomnema größeren Glanz gebe. Denn Poseidonios

gilt ihm als berühmter Rhetor!?", Selbst über einige philosophische Werke des Poseido124 T 1-113 EK; vgl. auch T 1-38c Th. 125 Vgl. T 1 Jacoby = | EK = 1a Th mit Kommentaren.

126 Vel T3EK - 4 Th; T9 EK = 7 Th; T IO EK =8 Th; T 29-34 EK = 10-14 und 19 Th, darunter T 9 Jacoby aus den Atticusbriefen = 34 EK = 14 Th ; T 8b Jacoby = 38 EK = 13c und 18 Th.

127 T 9 Jacoby = 34 EK = 14 Th = Cic. Att. 2,1,2; auch Att. 16,11,4 ist in der Diskussion herangezogen

192

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

nios muß Cicero genaue Auskunft bei Atticus in Athen einholen, weil es sich nicht um den

aktuellen philosophischen Diskurs bestimmende Schriften handelte!#, Die Werke des Apameers waren wahrscheinlich auch nicht bekannt und verbreitet genug, um sich voll-

ständig in der Bibliothek des Lucullus zu finden!?. Cicero verfügt aber aus breiter eigener

Lektüre über gute allgemeine Kenntnisse der Entwicklung der kanonischen griechischen Historiographie bis in seine eigene Lebenszeit. Der genaue Umfang seiner Kenntnisse über einzelne zeitgenössische historische Autoren läßt sich allerdings methodisch nur schwer festlegen. Denn seine Kenntnisse über einen Autor oder ein Werk dürften wohl über die direkten, sicher bezeugten Zitate weit hinausgehen. An zentralen Stellen, an de-

nen sich Cicero zusammenfassend über (griechische) Historiographie äußert!”®, nennt er

niemals Poseidonios als bedeutenden Historiker und zitiert keines seiner historisch-geographischen Werke. Die ältere Forschung nahm trotzdem ohne überzeugende Belege eine Benutzung auch der historischen Werke des Poseidonios durch Cicero an. Aber dagegen

stellt FLECK vorsichtig fest: „Auch die Benutzung der Werke des Stoikers Chrysipp und

des Universalgelehrten Poseidonios, der auch Geschichte geschrieben hatte und den Ci-

cero persónlich kannte, ist in historischen Fragen bei Cicero nicht zu belegen“!-". Dieser

nennt jedenfalls mehrfach Ephoros im Kanon der großen griechischen Historiker als Universalhistoriker, nicht aber seinen persónlichen Bekannten Poseidonios. Cicero empfiehlt von den großen griechischen Historikern die Lektüre der Werke des Herodot, Thukydi-

des, Philistos, Theopomp, Ephoros, Xenophon, Kallisthenes und Timaios!”?. Diese

Lektüreliste deckt sich im Kern mit derjenigen des Dionysios von Halikarnassos In seinem stilgeschichtlich orientierten Brief an Pompeius, der Herodot, Thukydides, Xenophon, Philistos und Theopomp vorschlägt und selbst stilkritisch untersucht hat, Polybios oder Poseidonios aber in dieser Schrift — wohl wegen ihres helienistischen Prosastiles —

gar nicht erwähnt!33, Poseidonios ist auch in der römischen Kaiserzeit niemals ein ein-

flufireicher oder hüufig gelesener Historiker geworden. Indiz dafür ist sein Fehlen auf der

autoritativen Leseliste Quintilians in der Institutio oratoria, der fast vollstándig Ciceros

Auswahl übernimmt, indem er lediglich Kallisthenes und Theopomp durch Kleitarch und Timagenes ersetzt. Quintilian nimmt dabei mit dem Attizisten Timagenes durchaus einen

griechischen Universalhistoriker des 1. Jh. v. Chr. und der augusteischen Ara in seinen

Kanon auf, aber eben nicht Poseidonios oder Strabon. Diesen erwähnt Quintilian als Hi-

storiker nicht einmal!?*,

Strabon selbst äuBert sich über Poseidonios in den Geographika aufschluBreich. Er nennt ihn beiläufig einen Politiker und Redelehrer von Rhodos'?, An wichtigen Stellen worden. Teoesco 1995, 101 (mit älterer Lit.) hält dagegen erneut die Bitte an Poseidonios, sein Hypo-

mnema auszuschmücken, (ohne weitere Begründung) für einen Beweis dafür, daß die Historien damals schon (z.T.) publiziert gewescn seien: „se non la pubblicazione vera e propria delle Storie, quantomeno la circolazione di ampie sezioni dell'opera". 128 Vgl. Cic. Au. 16,11,4. 129 Vgl. aber MaLrmz 1983, 32 Anm. 217.

130 Dazu zählen der Überblick über die Entwicklung der griechischen Historiographie in Cic. de or. 2,55." 131

58, der Brief an Lucceius (fam. 5,12) und der Brutus. Fieck 1993, 90: vgl. dagegen aus der älteren Forschung SCHOENBERGER 1914, BRUNT 1980, 309—340 und Rawson 1972, 33-45 (auch in dieselbe 1991, 58—79).

132 Polybios, dessen Geschichiswerk Cicero in seinen Staatsschriften benutzt und hoch schätzt, fehlt im Kanon der griechischen Historiker, die Cicero empfiehlt (de or. 2,55—58; vgl. FLecx 1993, Alff), wird

aber an anderer Stelle als Historiker gelobt (siehe FLeck 1993, 43 und 78—83).

133 Dion. Hal. ad Pomp. 3-6. 134 Quint. inst, 10,1,73-75.

135 Vgl. 14,2,13 C. 655 Z T2 Jacoby = 2a ΕΚ = 2a Th.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poscidonios

193

im Prooimion und in den ersten beiden Büchern der Geographikal*6 zählt Strabon Poseidonios unter die bedeutenden Vorgänger in der Geographie, zu den ,philosophischen Männern‘ und vorbildlichen Universalgelehrten der Vergangenheit. Poseidonios steht im

Prooimion der Geographika in einer aufschluBreichen Reihe geographischer Vorlüufer zusammen mit Eratosthenes, Hipparchos und Polybios. In den Prolegomena nennt Strabon Poseidonios einen ἀποδεικτικὸς καὶ φιλόσοφος ersten Ranges, auf dessen Spitznamen ἀθλητής er anspielt!??, An der für Strabons persönliches Urteil über Poseidonios wichtigsten Stelle rühmt er ihn noch prágnanter als „Stoiker, einen Mann, der unter den

Philosophen unserer Gegenwart der größte Universalgelehrte war'*!?8, Die Historien des Poseidonios erwühnt Strabon in den Geographika als Werktitel

überhaupt nicht, dagegen Über den Ozean mit dem Werktitel und einer ausführlichen Rezension. In seiner Übersicht über Autoren zur Geographie von Hellas zu Anfang von Buch 8 rechnet Strabon Poseidonios nicht mit Ephoros und Polybios unter die Autoren, die die Geographie im Rahmen ihrer Universathistorien behandelt hátten, sondern stellt ihn als physikalischen und mathematischen Geographen zusammen mit Hipparchos in

einen Gegensatz zu jenen Universalhistorikern mit stark geographischem Interesse".

Aus einem Zitat aus den Historika Hypomnemata (aus Buch 6) über die parthische Verfassung in den Geographika Strabons!^" wird dennoch deutlich, daB Strabon schon bei der Abfassung seiner Universathistorie das Geschichtswerk des Poseidonios kennt. Es könnte theoretisch auch eine nur indirekte Vermittlung (z.B. über Timagenes) in Frage kommen. Die Stelle über die parthische Verfassung weist aber darauf hin, daß das Geschichtswerk des Poseidonios nicht weit verbreitet war und von Strabon erst im Rahmen gezielter Recherchen für die Historika Hypomnemata (oder sogar erst später zwischen der Niederschrift dieser Historika Hypomnemata und der Endredaktion des 11. Buches der Geographika)!*! entdeckt wurde. Strabons Geographie- und Geschichtswerk unterscheidet sich so stark in der zeitlichen Dimension, den Hauptthemata, der hypomnematischen Methode und dem Stil von dem des Poseidonios, daB Strabon eindeutig und mit Absicht ein völlig anderes Konzept der Universalhistorie im Anschluß an Polybios und ihres Zusammenhanges mit der Geographie verfolgt als Poseidonios. Von den augusteischen Autoren nennt Vitruv auch Poseidonios unter griechischen Autoren, die „locorum proprietates, regionum qualitates, aquarum virtutes ab inclinatio-

ne caeli ita esse distributas scriptis dedicaverunt", Er zählt hier Theophrast, Timaios,

Poseidonios, Hegesias, Herodot, Aristeides und Metrodoros auf!*?. Unter diesen Autoren

befinden sich zwar der pater historiae Herodot und der große Historiker des Westens Timaios, aber gleichzeitig auch andere Autoren wie Theophrast und Metrodoros. Man

kann also keineswegs aus dieser Stelle folgern, daß Vitruv Poseidonios vor allem als Historiker einschätzt. Vitruv sucht nach geographischen und klimatologischen InformatioZen, und seine Autoren nehmen alle einen Einfluß der Klimazonen auf die Eigenart der Regionen und Menschen an. Poseidonios gilt ihm ebenfalls αἷς ein philosophisch-geo-

sraphischer Autor. 136 L21C. 14z T 17aJacoby = 47 EK = 29a Th; 2.2.1 C. 94 = C. 102 =T 46 und F 49 EK = F 13 Th.

T49 EK und F 49 2 F 13 Th; 2,3,5 (Ende)

137 Dh, der Champion’, vgl. EDELSTEN und Kipo Komm. zu T 1a/b S. 3f und 2,3,5 C. 102 = F 28 Jacoby

= 49 ἘΚ = 13 Th. 138 162,10 C. 753 = T 3 Jacoby = 48 EK = 2c Th.

139 8,11 C. 332 2 T 14 Jacoby = 77 EK 231 Th; zu Poscidonios als Geograph siche auch 2,2, 1(f C. 94-104 = F28 Jacoby = 49 EK = 13 Th. 40 119,3 C. 515 = Strabon FGrHist 91 F 1 = F 71 Jacoby = 282 EK = 48 Th; zusammenfassend auch Maurz 1983, 42-46, bes. 42 Anm. 70.

141 Dies hält Maurrz 1983, 45 für wahrscheinlicher. 132 Vitr. 8,3,26-27=T 13 Jacoby = SO ΕΚ = 35 Th.

194

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Im 1. Jh. v. Chr. und in der augusteischen Zeit finden wir also lediglich bei Cicero,

Strabon, Vitruv und dem medizinischen Autor Athenaios aus Attalia!* sichere Zeugnisse über Leben und Werke des Poseidonios. Keiner von diesen nennt ihn ausdrücklich einen historischen Autor. Diodor, Timagenes, Pompeius Trogus und Nikolaos erwühnen den Namen des Poseidonios in den erhaltenen Büchern ihrer Universalhistorien oder ihnen sicher zugewiesenen Fragmenten nicht, obwohl zumindest Diodor und Timagenes ihn (in allerdings umstrittenem Umfang) benutzt haben. Im 1. Jh. n. Chr. haben wir Zeugnisse über die Kenntnis der naturkundlichen und

philosophischen Schriften des Apameers bei Seneca und Plinius. Seneca!** bezieht sich in den Naturales quaestiones auf eine poseidonische Theorie des Hagels. In diesem fachgeographischen Kontext macht er eine witzige Bemerkung, indem er auf die exkulpatorische Praxis vieler historici verweist, sich für unglaubliche Geschichten auf die Autoritát ihrer Quellen zu berufen. Dann nennt er für eine naturkundliche These Poseidonios als

Autoritüt. Auch hier wird dieser also nicht als Historiker vorgestellt. Seneca ist eine unserer wichtigsten Quellen des 1. Jh. n. Chr. für die Rekonstruktion der philosophischen Lehren des Poseidonios. Er faBt nach der Masse und der Eigenart der durch ihn vermittelten Poseidoniosfragmente den Apameer eindeutig als einen der wichtigsten stoischen Phi-

losophen auf'*, Auch Plinius erwähnt ihn mehrfach als Philosophen im Text der Naturalis historia und im Index seiner auctores externi, Auch hier findet man Poseidonios nun nicht als Historiographen, sondern als Stoiker und Verfasser eines Periplus oder einer Perihegesis. Damit kann nur Über den Ozean gemeint sein. Wenn das Werk auch unter dem Nebentitel Perihegesis oder Periplus zitiert wird, spricht dies vielleicht für die Me-

thode und die Gattungszugehörigkeit des Buches!#, Aus dem 2. Jh. n. Chr. kennen wir

Zeugnisse des Kleomedes über Poseidonios als astronomischem und astrologischen Au-

tor#7 und viele Testimonien und Fragmente bei Galen, der Poseidonios als den wissenschaftlichsten aller Stoiker und bedeutenden Vorgänger rühmt!*, Plutarch schöpft zwar in seinen Biographien historischen Stoff über Fabius Maximus, Marcellus, Marius, Pompeius, Cicero und Brutus aus Poseidonios, den er aber ausdrücklich mehrfach als Philoso-

phen, nicht als Historiker bezeichnet!^?, Selbst in der Biographie des Marius ist nicht in

jedem Einzelfall zu bestimmen, ob Plutarch Poseidonios — wahrscbeinlich — direkt oder erst über eine Zwischenquelle vermittelt benutzt hat. Erst in der pseudo-lukianischen Schrift Über langlebige Personen wird Poseidonios „zugleich ein Philosoph und ein Ver-

fasser eines Geschichtswerkes“ genannt!°®. Betrachtet man nur die mit Namensnennung und sicherer Buchzahl zitierten Fragmente, so wird am Ende des 2. und Anfang des 3. Jh. n. Chr. Athenaios' Gelehrtengastmahl zur wichtigen Quelle für die Rekonstruktion der Buchaufteilung der Historien und Überlieferung der namentlich bezeugten historischen und geographischen Fragmente. Man 143 Nach Gal. De causis contentivis 2,1 5 T 51 EK = 26a Th hat sich Athenaios mit seinem Lehrer Posei-

donios über medizinisch-philosophische Fragen unterhalten. 144 Sen, nat. 4,32

Z T 52 EK, vgl. Ε 136 EK = 318 Th.

145 Vgl. besonders Sen. epist. 33,34 = T 54 EK = 38a Th; ebd. 90,20 = T 53 EK = F 448 Th und ebd. 108,36-38 z T 55 EK = 38b Th.

146 Vgl. Plin. nat. 7,112 — T 8b Jacoby = 36 EK = 16 Th über Poseidonios als sapiens"; Plin. nat. 1, Index Buch 5 « T 19c Jacoby = 56 EK = 34 Th als Verfasser eines Περίπλους oder einer Περιήγησις. 147 Kleomedes, De motu circulari 2,7,126 2 T 57 EK = 275 Th. 148 Vgl. aus Gal. De sequela T 58 EK = F 423 Th und aus De placitis Hippocratis et Platonis T 50-64 =F 408-411, 420, 422a Th. 149 Plut. Mar. 45,7 2 T 7 Jacoby = T 28 und F 255 EK - T 6 Th; Plut. Cic. 4,5 2 T29 EK = 10 Th; Plut.

Pomp. 42,10 = T 8b Jacoby = 39 EK = 17 Th; Plut. Brut. t = F 40 Jacoby = 256 EK = 129 Th; Plut.

Marc. 20,1-11 = F 43 Jacoby = 257 EK = 93 Th.

150 Ps.-Lukian, Makrobioi 20 z T 4 Jacoby = 4 EK = 3 Th.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

195

mag einwenden, daß das besondere Interesse des Athenaios als Exzerptor an Sittenbildern und Beispielen von τρυφή unseren Eindruck von den Historien verzerren könnte. Weil

Athenaios aber die heute verlorene hellenistische Historiographie noch in voller Breite zur Verfügung stand, läßt die Masse seiner Zitate aus den Historien des Poseidonios vielleicht doch den Schluß auf einen für spätere Leser signifikanten Akzent dieser Universal-

historie zul?!, Überdurchschnittlich häufige und drastische Bilder der Dekadenz passen gut zur philosophischen Absicht, die der Apameer mit seinem Geschichtswerk verfolgte.

Athenaios nennt nun Poseidonios mehrfach einen stoischen Philosophen!5?, und noch prägnanter, einen Philosophen, der in seinem Geschichtswerk über etwas berichte!??, An der für den Charakter der Historien bedeutendsten Stelle stellt Athenaios ausdrücklich Poseidonios als einen Stoiker dar, der in den von ihm verfaßten Historien ein philosophisch

begründetes Interesse an Sitten und Brauchen verfolgt habe!?*. Athenaios nennt hier auch

als erster Autor nach Strabon und ca. 250 Jahre nach ihrer Entstehung den Titel der Universalgeschichte des Poseidonios: Historien. Es verwundert nur wenig, daB in der doxographisch-biographischen Tradition über Poseidonios, die wir bei Diogenes Laertios fassen kónnen, seine historiographischen Schriften im Vergleich zu den philosophischen Hauptwerken wenig interessieren. Aber bemerkenswert bleibt doch, daB Diogenes sie gar nicht erwähnt. Auffällig ist hierbei der Unterschied zu Demetrios von Phaleron oder anderen Peripatetikern, deren biographischhistoriographische Werke durchaus von Diogenes Laertios ebenfalls genannt werden. Porphyrios und Eusebios (beziehungsweise Hieronymus) reihen Poseidonios unter die großen Philosophen ein. Auch Macrobius und Augustinus gilt er als Philosoph und auBerdem in einer für die Mentalität der Spätantike interessanten Kombination als großer Astrologe. Diese Einschätzung blieb bis ans Ende der Antike zu den Werken des Boethi-

us, Priscianus und Simplicius vorherrschend!^*.,

S. Die Historien und das Ozeanbuch des Poseidonios als Quellen Strabons

Das Buch des Poseidonios Über den Ozean wird mehrfach von Strabon erwühnt und als Quelle benutzt!5®. Am Anfang des 2. Buches seiner Prolegomena in die Geographika zitiert Strabon teilweise wörtlich ein besonders langes Fragment aus der fachgeo-

graphischen Hauptschrift des Poseidonios!?". Ein solches originalgetreues Zitieren entspricht dem wissenschaftlichen, hypomnematisch-kompilatorischen Vorgehen Strabons.

151 Vgl.zur Technik des Exzerpierens durch Athenaios und zu seinen Intentionen MALITz 1983, 46-51 und

ausführlich Zecchmt 1989, 104ff über Exzerpte bei Athenaios aus dem Werk des Poseidonios.

152 Athen. Athen. 153 Athen, 154 Athen,

12,.549d-e Ξ T 6.272 = F 35 = F 61 9,401a 4,151e =F 15

10a Jacoby = ΤΊ EK ΞΕ Jacoby =T 65c EK und Jacoby 2 T 24 und F 52 Jacoby = T 80 und F 67

126 Th; Athen. 14,657e=T 10b Jacoby Ξ 8 EK 2 27 Th; F 262 EK ΞΕ 193 Th. EK = F 90 Th. ΕΚ = F 170 Th.

155 Vgl. Diog. Laert. T 66 EK = 24 Th; Porphyrios und Eusebios bzw. Hieronymus T 67 EK = 36 Th; Macrobius T 68 EK = 298a Th; Augustinus T 69 und F 111 EK = F 384 Th (magnus astrologus

T idemque philosophus); Boethius T 70 und F 112 EK = 383 Th (mathematicusy, Priscianus Lydus 26,71 und F 219 EK = F 313 Th (sroicus) und T 72 EK = 37 Th -- dies ist unser spátestes antikes Zeugnis über Leben und Einfluß des Poseidonios aus dem 6. Jh., das ihn als nützlichen Quellenautor der Solutiones ad Chosroen des Priscian zusammen mit einer Geographia Strabonis erwähnt.

156 Strabon diskutiert das Ozeanbuch in 1,1,9 C. 6 = F 82a Jacoby 2 T 79a und = T 79b EK und F215 C. 55 = F 82b Jacoby

F214 EK =F 2 Th; 1,3,12

2 F 10 Th; 8,1,1 C. 332 2 T 14 Jacoby 2 77 EK = 31 Tb;

10,3,5 C. 465 Ξ- T 16 Jacoby (von ihm auf die Charakteristik auch der Universalhistorien bezogen) = 78

EK = 32 Th.

157 2,1,1-2,3,8 C. 94-104 = F 28 Jacoby = 49 EK = 13 Th mit umfassenden Kommentaren.

196

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Zudem sind Zitate aus Fachwerken in der Antike meist korrekter überliefert worden als z.B. philosophische Lehrmeinungen, die stärker einer dauernden Umformung und interpretierenden Instrumentalisierung durch die doxographische Tradition unterworfen waren, oder Aussprüche, Strategeme und Anekdoten, die leicht von einer Berühmtheit und einem Kontext auf eine andere Person in anderem Zusammenhang übertragen werden konnten. Strabon referiert zunächst über die allgemeine Eigenart des Ozeanbuches. Es habe eine breite thematische Spannweite gehabt. Nur bestimmte kulturgeographisch orientierte Teile werden gelobt, andere Passagen und der generelle Charakter des Werkes aber als zu stark mathematisch-fachgeographisch kritisiert. Danach diskutiert Strabon die Lehre von den fünf Zonen, gibt erläuternd eine Doxographie der Zonenlehre seit Parmenides und kritisiert Poseidonios wegen dessen Zonentheorie. Zu Recht hat Poseidonios die These von der Unbewohnbarkeit der sogenannten ,verbrannten' Zone der Erde verworfen, weil die Empirie von Reisenden die alte Lehrmeinung in seiner Lebenszeit widerlegte. Poseldonios hat deshalb selbst zwei neue Zonen als Unterabteilungen der bisherigen Zonen an

den Wendekreisen unterschieden und die Zonenlehre damit weiterentwickelt. Strabon aber kehrt als Traditionalist wieder zur klassischen Position vor Poseidonios zurück.

|

Strabon merkt kritisch zum Ozeanbuch und wohl auch zu den Historien an, daB Poserdonios eine problematische Neigung zur aufwendigen Untersuchung der Ursachen geographischer Phänomene (τὸ αἰτιολογικόν) und zur Nachahmung der aristotelischen Methode zeige (τὸ ἀριστοτελίζον)"}58, Diese Kritik Strabons wird aus einem Vergleich mit der stoischen Definition der Philosophie bei Seneca verständlicher: Weisheit nennen nach Seneca einige Philosophen das Wissen von den göttlichen und menschlichen Dingen und ihren Ursachen!®. Dieser Zusatz ‚und ihren Ursachen‘ geht möglicherweise auf Poseidonios zurück, der auch in seinem Geschichtswerk die psychologische Ursachenana-

lyse der historischen Abläufe stark betont hatte. Diese lehne die Stoa (‚unsere Philosophenschule‘ nach Strabon) jedoch wegen ihrer erkenntnistheoretischen Doktrin der ‚Verborgenheit der Ursachen‘ ab. In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik Strabons, Poseidonios liebe Beweisverfahren und sei einer der besten Philosophen seiner Zeit, gebe aber trotz-

dem die ,Lügenmürchen' des Eudoxos und des Pytheas wieder. In diesem Zusammenhang

referiert Strabon über aus seiner Sicht unglaubhafte, angebliche frühe Umsegelungen Afrikas zur Zeit des Perserkónigs Dareios I. und den ausführlichen Bericht des Poscidonios

über die Forschungsfahrten des Eudoxos aus Kyzikos vom Ende des 2. Jh. v. Chr. ”Strabon deutet an, daB die ἀπόδειξις, das wissenschaftliche Beweisverfahren und die Demonstration komplizierter Probleme mittels klarer Exempel, ein Charakteristikum des

Poseidonios war!$!, Wegen der außergewöhnlichen thematischen Breite des Ozeanbuches, das ein umfassendes geographisches Handbuch darstellte, ergibt sich bei vielen spáteren Strabonpassagen die Frage, ob sie aus diesem Werk oder aus den Universalhistorien des Apameers stammen. Strabon kündigt in seiner Würdigung des Ozeanbuches im zweiten Buch námlich an, noch an verschiedenen Einzelstellen seiner Bücher 3-17 auf Aussagen des Poser-

donios im Ozeanbuch zurückkommen zu wollen. Strabon stellt das Ozeanbuch des Poseidonios ausführlicher vor als jede andere geographisch-historische Quelle (selbst die Geographika des ,kanonischen' Eratosthenes),

während er den Titel der Historien nicht einmal direkt erwähnt. Man hat versucht, dies damit zu erklären, daß sich eine ähnlich ausführliche Rezension der Historien entspre158 Vgl. ebd. 2,3,8 C. 104 = F 28 Jacoby = 49 EK = 13 Th.

=)

159 Vgl. Sen. epist. 89,5.

1602,3,4-5C. 98-100 (vgl. Hdt. 4,42-44).

161 2,3,5 C. 100 ΞῈ 25 Jacoby = 49 EK = 13 Th.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

197

chend dem analogen Aufbau der Geographika und der Historika Hypomnemata Strabons schon in den früheren, verlorenen Hypomnemata gefunden haben kónnte. Aber darüber haben wir kein Zeugnis. OnLic hat deshalb die extreme These vertreten, daß Strabon die Historien des Poseidonios gar nicht gekannt, sondern ausschließlich seine geographische

Fachschrift, nämlich das Ozeanbuch,

benutzt habe!9?, Der Inhalt einiger Passagen der

strabonischen Geographika über Iberien, über die Kelten in Gallien und über Syrien, die man auf Poseidonios zurückführen kann, läßt indessen kaum Zweifel daran zu, daß Strabon jedenfalls in den Geographika und wahrscheinlich schon in den Historika Hypomnemata

die Historien des Poseidonios als Quelle neben dem Ozeanbuch benutzt hat!9, Auf Posei-

donios als Vorlage (z.B. in den Büchern Buch 3, 4 und 7) weisen ethnographisch-geogra-

phisches Material oder historische Exkurse bei Strabon, die in einer für den Apameer

typischen thematischen Reihenfolge präsentiert werden: zuerst die Gestalt des Landes, dann sein Charakter, die Lebens- und Kriegsgewohnheiten der Bevölkerung, die Künste, Wissenschaften und zuletzt die Religion. Dies gilt umso mehr, wenn man erkennen kann,

daß an solchen Stellen der Geographika ältere Quellen durch Autopsie bestätigt oder (häufiger) kritisiert werden, Strabon selbst aber solche Orte nicht besucht hat!6*.

Nur wenn man voraussetzt, daß Poseidonios im Ozeanbuch und den Historien die Positionen aller seiner wichtigen Vorgänger bis ca. 60 v. Chr. verwertet und mehr oder weniger ausführlich einbezogen hat, ergibt sich auch die Frage, ob Strabon für sein eige-

nes Geschichts- und Geographiewerk alle älteren Geographen und Historiker vor Poseidonios wirklich nochmals selbst eingesehen hat oder ob er im Gegenteil aus Bequemlichkeit und um sich auf die zeitgeschichtlichen Passagen seines Werkes zu konzentrieren, alle älteren Geographen und Historiker vor Poseidonios nur indirekt über diesen vermittelt übernommen hat, wie es in der älteren Forschung u.a. durch MuNz vermutet worden

ist!65, Strabon hat jedoch meines Erachtens zumindest Herodot, Ephoros und alle diejeni-

gen Geographen und Historiker direkt eingesehen, die er im Prooimion der Geographika und in der Einleitung zu Buch 8 als bedeutendste Vorgänger hervorhebt und mit denen er sich eingehend kritisch auseinanderzusetzen ankündigt. Eine nur indirekte Übernahme des gesamten Materials aus diesen Autoren verbietet sich für Strabon wegen seiner selbst gewählten wissenschaftlichen Methode und der Gattungstraditionen der HypomnemataWerke. Diese Einschätzung wird nicht dadurch widerlegt, daß Poseidonios an einigen

Stellen tatsächlich als Zwischenquelle zu älteren Autoren, z.B. Ephoros, wahrscheinlich gemacht werden konnte.

162 Oui 1908, 6 und 33. 163 Vgl. dazu SCHULTEN 1911, 593-607. Zu folgenden Themen stützt sich Strabon meines Erachtens sicherlich auf das universalhistorische Werk des Poseidonios: über die Feldzüge des Pompeius (vgl. 11.1.6 C. 491-492 = T 11 Jacoby = F 79 EK = F 47a Th); zur parthischen Geschichte (vgl. I 19,3 C.

515 = FGrHist 91 F 1 der Historika Hypomnemata = F 71 Jacoby = 282 EK = 48 Th); ferner in einigen

historisch akzentuierten Passagen über Afrika und Ägypten (17,2,5 C. 824); vgl. SrRENGER 1913, 38-

43 sowie zur syrisch-jüdischen Geschichte über Tyros und Sidon (16,2,22 C. 756; 16,2,35(f C. 760162 = F 70 Jacoby = z. T. F 133 Th).

164 Vgl. 3,2,9 C. 147 = F 47 Jacoby = 239 EK = 19 Th; 3,5,10 C. 175= F 53 Jacoby = 246 EK = 26 Th;

4,1,13C. 187-18 = F 33 Jacoby8= 273 EK = 190 Th: 4.1,14 C. 188-189 = F 34 Jacoby = 248 EK = 28b

Th; 44,6 C. 198-199 = F 55 Iacoby = 274 EK = 34 Th; 7,3,4 C. 29? 2 F 277a EK = 135 Th; 7,43 C. 308-309 = F 207 Th. 165 Vgl. Muxz 1918 und 1929.

198

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon 6. Strabons Kritik an Poseidonios

Es hätte sich für Strabon aufgrund seiner Schaffenszeit und im Sinne der historia perpetua-Tradition der griechischen Hellenika- und Universalhistorienwerke durchaus angeboten, seinerseits an Poseidonios als Fortsetzer des Polybios anzuknüpfen. In diesem Falle hátte Strabon z.B. mit der Diktatur Sullas oder den Regelungen des Pompeius im Osten

beginnen und sein eigenes Werk bis in die frühe Prinzipatsordnung reichen lassen kónnen. Er entscheidet sich jedoch für einen bewußten Rückgriff auf Polybios’ Enddatum 146/5 v. Chr. Damit tritt er in direkte Konkurrenz zum Geschichtswerk des Poseidonios. Diese Absicht ist umso bemerkenswerter, als sich auch Strabon wie Poseidonios der Stoa verpflichtet fühlt, Universalhistorie und Geographie im Prooimion der Geographika selbst

in einer dem Apameer geistesverwandten Weise als Teilgebiete der ,Philosophia' einschätzt und Poseidonios häufig zustimmend als Quelle der Geographika benutzt. Auch der Wunsch, die führenden Rómer, die politisch-militürische Elite, als Leser zu gewinnen

und auf ihr Denken und Handeln Einfluß zu nehmen, verbindet Poseidonios und Strabon, wie ein Vergleich eines bei Plutarch überlieferten Poseidoniosfragmentes mit dem Prool-

mion der Geographika andeuter!®%,

Da Strabon nun aber eine eigene universalhistorische und kulturgeographische Fortsetzung des Polybios verfaßt, liegt der Schluß nahe, daß Strabon die Historien des Poseidonios in wichtigen Aspekten kritisieren und selber methodisch wie thematisch andere Akzente setzen will. Strabon stören nämlich die ,wissenschaftlich-psychologische" Begründung politisch-historischer Vorgänge in den Historien des Poseidonios als einer Fortsetzung der ,pragmatischen Geschichte* des Polybios, die Wendung des Poseidonios zur mathematisch-physikalischen Geographie und die ausführliche Ursachenanalyse unter-

schiedlicher Naturphänomene im Ozeanbuch, sowie das auf psychologische Analyse ge-

stützte, philosophisch-pädagogische Werten und Moralisieren des Poseidonios. Nach Meinung Strabons hat sich Poseidonios vielleicht in seinem Stil und in einigen Leitgedanken seiner Universalhistorien zu weit und in eine falsche Richtung von der πραγμάτιxT| ἱστορία des Polybios entfernt. Mit der stilistisch-rhetorischen Meisterschaft des Poseidonios konnte (und wollte)

Strabon nach dem schlichten Stil der Geographika und den wenigen Fragmente seiner

Historika Hypomnemata zu urteilen nicht konkurrieren. Der rhetorisch glanzvolle stil der Historien des Poseidonios wird aus einer bekannten Passage über die Bergwerke 1n Tur-

detanien klar. Diese nimmt Strabon im Buch 3 der Geographika zum Anlaß, die angeblich übliche rhetorische Stilisierung und das enthusiastische Schwelgen in Ubertreibungen und Superlativen zu kritisieren (οὐκ ἀπέχεται τῆς συνήθους ῥητορείας ἀλλα συνενθουσιᾷ

ταῖς ὑπερβολαῖς)!57, Die Exponenten der deutschen Poseidoniosforschung des frühen 20.

Jh. nannten dies den ‚Höhenstil‘ des Poseidonios. Zum Verständnis dieser Kritik Strabons sollte man auch an bei Diodor überlieferte ältere Passagen aus Poseidonios und an die spielerischen Glanzpassagen anderer hellenistischer Prosaschriftsteller denken, z.B . einige Beschreibungen des Agatharchides, Duris oder Phylarchos. Diese Texte sind für ihre ἐνάργεια, ihre bildhafte Anschaulichkeit und den Leser fesselnde Genauigkeit bekannt. Strabon zitiert den Bericht des Poseidonios über die turdetanischen Minen dankenswerterweise so genau, daß man sich selbst eine Vorstellung vom Original machen kann. Poseidonios habe den Erzabbau so realistisch und genau beschrieben, als sei er selbst ein Minenarbeiter. 166 Vgl. Plut. maxime cum principibus viris philosopho esse disserendum Mor. 777a = F 30 Jacoby = 254

EK = 125a Th und 1,1,22-23 C. 13-14.

167 3,29 C. 147 = F 47 Jacoby = 239 EK = 19 Th.

5. Strabon und die historisch-geographischen Hauptwerke des Poseidonios

199

Diese Kritik Strabons an Poseidonios spiegelt auch Veránderungen im ästhetischen Urteil und vorherrschenden Stilideal zwischen der Blütezeit des Poseidonios und der augusteisch-tiberischen Zeit Strabons wider, in der eine stárker werdende attizistische und klassizistische Strömung die Kabinettstücke der späthellenistischen Kunstprosa immer weniger schätzte. AnläBlich der helvetischen und keltischen Goldbergwerke, die Poseidonios ähnlich interessiert und engagiert wie die turdetanischen beschrieben hatte, um den Einfluß des Gold- und Silberreichtums auf verschiedene Völker philosophisch-psychologisch zu vergleichen, kommentiert Athenaios eine geistreich-scherzhafte Ausdrucksweise

des Poseidonios in dieser Beschreibung!®. Auch scherzhafte Wendungen und witzige

Ironie fand man also in den Historien. Dafür gibt uns Strabon ein zweites gutes Beispiel. Polybios habe aus Gefälligkeit gegenüber Gracchus angeblich berichtet, dieser habe in seinen spanischen Feldzügen dreihundert ‚Poleis‘ zerstört. Zu dieser Zahl merkte der Apameer an, dabei müsse Polybios wohl selbst isolierte Wehrtürme als ,Poleis' mitge-

rechnet haben, wie man sie als Modelle in Triumphzügen mitzuführen pflege'®.

Wenngleich sich die stilistisch-rhetorische Kritik Strabons zunächst nur auf die Historien und das Ozeanbuch bezieht, bestätigen Vergleiche mit Stilurteilen Ciceros, Senecas und Galens über die philosophischen Hauptschriften des Poseidonios, seine Redeweise und den akademischen Vortrag, daß der Philosoph sich auch in seinen übrigen Werken mehr um rhetorischen Glanz als um pragmatisch-nüchterne Darlegungen bemühte. Cicero rühmt nach dem persönlichen Zeugnis des Pompeius und aus eigener Erfahrung, daß Poseidonios mit Ernsthaftigkeit und Würde (graviter) und zugleich rhetorischem Glanz (copiose) vorgetragen habe!?®, Poseidonios schreckte nach der Kritik Ciceros auch nicht davor zurück, abstoßende (foeda) oder sogar verbrecherische und lasterhafte (/lagitiosa) Exempel in seinen Werken zu sammeln, die man aus Gründen der moderatio und modestia besser übergangen hätte, weil sie zu häßlich, grausam oder obszön seien, um in einem Werk eines so angesehenen Verfassers erwähnt zu werden. Beispiele solcher Stellen aus dem Ozeanbuch oder den Historien, die auch Strabon zur Kritik reizen konnten, lassen

sich leicht anführen, z.B. die Berichte über das Kopfjägertum bei den Galliern, die exzessive τρυφή der späten ptolemäischen und seleukidischen Herrscher oder drastische sexuelle Inhalte oder detaillierte Schilderungen extremer Grausamkeit und Barbarei!1. Seneca wirft Poseidonios in seinem bekannten Brief über die Kulturgeschichte und Kulturentstehungslehre vor, daß ihn in seinen Schriften die angenehm süße Gefälligkeit seiner Rhetorik von der Wahrheit weggeführe und er außerdem selbst einfache Tätigkeitenund Personen niederen Standes, z.B. Bauern und Schuster, detailliert beschrieben habe,

weil auch solche ‚niederen‘ Tätigkeiten durch die Philosophen begründet worden seien".

Poseidonios übertrug also seine philosophischen Spekulationen, psychologischen Analysen und seine glanzvolle rhetorische Technik auf Themen, die nach der Kritik Senecas (und schon zuvor Strabons) für einen philosophischen Universalhistoriker unpassend wa168 Athen. 6,233d-234c = F 48 Jacoby = 240a EK = 402 Th.

169 34,13 C. 162-163 = F 51 Jacoby = T 105 und F 271 EK=F 91 Th; vgl. STRASBURGER 1961, 13-45, insb. 38ff (auch in ders. 1982, 801-833, insb. 826-832 mit weiteren Stellen).

170 Cic, Tusc. 2,61 =T 8b Jacoby = 38 ΕΚ = 13c und 18 Th.

171 Cic. off. 1,159 = T 107 und F 177 EK = F 433 Th („ea Posidonius collegit permulta, sed ita taetra

aus dem quaedam, ita obscena, ut dictu quoque videantur turpia"). Zur Illustration bieten sich Stellen 32.-37. Buch Diodors an, die wohl auf Poseidonios zurückgehen: Diod. 33,14 und 33,15 =

109 und

110 Th mit der barbarischen Grausamkeit des Thrakerkönigs Diegylis; Passagen über die Sklavenkrie-

ge Diod. 34/35,2,1-18 = F 108a Jacoby = 136b Th; über Ptolemaios Physkon Diod. 34/35,14 = F 150

Th; über den Tod der Kinder der Pinneten Diod. 37,19/20 = F 230 Th: über den Wahnsinn des Iugurtha

kurz vor seinem Tode bei Plut. Mar. 12,3-5; zur Nähe dieser Schilderungen des Poseidonios zur ,tragi-

schen‘ Historiographie des Hellenismus siehe Zesers 1959. 172 Sen. epist. 90, 20-23 = T 106 und F 284 EK=F 448 Th.

200

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

ren. ‚Kleine Leute‘ und ‚niedere Tätigkeiten‘ waren nämlich nur im Ausnahmefall für die strabonische ,Kolossurgia' geeignete Themen. Vielleicht deutet auch schon der nüchterne, für eine Universalgeschichte singuläre strabonische Titel Historika Hypomnemata auf eine methodische Kritik an Poseidonios hin. Nüchterne Sachlichkeit in der Darstellung als Reaktion gegen eine zumindest subjektiv empfundene Übersteigerung der Rhetorik im späten Hellenismus käme auch einer Tendenz der augusteischen Zeit entgegen. Die Autoren literarischer Hypomnemata drücken schon mit der Wahl ihrer Gattung im Titel der Werke aus, daß sich ihre Leser auf den sachlichen Inhalt und den Argumentationsgang der Werke konzentrieren sollen, ohne durch die für historische Kunstprosa übliche rhetorische

Stilisierung verführt zu werden!?3. Auch in der Periodisierung einer universalhistorischen Fortsetzung des Polybios nach

dem Epocheniahr 146/5 v. Chr. hált Strabon aus seiner augusteischen Perspektive rückschauend die Mitte der 80er Jahre, die Poseidonios als zeitlichen Endpunkt gewählt hatte,

für unbefriedigend. Die hellenistische Staatengeschichte fand aus der Perspektive eines

augusteisch-tiberischen Autors erst mit der Errichtung der neuen Prinzipatsordnung durch Caesars Erben Octavian/Augustus ihren Schlußpunkt. Die unter Pompeius und Caesar in der Jugendzeit Strabons wieder verstärkte Alexanderimitatio, vielleicht aber auch ein aus dem Erleben der Liquidierung des letzten Diadochenreiches der Piolemäer nach Actium geschärftes Bewußtsein vom Ende der Epoche seit Alexander lassen Strabon den Gedanken fassen, auch am Anfangspunkt der Zeitachse seiner Universalhistorien deutlich über den Einsatzpunkt des polybianischen Werkes bis in die Epoche Alexanders und damit zugleich an das Ende der ersten Universalhistorie des Ephoros zurückzugreifen. Ob Strabon hierbei noch gründlicher zurückgriff als Poseidonios in seinen Exkursen, läßt sich für die Historika Hypomnemata nur vermuten, scheint mir aber aus zahlreichen Notizen über die Alexanderzeit in den Geograpliika immerhin naheliegend. n Sofern man aus den Hinweisen bei Diodor auf die Werkókonomie des Poseidonios

schlieBen darf, erfolgte nach Poseidonios der entscheidende Umbruch in der moralischen Verfassung Roms, die Zäsur hin zum inneren Verfall der rómischen Hegemonie, erst etwa

im Jahrzehnt nach den Kimbrer- und Teutonenkriegen!’*. Denn bis zu diesem Krieg reicht

bei Poseidonios der äußere Machtaufsteig Roms, danach aber begann der schnelle morali-

sche Verfall. Diesen sehen Poseidonios (und andere Historiker seiner Zeit) im Unterschied zur Mehrheit der heutigen Forscher für die eigentliche Ursache des verheerenden Bun-

desgenossenkrieges und des folgenden Bürgerkrieges zwischen Marianern und Sullanern

an. Mit dieser unter dem Thema der inneren Krise der Weltherrschaft Roms fundamentalen Zäsur distanziert sich Poseidonios ein Stück weit von der am weitesten verbreiteten griechisch-rómischen Zäsur des ‚Wendejahres‘ 146 v. Chr., von dem ab der Wegfall des me-

tus hostilis angeblich zur inneren Krise Rorns führte. Es ist in unserem Zusammenhang

nicht notwendig, alle in der griechisch-rómischen Historiographie vorgebrachten Epo-

chenjahre für eine solche Zäsur von 201/197 oder 188/87 v. Chr. bis 60 v. Chr. mit ihren Exponenten durchzugehen und dabei erneut nachzuzeichnen, daf die griechisch-hellenistische Dekadenztheorie erst nachträglich mit der lateinischen Tradition des metus hosti-

lis-Motives verknüpft wurde!?5, Wichtig ist aber festzuhalten, daß Poseidonios die polybianischen Zäsuren 168 und 146 v. Chr. teilweise abschwächt und für die 90er Jahre des

1. Jh. pládiert!$. Während die meisten lateinischen Historiker unter dem Einfluß Sal173 Vgl. über Strabons Position in diesen Untersuchungen Kapitel L3. und ES.

174 Diod. 37,2,1 = F 211a Th und ebd. 37,3,1-5 = F 211b Th. Die Zuweisung des Prooimions des 37. Buches Diodors zu Poseidonios als Quelle ist umstritten. 175 Vgl. dazu BRiNGMANN 1977, 28-49, zum metus hostilis-Motiv siehe BELLEN 1985.

176 HackL 1980, 151-166 meint jedoch, Poseidonios habe die Zerstörung Karthagos und Korinths 146 v. Chr. als entscheidendes Epochendatum betrachtet (vgl. Diod. 34/35, 33 = F 112 Jacoby = 178 Th).

5. Strabon und die historisch-geographischen Haupiwerke des Poseidonios

201

lusts!7? Poseidonios nicht folgen und wieder das Jahr 146 v. Chr. oder noch frühere Daten in den Vordergrund rücken, herrscht unter den augusteischen griechischen Univer-

salhistorikern zwar keine Einigkeit über die Periodisierung und die entscheidenden Zäsuren der Epoche von 146 bis 31 v. Chr. Niemand von ihnen schließt sich jedoch eindeutig den Zäsuren des Poseidonios an. Nikolaos von Damaskos betont erneut die verderblichen Folgen des Reichtums aus dem Osten und unterstreicht als Beginn des moralischen Ver-

falls in Rom das Jahr 63 v. Chr. mit der Rückkehr des Lucullus aus dem Osten!'8, Strabon

setzt sich von den Zäsuren des Poseidonios bewuBt ab, indem er vom Beginn seiner Haupterzählung mit dem Werkende des Polybios bis in die Zeit Caesars und seines ,Erben' Augustus eine durchgehend negative Entwicklung beschreibt, die erst durch die neue Ordnung des Prinzipates gestoppt und dauerhaft umgekehrt worden sei. Unabhángig von der Diskussion um diese Zäsuren bleibt jedoch Poseidonios durch seine bis in die Tiefe vordringenden Analysen der bedeutendste späthellenistische Kulturtheoretiker und -kriti-

ker.

177 Siehe dazu HELDMANN 1993; Sall. Cat. 10,1 über das Jahr 146 v. Chr. ist ein locus classicus, vgl. dazu HELDMANN 1993, 75fT, 178 FGrHist 90 F 77a/b (zur Rückkehr des Lucullus). Asinius Pollio, Florus, Lukan und Petronius sowie

Livius betonen erst das Jahr 60 v. Chr. Eine interessante abweichende Position vertritt Seneca (bei

Lact, Div. inst. 7, 14ff), nach der die Zerstörung der aemula Karthago nicht als die Vollendung, sondem eher als die Voraussetzung für die allmähliche Erringung der römischen Weltherrschaft gilt. Uber die Einstellung des Florus, Appians und Cassius Dios sowie einiger fragmentarisch überlieferter Historiker ihrer Zeit zum römischen Weltreich und seiner Legitimttát oder zur spätrepublikanischen Geschichte siehe Hose 1994,

IL Geographie und Universalhistorie von ıhren Anfängen bis Strabon

6. STRABON

UND DIE HISTORISCHE BIBLIOTHEK DIODORS

1. Zur Lebenszeit Diodors und zum Abfassungs- und Berichtszeitraum der Historischen Bibliothek Diodor aus dem sizilischen Agyrion verfaßte eine Historische Bibliothek (Βιβλιοθήκῃ ἱστορικὴή) in vierzig Büchern, ein universalhistorisches Werk, das nach seinem Umfang

mit den nur etwa eine halbe Generation jüngeren 47 Büchern der Historika Hypomnemata Strabons gut vergleichbar ist. Die Lebenszeit Diodors, der Endpunkt der chronologischen

Haupterzählung in der Historischen Bibliothek und der Zeitraum ihrer Abfassung lassen sich nur durch eine Kombination mehrerer, teilweise widersprüchlicher Selbstzeugnisse! ermitteln. Eusebios (beziehungsweise Hieronymus) setzt die ἀκμή Diodors auf das 4. Jahr der 182. Olympiade (d.h. 49/8 v. Chr.) und rechnet ihn zu den Autoren der caesarischen Epoche?, die Suda dagegen erst in die Zeit von Augustus und die Jahre kurz zuvor. Dio-

dor selbst spielt in seiner Historischen Bibliothek auf seinen Ägyptenaufenthalt in der 180. Olympiade (60—56 v. Chr.) an, in dessen Verlauf er wohl schon Material für seine Weltgeschichte gesammelt hat*. An einer weiteren interessanten Stelle rechnet er vor, wie lange Ägypten unter fremden Herrschern regiert worden sei. Die Makedonen und ihre Dynastie, also die Ptolemäer, hätten als letzte das Land für 276 Jahre beherrscht. Sofern

man nun nach Diodors Chronologie 331 v. Chr. als das Jahr der Eroberung Agyptens durch Alexander als Anfangsdatum der ‚Makedonenherrschaft‘ nimmt, muß er mindestens

schon 56 v. Chr. an der Abfassung der Historischen Bibliothek gearbeitet haben. Außerdem hätte er diese Stelle jedenfalls nicht so stehenlassen können, wenn er tatsächlich noch bis ans Ende der 20er Jahre gelebt und damit das Ende der staatlichen Existenz des Ptole-

mäerreiches und die Neuordnung Ägyptens nach 31/30 v. Chr. erlebt hätte?. Die Deduktion der römischen Kolonie in das sizilische Taurornenioné ist das spáteste in der Histort-

schen Bibliothek erwähnte Ereignis. Es wird jedoch in der Forschung entweder schon auf 36 v. Chr. im Zusammenhang des Krieges des Triumvirn Octavian gegen Sextus Pompei-

us’ oder erst auf 21 v. Chr. im Rahmen der Neuordnung Siziliens durch Augustus datiert, bei der auch mehrere neue Kolonien angelegt wurden?. Interpretiert man die Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung und die Anlage der Kolonie als eine Strafmaßnahme gegen Tauromenion, so ist sie nach dem Sieg im Sizilischen Krieg von 36 v. Chr. wahrscheinlicher und schlüssiger zu erklären als erst 21 v. Chr. nach fünfzehnjähriger Verzögerung

und im tiefen Frieden des Prinzipates. Stolz behauptet Diodor, er habe dreißig Jahre auf die Abfassung seiner Universal-

historie verwandt”, Da er seine Reisen in Asien und Europa auch als Vorbereitung seines Alle bedeutenden Stellen sammelt schon Schwartz 1903 (auch in ders. 1957, insb. 35-38).

|

Vgl. Hier. chron, p. 155 Helm; vielleicht erklärt sich diese Angabe aus dem Erscheinungsjahr einer 3

4

5

6 7

ersten Buchgruppe der Historischen Bibliothek? Vgl.SudaA 1151 s.v. Διόδωρος.

Aberdie Dauer des Aufenthaltes innerhalb dieser 180. Olympiade bleibt offen. Diod. 1,44,1 und 1,83,8-

9 sichern den Aufenthalt Diodors zumindest für das Jahr 59 v. Chr.

Diod. 1,44,1—4 und 17,49 zum Fixpunkt der Eroberung Ägyptens 331 v. Chr.

Ebd.16,7,1. Vgl. App. civ. 5, 109ff und zur Bestrafung einiger Städte durch den siegreichen Octavian auch Cass. Dio 49,12,5. Für 36 v. Chr. plädieren mit guten Argumenten VirrNGHorE 1952, 120 und Aum. 8 und MEISTER 1990, 172, Vgl. Cass. Dio 54,7,1. Für21 v. Chr. treten u.a. schon WAcusMum 1895, 81-103 und BODNGER 1895, | 114 Anm. dein. Vgl. dreißig Jahre: Diod. 1,4,1; Diodors Thema sind αἱ κοιναὶ πράξεις, 1,3,2; 1,4,6 und 5,1,4; zur Begründung der Gattung der Universalhistorie durch Ephoros vgl. 4,1,3 und 5,1,4 und oben Kapitel

6. Strabon und die Historische Bibliorhek Diodors

203

Geschichtswerkes verstand!®, darf man unterstellen, daß er seine Ágyptenreise (60-56 v. Chr.), vielleicht auch schon die letzten ein oder zwei Jahre davor zu diesem Zeitraum von

dreißig Jahren zählte. Ferner geht Diodor zwar von der römischen Weltherrschaft als gegebenem politischen Rahmen und zugleich als Voraussetzung seiner Universalhistorie aus, spricht aber gleichzeitig ausdrücklich noch vom hellenistischen Ptolemäerreich und von der noch regierenden Dynastie der Ptolemäer. Damit kann er nur die Periode vor 31/30 v. Chr. meinen. Diodor hätte wahrscheinlich die Taten des Augustus, wenn schon nicht in

der fortlaufenden Ereigniserzählung, so doch in vorausgreifenden Exkursen im direkten Vergleich mit Caesar und Pompeius ausführlicher beschrieben, falls er die neue Prinzipatsordnung noch einige Jahre lang erlebt und damals noch an seiner Historischen Bibliothek weitergearbeitet hätte. Insgesamt erscheint die Annahme also plausibel, daß Diodor vom Ende der 60er nur bis ans Ende der 30er Jahre an seiner Historischen Bibliothek . arbeitete und kurz vor Actium verstorben ist. Wenn man sämtliche Stellen sammelt, an denen Diodor mit Namensnennung von ' Pompeius und Caesar sowie ihren prominenten Zeitgenossen bis 44 v. Chr. spricht und diejenigen, an denen er sich eindeutig über Antonius, Lepidus und Octavian-Augustus äußert, wird deutlich, daß Diodor noch als ein Autor der caesarischen Epoche von den

augusteischen Universalhistorikern Timagenes, Strabon, Pompeius Trogus und Nikolaos von Damaskos abzuheben ist. Denn die beiden Triumvirn M. Antonius und Lepidus erwähnt er direkt gar nicht. Octavian wird noch nicht, wie bei Strabon, Nikolaos oder Dionysios von Halikarnassos üblich, als Σεβαστός (Augustus) bezeichnet. Er kommt aus-

schließlich in einer isolierten Notiz der sizilischen Geschichte des 4. Jh. v. Chr. zum späteren Schicksal von Tauromenion assoziativ vorgreifend vor. Dagegen erinnert Diodor an Caesars Konsulat von 59 v. Chr. und seine Gallischen und Britannischen Kriege mehrfach

und an exponierten Stellen als Zielpunkte seines Geschichtswerkes!'. Diodor weist mit

sehr positiven und persönlichen Worten vorgreifend auf die Neugründung Korinths als Colonia Iulia Corinthus 44 v. Chr. durch C. Iulius Caesar hin. Über die tatsächliche Ausführung des Wiederaufbaus in augusteischer Zeit berichtet Diodor jedoch nicht mehr!?. Mehrfach erinnert er daran, daß Caesar zum Lohn für seine großen Taten nach seiner Ermordung zu Recht vergöttlicht worden sei. Diodor berichtet mit einem biographischen

10

11.3; zur Einordnung Diodors in die Gattungsgeschichte siehe Burne 1974, 43-59, Meıster 1990, 171181 und GatLvacNo und MoLt VENTURA (Hgg.) 1991. Vel. die prahlerische Bemerkung über seine Reisen schon im Prooimion Diod. 1,4,1. Diodor hat den

Umfang und den Forschungscharakter seiner Reisen übertrieben. Kenntnisse Italiens und seiner Um-

gebung sind für einen Autor aus Sizilien selbstverständlich. Aus der Historischen Bibliothek selbst

lassen sich mit Sicherheit darüber hinaus aber nur Aufenthalte in Ägypten (Diod. 1,22,2) und Rom (1,4,1-2) nachweisen. Ein Aufenthalt Diodors in Athen ist nicht sicher bezeugt. Krasse geographische

11

Fehler und nur völlig oberflächliche Kenntnisse lassen weite Reisen durch Nordwesteuropa oder das binnenländische Asien als ausgesprochen unwahrscheinlich erscheinen, Vel. Diod. 1,4,7. Dort werden in einem Passus das 1. Jahr der 180. Olympiade und das Archontat des Hetodes in Athen (60/59 v. Chr.), zweitens der Beginn des Gallischen Krieges (58 v. Chr.) und drittens

der Britannienfeldzug (55/54 v. Chr.) Caesars als Endpunkle zusammengestellt; ferner zu den Galli-

12

schen Kriegen Caesars Diod. 1,5,1 und 3,38,2-3: Caesar habe das rómische Reich am weitesten nach Norden bis in Gebiete ausgeweitet, die zuvor unbekannt waren. Die Eroberung von Alesia von 52 v. Chr. durch den wegen der Größe seiner Taten vergüttlichten Caesar bezeichnet Diodor als ein Ereignis, das in seiner eigenen Zeit stattgefunden habe; Diodor 5.21.2 spricht von der Eroberung Britanniens durch den später vergóttlichten Caesar, der die Insel, gegen die nicht einmal Götter wie Dionysos oder Halbgötter wie Herakles Kriege geführt hätten, als erster erobert habe. Dabei kündigt Diodor zwar an, er werde die ‚Eroberung‘ 55/54 v. Chr. an ihrem chronologisch korrekten Platz ausführlich erzählen, hat aber nach aller Wahrscheinlichkeit die Historische Bibliothek doch nicht mehr bis zum Jahre 54 fortgeführt. Diod. 3227.3.

204

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Akzent auch über die militärische Begabung des Pompeius und seinen frühen Sieg über L. Iunius Brutus Damasippus sowie das Lob Sullas für Pompeius. Ferner beschreibt er Pompeius als gerechten Richter in Sizilien in den 70er Jahren und als Herrscher des Ostens unter anderem in seiner Entscheidung der jüdischen Angelegenheiten 63 v. Chr. Wahrscheinlich als krónenden Abschluß der Erzählung über die Taten des Pompeius im Osten seit dem Piratenkrieg und den Feldzügen gegen Mithradates zitiert Diodor im letzten, dem 40. Buch, die Siegesinschrift, die Pompeius 61 v. Chr. nach seiner triumphalen Rückkehr weihte!?. Das nach den vier namentlichen Erwähnungen in den Konstantinischen Exzerpten nur mit Vorbehalten rekonstruierbare Bild des Pompeius bei Diodor ist auffallend positiv. Im 40. Buch erwühnt der Historiker auch knapp die catilinarische Verschwórung

von 63 v. Chr.ἢ. Das Jahr 60/59 v. Chr. bleibt der wahrscheinliche Endpunkt der Haupterzählung der Historischen Bibliothek. Die dreimalige Ankündigung Diodors im 3. und 5. Buch, er werde an chronologisch passender Stelle noch detaillierter über die Eroberung Britanniens durch Caesar 55/54 v. Chr. schreiben, und die chronologische Übersicht über die Historische Bibliothek im 1. Buch, die bei der Rückrechnung vom Ende des Trojanischen Krie-

ges und der ersten Olympiade tatsächlich auf 46/45 als Endpunkt führt, sollten nicht

vorschnell mit der historiographischen Unfähigkeit Diodors erklärt werden, der an dieser Stelle einfach ein chronologisches Handbuch abgeschrieben und dabei vergessen habe, daB er selbst zuvor ausführlich 60/59 v. Chr. und den Beginn des Gallischen Krieges Caesars als Endpunkte seines Werkes festgelegt hatte. Plausibler scheint mir, daß ein älte-

rer Werkplan mit einem projektierten Werkende 46/45 in den 30er Jahren von einem jün-

geren mit dem tatsächlichen Ende 60/59 v. Chr. überlagert wurde. Die fünfzehn ereignisreichen Jahre von 60 bis 45 v. Chr. können kaum alle noch am Ende des 40. Buches abgehandelt worden sein, das schon Ereignisse aus den Jahren 63-61 v. Chr. berichtete. Auch bei dieser Hypothese bleibt Diodor allerdings der Vorwurf nicht erspart, gewichtige

Unstimmigkeiten in der Historischen Bibliothek nicht bereinigt zu haben'®.

|

Strabon kannte die Historische Bibliothek Diodors bei seiner Sammlung von Material für die eigenen Historika Hypomnemata noch nicht. Das jüngste universalhistorische Werk,

das er hierfür benutzt, war das des Timagenes. Wir finden aber auch in den spätesten

Zusätzen zu den Geographika keine eindeutigen Zeugnisse für eine Benutzung Diodors durch Strabon. Falls er tatsächlich in spätaugusteischer oder frühtiberischer Zeit Diodors Werk noch kennengelernt haben sollte, so hat er als ernsthafter Gelehrter lieber auf ihm 13

Diod. 40,4 zu der Inschrift, die sich in ihrem stolzen Anspruch gut mit der älteren columna rostrata des C. Duilius oder mit den jüngeren Res gestae des Augustus vergleichen läßt. Ein Konstantinisches Exzerpt aus Diod. 38/39,9 erinnert als Bestätigung der früh gezeigten Tugenden des Pompeius an seinen Sieg über L. Iunius Brutus Damasippus, einen der marianischen Legaten 83 v. Chr. (vgl. Plut

Pomp. 7,1-2). Sullas Lob für den jungen Pompeius, vielleicht in das Jahr 82 v. Chr. zu datieren, ist in Diod. 38/39,10 überliefert. Ein drittes Exzerpt aus Diod. 38/39,20 lobt die Sorge des jungen Pompeius

in den 70er Jahren in Sizilien um eine effiziente Rechtspflege und Verwaltung (vgl. Plut. Pomp. 10,214 und Cic. Manil. 61), Ein viertes Exzerpt (Diod. 40,2,1) zeigt Pompeius 63 v. Chr. als Herrscher und Neuordner des syrisch-palästinensischen Raumes, der zwischen den jüdischen Streitparteien entscheidct und aus der πάτριος ἐπιείκεια der Römer den Juden eine eigentlich verdiente Strafe erläBt.

14 15

16

Vgl. Diod. 40,5,1- 5a! aus den Konstantinischen Exzerpten. Vgl. Diod. 3,38,2; 5,21,2 und 5,22,1 über Britannien sowie 1,5,1 über den Endpunkt des Werkes 730 Jahre nach der ersten Olympiade oder 1138 Jahre nach der Zerstörung Trojas (1184 v. Chr.), d.h. also 46/5 v. Chr. Mit diesem Jahr hätte Diodor geschickt das unheilvolle Jahr der Ermordung Caesars 44 v. Chr. ausschließen können, wie Bowersock 1965, 122f Anm. 2 in einem Plädoyer für 46/5 als Schlußdatum Diodors bemerkt. Schwartz, Diodor 1957, 38 vermutet einen einfachen Irrtum durch Dummheit Diodors beim Abschreiben eines chronologischen Handbuches, dagegen OtpraTuER Bd. 1, 1933 (ND 1968), XIX eine Spur zweier unterschiedlicher Entwürfe der Historischen Bibliothek.

6. Strabon und die Historische Bibliothek Diodors

205

leicht zugängliche Originalquellen zurückgegriffen als auf ihre kompilierte Aufbereitung durch Diodor. Dessen Werk fand auch in den nächsten Generationen offenbar nur wenige Leser. Wir können bei keinem augusteischen Universalhistoriker eine Benutzung oder doch wenigstens die Kenntnis vom Werk Diodors nachweisen, und selbst der belesene

Plinius nennt lediglich den Titel des Werkes. Es hat sich aber dennoch mit Glück zumin-

dest in Teilen bis in die christliche Spätantike und die byzantinische Ära erhalten, als Diodor!" und Nikolaos von Damaskos anders als Strabon oder Timagenes große Popularität genossen.

2. Die Emschätzung Diodors als Historiker und die Leitgedanken der Historischen Bibliothek Diodor wird in der álteren Forschung des 19. und frühen 20. Jh. fast einmütig als gedankenloser Exzerptor und mechanischer Kompilator ohne eigene historiographische Leitge-

danken oder eine individuelle schriftstellerische Persönlichkeit gering geschátzt?. Man zieht sein Werk in der Quellenforschung fast nur zur Rekonstruktion der Auffassungen in direkter Überlieferung nicht mehr erhaltener Historiker (z.B. Ephoros, Kleitarch, Hiero-

nymos von Kardia und Poseidonios) oder mangels anderer erhaltener Quellen für bestimmte Einzelinformationen heran. Gegenwärtig scheint nun eine günstigere Einschätzung der

Qualitäten Diodors in der Forschung vorzudringen!?. WigTH und Sacks als Hauptvertreter einer solchen Auffassung betonen zu Recht, daß die seit der Einquellentheorie VOLQUARDSENS immer weiter differenzierte Quellenforschung bis heute im Verhältnis zu ihrem Aufwand nur wenige allgemein anerkannte Ergebnisse erbracht habe und überdies das pro-

prium des Autors Diodor nicht einmal zu untersuchen versuche??, Die Quellenforschung als Kónigsweg der Diodorinterpretation wird um so fragwürdiger, als die wichtigsten hellenistischen Vorlagen Diodors, nämlich Ephoros, Hieronymos von Kardia, die spáten Bücher des Polybios und Poseidonios ihrerseits nur in Fragmenten überliefert sind und 17

18

Vgl mit scharfem Urteil Schwartz, Diodor 1957, 36: „Nur ein günstiger Zufall kann einem solchen Buch zur Fortdauer verhelfen. Kein gebildeter Heide zitiert Diodor jemals; Plinius erwähnt nur den Titel; erst die Christen waren anspruchslos genug, ihn heranzuziehen“, MoMMsEN 1859, 125 spricht von der „unglaublichen Einfalt und noch unglaublicheren Gewissenlosigkeit dieses elendsten aller Scribenten"; VOLQUARDSEN 1868 betont die ‚Einquellentheorie‘, nach der Diodor über einzelne Bücher oder Buchgruppen jeweils nur einer Hauptquelle gefolgt sei, z.B. von I1-

16 dem Ephoros. VOLQUARDSENS Ergebnisse hatten für die Einschätzung des Gesamtwerkes Diodors

bedeutende Folgen; Schwartz, Diodor 1957, 35-97 weiter die Quellenanalyse auf die gesamte Historische Bibliothek aus. Er bestätigt Diodor „äußerste Unwissenheit“ und qualifiziert scine Universalhistorie als ,,Kompilation — ein Werk kann man das Buch nicht nennen"; Laqueur 1911, 161-206 (Teil 1: Die Prooemien) und 321—354 (Teil 2: Die Disposition) und ders. 1958, 257-290 bekräftigt diese Einschätzung.

19

Überblicke über die umfangreiche Literatur zu Diodor legen vor: CAssoLa 1982, 724-773, SEIBERT

1983, 27-36, und Meıster 1990, 171-181 mit Anm. 160-171. Ein früher Vorläufer einer günstigeren Einschätzung Diodors ist NEUBERT 1890 gewesen, Aber gegen die Phalanx der damaligen Fachgrößen

und ihr Verdammungsurteil gegen Diodor fand er kaum Gehör, Die jüngere Forschung erkennt in ihrer Mehrheit dagegen größere Qualitäten Diodors als Autor an, vgl. RusiNCAM 1969, dieselbe 1989, 3961, Sacks 1990, insb. 83-1 16 (dazu siche die Rezension von Meıssner 1993, 313-317) sowie SACKS 1981, 434—441, ders., 1994, 213-232 und auch WigrH 1993. Die schwierigen Probleme um die zeitge-

schichtlichen Passagen Diodors von ca. 146 bis 60 v. Chr. und ihre griechisch-römischen Quellen

behandeln auch SricLaır 1963, 36-45, Bizière 1974, 369-374 und Ruscont 1975, 105-110; vgl. ferner

Pavan 1987, 20-28 und über den sizilischen Sklavenkrieg Rizzo 1976, 259-293 sowie zu Poseidonios

20

als Quelle Diodors Maurrz 1983, 34-40. Warm 1993, 7f und Sacks 1994, 213f.

206

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

ganze Werkteile und Leitgedanken dieser Quellen Diodors eben aus dem Diodortext (oder

gar aus byzantinischen Exzerpten des Originaltextes) rekonstruiert werden müssen. Ohne nun ausgerechnet Diodor zu einem bisher völlig verkannten großen griechischen Historiker erklüren zu wollen, stelit sein Geschichtswerk doch wohl mehr als einen

blassen und zugleich verkürzenden und verzerrenden Spiegel seiner Quellen dar. In mehreren für die jüngere Diskussion wichtigen Studien hat vor allem SAcks die Prooimien Diodors, seine Vorstellungen von historischer Kausalität, seine Leitidee des zivilisatorischen Forschritts, seine Werkgliederung, verstreute methodische AuBerungen sowie seine

Einstellung gegenüber der Legitimität von Roms Herrschaft im 2./1. Th. v. Chr. untersucht. Eine eigenständige Leistung Diodors besteht zunächst darin, seine einzelnen Vorlagen ın ein eigenes paradigmatisch-pädagogisches universalhistorisches Konzept zu integrieren. In bestimmten leitenden philosophischen und politischen Begriffen und Konzepten seiner

Historischen Bibliothek, im Urteil über die führenden Mächte der Vergangenheit und die

römische Hegemonie sowie in der spezifisch pädagogischen Instrumentalisierung der

Geschichte zeigt sich das Eigengut Diodors. Die Untersuchungen von PALM‘! haben nachgewiesen, auf welche Weise Diodor seinen unterschiedlich alten Vorlagen zudem ein modernes sprachliches Gewand des 1, Jh, v. Chr. gegeben hat. Zuweilen kombiniert Dio-

dor geschickt die ereignisgeschichtliche Erzählung aus einer bestimmten Quelle mit einem Deutungsmuster aus anderen Geschichtsschreibern oder einer typischen moraliscbphilosophischen Wertung. Auch die Redentheorie Diodors in Buch 20 kann entgegen er ner häufig vertretenen älteren Meinung nicht ohne Schwierigkeiten direkt auf Ephoros

zurückgeführt werden?

|

Natürlich steht Diodor selbst unter dem prägenden Einfluß der philosophischen und politischen Strömungen seiner eigenen Lebenszeit. Damit wird seine Historische Bibliothek aber zugleich ein interessantes Zeugnis der Geistesgeschichte des späten Helle-

nismus23, Diodor ist vom stoischen Ideal der ‚Kosmopolis‘ überzeugt. Er gibt mehrfach

Beschreibungen eines Idealstaates und variiert die verbreitete griechische Idee eines

πρῶτος εὑρέτης als Wohltäters der Menschheit?*. Die Abfolge der ‚heros civilisateurs in mythischer, z.B. Herakles, später in historischer Zeit, z.B. Alexander oder Caesar, bildet

einen Leitgedanken der Historischen Bibliothek?5, Dieser Gedanke entstammt aber den

allgemeinen Bildungsvorstellungen der Zeit Diodors. Er ist daher kein signifikantes intellektuelles ‚Eigengut* Diodors und kann ähnlich anderen allgemeinen philosopbischen Auffassungen auch nicht einer bestimmten Vorlage Diodors zugewiesen werden, inbe-

sondere nicht Poseidonios#. ΝΕ Diodor instrumentalisiert die Universalhistorie als moralische Autorität, die direkt zur ethischen Verbesserung der Leser und der Gesellschaft beitragen könne?”. Im Mittelpunkt des ethischen und historischen Wertekatalogs Diodors steht die φιλανθρωπία, das

zivilisierte Verhalten unter einzelnen Menschen und im politischen Bereich auch ZWIschen Staatswesen, die sich in verschiedenen Tugenden und Verhaltensweisen ausprägen 21

Vgl. PALM 1955.

22

Siehe knapp ENGELS 1993, 144-145.

23

Vgl. Meissner 1993, 313.

24 25 26 27

Vgl. Sacxs 1990, 55-82; zu hellenistischen Utopien und Idealstaatsentwürfen vgl. Ferguson 1975 und DEMANDT 1993. Vel. Diod. 1,2,4 und 4,1,5 und dazu Sacks 1994, 214. Gegen eine direkte Abhängigkeit Diodors von Poseidonios in allgemeinen philosophischen Auffassungen plädiert auch schon Spoearı 1959, 132-163 und 1991, 310-319. | | Vel. die moralisierenden Kommentare Diodors in 11,38,5-6; 23,15,1; 37,4; 38/39,18,1. Viele dieser Passagen finden sich in zeitgeschichtlichen Werkteilen, in denen Diodor eine solche Lehre nicht mechanisch schon bei Ephoros oder einem anderen isokrateischen Historiker abgeschrieben haben kann, vel. Drews 1962, 383-392 und Sacks 1994, 214f Anm. 3.

6. Strabon und die Historische Bibliothek Diodors

207

kann, besonders der ἐπιείκεια, φρόνησις und der εὐσέβεια. HELDMANN erkennt in den Geschichtswerken des Sallust und Diodor ein eng verwandtes, von beiden Historikern als vorbildlich verstandenes Modell. Ein Reich (ἀρχή, ἡγεμονία) wird nach Diodor in seiner

historischen Entwicklung durch ἐπιείκεια und εὐεργεσία (die bonae artes des Sallust) erworben und erhalten. Sobald diese politisch-moralischen Leitwerte im Verhalten der führenden Macht schwinden, drohen auch äußerlich machtvollen Imperien innere und äußere Katastrophen und ein gewaltsamer Zerfall®. HELDMANN nennt dieses Modell nach

dem frühesten bei Diodor exemplarisch vorgeführten Beispiel das ,,Kyros-Modell". Solange die ἐπιείκεια (die bonae artes) die Politik eines Reiches gegenüber den Besiegten leitet, pflegen sich diese Reiche fast ‚von selbst‘ zu erhalten und sogar zu vergrößern. Diodor illustriert diese auch für die eigene Gegenwart als Mahnung gedachte Regel zuerst am Beispiel des Reiches des Kyros und innerhalb der vollstándig erhaltenen Bücher 1116 über das klassische Griechenland am ausführlichsten an den Reichen Athens und Spartas??, Den König Kyros erwähnt Strabon dagegen zwar an rund einem Dutzend isolierter Stellen der Geographika, stellt ihn jedoch nicht als frühestes historisches Modell eines idealen Herrschers heraus. Diodor legt das Hauptgewicht seiner Analyse auf die leitenden Prinzipien im Verhältnis zwischen den jeweiligen Herrschern eines Reiches und ihren Untertanen. Maßvolles und von ἐπιείκεια und φιλανθρωπία geprägtes Verhalten erwirbt und sichert Imperien, gewaltsames, herrisches Verhalten in der zwischenstaatlichen Politik (Bia) zerstórt von innen her alle historischen Reiche. Der ἐπιεΐκεια und φιλανθρωπία als positiven Leitwerten steht jedoch in der Geschichte der Beziehungen der Staaten und in der inneren Politik der Städte die natürliche nAsoveËio der Menschen entgegen. Auch sie äußert sich in verschiedenen politisch-moralischen Erscheinungsformen, besonders als τρυφή, ὠμότης und ἀσέβεια, deren sichtbare Folge dann die Anwendung von Gewalt gegenüber Unter-

tanen oder vermeintlich schwächeren Partnern ist?®. Stürker als Poseidonios, Polybios und Strabon betont Diodor also das wechselseitige Verhältnis zwischen der herrschenden Macht und den Beherrschten. Grundsätzlich teilt auch Strabon die im späten 2. und 1. Jh. v. Chr. nicht ausgesprochen originellen philosophisch-politischen Leitgedanken Diodors. Doch das Gegensatzpaar ἐπιείκεια und βία wird bei Strabon nicht so systematisch (und so schematisch) wie bei Diodor zur Analyse des Aufstiegs und Verfalls der Imperien in der Geschichte eingesetzt. Auch auf Roms Weltherrschaft wendet der sizilische Historiker námlich sein Schema an?!. Von solchen dunklen Krisenahnungen und moralischen Warnungen gegenüber Rom ist Strabon weit entfernt, weil er im augusteischen Prinzipat ais Verfassungsform, durch den Sieg des Augustus über M. Antonius und Kleopatra sowie in der römischen Übernahme der dekadenten hellenistischen Reiche der Seleukiden und Ptolemäer alle Gefahren vorerst gebannt sieht, die im späten 2. und 1. Jh. v. Chr. der Mittelmeerwelt durch die zahlreichen inneren und äußeren Kriege und den moralischen Niedergang der hellenistischen Eliten drohten. Diodor rechtfertigt die Einbeziehung mythischer Epochen und der Zeiten und Räume der altorientalischen Reiche in seine Historische Bibliothek damit, daB auch Berichte über diese entlegenen Perioden einen grofen exemplarischen Nutzen für die Leser haben. Die Bücher 1—6 erzählen daher nach Diodors Ankündigung im ersten Buch die mythologischen 238 29

Vgl. HELDMANN 1993, 63f und 84-7 sowie WiRTH 1993, 26f und SAcks 1994, 216-219. Die ‚automatische‘ Vergrößerung solcher Reiche wird von HELDMANN in Anlehnung an Diod. 32,4,4-

5 und Polybios 1,6 als αὔξησις bezeichnet. 30 Jüngst mit Belegstellen aus der Historischen Bibliothek für diese Leitbegriffe Wrm 3l

siehe auch Sacks 1990, 42-54 und ders. 1994, 216f. Vgl. Diod. 32,2.

|

1993, 26-29;

208

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Ereignisse vor dem Trojanischen Krieg”?. Indem Diodor die mythische Frühzeit und insbesondere die altorientalischen Zeiten und Räume in eine hellenistische Universalhistorie einbezieht, bricht er mit der Tradition des Ephoros, Polybios und Poseidonios. Diodor

wird in diesem Punkt zum Vorläufer des Nikolaos von Damaskos und Pompeius Trogus

und setzt sich deutlich von Strabons Konzeption ab. Aus den beispielhaften Geschichtsabläufen soll der Leser Diodors Nutzen ziehen und für sein Leben lernen. In einer Universalhistorie aber ergibt sich durch die Gattung selbst die Gelegenheit, die größte Zahl an lehrhaften Beispielen aus allen Zeiten und Räumen einzufügen. Daher wählt Diodor diese

historiographische Gattung?*. Er wird zu ihrer Wahl nicht durch die historischen Ereignis-

se selbst, seine Analyse bestimmter Prozesse oder eine umfassende geschichtsphilosophische Theorie gedrängt (wie Polybios und Poseidonios). Die schlichte und offen utlitaristische Begründung Diodors für die Vorzüge der universalhistorischen Gattung weicht auch von der Position Strabons ab. Angesichts der geographischen Größe des augustelschen Oikumenereiches und der Beherrschung der gesamten Mittelmeeroikumene durch die Universalmonarchie des Augustus ist für Strabon die Universalhistorie verbunden mit einer Oikumenegeographie die einzige zeitgemäße, dem Thema adäquate und für die Leser nützliche Form der historiographischen Darstellung. Für Diodor spielt dagegen das Raumbild der griechisch-römischen Welt, das durch die Taten des Pompeius und Caesars

neu geordnet wurde, nur eine geringere Rolle“. 3. Diodors Urteil über Roms Weltherrschaft und über führende Römer

Diodor versteht die Epoche des Hellenismus als durch „den Verfall des Alexanderreiches im Politischen, aber zugleich auch im Physischen und Moralischen" geprägt”. Der moralische Aspekt dieses Prozesses wird bei Strabon in den Geographika weniger betont. Bis

zur Zerstörung Karthagos, Korinths und Numantias hatte es in Rom nach Diodor dagegen

eine ἅμιλλα τῆς δόξης, einen edien Wettkampf der Bürger um Ruhm, gegeben, „die in Rom mit der Verwirklichung des Gebotes der μεγαλοψυχία ganz naturgemäß das der

φιλανθρωπία mit ihren Nebenformen verbunden hatte“%. Doch im späten 2. und 1. Jh. v.

Chr. glichen Diodor zufolge die Vertreter der römischen Führungsschicht in ihrem Wesen und Auftreten immer häufiger den dekadenten hellenistischen Herrschern im Osten. Die Harmonie der überlegenen moralischen Kräfte als Grundlage der Berechtigung der römischen Herrschaft über die Oikumene ging von 146 bis 60/59 v. Chr., dem chronologischen Endpunkt des Werkes Diodors, immer mehr verloren. Die Bürgerkriege in Rom und Italien und die unter Bundesgenossen und beherrschten Provinzbewohnern zurückgehende Bereitschaft, die römischen Weltherrschaft als legitim zu akzeptieren, führten zum μῖσος

ἡγεμονίας, einem Haß der Unterworfenen auf die römischen Vorherrschaft. Tpugn, στᾶσις und ἀκολασία bestimmen bei Diodor auch das Bild Roms und seiner Elite im späten

2.11. Ih.3”. Von einem μῖσος ἡγεμονίας hören wir bei Strabon dagegen nichts. Verbliebe-

ne Gegner Roms rechnet Strabon summarisch außerhalb des Reiches zu den Barbaren und innerhalb des Reiches zu Räubern und unvernünftigen Störern der einzig legitimen Ord-

nung. Strabon übertrifft damit also Diodor bei weitem in seiner unkritischen Akzeptanz

32

Vgl. Diod. 1,4.6.

33

Vgl. Buroe 1974, 53f zu Diod. 1,3.2 und 8 über die lehrhaften Beispiele in der Universalhistorie.

34

Vgl. ZEccumt 1978, 13-20 und Canrora 1990, 313-322.

35

Wirth 1993, 52,

36 37

Ebd. 43f. Exemplarisch zeigt Diodor dies an der Erzählung vom sizilischen Sklavenkrieg, vgl. Diod. 34/35,2 und dazu Maurrz 1983, 134-164.

6. Strabon und die Historische Bibliothek Diodors

209

der Legitimität der römischen Weltmacht und der augusteischen Ordnung. Diodor lobt Caesar auffallend oft, betrachtet seine Taten als Beginn einer neuen Epoche und verteidigt

seine postume Vergöttlichung als gerechten Lohn für seine großen Taten??, Strabon dagegen sieht das Ende der hellenistischen Epoche und den Zielpunkt der Entwicklungsgeschichte der römischen Weltherrschaft im augusteischen Oikumenereich verwirklicht. WiTH meint jüngst kritische oder ironische Tendenzen in den Notizen Diodors über

die Divinisierung Caesars feststellen zu können”. Nicht durch Caesar habe Diodor eine Lösung der innen- und außenpolitischen Krise Rorns und eine dauerhafte Neuordnung der

römischen Oikumene erwartet, sondern durch Pompeius?. Das Zitat der Inschrift mit der

Siegesbilanz des Pompeius zollt dessen Leistung ohne Zweifel Achtung. Leider ist aber das Material aus Diodors letzten Büchern zu fragmentarisch, um zu entscheiden, ob er auch die Neuregelung des Ostens durch Pompeius und (im Vorgriff) seine Rolle im Bürgerkrieg gegen Caesar eindeutig positiv bewertete. Erst die Darstellung dieser Ereignisse durch Diodor würden jedoch eine geeignete Grundlage für den Vergleich zwischen der Darstellung Caesars und derjenigen des Pompeius in der Historischen Bibliothek bieten. Wenn man aber nach unseren derzeitigen Kenntnissen urteilt, überragt Caesar Pompeius in seiner historischen Bedeutung bei Diodor klar. Octavian, dessen Aufstieg als ,Caesars Erbe* der Historiker Diodor bis zum Ende der

30er Jahre noch erlebt hat, wird nur an einer einzigen Stelle der Historischen Bibliothek namentlich erwáhnt. Wenn Octavian zuerst die bisherigen griechischen Einwohner der sizilischen Stadt Tauromenion vertreiben läßt, um dort im Anschluß an diese Vertreibung eine römische Kolonie zu begründen, so läßt diese Vorgehensweise ihn im direkten Vergleich mit seinem ‚Vater‘ Caesar in einem schlechteren Licht erscheinen. Denn dieser ließ die altberühmten Städte Korinth und Karthago wiedererrichten und dort rómische Kolonien begründen. Auch vom segensreichen Wirken des Pompeius auf Sizilien hebt sich die Strafmaßnahme Octavians gegen die Griechenpolis Tauromenion unvorteilhaft ab. Die Zerstórung Karthagos und Korinths galt zur Zeit Strabons und Diodors in der griechischen und auch der lateinischen Historiographie (z.B. bei Sallust) als Zäsur rö-

mischer Außenpolitik und als Indiz für eine gefährliche innere Entwicklung der römischen

Herrschaft nach dem Wegfall der áuBeren bedrohlichen Feinde. Man kann aus der Art und Weise, wie Diodor und Strabon die Zerstórung Korinths beschreiben, wichtige Hinweise auf ihre Bewertung der römischen Außenpolitik erhalten. Diodor äußert nämlich zumindest deutliches Mitgefühl für die Trauer, die einige Betrachter der symbolträchtigen Ruinen Korinths noch nach Generationen überkommen habe und lobt Caesars Wiederbe-

gründung der berühmten Stadt^!. Diodors persönliche Kommentare gehen weit über die vorsichtige Kritik des Polybios anläßlich der Zerstörung Korinths hinaus, der geurteilt

hatte, Lucius Mummius habe angesichts seines vollständigen Sieges und seiner aubergewöhnlichen Machtfülle noch vergleichsweise zurückhaltend gegenüber den Griechen

gehandelt. Allerdings hatte Polybios die Zerstörung Karthagos zum Anlaß genommen, Scipio über die Vergänglichkeit der historischen Mächte pessimistische Reflexionen anstellen zu lassen, die auch Rom selbst nicht aussparten. Andere eindeutig romfreundliche Autoren der griechischen Welt wie Strabon, Pausanias oder Cassius Dio beklagen in ihren Berichten über die Zerstörung Korinths am heftigsten die materiellen Zerstörungen und den gewaltigen Kunstraub an einer der traditionsreichsten griechischen Poleis, der sich zwei Generationen später bei der Plünderung Athens 38

Vel. Diod. 4,19,2, 6,2,12 und 32,27,1-3.

39

So Wırth 1993, 50-52, anders aber Sacks 1994, 222 vor allem mit Berufung auf Diod. 32,27,1, wo die Divinisierung Caesars als verdienter Lohn seiner großen Taten gelobt wird.

40 Vel. Diod. 38/39,9-10 und 38/39,19-20. 4|

Ebd, 32273.

210

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

durch Sulla 86 v. Chr. wiederholen sollte. Sie verbinden aber die Zerstörung Korinths nicht mit dem Vorwurf, Rom habe die Griechen ihrer Freiheit beraubt oder ungerecht und übertrieben hart gehandelt. Strabon notiert ohne jeden mitfühlenden Kommentar, die Rö-

mer hätten Korinth zerstört und es später auch wieder aufgebaut”. An einer weiteren

Stelle spricht er emeut ohne jede Kritik an Rom nur von dem aktuellen Bild der Stadt

Korinth nach ihrem kürzlichen Wiederaufbau**. Wenig später versteigt sich Strabon zu

einer für einen griechisch-hellenistischen Autor erstaunlich prorómischen Position. Die Korinther hätten schon als Untertanen Kónig Philipps in dessen Streit mit Rom die romfeindliche Partei ergriffen, und einzelne Korinther hätten sich später den Römern gegenüber so veráchtlich verhalten, daB sie es sogar gewagt hätten, Kot und Schlamm von ihren Häusern auf vorbeigehende rómische Gesandte zu werfen. Für diese und andere Verfehlungen hätten die Korinther jedoch unverzüglich ihre gebührende Strafe erlitten. Denn cine beachtliche Armee sei entsandt und die Stadt selbst von Lucius Mummius bis auf den Grund zerstórt worden. Polybios jedoch habe im Tone des Bedauerns über die Ereignisse gesprochen, die mit der Eroberung von Korinth verbunden

gewesen seien, formuliert

Strabon, sich hier von der Kritik des Polybios distanzierend**. Strabon teilt mit dem Bericht des Polybios die Empörung über die Mißachtung der römischen Armee für den Wert der griechischen Kunstwerke und Votivgaben, die man bei der Plünderung Korinths teils zerstórte, teils in Massen nach Italien wegschaffen lieB. Über einige solche Kunstwerke fügt Strabon einen Exkurs ein, der in den Geographika genau die Stelle einnimmt, an der sich Polybios und Diodor kritisch mit der brutalen Gewalt als ungeeignetem Mittel der römischen Außenpolitik beschäftigt hatten. Strabon vermeidet es damit, zu diesem Skandalon römischer Politik Stellung zu nehmen. Der römische Feldherr Mummius wird in der griechischen Tradition fast einmütig als brutaler Kunstbanause charakterisiert. Doch Strabon nennt ihn freundlicher einen eher großherzigen als in Kunstdingen sachverständigen Mann. Nach Strabon hat Caesar Korinth, „nachdem es lange Zeit eine verlassene Gegend“ geblieben sei, wegen seiner von der Natur begünstigten Lage wieder aufbauen

lassen, Auch in diesem Kommentar zum Wiederaufbau der Stadt aus sachlichen Gründen unterscheidet Strabon sich wesentlich vom Bericht Diodors, nach dem Caesar zunächst aus Mitleid mit dem Anblick der Ruinen Korinths in einem Akt der Wiedergutmachung der allzugroßen Strenge früherer Römer und aus Milde (ἐπιείκεια und dıAavdpwría) Korinth wiederaufgebaut habe. Durch diese edlen Motive hebt er sich umso positiver gegen das brutale Vorgehen des Mummius ab#, Diodor beklagt den Verlust der Freiheit und Autonomie

der Griechen

und die Ermordung

ganzer Einwohnerschaften,

die

Verschleppungen, Zerstörungen, Massenversklavungen und Plünderungen als Mittel römischer Außenpolitik im 2. und 1. Jh.*7. Er überläßt es aber seinen Lesern, aus dieser Kritik Folgerungen auf das künftige Schicksal auch der römischen Herrschaft zu ziehen". 42 43 44

8,4,8C. 361. $8,621] C. 370, 8,623 C. 381; Polybios, Diodor und Strabon stimmen darin überein, daß sie den achäischen Strategen,

die die Bevölkerung zum Krieg mit Rom aufgehetzt hätten, die Haupischuld am Krieg und damit am Untergang Korinths geben (Diod. 32,26,3). Doch über diese Sirategen kam nach Diodor ein von den

Gôttern gesandter Wahnsinn (εκ θεῶν λύσσα), der ihren Drang zu einer Politik, die in den eigenen Untergang führte (παράδοξος ὁρμὴ πρὸς τὴν ἀπώλειαν), provoziert habe. Durch diese Erklárung wer-

den dic Achaier und auch die Korinther aber wieder teilweise von der Schuld am Untergang Korinths entlastet, die ihnen Strabon völlig zuschiebt. Ähnlich unkritisch romfreundlich konstatiert Strabon lakonisch in 17,3,15 C. 833 die Vernichtung Karthagos.

45 46

8,621 C. 379 und 17,3,15 C. 833. Diod. 32,27,3.

47

"Vgl. ebd, 32,262.

48

Vel. ebd. 32,4,5.

6. Suabon und die Historische Bibliothek Diodors

211

4. Diodors Prooimien als Charakteristikum seiner Historischen Bibliothek

Prooimien haben in hellenistischen Geschichtswerken eine programmatische Bedeutung. Die Ínterpretation des Hauptprooimions Diodors und seiner Prooimien zu den Einzelbüchern spielt auch eine wichtige Rolle in der Diskussion um den Grad von Diodors historiographischer Eigenständigkeit und seine universalhistorischen Leitgedanken. Die griechische Historiographie gehórt gattungs- und stiltheoretisch zur epideiktischen Rhetorik. Deshalb ist auch das epideiktische Prooimion für Geschichtswerke die übliche Form. Die Lehren des Isokrates und die Beispiele in den Historien des Ephoros erlangen eine große Bedeutung für die Entwicklung der Prooimien in der hellenistischen Universalhistorie. Die Isokrateer und wenig später Aristoteles in der Rhetorik betonen die inhaltliche Frei-

heit der epideiktischen Prooimien?*. Nach einer Differenzierung des Polybios im Prooimi-

on des 11. Buches seiner Historien gibt es in hellenistischen Universalhistorien zwei

vorherrschende Typen von Prooimien, die rpoypabai und προεκθέσειςὉ. Jene sind der

Haupttypus, der vor allem das Interesse der Leser an der Lektüre des folgenden Werkes wecken sollte, Polybios selbst bevorzugt abgeschen von den ersten 6 Büchern für die Historien den Typus der προεκθέσεις, der eine inhaltliche Zusammenfassung der Ereignisse der jeweiligen Olympiade biete und sachlich organischer mit dem Geschichtswerk verbunden sei. Mitte des 1. Jh. v. Chr. waren unter gebildeten Autoren auch schon Prooimiensammlungen verbreitet, aus denen man meist nur wenig modifizierte Mustertexte für

die eigenen Werke übernahm?!. Noch Quintilian differenziert zwischen zwei schon

hellenistischen Varianten des epideiktischen Prooimions, die sich durch den unter-

schiedlichen Grad der Entfernung vom Thema des folgenden Werks unterscheiden lassen”“. Das Streben nach stärksten psychologischen Effekten ist jedoch im 1. Ih. schon in solchem Maße zum Allgemeingut der hellenistischen Kunstprosa geworden, daß man davor warnen muß, den Einfluß einzelner herausragender Autoren, sei es Agatharchides oder Poseidonios, auf die durch πάθος, ἐνάργεια und ψυχαγωγία geprägten Passagen anderer späthellenistischer Historiker, z.B. Diodors, zu überschätzen. Als nahestehendes

Vorbild für die erhaltenen Prooimien Diodors sollte dennoch Agatharchides von Knidos nicht unterschätzt werden. Agatharchides verbindet in Περὶ τὴς ἐρυθρὰς θαλάσσης kulturgeographische mit historisch-antiquarischen Notizen”. Er stellt dem abschließenden 5.

Buch seines Werkes ein umfangreiches epideiktisches Prooimion voran”, Darin wird die stilistisch wirkungsvollste Darstellungsweise menschlichen Unglückes und Elends diskutiert. Nach Immischs geschickter Formulierung entwirft Agatharchides hier die Theorie

einer „kunstgerechten ἐλεεινολογία"55, Agatharchides erinnert an ältere historisch-poli-

tische Autoren sowie Dichter, die sich schon mit dem Problem befaßt hätten, wie ein

49 50

Vgl. die Kontroverse zwischen Ephoros und Timaios FGrHist 566 F 7 = Pol. 12,28,8; zur Freiheit der inventio im epideiktischen Prooimion siehe z.B. Aristot. rhet. 3,14,1-4 p. 1414 b 25ff. Vgl. Pol. 11,1ff und zur Topik der hellenistischen Prooimien Earı 1972, 842-856; zum Vergleich mit latetnischen Historikern des 1. Jh. (insb. Sallust) siche EGERMANN 1932. Ex eo eligere soleo, cum aliquod syngramma

51]

Vgl Cic. Att. 16,6,4 „habeo volumen prooemiorum.

52 53

bestimmte Gerichtsfälle. Quint. inst. 3,8,8f. Agatharchides: FGrHist 86 T 1 = 14,2,15 C. 656 nennt Agatharchides einen Peripatetiker und Historiker; auch noch bei Photios (FGrHist 86 T 2) wird Agatharchides als ein ἱστορικός, nicht als Fach-

institui"; schon im Corpus der demosthenischen Reden findet sich eine Sammlung von Prooimien für

gesgraph bezeichnet; zur Interpretation seines Werkes siehe Woeuk 1966, BURSTEN 1989 und VERDIN 54 35

1990, 1-15. Vel. Phot. Bibl. Cod, 250 p. 441b 16- 460 b 20, insb. 445 b 371f Henry. Vgl. Immiscn 1919, 4,

212

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Historiker oder Dichter, der sich selbst außerhalb von Gefahr und Leid befinde, extreme

Unglücksfälle und äußerstes Leid angemessen und in passendem Stil beschreiben könne”. Im 5. Buch selbst folgt dann mit der Schilderung des unbeschreiblichen Elends der Gefangenen in den ägyptischen Goldbergwerken ein Anschauungsbeispiel, das die im Prooimion aufgestellten theoretischen Forderungen meisterhaft umsetzt und in seiner den Leser mitreißenden Eindringlichkeit zu den Höhepunkten der hellenistischen Kunstprosa

zählt”’. Zu Recht hat man diese Passage mit einigen Glanzstellen in den Historien des Poseidonios verglichen. Photios urteilt über diese Passagen des Agatharchides: „ürepßoAv οὖν οὐδενὶ τὸ πάθος δυστυχήματι καταλιπεῖν ἐκτραγῳδήσας, τὸν τρόπον ἀπαγγέ-

λει τῆς περὶ τὸ χρυσίον ἐργασίας?5. Das ἔσχατον ἀκλήρημα der Gefangenen wird fast

filmisch eindringlich und mit äußerstem Detailreichtum geschildert??. ἹΜΜΙΊΒΟΗ vermutet nun, daß alle fünf Bücher des Agatharchides ein ähnlich kunstvolles Prooimion wie das

Schlußbuch enthielten”. Das Hauptprooimion Diodors bemüht sich darum, das folgenden Werk durch allgemeine philosophische Gedanken rhetorisch-stilistisch aufzuwerten und ihm einen höheren Bildungswert zuzuweisen. Die Prooimien Diodors zu einzelnen Büchern kann man

dagegen differenzieren in einige, in denen historiographische Fragen diskutiert werden (z.B. Buch 20 über die Reden), solche, in denen moralische Sentenzen aufgestellt werden,

die durch den Inhalt des folgenden Buches erläutert werden sollen, und die Einleitung zu Buch 37, die als Auftakt zum Marsischen oder Bundesgenossenkrieg eine universalhistorische Übersicht über alle für Diodor wichtigen Kriege seit dem Trojanischen Krieg bis 91 v. Chr. gibt und zugleich die bis dabin wichtigsten Zäsuren des Aufstieges Roms zur Weltmacht festlegt. LAQUEUR hat in einer einflußreichen Studie alle Prooimien der Bücher 4—16 und 20 Diodors direkt auf Ephoros als Quelle zurückgeführt. Auch der Kern aller übrigen Prooimien Diodors stamme jeweils aus seinen zugrundeliegenden Quellen, nur die Inhaltsangaben oder die ein- und überleitenden Floskeln von Diodor selbst. Form und Stil der Prooimien Diodors, auch innerhalb der Gruppe Bücher 4-16 und 20, sind jedoch recht verschieden, und manche von ihnen dürften nach neueren Untersuchungen wohl

nicht auf Ephoros zurückgehen. Vorbilder für seine Prooimien zu einzelnen Büchern fand Diodor jedenfalls außer im Werk des Ephoros auch bei Timaios$! und Agatharchides, Polybios und Poseidonios. Während die ältere Forschung unter dem Eindruck der Meinungen von LAQUEUR, ScHwARTZ und Kunz den Inhalt und sogar teilweise den Wortlaut des Hauptprooimions zum ersten Buch Diodors auf Polybios, Ephoros oder meistens Posetdonios zurückführt, pládiert Sacks mit guten Gründen dafür, daD diese Einleitung in die

universalhistorische Bibliothek im wesentlichen ihm selbst zuzusprechen sei“, Im Hauptprooimion Diodors wird die ἱστορία nämlich in einem längeren Gedanken über den außergewóhnlichen Nutzen der Universalhistorie emphatisch als προφῆτις τῆς ἀληθείας und

τῆς ὅλης φιλοσοφίας οἱονεὶ μητρόπολις, als Verkünderin der Wahrheit und allgemeine Mutterstadt aller Philosophie® bezeichnet. Eine solche Äußerung an so exponierter Stelle 56

Phot. Bibl. Cod. 250, 21 p. 445 b 39— 446 a 2 Henry; sülistische Kritik an der Schule des Hegesias bei Photios aus Agatharchides (p. 446 a 16 — 447 b 5); vel. Immiscu 1919, 7-9.

57 58 59

Phot. Bibl. Cod. 250, 23-26 p. 447 b 21 — 448 a 38. Ebd. p. 447 b 37-A0. Ebd. p.447 b 34.

60

JMMISCH versucht daher in einer ausführlichen philosophiegeschichtlichen Interpretation, eine im Co-

61

dex 249 der Bibliothek des Photios unter dem Titel einer anonymen Pythagorasbiographie angeführte Passage als Exzerpt aus dem Hauptprooimion zu Agatharchides Über das Rote Meer zu bestimmei, siche Phot. Bibl. p. 438 b 16 - 441 b 14 und Immisch 1919, 108. Vgl. Pol. 12,28,8ff mit Kritik am Prooimion zum 6. Buch des Timaios, vgl. Kunz 1935, 37f.

62

Sacks

63

Diod. 1,1,4-1,2,2, die Zitate stammen aus 1,2,2.

1990, 9-12 und erneut 1994, 220f,

6. Strabon und die Historische Bibliothek Dicdors

213

wäre aus der Sicht des stoischen Philosophen Poseidonios kaum vorstellbar, für den um-

gekehrt die Historie eine Hilfswissenschaft der Philosophie blieb. Selbstbewußt erhebt Diodor den Anspruch, seine Historische Bibliothek sei auch ein ‚philosophisches' Werk. Gut vergleichbar ist hiermit der Anspruch Strabons in den Geographika. Hinter solchen Außerungen steht vor allem ein erweiterter Begriff der φιλοσοφία im Sinne einer enzyklopädischen Weltweisheit. Vergleicht man das Hauptprooimion Diodors mit den erhaltenen Prooimien der romfreundlichen Autoren Polybios in seinen Historien und Dionysios von Halikarnassos in den Antiquitates Romanae, so finden wir bei beiden eine Liste der früheren großen Reiche der Weltgeschichte und vor allem einen Vergleich dieser Reiche mit dern römischen Reich des 2. Jh. v. Chr. oder der augusteischen Epoche. Ein solcher Vergleich zeige, wie sehr die

gegenwärtige Macht Roms alle früheren Reiche übertreffe. Angesichts der Tatsache, daB Diodor seine ersten Bücher auch der Geschichte der altorientalischen Reiche widmet, fällt um so deutlicher auf, daß in Diodors Prootmion ein solcher nach Polybios in der Univer-

salhistorie fast schon zu erwartender Vergleich fehlt. Diodor verzichtet in seinem Hauptprooimion auf ein offenes Lob für die rómische Weltherrschaft, das wir aber nachdrücklich auch in Strabons Geographika finden. Diodor bringt die rómische Weltherrschaft im deutlichen Unterschied zu Polybios, Poseidonios oder Strabon auch in seinem Prooimion nicht in einen Zusammenhang mit dem Walten der göttlichen Vorsehung in der Geschichte. Diese charakteristischen Auslassungen sprechen ebenfalls dagegen, dab Diodor sein Prooimion in den Hauptzügen von Poseidonios übernommen hätte®*, | Als Folge aus diesen Überlegungen zum Hauptprooimion zu Buch 1 Diodors sollte auch die Diskussion über seine übrigen Prooimien wieder aufgegriffen werden”, Diodor selbst wählt für seine Einzelbücher meistens einen Typ des Prooimions, iD dem ein Ge-

danke der populärphilosophischen Ethik vorgetragen wird, der dann 1m Ereignisbericht

in und durch ausgesuchte Einzelstellen des folgenden Buches exemplifiziert wird. Nicht Prootder jedem Falle löst Diodor allerdings solche programmatischen Ankündigungen

mich mien dann in den folgenden Büchern auch im vollen Umfange ein. Dem Einzelproo men Ra über die Geschichte von Roms Aufstieg zur Weltmacht im universalhistorischen

ὃ s das Diodor seinem 37. Buch vorschaltet, ist Strabons Appendix am Ende des 6. n ‚Kurzgeschichte ähnlichen krönender Abschluß seiner Beschreibung Italiens mit einer

des Aufstieges Roms zur Weltmacht vergleichbar, — —

ion

für alle

Die Geographika Strabons werden durch ein ausführliches Gesamtpr Oritur ΒΟΡΤΒ.

siebzehn Bücher eingeleitet, das weit mehr als eine Inhaltsangabe seiner δὰ E

Es

phie darstellt, Der ‚philosophische‘ Anspruch Strabons, der hohe Rang der M : den hier

Fachdisziplin, methodische Aspekte und die Ziele und Absichten Stra00ns WET En nr bedeutende, allerdings wesentlich kürzere Einleitung PUT. der thematisiert. Eine ähnlich noch das 8, Buch der Geographika mit wichtigen Bemerkungen zut Ga

Te bei

geographischen Literatur und dem Verhältnis von Geographie und DSL

e diglich Ein-

bedeutenden Vorgängern Strabons. Den übrigen Einzelbüchern hat uh Philosophische leitungskapitel vorangestellt. Diese verbinden sich aber nicht mit POPE im Sinne einer Betrachtungen, wie dies bei Diodor der Fall ist, und sie fassen auch mie

ie umreißen die

Inhaltsangabe die folgenden Detailbeschreibungen zusammen, sondern 8 tzt also in den

Grenzen und das Raumbild der zu beschreibenden Region. Strabon bent

"

64

„mildiy anti Roma Ebe. 1,1,3 über die Vorsehung ohne konkreten Bezug auf Rom: zu dem iodor siehe Sacxs

-

, 1994, 230,

sadiekeit

65 Abweichend von Kunz 1935 ner Sacks 1990 für eine größere Eigenständigkeit Di 66

n bias" des

Di odors auch in

rlicheseinen Einzelprooimien. . lich noch ausfüh Vgl. Diod. 37,1-2 aus den Konstantinischen Exzerpten, eine im On) ginal sicher

re Passage, und Strabon 6,4,2 C. 287—288.

214

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Geographika das Kunstmittel der Prooimien nur in geringerem Maße als Diodor oder Agatharchides. Für die Historika Hypomnemata können wir aufgrund der Quellenlage keine sicheren Aussagen machen, weil sich kein Fragment aus einem Hauptprooimion oder einem Prooimion zu einem Einzelbuch erhalten hat. Aber im Analogieschluß zu den Geographika und gemäß der üblichen Praxis der ganzen Gattung wird man vielleicht auch in der strabonischen Universalhistorie, die die Historien des Polybios fortsetzen wollte, ein Prooimion zu Buch 1 und möglicherweise noch ein weiteres zu Beginn der historischen Haupterzáhlung ab Buch 5 vermuten dürfen. 5. Geographisches Weltbild und hellenistische Universalhistorie bei Diodor und Strabon

In der Ponderierung von Geographie und Geschichte zeigt die Historische Bibliothek Diodors strukturelle Schwächen und muf als ein Rückschritt gegenüber Polybios und Poseidonios bezeichnet werden. Diodor hat seinen Lesern im Gegensatz zu diesen Vorgángern (und seinem Nachfolger Strabon) kein geschlossenes geographisch-wissenschaftliches

Weltbild vorgestellt, obwohl insbesondere die Bücher 1-3 und 5 passagenweise ethnogeographisch und perihegetisch orientiert sind. Seine geographischen Quellen für diese Bücher sind hauptsächlich Agatharchides und Artemidoros. Er nutzt aber auch andere Quellen sehr unterschiedlichen Alters und Wertes. Es gibt jedoch kein einzelnes Buch

Diodors, das ausschlieBlich geographischen Fragen vorbehalten wäre. In den Büchern 12 (über Ägypten, Assyrien und Indien) und Buch 3 (über Äthiopien und Arabien) findet man zwar manche geographische Bemerkung, aber keine geographische Landeskunde in der hellenistischen Tradition. Von einer unverzichtbaren Ergänzung einer Universalhisto-

rie durch eine umfassende Kulturgeographie der Oikumene im Sinne Strabons ist Diodors Historische Bibliothek erheblich weiter entfernt als ihre Vorläufer seit Ephoros. Das 4. Buch Diodors vermischt die Beschreibung der Taten der mythischen Epoche in fernen Ländern mit der Topographie, dazu kommen viele Details aus der poikilographischthaumasiologischen Tradition. Die Beschreibung des Heiligtums der Aphrodite am Eryx in Diodors Buch 4 ist zwar auf den ersten Blick nur eine Einzelepisode, enthält aber einige Elemente, die andeuten, daB sich Diodor ähnlich wie z.B. Demetrios von Skepsis nicht der

patriotisch-römischen Variante des Aineasmythos anschloß°’. Die Episode ist daher keineswegs marginal für die Stellung Diodors zu Rom. Außerdem weichen Diodor und Strabon in diesem Punkt signifikant voneinander ab. Eryx, ein älterer sizilischer Sohn der Aphrodite, gründete nach Diodor das Heiligtum, nicht Aineas, der erst später hier vor-

beikam. Als Diodor an die frommen Weihegaben anderer Pilger zu diesem Heiligtum erinnert, fügt er ironisch hinzu, daß römische Prätoren und Konsuln unter Mißachtung ihrer Amtswürde mit den dortigen Tempelprostituierten verkehrt hátten, um auf diese unziemliche Weise der Gottheit am besten ihre Reverenz zu erweisen. Strabon spricht

dagegen bei seiner Beschreibung Siziliens und des gleichen Tempels nur von vielen Prostituierten, die aus aller Herren Länder in früheren Zeiten dem Tempel geweiht worden

seien, Jetzt dagegen sei das Tempelgelände fast menschenleer. Er erwähnt an dieser

Stelle keine römischen Magistrate als Kunden der Prostituierten. Statt dessen erinnert Strabon an eine Kopie einer Statue der Aphrodite vom Eryx in Rom. Sie stehe im 181 v. Chr. von L. Porcius Licinus außerhalb des Collinischen Tores geweihten Tempel der Ve67

68

Siehe Diod. 4,83,1-6 mit Sacks 1994, 223-224 und Verweis auf GasBa 1976, 84-101. Die Kritik des Demetrios von Skepsis am Mythos von Aineas weist Strabon in seiner Beschreibung der Troas in einem Exkurs gleichfalls zurück. 6,2.6C. 272.

6. Strabon und die Historische Bibliothek Diodors

215

nus Erycina, der auch wegen der ihn umgebenden Stoa bemerkenswert sei. Während also Diodor die mythische Geschichte als Aufhänger für eine Kritik am römischen Gründungsmythos und an der Aineassage sowie für einen kräftigen Hieb auf das unwürdige Verhalten römischer Magistrate nutzt, pflegt Strabon das Bild der Römer als frommer Tempelbauer. Diodors 5. Buch setzt geographische und ethnographische Akzente über bedeutende Inseln, über Gallien, Spanien, Ligurien und Etrurien und hat sogar ein teilweise geographisch akzentuiertes Prooimion. Die gatlischen Kapitel des 5. Buches Diodors bilden zusammengenommen eine wertvolle Ethnographie, die man meistens zur Rekonstruktion der Keltenethnographie des Poseidonios benutzt hat. Dennoch breitet der Historiker auch hier kein geschlossenes geographisches Raumbild des Keltenlandes aus. In späteren Büchern gibt es lediglich noch einige interessante geographische Exkurse, so in Buch 19 über die Nabatäer und das Tote Meer (nach Agatharchides) oder in Buch 40 über die Juden mit religionsgeschichtlichen Bemerkungen nach Hekataios von Abdera. In der Barbarenethnographie unterscheiden sich die Völker des Nordwestens bei Diodor wesentlich von denen des Ostens, weil jenen die τρυφή (noch) unbekannt sei*?, Unterschiedlich urteilen die verschiedenen Universalhistoriker und Geographen jedoch über die Frage, welches zivilisatorische Entwicklungspotential in einem Barbarenvolk oder einzelnen barbarischen Individuen verborgen liege, sofern diese Menschen unter die zivilisatorische Macht eines griechischen oder römischen Hegemonialvolkes geraten. Die spätesten Universalhistoriker der augusteischen Ära gehen in ihren hoffnungsvollen Erwartungen auf eine Erweiterung der zivilisierten Oikumene und eine Romanisierung der ehemaligen Barbaren am weitesten. Strabon beschreibt einige Keltiberer als schon so weit romanisiert, daß sie nun die Toga trügen, und die Notizen über den kulturellen Fortschritte der Gallier im Hinterland von Massilia übertreffen entsprechende Passagen bei Diodor über Erfolge der Romanisierung deutlich. Die fachgeographischen Kenntnisse Diodors sind insgesamt schwach. Er macht krasse Fehler in seinen Aussagen über Asien”®. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Ertrag der fachgeographischen Forschungen des Hellenismus seit Eratosthenes hat Diodor gar nicht versucht. Er greift als Kompilator am liebsten jeweils auf den Stand des geographischen Wissens zurück, das der Autor vertritt, dem er in der jeweiligen Periode als Hauptquelle folgt. Die dabei z.B. von Ephoros, Eratosthenes, Poseidonios, Agatharchides und anderen übernommenen geographischen Angaben werden außerdem - nicht immer zu ihrem Vorteil - noch nach den stilistischen Vorstellungen Diodors geglättet und gekürzt.

Diodor identifiziert sich weniger mit Rom und seiner Sendung als vor ihm Polybios und Poseidonios und nach ihm Pompeius Trogus, Dionysios von Halikarnassos und Strabon. Dem Erfolg des Werkes Diodors hat seine konzeptionelle Schlichtheit im Vergleich zu den konkurrierenden späthellenistischen und augusteischen Universalhistorien und Oikumenegeographien jedoch auf längere Sicht eher genützt. Der Ruhm Diodors begann keineswegs erst, nachdem die Originalwerke seiner wichtigsten Quellenautoren nicht mehr vollständig zur Verfügung standen. Schon in seinem Hauptprooimion wirbt er geschickt für sein Werk und begründet seine Entscheidung für die universalhistorische Gattung auch damit, daß seine Leser sich durch den Erwerb seines einen Werkes die müh-

same und teure Anschaffung aller von ihm exzerpierten und kompilierten Autoren er-

sparen könnten. Diese entlarvende Offenheit erwies sich unter den Bedingungen des Pu-

69

70

Vgl. Wırmm 1993, 32f mit älterer Literatur zur Barbarenethnographie.

So verlegt er das berühmte Ninive an den Euphrat statt richtig an den Tigris (Diod. 2,7,1-2).

216

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

blıkationswesens und des Publikumsgeschmackes der Kaiserzeit nachträglich als eine

geschickte Überlegung. Der programmatische Titel Historische Bibliothek statt des in der Gattung seit Epho-

ros üblichen Titels Historien wurde sicherlich von Diodor bewußt gewählt. Der Titel bezeichnet treffend den historiographisch bescheideneren Charakter und Anspruch des Werkes. Diodor wollte ein informatives Nachschlagewerk über die wichtigsten historischen Fakten mit vielen lehrreichen Beispielen für möglichst viele Leser vorlegen. Die heute oft geäußerten Vorwürfe mangelnder Eigenständigkeit, fehlender Quellenkritik und Gedankentiefe Diodors sind daher nur teilweise berechtigt, weil Diodor gar keine pragmatische

Historie im Sinne des Polybios, keine methodisch fundierten Analyse wie Thukydides, keine tiefsinnigen historisch-psychologischen Fallstudien wie Poseidonios und auch keine umfassende Enzyklopädie der zeitgenössischen Oikumene im strabonischen Sinne vorlegen wollte.

7. Einige weitere hellenistische Universalhistoriker und Oikumenegeographen

7. EINIGE WEITERE HELLENISTISCHE UNIVERSALHISTORIKER OIKUMENEGEOGRAPHEN

217

UND

Schon unter den ungefähren Zeitgenossen des Ephoros gibt es einige weitere Universalhistoriker, von denen wir aber kaum mehr als ihre Namen wissen. Der wenig jüngere Zoilos von Amphipolis mit dem Beinamen ,Homeromastix‘! verfaßt eine Ἰστορία ἀπὸ θεογονίας ἕως τῆς Φιλίππου τελευτῆς in nur drei Büchern. Leider ist kein einziges Fragment davon erhalten. Der Suda-Artikel, der mehrere Werke des Zoilos nennt, legt die Interpretation nahe, da$ Zoilos (wie Hesiod im Epos und anders als Ephoros) die mythischen Zeiten der Theogonie gleichfalls in sein Geschichtswerk einbezogen und dieses von der Entstehung des Kosmos und der Gótterwelt bis in die eigene Gegenwart zum Tode Philipps II. fortgeführt hat. In diesem Falle kann es angesichts des Umfanges von dre1 Büchern allerdings nur eine Kompilation in sehr groben Zügen gewesen sein, keines-

falls vergleichbar mit den dreiBig Büchern Historien des Ephoros über das sparium historicum. Über die Einschätzung Philipps II. durch Zoilos wissen wir nichts, doch mag es auf eine zumindest partielle Hochschätzung deuten, daB er die Regierung des Makedonenkö-

nigs als Endpunkt seines universalhistorischen Werkes ansetzt. Eine lokalgeschichtliche Schrift über Amphipolis verbindet Zoilos mit Ephoros als Verfasser eines Werkes über Kyme und seine Geschichte. Man darf erwarten, daß Zoilos als isokrateisch geschulter Rhetor áhnlich wie Theopomp, Ephoros und Anaximenes von Lampsakos seinem Werk deutliche moralische Urteile über führende Personen einfügte. Ein wohl gróferer Verlust ist die Universalhistorie des Anaximenes von Lampsakos, den die Suda einen Schüler des Zoilos nennt und der zeitweise Lehrer Alexanders des Großen war. In zwölf Büchern eines Werkes mit dem vermutlichen Titel Πρώτη ἱστορία

oder Πρῶται ἱστορίαι hat Anaximenes nach Diodors Referat fast alle πράξεις der Hellenen und Barbaren von der Theogonie und dem ersten Menschengeschlecht bis zur Schlacht von Mantineia und dem Tode des Epaminondas beschrieben?. Anaximenes beginnt wie Zoilos mit der mythischen Zeit, klammert jedoch die jüngste Zeitgeschichte nach 362 v. Chr. aus seinen Universalhistorien aus. Diese behandelt er aber in mehrbändigen biographisch-enkomiastischen Werken über Philipp II. und Alexander den GroBen. Zoilos und Anaximenes bleiben beide bei nachfolgenden Universalhistorikern als Vorgänger fast völlig unbekannt. Dagegen werden sie in der Antike häufig als Rhetoren des 4. Jh. genannt, Vielleicht kann man auf den gesamten Stil ihrer Geschichtswerke auch daraus schlieBen, daß sie die mythische Epoche in ihre Geschichtswerke einbezogen. Dies war eher in der Dichtung und Rhetorik als in der Historiographie üblich. Außerdem ist nach JacoBvs - heute isolierter - Meinung noch Daimachos von Plataiai unter die Verfasser von Universalhistorien im 4. Jh. zu rechnen. Hierfür finden sich aber in unseren spärlichen Testimonien über Daimachos keine genügend starken Indizien. Selbst ein Buchtitel Totopiat ist für Daimachos nicht bezeugt*. Porphyrios (bei Eusebios in der Praeparatio evangelica) überliefert den Vorwurf, daß Ephoros aus den Werken des Daimachos, Kallisthenes und Anaximenes beträchtliche Passagen wörtlich in seine eigenen Werke übernommen habe, und erinnert auch an Traktate des Lysimachos und Alkaios über geistige Diebstähle des Ephoros. Hieraus können wir aber kein überzeugendes Argument über Daima-

chos als Universalhistoriker gewinnen‘. I

SudaZ 130 s.v. Ze oc (= FGrHist 71 T 1).

2

Siehe Diod.

3 4

15,89,3 = T 14; vielfach ist Anaximenes in FGrHist 72 T 1-25 als Rhetor und Sophist

bezeugt. Zum Titel des Werkes siche T 14 und F 2-3.

Vgl. FGrHist 65 (und FGrHist 66, weil Jaconv ihn auch für den Verfasser der Ἑλληνικά des Historikers aus Oxyrhynchos hält, die heute von den meisten Forschern Kratippos, von einigen Theopomp zugewiesen werden). Vel. FGrHist 65 T 1 aus Porphyrios bei Eus. Praep. Ev, 10,3 = Ephoros T 17. Meiner Meinung nach

218

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfüngen bis Strabon

Die Eroberung des Achaimenidenreiches, die Errichtung der Universalmonarchie Alexanders, mit der sich eine erhebliche Erweiterung der geographischen, ethnographischen und politischen Kenntnisse der asiatischen Welt verband?, und die Etablierung der nachfolgenden Diadochenreiche haben nicht zu einer Blüte der zeitgeschichtlich akzentulerten universalhistorischen Literatur geführt. Während wir nämlich aus dem 2. und 1. Jh. v. Chr. mehrere Namen und Titel sowie substantielle Teile einiger universalhistorischer Werke kennen, fällt auf, daß man bislang keinen eindeutigen Universalhistoriker aus dem frühen 3. Jh. v. Chr. benennen kann. Allerdings zeigen sich universalhistorische Tendenzen und Themen auch bei Autoren, die sich selbst nicht als Vertreter dieser Gattung ansehen. Dies gilt in der Ausweitung des Raumes der behandelten Geschichte auf die ge-

samten Diadochenmonarchien z.B. für Hieronymos von Kardia und für den griechischen Westen z.B. bei Timaios von Tauromenion. Die biographisch gefárbte Herrschermonographie der Alexander- und Diadochenhistoriker steht dagegen am Ende des 4. und Anfang des 3. Jh. v. Chr. in voller Blüte. Erst die Ausbildung der Weltherrschaft der Rómer über die Mittelmeeroikumene vom 2. Jh. v. Chr. bis in die Zeit des Augustus gibt den entscheidenden Impuls für neue, unterschiedlich akzentuierte Universalhistorien und den Ver-

such einer systematischen Aktualisierung des eratosthenischen Weltbildes durch Strabon. Mehrere weitere, wohl kompilatorisch arbeitende Universalhistoriker des Hellenismus bleiben wegen der trümmerhaften Überlieferungslage der hellenistischen Historiographie für uns bloBe Namen. Es fehlen genauere Vorstellungen von ihren Werken oder sogar Zeugnisse über ihre Lebensdaten?, Charon von Naukratis verfaBt ein Geschichts-

werk mit dem Titel Βασιλεῖς ol ἐκ παλαιοῦ γεγονότες παρ᾽ ἑκάστῳ ἔθνει, müglicherweise eine Universalhistorie, die nach dem Leitfaden der Dynastien und der monarchischen Ordnung einzelner Völker geordnet war. Es könnte sich aber auch um bloße dynastische Listen mit kurzen Erläuterungen gehandelt haben, die dann eher ins Genus der Sammelbiographien oder der Zeittafeln gehören. Doch es bleibt interessant, über Charon als Vorbild für Timagenes' universalhistorisches Werk Περὶ βασιλέων zu spekulteren’.

Die Universalhistorien des Neanthes aus Kyzikos?, Demetrios aus Kallatis und Hera-

kleides Lembos sind weitere Opfer der Überlieferungsgeschichte. Diese klangvollen Namen sind aber zumindest ein Indiz dafür, daß die griechische Universalhistorie als historiographisches Genus im Hellenismus vielleicht doch etwas eifriger gepflegt wurde, als dies Polybios glauben machen will, indem er lediglich Ephoros als Vorläufer akzeptiert und die Namen anderer Autoren nicht einmal erwähnt. Demetrios von Kallatıs am Schwarzen Meer hat zu Anfang des 2. Ih. v. Chr. die Geographie so weit aufgewertet, daB er in einigen Zeugnissen für sein zwanzigbändiges Hauptwerk Über Asien und Europa — wie später Agatharchides von Knidos und auch Strabon — mehr als Geograph denn als

Universalhistoriker bekannt bleibt’.

5 6

7 8 9

war Daimachos lediglich ein auf die boiotische Geschichte konzentrierter Zeithistoriker, ähnlich Anaxis (FGrHist 67) oder Dionysodoros (FGrHist 68). Vgl. jüngst Booson 1991, 127-138. . STRASBURGER 1977, 3-52 warnt allerdings zu Recht vor den Verzerrungen unseres Verstándnisses von der hellenistischen Historiographie aufgrund der trümmerhaften Überlieferungslage; vgl. auch ALON-

so-NÜNEZ, The Emergence 1990, 173-192 über die Entwicklung der Universalhistorien nach Ephoros. Vgl. zu Timagenes FGrHist 88 und ausführlich hier Kapitel IL9. Jacopy hat in FGrHist IIB, 317 und WC FGrHist 612 nur knapp auf das Werk Charons und eines homonymen Karthagers Charon verwiesen, deren Zeitstellung unklar bleibt. Neanthes von Kyzikos, Ende des 3. und Anfang des 2. Ih., falls F 4 auf Attalos L zielt, sonst 2. Ih. v. Chr. FGrHist 84 F 1-3: zu Resten seiner Universalhistorien möglicherweise als Einteitung zu der zeitgenössischen Monographie über Attalos (F 4), aber mit dem Titel Ἑλληνικά, Demetrios verfaßt sein Werk um 200 oder in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr., siehe FGrHist 85

7. Einige weitere hellenistische Universalhistoriker und Oikumenegeographen

219

Den Schriften des Agatharchides (ca. 200 - nach 131 v. Chr.) kommt als Vorläufern

der strabonischen Werke eine große Bedeutung zu. Er teilt seine Weltbeschreibung geographisch in Europa- und Asienbücher (Τὰ κατὰ τὴν Ἐυρώπην in 49 Büchern und Τὰ κατὰ τὴν ᾿Ασίαν in 10 Büchern) und verbindet ausführliche geographisch-ethnographi-

sche mit politisch-militärischen und kulturgeschichtlichen Beschreibungen", Agatharchi-

des beschrieb den Aufstieg Roms zur Weltmacht in der Zeit Ptolemaios VI. Philometors (180—145 v. Chr.) aus der Perspektive eines Intellektuellen am ptolemäischen Hof. Seine

kompilatorische Arbeitsweise und thematische Interessen verbinden ihn mit Strabon. Im Unterschied zu diesem steht er aber in bestimmten Passagen der tragischen Historiogra-

phie nahe, z.B. im Fragment über die nubischen Goldminen. Über die Bewertung des römischen Weltreiches durch Agatharchides sind nur vorsichtige Vermutungen möglich.

ALONSO-NUREZz meint, Agatharchides habe als Grieche eine kritische Einstellung gegenüber Roms Weltreich gehabt und auf das Ptolemäerreich als Gegengewicht gegen Rom gehofft. Als er sich in dieser Hoffnung durch die Entwicklung der ptolemäischen Monarchie getäuscht sah, sei er gegen 145-132 v. Chr. zum Pessimisten geworden und habe erwartetet, daß künftig kein Staat mehr vor Roms Expansion sicher sei. Daher äußere er in seinem Spütwerk Über das Rote Meer starke Zivilisationskritik und zeige hohes ethnogra-

phisches Interesse an primitiven Stämmen!!.

Agatharchides von Knidos war ὑπογραφεύς und ἀναγνώστης, Sekretär und Vorleser des Herakleides Lembos. Dieser lebte unter Ptolemaios VI. Philometor tm 2. Ih. v. Chr. Er war ein hoher ptolemäischer Beamter, produktiver peripatetischer Literaturforscher und Epitomator der Philosophenbiographien des Satyros und der umfangreichen Werke des Sotion. Außerdem übernahm er auch diplomatische Missionen. Herakleides' Interesse an der Universalhistorie (und angeregt durch Agatharchides auch an der Oikumenegeographie) ist dokumentiert durch seine Ἰστορίαι vom Trojanischen Krieg bis zum Anfang

des 2. Jh. v. Chr., eine Universalhistorie mit angeblich 37 Büchern?

Im 1. Jh. v. Chr. könnte Bion mit einem neunbändigen Werk unter dem für eine Universalhistorie auffälligen Titel Μοῦσαι, das vom alten Orient mit Ninos und Semiramis vielleicht bis ins 2. Jh. kurz vor seine eigene Zeit reicht, wegen der großen behandelten Zeiträume und der Integration des alten Orientes eines der Vorbilder für Nikolaos von Damaskos und Pompeius Trogus in der augusteischen Zeit gewesen sein. Man zógert Komm. IIC 149. Er wird in T 1 = Diog. Laert, 5,83 primär als geographisch-historischer Autor eines

Werkes Über Asien und Europa in zwanzig Büchern (s F 1-6) angeführt. Wegen seines Stiles tadelte ihn Dionysios von Halikarnassos (T 2 = De comp. verb. 4) zusammen mit anderen Historikern und Rhetoren des 3. und 2. Jh., darunter Polybios.

10

Vgl. Verpm 1990, 1-15 und ders. 1983, 407-420. Zum Text der Fragmente siehe FGrHist 86, WoELk

1966 sowie BunsrEN 1989. Agatharchides stülzt sich vor allem auf Demetrios von Kallatis (FGrHist 85) für das geographische Prinzip der Anordnung des Materials, dann auf Lykos von Rhegion (FGrHist 570) und Timaios von Tauromenion (FGrHist 566) für den Westen, auf Hekataios von Abdera (FGrHist 264) und Basilis (FGrHist 718) für den Osten und Diophantos (FGrHist 805) sowie Demetrios von Kallatis für den Norden. Für die Beschreibung der südlichen Teile der Oikumene verwendet Agathar-

chides ohne direkte literarische Vorlage weitgehend eigenes Material u.a. aus den königlichen Archi-

11 12

13

ven (Βασιλικὰ ὑπομνήματα), ferner Auskünfte von Kaufleuten. Besonders der Werkteil Τὰ κατὰ τὴν Εὐρώπην war schr ausführlich (49 Bücher!) und reichte vermutlich bis 168 v. Chr. {ALONSO-NÜNEZ 1997, 59), wenn auch das leizte sichere Fragment nur bis auf 179 v.Chr. führt. ALonso-NükEz 1997, 66-67. Zu den spärlichen Quellen über Leben und Werke des Herakleides Lembos siehe MÜLLER, FHG DI, p.

1675: zu den biographischen Bezichungen zwischen Agatharchides und Herakleides vgl. Phot. Bibl. Cod. 213 p. 171 a 9 und Jacopy zu FGrHist 86, Bion FGrHist 89. Bion wird bei Diogenes Lacrtios als Rhetor, nicht als Historiker angeführt (T 1). Das

einzige überlieferte Fragment der Μοῦσαι, F 1 aus Agathias, Hist. 2,25, zitiert ihn zusammen mit

Alexander Polyhistor, einem antiquarisch-poikilographischen Autor des 1. Jh.

220

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

aber, Bion auf der Basis des vorliegenden Quellenmaterials zweifelsfrei im strengen Sinne als Universalhistoriker einzuschätzen. Von der Mitte des 2. bis zur Mitte des 1. Jh. v. Chr. wurden mehrere verläßliche Spezialwerke zur Chronologie vorgelegt, insbesondere durch Apollodoros und Kastor. Alle späthellenistischen und augusteischen Universalhistoriker, auch Strabon, können sich in ihren Geschichtswerken manche ausführlichen chronologischen Erórterungen sparen, weil ihre Leser bei besonderem Interesse an der Chronologie die Handbücher des Kastor oder Apollodoros parallel zu Rate ziehen konnten, die damals für manche anderen Leser wohl auch Universalhistorien ersetzten. Poseidonios und Strabon erlauben sich sogar

möglicherweise im Vertrauen auf diese Werke eine gewisse Sorglosigkeit in chronologischen Fragen. Apollodoros, der Verfasser eines berühmten Homerkommentars und

eine der Zwischenquellen Strabons für die Universalhistorie des Ephoros, wurde wahrscheinlich ein Opfer der Gelehrtenvertreibungen des Ptolemaios VIII. Physkon aus Alex-

andreia. Danach hat er móglicherweise in Pergamon am Attalidenhof gelebt. Denn er widmet Kónig Attalos II. sein chronologisches Hauptwerk, die Χρονικά in vier Büchern. Dies ist ein in Trimetern verfaßter Abriß der Ereignisgeschichte der griechischen Welt. Die Bücher 1-3 reichen von der Eroberung Trojas 1184/83 bis 144/43 v. Chr. Sie werden

im Buch 4 mit einer zeitgeschichtlichen Appendix erweitert, die von 144/3 bis zu seinem Tode bald nach 120/19 v. Chr. reicht. Die Χρονικά sind nach Generationsfolgen geordnet und setzen die chronologischen Studien des Eratosthenes in dessen Χρονογραφίαι unmit-

telbar fort!^. Darüber hinaus aber ist Apollodoros auch als bedeutender Philologe bekannt, dessen Kommentar zum homerischen Schiffskatalog in zwólf Büchern in enger Verbindung zu den umfassenden Homerstudien seines Lehrers Aristarchos entstand. Dieses Metsterwerk hellenistischer Philologie ist leider nur in fragmentarischer Form erhalten geblieben. Die aussagekráftigsten Fragmente stammen aus den Geographika Strabons. Obwohl die Methode der Homerkommentierung des Apollodoros Strabon in mancher Hinsicht unsympathisch war, scheint er keine bessere Quelle für viele in den homerischen Epen erwähnte, aber zu Strabons eigener Zeit schon verschwundene Orte als den großen Kommentar des Apollodoros gefunden zu haben. Apollodoros behandelt in seinem Kommentar alle Orte, die in den homerischen Epen und insbesondere im ,Schiffskatalog' genannt sind. Im ersten Buch seines Kommentars, der geographisch-historische Exkurse mit der präzisen Einzelerklürung bestimmter Verse oder Würter verbindet, hat Apollodoros, möglicherweise durch die lotopiax des Ephoros beeinflußt, erläutert, welchen bedeu-

tenden naturgeographisch und politisch-geographischen Veründerungen Griechenland seit

der Zeit Homers unterworfen gewesen war!?, In der Vorrede zum zweiten Buch hat Apollodoros seine methodischen Grundsätze für die Kommentierung der homerischen Geo-

graphie entwickelt!6. Der spätantike Epitomator Markian nennt als ἀκμή des Artemidoros von Ephesos, dessen Werke in mehrfacher Hinsicht Vorläufer der strabonischen Werke waren, die 169. Olympiade (104—100 v. Chr.). Seine Familie gehórte zu der gebildeten, reichen und politisch-kulturel! aktiven Honoratiorenschicht, die seit Generationen in vielen hellenistischen Städten unabhängig von der nominellen Verfassungsform die Lokalpolitik bestimmte.

Artemidor selbst diente seiner Heimatstadt Ephesos auch als Gesandter in Rom. Bei einer dieser Gesandtschaften gelang es Artemidoros sogar, die Sache seiner Heimatstadt und 14

Vgl. Schwartz 1957, 253-281, insb, 264—273, Atenstäpt 1942, 54-78, NiEsE 1877, 267-307 und

ders. 1909, 161-169; zur Chronik des Apollodoros Jacogy 1902 und seine Kommentare zu Apollodo15

ros FGrHist 244. Vgl. 9,2,16-17 C. 406 mit Steph. Byz. s.v. Πλαταιαί und 8,6,6-7 C. 370 mit Steph. Byz. s.v. "Apyov-

16

"Vgl. meist lobend: 7,3,6 C. 298, 1,2,24 Ende C. 31; 1,2,35 C. 43 oder 12,3,25 C. 553.

pa.

.

7. Einige weitere hellenistische Universalhistoriker und Oikumenegeographen

22]

der Provinz Asia erfolgreich gegen die gierigen Steuerpachtgesellschaften zu vertreten.

Die Stadt ehrte ihn dafür gebührend!". Artemidoros verfaßt um 100 v. Chr. zwei wichtige Werke, die Tovikà ὑπομνήματα und die Γεωγραφούμενα in elf Bücher. Eventuell stehen diese beiden Werke in einem ähnlichen Verhältnis zueinander wie die Geographika Strabons zu den Historika Hypomnemata, wobei allerdings die Ἰωνικὰ ὑπομνήματα vielleicht auch einen der Lokalhistoriographie und antiquarischen Literatur nahestehenden Charakter gehabt haben mögen. Jacopy rechnet die Ἰωνικὰ ὑπομνήματα des Artemidoros jedenfalls unter die Geschichten von Städten und Vólkern!?, Die fast vollständig erhaltenen siebzehn Bücher der Geographika Strabons bieten für Rückschlüsse auf die Historika Hypomnemata eine zuverlässigere Grundlage als die nur wenigen Fragmente der Teoγραῤούμεμα des Artemidoros für solche auf dessen Ἰωνικὰ ὑπομνήματα. Die Γεωγραφούμενα beschränken sich entgegen der Meinung HAcENows nicht auf

ein fachgeographisches Werk, sondern verbinden nach alter ionischer Tradition Geographie und Geschichte. Auch der vorsichtige Jacosy nimmt trotz des fragmentarischen Zustandes an, daß die Ἰωνικὰ ὑπομνήματα „reiches material mindestens für kultur und kult

enthielten, und man könnte sich vorstellen dass sie auf der herodoteischen periegese 1,142148 aufbauten“!?. Eine Abkehr von der politisch-militärischen Staatengeschichte des Polybios und Hinwendung zur Kultur- und Religionsgeschichte liegt im Trend der späthellenistischen Historiographie. Aus der Einleitung in die Epitome Markians wird die Neigung des Artemidoros deutlich, ausführliche ethnographische παρεκβάσεις (Exkurse) einzulecen, die Markian spáter leider als aus seiner Sicht überflüssiges Beiwerk wegließ, Arte-

midoros schickt seinem Werk eine Einleitung in Buch 1 voraus, die vielleicht den späteren Büchern 1-2 Strabons vergleichbar ist und allgemeine MaBbestimmungen der Erde enthält. Es folgt die Periegese in den Büchern 2-11. Artemidoros beginnt in seinen Länderbeschreibungen bei den Grenzen und mit der Ausdehnung und räumlichen Einteilung der Länder. Er nennt Gebirge, Flüsse und Seen. Besonders prüzise beschreibt er den Verlauf der Küsten des Meeres mit Háfen, Kaps,

Meerbusen, Halbinseln und Inseln. Bei der Beschreibung der Städte nennt er zunächst ihre Position durch Bezeichnung der Distanzen zu anderen Orten. Danach erzählt er gerne überihre Gründung mit teils erfundenen eponymen Personen und über wichtige Gebäude. Als Lokalpatriot legt er in sein Hauptwerk eine genaue und lobende Beschreibung von Ephesos ein. An ethnographischen und klimatologischen Informationen ist Artemidoros interessiert, doch zumindest Strabon (selbst nicht gerade eine mathematisch-physikalische Koryphäe) kritisiert seine Kenntnisse in der physikalischen Geographie als gering undJaienhaft??, Artemidoros hat zwar auf weiten Forschungsreisen mehr Länder mit eige-

nen Augen gesehen als Strabo, stützt sich aber dennoch für seine Γεωγραφούμενα im

Kern auf literarische Quellen: Eratosthenes, Aristagoras von Milet über Agypten, Agatharchides von Knidos über Asien und das Rote Meer (einen damals sehr aktuellen und wertvollen Autor) und den Reisebericht des Pytheas von Massilia, den Artemidoros.allers wie Strabon als unglaubwürdig kritisiert. Von älteren Historikern bevorzugt er Ephodings tos, Timaios, Polybios, Ktesias und Silenos von Kale Akte. Hinzu treten Dichterzitate,

besonders háufig aus Homer. 17

14.1.26 C. 642 = Artemidoros Fr. 127 Stiehle.

18

Artemidoros findet sich daher im Teil IIIB der FGrHist unter Horographie und Ethnographie zusammen mit anderen Autoren über Ionien (XXIX). Jacosy hält die Ἰωνικὰ ὑπομνήματα des Artemidoros (FGrHist 438 F 1) für mit den Ἰωνικά des Metrodoros von Chios vergleichbar (FGrHist 43 F 3 wird von Jacopy allerdings zur gencalogischen Literatur gerechnet). Aber aus beiden Werken kennen wir nur ein Fragment,

19

JACOSY zu FGrHist 438 in IIIB 287.

20

Vel. Artemidoros Fr. 12, 14. 48 Stiehle und öfter.

222

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Man erkennt aus dieser knappen Skizze der Arbeitsweise und der Quellenbenutzung des Artemidoros ın den Geographumena eine gattungsmäßige Verwandtschaft mit den strabonischen Geographika und versteht unmittelbar, warum Strabon Artemidoros gerne als Quelle benutzt. Aus dem ersten Buch des Artemidoros, seinen Prolegomena, ist kein

Fragment in den Geographika Strabons überliefert. Dagegen finden sich aus den Büchern 2 und 3 über Spanien und Gallien chorographisch oder ethnographisch bedeutende Fragmente bei Strabon. Buch 4 des Artemidoros behandelt Italien und ist von Strabon intensiv in den Büchern 5-6 als Quelle für Distanzen und Küstenbeschreibungen benutzt worden.

Aus Buch 5 des Artemidoros wurden Distanzangaben und Ortsnamen der südlichen Regionen Griechenlands, aber fast keine inhaltlich ergiebigen Passagen in die Bücher 8-10 Strabons übernommen. In Buch 6 hat sich Artemidoros mit den nördlichen Regionen Grie-

chenlands, Epiros, Makedonien, Thessalien, Thrakien befaßt und seine Beschreibung Europas beendet. Strabon überliefert auch hieraus wenige Fragmente in seinen Büchern 7 und 9. Die Küstenbeschreibung Afrikas in Buch 7 ist dagegen eine der Hauptquellen für Strabons entsprechende Kapitel im 17. Buch. Buch 8 des Artemidoros beschreibt Agypten, Äthiopien und Arabien und liefert viele wertvolle Informationen für Strabons Bücher 16 und 17 zu Distanzfragen, Ortsnamen, auch zum Problem der Nilquellen und des jühr-

lichen Hochwassers, der Ethnographie der Troglodyten am Roten Meer sowie zu Handelsgütern der Region. Aus Buch 9 des Artemidoros über Indien, Parthien, Phoinikien

und Südkleinasien hat Strabon nur vier Fragmente übernommen. Von herausragender Bedeutung wird Buch 10 über Pisidien, Lykien, Karien, Rhodos, Ionien und die Aiolis für die Bücher 13-14 Strabons. Es wäre vorstellbar, daß auch die Honoratiorenkataloge der kleinasiatischen Städte z.T. auf Vorbilder im Werk des Artemidoros zurückgehen. Zumindest muß man in diesem Falle die Erweiterungen um Personen des 1. Jh. und der augusteischen Ära als eigene Leistung Strabons anerkennen, Die kleinasiatischen, küstennahen Teile der Handelsstraße von Ephesos nach Indien, die Strabon beschreibt, hat man auch auf Artemidoros zurückgeführt, während die Darstellung der weiter im Binnenland

gelegenen Stationen sicher auf Patrokles basieren. Bei den Fragmenten über Karien, Bithynien, Mysien, die Inselwelt vor Nordwestkleinasien, Kappadokien, Pontos und Kolchis

und dem skythischen Asien bis zur Grenze Europas am Fluß Tanais (Don) aus Artemidoros' Büchern 10 und 1 ist nicht immer eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Buch möglich. Auch diese abschließenden Bücher hat Strabon aber gekannt. — Artemidoros setzt sich háufig kritisch mit den Angaben seiner Quellen auseinander. Daher schützen spätere Autoren zu Recht seinen Quellenwert hoch ein. Diodor zieht Artemidoros zusammen mit Agatharchides allen anderen Autoren über Ägypten und Athiopien vor. Für Strabon bildet Artemidoros wegen seiner eigenen Werke und als Zwischenquelle für Ephoros eine Hauptquelle. Agathemeros nennt ihn einen glaubwürdigen

Autor, Porphyrios rechnet ihn zu den besten und präzisesten Geographen, und schließlich suchen sich Markian und Stephanos von Byzanz nicht ohne Grund die Werke des Ephesiers für eine Epitome oder als wichtige Quelle eines Lexikons von Ortsnamen aus?!, aussagekräftigsten und auch die meisten Fragmente des Artemidoros stammen Strabons Geographika und eben dem Lexikon des Stephanos von Byzanz sowie unter lateinischen Autoren aus der Enzyklopädie des Plinius, der Artemidoros gerne unter auswärtigen auctores zitiert.

Die aus den den

Es gibt nur unsichere Zeugnisse darüber, daß schon Artemidoros selbst eine Epitome

seiner Γεωγραφούμενα verfaBt habe. Wenn dies zutráfe, hütte er damit schon dern stärker

werdenden Geschmack des Publikums nach übersichtlichen Handbücher kleineren Umfanges Rechnung getragen, der später wesentlich zum Verlust der vollständigen Fassungen 21

Vgl. Smiente 1856, 2396,

7. Einige weitere hellenistische Universalhistoriker und Oikumenegeographen

223

aller großen hellenistischen Geschichts- und Geographiewerke beitrug. Aber diese eigenhändige Epitome ist nur schlecht bezeugt. Schon STIEHLE fragt sich zu Recht, warum Mar-

kian im 5. Jh. n. Chr. noch eine zweite Epitome eines Werkes hätte anfertigen sollen, das schon der Verfasser des Originalwerkes selbst vor etwa 500 Jahren zusammengefaßt hatte. Die eigenhündige Epitome des Artemidoros soll angeblich noch Stephanos von Byzanz vorgelegen haben. Meiner Meinung nach hat dieser hier jedoch undeutlich zitiert, und es

gab vermutlich tatsächlich nur eine einzige Epitome der Γεωγραφούμενα, nämlich die

spätantike des Markian’?, Von den rómischen Historikem bezeichnet Aemilius Sura, dessen Werk De annis populi Romani man aber nicht als universalhistorischen Vorgünger der Historiae Philippicae des Pompeius Trogus mißdeuten darf, wahrscheinlich schon zwischen dem Sieg über Antiochos III. 189 und dem Epochenjahr 146 v. Chr. Rom als historischen Erben der

Weltreiche der Assyrer, Meder, Perser und Makedonen?. Über die Gattungszugehörigkeit der drei Bücher der Chronica des Cornelius Nepos im 1. Jh. v. Chr. wissen wir fast nichts. Vielleicht war dieses Werk die erste lateinische Universalhistorie. Aber auf der

Basis des derzeitigen Wissensstandes ist es ratsamer, weiterhin Pompeius Trogus als ersten lateinischen Universalhistoriker anzusehen. Trogus ist daher in den vorliegenden

Untersuchungen ein eigenes Kapitel im Vergleich mit Strabon gewidmet. Wir haben námlich auch keine genügenden Zeugnisse dafür, daß sich ein lateinisches universalhistorisches Werk unter den historischen Schriften des Titus Pomponius Atticus befand, die

Cicero im Brutus aus freundschaftlicher Höflichkeit rühmt“*,

22 23

24

Vel. STEHLE 1856, 240-244 zum Problem der Epitomai, Sura wird von Swan 1940, insb. 2f und ALonso-Nüsez 1989, 111 zwischen 189 und 171 v. Chr., also deutlich vor das Epochenjahr 146, datiert. Velleius, Hist. 1,6,6 überliefert das wichtige Zitat aus Aemilius Suras De annis populi Romani (2 HRR 161 und Komm. CCX).

Zu Nepos als Historiker der Chronica, die vor 54 v. Chr. entstanden, siehe HRR vol. II, XXXX-LVI und 25f F 1-7; zu den Werken des Atticus ebd. XX-XXVIIII und 6-8 und grundlegend über Atticus als Geschichtsschreiber immer noch Münzer 1905, 50-100; zu Ciceros Urteil siehe Cic. Brut. 74.

224

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

8. GESCHICHTE, GEOGRAPHIE UND ANTIQUARISCHE FORSCHUNGEN DES 1. JH. V. CHR. UND IHR VERHALTNIS ZUR ἐγκύκλιος παιδεία In der aligemeinen und hóheren Bildung stieg der Stellenwert der Kenntnisse in Geographie und Geschichte in Rom im 1. Jh v. Chr. Die Geographie záhlte aber nur im Rahmen des quadrivium der septem artes liberales als ein Teilgebiet unter anderen und wichtigeren zum Fach Geometrie, wührend historische Sachverhalte in Rhetorik oder Grammatik, also

im trivium, behandelt wurden!. Mathematisch-fachgeographische Traktate galten damals als eine esoterische Angelegenheit, die den meisten Laien verschlossen blieb. Selbst der gebildete Cicero räumt freimütig ein?, von der Lektüre einer mathematisch-fachgeographi-

schen Schrift nur den tausendsten Teil verstanden zu haben. Wegen der Sprôdigkeit der Materie und der hohen mathematischen Anforderungen hat Cicero auch davon Abstand genommen, selber ein fachgeographisches Werk zu vollenden, für das er schon Materialrecherchen begonnen hatte*, Die Fachgeographie bleibt in Ciceros Zeit für gebildete Laien also eine obscurior scientia. Nach den epochalen Fortschritten durch Eratosthenes und Hipparchos stagnierte in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. die mathematisch-astronomische Geographie als Fachrichtung im griechischen Sprachraum, während die Kulturgeographie und Ethnographie eine Blütezeit erlebten. Strabons Werk ist hierfür ein deutliches Beispiel, Er zieht eine Summe aus der hellenistischen literarischen Tradition der Anthropogeographie und trágt dem gestiegenen Ansehen der Disziplin Rechnung, wenn er verlangt, daß der ideale Geograph vielseitiger Kenntnisse auf allen Gebieten bedürfe, wie sie auch für einen Philosophen typisch seien*. An der distanzierten Einschätzung der Fachgeographie durch das breite Publikum ánderte sich auch in der frühen Kaiserzeit kaum etwas, nachdem Strabons Werk vorlag. Dies zeigt die Entschuldigung des Pomponius Mela? im Prooimion seiner Chorographia, sein Thema sei ein impeditum opus et facundiae minime capax, ein schwieriges Werk und kaum geeignet für eine rhetorisch-stilistisch glänzende Präsentation des Stoffes. Cicero ist unter den rhetorischen Autoren des 1. Jh. nicht der einzige, der ausdrücklich darauf hinweist, daß ein angehender Redner über profunde historische, chronologische und kulturgeographische (regionum descriptionem) Kenntnisse verfügen solle, wenngleich für einen perfectus orator Rhetorik, Philosophie und Rechtswissenschaft die Kerndisziplinen der Ausbildung blieben. Cicero, Vitruv und Quintilian kónnen aber als lateinische Zeugen für das erhöhte Gewicht gelten, das die als Sammlung von Exempla für die Praxis instrumentalisierte Geschichte in Rom erhielt$. Es entwickelte sich im LauVgl. zur ἐγκύκλιος xavócia Künnert 1961; zur ‚Geschichte‘ im antiken Unterricht und zur Bedeutung der Historiographie außerhalb des Unterrichtes NicoLA! 1992 und Hose 1994, 5-52. Eine fach-



ND

|

4

liche Ausbildung zum „Historiker“ oder „Geographen“ gab es in der Antike nicht. Man eignete sich die wichtigsten historisch-geographischen Kenntnisse im Verlauf der allgemeinen Sozialisation an. Cic. Att. 2,6,1. Cic. de or. 1,59 und Cic. Au. 2,6,1; 2,4,3 und 2,7,1 sowie über das geplante geographische Werk Ciceros auch WikAsjAK 1980, 541—546. Vgl. 1.1.1 C. 1-2 und hier Kapitel 1.1.4. Zum Rang der Geschichte siehe auch 1,2,8 C. 20; KOHNERT 1961, 91 unterschátzt den Umfang und miBversteht den Begriff der πολυμάθεια bei Strabon, wenn er erklärt: „Die von Strabon geforderte πολυμάθεια des Geographen ist also gewissermaßen eine dem

fachlichen Bedürfnis angepaBte ἐγκύκλιος παιδεία, die sich auf Grammatik (literarische Bildung),

S

Geometrie einschlicBlich der Arithmetik, Astronomie, Naturwissenschaft ... und Geschichte erstreckt." Vgl. über Mela die Ausgabe von SiLBERMAN 1988, 97f mit Parallelen zu dieser Klage, ferner BRODERSEN 1994. Facundiae kannten die Leser Melas aus fachgeographisch meist schwachen, aber stilistisch

glänzenden Exkursen der rümischen Historiker der späten Republik. Im frühen Prinzipat schrieb übri6

gens auch Seneca Traktate über Ägypten und Indien, die leider verloren sind. Glücklicherweise ist wenigstens die Germania des Tacitus erhalten. Vgl. Cic. deor. 1,18, 1,158, 1,165, 1, 201, 2,36, Cic. or. 120, Brut. 322, Quint. inst. 2,5, 12,4 und öfter,

8. Geschichte, Geographie und antiquarische Forschungen des 1. Th. v. Chr.

225

fe des Hellenismus wahrscheinlich in der alexandrinischen Gelehrtentradition und wohl schon vor dem Kanon der ‚zehn attischen Redner* ein Kanon der bedeutendsten griechischen Historiographen, zu denen im I. Jh. v. Chr. Herodot, Thukydides, Xenophon, Philistos, Theopomp, Ephoros, Kallisthenes und Timaios zählten’. Polybios wurde von Cicero trotz seiner angeblich mangelnden literarischen Qualitäten und des vermeintlich schlechteren, späthellenistischen Griechisch geschätzt. Doch von den Universalhistorikern werden weder Polybios noch seine Fortsetzer Poseidonios oder Strabon in der späten Republik oder der frühen Prinzipatszeit als kanonische griechische Historiker genannt, sondern lediglich Ephoros.

Zwischen der Geographie, der Naturkunde und der Historiographie bis auf Werktitel und nur wenige Fragmente leider nicht mehr erhaltene, benszeit aber sehr beliebte und vielfältige Literatur über Paradoxa Sehenswürdigkeiten und Wunderdinge der Natur, der Pflanzen-, Tier-

stand die heute in Strabons Leund Mirabilia, und Menschen-

welt, die auch seriöse Geographen und Historiker gerne in ihre Werke einbauten. Diese Gattung gab Strabon wichtige Anregungen für die Verbindung von Geographie und Ge-

schichte in einer neuartigen Enzyklopädie. Die Neigung zum Tradieren altbekannter Fabelgeschichten und interessanter Wunderdinge wirkte sich aber auf die Geographie und die Geschichte als antike Wissenschaften nachteilig aus. Das wertvolle neue Wissen, welches

an den Rändern der Oikumene vor allem durch die negotiatores und die arma Romana, Handel und militärische Exploration, erweitert wurde, fand dagegen in viel zu geringem Ausmaß in die gelehrten griechischen Geographie- und Geschichtswerke Aufnahme. Falis man es überhaupt verwertete, wurde es meist geringer geschätzt als die gelehrten literarischen Traditionen seit Homer. Vielen geographisch-historischen Autoren des Hellenismus fehlt zudem eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Ethnographen, Anthropologen und Kulturhistoriker aller Epochen, ein offener Blick für die Andersartigkeit und den Eigenwert der fremden Gebiete und Völker. Sie interpretieren deren Sitten, Institutionen und Religionen fast immer nach

griechischen (oder römischen) Kategorien, Vorurteilen und Stereotypen der Barbarenethnographie. Nur wenige bemühen sich um eine einfüblende, sozusagen eine ‚sympathische‘ Erkenntnis der Lebensweise und eigenständigen Traditionen der ‚barbarischen”

Randvölker. Heute gilt es als Binsenweisheit der Ethnologie, daß man ohne gründliche Kenntnis der Sprache eines fremden Stammes oder einer Nation deren Kultur und Weltanschauung nicht kennenlernen oder beschreiben kann. Doch nur die wenigsten griechischrömischen Geographen und Ethnographen bemühen sich, wenigstens einige der fremden Sprachen der Gebiete zu erlernen, über die sie schrieben. Rühmenswerte Ausnahmen sind 2.B. Eudoxos, der wohl auch afrikanische Sprachen beherrschte, und einige Römer, die aus militärischen oder ökonomischen Gründen außer Griechisch auch noch Keltisch oder Punisch erlernten®. Außer einer beschränkten Kenntnis des Lateinischen haben wir auch

oo.

keine Hinweise über weitere Fremdsprachenkenntnisse Strabons?. Vitr. 1,1,3-10 und auch Rhet. Her. 4,9,13; zur Interpretation siche Rawson 1972, 33-45 (auch in dies. 1991, 58-79), FLec 1993 und Griffin 1994, 689—728. . Vgl. zum Historikerkanon im 1. Jh. v. Chr. Cic. de or. 2,55-58 und Hortensius Fr. 15 Grilli. Insgesamt erreichten itatische Händter und Angchörige der politisch-militärischen Elite Roms schneller zumindest eine Jatcinisch-griechische Zweisprachigkeit als ihre griechischen Konkurrenten und Verhandlungspartner, die ähnlich heutigen Anglophonen außer ihrer lingua franca Griechisch nur selten Fremdsprachen lernten. Zur Kenntnis von Fremdsprachen unter Griechen und Rómern vgl. MoMIG-

Land 1975, 16-21, Franke 1992, 85-96, Weis 1992, 137-142, Werners Bibliographie, ebd. 233-252 9

sowie weit über Plutarchs Werke hinausführend STRoBACH 1997.

ZuStrabons geringen Lateinkenntnissen und lateinischen Quellen siehe ALv 1957, 114-134.

226

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

MoMGLIANO erkennt einige wichtige Trends in der hellenistischen gelehrten Fachliteratur des 1. Jh. v. Chr., die zugleich für die Universalhistorie und Oikumenegeographie

Strabons signifikant sind'?, Man edierte und kommentierte ältere Texte, sammelte frühe Traditionen über einzelne Poleis, Regionen, Heiligtümer, einzelne Gótter und Institutionen

und beschrieb systematisch und präzise Monumente. Biographen kompilierten gelehrte (Sammel-) Biographien von Politikern, Heerführern, Männern der Wissenschaft und der Literatur (den ἔνδοξοι ἄνδρες Strabons). Schließlich legte man auch gelehrte Monographien zu Spezialthemen oder Handbücher zur Chronologie vor. Die gesamten antiquarisch-historischen Studien des 1. Jh. v. Chr. zeichneten sich jedoch mehr durch ihren enzyklopüdischen Umfang und ihre umfassende Themenstellung als ihre fachlich-methodische Originalität aus. Antiquarische Literatur blieb ein wissenschaftliches Genus, in dem man sich bevorzugt der Formen des commentarius oder der ὑπομνήματα bediente. Antiquarische Werke erhoben geringere stilistische Ansprüche als Historien-Werke und waren stürker thematisch oder systematisch als streng chronologisch gegliedert. In der Zeit Caesars und des frühen Prinzipats erreichte die antiquarische Forschung in Rom ihren Gipfelpunkt, danach sank ihre Gelehrsamkeit immer mehr zur Kompilation, zu Exzerptensammlungen und Epitomai ab. Von der Mitte des 1. Jh. v. Chr. bis zur Schlacht

von Actium war der wissenschaftlich wohl wichtigste historisch-antiquarische Schrift-

steller in Rom Varro, dessen zahlreiche Werke aber leider offenbar von Strabon für sein

Geschichts- und Geographiewerk nicht benutzt werden! !.

|

Cornelius Alexander Polyhistor steht Strabon näher als Varro. Er kam ungefähr eine Generation vor Strabon als Kriegsgefangener unter Sulla nach Rom und lebte dort später als Freigelassener im Haus des C. Lentulus. Cornelius Alexander Polyhistor wurde zur Personifikation der Vielwisserei und Vielschreiberei. Ironisch sagt ein Artikel in der Suda über ihn, „Alexandros schrieb mehr Bücher, als man zählen kann“?. 25 Titel sind uns heute noch bekannt'?. Seine Schriften decken fast alle Bereiche der damaligen Gelehrsamkeit ab. Um die stilistisch-rhetorische Durcharbeitung seiner historisch-antiquarischgeographischen Studien kümmert er sich anscheinend nur in geringem Mabe. Aus seiner riesigen Produktion ist kein Werk vollständig erhalten geblieben, zahlreiche Fragmente und Testimonien erlauben aber die Einschätzung, daB er im literarischen Leben der ausge-

henden Republik seit der Zeit Sullas eine bedeutende Rolle spielte. Alexander Polyhistor

10

Vgl. MouicuaNo 1990, 54-79 sowie ders. 1950, 285-315 (auch in ders. 1966, 1-39), ferner FUHRMANN

11

Zu Varros historischen Fragmenten HRR Bd. 2, XXXII-XXXX und 9-25; zu seiner wissenschaftiicher Bedeutung siche BatN& 1963, FUHRMANN 1960, 69ff und zum Werk Varros im Spiegel seiner Zeitgenossen Bar 1997. Varro überträgt das Kunstprinzip der imitatio Graecorum auf das antiqua-

|

1987, 131-151.

risch-historische Gebiet. Er ist weniger eine Quelle dafür, wie es in der Frühzeit Roms wirklich gewesen ist, als vielmehr dafür, „wie er und seine Zeitgenossen sie in romantischer Rückwendung sehen

wollten". Varro hat BAiER zufolge in alexandrinischer Manier gelehrtes Wissen zusammengehäuft, eine absichtliche Verklärung der Vergangenheit gegenüber der Gegenwart beirieben und damit der folgenden augusteischen Restaurationspolitik auf kulturell-wissenschafllichem Gebiet vorgearbeitet. Einen guten Überblick über die Gattungsgeschichte der drei Disziplinen Geographie, Ge-

schichtsschreibung und antiquarische Literatur im 1. Jh. geben Rawson 1985 und Geier 1994, 689728; zu Varro als Geograph siehe SALLMANN 1971, 6-20 und Massaros 1992, 175-176 Notiz zu einem

Kongreß über Varro in Ricti 10.-12. Mai 1991. 12

|

FGrHist 273 T | = Suda A 1129 s.v. ᾿Αλέξανδρος ὁ Μιλήσιος; über Alexander Polyhistor und seine antiquarisch-historische Schrifistellerei vgl. FREUDENTHAL 1875, Jacogvs Kommentare zu FGrHist 213

und MÜLLER FHG 206—244. Einige Zeitgenossen legten ihm neben dem Spitznamen des , Vielforschers' (Polyhistor) sogar den zweiten ‚Historia‘ (d.h. ‚die Forschung in Person‘) bei, vgl. T 3 = Suet. De gramm. 20. WACHSMUTH lehrten.

1895, 239 charakterisiert ihn treffend als einen für seine Zeit typischen Ge-

13 Vgl. FGrHist 273 F 1-145.

8. Geschichte, Geographie und antiquarische Forschungen des 1. Jh. v. Chr.

227

gibt in seinen stoffreichen Materialsammlungen oft seine exzerpierten Quellenschriften an, wofür er vielleicht außer in den Werken des Kallimachos in den Zuvaryoyoi des Istros ein Vorbild fand. Die Schriften des Alexander Polyhistor machten das römische Lesepublikum mit Völkern und Literaturen bekannt, die ihm zuvor noch weitgehend unbekannt gewesen waren. Als Vermittler der Geschichte der Staaten, Religionen und Kulturen der östlichen Welt, die während der Epoche der Mithradatischen Kriege des Sulla, Lucullus und Pompeius so sehr in den Mittelpunkt des politisch-militärischen Interesses der Elite Roms rückte, ist Alexander vielleicht noch einflußreicher gewesen, als es die namentlich für ihn bezeugten Fragmente und Zitate andeuten. Alexander Polyhistor und Iuba II. von Mauretanien in monographischen Werken, Poseidonios und Strabon in ihren Universalhistorien folgten den Wünschen ihres zeitgenössischen Publikums, indem sie einen deutlichen Akzent auf die östlichen späthellenistischen Reiche, Religionen und Kulturen legten. Einige Fragınente Alexander Polyhistors deuten auch auf Mythen und Gründungsgeschichten von Städten als seine Lieblingsthemata. Cicero äußert sich recht abfällig über die Qualitäten eines weiteren zeitgenössischen Autors, des Alexander von Ephesos mit dem Beinamen ‚die Lampe* (λύχνος), den Strabon im 14. Buch der Geographika als einen etwas älteren Zeitgenossen erwähnt. Doch Alexander aus Ephesos war nach seinem Beinamen zu urteilen zumindest ein fleibiger und gelehrter Autor. Er verfaßte ein Geschichtswerk über den Marserkrieg und Lehrgedichte über Planeten und die Geographie der Kontinente. Diese Werke waren für Varro

und Dionysios Perihegetes bedeutende Quellen!*. Durch seine Gelehrsamkeit war Alex-

ander von Ephesos sowohl Strabon als auch Diodor sympathisch. Alexander verband au-

Berdem in seiner schriftstellerischen Produktion historische und geographische Schriften. Er stellte nämlich neben sein Geschichtswerk in Prosa zwei separate Lehrgedichte über

die mathematisch-astronomische und die Kulturgeographie. Doch eine echte Historik oder eine systematische Theorie der Geschichtsschreibung entwickelte sich in der klassischen und hellenistischen Antike nur in Ansätzen, obwohl eine Fülle an historischen Werken vorlag, aus denen man sie hätte ableiten können, Die wenigen Traktate zur Geschichtsschreibung, von denen wir vor Lukians kaiserzeitlicher und nicht als ernsthafter Beitrag zur Geschichtswissenschaft intendierter Schrift Πῶς dei

ἱστορίαν συγγράφειν überhaupt wissen, sind alle bis auf die Titel verloren'”. Historio-

graphie gehörte nach Meinung der meisten Leute zur Rhetorik, doch überlieferten die Rhetoren nur wenige Regeln, die sich fast immer auf Stilfragen oder auf die Disposition des Stoffes bezogen. Ihre Lehrbücher boten also keine Historik. Auch die Historiker selbst äußerten sich nur unsystematisch und meistens in Exkursen ihrer jeweiligen Werke über die Regeln der Historiographie, denen sie folgten. Thukydides und Polybios sind mit ihren ausführlichen methodologischen Ausführungen Ausnahmen. Die Traktate Tlepi totoρίας des Theophrast und des Praxiphanes sind verloren, und ihr Einfluß auf die helleni-

stische Historiographie bleibt daher schwer abzuschätzen!®, Varros Logistoricus oder Sisenna ist nur in einem einzigen Testimonium bei Aulus Gellius bezeugt und daher als

theoretisches Werk über Geschichtsschreibung und Geschichtsphilosophie des 1. Jh. v. Chr. in der Generation vor Strabon leider nicht mehr greifbar”. 14

Nach 14,1,25 C. 642 war Alexander Lychnos ein Politiker, Historiker über den Bürgerkrieg in Ron

und Verfasser zweier Lehrgedichte über die Position der Himmelskörper und über die geographisc e

Beschreibung der Kontinente. Das abfällige Urteil Ciceros bezieht sich auf die Lehrgedichte Alan non inutilis", vgl.

poeta, sed ders; Cic. Aut. 2,22,7 nennt ihn einen „neglegens homo et non bonus

SUSEMHL 1891 (ND 1965) Bd. 1, 308. 15

16 17

Vgl. dazu AvENARIUS 1956.

Vgl. Cic. de or. 2,62 und or. 39, Diog. Laert. 5,47 und Marcellinus, Vita Thuk. 29. Gell. 16,9,5.

228

IT. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Als Strabon seine universalhistorische und geographische Enzyklopädie verfafite, konnte er also noch nicht auf feste Regeln dieser beiden Gattungen zurückgreifen. Besonders für das Problem der Verknüpfung von geographisch-ethnographischem Material und politisch-militárischem Ereignisbericht gab es verschiedene, jeweils angesehene Vorbilder, aber noch keine anerkannte Methode. Die Historika Hypomnemata und Geographika Strabons unterscheiden sich in diesem Punkt ihrer Komposition deutlich sowohl von ihren hellenistischen Vorgängern als auch den augusteischen Konkurrenzwerken. Einer methodisch konsequent begründeten und praktisch durchgeführten Verbindung von Kulturgeographie und Universalgeschichte zu einer einzigen enzyklopádischen Disziplin, wie sie Strabon vorschwebte, stand jedoch während der ganzen Antike die Zuordnung der beiden Grunddisziplinen zu getrennten Fächern des Schulbetriebes der ἐγκύκλιος παιδεία in nicht geringem Maße im Wege.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes 9. STRABON

UND

DIE UNIVERSALHISTORIE

229

DES TIMAGENES

1. Timagenes als frühester augusteischer Universalhistoriker Die griechische Universalhistorie erlebte als besonders angemessene historiographische Form zur Beschreibung der neuen politischen Rahmenbedingungen des Prinzipates und des augusteischen Oikumenereiches in der Zeit des ersten Prinzeps ihre größte Blütephase in der gesamten heidnischen Antike. Unter den augusteischen Universalhistorikern Timagenes, Pompeius Trogus, Nikolaos von Damaskos und Strabon veröffentlichte Timagenes von Alexandreia! sein Werk als erster. Strabon hat es schon in seinen Historika

Hypomnemata und spáter zu Gallien und zu Indien erneut auch für seine Geographika benutzt. Schon diese Beobachtungen rechtfertigen eine gründliche Behandlung des Timagenes. Einige Bemerkungen zum Zusammenhang zwischen der Biographie des Timagenes und seinen Geschichtswerken, zur Abfassungszeit des Hauptwerkes rnit dem für seine Gattung auffälligen Titel Περὶ βασιλέων (Über die Könige), zum Werkumfang, zu methodisch-thematischen Akzenten sowie zum Rang des Timagenes als Quelle Strabons soHen einen Eindruck von einem Geschichtswerk vermitteln, das als direkte literarische Konkurrenz unmittelbar vor Strabons Historika Hypomnemata erschien. Antike Testimonien räumen dem Geschichtswerk des Timagenes einen beachtlichen historiographischen und stilistischen Rang ein. Sie erwähnen ihn auch als bekannten Rhetor und Lehrer der Rhetorik. Die persónliche Bekanntschaft mit M. Antonius, spáter mit dem Prinzeps Augustus sowie dem literarisch wie politisch bedeutenden Asinius Pollio,

sein mehrfach bezeugter jähzorniger Charakter und seine angebliche trotzige literarische ‚Opposition‘ gegen Augustus haben Timagenes das Interesse biographischer und anekdotisch-philosophischer Autoren gesichert. Doch ist die Zah] der unter dem Namen des Timagenes sicher überlieferten Fragmente erstaunlich gering. Sie steht im auffälligen Mif verhültnis zu bisweilen weitreichenden Hypothesen über die Bedeutung des Timagenes als unmittelbarer Quelle Strabons und des Pompeius Trogus oder auch Zwischenquelle anderer Autoren. Weil unser gesichertes Wissen über Leben und Werke des Timagenes so beschrünkt 1512, empfiehlt sich vorsichtige Zurückhaltung in der Zuweisung bestimmter Passagen zu Timagenes und im Urteil über seine Werke. Timagenes ist der einzige augusteische Universalhistoriker, über den in der Antike wohl eher wegen seines interessanten persünlichen Werdeganges als wegen seines überlegenen literarisch-historiographischen Ranges eine Biographie verfaßt wurde. Bedauerlicherweise hat sich diese kaiserzeitliche Biographie des Euagoras von Lindos? nicht erhalten. Sie ist jedoch eine Quelle der Sudanotizen über Timagenes. Der Rhetor und Historiker Timagenes stammte aus Alexandreia und war bei der Restitution des Ptolemaios Auletes 55 v. Chr. durch Gabinius gefangengenommen und als Sklave nach Rom deportiert worden‘, Dort wurde er aber schon bald freigelassen. Die Unterstellungen des älteren Seneca über die frühe Karriere des Timagenes in Rom, er sei „ex captivo cocus, ex coco ] 2

Alle Zeugnisse über Timagenes und Fragmenie seines Werkes werden nach FGrHist 88 zitiert. lacobv sammelt elf Testimonien über Leben und Werke. Es gibt nur ein einziges, wenig aussagekräfges lexikographisches Fragment mit fester Buchzahl aus dem Hauptwerk Über die Könige und weitere elf namentlich bezeugte, sichere Fragmente ohne Buchangabe, F 13 hält Jacopy zu Recht für unecht, und im Anhang JACOBYS sind noch zwei Stellen aus Ammianus, die in den Kontext von F 2 gehören könnten, als F 14-15 aufgenommen. JacoBvs knappe Kommentare zu Timagenes finden sich in FGrHist ΠΟ p. 220-228; ferner siche einführend zu Timagenes unter den älteren Studien von GurscuMip 1882,

548—555 (auch in ders. 1894, 218-227), Laqueur 1936, 1063-1071, Kaensr 1897, 621-657 und zum heutigen Stand der Diskussion Sort 1982, 775-797.

3 4

Suda E3363 s.v. Εὐαγόρας z T 11. Vgl Suda T 588 s.v. Τιμαγένης 5 T 1.

230

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

lecticarius" (vom Gefangenen zum Koch, vom Koch zum Sänftenträger) geworden, entsprechen Topoi der Denigration in der Rhetorik und der Komödie und entbehren wohl einer glaubhaften sachlichen Grundlage?. Timagenes betätigte sich seit dem Ende der 50er und in den 40er Jahren in Rom als geachteter Lehrer der Rhetorik und wurde auf diesem Wege mit M. Antonius als seinem ersten patronus bekannt. Er stellte später den wichtigen Kontakt zwischen M. Antonius und Alexas von Laodikeia her, der unter den kleinasiati-

schen Honoratioren einflußreich war. Timagenes gehörte zu der buntgemischten Schar der Freunde des Triumvirn Antonius, denen dieser bedeutende politische Aufträge gab

und die er mit einfühlsamem Verständnis für die östlichen Traditionen nach dem Vorbild hellenistischer Monarchen in wichtige politisch-militürische Positionen einsetzte®. Für einen Mann, der von einigen modernen Forschern zum Exponenten des geistigen

Widerstandes gegen die rómische Weltherrschaft und den Prinzipat des Augustus erklärt wurde, gelang es Timagenes - allerdings nicht als einzigem der griechischen Intellektuellen aus dem Umkreis des Antonius - erstaunlich elegant noch kurz vor (oder spätestens unmittelbar nach) der Schlacht von Actium, die ‚Wende‘ in das siegreiche Lager des Augustus zu vollziehen?. Als Dokumentation dieser Wende darf man sich die enkomiastisch-

biographischen Historiae rerum gestarum (bzw. Πράξεις) des Augustus vorstellen, die Timagenes ganz zu Anfang des Prinzipates und noch vor seinem Hauptwerk, der Universalhistorie Über die Könige, verfaßte. In welchem Jahre genau sein Bruch mit dem Prinzeps Augustus erfolgte, wird aus der Überlieferung nicht deutlich. Die Zeugnisse legen aber nahe, daß keineswegs prinzipielle Opposition gegen die neue Verfassungsordnung oder gar politische Aktivitäten des Timagenes im Widerstand gegen Augustus zum dauerhaften Bruch der persönlichen Freundschaft führten. Sie geben fast einmütig dem jähzormigen Charakter des Timagenes und seinen mit den neuen Gepflogenheiten des augustei-

schen Hofes nicht mehr zu vereinbarenden offenen, manchmal sogar beleidigenden Re-

den die Schuld. Timagenes verbrannte nach diesem Bruch mit Augustus demonstrativ sein früheres Werk über dessen res gestae und zog sich in den Schutz des literarischen

Zirkels seines dritten Patrons zurück, des Konsulars und Historikers Asinius Polliof, Hier

unterhielt er im Alter das hauptstädtische Publikum durch scharfzüngige Bonmots. Diese blieben aber politisch folgenlos und wurden von den Zeitgenossen offenbar nicht als Manifest einer literarischen Opposition gegen Augustus interpretiert. Von einer Verwicklung des Timagenes in eine der Verschwörungen gegen Augustus, deren gefährlichste bekanntlich von hochstehenden Römern und nicht von griechischen Intellektuellen ausgingen, hören wir nichts. Es mag also für die römischen Aristokraten, in deren Häusern Timagenes ein- und ausging, vor allem zur Unterhaltung beigetragen haben und bedeutete indirekt sogar für Augustus und Agrippa ein Kompliment für ihre bauliche Umwandlung und Verschönerung der Hauptstadt, wenn Timagenes äußerte, daß ihn Brände in der Reichshauptstadt Rom nur aus dem einzigen Grund betrübt machten, weil die neuen Gebäude dann noch viel schöner und besser erbaut würden als die alten?. Das genaue Todesdatum des Timagenes in hohem Alter ist unbekannt, wird aber wohl noch in der Regierungszeit des Augustus hegen.

|

Vermutlich nur wenige Jahre älter als Strabon, ist Timagenes mit diesem in seiner gründlichen hellenistischen Bildung gut vergleichbar. Timagenes stand aber in engeren persönlichen Kontakten zu führenden Römern seiner Zeit als Strabon, selbst falls diesen

D

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seine Freundschaft mit Aelius Gallus schon früh in Verbindung mit Freunden des späteren Sen. Plut. Sen. Vgl, Sen.

Contr. 10,5,22 =T 2. Ant. 72,3 z T 5. Contr. 10,5,22 (in amicitiam Caesaris enixus) Ξ T 2. Sen. de ira 3,23,4—6 =T 3. epist. 91,132 ΤΆ.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagencs

23]

Prinzeps Tiberius gebracht haben sollte. Seine Bekanntschaften haben dem späteren literarischen Ansehen des Timagenes gewiß genützt. Andererseits sprechen seine berufliche Tätigkeit als Rhetoriklehrer in Rom und das Fehlen aller biographischen Zeugnisse über einen höheren Rang seiner Familie dafür, daß Timagenes aus einer einfacheren Familie stammte als Strabon und nicht über die reichen materiellen Mittel verfügte, die diesem

lange Reisen, Studien an verschiedenen Orten und die Existenz eines Gelehrten ermöglichten. Timagenes stammte aus Alexandreia, der Metropole der hellenistischen Kulturwelt

und während der ersten Lebenshälfte des Timagenes auch noch der Hauptstadt des traditionsreichen Ptolemäerkônigreiches. Später lebte er wahrscheinlich längere Zeit in der Hauptstadt Rom als Strabon. Die verschiedenen Lebensläufe und Familienverhältnisse Strabons und des Timagenes mögen durchaus eine Rolle spielen zur Erklärung ihrer

unterschiedlichen Bewertung der Liquidierung des Ptolemäerreiches, der seleukidischen und mithradatischen Monarchien durch Rom oder in ihrer unterschiedlichen Einschátzung führender Rômer der späten Republik und des frühen Prinzipates. 2. Die Werke des Timagenes: Charakteristik und Zeitraum ihrer Entstehung

Ein Artikel der Suda über Timagenes schreibt ihm viele Werke zu, von denen wir jedoch nur noch eine monographische und wahrscheinlich enkomiastisch-biographisch orientierte Historia rerum gestarum des Augustus und vor allem, wenn auch nur in wenigen Te-

stimonien und Fragmenten, das in den ersten Jahren der Prinzipatszeit entstandene histo-

riographische Hauptwerk Über die Könige kennen. Dicses ist eine hellenistische Uni-

versalgeschichte, die nach dem auffälligen Titel und wenigen erhaltenen Fragmente zu urteilen die Geschichte der Monarchen und Monarchien des hellenistischen Ostens, be-

sonders der Ptolemäer, Seleukiden und Hasmonäer als einen Schwerpunkt hat!!. Man kónnte vielleicht von einem dynastischen Gliederungsprinzip des Stoffes der Diadochengeschichte bei Timagenes sprechen, der damit von den konkurrierenden Schemata des Ephoros, der annalistischen Ordnung des Diodor und der rómischen Historiker, aber auch

dem Akzent auf den geographisch-politischen Zusammenhängen der Diadochenzeit bei

Strabon abweicht!?. Die Fragmente über Ptolemaios Soter, Antiochos Epiphanes, Aristo-

bulos oder Ptolemaios Auletes scheinen auf ein historisches Werk hinzudeuten, das weit

über genealogische oder rein biographisch orientierte Herrscherkataloge einzelner Kónigshäuser und Dynastien!? hinausführte. Indem Timagenes trotz seines Schwerpunktes auf 10

11

Vgl. T 1, ferner zur Monographie über die Taten des Augustus T 2 und T 3; zum Werktitel ist F 1 das einzige Zeugnis.

Vgl Curt. 9,5,21 =F 3 über Ptolemaios L als Somatophylax Alexanders im Jahre 326 v. Chr. auf dem

Alexanderzug, das zeitlich früheste hellenistische Fragment; Ios. c. Ap. 2,83f =F 4 über Antiochos IV. Epiphanes und die Profanierung und Plünderung des jüdischen Tempels in Jerusalem; F 5 über den milden und umgänglichen Charakter des Hasmonäers Aristobulos, Sohn des Hyrkanos, in einem wörtlichen Zitat der Historika Hypomnemata Sirabons (los. ant. lud. 13,319 = FGrHist 91 F 11); Plut.

Pomp. 49,13f = F 9 über die Flucht des Ptolemaios XII. Auletes aus Ägypten 58 v. Chr., die ohne ausreichenden Grund erfolgt und nicht notwendig gewesen sei. Aulctes sei vielmehr dazu durch Theophanes überredet worden, der Pompeius Gelegenheit zu profitablen Geldgeschäften und die Basis für einen neuen Feldzug habe verschaffen wollen. Dieses wichtige Fragment deutet eine kritische Einschätzung der ptolemäischen Ratgeber des Aulctes, besonders des Theophanes, sowie auch eine nicht ein-

12

deutig positive Meinung über den Charakter des Pompeius an. Jacony FGrHist [IC p. 220f betont nachdrücklich das dynastische Prinzip als Eigentümlichkeit der

13

Werkökonomie des Timagenes. Wir kennen meistens nur die Titel solcher Werke. Sie enthalten auf bestimmte Städte, Regionen oder

Völker beschränkte oder nach Dynastien geordnete biographische Herrscherkataloge. Einige solcher Werke werden im Teil IV A der FGrHist gesammelt werden. Ich nenne hier nur einige Beispiele von

232

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

die Geschichte der östlichen hellenistischen Reiche ausführlich auch die nordwestlichen Gebiete der Kelten'? einschloß, erweiterte er seine Diadochengeschichte zu einer nach Dynastien oder Einzelherrschern strukturierten Universalhistorie, einer eigenständigen Variante der hellenistischen Geschichtswerke!?, Der Werktitel sollte indessen keinen voreiligen Anlaß für Spekulationen über eine romkritische Tendenz geben. Die Verteilung des Stoffes bei Timagenes auf einzelne Bücher, selbst die Buchzahl

seiner Universalhistorie sind unbekannt. Daher ist ein Vergleich mit Strabons Werk in diesem Punkt nicht möglich. Über die Könige begann schon in der mythischen Epoche, wie das einzige mit Buchzahl aus dem 1. Buch überlieferte Fragment über die Milyer andeutet!®, und reichte sicher bis in die Lebenszeit des Verfassers zu Pompeius und Caesar mit der Restitution des Ptolemaios Auletes und der Eroberung Galliens durch Cae-

sar". Aus den Fragmenten und Testimonien werden jedoch keine sicheren Hinweise darauf erkennbar, daß Timagenes in seinem Hauptwerk auch noch den Beginn des Prinzipats behandelt hätte!®. In der Tat dürfte es selbst für einen geübten Rhetor wie Timagenes schwierig gewesen sein, die unter Augustus 27 v. Chr. ‚wiederhergestellte Republik“ und den Ersten Bürger Augustus in einer universalhistorischen Darstellung der Diadochenzeit anhand einzelner Dynastien und Einzelherrscher als Abschluf zu behandeln, ohne dadurch Augustus in die Nachfolge dieser hellenistischen Kónige zu rücken. Kontinuitátslinien von den späthellenistischen Dynasten zum Prinzeps Augustus aufzuzeigen, war aber sicherlich im Kaiserhaus im ersten Jahrzehnt nach Actium unerwünscht.

Wenn wir nicht durch die zufällig überlieferten Fragmente irregeführt werden, darf

man allerdings eine ausführliche Behandlung der Diadochenepoche von der Begründung

vermutlich mit dem Werk des Timagenes vergleichbaren Werken, die nach dem Titel zu urteilen von

mehr als einen Herrscher handeln. Timagenes scheint unter diesen der einzige Autor zu sein, der einen

eher biographisch-monographischen Titel für eine universalhistorisch akzentuierte Diadochengeschichte wählt. Vgl.: Phainias von Eresos, Περὶ τῶν ἐν Σικελίᾳ τυράννων (Fr. 11-13 Wehrli = FGrHist IV A 1. 1012 F 1-2 Engels), Anaximenes von Lampsakos, Βασιλέων μεταλλαγαί (FGrHist 72 F 18-19),

Baton von Sinope, Περὶ τῶν ἐν Ἐφέσῳ τυράννων (FGrHist 268 F 2-3) und ev. Περὶ τῶν ἐν Συρακού-

σαῖς τυράννων, Charon von Naukratis, Βασιλεῖς οἱ ἐκ παλαιοῦ γεγονότες παρ᾽ ἑκάστῳ Εθνει

(FGrHist ΠΑ p. 317 und FGrHist 612 T 1), Charon von Karthago, Τύραννοι ὅσοι ἐν τῇ Εὐρώπῃ καὶ

᾿Ασίᾳ γεγόνασι (FGrHist HA p. 318), Demetrios, Περὶ τῶν ἐν τῇ Ἰουδαίᾳ βασιλέων (FGrHist 722F 1-6), Dionysios Metathemenos von Herakleia, Περὶ ἀρχαίων βασιλέων, Eupolemos, Περὶ τῶν Ev

Ἰουδαίᾳ βασιλέων (FGrHist 723 F 1-4), Menandros von Ephesos, Ai ἐφ᾽ ἑκάστου τῶν βασιλέων

πράξεις οἱ παρὰ τοῖς Ἕλλησι καὶ βαρβάροις γενόμεναι (FGrHist TEA p. 318 und FGrHist 783), Nikandros von Kalchedon, Περιπέταιαι (τῶν τῆς Βιθυνίας βασιλέων) (FGrHist 700), Atbenaios von Naukratis, Περὶ τῶν ἐν Συρίᾳ βεβασιλευκότων (FGrHist 166), Hesychios von Milet, Πράξεις τῶν Ῥωμαίων βασιλέων καὶ ai δυναστεῖαι τῶν κατὰ ἔθνος κρατοῦντων τυράννων (auch Χρονικὴ ἱστοpia genannt, fast sicher nur eine Zeittafel), Justus von Tiberias, Ἰουδαίων βασιλεῖς OÙ ἐν τοῖς στέμμασιν (FGrHist 734 F 1-3), Clemens, Ῥωμαίων βασιλεῖς καὶ αὐτοκράτορες (FGrHist 102 T 1); in der lateinischen Literatur ist an Cornelius Nepos’ De regibus zu erinnern, unter den griechischen Papy-

rusfragmenten an ptolemäische Herrschergenealogien und ähnliche Texte, die GarLo 1975 und 1980

15

sammelt. Vgl. zu den Kelten F 2= Amm. 15,9,2-8, eventuell auch F 14-15 sowie F 11=4,1 ,13 C. 188 und über den Alpenraum F 7 = Plin. nat. 3,132. Strabon schließt in den Geographika geme im Rahmen seiner Beschreibungen der Kemräume einzelner Reiche einen chronologisch geordneten dynasüschen Exkurs an, der bei den Attaliden und Ptolemäern viel ausführlicher als bei den Scleukiden ist und alle wichtigen Herrscher dieser Dynastien von ihrer Begründung bis zum Aufgehen der Diadochenreiche in das rómische Reich berührt.

16

F1= Steph. Byz. s.v. Μιλύαι.

14

17

18

Vgl. F2, 7,9, 11 und 13.

Jaconv sicht T 2-3 als Indizien dafür an, daB von Timagenes auch noch einige Jahre der augusteischen

Zeit in der Universalhistorie behandelt wurden, doch meiner Meinung nach ist in T 2-3 lediglich von der Behandlung der res gestae des Augustus in der separaten und früheren Monographie des Timagenes die Rede.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes

233

des Ptolemäerreiches bis zum Untergang des Seleukiden- und Ptolemäerreiches vermuten. Timagenes und Strabon eint ein reges Interesse an der jüdisch-hasmonäischen Geschichte und eine gegenüber dem Judentum und einzelnen Hasmonäerherrschern weniger feindselige Tendenz, als sie bei vielen anderen griechischen und römischen Autoren vor-

herrscht!?. Die Plünderung des Tempels in Jerusalem durch Antiochos IV. berichten Timagenes und Strabon beide in ihren Geschichtswerken??, Strabon zitiert zustimmend die positive Charakteristik des Aristobulos durch Timagenes?!. Beide Historiker schildern die Grausamkeiten, die Ptolemaios auch an der jüdischen Zivilbevölkerung nach seinem Sieg in der blutigen Schlacht von Asophon verüben lie". Jacogy nimmt an, daB Strabon Material aus dem Werk des Timagenes, das dieser dort über Judäa, jüdische Geschichte und die Könige der Juden verstreut geboten habe, für die Historika Hypomnemata und das 16. Buch der Geographika zusammengestellt und dabei verkürzt habe??. Die vermutete ursprüngliche Anordnung des Materials bei Timagenes, die JacoBY in einem komplizierten Argumentationsgang rekonstruieren will, scheint mir jedoch nicht überzeugend, weil sie dem dynastischen Gliederungsschema des Geschichtswerkes Uber die Kónige widerspricht. Eine zusammenhängende Geschichtserzühlung der Diadochenzeit nach den herrschenden Dynastien konnte im Hellenismus das Material über die Juden nach der Sezession des Makkabäer- und während der Dauer des Hasmonäerreiches nicht mehr auf die Geschichte der Ptolemäer- und Seleukidenreiche verteilen. GroBes Interesse an der Geschichte des Ptolemäerreichs und gute Kenntnisse der gesamten Geschichte der Dynastie darf man bei dem Alexandriner Timagenes erwarten. Die Fragmente über Ptolemaios, den

Begründer der Dynastie, und über Ptolemaios Auletes am unrühmlichen Ende der Dynastie bestätigen dies.

Geographisch konzentriert sich das Hauptwerk des Timagenes keineswegs auf Rom als Hauptstadt der Mittelmeeroikumene, sondern behandelt sowohl die Ereignisse und Räume der keltischen als auch vor allem der östlichen Reichsteile und schließt sogar noch Indien ein. Bedauerlicherweise haben wir kein Zeugnis dafür, daß Timagenes auch den Kernraum und die dynastische Geschichte des Partherreiches einbezogen hat. Aber dies ist angesichts des Fragmentes über Indien und der Behandlung der Seleukidengeschichte unter Antiochos IV. wahrscheinlich. In diesem Falle wäre die bekannte Anspielung des Livius auf die romfeindliche Tendenz einiger griechischer Historiker noch leichter auch auf Timagenes zu beziehen. Timagenes ist -- wie Dionysios von Halikarnassos oder Kaikilios von Kale Akte -

schon zu den augusteischen Vertretern des Attizismus zu zühlen?. Wir können aber aus

den wenigen Fragmenten des Timagenes nicht abschätzen, ob diese Einstellung auch wesentliche Folgen für den Stil seines Geschichtswerkes hatte. Wenn Timagenes mit seinem

Geschichtswerk seine literaturästhetische attizistische Einstellung praktisch demonstrieren wollte, mußte er auf die durch Poseidonios und Agatharchides zur einsamen Höhe gebrachten Kabinettstücke der hellenistischen Kunstprosa, auf pathetisch-emotionale Pas19

20

Vgl. die verdienstvolle Sammlung ὅτεκνς 1974-1984 von Texten griechisch-rómischer Autoren; zu

einigen Zeitgenossen Strabons und des Timagenes siehe ebd. Bd. 1 und FELDMAN 1953, 73-80. F4=Strabon FGrHist 91 F 10.

21

F5=Strabon FGrHist 91 F 11.

22 23 24 25

F6= Strabon FGrHist 91 F 12. Vgl. Jacopy Komm. zu F 4-6 p. 226. F12=15,1,57C, 711. Vgl. zum Attizismus des Timagenes und der Auseinandersetzung mit dem Asianer Kraton T 2; über die literaturásthetische und politische Bedeutung des Attizismus Bowersock 1979, 57-75 (mit Diskus-

sion 76-78), Lasserre 1979, 135-163 (mit Diskussion 164-173). Strabon war kein Autizist, aber z.B.

mit den programmatischen Werken des Kaikilios von Kale Akte vertraut, vgl. seine Theorie der ‚Ko-

lossurgia' in 1,1,23 C. 13-14 und oben Kapitel 15.7.

234

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

sagen oder große Prachtreden, verzichten, die er als professioneller Rhetor zweifelsohne beherrschte. In der Überlieferungsgeschichte hat die Nähe seiner Universalhistorie zum Attizismus Timagenes gegenüber Strabon einen gewissen Vorteil verschafft, konnte aber dennoch ıhren Verlust bis auf wenige Fragmente nicht verhindern. Obwohl in seiner geistigen Einstellung gleichfalls ein Klassizist, steht Strabon sprachlich der hellenistischen Gelehrtensprache des Polybios und Diodor näher. Strabon schließt sich im Honoratiorenkatalog von Magnesia der in der ciceronianischen und augusteischen Zeit üblichen Be-

wertung an, daß Hegesias?® aus Magnesia ein typischer Exponent des ,Asianismus* sei, ohne Hegesias ähnlich scharf persönlich anzugreifen wie Dionysios von Halikarnassos. Die Debatte im augusteischen Rom über den Attizismus zwischen Dionysios von Halikarnassos, Kaikilios von Kale Akte, Timagenes und anderen auf der einen Seite und den prominenten Asianern der damaligen Zeit auf der anderen Seite war Strabon als gebildetem Zeitgenossen und Schriftsteller vertraut. 3. Timagenes als angeblicher Vertreter einer ‚literarischen Opposition‘ gegen den augusteischen Prinzipat Timagenes ist in der Forschung mehrfach als ein Vertreter einer deutlichen literarischen

Kritik an der römischen Weltherrschaft und am Prinzipat des Augustus in der zeitgenóssischen Historiographie, sogar manchmal als Exponent einer literarischen ,Opposition‘ unter den Griechen bezeichnet worden. Mit einer solchen Haltung wáre er unter den augusteischen Universalhistorikern der genaue Antipode der politischen Position Strabons. Es fragt sich aber, wieviele sichere Zeugnisse wir über die politische Tendenz des Tima-

genes besitzen, worauf genau sich seine angebliche Kritik bezog und wie sinnvoll überhaupt unter den Bedingungen des augusteischen Prinzipats der moderne Begriff der literarischen ‚Opposition‘ oder des ‚geistigen Widerstandes gegen Rom‘ verwendet werden kann.

Literarische oder in unserem Zusammenhang

noch práziser gesagt historiographische

Opposition gegen das neue System des Prinzipats setzt begrifflich voraus, daB dic strukturelle Neuartigkeit und Dauerhaftigkeit dieser Verfassungsform als eines politischen Systems von Timagenes schon erkannt worden wäre. In der augusteischen Regierungszeit

aber entfaltete sich das neue System erst schrittweise, bevor es mit dem Übergang von seinern Gründer auf den zweiten Prinzeps Tiberius seine entscheidende Konsolidierung

erlebte. Eine literarische oder historiographische Opposition gegen den Prinzipat, die über

nachweisbare Kritik an einzelnen Eigenschaften, Einstellungen oder Handlungen des Prinzeps und anderer Mitglieder des kaiserlichen Hauses hinausgehen wollte, hätte auch das neue System selbst kritisieren müssen, indem sie konkrete Alternativen zur Prinzipatsordnung hätte aufzeigen müssen. Aber realistische Alternativen wurden weder zwischen 31 v. und 14 n. Chr. noch nach dem Tod des Augustus vorgestellt. Der römischen Republik trauerten ohnehin cher rómisch-senatorische nobiles als griechische Historiker und Lite-

raten nach. Niemand von diesen plädierte ernsthaft für eine Rückkehr zu den Verhältnis-

sen der spáten Republik.

Eine literarische Opposition und der gesamte geistige Widerstand gegen Rom hatten nach der Errichtung des augusteischen Prinzipats ihren notwendigen machtpolitischen Rückhalt in der Existenz eines auch militärisch-politisch starken Widerstandszentrums und einer Alternative zu Roms Herrschaft durch die Existenz der hellenistischen Monar26

Vgl zu Hegesias und dem ἀσιανὸς ζῆλος 14,1,41 C. 648. Von den einfluBreichen und bekannten rhetorischen und historischen Werken des Hegesias sind nur spärliche Fragmente erhalten, zu den Geschichtswerken vgl. FGrHist 142 F 3-5. Dionysios von Halikarnassos und Ps.-Longin, De subl. 3,2 sehen in ihm einen Hauptvertreter des Asianismus.

9, Strabon und die Universalhistorie des Timagenes

235

chien des 2. und frühen 1. Jh. v. Chr. verloren??. Außerdem ist grundsätzlich die Übertragung des politischen Begriffs ‚Opposition‘ aus dem

19. und 20. Jh., als er ein breites

Spektrum von Handlungen, Einstellungen oder AuBerungen einzelner Personen oder organisierter Gruppen bezeichnete, auf die Bedingungen des rómischen Prinzipates problemausch*. Schon unter Augustus überwogen

die enkomiastisch-biographischen oder kaiser-

freundlichen historiographischen Werke kritische Äußerungen. Dies belegen die Schriften des Iulius Marathus, C. Drusus, Iulius Saturninus und Aquilius Niger, besonders aber die enkomiastische Biographie des Nikolaos von Damaskos. Dies ist wenig überraschend, und der Trend verstärkte sich noch nach der Konsolidierung des Kaiserreiches. Es gab aber auch einige Werke, die gegenüber der Person des Augustus kritisch eingestellt waren. Sie klagten besonders häufig seine Grausamkeit in der Bürgerkriegsperiode von 44/

43 bis 31 v. Chr. und seine Beteiligung an den damaligen Proskriptionen an. Solche kritischen Werke haben ohne Namensnennung der Autoren ihren Niederschlag in der Biographie Suetons über Augustus oder im sehr ambivalenten Urteil des Doppelnekrologes der

Annalen des Tacitus gefunden?”. Kritik gegen den Triumvirn Octavian betraf aber weder

die spätere Position des Augustus während der Prinzipatszeit nach 31 oder 27 v. Chr. noch das System der Prinzipatsordnung an sich. Die meist griechischsprachigen Universalhistoriker und Biographen traten sofort in die spürbare Lücke ein, die sich mit Beginn der neuen monarchischen Regierungsform in der traditionellen lateinischen rómisch-senatorischen Zeitgeschichtsschreibung auftat. Wir kennen námlich nur wenige historiographisch aktive Senatoren unter Augustus mit einem Schwerpunkt ihrer Werke auf der Zeitgeschichte. L. Arruntius, der Konsul von 22 v. Chr. schrieb lieber eine Geschichte des Punischen Krieges im archaisierend-sallustischen Stil. Das einzige Fragment aus den Res Romanae des Clodius Licinus, Suffektkonsul 4 n. Chr., weist nicht in die augusteische Ára, sondern gleichfalls auf die Punischen und Makedonischen Kriege des späten 3. und frühen 2. Jh. Octavius Musa, Octavius Ruso und L. Fur-

nius bleiben für uns bloße Namen und müssen daher aus der Diskussion ausgeschlossen werden??, Selbst der spätere Kaiser Claudius eckte indessen in seiner Jugend mit seiner

Geschichte der Bürgerkriege am Hofe an?!. Asinius Pollio hat während der Prinzipatszeit seine Rolle als unabhängiger und kritischer Historiker der Bürgerkriegsepoche Roms mit derjenigen eines literarischen Patrons, Rivalen des Maecenas und angesehenen Senators vertauscht. Ohnehin gingen seine Historiae, die manches offene Wort auch über die ersten Taten von Caesars Erben enthalten haben mögen, kaum über Philippi und das Jahr 42

v. Chr. hinaus. Mit einer vorsichtig übertragenen Formulierung könnte man statt von ,Widerstand‘ oder ‚Opposition‘ bei Pollio und ihm nahestehenden Literaten wie Timagenes

vielleicht zutreffender von ‚demonstrativer Verweigerung‘ oder ‚innerer Emigration‘ im Verhältnis zum novus status sprechen??, Cremutius Cordus war weder ein demonstrativer 27

Zur notwendigen Stütze des literarisch-geistigen durch den politisch-militärischen Widerstand siehe

28

schon DENNINGER 1971, 262—273. Vgl. zur Geschichtsschreibung und Prinzipatsopposition TIMPE 1987, insb. 65-76 (mit Diskussion 96-

102); skeptisch gegenüber der Nützlichkeit des Begriffes ‚literarische Opposition“ im augusteischen Kontext ist auch Not 1984, 34-37; zu den hellenistischen Traditionen des politischen und literarischen Widerstandes gegen Rom siche VoLKMANN 1964, 9-20 (auch in ders. 1975, 141-154), Fuchs 1964,

29

15,40 und 43f über Timagenes, Bowersock 1965, 101—111 und Cancık-LINDEMAIER und Cancık 1987, 169-189. Vel. Suet. Aug. 55-56 und Tac. ann. 1,9-10.

30 31 32

Vgl. ScHANz 1911, 454-458, Suet. Claud, 41,1f. Vel. zu Pollio auch Tac, ann. 4,34,4; grundlegend blcibt zum Werk des Asinius Pollio ANDRÉ 1949;

Siehe femer Zecchmi 1982, 1279f und zum Verhältnis des Asinius Pollio zu Augustus BoswortH 1972,

236

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Anhänger noch ein aktiver Gegner des Augustus. Der Prinzeps ist sogar als Zuhörer von

Lesungen aus seinem Gesichtswerk bezeugt??. Cremutius Cordus wurde erst infolge seines „Märtyrertodes* in der Zeit des Tiberius zum frühen Beispiel der literarischen Opposi-

tion gegen kaiserlichen Despotismus stilisiert. Titus Labienus veröffentlichte jedoch einige Passagen seiner Werke, die für den Prinzeps möglicherweise hätten anstößig sein kónnen, in vorsichtiger Selbstzensur erst gar nicht. Dies kann man aber kaum als Wi-

derstandshandlung bezeichnen?*, Es führt meiner Meinung nach in die Irre, das Verbrennen der frühen Monographie

über die Taten des Augustus durch Timagenes nach seinem Bruch mit dem Prinzeps als einen Ákt der demonstrativen Prinzipatskritik zu interpretieren. Der Inhalt dieses Werkes war mit aller Wahrscheinlichkeit für Augustus eher schmeichelhaft. Wenn die Zeugnisse über seinen Jáhzorn und seine unkontrollierte Auftretens- und Redeweise zutreffen, dann kónnte man hierin eher einen demonstrativen Akt der renuntiatio amicitiae des Timagenes erkennen, weil der Prinzeps ihm den Zutritt zum Patast gesperrt hatte. Timagenes ist keineswegs nach seinem Bruch mit dem Prinzeps verfolgt oder auch nur gesellschaftlich ausgegrenzt worden. Seneca bemerkt, daß er unbehelligt im Haus seines neuen Patrons Asinius Pollio gelebt und Zutritt zu zahlreichen weiteren führenden Háusern Roms gehabt habe?*, Auf Anordnung des Prinzeps wurden dagegen historische Schriften des Titus Labienus und Cassius Severus verbrannt. Dieser barbarische Akt wurde aber vermutlich eher durch anstoBerregende öffentliche Reden der beiden Autoren als durch den oppositio

nellen Geist der Schriften provoziert”. Alle genannten senatorischen Historiker der au-

gusteischen Zeit beschrünkten ihre Kritik auf einzelne Personen des Kaiserhauses und die Jugendzeit des Prinzips, auf konkrete Entscheidungen und einzelne Vorgánge. Sie bildeten keine zusammenhängende Gruppe von Literaten mit einer programmatischen pol tischen Auffassung. | Wenn es also unter den zeitgenössischen senatorisch-lateinischen Historikern keine

programmatische Opposition gab, hätte man eventuell eine solche in griechischen Litera-

tenkreisen erwarten können. Denn in der Auseinandersetzung Roms mit den hellenistischen Monarchien hatten bekanntlich auch die großen Gegner Roms von Pyrrhos und

Hannibal bis zu Mithradates VI. griechische Historiker gefunden, unter denen Metrodoros von Skepsis, der ‚Römerhasser‘, am Hofe des Mithradates Eupator vielleicht der emflufreichste des 1. Ih. war. Aber auch für eine solche griechische literarische Opposition fin-

den sich in der augusteischen Ära keine sicheren Anhaltspunkte?”. In erster Linie dürfte dies mit dem sozialen Milieu der meisten griechischen Historiker, Publizisten und Literaten, ferner auch mit ihren biographischen Erfahrungen aus dem 1. Jh. v. Chr. zusammenhängen. Die soziale und bildungsmäßige Elite der hellenistischen Honoratiorenschicht in den ehemals souveränen Königreichen und Städten des Ostens hatte in ihrer Mehrheit spätestens seit dem Sieg von Actium und dem Ende des Ptolemäerreiches, überwiegend aber schon seit dem Ende der Mithradatischen Kriege endgültig ihren Frieden mit det rómischen Weltherrschaft gemacht. Roms Vormachtstellung und die neue monarchische 441—473, der keine offene und dauerhafte Kritik Pollios an Augustus und schon gar keinen literanschen oder politischen ‚Widerstand‘ erkennt. Weitere Beispiele der angeblichen ‚inneren Emigration unter dem Prinzipat nennt RiCHTER 1961, 286-315, insb. 30356.

33

Suet. Tib. 61,3 und Cass. Dio 57,24,3.

34

Vgl. Sen. Contr. 10 praef. 8.

35

Vel. T2undT 3.

36

Tac. ann. t,72,3; 4,21,3 und Quint. inst. 10,1,116. Der barbarische Akt einer öffentlichen Büchervet-

brennung kam in Rom leider mehrfach vor, vel. Cramer 1945, 157-196 und zu Akten der Zensur allgemein SPEYER 198].

37

Vgl. zusammenfassend Bowersock 1965, 101-111.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes

237

Verfassungsform unter Augustus sicherten der östlichen Elite Schutz vor sozialen Unruben und die Garantie ihres materiell-sozialen Status. Diese Elite partizipierte auch ökononisch, kulturell und in ihren persönlichen Chancen am meisten vom Frieden im Reich des Augustus. Schon bald nach Actium begann sich nämlich immer schneller eine neue, griechisch-römische Reichselite zu formieren, in der Männer von der Abstammung, der Bil-

dung und der romfreundlichen Einstellung eines Strabon nur wenige Generationen später schon bis in die höchsten Positionen der Reichsverwaltung aufsteigen konnten. Griechische Historiker und Literaten aus der östlichen Oberschicht hatten dagegen kein Interesse an einer Wiederkehr der römischen Bürgerkriege und der blutigen Unruhen während des Arıstonikosaufstands, der Sklavenkriege der späten Republik oder der Mithradatischen Kriege. Allzu oft verbanden sich nämlich mit antirömischer Agitation Forderungen nach

Schuldentilgung und Umverteilung des Grundbesitzes. Es trifft wahrscheinlich mit nur wenigen Ausnahmen als Regel zu, daß das Potential zum gewaltsamen Widerstand gegen Roms Herrschaft im griechisch-hellenistischen Osten von der Spitze der sozialen Pyramide nach unten hin proportional abnahm. Der gefährlichste Widerstand für Augustus kam

primár von römischen Aristokraten°®, die weiterhin von der libertas tráumten, nicht von

unterschiedlich motivierten gewaltsamen Revolten der Provinzbewohner. Auch diese hatten aber politisch keine Alternative zur bestehenden Prinzipatsordnung anzubieten??. Aus lokalen Anlässen kam es in verschiedenen Orten während der Regierungszeit des Augustus mehrfach zu gewaltsamen antirömischen Ausschreitungen, die aber regelmäßig

schnell und brutal von den römischen Ordnungskräften niedergeschlagen wurden. Solche antirömischen Vorfälle häuften sich nicht zufällig in den Jahren der militärischen Bedrohung der römischen Macht während des pannonisch-illyrischen Aufstandes. Die angebliche romkritische Haltung des Timagenes hat man auch aus den Berichten über seine persönliche Kritik oder seinen beleidigenden Äußerungen gegenüber dem Prinzeps, seiner Frau Livia und anderen Mitgliedern des Kaiserhauses gefolgert. Sie läßt sich aus der Mehrzahl der erhaltenen Fragmente jedoch nicht erschließen. Zu den Indizien für eine gegenüber der römischen Weltherrschaft feindliche Haltung zählt vor allem sein bei Seneca überliefertes, bekanntestes Apophthegma, daß er über die Brände in Rom vor al-

lem deswegen Schmerz empfinde, weil er wisse, daß die alten Gebäude durch schönere und bessere ersetzt würden. Hierauf stützt sich Senecas Charakterisierung des Timagenes

als inimicus felicitati urbis, Gegner der glücklichen Lage der Stadt Rom”. Es muß aber

fraglich bleiben, ob dieser einzige überlieferte romfeindliche Ausspruch für sein Geschichtswerk Über die Könige repräsentativ ist. Angeblich soll Timagenes eine Darstellung gegeben haben, die den Ruhm der Parther hervorhob und deren politische Sicht gegenüber der römischen begünstigte sowie den Alexandermythos politisch-propagandistisch

gegen Roms Aufstieg zur Weltmacht und die Legitimität dieser Weltmacht instrumentali-

sierte, wenn man eine Anspielung des Livius auf ihn beziehen darf“'. Eine distanziertere Haltung des Timagenes gegenüber Rom, als wir sie bei Trogus, Nikolaos und Strabon

finden, könnte sich aus der eigenen Lebenserfahrung herleiten und mit der hellenistischptolemäischen Tradition verbunden haben. Der Stolz auf die eigene kulturelle Überlegenheit gegenüber Rom und die ruhmreiche Tradition seiner Heimatstadt Alexandreia, der

Hauptstadt eines jahrhundertealten Diadochenreiches, und die noch unverheilten Wunden 38 39

Zu ihren angesichts der neuen Lage im augustueischen Reich eher nostalgischen als politisch gefähr-

lichen Idealen siehe Wirszu8ski 1967 und die Beiträge in Κιειν (Hg.) 1969.

Dazu siche MacMuLLEN 1967 und Bowersock 1987, 291-317 (mit Diskussion 318-320).

40

"Vgl. Τ 8.

4l

Vel. Liv.9,18,6= T9; über Livius und die Alexanderproblematik in augusteischer Zeit siehe BRACCESI 1976, 179—199,

238

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

durch das Ende des ptolemäischen Staates wären schon hinreichende Erklärungsgründe für eine inimicitia des Timagenes gegenüber der felicitas Roms. Die glückliche Lage Roms erklärten seine hellenistischen Gegner oft als unverdientes Ergebnis des Waltens der fortuna und nicht als Konsequenz überlegener moralischer Werte und der staatlich-militárischen Verfassung der Rómer oder gar des Waltens der góttlichen Vorsehung, wie dies Poseidonios, Dionysios von Halikarnassos, Nikolaos von Damaskos und weniger stark auch Strabon taten. In Alexandreia ließen sich für die in dieser Stadt endernischen Fraktionskämpfe unter den verschiedenen Gruppen der Einwohner (Agypter,

Juden, Hellenen,

später auch Römer und Italiker) leicht antirómische Stimmungen mobilisieren, und mehrfach kam es im frühen Prinzipat zu Unruhen. Stolz und ein Gefühl der Kránkung und Zurücksetzung in der neuen Weltordnung mógen neben sozialen Spannungen innerhalb

der Bürgerschaft dazu geführt haben, daß es auch in Athen zu für Augustus ärgerlichen Unruhen während seiner Regierungszeit kam. Von den Fragmenten des Werkes Über die Könige kann man aber nur eines über die Flucht und Rückführung des Auletes durch Pompeius und vielleicht ein weiteres über Caepio und das sprichwörtliche aurum Tolosanum als Belege deutlicher Kritik auffassen, die sich aber in beiden Fällen nicht gegen die ehe

Weltherrschaft an sich oder gegen das System des Prinzipates unter Augustus

richtet”“. Während in der jüngeren Forschung vor allem ALonso-Nüsez” die antiaugusteische, nicht aber allgemein antirömische Tendenz des Timagenes betont, charakterisiert vielleicht die Formulierung von Sonpr seine Position im Unterschied zu Strabon, Dionysios

von Halikarnassos und Nikolaos von Damaskos treffender. Sorpı bezeichnet Timagenes als traditionell hellenozentrisch denkenden und sogar bis zu einem gewissen Maß philo-

barbarischen Historiker. Keiner der augusteischen Universalhistoriker kann meines Erachtens als Vertreter einer eindeutigen literarischen Opposition oder gar des politischen

Widerstandes gegen Rom bezeichnet werden, auch nicht Timagenes. Es spricht nichts dagegen, die bekannte Liviusstelle über die levissimi ex Graecis auf mehrere romkritische griechische Historiker vor oder zur Zeit des Livius und nicht nur auf einen einzigen, nämlich Timagenes, zu beziehen^. Man könnte an verschiedene Historiker des 1. Jh. v. Chr. denken, die an romfeindlichen hellenistischen Königshöfen tätig waren, an den Historiker Metrodoros von Skepsis, an Aisopos, den Enkomiasten des Eupator, sowie an Herakleides von Magnesia und Teukros von Kyzikos?. Sie sind alle nur wenig älter als Timagenes. Áhnlich eingestellte Historiker und enkomiastische Biographen darf man auch für die Höfe der Ptolemücr, Seleukiden oder Hasmonäer voraussetzen. Solche romkritischen Historiker hat auch Dionysios von Halikarnassos am Anfang der Antiquitates Romanae vor Augen*. Er nennt aber leider gleichfalls keine Namen und Werktitel. Diese Historiker klagten die Tyche an, weil sie die Glücksgüter, die eigentlich den Hellenen zukämen, den schlimmsten Barbaren eingeräumt habe. Sie hatten ihren Lesern gleichzeitig erklärt, war um die Römer zu den Barbaren und — obwohl Bürger einer hellenischen Polis — nicht zu den Hellenen und ihren Abkómmlingen zu rechnen seien. Solche romkritischen Historr 42

Zu Ptolemaios Auletes und Pompeius siche F 9 = Plut. Pomp. 49,13f, zu Caepio und dem aurum Tolosanum siehe F 13 = 4,1,13 C. 188.

43

44

ALoNso-NuREz 1982, 131-141.

Jacosv in seinem guten Kommentar zu T 9 und Fuchs 1964, 40 Anm. 38 beziehen die Kritik des Livius nur auf Timagenes; Fuchs hält die pluralische Bezeichnung hier grammatisch und stilistisch nicht nut für unproblematisch, sondern geradezu für gefordert. Doch LAQUEUR 1936, 1066ff äußert Skepsis d? gegen, daß sich T 9 nur auf Timagenes beziehe.

45 Vgl, Metrodoros FGrHist 184, Aisopos FGrHist 187a, Herakleides FGrHist 187 und Teukros FGrHist 274 mit den Kommentaren Jacosys zu diesen Autoren und ihren Werken.

46

Vel. Dion. Hal, ant. 1,4.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes

239

ker lebten nach Dionysios an den hellenistischen Königshöfen der Gegner Roms und produzierten dort im Sinne dieser Herrscher antirömische Gefälligkeitsgeschichte. Eine eigentümliche Form der Kritik der griechischen Literaten an der späten römischen Republik und dem Prinzipat des Augustus, die auch Livius ärgerte, bestand darin, daß man die Größe und Macht des Reiches der Parther außerhalb des orbis Romanus ausführlich und lobend beschrieb oder die unvergleichliche Größe der Eroberungen Alexanders im Osten Asiens in historischen Exkursen im Vergleich zu den römischen Feldzigen des 1. Jh. v. Chr. unangemessen stark lobte. Damit legte man den Finger in eine auBenpolitische Wunde des Augustus, nämlich den ihm fehlenden militärischen Sieg über die Parther trotz des geschickten und für Rom ehrenvollen diplomatischen Ausgleiches von 20 v. Chr. und der von der augusteischen Propaganda und auch durch Strabon heruntergespielten Tatsache, daß das Alexanderreich als Vorläufer des augusteischen Oikumenereiches im Osten und Südosten eine erheblich weitere Ausdehnung gehabt hatte, als das augusteische Reich sie jemals erreichte. Strabon reagiert gereizt nicht nur auf übertreibende Berichte der älteren Alexanderhistoriker über die Eroberungen des Makedonen im Kaukasus und in Indien, sondern wendet sich gleichzeitig gegen zeitgenössische antirömische Instrumentalisierungen dieser Feldzüge Alexanders”. An einer anderen Stelle der Geographika verbindet Strabon eine erneute Kritik an unglaubhaften Alexanderhistorikern mit eben den beiden Themata, die Livius den inimici felicitatis urbis als ihre typischen Stoffe vorwirft, der Überlegenheit der Eroberungen Alexanders in Asien und seiner Macht gegenüber der römischen Weltmachtstellung sowie dem Thema der parthischen Geschichte, Landeskunde und Verfassung als einem Gegenmodell zur augusteischen Oikumene bei romkritischen Historikern?$. Strabons eigene Darstellung des parthischen Kerngebietes in den Geographika erweckt in ihrer Einleitung den Eindruck einer bewußten Untertreibung und enthält als Antwort auf die Übertreibungen romkritischer Historiker und Geographen weitere tendenzióse Wertungen, Angesichts der eindeutig romfreundlichen und gegenüber dem Prinzipat des Augustus positiven Tendenz Strabons in den Geographika kann man kaum daran zweifeln, daß seine Passagen über parthische Sitten und Gebräuche, aber auch Verfassungsinstitutionen und gesellschaftliche Gruppen, in den Historika Hypomnemata ebenfalls romfreundlich waren und von Strabon auch als eine Antwort auf partherfreundliche Darstellungen zeitgenössischer Historiker konzipiert waren®?. Romkritische Historiker des l. Jh. stellten auch gerne das Lob historischer Gegner der Römer, z.B. des Pyrrhos, Hannibals?!, Philipps V., oder Antiochos' des Großen heraus. Auch diesen zoilt Strabon eine

auffállig geringe Beachtung, oder er lobt sogar im Gegenteil deren rómische Gegner.

47

Vgl. 11,5,5 C. 505f mit Kritik an Alexanderhistorikern.

48

Vgl. 11,6,4 C. 508; auch 11,7,3 C. 509 mit Kritik an Apollodoros von Artemita, dem Verfasser von Πάρθικα mit einer möglicherweise partherfreundlichen Tendenz und 11,7,4 C. 509-510 erneut über schmeichlerische Berichte über Alexanders Eroberungen in Asien und über das Kaspische Meer.

49

Vgl. 11,9,1-3 C. 514—515: das Kemrngebiet der Parther sei nicht sehr groß und von Natur aus arm, gegenwärtig aber hätten die Parther ihr Gebiet ausgedehnt. Diese Beschreibung schöpft bewußt nicht

ausführlich die Strabon bekannten Πάρθικα des Apollodoros von Ärtemita und andere verfügbare 50

Sl

jüngere Werke aus. Vgl. 11,9,3 C. 515 mit Rückverweis auf die Historika Hypomnemata.

Interessant ist auch eine Notiz Strabons in seiner Beschreibung der Gallia Transalpina (4,6,12, C. 209) über Hannibals Marsch über die Alpen. In Strabons Darstellung findet man keine Überhühung Hannibals oder gar Kritik an Rom.

240

Il. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

4. Geographie, Ethnographie und Universalhistorie bei Timagenes Zwischen Timagenes und Strabon sind gewichtige Unterschiede in der Technik zu erkennen, wie sie Geographie, Ethnographie und Universalhistorie miteinander verbinden. Timagenes hat zwar großes Interesse an geographisch-ethnographischen Fragen”, für das wir aus den Fragmenten über Gallien, den Alpenraum und Indien hinreichende Belege

besitzen, aber er integriert seine Bemerkungen in den fortlaufenden Text seines Haupt-. werkes. Er bevorzugt die seit Herodot in der Historiographie bewährte Form des Exkurses, indem er an eine Diskussion der origo der von ihm behandelten Völker und Dynastien

anknüpfend unterschiedlich ausführliche geographisch-ethnographische Bemerkungen

über die Wohnsitze und Sitten dieser Völker anschließt. Timagenes

scheint seiner Universalgeschichte kein geschlossenes geographisches

Weltbild vorgeschickt oder ein solches später als einzelnes Buch in Uber die Könige eingebaut zu haben. Andernfalls würden wir im Überblick Strabons über die geographischen Weltbilder von Ephoros und Eratosthenes bis zu ihm selbst eine Andeutung hierüber erwarten kónnen. Die Suda führt zwar in einem anderen Artikel gleichfalls unter dem Stich-

wort Timagenes der Historiker einen Περίπλους πάσης θαλάττης an. Es fehlt aber im Hauptartikel über den Alexandriner Timagenes und in den erhaltenen Fragmenten und Testimonien jeglicher Hinweis darauf, daß er der Verfasser eines solchen Periplus sein sollte. Strabon erwähnt diese Schrift, die für ihn eine erstrangige Quelle gewesen wäre,

gleichfalls nicht?*, 5. Timagenes als Quelle Strabons und des Pompeius Trogus

Timagenes' Hauptwerk ist sofort nach seinem Erscheinen schon gegen Ende der 20er Jahre v. Chr. durch Strabon bei der Arbeit an den Historika Hypomnemata als Quelle benutzt worden. Seine durch den Streit mit Augustus skandalumwitterte Biographie und die attizistische Stilrichtung förderten ohne Zweifel in einem gewissen Umfang die Be-

kanntheit des Timagenes, der im 1. Jh. n. Chr. im Unterschied zu Strabon nachweislich

auch als Quelle des Curtius?® und als geographischer Autor über sifus und gentes bel Plinius?6 bekannt ist. Weniger historische oder geographische als vielmehr rhetorisch-

stilistische Qualitäten und persönliche Eigenarten des Timagenes führten dazu, daß Timagenes vom älteren und jüngeren Seneca zitiert und wohl auch von Quintilian als erster

bedeutender griechischer Historiker nach Kleitarch ausdrücklich gelobt wird?”. Bis ins 4. Jh. zu Ammianus Marcellinus hält sich eine vereinzelte Hochschátzung der diligenfta

des Timagenes als Historiker und Ethnograph über Gallien®.

|

Von GUTscHhMiD und ihm zustimmend JAcosv haben die These vertreten, daß die latetnische Universalhistorie des Pompeius Trogus, die wenig später als Strabons Historika 52

53

Über Timagenes als Ethnographen und Kulturgeographen vgl. MütLER 1972, Bd. I, 292-294. Am ausführlichsten ist für uns noch der Exkurs über die Gallier erkennbar: F 2 und ev. 14-15 (aus

Ammianus). DigkzwaAGER 1975, 13 warnt davor, die keltische Ethnographie des Timagenes völlig aus Ammianus abzuleiten. Denn dieser habe für seinen Exkurs auch jüngere Quellen verwertet. Vorsichtig abwägend zu Timagenes als einer Quelle des Ammianus auch de Jonge 1953, 49. 54

Vgl. Suda T 588 s.v. Τιμαγένης; Jacoay Komm. zu T 1 p. 222 hält es aufgrund der geographische" Interessen des Timagenes für „recht wohl möglich“, daß er auch Verfasser eines Περίπλους sei.

55

F3 über die Teilnahme des Ptolemaios Soter an der Schlacht gegen die Maller 326 v. Chr.

56 37

T 10= Plin. nat. 1,3; vel. F 7 über die Ausdehnung der Alpen. T2-3 und 6.

58

T7undF2

sowie ev, auch F 14-15.

9. Strabon und die Universalhistorie des Timagenes

24]

Hyponmemata in der augusteischen Zeit entstand, „kaum etwas anderes ist als ‚eine la-

nische bearbeitung des T““°®, Hierfür führen sie mehrere Behauptungen und Argumen-

tt an, die sich aber bei näherer Untersuchung als nicht tragfühig erweisen. Trogus habe sine hellenistischen Quellen, insbesondere Ephoros, Theopomp, Timaios, Phylarchos,

Polybios und Poseidonios lediglich durch Timagenes als jüngste griechische Quelle vermittelt benutzt und die älteren Historiker gar nicht direkt eingesehen. Zweitens sprechen ageblich die geographisch-ethnographischen Interessen und Exkurse des Trogus sowie sine Vorliebe für merkwürdige Naturprodukte und seine kulturgeschichtliche Einstellung für einen Autor als seine Hauptquelle, der stark von Poseidonios beeinflußt sei, eben Imagenes. Drittens spreche die Werkókonomie des Pompeius Trogus für eine Hauptqaelle, die ihr Material nach einem dynastischen Prinzip angeordnet habe. Selbst die anschlich abschátzige Tendenz gegenüber Rom wurde als Argument für Timagenes als Rauptquelle des Trogus angeführt, weil dieser sie in charakteristischer Weise abgemildert und stellenweise völlig beseitigt habe.

Kein einziges dieser Argumente hat in der jüngeren Forschung ungeteilte Anerkennung gefunden. Die feingesponnenen Analysen von GuTsCHMIDS sind ein illustratives Bei-

spiel für übertriebene Quellenforschung und Mißachtung der literarischen Qualitäten besimmter antiker Autoren. Aufgrund einer denkbar schwachen fragmentarischen Quellen-

gundlage dürfen keine apodiktischen und weitreichenden Folgerungen gezogen werden, ohne alternative Erklärungen zuzulassen. Die Benutzung des Timagenes als einer griechi-

schen Quelle unter einer ansehnlichen Zahl oben genannter weiterer Historiker bei Trogus kann natürlich nicht bezweifelt werden. Aber angesichts der nur zwölf (oder maximal

vierzehn} bekannten Timagenesfragmente und der Notwendigkeit, die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus abgesehen von ihren Buchzusammenfassungen und wenigen Fragmenten aus der deutlich später entstandenen Epitome des Iustin rekonstruieren zu müssen, wird jede Aussage über das Quellenverhäitnis zwischen Trogus und Timagenes hoch spekulativ. Es kommt hinzu, daß auch Poseidonios als eine weitere angeblich ausschließliche Zwischenquelle des Trogus für die älteren griechischen Historiker nur in Fragmenten erhalten ist. Geographisch-ethnographisches Interesse bei Trogus deutet keinesvegs zwangsläufig und eindeutig auf Poseidonios oder Timagenes als Vorlagen hin, sondern entspricht einer langen Tradition der griechischen Historiographie seit Herodot. Eine Vorliebe für merkwürdige Naturprodukte und eine kulturgeschichtliche Einstellung Jassen ebensowenig einen sicheren Schluß auf Poseidonios oder (noch komplizierter) Timagenes als Vermittler des Poseidonios zu. Schon vor diesem herrscht in der Geschichts-

Schreibung und Geographie ein Trend zu Paradoxa, Mirabilia, und kulturgeschichtliches Interesse mag von Pornpeius Trogus aus den Philosophen- und Rhetorenschulen des 1. Ih. als Allgemeingut des späteren Hellenismus übernommen sein. Das dynastische Prinzip in der Werkökonomie der Hauptquelle des Trogus ist vielleicht das gewichtigste Argument, das auf Timagenes hinweist. Aber wir kennen die Werkökonomie des Timagenes deutlich schlechter als diejenige des Trogus. Eine Abhängigkeit in der Anordnung des Materials würde ohnehin nicht das scharfe Urteil begründen, daß Trogus kaum etwas anderes als äine ‚lateinische Übersetzung‘ des Timagenes biete. Ein weiteres Argument bezieht sich auf einzelne, in der Tat interessante Übereinstimmungen zwischen Trogus und Timagenes.

Aber einzelne Übereinstimmungen erklären sich auch ganz natürlich, wenn Timagenes tben eine der Quellen des Trogus unter vielen anderen gewesen ist. In der jüngeren Forschung ist daher die Einschätzung von Trogus als bloBem Übersetzer, der völlig von Timagenes abhängig sei, zu Recht verworfen worden). Damit entfällt aber auch die Mög-

9 lacosv FGrHist 88 Komm. p. 220 mit Verweis auf von GutschMi 1882, 548-555.



Vgl. zur Diskussion um die Vorlagen des Pompeius Trogus für seine Diadochengeschichte RiCHTer

242

Il. Geographie und Universathistorie von ihren Anfängen bis Strabon

lichkeit, aus der Analyse des Trogus (bzw. des Iustin) weitgehende Rückschlüsse auf Eigenarten des Timagenes zu ziehen. Die mehrfach vorgetragene Behauptung, daß Timagenes die Hauptquelle Strabons sei und dieser auch seine zahlreichen älteren Quellen über Gallien, insbesondere Polybios, Poseidonios, Asinius Pollio und Caesar nur über Timagenes vermittelt benutzt habe, läßt

sich nicht beweisenf!. Strabon hat die Universalhistorie des Timagenes zwar in den Geographika vor allem für die Geographie und Ethnographie Galliens im Buch 4 als jüngsten

griechischen Bericht benutzt®?, Meines Erachtens spricht jedoch viel dafür, daß Strabon außer Timagenes auch ältere Originalquellen, vor ailem Polybios und Poseidonios, selbst eingesehen und direkt benutzt hat. Dies legt auch ein Vergleich der Varianten des Timage-

nes und von ihm abweichender Quellen an zwei Stellen der Geographika Strabons nahe%. Es spricht jedoch für die sorgfältige Materialrecherche Strabons in seinen Historika Hy-

pomnemata, daß er schon während der Arbeit an seiner Universalhistorie das Werk des Timagenes, das erst unmittelbar zuvor erschienen war, eingesehen hat”. Timagenes war der erste ,augusteische' Konkurrent Strabons in der Universalhistorie, die in den folgen-

den Jahrzehnten auch durch die Werke des Pompeius Trogus und Nikolaos von Damaskos eine Blüte erlebte.

1987, der Hieronymos von Kardia, Duris, Phylarchos, Polybios und Poseidonios als Hauptquellen und dazu noch andere Nebenquellen des Trogus herausstellt, Diese Ansicht teilen im Kern MaLrrz 1990, 380f und ALonso-Nürez 1992. Zur Eigenart und den Quellen der Historiae Philippicae des Trogus

siche jüngst van WickevooRT CROMMELIN 1993 und ferner hier Kapitel II. 10. 61

Vgl. aber Sorpı 1982, 782f und Anm. 22.

62

Vgl. schon WıLkens 1886 sowie Krorz 1910, 57ff zu Timagenes als einer Quelle Strabons.

63

F11=4,1,13 C. 188 über den Raub des Goldschaizes der Tektosagen durch den römischen Feldherren Caepio und das aurum Tolosanum (vgl. dazu Gell. 3,9,7). Offen wird hier die Raffgier des rómischen

Feldherren kritisiert. Die Geschichte endet mit der Genugtuung des Timagenes über die gerechte Strafe Cacpios. Eine romfeindliche Tendenz ist hier vielleicht vorhanden, aber sie wird überlagert durch die Freude des Rhetors Timagenes an der moralisch lehrhaften Geschichte. Auch an der zweiten Stelle der Geographika, an der Strabon Timagenes über einen wundersamen Metallregen in Indien wörtlich zitiert, kritisiert er die Version des Timagenes als eine Fabelerzählung, die er mit dern vertrauenswürdi-

geren Bericht des Megasthenes über den Goldreichtum der indischen Flüsse kontrastiert (F 12 — 15,1,57 ‚71l)

64

F5=Strabon FGrHist 91 F 11 (aus Ios. ant. lud. 13,319).

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

10. STRABON

243

UND DIE HISTORIAE PHILIPPICAE DES POMPEIUS TROGUS

l. Die Entstehungszeit, der Titel und die Werkökonomie der Universalgeschichte des Pompeius Trogus Auf Pompeius Trogus könnte man die plastische Beschreibung übertragen, mit der sich ungefáhr zwei Jahrhunderte zuvor der Dichter Ennius als einen Mann mit tria corda charakterisiert hatte. Trogus war nàmlich ein vokontischer Gallier, der das rómische Bür-

gerrecht besaß und im Laufe seines Lebens mit der hellenisch-rómischen Zivilisation und Literatur so eng vertraut wurde, daß er in der augusteischen Zeit zum einzigen bekannten

Verfasser einer lateinischen Universalhistorie in 44 Büchern wurde!. Diesem Werk pab er

den für die Gattung auffälligen und erklärungsbedürftigen Titel Historiae Philippicae. Die Vorfahren des Trogus dürften ursprünglich dem Stammesadel der Vokontier zuzurechnen sein. Diese waren ein südgallischer Stamm in der Nähe von Vasio (Vaison-la

Romaine), der schon 125-24 kurz vor der Errichtung der Provinz Gallia Narbonensis 121 v. Chr. von Rom unterworfen worden war. Schon der Großvater des Historikers hatte von Pompeius für seine Verdienste im Krieg gegen Sertorius in Spanien (ca. 77-72 v. Chr.) wahrscheinlich in der lex Gellia Cornelia von 72 v. Chr. das rómische Bürgerrecht und den Gentilnamen Pompeius erhalten. Über einen besonderen militärischen Rang hóren

wir aber nichts. Der Bruder seines Vaters führte unter dem Kommando des gleichen Pornpeius 66-63 v. Chr. im Dritten Mithradatischen Krieg vermutlich eine Abteilung der gallıschen Reiterei, eine Eliteeinheit unter den Hilfstruppen des Pompeius, Dieser Onkel des

Historikers war also ebenfalls rómischer Bürger und Offizier. Der Vater des Historikers schlieBlich stieg — allerdings im Umkreis Caesars — noch weiter auf. Nach militärischer

Bewährung übertrug ihm Caesar das persönliche Vertrauensamt eines Privatsekretärs oder Büroleiters, die epistularum et legationum, simul et anuli cura. Innerhalb der Familie des

Trogus gab es also unterschiedliche Loyalitäten zu Pompeius oder Caesar, ähnlich wie in der Generation vor Strabons Geburt in seiner Familie die Loyalität zwischen Mithradates oder Rom geteilt war. Innerhalb von nur zwei Generationen stiegen einige Familienmit-

glieder des Trogus über eine militürische Laufbahn im Kampf gegen keltische Stámme, römische Truppen unter Sertorius oder die pontischen Heere des Mithradates durch ihre

Loyalitát zu den spätrepublikanischen Dynasten Pompeius und Caesar zu hohen Positio-

nen auf, Es bleibt aber bemerkenswert, daß schon in der dritten Generation nach der bruta-

len Unterwerfung des Gallierstammes der Vokontier ein Mitglied der Stammese ts so l weit in die griechisch-lateinische Kultur assimiliert und ,romanisiert worden War,

eine weitgehend auf griechischen Quellen basierende lateinische Universal " fassen konnte?. Über eine den Traditionen der Familie entsprechende militariee e μὰ

politische Karriere berichtet Pompeius Trogus dagegen nichts. Er war wahrscbein Ic uch

erste Intellektuelle und Gelehrte in seiner Familie, der außer seiner Universal "nius

ein zoologisches Werk De animalibus in mindestens zehn Büchern verfaßte, l|

Lateinische, bei

Ennius meinte mit seinen fria corda (Gell. 17,17,1) das Oskische, Griechische und n Vergleich zwinde Pompeius Trogus wären es das Gallische, Griechische und Lateinische; den treffeKonzeption des Geschen Ennius und Trogus zog jüngst Asnerı 1993, 217; jetzt grundiege nd zur ALONSO-NÜNEZ 1992 Trogus schichtswerkes, dem chronologischen System und dem Geschichtsbild des

2

das

und van WICKEVOORT CROMMELIN 1993,

.

itionen der

Vgl. lust. 43,1,1 zum Bürgerrecht und 43,5,11f zu den militärischen Leistungen wr A XII 1371

Vorfahren im Dienste Roms. Möglicherweise ist ein Familienmitglied des

genannt. Die Fragmente des Pompeius Trogus sammelte SEEL 1956; er legte

liche Ausgabe der Epitoma des Iustin aus Trogus vor.

τοῖς auch die maßgeb-

244

IL. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

für die Naturalis historia noch als eine Quelle vorlag, heute aber bis auf wenige Zeugnisse verloren ist. Schon wegen seiner Sonderstellung als einziger aus dem nordwestlichen Teil des Reiches stammender augusteischer Universalhistoriker lohnt es sich, sein Werk, seine

Methode und seine leitenden Gedanken und Einstellungen zu Roms Weltherrschaft und führenden Römern näher zu untersuchen. Manche bei Trogus und Strabon differierenden Bewertungen mögen auch aus dem unterschiedlichen familiären und geographischen Hintergrund erklärbar sein. Andererseits verbindet Trogus und Strabon die Zugehörigkeit zur jeweiligen provinzialen Elite, die gründliche Bildung und die romfreundliche Tendenz. Weder das präzise Geburts- noch das Sterbejahr des Pompeius Trogus sind zu ermitteln. Er wird aber wohl ungefähr gleichaltrig mit Strabon oder etwas jünger gewesen sein.

Auch eine genaue Datierung der Abfassungszeit seiner Universalgeschichte ist schwierig. Ein Versuch ihrer Datierung stützt sich auf die Kornbination mehrerer auf Trogus zurückweisender Angaben in der Epitome, die Iustin? später aus der augusteischen Universalhistorie des Trogus anfertigte, und auf die Benutzung des Trogus in anderen datierbaren augusteischen Schriften, vor allem des Hyginus, sowie sein Fortleben als Quellenautor in der lateinischen Exempla-Literatur. Diese schwierige Quellenlage hat in der Forschung zu zwei konkurrierenden Datierungsvorschlügen für die Entstehung der Historiae Philippicae geführt, um die Zeitenwende (ca. 2 v, Chr.) oder erst am Ende der augusteischen Regierungszeit (gegen 14 n. Chr.). SEEL vertritt eine späte Datierung der Entstehung der Universalhistorie des Trogus”. Er erinnert an Reminiszenzen an die rómischen Bürgerkriege bei Trogus bzw. Iustin. Diese scheinen ihm mit einer gewissen Distanz aus schon gróBerem zeitlichen Abstand geschrieben worden zu sein. Eine solche Distanz zu den blutigen Bürgerkriegen wäre aber auch problemlos mit einem Entstehungsdatum um die Zeitenwende vereinbar. Der Eindruck einer Distanz mag auch zum Teil der drastischen Verkürzung der Epitome zuzuschreiben sein. Es ist unstrittig, daB Trogus die Schlacht von Actium und die Verleihung des Augustustitels an Octavian voraussetzt und das Werk deswegen einige Jahre nach 27 v. Chr. entstanden sein mu^, Ferner nennt Trogus parthische Geiseln in Rom und

erwähnt die Rückgabe der rómischen Feldzeichen durch die Parther und ihre endgültige Aufstellung im Mars Ultor-Tempel. Diese Angaben führen auf 2 v. Chr. als terminus post quem. Auf dieses Jahr könnte auch eine auffällige Formulierung über das Partherreich hindeuten. Dort sei es geradezu Brauch, daß man , Vatermórder als Könige‘ habe’. Man bezieht diese Anspielung auf die Ermordung Phraates' IV. (2 v. Chr.) und die damalige parthische Thronfolge. δέει, legt in seiner Argumentation für eine späte Entstehung der Universalhistorie des Trogus ferner großes Gewicht darauf, daß Caesar und Augustus als schon bekannte und eingeführte Herrschernamen verwendet seien®. Dieser Sprachgebrauch deute aber auf die spätaugusteische, vielleicht sogar frühtiberische Zeit. Jedoch sind diese Titel bzw. Elemente des kaiserlichen Namens schon in den Jahren um 2 v. Chr. in lıterarischen, epigraphischen und numismatischen Quellen als lange eingeführt nachzuweisen.

SEEL 1955, 37 plädiert für eine Datierung des lustin „frühestens in die Mitte des 3. Jhd., wahrscheinlich aber um die Wende des 3. zum 4. Jhd.“; vgl. ders. Weltgeschichte 1972 und Pompeius Trogus 1972;

o0 90^ à

dagegen hält ALoNso-NUREZ 1992, 26f sogar das Ende des 4. oder 5. Jh. n. Chr. für möglich; für ein sehr frühes Datum von ca. 200 n. Chr. spricht sich YagpLEv 1994, 61 aus. Vel. SeeL, Weltgeschichte 1972, 172-180, Vgl, lust, 42.4.7. Vgl. ebd. 42,5,11-12. „Quasi sollemne est reges parricidas haberi": ebd. 42.4.16. Insbesondere bci Iustin 41,5,6-8.

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

245

Insbesondere weist aber schon Fornı? zu Recht darauf hin, daß an der von Set herangezo&enen

Stelle bei Iustin zunächst nur betont sei, daß alle Partherkónige in der Nachfolge

des Arsakes Arsakiden heißen. An diese Beobachtung schließe dann Iustin selbst seine aus

spätantiker Sicht besonders naheliegende Analogie an, daß auch alle römischen Kai-

ser in der Nachfolge Iulius Caesars und des Octavian-Augustus eben Caesares und Augusti heiBen. Die Stelle kann daher keine Datierung der Historiae Philippicae erst in die Spätaugusteische oder gar frühtiberische Ara beweisen.

KLoTz! hat dagegen einen Zeitraum von ca. 2 v. Chr. bis spätestens 10 n. Chr. für die Abfassung der Universalgeschichte des Trogus vermutet, weil sie in den Exempla und in De viris illustribus, den Hauptschriften des Iulius Hyginus, schon benutzt sei, der 10 n. Chr. verstarb!!. ALoNso-NüREz faßt die Argumente der Vertreter der plausibelsten Datie-

rung zumindest des Kerns der Historiae Philippicae auf ca. 2 v. Chr. bis 2 n. Chr. zusammen. Die spätesten Teile des Werkes des Trogus seien zwischen 6 und 9 n. Chr. verfaßt

worden!?. Gegen eine Datierung in die spätaugusteische oder gar frühtiberische Zeit spreche auch, daß in diesem Falle das Schweigen des Trogus über die Varuskatastrophe und die aus rómischer Sicht siegreichen Feldzüge des Germanicus kaum erklärbar set. Beide

Ereignisse werden beispielsweise in den strabonischen Nachirägen zu den Germanienbüchern der Geographika, welche zwischen 14 und 19 n. Chr. eingefügt wurden, erwähnt. Dieses argumentum e silentio wiegt im Falle des Trogus aber nicht schwer. Denn Germanien war von Trogus ohnehin nur im Zusammenhang mit den Kimbrer und in den letzten Büchern 43-44 zur Geschichte Italiens und des keltischen Westens beiläufig behandelt worden. Die ältesten sicheren Benutzer des Geschichtswerkes des Trogus unter den lateinischen Historikern und Rhetoren sind Velleius Paterculus und Valerius Maximus in der tiberischen Regierungszeit. In unserem Zusammenhang bleibt für die relative Chronologie der augusteischen Universalhistoriker festzuhalten, daß Timagenes sein Werk schon kurze Zeit vor Strabons Historika Hypomnemata verfaßte, während Trogus und Nikolaus von Damaskos erst später schrieben. Strabon hätte das Werk des Pompeius Trogus für die aktualisierenden Nachträge seiner Geographika also benutzen können, wie er es zumindest an einer Stelle mit einer Notiz der Historiai des Nikolaos von Damaskos getan hat, doch finden sich keine Spuren einer Kenntnis der Historiae Philippicae als Quelle Strabons.

Alle Versuche, den näheren Aufbau, die historiographische Methode und die leiten-

den Gedanken des Pompeius Trogus zu beschreiben, stoßen bald an die Schranken der ungünstigen Überlieferungslage des Werkes. Denn von den Historiae Philippicae sind im Original nur die knappen prologi (Zusammenfassungen, keine regelrechten Prooimien) der 44 Einzelbücher und eine Handvoll Fragmente erhalten. Alle übrigen Testimonien und ‚Fragmente‘ des Trogus müssen aus der Epitome des Justin und der lateinischen Exemplaliteratur erst in einem methodisch problematischen Verfahren, dessen Chancen, aber

auch Erkenntnisgrenzen die modernen Trogus-Studien von SEEL bis van WICKEVOORT CROMMELIN Zeigen, erschlossen werden.

In der praefatio lustins erkennt SEEL eine fast wörtliche Übernahme entscheidender Gedanken der verlorenen praefatio des Trogus!?, Ferner sammelt Seeı einzelne Stellen in der gesamten Epitome Iustins, die alle angeblich einen „color romanus in materia grae9 10

Fornı 1958 sowie ders. und ANGEL; BERTINELLI [982, insb. 1309 Anm. 65 zur Datierung. KLorz 1942, 63 und erneut 1952, 2300-2313: diesen Ansatz bevorzugt auch van WICKEVOORT CROMMELIN 1993.

11

Vel zu dieser Datierung auch Buroe 1974, 178-130 Anm. 896.

12

13

ALoNso-NüRez 1990, insb. 73f und ders. 1992, 12-15.

Vel. Κιοτζ 1952, 2303f und See 1955, 85.

246

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

ca" zeigen und deswegen auf das zugrundeliegende Werk des Trogus deuten!^. Sesıs Versuch einer rekonstruierenden Fragmentsammlung des Trogus und einer Wiedergewinnung seiner historiographischen Leitideen aus der Epitome Iustins und weiteren Autoren,

die Trogus' Universalhistorie für ihre Werke als Quelle benutzten!?, kann allerdings nur 2u anfechtbaren Ergebnissen führen. Man entdeckt leicht zu viele vermeintliche Troguspassagen in der Epitome Iustins und stellt dessen stark verkürzendes und aus rhetorischem Interesse neuformendes Eingreifen in den Text zu wenig in Rechnung. VerläBliche, aber nur sehr dürftige Erkenntnisse über das Werk des Trogus gewinnt man dagegen, indem man zunächst nur die erhaltenen Prologe der 44 Bücher des Trogus analysiert und danach erst diese Ergebnisse vorsichtig mit weiteren möglichen Spuren des Trogus im Text des

Iustin verknüpft'®. Der Titel Historiae Philippicae! ist für eine Universalhistorie unüblich und hat die Interpreten zu sehr unterschiedlichen Erklärungshypothesen herausgefordert. URBAN! spekuliert darüber, daß Trogus diesen Titel für eine hellenistische Geschichte schon durch Poseidonios angeregt übernommen haben könnte. Hierfür gibt es aber keinen Beleg in den Fragmenten des Poseidonios. Zunächst verband wohl jeder augusteische Leser den Titel mit einer Anspielung auf Philipp IL. und das Hauptwerk Theopomps, die Φιλιππεκαὶ

ἱστορίαι"5, Diese beabsichtigte Assoziation bleibt unter vielen vorgebrachten Erklärungen des Titels meiner Ansicht nach der einzig sichere Ausgangspunkt. Philipp II. legte die

fundamenta imperii Macedonici, des makedonischen Weltreiches unter Alexander und der folgenden Diadochenreiche, deren Geschichte im Hauptteil des Werkes des Trogus beschrieben wird. Alle weiteren eventuell von Trogus zusátzlich intendierten Bedeutungen bleiben unsicher. Vermutlich handelt es sich dabei sogar lediglich um an das Werk

herangetragene Interpretationen heutiger Altertumswissenschaftler. HENRIKSSON untersucht Werke der lateinischen Literatur, deren Verfasser griechisctie

Büchertitel wählten oder ihre Titel nach einer griechischen Vorlage aussuchten?". Das

untersuchte Material belegt, daß in der Poesie, im Drama und in den philologischen Wis-

senschaften die Neigung der Autoren, griechische Büchertitel zu verwenden, viel größer war als in der Geschichtsschreibung. Griechische Büchertitel wählte man wahrscheinlich vor allem in den Fällen, in denen es für die den Titel bildenden griechischen Begriffe

keine exakte und kurze Übersetzung ins Lateinische gab, oder wenn man auf ein bestimmtes griechisches Vorbild direkt anspielen wollte. Weil nun aber historiae alleine ein vóllig geläufiger Titel auch lateinischer Geschichtswerke ist, spielt Trogus wohl mit dem 14

SrEL 1955, 85: Solche Stellen seien „nicht nur lateinisch nach der Sprache, sondern rómisch nach dem

Geiste und der Haltung“; ferner ders. 1982 (21969), 1363-1423 und 1972, 97. 15

Z.B. Hyginus, Valerius Maximus, Velleius Paterculus, Curtius Rufus, Frontinus für zahlreiche Strategemata, einige Viten der Historia Augusta (Aurelian und Probus), Jordanes und Cassiodor.

16

Eine insgesamt positive Würdigung der Trogusausgabe SEcLs 1956 findet man bei RAMBAuD 1957, 505-511.

17

Vgl. zum möglichen Untertitel der Historiae Philippicae des Trogus ALONSO-NOREz 1992, 10: Historiae Philippicae als Haupttite] und ev. Totius mundi origines et terrae situs als Untertitel.

18 19

Ursan 1982, 82-96, insb. 96. Φιλιππικὰ oder Φιλιππικαὶ ἱστορίαι, d.h. auf Philipp II. konzentrierte, oft enkomiastische Monographien, verfaßten außer Theopomp (FGrHist 115) auch Antipater (FGrHist 114 T 1), Anaximenes von Lampsakos (FGrHist 72 F 4-14: Ai περὶ Φίλιππον ἱστορίαι), Leon von Byzanz (FGrHist 132 T 1: Τὰ

κατὰ Φίλιππον καὶ Βυζάντιον), der sich wohl auf den Krieg des Makedonen 340 v. Chr. gegen Byzanz konzentriert, und vielleicht am stärksten enkomiastisch-biographisch Lamachos von Myrına

(FGrHist 116 T 1). Nach den spärlichen Resten der Werke zu urteilen, schrieb keiner dieser Autoren

cine Universathistorie, Über Theopomp siche FLOWER 1994.

20 Vgl. Henrixsson 1956, insb. 184-85. Zur Bedeutung des Titels Historiae Philippicae bei Trogus Ar letzt van WICKEVOORT CROMMELIN 1993, 354—385

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

247

Titel Historiae Philippicae auf das bekannteste griechische Vorbild mit dem gleichen Tiel an, eben die Φιλιππικαὶ ἱστορίαι Theopomps. Trogus erweitert dessen Thema inhaltlich und zeitlich wesentlich zu einer echten

Universalhistorie und wird so zum Verfasser der ersten uns bekannten vorchristlichen lateinischen Universalhistorie. Zeitlich behandelte Trogus omnia saecula, räumlich den gesamten orbis terrarum, wie man insbesondere an seinen ursprünglich 57 ethnographischen Exkursen erkennen kann, und thematisch die res gestae omnium saeculorum, regum, nationum populorumque. Es besteht ein Mißverhältnis zwischen dem Bezug auf Philipp II. im Titel des Trogus und dem Hauptinhalt der folgenden 44 Bücher, selbst wenn man Aufstieg und Niedergang der makedonischen Monarchie als Leitfaden der Universalgeschichte auffaßt. Das Ende der Monarchie mit der Niederlage des Perseus und dem Kampf des Pseudo-Philippos (Andriskos) gegen Rom wurde schon in Buch 33 erreicht. Allerdings wird Philipp II. auch als Wegbereiter des Alexanderreiches aufgefaßt, das wiederum die für Trogus zeitgenóssische Universalmonarchie des Augustus práfisunert. Möglicherweise zielt die Anspielung auf Theopomp also auch darauf, daß für die Historiographie mit der Vollendung der rómischen Weltmachtstellung unter Augustus und der Errichtung der neuen Prinzipatsordnung ein novus status erreicht war, der sich nur mit dem Paradigmenwechsel der griechischen Geschichte in der Lebenszeit Philipps II. vergleichen ließ. Nach SeeLs Meinung sind die Historiae Philippicae des Trogus dagegen hauptsáchlich eine Geschichte des Unterganges der griechischen Freiheit. Diese Freiheit habe in der rückschanenden Analyse des Trogus schon durch Philipp II. und lange vor dem Eingreifen der Römer in die griechische Polisstaatenwelt ihr Ende gefunden?!, Der Titel Historiae Philippicae soll in den Ohren eines augusteischen Hórers angeblich auch weiterführende Assoziationen zur spätrepublikanisch-römischen Geschichte hervorrufen. Nach SEL7? ist er sogar im vollen Sinne nur metaphorisch oder symbolisch zu verstehen. Er vermutet eine Anspielung auf die Philippischen Reden Ciceros und des Demosthenes. Nicht zuletzt liege im Tite! auch ein für zeitgenössiche Leser des Trogus erkennbarer Hinweis auf die Schlacht von Philippi 42 v. Chr., in der die factio der Caesarerben endgüllig über die Caesarmörder siegte. Nach diesem Sieg seien künftige Restitutionsversuche

der alten römischen Republik ausgeschlossen gewesen??, Eine so deutliche republikanischnostalgische Anspielung im Titel des Werkes würde jedoch schlecht zur vorherrschenden Geschichtsteleologie des Trogus passen, die doch nach SEELs eigenen Analysen das providentielle Hinsteuern der Weltgeschichte auf das Imperium Caesars und des Prinzeps

Augustus verteidigte. Außerdem zeigt die Ökonomie des Stoffes bei Trogus, daß er die epublikanische Periode der römischen Geschichte auf die notwendigsten Bemerkungen

Zr Auseinandersetzung Roms mit den hellenistischen Monarchien reduziert hat. Auch deswegen ist es abwegig, ein Schlüsseldatum der rómisch-republikanischen Geschichte imTitel herauszustellen. Bei Trogus steht das imperium Macedonicum im Mittelpunkt der Darstellung, nicht aber die rómische Republik. Insgesamt sind SEELS Überlegungen zur

‚üömischen* Interpretation des Werktitels zu spitzfindig. S&eL ist in der Interpretation des Titels ein Opfer seiner Grundauffassung geworden, diff Trogus ein durch und durch lateinisch-rómischer Autor sei. Die für ein angemessenes

Verständnis der Historiae Philippicae wichtigen Einflüsse der griechischen heilenistischen Universalhistorien schátzt er zu gering ein. Trogus ist aber gattungsgeschichtlich ein Ver?| Vgl. hierzu Iust. 6,9,6-7.

2 Vgl Semi, Weltgeschichte 1972, 267-270 und Anm. 132. M

Vgl Sea, Weltgeschichte 1972, 268f. Doch Trogus hat das Ende seines Werkes bewußi erst nach der

Zäsur von Actium und zwar vermutlich mit den Kantabrersiegen des Augustus gewählt.

248

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

treter einer zuvor rein griechischen Gattung. Aufgrund seiner guten Griechischkenntnisse war ihm die gesamte hellenistische Tradition der Universalhistoriker von Ephoros und Hieronymos von Kardia bis Timagenes zugänglich, und über diese Werke hinaus hatte er auch noch andere hellenistische Historiker und Ethnographen gelesen. Hierauf hat vor kurzem RICHTER in seiner Studie über die Vorlagen des Pompeius Trogus für die Darstellung der hellenistischen Geschichte (Bücher 13-40) verwiesen”*. Es war jedenfalls ein

Irrweg der Quellenforschung von GurscuMips und seiner Anhänger, Pompetus Trogus zum bloßen mechanischen Übersetzer einer einzigen griechischen Hauptquelle, nämlich

des uns nur schattenhaft greifbaren Timagenes, zu degradieren”. Gallisches, LateinischRömisches und dominierend Griechisch-Hellenistisches mischen sich nämlich bei Pompeius Trogus, und in dieser ,multikulturellen* Persónlichkeit und ihrer individuellen Per-

spektive liegt der besondere Reiz seines Werkes auch im Vergleich mit seinen augusteischen Kollegen in der Universalhistorie. URBAN interpretiert den Titel des Trogus als eine hellenistische Geschichte. Trogus beziehe sich auf den thematischen Kern des gesamten Werkes. Denn nach einer Einleitung in den Büchern 1-6 beginne mit Philipp II. von Makedonien (in den Büchern 7-9) die Erzáhlung der Universalgeschichte der hellenistischen Staatenwelt. Aufstieg und Niedergang der makedonischen Monarchie verbinden sich an entscheidenden Wendepunkten mit einem König namens Philipp, von Philipp II. über Philipp V. bis zu Pseudo-Philippos Andriskos, Darauf spiele der Werktitel des Trogus an, Der Sieg Roms bei Kynoskephalai 197 v. Chr. werde von Trogus als entscheidende Zásur verstanden, weil Rom damals das Kernland des Makedonenreiches und die militürisch mächtigste hellenistische Monarchie überwunden habe. Die Zäsur des Trogus unterscheidet sich auffällig von der Periodisie-

rung des Polybios??, dessen Zásuren in den Jahren 168 bzw. 146/5 v. Chr. unter den Universalhistorikern durch Strabon bekräftigt wurden und fortan dominierten. Trogus wählte

also seine Periodisierung, die Anfangs- und Zielpunkte seiner Historiae Philippicae stärker aus der Perspektive der hellenistischen Staatenwelt als aus der römischen Geschichtserinnerung.

Trogus hat das Werk des Polybios als eine seiner Hauptquellen in den Büchern 3034/5 benutzt??, In diesen Büchern wurde unter anderem die Geschichte Philipps V. und

Antiochos’ IH. behandelt. In den Büchern 35-38 liegen dagegen Hinweise auf eine Benutzung des Poseidonios zumindest als wichtiger Quelle für die syrisch-östliche Geschichte vor. Die Bücher 39-40 des Trogus folgen u.a. Timagenes und Metrodoros. Für die Jahre des Wirkens des Pornpeius im Osten, das bei Trogus ausführlich herausgestellt wurde?, waren Poseidonios, Timagenes und Theophanes die Hauptquellen des Trogus. Rizzo ver-

sucht für Buch 40 des Trogus mit dem Ende des Seleukidenreiches und den Neuordnungen

des Pompeius dagegen auch Strabons Historika Hypomnemata als eine Quelle des Trogus 24 25 26

"Vgl. Ricuren 1987 und ähnlich van WICKEVOORT CROMMELIN 1993. "Vgl von Gurscuuip 1856-57, 177—282 und ders. 1882 sowie ihm zustimmend Jacoev im Kommentar zu Timagenes FGrHist 88, dagegen aber van WickEvooRT CROMMELIN 1993, 23-27. _ Vgl. lust. 30,4,17 und 33,1,7, aber auch Dion. Hal. ant 1,3,5 über Kynoskephalai 197 v. Chr. als Zäsur des Aufstieges der Römer zur Weltmacht. Iustin 33,1,7 berichtet über ein prodigium am Vortage von

Pydna 168 v. Chr. Eine Datierung des Beginns der Weltherrschaft Roms mit dem Schicksalsjahr 190 v.

27

Chr. und der Schlacht von Magnesia statt erst 168 (so bei Polybios) oder 146 v. Chr. (u.a. bei Sallust) findet sich bei Aemilius Sura (nach Vell. 1,6,6).

Bunp 1974, 67f glaubt jedoch, auch im Werk des Trogus das Jahr 168 v. Chr. als entscheidende Zäsur des Überganges der Weltherrschaft an Rom zu erkennen.

23 Fornt und ANGELT BeRTINELLI 1982, 1345-1346, ALONSO-NOREZ, L'opposizione 1982, 131-141 und 29

ders. 1992. Vel. lust. 40,2,5.

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

249

nachzuweisen. Über Strabon als Zwischenquelle seien die Berichte des Theophanes und des Timagenes zu Trogus und später zu Appian und Plutarch gelangt. Dies wäre chronologisch zwar móglich, sofern Trogus ín Rom von Strabons Werk schon Kenntnis bekornmen hatte. Zu beweisen ist Strabon als Quellenautor des Trogus jedoch weder für das 40. Buch noch für die Parthica des 41. Buches, obwohl es gewisse Berührungspunkte zwischen den kursorischen Notizen im 11. Buch der Geographika Strabons, dem Prolog des 41. Buches des Trogus sowie den entsprechenden Kapiteln der Epitome Iustins gibt”. Aus ÜRBANS Sicht bilden die Bücher 41-44 in der Gesamtdisposition des Trogus nur eine exkursartige Erweiterung des ursprünglichen Werkplanes. Der Kern des Werkes habe nämlich die hellenistische Geschichte von der Zeit Philipps IL bis ca. 60 v. Chr. umfaßt. Diese Zäsur der hellenistischen Geschichte um das Jahr 60 v. Chr. ist allerdings nicht überzeugend, obwohl sie sich ungefähr mit dem Werkende Diodors berührt. Wenn der Seleukide Philipp I. auch bei Trogus eine so prominente Rolle gespielt hätte, daß er unmittelbar im Zusammenhang der angeblichen Zäsur am Ende der 60er Jahre erwähnt worden wäre, wäre die völlige Streichung seines Namens durch den Epitomator Iustin doch ungewöhnlich. Die aufschlußreiche Liste der Auslassungen Iustins gegenüber dem Originalwerk des Trogus läßt jedoch tatsächlich einige Zweifel aufkommen, ob man überhaupt seine Epitome noch als eine systematische Zusammenfassung des Trogus bezeichnen kann oder nicht schon treffender mit ALONso-NUNez und AsHERI von einer historischen Anthologie aus Trogus sprechen sollte?! , Diesem kam es als romanisiertem Gallier, wegen seiner Verbindung zu Caesar und als augusteischer Autor wesentlich darauf an, in seinen letzten Büchern Roms Ausgreifen in den keltischen Nordwesten Europas zu betonen. Iustins Epitome erlaubt den Schluß, dad Trogus sein Werk noch bis zur endgültigen Unterwerfung der Asturier und Kantabrer 19 v. Chr. und also bis in die augusteische Ara fortsetzte, wenngleich schon mit dem Jahre 31/30 v. Chr. als dem Ende des Ptolemäerreiches und dem Beginn des Prinzipates der

Endpunkt der linearen Geschichtserzählung erreicht war??, Wie die Universalhistorien

des Trogus mit den Eroberungen des Ninos in Asien begonnen hatten, so soilten sie mit

der Vollendung des augusteischen Weltreiches in Spanien schließen. Erst mit der Eroberung des äuBersten Nordwestens der Mittelmeeroikumene, nicht schon mit der Neuordnung des Ostens durch Pompeius nach dem Ende des Seleukidenreiches 64/63 v. Chr., selbst noch nicht mit der Eroberung Galliens durch Caesar war die Vollendung der rómischen Weltmacht erreicht. Trogus beginnt in den Büchern 1-6 mit einer Hinleitung von den Assyrern und Kónig Ninos bis zur Zeit Philipps II. Die Bücher 7-9 behandeln dann Philipp II. und die Begründung der makedonischen Hegemonialmacht,

11-12 Alexander (der als erster eine

wahre Weltherrschaft erreicht habe, indem er dem imperium Europae das imperium Asiae hinzugefügt habe) und 13-40 den Kern des Werkes, die hellenistische Geschichte von der

Begründung der makedonischen Universalmonarchie bis zum Ende der óstlich-hellenistischen Staatenwelt. Die Bücher 41—42 ergänzen hierzu die Geschichte der Parther von ihrer origo bis zum diplomatischen Ausgleich mit dem augusteischen Rom von 20 bzw. 10/9 v, Chr., und die Bücher 43-44 beschlieBen die Universalhistorie, indem sie die Voll-

endung der Weltmacht Roms auch im keltischen Nordwesten Europas nachzeichnen. Trogus hat also eine im Vergleich sowohl zu Polybios als auch zu Strabon recht umfangreiche 30 31

Vgl. Form und ANGEL Berninezt 1982, 1349-1352 und Anm. 326-335; LIEBMANN-FRANKFORT 1969, 894-922 vergleicht Iust, 41,4,6-7 mit 11,9,2 C. 515 und hält Strabons Historika Hypomnemata für eine Quelle des Trogus. Vgl. ALONSO-NÜREZ 1992, 27-46 und ihm zusümmend ASHERt 1993, 217.

32

Vgl. lust. 44,5,8.

250

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Einleitung von mindestens sechs oder mit Einschluß der Bücher über Philipp II. sogar neun Büchern der Kernepoche des Hellenismus vorausgeschickt. Diese Einleitung des Trogus ist politisch-militärisch durch den Leitgedanken der translatio imperii von den Assyrern bis zu den Makedonen akzentuiert und greift viel weiter und ausführlicher in die onentalischen Großreiche und sogar die mythische Frühgeschichte der griechischen Welt zurück, als dies wahrscheinlich die ersten vier Bücher Strabons bis zum Enddatum der Historien des Polybios taten.

Mit Mutmaßungen über den Umfang einzelner Bücher der griechischen Universalhistoriker und ihrer gesamten Werke sollte man wegen ihres fragmentarischen Uberlieferungszustandes vorsichtig sein. Dennoch fällt auf, daß Diodor (40 Bücher), Polybios

(40), Poseidonios (52), Trogus (44) und Strabon (47, aber plus 17 Bücher Geographika) ihre universalhistorischen Werke ühnlich dimensionierten. Die Buchzahl von Uber die Kónige des Timagenes ist leider unbekannt. Lediglich Nikolaos von Damaskos stellt im Gesamtumfang seiner Universalhistorien mit 144 Büchern eine Ausnahme dar, weil dieses Werk andere zeitgenössische Universalhistorien ungefähr um das Dreifache übertrifft. Insbesondere SEEL hat in verschiedenen Beiträgen versucht, Trogus als eigenständigen Universalhistoriker der augusteischen Ára aufzuwerten und den rómisch-lateinischen Charakter seines Werkes zu unterstreichen. Die originelle Werkökonomie des riesigen Stoffes und die Gesamtkonzeption der Philippischen Geschichten seien seine wich-

tigsten Leistungen als Autor”. Trogus sei der erste und einzige lateinische Universalhistoriker mit einer weitgehend eigenen Konzeption vor den christlichen Werken in der Spátantike (vor allem Orosius). Trogus habe seine zahlreichen griechischen Vorlagen? nicht mechanisch

übersetzt und aneinandergereiht,

sondern seinen Stoff zu einer echten

Universalhistorie verschmolzen. Dabei hat schon er selbst aus seiner Sicht Nebensáchliches seiner Quellen weggelassen und mit solchen Kürzungen eigene Akzente gesetzt”. Es tut der ,Originalität* des Trogus, die übrigens in der gelehrten universalhistori-

schen Tradition des Hellenismus ein problematischer Begriff ist, keinen Abbruch, wenn man mit ASHERI darauf hinweist, daß wichtige strukturelle Elemente seines Werkes sich schon in der reichen griechischen Tradition der Universalhistorien vorgebildet fanden. Dies gilt für die Sukzession der Weltreiche, die Praxis, ethnographische Exkurse über die origo eines Volkes dann einzulegen, sobald es im Verlauf der Haupterzählung mit dem

Protagonisten der politisch-militärischen Handlung in Kontakt geriet, oder die Benutzung von Epochenjahren und Synchronismen zwischen Ereignissen der óstlichen und der westlichen Mittelmeerwelt als beliebtes Mittel zur zeitlichen Gliederung des Stoffes. Trogus steht eben wie Strabon am Ende einer über dreihundertjährigen gattungsgeschichtlichen Entwicklung seit Ephoros. Trogus hat sich keiner der beiden vorherrschenden Formen der Disposition des historischen Stoffes in Universalhistorien völlig angeschlossen, weder der synchronistischen des Polybios, noch der κατὰ yévogz-Methode des Ephoros. 33

Vgl ua. Sen, Weltgeschichte 1972, 201ff. Zu den Quellen und der Methode des Trogus siehe aber

34

auch SToRM 1985, Rıcuter 1987 und van WICKEVOORT CROMMELIN 1993. Schon nach Ausweis seiner Praefatio benutzt Trogus verschiedene (Plural!) griechische Historiker als

Quellen (lust, praef. 1 = Trogus Fr. 15 Seel). Man findet Spuren ihrer direkten Benutzung in der gesamten Epitome lustins. Die alte These von Gurscuwips 1882 und 1894, daB Trogus völlig von Timagenes’ Περὶ βασιλέων abhängig sei, wird heute verworfen, Es verbietet sich daher auch, von der (angeblichen) Romkritik des Timagenes auf die Tendenz des Trogus zu schließen. Diese muß unabhängig von der Timageneshypothese aus den prologi des Trogus und der Epitome Iustins analysiert werden, vgl. zum Stand der Diskussion Fornt und ANGELI BERTINELLI 1982, 1312-1353, Richter 1987, passim, ALONso-NOREZ 1992, 15-17 und van WickevooRT CRoMMELIN 1993, 23-27 (gegen die ‚Timagenes-Hypothe-

35 36

se*). Vgl. zu einigen Kürzungen seiner Vorlagen, die schon Trogus selbst vornabm, SEEL 1955, 17. Vgl. zur Problematik des Begriffs der ‚Originalität‘ des Trogus Asert 1993, 217—219.

10. Strabon und die Hisroriae Philippicae des Pompeius Trogus

251

Trogus bat in sein Geschichtswerk nur indirekte Reden eingelegt und die im späten Hellenismus wie der rômisch-republikanischen Historiographie beliebten direkten Prachtreden abgelehnt. Er kritisiert in dieser Hinsicht vor allem Livius und Sallust, zwei führende lateinische Historiker der jüngeren Vergangenheit, ,,quod contiones directas pro sua oratione operi suo inserendo historiae modum excusserint'". Möglicherweise zielt diese Attacke aber auch gegen bestimmte griechische Universalhistoriker, die aufwendige direkte Reden eingelegt haben, beispielsweise Polybios und Poseidonios. lustin dagegen verwendet in seiner Epitome an entscheidenden Zäsuren wieder direkte Reden oder gar Redenpaare. In der Zurückhaltung gegenüber direkten Reden und der freiwilligen Beschränkung auf indirekte Reden werden Trogus’ Vorbehalte gegen rhetorische Prunkstükke in späthellenistischen Geschichtswerken deutlich, die auch Strabon teilt. Charakteristika des Trogus sind ferner seine psychologischen und pessimistischen Charakteranalysen, sein Moralismus und eine gewisse Schicksalsgewißheit. Trogus und Iustin sind in diesem Punkt unter den lateinischen Universalhistorikern Musterbeispiele der ‚exemplarischen‘ Geschichtsschreibung, zu der man mehr oder weniger die gesamte

rómisch-lateinische Historiographie rechnen kann?*. Außerdem verbindet die Vorliebe für psychologische Charakter- und Handlungsanalysen Trogus auf einem niedrigerem Niveau mit Poseidonios. Trogus komponiert auch in didaktischer Absicht als rhetorischstilistische lumina seiner Universalhistorie dramatische Szenenfolgen, z.B. den Tod des Agathokles??, Er kennt die rhetorisch-historiographische Theorie des Hellenismus námlich gut und scheut sich nicht, ähnlich drastische Szenen wie Agatharchides oder Poseidonios jn seine Werke einzubauen. Analogie und Transparenz sind für Trogus bewußt eingesetzte historiographische Stil-

mitte]*°, Trotz der Teleologie der Geschichte gibt es immer wieder exemplarisch zeitlose

oder simultane Ereignisse, die zu didaktischen Zwecken vom Historiker herausgestellt werden. Trogus macht in seiner Universalhistorie daher auch háufig Gebrauch vom Kunstmittel des Synchronismus, der besonders gerne auch durch Polybios und Diodor aus stilistischen und geschichtsdidaktischen Gründen angewandt worden war. Selbst in der Epi-

tome Justins kann man noch die wichtigsten dieser Synchronismen*! erkennen. Strabon

verwendet dagegen jedenfalls in den Geographika Epochenjahre und Synchronismen seltener als Trogus. 2. Geschichte, Ethnographte und Geographie in den Historiae Philippicae Für Trogus bleiben Ethnographie und Geographie lediglich Hilfswissenschaften der Historie?, Trogus entwickelt kein geschlossenes Oikumeneweltbild, das demjenigen Strabons vergleichbar wäre, und nach der Aussage der prologi ist keines der 44 Bücher des Trogus ausschließlich geographischen oder ethnographischen Fragen gewidrnet. Strabon geht also in der Aufwertung der Kulturgeographie zu einem gleichberechtigten Teilbereich seiner hellenistisch-augusteischen Enzyklopädie wesentlich weiter. Auch die Grenzen des orbis terrarum werden bei Trogus ungenauer bezeichnet als die der Oikumene bei 37 38 39 40 41 42

Tusı. 38,3,11 referiert hier eine Auffassung des Trogus. Vgl. Seg 1955, 17 und ähnlich van WICKEVOORT CROMMELIN 1993, 398: „Die eigentliche weltgeschichtliche Einheit der Historiae Philippicae liegt also in ihrer moralischen Komponente“, d.h. in der Verbindung von res gestae und moralischen exempla.

Vgl. Iust. 23,2,1-12. Vgl. dazu Sen, Weltgeschichte 1972, 105-171. Vgl. AvoNso-NüREz 1992, 82-92. Siehe ALoNso-NORez 1992, 49-60.

252

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Strabon. Trogus verstreut seine geographisch-ethnographischen Bemerkungen über das ganze Werk. Er räumt dem Faktor des Raumes der Geschichte keinen so bedeutenden

Einfluß auf die Universalhistorie mehr ein wie Polybios, Poseidonios und vor allem Stra-

bon. Trogus begnügt sich damit, ethnographische“* und topographische Informationen in seinen kunstvollen Exkursen zu geben. Er legt allerdings auch Wert auf eine genaue Nennung der Orte von wichtigen Schlachten oder eroberten Städten. Die griechisch-rómische Oikumene wird aus Sicht des Trogus begrenzt von den Skythen im Norden, den Ágyptern im Süden, den Parthern im Osten sowie den Iberern und Kelten im Westen. Die Nennung von vier Randvölkern entspricht einer alten universalhistorischen und geographischen Tradition seit Herodot und Ephoros^. Ferner ergibt sich aus den Prologen, wenigen direkten Fragmenten und der Epitome lustins, daß in den Büchem 742 von der Zeit Philipps II. bis zum Ende der östlichen hellenistischen Monarchien die westliche Mittelmeeroikumene gegenüber der östlichen bei Trogus eine geringere Rolle spielt, obwohl andererseits das Werk den gesamten orbis zum Thema nimmt und mit den Büchern 43-44 über Rom, die Keltike und die römischen Eroberungen in Iber:en

und Gallien schließt. Das räumliche Übergewicht des Ostens über den Westen verbindet

alle augusteischen Universalhistoriker. Es resultiert auch bei dem romanisierten Gallier Trogus vor allem aus der Idee der Abfolge der Weltreiche vom alten Orient über das

Alexanderreich bis zu den Römern und aus dem politisch-militärischen Gewicht der Auseinandersetzung Roms mit den östlichen Monarchien im Hellenismus. Das hellenistischasiatische Gebiet ist die Bühne, auf der die Abfolge der Weltmächte nach dem Gedanken

der translatio imperii'? stattfindet.

Die Forderung nach umfangreichen, selbst erworbenen geographischen Kenntnissen, mit der sich seit Polybios alle Universalhistoriker auseinandersetzen mufiten, erfüllt Tro-

gus für den geographischen Kernraum seiner hellenistischen Universalhistorie, die Óstliche Mittelmeerwelt, nur eingeschränkt. Die Regionen, in denen er über eigene geographische Anschauung verfügt (Italien, Gailien, ev. Spanien?), spielen nach den Prologen

nämlich bis auf die letzten Bücher nur eine geringere Rolle. Trogus legt Beschreibungen der origo eines Volkes stets dann ein, wenn ein Volk in die Einflußsphäre Roms gelangte.

Signifikante Ausnahmen von diesem Prinzip bilden die Skythen und Parther. Insgesamt

zeugen nach den Prologen nicht weniger als 57 ethnographische Exkurse von den breitgefächerten ethnographischen Interessen des Universalhistorikers Trogus®. KröLL betrachtet Trogus jedoch auch in seinen ethnographisch-geographischen Exkursen als einen Stärker rómisch als griechisch-hellenistisch geprägten Historiker. Seine Exkurse seien nicht primär zur Befriedigung eines allgemeinen ethnographisch-kulturgeographischen Interesses eingelegt, sondern sie sollten - mit Hilfe der tradierten Fragestellungen der Ethnographie — stets die militürisch-politische Bedeutung des behandelten Volkes als Verbündeter, Gegner oder Untertan Roms untersuchen“. Alle fremden Völker werden von Trogus angeblich aus rómischem Interesse und mit rómischen Augen betrachtet. Das ethno43

Vgl. zur Ethnographie des Trogus TRODINGER 1918, 130-134, Krö 1985 passim; Garcia Moreno

44

1953, 12-79 mit einer Analyse

der Exkurse über die Parther, Skythen und spanischen Kelten, MALAsPINA 1976, 135-158 und STORM 1993, 213—227 hält Trogus auch in seinen ethaographischen Passagen

für einen Propagandisten des augustcischen Prinzipates; siehe jüngst zur Struktur und Funktion der ethnographischen Exkurse van WICKEVOORT CROMMELIN 1993, 95-118. Vgl. Ephoros FGrHist 70 F 30 und dazu PaRTSCH 1916 und Romm 1992. | Vgl. Seat, Weltgeschichte 1972, 142-156 sowie 298 zum Thema Orient und Okzident bei Trogus und Iustin sowie zu Indien, Baktrien, Parthien und Armenien bei Trogus Auonso-Nunez 1988-1989, 125— 155; zum Fortleben der Idee der translatio imperii vgl. Goez 1958.

46

Eine ausführliche Liste dieser Exkurse findet man bei ALoNso-NüNEz 1992, 50-54.

47

Vgl KRôit 1953, 51.

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

253

graphische Material werde dabei stets auf das politisch-militärische Kráftespiel der Ge-

genwart bezogen und deshalb nur das aus dem reichen Stoff ausgewühlt, was ad necessi-

tatem rei, zum Verstándnis des aktuellen politisch-militárischen Potentials eines Volkes, erforderlich sei. Diese Analyse unterschätzt meiner Meinung nach jedoch die hellenistischgriechische Tradition in den ethnographischen Exkursen des Trogus. Diese Tradition rückt jedoch zu Recht wieder van WickEvoonT CROMMELIN in den Vordergrund seiner Analysen. Die Exkurse des Trogus garantieren „im formalen Sinne eine gleichmäßige Verteilung der verschiedenen Stoffe auf die jeweiligen Bücher und

sorgen damit für eine ausgewogene Proportionierung des Gesamtwerkes'45. Sie folgen

dabei dem hellenistischen Schema, zuerst über die origo eines Volkes (und die Frage seiner Autochthonie), danach über die situs terrae (Klima und Landesnatur), die Natur und Eigenart der Bewohner und zuletzt über verschiedene curiosa (θαυμάσια) zu berich-

ten. Landes- und Volksnamen werden von Trogus regelmäßig erklärt. Schilderungen eines Volkes bei Trogus umfassen meistens die Regierungsform und den angesehensten Stand, die Sprache, Kleidung sowie Waffen und Kampfesweise. Es scheint sich durchgängig nicht um Ergebnisse eigener ethnographischer Feldforschung (im Sinne des Herodot oder Poseidonios) zu handeln, sondern der Kern der ethnographischen und geo-

graphischen Exkurse besteht aus der Wiedergabe literarischer Vorlagen. Dies macht insbesondere der Skythenexkurs deutlich. In der formalen Disposition und Verteilung der ethnoeraphischen Exkurse auf das Gesamtwerk liegt dennoch ohne Zweifel eine der individuellen Leistungen des Autors Trogus. Selbst die Ethnographie der Kelten, seines eigenen Heimatvolkes, bei Trogus in den Büchern 24 und 44 entspricht lediglich dem Standard der hellenistischen Keltenethnographie?. Obwohl Trogus Caesars aktuelle Differenzierungen zwischen Galliern und

Germanen kennt, hat er keine origo der Germanen?? eingelegt, die sich auch aus dem

aktuellem Anlaß der augusteischen Kriegszüge angeboten hätte. Es bleibt erstaunlich, daß Trogus fast ganz darauf verzichtet, in der Konkurrenz mit den zeitgenössischen griechischen Universalhistorikern aus Alexandreia, Damaskos oder Amaseia seinen gallischen Lokalvorteil deutlicher auszuspielen. Obwohl er ein hellenisch gebildeter Gallier (Vokontier) mit römischem Bürgerrecht ist, erwähnt Trogus nicht einmal die Gallia Comata, ge-

schweige die bedeutende aktuelle Neuordnung Galliens durch Augustus. Es überwiegen sogar die Hinweise auf Taten der Kelten (Gallier) in Griechenland und Asien, weil hier der Schwerpunkt des Werkes liegt. Der Synchronismus zwischen der gailischen Eroberung Roms und dem Königsfrieden kann nicht als Ausdruck eines romkritischen gallischen Patriotismus des Trogus interpretiert werden, weil er sich schon bei Polybios (nach

Timaios?) und auch indirekt bei Diodor nachweisen läßt?!. Der auffällige Gegensatz einer groBen Katastrophe im Westen mit einem gleichzeitigen, allgemeinen Frieden im Osten der Mittelmeerwelt eignete sich für jeden didaktisch interessierten Universalhistoriker. Für seinen Spanienexkurs hat Trogus jedoch die ganze Fülle des hellenistischen ethnogra-

phischen Materials und der römischen Annalistik herangezogen”. Vielleicht konnte er

bier auch auf mündliche Traditionen in seiner Familie zurückgreifen. Doch erst Strabon als Zeitgenosse und universalhistorischer Konkurrent des Trogus versucht in den Geographika, eine aktuelle Raumgeschichte der gesamten Mittelmeerwelt vorzulegen. 48 49 50 S1 52

Van WICKEVOORT CROMMELIN 1993, 118. URBAN, ,Gallisches Bewußtsein‘ 1982, insb, 1429-1433, Nur einmal (lust. 38,4,15) werden unter den germanischen Stämmen auch die Kimbrer erwähnt. "Vgl lust. 6,6,5, Pol. 1,6,2 und Diod. 14,117,9. Vgl. lust. 44,1-3. Hauptquellen für den Spanienexkurs sind unter griechischen Autoren wohl Polybios und Poseidonios sowic aus der rómischen Tradition Livius und Sallust.

254

IL Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Der Aufstieg der Parther aus unbedeutenden Anfängen zur zweiten Weltmacht der augusteischen Ära stellt für Trogus eine Parallele zu Roms Aufstieg von der kleinen Stadt am Tiber zur Herrin des orbis terrarum dar. Die origo und die res militares stehen daher im Mittelpunkt des Interesses an den Parthern bei Trogus, Strabon und selbst noch Cassius Dio. Trogus hat nach dem Prolog des 2. Buches außer politischer Geschichte „Scythige et Ponti situs originesque“ erzählt. Die Vorliebe für die Skythen und andere Randvölker der Oikumene ist ein altes Erbgut der griechischen Historiographie. Man muß zur Erklärung dieser Vorliebe auch des Trogus nicht darauf verweisen, daß er als Gallier aus einem Randgebiet des damaligen römischen Reiches stammte. Die Skythen werden bei Trogus mit deutlichen inhaltlichen Reminiszenzen an Herodot als ein philosophisches Volk der ‚edlen Wilden‘ geschildert’?. In den 20er Jahren v. Chr. befürchtete man allerdings zeitweilig ein (niemals zustandegekommenes) Bündnis der Parther und Skythen gegen Rom. Damit haben die drei großen Exkurse über Skythen, Parther und spanische Kelten zugleich vielleicht doch einen aktuellen Bezug zur politisch-militärischen Geschichte der

augusteischen ἄτα,

|

In den Exkursen zur origo italischer Völker und Städte werden von Trogus gerne die griechischen Wurzeln dieser Städte betont?*. Indem Trogus die origines und situs Romae

erst am Ende seines Werkes und nicht z.B. schon anläßlich einer früheren universalhiston-

schen Zásur wie der Schlacht von Kynoskephalai oder gar am Anfang des Werkes einlegt, gelingt es ihm, einen teleologischen Leitgedanken seiner Universalhistorie, das augusteische Rom als schicksalsmäßig bestimmten Zielpunkt der bisherigen Weltgeschichte und Rom als das caput orbis in der Disposition seines Werkes, deutlich herauszustellen.

Eine gewisse Rolle mag aber auch gespielt haben, daß Trogus die innere Geschichte des

republikanischen Rom ausgespart hat, weil diese in der republikanisch-annalistischen Tra-

dition, zuletzt im Riesenwerk des Livius, gründlich behandelt worden war. Durch diese

Entscheidung entfiel bis zu einem gewissen Grade dann auch die Notwendigkeit, viele geographische Angaben über Italien und die westliche Mittelmeerregion zu machen. Weitere Einzelheiten der Exkurse des Trogus können wir kaum mehr erkennen, weil sie ähnlich vielen genealogischen und chronologischen Einzeldiskussionen der Kürzung durch Iustin zum Opfer gefallen sind. Dieser hat mehrfach die origines von Völkern ge-

strichen, die aus spätrömischer Sicht als Barbaren uninteressant oder umgekehrt infolge

eines über Generationen dauernden Prozesses der Romanisierung schon lange völlig ro-

manisiert worden waren??, Nach TrÜDInGers Vermutung hatten die origo-Exkurse des

Trogus möglicherweise häufig einen monarchischen Akzent. Darin waren sie vielleicht den Herrschergenealogien und dem dynastischen Gliederungsprinzip des Timagenes verwandt. Trogus behandelt aber auch dann die origo eines Volkes, wenn dabei gar nicht mit einer Königsreihe eingesetzt werden kann‘. Trogus berichtet über origines und situs der Völker des orbis terrarum von Ost nach West fortschreitend. Seine Anordnung der Exkurse resultiert aus derübergeordneten Theorie der translatio imperii, die sich von Assyrien, Persien über Makedonien nach Rom, also von Ost nach West, vollzogen und unter Augustus mit der ,Befriedung* der nordwestspanlschen Regionen ihren vorläufigen Abschluß gefunden hat. Es liegt also nichts Erstaunliches

in der Beobachtung, daß Trogus als Gallier seine Exkurse von Ost nach West ordnet, $3

"Vgl. lust. 2,1,1-2,3,7.

54

So z.B. zu Nola (Iust. 20,1,13—14). Der Exkurs über Kroton (lust. 20,2,5-20,4,1) hat Ähnlichkeit mit

55

6,1,10 C. 261 und Diod. 8,32. Zu den schmerzlichen Kürzungen lustins gehören die origines der nichtrömischen Völker Italiens (vgl.

die prologi zu Büchern 2023 und 43 sowie ALoNso-NoREz 1992, 44f).

56 Über ethnographische Topoi in der ktioc-Literatur siehe TrODINGER 1918, 130—133; zu den origines gentium vgl. BICKERMAN 1952, 65-81 und Corner 1983, 1107-1145 s.v. Gründer.

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

255

während Strabon als Pontiker seine Beschreibung der Oikumene in den Geographika von West nach Ost angelegt hat, weil diese Anordnung der vorherrschenden Tradition der Periplus- und Periegesis-Literatur seit Hekatatos entspricht. Die aufeinanderfolgenden Weltmächte Assyrien, Medien/Persien, Makedonien und Rom umfassen ein geographisch immer größeres Gebiet und werden auch politisch-militä-

risch immer mächtiger’. Zur Erklärung dieses Prozesses werden von Pompeius Trogus jedoch in geringerem Umfange geographische Gründe, Raum- und Klimatheorien herangezosen als von Strabon. Im Unterschied zu Polybios beruft sich Trogus nicht auf Theorien über die Mischverfassung. Das Wirken der fortuna Romana und die ungebrochene römische virtus entscheiden bei Trogus über Roms Aufstieg zur Weltmacht. SEEL betont

besonders nachdrücklich, daß Trogus als einziger römisch-lateinischer Historiker bis in die Zeit des Augustus ohne die häufig beobachtete, spezifisch stadtrömische Verengung der Perspektive der senatorischen Historiographie der Republik geschrieben habe. Trogus habe vielmehr schon die wahre Bedeutung der nichtrömischen und nichtitalischen

Provinzgebiete für Roms Weltmachtstellung angemessen erkannt”®.

3. Die Einschätzung des rómischen und des parthischen Reiches durch Trogus Poseidonios, Diodor, Timagenes, Strabon, Pompeius Trogus und Nikolaos verbindet es als Universalhistoriker, daß sie wegen ihrer Geburt außerhalb von Rom in römischen Provinzen, traditionsreichen hellenischen Poleis oder Klientelkónigreichen Roms an der Peripherie des Reiches die vitale Bedeutung der außeritalischen Gebiete für das imperium Romanum deutlicher erkannten als gebürtige Rómer und Italiker unter den Historikern. Blüte oder Krise der jeweiligen Heimatgebiete der Universalhistoriker infolge der römischen Politik und der Aufrichtung des Prinzipates geben uns jedoch noch kein bequemes ‚Passepartout‘ zur Erklärung ihrer Einstellungen zu Rom und zu Augustus an die Hand. Die Kritik des Trogus an einzelnen Rómern, einzelnen Vorgängen und Zuständen der späten römischen Republik und des Prinzipates, die sich allerdings nur in der problematischen Verkürzung und Spiegelung der Epitome lustins belegen läßt, liegt auf einer ganz anderen Ebene als eine in der älteren Forschung Trogus zuweilen unterstellte systemati-

sche Romkritik oder gar seine Zugehörigkeit zu einer literarischen Opposition gegen die rómische Weltherrschaft und den Prinzipat des Augustus. Eine solche aktive Haltung der Opposition kann meines Erachtens nicht einmal für Timagenes nachgewiesen werden. Von der falschen Timageneshypothese leitet sich aber

die Unterstellung einer romkritischen Tendenz des Trogus her, ALoNso-NOREZ? stellt da-

gegen zu Recht das Werk des Trogus als ein Musterbeispiel für den Grad der Romanisierung hin, den die Elite der Gallia Narbonensis schon bis zur caesarisch-augusteischen Zeit erfahren hatte. Storm schließt sich im Kern der Auffassung SEELS an, daß bei Trogus stärker eine Romverklärung als eine Romkritik zum Tragen komme”, Storm versucht 57 S&

93-107. Zuletzt hierüber ALoNso-NOREz 1984, 53-54 und erncut 1992, dazu, den weligeschichtlichen Prozeß Rang von Ansatz Vel. Sec 1955, 83 über Trogus: „Der einzige der Ausweitung Roms von der urbs zum imperium auch gedanklich zu vollziehen und zu einem neuen

1972, passim und zuGeschichtsbild umzuseizen“. Diese Überlegungen vertieft δέει, Weltgeschichte letzt ders. 1982, 1418.

S9

lt) übertreibt seine Versuche, 1955, 62f (und seitdem mehrfach erswiederho ALoNsO-NOREZ 1992, 4. Secdischen‘ zuzuschreiben, von dem aus er zuStandpunkt eines Neubürg

dem Trogus einen ‚archime

tief gleich harte Kritik an Rom äußern konnte und dennoch innerlich von Roms historischer Mission überzeugt blieb.

60

Vgl. Storm 1985, 210-215.

256

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

indessen auch eine nicht überzeugende harmonisierende Synthese der Interpretationen SEELS und MaLaspinas°!, deren zentrale Charakterisierung des Trogus als eines „storico filobarbaro* wiederum deutlich überzeichnet scheint. Die patria des Trogus ist eindeutig Rom, das caput orbis, und er betrachtet sich stolz als civis Romanus*?. Das römische Bürgerbewußtsein des Trogus ist stärker als die nur schwer zu beschreibenden Reste eines gallischen Provinzbewufitseins und verbindet sich mit seiner profunden griechisch-hellenistischen Bildung. Die fundamentale Loyalität zu Rom und zugleich zur Partei Caesars dürfte Pompeius Trogus schon von seinem Vater übernommen haben. | URBAN weist nachdrücklich darauf hin, daß sich zwar in Reden der Gegner Roms bei Trogus bzw. Iustin die meisten und härtesten romkritischen Äußerungen finden, solche offene Romkritik aber in Reflexionen der Historiker in eigenem Namen fehlen. Die Angriffe auf Rom und führende Römer sind daher zumindest teilweise durch die Topik sol-

cher Feindesreden gefordert. In der Tat stammen die berühmtesten Beispiele für Rom-

kritik in der lateinischen historiographischen Literatur — abgesehen von den genannten Troguspassagen — aus Reden oder rhetorisch stilisierten Briefen der Gegner Roms bei Sallust, Caesar oder Tacitus, die als Autoren kaum im Verdacht einer grundlegenden Oppo-

sition gegen die Weltherrschaft Roms oder scin politisches System standen. Jeder Leser dieser Autoren kennt die scharfen Anklagen, die Critognatus bei Caesar, Mithradates bei Sallust oder Calgacus bei Tacitus vorbringen. Der betonte Kontrast zwischen den niedrigen und einfachen Anfängen Roms®* und seiner augusteischen Größe bei Trogus Ist von den Römern selbst nicht als unzulässige Romkritik aufgefaßt worden, sondern als Beweis für die Gunst der fortuna gegenüber Rom und die erfolgreichen Leistungen der virtus der Römer. SEEL geht mit seiner Interpretation zu weit, daß nach Trogus in der Weltherrschaft der Römer die Weltgeschichte ihr vorläufiges providentielles Ende gefunden habe und Trogus einer spätaugusteischen Stimmung vom „Ende der Geschichte” nach Errichtung des augusteischen Oikumenereiches in seinem Werk habe Ausdruck verleihen wollen”. Troeus bzw. Iustin sehen als Motor der geschichtlichen Veränderungen im Leben

der Staaten

seit der Zeit des Königs Ninos einen dynamisch-expansiven Imperialismus, die cupiditas nova imperii an®%, Diese Expansionslust kommt in der spätaugusteisch-frühtiberischen Zeit mit der Bekräftigung des augusteischen diplomatischen Ausgleiches mit dem Partherreich (20/19 v. Chr.) und dem Abbruch der Expansionspläne an Rhein und Donau (16 61 62 63

Marasrına 1976, 135-158. Dies betont auch nachdrücklich van WICKEVOORT CRoMMELIN 1993, 29. | 28,2.1— Aufdenersien Blick kraß romkritisch erscheinende Stellen sind z.B. die Rede der Aitoler (Just.

13), die Rede des Mithradates (38,4—7), die Anklagen des illyrischen Dynasten Demetrios aus Pharos

(29,2,1—6). Sie werden sehr unterschiedlich interpretiert. URBAN, ,Gallisches Bewußtsein‘

1982, 1426ff

bilanziert diese Diskussion bis zum Anfang der 80er Jahre gut und lehnt eine grundlegende Romkritik des Trogus ab. Dagegen vertritt ALONSO-NÜREZ erneut die These, daB diese Stellen sehr wohl eine Kritik, aber keine Systemopposition gegenüber Rom belegen, vgl. ALonso-NÜNEZ 1982, 134f. und 64

ders., Trogue-Pompée

1990, 77-79.

Nach lust. 43,3, 1f. Vgl. URBAN, ‚Gallisches Bewußtsein‘ 1982, 1436f und Anm. 71.

Vel. See, Weltgeschichte 1972, 86f und 1982, 1414f: „Rom, das Weltreich, ist zugleich Ziel und Ende

der Geschichte“; Ser 1955, 25 spricht sogar vom „profanen Chiliasmus" des Trogus. Doch kann man die Ordnung des Kaiserreiches, die sich wahrend des 1. und 2. Jh. n. Chr. stándig weiter entfaltete, aus heutiger Sicht keineswegs als ein starres System charakterisieren, obwohl in nerhalb der Reichsgren zen vorläufig eine ,inumnota quippe aut modice lacessita pax* (Tac. ann. 4,32) begann; vgl. zu Trogus in der Tradition hellenistischer Universalhistoriker auch BENGTSON 1958, 1-13 (auch in ders. 1974, 115-131,

insb, 1 16f.) und ders. 1963 (auch in ders. 1974, 45-60). Die heidnische Geschichtsteleologie des Tro66

gus bleibt scharf von der christlichen zu trennen, vgl. Lowrrx 1953. Vel. lust. 1,1,4.

10, Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeiu s Trogus

257

B. Chr.) eher aus der historischen Rückschau als aus dem Erl ebnis der Zeitgenossen erkenn-

bar zum Erliegen”,

Strabon ergänzt den kinetischen Geschichtsbegriff des Trogus mit den Kernelemen-

ten der cupiditas imperii und den franslationes imperii unter Einwirken der fortuna, in-

dem er viel nachdrücklicher als Polybios die Auffassung vertritt, daß die Weltherrschaft Roms nicht nur durch die stoische Vorsehung vorbestimmt sei, sondern auch durch die

ideale Mittel- und Klimazonenlage und damit schon vorn Raumbild der Mittelmeeroiku-

mene her. Entscheidend sind aber auch für Strabon die politisch-militärischen Leistungen

der Rómer. Der geopolitische und geographische Akzent fehlt bei Pompeius Trogus je-

doch, soweit wir dies heute noch erkennen können. Die teleologische Geschichtsauffassung des Trogus ist daher keineswegs in allen ihren Aspekten für die vorherrschende

politische Stimmung der augusteischen Ara repräsentativ, in der auch Strabon seine Geographika überarbeitet. Der teleologische Aspekt der Universalhistorie ist in der griechischen Historiographie schon bei Herodot angelegt, indem dieser seine Abfolge der Reiche der Assyrer,

Meder und Perser aufstellt®. Unter den hellenistischen Universalhistorikern nennt Poly-

bios als erster nachdrücklich die Römer als Erben einer soichen Weltreichssukzession®”, die auf die Weltherrschaft Roms zulaufe. In der augusteisch-frühtiberischen Ara findet man Spuren der Tradition der Abfolge der Weltreiche nicht nur erwartungsgemäß in der

von Damaskos”, sondern Universalhistoriographie bei Trogus’®, Strabon?! und Nikolaos auch in anderen historiographischen Gattungen, beispielsweise im Lateinischen nach

Aemilius Sura bei Velleius Paterculus”? und in der griechischen Historiographie in den

Römischen Altertümern des Dionysios von Halikarnassos (s.u.). Das Prinzip der Tele. gie hielt schon Jahrhunderte vor der Entstehung der christlichen, jüdischen oder Trans medanischen Geschichtsphilosophie seinen Einzug in die Universalhistoren

mischen sich aber streng teleologische und zyklische Elemente in seiner

schichte, wie van WICKEVOORT CROMMELIN unterstreicht



el dis o

Universaig

>.

Umstritten ist, ob verschiedene Stellen bei Trogus/Iustin, die vom Einwirken der tuna in die Geschichte Roms an entscheidenden Wendepunkten sprechen, ten argu-

Kritik an Rom ausdrücken sollen??, Gegner Roms im 2. und 1. Jh. v.

€- τ | ^

no

dem

einen

mentiert, daß die Römer ihre Weltmachtstellung picht moralischer Tice

|

überlegenen Verfassung, Kriegführung und Politik verdankten, sonde

67

Vgl. Iust. 44,5,8 ,perdomito orbe".

376

68

Vgl. Hdt. 1,95 und 1,130.

- 289:

69

Vg Pol. 1,2,2-7. Ausführliche Literaturhinweise bietot FERRARY 1910. onu

diskutiert die Verteidigung des Polybios (z.B. 1,63,9) gegen den romn

Tyche für Roms Aufstieg zur Weltmacht verantwortlich sci.

Stellen

70 Vgl. zur Weltreichssukzession bei Justin vor allem die folgenden SI

ders. 1988, 265-27

daß allein die

1,1,4-8, 1,36, 1,6,17, LL.

3 2 und 44,58. die

«o

19,1, 6.9,6f, 9,8.21, 10,3,7, 12,7,4, 12,13,1-2, 30,4,4, 304.16, 39,93, 9022533 "560 interpreiieren, ΝΕ ’ 1984, 53 Anm. 1 und MOMIGLIANO

ALONSO-NÜREZ, Weltreichsukzession ie auch CRESCI MARRONE

71

1994,

C. 508-509, 11,9,1 C. 514-515, 11,1 1,6 C. 518, 11,13,5 C. 524,

15,3.24 C. 736 und 16,2,14 C. 754.

72 73

Geographika:

ALonsO-NUREZ, Weltreichsukzession 1984, 531 verweist auf folgende δἰ sc 2. Vgl.zu der Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos Vel. Vell. 1,6,6.

τς hier

II»

1533 C. 128,

11,5%

Kapitel IH.

Kapile

74 Vgl. van WiCkEVOORT CRoMMELIN 1993, 400ff.

rden

2,5. Diese Stellen were!

75 Vgl lust 282,13, 292.1-6, 304,16, 31,5.2-9, 38,4-7, 29,5.2-3kvonund dicam römischen ImperialisWICKEdurch Fuchs 1964, 42ff und Auonso-Nünez 1992, 106 als Ausdruc nanntenin mus gewertet; Fornt 1958, 33, SEEL jn seinen mehrfac h geRecht VOORT CROMMELIN 1993, 29 und 250 erkennen dagegen ZU Romkritik.

Beiträgen UN d ze den Passagen keine

rundlogende

258

IT. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Glück und der unverdienten ‚Macht des Schicksals‘, Bei Trogus liegt indessen an den Stellen über die fortuna Romana keine grundlegende Romfeindschaft oder gar literarische Opposition gegen Rom vor. Denn die fortuna Romana blieb nach rómischer Mentalität, der hier Trogus Ausdruck verleiht, den Rórnern nur solange treu, wie sie selbst ihre den Gegnern überlegene virtus bewahrten und ihre traditionelle religio übten. Wenn bei Trogus der Aufstieg der Makedonen zur hellenistischen Weltmacht und die Blüte des imperium Macedonicum im Hauptteil seiner Universalhistorie der industria des Volkes und der virtus seiner Kónige zugeschrieben werden, darf man nicht die fortuna Romana gegen die virtus Macedonum ausspielen. STORM betont zu stark die Distanz des Trogus zu zeitgenóssischen Autoren, die offen im Sinne der augusteischen Propaganda schrieben. Zu diesen rechnet er auch Strabon und Nikolaos. „Ein Historiker, der bereits in der Praefatio seines Werkes erklärt, nichtrómische Geschichte schreiben zu wollen, und der die am Ende seines Werkes geschilderte Machtübernahme Roms nicht als Endpunkt und Erfüllung der Geschichte betrachtet, war selbst wenn seine Einstellung prorómisch war und dies sich in seinem Werke laufend manifestierte — für die augusteische Propaganda einfach zuwenig ergiebig und interessant, Andererseits war doch der ambitionierte Versuch, erstmals in lateinischer Sprache die res gestae omnium saeculorum, regum, nationum populorumque auf dem ganzen orbis ter-

rarum von den Zeiten des Königs Ninos bis zum augusteischen Oikumenereich zu beschreiben, sehr im Sinne des Prinzeps. Die Teleologie der Weltgeschichte des Trogus läuft nicht mehr auf die römische Republik als Hegemonialmacht des Mittelmeerraumes hinaus, wie dies noch in den Werken des Polybios und Poseidonios der Fall gewesen war,

sondern wie bei Strabon und Nikolaos von Damaskos schon auf das imperium Romanum der Prinzipatsordnung. Trogus betont jedoch andererseits mehrfach vor allem im 41. Buch die Koexistenz von zwei Weltreichen in augusteischer Zeit. Zwischen den Rómern und den Parthern sei es zu einer divisio orbis gekommen". Diese Formulierung widerspricht streng genommen seiner früher vertretenen geschichtsphilosophischen Position, nach der es infol : der translatio imperii gleichzeitig jeweils nur ein einziges Weltreich geben könne’”®, Nach van WICKEVOORT CROMMELINS Untersuchung steht jedoch bei Trogus der Begriff imperium „mit den entsprechenden Zusätzen terrarum oder orbis zunächst nur für Welt-Herrschaft,

aber nicht gleichzeitig auch für Weit-Reich'??, Trogus repräsentiere begriffsgeschichtlich ein Übergangsstadium der frühen Prinzipatszeit. Strabon akzentuiert dagegen in den Geographika deutlich stärker das römische Reich in seiner oikumenischen Ausdehnung als wahren Erben der Weltreichssukzession. Zur Zeit des Augustus war indessen nicht nur unter Historikem und Geographen bekannt, daB die diplomatischen Gesten der Parther 76 77

"Vgl. Storm 1985, 6 und 219-215. EE Vgl. lust. 41,1,1: „Parthi, penes quos velut divisione orbis cum Romanis facta nunc Orientis Imperium est.“ Die drei parthischen Siege über Rom in den Jahren 53, 40 und 36 v. Chr. werden bei Trogus

keineswegs verschwiegen: „soli ex omnibus gentibus non pares solum, verum etiam victores fuere (lust. 41,1,7). Uber den Widerspruch zwischen der augusteischen Ideologie von der einzigen Weltmacht Rom mit ihrem imperium sine fine und det Existenz einer zweiten, parthischen Weltmacht 1m

Osten sowie über den Konflikt zwischen der augusteischen Propaganda, nach der sich die Grenzen der Welt mit den Grenzen des augusteischen Reiches deckten, und der bekannten weit grôBeren tatsách-

lichen Ausdehnung der Welt siehe: MuLAr 1982, 1-23, Nicouer 1983, 163-173 sowie ausführlicher ders. 1988 und 1991. Die mit Abstand gründlichste historiographische Behandlung des Partherreiches

dürfte sich in den heute bis auf wenige Fragmente verlorenen Παρθικά Arrians (FGrHist 156 F 30-51) 78 79

in fünfzehn Büchern gefunden haben.

Vgl.z.B. lust. 11,12,15: neque mundum posse duobus solibus regi, nec orbem summa duo regna salvo statu terrarum habere", "Van WICKEVOORT CROMMELIN 1993, 222.

10. Strabon und die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus

259

keinesfalls die völlige militärisch-politische Überlegenheit der Rôrner beweisen konnten, wie sie Augustus in den Res gestae behauptet und unter den Universalhistorikern Strabon ın den Geographika propagiert. Ferner wußten alle gebildeten Griechen und Römer, die sich — sei es auch nur im Rahmen der Lektüre der Alexanderhistoriker — mit hellenistischer Geographie befaßt hatten, daß die Grenzen der Welt im Osten Asiens weit über die aktuellen Grenzen des römischen Reiches hinausreichten. Die wahren Dimensionen Indiens, sogar schon Zentralasiens bis zum östlichen Land der Serer (im Gebiet des heuti-

gen China) begannen sich abzuzeichnen. In Übereinstimmung mit dem offiziellen Rom begnügt sich aber Strabon zum Ausgleich dieser Spannungen zwischen dem politisch ge-

wünschten und dem geographisch bekannten Weltbild mit der Feststellung, daß Rom den wertvolisten Teil der Welt, eben die Oikumene rund um das Mittelmeer, beherrsche. Strabon vergleicht die Parther entgegen der Auffassung von ALoNso-NüNEz durchaus als Östliche Weltmacht jenseits des Euphrat und als Erben der östlichen Teile des Alexan-

der- und Seleukidenreiches mit der römischen Weltmacht unter Augustus*?, Wir wissen

aus dem Selbstzeugnis Strabons im 11. Buch der Geographika, daß das Partherreich im

Rahmen der Historika

Hypomnemata behandelt worden ist®!. Wegen des methodisch kom-

plementären Charakters beider Werke Strabons dürfen wir annehmen, daß der Grund-

tenor der Äußerungen über die Parther dort nicht grundlegend verschieden war von dem in den Geographika. Rom stand nach Strabons Meinung, die sich mit der ‚offiziellen‘ rómisch-augusteischen Position deckt, ein diplomatischer Primat im Verkehr mit den Parthern zu. Das römische Reich erscheint im Vergleich zur östlichen Weltmacht der Parther in den Geographika als das größere und bedeutendere. Denn der Raum der griechisch-rómischen Oikumene gilt ihm als der wertvollste und auch für Historiker und Geographen interessanteste der gesamten Erde. Die Weiten des Ostens jenseits des Euphrat, über die die Parther herrschten, interessierten Strabon dagegen umso weniger, je stárker dort der Einfluß der griechisch-rómischen Zivilisation abnahm. Strabon betrachtete im Einklang mit dem Hegemoniebegriff des Ephoros zudem diejenigen Feldherren als die

größten, die über Land und See herrschten”, und diejenigen Reiche als die größten, deren Gebiet sich gleichfalls über die größten Land- und Seeräume erstreckten. Weil aus Strabons Sicht die Parther in der augusteischen Âra eine typische Landmacht darstellten, die Rómer aber als Land- und Seemacht ihre Oikumene völlig beherrschten, war der römische ,Weltmachtanspruch‘ auch aus militärischen und geographischen Gründen sicherer fundiert ais

derjenige der zweiten Weltmacht jenseits des Euphrat, Es wird von ALoNso-NÓNEz richtig beobachtet, daß Strabon im Unterschied zu Trogus öfter in räumlich-geographischen als in dynastischen Zusammenhängen von der Idee der Weltreichsabfolge spricht. Wir finden bei Strabon keine abstrakte, vom räumlich-zeitlichen Erzáhlkontinuum gelóste geschichtsphilosophische Spekulation über die Abfolge der Weltreiche von den Assyrern bis zu Augustus wie bei Trogus. Strabon knüpft seine Gedanken über die Weltreichssukzession immer an die sukzessive Herrschaft über bestimmte Räume oder Städte an. Die umfassendste Reihe der Abfolge der Mächte mit besonderer Rücksicht auf die östlich-asiatischen Regionen nennt Strabon in Buch 11 mit den Assyrern, Medern, Persern, den Makedonen Syriens (d.h. den Seleukiden) und den

Parthern?*, Eine etwas abweichende Reihe nennt Strabon für die sich ablósenden Herr80

Vel. aber anders ALoNso-NüREz, Weltreichsukzession 1984, 54.

83

11,13,5 C. 524. Als zweite Weltmacht, deren Eroberungen die Kenntnis Asiens erweiterten, sind die

81 119,3 C. 515 = FGrHist 91 F 1 verweist auf das 6. Buch der Historika Hypomnemata. 82 Siehe 1,1,16 C. 9.

|

Parther auch in 1,2,1 C. 14 an programmatisch wichtiger Stelle genannt; vgl. auch 11,6,4 C. 508 über die ἐπικράτεια, den überlegenen Machibereich oder die Hegemonialsphäre der Parther und Römer, und 16,1,19 C, 745 über die Herrschaft der Parther im Osten als Nachfolger der Meder und Babylonier;

260

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

scher über Armenien: Perser, Makedonen, eine Periode der Selbständigkeit und schlieBlich die Römer®*. Die Stadt Arados in Phoinikien bietet Strabon Anlaß, seine Weltreichssukzession durch Abfolge der Perser, Makedonen, Seleukiden und zuletzt der Rómer in

der Herrschaft über diese kleine Stadt zu verdeutlichen®. Das Lob des römischen Weltrei-

ches in der augusteischen Ära als legitimem Erben der östlichen Universalreiche drückt Strabon an vielen Einzelstellen der Geographika und an zwei wichtigen zusammenfassenden Passagen der Oikumenegeographie aus, als Schlußwort seiner Italienbücher am Ende von Buch 6, wo er eine eigene kurze Geschichte des Aufstieges der Römer zur

Weltmacht gibt, und am Ende der gesamten Geographika in Buch 1756,

Der Schlußsatz des Trogus, den Iustin überliefert, bekräftigt nochmals sein fundamentales Einverständnis als Einwohner der damals vielleicht am stárksten romanisierten Provinz Nordwesteuropas mit dem zivilisatorischen Auftrag und der Weltherrschaft Roms und dem Prinzipat des Caesar Augustus: „perdomito orbe...populumque barbarum ac

ferum legibus ad cultiorem vitae usum traductum in formam provinciae redegit?! . Diese

Position deckt sich im Kern mit derjenigen Strabons. Die adulatorische Bemerkung des Trogus, daß allein das Ansehen des Caesar Augustus mehr als ganze Armeen anderer

Generále vermóge, hütte auch aus dem strabonischen Werk stammen kónnen??, Trogus, Strabon und auch Nikolaos von Damaskos stammen aus Gebieten, in denen sich verschiedene Kulturen über Generationen stark vermischt hatten. Die Familie des Trogus zog

wie die gesamte Provinz Gallia Narbonensis in ihrer bis zur augusteischen Ära etwa einhundertjährigen Provinzialgeschichte vielfáltigen Nutzen aus der Romanisierung. Trogus hatte wie Strabon gute Gründe, zugleich prorómisch und prinzipatsfreundlich eingestellt zu sein. Es mischten sich in Trogus die vokontisch-keltischen Traditionen, die über Massilia vermittelte griechische Poliskultur und hellenistische Bildung und die durch Fami-

lientradition, politische Entscheidung und wissenschaftlich-literarische Täti gkeit verstärkte

Identität als römischer Bürger. Diese Mischung macht sein politisches und historiographisches Urteil für uns besonders interessant.

selbst in den beiden Schlußparagraphen der Geographika Strabons mit ihrem Überblick über das rómi-

87

sche Oikumenereich wird das Reich der Parther nicht unterschlagen (17,3,24 C. 839). 11,14,15 C. 531-532. 16,2,14 C. 754. 6,42 C. 286-288 und am Ende des Werkes 17,3,24-25 C. 839-840; vgl. zur Einstellung Suabons gegenüber dem Prinzipat und Augustus MANCINETTI SANTAMARIA, 1978-79, 127-142, LASSERRE 1982, 879-896 und ausführlich hier die Kapitel [1.2.3 und 1Π.3.5--ὃ. Aust. 44,5,8.

88

Ebd. 42,5,12.

84 85 86

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

11. STRABON

UND DIE UNIVERSALHISTORIE VON DAMASKOS

261

DES NIKOLAOS

I. Zur Biographie und zum sozialen Status des Nikolaos Unter den augusteischen Universalhistorikern ist unseres Wissens Nikolaos der einzige, der eine Autobiographie verfaßt hat. Deren Fragmente sind eine erste Hauptquelle zu sei-

nem Leben und über seine Schriften. Hinzu treten aussagekrüftige Fragmente aus anderen biographischen, philosophischen und historiographischen Werken des Nikolaos, ferner verstreute Notizen bei Strabon, Josephus sowie in der byzantinischen lexikographischen und historiographischen Tradition!. Nimmt man alle Zeugnisse zusammen, besitzen wir über Nikolaos unter den augusteischen Universalhistorikern vielleicht die umfangreichsten biographischen Informationen. Die Zuverlässigkeit der autobiographischen Angaben des Nikolaos ist allerdings oft zweifelhaft, weil ihre apologetische Tendenz klar ist?. Nikolaos wurde ca. 64/63 v. Chr. in Damaskos geboren und starb vielleicht in den letzten Jahren der Regierung des Augustus?. Nikolaos war also fast ein Altersgenosse Strabons. Die Familie des Nikolaos gehórte zum syrisch-hellenisierten Teil der Bevólkerung von Damaskos, aber trotz der späteren engen Kontakte des Histortkers zum rómischen Klientelkónig Herodes in Jerusalem und Kaisareia nicht zu der großen jüdischen Gemeinde dieser Stadt^. Sein Vater Antipatros zählte zur Honoratiorenschicht, war mehrfach mit Gesandtschaften für die Stadt beauftragt worden und hatte auch wichtige stádtische Amter bekleidet. Aufgrund seiner philosophischen Ausbildung und seines umfassenden, auch fachphilosophischen Schrifttums kann Nikolaos im Unterschied zu Timagenes, Strabon oder Trogus auch im strengen Sinne beanspruchen, Verfasser philosophischer Werke zu sein. Nikolaos hat das Bürgerrecht seiner Heimatstadt stets hochgeschätzt, auch nachdem er am Königshof des Herodes verkehrte und später mit führenden Römern in Kontakt kam. Andere Philosophen und Historiker seiner Zeit strebten dagegen das Bürgerrecht einer berühmten Stadt der griechischen Kulturwelt, z.B. Athen oder Rhodos, an und ließen sich dort oder in Rom nieder”. So wurden der Apameer Poseidonios Rhodier und Theodoros aus Gadara Athener. Nikolaos wirkte in den 30er Jahren als Erzieher der Kinder des Antonius und der Kleopatra am Hof in Alexandreia. Einen renommierten Philosophen oder Khetor als Prin-

zenerzieher oder Ratgeber zu engagieren, imitierte das Vorbild Philipps IL., der Aristoteles als Lehrer Alexanders engagiert hatte, und entsprach einer verbreiteten Praxis hellenistischer Hófe. Nach Actium schaffte Nikolaos mit erstaunlicher Geschmeidigkeit eine grundlegende Wende seiner Position. Er wurde zunächst engster Ratgeber und Historiker des römischen Klientelkónigs Herodes, der in Jerusalem und Kaisareia residierte. Später entwickelte er sich zum von M. Agrippa und Augustus geschützten Diplomaten und poli1

2

3 4 5

Die biographischen, autobiographischen und historischen Zeugnisse über Nikolaos und die Fragmente seiner Werke sammelt Jacosy in FGrHist 90; zu einer ersten Information über Nikolaos siehe LAQUEUR 1937, 362—424 mit Nachträgen 1269 sowie WACHOLDER 1962. Vgl. FGrHist 90 T 1-15, F 81 und F 131-132 aus der Autobiographie im Referat der Suda, dazu AFFORTUNATI und ScARDIGLI 1987, 389—401; zur Augustusbiographie des Nikolaos siehe ScARDIGLI und DeLsranCO 1983 und BELLEMORE 1984.

NachF 136 (8) war er beim Tode des Herodes 4 v. Chr. schon ca. sechzig Jahre alt und hatte sich daher aus Altersgründen aus der Politik zurückzichen wollen. STERN 1974, Bd.1, 227 verweist auf ein Gelübde, daß Antipairos, der Vater des Nikolaos von Damaskos, dem Zeus geleistet hat (vgl. Suda A 2705 s.v. 'Avxina poc). Vg.F137 (6) mit Spott des Nikotaos über nicht namentlich genannte Sophisten seiner Zeit, die sich in

das athenische oder rhodische Bürgerrecht einkauften.

262

IL. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

üschen Berater für den jüdisch-syrischen Raum. Welche genaue Position Nikolaos zwischen 30 und 20 v. Chr. innehatte, wissen wir nicht. Ca. 20 v. Chr. war er im syrischen

Antiocheia, wo Augustus einer indischen Delegation eine Audienz gewührte. Vom Ablauf dieses Empfanges hatte Nikolaos nach dem strabonischen Bericht so gute Kenntnis, daß man auf seine Teilnahme an dieser Audienz geschlossen hat, Zutritt hierzu erlangte Nikolaos wohl durch seinen Protektor Herodes, der nach Actium zum bedeutendsten Klientelkónig Roms in der syrisch-judáischen Region aufgestiegen war. Der Philosoph, Diplomat und Historiker Nikolaos von Damaskos blieb von nun an sein wichtigster Ratgeber. Er begleitete den Kónig auf einer Reise durch Kleinasien und war beim Treffen mit

Marcus Agrippa 14 v. Chr. sein Berater. Er verteidigte in einigen griechischen Poleis die Interessen der jüdischen Einwohner gegen die Angriffe ihrer heidnischen Mitbürger und Gegner, versuchte aber auch demonstrative Gesten der Aussóhnung zwischen Herodes und den griechischen Städten, zum Beispiel Ilion, zu fórdern*. Nikolaos begleitete Hero-

des 12 v. Chr. auf dessen zweiter Italienreise. Seit dieser Zeit stand Nikolaos auch beim Prinzeps Augustus in hohem Ansehen, dessen erste Biographie in griechischer Sprache er verfaßte und der aus freundschaftlicher Verbundenheit eine köstliche Dattelsorte (oder

einen flachen Kuchen?) nach Nikolaos benannte?, Seine diplomatische Klugheit konnte Herodes die Gunst des Prinzeps zurückgewinnen und bis zum Tode des Herodes 4 v. Chr. trotz aller — nicht unberechtigten — Anfechtungen seiner vielen Gegner erhalten. Nikolaos spielte eine dunkle Rolle als Ankläger im Prozeß des alten Herodes gegen seinen ültesten Sohn Antipater. Er setzte seinen Einfluß in Rom nach dem Tode des Herodes dafür ein, daB dessen Testament erfüllt werden konnte. Seine ietzten Lebensjahre widmete Nikolaos der Vollendung der Universalhistorie. Als Diplomat und politischer Ratgeber spielte Ni4 kolaos also eine viel interessantere und wicbtigere Rolle als Strabon. Nikolaos bereiste im Laufe seines Lebens Agypten, weite Teile Syriens und Kleinasiens, Hellas sowie Italien, Der Schwerpunkt der Reisen und seiner Ortskenntnisse liegt wie bei Strabon und Timagenes eindeutig in der östlichen Hälfte der Mittelmeeroikumene. Die westliche Mittelmeerregion blieb ihm aus eigener Erfahrung weitgehend fremd und ist auch in seiner Universalgeschichte unterrepräsentiert. Die Reisen nach Italien hat er nämlich erst in höherem Alter angetreten. Sie waren brisante Gesandtschaftsreisen im politischen Auftrag des Königs Herodes und dienten nicht in erster Linie der Forschung und Vorbereitung seiner Universalhistorien. Eine persönliche Bekanntschaft des Damaskeners mit Strabon ist weder aus einem einzigen Zitat aus Nikolaos bei Strabon ableitbar

noch durch andere Zeugnisse in den Werken beider Autoren wahrscheinlich. Nikolaos gehört nach seinem Selbstverständnis und seiner Bildung zur hellenistischen Elite Syriens. Wir wissen nicht, ob und wie gut er Aramüisch verstand. Jedenfalls schreibt er alle überlieferten Werke auf Griechisch. Die gründliche hellenische Bildung verbindet ihn mit den zeitgenóssischen Universalhistorikern Trogus, Strabon und Timagenes, aber auch mit schriftstellerisch tätigen Königen von halbbarbarischen Ländern wie Iuba IL von Ja o

15,1,73 C. 719-720 = F 100.

T 4, F 81, 142; über Herodes und Josephus siehe Schaut 1969. T 4; zu den kleinasiatischen Diasporagemeinden des 1. Jh. vgl. ScHORER, VERMES, MILLAR 1986 (8 31), T 1 (Suda), T 104 (Athenaios) und 13 (Photios) bei Jacosr; Nikolaos wird als φίλος (T 13) oder

1-176 und TresıLco 1991.

ἑταῖρος des Prinzeps (T 10a) bezeichnet. Er stand unter den Universalhistorikern Augustus zeitweise noch näher als Timagenes.

Vgl. 15,1,73 C.

719-720 = F 100; nur auf dieses Zitat und zwei ebenfalls nicht aussagekräftige Notizen

in Strabons Geographika kann ALv 1957, 208 scine Vermutung stützen, es habe eine persönliche Ver-

bindung zwischen beiden Historikern bestanden. Eine solche hätte Strabon aber in den Geographika deutlich erwähnt.

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

263

Mauretanien oder Archelaos von Kappadokien!!. Obgleich Nikolaos für die jüdische Geschichte und die historischen Informationen in den Büchern des Alten Testamentes groBen Respekt zeigt, bleiben seine Sympathien stärker auf der Seite der hellenistisch-griechischen Städte in Syrien sowie der herrschenden Römer. In mehreren Werken äußert er scharfe Antipathie gegen den religiösen Eifer und die aggressiv nationaljüdische Politik der späten Hasmonäer, die außerdem Gegner seines Gönners Herodes waren. Nikolaos trat in enge Kontakte zu führenden Personen der griechisch-römischen Welt seiner Zeit. Er war alles andere als ein ‚Stubengelchrter‘. Er erlebte und gestaltete Politik und Diplomatie sowohl am kleinen hellenistischen Kónigshof des Herodes als auch im Zentrum der Macht in Rom. Unter allen augusteischen Universalhistorikern verfügte Nikolaos über die vielfáltigsten und intensivsten Kontakte zu Mitgliedern der politischen und militárischen Reichselite. Nach seinem sozialen Status ist Nikolaos unter den Universalhistonkern seiner Zeit gut mit Trogus als Angehôrigem der gallischen provinzialen Elite

und mit Strabon als Mitglied der pontischen Honoratiorenschicht vergleichbar. Die Familie des Nikolaos blieb noch viele Generationen nach dem Tode des Historikers in der Stadt Damaskos einfluBreich. Der Historiker und Philosoph begründete nämlich eine lange Tradition philosophierender Familienmitglieder'?, Hierin unterscheidet sich Nikolaos von anderen augusteischen Universalhistorikern, bei denen wir nichts darüber

hören, daß ihre Nachkommen wissenschaftlich-literarisch tätig gewesen wären oder sie selbst eine philosophische Tradition ihrer Familien begründet hátten. 2. Kurze Charakteristik der Werke des Nikolaos

Der Zeitpunkt und der Ort der Abfassung der verschiedenen Werke des Nikolaos lassen sich nur annüherupgsweise bestimmen. Seine zahlreichen und umfangreichen Werke dekken sehr unterschiedliche Gattungen ab und reichen von frühen Dichtungen über die Autobiographie und Biographie, die Paradoxographie, Ethnographie und die Universalhistorie bis zu fachphilosophischen Schriften. Nikolaos zählte sich zur Philosophenschule der Peripatetiker und verfaßte eine Reihe bedeutender Schriften und Übersetzungen der Lehren dieser Schule. Hierin unterscheidet er sich von Strabon, der sich trotz gewisser peripatetischer Studien der Stoa als seiner Philosophenschule verbunden fühlte. Das Ziel jeder guten Erziehung ist nach Nikolaos die φιλοσοφία. Wahrscheinlich verstand er diesen Beenff trotz seiner fachphilosophischen Studien in einem erweiterten Sinne wie Strabon oder Dionysios von Halikarnassos als allgemeine Weltweisheit. In der gesamten Kaiserzeit blieb Nikolaos als Rhetor und Philosoph, dagegen kaum als Universalhistoriker und frühester Biograph des Kaisers Augustus bekannt. Die phi-

losophischen Werke des Nikolaos wurden früh ins Syrische übersetzt und viel gelesen, während insbesondere die zeitgeschichtlichen Teile der Universalbistorien weniger Leser fanden. Er faßte im Rahmen seines schriftstellerischen Frühwerkes vor der Mitte der 20er

Jahre wichtige Werke des aristotelischen Corpus in Paraphrasen zusammen und schrieb auch ein pflanzenkundliches Werk Περὶ φυτῶν, das irrtümlich im aristotelischen Corpus überliefert ist. Das naturkundliche Interesse verbindet Nikolaos weniger mit Strabon, der allerdings in die Geographika auch botanische Notizen aufnahm, als stárker mit Pompeius Trogus als Autor einer Fachschrift De animalibus. Plutarch und Athenaios zitieren

Nikolaos als peripatetischen Philosophen, nicht als Historiker. Plutarch nennt indessen auch Strabon einen stoischen Philosophen. In der Philosophiegeschichte gilt Nikolaos Il 12

Vgl Iuba FGrHist 275 und Archelaos FGrHist 123.

Vgl. T2 aus Sophronios von Damaskos.

264

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

weniger als origineller Systematiker denn als einfluBreicher Popularisator und Verteidi-

ger der Ideen des Aristoteles und Theophrast). Einer Mode der damaligen gebildeten

Welt folgend, versuchte sich Nikolaos in seiner Jugend auch als Verfasser von Tragódien und Komödien!®. Solche Entwürfe sind für keinen der anderen augusteischen Universalhistoriker bezeugt. Auf Drángen des Herodes schrieb Nikolaos als erstes politisch-historisches Werk eine Biographie des Augustus mit enkomiastischer Tendenz. Unter den Quellen des Nikolaos für seine Augustusbiographie ragt nach der Meinung der meisten Kommentatoren (mit Ausnahme Toners) die nur in wenigen Fragmenten erhaltene Autobiographie des Kaisers selbst heraus, die mit dem Kantabrerkrieg, also mit den Siegen von 26/5 oder wahrscheinlicher erst mit den letzten Kämpfen von 20/19 v. Chr. endet!*. Toxer kritisiert die auf Jacopys Kommentare! zurückgehende vorherrschende Auffassung, die Augustusbiographie des Nikolaos sei schon in den späten 20er Jahren verfaßt worden und habe sich in Form und Inhalt eng an die lateinische Autobiographie des Augustus angelehnt. TOHER plädiert selbst ohne entscheidende Argumente für eine deutlich spätere Abfassungszeit und bezweifelt die unterstellten engen Beziehungen zwischen der Autobiographie des

Augustus und der Biographie des Nikolaos". Der Bios Καίσαρος des Nikolaos beschreibt nicht das gesamte Leben von der Geburt bis zum Tode des Prinzeps, den Nikolaos ver-

mutlich gar nicht mehr erlebt hat, mit für den Charakter des Augustus exemplarischen Taten und Ereignissen, sondern schildert seine frühen Jahre bis zur Festigung des Prinzipates. Gerade in diesem frühen Lebensabschnitt des Prinzeps konnte Nikolaos seine apologetische Kunst entfalten und ihn gegen Vorwürfe seiner Gegner verteidigen, die die brutale Rolle des jungen Octavian als Triumvir im Bürgerkrieg nach Caesars Tod anprangerten. Im Bericht über die Ermordung Caesars kombiniert Nikolaos lateinische Quellen (Asinius Pollio und Oppius) mit einer griechischen Queile, die wiederum wahr-

scheinlich Vorlage des Appian und des Plutarch für diese Ereignisse war!?. Zumindest für die zeitgeschichtlichen Teile der Historien des Nikolaos muB man mit mehreren Vorlagen rechnen und das eigene Urteil des Nikolaos berücksichtigen. Nikolaos rechtfertigte die politischen Handlungen des Prinzeps Augustus im Osten als Fortführung der Ordnung des Pompeius und dankte dem Prinzeps dafür, daß er der Oikumene nach langen Bürgerkriegen und Unruhen endlich den Frieden gesichert habe. Eine stark apologetische Autobiographie, die Nikolaos wohl erst nach dem Tode des Herodes und möglicherweise zur Absicherung der eigenen Position verfaßte, und eine

paradoxographisch-ethnographische Sammlung merkwürdiger Sitten fremder Völker, die Παραδόξων ἐθῶν ouvayurynl”, die er Herodes noch vor dessen Tod widmete, runden die 13 14

Siehe auch Drossart LuLors 1965. F132(1).

15

Mit dem Sieg im Westen Europas über die Kantabrer endelen nicht nur die Autobiographie des Prinzeps in dreizehn Büchern (Suet. Aug. 85,1), sondern wohl auch die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus; vgl. BLUMENTHAL 1913, Teil 1: 113-130, Teil 2: ebd. 267-288 und Teil 3: 1914, 84-103, Jacony, Kommentar zu FGrHist 90 F 125-130, den Fragmenten der Augustusbiographie des Nikolaos,

WACHOLDER 1962, 25, DosEscH 1978, 91-174 und Bowersock 1965, 136f als Vertreter der communis opinio, daß die Autobiographie in den 20er Jahren entstand und bis zum Kantabrerkrieg reichte. F 125-130 mit einem Kommentar Jacoavs über den vermutlichen zeitlichen Endpunkt der Biographie des Nikolaos in FOrHist Il C p. 264f. 17

Toner

1989, 159-172, ders. Dissertation 1985, ders. 1985, 199—206 und ders. 1987, 135—138; siehe

N

aber schon JacoaYv zu F 125 (1) in ΠΟ p. 263f über die Abfassungszeit; vgl. ferner ScHULER und SFAFFHORST 1991/2, 55-67. Vgl. aus der Biographie des Augustus F 130 (8 58-106) mit Jacoys Kommentar in IIC p. 272ff sowie Soarbicu 1983, 121—123 und Wrrre 1900 mit einer wichti gen Rezension von MünzeEr 1900, 2983-

T 13 und 15 sowie F 103-124 zur Synagoge; T | und F 131-139 zur Autobiographie.

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

265

historisch-politischen Werke des Nikolaos ab. Der Titel seiner Autobiographie lautet in Anspielung auf ähnliche Werke des Hellenismus Περὶ τοῦ ἰδίου βίου καὶ τῆς ἑαυτοῦ ἀγωγῆς, also Über sein eigenes Leben und seine Erziehung. Bloc und ἀγωγή sind typische Stichwörter in Titeln der peripatetisch geprägten Biographie und Autobiographie?. Die

Autobiographie des Nikolaos betont als Gelehrtenautobiographie seine Erziehung, seine Wertehaltungen und seinen philosophischen Charakter, der an exemplarischen Episoden des eigenen Lebens aufgezeigt wird. Seine Autobiographie war nach ihrem Titel ähnlich

Caesars Commentarii in der dritten Person abgefaßt, um den Eindruck größerer Objektivität zu erwecken. Ihr politisch zentrales Anliegen bestand in der Rechtfertigung der engen Beziehungen zwischen Nikolaos und Herodes sowie in der Aufzählung der Dienste, die er Herodes bis 4 v. Chr. erwiesen hatte. Nach den wenigen überlieferten Fragmenten zu urteilen, ist der Stil im Vergleich zur Augustusbiographie und der Universalhistorie ausführlicher gewesen?!. Die peripatetischen Wurzeln der Autobiographie des Nikolaos und ihre politisch-apologetischen Ziele wurden schon früh von MiscH und Leo erkannt. Doch WACHOLDER legt zu Recht auch Gewicht auf einige jüdisch-ägyptische und orientalische Traditionen, die sich in dem für die gesamte Gattungsgeschichte der griechisch-rómi-

schen Autobiographie wichtigen Werk des Damaskeners widerspiegeln. Unter den jüdi-

schen Vorläufern erinnert WACHOLDER an Simon ben Sirach, das Tobitk-Buch und die Auseinandersetzung mit den Lehren der Hillel-Schule über die Beschreibung des Lebens eines frommen Juden. Griechisch-peripatetische und syrisch-jüdische Traditionen mischen sich also bei Nikolaos. Diese Mischung ist typisch für seine Zeit und den syrisch-judäischen Raum, einen der ,melting-pots' des damaligen römischen Reiches”. Zeittypisch ist unter den kleineren Werken des Nikolaos auch ein ethnographischparadoxographisches Buch, an dem er schon vor oder spätestens parallel zur Weltgeschichte arbeitete, die Παραδόξων ἐθῶν συναγωγή, eine Sammlung seltsamer Bräuche

fremder, auch barbarischer Völker, die nach geographischen Kriterien geordnet war“. Die Sammlung begann mit Sitten in Italien und reichte von der östlichen Welt bis nach Nordafrika. Nikolaos wollte damit wohl in Konkurrenz treten zum Werk Konons am Hofe des Königs Archelaos von Kappadokien oder zu den paradoxographischen Arbeiten König Jubas II. von Mauretanien“, Vielleicht hatte Nikolaos angesichts des riesigen Umfanges seiner Historien von 144 Büchern auch erkannt, daß er weiteres reiches ethnographisches, paradoxographisches und geographisches Material nicht vollständig in das Hauptwerk einbauen konnte, ohne die Universalgeschichte noch mehr zu überfrachten. Sie war ohnehin das bisher umfangreichste Werk ihrer Gattung. Außerdem konnte er sich auf eine Tradition des Peripatos in der Abfassung ähnlicher Werke seit den Νόμιμα βαρβαρικά

des Aristoteles stützen. Nikolaos folgte schließlich mit seiner Sammlung dem seit der Mitte des 1. Ih. v. Chr. faßbaren verstärkten Interesse der Leser an paradoxographischantiquarischer Literatur. Das Hauptwerk des Nikolaos ist die Universalhistorie, die nach 14 v. Chr. auf Drän-

gen des Herodes” begonnen wurde und schließlich in 144 Büchern von den ältesten und 20

Vgl. T 1, 8—9 (9, 14, F 100 (?) und F 131-139 und WachoLoer 1962, 37-51.

21 22

Dies kritisiert WACHOLDER 1962, 39, Siehe dazu WacHoLDER 1962, 40-51, Verglichen mit Nikolaos steht Flavius Josephus mit seiner Autobiographie wieder stärker in der griechisch-römischen Tradition. Zur Entwicklung Syriens unter dem Prinzipat siehe jeizt die meisterhafte Synthese von Micar 1993,

23 24 » 6

insb. 27-79 ‚The Bridgchead and the dependent Kingdoms, 31 BC — AD 74* und 337-386 ‚From

Judaea to Syria Palaestina‘. Vgl. T I3, 15 und F 103-124, Jacopy hält sie in JIC p. 256 für ein Nebenprodukt und für die ethnographischen Reste des „Zettelkastens” der Universalhistoric. Zu Konon siehe FGrHist 26, zu Iuba FGrHist 275. F135.

266

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

noch halb mythischen Zeiten des Ninos und der Semiramis bis in die augusteische Ára reichte. Der wahrscheinliche Endpunkt 4 v. Chr. mit dem Tode des Herodes - reichsweit und aus oikumenischer Perspektive betrachtet ein Ereignis von sekundárer Bedeutung und der Regelung seiner Nachfolge durch Augustus erscheint für eine Universalhistorie wenig günstig. Er erklärt sich aus der überragenden Bedeutung des Herodes für Nikolaos?" Dieser wählt bewußt keinen aus spezifisch römischer Sicht der Reichsgeschichte oder mit Rücksicht auf die domus Augusta geeigneteren Endpunkt seines Werkes, obwohl echte welthistorische Zäsuren seit Polybios in dieser Gattung schon üblich waren. Es ist nicht sicher zu bestimmen, wann Nikolaos sein Hauptwerk abschlo8. Angesichts der immensen Größe des Werkes von 144 Büchern ist kaum vorstellbar, daß die Universalhistorien im Jahre 4 v. Chr. auch schon bis zu den Ereignissen der augusteischen

Zeit und bis zum Tode des Herodes fortgeführt worden waren“®. Nikolaos hat die Werke

des Timagenes und des Dionysios von Halikarnassos schon benutzt, und sein eigenes Werk muß Strabon spätestens bei der frühtiberischen Überarbeitung der Geographika zugänglich gewesen sein. Genauere Hinweise auf die Abfassungszeit können wir jedoch

deshalb nicht geben, weil sich der Zeitpunkt der Abfassung oder der Überarbeitung der Strabonstelle, in der Nikolaos zitiert wird, nicht definitiv festlegen läßt,

Nikolaos entscheidet sich dagegen, sich völlig auf die Fortsetzung der Universalhistorie des Polybios, also auf den Zeitraum von 145 v. Chr. bis zur augusteischen Gegenwart, zu konzentrieren. Dies kann man aus der Werkökonomie noch deutlich ablesen. Er strebt ferner keine pragmatische Geschichtsschreibung, sondern eine philosophisch-para-

digmatische und rhetorisch-pathetische Darstellung an. Nikolaos kombiniert die Tradiü-

on der griechischen Historiker mit ihrem Versuch einer ‚objektiven‘ Analyse der historischen Abläufe mit der philosophisch-griechischen und vielleicht sogar auch mit der jüdi-

schen Tradition der Bewertung des Lebens einer Person oder des Schicksals eines Volkes aufgrund theologisch-ethischer Kategorien. Von den Universalhistorien des Nikolaos erhoffte sich sein Patron Herodes, seine angefochtene Position zu rechtfertigen und vielleicht die hellenisierte jüdische Elite und die griechisch-römische Bildungswelt mit seinem Reich in engeren Kontakt zu bringen. Herodes wünschte und erhielt eine ruhmvolle Darstellung seiner eigenen politischen Rolle in der Triumvirats- und Prinzipatszeit im anspruchsvollen Gattungsrahmen der Universalhistorie, nicht lediglich in einer der an hellenistischen Höfen verbreiteten Kónigsmono-

graphien oder einer enkomiastischen Biographie. Schließlich konnte eine solche Universalhistorie dazu beitragen, Jerusalem auch als literarisches Zentrum in der Konkurrenz mit anderen Dynasten- und Kónigshófen zu etablieren. Nikolaos ist der erste und einzige griechische Universalhistoriker geblieben, in dessen Werk das späthellenistische Juden-

tum einen für diese Gattung unverhältnismäßigen großen, noch breiteren Raum als bei Timagenes und Strabon einnahm?.

Nikolaos muB angesichts seines Themas kompilatorisch arbeiten. Es ist aber gegenüber seiner Leistung als Schriftsteller ungerecht, ihn deshalb lediglich als Steinbruch bei 27

Vgl. ΤΊ und 8-9 sowie F 102; Toner 1987, 135-138 vertritt unorthodoxe Auffassung, daß die Universalgeschichte 12 v. Chr. laos in diesem Jahre Herodes nach Rom beglcitete. Zu diesem keine zeitgenössischen Ereignisse behandelt. Es habe vielleicht

dagegen mit Hinweis auf F 135 die schon fertiggestellt war, bevor NikoZeitpunkt habe das Werk aber noch zuerst schon mit dem Regierungsan-

tritt des Herodes geendet. Nach ToHErR habe Nikolaos erst nach dem Tode des Herodes ab 4 v. Chr.

28 29

damit begonnen, die ca. 25 Bücher des uns heute vorliegenden zeitgeschichtlichen versalhistorie vom Regierungsantritt bis zum Tode des Herodes als Zusatz zum anzufügen. Doch gegen ähnliche Vermutungen siehe schon JAcogY in FGrHist TIC Vgl. zum Problem erneut Toner 1989, 161f. "Vgl. WacHoLDER 1962, 52-64 und zu anderen griechischen Quellen ScHÜünER 1973,

Teiles seiner Unifrüheren Hauptteil p. 231.

Bd. 1, 17-68.

t1. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

267

der Suche nach Fragmenten früherer Autoren und zu methodisch untauglichen Versuchen der Rekonstruktion der verlorenen Werke des Xanthos oder Ktesias zu mißbrauchen. Man

sollte Nikolaos nicht vorschnell als mechanischen Exzerptor ohne jedes historiographische Konzept disqualifizieren. Bedingt durch den sehr großen zeitlichen Umfang des Werkes arbeitet Nikolaos gleich Diodor in den früheren Büchern stärker kompilatorisch als in den zcitgeschichtlichen Werkteilen. Seine chronologische Ordnung erlaubt es Nikolaos durchaus, innerhalb dieses Zeitrasters sein Material auch in thematische Exkurse zu untergliedern. Er überschreitet dabei aber wohl keine Buchgrenzen. Die kompilatorische Arbeitstechnik des Nikolaos schadet den Büchern über das 1. Jh. v. Chr. weniger als den Anfangsbüchern des Werkes, weil er in der Zeitgeschichte guten Quellen folgt und sich selbst für die lange Regierungszeit des Herodes als Augenzeuge an vieles erinnert. Hóhere quellenkritische Ansprüche erhebt Nikolaos indessen nicht. Keines unserer Fragmente führt auf ein „Methodenkapitel“. Nur mit der programmatischen Wahl des anspruchs-

vollen Werktitels 'Ioroptat?, nicht aber in der Methodik, im Berichtszeitraum, geogra-

phischen Schwerpunkt oder den persónlichen Werturteilen knüpft Nikolaos an Ephoros, Polybios und Poseidonios an. Nikolaos benutzt viele gute Quellen, darunter oft Ktesias, Xanthos, Hellanikos und Ephoros. Quellen für die alten Reiche des Orients sind ihm vor allem die Περσικά des Ktesias, die Βαβυλωνιακά des Berossos, die Avôtax des Xanthos?!, sodann die Universalhistorien des Timagenes. Die Zurückhaltung gegenüber Herodot, einem damals schon kanonischen griechischen Historiker, verbindet Nikolaos mit Strabon. Jüdische Traditionen benutzt Nikolaos wahrscheinlich nur selten und dann wohl in griechischen Ubersetzungen. Für die hellenische Geschichte bis zur Zeit des Herodes folgt Nikolaos vor allem Ephoros und Hellanikos, Polybios für das 3. und frühe 2. Jh. sowie Poseidonios für die zweite Hälfte des 2. Jh. Im 1. Jh. v. Chr. dagegen schließt er sich u.a. Timagenes an und schópft für die zweite Hälfte auch aus den eigenen Erinnerungen. Er übernimmt für seine Universalhistorie selbst aus erst jüngst veröffentlichten Werken wie der Ῥωμαικὴ dpxmoλογία des Dionysios von Halikarnassos bedenkenlos Passagen ohne gravierende Verän-

derungen??, Seine profunde rhetorische Bildung erlaubt ihm eine stilistische Überarbei-

tung seines Quellenmaterials mit dem Ziel, entsprechend deu Regeln der tragischen oder peripatetischen Historiographie durch ἐνάργεια der Darstellung seine Leser zu teilnehmenden Zuschauern der Ereignisse zu machen”. Nikolaos weicht also in seinen Interessen, seiner Methode und bestimmten Eigenheiten sowohl von der ,pragmatischen' Geschichte des Polybios als auch von dessen beiden wichtigsten Fortsetzern Poseidonios und Strabon deutlich ab. Unter den hellenistischen Universalhistorien des 1. Jh. nimmt sich das Werk des Nikolaos mit 144 Büchern unfórmig umfangreich aus, zumal man noch lange Abschnitte der Augustusbiographie, seiner ethnographisch-paradoxographischen Sammlung und der Autobiographie als historische Korollarien zur Universalhistorie hinzurechnen kónnte. Uber den Aufbau der ersten sieben Bücher wissen wir vor allem dank des Interesses der byzantinischen Exzerptoren mehr als über die zeitgeschichtlichen Werkteile. Die Bücher

1-2 eröffnen die Historien mit der mythologischen Frühzeit und Geschichte der altorien-

talischen Reiche der Assyrer, Meder und Babylonier. Entgegen der Tradition des Epho-

ros, Polybios und Strabons entscheidet sich Nikolaos dafür, mit den altorientalischen Rei-

chen und danach erst mit der mythischen Zeit der Griechen zu beginnen, wie es auch 30 31

Til:in 144 Büchern. Siehe zu Ktesias FGrHist 688, zu Berossos FGrHist 680 und zu Xanthos FGrHist 765.

32

Z.B. stammen F 69 und 70 aus Dion. Hal. ant. 1,82,3-84,2 und 2,32,1-34,1.

33

Toner 1989, 164-172 illustriert diese Arbeitsweise an drei Fragmenten des Nikolaos, deren Vorlagen

wir unabhängig von der Universalgeschichte kennen: F 5, 22 und 68.

268

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

Diodor getan hatte. In Buch 3 folgen Hellas und seine mythische Frühzeit bis zum Trojanischen Krieg. Dann erzählt er in den Büchern 4-7 über frühe griechische und römische Geschichte. Aus den Büchern 8-144, vor allem aber über die Jahre nach 145 v. Chr., die für den Vergleich mit Strabon besonders interessanten wären, haben wir leider nur noch isolierte

Fragmente. Aus diesen gewinnt man keineswegs den Eindruck, daß Nikolaos der politisch-militärischen Ereignisgeschichte einen eindeutigen Primat eingeräumt hätte. Aus den Büchern 103-104 sind zwei Fragmente?* über die Zeit der Mithradatischen Kriege erhalten, die sich mit einem Agon des Mithradates im Essen und Trinken sowie den Erdbebenfolgen um Apameia befassen. Über den Zeitraum, der vom Ende der Historien des Poseidonios in den 80er Jahren bis zum Endpunkt seines eigenen Werkes reichte, hat Nikolaos also noch ca. vierzig Bücher verfaßt, Diese allein entsprechen schon der durchschnittlichen Länge späthellenistischer und augusteischer Universalhistorien. Aus Buch 107 haben wir ein Fragment”? über Sullas Geschenke an Mimen und Spaßmacher, aus Buch 108 eines

über botanische Verhältnisse in der Alpenregion”, aus Buch 110 zwei Fragmente über

den Triumph des Lucullus nach den Siegen über Mithradates und Tigranes 63 v. Chr. Nikolaos datiert — sehr spät - von diesem Ereignis ab den endgültigen Einzug der τρυφή in

Rom?', Aus Buch 114 kennen wir ein Fragment über den verdienten Untergang eines

verräterischen Schmeichlers des Crassus nach dessen Niederlage gegen die Parther 53 v. Chr. Diese Niederlage wird bei Nikolaos durch den Verrat des Andromachos fast entschuldigt. Aus Buch 116 ist ein Fragment über die soldurii als persönlich mit Leben und Tod der keltischen Kónige verbundenes Gefolge erhalten, das die entsprechende Passage in Caesars Commentarii paraphrasiert??. Eine Notiz über die diplomatische Reise des Herodes zu Agrippa in Ionien 14 v. Chr. ist innerhalb der sicheren und mit Buchzahl überlieferten Fragmente der Universalhistorien des Nikolaos von 145 v. Chr. bis zur augusteischen

Zeit das einzige Fragment zur politisch-militärischen Ereignisgeschichte””. Der größte

Tei! der Fragmente des Nikolaos stammt aus der Exzerptensammlung des Konstantin VII. unter den Abteilungen de insidiis und de vitiis et virtutibus. Dies prágte die Auswahl der exzerpierten Passagen stärker, als man sich oft klar macht. Es treten allerdings besonders aus Josephus und Strabon noch weitere Fragmente ohne Buchzahl über die Zeit von Antiochos IV. bis zum Tod des Herodes hinzu**, Der Aufstieg der Römer zur Weltmacht 220-146 v. Chr. und die beginnenden Krisenjahre von 145 bis zum Bürgerkrieg zwischen

Sullanern und Marianem wurden von Nikolaos nur recht knapp abgehandelt, da seine Notizen über Sulla und Pompeius schon aus den Büchern 104—107 stammen. Vermutlich hat Nikolaos die Ereignisse des westlichen Mittelmeerraumes nur behandelt, insoweit sie die Geschichte des syrisch-üstlichen Raumes mitbestimmten, der die Achse seiner Universalhistorie bildet. Der EinfluB des Nikolaos auf die Geschichte des syrischen Ostens

und Judäas bei spáteren Autoren kónnte übrigens hóher sein, als man aufgrund der Fragmentsammlung JacoBvs vermuten móchte?!, Für die syrisch-hasmonäische Geschichte von Antiochos IV. (ab 175 v. Chr.) bis in die augusteische Ára war Nikolaos jedenfalls

eine Autorität, wie der auf ihn als Hauptquelle gestützte Bericht des Josephus? im Bellum Judaicum und in den Antiquitates erweist. 34 35 36 37

F 73-74 (aus Athenaios' Büchern 8 und 10). FP75z Athen. 6261c. F76= Athen. 15,6822. F77ab-78 (alle drei aus Athenaios).

38 F 80; vgl. hierzu die Eihnographie Caesars in Gall. 3,22. 39 F81. 40 41

F91-102, Einen bedeutenden Einfluß nimmt WaCHOLDER 1962, 13 an.

42

Vgl. FELDMAN 1984, 402-406 über Nikolaos und ebd. 392-419 zu den Quellen des Josephus, ferner

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

269

In den Büchern 123-124 beschreibt Nikolaos schon die Prinzipatszeit, wie ein Frag-

ment über die Reise des Nikolaos mit Herodes zu Agrippa 14 v. Chr. belegt*?. Seine Uni-

versalhistorien folgen also der kompositorischen Eigenart aller griechischen Werke dieser

Gattung, daß sie zur eigenen Lebenszeit hin immer ausführlicher werden. Denn für die

letzten zehn Jahre des Berichtszeitraumes von 14-4 v. Chr. stehen Nikolaos noch zwanzig Bücher zur Verfügung. In diesen wird die späte Regierungszeit seines Patrons Herodes eine Hauptrolle gespielt haben. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die Jahre vom Ende des polybianischen Werkes bis zum Ende des poseidonischen vergleichsweise knapp behandelt waren. Wohl kaurn hatte Nikolaos also die Absicht, in dieser Periode als Konkurrent des Poseidonios aufzutreten, wie dies Strabon ausdnicklich tat. Man erkennt keine geschlossene Buchgruppe des Nikolaos, die ein geographisches Raumbild seiner Historien systematisch entfaltet hätte. Auch ein separates, in strabonischer Weise die Historien geographisch kommentierendes Werk fehlt, weil die ΠαραδόSav ἐθῶν συναγωγή zweifellos einen ethnographisch-paradoxographischen Charakter hatte und den strabonischen kulturgeographischen Geographika nicht vergleichbar war. Geographische Exkurse sind bei Nikolaos insgesamt im Vergleich zu Polybios, Poseidonios und Strabon vermutlich seltener und knapper. Sie werden als Einzelbemerkungen im jeweiligen Zusammenhang diplomatischer oder politisch-militärischer Berichte über die Erzählung verstreut gewesen sein. Stephanos von Byzanz überliefert einige Fragmente

aus den Büchern 4-5 der Historien des Nikolaos*, die sich alte auf Ortsnamen oder geographische Fragen beziehen und inhaltlich knapp sind. Dies deutet aber weniger aufeinen spezifisch geographischen Charakter der Einleitungsbücher und ein verstärktes geographisches Interesse des Nikolaos im Sinne der Bücher 4-5 des Ephoros hin als eben auf das Interesse des Exzerptors Stephanos an seltenen Städtenamen.

3. Strabon und Nikolaos als Quellen des Josephus über hasmonäische und römerzeitlich-jüdische Geschichte Eineeindrucksvolle Liste mit Namen hellenistischer Schriftsteller, die teilweise mehrbändige Spezialwerke über Juden, jüdische Religion und Geschichte verfaßten, findet man

bei Jacosy und STERN®. Kein einziges dieser Werke ist uns im Original und vollständig erhalten, Einige sind uns wenigstens heute noch in ihrer Struktur und Tendenz erkennbar, weil sie als Quellen in die Universalhistorien des Poseidonios, Timagenes und Strabon oder in die erhaltenen Schriften vor allem des Flavius Josephus eingegangen sind. Der niveauvollste und aktuellste griechisch-hellenistische Autor über jüdische Geschichte und

Bräuche vor Nikolaos war im 1. Jh, Alexander Polyhistor^$,

|

Noch im byzantinischen Mittelalter galt aus dem Kreis der späthellenistischen und

augusteischen Universalhistoriker Nikolaos als eine nützliche Lektüre für das heidnische historische Umfeld der biblisch-christlichen Altertümer, obwohl inzwischen unter den nichtchristlichen Autoren Josephus zur maßgeblichen Autorität über die Geschichte Judä-

as im 1. Jh. v. und n. Chr. aufgestiegen war. Die origo der Juden und ihre Religion waren vor Nikolaos schon innerhalb der universalhistorischen Gattung von Timagenes und Posei-

donios behandelt worden. Einzelereignisse der politisch-militärischen Geschichte der Ju-

WacuoLDER 1989, 147-172; zum kulturellen Hintergrund des Josephus bleiben wertvoll WENDLAND. 43

1912, THACKERAY 1929 (ND 1967), TcHERiKOvER 1960 und Rasa 1983. F81.

44 45

Und einige weitere, leider ohne Buchzahl überlieferte F 85-88. FGrHist 273-274 und 722-737 mit ScHüRER 1973, Bd. 1, 17ff und Stern 1974-1984.

46

Vel. über diesen FREUDENTHAL 1875 und Schürer 1986, Bd. 3.1, 510-513.

270

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

den fanden bei Polybios Erwähnung im Zusammenhang mit der Geschichte des Seleukidenreiches und der Kämpfe um Jerusalem unter Antiochos III. und IV., bei Poseidonios in seinen Notizen über Antiochos VII. Sidetes und die Hasmonäer sowie bei Strabon im Zusammenhang

mit Alexander Iannaios oder dem Ptolemäerreich (z.B: über Juden in

Alexandreia und im ptolemäischen Heer, in Kyrene, Kriege um Koile Syrien). Diese vereinzelten Bemerkungen waren meist eine Mischung aus gelehrten genealogischen Erfindungen und persönlichen Urteilen*’, Keine der großen helienistischen Universalhistorien hat die jüdische politische Geschichte aber in solcher Breite dargestellt, wie dies Nikolaos tut. Er verteidigt das Judentum als Religion und die jüdischen Lebensweise, obwohl er ein hellenisierter Syrer und kein tradititioneil erzogener Jude ist und aus Loyalität zu Herodes den spáten Hasmonáern sehr kritisch gegenübersteht. In der hellenistischen Geschichte des 3.-2. Jh. v. Chr. berücksichtigt er die jüdische Geschichte seit Antiochos IV. und der Revolte der Makkabäer viel stärker als frühere Universalhistoriker, aber baut diese Ereig-

nisse dennoch weiterhin in die allgemeine seleukidische oder ptolemäische Reichsgeschichte ein. Nikolaos verliert jedoch, als sein Bericht zum Sturz der Hasmonäerdynastie

und nach 63 v. Chr. bis 4 v. Chr. in die Lebens- und Wirkungszeit Antipaters und seines Sohnes Herodes, seines Patrons, fortschreitet, den Sinn für die angemessenen Propor-

tionen in einer Universalhistorie. Nach Schátzungen auf der Basis der Fragmentsammlung JacoBys müssen ca. dreißig der 144 Bücher ausschließlich der Zeit des Herodes, die letzten zwanzig Bücher sogar nur den letzten zehn Jahren seiner Regierung gewidmet gewesen sein und diese Jahre minutiós und in apologetischer Weise geschildert haben. Nikolaos hat als Hofhistoriker des Herodes seinen Gônner und dessen Vater enkomiastisch verherrlicht und die Schuld an der dramatisch beschriebenen Familientragödie, die in der

Hinrichtung des ältesten Sohnes Antipater gipfelte, diesem Sohn gegeben. Sogar Josephus kritisiert die überstarke enkomiastische Tendenz des Nikolaos, Die äußerst detaillierte Schilderung des Nikolaos wurde von Josephus in nur vier Büchern seiner Antiquitates zusammengefaßt. Die sehr ausführliche Erzählung der Ereignisse in der Regierungszeit des Herodes durch Nikolaos und die Entscheidung des Josephus, Nikolaos als seine Hauptquelle zu wählen, erwiesen sich in der Überlieferungsgeschichte als entschei-

dende Vorteile dieses Werkes gegenüber seinen Konkurrenten aus der augusteischen Ara.

Als erster zeitgenössischer Autor zitiert Strabon Nikolaos im 15. Buch der Geographika*. Strabon ist auch einer der ersten, der die Universalhistorie des Timagenes zitiert. Beides spricht für die gründliche Materialrecherche Strabons, die auch sehr aktuelle Werke einschließt. Das einzige sichere Zitat aus Nikolaos bei Strabon wird wahrscheinlich aus den Historien, nicht aus der Autobiographie entnommen sein. Strabon macht aber hier-

über keine Angaben. Strabon zitiert Nikolaos zu der indischen Gesandtschaft zu Augustus

20 v. Chr. in Antiocheia, aber nicht im Rahmen seiner systematischen Landesbeschreibungen Syriens und Judäas, nicht im „Mosesexkurs“ und auch nicht für die Zeitgeschichte der Hasmonäer und das Haus des Herodes. Weil sich Strabons Berichte aber gerade für diese Themen teils signifikant von der Version des Nikolaos unterscheiden, kónnte es sein, daB er diese sehr wohl gründlich zur Kenntnis genommen hatte, aber selbst davon abweichen wollte. Theoretisch hätte auch Nikolaos seinerseits die Historika Hypomnemata Strabons benutzen kónnen, deren Abfassungszeit man heute überwiegend in die späten 47

Vgl z.B. die Darstellung Abrahams bei Nikolaos, Timagenes oder Trogus als Stadtkönig von Da-

48

C. 760-762 = Poseidonios FGrHist 87 F 70 = T 115 p. 294—311 Stern. Z.B. Ios. ant. Iud. 16,179-185 = F 101—102 = T 93 p. 244-246 Stern.

49

maskos mit dem viel Sympathie zeigenden strabonischen Mosesexkurs der Geographika: 16,2,35-39 15,1,73 C. 719-720 = F 100; Münzer Strabons.

1900, 2983 hält diese Stelle für cinen der spätesten Zusätze

11. Strabon und die Universalhisiorie des Nikolaos von Damaskos

271

zwanziger Jahre des 1. Jh. v. Chr. datiert. Wir kennen aber kein Fragment des Nikolaos, das eine solche Benutzung der Universalhistorie Strabons zweifelsfrei beweisen könnte.

Ich halte es für wahrscheinlicher, daß Nikolaos Strabons Werk nicht kannte?®.

Der syrisch-palästinensische Raum und seine Geschichte von Antiochos IV. und der Revolte der Makkabäerbis in die augusteische Ära bildeten einen Schwerpunkt der Historien des Nikolaos und der kurz zuvor entstandenen Historika Hypomnemata Strabons?!. Alle Fragmente Strabons, die dieses Thema betreffen, und fast alle Fragmente des Nikola-

OS starnmen aus den Werken des Josephus. Die Art und Weise, wie Josephus Nikolaos im Bellum Judaicum und Nikolaos und Strabon in den Antiquitates als Quelle benutzt, soll daher hier knapp erläutert werden. Schon ALBERT weist nach, daB Strabon von Josephus im Bellum Judaicum noch gar nicht und in den Antiquitates nur zur Ergänzung im Detail oder zur Kontrolle der Universalhistorie des Nikolaos benutzt wurde, die als eindeutige Hauptquelle des Josephus feststeht. Josephus benutzt Nikolaos in den Antiquitates direkt

ohne Z wischenquelle??, Doch polemisiert Josephus an einigen Stellen gegen seine Haupt-

quelle und deren übertriebene Tendenz. An solchen Stellen der vereinzelten Kritik an Nikolaos hat Josephus woh! auch Strabon herangezogen, mit dessen von Nikolaos abweichenden Angaben er prunken wollte. MüNzzR weist auf die Eigentümlichkeit hin, daß Josephus an den Stellen, an denen er Strabon und Nikolaos zusammen als Quellen an-

führt, häufiger Strabons Historika Hypomnemata als erstes Referenzwerk nennt”. Anders ist die Reihenfolge aber in der Bemerkung des Josephus, daß „über den Krieg des Pompeius und des Gabinius gegen die Juden Nikolaus von Damaskos und auch Strabon der Kappa-

dokier berichteten, wobei der eine nichts anderes als der andere sagte“**, Diese Stelle ist methodisch aufschlußreicher als die anderen drei, an denen entweder mehrere Autoren zitiert sind, darunter auch Nikolaos und Strabon, oder es nur um eine einzelne gemeinsame

Notiz bei diesen, nicht aber um eine historiographische Bewertung der Versionen geht. Die Berichte Strabons und des Nikolaos über die Feldzüge des Pompeius und A. Gabinius stimmten überein, und daher konnte Josephus Strabon hierzu keine zusätzlichen Details entnehmen. Ältere Versuche, umfangreiche Passagen aus den Antiquitates des Josephus und der Parallelüberlieferung hierzu im Bellum Judaicum auf die Historika Hypomnemata

Strabons zurückzuführen, obwohl Strabon hier nicht ausdrücklich als Quelle

genannt ist, überzeugen nicht*.

Nikolaos behandelt innerhalb seiner Universalhistorie die Geschichte der hasmonäischen Dynastie und ihres Nachfolgers Herodes viel detaillierter als Strabon und nach eini-

ge Fragmenten zu urteilen in einer rhetorisch stilisierteren Form. Über die im Rahmen

einer Universalhistorie nur sekundäre Frage der jüdischen Rechte in den kleinasiatischen Städten äußert sich Nikolaos beispielsweise sowohl in Buch 123 als auch 124. Nikolaos schildert als Anhänger des Herodes Aristobulos L, Alexander Iannaios und die Königin Salorne-Alexandra wenig sympathisch. Nikolaos spielt vor allem die eindrucksvollen militärischen Siege des Alexander Iannaios herunter, wie ein Vergleich seiner Notizen über SO 51 52 53

Wrrre 1900, ist doch nach Vel. FGrHist Vgl. ALBERT

12f pládiert für eine Benutzung der Universalhistoric Strabons durch Nikolaos, aber dies Münzer 1900, 2983 und Stern 1974, Bd. 1, 262 unwahrscheinlich. 9t F 10-18. 1902, 43-48 und SCHURER 1973, 50-52.

MoüwzzR 1900, 2983: Ios, ant. Iud. 13, 347 = F 93 = Strabon FGrHist 91 F 12 über Ptolemaios Lathyros

nach der Schlacht bei Asophon; 14,68 = F 98 = Strabon F 15 Autoren, zu denen u.a. Strabon, Nikolaos Titus Livius (Liv, Per. 102) gehóren, über die Taten des Pompeius, insb. über die Eroberung des Tempelbezirkes 63 v, Chr. und Ios. c. Ap. 2,84 = Nikolaos F 91 = Strabon F 10 über die niederen Motive des

54 55 56

Antiochos IV. für die Plünderung des Tempelschatzes. Nikolaos F 97 = Sırabon F 13 = Ios. ant. lud. 14,104. Jos. ant. lud, 1429-104. "Vgl. AcBExT 1902, 21-25.

272

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

dessen sehr erfolgreiche Expansion mit Fragmenten der Historika Hypomnemata oder

dem 16. Buch der Geographika Strabons ergibt”. Außerdem stellt Nikolaos Antipater, den Vater des Herodes, auffällig sympathisch vor*5. In der Geschichte der kurzen Regierung des Aristobulos legt Nikolaos den Hauptakzent auf die Beziehungen zwischen Aristobulos und Antigonos. Die Konzentration auf die Tragódie innerhalb des Herrscherhauses paßt gut zum pathetischen Stil der zeitgeschichtlichen Teile des Nikolaos und übergeht wichtige politische und militärische Ereignisse der Regierungszeit des Aristobulos?. Strabon weicht von der Darstellung des Nikolaos also dadurch ab, daß er die hasmonäische Dynastie und einzelne Herrscher deutlich positiver bewertet. Für die Auffassungen Strabons wichtige Zitate in den Antiquitates des Josephus erscheinen in diesem Werk wie eine „Einlage in eine ihnen fremde Umgebung, heben sich als Bestandteile einer fremden

Quelle von dem sie umgebenden Texte ab“, Dies fällt besonders ins Auge bei dem eingefügten Zitat über das (Bestechungs-) Geschenk des goldenen Weinstockes in Damaskos für Pompeius und im doppelten Bericht über den Tod des Antigonos. Josephus beruft sich auffälligerweise für den Aufenthalt des Pompeius in Damaskos auf Strabon. Für dieses Ereignis hätte man erwarten können, daß sich Josephus zuerst auf den Damaskener Nikolaos gestützt hätte. Josephus zitiert aber hier Strabon deshalb, weil dieser aus Autopsie

und detailgenau das Geschenk beschrieben hat, das der jüdische Klientelkónig dem groBen Pompeius übersandte und das dieser dann in Rom dem kapitolinischen luppiter weih-

tee,

|

In der Landesbeschreibung Syriens und Judäas des 16. Buches der Geographika legitimierte Strabon die Eroberung Jerusalems durch Pompeius auch dadurch, daß er den späten Hasmonäerstaat unter Alexander Jannaios als einen Ráuberstaat beschimpft. Die AUS-

lôschung der Banden des Zenodoros ist bei Strabon parallel zur Tradition bei Nikolaos und Josephus beschrieben, doch ist dies noch kein Beweis für die Herkunft dieser Passa-

gen bei Strabon aus Nikolaos®?. Dieser verurteilte die Hasmonäer auch scharf wegen ihrer Übergriffe gegen griechische Poleis in ihrem Machtbereich und der Versuche einer teilweise gewaltsamen Judaisierung. Dies wird deutlich in den starken Sympathien für das

durch die Hasmonäer eroberte hellenistische Gazaf*. Nikolaos war ein Bürger des syrischen Damaskos, einer Kapitale des Seleukidenreiches. Gerade die Seleukiden hatten aber die Hellenisierung der Städte Judäas und der Küste Palästinas immer gefördert. Strabon unterstreicht sogar das hohe Ansehen des Antigonos, des Erzfeindes des Herodes, bei den

Juden. Trotzdem hat er auch ein insgesamt positives Bild von der Politik des Herodes, wohl weil dieser den römischen Interessen in der Region lange Jahre nützlich war“,

Strabon legt andererseits Wert auf die persönliche und mutige Hilfe des Hasmonäers Johannes Hyrkanos II. für Julius Caesar, als dieser im Bürgerkrieg in Alexandreia in Bedrängnis geriet‘, und zitiert zustimmend Timagenes, der an einigen Stellen seiner Universal-

historie Aristobulos I. rühmteff. 57 58

Zu den Erfolgen Alexanders siehe 16,2,40 C. 763 = Poseidonios FGrHist 87 F 70 =T 115 Stern. Siehe zu Antipater Ios. ant lud. 14,8-9 = F 96 = T 90 Stern. |

60

=T&1 und T 100 Stern). So ALBERT 1902, 43,

61

los, ant. Iud. 14,34-36 = Strabon FGrHist 91 F 14.

59

62 63 64 65 66

Jos. bell. Iud. I, 70-84 und ant. Iud. 13, 319 = Timagenes FGrHist 88 F 5 (= Strabon FGrHist 91 F 11 Vel. 16,220 C. 756 mit Ios. ant. Iud. 15, 360 und bell. Iud. 1,404 aber ohne ausdrückliche Erwähnung des Nikolaos. Ios. ant. Iud. 13, 356-364. 16,246 C. 764-765,

T

107 Stern = Strabon FGrHist 91 F 16 (aus Asinius Pollio) und F 17 (aus Hypsikrates). Strabon FGrHist 91 F 11.

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

273

Die bei Josephus erhaltenen Fragmente der Historika Hypomnemata Strabons behandeln Handlungen und Persönlichkeit der führenden Hasmonäer, der großen Römer und ihrer Gegner. Damit entsprechen diese Fragmente dem Programm, das Strabon für seine Werke am Anfang seiner Geographika entworfen hatte. Sie handelten von den Taten und dem Leben der bedeutendsten Zeitgenossen, nicht von unscheinbaren Einzelheiten oder den kleinen Leuten aus dem Volk und auch nicht von der Analyse abstrakter Phänomene und Wirkkräfte der Geschichte wie Macht und Recht. Ausführungen über die jüdische Religion und geographische Exkurse über das jüdische Kerngebiet hatte Strabon dagegen in den Historika Hypomnemata vermutlich noch ausgelassen und den Geogra-

phika?! vorbehalten. 4. Nikolaos von Damaskos, Dionysios von Halikarnassos und Strabon über die Legitimität des Prinzipats des Augustus Wieviel Raum Nikolaos der Geschichte der römischen Republik gewidmet hat, können wir wegen des fragmentarischen Zustandes des Werkes nicht mehr genau abschätzen. Nach zwei Fragmenten mit Buchzahl zur Gründungsgeschichte Roms über Amulius und

Iulia gibt es in unserem Material eine Lücke bis zu den Mithradatischen Kriegen?*. Die

römische Republik und die großen Römer des 1. Jh. v. Chr. betrachtet Nikolaos nicht aus stadtrómischer oder italischer Perspektive. Bei ihm stehen die jeweiligen Handlungen dieser Rómer im Osten im Mittelpunkt des Interesses. Er konzentriert sich auf die Taten seiner Helden und ihrer Widersacher, zu denen als handelnde Personen auch Frauen des Hauses des Prinzeps, der Hasmonäer und des Herodes zählen. Eine gewisse Abneigung des Nikolaos gegen zu viele Reden in Geschichtswerken ist aus den Fragmenten erkennbar. Auch ausführliche Schlachtbeschreibungen fehlen jedenfalls in den überlieferten Fragmenten des Nikolaos. Dagegen werden innenpolitische oder außenpolitische Intrigen und

diplomatische Ränkespiele ausführlich erzählt, für die der Diplomat Nikolaos ein intimes

Verständnis mitbringt. Leider kennen wir kein explizites Urteil des Nikolaos über die römische Republik als Verfassungsform, das wir mit seinem positiven Urteil über den Prinzipat vergleichen kónnten. Eine romfreundliche und proaugusteische Tendenz der Schlußbücher der Historien kann man annehmen. Die Augustusbiographie und die zeitgeschichtlichen Teile der Universalhistorie durchzog wohl der gleiche Tenor, daß Roms Herrschaft den Ländern des Ostens statt der Anarchie während der rómischen Bürgerkriegsepoche und der blutigen Kämpfe der späten hellenistischen Reiche äußeren Frieden und innere Sicherheit gebracht habe. Nikolaos lobt das Wirken Caesars und die weitgehende Bestätigung seiner Ordnung

durch Augustus nicht zuletzt deshalb, weil das Haus des Herodes seine unter Caesar be-

gründete Stellung unter Antonius und Augustus bewahren und ausbauen konnte. In seiner

Augustusbiographie9? feiert Nikolaos Augustus als Friedensbringer, Euergeten und ,So-

ter‘ des Erdkreises. Provinzbewohner des Ostens wie Nikolaos, Dionysios oder Strabon rühmen Augustus háufig wegen seiner Verbesserung der Verwaltung der Provinzen, der Städteförderung und der Garantie des sozialen Status quo im Interesse der Oberschicht,

der Sicherheit der Seewege und der Fórderung der hellenischen Kultur. Im Stiltraktat des Pseudo-Longinus steht ausdrücklich auch der Gedanke vom Weltfrieden unter Augustus,

der den großen rhetorisch-literarischen Talenten keineswegs schade”. 67 68

69 70

in Buch 17. Vel. das 16. Buch der Geographika und weitere Notizen z.B. über Juden in Alexandreia 94-95. 73-15. Vgl. F 69-70,

F125-139 mit Interpretation von WacuoLnEr 1962, 26f. Vgl. Ps.-Longin, De subl. 44,6 οὐχ à τῆς οἰκουμένης εἰρήντι διαφθείρει τὰς μεγάλας φύσεις; spätere

274

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfüängen bis Strabon

Entsprechend hart fallen die Angriffe des Nikolaos auf Widersacher des Prinzeps aus, beispielsweise M. Antonius. Diese Schärfe erstaunt, weil Nikolaos in den 30er Jahren noch loyaler Prinzenerzieher bei Antonius und Kleopatra in Alexandreia gewesen war. Ein aufschluBreiches Indiz für seine radikale ,Wende* zur Partei des Augustus und unverbrüchliche Loyalität nach Actium ist das Plädoyer für die Illegitimität Ptolemaios XV. Kaisars und damit für die alleinige Berechtigung Octavians, das politisch-herrscherliche und pivatrechtliche Erbe Caesars anzutreten. Strabon ist diesem Problem elegant dadurch ausgewichen, daß er jedenfalls in seiner Herrscherreihe der Ptolemäer in den Geographika Caesars Sohn verschweigt, Nikolaos versteigt sich zu einer ausgeprägten Augustuspanegyrik, indem er verkündet, unter den Weltherrschern der Geschichte sei allein Augustus als idealer Herrscher der bisher besten Weltordnung so beliebt, daB er auch die Zuneigung der Beherrschten aus freien Stücken erreicht habe’!. Das römische Kaiserreich, nicht die römische Republik, ist

für Nikolaos der Garant des Glücks und der humanen Lebensverhältnisse seiner Einwoh-

ner’?. Es ist ein Weltstaat des Friedens und der Gerechtigkeit. Darin liegt die Legitimation des Prinzipates als Staatsform und der Herrschaft der Römer über die Mittelmeerwelt. Strabon zufolge legitimiert schon die riesige Weite des beherrschten Raumes die Monarchie und macht den Prinzipat statt der Republik und des Konzertes der späthellenistischen Groß- und Regionalmächte unerläßlich. Eine solche herrschaftsgeographische Begrün-

dung des Prinzipates läßt stch bei Nikolaos nicht nachweisen. Die Universalhistoriker Trogus und Strabon haben sich in der Einschätzung des weltherrschaftsanspruches des augusteischen Oikumenereiches im Vergleich zu anderen Historikern und griechischen Intellektuellen, z.B. Nikolaos und vor allem Dionysios von Halikarnassos’°, eine realistische Einschätzung bewahrt. Dionysios erwähnt nämlich an zentralen Stellen seines Geschichtswerkes nicht einmal die Existenz eines zweiten Weltreiches der Parther in augusteischer Zeit’*. Dies mag daraus resultieren, daß seine Pogoakm ἀρχαϊολογία ein noch stärker rhetorisches und der exemplarisch-pädagogischen

Geschichtsschreibung verpflichtetes Werk sind als die Universalhistorien des Trogus und Strabon oder daB er die rómische Zeitgeschichte nur im Vorwort und bestimmten Bemerkungen und Vergleichen des Geschichtswerkes sowie im Prooimion und einzelnen Notizen des Stiltraktates Über die alten Redner streift. Dionysios übergeht jedoch einfach den Widerspruch zwischen der augusteischen propagandistischen Selbsteinschätzung und der politisch-geographischen Realität in seinem Enkomion auf das Reich des Prinzipates, während Trogus und Strabon bei aller grundsátzlichen Zustimmung zu Roms Weltherrschaft und zum Prinzipat Brüche zwischen dem propagandistischen Weltbild und der

Ausdehnung der Macht der Parther im Osten nicht ganz verdecken?.

71 72 73

Autoren sahen im rómischen Kaiserfrieden aber auch schon auf lange Sicht eine Bedrohung für die Kultur des Reiches; siehe zu diesem auf den ersten Blick paradoxen Gedanken Fucus 1958, 363-385 und GaBBA 1979, 1033-1049. "Vgl.Jacoby F 125 (1). Das ἑκόντων ἄρχειν ist indessen auch ein Topos der philosophisch verklärten Monarchie. Vel. los. ant. lud. 14,31-57 = F 142. Vgl. zu Dionysios von Halikarnassos und seinen Werken GABBA 1982, 59-61, ders. 1991 sowie aus-

führlich GoupRIAAN 1989; zu einem Vergleich zwischen Auffassungen des Nikolaos und des "Trogus siche ALoNSO-NOREz, Trogue-Pompée 1990, 79-85 sowie Bowersocx 1979, 57-75 (mit Diskussion 16-78). Über die Werke des Dionysios als Zeugnisse für den gewandelten intellektuellen ;Zeitgeist' 74 75

siehe siche Vgl. Vgl.

auch treffende Bemerkungen bei Fox 1993, 31—47, zur augusteischen Propaganda bei Dionysios MARTIN 1971, 162-179, SchuLtze 1986, 140f und Gaaaa 1991 passim. Dion. Hal. ant. 1.2,2-4 oder 1,3,1—5. besonders 17,324 C. 839, aber auch 1.2.1 C. 14.

11. Strabon und die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos

275

Nikolaos, Strabon und Dionysios von Halikarnassos akzeptieren die römische Welt-

herrschaft und die neue Monarchie gleichermaßen rückhaltlos. Sie verfolgen mit ihren

Werken ein gemeinsames Ziel, die Aussöhnung der griechischen Intellektuellen mit dem unumkehrbaren Faktum der römischen Weltherrschaft und den Aufbau und geistigen Zusammenhalt einer neuen, gemeinsam herrschenden Schicht aus westlichen und östlichen

Reichseliten’®. Dionysios von Halikarnassos bezeichnet sein ganzes Werk als Zeichen der

Dankbarkeit an Rom für die Bildung und die Vorteile, die er dort empfangen habe", Die weise und beherrschte Weltregierung der Rómer habe auch den literarisch-ästhetischen Wandel weg von der asianischen Rhetorik zum Besseren, d.h. in die attizistische Rich-

tung, hervorgebracht, wie sie insgesamt die besseren Elemente in den griechischen Städte

gefördert habe?5, Dionysios unterstellt damit, daß die asianische Rhetorik größeren Erfolg

bei den unteren sozialen Schichten der griechischen Welt gehabt habe, die attizistische aber in der sozialen und Bildungselite des Ostens. Auch in seinem antiquarisch-historiographischen Hauptwerk, der Pouaixn ἀρχαιολογία, wendet sich Dionysios mit politischen Grundauffassungen und Zielen an sein Publikum, die denen des Nikolaos oder Strabons

ähnlich sind??. Dionysios vermeidet es aber, zu aktuellen verfassungspolitischen Entwicklungen offen Stellung zu nehmen?®, während Strabon mit seinem deutlichen Lob des

Prinzipates und der Person des Augustus (und des Tiberius) hierin weniger zurückhaltend ist. Dionysios lebte von ca. 29 bis zur Publikation seiner Ῥωμαιϊικὴ apxonoAoyla 7 v. Chr. in der Hauptstadt des augusteischen Oikumenereiches, Romé!, also zu einer Zeit, als auch

Strabon die Metropole besucht hat und dort vermutlich längere Zeit lebte. Dionysios entstammte einer vornehmen Familie mit gehobenem sozialen Status, war hochgebildet und

persönlich mit griechischen Intellektueilen und einflußreichen Römern bekannt. Zur Illu-

tation seines kulturellen Milieus sei unter griechischen Gelehrten und Literaten an Pompeius Geminus und Kaikilios von Kale Akte erinnert. Strabon erwähnt auch Dionysios von Halikarnassos, obwohl nicht sicher ist, daß er ihn persönlich kannte®?. Von den römi-

schen Aristokraten seien die Metilii, Cremutius Cordus und über Q. Aelius Tubero wette-

re Aelii und Seiani genannt. Strabon und Dionysios richten sich mit ihren Werken selbstbewußt nicht nur an andere Gelehrte, sondern an die Mitglieder der politisch-militäri-

schen Reichselite, denen sie sich sozial als gleichrangig empfinden, und an alle an hóherer

Allgemeinbildung interessierte Leser". Aber Dionysios differenziert noch genauer zwlschen drei Lesergruppen: den ἄνδρες πολιτικοὶ im Sinne des Polybios und Strabon, den

φιλόσοφοι und dem größten Teil der Leser, die primär Unterhaltung bei der Lektüre suchten. Alle drei Gruppen sollen aus der Lektüre seiner Werke Nutzen ziehen“. Für die Bedürfnisse und das Niveau der dritten und größten Gruppe existierte in der Historiographie - wenn auch kaum als Universalhistorien -, in der Biographie, der Romanliteratur oder

76

herrDie Aussöhnung zwischen der kulturell führenden griechisch-heilenistischen und der politisch r u.a. GABBA schenden römischen Elite betonen als Ziel Strabons und anderer griechischer Intellekıuelle

1982, 43-65, ders. 1984, 61-85, GeizeR 1979, 1-41 und Bowersock 1979, 57-75. 7) Dion. Hal. ant. 1,6,5. 78 Vel. Dion. Hal. De ant. or. 1,3,1. ] | on 79 Vgl. SCHULTZE 1986, insb. [36f. 80 Eine Ausnahme isteine Kritik des Dionysios an dem seiner Meinung nach zu fretzügigen Freilassungs 81 82

wesen der Römer (Dion. Hal. ant. 4,24,4—8). Dion. Hal. ant. 1,3,1-4 und 1,7,2-4. 14.2.16 C. 656 und dazu vgl. Bowersock 1965, 130f.

$4

Dion. Hal. ant. 1,8,3.

|

979, 6517

83 ΖΒ. Dion. Hal. De ant. or. 1,3 p. 5,21-6,12 Usener-Radermacher; dazu siehe BOWERSOCK 1979, und SCHULTZE 1986, 123f, über Strabons gewünschte Lesergruppe Kapitel 1.5.2.

276

II. Geographie und Universalhistorie von ihren Anfängen bis Strabon

der Ethno- und Geographie zur Zeit Strabons und des Dionysios durchaus schon eine

reiche Literatur auf eher niedrigem Niveau, Strabon bezeichnet Dionysios ausdrücklich als Historiker, nicht nur als Rhetor oder Philologen®. Große Taten bedeutender Personen sind für Dionysios wie für Strabon Hauptthema ihrer Geschichtswerke. Der Begriff der Größe zerfällt für Dionysios in drei Aspekte: μέγεθος, κάλλος, μῆκος, Ein guter historischer Stoff bedarf dreier Eigenschaften: der Größe, der Neuheit und besonders der Nützlichkeit. Diese Bestimmung des Themas äh-

nelt durchaus der Beschreibung von Thema und Ziel der ‚Kolossurgia‘ Strabons in den

Geographikaÿ?. Strabon, Nikolaos und Dionysios erwarteten für die Zukunft des Oikumenereiches

eine vollständige Integration und aktive gleichberechtigte Partizipation der östlichen intellektuellen und sozialen Eliten an der Reichspolitik. Dieses Ziel] war im 2. Jh. n. Chr. zur Zeit des Plutarch®® und des Ailios Aristeides weitgehend erreicht. Ihren vollkommenen Ausdruck erhält die Versöhnung griechischer Intellektueller mit dem römischen Kaiserreich, deren literarische und historiographische Fundamente schon früh von Strabon, Dionysios von Halikarnassos und Nikolaos von Damaskos durch ihre Rechtfertigungen des Kaisertums und der augusteischen Oikumencherrschaft aus der Sicht griechischer Intellektueller der sozialen Oberschicht gelegt worden waren, im 2. Jh. n. Chr. in den großen

Reden des Ailios Aristeides®” und des Dion von Prusa??.

86 87

Indizien für eine solche z.B. bei Cic. de orat. 2,59—61 und später Plin. epist. 5,8,4; vgl. dazu SCHULTZE 1986, 133-135. (42.16 C. 656. "Vgl. Dion. Hal. ant. 1,1,1-1,3,6 mit 1,1,23 C. 13-14. Zu Plutarchs Gedanken über das Verhältnis der griechischen Intellektuellen und Honoratioren zu führenden Römern vgl. RENOIRTE [951 und zum Selbstverständnis griechischer Intellektueller im Kaiserreich im allgemeinen Bowie 1974, 166-209 sowie WALKER und CAMERON 1989,

Vgl. über die politischen Auffassungen des Ailios Aristeides OLIVER 1953 und 1968, BLAICKEN 1966, 90

223-277 und über die Romrede des Ailios KLEIN 1981 sowie ders. 1983. Vgl. zu Dion mit reichen Literaturangaben Desiwerı 1978.

III. EXEMPLARISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR CHARAKTERISIERUNG DES STRABONISCHEN GESCHICHTSBILDES 1. DIE GESCHICHTE DES ATTALIDENREICHES ALS BEISPIEL FÜR STRABONS BESCHREIBUNG EINER HELLENISTISCHEN MONARCHIE 1, Das Attalidenreich und seine Herrscher in den Geographika

Strabon rnacht in seinen Geographika über mehrere hellenistische Reiche und ihre Herrscher interessante historisch-politische Bemerkungen. Zusammengenommen ergeben sie eine ansehnliche Menge von Einzelinformationen zur Ereignisgeschichte der hellenistischen Staatenwelt, deren späte Periode bereits Hauptthema der strabonischen Universalhistorie gewesen war. Es würde sich ohne Zweifel lohnen, alte diese Notizen zu sammeln und mit dem heutigen Stand der Forschungsdiskussion über die dort angeschnittenen Fragen zu vergleichen. Eine solche vollständige Sammlung und deren Auswertung muß aber wegen ihres Umfanges an anderer Stelle erfolgen. In diesen Untersuchungen bietet es sich an, exemplarisch die Notizen der Geographika über das Attalidenreich und seine einzelnen Herrscher herauszugreifen und näher zu untersuchen. Denn innerhalb des Hauptteils der Historika Hypomnemata, von 146/5 v. Chr. bis in die frühaugusteische Zeit, war das Attalidenreich das erste hellenistische Reich, das durch Erbschaft und die siegreiche Beendigung des Aristonikoskrieges an Rom fiel und aus dessen Kerngebiet die Römer die reiche Provinz Asia schufen. Über dieses Attalidenreich und die Genealogie seiner Herrscher legt Strabon in den Geographika einen bemerkenswerten Exkurs ein, der von der Begründung durch Philhetairos bis zum Ende des Reiches durch das Testament Attalos’ III. und die Errichtung der Provinz Asia reicht!. Diese ‚Kurzgeschichte‘ des attalidischen Reiches erlaubt - ergänzt durch weitere verstreute Notizen - eine exemplarische Analyse der strabonischen Auffassung vom Wesen einer Monarchie in der Zeit der ‚Diadochen und Epigonen Alexanders‘, Strabons Terminus für den ‚Hellenismus‘, der Rahmenbedin-

gungen und Gründe ihres Entstebens, Wachstums und schließlichen Untergangs. Man kann untersuchen, welche der Strukturelernente einer hellenistischen Monarchie, die die moderne Forschung herausgestellt hat?, schon bei Strabon erfaßt sind. Für die Beurteilung des Wertes der historisch-politischen Notizen Strabons in den Geographika ist es wichtig zu beobachten, ob seine Angaben über die Attaliden insgesamt nach heutigem Forschungsstand korrekt sind oder welche Fehler ihm dabei unterlaufen sind. Die politische Grundhaltung des Historikers Strabon wird daraus deutlich, welche Position er in dem Streit um die Legitimität des rómischen Erbanspruches auf das pergamenische Königreich einnimmt und wie er die gewaltsame Niederschlagung des Versu-

ches des Aristonikos/Eumenes IIL, die Nachfolge Attalos' III. anzutreten, durch Rom und 1

2

Vgl. zur Würdigung dieses Exkurses ViraiLio 1984, 21-37 (auch in ders. 1988, 94-110) und ders. 1985, 547-565 (auch in ders. 1988, 75-93, insb. 84-91) jüngst ders. 1993. Zur politischen Geschichte det hellenistischen Staatenwelt, dem Umfeld des Attalidenreiches, siehe: WıLı 1982, insb. Bd. 2, WALBANK 1984 und GEHRKE 1990 sowie die weitere Literatur zum pergamenischen Reich unten in Anm. 7. Güntser 1990 n.v, Vgl zur Struktur des hellenistischen Königtums SchugarT 1937, 1-26, BRAUNERT 1968, 47-66, SCHMITTHENNER 1968, 31-46, Geurke 1982, 247-277, SEIBERT 1991, 87-100, WatBANK 1984, 62-100, HEINEN 1984, 421-432 sowie BRiNGMANN 1993, 83-95.

278

IM. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

seine Verbündeten darstellt. Das Ende der Attalidenmonarchie und die Errichtung der Provinz Asia durch Rom hat Strabon sicherlich auch in seiner Universalhistorie behan-

delt, wenngleich uns hierüber Fragmente fehlen. Die gesamte ‚Kurzgeschichte‘ der Attaliden in den Geographika seit Philhetairos ist aber so umfangreich, daß Strabon kaum schon in der Universalhistorie einen Ähnlich konzentrierten, mehrere Generationen um-

fassenden Überblick über diese Monarchie vorgelegt hat. Dort wird er die Geschicke der Attaliden vermutlich eher im Rahmen der Geschichte der großen Diadochenreiche des Lysimachos, der Antigoniden, der Ptolemäer und der Seleukiden sowie der Verwicklung

Roms in die Geschichte der östlichen Mittelmeerwelt behandelt haben. Strabon standen für seinen Attalidenexkurs abgesehen von den umfangreichen Passagen über dieses Reich bei den großen hellenistischen Historikern (nicht zuletzt bei Polybios) vor allem solche Quellen zur Verfügung, die die Geschichte der attalidischen Herrscher biographisch orientiert beschrieben. Strabons Zusammenfassung der Attalidenge-

schichte läßt diesen an der Abfolge der Herrscher ausgerichteten Aufbau noch deutlich erkennen’. Als historische Vorlagen Strabons kann man an Lysimachos*, einen Zeitgenossen und Bewunderer des Königs Attalos I., Neanthes aus Kyzikos°, Leschides, einen Zeitgenossen Eumenes" IL, oder auch an ein ‚offizielles‘ pergamenisches Geschichtswerk

— vielleicht eine frühere Fassung der uns noch vorliegenden Chronik von Pergamon —

denken®. Pergamon entwickelte sich vor allem seit Eumenes II. schnell zu einem Kultur-

zentrum mit einer großen Bibliothek, das zahlreiche Gelehrte anzog, z.B. Polemon aus Ilion (den Perihegeten) oder Demetrios aus Skepsis, der über die Troas schrieb und von

Strabon mehrfach genannt wird. Die Attaliden selbst fórderten bewußt die biographische

Herrschergeschichte und antiquarisch-perihegetische Forschungen. Der Quellenwert dieser heute leider bis auf wenige Fragmente und Werktitel verlorenen Darsteltungen kónnte dem der späteren biographischen Tradition über einzelne Attaliden überlegen gewesen sein. Eine Reihe von Inschriften der Attaliden aus ihrem Reichsgebiet (vorzüglich aus Pergamon selbst) und aus den kulturellen Metropolen der griechischen Welt (u.a. Athen, Delphi und Delos) und numismatisches Quellenmaterial ergänzen die literarischen Quellen und bestátigen die Qualität des strabonischen Berichts. Strabon selbst hat solches

Material offenbar nicht für seinen Attalidenexkurs ausgewertet’.

Wahrend auch ALLEN 1983, 2-3 vor allem biographische und lokalhistorische Quellen Strabons ver-

3

mutet, bält VirciLio 1985, 87f es wegen des fragmentarischen Überlieferungszustandes der betreffen-

den Werke für unmöglich, diese Annahme zu beweisen. ViRGILIO selbst plädiert 1988, 89-91 und 1988, 97-99 für Polybios (vielleicht auch Hypsikrates?) und die Historika Hypomnemata Suabons als Hauptquellen des Exkurses in den Geographika, Ein so langes Seibstzitat aus der Universalhistorie wie der Passus über den Kricg gegen Aristonikos scheint mir aber methodisch bedenklich. Mithradates von Pergamon wird von Strabon jedenfalls in den Hisrorika Hypomnemata (FGrHist 91 F 16-17) sicher-

lich zitiert. Lysimachos, Περὶ τῆς ᾿Αττάλου παιδείας = FOrHist 170 T 1, aus diesem Werk sind keine Fragmente

4

überliefert.

5

Neanthes von Kyzikos, Περὶ Ἄτταλον ἱστορίαι = FGrHist 171 F 1, nur ein Fragment ist überliefert.

Leschides FGrHist 172 T 1; bei Jacony findet sich nur ein einziges Testimonium, das Leschides als Ependichter und Feldzugsteilnehmer des Eumenes zusammen mit dem Maler Pytheas und dem Arzt Menandros ausweist. Der Historiker war wohl ein φίλος des Eumenes; Arrianos (vgl. FGrHist 153 F 15a) und Musaios (FGrHist 455 T 1) waren weitere (wohl enkomiastische) Dichter im Umkreis des Attalos und Eumenes; Semos von Delos und Telephos von Pergamon (FGrHist 505) kann man als Beispiele der stadigeschichtlich-antiquarischen Autoren nennen; zur späteren Fassung der inschrift-

6

lichen Chronik von Pergamon siehe FGrHist 506 und Vinaiao 1993, 1 16ff, der die pergamenischen Lokalgeschichten vom 4. Jh. bis Ende des 2. Jh. v. Chr. als Dokumente des Fortlebens der positiven

attalidischen memoria und antiquarischer Interessen im Kaiserreich ansieht. 7

Die wichtigsten Inschriften stammen aus Pergamon, Bursa, Pessinus, Teos, Milet, Athen, Delphi, DeJos und Boiotien; vgl, insb. IvP (FRANKEL 1890-1895 und Hapicar 1969 = Bände VIIL,I-3 der Alter-

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

279

Nachdem Strabon die Aiolis gründlich behandelt hat, beschreibt er im vierten Kapitel des 13. Buches der Geographika Lydien und das südliche Mysien. Zuvor legt er jedoch seinen Attalidenexkurs ein. Im Rahmen einer Kulturgeographie liegt es für Strabon nahe, seinen historisch-politischen Exkurs über das Attalidenreich an die Beschreibung der Hauptstadt dieses Reiches, Pergamonÿ, anzuschließen. Bekanntlich erweisen sich der herrschaftliche Charakter und das Selbstverstándnis einer hellenistischen Monarchie nicht zuletzt in der Neugründung oder dem Ausbau einer oder mehrerer Residenzstädte. Gründung und Ausbau dieser Metropolen erwähnt Strabon bei allen hellenistischen Monarchien gerne, über die er in den Geographika spricht. Mit klarem Blick erfaßt Strabon die Eigenarten des Burgberges von Pergamon? und seine Rolle als Keimzelle der attalidischen δυναστεία und spáteren Monarchie. Für die einzelnen Phasen der ráumlichen Ausdehnung der Herrschaft der Attaliden zeigt er Interesse und gibt sie korrekt wieder. Zunächst waren ste lediglich Herren der Festung von Pergamon, dann auch der näheren Umgebung. Durch die großen Siege über Antiochos bei Sardeis, gegen die Galater und die ersten Kämpfe an der Seite Roms verändert sich zwar nach Strabon die Struktur der attalidischen Herrschaft und ihr politisch-diplomatisches Gewicht schon unter Attalos I. grundlegend, aber die nächste und auch aus heutiger Sicht korrekte Zäsur der bedeutendsten Gebietsausdehnung des attalidischen Reiches setzt er mit den Siegen Eumenes' Tf. als Alliiertem Roms im Krieg gegen den Seleukiden Antiochos III. und dem Frieden von Apameia sowie danach dem Sieg gegen Perseus von Makedonien an. Strabon berichtet allerdings auch noch über den Feldzug des Attalos II. auf europäischem Boden gegen den Thraker Diegylis. Die geographische und historisch-politische Entwicklung des Attalidenreiches wird im vorliegenden Exkurs knapp zusammengefaßt. Strabon wählt bewußt die für ihn wichtigsten Punkte aus, Der Exkurs soll die gesamte Geschichte der attalidischen Kónige von ihren Anfángen bis zu ihrem Ende beschreiben, Strabon konzentriert sich also keineswegs nur auf die letzten Jahre der Monarchie, die auch in den Zeitraum seiner ,Geschichte nach

Polybios‘ fallen. Er schlägt den Bogen von Philhetairos, dem Schatzmeister und Festungskommandanten des Lysimachos in der frühen Diadochenzeit, bis zu Attalos IT. j Philometor, Aristonikos (Eumenes III.) und den Rómern. Indem Strabon die Errichtung

der Provinz Asia aus dem Kerngebiet der Attalidenmonarchie an das Ende seines Ex-. kurses stellt, findet er eine natürliche Überleitung zur Geschichte der Provinz Asia unter römischer Herrschaft. Deren Geschichte verfolgt er aber in den Geographika im direkten Anschluß an den Attalidenexkurs nicht mehr. Vielmehr zieht er die historischen Linien weiter bis in die caesarische und augusteische Zeit und damit auch zum Endpunkt seiner Universalhistorie, indem er sich unter den berühmten Männern Pergamons auf Mithradates von Pergamon, einen der einflußreichen Freunde Caesars, und auf Apollodoros und

Dionysios als Zeitgenossen, Lehrer und Freunde des Kaisers Augustus, konzentriert’.

Mithradates von Pergamon, einer der einflußreichen Freunde Caesars, war nach Diodoros

Pasparos vielleicht der wichtigste Euerget der Polis aus dem Kreis der Mitbürger!!. Auch

8

tümer von Pergamon) und SCHALLES 1985 mit einer archäologisch-historischen Analyse der Kulturpolitik und herrschaftlichen Selbstdarsteltung des Philhetairos, Eumenes L und Attalos I. unter gründlicher Auswerlung auch der Inschriften; zur politischen Geschichte der Aualiden im 2. Jh. v. Chr. vgl. Hansen 1971, 70-165, ALLEN 1983, 76-135, GRUEN 1984, Bd. 2, 569-610, SHERwIN-WAITE 1984, 30-39 und 80-92; zu den letzten Attaliden und der rómischen Erbschaft siehe SCHLEUSNER 1976, 97-112, Hopp 1977 und BERNHARDT 1985, 28-33 und 285-294. 13,4,1-3 C. 623-625.

9

Einen fundierten Überblick über die Erforschung der antiken Metropole Pergamon mit zahlreichen

19 il

Photos und Blustrationen findet man bei RADT 1988. Vgl. 13,4,3 C. 625. Einheimischen Honoratioren oder Römern, die sich um Pergamon oder ganz Asia als Euergeten ver-

280

TI. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

der Attalidenexkurs schlägt also durch den angefügten Honoratiorenkatalog geschickt den großen Bogen von Lysimachos, einem der Diadochen Alexanders, bis zu Augustus. Ähnlich war Strabon mit seiner universalhistorischen Periodisierung und in wichtigen Notizen

über den Alexanderzug und das Alexanderreich verfahren’, Dieser Exkurs der Geographika ist unsere literarische Hauptquelle für die Genealogie der Attaliden und ihre Regierungszeiten, die durch knappe weitere literarische und vor allem epigraphisch-numismatische Zeugnisse im Kern als korrekt bestätigt wird. Abgese-

hen von diesem Exkurs finden wir in den Geographika nur wenige weitere verstreute Notizen über Philhetairos, Attalos I. und II. und Eumenes II. und den Usurpationsversuch

des Aristonikos. Die Regierungsjahre, die Strabon den Attaliden gibt, sind aus Sıcht der heutigen Forschung nur'an zwei Stellen zu berichtigen. Die 49 Jahre des Eumenes II. statt

der tatsächlichen 39 sind wohl mit einer Verschreibung der Zahlzeichen zu erklären!”?, und die zwanzig Jahre Regierungszeit, die Strabon dem Philhetairos zuschreibt, sind eine abgerundete Zahl, bei der der Beginn der Herrschaft vermutlich schon in Strabons Quelle

nicht exakt datiert war. In der Genealogie der Attaliden gibt es vor allem zwei Probleme, die frühe Genealogie bis zu Attalos I. und die Frage, wann Attalos III. geboren wurde und

ob er tatsächlich, wie Strabon sagt, der Sohn Eumenes II. und der Stratonike oder vielleicht doch Attalos II. und der gleichen Frau war. Zu beiden Fragen sei auf die ausführliche Behandlung bei ALLEN verwiesen, dessen Ergebnissen ich mich anschlieBe^: Attalos

L ist entgegen Strabons Darlegungen vermutlich nicht der Sohn des Attalos, des Bruders des Philhetairos, sondern man muß als Vater Attalos’ I. noch einen weiteren Attalos als

Sohn des Attalos, des Bruders des Philhetairos, in die Genealogie einfügen. Die überwältigende Mehrheit aller literarischen und epigraphischen Zeugnisse!? bestätigt indes die Genealogie Strabons darin, daß Attalos III. ein — möglicherweise erst einige Zeit nach seiner Geburt anerkannter — Sohn Eumenes II. war. Auf die Begründung det attalidischen Dynastie unter Philhetairos, ihren machtpolitischen und kulturelten Höhepunkt unter Eumenes II, auf ihre letzten Jahrzehnte unter Át-

talos II. (159-138 v. Chr.) und Attalos III. (138—133 v. Chr.) legt Strabon in seinem Exkurs besonderes Gewicht. Er beschreibt die Zeit des Philhetairos ausführlicher als die Jahre der übrigen Herrscher. Philhetairos war von Lysimachos aus den Diensten des Antigonos Monophthalmos übernommen worden. Die Instabilität und der ungefestigte Charakter der frühen Diadochenreiche, die unsicheren Zeitumstände, die „er als günstig zu

einer Staatsumwälzung erkannte", sowie die persönlichen Katastrophen, das „häusliche Unglück" seines früheren Herrn Lysimachos, schließlich die Ermordung des Seleukos z.B. dient gemacht hatten, wurden außergewöhnlich hohe Ehren erwiesen (vgl. Vircitio 1993, 7Off), Q. Mucius Scaevola oder P. Servilius Isauricus, dann in größerem Umfange dem „nuovo basileus quauno (VinGiLio 1993, 74) Diodoros Pasparos, und Mithradates von Pergamon. Diodoros erreichte

γὴν nach den Wirren der mithradatischen Kriege fast die Stellung eines informellen Stadtsch iN C rs, Mithradates galt geradezu als , Wiederbegründer'' Pergamons nach den Bürgerknegen zwien Caësariancrn und Pompeianern (VinGiLio 1993, 90 und 95-99). Solche Bürger werden daher e

heres

"

übe +0

sl

Strabon im Anschluß an den Herrscherkatalog der Attaliden genannt.

|

131—172; zur rómischen imitatio Ale und den Alexanderzug in den Geographika ENGELS 1998a, 1972,

Siehe Treves 1953, Micher 1967, Lenmann, 1971, 23-36, WzreeERT

BRACCESI 1975 and: MARRONE 1996, 15ff und über einige interessante Strabonpassagen zur imitatio 779, RESCIRömer Al exandri _ führender auch unten

13 Ms zur RegierungszeitN ALLEN 1983, IOf,Kap.doch14.3. nach ViratLi0 1988, 95 sind bei Strabon zu den Jahren -

v. Chr. noch

diert worden, 14 L$

ALLEN 1983, 181-194, Abgesehen von T 24

einige frühere unter Attalos I. als ‚Mitregent' und designierter Nachfolger ad-

= Pol. 30.2,6 mit der Aussage des Leibarztes Stratios 1 68/7 v. Chr. über die Alten Eumenes" damalige Kinderlosi gkeit II.

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

281

Nikator und die Turbulenzen auch im Seleukidenreich nach dem Krisenjahr 281/80 v. Chr. boten Philhetairos erst die Gelegenheit, eine eigenständige δυναστεία zu begründen. Diese politisch-militärischen Rahmenbedingungen erlaubten ihm nach Strabons korrekter Analyse, durch seine vorsichtig abwartende Haltung, mit der er sich durch eine geschickte Schaukelpolitik gegenüber dem jeweils mächtigsten Diadochenherrscher in seiner Nähe auf Pergamon als Keimzelle seiner Macht konzentrierte, nicht aber ohne genügende Macht-

ressourcen im großen Spiel um dte Hegemonie unter den Diadochen mitzuspielen versuchte, zwanzig Jahre lang Herr der Festung Pergamon und ihres Schatzes zu bleiben. Damit machte Philhetairos eine erstaunliche Karriere, die ihm keineswegs von Ju-

gend an vorausgesagt werden konnte. Er zählie nämlich weder zu den Kampfgefährten

Alexanders noch auch nur zu den vornehmen Makedonen, sondern entstammte einer einfachen Familie aus Tieion!®, Strabon berichtet an dieser Stelle biographische Details über

den Unfall und die bleibende Behinderung des kleinen Philhetairos!", weil er zeigen möchte, daß Philhetairos, weil er „trefflich erzogen" wurde, trotz seiner ungünstigen Ausgangsbedingungen und seines körperlichen Mangels zu einer führenden Stellung gelangte und diese in schwierigen und gefährlichen Zeiten klug behauptete. In dieser biographischen Skizze exemplifiziert Strabon also den philosophischen Topos von der Überlegenheit der Erziehung und des Charakteıs über widrige Ausgangsbedingungen.

Philhetairos konnte sich zur Legitimierung seiner herrschaftlichen Stellung über Pergamon nicht auf eine bedeutende eigene militärische Leistung berufen, sondern nur auf sein Geschick des politischen Überlebens in wechselhaften Zeitläufen. Strabon deutet an, daß er den Abfall des Philhetairos von Lysimachos und die Aneignung der ihm anvertrauten Festung Pergamon mit ihren riesigen Schätzen, der Keimzelle der gesamten späteren Attalidenmonarchie, für einen legitimen Akt der Notwehr und des Selbstschutzes des langjährigen getreuen Verwalters des Lysimachos gegen die Intrigen der Königin Arsinoe ansieht. Damit übernimmt Strabon vollständig eine attalidenfreundiiche Darstellung der Begründung der Dynastie. | Nachdem sich Philhetairos nach der Hinrichtung des Agathokles durch Lysimachos spätestens 283 v. Chr. durch angebliche ‚Verleumdungen‘ der Königin Arsinoe ebenfalls bedroht fühlte, schloß er sich Seleukos Nikator an. Auch in den ersten Jahren Antiochos’

L dürfte Philhetairos als Dynast unter einer lockeren seleukidischen Oberhoheit regiert haben. Strabon impliziert aber, daß Philhetairos nach 283 oder 281 v. Chr. schon eine gewisse Unabhängigkeit genoß. Er blieb aber dennoch nur „Herr des festen Platzes und der Schätze“ in Pergamon. Das abenteuerliche Leben des Philhetairos ist ein für die frühe Diadochenzeit mit ihren erstaunlichen neuen Möglichkeiten individuellen Aufstiegs, aber auch ständiger Bedrohung und plötzlichen Katastrophen typisches Beispiel. In den historisch-politischen Notizen der Geographika und den sicheren Fragmenten der Historika Hypomnemata fällt auf, daß Strabon selten ein prüzises Jahresdatum angibt und in seinen chronologischen Angaben zu auch sehr bekannten Ereignissen zuweilen eine Nachlässigkeit an den Tag legt, die in einer Fortsetzung des Polybios befremdet. Im vorliegenden Attalidenexkurs gibt Strabon zwar die Regierungsjahre der attalidischen

Herrscher ungewöhnlich genau und regelmäßig an, aber er nennt weder das exakte Jahr

16 12,3,8C. 543: die Herkunft des Philhetairos aus Ticion ist für Strabon das einzig Bemerkenswerte an

dieser Stadt. Diese paphlagonische Herkunft ist auch inschrifllich belegt (IvP II, 613b = OGIS 264: zur Herkunft von Boa, der Mutter des Philhetairos); vpl. auch Paus. J,8,1 und Athen. 13,577.

[7 Philhetairos erlitt angeblich als Kleinkind bei einem Fest eine Hodenquetschung. Ein solcher ‚Unfall des kleinen Philhetairos war erheblich ehrenvoller als eine Kastration in jungen Jahren, die man manch-

mal bei für Dienstleistungen im Haushalt vorgesehenen Sklaven vornahm. Strabon berichtet also eine für Philhetairos freundliche Version. Es ist heute nicht mehr zu entscheiden, ob Philhetairos tatsächlich seit seiner Kindheit ein Eunuch war,

282

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

des Beginns der angeblich zwanzigjährigen Regierung des Philhetairos (wohl 283 v. Chr.) noch das präzise Endjahr der Attalidenmonarchie (133 v. Chr.). Philhetairos, der Dynastie, spielte auch noch im Selbstverständnis der späteren und viel Attalidenherrscher eine zentrale Rolle, wie man unter anderem daran sehen nach dern Sieg des Eumenes I. über Antiochos (261 v. Chr.) bei Sardeis auch

der Gründer mächtigeren kann, daßer unter Attalos

I. und den meisten Nachfolgern mit Ausnahme Eumenes II. pietütvoll auf den attalidi-

schen Münzen erscheint!?, Strabon differenziert in seinem Exkurs präzise zwischen den verschiedenen Stellungen und Titeln der Attaliden von einem Schatzverwalter und Burgherrn sowie Vertrauten des Lysimachos (Philhetairos) über einen lokalen Dynasten (Eumenes I.) und den ersten Kónig (Attalos L) bis zur Herrschaft der kóniglichen attalidischen Brüder (besonders in der Zeit Eumenes IT). Damit beweist er einen feinen Sinn für unterschiedliche zeittypische Formen hellenistischer Herrschaft. Die náchste Stufe der Machtentfaltung nach dem Burgherrn und Besitzer des großen Schatzes Philhetairos stellt eine eigenständige δυναστεῖα Eumenes! I. (263-241 v. Chr.) über Pergamon und die Umgebung dar. Eumenes I. brach mit der Loyalität des Philhetairos gegenüber den Seleukiden und errang einen durch Strabon als einzige literarische Quelle überhaupt berichteten Sieg über Antiochos L (261 v. Chr.) bei Sardeis. Militärische Siege und Bewährungen waren nach hellenistischer Theorie unverzichtbare Voraussetzung und Bestätigungen für die Legitimität der Herrscher. Dieser Sieg war aber trotz des Ansehens und der territorialen Gewinne, die er Eumenes L brachte, noch nicht bedeutend genug, um zu einer Königserhebung zu führen. Eumenes T. blieb ein reicher und lokal mächtiger Dynast. Die Annahme des Künigstitels erfolgte erst durch Attalos I. (241-197 v. Chr.) nach seinem großen Galatersieg (ca. 238/7 v. Chr.)”,

den er schon als Triumph des Griechentums und der Kulturwelt über die keltischen Barbarenscharen feiern ließ, wie dies später in viel größerem Stile Eumenes Il. und Attalos II. taten. In ihrer Selbstdarstellung wurde der Gegensatz zwischen den Hellenen und den Attaliden als ihren Vorkämpfern in Anatolien einerseits und den Barbaren, vor allem den Galatern, andererseits vielleicht am nachdrücklichsten von allen Diadochendynastien be-

tont??. Die schroffe Hellenen-Barbaren-Antithese, die die Attaliden in ihren Propagandakunstwerken hervorkehren liefen, hat sicherlich Strabons Beifall gefunden, der sich im 9. Buch der Geographika deutlich gegen den modifizierten Barbarenbegriff des Eratosthenes ausspricht.

Strabon macht den Zusammenhang zwischen dem großen Sieg des Attalos I. über die Galater?! 238/7 v. Chr. und seiner Kônigsausrufung völlig klar". Aus der hellenistischen Geschichte ist ihm die Praxis der Kónigsausrufung nach einem bedeutenden Sieg selbstverstándlich, seitdem schon die ersten Diadochen nach (mehr oder weniger eindrucksvollen) Siegen den Königstitel angenommen hatten. Die hellenistische Monarchie ist eben zunächst eine auf charismatischer Basis legitimierte Militärmonarchie. Der König leg timiert sich nicht durch Abstammung, sondern durch erfolgreiche Kriegführung. Dyna18 19 20 21

Zu den Münzen siehe schon von FRrrzE 1910. Nach ALLENs Chronologie 1983, 195-199, Vgl. u.a. SCHALLES 1985, 148. "Vgl über die Wohnsitze der Galater in Kleinasien und ihre alte Ordnung in hellenistischer Zeit in dre! Stämme und zwölf Tetrarchien 12,5,1-2 C. 566—567; den Stand der Forschung über die Galater in der

hellenistischen Staatenwelt fassen MrrcugLL 1993, Bd, I,

22

11-26 sowie STROBEL Bd. 1, 1996 (111-112

über Strabons Keltenbild) und ders. Bd. 2, 1998 gut zusammen. Vel. aber auch schon Pol. 18,41,7. Dieser Sieg wurde durch die Statuen des bekannten „Sterbenden

Galliers" und des Doppelselbstmordes des gallischen Fürsten und seiner Frau, heute beide in Rom, gefeiert, Die Statuen wurden wahrscheinlich auf Initiative des Mithradates von Pergamon nach Rom

gebracht, vgl. ViIRGiL10 1993, 29Ff,

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

283

stische Élemente dringen in dieses System erst seit dem 2. Jh. v. Chr. stärker ein. Dies ist auch bei den Attaliden in der Kónigserhebung Attalos I. und in der durch Erbschaft und Familiennachfolge, nicht mehr durch Schlachtensiege legitimierten Nachfolge und Herrschaft Attalos HI. erkennbar. Als ein weiteres wichtiges Strukturelement der hellenisti-

schen Monarchie pilt eine durch ein enges persónliches Verhältnis zum Kónig bestimmte herrschende Gesellschaftsschicht. Über die Gruppe der φίλοι und ἑταῖροι der Könige gibt uns Strabon aber leider für die Attatidenmonarchie keine ausführlichen Informationen. Die Auffassung der Kónigreiche als personale Herrschaft (πράγματα des jeweiligen Kónigs) bildet die Grundlage dafür, daß ein Monarch sein Reich auch an Personen außerhalb der königlichen Familie vererben kann. Das differenzierte und spannungsreiche Verhältnis zwischen den hellenistischen Monarchen und den wichtigsten Gruppen von Untertanen, den einheimischen Bevólkerungsmehrheiten auf dem Land und den kóniglichen Domänen einerseits und den Griechen in den Poleis oder den Reichsmetropolen andererseits, ist ein weiteres Kennzeichen aller hellenistischen Monarchien, das Strabon in seinem Exkurs über die Attaliden ebenfalls nicht náher behandelt. Mit der Regierung Attalos' I. setzt Strabon korrekt den Beginn der langen politisch-

militirischen Zusammenarbeit der Attalidenherrscher mit der rhodischen und der rómischen Republik an. Attalos I. kämpfte zusammen mit den Rhodiern als Verbündeter Roms gegen Philipp V. von Makedonien. Fast in der gesamten Periode der Existenz des attaldischen Reiches waren dessen Grenzen instabil und wurden von der jeweiligen Machtlage schnell verándert. In der Generation Attalos I. entwickelte sich das pergamenische Reich nicht nur zu einem — allerdings noch kleinen — Königreich mit Attalos als erstem Kónig, sondern wurde auch auBenpolitisch als regionale Mittelmacht ein wichtiger Faktor. Attalos stellte mit dem Bündnis mit Rom die Weichen für die künftige pergamenische Politik und ist auch der erste Attalide, den Strabon außerhalb dieses Exkurses als ‚König Attalos* bezeichnet”, Er siedelte ferner nach Strabon in Gergitha am Fluß Mysios die

Gergithier aus der Troas an, deren alte Siedlung er zerstört hatte?^, Unter Eumenes IL. (197—159 v. Chr.) erreichte das pergamenische Reich seine höchste kulturelle Blüte und infolge der Siege an der Seite Roms über Antiochos IIT. (bei

Magnesia 190 v. Chr.) und Perseus (bei Pydna 168 v. Chr.) auch seine größte Machtstellung. Zutreffend betont Strabon den Sieg gegen Antiochos III. als Zäsur für die Geschichte der Attaliden. Die Könige von Pergamon stiegen nach dem Frieden von Apameia zur regionalen Großmacht

und zum wichtigsten Verbündeten Roms auf der anatolischen

Halbinsel auf. Eumenes „erhielt von den Römern das ganze dem Antiochus unterworfen gewesene Land dieseits des Taurus. Denn vorher hatten ihm nur die wenigen Orte um 26, Pergamon bis zum Meere am Elaitischen und Adramyttenischen Meerbusen gchórt'

Mit dieser Beschreibung werden die beachtlichen territorialen Gewinne im Frieden von Apameia allerdings deutlich übertrieben. An den Krieg Roms und des Eumenes gegen Antiochos III. erinnert Strabon noch an zwei weiteren Stellen. Die Rómer übergaben nach dem Kriege Eumenes II. einen Teil Kleinasiens diesseits des Taurus?', und Eumenes erhielt dabei auch den Hafenort Telmessos in Lykien?5, den die Lykier nach der Auflösung 33 1n13,1,44 C. 603 zitiert Strabon aus einem (geographisch-naturkundlichen?) Werk König Attalos I. Er Ux

habe dort ‚die schöne Fichte* in der Nähe von Adramyttion beschricben.

13,1,70C. 616. Vgl. Wii 1982, 221-238 und Hansen 1971, 92-97; zur Theorie des Aufbaus eines ,rempan an der

römischen Ostgrenze gegen seleukidische Bedrohungen nach 188 v. Chr. siehe Lré&MANN-FRANKFORT [969, 43—75.

26 134,2 C. 624, Übers. nach FoRBIGER, 6. Bändchen, 1899-1901, 65f. 2]

3

128.14 C. 577.

1434C.665.

284

III. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

des attalidischen Königreiches zurückerhielten. Strabon bemerkt zutreffend, daß die Römer sich nach dem Sieg über Antiochos verstärkt um Einfluß in Asien bemüht und Staatsfreundschaften und Bündnisse mit den Stämmen und mit den Königen dieser Regi-

on geschlossen hätten??, Im allgemeinen hätten sie diese Abkommen mit den Herrschern

der Länder persönlich geschlossen, aber abweichend von dieser Praxis mit dem ganzen

kappadokischen VoIk?®,

Zwischen Prusias I. von Bithynien und Eumenes II. kam es in den 180er Jahren zum Streit um Gebiete in Kleinasien, obwohl Eumenes II. Phrygia Epiktetos im Frieden von

Apameia 188 zugesprochen bekommen hatte?!. Unter rómischem Druck einigten sich aber wohl 184/3 v. Chr. Prusias und Eumenes darauf, daß die Attaliden das „dazugewonnene

Phrygien" behielten”. In Kleinasien entwickelte sich der Streit zwischen dem pergamenischen Reich und den kleineren, aber zunehmend expandierenden Reichen Bithyniens und der Galater zu einer Dauerbelastung der attalidischen Außenpolitik. Strabon deutet sie nur knapp mit seinen Bemerkungen über Phrygia Epiktetos und den Rückzug des Prusias sowie spáter den von Attalos IL betriebenen Sturz Prusias' IL durch seinen eigenen Sohn

n Nikomedes II. Epiphanes an. Die Selgier führten nach einer Bemerkung Strabons immer wieder Krieg mit ‚den Kónigen'. Wahrscheinlich spielt diese Stelle auf den Widerstand Selges und Amladas in Pisidien gegen die Expansionsversuche Eumenes’ II. und Attalos’ Il. an??. Den erneuten Galatersieg Eumenes" Il. von 166 v. Chr. mit Hilfe der Griechenstädte Kleinasiens, des Seleukidenkónigs Antiochos IV. und des Kónigs der Kappadokier Ariarathes IV., den er durch Siegesdenkmäler in Pergamon verherrlichen ließ, erwähnt Strabon im Exkurs nicht ausdrücklich. Wir hören auch nichts von der seit 168/7 v. Chr. manifesten Abwendung

Roms von seinem pergamenischen Verbündeten und dem doppelten Spiel, das der Senat nun zur Schwüchung und Entzweiung der Attalidenbrüder betrieb. Strabon sagt bezeichnenderweise auch nicht, daß die Römer diesen Sieg Eumenes! II. zum Teil wieder entwer-

teten, indem sie 166 den gerade besiegten Galatern die Autonomie garantierten. Daran zu

erinnern, hátte das harmonische Bild Strabons von der rômisch-pergamenischen Zusam-

menarbeit von Attalos I. bis Attalos II. und III. nämlich gestórt^.

mE

Die Attalidenkónige begünstigten die Einwohner der Stadt Parion, die sich mit Genehmigung der Attaliden ein zusätzliches Gebiet in ihrem Umland aneignen durften””. Parion zählte wie Aigai, Abydos, Myrina, Lebedos und Phaselis auch nach 188 v. Chr. ZU

den freien Städten innerhalb des pergamenischen Reiches, die weiterhin eigene Münzen prägten. Wann genau diese Begünstigung der Parier stattfand, ergibt sich weder aus Strabon noch einer anderen Quelle. Es liegt aber aufgrund der Formulierung, die Parier hätten den attalidischen Königen zuvor gewisse Dienste erwiesen, vielleicht nahe, an die Zeit des Eumenes II. und die Hilfe der Griechenstädte gegen die Galater um 166 v. Chr. zu denken. Außer den militärischen Siegen ist für Strabons Bild von Eumenes’ II. die Beschreibung des repräsentativen Ausbaus Pergamons zu einer hellenistischen Metropole und zu einem Kulturzentrum kennzeichnend: „Dieser Eumenes vergrößerte die Stadt, bepflanzte 29 30

12.2.11 C. 540. . Sirabon verweist auch noch auf die spätere Einsetzung des Ariobarzanes III. als neuem kappadokischen Herrscher ca. 93 v. Chr. durch Rom (12,2,11 C. 540).

3I 32 33 34 35

Nämlich unter der Bezeichnung „Mysiam, quam Prusia rexademerat" (Liv. 38,39,15); vgl. auch 12,4,3 C. 564, 12,4,3 C. 564 und dazu Hor» 1977, 40-42. Strabon beschreibt kurz diese Region und nennt ihre wichtigsten Städte (12,8,12-13 C, 576). 12,7,3C. 570-571; dazu ALıen 1983, 102 Anm. 106; Hopp 1977, 70-75. "Vgl. dazu Pol. 30,28 und 30,30,2-6. 13.1.14 C. 588; vgl. ALLEN 1983, 111 zu Parion.

1, Die Geschichte des Attalidenreiches

285

Nikephorion mit einem Lusthain, errichtete Baudenkmale und Büchersammlungen und

erhob aus Prachtliebe die Stadt Pergamon auf die Höhe, die sie noch jetzt behauptet'?$,

Pergamon ist unter den hellenistischen Metropolen die Residenzstadt, aus der sich die

meisten und aussagekráftigsten archäologischen Denkmäler aus hellenistischer Zeit erhalten haben. Es ist ferner (zusammen mit Alexandreia) vermutlich die bisher am gründlichsten archäologisch untersuchte Hauptstadt der hellenistischen Reiche. Eumenes IL

war auch nach dem Urteil der modernen Forschung der größte Bauherr Pergamons, der auch das berühmteste aller pergamenischen Siegesdenkmäler, den Pergamonaltar, wohl

in den einzigen fünf Jahren seiner Regierung ohne Kriege, 179-174 v. Chr.?”, errichten

ließ. Fertiggestellt wurden andererseits einige seiner großen Bauprojekte aber erst unter Attalos IL Nach Strabons Bericht machte Eumenes II. aus seiner Residenzstadt Pergamon auch

eine Metropole der hellenistischen Gelehrsamkeit. Strabon hebt unter den Bauten und Verschönerungen der Stadt neben nicht näher bezeichneten (Sieges-) Denkmälern ausdrücklich die Bibliotheken hervor. Pergamon sollte nach dem Wunsch der Attaliden ein Vorposten griechischer Kultur und Wissenschaft in Anatolien und eine echte Rivalin Alexandreias werden. Die Attalidenkönige suchten in ihrem Reich deswegen intensiv nach Büchern, um die neue Bibiiothek in Pergamon aufzubauen, Dabei plünderten sie offenbar

auch ihnen untertane Städte und die Privatbibliotheken einzelner Bürger aus. In Skepsis versteckten nämlich die Erben des Neleus die Bibliothek des Theophrast (mit vielen Bücher des Aristoteles) vor den Attaliden in einem feuchten Graben, in dem die Papyrusbücher leider Schaden nahmen?®, Über die nähere Umgebung von Pergamon äußert sich

Strabon nicht gründlich. Er betont nur ihre Fruchtbarkeit in der Kaikosebene und disku| tiert eine toponomastische Frage zum Berg Aspordenon””. Pergamon wurde unter Eumenes II. endgültig königliche Residenzstadt, in der die Attaliden das gesamte städtische Leben durch die Emennung der Strategen oder eines ‚Stadtkommissars‘ kontrollierten“. Falls es aus ihrer Sicht nötig schien, konnten die Attali-

den trotz aller zur Schau getragenen heitenischen Kultiviertheit genau so hart und grau-

sam zuschlagen wie alle anderen hellenistischen Monarchen, Ein isoliertes Beispiel dafür überliefert auch Strabon. Der kynische Grammatiker Daphitas wurde auf dem Berg Tho-

rax bei Magnesia gekreuzigt, weil er die Attaliden (‚die Könige*) mit einer Anspielung auf den von Lysimachos geraubten Schatz des Philhetairos als Fundament der Dynastie verspottet hatte. Strabon zitiert die entsprechenden Verse: „Schwielen in Purpur gehüllt, Feil-

staub Lysimachischer Schätze: / Wahrlich ein edles Geschlecht Lyder und Phryger be-

herrscht.“ Indem er diese Verse eines Gegners der attalidischen Könige zitiert, äußert

Strabon eine indirekte Kritik an ihrer überharten Reaktion und der Hinrichtung des Sram

matikers und Sophisten Daphitas. Sein Schicksal läßt sich vergleichen mit den Hinrich36

13,4,2 C. 624, Übers. nach Forbıser, 6. Bändchen, 1899-1901, 66.

2 1342

37 Vel. Rabr 1988, 35 und 103ff mit Abb. sowie ALLEN 1971, 234-298; der Pergamonaliar, ps (70er

38 39 40

C. 624 erstaunlicherweise nicht genannt ist, wird von ViRGiLIo 1993, 57f nicht mehr au fca 166Jahre, sondern mit Verweisen auf ANDREAE 1990, 123-162 nach die Schlacht von Pydna, der Dyna156 v. Chr, datiert. Auch in diesem gewaltigen Propagandakunstwerk werden die Urspr nee der Herastie auf göttliche Ahnen, Herakles und Telephos, zurückgeführt, vgl. zur politischen Ko klesgestalt für die Attaliden HurTNER 1997, 175-190. | 13,1,54 C. 609. | un: Einige Autoren schlagen nach Strahon vor, Ortsnamen zu ändern, weil sie die als anstößig pi En Wurzel pord- (vgl. -πορδη = crepitus ventris LSJ) enthalten, z.B. der Berg Aspordenon (13.2.6 C. 619). τῆς πόλεως Zum wachsenden Einfluß der Attaliden auf die Stadt Pergamon und zur Position des ἐπὶ 133 v. Chr. los' TII. vgl. ALLEN 1983, 159-177 und Hansen 1971, 187-202; erst im Testamen t Atta

wurde Pergamon wieder eine freie Stadt.

286

IH. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisiening des strabonischen Geschichtsbildes

tungen des Dichters Sotades wegen seiner Angriffe auf Ptolemaios II. und Arsinoe oder des Rhetors Theokritos durch Antigonos Monophthalmos. Zeitgenóssische Kritik an den Attaliden äußerten auch die Historika Hypomnemata des Karystios von Pergamon mit ihren überlieferten Schmähungen gegen Boa, die Mutter des Philhetairos, und dessen niedrige Herkunft. Indem Strabon dagegen den Begründer der Dynastie, Philhetairos, besonders positiv beschreibt, zeigt er wiederum seine proattalidische Tendenz“!. Unter dem Aspekt der herrschaftlichen Repräsentation und der Kulturpolitik im befreundeten griechischen Ausland entfalteten die Attaliden unter Attalos I., Eumenes II.

und Attalos II. eine umfangreiche Bau- und Stiftungstätigkeit*? unter anderem in Athen, Aigai, Thespiai, Delos, Delphi, Teos, Milet und sogar im galatischen Pessinus. Dabei

stilisierten sie sich als Vorkämpfer des Hellenentums gegen keltische Barbaren und betonten eine besondere Verbindung der Dynastie zur Gôttin Athena und der alten Kuiturmetropole Athen. Demonstrativ hatte Attalos I. einen seiner Söhne Athenaios benannt.

Eumenes II. vererbte das Reich seinem noch jungen Sohne Attalos III. (* wohl 168 v. Chr., regierte schon ab ca. 152 mit Attalos II. zusammen und von 138-133 alleine), aber für diesen führte als testamentarisch eingesetzter Vormund Attalos IL, der Bruder des Eumenes II, von 159 bis 138 die Regierung. Strabon bewertet die Regierung Attalos” 1].

als erfolgreich^^, Sie ist in seinem Bericht durch mehrere militärische Siege ausgezeichnet

und keineswegs eine Phase der zunehmenden Agonie des Attalidenreiches. Strabon erin-

nert vereinfachend an den ,Kriegszug' des Attalos II. mit Antiochos gegen Demetrios I., den Sohn Seleukos' IV. Damit sind die durch die Attalidenmonarchie geförderte Ausru-

fung zunächst Antiochos’ V. und bald darauf des Alexander Balas zum seleukidischen

Kónig und dessen Invasion von Kilikien aus nach Syrien gemeint, obwohl Attalos II.

hieran nicht offen und persónlich teilnahm. Um seinen Lesern die Kontinuität der pergamenisch-rómischen Allianz von Attalos I. bis zum Testament Attalos IH. vorzuführen, erwühnt Strabon auch ausdrücklich die militärische Hilfe der Pergamener unter Attalos EL. für die Römer in ihrem Krieg gegen Pseudo-Philippos (Andriskos) in Makedonien”. An-

dererseits verschweigt er, daß Attalos die Römer auch gegen das achäische Koinon unterstützte und damit der Zerstörung der alten Griechenstadt Korinth Vorschub leistete. Das

14,1,39 C. 647; dt. Übers. Fortier 1899-1901, 100; zu Daphitas aus Telmessos vgl. CRUSIUS 1 901

41

sowie FONTENROSE 1960, 83-99 mit antiken Parallelenstellen. Sichere Zeugnisse für die Lebenszeit des Daphitas fehlen. Als scharfer Homerkritiker dürfte er Sirabon nicht sympathisch gewesen sem. Aus Strabons Formulierung „gegen die Könige“ wird nicht deutlich, welchen Attaliden Dapbitas angriff und wer ihn kreuzigen ließ. Crusıus vermutet Altalos L, FONTENROSE aber Attalos III. und einen Zusam-

menhang mit dem Aristonikoskrieg wegen der Kreuzigung als einer typischen Strafe für Sklaven. Mög-

licherweise deuten die überlieferten Verse aber durch den Plural auf eine Phase, in der die königlichen Brüder Eumenes Il. und Attalos II. in der Regierung zusammenarbeiteten. Zu Karystios' von Perga-

mons 'Iaropixà ὑπομνήματα siehe FHG IV p. 358 F 12. Ein enkomiastisches Bild der späten Attali-

42 43

den, insbesondere auch Attalos IIL, zeichnen dagegen Nikandros von Kolophon FGrHist 211-21 2 und mehrere zeitgenössische Inschriften, darunter auch eine ,barocke* Ehreninschrift für Attalos HL durch die Stadt Pergamon zwischen 138 und 134 v. Chr. (siehe OGIS 332 und dazu VIRGILIO 1993, 2327). Dazu siche SCHALLES 1985, 51-149. Zu Attalos IT. siche ViRGrLIo 1993, 60-66. Die Laokoongruppe in Vatikanmuseum entstand vermutlich als Original in der Zeit Attalos II. kurz vor 140 v. Chr. (vgl. VinGiLIO ebd. 62ff). Nach der Zerstórung

der Metropolen Karthago und Korinth 146 und kurz vor der Orientreise des Scipio sollte die Laokoonszene angeblich auch cine tagespolitische Anspielung auf die sinntose Auflehnung des Priesters Laokoon gegen die höheren Mächte enthalten, Laokoon konnte den Fall Trojas nicht verhindern und kam

selbst mit seinen Söhnen qualvoll um; ähnlich konnte es allen ergehen, die sich gegen die neuen romischen Herren der Welt politisch-militärisch auflehnen würden, wie jüngst Korinth oder Karthago. War eine solche angebliche Bedeutung des Kunstwerkes aber auch den Zeitgenossen Attalos' II. deutlich?

44

Vgl. Horr 1977, 93-96.

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

287

letzte militärisch bedeutende Ereignis der Herrschaft des Attalos IL war ein Feldzug gegen den Thrakerkönig Diegylis im Hinterland von Byzanz 145 v. Chr.*. Mit diesem Feldzug gelang es Attalos IL, den territorialen Besitz des Reiches auch in Europa nochmals geringfügig zu erweitern. Für den Geographen Strabon war der Feldzug daher besonders erwähnenswert. Die Intrige, mit der Attalos IL Nikomedes IT. von Bithynien aufstachelte, einen Umsturz gegen seinen Vater Prusias JL. zu unternehmen, schadete auch der attalidischen Monarchie, weil sie die Region weiter destabilisierte. Strabon kritisiert die Ge-

heimdiplomatie Attalos’ II. allerdings nicht. Ephesos, das unter Antiochos III. vor seiner Niederlage gegen Rom noch das Hauptquartier der Seleukiden in Kleinasien gewesen war und sich erst nach der Schlacht von Magnesia den Römern dediert hatte, kam infolge des Friedens von Apameia unter direkte pergamenische Kontrolle. Attalos II. ließ die Hafeneinfahrt von Ephesos verengen und

eine Mole bauen, um das Fahrwasser auch für größere Schiffe tief genug zu halten*é. Er wollte damit die Wirtschaftskraft der Stadt Ephesos auch für das pergamenische Reich erhalten. Aber diese MaBnahmen hatten keinen durchschlagenden Erfolg. Die Stádtegründungen und Infrastrukturmaßnahmen der Attaliden sollten vor allem die ökonomische und damit indirekt auch die militärische Stärke des Kónigreiches verbessern. Die Attaliden eigneten sich nach 188 v. Chr. unrechtmäßig reiche Einkünfte an den selinusischen

Seen bei Ephesos an, die dem dortigen Heiligtum der Artemis zustanden®’. Die Römer

gaben dem Tempel diese Einnahmen wieder zurück. Die kleine Notiz belegt, dab das Verhältnis zwischen den attalidischen Königen und den großen Städten ihrer Machtsphäre in finanziellen Streitfragen konflikttráchtig blieb. Strabon äußert hier außerdem eine leichte, innerhalb dieses Exkurses seltene Kritik an Eumenes II. (oder an Attalos IL). Das

idealisierte attalidische Verhalten gegenüber hellenischen Poleis und Heiligtümern, das Strabon im allgemeinen beschreibt, soll in den Geographika auch als ein Modell für Augustus (und Tiberius) dienen. Daher war die Erwáhnung des Augustus unmittelbar nach

dem Attalidenexkurs besonders passendδ,

Die attalidischen Kónige haben nach einer weiteren Notiz Strabons das Heiligtum im galatischen Pessinus mit einem Tempel und mit Vorbauten aus weißem Marmor ausgestattet?. Aus der königlichen Korrespondenz der Attaliden, besonders Eumenes I. und Attalos IL, mit dem Oberpriester Attis in Pessinus zwischen 163 und 156 v. Chr. erfahren wir aber, daß der Einfluß, den die Attaliden über den Tempelstaat von Pessinus im ,autonomen* Galatien nach 166 v. Chr. vor allem gegen Prusias II. von Bithynien auszuüben

versuchten, unter Attalos II. nach 156 schon wieder verloren ging??, Außerdem führte sie ihre aggressive Außenpolitik in einen unmittelbaren Konflikt mit den pontischen Königen. Doch ist die Notiz aufschluBreich für die selbstbewuBte AuBen- und Kulturpolitik der Attaliden in Kleinasien zwischen 168 und 133 v. Chr. Alle hellenistischen Kónige übernahmen gerne die ehrenvolle Rolle der Städtegründer und verschónerten bestehende Städte oft durch reiche Baustiftungen. Neugründungen oder den repräsentativen Ausbau von Residenzen und anderen Stádten erwähnt Strabon aus fast allen Diadochenreichen. Auch das Ende der eigenständigen Existenz alter Poleis durch Zerstórung oder Synoikismos interessiert Strabon sehr. Denn das Leben in Poleis 45 46 47 48 49 50

"Vgl. Hopr 1977, 96-98. 14,1,24 C. 641. 14,)1,26 C. 642. Vgl. mit vorsichtigen Vorbehalten in diesem Sinne auch Viraitio 1993, 103. 12,53 C. 567; zum Datum zwischen 163 und 156 v. Chr. und zum Einfluß der Attaliden in Pessinus vgl. VreGiuio 1988, 97, sowie ders. 1987, 227-23] (auch in ders. 1988, 182—190), WAELKENS 1986, 37— 72 und Borro 1985, 34-41. "Vgl ALLEN 1983, 82 und 142-144 und ViraiLio 1988, 81.

288

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

ist für ihn die selbstverständliche Basis jeder höheren Kultur. Besonders Seleukos Nikator

wird in den Geographika als großer Kriegsheld, Diplomat und Städtegründer angesehen!. Er befestigte Seleukeia am Tigris und machte es zur könglichen Residenz??. Seleukos und sein Sohn Antiochos I. Soter sind in Strabons Augen (und im Urteil der modernen Forschung) besonders erfolgreiche Stádtegründer. Seleukos gründete vier Metropolen in Syrien. Die größte Stadt, Antiocheia, wurde nach seinem Vater benannt, die am besten befestigte, Seleukeia, nach ihm selber, die dritte nach seiner Frau Apama und die vierte nach

seiner Mutter Laodike. Er siedelte Bewohner von Antigoneia nach Antiocheia um und

gründete auch Rhagai”. Antiochos I. siedelte die Bewohner von Kelainai um und benann-

te die Siedlung nach seiner Mutter Apama?*. Auch Kassandros, König der Makedonen,

wird mehrfach als Städtegründer und milder Oberherrscher Athens und des südlichen Griechenland von Strabon erwähnt. Er baute Thessalonike zur Residenzstadt aus und benannte die Stadt nach seiner Frau Thessalonike, einer Tochter Philipps IL, Vor der Gründung der Stadt zerstórte Kassandros über zwanzig kleinere Siedlungen am thermáischen Golf und siedelte ihre Einwohner in einem gewaltsamen Synoikismos in die neue Stadt um. Zu diesen Siedlungen gehórten Apollonia, Chalastra, Therme, Gareskos, Aineia und

Kissos®. Kassandros gründete auch das frühere Potidaia neu und benannte es in Kassandreia um”, Lysimachos gründete Lysimacheia auf der thrakischen Chersonnes als seine Residenzstadt”?, Er zerstörte das bithynische Astakos, dessen Einwohner in seine Neu-

gründung Nikomedeia umgesiedelt wurden‘8. Er erweiterte Antigoneia, eine Gründung des Antigonos Monophthalmos im inneren Bithynien und benannte es nach seiner Frau in

Nikaia um”. Auch Neu-Ilion und Alexandreia in der Troas erweiterte und verschönerte

er. Hierzu gibt Strabon einen für sein Bild der frühen Diadochenzeit aufschlußreichen Kommentar. Es sei eine Frage der Pietät, daß die Diadochen zunächst Städte weiter im Namen Alexanders gegründet hätten, bevor sie Neugründungen ihren eigenen Namen gaben. Lysimachos bewilligte den Einwohnern von Skepsis die Rückkehr in ihre Stadt”,

Die Einwohner von Kebren verblieben in der Neugründung Alexandreia in der Troas und

daher hörte Kebren auf, als Stadt zu existieren. Ferner gründete Lysimachos das Asklepieion in der Troas?! Nach der Zerstörung von Alt-Smyrna durch die Lyder wohnten

seine ehemaligen Einwohner ca, vierhundert Jahre lang in Dörfern. Antigonos MonophStadt und nach ihm Lysimachos stellten jedoch Smyrna wieder her und schmückten die Ephesos "Alem Strabons Zeit blühte62. Lysimachos ummauerte und erweiterte auch wollten lich

e

Einwohner nicht gerne in die erweiterten Stadtgebiete umziehen

1 einem starken Regen die Abflußkanäle der Stadt verstopfen, sodaß die

allen Wo hr cs

fermer is μὲς ielé überflutet wurden. Daraufhin zogen dann alle um. Er benannte Pphesos

einige vomere po aber dieser neue Name setzte sich auf Dauer nicht durch

chen erwähnt S

trabon in den Geographika, besonders Nikaia, Apama, Arsinoe, Thessalo-

32

Vel. zur Einordnu ng der Passagen Strabons über Seleukos GRAINGER 1990. 164,5C. 738,

36 57

Ebd.7Fr 25 Vel.ehd,7 τ

31

Auch

rauen, Mütter, Frauen und Töchter Alexanders und der frühen Diado-

5354 1624C.74 I2815C τὴς

; Rhagai 11,13,6 C. 524, Und über

Strabon, Geoe.7 Fr. 2

42€. 563,

59 124,7C.56s. 60 13,1,33C. 597. 13,1,44.C. 603. 62 144,37C. 646, 14,421 C, 640,

. . | und 24 ! ones; ü über Kassandros siehe Fortma 1965. OS vel. auch 7 Fr, 27 und 31 Jones.

und Fr, 53 (54) Jones.

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

nike, Laodike und Aristopatra®. Meistens fallen ihre

289

Namen im Zusammenhang mit der

Beschreibung berühmter Städte, die nach ihnen benannt sind.

Die Rolle des hellenistischen Kónigs als Stádtegründer wurde insbesondere von Ly-

Simachos, den Antigoniden und besonders den Seleukiden übernommen, Sie werden daher auch von Strabon häufig als Städtegründer genannt. Das pergamenische Reich hatte allerdings auch schon einen deutlich hóheren Urbanisierungsgrad als andere hellenistische Reiche. Die Stadt Attaleia in Pamphylien wurde nach ihrem Gründer Attalos (II.) Phil-

adelphos benannt”. Er sandte auch Siedler nach Korykos und umgab es mit einer gró-

Deren Mauer. Attaleia entwickelte sich bald zum wichtigsten Handelsplatz in Pamphylien, der auf Zypern und die Seeroute zum Ptolemäerreich ausgerichtet war und damit eine Absicht der Attaliden andeutet, sich nach dem Frieden von Apameia von der früheren

Kooperation mit den Seleukiden und alten Handelsverbindungen umzuorientierenfé, Auch Philadelpheia in Lydien ist nach Attalos IL Philadelphos benanntf?, Strabon notiert aber

insgesamt nur wenig über Städtegründungen und -förderungen der Attaliden außerhalb ihrer Metropole Pergamon. In Lebedos

in der Náhe von Kolophon wohnten und versammelten

sich noch in

Strabons Zeit die ,Dionysischen Techniten‘ ganz Ioniens. Attalos II. (oder Attalos IT.) hatte sie nach Schwierigkeiten in anderen Orten in Myonnesos zwischen Teos und Lebedos ansiedeln wollen. Aber die Teier hatten eine Gesandtschaft nach Rom geschickt, um den Myonnesiern verbieten zu lassen, gegen Teos eine Mauer um die Siedlung zu errichten. Daher seien die Techniten dann nach Lebedos gezogen, dessen Einwohner sie gerne aufgenommen hätten, weil ihre Stadt damals an Einwohnermangel litt. Die marginale Notiz Strabons gewährt einen Einblick in die dauerhaften Lokalquerelen vieler Stádte mit ihren Nachbarn und die Probleme mancher alten Polis, ihre Einwohnerzahlen zu halten. Es ist bezeichnend für Strabons Bestreben, seinen Lesern ein positives Bild von allen attalidischen Königen zu vermitteln, daß über den letzten und schon in der Antike umstrittenen Herrscher, Attalos III. Philometor (138-133 v. Chr.), nur ein einziger, sachlich

neutraler Satz gesagt wird. Strabon hebt außer seinem Testament zugunsten der Römer

keine einzige politische oder militärische Aktion Attalos' ΠῚ. hervor, während er doch zuvor über alle Herrscher der Attaliden seit Philhetairos außer ihren Regierungszeiten noch weitere positive Einzelheiten berichtet hatte. Attalos Philometor sei nach fünfjähriger Regierung an einer Krankheit gestorben und habe die Römer als Erben eingesetzt. Strabon hält sich hier von den in anderen literarischen Traditionen (z.B. bei Diodor und

Iustin) breit ausgesponnenen Angriffen gegen den Charakter und die Regierung des Attalos Philometor bewußt zurück. Dieser wird nämlich in ihm feindlichen literarischen Quel-

len als brutal, unheimlich, sogar zeitweise verrückt angegriffen und seine Regierung als ein Schreckensregime dargestellt, während inschriftliche Quellen ein eher positives Bild?

der Regierung des letzten pergamenischen Kónigs zeichnen.

Eine Eigentümlichkeit der attalidischen Monarchie im Vergleich zu anderen Diadochenmonarchien war die aktive Unterstützung der Brüder für den jeweiligen Monarchen. Unter den Attaliden gab es bis zum Usurpationsversuch des Aristonikos/Eumenes III. gegen Attalos IIL im Unterschied zum Seleukidenreich keine Bruderkriege, Usurpationen 64 65 66 67 68 69

Nikaia 12,4,7 C. 565, Apama 12,8,15 C. 578 und 16,2,4 C. 749, Arsinoe 14,1,21 C. 640, Thessalonike 7 Fr. 21 und 24 (Jones), Laodike 16,2,4 C. 750 und Aristopatra 15,1,35 C. 702. 144,1 C. 667. "Vgl. Hopp 1977, 103 und ALLEN 1983, 83. 12,818 C, 579 und 13,4,10 C. 628; vgl. Hos» 1977, 103, Das ist heute nicht mehr zu entscheiden, wie die Diskussion von 14,1,29 C. 643 bei Hope 1977, 114f und Hansen 1971, 171f zeigt. Hope 1977, 107ff und Hansen 1971, 130—150.

290

ΠῚ, Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

oder Sezessionen. Die Attaliden hielten gerade in Krisenzeiten noch stärker als sonst zusammen, z.B. in den späten Jahren Eumenes’ II. nach 168/67 v. Chr. Man kann die Attahdenmonarchie zeitweise fast als eine Familienherrschaft auffassen, obwohl die Brüder der Könige offiziell ‚Privatleute‘ blieben. Darauf weist auch Strabon mehrfach hin. Eumenes 1. (263-241) erbte Pergamon von Philhetairos, der also damit die Generation seiner eigenen Brüder und Eumenes, den Vater Eumenes’

L, überging, ohne daß dies zu Streit

geführt hätte. Es steht für Strabon außer Frage, daß Philhetairos sein Reich frei vererben konnte, wie dies am Ende der Monarchie auch Attalos III. tat. Attalos I. (241-197) hatte insgesamt vier Söhne, von denen zwei, Eumenes II. (197-159) und Attalos II. (159-138), nacheinander den Königstitel trugen, während die königlichen Brüder Philhetairos und Athenaios als jüngere Söhne ‚Privatleute‘ blieben, aber tatkräftig in Diplomatie und Kriegführung mithalfen.

Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen hellenistischen Reichen gab es auch

in der Ausprägung

des Herrscher- oder dynastischen Kultes, den Strabon im Attaliden-

reich im Unterschied zu den Seleukiden und Ptolemäern gar nicht erwähnt. Unter den Attaliden setzte sich kein Herrscherkult für lebende Herrscher durch. Die Dynastie stellte sich zwar in besonderem Male unter den Schutz der Góttin Athena, beanspruchte aber weniger nachdrücklich als die Seleukiden und Ptolemäer mythisch-góttliche Vorfahren (Herakles und Telephos). Beim hellenistischen Herrscherkult muß man grundsätzlich un-

terscheiden zwischen verschiedenen Formen der Verehrung einzelner Herrscher oder der Dynastie durch unterschiedliche Gruppen ihrer Untertanen und befreundete Stádte und einer Vergóttlichung einzelner verstorbener oder gar lebender Personen im strengen Sin-

ne?®, Auch in der Entwicklung des attalidischen Königskultes kann man nun den direkten Einfluß der Zäsur von 188 v. Chr. verfolgen, Denn erst nach 188 wurde Attalos I. als Gott verehrt und seit Attalos I. kann man im vollen Sinne von kultischen Ehren für die attalidischen Herrscher in einigen Stüdten sprechen. Dies geschah auch in der Spätzeit der Dynastie fast immer erst nach dem Tode und nicht schon zu Lebzeiten der Herrscher. Der Königskult für die Attaliden hatte auch nicht den Charakter eines zentral organisierten und politisch instrumentalisierten Reichskultes wie unter Antiochos III. und den folgenden Seleukiden. Die griechischen Städte ehrten die Attaliden gerne durch eponyme Feste (Philhetaireia, Attaleia oder Eumeneia). Erst nach 188 wurde für den verstorbenen Attalos I. (danach für weitere Attaliden) eine reguläre Priesterschaft eingerichtet und der verstor-

bene Herrscher offen als ‚Gott‘ bezeichnet. Pergamon selbst und Teos waren die Zentren dieses intensivierten Herrscherkultes. Auch Attalos IU. hat sich selbst noch nicht schon zu

Lebzeiten als Gott bezeichnen lassen. Strabon läßt in seiner Abfolge der einzelnen attalidischen Herrscher keine wichtige Person aus und beschränkt sich auch nicht nur auf eine Reihe der regierenden Monarchen. Insbesondere ihre Brüder, aber auch ihre Frauen und deren dynastische Herkunft finden Erwähnung. Denn auch sie zählen zum Kreis der hochgestellten Personen, deren Leben und Taten Thema der Historika Hypomnemata und der Geographika sind. Das komplizierte und weitverzweigte System der politischen Heiratsallianzen unter den hellenistischen Herrschern ist ein weiteres Kennzeichen dieser Epoche und des hellenistischen Typs

der Monarchie. Zusammengenommen bildeten diese Heiratsallianzen, an die auch Strabon gerne erinnert, mit SULLIVANS treffendem Ausdruck ein regelrechtes „eastern dynastic network"?!, Als erste Frau der Attalidendynastie nennt Strabon Antiochis, eine Tochter des Achaios und die Mutter Attalos’ L, sei es weil er über die Eltern des Philbetairos nichts erfahren hatte oder wahrscheinlicher, weil erst Attalos I. sich nach seinem eindrucksvollen 70 71

"Vgl. Haaicur 1970 und Auen 1983, 145-158. Vgl. Sucuivan (990, 321-328.

1. Die Geschichte des Aualidenreiches

291

Sieg über die Galater zum König ausrufen ließ und Strabon auf jeden Fall beide Eltern des ersten attalidischen Königs erwähnen möchte. Er nennt auch mehrfach die Namen beider Elternteile der Diadochen der ersten Generation. Antiochis war eine seleukidische Prinzessin, und diese Heiratsallianz mag man als Indiz für die damalige seleukidische Suzeränität über Pergamon verstehen. Attalos I. selbst heiratete jedoch die Tochter eines Magnaten aus Kyzikos namens Apollonis. Eumenes II. schließlich schloß eine wahrscheinlich politisch gegen die Seleukiden orientierte Ehe mit Stratonike, der Tochter des kappadokischen Königs Ariarathes IV. Es war also nicht durchgängige Praxis der attalidischen Könige, nur Königstöchter zu heiraten, und man wechselte auch die Dynastien, mit denen

man bevorzugt in eine familiäre Verbindung trat. 2. Das Herrschertestament Attalos’ III, der Usurpationsversuch des Aristonikos und die Errichtung der Provinz Asia in der Darstellung der Geographika

Während GRUEN und SHERWIN-WHITE ein sehr zögerliches Vorgehen Roms bei der Annahme der pergamenischen Erbschaft und vor allem in der Errichtung der Provinz Asia herausgestellt haben, vertreten SCHLEUSNER und BERNHARDT nachdrücklich in jüngerer Zeit die Auffassung, daß Rom ohne jedes Zögern bei dieser Erbschaft zugegriffen und schon seit 133 v. Chr. -- also noch vor der Absendung der fünf römischen Legaten — grundsätz-

lich die schnellstmögliche Errichtung einer neuen Provinz Asia beabsichtigt habe’. In dieser Kontroverse kann eine genaue Analyse der strabonischen Notizen nützlich sein. Das gilt auch für die gleichfalls in der Forschung umstrittene Frage des Charakters der Erhebung des Aristonikos als eines militärischen Usurpationsversuches, während die Motive Attalos' III. für sein Testament wohl weiterhin im Dunkeln bleiben. Attalos III. Philometor starb nach Strabons lakonisch knapper Notiz nach fünfjáhriger

Regierungszeit an einer Krankheit (oder einem Hitzschlag) und setzte die Rómer als Er-

ben ein. Die Rómer wandelten das Gebiet des Attalidenreiches z.T. in eine Provinz um und benannten diese nach dem Kontinent ,Asia'7". In einem Überblick über das Wachs-

tum der römischen Macht am Ende des 6. Buches führt Strabon aus, Asien sei zunächst von Kónigen beherrscht worden, die nach dem Sieg über Antiochos IIL von den Rómern abhüngig gewesen seien, Nach dem Aussterben der Herrscherlinien oder nach Revolten werde ganz Asien jetzt aber durch Klientelkónige Roms beherrscht oder sei den Rómern

als Provinzen unterstellt?^.

Strabon nimmt selbstverständlich an, daß Attalos IIL. das Recht hatte, die Römer als

Erben seines Königreiches einzusetzen, selbst wenn er damit lebende Mitglieder der attalidischen Königssippe, insbesondere Aristonikos/Eumenes III, in der Erbfolge ausschaltete und die eigenständige Existenz des attalidischen Königreiches beendete. Es gibt bekanntlich auch in anderen hellenistischen Staaten Herrschertestamente - nicht alle zugun72

Vel. GRUEN

Osten.

73 74

1984, Bd. 2, 608 und SHFRWIN-WHITE

1984, 80-92, anders SCHLEUSNER

1976 und nach-

drücklich BerNnHARDT 1985, 29: „das Ziel der Römer, die Errichtung der direkten römischen Herrschaft anstelle der Attalidenherrschaft, stand außer Frage“; zur Frühgeschichte der Provinz Asia zwischen dem Usurpationsversuch des Aristonikos und den Kriegen gegen Mithradates vgl. zusammenfassend KaLLET-Manx 1995, 97-124 und 223-260 mit Diskussion der Ausbildung provinzialer Herrschaftsstrukturen in Macedonia und Asia und der Veränderung des Charakters der römischen Herrschaft im 13,42 C. 624; zu Parallelquellen siche GREENIDGE, CLAY und Gray 1960 (ND 1986), 11f, 15-20 und 23; zu den Folgen der römischen Herrschaft für einzelne Städte in Kleinasien siehe weiterhin MactE 1950. 6.4.2 C. 288 zum historischen Überblick über das Wachstum der römischen Macht und 17,3,25 C. 840 zur Provinz Asia in augusteischer Zeit.

(7

292

I. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

sten der Römer -, die die Vorstellung vom Eigentum des Monarchen an seinem Staat (seinen πράγματα) illustrieren, Die Idee, auswärtige Machthaber als Erben oder Vormund einzusetzen, um die Gültigkeit von testamentarischen Regelungen zu sichern, geht nach

Memnon von Herakleia schon auf Nikomedes I. von Bithynien im 3. Jh. v. Chr. zurück”.

Chronologisch gab es für das Herrschertestament des Attalos HI. auch ein recht naheliegendes Vorbild durch das Testament des Ptolemaios VIII, Physkon (Euergetes IL) von 155 v. Chr., der für den Fall, daf er kinderlos sterben sollte, das Kónigtum von Kyrene Rom vermachte. Diese testamentarische Einsetzung Roms dürfte durch seine Angst vor Mordanschlägen insbesondere seines Bruders Ptolemaios VI. Philometor motiviert gewesen sein. Solche Motive sind möglicherweise auch auf Attalos III. übertragbar, der eine

Usurpation des Aristonikos befürchtet haben könnte?®, Mithradates V. von Pontos versuchte im späten 2. Jh., sich eine Anwartschaft auf Paphlagonien zu sichern, indem er Pylaimenes bewog, ihn als Erben einzusetzen. Dieses Herrschertestament begünstigte nicht Rom, sondern einen hellenistischen Monarchen eines nahegelegenen Reiches. Das Testa-

ment Attalos' III. wurde seinerseits wohl Vorbild für den letzten Willen von Ptolemaios

Apion, der 96 v. Chr. den Römern erneut Kyrene vermachte”’, für Ptolemaios XI. Alexandros II. 80 v. Chr. und für Nikomedes IV. von Bithynien 74 v. Chr. Strabon erkennt auch das ptolemäische Testament über Zypern zugunsten Roms als gültige Rechtsgrundlage

zumindest indirekt bei der Übernahme Zyperns durch Rom an”, Mit den Einzelheiten des Wortlautes des Testamentes befaßt sich Strabon gar nicht. Nach seiner knappen Formulierung vererbte Attalos III. sein ganzes Reich den Rómern, gewührte aber in einer anderen Klausel dieses Testamentes

zumindest Pergamon und

Ephesos die stádtische Freiheit. Man wird wohl aus Sicht der heutigen Forschung sorgfältig zwischen dem Kónigsland, den Gütern, dem beweglichen und unbeweglichen Besitz

des Attalos im gesamten Reich und dem in der Forschung umstrittenen Status der griechischen Städte mit ihrer jeweiligen χώρα trennen müssen??. Das in der Forschung vieldiskutierte Herrschertestament Attalos’ III. stellt nach Strabons Auffassung, die sich hier völlig mit der römischen deckt, jedenfalls eine legitime Grundlage der römischen Herrschaft über ihre Provinz Asia (ab 129 v. Chr.) dar. Die meisten griechischen Poleis des

attalidischen Kónigreiches scheinen sich von dem Usurpator Aristonikos keine Verbesserung ihrer bisherigen Rechtsverhältnisse oder ihres unter dem neuen Erben Rom erwarteten Status erhofft zu haben. Sie unterstützten nämlich schon sehr früh während des Arıstonikoskrieges nachdrücklich die römische Sache. Besonders Pergamon und Ephesos standen sofort in der ersten militärischen Phase des Krieges an der Küste gegen Aristonikos 75

Memnon FGrHist 434 F 14.

T6

Vgl. SEG 9, Nr. 7 zu einer Inschrift aus Kyrene als einziger aussagekräftiger Quelle über das Testament Ptolemaios' VIIL; zur möglichen Übertragbarkeit der Motive siehe Gruen 1984, Bd. 2, 596:

77

78

Attalus employed the device either in hopes of winning Roman protection or of depriving Aristonicus in advance of any potential profits from an insurrection." Vgl. Liv. Per. 70; zur umstrittenen Stellung der Stádte in den Testamenten des Ptolemaios Apion und Attalos IIT. siehe BERNHARDT 1985, 285-294.

14,6.6 C. 684-685 über die Inbesitznahme Zyperns durch Rom; zum Vergleich des Testamentes Atta-

los III. mit denen der Ptolemaier zugunsten Roms siehe NIEDERMAYER

1954, 5-29, LIEBMANN-FRANK-

FORT 1966, 73-94 (zur Möglichkeit der Annahme von Legaten durch das römische Volk), KouvsLAs 1972, 300-304 (nur Schutz- und Vormundschaftsverträge, keine Eigentumsübertragung oder patrimoniale Vererbung), BrauND 1983, 16-57 und HEnMANN-OrrO 1994, 81-94 (insb. 92: das Testament Attalos’ HI. als „eine Art Restitution ehemaliger Schenkungen“ der Römer und zugleich Vor-

sichismaBnahrne des kinderlosen Analos IL). 19

Vgl. schon Flor. 1,35,2, zur Stellung von Pergamon und anderen Poleis OGIS 338 (133 v. Chr.) und

435 (wohl 132 v. Chr.) sowie das in der Datierung (auf 129, 109 oder 101 v. Chr.) umstrittene SC de agro Pergameno (Sherk RDGE 12 = IvK Smyrna IL 1 Nr. 589, dazu ViRGILIO 1903, 69 Anm. 309).

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

293

und trugen zusammen mit den Königen der umliegenden Länder vor dem militärischen Eingreifen Roms zunächst die Hauptlast des Krieges. Pergamon und Ephesos wurden dadurch, daß Rom das Testament Attalos’ III, annahm, zu freien Städten. Ihr Einsatz ist

daher gut verständlich. Aber auch bei anderen Küstenstádten fand Aristonikos keinen Rückhalt*0, Die Hypothesen über die Motive des Testamentes Attalos’ III. verknüpfen sich unauflóslich mit dem Bild, das man von den Ursachen, dem Charakter und Verlauf des Ari-

stonikoskrieges hat. Strabon äußert sich nicht näher über die Motive Áttalos' III. für sein Testament, die in der modernen Forschung breit diskutiert werden. Weil Strabon ausführlich über die Begründung der Attalidendynastie durch Philhetairos spricht und eingangs im Exkurs auch ankündigt, er wolle aufzeigen, zu welchem Ende schlieflich die Attaliden gelangten, fällt seine Kürze in dem Satz über das Ende des Reiches umso mehr auf. Weil

er die bisherige Geschichte des Attalidenreiches jedenfalls bis zum Tode Attalos’ II. 138 v. Chr. aber als eine erfolgreiche Regierung darstellt, kann man ausschließen, daß nach Strabons Meinung akute Sorge um die Existenz seines Königreiches, die Angst vor äuße-

ren Feinden oder inneren sozialen Unruhen Attalos III. Philometor bewogen habe, sein

Reich den Römern zu vermachen. Doch mit seiner Erzählung über den Usurpationsversuch des Aristonikos gibt er indirekt einen Hinweis auf die Furcht des Attalos vor Aristonikos als mögliches Motiv. Auch aus dem Bericht Strabons über den militärischen Verlauf des Usurpationsversuchs wird nicht definitiv deutlich, ob er schon zu Lebzeiten oder erst nach dem Tode und der Eröffnung des Testamentes Attalos’ III. begonnen hatte. Strabon sagt nur, daß Aristonikos Leukai nach dem Tode Attalos’ III. zum Abfall brachte®!. Den Usur-

pator Aristonikos hält Strabon jedoch nicht für ein erbberechtigtes Mitglied der königli-

chen Familie. Dies wird erstens daraus klar, daß er Aristonikos am Ende des Attalidenexkurses gar nicht erwähnt, und zweitens, daß er in seiner Kurzerzählung des Aristonikosaufstandes, die er an die Behandlung der Stadt Leukai anhängt, sagt, es habe „den Anschein“ gehabt, daß Aristonikos zum königlichen Geschlecht gehörte, und er habe ver-

sucht, die Herrschaft im Königreich zu usurpieren®?,

Die Motive für das Testament des Attalos, der unerwartet früh und ohne legitime

Kinder als Erben starb, sucht man in der modernen Forschung entweder in seiner Persön-

lichkeit oder dem Zustand seines Reiches während der Jahre von 138 bis 133 v. Chr. Eine

Gruppe moderner Interpreien nimmt an, Attalos habe sein Reich außenpolitisch bedroht

gesehen. Nur eine direkte Herrschaft Roms über das pergamenische Königreich als dem römischen Volke gehöriges Territorium würde Rom auch verpflichten, das pergamenische Königreich in befürchteten zukünftigen Auseinandersetzungen mit seinen asiatischen Nachbarn (Seleukiden, Bithyniern, Galatern, Pontiern, Armeniern, Kappadokiern, eventu-

ell schon Parthern) mit eigenen römischen Truppen zu verteidigen. Aber dagegen spricht

die selbstbewußte Außen- und Militürpolitik des Reiches unter Attalos II. und II^.

Eine andere Gruppe von Interpreten, die den Aristonikosaufstand primär als Ergebnis gefährlicher innerer und sozialer Spannungen zwischen griechisch geprägten Poleis, insbesondere der Metropole Pergamon, und der abhängigen Landbevölkerung im Hinterland oder zwischen reichen und ärmeren Einwohnern des pergamenischen Reiches interpretie-

ren, vermutet, Attalos habe sein Reich den Römern vermacht, um sie damit in die Pflicht

zu nehmen, ihren Klientelstaat Pergamon verantwortlich zu verwalten und seine innere 40 81 82 83

Vel. zur Politik der Städte Gruen 1984, Bd. 2, 592-608 und BerNHARDT 1985, 28-33 und 285-294; Basile 1985 [1988] 104—116 n. v. Vgl. 14,1,38 C. 646, 14,1,38 C. 646. Zur Außenpolitik gut GRUEN 1984, Bd, 2, 584ff: Aualos Ill. feierte noch kurz vor 133 v. Chr. sogar einen militärischen Triumph, wie sich aus OGIS 332, 23-24 ergibt.

294

ΤΠ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

soziale Stabilität zu garantieren?*. Keine stärker werdende Abhängigkeit Pergamons von Rom in der Regierungszeit Attalos' II. und Attalos’ III. sehen dagegen ALLEN und GruENS, Sie wird auch bei Strabon mit keinem Wort angedeutet. Das Testament müsse aus der komplizierten Persönlichkeit Attalos’ III. und den persönlich-familiären Problemlagen

seiner Regierungszeit erklärt werden. Hopp nimmt dagegen an, daß Aristonikos schon vor dem Tode Attalos' III. im phrygischen Synnada als eigenständiger Dynast auftrat und diese Usurpation gegen die Zentralgewalt der Krone, die er selbst nicht mehr unterdrükken konnte, den kinderlosen Attalos III. dazu veranlaßte, die Römer statt des aus seiner Sicht unwürdigen Rivalen Aristonikos als Erben einzusetzen®®,

Hätten die Römer 133 v. Chr. völlig freie Hand gehabt, in Ruhe über die Annahme ihrer pergamenischen Erbschaft zu entscheiden, dann hätte man sich eventuell im Senat doch nochmals für eine indirekte Herrschaft durch einen Klientelkönig oder ein abhängiges

Regime entschieden und das Gebiet wohl nicht so schnell unter Provinzialverwaltung gestellt. Weil Aristonikos jedoch als illegitimer Königssohn die Gültigkeit des Testamentes bestritt und zu Anfang des Aufstandes immer mehr Gebiete des pergamenischen Kö-

nigreiches in Aufruhr gerieten und an Aristonikos zu fallen drohten, blieb den Römern zur Verteidigung ihrer Option auf die Erbschaft und aus sicherheitspolitischen Überlegungen keine andere Wahl, als den Aufstand schnell niederzuschlagen und das Gebiet als Provinz in ihre direkte Herrschaft zu übernehmen. Strabon legt über die Geschichte des

Verlaufes des Aristonikosaufstandes einen weiteren und absichtlich vom Attalidenexkurs getrennten Exkurs vom Ausbruch dieses Aufstandes 133 bis zur Errichtung der Provinz Asia 129 v. Chr. ein, den er an die Erwähnung der Stadt Leukai anschließt, welche Arıstonikos zur Teilnahme am Aufstand bewogen hatte: „Nach Smyrna folgt das Städtchen Leukai, welches Aristonikos nach dem Tode des Attalos Philometor zum Abfall brachte, weil er dem Geschlechte der Könige anzugehören glaubte und die Herrschaft an sich zu bringen beabsichtigte. Allein er wurde, von den

Ephesiern in einem Seetreffen am Ufer von Kyme besiegt, von dort verjagt und sammelte, ins innere Land entweichend, in aller Eile einen Haufen armer Leute und Sklaven, die er

unter dem Versprechen der Freiheit aufgerufen hatte und Heliopoliten nannte. Zuerst nun überfiel er Thyateira, dann besetzte er Apollonis, und hierauf trachtete er nach dem Besitz anderer Festen. Doch hielt er sich nicht lange; vielmehr schickten nicht nur sogleich die Städte viel Volk gegen ihn ab, sondern es eilten auch der Bithynier Nikomedes und die Könige von Kappadokien zur Hilfe herbei. Darauf langten fünf Gesandte der Römer an und nach ihnen ein Kriegsheer unter dem Konsul Publius Crassus, sodann Marcus Perper-

na, welcher den Krieg beendigte, indem er den Aristonikos lebendig in seine Gewalt be-

kam und nach Rom sendete. So beschloß denn dieser sein Leben im Gefängnis, den Perperna aber raffte eine Krankheit hinweg, und Crassus fiel, aus einem Hinterhalt angegriffen, in einem Treffen bei Leukai. Manius Aquillius aber, welcher als Konsul mit zehn

Unterfeldherren hinkam, brachte die Provinz in die noch jetzt bestehende Form der Ver-

fassung"?", 84

Zur abwegigen These von sozialen Konflikten als Motiv des Testamentes Attalos” IIL, dem

‚sozialrevolutionären‘ Charakter des ,Aristonikosaufstandes und zu den ,Heliopoliten* siehe ausführlich CaRRATA THomes 1968; allgemeine weitere Stellen der Geographika über abhängige Personengruppen sammelt Guipo 1982, 245-256.

85 ALLEN 1983, 84 und GRuEN 1984, 592-594. 86 Hoe» 1977, 121-147, insb. 121f. 87

Deutsche Übersetzun g der Kernstelle über den Aristonikosaufstand 14,1,38 C. 646 nach FonBiGER 1899-

1901, 99-100, Die ausführlichste, aber sehr späte Parallelquelle ist der Bericht Eutrops 4.20: „Morum interim in Asia bellum est ab Aristonico Eumenis filio, qui ex concubina susceptus fuerat. Hic Eumenes

frater Attali fuerat. Adversus eum missus pontifex P. Licinius Crassus infinita regum habuit auxilia.

Nam et Bithyniae rex Nicomedes Romanos iuvit et Mithradates Ponticus... et Ariarathes Cappadox et

1, Die Geschichte des Attalidenreiches

295

Strabons Notizen über den Aristonikosaufstand sind zwar knapp, aber sie geben ein geschlossenes Bild seiner beiden räumlich getrennten Hauptphasen, und in dieser deutlichen Differenzierung liegt der entscheidende Vorzug seines Berichtes. Die erste Phase reicht von der Erhebung des Aristonikos bis zu seiner Vertreibung aus Smyrna und der Niederlage in der Seeschlacht nahe Kyme und spielt fast ausschließlich im Küstengebiet des Reiches. Die zweite Phase betrifft den Rückzug des Aristonikos ins Landesinnere,

seine Rekrutierung neuer Truppen und Anhänger mit neuen Versprechungen und die Kämpfe gegen die Truppen der Griechenstädte, Roms und seiner königlichen Verbündeten. Nach Strabons Bericht wollte Aristonikos das Reich usurpieren. Er beabsichtigte zunächst die Übernahme des regulären attalidischen Königtums, war also keineswegs ein

Sozialrevolutionär und Kämpfer gegen die bisherige Ordnung des Königreiches®®. Aristonikos stiftete die kleine Stadt Leukai bei Smyrna zur Teilnahme an seinem Aufstand an. Er fand aber bei den entscheidend wichtigen Küstenstädten keine Unterstützung und wurde sogar schon früh in einer Seeschlacht von den Ephesiern bei Kyme geschlagen. Die Kämpfe an der Küste charakterisieren also bei Strabon militärisch den ersten Teil des Aufstandes. Erst danach zog Aristonikos sich ins Landesinnere zurück, eroberte Thyatei-

ra, Stratonikeia am Kaikos (nach Orosius) und Apollonis und prägte in diesen drei Städten Kistophoren-Münzen. Die letzteren beiden Orte waren überdies attalidische Militärkolomen. Aristonikos versuchte auch andere Festungen zu nehmen, konnte aber auch dort

keine entscheidend starke Machtbasis gegen seine vielfach überlegenen Gegner aufbauen. Erst in dieser späten Phase sammelte er nach Strabon und anderen literarischen Quellen eine große Anzahl mittelloser Leute um sich, darunter auch Sklaven, die er mit dem Ver-

sprechen der Freiheit angezogen hatte und ‚Heliopoliten‘ nannte, Die griechischen Städte des Reiches schickten ihm aber auch ins Landesinnere größere Truppen entgegen und wurden dabei von Nikomedes II. Epiphanes von Bithynien und von dem kappadokischen Kónig Ariarathes V. unterstützt. Selbst im knappen Resümee Strabons wird die wichtige militárische Rolle dieser benachbarten Kónige als Verbündeter Roms gerade in der ersten Phase des Aufstandes deutlich, als die Römer sein Ausmaß und die zu seiner Niederwerfung nötigen Truppenstärken noch unterschätzt hatten. Es fällt auf, daß der Pontier Strabon hier Mithradates V. von Pontos nicht erwähnt, der anderen Quellen zufolge den Römern

gleichfalls bei der Niederschlagung des Aristonikosaufstandes Hilfe leistete??. Vermutlich überging schon die Quelle, der Strabon hier folgt, die Hilfe durch den pontischen Monarchen.

Die Publikation zweier Inschriften hat in den letzten Jahren unsere Kenntnisse über den Aristonikosaufstand vermehrt, und diese Zeugnisse seien deswegen hier noch kurz erwähnt. Eine in Kassope nördlich von Actium gefundene Inschrift zu Ehren dreier vornehmer Männer aus Buchetia, einem kleinen Ort bei Ephyra, belegt, daß sogar epirotische Pylaemenes Paphlagon. Victus est tamen Crassus et in proelio interfectus. Caput ipsius Aristonico oblatum est, corpus Smyrnae sepultum. Postea Perperna consul Romanus, qui successor Crasso veniebat, audita belli fortuna ad Asiam celeravit et acie victum Aristonicum apud Stratonicen civitatem, quo confugerat, fame ad deditionem conpulit. Aristonicus iussu senatus Romae in carcere strangulatus est. Triumphari enim de eo non poterat, quia Perperna apud Pergamum Romam rediens diem oberat."

88

Gegen die Interpretation des Aristonikoskrieg als sozial motivierten Aufstand von bäuerlichen Unterschichten und Sklaven (vgl. hier Anm, 84) schon Hopp 1977, 12116, ALLEN 1983, 84f und erneut Rusinson 1993, 85f: der Sklavenaufstand in Sizilien 132 v. Chr. unter dem ‚König‘ Eunus wird von Strabon

keineswegs direkt mit dem Aristonikosaufstand verknüpfi (6,2,6 C. 272-273). Diese Verbindung finden wir dagegen bei Diodor oder genauer gesagt erst in den Konstantinischen Excerpten (aus Diod. 34,2,26). Mıreta 1998, 47-65 plädiert jedoch erneut dafür, den Anteil an einheimischen Bauern und

Sklaven unter den Anhüngern des Aristonikos schon zu Beginn der Kriegshandlungen als recht hoch 89

einzuschätzen.

Z.B. nach Eutr. 4,20; vgl. OLSHAUSEN 1978, 396-442 zur Politik Mithradates’ V.

296

III. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Hilfstruppen im Krieg auf Seiten der Römer gegen Aristonikos teilgenommen haben und vornehme Epiroten an der Überführung des gefangenen Aristonikos nach Rom beteiligt waren”. Auf die für längere Zeit bedrohliche und ungewisse Situation der Städte auch in der Küstennähe während des Aristonikosaufstandes vom Frühjahr 133 bis Frühjahr 130 oder sogar bis zur endgültigen Einrichtung der Provinz Asia spielt ein Passus in einem Ehrendekret für Polemaios aus dem Apollonheiligtum von Klaros bei Kolophon an, der über bewaffnete Angriffe auf das Territorium der Polis und Raubüberfälle ‚zur Zeit der Sklavenstadt' (der δούλων πόλις) klagt, womit die ,Heliopoliten' des Aristonikos gemeint sein kónnten?!, Auf den offenbar alarmierenden Bericht einer römischen Gesandischaft hin griff zuerst 131 v. Chr. auch eine römische Armee unter dem Konsul Publius Licinius Crassus in die Kämpfe ein, die wider Erwarten geschlagen wurde. Crassus selbst kam auf dem Feldzug um. Sein Kommando übernahm Marcus Perperna, der erst ab Frühjahr 130 die endgültige militärische Entscheidung herbeiführte, Aristonikos erst nach einer Belagerung in Stratonikeia am Kaikos gefangen nahm und nach Rom schickte, wo er hingerichtet wurde, Nach überwiegender Auffassung der modernen Forschung hat Strabon trotz dieses inschriftlichen Zeugnisses über die prekäre Lage der Küstenstadt Kolophon mit den zwei Phasen des militärischen Verlaufes des Aristonikosaufstandes, seiner Einschätzung als

Usurpationsversuch eines nur ungenügend legitimierten Thronprätendenten und auch in der grundsätzlichen Beschreibung der römischen Aktionen einen guten Blick bewiesen, und die Geographika sind unsere wertvollste literarische Quelle über diese Ereignisse. Auch die Kistophoren-Münzprägung des Aristonikos unter dem dynastischen Namen

Eumenes II. und mit dem manifestierten Anspruch auf das paternum regnum von 133130 v. Chr. entzieht allen Spekulationen über einen sozial motivierten Aufstand unter Aristonikos und soziale Krisen im pergamenischen Reich als Motiv des Testamentes Attalos’ ΠῚ. den Boden??, Aristonikos hatte zunächst seine Anhüngerschaft offenbar in Teilen des attalidischen Heeres und der Verwaltung gefunden, nicht aber unter der Bevölkerung der griechischen Städte an der Küste des Reiches und auch nicht hauptsächlich unter

den Sklaven und in der abhängigen bäuerlichen Bevölkerung im Landesinneren?, Der Anführer Aristonikos, seine Ziele, seine ersten militärischen Aktionen und auch die Zusammensetzung seiner Anhängerschaft passen also nicht zu einem von Anfang an schon

sozial motivierten Aufstand.

| Rom reagierte Zug um Zug auf die im pergamenischen Kônigreich eskalierende Entwicklung, nachdem Aristonikos die Initiative ergriffen hatte. Die Mehrheit des Senates strebte keineswegs seit dem Tod Attalos' III. (Frühsommer 133 v. Chr.) die möglichst

schnelle Errichtung einer Provinz Asia an. Auch diese wichtige Erkenntnis hat Strabon 2.

92

Vgl. MERKELBACH 1991, 132. Vel. 1 Claros 1,1 Polemaiosinschrift col. Il, Z. 33-51, insb. Z. 37 und dazu RoperT 1989, 11ff und 36-

38; LEHMANN 1998 ‚23 und Anm. 22 lehnt eine direkte Anspielung auf die Heliopoliten ab, die aber von META 1998, 54ff wiederum für sehr plausibel gehalten wird, azu RosiNsokN 1954, 1-7 und erneut Hopp 1977, 145-147; KAMFMANN 1978, 38-42 datiert die Münz-

Prägung des Aristonikos in Thyateira schon in das erste Jahr seiner Usurpation, also den Herbst 133 v.

Chr. nicht erstin das zweite Jahr. Diese frühe Mün zprägung belegt, wie schnell die Usurpation von der ae

in das Hinterland von Pergamon übergriff. Diese Münzprägungen und die Inschriften aus Kolo-

Pat N können aher als Quellenzeugnisse entgegen MiLETA 1998, 47-65 meines Erachtens die grund-

93

de " nu eene Erkenntnis Strabons von den zwei Phasen des Aufstandes nicht widerlegen, sonr die bei Strabon und in anderen literarischen Quellen angedeutete scharfe zeitlich-räumliche Trennung der Phasen etwas ahmildern,

Lun anhängern des Aristonikos siehe MiLETA 1990, 511-516 und jüngst ders. 1998, 47-65 mit der Anteil gaben (und mit der meines Erachtens derzeit nicht eindeutig nachweisbaren Einschätzung, Mel an Sklaven und einheimischen Bauern sei schon ab 133 v. Chr. hoch gewesen).

1. Die Geschichte des Attalidenreiches

297

seinen Lesern vermitteln wollen, wenn man den Attalidenexkurs im Zusammenhang mit dem Aristonikosexkurs interpretiert. Über die regionale Binnenorganisation der neuen Provinz Asia, die M. Aquilius ab 129 v. Chr. mit einer Zehnmännerkommission einrichtete, äußert sich Strabon noch an einer weiteren interessanten Stelle”* „Die nach diesen

Gegenden zunächst südlich folgenden Landesteile haben bis zum Tauros hin eine solche Verwicklung, daß die phrygischen, die Iydischen, die karischen und sogar die mysischen kaum zu unterscheiden sind, da sie ineinander laufen. Zu dieser Verwirrung trägt auch der

Umstand nicht wenig bei, daß die Römer die Länder nicht nach den Völkern abgeteilt, sondern die Distrikte auf andere Weise bestimmt haben, in welchen sie Versammlungen und Gerichtstage halten“. Strabon kritisiert hier, daß die Römer die Einteilung Asias nicht nach festumrissenen Wohngebieten von Völkern und übereinstimmend mit alten Siedlungsräumen, sondern nach neuartigen Diözesen vorgenommen hätten. Eine jüngere Studie hat aber zeigen können, daß die geographischen Einheiten der Territorialverwaltung

des späten Attalidenreiches, die Topoi, als direkte Vorbilder für die Binneneinteilung der frühen römischen Provinz Asia in Gerichtsbezirke anzusehen sind. In diesem Falle wäre die Kritik Strabons an der geographischen Binnenorganisation der neuen Provinz Asia nicht berechtigt. Denn schon die Grenzen der Topoi der Attaliden deckten sich nicht imIneT mit den Wohnsitzen einzelner Völker oder abgegrenzten Landschaften ihres Reiches”,

Strabon erweist sich in seinem Exkurs über die Attaliden und in den Notizen über den Usurpationsversuch des Aristonikos als gut informiert. Die Begründung des späteren Attalidenreiches durch Philhetairos und der Höhepunkt seiner Machtentfaltung unter Attalos I. und Eumenes IL. stehen im Mittelpunkt seines Interesses, während die knappen Bemerkungen über das Ende des Reiches und die Erbschaft der Römer durch die Notizen an anderer Stelle über den Verlauf des Krieges gegen Aristonikos ergänzt werden. Auch in diesen Bemerkungen über die Erbschaft der Römer 133 v. Chr., den Usurpationsversuch

des Aristonikos und die Errichtung der Provinz Asia erweist sich die prorömische Tendenz Strabons.

94 95

628—629; dt. Übers. Forsiger 1899-1901, 13.4.12 Provinz durch den Konsul M. Aquilius. Vel. Mnera 1990, insb. 438.

72f; vgl. auch 14,1,38 C. 646 zur Einrichtung der

298

Il. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

2. STRABONS NOTIZEN ÜBER ROM UND ÜBER DIE GENESE UND LEGITIMITAT DER RÖMISCHEN WELTHERRSCHAFT 1. Die Eigenart und proaugusteische Tendenz der strabonischen Beschreibung der Hauptstadt Rom Strabons Rombeschreibung zeigt deutlich einige Charakteristika seiner Oikumenegeographie gegenüber anderen Beschreibungen und spätrepublikanisch-augusteischen laudes

Romae!. Strabons tiefe Überzeugung von der Legitimität der römischen Weltherrschaft und der neuen Staatsform des Prinzipats zeigt sich auch in der enthusiastischen Beschreibung der Hauptstadt Rom und Italiens, die er im 5. und 6. Buch der Geographika gibt. Die Beschreibung der Hauptstadt Rom selbst wird ergánzt durch einzelne Informationen über das zeitgenössische Rom an anderen Stellen in der Kulturgeographie, Notizen über italische Städte? oder Straßenverläufe?. Die historisch-geographische Bescheibung Roms im

Rahmen der Perihegese Italiens im 5. Buch* muß im Zusammenhang mit dem historischpolitisch akzentuierten Exkurs am Ende des 6. Buches der Geographika über Roms Aufstieg zur Weltmacht? und der politisch-geographischen Übersicht über das augusteische Oikumenereich am Ende des Gesamtwerkes in Buch 176 sowie verschiedenen Einzelstellen über führende Rômer des 1. Jh. v. Chr. und der Prinzipatszeit interpretiert werden. Wührend die drei übergreifenden Stellen in diesem Kapitel behandelt werden, sind die zahlreichen Einzelstellen über führende Rómer im nächsten Kapitel gesammelt und ausgewertet, Nimmt man die Rombeschreibung im 5. Buch, den Exkurs über den Aufstieg zur Weltmacht im 6. Buch und die Übersicht über das Weltreich im 17. Buch zusammen In den Blick, so verdeutlicht das entstehende Bild den augusteischen Charakter der Geographika Strabons. Über keine hellenistische Stadt (mit Ausnahme Alexandreias) und über die Geschichte und die führenden Mánner keines hellenistischen Reiches macht Strabon so viele und zwar oft enthusiastische Bemerkungen wie über Rom, das römische Reich

und Augustus. Schon die erste Kernstelle im 5. Buch Strabons mischt historische Traditionen über die origo Roms, die in einigen Punkten von den Versionen des Livius und des Dionysios von Halikarnassos abweichen, mit einer kulturgeographischen Beschreibung der natürlichen Lage Roms und seiner Umgebung, einem Lob der zeitgenóssischen Bau-

ten des Marsfeldes und des augusteischen Mausoleums in der Art eines Reiseführers und ersten lobenden Hinweisen auf die politisch-administrativen Anordnungen des Augustus

zum Wohle der Stadt und seine Rolle als engagiertester Bauherr bei ihrer Verschönerung. Vgl. zu den Topoi der laudes Romae und laudes Italiae Gernentz 1918, Bauck 1919 und KYTZER (Hg.) 1988, zu den Georgica Vergils MvNoas 1990; Varro rust. 1,2,3-7 lobt Italien in einem berühmten Vergleich mit den herausragendsten Regionen der Mittelmeeroikumene. Zwischen dieser Passage und Strabons Auffassung ergeben sich einige Berührungen; zu berühmten Passagen über Rom als caput orbis auch Nicocer 1991, 9-16 und Vocr 1960, 151-171, insb. 159f und Anm. 30. Z.B. über den Handel Roms mit Patavium (5,1,7 C. 213).

Die Beschreibung der Städte Latiums orientiert Strabon an ihrer Lage an den drei bedeutenden von

Rom ausgehenden Reichsstraßen: der Via Appia, Via Latina und Via Valeria (5,3,9-13 C. 236-240). Zu Strabons Quellen in den Büchern 5 und 6 der Geographika und Landesbeschreibung Italiens siehe

HuNRATH 1879, Nissen 1883-1902 (ND 1974), Dasrrez 1905, SreiNBROCK 1909, Pais 1922, HAGENOW

ana

1932, Moscam CAstenvovo 1983, 389-401, Massaro 1986, 79-117, Birrt 1988; Manpoui (Hg.) 1988

mil einer guten Zusammenfassung der Beiträge ebd. von GABBA 327-338 und Weiss 1991. 5,3,7-8 C. 234-236, vgl. dazu die Kommentare von Bırrı 1988, 274-276 und Weiss 1991, 21-23. 6,4,2C, 286-288,

17,3,24-25 C. 839-840.

2. Strabons Notizen über Rom

299

Im Unterschied zu anderen spätrepublikanisch-augusteischen Autoren überträgt

Strabon das populäre Argument von der geographischen Mittellage Italiens als günstiger

Ausgangsvoraussetzung für die Eroberung der Mittelmeeroikumene? nicht auch auf die

zentrale Mittellage Roms als Voraussetzung der Erringung der Herrschaft über Italien. Insgesamt bewertet Strabon die natürliche Lage Roms sogar erstaunlich kritisch. Er wägt zwischen anfangs überwiegenden Nachteilen und erst später erkennbaren, großen Vorteilen ab. Die Wahl des Ortes für die Anlage dieser Stadt sei unter militärisch-politischem Zwang und nicht aus freien Stücken und wegen der ausgezeichneten Voraussetzungen des Platzes erfolgt®. Auch die Generationen, die nach der Gründung die Stadt erweiterten, hátten aus Notwendigkeit so gehandelt, aber keine freie Wahl bei ihren Entscheidungen

gehabt. An Vorteilen der natürlichen Lage Roms nennt er den Uberfluf an Lebensmitteln zur Versorgung der schnell wachsenden Stadt und die Verfügbarkeit guten Baumaterials (Holz und Steine) sowie die leichten Transportmóglichkeiten über die Flüsse Latiums und besonders über den Tiber zum Meer. Erst nachdem Rom den natürlichen Reichtum seines Umlandes als Hegemonialmacht Latiums dazugewonnen hatte, konnte es die Vorteile der Verkehrslage der Stadt voll nutzen. Die Lage Roms erlaubte tatsáchlich einerseits eine schnelle Verbindung zum Meer über den Tiber und schützte andererseits die Stadt durch

eine gewisse Entfernung von der Küste vor Überfüllen von See. Dies waren manifeste

Vorteile, die dem strategischen Blick anderer Beobachter nicht entgangen waren. Selbst

der Philosoph und Politiker Cicero? betont diese Vorteile der Lage Roms: die mäßige

Entfernung vom Meer, zu dem man auch über den Tiber als schiffbaren FluB Verbindung hat, die Höhenlage der Stadt auf den Hügeln, die klimatisch gesund sei und gegen Fieber Schutz biete, die fortifikatorischen Möglichkeiten der Hügellage, nahegelegene Boden-

schätze, vor allem Salzvorkommen, und die guten Wegeverbindungen auch zum Binnenland. Zu den Nachteilen der natürlichen Lage rechnet Strabon insbesondere die leichte

Angreifbarkeit der frühesten Siedlung Roms von den umliegenden Hügeln her”. Solche natürlichen Nachteile hätten die frühen Römer aber mehr als ausgeglichen durch ihre her-

ausragende Tapferkeit, die ihnen größere Sicherheit bot als eine leicht zu verteidigende

Lage der Stadt. Der Mangel auf den ersten Blick erwies sich also in Strabons Interpretation durch die vorbildliche moralisch-politische Einstellung und den Einsatz der Römer (ihre ἀρετή und ihren πόνος) als langfristiger Vorteil, Das auf Alkaios zurückgehen e ΝΑ bekannte Sprichwort, daß die Männer ihre Mauer und nicht die Mauer die Männer

digen sollen, zitiert Strabon wegen seines erzicherischen Wertes''. In der Frühgeschic

Akzente. der Stadt Rom setzt Strabon also schon erste prorómische und philosophische

ie aux Strabon hätte dem berühmien Wort Mommsens zugestimmt, Rom set, wiefolgt in setStrabon dt“!2, von Iheiten Ἣ Ν 1 Sta gewordene eine als Sage annehme, eine „mehr geschaffene

nen Bemerkungen über die κτίσις Roms Vorlagen, die sich in wichtigen n

kar nassos

den autoritativen augusteischen Versionen des Livius und Dionysios von = alatin und

o0

à

unterscheiden'?. Livius legt die Keimzelle der römischen Siedlung auf den 6,4,1 C. 285-286.

n

weist.

9 10

ander

n v 5.3,2-3 C. 228-230 über die Gündung Roms durch Romulus und Remus sowIe über dic gegründete Siedlung, und 5,3,7 C. 234: ὅτι πρὸς ἀνάγκην, οὐ πρὸς CPE EXT Sit Polybios vervon LassereE 1967, 208, der auf die Ähnlichkeit der strabonischen Formulierunge Cic.rep. 2,10-11. 5,3,7C. 234-235,

I1 Vgl. Alk. Fr. 112 Lobel-Page (danach oft wiederholt) mit Biert 1988, 275 Anm. 314 12

MoMMSEN 1976, 62 (= 1902, 47).

13

Dazu Vanorn 1992, vor allem 176-185.

Geschichtsbildes II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen

300

nicht wie Strabon auf die Kapitol-, Palatin- und Quirinalhügel. Livius berichtet nichts von

einem Angriff des Titus Tatius auf den Quirinal und nimmt (wohl richtig) Tullus Hostilius

und nicht Ancus Marcius als den Kónig an, der zuerst den Caeliushügel einbezogen habe. Die Lünge des Grabens und der Mauer des Servius, die Strabon als Zäsur der frühen Stadtentwicklung heraushebt, gibt er mit sechs Stadien, Dionysios hingegen mit sieben an^. Er berichtet verschiedene Versionen der Sage von der Gründung Roms. Zuerst mit feichten Abweichungen von der Tradition bei Livius und Dionysios von Halikarnassos

die ausführlichere Version, die am meisten Glauben gefunden habe!$, und danach eine

kürzere Variante nach Coelius Antipater, daß Rom letztlich eine arkadische Kolonie, die erste Siedlung am Ort des späteren Rom eine Gründung durch Euander, und Rom also

eine echte griechische Polis sei!6. Die Beschreibung der Gründungsperiode Roms durch

Strabon ist relativ ausführlich, weil er anläßlich der Euandergeschichte die angeblich griechischen Ursprünge der Römer diskutieren will und er = ähnlich Ephoros -- eine Vorliebe

für gelehrte Gründungsgeschichten hat, die er auch zu anderen Stádten Italiens und Siziliens erzählt,

Dagegen überspringt Strabon an dieser Stelle die gesamte republikanische Periode der rómischen Geschichte, die er später am Ende des 6. Buches im wesentlichen nach

Polybios rekapituliert!?, um sich im Hauptteil seiner Rombeschreibung auf die augusteische Ära zu konzentrieren. Den außergewöhnlich lebhaften Baubetrieb in der ganzen augusteischen Ára Roms hat Strabon aus eigener Beobachtung notiert. Typische Gefahren

des großstädtischen Alltags ergaben sich aus dem Zusammenbruch von Häusern und háufigen Bränden. Sie resultierten aus mangelnder bautechnischer Sicherheit der Gebäude und unzureichendem Brandschutz. Strabon erinnert ausdrücklich an die Anordnungen des Augustus über die Beschränkung der Höhe der Gebäude an öffentlichen Straßen auf sieb-

Bi; Fuß (ca. 21,5 Meter) und seine Einrichtung der cohortes vigilum, die ab 6 ἢ, Chr. den

est

und auch besonders im nächtlichen Rom Aufgaben einer Polizeitruppe

adt Re sen Beide Einzelmaßnahmen illustrieren die Sorge des Prinzeps um die Haupt-

. Der zweite Abschnitt der Rombeschreibung Strabons'? beginnt mit einem Vergleich zwischen charakteristischen Zielen und Eigenarten griechischen und römischen

Städtebaus, und Ds auchentwickelte Niveau des römischen Straßenbaus, der TrinkwasserversorgungsSicht zu den auffälligsten Vorzügen rómisches orBungssysteme zählt auch aus heutiger beim Städtebau beHellenen die sonders dadurch e, nridtebaukunst: „Denn während Häfen und f » r Ziel glücklich zu erreichen glaubten, daß sie auf Schónheit, Festigkeit, am meisten für das Sorge, was uehtbares Land abzielten, trugen die Römer

14 Ι

Dion. H OP 53 C. 228-230.



5.3.3 C. 230, die einzige s; z . Vgl. 64,2 C. 286-288. sichere Erwähnung des Coelius Antipater als Quelle der Geographika.

8

mit der Interpr, GaBBAs 1991; vgl. zu Livius Ocitvie 1965 (ND 1975) und zu esten des frühen Rom Gserstap, Bde. I- VI, 1953-1973.

5470235, vgl. Suet, noch Auej B. 30,2 und Cass. Dio 55,26,4f. Weder die Erwähnung der Einrichtung der vigilum COhortes

Personen (Tod des Acc 22e genannte Gebäude (Marsfeldbauten, Mausoleum), Ereignisse oder

Rombeschreibung des 5 Be Tr umph des Germanicus von 17 n. Chr. im 7. Buch) können aber für die diese Bemerkung frühest uches ein sicheres Abfassungsdatum erweisen. Diese Stelle besagt nur, daß die übrigen datierbaren Stell 6 n. Chr. in die Geographika eingefügt worden ist, und Analoges gilt für En, Freignissen und Perso en der Stadibeschreibun g. Angesichts der subjektiven Auswahl an Gebäu-

Noch bed enklicher, aus det Nike de Strabon bei der Rombeschreibung erinnert, ist es methodisch Datum der Abfassungszeit der Geographie bestimmter Gebäude, Personen oder Ereignisse auf das

Stel «Bl. 23523 S38 20C, allen

a sort Suabons zu schlieBen , fenthalt LiNbsaY 1997, 491 493 oder den damalialigen Aufenth

2. Strabons Notizen über Rom

301

jene wenig beachteten, für Straßenpflasterung, Wasserleitungen und Abzugskanäle, wel-

che den Unrat aus der Stadt in den Tiber fortspülen konnten“2°, Strabon wil! mit diesen

vergleichenden Bemerkungen über griechischen und römischen Städtebau zeigen, daß die Hauptstadt des Reiches die vorteilhaften Traditionen des griechischen und römischen Städtebaus vorbildlich vereint?!. Ferner sprechen dieser Vergleich zwischen griechischen und römischen Städten und die für rómisch-italische Leser eher banalen Hinweise auf die her-

vorragende Wasserversorgung Roms und das Marsfeld dafür, daß diese Rombeschreibung — wie der Exkurs über den Aufstieg Roms zur Weltmacht am Ende des 6. Buches und der abschließende Überblick über die Provinzen — primär für griechische Leser ohne eigene Kenntnis der Hauptstadt Rom verfaßt wurde.

Es folgt eine Beschreibung des augusteischen Rom, in der Strabon nach Art eines Reiseführers bestimmte Gebäude hervorhebt. „Überhaupt aber kümmerten sich die Alten wenig um die Schönheit Roms, indem sie sich mit anderen größeren und notwendigeren Dingen beschäftigten; die Späteren hingegen, und besonders unsere heutigen Zeitgenossen, blieben auch hierin nicht zurück, sondern füllten die Stadt mit vielen und schönen Prachtwerken“??. Strabon versucht keineswegs, seinen Lesern alle bemerkenswerten Bauwerke in der gesamten Stadt Rom zu schildern. Es erstaunt zwar, daß er weder die Ara

Pacis noch den 2 v. Chr. fertiggestellten Tempel des Mars Ultor nennt, die doch beide eng mit der augusteischen Propaganda verbunden waren, doch daraus oder auch aus der Nichterwähnung anderer Gebäude kann man weder ein zuverlássiges Datierungskriterium der Beschreibung ableiten noch sollte man darauf weitgehende Interpretationen zu Strabons Bild von Rom aufbauen. Mit einem rhetorischen Trick und zugleich einer geschickten Geste gegenüber Augustus, Agrippa und anderen Mitgliedern des kaiserlichen Hauses hebt er die Region des Marsfeldes und das Mausoleum des Augustus als prachtvollstes Einzelgebäude des zeitgenössischen Rom hervor, Von der Pracht des Marsfeldes und der umliegenden Gebäude könne der Leser auf den Glanz der übrigen Stadt Rom schließen. Die Wahl des Marsfeldes als für die glanzvolle Umgestaltung des augusteischen Roms exemplarische Region ist sehr geschickt. Weil das Gelände bis in die späte Republik fast unbebaut geblieben war, konnte man hier in der augusteischen Ära in einem

geschlossenen Konzept bauen und verschiedene Bauwerke aufeinander beziehen. Strabon strebt mit seinen Bemerkungen keine vollständige Stadtbeschreibung an. An den berühmten älteren republikanischen Bauwerken Roms ist er, abgesehen von der alten Stadtmauer, wenig interessiert. Auf das Kapitol und die Foren Roms als zentrale Orte des republikanischen religiósen und politischen Lebens geht er nur auffallend kurz in einem allgemeinen Satz ein. Er konzentriert sich ganz auf die Bauten der Zeit des Pompeius,

Caesars und Augustus, in seiner eigenen Lebenszeit#.

Von Personen, die an der Verschónerung der Hauptstadt mitwirkten, hebt er Pompeius und Caesar, M. Agrippa, Augustus und dessen Sóhne und Freunde, seine Gattin Livia und seine Schwester (Octavia wird nicht namentlich genannt) hervor. Unter den Sóhnen des Augustus sind seine Adoptivsöhne und Enkel, also Marcellus, Caius und Lucius Caesar, zu verstehen; unter den Freunden Caesars wird man sich die bei Sueton?^ genannte 20

5,3,8 C. 235-236; dt. Übersetzung FonniGER 1911-3914, 167.

21

"Vgl zur Anlage griechisch-römischer Städte u.a. WARD-PFRxINS 1974, Rosmson 1992 und zum augusteischen Rom auch Favro 1996,

22 23

5,3,8 C. 235-236; dt. Übersetzung Fongicen 1911-1914, 167. Vel. Wiseman 1979, 129-134 und Co^RELLI 1988, 89-91; einen Überblick über die augusteischen Bauten und gute Photos und Pläne bieten NasH 1961-1962, RicHAROSON 1992, CoarELLi 1989, PURCELL

1996, 782-81] und Favro 1996; zur Trennung zwischen öffentlichen und privaten Räumen in Rom siehe ZACCARIA Rucaiu (Hg.) 1995. 24

Suet. Aug. 29.

302

111. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strahonischen Geschichtsbildes

Gruppe denken, aus der Marcius Philippus den Tempel des Hercules und den der Musen, L. Comificius den Tempel der Diana, Asinius Pollio das Atrium Libertatis, Munatius Plancus den Tempel des Saturn, Comelius Balbus ein Theater und Statilius Taurus ein Amphitheater errichteten. Tozer bezeichnet M. Agrippa mit einem treffenden Vergleich als

den „Baron Haussmann of the Augustan Age". Von seinen vielen Projekten erwähnt

Strabon besonders die verbesserte Wasser- und Abwasserversorgung® Roms und den

Ausbau des Campus Agrippae. Die Weltkarte des augusteischen Reiches, die erst nach

seinem Tode in der Porticus Vipsania angebracht wurde, erwähnt Strabon in der Stadtbe-

schreibung des 5. Buches nicht, kannte sie aber nach einer Passage des 2. Buches zu urteilen vielleicht doch?". Aufgrund der knappen Ausführungen ist umstritten, ob er nach der ausführlichen Beschreibung des Marsfeldes mit dem weiteren πεδίον in dessen Nähe den Campus Flaminius am Südende des Marsfeldes oder doch den Campus Agrippae am

Fuß des Quirinalhügels meint?®,

Die prinzipatsfreundliche Tendenz Strabons zeigt sich in seiner Rombeschreibung

darin, daßer das Mausoleum des Augustus als das bedeutendste Gebäude des zeitgenOssischen Rom

hervorhebt. Strabon sicht Augustus als Begründer einer römischen Herr-

scherdynastie an und setzt in der Beschreibung des Mausoleums und erneut am Ende des 6. Buches deutliche dynastische Akzente, indem er Augustus im Zusammenhang mit set

ner Familie und seinem Nachfolger, dem Prinzeps Tiberius erwähnt. Das Grab Alexan-

ders soll ein architektonisches Vorbild für das Mausoleum des Augustus gewesen Sein. Auch deswegen ist es für Strabon sinnvoll, dieses Gebäude hervorzuheben, weil er mit

seiner Erwähnung

erneut den Bogen von Alexander zu Augustus schlagen kann, wie er e$

vermutlich im großen Stil in seiner Universalhistorie getan hat. Das Mausoleum wurde schon 28 v. Chr. fertiggestellt??. Strabon erwähnt aber ausdrücklich auch schon eine Bron zestatue des Augustus Caesar auf der Spitze des bepflanzten Hügelbaus, die ersten Gräber

des Augustus und seiner Verwandten im Mausoleum und die Ustrina Caesarum, das kalserliche Krematorium an der Seite des Mausoleums zur Via Flaminia, wo der Leichnam

des Augustus verbrannt wurde. Dies deutet darauf hin, daB er schon den Zustand der Án-

lage nach dem Tode des Augustus vor Augen hatte. Er kann zwar einen früheren Eindruck

von der Anlage um die Informationen der Errichtung einer postumen Bronzestatue und

die Tatsache, daß inzwischen die ersten Gräber belegt worden waren, aus einem Augen-

zeugenbericht ergänzt haben. Die einfachste Erklärung wäre es aber anzunehmen, daß Strabon selbst nach 14 n. Chr. noch einmal in Rom gewesen ist.

25

Tozer 1893, 153.

26

Damit meint Strabon wohl die Aqua Marcia 34 (Cass. Dio 49,42,2) und den Aquädukt der Aqua Virgo

27 28

(ebd. 53,23,1), die Porticus des Neptun, die Thermen und das Pantheon im Jahre 25 v. Chr. (ebd. 53,271, ff) sowie als größtes Projekt die prachtvolle Anlage des Campus Agrippae, die auch Cass. Dio 55,8,3-4 beschreibt. Siehe zu Projekten Agrippas als Ädil Tortorıcı 1990, 19-55. Vgl. dazu ausführlich hier Kap. 11.4.3. Falls der Campus Flaminius gemeint ist, wären mit den drei Theatern bei Strabon die des Marcellus,

19 v. Chr. (ebd. 54,11,6); wichtige Bauprojckte Agrippas waren auch die Saepta Iulia von 26 v. Chr.

Balbus und Pompeius bezeichnet. Für diese Identifikation plädiert Bırrı 1988, 275f Anm. 320; mit dem Amphitheater könnte dann der Circus Flamininus gemeint sein, der allerdings jüngst

für den au gustei-

schen Neubau des Theaters des Marcellus teilweise abgebrochen worden war. Weil sich Strabon eher

29

auf zeitgenössische Bauten konzentriert, scheint mir diese Interpretation aber unwahrscheinlicher. Vgl. Suct. Aug. 100,9 und von Hessera und PANCIERA 1994 mit weiterer Lit.

2. Strabons Notizen über Rom

303

2. Roms Aufstieg zur Herrin Italiens und der gesamten Mittelmeeroikumene Am Ende seiner Beschreibung Italiens und der großen umliegenden Inseln legt Strabon einen bemerkenswerten Exkurs über die Ursachen der Macht und Größe Roms und einen kurzen Abriß des Aufstiegs Roms zur Herrin der Mittelmeeroikumene bis in die augu-

steisch-frühtiberische Zeit ein. Dieser Exkurs zerfällt in zwei Teile. Zuerst erläutert Strabon, welche geographischen Vorzüge Italiens den Aufstieg Roms wesentlich geför-

dert haben. Italien sei durch einige Vorzüge seiner natürlichen Geographie den übrigen Ländern der Mittelmeeroikumene ähnlich überlegen, wie Europa den beiden anderen Kontinenten Asien und Afrika. Wenn Strabon hier die natürlichen Vorzüge Italiens zunächst als Ursache dafür aufführt, daß die Römer zu solcher Macht gelangen konnten, so darf man daraus nicht ableiten, daß er in diesen Vorzügen schon eine hinreichende Erklärung des Aufstieges der Römer zur Weltmacht sähe. Er spricht hier zunächst nur aus der Perspektive des Kulturgeographen. Aus dieser Perspektive zählt er folgende Vorzüge der natürlichen Geographie Italiens auf: Wie eine Insel werde Italien durch die an dret Seiten umliegenden Meere gegen äußere Feinde und Invasionen geschützt, während an der Nordseite die Alpenkette, ein schwer zu übersteigendes Gebirge, das Land abschirme. Zweitens gebe es an den italischen Küsten Zwar nur relativ wenige, aber hervorragende Hafenplätze. Hier scheint er einen unausgesprochenen Vergleich mit der ägäisch-griechischen und kleinasiatischen Küstenwelt zu ziehen. Dritiens sei Italiens Geographie durch viele verschiedene Zonen des Klimas gekennzeichnet. Durch die Vielfalt des Klimas der einzelnen Regionen Italiens würden aber die breite Differenzierung und vielfáltige Entwicklung in seiner Tier- und Pflanzenwelt gefórdert. Viertens finden sich in Italien auch ganz unterschiedliche geographische Hóhenzonen von den flachen Flußebenen bis hinauf in die Gebirgsspitzen des Appenninriegels. Italien sei schließlich durch Flüsse, Seen, Quellen und Regenfälle ein wasserreiches Land. Diese gesamten Vorzüge bringen einen Überfluß an Nahrungsmitteln für Menschen und Tiere und den großen landwirtschaftlichen Wohlstand Italiens hervor?!. Wenn Strabon die günstige Mittellage Italiens in der Mittelmeeroikumene und sein abwechslungsreiches, fruchtbares Klima als eine der Wurzeln der späteren rómischen Weltherrschaft herausstellt, so greift er damit auf ethnographisch-philosophische und medizinische Theorien der Griechen zurück, die schon im 5. Jh. im Corpus Hippocraticum ausgesprochen und dann von Autoren der hellenistischen Zeit, nicht zuletzt durch Polybios und Poseidonios, weiterentwickelt wurden. Von der Meinung des Poseidonios, Pom-

peius Trogus, Vergil und Vitruv, daß die Überlegenheit der Römer (und ihrer italischen Verbündeten) über die anderen Vólker der Mittelmeerwelt in erster Linie Ausdruck des Willens der Götter zur rómischen Weltherrschaft (bzw. des fatum oder der πρόνοια) und erst danach eine Konsequenz günstiger natürlicher Voraussetzungen und politisch-militärischer Siege und Leistungen sei, findet sich bei Strabon in den Passagen des 6. Buches

keine deutliche Spur*. Doch überliefert Strabon auch ein angebliches Orakel, das schon Aineas die Weltherrschaft Roms prophezeit habe??. Der zweite Teil des Exkurses ergänzt die bisherigen kulturgeographischen Be-

trachtungen um eine Kurzgeschichte des Wachstums der römischen Macht von der Königszeit bis in die Anfangsjahre der Regierung des Tiberius, in der die Rómer die συμπᾶσα ἡγεμονία, die völlige Weltherrschaft über die Mittelmeeroikumene, besitzen. Hier äußert 30

6,4,1-2C. 285-288 und siehe dazu Bırm 1988, 356-361.

31

Zu den reichen landwirtschaftlichen Produkten Italiens macht Strabon in den Büchern 5 und 6 der Geographika detaillierte Angaben, vgl. ForasoscHi 1988, 175-188.

32

6,4,1-2 C. 285-88; vgl, Vitr. 6,1.10f oder Plin. nat. 3.3842 und 37,201.

33

13,1.53 C. 608.

304

TII Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Strabon seine Meinung als Universalhistoriker über die Etappen des Wachstums der rö-

mischen Weltmacht und seine politisch-militärischen Gründe. Die Stelle ist daher für die Einstellung des Historikers Strabon zur römischen Weltmacht und zur Prinzipatsordnung

fundamental*. Die feindliche Haltung ihrer jeweiligen Nachbam oder offene Aggressionen ıhrer Gegner zwangen nach Strabons Darstellung angeblich die Römer, sich über Generationen hinweg in ‚gerechten Kriegen‘ immer wieder zu verteidigen und dabei durch

die Überlegenheit ihrer Waffen und ihrer politischen Verfassung ihr Reich immer weiter auszudehnen. Das Weltreich, das sie schließlich errichteten, führte unter Kaiser Augustus zu einem bisher nie gekannten sicheren Frieden und einem Überfluß an materiellen Gütern. Der gesicherte Frieden und der wachsende Wohlstand der Stádte und Provinzen legitimieren die Weltherrschaft der Römer. Die für ein so ausgedehntes und heterogenes

Weltreich einzig geeignete Verfassungsform ist für Strabon die Monarchie, die unumschránkte Gewalt eines einzelnen, die zuerst Augustus empfangen und jetzt Tiberius übernommen habe. Augustus verwalte das Oikumenereich sorgsam und behandele die verschiedenen Völkern wohlwollend wie ein Vater seine Kinder, die ihm als ihrem Vater

(nach rómischem Denken) im Gegenzug Gehorsam und Loyalität schuldeten?. Unter den Vólkern des Reiches aber nehmen kultureller und wirtschaftlicher Austausch und freund-

schaftliche Beziehungen immer mehr zu. Selbst die äußersten Randvólker des Nordwestens, die Britannier, und des Südostens, die Inder, senden nach dem Bericht der Geograpika Gesandtschaften zu Augustus, um mit ihm Freundschaft zu schließen und ihn zu ehren. Es ist durch ein Zitat aus den Historien des Polybios gesichert, daß zumindest die

Ereignisgeschichte von der Eroberung der Stadt Rom durch die Gallier 387/86 bis 146 v.

Chr. in Strabons Skizze auf die Historien des Polybios als Hauptquelle zurückgeht, eine für Strabon als Fortsetzer des Polybios natürliche und sinnvolle Wahl. Dennoch bietet Strabon einen etwas anders akzentuierten Bericht als Polybios. Dieser hatte die klassische griechische Verfassungsichre der drei Grundtypen Monarchie, Aristokratie und Demokratie in seinem Modell der Mischverfassung und des Verfassungskreislaufes auf die rö-

mische Republik übertragen. In der Verfassungsbeschreibung der römischen Republik

weicht Strabon hiervon etwas ab. Er findet im Unterschied zu Polybios kein ‚demokratisches” Element in der rómisch-republikanischen Verfassung. Wohlweislich seien die frühen Römer nach der Gründung der Stadt eine Zeitlang noch unter einer monarchischen Regierung geblieben, nach der Vertreibung des Tarquinius aber hätten sie eine aus Monarchie und Aristokratie gemischte Verfassung bevorzugt und zuerst die Sabiner und Latiner als ihre Bundesgenossen aufgenommen. Außerdem deutet Strabon mit keinem Wort an, daß auch die römische monarchische oder monarchisch-aristokratische Verfassung

irgendwann einmal zum Schlechteren ,entarten* könne, wie es dem Kreislaufmodell der hellenistischen Verfassungslehre auch nach Polybios entsprach. Im Gegenteil entspricht das Bild, das Strabon vom Wachstum der römischen Macht zeichnet, eher einem linear steigenden Wachstum als einem Kreistaufmodell. Diese Beobachtung trifft auch für das gesamte Geschichtsdenken Strabons zu, das stärker teleologisch als zyklisch akzentuiert ist. Selbst durch die Eroberung Roms durch die Gallier — die einzige Niederlage der Römer, die Strabon im ganzen Exkurs nennt — wird das lineare Wachstum der rómuschen Macht nicht gebremst. Diese Eroberung Roms ist auch das einzige Ereignis des Exkurses, das Strabon durch einen Synchronismus mit dem Antalkidasfrieden und eine relative Da-

tierung in das neunzehnte Jahr nach der Seeschlacht bei Aigospotamoi prázise auf das 34 35

6,4,2 C. 286-288. Vgl. zum Kaiser als größtem Euergeten und „Vater der Völker“ Stevenson 1992, 421—446.

2. Strabons Notizen über Rom

305

Jahr 387/86 v. Chr. datiert. Hieraus Rückschlüsse auf die Datierungspraxis in der strabonischen Universalhistorie zu ziehen ist allerdings unzulässig, da es sich nur um ein verkürzendes Polybioszitat handelt. Eine Datierung mittels Epochenjahren und Synchronismen war indessen in der Gattung der Universalhistorie weit verbreitet.

Strabon ist ein extremer Apologet der römischen bellum iustum-Theorie?®, Die romfreundliche Tendenz seines historischen Abrisses übertrifft ihre polybianische Vorlage in einer anachronistischen Grundannahme, die für einen Universalhistoriker über die Periode von Alexander dem Großen bis Augustus erstaunlich ist. Strabon setzt nämlich die unbestreitbare Legitimität der römischen Oikumeneherrschaft in den geographischen Grenzen des augusteischen Reiches vorausgreifend schon zu Beginn des 2. Jh. v. Chr. in den

Kämpfen Roms gegen Philipp V., Antiochos III. und Perseus voraus. Die differenzierten Diskussionen der Kriegsschuldfrage zum Hannibalkrieg und zur Legitimität des welthistorischen Ausgreifens der Römer in den Osten ab 200 v. Chr. reduzieren sich bei Strabon auf die für einen Universaihistoriker naive Feststellung, daß die Römer gezwun-

gen gewesen seien, gegen die Hellenen, die Makedonier und die Völker Asiens diesseits des Halys und des Tauros Krieg zu führen und sie zusammen zu erobern, weil diese zuvor mit den Karthagern gemeinsame Sache und zugleich einen Aufstand gegen Rom gemacht

hätten: συνενεωτέρισαν δὲ τοῖς Καρχηδονίοις oí t Ἕλληνες καὶ Μακεδόνες καὶ Te ᾿Ασίας οἱ ἐντὸς Ἅλυος καὶ τοῦ Ταύρου, καὶ τούτους οὖν ἅμα συγκατακτᾶσθαι προ-

tix 6ncuv, ὧν ᾿Αντίοχός τε ἦν ὁ βασιλεὺς καὶ Φίλιππος καὶ Πέρσευς. Die anachronistische Formulierung vom συννεωτερίζειν der hellenistischen Monarchien gegen Rom im Vergleich zu den differenzierten Diskussionen der römischen Außenpolitik bei Polybios erklärt sich als propagandistische Rückprojektion der römischen Oikumeneherrrschaft der augusteischen Epoche auf das frühe 2. Jh. v. Chr. Jeder militärische Widerstand gegen die römische Politik schon vor der augusteischen Epoche wird von Strabon als ‚Aufstand‘ oder ‚bewaffnetes Stiften von Unruhe‘ (νεωτερίζειν) diskriminiert. Alle Versuche, sich

auch mit militärischen Mitteln die staatliche Eigenständigkeit zu erhalten, werden als ‚Abfallversuche‘ von Rom (ἀπόστασις) eingestuft, Tatsächlich waren die langwierigen Kriege der Römer im 2. und I. Jh. v. Chr. gegen die Illyrer, Thraker, Iberer und Kelten Angriffs- und Beutekriege gegen diese ,barbarischen' Volksstämme. Strabon zufolge ergriffen aber die Hlyrer und Thraker zuerst die Waffen gegen Rom und wurden dann in langwierigen, harten Kriegen besiegt. Genauso sei es auch den Iberern, Kelten und anderen Völkerschaften ergangen, die jetzt den Rómern gehorchten. Nur Caesar und sein „Sohn“ Augustus werden in diesem historischen Abriß namentlich als siegreiche römische Feldherren über die Kelten und einige Germanenstämme in charakteristischer Tendenz hervorgehoben. Unter den großen auswärtigen Gegnern Roms nennt Strabon nur die berühmtesten: Pyrrhos, Hannibal, Philipp V., Antiochos IIL, Perseus, Viriathus, Sertorius, Mithradates und Kleopatra. Diese Reihe ist mit Ausnahme des

Sertorius wenig originell. Kleopatra als letzte große Gegnerin Roms, die von Augustus besiegt wurde, paßt gut in die Tendenz des Exkurses und zur augusteischen Propaganda. Die Erwähnung des Viriathus erweist diesem iberischen Stammesführer eine außergewöhnliche Ehre, weil sein militärisches Machtpotential kaum mit demjenigen der helleni-

stischen Monarchen vergleichbar war. Man darf dies vielleicht als Hinweis auf die prominente Rolle der Iberischen Kriege auch in den ersten Büchern des Hauptteils der Histo36

"Vgl. aber zum aggressiven Charakter der rómischen Expansionspolitik und dem Zusammenhang zwischen der römischen Expansion über Italien und der Formierung der Nobilität u.a. jüngst HOLKESKAMP

1993, 12-39, Harris 1979 (ND 1987) und FénRARY 1988; weitere Literatur über dic Diskussion zum grundsätzlichen Charakter der römischen Außenpolitik findet man in den aktuellen Handbüchern von

BLEICKEN 1992, ASTIN, WALBANK, FREDERIKSEN und OcıLvie (Hrsgg.), CAH VIII 1989 und Croox, LNTOTT und RAwsoN (Hrsgg.), CAH IX 1994,

306

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

rika Hypomnemata Strabons verstehen. Sertorius fällt in dieser Reihe als einziger Römer auf. Er wird aber unter die auswärtigen Gegner Roms gerechnet. Aus offizieller augusteischer Sicht galten die Kriege gegen die Sertorianer und später gegen die Kantabrer nämlich gleichermaßen als externa bella, Kriege gegen auswärtige Feinde. Strabon verknüpft den Namen des Augustus mit dem Sieg über die Kantabrer in Nordwestspanien, Denn dieser Sieg vollendete an der westlichen Grenze Europas das Oikumenereich und brachte den Römern nach fast zweihundertjährigen Kämpfen endlich die volle Kontrolle über die iberische Halbinsel. Die Kantabrer wurden zwischen 26 und 19 v. Chr. definitiv unterworfen??, aber die augusteische Propaganda datierte den Sieg zuweilen auf das Jahr 26/5 v. Chr. vor. Die Autobiographie des Kaisers Augustus endete gleichfalls mit dem Kantabrerkrieg und wurde unmittelbar darauf veröffentlicht”®, Abgesehen von den unbestimmt formulierten Kriegszügen gegen die Germanen und den mehr als Polizeiaktionen hingestellten Einsätzen gegen Vólker an der nordóstlichen Reichsgrenze ist der Kantabrerkrieg also der militärische Endpunkt des strabonischen Abrisses

des Aufstieges Roms im 6. Buch. Seine Datierung paßt nicht schlecht zu der Beschreibung der Verteilung der rómischen Provinzen am Ende der Geographika, die auch im

Kern auf die Jahre 27 und 22 v. Chr. hindeutet. Vielleicht gibt daher auch die Betonung

der Siege über die Kantabrer einen indirekten Hinweis auf das Ende des ereignisgeschicht-

lichen Berichtes der strabonischen Universalhistorie in den 20er Jahren v. Chr.



Wie weit Strabon seinen vorliegenden Exkurs noch in die frühtiberische Ara hinein

aktualisierte, ist nicht genau zu entscheiden. Er behauptet einerseits, daß ‚jetzt‘ die Rómer noch siegreich gegen die Germanen kümpften, Dies konnte man aber nach 16 oder dem Triumph des Germanicus 17 n. Chr. kaum mehr sagen. Auf 17 n. Chr. würde auch die Notiz vom Aussterben des kappadokischen Königshauses wegen des Todes des Arche-

laos führen??, Andererseits erwähnt er wenig später, daß ‚jetzt‘ sowohl Mauretanien als

gekommen auch große Teile des übrigen Libyen an Iuba II. als Joyalen Klientelherrscher Tod Iubas. dem vor Chr. n. 23/24 von quem ante terminus seien. Diese Notiz ergübe einen

Am Ende des Paragraphen setzt Strabon voraus, daB Tiberius schon regierender Prinzeps ist, in seiner Regierung aber noch von Germanicus (+ 19 n. Chr.) und Drusus (+ 23 n. Chr.) gemeinsam unterstützt wird. Diese Aussage hätte nach dem Tode des Germanicus 19 n. Chr. revidiert werden müssen. Nimmt man alle Indizien zusammen, hat Strabon seinen Exkurs über die Geschichte der Erweiterung der rómischen Macht von den Anfängen der Stadt also bis in die ersten Jahre des Tiberius zwischen 14 und 19 n. Chr. hinabgeführt, aber bis zum seinem eigenen Tode entscheidend wichtige Ereignisse wie den Tod des Germanicus, den des Drusus oder bestimmte Änderungen der Provinzverwaltung nicht mehr korrigiert oder nachgetragen. Man kann die geringe Zahl der Notizen über die frühtiberische Ara im Vergleich zu augusteischen Notizen nicht mit einem Mangel an zeit37

38 39

Vel. Cass. Dio 53,25,2(f und 54,11,2ff.

"Vgl zur Veröffentlichung der Commentarii de vita sua Kienast 1982, 216 und die Ausgabe von MALCOVATI 1969, 84-97. In 6,4,2 C. 288 erinnert Strabon an das ‚Aussterben‘ der Königsdynastien der Attaliden und Seleukiden, in Paphlagonien, Kappadokien und Ágypten. Die Attalidenmonarchie endete nach Strabons Auffassung mit dem Tode Attalos III. 133 v. Chr. die Seleukidenmonarchie mit der Errichtung der Provinz Syria unter Pompeius 64/3 v. Chr. Aus dem Kónigreich Pontos wurde nach der Niederlage des Mithradates 63 v. Chr. teilweise die neue Doppelprovinz Bithynia et Pontus geformt, zu der auch ein Teil Paphlagoniens kam. Deiotaros Philadelphos, der Sohn Kastors und letzte Herrscher des übrigen Pa-

phlagoniens (12,3,41 C. 562), verstarb 6/5 v. Chr. Danach kam auch das Binnenland Paphlagoniens zu Galatien. Die Ptolemäerdynastie war entgegen der propagandistischen Darstellung Strabons keineswegs ausgestorben, sondern wurde 30 v, Chr. von Augustus liquidiert (s.u.). 12,1,4 C. 534 zum Tod des Archelaos in der frühen Regierungszeit des Tiberius und der gerade erst beginnenden Einrichtung einer rómischen Provinz Cappadocia.

2, Sirabons Notizen über Rom

307

genóssischen schriftlichen Quellen Strabons erklären“. Er wollte vielmehr den augusteischen Charakter seines Gesamtwerkes nicht durch zu viele aktualisierende Nachträge aus

der tiberischen Epoche verändern. Zwischen den Notizen über die Rolle Iubas II. als Klientelkónig in Nordafrika und den Abschlußsätzen über die segensreiche Regierung des Tiberius mit Unterstützung des Germanicus und Drusus und im Geiste des Augustus faBt Strabon noch einmal zusammen, wie die Römer zu Herren Asiens bis zum Euphrat wurden, hinter dem das Reich der

Parther beginne. Damit bricht er aus der bisherigen chronologischen Ordnung aus und trägt seinem besonderen Interesse für die östliche Reichshälfte Roms Rechnung. Asien habe ein gleiches Los wie Libyen getroffen. In Libyen hätten die Römer nämlich nach ihrem Sieg über Hannibal und später nach dem Dritten Punischen Krieg alles Land, das nicht den Karthagern gehörte, Klientelkönigen überlassen, die Abtrünnigen aber unterworfen. Strabon betrachtet in diesem Exkurs im Unterschied zu Polybios den Frieden von Apameia von 188 v. Chr. als eine besonders gravierende Züsur. Dieses Ereignis ist ihm wichtiger als der Beginn des Zweiten Makedonischen Krieges und fast gleichrangig mit dem Ende der makedonischen Monarchie nach der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. In

seinen Ausführungen über die Herrschaft der Römer über Asien im vorliegenden Exkurs bezieht er sich nämlich auf die Lage nach dem Frieden von Apameia 188 v. Chr. Auch Asien sei danach anfangs von römischen Klientelköntgen verwaltet worden. Als aber später die Attaliden, Seleukiden, das paphlagonische und das ägyptische Königshaus ausgestorben seien (ἐκλιπόντων ἐκείνων) sowie Mithradates Eupator oder Kleopatra zuerst „von Rom abfielen und darauf vernichtet wurden" (ἀφισταμένων καὶ ἔπειτα xataλυομένων), sei alles Land diesseits des Phasis und Euphrat unter die Herrschaft der Römer und der von ihnen eingesetzten Fürsten gekommen. Diese Ereignisse hat Strabon zuvor ohne Zweifel in den Historika Hypomnemata beschrieben. Einige davon, z.B. das Ende des Attalidenreiches und die Liquidation der Seleukiden- und Ptolemäermonarchien, behandelt er auch in den Geographika. Es erstaunt sehr, in welcher drastischen Weise Strabon hier bekannte historische Fak-

ten bewußt ungenau bezeichnet, verdreht und durchgängig im Sinne der augusteischen Sicht der jüngeren Vergangenheit beschönigt. Die Seleukiden waren nämlich 64/63 v. Chr. keineswegs ausgestorben, als Pompeius ihr Reich im politischen Interesse Roms — und vielleicht noch mehr im Interesse seines Ruhms als Mehrer des Reiches und Herrscher des Ostens -- liquidierte und die Provinz Syria neu einrichtete. Mit dem Hinweis auf die „ausgestorbenen“ ägyptischen Könige dürfte sich Strabon auf das Testament über Zypem und Kyrene zugunsten Roms beziehen. Auch in diesem Falle war aber keineswegs die gesamte ptolemäische Königslinie ausgestorben. Die Liquidierung des Ptolemäerreiches in Ägypten 30 v. Chr. meint Strabon nicht. Denn er differenziert die ‚Vernichtung‘ der Kleopatra und des Mithradates nach ihren Versuchen, von Rom ,abzufallen', von dem

Gewinn bestimmter Länder nach dem Aussterben ihrer Königslinien. Wie zuvor in der propagandistisch tendenziösen Charakterisierung der Kriege gegen Rom im frühen 2. Jh.

als νεωτερίζειν bewertet Strabon selbst die Kriege Roms gegen Mithradates, den Souverán eines bis 64/63 v, Chr. von Rom unabhängigen Reiches, als die Ahndung eines Abfalles von Rom und stellt Mithradates schon vor seiner militärischen Niederlage auf eine Stufe mit den damaligen Klientelkónigen Roms. Mit dieser Notiz, die bei den familiären Verbindungen der Vorfahren Strabons zum pontischen Kónigshaus befremdet, wird sein Exkurs zur römischen Propagandageschichtsschreibung. Es ist historisch gleichfalls eine propagandistische Verzerrung der Ereignisgeschichte, wenn Strabon die Kriege Roms gegen Mithradates auf eine Stufe stellt mit dem Kampf zwischen Octavian mit seinen 40

Dies deutet aber LAsseRRE 1982, 885 an.

308

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Verbündeten und der Koalition des M. Antonius mit Kleopatra VII. und verschiedenen Klientelkönigen des Ostens. Der Endkampf der römischen Bürgerkriege wird hier von Strabon im augusteischen Sinne als ein Krieg gegen die ausländische Macht der Ptolemäerin Kleopatra vereinfacht. Den wechselnden, einmal stárker rómischen, dann wieder stárker parthischen EinfluB im Pufferstaat Armenien und in Iberien und Albanien umschreibt Strabon beschónigend so, daB die Armenier, Iberer und Albaner nur der Anwesenheit rómischer Feldherren in der Region bedürften und sich dann leicht beherrschen ließen, wenn die Römer aber an

anderen Orten beschäftigt seien, gerne revoltierten. Damit impliziert er, daß auch Armenien als Interessen- und Herrschaftsgebiet zum augusteischen Oikumenereich gehöre, obwohl dieser Staat unter Tigranes II. jedenfalls formell unabhängig war. Vielleicht bezieht sich Strabon hier auf die Dominanz des rómischen Einflusses im Jahr 18 n. Chr., als Germanicus in Armenien Zenon unter dem Namen Artaxias als Herrscher einsetzte?!. Tatsächlich war die effektive Kontrolle Roms über diese Gebiete aber nicht sehr strikt. Ganz aus der augusteischen Sicht ist auch das Verhältnis Roms zum benachbarten

Reich der Parther in augusteisch-tiberischer Zeit beschrieben", Die Parther werden zwar durch Strabon als Herren eines mächtigen Reiches vorgestellt, aber sie haben kampflos

den Primat und die diplomatische Superiorität des rómischen Reiches unter Augustus und Tiberius (die ὑπεροχὴ τῶν καθ᾽ ἡμᾶς ἡγεμόνων) anerkannt und Augustus 20 v. Chr. die bei Karrhai 53 v. Chr. erbeuteten Feldzeichen der rómischen Legionen zurückgegeben. Ihr Kónig Phraates habe unter Augustus sogar seine Sóhne und Enkel dem Kaiser als Geiseln und Unterpfand seiner Loyalität gegenüber Rom anvertraut (10 oder 9 v. Chr.)® und unterwürfig um die Freundschaft des Augustus gebeten. ‚Jetzt‘ erbitten sich Strabon zufolge die Parther sogar ihre Könige aus Rom und seien schon fast dabei, ihre gesamte staatliche Selbständigkeit den Römern abzutreten und sich freiwillig zu unterwerfen. Zumindest diese letzte Einschätzung sollte sich als Fehlprognose erweisen und entsprach

weniger dertatsächlichen politisch-militärischen Lage der augusteisch-frühtiberischen Ara als der römischen Propagandaversion von den Beziehungen beider Reiche. Es ist trotz der relativ guten Quellenlage über die römisch-parthischen Beziehungen nicht klar, worauf Strabon anspielt, wenn er von mehreren Gelegenheiten spricht, bei denen die Parther von Rom ihre Könige erbeten hätten. Vielleicht übertreibt er propagandistisch die eine, durch Rom gesteuerte Rückführung des Vonones 9 oder 10 n. Chr. nach Parthien^*. Die Prinzipatsverfassung Roms und die persönliche Tüchtigkeit seiner führenden Männer (ἡγεμόνες, gemeint sind hier Augustus und Tiberius) habe verhindert, daß Italien, das so oft entzweit gewesen sei, und die Stadt Rom selbst noch weiter auf einen

falschen Weg und ins Verderben geraten sei. Hiermit wird das Zeitalter der römisch-italischen Bundesgenossen- und Bürgerkriege des 1. Jh. v. Chr. umschrieben. Die offenen Bezeichnungen ‚Bundesgenossenkrieg‘, ‚Krieg gegen die Italiker* oder gar ‚römischer Bürgerkrieg‘ fallen hier aber nicht, obwohl Strabon auch in den Geographika Notizen über diese Ereignisse überliefert. Móglicherweise würe der Kontrast der grausamen Ereignisse jener Jahre zur idyllischen Schilderung des Augustusfriedens zu groB geworden.

Andere Leser hátten sich vielleicht auch an die blutige Rolle des Triumvirn Octavian im letzten Bürgerkrieg erinnert. Sicherlich wäre aber durch Verweise auf die Bürgerkriegszeit das Bild des linearen Wachstums der rómischen Macht gestórt worden. 4|

44

Vgl. Tac. ann. 2,56,2; 11,14,15 C. 532 zu Armenien als Klientelkónigtum Roms. Vel. zu den rómisch-parthischen Beziehungen in augusteischer Zeit Kapitel II.8 und 111.5.4-5. Phraates hatte aber im Unterschied zur Version Strabons nur partem prolis, also nicht alle seine Söhne nach Rom gesandt, vgl. Tac, ann. 2,1; zur völkerrechtlichen Bedeutung der parthischen Geiseln siehe Et.sern 1990, 97-140, insb. 122-124. Dazu siche Tac. ann. 2,1, Suet, Aug. 21 und Augustus Res gestae 33.

2. Strabons Notizen über Rom

309

Dreimal wird im Laufe dieses historischen Abrisses am Ende des 6. Buches Augustus namentlich hervorgehoben. Kein anderer Römer ist mit seiner prominenten Stellung in dieser zentralen Stelle der Geographika vergleichbar, auch nicht C. Iulius Caesar oder liberius. Mit Caesar zusammen wird Augustus zunächst als einziger römischer Feldherr namentlich erwähnt, dann erneut in den propagandistischen Bemerkungen über die rö- ' musch-parthischen Beziehungen und schließlich in einer enkomiastischen Formulierung am Ende des Exkurses. Dort charakterisiert Strabon die pax Augusta und den Überfluß an materiellen Gütern für die Einwohner des Reiches, die zugleich eine wichtige Legitimation der römischen Weltherrschaft darstellen, geradezu als eine Gabe, die Augustus den Römern und ihren Verbündeten gewährt habe. Dagegen erwähnt Strabon erst im abschließenden Satz zum ersten Male im gesamten Exkurs den zweiten Prinzeps Tiberius, der als Sohn und Nachfolger des Augustus den Frieden und Wohlstand weiterhin garantiere, der unter Augustus geherrscht habe. Er schränkt jedoch den Rang des Tiberius im direkten Vergleich mit Augustus dadurch wieder ein, daß jener Augustus zur Richtschnur seiner Verwaltung und seiner Anordnungen

nimmt. Strabon nennt Tiberius ferner nicht einfach als alleine regierenden Kaiser, sondern gemeinsam mit seinen Helfern aus dem kaiserlichen Haus, seinem ungeliebten Adoptivsohn Germanicus und dem jüngeren Drusus, die angeblich ihrerseits Tiberius zum Vorbild

nehmen.

Dies tat zumindest Germanicus offenkundig kaum, wie die Leser

Strabons wuBten“. In der Stadtbeschreibung Roms des 5. Buches werden von Strabon nur Agrippa und Augustus namentlich erwähnt, nicht aber Tiberius. Auch die abschließende

Übersicht über das rómische Reich im 17. Buch schildert den Zustand des Reiches unter Augustus und nicht die tiberischen Veránderungen zwischen 14 und dem Tode Strabons ca. 24/25 n. Chr. Eine Ubersicht über sämtliche namentlichen Erwähnungen des Tiberius

und des Augustus in den Geographika ergibt eine erdrückende Uberzahl der durchweg lobenden Stellen über Augustus, während von den selteneren Erwähnungen des Tiberius die wichtigsten noch in seine Jahre als Kronprinz unter Augustus und nicht in seine eigen-

ständige Regierungszeit als Prinzeps fallen*$, Wenn Strabon an der Regierung des Tiberius seine gute Verwaltung und das Thema der Nachfolge und getreuen Fortsetzung des Prinzipates des Augustus heraushebt, deckt sich diese Einschätzung mit dem Lob Suetons

und selbst des Tacitus für die Sorge des Tiberius um die Provinzverwaltung*”, In besonderem Mafe ist Strabon an der Beziehung zwischen den Kaisern Augustus und Tiberius und den erst kürzlich erworbenen Provinzen und an der Situation der Poleis des Reiches intetessiert. Die negativen Auswirkungen der Epoche der rómischen Bürgerkriege kontrastiert er mehrfach mit dem besseren Los der griechischen und kleinasiatischen Stádte in der Prinzipatszeit. Gerne notiert er auch die Bewahrung der politischen Autonomie der civitates liberae (z.B. Amisos, Kyzikos, Athen) und die kulturelle Bedeutung der Traditionen städtischen Lebens in den griechischen Poleis, indem er alle alten und zeitgenóssischen berühmten Männer dieser Städte nennt. Der Exkurs am Ende des 6. Buches läuft zwar in einem vordergründigen, chronologischen Sinne bis in die Regierungszeit des Tiberius, zielt aber im tieferen Sinne noch auf

Augustus und sein Oikumenereich hin®®, Die beiden Teile dieses Exkurses erläutern die 45

Lasserre 1982, 885 und Anm. 40 meint jedoch, daß Strabon sich hier auf Ausführungen des Tiberius selbst in einer frühen Rede des Jahres 14 n. Chr. stütze. Der Akzent, den Strabon auf die Treue des Tiberius zu den Prinzipien des Augustus legt, und das Lob der διοΐκησις und der προστάγματα beider Prinzipes reichen als zu allgemeine Indizien nicht aus, um eine bestimmte Rede des Tiberius als Vor-

lage dieser Schlußsätze Strabons zu belegen. 46 47 48

Siehe im Detail hier Kapitel IIT.3.5ff. Suet, Tib. 26 und 32 und Tac. ann. 4,6 und 4,13; vgl. zur Einschätzung der Regierung des Tiberius in der modernen Forschung u.a. Garzern 1960, 1ff, Levick 1976 und Christ 1988, 178-207. Anders aber LASSERRE 1982, 885f, der glaubt, daß Strabon hicr sogar Leitparolen der Regierung des

310

IN. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Auffassung Strabons über die Gründe für den Aufstieg Roms zur Herrin der Mittelmeeroikumene und seine Einschätzung der Legitimität des augusteischen Friedensreiches. An dieser Kernstelle der Geographika und am Ende des Werkes in der Übersicht über das augusteische Weltreich schlieBen sich Kulturgeographie und Universalhistorie in exemplarischer Weise zusammen. 3. Der Überblick über das augusteische Oikumenereich und die Begründung seiner Legitimität am Ende der Geographika Die Beschreibung Roms, der Hauptstadt des augusteischen Oikumenereiches, schlägt den groBen Bogen von der natürlichen Lage und der Gründung der Stadt bis zu ihrer prachtvollen Umgestaltung und sorgsamen Verwaltung in augusteischer Zeit, die Strabon selbst bewundern konnte (5,3,7-8 C. 234-236). Es folgt am Ende des 6. Buches der detailreiche Exkurs über den machtpolitischen Aufstieg Roms von der kleinen Stadt am Tiber zur Herrin Italiens und danach der Mittelmeeroikumene (6,4, 1-2 C. 286-288). Dieser Exkurs mündet in ein nachdrückliches Lob des augusteischen Reiches. Schließlich wählt Strabon am Ende des 17. Buches (17,3,24-25 C. 839-840) einen eindrucksvollen Abschluß seines historisch-geographischen Gesamtwerkes durch den großen Überblick über das (frühaugusteische) Oikumenereich und seine Provinzen, der noch einmal Universalhistorie und Oikumenegeographie zusammenführt und ebenfalls Augustus und die Legitimität der rö-

mischen Herrschaft lobt^?, Mit dieser eindrucksvollen Übersicht über das augusteische Oikumenereich, das alle früheren Hegemonialmächte übertroffen habe, enden die Geographika. Diese beiden Paragraphen erhalten eine besondere Bedeutung, weil sie - unabhängig von der schwierigen Frage, wann sie niedergeschrieben oder überarbeitet wurden - schon durch ihre Stellung das abschlieBende Urteil Strabons über die rómische Weltmacht und das augusteische Oikumenereich enthalten. Wührend der erste Paragraph noch einmal die Hauptgründe des

Aufstiegs Roms zur Herrin der Mittelmeeroikumene wiederholt und im großen geographischen Überblick nachweist, daB Rom derzeit die wertvollsten Gebiete aller drei Erdteile Europa, Afrika und Asien beherrsche, sowie die verschiedenen Formen der politischen Herrschaftsordnungen auf dieser gewaltigen rómischen Landmasse aufzáhlt (Klientelkönige, provinciae, civitates liberae, Dynasten, Ethnarchen, Priesterstaaten), konzentriert

sich der abschließende Paragraph auf eine Übersicht über die Eigenart, Aufteilung und Anzahl der provinciae Caesaris und der provinciae populi Romani in augusteischer Zeit. Die Einleitungssätze dieser abschließenden Übersicht? weisen auf die Beschreibung der Hauptstadt Rom im 5. Buch und auf den Exkurs über den Aufstieg Roms zur Herrin Italiens und der umliegenden Mittelmeerländer am Ende des 6. Buches zurück. Von der

einen Stadt Rom ausgehend hätten die Römer sich Italien, danach ihr gesamtes Reich durch siegreiche Kriegsführung und kluge Staatsverwaltung unterworfen. Die naturgegebenen Vorzüge der Geographie Italiens, die im 6. Buch noch hervorgehoben wurden, sind in der abschließenden Übersicht der Geographika nicht mehr eigens erwähnt. Auch findet man keine Akzentuierung des bei anderen griechischen und lateinischen Universalhistorikern häufig vertretenen Gedankens, daß die göttliche Vorbestimmung — oder romkri-

49 50

Tiberius zitiere. Das Lob des Tiberius in Strabon 6,4,2 C. 288 „constitue la seule appréciation en termes de politique de ce qu'est l'Empire romain dans toute la ‚Geographie‘, et qu'il conclut Ie seul chapitre dans lequel Strabon ait tenté d'expliquer le miracle de Rome", ebd. 887. 17,3,24-25 C. 839-840. 17,3,24 C. 839.

2. Strabons Notizen über Rom

311

tisch formuliert lediglich das Glück — den Rómem den Weg zur Weltmacht gebahnt hätte. Yn Strabons abschließendem Urteil bleibt der Aufstieg der Römer zu Herren der Oikume-

ne ihre eigene Leistung durch militärische Siege, politische Klugheit und dauernde AnStrengung, πόνος. Dieses Stichwort fällt übrigens bezeichnenderweise auch bei Strabons Bericht über den Feldzug Alexanders durch die gedrosische Wüste. In der geographischen Ubersicht über die wertvollsten Regionen aller drei Erdteile, die die Rómer angeblich beherrschten, zeigt sich zunáchst die typisch strabonische Perspektive auf diese Erdteile vom Mittelmeer aus. Außerdem beschónigt er im Einklang mit der ,offiziellen* augusteischen politischen Geographie das Ausmaß und die Bedeutung der rómischen Eroberungen. Die Randgebiete Europas und Afrikas, die noch nicht von den Römern unterworfen sind, werden dagegen als unbewohnbar, als unwirtliches und Künmmerliches Nomadengebiet und als Barbarenländer charakterisiert, deren Eroberung

sich gar nicht lohne, obwohl sie selbstverständlich den römischen Waffen möglich 5615}.

Wenn man die etwas lehrhafte Aufzählung der verschiedenen politischen Herrschaftsformen innerhalb des römischen Reiches und die knappen Erklärungen zur Administration des römischen Kaiserreiches im Schlußkapitel durchliest, fragt man sich erneut wie schon bei der Rombeschreibung, für welche Leserschaft gerade diese Übersicht verfaßt wurde. Für Leser aus der römischen Reichselite waren nämlich die kurzgefaßten Bemerkungen über kaiserliche Provinzen und Provinzen des römischen Volkes sowie die Unterschiede in ihrer Administration mitsamt der Liste der Provinzen des römischen Volkes in der vorliegenden Form längst bekannt und entbehrlich. Diese Schlußkapitel richten sich daher meines Erachtens an die viel umfangreichere Leserschaft aller historisch-geogra-

phisch interessierten und allgemein gebildeten Zeitgenossen Strabons und unter diesen insbesondere an nichtrömische Leser. Es ist aus dem Einleitungssatz des Abschlußparagraphen und den folgenden Einzel-

angaben über die Aufteilung der Provinzen des römischen Reiches erkennbar, daß Strabon

den Staatsakt von 27 v. Chr. als Ausgangspunkt für die folgende Übersicht über die Aufteilung der Provinzen in ‚Provinzen des römischen Volkes‘ und ‚Provinzen des Kaisers‘ nimmt. Allerdings beschreibt er dann nicht genau den Zustand des Jahres 27 v. Chr., wie wir aus einem Vergleich der strabonischen Ubersicht mit dem Bericht Cassius Dios schlieBen können. Strabon nennt nämlich zwei konsularische (Africa und Asia) und zehn prátorische Provinzen des rómischen Volkes (Baetica, Gallia Narbonensis, Sardinia et Corsica,

Sicilia, Illyricum, Macedonia, Achaia, Creta et Cyrenae, Cyprus, Pontus et Bithynia). Cassius Dio dagegen zählt in seiner Übersicht über die Neuordnung von 27 v. Chr. folgende Provinzen auf: „Und so galten als Besitz von Volk und Senat: Afrika, Numidien, Asia,

Griechenland samt Epirus, die Bezirke Dalmatien und Makedonien, Sizilien, Kreta samt dem kyrenäischen Teil Libyens, Bithynien mit dem angrenzenden Pontus, Sardinien, Bae-

tica. Caesar hingegen hatte den Rest von Spanien — das heißt das Gebiet um Tarraco und Lusitanien-- und ganz Gallien — nämlich Gallia Narbonensis, Gallia Lugdunensis, Aquitania und Belgica. ... Diese Provinzen nun, sodann das sogenannte Hohle Syrien, Phóni-

kien, Kilikien, Zypern und Ägypten fielen damals dem Teil des Kaisers zu; denn später gab er Zypern und Gallia Narbonensis ans Volk zurück und erhielt von ihm dafür Dalmatien“”?. Die wichtigsten Abweichungen zwischen der Liste der Provinzen des römischen 51 52

Man vergleiche z.B. die sachlich teilweise unzutreffende, propagandistisch geschickte Beschreibung Brilanniens und Irlands im 4. Buch der Geographika. Cass, Dio 53,12,4—5 und 7; dt, Übers. Ven 1986, 115, Für Cassius Dio ist erst das Jahr 27 v. Chr. (nach

31 und 29 v. Chr.) das entscheidende Epochendatum des Beginns der Monarchie (Cass. Dio 53,17,1), vgl. FApiNGER 1969, 315—332; über Dios Einstellung zur Monarchie und Augustus siehe MANUWALD 1979, 86-100, der Dio als einen „realistischen Monarchisten'' (ebd. 8-26 und 26) charakterisiert, MıLLAR 1964, 102 schätzt Dios Haltung zur Monarchie als „mixed acceptance and indignation" ein. Hose

312

IIL Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierun g des strabonischen Geschichtsbildes

Volkes bei Strabon und derjenigen Dios zum Jahre 27 v. Chr. betreffen die Provinzen Gallia Narbonensis und Zypern. Die Narbonensis stand von 27-22 unter kaiserlicher Ver-

waltung, wurde dann aber 22 v. Chr. als ‚befriedet‘ Senat und Volk übergeben??. Strabon

kannte auch noch die Neuordnung der gallischen Provinzen von 16-13 v. Chr., die er in

seiner Perihegese des 4. Buches voraussetzi?*, Auf die wechselvolle Geschichte Zyperns als rómischer Provinz war er schon zuvor eingegangen. Auf Initiative des Clodius und pikanterweise durch M. Cato wurde Zypern 58 v. Chr. von Rom aufgrund seines testa-

mentarischen Rechtstitels eingezogen und zuerst als Provinz mit Kilikien vereinigt”, da-

nach 47 von Caesar Arsinoe IV. und Ptolemaios, den Geschwistern der Kleopatra, ge-

schenkt°®, dann zunächst 27 v. Chr. als kaiserliche Provinz vermutlich erneut mit Kilikien vereinigt und endlich zusammen mit Gallia Narbonensis 22 v. Chr. an Senat und Volk

abgetreten??, Zum Status von Gallia Narbonensis und Zypern und zu Ptolemaios als Nachfolger Iubas Il. nach 23/24 n. Chr. macht Strabon Bemerkungen, welche die Lage nach 27 v. Chr. voraussetzen, während er andere gravierende Veränderungen der Aufteilung und Verwaltung der Provinzen in spütaugusteischer Zeit und in den ersten Jahren des Tiberius nicht mehr nachgetragen hat. Wenn er die Absicht gehabt hätte, seine abschließende Übersicht auf den aktuellen Stand von ca. 23/24 n. Chr. zu bringen, hätte er aus dem Zeitraum von

22 v. Chr. bis ca. 24 n. Chr. unbedingt die folgenden bekannten Veründerungen in der Einrichtung und Administration der römischen Provinzen noch wenigstens kurz nennen müssen: Den Wechsel Illyricums beziehungsweise Dalmatias 11 v. Chr. zu den Provinzen des Kaisers??, die Vorbereitung der (unter Claudius endgültig eingerichteten) provinzia-

len Administration von Raetia et Vindelicia und Noricum? oder unter den wichtigen Ereignissen der ersten Jahre des Tiberius die Vereinigung von Achaia und Macedonia mit

der kaiserlichen Provinz Moesia 15 n. Chr. und die Errichtung einer kaiserlichen Provinz Cappadocia 17 n. Chré!, All dies waren Veränderungen von solchem Gewicht, daß sie Strabon bei seiner Aktualisierung der Geographika selbst dann hátten bekannt werden müssen, wenn er außerhalb Roms gearbeitet und zurückgezogen gelebt haben sollte. Er erwähnt aber im Endkapitel der Geographika von den Veränderungen der tiberischen Zeit lediglich den Tod Iubas IT., der ohne Einfluß auf die Provinzaufteilung und die Reichsgeschichte blieb, weil Ptolemaios das Klientelkönigtum seines Vaters übernahm und Mauretanien erst unter Caligula 40 n. Chr. lange nach Strabons Tod kaiserliche Provinz wurde. 1994, 389 weist darauf hin, die Existenz des Imperiums werde bei Dio durch den sehr nüchternen Gundsatz gerechtfertigt, „daß der Verlust der Herrschaît die Vernichtung durch andere nach sich zóge (38,39,3)",

Cass. Dio 53,12,7 und 54,4,1; vgl. die für unseren Zusammenhang hinreichenden knappen Bemerkungen MarQuAROTS 1957, 544 und Anm. 3 zu 17,3,25 C. 840.

54

55

4,1, C. 177.

Vel. [4.6.6 C. 684-685. Cass. Dio 42,35,5; Zypern wurde ferner 36 v. Chr. und in den folgenden Jahren von M. Antonius an die Kinder Kleopatras VIL (Cass. Dio 49,32,5), nach Strabon aber (14,6,6 C. 685) an Kleopatra und ihre

Schwester Arsinoe gegeben. Vgl. Cass. Dio 53.12,7 und 54,4,1 und dazu MARQUARDT 1957, 390-392. 58

Cass. Dio 53,127 und zum Datum 54,34,4.

60

An die Unterwerfung dieser beiden Gebiete vor 33 Jahren durch die Feldzüge des Drusus und Tiberius erinnert Strabon (4,6,9 C. 206) mit genauer Datierung dieser Notiz auf 17/18 n. Chr. Vgl. Tac. ann. 1.76.2.

Vgl. Cass. Dio 57,17,7 über Cappadocia, das gleichzeitig mit Commagene 17 n. Chr. als prokuratori-

sche Provinz eingerichtet wurde, Das Aussterben des kappadokischen Künigshauses mit dem Tod des

Archelaos und dic folgende Übernahme des Landes als Provinz erwühnt Strabon zwar im 6. Buch (6,4,2 C. 288). Dort sagt et aber noch nicht, daß es eine provincia Caesaris wurde.

2. Strabons Notizen über Rom

313

Bei Strabon wird nur ein einziges entscheidendes Kriterium dafür angeführt, daß bestimmte Provinzen 27 v. Chr. den provinciae Caesaris zugeschlagen wurden. Zu diesen zähle alles Land, ,,was einer Bewachung durch Truppen bedarf. Dies aber sind die den bisher noch nicht bezwungenen Vólkern benachbarten Barbarenländer, unfruchtbare und schwer zu bestellende Landstriche, weshalb sie bei Mangel an allem, aber bei Überfluß an

festen Plätzen das Joch abstreifen und ungehorsam sind"93, Cassius Dio sieht die Gründe

für die Aufteilung der Provinzen wesentlich differenzierter als Strabon und erklärt sie weniger propagandistisch und im proaugusteischen Sinne vereinfachend. Denn Dio führt aus, Augustus habe die schwächeren und von keinem Kriege heimgesuchten Provinzen als befriedet an den Senat und das Volk zurückgegeben, die stärkeren aber für sich behalten. Denn diese seien „unsicher und gefährdet und hätten entweder Feinde zu Nachbarn oder kónnten von sich aus einen emsten Umsturz verursachen. Diese Regelung traf Caesar, wie er sagte, damit der Senat ungefährdet aus den besten Teilen des Reiches seinen Nutzen ziehen kónne, er selbst aber die Mühen und Gefahren auf sich zu nehmen habe. In Wirklichkeit aber sollten die Senatoren unter diesem Vorwand unbewaffnet und zu keinem kriegerischen Unternehmen fähig sein, während er allein über Waffen verfügte und Soldaten unterhielt‘? „Von dieser wichtigen Absicht des Augustus bei der Aufteilung der

Provinzen oder von der Gefahr eines Umsturzes der neuen Prinzipatsordnung durch Angehórige der rómischen Reichselite selbst hóren wir bei Strabon nichts. Strabon behauptet ferner, Augustus sei 27 v. Chr. durch das Vaterland die Verwaltung des Staates übertragen und außerdem eine Kompetenz eingeräumt worden, auf Lebenszeit Herr über Krieg und Frieden zu sein, also von sich aus ohne Befragen des Senates Kriege erklären und Frieden

schließen zu können. Über eine solche formale Kompetenz hören wir in den besten staatsrechtlichen Quellen über diese Zeit aber nichts, und die Bedeutung dieser Bemerkung Strabons für den Umfang des imperium des Augustus ist daher umsiritten®?. Trotz weniger Bemerkungen, die erst nach 22 v. Chr. eingefügt worden sein können, kann man im großen und ganzen festhalten, daß Strabon selbst während seiner frühtiberischen Revision der Geographika, von der wir im Abschlußparagraphen durch den Hinweis auf Ptolemaios als jetzigen Nachfolger Iubas Il. eine der spätesten Spuren finden, das Gesamtbild der Aufteilung der rómischen Provinzen aus der frühaugusteischen Zeit und die Einschützung des Jahres 27 v, Chr. als Epochenjahr absichtlich beibehalten wollte. Die einzige plausible und fundamental bedeutsame Erklärung für einen solchen Anachronismus aus der Sicht des Jahres 24 n. Chr. ist, daß sich Strabon am Ende seines Gesamtwerkes im Schlußkapitel der Geographika auf den ansonsten nicht explizit bezeugten Endpunkt seiner früheren Historika Hypomnemata bezichen wollte. Die drei großen zusammenhängenden Passagen über Rom und Augustus in den Geographika ergänzen sich also gegenseitig und enthalten wichtige Bezüge aufeinander, obwohl sie an weit getrennten Stellen des Werkes stehen. Man könnte ihnen vielleicht noch eine Passage aus den Einleitungsbüchern Strabons hinzufügen, in der er das augusteische Zeitalter als besonders geeignet für eine neue Oikumenegeographie preist®. Eine Viel-

zahl weiterer Einzelstellen hebt die Taten der großen Römer des 1. Jh. v. Chr. und unter diesen wiederum diejenigen des Augustus auffällig und fast immer positiv hervor. Diese Stellen werden im folgenden Kapitel ausgewertet. 62

63 64 65

17,325 C. 840; dt. Übersetzung Foretcer 19077, 169,

Cass. Dio 53,12,2-3; dt. Übersetzung VEH 1986, Bd. IV, 114-115. Vgl.zur Diskussion über die Ausgestaltung des iriperium des Augustus und diese Strabonstelle KIENAST 1982, 74 und Anm. 32 sowie mit einem Vergleich der Position des Augustus und der Stellung Agrippas AMELING 1994, 1-28 insb. 15ff. 1,21C. 14.

314

ΤΠ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

3. DAS BILD FÜHRENDER RÖMER DER SPÄTEN REPUBLIK UND DES AUGUSTEISCH-TIBERISCHEN PRINZIPATES IN DEN GEOGRAPHIKA Taten und Leben der ἐπιφανεῖς ἄνδρες oder der οἱ ἐν ταῖς Uxepoydig bezeichnet Strabon schon im Prooimion der Geographika als ein Hauptthema seiner Universalhistorie und

Oikumenegeographie!. Die führenden Römer der Periode von 146 v. Chr. bis in die Anfangsjahre der Regierung des Tiberius sind nach der Anzahl der namentlich behandelten Personen und dem inhaltlichen Gewicht ihrer Erwähnungen in den Geographika eine wichtigere Personengruppe als die zeitgenössischen hellenistischen Monarchen, Dynasten und Honoratioren. Eine systematische Sammlung und Interpretation aller Stellen der Historika Hypomnemata und der Geographika, welche die römischen nobiles und besonders die Mitglieder des julisch-claudischen Hauses betreffen, läßt auch unmittelbare

Schlüsse auf das Bild Strabons von der Transformation der römischen Republik in die neue Prinzipatsordnung zu. Es ist nicht das Ziel der folgenden Ausführungen, die einzelnen strabonischen Notizen mit sämtlichen sonstigen bekannten antiken Quellen über die erwähnten Personen zu vergleichen und sie im Lichte der aktuellen Forschungsdiskus-

sion? über die Jahre von 146 v. Chr. bis ca. 24 n. Chr. kritisch zu würdigen, sondern vorzuführen, welche Ereignisse aus dem Leben welcher Personen Strabon für erwähnenswert hält. Die Anzahl und das inhaltliche Gewicht der namentlichen Erwähnungen der führen-

den Römer legen es nahe, sie in drei Kategorien einzuteilen. Zunächst sind Personen zusammenzustellen, die nur einmal oder sehr selten erwähnt werden. In einer zweiten Grup-

pe finden sich Römer (und einige mit diesen verbundene hellenistische Dynasten), über die Strabon Ereignisse und Taten aus verschiedenen Perioden ihres Lebens und in unterschiedlichen Zusammenhängen notiert. Darunter findet man einige Personen, welche aus heutiger Sicht von hervorragender Bedeutung für die Geschichte des 1. Jh. v. Chr. und der frühen Prinzipatszeit sind, z.B. Marius und Sulla, Sertorius, Sextus Pompeius, Marcus Agrippa, den zweiten Prinzeps Tiberius und alle anderen Mitglieder der domus

Augusta außer Augustus selbst. Die dritte Personengruppe besteht lediglich aus den für Strabon vier wichtigsten Römern: Pompeius, Caesar, Marcus Antonius und Octavian/ Augustus. Nur über sie erlauben es die Menge und die Qualität seiner Bemerkungen,

differenzierte Aussagen darüber zu machen, wie er ihr Leben und ihre Taten bewertet.

Zwischen den beiden Gegnerpaaren Pompeius und Caesar sowie Antonius und Octavian

ergeben sich dabei interessante Bezüge, Spiegelungen und Traditionslinien, die sich ebenfalls zwischen diesen vier Römern und Alexander dem Großen in Strabons Werk aufzeigen lassen.

Die nun vorzustellenden Notizen über führende Römer (und einige bedeutende späthellenistische Personen), betreffen in hypomnematisch bunter Vielfalt militärische und

politische Leistungen, kulturell-wissenschaftliche Errungenschaften, aber auch anekdotisch-biographisches Material. Sie sind über die gesamten siebzehn Bücher der Geogra1 2

Vgl. 1,123C. 13. Ausdersehr umfangreichen Forschungsliteratur scien hier bewußt nur einige allgemeine aktuelle Darstellungen exemplarisch genannt, die es erlauben, die von Strabon erwähnten Einzelereignisse und

Personen in den Rahmen ihrer Epoche einzuordnen. Vgl. Wii 1982, BLEICKEN 1992, zur ‚Krise der römischen Republik‘ jetzt LiNToTT, 1994, 1-15 und zur politischen Geschichte 146-95 v. Chr. ders. 1994, 40-103 sowie GaëBa 1994, 104-128; zum römischen Reich im 2./1. Jh. v. Chr. HARRIS 1979 und

BADIAN 1980 (orig. 1968); zur rómischen Ostpolitik, die Strabon besonders interessierte, MAGIE 1950,

BUCHHEIM 1960, SusRwIN-WutrE 1984, BERNHARDT 1985, SARTRE, 1991 und MiLLAR 1993; zu Klientel-

königen und Dynasten Hosen 1969, Cımma 1976, BRAUND 1984, LiNrOTT 1994, 16-39 und SvME 1995; wichtige epigraphische Dokumente sind bei SHERK 1984 gesammelt,

3. Das Bild führender Römer

315

phika verstreut. Der Leser muß sich deshalb die Meinung Strabons über die meisten berühmten Personen seiner Zeit aus den Puzzlesteinen dieser namentlichen Notizen seibst zusammensetzen. Persönliche, offene Meinungsäußerungen sind dem Gattungscharakter der hypomnematischen Geographika fremd und bleiben auch wegen Strabons Eigenarten als gelehrter Autor selten. Die meisten persönlichen Kommentare findet man über die vier ihm wichtigsten Römer Pompeius, Caesar, Antonius und Augustus. Die folgenden Stellen aus den Geographika werden in chronologischer Ordnung aufgeführt. Aus dem Material ergibt sich ein Schwerpunkt in der langen Lebenszeit Strabons, d.h. etwa von den Rege-

lungen des Pompeius im Osten 64/3 v. Chr. um das Jahr seiner Geburt bıs zum Tod Iubas II. 23/24 n. Chr. Sofern zu einer Person genügend Material vorliegt, wird innerhalb der chronologischen Ordnung noch zwischen erwähnten militärischen oder politisch-administrativen Ereignissen und Taten unterschieden. 1. Von 146 v. Chr. bis zu Strabons Geburt 63 v. Chr.

Obgleich diese Periode schon vollständig in den Berichtszeitraum der Historika Hypomnemata fällt, finden sich aus ihren frühen Jahren vor Marius und Sulla nur auffallend wenige Notizen. Man gewinnt bei der Lektüre der Geographika den Eindruck, daß Strabon an der Verfassungskrise der rómischen Republik und an innenpolitischen Ereignissen in Rom wenig interessiert ist. Indiz dafür ist, daß er weder die beiden Gracchen noch Livius Drusus oder Saturninus erwähnt, bedeutende Politiker, die aber fast ausschließlich in Rom tätig waren und dort auch umkamen. Die von Strabon hervorgehobenen Personen, Taten

und Ereignisse in diesem Zeitraum sind überwiegend ‚außenpolitischer‘ Natur. Strabon versteht die Geschichte jener Jahre als Ergebnis der Entscheidungen und Taten großer Individuen und nicht als Ausdruck der Auseinandersetzung bestimmter factiones oder als politisch-soziale Strukturgeschichte. Strabon gedenkt — jedenfalls in den Geographika — nicht einmal des Todes des P. Cornelius Scipio Africanus Numantinus, obwohl viele rómische Autoren dieses Ereignis als eine Zäsur betrachteten (2.B. Cicero) und Scipio die Geschichte der Beziehungen Roms zur hellenistischen Staatenwelt wesentlich mitgestaltet hatte. Auch die Kümpfe Roms bis zur Errichtung der Provinz Gallia Narbonensis interessieren Strabon nicht übermäßig. Er erwähnt nur, daß die Arverner mehrfach mit großen Heeren im südlichen Gallien gegen die Römer Krieg führten und zuerst von Q, Fabius Maximus Allobrogicus und Cn. Domitíus Ahenobarbus (121 v. Chr.) deutlich besiegt wurden. Endgültig habe sie Caesar später niedergeworfen. Fabius habe seine Siege durch ein τρόπαιον am Ort der Schlacht und

zwei Siegestempel verewigt?, M. Aemilius Scaurus, der Zensor, wird von Strabon nur

kurz und im rein geographischen Kontext erwähnt, weil er 109 v. Chr. die Via Aemilia erbaute^. P. Licinius Crassus, der Vater des Triumvirn, führte nach seinem Konsulat 97 v. Chr. als Prokonsul in Iberien gegen die Lusitaner einen siegreichen Krieg und befahl in

diesem Rahmen eine Exploration des Weges zu den Zinninseln?. Marius, Sulla, Sertorius und Lucullus$ sind für Strabon die wichtigsten Rómer von 146 bis zu seiner eigenen Geburt. Auch über sie berichtet er aber weniger Details, als man erwarten kónnte. Denn

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3

4230. 191 und 4,1,11 C. 185. Die Errichtung des Tempels der Concordia und einer Basilica stehen aber tatsächlich im Zusammenhang mit der ustratio nach der Niederschlagung des C. Gracchus und seiner Anhänger. 5,1,11C. 217, 3,5,11 C. 175-176,

zu Vgl. zu Marius Carney 1970; zu Sulla KEAvENEY 1982, Hanros 1987 und SEAGER 1994, 165—207;

Sertorius SCHULTEN 1926 (ND 1975); zu Lucullus van OoreGHEM 1959 und KEAVENEY 1982.

316

III. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

bekanntlich führten Sulla und Lucullus während der Mithradatischen Kriege für Strabons

Heimat Pontos und den gesamten kleinasiatischen Raum bedeutende Entscheidungen her-

bei, und ihre Kriegszüge verknüpften sich zudem eng mit der Familiengeschichte Strabons. Doch Strabons Notizen über das Wirken Sullas und des Lucullus im Osten sollen nur den absolut notwendigen Hintergrund für seine Leser bilden, vor dem er die Taten des Pornpeius, Caesars, M. Antonius' und des Augustus im Osten gründlich beschreibt. Marius und Sertorius schlieBlich waren viel stürker mit der westlichen Reichshälfte Roms und der italischen Geschichte als mit der des hellenistischen Ostens verbunden. Daher geht Strabon noch knapper auf sie ein als auf Lucullus und Sulla. Sulla warf den Aufstand der italischen Bundesgenossen Roms nieder. Die einst mächtigen Samnitenstämme seien in ihren langen Kriegen gegen Rom im 4. und 3. Jh. und zuletzt durch die Feldzüge Sullas wührend des Bundesgenossenkrieges und wührend seiner Diktatur 82-78 v. Chr. bis auf kleine Dörfer entvölkert worden und seien jetzt unbedeutend. Die grausame Ausrottungsstrategie Sullas gegea die Samniten wird von Strabon nicht gebilligt, weil sie sich zuvor ergeben hatten’. Die Diktatur Sullas bezeichnet Strabon in hellenistischer Perspektive vereinfachend als μοναρχία. Es wird keine Kritik an Sullas Diktatur aus verfassungspolitischer Sicht oder wegen der grausamen Verfolgung der innerrómischen Gegner geäußert. Alle übrigen militärisch-politischen Notizen über Sulla betreffen den Osten und den Mithradatischen Krieg. Die pontischen Truppen

setzten in Athen 88/87 v. Chr. Tyrannen ein, darunter als máchtigsten Aristion, der die Stadt mit Gewalt beherrschte, aber später von Sulla abgesetzt wurde. Sulla eroberte 86 v. Chr. Athen und den Piräus. Dabei kam es bekanntlich zu schweren Zerstörungen und Plünderungen der Polis. Strabon betont aber nur, daß Sulla die Stadt von der Despotie des Aristion befreit und ihr verziehen habe, obwohl sie Mithradates unterstützt hatte*. Strabon

übergeht hier also romfreundlich die Plünderung Athens und Attikas. Er erinnert jedoch an anderer Stelle an die zweimalige Zerstórung der Langen Mauern Athens von der Stadt zum Piráushafen 404 und 86 v. Chr.?. Seit Athen wieder zu einer romfreundlichen Politik und vernünftigen Regierung zurückgefunden habe, lebe die Stadt in Freiheit und werde durch die Rómer geehrt. In diesen Notizen über Athen bis in die augusteische Zeit erweist sich deutlich die Tendenz Strabons: Kulturell bleibt er ein konservativer Hellene, politisch ist jedoch er ein kompromißloser Apologet der römischen Politik, der seibst Plünderungen hellenistischer Metropolen (Karthago, Korinth, Athen) durch Rom nicht offen kritisiert.

Die beiden Schlachten bei Chaironeia 338 und 86 v. Chr. werden im Rahmen der Beschreibung Boiotiens genannt, aber der Sieg von 86 an dieser Stelle nicht namentlich

Sulla zugeschricben!?, Strabon erwähnt jedoch bei der Beschreibung von Dardanos den

Friedenschluß zwischen Sulla und Mithradates von 85 v. Chr.!!. C. Flavius Fimbria machte sich als ‚warlord‘ 85-84 v. Chr. selbständig, brachte Valerius Flaccus um und führte in der

iroas Raubzüge unter anderem gegen Ilion. Strabon bezeichnet Fimbria als Quüstor des Konsuls C. Valerius Flaccus und weicht damit von anderen Quellen ab!?. Schließlich erzählt er auch noch eine knappe Anekdote von der Prahlerei des Fimbria, der aber bald durch Sulla zum Selbstmord gezwungen worden sei. Dieser fórderte auch Ilion und er-

J

54,11

8 9 10 11 12

wurde durch Sulla zerstört, diese existiert noch {= 5,3,10 C. 238). 9,1,20 C. 398. 9,1,15 C. 396 und 14,29 C, 654, 92,37 C. 414. 13,128 C. 595. 13,1,27 C. 594.

C. 249-250, Eine weitere Einzelnotiz betrifft die Sarnnitenstädte Aisemia und Alliphae: jene

3. Das Bild führender Römer

317

klärte einige Städte Asiens, u.a. Magnesia am Sipylos, damals zu civitates liberae!?, Sulla und der rómische Senat ehrten'den älteren Archelaos, obwohl er früher gegen Sulla Krieg

geführt hatte!*. Sulla machte nach der Eroberung Athens und dem Frieden von Dardanos als Freund der griechischen Badekultur zur Bekámpfung seiner Gicht wohl 84 v. Chr. eine

Kur auf Euboia'?. Er brachte wohl 84/83 v. Chr. die Büchersammlung des Apellikon, die auch große Teile der Bibliotheken des Aristoteles und Theophrast umfaßte, nach Rom und fórderte philosophisch-wissenschaftliche Studien und bessere Textausgaben dieser Auto-

ren!6. Nach seiner Rückkehr nach Italien belagerte Sulla in Volaterrae die von ihm geüchteten marianischen Gegner. Diese ergaben sich erst nach langer Belagerung!". Marius wird von Strabon erheblich knapper als Sulla erwähnt und, abgesehen von einem Lob für seine Siege über die Kimbrer und Teutonen, mit wenig Sympathie bedacht. Während eines Feldzuges gegen die Ambronen, einen Teilstamm der Kimbrer und Teuto-

nen, ließ Marius einen Kanal neben der östlichen Mündung der Rhône anlegen!5. Nur knapp erinnert Strabon an den Tod des Sohnes des Kimbrersiegers in den Bürgerkriegen gegen Sulla. C. Marius sei in einem der unterirdischen Fluchtgánge aus der belagerten Stadt Praeneste 82 v. Chr. gestorben, und die Stadt sei dafür bestraft worden, daß sich die

Marianer hierhin zurückgezogen hatten!?. Strabons Sympathie gilt stets den Siegern der Bürgerkriegskonflikte des 1. Jh. zwischen Marius und Sulla, Pompeius und Caesar sowie schließlich Antonius und Augustus, die als persönliche Auseinandersetzungen aufgefaßt werden. Für die militärischen Leistungen des Sertorius äußert Strabon auffallend hohe Anerkennung und rechnet ihn in einem Atemzug mit Hannibal, Viriathus, Antiochos II, Phil-

ipp V., Perseus oder Kleopatra unter die prominentesten auswärtigen Gegner Roms’. Strabon bemerkt, daß Sertorius die kampfstarken Iberer unterwarf?!, Hemeroskopeion in

Iberien diente ihm als Hafen-, Waffen- und Sammelplatz seiner Truppen für Angriffe auf die Rómer. Strabon beschreibt Hemeroskopeion als Kolonie Massilias mit einem bekanntem Artemistempel am Ufer des Mittelmeeres, nennt es aber auch einen natürlich befe-

stigten Ort und (tendenziös) sogar einen Räuberhafen??, Um die beiden keltiberischen

Städte Segobriga und Bilbilis kämpfte Q. Caecilius Metellus Pius, Sohn des Numidicus,

gegen Sertorius??, Strabon nennt Kalaguris, Hemeroskopeion und Oska, wo Sertorius er-

mordet wurde, als Orte, an denen Sertorius zuletzt gegen Pompeius in Spanien 74-72 v. Chr. kämpfte. Sertorius sei schließlich aus Keltiberien vertrieben und von den Römern

besiegt worden"*. Strabon schreibt beschönigend, daß Sertorius in Oska starb, während er tatsächlich dort im römischen Auftrag feige ermordet wurde, Als antiquarisch-wissenschaftliches Kuriosum erwähnt Strabon noch die Entdeckung eines sechzig Ellen groBen Skelettes bei Tingis in Afrika, nachdem dort Sertorius 81 v. Chr. das angebliche Grab des 13

13,3,5 C. 621.

14 IS

12,3,34 C. 558 und 17.1.11 C. 796; vel. Plut. Sul. 23,1 (und Sullas Hypomnemata). Plut. Sul. 26,4-7 = FGrHist 91 F 8 und mit signifikanten Abweichungen von dieser Stelle bezüglich des Namens der Krankheit und des genauen Ortes der Quellen 10,1,9 C. 447.

16 17

13.1.54 C. 608-609. 52,6 C. 223.

18

19 20 21 22 23 24 25

4,18 C. 183; schon 104/103 v. Chr. nicht erst 102 v. Chr., wie Plut. Mar. 15,4—5 vermuten jäßt.

5,3,11 C. 238-239. 6,4,2C. 287. 3,4,5C. 158. 34,6 C. 159; vgl. auch 3,4,10 C. 161. 31.4.13 C. 162. | ΝΙΝ 3.40 0. 161 und 6,4,2 C.287. 34,10 C. 161. Vgl. auch die Notizen über die Kämpfe Caesars und des Sextus Pompetus in der gleiChen Gegend aus diesem Paragraphen.

strabonischen Geschichtsbildes II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des

318

Antaios hatte öffnen lassen, und knitisiert den römischen Historiker Tanusius Geminus

wegen der Wundergeschichten, die er über Mauretanien und dieses Grab erzählte*°. Als großer Feldherr und tapferer Gegner der damaligen römischen Regierung findet Sertorius insgesamt unter allen Gegnern Roms in Strabons Werk vielleicht sogar die größte Hochachtung. Strabon erinnert an einen unschónen Charakterzug des L. Licinius Lucullus, des Groß-

vaters des gleichnamigen Gegners des Mithradates: Er hatte laut Strabon von L. Mummius, dem Zerstórer Korinths, einige griechische Standbilder ausgeliehen, um den Tempel der Felicitas und eine dazugehórige Porticus im Velabrum zu verschónern (142 v. Chr.). Nun wollte er angeblich den Tempel nur bis zur Einweihung damit schmücken und

die Standbilder dann zurückgeben, tat das dann aber doch nicht, sondern weihte sie der Göttin und entzog sie damit dem Besitz des Mummius. Dieser verschenkte seinerseits großzügig an seine Freunde in Rom und anderen Städten erbeutete korinthische Kunst-

werke. Er wird dafür keineswegs von Strabon kritisiert oder als Banause angesehen?". In

den Bemerkungen Strabons über L. Licinius Lucullus, den Konsul von 74 v. Chr. und

Gegner des Mithradates Eupator, dominieren seine militärischen die politisch-administrativen Taten. 74/73 v. Chr., am Beginn des Krieges, hielten die Kyzikener eine harte Belagerung zu Lande und zu Wasser durch pontische Truppen durch, bis Lucullus sie befreite. Kyzikos sei zur Belohnung für seine Treue zur römischen Sache bis ,jetzt* eine freie Stadt. Strabon berichtet, daß Kabeira, eine der Residenzen des Eupator, (72 v. Chr.) mit ihren

reichen Schätzen von Lucullus erobert wurde”, ebenfalls 71 v. Chr. Sinope und nach

einer Belagerung auch Amisos, die wichtigsten Residenzstädte des Mithradates®. Dabei

erwähnt Strabon als herausragende Beutestücke des Lucullus den Globus des Billaros und ein von Sthenis gefertigtes Standbild des Autolykos. Tomisa, eine bedeutende Festung

der Kappadoker, wurde von Lucullus dem kappadokischen Herrscher, seinem Verbün-

Geten, als Auszeichnung für seine Verdienste um Rom geschenkt?!. Lucullus legte Strabon zufolge schon die militärischen Fundamente für den Sieg Roms über Mithradates, indem

er Tigranokerta, die Metropole von Mithradates’ Hauptverbündeten Tigranes, zerstörte

und diesen aus Syrien und Phoinikien vertrieb?2, In diesem Lob liegt eine leichte Kritik an Pompeius, da dieser sich bekanntlich rühmte, erst er habe Mithradates überwunden.

Mit nd Μηδ \ er

des Dritten Mithradatischen Krieges traten unterschiedliche Loyalitäten der

er Familie Strabons zu Mithradates Eupator oder zu Rom offen zutage.

terlich I mes blieb Mithradates treu und stürzte mit ihm. Der Großvater Strabons müt-

dafür rote

och verriet fünfzehn Festungen des Mithradates an Lucullus, der ihm

des kam P onnungen in Aussicht stellte. Der Verräter wurde aber nach der Ablösung alle del s durch Pompeius nicht wie erhofft belohnt. Pompeius betrachtete námlich

lohnungen die Li e" Gefallen gewesen waren, als seine persönlichen Gegner’. Die Be-

ben des Pompei un lus bestimmten Pontikern versprochen hatte, wurden daher auf Betreisung, daßes nicht Ki penat nicht bestätigt. Pompeius war Strabon zufolge der Auffassei, wenn er selbst den Krieg siegreich zu Ende bringe, aber die Preise des Sie ges SeTecht und die Belohnungen in der Hand eines anderen, seines Vorgängers

26 57

17,3 ‚8 C. 829 mitἢ fa] scher Ortsangabe in Lyngis statt korrekt in Tingis (Plut. Sert. 9,6-8). 8.6,23 C. 381 und SES, insb, 878. ve ona GALSTERER 19 94, Bd. 2, 857-866, insb. 860 und HOLSCHER 1994, Bd. 2, 875—

que 122, C, 535. © 546 und Amisos: 12,3,14 C. 547 (mit einem stadtgeschichtlichen Exkurs).

28

128,11

zu Lucullus und d en

Statuen auch Cassius Dio 22 Fr. 76,2.

rlor Kyzikos 25 n. Chr. (Tac. ann, 4,36; Suet. Tib. 37).

nope: 12,3,t1

32

C.

11,14,15 C. 532.

123,33 C. 557-558.

3. Das Bild führender Römer

319

Lucullus lägen”. Marcus Lucullus, der Bruder des berühmten L. Licinius Lucullus, brachte

aus Apollonia 72 v. Chr. eine sehr große Statue des Apollon nach Rom und ließ sie auf

dem Kapitol aufstellen”.

Obwohl die traditionellen Seemáchte des östlichen Mittelmeerraumes in hellenistischer Zeit, die Poleis Athen und Rhodos sowie die kóniglichen Flotten der Attaliden,

Ptolemäer und Seleukiden die Sicherheit der Meere schon seit dem Ende des 2. Th. v. Chr. nicht mehr garantieren konnten, übernahmen die Römer erst in den 70er und 60er Jahren des 1. Jh. v. Chr. ernsthaft die Rolle der mediterranen Seepolizei gegen Seeráuber, als sie ihren Bedarf an Sklaven auch ohne das Geschäft mit den óstlichen Piraten und aus anderen Regionen decken konnten und weil die Piraten zu offen und stórend mit Mithradates Eupator kooperiert hatten. Die Hauptschuld an der Blüte des Piratenunwesens besonders in Kilikien gibt Strabon aber nicht den Römern, sondern dem seleukidischen Usurpator Diodotos Tryphon und der ‚Nichtswürdigkeit‘ (οὐδένεια) der regionalen Dynasten und Könige?®, Strabon schreibt die Niederschlagung der Piraten zuerst P. Servilius Isauricus

74/73 und Pompeius 67 v. Chr., später dann erneut und definitiv Augustus als Verdienst zu. Auch in dieser Einordnung des Sieges des Pompeius in eine Reihe von Siegen von Isauricus bis Augustus liegt eine Spitze gegen Pompeius, der mit seinem schnellen Sieg groBen Ruhm erlangt hatte. Zeniketes, ein Anführer (und vielleicht sogar selbsternannter „König‘“) der Piraten, beherrschte nach Strabons Bericht von seiner lykischen Basis Olym-

pos am Fuße des Taurus seit ca. 84 v. Chr. fast die ganze Küste von Lykien, Pamphylien und Kilikien, insbesondere die befestigten Orte Korykos und Phaselis. Als P. Servilius Isauricus seine Hauptfestung am Olymposberg einnahm, tótete sich Zeniketes mitsamt

seiner ganzen Sippe””. Isauricus eroberte die Gebirgsfestungen auch anderer Räubergrup-

pen im Taurusgebirge und ihre Hauptstadt Alt- und Neu-Isaura, ferner viele befestigte

Hafenplätze der Piraten an der Küste??, Die Lykier aber bewahrten während dieser Kámpfe ihre altbewährte Verfassung und Loyalität zu Rom. Daher behielten sie auch unter Roms Hegemonie ihre angestammte Gesetzes- und Verfassungsordnung. 2. Pompeius, andere Rómer und hellenistische Dynasten bis zu Caesars Tod Obwohl die Karrieren des Pompeius und auch Caesars schon vor 63 v. Chr. begannen und Pompeius in den späten 70er und 60er Jahren sogar einen ersten Hóhepunkt seiner Machtstellung erreichte, werden beide von Strabon zu seinen Zeitgenossen gerechnet. Pompei-

us?? ist der erste der vier prominenten Römer des 1. Jh. v, Chr., über den Strabon so viele Notizen in den Geographika einfügt, daß man auf methodisch hinreichender Grundlage seine historisch-politische Einschützung rekonstruieren kann. Als Strabon geboren wur34 35

12,3.33 C. 558. 7,6,1 C. 319 eine Kolossalstatue des Apollon von der Hand des Kalamis, wie man aus App. Ill. 30 und Plin. nat. 4,92 und 34,39 erfährt: νηοί ἐς quippe excogitatas videmus statuarum, quas colossaeas vocant, turribus paris. Talis est in Capitolio Apollo tralatus a M. Lucullo ex Apollonia, Ponti urbe, XXX cubitorum, quingentis talentis factus". Vielleicht dachte Strabon beim Vergleich seiner eigenen Werke mit einer Kolossurgia nicht nur an die Zeusstatue von Olympia oder den Kolof von Rhodos, sondern auch àn diese Kolossalstatue?

36 37 38

"Vgl. 14,5,2 C. 668-669 und über das Rauhe Kilikien und Pamphylien auch 14,3,2 C. 664. 14,57 C. 671. 12,6,2 C. 568—569 und 14,3,3 C. 665.

39

Vel. zur Einordnung der folgenden Einzelaotizen in die Biographie des Pompeius: van OOTHEGEM

1954, Gezer 1959 und SEAGER 1979; zu seinen östlichen acta siehe Murpay 1993, 136-142, SEAGER 1994, 208-228 und SuERwtN-Wurre 1994, 220—273; zu den Kriegen Roms gegen Mithradates VI. RENNACH 1895, McGinG 1986 und Hıno 1994, 129-164.

320

IM. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

de, ordnete Pompeius nach eindrucksvollen Siegen fast den gesamten Osten neu mit weitreichenden Folgen für römische Provinzen, Klientelkónigreiche, einzelne Städte und Heiligtümer sowie einzelne Personen, nicht zuletzt aus Strabons Familie. Pompeius gilt

Strabon als großer Feldherr, als zukunftsweisender Administrator des römischen Ostens, als Städtegründer und -förderer, als Freund der hellenistisch-griechischen Kultur und als persönlicher Bekannter herausragender Gelehrter, z.B. des Poseidonios und Theophanes von Mytilene??, Dennoch werden (im Unterschied zu Caesar und Augustus) militärische Niederlagen des Pompeius und seiner Unterfetdherrn, politisch-diplomatische Fehler und ambivalente Charakterzüge oder unerfreuliche persönliche Eigenarten nicht verschwiegen. Strabon benennt sie aber seltener, und sie fallen weniger ins Gewicht als bei M. Antonius, dem direkten Rivalen des Octavian/Augustus.

Unter den militärischen Leistungen des Pompeius hebt Strabon zuerst den Krieg gegen Sertorius in Iberien hervor, obwohl die dortigen Kämpfe tatsächlich erst nach der

Ermordung des Sertorius 72 v. Chr. günstig endeten*!. Das Siegesdenkmal des Pompeius zur Erinnerung an die iberischen Siege in den Pyrenäen bildete nach Strabons Notizen die Grenze zwischen Iberien und der eigentlichen Keltike. An diesem Denkmal führte auch

die Hauptstraße von Italien nach Iberien vorbei“. Strabon ist an den innerrómischen Kon-

sequenzen des Konsulats des Pompeius von 70 v. Chr. (mit der Änderung der sullanischen Gerichtsordnung und der Rückgabe der früheren Rechte an die Volkstribunen) wenig interessiert. Den unrühmlichen Krieg des Pompeius gegen die schon zuvor fast geschlagenen Sklavenheere des Spartacus 72/71 verschweigt er, während sich Poseidonios für die Problematik der Sklaverei sehr interessiert hatte. Als nächste militärische Zäsur betont Strabon den Feldzug gegen die Seeräuber von 67 v. Chr., weil das Seeräuberunwesen Strabon wohl auch schon in seiner Universalhistorie interessiert hat. Die Ausbildung regelrechter ‚Piratenstaaten‘ versteht er als eine extreme Konsequenz des Zerfallsprozesses des Alexanderreiches und seiner Nachfolgestaaten, Die Kilikier hatten die seeräuberi-

schen Kreter bezwungen und trieben später im 1. Jh. v. Chr. selbst in großem Umfange Seeraub*), Das gebirgig-rauhe Kilikien sei nämlich für das Räuberunwesen zu Wasser

und zu Lande besonders geeignet**. Die Piraten verkauften ihre zahlreichen Gefangenen

im 1. Jh. zu Zehntausenden pro Tag auf verschiedenen Sklavenmärkten des östlichen Mittelmeeres, insbesondere auf Delos auch an die Römer als ihre zeitweise wichtigsten Kunden?

Strabon kritisiert das schmutzige Geschäft der Piraten viel schärfer als deren

römische Hauptkunden, die es erst richtig in Gang brachten. Es ist dennoch eine der ganz wenigen Stellen, an denen eine leichte Kritik Strabons an der römischen Politik im Osten von 146 bis 27 v. Chr. deutlich wird. Eines der prominenten römischen Opfer der Piraten war Claudius Pulcher (Clodius), den man aber ca. 67 v. Chr. sogar ohne Lósegeldforderung

wieder freilieB, um ihn persönlich zu demütigen?. Auf die erfolgreichen Vorarbeiten des Servilius Isauricus konnte Pompeius aufbauen. Pompeius vernichtete die Seeráuber, die sich als militärische Macht in autonomen Seeräuberstaaten organisiert hatten, verbrannte mehr als 1200 Piratenschiffe, räucherte die Piratennester aus und siedelte einige überle-

bende Piraten in Soloi an, das Mangel an Einwohnern hatte und das er nun Pompeiopolis*? 40 41

43 44 46

Vgl. zum Freundeskreis des Pompeius ANDERSON 1963. 3,4,10C. 161.

34,1 C. 156; vgl. auch 3,4,9 C. 160, 4,1,3 C. 178 und 3,4,7 C. 159, Nach Plin. nat. 7,96 soll Pompeius prahlerisch Anspruch auf die Unterwerfung von 876 ‚Städien* in den Kriegen der Alpenregion und in Iberiens erhoben haben. Vel. 14,3,2 C. 664, 14,52 C. 668 und 162,14 C. 754. 14,5,6C. 671. 14.5.2 C. 668—669 und über Side als Piratenbasis und -markt 14,3,2 C. 664. [4.6.6 C. 684.

Vgl. 14,5,8 C. 671, 14,3,3 C. 665, 8,7,5 C. 387-388 und dazu Plut. Pomp. 28,1-7.

nannte. Pompeius habe dort die „besserungsfähigen“ Piraten angesiedelt, von denen er meinte, daß sie eine Chance auf Rettung (σωτηρία) und Fürsorge (πρόνοια) verdienten.

Andere Piraten siedelte er in Dyme an‘. In der Biographie des Pompeius wurde der schnelle Sieg über die Seeräuber zum unrnittelbaren Vorspiel für die Übertragung des Kommandos gegen Mithradates 66 v. Chr. Strabon erinnert auch an den Besuch, den Pompeius nach dem Piratensieg und vor

dem Feldzug gegen Mithradates bei Poseidonios auf Rhodos machte und an den homerischen Rat, den der große Philosoph ihm mitgegeben haben soll”. Einen besonderen Schwerpunkt der strabonischen Notizen stellen die Kriege des Pompeius im Kaukasusge-

biet zwischen Kolchischem und Kaspischen Meer dar. Es gab laut Strabon vier mög-

liche Wege, in das Gebiet der kaukasischen Iberer einzumarschieren. Pompeius wählte 65 v. Chr. den Weg von Armenien entlang dem Kyros und Aragos?!. Die Albaner stellten den stärksten Teil des Heeres der gegnerischen Kaukasusvölker. Strabon nennt Details ihrer Bewaffnung und sehr hohe Heereszahlen. Diese Streitmacht wurde angeblich auch gegen

Pompeius aufgeboten??, Erst in der augusteischen Zeit seien auch diese Kaukasusvölker

vollständig römischer Herrschaft unterworfen, wie Strabon übertreibend im Exkurs über

das Wachstum der römischen Weltmacht bemerkt°?, Drei Kohorten des Pompeius wurden aber auf dem Rückmarsch von Kolchis nach Armenien im Gebiet der Heptakometen wohl 65 v. Chr. durch List der Einheimischen vernichtet*. Vergleichbar gravierende römische Niederlagen berichtet Strabon in seiner Lebenszeit nur noch von den Feldzügen des Crassus und Antonius gegen die Parther und des Quinctilius Varus gegen verschiedene Germanenstämme. Die militärischen Karrieren Caesars und seines ,Sohnes* Augustus erscheinen in den strabonischen Notizen dagegen ohne jede Niederlage unter eigenem Kommando. Im galatischen Danala, im Gebiet der Trokmer, übernahm Pompeius von Lucuilus das Kommando gegen Mithradates Eupator””, Pompeius drängte ihn schon 66 v. Chr. in den Osten seiner Stammlünder zurück, wo er Strabon zufolge in Kleinarmenien 75 Festungen hatte errichten lassen und darin viele Schätze verwahrte. Strabon gibt eine Liste der Fe-

stungen nach Theophanes von Mytilene als Quelle. Unter diesen war Kainon Chorion

die schon durch ihre Lage fast uneinnehmbare und zudem noch künstlich verstárkte Lieblingsfestung des Mithradates, in der er auch seine Hauptschatzkammer hatte, Dennoch eroberten sie die Römer 65 v. Chr. unter Pompeius, der später nach seinem Triumph die Schätze des Eupator in Rom auf dem Kapitol weihte?". Pompeius erhielt von Tigranes 66 v. Chr. 6000 Talente Silber als Kriegsentschädigung und verteilte daraus an seine Truppen 50 Drachmen an jeden einfachen Soldaten, 1000 an jeden Centurio undje 6000 Drachmen an die Tribunen der Reiterkohorten und an die Anführer von Einheiten zu tausend

Mann?®. Als Mithradates von Pompeius hart bedrängt wurde, floh er zuerst in den Parya-

dres auf eine Bergfestung. Danach faßt Strabon den weiteren Kriegsverlauf in den Geographika nur noch knapp zusammen. Pompeius setzte Mithradates im Grenzgebiet von Akesilene und Kleinarmenien so sehr zu, daß er nach Kolchis und von dort ins bospora-

48 49 50 51] 52 53 54 55 56 57

14,3,3 C. 665 und 10,4,9 C. 477. 11,1,6 C. 492. 11,1,6 C. 491-492, 11,3,4fC. 500-501. 114,5C.502. 642 C. 288. 12.3.18 C. 549. 12,5,2C. 567. Theophanes FGrHist 188 F 7 = 12,3,28 C. 555. 12,3,31 C. 556-557.

58

11),14,10C. 530.

322

II Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

nische Reich fliehen mußte. Pompeius aber gründete zur Erinnerung hieran eine weitere

Siegesstadt: Nikopolis”. Wie das durch Augustus gegründete Nikopolis blühe auch diese Stadt in augusteischer Zeit. Pompeius erhob auch Kabeira zur Polis und nannte es Diospo-

lis. Königin Pythodoris förderte die Stadt später gleichfalls, benannte sie zu Ehren des Augustus in Sebaste um und verlegte hierhin ihren Königssitz. Die Flucht des Mithradates endete schließlich im bosporanischen Reich®!, Wenn er auch erst von Pompeius endgültig niedergeworfen wurde, so wird doch auch nach Strabons Bericht schon Lucullus ein gro-

Ber Anteil am Sieg im Dritten Mithradatischen Krieg zugesprochen”, Das Libanongebirge und die ganze Küste bis Berytos, Byblos und Sidon wurden von

ituráischen und arabischen Ráuberbanden heimgesucht, die von festen Plätzen des gebir-

gigen Landesinneren und Häfen der Küste aus operierten. Gegen diese Strabon äußerst unsympathischen Störer der Friedensordnung ging Pompeius ebenfalls 64/63 v. Chr. vor und beendete damals auch die Tyrannis in Byblos®?. Die Römer bestätigten die städtische Freiheit von Tyros, die schon unter den Seleukiden, Ptolemäern und ersten Hasmonäern

bestanden hatte. Pompeius bestätigte auch die städtische Freiheit für Seleukeia, weil die Stadt Tigranes nicht aufgenommen hatte. Solche Freiheitserklärungen oder Freiheitsbestätigungen hellenischer Poleis notiert Strabon zustimmend®°. Pompeius liquidierte das Seleukidenreich und richtete die neue Provinz Syria ein. Von Damaskos aus ordnete Pompeius 63 v. Chr. auch die Verhältnisse der syrisch-palästinischen Städte neu und regelte mit starker Hand die Wirren im späthasmonäischen Königreich zwischen den Brüdern Hyrkanos II. und Aristobulos IL. Hyrkanos setzte er (erneut) zum Hohenpriester ein*', Gesandte aus Ägypten und aus Judiia kamen damals mit Geschenken zu ihm®®, Er erneuerte die autonome Verfassung der hellenischen Küstenstädte, die sie unter den späten

Hasmoniern verloren hatten*?, Bei der Eroberung der Festung und des Tempels von Jerusalem 63 v. Chr. beging Pompeius keine provokativen Sakrilege wie zuvor Antiochos

IV. im 2. Jh.", Pompeius zerstörte in Galiläa den befestigen Platz Skythopolis am Jordan"'. Die Nabatäer und Sabäer waren laut Strabon früher räuberische Stämme, bevor auch sie unter die Gewalt der Rómer fielen. Gegen Aretas, den Kónig der Nabatäer, plante Pompeius ebenfalls einen Feldzug, der aber nicht ausgeführt wurde, weil sich jener nach

dem Sieg des Pompeius über die Juden freiwillig unterwarf. Pompeius rechnete daher auch Aretas unter die von ihm besiegten östlichen Könige. Strabon zufolge standen in

seiner Zeit die Nabatäer wie die Syrer schon fest unter der Herrschaft der Römer“. 59 60 61 62 63 64 65 66

12,328 C. 555. 12,3,31 C. 557. 11.13 C. 496 und 13,1,55 C. 610. 12,3,33 C. 558 und 11,84 C. 512. 16,2,13 C. 755. 16,223 C. 757. 16,28 C. 751. 16,2.40 C. 762-763.

67 68

16,2,46 C. 764—165. Jos. ant. Iud. 14,34-36 = FGrHist 91 F 14.

69

162,18 C. 155. 16,2,40 C. 762-763 und los. ant. Iud. 14,66-68 = FGrHist 91 F 15. Nach dem Urteil des Josephus

stimmten Strabon, Nikolaos von Damaskos (FGrHist 90 F 98) und Titus Livius (Liv. Per. 102)in ihren

Berichten über die Eroberung Jerusalems überein, Alle drei Autoren hätten die poliüsch-militárischen

Taten des Pompeius ausführlich beschrieben (vgl. auch Ios. ant. Iud. 14,104 = FGrHist 91 F 13; FGrHist 90 F 97). Hier wird Strabon als historischer Autor zusammen mit Verfassern von groBen Geschichts71 72

werken genannt, die im Rahmen ihrer annalistischen oder universalhistorischen Werke an die Taten des Pompeius erinnern. 162,40C.762. 16421C. 779,

3. Das Bild führender Römer

323

Mit der Neuordnung des hellenistischen Ostens durch Pompeius 64/63 v. Chr. läßt der Historiker Strabon in den Historika Hypomnemata und Geographika die Epoche der zeitgeschichthchen Ereignisse beginnen. Es erstaunt nicht, daB er über eine Vielzahl von politisch-diplomatischen und administrativen Leistungen des Pompeius vorrangig im Osten des römischen Reiches berichtet. Bekanntlich hatten die Anordnungen des Pompeius und

des Senates unmittelbare Folgen auch für Strabons Heimat Pontos. Strabon erinnert aber auch an diese wichtigen Regelungen nicht in einem konzentrierten Exkurs, sondern im Rahmen seiner jeweiligen Lünderbeschreibungen. Pompeius begründete die neue Doppelprovinz Pontus und Bithynia und legte die Grenzen dieser Provinz und der umliegen-

den Klientelreiche neu fest. Er ordnete die administrative Unterteilung der pontischen Regionen Phazemonitis und Gazelonitis neu??, erhob einen Teil Paphlagoniens zum Kónigreich und gab es an Pylaimenes und seine Nachkommen, andere Teile kamen später (d.h. 25 bzw. 6/5 v. Chr.) an Galatien?*, Er überließ Mesopotamien nach seinem Sieg über Mithradates dem Tigranes^, vertrieb ihn aber aus dem für Rom strategisch wichtigen

Syrien und erklärte Seleukeia zur civitas libera’®. Pompeius gab dem Galater Deiotaros

außer seiner Tetrarchie der Tolistoboger noch umfangreiche umliegende Gebiete (nicht zuletzt in Pontos) und schenkte Brogitaros die mithradatische Bergfestung Mithradation im Gebiet der Trokmer’’, Das stark vergrößerte Gebiet des Deiotaros zerfiel aber nach seinem Tode wieder unter seine Erben’®, Pompeius setzte ferner Archelaos, den Sohn des mithradatischen Feldherrn, der gegen Sulla gekämpft hatte, und Großvater des letzten Königs in Kappadokien, Archelaos, als Oberpriester in Komana ein”. Dieser Archelaos heiratete spáter Kleopatra Bercnike, wurde aber von À. Gabinius im Interesse der Restitu-

tion des Ptolemaios Auletes getótet*?, Reichtum und Macht des Tempelstaates von Komana und die persónlichen Verbindungen des Archelaos zu Sulla, Pompeius und Gabinius erwähnt Strabon auch deshalb, weil Dorylaos der Jüngere, einer seiner Verwandten, dort Priesterherrscher gewesen war?!, Pompeius faBte auch den Tempelstaat von Zela in eine

befestigte städtische Siedlung zusammen und erweiterte sein Gebiet?“.

|

In der Darstellung seiner Taten im Osten bei Strabon hat Pompeius große Ähnlichkeit mit einem hellenistischen Dynasten oder Monarchen, Daher erinnert Strabon auch an einige seiner φίλοι. Über Theophanes aus Mytilene, den berühmten Historiker des Pompeius, und seinen Sohn Pompeius Macer (nach dem Text der Geographika Marcus Pompeius) legt Strabon eine biographische Skizze ein, die an seine Nähe zu Augustus und die

Stellung

als ἐπίτροπος ᾿Ασίας bald nach 31/30 v. Chr. erinnert®. Notizen über den eige-

nen Unterricht und die Ausbildung seiner Söhne stellen Pompeius als Hellenenfreund kein schlechtes Zeugnis aus. Er hatte selbst den älteren Aristodemos als Lehrer und hörte auf Rhodos eine Vorlesung des Poseidonios, des berühmtesten Philosophen seiner Zeit,

der angeblich auch sein Freund wurde®*, Der jüngere Aristodemos aus Nysa, Lehrer 73 74 75 76 7! 78 79 80 8]

12,3,13 C. 547 zur Gazelonitis und 12,3,38 C. 560-561 zur Phazemonitis. 12,3,1 C. 541. 16,124 C. 747. 16,2,8 C. 751 über das picrische Seleukeia. Die Festung Seleukeia am Euphrat schiug er damals angeblich zu Kommagene 16,2,3 C. 749. Dies ist ein Irrtum Strabons, vgl. SyME 1995, 95-110. 12,52 C. 567. 12,3,13 C. 547. 12,3,34 C. 558; vgl. zu Archelaos auch 17,1,11 C. 796. 12,3,34 C. 558 und 17,1,11 C. 796. 12,334 C. 558.

82

11,84 C. 512. Er gründete in der Nähe auch Megalopolis 12,3,37 C. 560.

83

13,2,3 C. 617-618; zu Pompeius Macer siehe Wurre 1992, 210-218, zu Theophanes ANASTASIADIS und Souris 1992, 377-382 sowie ANASTASIADIS 1995. 11,1,6 C, 492,

84

324

ID. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisicrung des strabonischen Geschichts bildes

Strabons und des Pompeius selbst oder eher seiner Kinder®5, und andererseits der Rhetor Aischines aus Milet, der gegen Pompeius gesprochen hatte und dafür in die Verbannung geschickt wurde, werden beide genannt?6, Pompeius fühlte sich nicht an die von Lucullus pontischen Gegnern des Mithradates Eupator gegebenen Versprechen gebunden. Dadurch

verlor Strabons Großvater mütterlicherseits seine mächtige Stellung?". Strabon kritisiert

dies zwar nicht als Wortbruch, aber sein Großvater hatte wohl erwartet, daß Lucullus als

Feldherr ‚für Rom‘ handele und Pompeius als Nachfolger diese Abmachungen einhalte. Die Notiz wirft also ein eher getrübtes Licht auf den Charakter des Pompeius. Auf kulturell-wissenschaftlichem Gebiet tritt Pompeius weniger hervor als Caesar, Agrippa oder Augustus, doch erwähnt Strabon den Einsatz auch des Pompeius für die Verschónerung

der Hauptstadt Rom®®,

Pompeius gründete in der Tradition Alexanders des GroBen und der Diadochen viele neue Städte, erhob Dörfer oder Heiligtümer zu Städten, benannte andere schon bestehende Städte nach sich selbst um oder vergrößerte sie. Die meisten von diesen, die Strabon erwähnt, finden sich in Kleinasien, aber einige auch auf der iberischen Halbinsel, also in den beiden Regionen seiner größten militärischen Erfolge. Schon sein Vater Pompeius Strabo hatte Comum zur Kolonie latinischen Rechts erhoben und dem berühmten Sohn

auch in der Städteförderung hiermit ein Vorbild gegeben®?. Pompeius selbst erhob Zela in Pontos zur Stadt und gab ihr ein ansehnliches Stadtgebiet. Er erbaute wie später Augustus

in Pontos eine Siegesstadt Nikopolis. Dort vollendete er auch Eupatoria, eine Stadtgründung des Mithradates, und benannte die Stadt nach seinem Namen um in Magnopolis”. Er erhob Kabeira (am Ort des späteren Neokaisareia) zur Stadt und benannte es um in

Diospolis. Vor allem aber gründete Pompeius als sichtbare Zeichen seiner betonten imitatio Alexandri mehrere Städte mit dem Namen Pompeiopolis, von denen Strabon in den

Geographika drei nennt: Pompeiopolis in Spanien (Pamptona)?!, Pompeiopolis in Kilikien (das alte Soloi) und Pompeiopolis in Paphlagonien??. Den Bürgerkrieg ab 49 v. Chr. nennt Strabon eine στάσις des Pompeius gegen Cae-

sar. Trotz seiner nicht geringen Sympathie für Pompeius und der zahlreichen Notizen über seine groBen Taten ist Strabon in diesem Bürgerkrieg vom gerechten Sieg der Partei Cae-

sars?? überzeugt. Aus Strabons óstlicher Sicht erschienen die Bürgerkriege zwischen Ma-

rius und Sulla, Pompeius und Caesar sowie schließlich M. Antonius und Octavian/Augustus den Kriegen zwischen späthellenistischen Monarchen und ihren φίλοι gut vergleichbar. Strabon konstatiert zwar knapp, daß Pompeius auf seiner Flucht nach der Niederlage von Pharsalos zum Grenzort Pelusion gelangte und dort beim Versuch, Agypten zu betreten und nach Alexandreia zu gelangen, ermordet wurde, zieht aber an dieser Stelle keine Bilanz über sein Leben und seine Taten?*, Vermutlich war dies nämlich in der straboniSchen Universalhistorie schon geschehen. ΝΣ Unter den Mitgliedern des Ersten Triumvirats von 60 v. Chr. bleibt Marcus Licinius

Crassus” bei Strabon gegenüber Caesar und Pompeius eine sehr blasse Figur. Strabon 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94

14,1,48 C. 650. 14,1,7 C. 635. 12,3,33 C. 558, 5,3,8 C. 236. 5,1,6C. 213, 12,3,30 C. 556. 3,4.10C. 161. 12.340 C. 562. 4.1.5 C. 180 und 62,4 C. 272. 171,11 C. 796 in einem Paragraphen zur Piolemäergeschichte. Auf dem Kasionberg befanden sich

auch das Grab des Pompeius und ein Tempel des Zeus Kasios 16,2,33 C. 760. 95 Vgl. über Crassus Warn 1977 und MarsHALL 1976; zu den übrigen in den Geographika erwähnten prominenten Römern siehe Gruen, Last Generation 1974.

3. Das Bild führender Römer

325

berichtet lediglich, daß er aus persönlichem Ehrgeiz den parthischen Krieg anzettelte, während die Parther damals die Freundschaft der Römer gesucht hätten. Crassus wurde

von den Parthern besiegt und auf dem Feldzug durch eine List in Sinnaka getütet%, Die vóllig gescheiterte Partherpolitik des Crassus wird in den Geographika implizit mit der unter Augustus erreichten diplomatischen Vorrangstellung über die Parther kontrastiert. Gabinius, Pompeius, Caesar, Antonius und auch Augustus selbst wurden in die blutisen Intrigen und folgenreichen Kämpfe der letzten Ptolemáer untereinander auf verschie-

dene Weise verwickelt. Nicht zuletzt deshalb informiert Strabon seine Leser in den Geographika über die Abfolge der Ptolemäer von Ptolemaios I. bis in seine Zeit an einer zusam-

menfassenden Kernstelle, die durch weitere Notizen an anderen Stellen ergänzt wird?, Aus diesen Bemerkungen kann man aber kein strabonisches Bild der Geschichte der Dynastie erkennen, wie es der Attalidenexkurs bietet. Strabon erinnert an die Einziehung von

Zypem durch Rom 56 v. Chr. auf Antrag des Clodius und zwar durch Cato, eigentlich einen Gegner dieser Entscheidung”. Ptolemaios XII. Auletes, der zunächst zur Lebenszeit Strabons regierte und Vater der berühmten Kleopatra war, wurde von den Agyptern

vertrieben und gegen riesige Bestechungsgelder von den Rómern (durch A. Gabinius) wieder eingesetzt”. Dieser König erhielt seinen Beinamen von seinem Flötenspiel in der

Öffentlichkeit, mit dem er sich wie durch seine sonstige τρυφή in den Augen der griechisch-rómischen Elite als Herrscher diskreditierte. Auch Strabon hält ihn für einen Taugenichts, wie übrigens vermutlich sämtliche ptolemäischen Könige nach Ptolemaios III. Un96 97

16,1,28 C. 748 und 16,0,23 C. 747. "Vgl. insb. 17,1,10-11 C. 795-796 und dazu HEINEN 1997, insb. 459—460. Siehe auch 15.2,7 C. 723: Alexander selbst heilte den durch vergifteie Pfeile vertetzien Ptolemaios I. Soter auf dem Asienfeldzug. Dieser erzählte in seinem Geschichtswerk von Kelten, die 335 v. Chr. zu Alexander gekommen seien (7,3,8 C. 301-302). Ptotemaios I. brachte Alexanders Leiche nach Álexandzeia (17,1,8 C. 794)

und wurde Alexanders erster Nachfolger in Ägypten (17,1,11 C. 795). Eine knappe Notiz über den Bruder des ersten Ptolemäers schließt die Bemerkungen über den Dynastiegründer ab (17,1,18 C. 801).

Ptolemaios IH, Philadelphos (17,1,11 C. 795) erweiterte Patara (14,3,6 C. 666), sandte Satyros auf Elefantenjagd an dic Troglodytenküsie (16,4,5 C. 769 und 16,4,7 C. 770) und kümmerte sich um die Förderung der Wissenschaften in der Hauptstadt Alexandreia (17,1,5 C, 789). Er vollendete den Nil-

kanal zum Roten Meer und sperrte ihn durch cine Schleuse (17,1,25 C. 804). Er bahnte die wichtige Handelsstraße von Koptos nach Berenike und förderte dadurch den Handel Agyptens ohne den arabi-

schen Zwischenhandel {17.1.45 C. 815). Er regierte zusammen mit seiner Gattin und Schwester, die Strabon an einer Stelle Philotera nennt (16,4,5 C. 769), während sie ansonsten auch bei ihm mit ihrem üblichen Namen Arsinoe (IL) heißt (10,2,22 C. 460). Timosthenes, einer der Flottenführer des Philadelphos, beschrieb scine Forschungsfahrten in einem Buch Über die Häfen des Mittelmeeres, einer Quelle Strabons. Ptolemaios III. Euergetes (17,1,13 C. 795) wird von Strabon nur in einer Notiz über die Grenze zur Kyrenaika genannt (17,3,20 C. 836). Ptolemaios IV. Philopator (17,1.{1 C. 795) begann den Mauerbau Gortyns (10,4,11 C. 478) und gewann die Schlacht von Raphia gegen Antiochos III. (16,2,31 C, 759). Über Piolemaios V. Epiphanes (17,1,11 C. 795) findet man keine weiteren Noti-

zen, Ptolemaios VI. Philometor (17,1,11 C. 795) besiegte Alexander Balas und starb an seinen in dieser

Schlacht empfangenen Wunden (16,2,8 C. 751). Ptolemaios VIII. Physkon oder Euergetes II. (2.34 C. 98—99) kannte die Monsunpassage von Ägypten und dem Arabischen Meer nach Indien noch nicht

(23,8 C, 103), Physkon ging mit militärischer Gewalt gegen die hellenischen Einwohner von Alexan-

dreia vor und schädigte damit die Position der Stadt als hellenistisches Kulturzentrum (17,1,12 C. 797—

798). Über Ptolemaios IX. Lathyros (17,1, 01 C. 795) findet man bei Strabon keine weiteren Angaben.

Über Piolemaios XII. siche 17,1,11 C. 796 und 17,1,13 C. 798. Strabon schátzt nach einer (heute

verlorenen) Rede Ciceros De rege Alexandrino (ca. 56 v. Chr.) als wohl indirekt benutzier Quelle die

nur drei Sıellen der Staatseinnahmen Ägyptens auf 12500 Talente im Jahr. Dies ist eine der überhaupt

98 99

Geographika, an denen Cicero beiläufig genannt wird. Die Krise der ägyptischen Finanzen unter Auletes kontrastiert Strabon mit der neuen Blüte Ägyptens, die er unter Augustus fesistellt; über Ptolemaios XIII. und XIV, siehe erneut lediglich 17,1,11 C. 796. 14,6,6 C. 684—685. 12,3,34 C. 558 und 17,1,11 C. 795-796,

326

HI. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbitdes

ter Auletes habe es eine besonders schlechte Verwaltung Ägyptens und niedrigere Staats-

einkünfte als unter den frühen Ptolemäern oder später unter Augustus gegeben. Ptolemaios XIII. Dionysios, älterer Sohn des Auletes, wurde der erste Mitregent der Kleopatra. Er wurde nach Strabons Bericht in Caesars Auftrag getótet, woran aber keine Kritik deutlich

wird. Ptolemaios XIV., der jüngerer Sohn des Auletes, wurde dagegen spáter von Caesar

der Kleopatra zum Mitregenten gegeben. Als letzten männlichen Sprofi der Ptolemáerdyna-

stie wird in den Geographika indessen Ptolemaios, der Sohn der Kleopatra Selene und des

Königs Iuba II, genannt, der ab 24 n. Chr. als Klientelherrscher über Mauretanien regiertc. Die meisten und interessantesten Notizen Strabons betreffen die Begründer der Ptole-

mäerdynastie und die letzten Ptolemäer während Strabons eigener Lebenszeit. Dazwischen gibt Strabon wenig mehr als eine bloße Herrschergenealogie. In der Abfolge der Ptolemáer folgt er offenbar einem Kanon, der als Produkt des späten Hellenismus eine gegenüber den letzten Ptolemäern feindliche Stilisierung erfahren hat und daher fast immer die literarischen Spottnamen der Könige nennt. Die Brüder Kleopatras, Ptoelmaios AT. und XIV., und ihr Sohn Ptolemaios XV. Kaisar (,,Kaisarion'*) fanden sich wohl nicht

in der genealogischen Liste Strabons, während sie wenig später durchaus von ihm erwähnt werden. Insbesondere über Ptolemaios Auletes und Kleopatra weiB Strabon nur wenig schmeichelhafte Dinge zu berichten, Die Liquidation des letzten hellenistischen

Reiches 31/30 v. Chr. bedauert er keineswegs, Kleopatra und Antonius werden aus der

offiziellen augusteischen Perspektive gesehen und verurteilt!®, Strabon erwähnt insgesamt nur drei ptolemäische Königinnen namentlich Kleopatra III, die Frau des Euergetes II.!?', Kleopatra V. Selene, die auf Tigranes’ Befehl hingerichtet wurde!®, und am ausführlichsten Kleopatra VII. Philopator, die Tochter des Ptolemaios Auletes sowie be-

rühmte Geliebte Caesars und des M. Antonius 03, Es finden sich jedoch in den Geographika wesentlich mehr Notizen über die späten Ptolemäer als über die letzten Seleukiden.

Wie schon in der Zeit von den Gracchen bis Sulla fälltes auch in den Jahren zwischen ca. 60 und 31 v. Chr. auf, daß Strabon aus dem Kreis der führenden römischen Politiker kaum jemanden erwähnt, der nicht gleichzeitig auch ein bekannter Heerführer Roms in der östlichen Reichshälfte ist. Dies wird deutlich an den sehr spärlichen Notizen über vier der einflußreichsten Politiker Roms in der Jugend Strabons, nämlich Q. Hortensius Hortalus, M. Cato, Cicero und Clodius. Strabon erwähnt Hortensius nur einmal als berühmten Redner, dem M. Cato der Jüngere nach einem seltsamen alten rómischen Brauch seine

Frau Marcia um 56 v. Chr. zum Zweck der Zeugung von Kindern überlassen habe. Sonst hóren wir nichts über diesen adelsstolzen Vertreter der Nobilität und gefeierten asiani-

schen Redner'", Athenodoros, genannt ,Kordylion', aus Tarsos lebte lange als Hausphi-

100 Vgl. zum Piolemäerreich einführend HöLsL 1994 und zu den späten Ptolemäern Thompson 1994, 310— 326, über Kleopatra VII. Thea Philopator zuletzt WHrreHoRN 1994, insb, 186—196. 10F 2,3,4 C. 99. 102 16,2,3 C. 749,

103 17.1.11 C. 796. Vor Kleopatra VII. herrschte in Ägypten ihre ältere Schwester Berenike IV. (12,3,34

C. 558), Kleopatra erhielt von Antonius das ‚Rauhe Kilikien* zum Floitenbau (14,5,3 C. 669; 14,5,6 C. 671) und gemeinsam mit Arsinoe IV. auch Zypern, das zuvor schon eine rómische Provinz geworden war (14,6,6 C. 684-85). Kleopatra wurde von Antonius mit geraubten oder erpreBten Kunstwerken aus Städten und Heiligtümern vorwiegend Kleinasiens beschenkt (13,1,30 C. 595), mit Ehren überhäuft und sogar zu seiner Gemahlin erklärt (17.1.1 C. 797). Er hatte mit Kleopatra mehrere Kinder. Die Neuordnung Agyptens durch Augustus überlebte als einzige davon Kieopatra Selene, die später Iuba

II, heiratete (17,3.7 C. 828). Ptolemaios, ein Enke] des Antonius aus dieser Ehe, wurde 24 n. Chr.

Nachfolger Iubas II. als König Mauretaniens (17,3,7 C. 828). Kleopatra VII. fiel nach Strabons proaugusteischer Interpretation von den Rómern ab, und ihre Macht wurde nach der Niederlage von Acttum vernichtet (6,4,2 C, 288; 7,7.6 C. 325 und 17.1.1} C. 796-797), 194 11,9,1 C. 515; zu Hortensius vgl. GRUEN, Last Generation 1974 (Register 571).

3. Das Bild führender Römer

327

losoph im Haus des stoischen Philosophen M. Cato, eines der entschiedensten republika-

nischen Gegner Caesars!®, Cato nahm -- unter den vorherrschenden Umständen widerwillig — ım Auftrag des Senats Zypern als römische Provinz ın Besitz und vertrieb den dort damals noch regierenden Ptolemäer. Er umging im Krieg gegen Caesar in Afrika als

Feldherr vor der Schlacht von Thapsus die große Syrte mit zehntausend Mann und unterzog sich dabei als vorbildlicher Truppenführer den gleichen Strapazen wie die einfachen

Soldaten!%, Strabon erwähnt M. Tullius Cicero!?? nur auffällig selten in den Geographika. Er nennt ibn als Kollegen 63 v. Chr. im Konsulat des C. Antonius Hybrida, des Onkels

des Triumvirn!®®, Er bemerkt (leicht kritisch), daß Cicero Menippos und andere asianische Redner gelobt habe, und bezieht sich schließlich bei einer Schätzung der Staatseinkünfte Ägyptens unter Ptolemaios Auletes auf eine Rede Ciceros als Quelle, die er wahrscheinlich nur indirekt aus einem griechischen Geschichtswerk kannte!®, Ansonsten er-

fahren wir über die politische Karriere Ciceros und auch über seine schon unter den Zeitgenossen anerkannte literarische Bedeutung von Strabon in den Geographika nichts. Über Claudius Pulcher (Clodius), Ciceros großen innenpolitischen Gegner, berichtet Strabon lediglich, er sei einmal von den Seeräubern gefangen und wieder freigelassen worden und

habe spáter die Provinzialisierung Zyperns betrieben. 3, Strabons Notizen über C. Iulius Caesar

Von ganz anderem Gewicht sind die zahlreichen Notizen Strabons über C. Iulius Caesar. Es gibt keinen zusammenhängenden Caesarexkurs in Strabons Geographika, und über seine verfassungsmäßige und innerrómische Stellung als Diktator auf Lebenszeit äußert

sich Strabon auch nicht genauer!!®, Doch er betrachtet ihn in seinen Handlungen schon als

einen faktischen Militärmonarchen. Möglicherweise hat Strabon aber Caesars Stellung vor seiner Ermordung in den Historika Hypomnemata näher erörtert, Die Kämpfe Caesars in Agypten und wahrscheinlich seinen Feldzug nach Zela, ferner die Ermordung des Diktators 44 v. Chr. in Rom hat er dort gewiß berichtet. Nach der Anzahl der Erwähnungen in den Geographika überragt Caesar alle Rómer vor ihm und auBer Alexander dem GroBen auch alle Griechen. Die besondere Hochschätzung, die Strabon ihm entgegenbringt, wird besonders deutlich durch den Vergleich mit seinem Widerpart Pompeius und durch das mehrfach wiederholte Attribut der ‚vergöttlichte‘ Caesar. Als Adoptivvater des Augustus verbindet Caesar im Urteil Strabons mehr mit seinem Nachfolger Augustus als mit den

groBen Militärdynasten von Sulla bis Pompeius. Die überragenden militárischen Leistungen Caesars würdigt Strabon auf den gallischen, iberischen, griechischen, kleinasiatischen, ägyptischen und afrikanischen Kriegsschauplätzen, d.h. in der gesamten Oikumene. Als Feldherr, wenn auch nicht als Friedensfürst und Weltregent, überragt Caesar in Strabons Geographika Pompeius und selbst noch 105 14,5,14 C. 674; vel. zu Cato FEHRLE 1983. 106 17.3.20 C. 836. 107 Vel. zur bedeutenden Rolle Ciceros in der damaligen Politik z.B. GELzeR 1969 (ND 1983), FUHRMANN

1990 und Hagicur 1990. Strabon erwähnt in den Geographika z.B. auch die catilinarische Verschwórung des Jahres 63 v. Chr. nicht. 108 10,2,13 C. 455 und auch in FGrHist 91 F 15, wenn man die Konsulatsangabe anders als Jacoby noch zum Sirabonzitat hinzuzicht. Caius Antonius wurde nach einem Schauprozef 59 v. Chr. in die Verbannung nach Korfu geschickt, wo er großen Einfluß ausübie. Er wurde später (wohl 47 v. Chr.) von

Caesar nach Rom zurückgerufen und war 42 sogar nochmals Zensor. 109

14,2,25 C. 660 und17,1,13 C. 798.

110 Zur Einordnung der strabonischen Notizen in die Biographie Caesars stehe z.B. GeLzer 1960 (ND 1983), Gesche 1976, Meter 1982, Cunist 1994, Wiseman 1994, 368—423 und Rawson 1994, 424—467.

328

TI. Exemplañische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Augustus, den bei seinen bedeutendsten Siegen nach den Bemerkungen Strabons Marcus

Agrippa, Tiberius, Drusus und Germanicus ganz entscheidend unterstützten. Unter den militärischen Taten Caesars nennt Strabon die meisten Einzelheiten von den Feldzügen in Gallien und Iberien. Möglicherweise ist dies durch die direkte oder (über Asinius Pollio und Timagenes) indirekte Benutzung der Commentarii Caesars als Quelle bedingt. Dennoch fällt es auf, weil Strabon bei den übrigen großen Dynasten Roms häufiger deren Taten und Entscheidungen in der östlichen Reichshälfte anführt. Ferner werden absichtlich die blutigen Bürgerkriegstaten Caesars völlig ausgeblendet. Im Zusammenhang mit Italien sind die beiden einzigen Ereignisse, die Strabon hervorhebt, die Verschönerung

Roms durch Caesar und seine spätere Ermordung in der Hauptstadt! ! !. Nicht wenige Notizen betreffen den Gallischen Krieg: Caesar besiegte 58 v. Chr. die Helvetier!"2, Strabon berichtet über Wohnsitze und Kampfstärke der Belger, die auch nach dem Bericht der Commentarii Caesars seine stürksten und tapfersten gallischen Gegner waren! Caesar führte 56 v. Chr. einen siegreichen Seekrieg mit den Venetern in Nord-

westgallien und vernichtete ihre Schiffe! !^, Strabon erinnert auch an die Schiffswerft Caesars im gallischen Hafen von Ition im Gebiet der Morincr und an die zwei Übergänge nach

Britannien 55 und 54 v. Chr., ohne daB der Feldherr dabei allerdings groBe Gebiete oder

gar die gesamte Insel erobert hiitte!5, Dennoch wertet Strabon diese Demonstrationen

militárischer Macht Roms schon als einen ersten und entscheiden wichtigen Sieg über die Britannier, Deren Häuptlinge hätten nämlich später ohne weiteren Kampf die Freundschaft des Augustus gesucht und angeblich seine Oberhoheit anerkannt. Die großen Schlachten um Gergovia 52 v. Chr. und Alesia beendeten den Gallischen Krieg siegreich. Strabon personalisiert Kriege gerne als Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten

beider Kriegsparteien, Caesars größter Gegner unter den Barbaren, der Arvernerhäuptling

Vercingetorix, wurde in Alesia gefangen. Strabon nennt riesig hohe, in prorómischer Tendenz übertriebene Zahlen von besiegten Kelten. Die Siege Caesars von 52 v. Chr. bedeuten für ihn die letzte wichti ge Zäsur in Gallien vor den Neuordnungen des Augustus!!6.

Zuerst Caesar und dann endgültig erneut Augustus besiegten das gesamte Keltenland! 7,

Auch der iberische Kriegsschauplatz findet zumindest in einigen Notizen Beachtung. L. Afranius und M. Petreius, zwei Legaten des Pompeius, wurden 49 v. Chr. bei Derda

(era) vom ‚vergöttlichten‘ Caesar besiegt! 18, Strabon erwähnt das unverhoffte Auftau-

en „acsars auf dem Kriegsschauplatz 46/45 v. Chr. als Beleg seiner berühmten GeAsini

keit n militärischen Entschlüssen und Aktionen. ‚Die Historiker‘ (vermutlich

oder 27 no) berichteten, daß Caesar vor der Schlacht von Munda 46 v. Chr. in nur 22 Strabon 2 Een Ilien nach Obulko in Iberien marschiert sei'!?. Caesar stationierte Turditansens ὃ Sold aien in der Stadt Baetis!?, Die Schlacht von Munda, der Hauptstadt werden knapp en a und der spätere Sieg der Feldherrn Caesars über Sextus Pompeius PP erwähnt’. Auf den Balkanraum führt dagegen die beiläufige Notiz, daß

111 Der Tod Caesars wurde auc 112 Helvetiec- 433 C. 103 h in den Historika Hypomnemata behandelt: FGrHist 91 F 19.

113 44,3 C. 196.

IM 44,1 C. 194.195.

|

115 Zur fehlerhaften geographischen Ausrichtung der britischen Insel siehe 4,3,3 C. 193, nur wenige Gebiete Britanniens sind bis und Fa Hafen: 43,3 he [ erobert (4,5,3 C. 200). Caesar hatte auch an der Seine eine Schiffswerft €. | 93 und 4,5,2C, 199.

119 3490. 150. , 3

.

.V

l. À

120 I2,1C. 141, she

Vak

,

- + : zu weiteren vermutlichen Stellen aus Asintus Pollio,

3, Das Bild führender Römer

329

der prophetische Wahrsager (bzw. Schamanenpriester) Dekaineos dem König der GetoDaker, Burebistas, als Ratgeber zur Seite stand, gegen den Caesar 44 v. Chr. kurz vor

seiner Ermordung einen Feldzug vorbereitete!??,

Bei seinem Einmarsch in Ägypten ließ Caesar den älteren Sohn des Ptolemaios Aule-

tes, Ptolemaios XIII., umbringen und danach Kleopatra als Königin zusammen mit ihrem

jüngeren Bruder, Ptolemaios XIV., einsetzen!#, Diese Notiz verkürzt drastisch die kom-

plizierte Lage während des bellum Alexandrinum 48/47 v. Chr., als Caesar auch von jüdi-

schen Truppen unter Hyrkanos IL Hilfe erhielt!?*. In Afrika führte Caesar Krieg gegen Cato, P. Cornelius Scipio Nastca und Iuba I., der in diesem Krieg starb. Strabon hält Cato für den wichtigsten Gegner Caesars und erwähnt die Zerstörungen bestimmter Städte in

Nordafrika!#, Eine ganze Reihe von Bemerkungen widmet Strabon der politisch-diplomatischen und administrativen Leistung Caesars, den er unter den führenden Römern auch als Verfasser der Commentarii schätzt. Caesar schonte die Einwohner von Massilia 1n seiner bekannten clementia, obwohl diese 49 v. Chr. zuerst die Partei des Pompeius unterstützt hatten!26, Doch Massilia verlor zeitweise seinen bisherigen, über Jahrhunderte bewahrten

Wohlstand. Denn Nemausus wurde 49 v. Chr. von Caesar um einige Gebiete vergrößert,

die er Massilia abgenommen hatte, und mit dern latinischen Recht ausgezeichnet!?”. Caesar und die späteren Prinzipes (ἡγεμόνες) erinnerten sich aber bald der alten Freundschaft

Massilias zu Rom und gewührten der Stadt wieder ihre Autonomie, wie Strabon mit offen-

barer Genugtuung bemerkt!28, Wie Alexander, die ersten Diadochen und Pompeius wird auch Caesar bei Strabon durch eine Vielzahl von Notizen als Gründer, Erweiterer und Fórderer von Städten in allen drei Kontinenten gerühmt. Individuelle Akzente bei den erwähnten Maßnahmen

Caesars liegen auf der Wiederbegründung vormals zerstórter Städte (Korinth, Karthago) und auf der Verbesserung der Rechtsstellung anderer Städte (Comum, Massilia). Durch

Koloniegründungen in Korinth!? und Karthago, in augusteischer Zeit wieder eine der blühendsten Städte Atrikas!?9, erneuerte Caesar das städtische Leben in den beiden 146 v. Chr. durch Rom zerstórten hellenistischen Metropolen. Strabon erwähnt auch die zuneh-

mende Verbreitung des latinischen Bürgerrechtes in Iberien!?!. Er erinnert an Hispalis und Baetis, eine caesarische und eine augusteische Kolonie, sowie an die Gründung von Iulia Ioza (Iulia Transducta), eine Stadt der Baetica, die 38 v. Chr. durch Zusammensied-

lung von Einwohnern anderer Städte durch Octavian neu gegründet wurde!?^. Hispalis, als Colonia Iulia Romana 45 v. Chr. von Iulius Caesar begründet, sei früher eine beachtliche Siedlung gewesen, in der augusteisch-frühtiberischen Zeit aber nur noch ein kleiner 122 7,3,5 C. 297-298. 123 17,1,11 C. 796. 124 Strabon hatte hierzu in seinen Historika Hypomnemata einen viel genaueren Bericht gegeben und dafür das Geschichtswerk des Asinius Pollio über die Bürgerkriegszeit und auch Hypsikrates zitiert: Ios. ant, Iud, 14,137-139 = FGrHist 91 F 16 (aus Asinius Pollio) und F 17 (aus Hypsikrates FGrHist 190 F 1). Außerdem ließ Caesar während dieser Kämpfe die Insel Pharos vor Alexandreia räumen, die auch in augustcischer Zeit verlassen geblieben sei ($7,1,6 C. 792). ΝΕ | 125 17,3,7 C. 828 und 17,3,12 C. 831 (z.T. auch über Zerstörungen afrikanischer Städte im früheren Krieg gegen logurtha); zum Tod Tubas I. auch 17,3,9 C. 829.

126 4,1,5 C. 180-181. 127 4,1,12 C. 186-187. 128 Erneut 4,1.5 C. 180-181.

129 Colonia Iulia Corinthus: 8,6,23 C. 381. 130 17,3,15 C. 833, 131 3,2,15C. 15t.

132 Tulia Transducta 3,1,8 C. 140.

330

I. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichisbildes

Handelshafen!**. Im Ansehen und nach der Bevölkerungszahl aber werde das caesarische Hispalis jetzt deutlich von der augusteischen Veteranenkolonie Baetis übertroffen, auch wenn diese durch eine gemischte Bevölkerung von zweifelhaften Ruf gebildet werde*. Caesar erweiterte in Oberitalien das Gebiet von Comum (Como) und gab dort 59 v. Chr.

auch Hellenen, den sogenannten ‚Neokomitai‘, das Bürgerrecht!??, Erst nach den übrigen Italikern erhielten unter Caesar auch die Bewohner der Gallia Cisalpina das römische Bürgerrecht, in deren Gebiet Strabon zufolge einige der mächtigsten römischen Kolonien

lagen!?6, Auch die Metropole Rom verschönerte der Diktator durch prächtige Bauten!?”.

In einem Akt der imitatio Alexandri, wegen der angeblichen Verwandtschaft der Iulier mit Aineas und vielleicht auch aus echter Homerbegeisterung beschenkte Caesar Neu-Ilion

48 v. Chr. nach der Schlacht von Pharsalos mit umfangreichen Privilegien!®. Caesar ,befreite' die Stadt Amisos von einem Dynasten als Stadtherrscher!??, Koloniegründungen der Römer in Kleinasien finden häufig das Interesse Strabons, z.B, die 45 v. Chr. von

Caesar begründete Colonia Iulia Caesarea Felix Sinope!* oder die zwischen 48 und 44 v.

Chr. gegründete Kolonie Apameia in Phrygien!*'. Wahrscheinlich schon von Caesar oder

zwischen Caesar und Augustus wurde auch in Knossos auf Kreta eine rómische Kolonie

gegründet!^?, Caesar wird mehrfach von Strabon ehrfurchtsvoll ,der Góttliche' genannt. Der ponti-

sche Historiker und Geograph schließt sich ohne Zögern der offiziellen augusteischen Terminologie und der Divinisierung des verstorbenen Diktators an. Strabon ehrt Caesar damit in hervorragender Weise und stellt ihn fast auf eine Ebene mit Augustus, den er mit der griechischen Übersetzung des lateinischen Ehrentitels als Σεβαστός benennt. Alle übrigen rómischen nobiles müssen sich mit ihren — keineswegs regelmäßig erwähnten —

Siegerbeinamen begnügen. Strabon akzeptiert die göttliche Abkunft der gens Iulia von der Stammutter Venus und sieht schon Caesar als Begründer der regierenden julisch-clau-

dischen Herrscherdynastie an!#.

Strabon nennt einige bekannte Beispiele dafür, daß Caesar seine Freunde und Anhänger sehr förderte und trotz seiner zur Schau getragenen clementia auch hart gegen seine Gegner einschritt. Athenodoros, ein Lehrer Caesars und später des Octavian/Augustus, wurde hoch geehrt!*. Mithradates von Pergamon war ein Sohn des Menodotos und der Adobogione, einer galatischen Fürstentochter und angeblichen Geliebten des Mithradates Eupator. Dieser Mithradates von Pergamon wurde einer der einfluBreichsten φίλοι Caesars, der ihn zum galatischen Tetrarchen und sogar zum König von Bosporos erhob, um seinen persönlichen Einfluß in diesem Klientelkónigreich zu verstärken. Doch der Usurpator Asander, der sich dort kurz zuvor als Herrscher etabliert und auch schon 133 32,1C. 141. 134 Vgl. LASSERRE 1966, 31. 135 Comum erhielt 89 v. Chr. unter Pompeius siedlungen erfolgten unter C. Scipio. Die siedlung einer Kolonie unter dem Konsulat chischen Einwohnern das Bürgerrecht gab: 136 5,1.1 C. 210.

Strabo, dem Vater des Magnus, das ius Latii; weitere AnStadt erfuhr eine bedeutende Fórderung und die NeuanCaesars 59 v. Chr., der den fünfhundert vornehmsten grie5,1,6 C. 213.

137 Diese werden aber im Unterschied zu denen des Agrippa oder Augustus nicht nüher beschrieben: 5,3,8 C. 236. 138 13,1.27 C. 594-595. 139 12,3,14 C 547. 140

12,3,11 C. 546.

141 142 143 144

12,4,3 C, 564. 10,49 C. 477. 142,19 C. 657, 14,5,14 C. 674-675.

3. Das Bild führender Römer

331

Pharnakes besiegt hatte, schlug den anrückenden Mithradates und tötete ihn 47 v. Chr. Asander regierte danach ca. dreißig Jahre lang das bosporanische Reich'!*”. Caesar ließ

andererseits das Vermögen des sagenhaft reichen Pythodoros aus Nysa, eines Freundes des Pompeius und des Vaters der späteren Königin Pythodoris, einziehen. Im Honoratiorenkatalog von Knidos wird von Strabon unter seinen Zeitgenossen Theopomp, ein weiterer „sehr einfluBreicher“ Freund Caesars, aufgeführt!*. In einem Exkurs über die Entwicklung der politischen Geographie und Verfassung Galatiens in Strabons Lebenszeit berichtet er, daß es unter Pompeius auf drei Fürsten oder Tetrarchen verteilt, dann unter Caesar ab 47 aber an zwei und schließlich 44 v. Chr. aufgrund von Caesars Testament durch Antonius an einen einzigen Dynasten, námlich zuerst Deiotaros und da-

nach an Mithradates von Pergamon, gegeben worden sei!^". In einem prodigium, über das Strabon in den Historika Hypomnemata berichtet, kündigte sich der Tod Caesars 44 v. Chr. an. Vorzeichen und Orakel von Bedeutung für das Leben berühmter Männer waren

also durchaus auch Thema der ‚wissenschaftlichen‘ strabonischen Universalhistorie!^5, 4. Antonius, andere Rómer und hellenistische Dynasten bis zur Schlacht von Actium Von der Ermordung Caesars bis zur Schlacht von Actium notiert Strabon in den Geographika eine beträchtliche Zahl von Fakten über prominente Römer und hellenistische Monarchen und Dynasten. Man gewinnt aufgrund der Zahl und des Inhalts ihrer Erwähnungen den Eindruck, daß große Individuen wie Sulla, Pompeius, Caesar, Marcus Antonius und Octavian mit ihren jeweiligen Freunden!? auch im Mittelpunkt der Universalhistorie gestanden haben. Die Taten der herausragenden Individuen jener Epoche und das Schicksal einzelner Stádte infolge der erneuten Bürgerkriege, ferner die Neuregelung der Verhältnisse im Osten durch Antonius in den 30er Jahren stellen in den Geographika bevorzugte Themen dar. Nach dem Tode Caesars überragen Antonius und Octavian alle übrigen Rómer und hellenistischen Dynasten in den Notizen Strabons so sehr, daß man bei der Lektüre seiner Oikumenegeographie die Jahre von 44 bis 31 v. Chr. als die Jahre der Auseinandersetzung zwischen Octavian und Antonius empfindet . Finige isolierte Notizen über die Bürgerkriegsepoche von 43-31 und die Kümpfe gegen die letzten Pompeianer ergeben noch kein klares Bild. Strabon erwähnt, daß der Galater Deiotaros zwischen 47 und seinem Tode 40 v. Chr. in einer seiner Festungen seine Tochter und den eigenen Schwiegersohn Kastor umbrachte. Diese Festung wurde spáter

durch die Römer niedergerissen!??, Dolabella, ein Caesarianer, tötete in Smyrna in Kleinasien den Caesarmörder Trebonius!5!, wurde aber 43 v, Chr. in Laodikeia von Cassius belagert und starb dort. Teile Laodikeias, damals nach Strabon der schónsten Stadt

Ioniens, wurden von Dolabella zerstórt!52, Q. Caecilius Bassus brachte mit zwei Kohorten

Apameia 44 v. Chr. zum Abfall und hielt sich dort lange Zeit gegen eine Belagerung durch zwei groBe rómische Heere, weil er von verschiedenen Phylarchen der Umgebung unter145 13,4,3 C. 625; vgl. zu einem Überblick der Ercignisgeschichte Heinen 1994, 63-79 und 1996, 81-101. 146 14,2,15 C. 656. 147 12,5,1 C. 567. 148 Plut, δος. 63,3—4 = FGrHist 91 F 19. Dieses Vorzeichen wird in der lateinischen Tradition jedoch zu anderer Zeit im Leben Caesars erwáhnt . 149 Vgl. zu einigen der folgenden Stellen über führende Römer GLAUNING 1936, Syme 1939 und 1986 Sowie DETTENHOFER 1992. 150 12,5,3 C. 568.

151 14,1,37 C. 646, 152 16,2,9 C. 752.

332

ll. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des swabonischen Geschichtsbildes

stützt wurde!®°, Strabon nennt Ptolemaios, Sohn des Mennaios, der Massyas und das Berg-

land der Ituräer beherrschte, Sampsikeramos und Iamblichos von Emessa, sowie von den Arabern Alchaidamnos, den Kónig der nomadischen Rhambaier dieseits des Euphrat. In den Alpen verlangten die Salasser von D. Brutus 43 v. Chr. einen Wegezoll von einer Drachme pro Mann, als dieser aus Mutina fluchtartig abrückte. Sie wurden erst durch M.

Valerius Messala Corvinus 35/4 v. Chr. unterworfen!5^, Aus der Geschichte des spanischen und sizilischen Raums in jenen Jahren interessieren Strabon die Biographie des Balbus, eines der bedeutendsten amici Caesars, und die

Auseinandersetzungen zwischen Octavian und Sextus Pompeius. L. Cornelius Balbus Gaditanus, einer der einfluBreichsten Finanzberater und Vertrauten Caesars, lieB 44—43 v.

Chr. als Quästor des Asinius Pollio seine Heimatstadt Gades um einen neuen Stadtteil erweitern. [9 v. Chr. feierte Balbus einen Triumph über die Garamanten, einen afrikanischen Stamm, mit dessen Eintragung die Notizen der altehrwürdigen fasti der triumphato-

res ihr Ende fanden!??. Die Söhne des Pompeius Magnus, von denen Strabon Gnaeus und Sextus? nennt, führten den Krieg gegen die Caesarianer noch bis 36/35 v. Chr. weiter. Vor allem Sextus Pompeius kämpfte in Iberien nach dern Tod des Gnaeus 45 v. Chr. und

später zur See rings um Sizilien zuerst gegen die Feldherrn Caesars" und dann die des Octavian weiter!??, Im Golf von Misenum gab es ein Schlupfloch für „Seeräuber“, in dem auch Sextus Pompeius sich um 43 v. Chr. aufgehalten und wo er eine Kaperflotte gegen Octavian zusammengestellt habe. Strabon erweist auch schon dem Triumvir Octavian die gleiche Loyalitát, die er später dem Prinzeps Augustus bewahrt. Denn er berichtet gar nichts über dessen blutige Rolle bei den Proskriptionen und fast nichts über seine Rolle im Bürgerkrieg von 44—42 v. Chr. Im Krieg gegen Sextus Pompeius stehen die Sympathien Strabons eindeutig auf Seiten Octavians. Denn Sextus Pompeius schädigte laut Strabon im Seekrieg die Polis Syrakus und andere griechische Städte auf Sizilien erheblich. Die

starken Befestigungen der Stadt Rhegium notiert Strabon ausdrücklich". Aus Sizilien nach der Seeschlacht bei Naulochos 36 v. Chr. vertrieben, muDte Sextus bald auch seine

Flottenbasis in Messana aufgeben und versuchte, nach Kleinasien zu fliehen!9?, Die Flottenführer des Sextus Pompeius gründeten nach seiner Flucht aus Sizilien regelrechte Räu-

berbanden!®!. Er selbst wurde in der Provinz Asia von P. Cornelius Dolabella gefangen und in Milet 35 v. Chr. hingerichtet!®, Menodoros von Tralleis, ein vornehmer Bürger, geriet als Opfer in die Auseinandersetzung zwischen Sextus Pompeius und Cn. Domitius Ahenobarbus. Eventuell 35 v. Chr. ließ dieser den Menodoros als angeblichen Parteigän-

ger des Sextus Pompeius hinrichten!®, T. Labienus verwaltete Asien und bereitete Rüstungen gegen Antonius vor, traf aber dabei in Mylasa und Laodikeia auf Widerstand und

bestrafte deshalb Mylasa hart!9^, Octavian dagegen versuchte als Staatsmann die Folgen 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163

162.10 C. 752-753; vel. App. civ. 3,77ff und Cass. Dio 47,27ff. 4,6,7 C. 205. 3,5.3 C. 169. 3.4.10C. 161. 32.2 C. 141. 6,2,3-4 C. 268. 6.1.6C. 258. 6.1.6 C. 258-259 und 6.2,3 C. 268, 5,4,4 C. 243, 3,22 C. i41. [4,1,42 C. 649.

164 14,2,24 C. 659-660. Hybreas von Mylasa stieg 40/39 v. Chr. dort zum Stadtherrn auf, stürzte dann aber

als ein Gegner des T. Labienus. Dics ist ein Beispiel einer in die Geographika eingelegten ‚Biographie‘ ut nuce.

3, Das Bild führender Römer

333

des Krieges für einzelne Städte zu lindern, indem er in Rhegium neue Siedler aus den

demilitarisierten Flotten an siedelte!55,

Diesen isolierten zeitgeschichtlichen Notizen steht bei Strabon eine ganze Reihe von Bemerkungen über Marcus Antonius gegenüber. Sie zeigen in ihrer Summe den Triumvin beinahe als einen hellenistischen Monarchen der östlichen Reichshälfte und ergeben ein Gegenbild zu Octavian/Augustus und seinen Taten. Strabon erinnert an den Sieg über

die Caesarmürder bei Philippi 42 v. Chr.!®, der hauptsächlich Antonius zugeschrieben wird. Die Siege des M. Antonius!® in der östlichen römischen Mittelmeerwelt hinterlassen auch in den strabonischen Geographika nachhaltige Spuren. Insgesamt schätzt Strabon das militárische Talent des M. Antonius hoch, verschweigt aber keineswegs seine durch eigene Fehleinschätzungen oder durch Verrat von Verbündeten verursachten gra-

vierenden Niederlagen im Angriffskrieg gegen Parthien und im Feldzug mit Kleopatra gegen Augustus.

Ein Thema, das den Historiker und Geographen Strabon sehr interessiert, sind die rómisch-parthischen Beziehungen. In verschiedenen Zusammenhängen notiert Strabon den Einfall der Parther bis in das Gebiet der Provinz Syria und ihre Abwehr durch rómische Feldherrn Anfang der 30er Jahre sowie den diplomatischen Ausgleich mit den Parthern in augusteischer Zeit. Strabon erinnert an die Schlacht von 39 v. Chr. zwischen

Ventidius Bassus und Phranikates, dem Strategen des Partherkónigs Orodes IL!*$. In der Nähe von Gindaros, der Hauptstadt der Kyrrhestike und einem natürlich befestigten Räubernest, lag Herakleion, wo Ventidius den Pakoros, den ältesten Sohn des Partherkónigs,

38 v. Chr. besiegte und tötete, als dieser gegen Syrien zog!*?. Die beiden Angriffskriege, die zuerst 53 v. Chr. die Rómer unter Crassus gegen die Parther uad danach 39/38 v. Chr. umgekehrt die Parther unter Pakoros gegen das rómische Syrien und Asten begannen,

scheiterten nach Strabons Meinung zu Recht. Strabon plädiert nämlich für eine Koexistenz beider Mächte unter Anerkennung eines römischen Primats, die sich in der augusteischen Zeit herausbildete. Deswegen verfolgt er auch die militärischen Ziete des Antonius kritisch!?0, Strabon berichtet ohne Beschónigung über den unglücklichen Feldzug des Antonius gegen die Parther unter Phraates IV, Er erinnert bei der Landesschilderung des kauka-

sischen Iberien daran, daß Pompeius und später auch im Jahre 36 v. Chr. Publius Canidius Crassus, ein Feldherr des Antonius, von Armenien nach Iberien einmarschierten!”!, Antonius se]bst rückte zusammen mit Artavasdes von Armenien, der ihm sechstausend Panzer-

reiter als Hilfstruppen stellte, 36 v, Chr. in Media Atropatene ein, wurde jedoch während des mühevollen Feldzuges von Artavasdes in die Irre geleitet und an die Parther verraten"?. Dadurch endete der Feldzug Strabon zufolge in einer Katastrophe. Nach Q. Dellius, einem Augenzeugen, zählt Strabon einige Festungen auf, die Antonius auf seinem

Feldzug an der Grenze zwischen Armenien und Atropatene belagerte!9. Artavasdes wurde später 34 v. Chr. von Antonius gefaßt und in Alexandreia kurz vor Actium wegen

seines Verrats hingerichtet"^. Die Atropatener erhielten durch eine Entscheidung des Anto165 6,1,6 C. 259. 166 7 Fr. 41 Jones; vgl. femer zu Philippi 14,5,14 C. 674 und 17.1.11 C. 797. 167 Vgl, über Marcus Antonius die Biographien von Huzar 1986 und CHamoux1989.

168 169 170 171 172

16,2,8 C. 751. Ebenfalls 16,2,8 C. 16,1,28 C. 748; vgl. 11,3,4fC. 500—501; 11,149 C, 530 und

751; vgl. auch 16,1,28 C. 748. zu den Partherfeldzügen BENGTSON 1974 und SCHIEBER 1979, 105—124. vgl. Plut. Ant. 34,10. 11,13,4 C. 524.

173 Der Text der Stelle ist z. T. korrupt. Die Orte sind daher kaum mehr identifizterbar. Antonius selbst belagerte u.a. die starke Festung Vera (11,13,3 C. 523).

174 11,14,15 C. 532; vgl. 16,1,28 C. 748; nach Cass. Dio 51,5 wurde er dagegen erst 30 v. Chr. von KleoPatra hingerichtet,

334

ΊΠ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

nius zwischen 36 und 31 v. Chr. Symbake zurück. Strabon bemerkt bei diesem Anlaß interessiert die Freundschaft der Atropatener zu den Römern und ihre prekäre Lage zwi-

schen Armeniem und Parthern'^, Antonius entwickelte sich nach Strabons Auffassung in den 30er Jahren zu einem hellenistischen Monarchen. Strabon teilt die weitverbreitete augusteische Propagandalegende, daß Antonius durch die Ränke und Verführungskünste der Kleopatra ins Unglück geraten sei und sich von ihr umgarnt schließlich gegen die römischen Traditionen und die Interessen Roms gestellt habe. Erhabe Kleopatra sogar zu seiner Gemahlin erklärt, mit ihr zusammen den Feldzug von Actium unternommen, sei nach der Niederlage mit ihr geflohen und 30 v. Chr. auch mit ihr in den Tod gegangen!”®. Kurz vor der Schlacht von Actium wurde Bogos, der König der Mauretanier und einer der wenigen aus der westlichen Mittelmeerhálfte mit Antonius verbündeten Klientelherrscher, in Methone von Agrippa

getótet?. Bogos und Bokchos waren schon vor 63 v. Chr. (und erneut 49 v. Chr.) durch den Senat als mauretanische Könige anerkannt und amici des römischen Volkes genannt

worden, Strabon notiert viele politisch-diplomatische Handlungen des M. Antonius zwischen Philippi und Actium, als dieser nominell noch als Triumvir, de facto aber wie ein hellenistischer Monarch in der östlichen Reichshälfte schaltete. Er setzte Klientelherrscher in den von Rom abhängigen Reichen ein und ab, veränderte Grenzen, übertrug ganze Städte und Regionen an seine Günstlinge, insbesondere an Kleopatra und ihre Familie. Sie erscheint in den strabonischen Notizen ganz im Sinne der augusteischen Propaganda als intrigante Kónigin. Ánders als in seinen Notizen über Pompeius, Caesar und Augustus notiert Strabon keine besonderen Aktivitäten des Antonius als Neugründer, Erneuerer oder Förderer der

kleinasiatischen griechischen Poliswelt. An der Einsetzung einiger Klientelherrschern durch Antonius und an einigen seiner persönlichen Eigenschaften und Vorlieben übt Strabon auch deutliche Kritik. Der Tod des Deiotaros 40 v. Chr. und die Abwehr des großen Angriffes der Parther gaben Antonius die Gelegenheit, die Verhültnisse im Osten in seinem Sinne neu zu regeln, um sich unter den dortigen Dynasten eine persónliche Klientel zu schaffen. Zenon, der Vater des Polemon, hatte sich schon durch loyale Gesinnung gegenüber Rom und Antonius, durch Tapferkeit in der Abwehr des parthischen Angriffs von 40 v. Chr., die Verteidigung von Laodikeia sowie andere Qualitäten als Regent in Teilen Kilikiens und Lykao-

niens seit 39 v. Chr. ausgezeichnet!?, Außer den Gebieten, die der römischen Provinz

Bithynia zugeschlagen worden waren, wurde fast das ganze ehemalige ponüsche Gebiet

39-37 v. Chr. Dareios!95, einem Enkel des Mithradates, unterstellt. Schon spätestens 37 v. Chr. ersetzte Antonius aber Dareios durch Polemon, den Sohn Zenons, der mit dem

Mithradatidenhaus oder anderen Dynastien der Region nicht verwandt war!*!. Arsakes, der Sohn des Pharnakes, wurde von Polemon und Lykomedes in Sagylion, nahe Amasela, 175 176 177 178 179

11,132 C. 523. 7,7,6 C. 325. 8,4,3 C. 359. 17,3,7 C. 828; zu Bogos auch 17,3,5 C. 827. Vgl. 14,2,24 C. 660 über den Widerstand des Zenon und des Hybreas von Mylasa, zweier ,Rhetoren',

gegen Labienus und die Parther; auch Appian tcilt die Einschátzung Strabons über Antontus, vgl. App.

civ, 5,75: Antonius habe nach seinem Belieben Könige im Osten eingesetzt, die ibm Tribute zahlen sollten, darunter Dareios in Pontos, Herodes in Sarnaria und Idumea, Amyntas in Pisidien und Polemon

in Teilen Kilikiens sowie als Herrscher des Gebietes von Ikonion. Weitere Dynasten von Gnaden des Antonius waren; Archelaos von Kappadokien, Antiochos IV. von Kommagene und sein Schwieger-

saha König Alexander von Judäa. Vgl. zu ihnen BUCHHEIM 1960 und Hoëen 1969.

180 App. civ. 5,75, 181 12,8.16 C. 578.

3. Das Bild führender Römer

335

ca. 36 v. Chr. im Kampf getötet, als er versuchte, die Herrschaft in Pontos zu gewinnen!#. Polemon beteiligte sich schon 36 v. Chr. als Klientelkönig von Pontos auf dem Feldzug

des Antonius gegen Media Atropatene!9? und erhielt von Antonius zwischen 35 und 32 v. Chr. noch Kolchis und Kleinarmenien zu seinem Herrschaftsgebiet hinzu. Damit spielte Polemon in der Region, die nach dem Untergang Mithradates’ VI. und des Tigranes dieseits des Euphrat keine mächtige Ordnungsmacht mehr außer den Römern kannte, eine nicht zu unterschätzende, stabilisierende Rolle. Auch m Kappadokien, Paphlagonien, Galatien und Kilikien schaltete und waltete Antonius in den 30er Jahren wie ein hellenistischer Monarch. Nora heißt eine Festung, in der Sisina seine Schätze verwahrte, der schon 41 ν, Chr. versuchte, die Königsherrschaft

über die Kappadokier zu erringen'®*. Als das kappadokische Königsgeschlecht des Ariobarzanes 36 v. Chr. ausstarb, setzte Antonius dort Archelaos δἰη85, obwohl dieser gar kein Kappadokier war. Deiotaros Philadelphos regierte in der Triumviratszeit als letzter König in Paphlagonien. Er war 36 v. Chr. seinem Vater Kastor gefolgt. Dieser war noch zugleich Herrscher über Galatien und Paphlagonien gewesen, doch Antonius hatte Galatien dann dem Amyntas gegeben. Deiotaros Philadelphos wechselte während der Schlacht von Actium im letzten Moment die Seiten und wurde von Augustus zum Dank für diesen

Verrat als Klientelherrscher bestátigt!96, Nachdem die gesamte Herrschaft über die Galater infolge des Testaments Caesars 44 v. Chr. an Deiotaros gelangt war, ging sie später 36

v. Chr. durch Antonius an Amyntas über!®”, Antonius schenkte holzreiche Gebiete an der kilikischen Küste, die für den ptolemáischen Flottenbau strategisch nützlich waren, 36 v.

Chr. Kleopatra und übergab ihr und ihrer Schwester Arsinoe IV. sogar Zypern!??. Diese problematischen Schenkungen!®? von Gebieten, die sich als Provinzen im Besitz des rómischen Volkes befanden, auf die aber andererseits auch historisch gewachsene ptolemäische Ansprüche bestanden, wurden alle von Augustus nach 31 v. Chr. revidiert. Strabon diskutiert die Rechtsfrage der Legitimität dieser Schenkungen nicht. In augusteischer Zeit erhielt schließlich König Archelaos von Kappadokien einen Teil des Rauhen

Kilikien um Elaiussa!?9, Strabon beschreibt mehrfach die Zusammenarbeit des Antonius und der Kleopatra mit anatolischen Dynasten, von denen einige kaum von Anführern von Räuberbanden zu unterscheiden waren. Das Priesterfürstentum von Olba zerfiel im Laufe der hellenistischen Epoche in mehrere Gebiete, die einzelne ‚Tyrannen‘ bzw. Anführer von Räuberbanden regierten; Antonius und Kleopatra hofierten z.B. auch Aba, eine kilikische Dynastin, mit Geschenken und überließen ihr 41 v. Chr. dort die Herrschaft. Sie

wurde aber 39 v. Chr. durch Polemon abgelöst, einen Mann aus ihrer eigenen Familie?!.

Strabon beschreibt auch die Ausdehnung der Macht des Dynasten Antipater von Derbe und Laranda. Die weiten Gebiete, die er in der Triumviratszeit beherrschte, gelangten in augusteischer Zeit teils an Amyntas, den Galaterfürsten, teils direkt an Rom und wurden 182 183 184 185

12,3,38 C. 560-561. Cass. Dio 49,25,4. 12.2,6 C. 537. 12,2,11 C. 540. Archelaos war der letzte König Kappadokiens und Kleinarmeniens. Nach ibm errichteten die Römer dort eine Provinz (12.1.4 C. 534),

186 12,3,41 C. 562. 187 12,5,1 C. 567; Amyntas übernahm zu Galatien nach 31 v. Chr. auch noch das Rauhe Kilikien. Nach Amyntas' Tod wurde dieses Gcbiet von Archelaos übernommen (14,5,6 C. 671). 188 Siehe 14,5,3 C. 669 und 14,6,6 C. 685; nach anderen Quellen wurden die Kinder der Kleopatra begünτρί. 189 Zu den Motiven und dem Umfang der wohlübertegten „Landschenkungen“ des Antonius an Kleopatra

siehe ScuRAPEL 1992. 190 12,1,2-4 C. 534-35; vel. auch 14,5,6 C. 671. 191 14.5.10 C. 672.

336

IIL Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Isaurien zugeschlagen!??, Tyrannenherrschaften und Zentren von Räuberbanden existierten auch berfürst' polis und indem er

in den Waldregionen des mysischen Olymp, wo noch in Strabons Zeit der ‚RäuKleon herrschte. Dieser machte ein früheres Dorf zu seiner Residenzstadt IulioKallydion zu seiner Hauptfestung. Kleon war zunächst dem Antonius nützlich, gegen Labienus vorging und dessen Kriegsvorbereitungen 40/39 v. Chr. behin-

derte, wechselte aber noch rechtzeitig auf die siegreiche Seite des Augustus und stieg daher nach Actium zum legitimen Dynasten, zuletzt sogar zum Oberpriester in Komana auf. Nur einen Monat danach starb er aber plötzlich an einer Krankheit, die Strabon als

eine Strafe der Gottheit wegen der Frevel Kleons ansieht!??, Strabon stellt es so dar, als habe Antonius persönlich dem Herodes die Königswürde bewilligt. Dieser behielt jedoch

seine Position bekanntlich auch unter Augustus!?*, Herodes wurde als fähiger Dynast und loyaler Freund der Römer von Antonius und dem römischen Senat zwar schon 40 v. Chr. zum Klientelkönig in Judäa bestimmt, konnte diese Position aber erst seit 37 ungestört ausfüllen, nachdem Antonius den Hasmonäer Antigonos in Antiocheia mit dem Beil hatte

enthaupten lassen, weil er im jüdischen Volk deutlich beliebter war als Herodes. Strabon bewertet diese Hinrichtung trotz seiner Loyalität für Rom als ein bedenkliches Ereignis, weil es das erste Mal war, daß die Römer ein Mitglied einer hellenistischen Königsfamılie

öffentlich hinrichten ließen!”, Amisos, das der ‚vergöttlichte‘ Caesar 47 v. Chr. befreit hatte, übergab Antonius bei seiner Neuordnung des Ostens angeblich wieder ‚den Kónigen'. Tatsächlich etablierte sich dort - wohl 36 v. Chr. — ein Stadtherrscher namens Straton. Indem Antonius hier eine von Strabon ausdrücklich gelobte Maßnahme Caesars umstürzte und die Freiheit einer hellenischen Polis beschnitt, beging er aus der Sicht des Historikers einen politischen Fehler. Auch die Phazemonitis, eine pontische Landschaft, wurde durch Antonius regio-

nalen Dynasten unterstelit!?6, Auch Amaseia, die Heimatstadt Strabons, verlor während

der Triumviratszeit (vermutlich durch Entscheidungen des Antonius) ihre lokale Autono-

mie!??, Gegen die Monarchie als Verfassungsform hat Strabon zwar keine prinzipielien

Einwände. Hellenistische Monarchen oder máchtige rômische nobiles sollten jedoch nicht in die bestehenden Freiheitsrechte und die lokale Autonomie alter Poleis eingreifen. Dem Ideal der städtischen Freiheit und Autonomie ist Strabon nämlich trotz seiner rom- und

prinzipatsfreundlichen Haltung gleichfalls verpflichtet!”®. Im Rückblick auf die schwieri-

gen Verhältnisse der Bürgerkriegszeit und nicht zuletzt auf die Maßnahmen des Antonius in Pontos, Galatien und Bithynien äußert Strabon kritisch, die römischen Führer hätten hier in ihren Entscheidungen die notwendige Kontinuität vermissen lassen. Denn sie hätten häufig neue Aufteilungen der Territorien getroffen, Könige und Dynasten eingesetzt (und wieder abgesetzt), einige Poleis für frei erklärt, andere aber Klientelkönigen und

Dynasten unterstellt, wieder andere unter direkter römischer Hoheit belassen'””. Ordnung

und Stabilität brachte nach Strabons Meinung erst wieder Augustus in die politische Geographie Anatoliens, der anders als Antonius auf die reorganisierten römischen Provinzen

und auf die Förderung des politischen Lebens der Städte setzte. Strabon referiert in seiner Beschreibung von Ephesos und des dortigen berühmten Artemistempels die wichtigsten Veränderungen des Umfangs des Ternpelasyls unter Alexander, Mithradates Eupator, An192 193 194 195 196 197

12,6,3f C. 569. 12,8,8-9 C. 574-575, Vel. ua. 16,2,46 C. 765. Ios. ant, Iud. 15,8-10 = FGrHist91 F 18. 12.3.38 C. 561. 12,3,39 C. 561.

198 12,3,14 C. 547; su, Strabons Notiz zur Absetzung Stratons als Tyrann von Amisos durch Augustus. 199

12,3,1 C. 541.

3, Das Bild führender Rômer

337

tonius (wohl 41 v. Chr.) und später Augustus (vermutlich 31/30 v. Chr.). Dieser machte

auch hier eine Maßnahme des Antonius rückgängig. In solchen Detailinformationen liebt es der Kulturgeograph Strabon, als Historiker den großen Bogen von Alexander bis Au-

gustus zu schlagen?®,

In hellenistischer Manier erhob Antonius seine engen φίλοι zu hohen Ehrenstellen. Er

setzte z.B. den Kitharöden Anaxenor 41 v, Chr. über vier Städte als Steuereinnehmer ein

und gab ihm hierfür auch Truppen in die Hand?', Den Philosophen Boethos, von dem Strabon eine sehr schlechte Meinung hat^"?, beförderte er zum Stadtherrscher in Tarsos. In der Tradition der hellenistischen Herrscher und des Pompeius umgab sich auch Anto-

nius mit Historikern, die seine Feldzüge als Begleiter panegyrisch beschreiben sollten.

Quintus Dellius, der Historiker der Feldzüge gegen die Parther, ist eine wichtige Quelle Strabons, der aber auch einen Medios als Historiker über Armenien erwähnt?®. Während sich unter den Notizen über die militärische Karriere des Antonius großartige Siege und

katastrophale Niederlagen fast die Waage halten, er aber doch bei Strabon als bedeutender Feldherr gilt, entsprechen seine selbstherrlichen politischen Anordnungen und seine Diplomatie 1m Osten nach Strabons Auffassung nicht dem rómischen Interesse und besten rómischen Traditionen. Einige von Antonius persónlich gefórderte Dynasten oder Kónige bezeichnet Strabon sogar als ungeeignet oder persónlich ihrer Stellung unwürdig. Die persónliche und politisch-militärische Abhángigkeit des Antonius von Kleopatra und den ptolernäischen Ressourcen findet seine strenge Mißbilligung. Einzelne weitere Notizen werfen ebenfalls auf Antonius kein gutes Licht. So raubte oder erpreßte er frevelhaft zahlreiche Standbilder und Weihgeschenke aus Stádten und Heiligtümern und schenkte diese

Kleopatra. Augustus gab diese Raubstücke als frommer Mann später wieder zurück, In unverantwortlichem Eskapismus baute dagegen M. Antonius sich nach der Niederlage von Actium in Alexandreia das ,Timoneion', in das er sich in seinen letzten Tagen zurückzog. Beim Einmarsch der siegreichen Gegner gaben sich schließlich Antonius und Kleopatra selbst den Tod und besiegelten damit das Ende der ptolemáischen Dynastie. Für die proaugusteische Tendenz Strabons ist es wichig, daB er hier Antonius und Kleopatra zu-

sammen als die beiden letzten Ptolemäer ansieht?®, 5. Strabons Notizen über Augustus Aufgrund der prominenten Stellung, die Augustus in den drei übergreifenden Passagen der Geographika über die Hauptstadt Rom, den Aufstieg Roms zur Weltmacht und im

abschlieBenden Überblick über das römische Weltreich (stehe Kapitel III.2) einnimmt, erwartet man, daß er auch an zahlreichen weiteren Einzelstellen in den Geographika erwähnt wird. Tatsächlich ist Caesar Augustus die in dieser Kulturgeographie am häufigsten erwähnte politische Persönlichkeit?®%, Es folgen mit knappem Abstand Alexander der 200 201 202 203 204

14,1,23 14,1,41 14,5,14 Dellius: 13,1,30

C. 641. C. 648; vgl. auch Plut. Ant, 24,2. C. 674. 11,13,3 C. 523; Medios: 11,14,12 C. 530. C. 595 und 14,1,14 C. 637.

205 Timoneion: 17,1,9 C. 794; Selbstmord und Ende der Dynastie der Ptolemäer: 17,1,10 C. 795. 206 Vel. zur Einordnung der zahlreichen Einzelnotizen Strabons in die Biographie des Augustus und zur Einschätzung des augusteischen Prinzipates u.a. Bowersock 1965, MiLLAR und SEGAL (Hgg.) 1984, KIENAST 1982, SyME 1986, 1989 und 1995, Christ 1988, HEILMEYER (Hg.) 1988, BiNpER (Hg.) 1987, 1988 und 1991, ScHMITTHENNER (Hg.), 1985, RAaFLAUB und TOHER (Hgg.) 1990 (darin für die vorlie-

gende Untersuchung besonders wichtig Ever 1990, 71-122 und Gruen 1990, 395—416), GaLinsKY

338

IIL Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Große, dann Caesar, Pompeius und Antonius. Trotz des unpersönlich-sachlichen Stiles der Geographika fallen seine gegenüber Augustus durchgehend positive Einstellung und verschiedene außergewöhnlich deutliche persönliche Bemerkungen Strabons auf. Dies hat wichtige Konsequenzen für das Geschichtsbild Strabons und seine Sicht der helleni-

stischen Epoche von Alexander bis Augustus. Für den Historiker und Geographen Strabon sind die großen politisch-diplomatischen Erfolge des Augustus, die Sicherung der pax Augusta und auf ihrer Basis des materiellen Wohlstandes der Provinzen sowie der Fortschritte in den Wissenschaften und in der Ausbreitung der griechisch-römischen Zivilisation auch unter den erst jüngst unterworfenen Barbarenstämmen die eindrucksvollsten Leistungen des Prinzeps. Strabon würdigt diese friedlichen Erfolge nachdrücklicher als die rein militärischen. Augustus ist für ihn der Friedensherrscher der Mittelmeeroikumene, der ‚Vater der Völker‘, Garant des äußeren und inneren Friedens und einer wohlorganisierten Reichsverwaltung. Demgegenüber tritt

der siegreiche Bürgerkriegsgeneral, Parteiführer und aggressive Erweiterer des Reiches im iberischen, keltisch-germanischen und illyrischen Gebiet in den Hintergrund. Nicht auf militärischem Gebiet, sondern durch seine politisch-administrativen Leistungen überragt Augustus aus der Sicht Strabons auch Pompeius, Caesar und Antonius sowie unter den Mitgliedern des regierenden julisch-claudischen Hauses Drusus, Agrippa, Germanicus und seinen Nachfolger Tiberius. Auffällig wenig berichtet Strabon über die militärischen Taten des Augustus vor der Schlacht von Actium. Wir erfahren keine Details über die nur schwer zu glorifizierende und deshalb lieber zu verschweigende Rolle des Triumvirn Octavian von der Ermordung Caesars bis zur Beendigung des Krieges gegen Sextus Pompeius (z.B. bei den blutigen Proskriptionen). Strabon konzentriert sich überwiegend auf den Prinzeps Augustus nach dem Sieg von Actium. Wir hören aber beiläufig, daß er zuvor auf Sizilien erfolgreich

Krieg gegen Sextus Pompeius führte und daß Octavian zusammen mit seinem Feldherren M. Valerius Messala Corvinus die Seeräuberei der Iapoden, eines illyrisch-keltischen Mischvolkes, an der venetischen Küste in den späten 30er und frühen 20er Jahren beendete. Augustus rühmte sich selbst in seinem Tatenbericht, daß er das Meer von den Piraten befreit habe. Damit meinte er aber in malizióser Formulierung vor allem seinen Sieg über

Sextus Pompeius und dessen Flotte?”, Dieser Abstempelung der gegnerischen Bürger-

kriegspartei des Sextus Pompeius und der Reste seiner Flotte als ,Seeráuber' im Tatenbericht des Kaisers schließt sich auch Strabon kritiklos an. Er lobt auch das Vorgehen des

Prinzeps Augustus gegen andere echte Seeráuber, obwohl er zuvor schon die vollständige Niederwerfung der Piraten des Mittelmeeres durch Servilius Isauricus und Pompeius be1996 sowie BOwMAN, CHAMPLIN und LINTOTT (Hgg.) 1996 = CAH Vol. X?, darin insb, Crook 1996a/b und GRUEN 1996,

207 Vgl. Augustus Res gestae 25,1 über Sextus Pompeius als ,Seeráuber* mit 5,4,4 C. 243; 3,2,5 C. 144 über den ungefährdeten Schiffsverkchr aufgrund des gegenwärtigen Friedens in Iberien; in 4,6,10 C.

207 und 7,5.4 C. 314 erinnert Strabon an die durch Octavian/Augustus selbst geleiteten Aktionen gegen die Sceráuberei der lapoden an der keltisch-venetischen Küste, in 14,3,3 C. 665 an die Ausrottung

der Piraterie an der lykisch-pamphylischen Küste (eigentlich schon unter Pompeius) und in 16,2,20 C. 756 an die Niederwerfung der Räuberbanden des Zenodoros in Syrien; siehe zur sicheren Schiffahrt auf den Meeren und dem aufblühenden Handel Ägyptens in augusteischer Zeit auch 17,1,7 C. 793. Troiz dieser schöngefärbten Notizen Strabons und des Selbstlobs des Prinzeps gab es auch in au-

gusteischer Zeit weiterhin schwere Seeräuberplagen; eine davon ist z.B. 6 n. Chr. (Cass. Dio 55,28,1) in den Seegebieien um Sardinien bezeugt (vgl. allgemein zum nie ausgerotteten Übel der Piraterie Cass. Dio 36,20,1); zur Einordnung der Notizen Strabons in den Stand der Forschungen über Piraterie und Räuber vg). Pon. 1993, BraunD 1993, 195-212 und Tramontı 1994 (n.v.), ferner aus der älteren Lit. ORM£ROD 1924, ZigBARTH 1929, GARLAN 1978, 1—16, CLAVEL-LÉVÉQUE 1978, 17-32 und KALETSCH

1986, 470-500.

3. Das Bild führender Römer

339

hauptet hatte. So diente Octavian Forum Iulii (Fréjus) an der südfranzösischen Küste als

Flottenbasis gegen Piraten?®®, Ferner warf er die Pannonier und Arupiner nieder"? Octavian eroberte 34 v. Chr. viele befestigte Plätze an der illyrisch-dalmatischen Küste und

zerstörte dabei Salona, Priamon, Ninia und Alt- und Neu-Sinotion?!®, Strabon erinnert ferner an die endgültige Niederwerfung der kriegerischen und ‚räuberischen‘ Alpenstämme der Salasser nach über hundert Jahre dauernden Auseinandersetzungen durch den augusteischen Feldherrn Terentius Varro. Die Salasser siedelten in der Mitte des Alpen-

bogens?!!, in einem großen Tal mit wichtigen Goldvorkommen, und beherrschten die strategischen Alpenübergánge nach Lugdunum?!?, Der Prinzeps Augustus habe viele Salasser in die Sklaverei verkaufen und zur Kontrolle des Gebietes die Kolonie Augusta Prae-

toria (Aosta, südlich des Großen St. Bernhardpasses) gründen lassen?'", In den bekannten Alpen-, Illyrer- und Germanenkriegen während der Regierungszeit des Augustus wird der Anteil der dort tatsáchlich kommandierenden Verwandten des Prinzeps, Drusus, Tiberius und Germanicus am Sieg von Strabon anerkannt. Doch es steht durch die Notizen über den epochalen Sieg von Actium und die Vollendung der Weltherr-

schaft im Westen erst durch die Siege über die iberischen Kantabrer?!^ außer Frage, daB Augustus für Strabon ein hervorragender Feldherr ist. Sein persónlicher Anteil an den Siegen auf diesen beiden Kriegsschauplátzen wird unterstrichen, am meisten aber rühmt Strabon die Leistungen des Augustus bei der Kampagne von Actium und der Eroberung

Ägyptens, weil diese Ereignisse das Fundament der neuen Prinzipatsordnung legten. Augustus sandte (vermutlich 25/24 v. Chr.) den zweiten Präfekten Agyptens, Aelius Gallus, mit

einem Heer gegen die arabische Halbinsel?!5, Strabon berichtet aus erster Hand informiert und sehr ausführlich über den Feldzug, dessen geringen Erfolg er beschönigt?!®. Unvorsichtige Handlungen seines persónlichen Bekannten Gallus und dessen Mangel an 208 4,1,9 C. 184. 209 4,6,10 C. 207, 7,35,4 C. 314 und ferner 4,6,7 C. 205. Die Erweiterung der römischen Macht bis zur Donau wird auch von Augustus in seinen Res gestae 30 und in der Autobiographie betont, ähnlich bei Nikolaos von Damaskos FGrHist 90 F 125. 210 7,5,5 C. 315. An diese illyrisch-dalmatischen Feldzüge erinnerte Augustus selbst nachdrücklich in seiner Autobiographie (vgl. KigNAsT 1982, 182). 211 5,1,3 C. 211. 212 4,6,11 C. 208.

213 4,6,7 C. 205 zum Beginn der Kämpfe im 2. Jh. und zu Terentius Varros Sieg 4,6,7 C. 206. 214 215

3.3.8 C. 156, 6,4,2 C. 287 und 17,1,54 C. 821. BuscuMaNN 1991, 85—93 hält am traditionellen Datum 25/24 gegen Jameson 1968, 71-84 fest, die für 26/5 plädiert hatte, vgl. zur Chronologie und zu den Zielen des Kriesgzuges auch von WissMANN 1976,

119-126 und Marek 1993, 121-156. In der Forschung werden heute überwiegend ökonomische Gründe für diesen Arabienfeldzug genannt, Politisch strebte Augustus nach einer indirekten Form der rómischen Herrschaft auf der arabischen Halbinsel. Außerdem stand nach Strabons Andeutungen die Expedition auch im Kontext der imitatio Alexandri des Augustus: sie entsprach im Südosten dem Drususzug von 12-9 v, Chr. im Nordosten der Oikumene (Buschmann 1991, 86 Anm. 8); zur Einordnung in die römische Arabienpolilik siehe Bowersock 1983 und Buschmann 1991, 92: „Der eigentliche Gegner

Roms in Südarabien war also der neue Staat der Himyar, aus dessen Hand der Handel genommen werden sollte. Diese Ziele wurden nicht erreicht, und so muB die Expedition auch weiterhin als Fehlschlag angesehen werden.“ Strabon, Plinius und Ptolemaios sind die literarischen Hauptquellen zur Ethnographie der arabischen Halbinsel in römischer Zeit (vgl. Macanam 1989, 289-320 mit Karte). MAYERSON 1995, 17-24 äußert Zweifel an der von Strabon berichteten Chronologie des Feldzuges

(insb. wegen des Zeitraumes für den Bau der Kriegs- und Transportschiffe des Gallus).

216

Gallus habe Arabien „beinahe erobert“ (16,4,22-24 C. 780-782; vgl. 17,1,53—54 C. 819-20), sei aber dann durch Verrat des Syllaios, eines verbündeten Nabatäerfürsten, gescheitert (16,4,22-24 C. 780-

782 und 17,1,53 C. 819). Diese Darstellung stimmt mit dem Anspruch des Augustus in den Res gestae

überein, Arabien sozusagen schon erobert zu haben. Syllaios wurde (5 v. Chr.) in Rom wegen seines ,Verrats* hingerichtet, und dies findet die volle Billigung Strabons (16,4,24 C. 782).

340

HII. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsb ildes

militärischer Erfahrung in der Region verschweigt er. Erst durch diesen Feldzug sei Ara-

bia Felix der römischen Welt näher bekannt geworden?!" Einige Standbilder des Augu-

stus seien allerdings durch meroitische Truppen, die Südägypten angriffen?!®, niederge-

worfen und verschleppt worden. C. Petronius führte laut Strabon daraufhin jedoch einen

siegreichen Rachefeldzug gegen das Reich von Meroe. Im Nordwesten bezwang der Prinzeps Augustus selbst erneut (wie zuvor nur Iulius Caesar) die gesamte Keltike?!?, als ihre Stämme einen Aufstand gegen die römische Herrschaft versuchten. Augustus sandte ferner Strabon zufolge ein Heer an die Donaufront gegen die Geten, obwohl diese inzwischen militärisch schon weniger bedrohlich geworden waren als zur Zeit Iulius Caesars

und des Burebistas. Denn die Geten hatten sich inzwischen in fünf Teilreiche gespalten und wurden außerdem schwer durch die Daker und deren Verbündete, u.a. die Skordisker,

bedrängt??°. Im Auftrage des Augustus unterwarf sein Feldherr P. Sulpicius Quirinius

auch die Homonadenser im Gebirge Pisidiens, nachdem diese den romfreundlichen Gala-

ter Amyntas überfallen und getötet hatten??!, Quirinius ließ die gefürchteten Bergfestun-

gen der Homonadenser schleifen und diese räuberischen Barbaren in städtischen Siedlun-

gen unter römischer Kontrolle ansiedeln. Strabon notiert also zusammenfassend vom äuBersten Nordwesten bis in den tiefen Südosten der Oikumene repräsentative militärische Siege des Augustus oder seiner Feldherren. Weniger erfolgreiche Kriegszüge werden in ihren Ergebnissen im Sinne des Prinzeps und seiner Armeeführer beschönigt. Es überwiegen in den Geographika aber die friedlichen Leistungen des Prinzeps als

Diplomat, Administrator und väterlicher Friedensherrscher der Völker der Oikumene. Es ergibt sich aus vielen Einzelinformationen der Gesamteindruck, daB sich Augustus er-

folgreich um die Administration aller Regionen seines Oikumenereiches kümmerte: Augustus bestimmte drei Legionen für die militärisch-politische Sicherung von Hispania Tarraconensis und ganz Iberiens. Seine iberischen Provinzen lieB er durch einen Legaten

im Range eines Proprätors (in der Hispania Baetica) oder eines Prokonsuls (in der Hispania Tarraconensis), ferner durch verschiedene Prokuratoren verwalten??2. Er gründete in Iberien wich ige Städte mit propagandistisch gewählten Namen, u.a. Augusta Emerita, Pax Augusta? und - bei Strabon nicht ausdrücklich genannt — Pax lulia. Manche Keltiberer, einst unter den härtesten Gegnern Roms und wildeste Barbaren, gehörten unter Augu-

stus schon zu den fogati, den Angehörigen griechisch-rómischer Kultur”, Auch in Gallien habe ein nachhaltiger Prozeß der Zivilisierung und Romanisierung der früheren Barbaren eingesetzt, der sich für Strabon in einer weit verbreiteten, blühenden Landwirt-

schaft, einer zunehmenden Zahl von Städten und beginnenden kulturellen Assimilation

der Elite der Kelten niederschlügt^?. Augustus teilte Gallien in vier Regionen ein, die

Narbonensis und die Tres Galliae (Lugdunensis, Aquitania und Belgica)?*. Strabon beschreibt den Altar und das Standbild für den Provinzialkult für Augustus und Roma der

siebzig gallischen civitates in Lugdunum??”. Ein Teil der Aquitanier besaß schon das lati-

nische Recht?28, Selbst die Kimbrer sandten an Augustus eine Gesandschaft, die ihm als 217 2,5.12 C. 118 und 16,422 C. 780. 218

17.1.54 C. 820.

219 6,4,2 C. 287 und 4,5,3 C. 200. 220 7.3,11 C. 304 und 7,52 C. 313.

221 Zu Sulpicius Quirinius vgl. Tac. ann. 3,48 und 12,6,5 C. 569 sowie SvwE 1995, 257-269. 222 223 224 225

3.3.8 C. 156 und 3,420 C. 166-67. Augusta Emerita (Merida): 3,2,15 C. 151: Pax Augusta (Bajadoz): 3,2,15 C. 151. 32,15 C. 151 und 3,4,20 C. 167. Vgl. 4.1.2 C. 178, 4,1,14 C. 189, 4,4,2 C. 195 und 44,3 Ὁ, 197.

226 Vgl. aber noch zur älteren cacsarischen Dreiteilung Galliens 4,1,1 C. 177. 227 4,3,2 C. 192,

228 4.2,2 C. 191 und über diese Region auch 3,4,10 C. 161, 4,2,1—2 C. 189-191 und 4,6,11 C. 208.

3, Das Bild führender Rômer

341

ehrenvolles Geschenk ihren größten Opferkesse] überreicht und die Oberhoheit des Au-

gustus anerkannt habe??. Augustus habe lediglich durch seine auctoritas und obne Waffengewalt erreicht, daß sich die Häuptlinge der Britannier ihm unterwarfen und in einer Gesandtschaft um seine Freundschaft nachsuchten???, Über die zuvor nur schwer passierbaren Alpen ließ der Prinzeps trotz der großen topograpischen Schwierigkeiten sichere und schnelle Verbindungswege von Oberitalien nach Gallien und an die Rhein-DonauFront errichten??!. Aus freiem Entschluß überließ laut Strabon schon Augustus (und nicht erst Tiberius 16 n. Chr.!) die germanischen Vólker ihren inneren Streitigkeiten und verzichtete vorerst auf eine direkte Beherrschung der germanischen Barbarengebiete im garstigen Nordosten Europas?” in Form von Provinzen, nachdem Drusus, Tiberius und Germanicus die meisten Germanenstámme zwischen Rhein, Elbe und Donau an sich schon unterworfen und damit die Grundlagen einer künftigen Provinzialisierung der Germania magna gelegt hatten. Augustus förderte sogar einige germanische Fürsten, z.B. Marbod, dem in seiner Jugend in Rom eine gute Erziehung zuteil wurde. Als Herrscher der Markomannen unterwarf dieser jedoch später viele Völker und entwickelte sich zu einem sefährlichen Gegner Roms, der in frühtiberischer Zeit im Böhmischen

Kessel herrsch-

ι6253͵ Auch in Italien und auf den umliegenden Inseln sorgte Augustus für viele Verbesserungen. Er schützte die Hauptstadt Rom vor den häufigen verheerenden Bränden durch die neue Organisation der Feuerwehrbrigaden und durch Vorschriften über die zulässige Höhe von Häusern. Außerdem verschönerte er zusammen mit anderen Mitgliedern seiner Familie in großem Stile die Hauptstadt durch repräsentative Bauten. Strabon beschreibt besonders ausführlich das Mausoleum (und zwar schon mit dem Standbild des verstorbe-

nen Augustus)?^, Die Neapolitaner erhielten 29 v. Chr. im Tausch gegen Kapreai (Capri), das Augustus als kaiserlichen Privatbesitz im Golf von Neapel übernahm, vom Prinzeps Pithekussai (Ischia) zurick??°. Er schickte Ansiedler nach Syrakus, Rhegium und Katane zur Fórderung dieser Städte, die im Krieg gegen Sextus Pompeius schwer gelitten hatten, Mit diesen Notizen stellt Strabon Augustus in eine Traditionslinie mit Caesar, der in Korinth und Karthago neues städtisches Leben begründet hatte.

Aus Ägypten kehrte Augustus nach seinen Siegen von 31/30 v. Chr. über Samos zum

Aktischen Triumph zurück*?”. Er ließ zur Erinnerung an seinen Sieg bei Actium dem Apollon einen Tempel errichten und gründete Nikopolis (bei Preveza), das rasch zum neuen Zentrum der Region anwuchs und das Strabon recht ausführlich beschreibt”??. Der Prinzeps weihte die erbeuteten Schiffsschnübel aus der Seeschlacht seinem persónlichen Schutzgott Apollon im neuen Tempel in Actium und erneuerte die Aktischen Spiele. Er siedelte in die neue Stadt Einwohner mehrerer veródeter Städte des Umlandes um, und Anaktorion wurde ihr Handelshafen, Strabon zufolge war Nikopolis schon wenige Jahre nach der Gründung eine volkreiche und durch das Heiligtum des Apollon berühmte Stadt jn raschem Wachstum. Von der Lage der Aitoler und Akarnanen zeichnet Strabon dage229 230 231 232 233

7,2,1-2 4,5,3 Ὁ, 4,66 C. 7.1.4 C. 7.1.3 C.

C. 293-294, 200. 204. 291. 290.

234 5,3,7-8 C. 235-236; siehe zur strabonischen Rombeschreibung auch hier Kapitel IIL2.1. 235 5,49 C. 248. 236 Syrakus: 6,2,4 C. 270, Rhegium: 6,1,6 C. 259 und Katane: 6,2,4 C. 272. 237 _10,5,3 C. 485, 20. 238 7,1,5-6 C. 324-5; 10,22 C. 450 und 102.7 C. 451. Zur Entwicklung der bedeutendsten Poleis in

A Hellas unter Augustus siche kürzlich BOHME 1995.

342

IN. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

gen ein düsteres Bild. Sie seien durch ihre langen Kriege gegen Makedonen, Hellenen und Römer erschópft??, Dies gilt nach Strabons Meinun g noch mehr für die Epiroten, die

schon unter den massenhaften Deportationen unter Aemilius Paullus 167 v. Chr. dauer-

haft gelitten hätten. Doch übertreibt Strabon hier vermutlich den Niedergang der städtischen Siedlungen in Akarnanien und Aitolien, wie neuere Surveys und archäologische

Grabungen in diesen Regionen erkennen lassen29. In Korinth empfing Augustus nach

Actium einen Gesandten der armen Inselpolis Gyaros und erließ dessen Einwohnern groß-

mütig ihre finanziellen Verpflichtungen?*!. Der Prinzeps erließ auch den Einwohnern der Insel Kos hundert Talente Steuerschuld und erhielt dafür von ihnen die berühmte Statue der ‚Aphrodite Anadyomene‘,

die er zu Ehren seines Vaters Caesar als Abbildung der

Stammutter der gens Julia in Rom aufstellte?*2. Gesandte der Meroiten wurden von Augu-

stus in Samos (19 v. Chr.) empfangen?*. In Patras, Dyme und Buthrotos in Griechenland wurden nach Actium römische Kolonien durch Augustus angelegt?^*. Es ist unwahrscheinlich, daß alle augusteischen Kolonien, die Strabon in den Geographika erwähnt, schon in seinen Historika Hypomnemata genannt waren. Sie sind teilweise so jungen Datums, daß sie ihm möglicherweise erst bei der Abfassung der Geographika bekannt wurden. Die Geschichte der Provinz Asia erwähnt Strabon nur bei ihrer Einrichtung und bei der Übersicht über das römische Reich in augusteischer Zeit. Er legt aber keinen Exkurs über ihre gesamte Geschichte von 129 v. Chr. bis in tiberische Zeit ein, sondern bringt nur Einzelbemerkungen über die Geschichte einzelner Städte und prominenter Bürger Asiens. Die Könige Armeniens waren nach Strabons schönfärbender Aussage von Augustus völlig abhängig”. Augustus schickte Tiberius nach Armenien, als er selbst auf dem Wege

nach Syrien war, um dort den römischen Einfluß geltend zu machen“, Nach Actium befreite Augustus die Stadt Amisos von der Herrschaft Stratons. Strabon formuliert dies so, daß ihre πολιτεία wiederhergestel!t worden sei. Die Einwohner knüpf-

ten daran ihre Freiheitsära, und ihre Polis erlebte in augusteischer Zeit eine neue Blüte?^". Straton war einer der Klientelherrscher des Antonius, der ihm im Rahmen seiner Politik

der „Parzellierung des römischen Vorfeldes durch petty dynasties"? diese Stadt überge-

ben hatte, Auch Herakleia erhielt seine alte städtische Existenz zurück?®, das nun als freie Stadt zur Provinz Pontus zähle, Nach dem Sieg von Actium wurde ferner Adiatorix, der sich mit Unterstützung des Antonius zum Herren eines Teiles des Gebiets der Polis Herakleia gemacht hatte und sogar gegen in der Nähe siedelnde Römer gewaltsam vorgegangen war, mit einem seiner Söhne von Augustus zur Strafe hingerichtet. Doch ein anderer Sohn des Adiatorix, Dyteutos, wurde bald danach als ‚Wiedergutmachung‘ an der Familie des Galaters mit der Priesterstelle und der δυναστεία in Komana ausgezeichnet, die sein

Vater zuvor schon einige Jahre innegehabt hatte. Strabon biegt mit diesem Zusatz den Bericht über die gerechte Bestrafung des Adiatorix um in ein Beispiel für die clementia

Caesaris des Augustus290. 239 9.4.11 C. 427 und 10,2,23 C, 460, 240 Vgl. Funke 1991, 174—193, insb. 184ff. 241 10,5,3 C. 485-486. 242 14,2,19 C. 657; vgl. Plin. nat. 35,27 und 35,91 und dazu GALSTERER, Kunstraub 1994, 862. 243 17,1,54 C. 821. 244 Zu siche Patras 8,7,5 C. 387 und vgl. 10,2,21 C. 460; zu Dyme 14,3,3 C. 665 und zu Buthrotos 7,7,5 C. 324,

245 246 247 248

11,14,15 C. 532, 17,1,54 C. 821. 12,3,14 C. 547, Marek 1993, 52; ebd, 49ff über Antonius’ Weggabe der πολιτεῖαι in der Region an Dynasten und 51ff

über die Wiederherstellungen unter Octavian/Augustus mit allen Belegen. 249 12,3,6 C. 542-543, 250 12,3,35 C. 558-559,

3, Das Bild führender Römer

343

Verschiedene Kunstwerke aus ägyptischen, griechischen und kleinasiatischen Heiligtümern, die Antonius der Kleopatra geschenkt hatte, gab Augustus den alten Besitzern als

Zeichen seiner beispielhaften Gerechtigkeit und Frömmigkeit wieder zurück. Strabon erinnert wohlwollend an diese große Propagandaaktion. Dazu gehörten z.B. wertvolle Standbilder aus dem Heraion in Samos. Eine Zeusstatue wurde jedoch von Augustus dem Kapi-

toltempel in Rom geweiht?!. Augustus und Tiberius schenkten dem durch Erdbeben

schwer zerstörten Laodikeia in Großphrygien hohe Summen zum Wiederaufbau der Stadt

und bewährten sich damit in der Notlage nach dieser Katastrophe als Euergeten ihrer

Untertanen??. Augustus gründete neben anderen Kolonien eine römische Bürgerkolonie in Kremna in Pisidien?*?, die auch ausdrücklich vom Prinzeps selbst in den Res gestae erwähnt wırd. A. Terentius Varro Murena beendete ım Auftrage des Augustus im Rahmen der augusteischen Förderung von Städten und Provinzen zwischen 30 und 23 v. Chr. die ‚tyrannische‘, d.h. dynastische, Herrschaft auch bei den Kibyraten””*. Strabon begrüßt das Scheitern der Verschwörung des Fannius Caepio und angeblich auch eben dieses Murena 23 v. Chr. gegen Augustus nachhaltig und ist von seiner ‚Schuld‘ und andererseits von der Unschuld seines Freundes, des Philosophen Athenaios, in dieser Sache überzeugt. Die Episode dient Strabon als ein Beispiel der μετριότης (clementia) und vorbildlichen Ge-

rechtigkeit des Augustus, der Athenaios freisprach#. Die Notiz über die Entdeckung der Verschwörung des Murena korrespondiert mit den Bemerkungen Strabons über die Entdeckung der angeblichen Verschwörung des Philotas und Parmenion gegen Alexander. Es überrascht wenig, daß der Pontier Strabon in seine Geographika wertvolle Notizen

zur Geschichte der Gebiete des ehemaligen Reiches des Mithradates Eupator bis zur Zeit des Augustus einlegt. Allerdings addieren sich diese Notizen nicht zu einer kontinuierlichen Geschichtsdarstellung und fügen sich nicht zu einem kohárenten politischen Gesamtbild zusammen. Beides darf man aber in den Historika Hypomnemata erwarten. Weitere historisch-politische Einzelbemerkungen über die Küstenregionen des Schwarzmeergebietes haben vermutlich im heute nicht mehr erhaltenen Endteil des 7. Buches der Geographika gestanden. Es ist für Strabon selbstverstándlich und es wird ohne jede nostalgische Erinnerung an die machtvollen Tage des Mithradates Eupator konstatiert, dab das Kónigreich Pontos und das bosporanische Reich in der Triumviratszeit und der augusteischen Ära in völliger Abhängigkeit von Rom stehen. Einzig Rom setzt hier die Kli-

entelkónige ein oder ab^, Wichtige Veränderungen der politischen Geographie seiner Heimat und des bosporanischen Reiches, die sich nach dem Tod des Polemon (wohl 8 v.

Chr.) unter Aspurgos bis zum Jahr der letzten Nachträge in den Geographika (24/25 n. Chr.) vollzogen, hat Strabon nur in seltenen Ausnahmefällen eingebaut, weil er seine Beschreibung auch dieser Regionen auf dem früh- und mittelaugusteischen Stand halten wollte. Über Polemon und seine Kóniginnen Dynamis und Pythodoris (mitsamt ihren Kindern) hóren wir daher bei Strabon viel, über Aspurgos Philorhomaios, unter dem das bos251 13,1,30 C. 595; vgl. Cass. Dio 51,17 und Augustus Res gestae 24; ferner 14,1,14 C. 637. 252 12,8,18 C. 579 und 13,4,8 C. 627. 253 12,6,5 C. 569 und Augustus Res gestae 28; vgl. zu augusteischen Kolonien SvwE 1995, 225-241. 254 13,4,17 C. 631. Es handelt sich wohl nicht um Licinius Murena, den Proprätor Suilas, und diese Aktion ist nicht schon im Zusammenhang mit den Feldzügen dieses Murena in Pontos und Kappadokien 84 v.

Chr. erfolgt. Eher empfiehlt sich eine augusteische Datierung kurz nach Actium; vgl. über Pisidien und das Milyasgebirge Srme 1995, 177-192. 255 14,5,4 C. 670; auch Velleius, Seneca und Sueton sind von der ,Schuld* Murenas überzeugt, wáhrend Cass. Dio 54,3.4f es offenläBl, ob er tatsächlich an der Verschwörung von 23 v. Chr. beteiligt war, vgl.

MaNuwALD 1979, 116 und Anm. 67 und ebd. 101-130 über spátere Verschwórungen, die Strabon nicht mehr erwähnt. Vielleicht deutet auch dieses Schweigen auf den Schlußpunkt der Historika Hypomnemata im Jahrzehnt nach Actium.

256 14,7 C. 312.

344

IH. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichisbildes

poranische Reich in tiberischer Zeit nach zeitgenössischen Inschriften nochmals vergröBert wurde und der zu Rom in einem vertraglich geregelten amicitia-Verhältnis stand, nichts. Auffälligerweise sind es auch in seiner heimatlichen Region weniger Strukturen und Institutionen als vielmehr herausragende Männer und Frauen, denen Strabons Aufmerksamkeit gilt: Augustus bestrafte Polemon nach Actium für seine Loyalität zu Antonius mit dem Verlust Kleinarmeniens, beließ ihn aber in seiner Position als Schützer der nordöstlichen Grenze des römischen Reiches und nahm ihn schon 26 v. Chr. unter die ‚Freunde und Verbündeten‘ des römischen Volkes auf”, Außerdem unterstellte der Prinzeps ihm nach dem Tode Asanders ca. 17/6 v. Chr. und dem kurzen Intermezzo der Machtergreifung des

Scribonius auch noch das bosporanische Reich??®, Augustus hatte erkannt, daß es im In-

teresse des Schutzes der römischen Provinzen in Kleinasien und der Stabilität der gesamten Region lag, wenn das bosporanischen Reich und Pontos, die Nord- und die Südkü-

ste des Schwarzen Meeres, von einer einzigen, Rom und ihm selbst loyalen Person regiert würde. Die zeitweilige Umbenennung von Phanagoria in Agrippia und Pantikapaion in Kaisareia am Ende des 1. Jh. v. Chr. unterstrich die Loyalität der bosporanischen Klientelmonarchen gegenüber Rom, die sich übrigens reibungslos mit einer betonten Pflege be-

stimmter mithradatischer Traditionen gegenüber den bosporanischen Untertanen ver-

band???

Polemon I. festigte durch seine erste Ehe mit Dynamis, der Enkelin des Mithradates Eupator, ab ca. 17/16 v. Chr. seine dynastische Legitimation. In einigen Städten traf Polernon jedoch auf heftigen Widerstand, z.B. in Tanais, den er durch die Zerstörung der Stadt brach?®, Strabon kritisiert ihn dafür hart. Er habe 8 v. Chr. seine gerechte Strafe

durch den Tod im Kampf gegen nördliche Stämme gefunden?$!, Polemon I. begründete eine neue Herrscherdynastie, die bis zur Mitte des 1. Jh. n. Chr. Einfluß hatte"9?. Den Ehen Polemons mit Dynamis und danach mit Pythodoris (vor 8 v. Chr.) entstammten mehrere Kinder, die spüter in Thrakien, dem bosporanischen Reich, in Armenien und in Pontos

herrschten?9, Dynamis selbst war an der Seite dreier Herrscher zwischen 47 v. Chr. und 7/8 n. Chr. Königin im bosporanischen Reich. Auch sie verband Loyalität zu Rom und chrenhafies Andenken an die mithradatischen Traditionen. Doch Kónigin Pythodoris ge-

nießt bei Strabon eine vie! höhere Achtung. Über sie berichtet er in den Geographika mehr als über alle anderen Frauen. Als gute Ehefrau und fähige hellenistische Herrsche-

rin?** mit loyaler Haltung zu Augustus und Rom ist Pythodoris für Strabon eine Gegen-

figur zur ‚bösen‘ Königin Kleopatra. Pythodoris besaß umfangreichen Landbesitz im óst-

lichen Pontosgebiet um Phanaroia, Zela und Megalopolis?*, Ihre Mutter Antonia war

eine Tochter des Triumvim Antonius?*9, Durch diese Abstammung verfügte Pythodoris

über das im Osten weiterhin hohe Prestige des Antonius und deshalb trug sie auch auf

Inschriften den Titel Pythodoris Philometor???, Sie war nach dem Tode Polemons I. in 257 258 259 260 261

Ebd. Cass. Dio 5325.1. GaoukEviC 1971, 327; zu Polemon Vgl. Nawotka 1989, insb, 326-330 |1,2,3 C. 493; vgl. dazu Bosi 1967, Vgl. [1.2.3 C. 493, 11,2,11 C. 495,

262

Vgl. Bowersock

I. auch Bosı 1986, 171-188. zu Dynamis und Aspurgos; ferner HEINEN 1996, 81-101. 131-144. 11,2,18 C. 499 sowie 12,3,29 C. 556.

1965. 143-145, SULLIVAN 1980, 915-920 und 1990, 151—162 (mit Stemma 2).

263 Zu den beiden Königinnen siche bereits Rosrovrzerr 1919, 88-109, ferner Buchsteim 1960, 51ff und SULLIVAN 1980 und ders. 1990, insb. 151-162.

264 12,3.29 C. 555; auch die übrigen Erwähnungen der Pythodoris sind positiv; 11,2,18 C. 499, 12,3,29 C. 556, 12,3,31 C. 556, 12.3.37 C. 559 und 14,1,42 C. 649, 265 12,3,31 C. 557 und 12,3,37 C. 559-560. 266 Vgl. OGIS 377: eine Ehreninschrift aus Smyrna für Zenon, den Sohn der Pythodoris. 267 Vgl. OGIS 376 aus Athen und IGRR IV 144,16 und 145,18 aus Kyzikos.

3, Das Bild führender Rômer

345

zweiter Ehe mit Archelaos verheiratet, den Antonius in Kappadokien zum König eingesetzt hatte?°®, Ihre Tochter Antonia Tryphaina führte die Regierung in Pontos, bis Caligula 38 n. Chr. ihren Sohn Polemon II. zum König von Pontos emannte. Er herrschte hier bis 63, dazu von 38 bis 41 auch über das bosporanische Reich und von 41-68 n. Chr. über

Kilikien??, Zenon/Artaxias, ein Sohn der Pythodoris und des Polemon, wurde von Germanicus 18 zum König von Armenien ernannt und regierte dort bis 34 n. Chr. zur Zufriedenheit Roms, während nach seinem Tode wieder Auseinandersetzungen zwischen Rom

und Parthien um die Besetzung des armenischen Thrones aufflammten?”®. Antonia Tryphaina heiratete den Thrakerkönig Kotys VIIT. Einer ihrer Söhne aus dieser Ehe war wohl

Rhoemetalkes IIL, der letzte König von Thrakien, von dem Strabon engegen anderen

Quellen andeutet, daß er schon ca. 19 n. Chr. regierte?’!.

Sehr aufschlußreich für die prorómische und zugleich proaugusteische Tendenz Strabons sind seine Notizen über die diplomatischen Erfolge des Prinzeps gegenüber den Parthem: Augustus empfing von Phraates IV., dem Partherkónig, die bei Carrhae erbeuteten römischen Feldzeichen zurück, Söhne und Enkel Phraates’ IV. kamen als Geiseln zur Erziehung nach Rom. Angeblich bemühte sich der Partherkönig intensiv um die Freundschaft des Augustus. Nach Strabons Bericht wetzte Augustus also auf diplomatischem Weg und ohne großen Krieg die schändlichen Niederlagen des Crassus und Antonius aus

und machte die Superiorität des römischen über das parthische Weltreich deutlich??2.

Strabon behauptet sogar, daß die gedemütigten Parther sich schon fast Rom unterwerfen wollen. Die Parther beherrschten jedoch andererseits einen großen Teil Asiens östlich des Euphrat, wenngleich auch oft Aufstände und Sezessionen ihr Reich schwächten und die Römer mit den Gebieten westlich des Euphrat nach Strabons Meinung ohnehin die

wertvolleren Regionen Asiens kontrollierten?", Atropates, ein Statthalter in Medien, habe

seinerzeit das atropatenische Reich begründet, das jetzt als ein Pufferstaat zwischen den

römischen und den parthischen Reichen bestehe?"* und dessen Einwohner sowohl Freun-

de des Caesar Augustus als auch der Parther seien, In augusteisch-tiberischer Zeit waren nach Strabons zusammenfassender Formulierung Asiens Reiche und Könige diesseits des Phasis und Euphrat teils vernichtet, teils den Römern direkt als Provinzen oder indirekt unter Klientelherrschern unterstellt?75, Strabon vergißt auch nicht zu erwähnen, daß einmal sogar vom indischen König Poros (oder Pandion) am äußersten südöstlichen Rand der Oikumene Gesandte mit einem auf Griechisch geschriebenen Brief an den Hof des Augustus gekommen seien, ihn be-

schenkt und um seine Freundschaft gebeten hátten??. Auch diese isolierte Notiz versucht die Tatsache zu überspielen, daß das Oikumenereich Alexanders Nordwestindien einge-

schlossen hatte, während in augusteischer Zeit faktisch der römische Machtbereich schon jenseits des Euphrat endete. 268 12,3,29 C. 556, nach dem Tod des Archelaos 17 n. Chr. geschrieben. 269

Vpl, Cass. Dio 59,12,2 zu Polemon IL in Pontos und im bosporanischen Reich. Weitere Kinder der

Antonia Tryphaina waren Pythodoris IL, Kotys IX. und Gepaepyris, vgl. ferner zu den Kindern der Pythodoris 12,3,29 C, 555-556 mit Tac. ann. 2,56,1-3 und 2,64 sowie SurLLivan 1980, 922-24 und SULLIVAN 1990, Stemma 2.

270 Cass. Dio 58, 26,1 und Tac. ann. 2,56,1—3; vgl. auch 12,3,29 C. 556. 271 12,3,29 C. 556, aber wohl zu früh angesetzt. Zur Interpretation dieser schwierigen Stelle siehe SuLLiVAN 1980, 925-928,

272 Zur Stand der Forschung zu den rómisch-parthischen Beziehungen siche ZiecLer 1964, 45-64, BARZANO 1985, 211-222, Sonnaseno 1986 und CamPsELL 1993, 213-240. 273 6,4,2C. 288; 16,1,28 C. 748-749. 274 11,13,1-2 C. 523; vgl. Svme 1995, 308-316. 275 6,42 C. 288; vgl. zu den Klientelkönigreichen in Kappadokien, Armenien und Media Atropatene unter Augustus Pant 1972, Suruvan 1990, MiLLAR 1993, 27—79 und Svwg 1995, 127-174.

276 15,1,4 C. 686 und 15,1,72-73 C. 719-720 (nach Nikolaos von Damaskos).

346

IH. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Augustus bestätigte Herodes seine schon unter Antonius verliehene Königswürde und

ehrte weitere Mitglieder seiner Familie sowohl zu seinen Lebzeiten als auch nach seinem Tode bis zur Verbannung des Archelaos 6/7 n. Chr. Herodes seinerseits benannte Sa-

mareia zu Ehren des Augustus in Sebaste um???.

Der Prinzeps setzte Cornelius Gallus als ersten Statthalter in Ägypten ein, der einen

wegen der Steuererhebung in der Thebais ausgebrochenen Aufstand schnell nieder-

schlug?/5, Nur drei römische Legionen — und diese nicht einmal in voller Stärke — genügten in der Folgezeit, um Ägypten unter Kontrolle zu halten. Ägypten sei nämlich zwar ein dichtbevölkertes Land, aber weder die Ägypter selbst noch die umliegenden Völker

seien sehr kriegerisch??, Sehr positiv bewertet Strabon aus eigenem Augenschein und durch seine Freundschaft zu Aelius Gallus, dem zweiten Prüfekten Agyptens, gut informiert die Neuordnung und den wirtschaftlichen Aufschwung Agyptens am Ende der 20er

Jahre v. Chr. unter Augustus?®®, Dieser habe nach der Eroberung Ägyptens dort noch eine zweite Stadt namens Nikopolis an der Stelle gegründet, wo er den M. Antonius zuletzt

besiegte und den Einmarsch nach Alexandreia erzwang??. Der Prinzeps setzte einen Priester als Leiter des Museions in Alexandreia ein, und zu Ehren des Augustus wurde in

Alexandreia im zweiten Jahrzehnt v. Chr. das Kaisareion (Augusteum) erbaut^??, Augustus setzte Iuba IL. 25 v. Chr. als Klientelkónig von Mauretanien ein und gab ihm noch Teile des westlichen Numidien zu seinem Klientelreich hinzu. Dieser benannte seine Residenzstadt lol zu Ehren Caesars und vor allem des Augustus in Kaisareia um und regierte bis 23/24 n. Chr,

6. M. Agrippa und andere Mitglieder der domus Augusta bis zu Tiberius Augustus förderte seine treuen Freunde in großem Stile und belohnte sie nach dem Sieg

von Actium mit hohen Stellungen?*^. Auch Strabon gibt hierfür einige Beispiele. Augustus ehrte den Spartaner Eurykles?#, er war befreundet mit Athenaios und vor allem Xenarchos, zwei peripatetischen Philosophen aus Seleukeia am Kalykadnos?®®. Apollodoros von Pergamon, Verfasser eines Rhetorikhandbuches, Freund und Rhetoriklehrer des spáteren Kaisers Augustus in seiner Jugend, wird im Honoratiorenkatalog seiner Heimat er-

wühnt2?7, Augustus war ebenfalls Schüler des Athenodoros aus Tarsos, eines Vorbildes an stoischer Weltweisheit, den der Prinzeps in hohem Alter nach Actium zum Stadtherrscher von Tarsos einsetzte, wo er Boethos ablóste, einen Dichter, Rhetor und Günstling

des Antonius. Strabon urteilt im augusteischen Sinne sehr günstig über Athenodoros und nachteilig über Boethos?®®, Abgesehen von den Mitgliedern des Kaiserhauses nennt Strabon als Freunde des Augustus ganz überwiegend griechisch-hellenistische Honoratio271 278

16,2,34 C. 760 und 16,2,46 C. 765. 17,1,53 C. 819.

279 280 281 282

17,1,53 C. 819; vgl. 17,1,12 C. 797 und 17,1,47-49 C. 817. . 17,1,12 C. 797-798, Strabon vereinfacht hier den rechtlichen Status von Ägypten. 17,1.10 C. 795, 17,1,8 C. 794, Aus dieser nachträglich eingefügten Notiz ergibt sich aber kein Datierungsindiz für den Aufenthalt Strabons in Alexandreia und für die Abfassungszeit seiner Universalhistorie.

283 6,4.2 C. 288; 17,3,7 und 9 C. 828-829; 17,3,25 C. 840; lol/Kaisareia 17,3,12 C. 831. 284 Dazu immer noch grundlegend SvwE 1986 und ders. 1989.

285 8,5,5 C. 366. 286 14,5,4 C. 670. 287 13,4,3 C. 625. 288 14,5,14 c. 674-675, zudem ein in den Geographika sehr seltenes Beispiel für knappe direkte Redenzi-

tate aus einer Verteidigung des Boeihos; über Athenodoros siehe auch 16,4,21 C. 779.

3. Das Bild führender Römer

347

ren und Gelehrte, aber kaum einen der ungleich einflußreicheren viri militares und der Exponenten der neuen Aristokratie, z.B. Statilius Taurus. Dies ist ein für Strabon sehr bezeichnendes Detail. Sogar über M. Vipsanius Agrippa, den wohl bedeutendsten Marschall des Augustus

und den zeitweiligen designierten Nachfolger des Augustus als Prinzeps des Oikumenerei-

ches, überliefert Strabon auf den ersten Blick nur wenige Notizen, Dieser erste Eindruck erklärt sich aber teilweise dadurch, daB tatsächliche Leistungen Agrippas gemäB der

offiziellen augusteischen Propaganda dem Prinzeps Augustus zugeschrieben werden. Die

Siege gegen Sextus Pompeius oder bei Actium sind hierfür gute militärische Beispiele aus

den Geographika. Die erste politisch-militärische Tat, die Strabon ausdrücklich mit M. Agrippa verbindet, ist seine Umsiedlung der Ubier (und anderer Stámme) ab 38 v. Chr.

auf die linke Rheinseite?9. Agrippa legte das strategisch und für den Handel wichtige

Straßennetz Galliens an, das mit vier Fernstraßen von Lugdunum (Lyon) ausging. Er ließ den Wald um den Avernersee roden und den Damm vor dem Lucrinum erhóhen, um von

einem künstlichen Hafen aus seine Truppen für den Seekrieg gegen Sextus Pompeius zu üben. Agrippa tôtete in Methone im aktischen Krieg vor 31 v. Chr. den Bogos. Er ver-

größerte das Gebiet von Berytos, der einzigen augusteischen Kolonie in der Region, in die

er zeitweise zu ihrem Schutz zwei Legionen verlegte?”, Strabon lobt bei seiner Beschrei-

bung Roms das hervorragende Wasserleitungssystem der Hauptstadt, das jüngst durch M. Agrippa (als Adil 33 und in seinem dritten Konsulat 19 v. Chr.) verbessert worden sei. Er verschónerte Rom auch durch viele andere prachtvolle Gebáude und berühmte Kunstwerke??!. Insbesondere erwarb er sich auch um die Wissenschaft der Geographie durch seine Commentarii über die rómische Oikumene als Grundlage für die erst nach seinem Tode ausgeführte Weltkarte in der Porticus Vipsania in Rom Verdienste. Wahrscheinlich ist Agrippa schließlich auch identisch mit dem Chorographos, den Strabon mehrfach als Quelle über Italien und umliegende Inseln benutzt. Alle übrigen männlichen Mitglieder des julisch-claudischen Hauses außer dem ,vergöttlichten‘ Caesar verblassen in den Bemerkungen der strabonischen Geographika Im Vergleich mit Augustus. Dies erstaunt wenig bei dem früh verstorbenen Marcellus. Er wird nur einmal und zwar völlig beiläufig erwähnt, als Strabon an Nestor, den Akademiker und Staatsmann, erinnert, der auch sein Lehrer in Rom war?” Absichtlich seltene

Erwühnungen durch Strabon kann man aber vermuten bei Caius und Lucius Caesar, bei

Drusus und Germanicus sowie vor allem beim zweiten Prinzeps Tiberius. Denn die Ubernahme des Prinzipats durch Tiberius hatte vermutlich Strabon zur unsystematischen Aktua-

lisierung seiner Geographika bewogen, und Strabon hat immerhin noch ca. zehn Jahre

seines Prinzipats erlebt. Trotzdem bleibt der zweite Prinzeps in den Notizen Strabons im

Schatten des übermächtigen Augustus. Drusus der Ältere besiegte mit seinem Bruder

Tiberius im Alpenkrieg 15-13 v. Chr. die Noriker, Taurisker und Kamer?”°, Drusus schlug

auf seinem Germanienfeldzug von 12 bis 9 v. Chr. auch die Brukterer in einer Seeschlacht. Er unterwarf „die meisten Germanenstámme" und eroberte sogar die Insel Burchanis in 289

4,34

C.

194,

vgl. über einige gemeinsame

Projekte

des

Agrippa

und Augustus

Kapitel

1.4.2

und über

m seine Commentarii und die Weltkarte in der Porticus Vipsania Kapitel Π]4.3. 290 Straßen Galliens: 4,6,11 C. 208; Wald um den Avernersee: 5,4,5 C. 245; Damm vor dem T Berytos (Beirut): 16,2, u tz 5.4,6 C. 245; Tötung des Bogos 8,4,3 C. 359; zwei Legionen nach , 291 5.3,8 C. 235, Er brachte aus Lampsakos den ‚Löwen des Lysippos‘ nach Rom und erw 590). Millionen Sesterzen von der Stadt Kyzikos zwei Werke des Timomachos (13,1,19 C.

292 14,5,14 C. 675. C. 206, 4,6,12 C. 208 und 71 πὰ c 90. 293 7,1,3 C. 291; ferner zur geographischen Lage der Stämme 4,6,9 Das Siegesdenkmal zur Erinnerung an den Alpenkrieg nannte die Namen von 44 Alpenvo versuchte damit, das Denkmal des Pompeius in den Pyrenäen zu übertreffen.

348

ID. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

der Nordsee??*, starb aber auf dem siegreichen Feldzug zwischen dem Salas (Saale) und dem Rhenus (Rhein), Die große Orientexpedition des C. Caesar wird von Strabon nicht berücksichtigt, mehr noch, dieser wird sogar nicht ein einziges Mal namentlich in den

Geographika erwühnt^?, Drusus der Jüngere bleibt in den Geographika noch blasser als Drusus der Ältere oder Germanicus. Drusus und Germanicus unterstützen den Prinzeps Tiberius zwischen 14 und 19 n. Chr. bei der Regierung des Reiches nach dem Vorbild des verstorbenen Augustus. Nichts wird bei Strabon von den Spannungen zwischen Germani-

cus und Tiberius deutlich, über die u.a. Tacitus so eindringlich berichtet. Germanicus feierte in Rom 17 n. Chr. einen prachtvollen Triumph über die Germanen, den Strabon

ausführlich und möglicherweise als Augenzeuge beschreibt”. Daß er weitere wichtige Maßnahmen des Germanicus im Osten des Reiches und vor allem seinen für das Imperium 50 folgenreichen Tod 19 n. Chr. vóllig verschweigt, obwohl die jüngsten Nachtráge Strabons doch bis auf das Jahr 23/24 n. Chr. weisen, ist zu Recht als erstaunlich bezeich-

net worden, und dieses Schweigen hat eine bedeutende Rolle in den Hypothesen um die Werkentstehung gespielt. Meines Erachtens dürfte der Hauptgrund dafür aber wiederum sein, daB Strabon den augusteischen Charakter seines Werks nicht mit zu vielen tiberischen Notizen durchsetzen wollte.

Unter den bedeutenden militürischen Erfolgen des Tiberius erinnert Strabon an seine Siege zusammen mit Drusus dem Âlteren über die Alpenstämme der Noriker, Karner und Vindeliker. Dabei wurden auch die Quellen der Donau entdeckt und mit ihrer Lokalisierung ein altes geographisches Problem gelóst??". Die bedeutenden, von Strabon herausgehobenen militärisch-explorativen Leistungen des Tiberius fallen in die (mittlere) Regierungszeit des Augustus, Aus der eigenen Regierungszeit des Tiberius erwähnt Strabon nur die Entscheidung, daß Tiberius die schon von Augustus in Spanien stationierten drei Le-

gionen vorerst dort behielt, und den Erfolg, daß er die iberischen Völker weiter an die Zivilisation heranführte. Im Spiegel der strabonischen Notizen kónnen die militärischen Leistungen des Tiberius zusammenfassend weder mit denen des Augustus, noch auch nur

mit denen des Pompeius, Caesar und Antonius verglichen werden. Strabon erwühnt auch nur wenige politisch-diplomatische Leistungen des Tiberius. In zwei der vier Erwähnungen handelt Tiberius dabei im Auftrage oder zusammen mit dem regierenden Prinzeps Augustus: Dieser schickte ihn nach Armenien, als er selbst auf dem

Weg nach Syrien war, Augustus und Tiberius schenkten den durch schwere Erdbeben

294 D.h. das ostfriesische Borkum: 7,1,3 C.290-291. 295 Strabon nennt lediglich Artagira (11,14,6 C. 529), die armenische Festung, vor der C. Caesar 2 n. Chr. tödlich verwundet wurde, Doch Strabon erwähnt dort dieses wichtige Ereignis nicht. | 296 6,4,2C. 288 zum Triumph über Germanen allgemein; 7,1,4 C. 291-292 zum Triumph des Germanicus. Von den berühmten germanischen Gegnem der augusteisch-tiberischen Zeit erwähnt Strabon außer Marbod im Zusammenhang mit dem Triumph des Germanicus und der Varuskatastrophe Arminius als Feldherr der Cherusker, der den Krieg gegen die Römer ‚jetzt‘ (d.h. zu Beginn der Regierungszeit des

Tiberius und nach dem Triumph des Germanicus von 17?) noch fortsetze. Die Cherusker vernichteten

‚vertragsbrüchig und aus dem Hinterhalt‘ drei Legionen mitsamt ihrem Kommandeur Quincuilius Varus. Durch diesen Zusatz werden Varus und vor allem Augustus selbst vom Makel der politisch-militarischen Verantwortung für die Varuskatastrophe befreit. Als Häuptling (ἡγεμών) der Cherusker nennt

Strabon Segimundus, den Sohn des Segestes und Schwager des Arminius. Der Überuitt des Segestes auf die römische Seite wird von Strabon ausdrücklich begrüßt. Nur Strabon überliefert den Namen der Frau des Arminius, Thusnelda, und seines Sohnes, Thumelikos. Auch einige weitere prominente Ger-

manen, Cherusker, Chatten und Angehörige anderer Stämme, werden namentlich erwähnt, z.B. Ukromir und Libes. Denn auch barbarische Feinde Roms zählen zur Gruppe der herausragenden Individuen, deren Leben und Taten ein Hauptthema der strabonischen Werke sind. 297 7,1,5 C. 292. 298 17,1,54 C. 821.

3. Das Bild führender Römer

349

zerstörten Städten Laodikeia und Tralleis Geld zum Wiederaufbau?®, Tiberius nahm sich

nach Strabon in seiner Regierung Augustus zum Muster’, Als Prinzeps machte Tiberius zusammen mit dem Senat Kappadokien zur römischen Provinz. Strabon weiß aber zum Zeitpunkt seiner Notiz noch nicht, daß es eine kaiserliche Provinz wurde?! Auch über den engen Freundeskreis des regierenden Tiberius berichtet Strabon viel weniger als über die Freunde des Pompeius, Caesars und des Augustus, nämlich lediglich, daß Tiberius den Pompeius Macer zum Freunde hatte. Damit ist wohl der Enkel des Theophanes von Miytilene gemeint, aber die genaue prosopographische Interpretation der Stelle bereitet

Schwierigkeiten???

Von allen prominenten Rómerinnen der Zeit von Sulla bis Tiberius werden überhaupt nur zwei Damen des julisch-claudischen Hauses, die Frau des Prinzeps Livia und seine

Schwester Octavia*®, und ferner Catos Frau Marcia knapp genannt. Keine dieser drei Frauen spielt aber in den strabonischen Notizen eine eigenstündige und aktive politische Rolle. Alle drei Rómerinnen kontrastieren in ihrer beiläufigen Erwähnung auffällig mit

dem aktiven (aber negativen) Bild der Königin Kleopatra VII. und andererseits dem sehr

positiven Bild der Kónigin Pythodoris. Es entspricht jedoch vüllig der augusteischen Ideologie, daß römische Frauen in der großen Politik nicht öffentlich mitwirken, sondern nur indirekt über ihre Väter, Männer oder Söhne Einfluß nehmen sollten. Einige Notizen Strabons über Pompeius, Caesar, Antonius und Augustus sind in einer auffälligen Weise aufeinander bezogen. So revidieren oder bestätigen Caesar und Augu-

stus verschiedene Maßnahmen des Pompeius oder des Antonius. Fehler, Mißerfolge, Untugenden oder Mängel des Pompeius und vor allem des Antonius spiegeln sich in geschickt ausgewählten, vergleichenden Notizen über die entsprechenden richtigen Entscheidungen, Erfolge, Tugenden und Qualitäten Caesars und vor allem des Augustus, Gravierenden militärischen Niederlagen trotz anfänglicher gewaltiger Siege des Pompeius und An-

tonius stehen bei Caesar und Augustus ausschließlich Siege gegenüber. Gute Ansätze

oder halbfertige Projekte des Pompeius und Antonius vollenden erst Caesar und Augustus

und geben ihnen damit dauerhafte Geltung. In die Beschreibungen der militärisch-politi-

schen Handlungen des Pompeius und Antonius mischen sich bei aller Anerkennung ihrer

für den hellenistischen Osten zukunftsweisenden Anordnungen durchaus auch kritische Bemerkungen. Caesar und seinem Adoptivsohn Augustus gelten dagegen ohne Wenn und Aber die Sympathien Strabons. Alle Personen des julisch-claudischen Hauses überragt Augustus eindeutig. Agrippa, Marcellus, Drusus der Ältere und der Jüngere, Tiberius als zweiter Prinzeps und auch Germanicus sowie unter den Frauen Livia und Octavia werden zwar genannt, aber das Gewicht aller Bemerkungen über diese Personen Ist geringer als

das der Notizen, die Augustus betreffen. Es fällt auf, wie wenig eigenständiges Profil der zweite Prinzeps und sein Rivale Germanicus in den strabonischen Geogr aphika erhalten.

Immerhin betont Strabon, daß Tiberius den Grundsätzen des Augustus gemäß RE

Abe :

den tiefen Frieden und Wohlstand der augusteischen Zeit bewahre. Die Coo t : cStrabons Bemerkungen zu Personen des julisch-claudischen Hauses bestätigt be sch et

samt, daB die Geographika auch nach ihrer unsystematischen Aktualisierung I pun

Zeit nach ihrer Konzeption und politischen Tendenz ein zutiefst augusteisches blieben sind. 299 300 301 302 303

8

c-

Laodikeia 12,8,18 C. 579 und 13,4,8 C. 627 und Tralleis 12,8,18 C. 579. 6,4.2 C. 288. 12,1.4 C, 534. 13.23 C. 618. áhnt die Sirabon nennt die Porticus der Livia in Rom als ein prächtiges Bauwerk (5 3 PA ester des AuguFörderung der weiblichen Mitglieder des Hauses des Herodes durch Octavia,

sius (14,5,14 C. 675 und 16.2,46 C. 765).

O1E

350

IH. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes 7. Vornehme Römer, mit denen Strabon bekannt war

Der vornehmste Römer, den Strabon ausdrücklich als seinen Freund bezeichnet, ist Ae-

lius Gallus, der zweite Präfekt Ägyptens. Im Laufe des 1. Jh. v, Chr. waren die Aelii Galli und Aelii Lamiae als prominente Zweige der Aelii hinzugekommen, zu denen auch L. (7)

Aelius Gallus zählte, der 26-24 v. Chr. Präfekt Ägyptens war”®*. Ihn begleitete Strabon

während einer ausgedehnten Reise durch Ägypten als Mitglied seiner cohors amicorum. Strabon stand diesem römischen Aristokraten als gelehrter griechischer Freund und Ratgeber zur Seite. Strabons Herkunft aus der pontischen Elite und sein zu unterstellendes großes Vermögen gaben ihm allerdings im Verhältnis zu seinem römischen Patron einen Status weit über demjenigen eines bloßen Hausphilosophen. Möglicherweise hatte Strabon auch noch persönliche Kontakte zu Gallus’ Nachfolger C. Petronius, über dessen Feldzug gegen das Reich von Meroe er auch aus erster Hand unterrichtet ist und ebenso ausführlich wie tendenziös zugunsten des Petronius berichtet. Er bezeichnet Petronius allerdings nicht

explizit als seinen Freund’.

"

Die Aelii Galli waren in der augusteisch-tiberischen Zeit eine einflußreiche Familie mit weitreichenden Verbindungen. Strabon mag daher auch zu anderen Adelsfamilien oder Nebenlinien der Aelii Kontakt gefunden haben. L. Aelius Lamia, der consul ordinarius von 3 n. Chr. und Prokonsul von Africa Proconsularis 15/16 n. Chr., wurde bekanntlich auch in den Dichtungen des Horaz verewigt?®, Der Historiker und Rechtsgelehrte Q. Aelius Tubero hatte zwei Söhne, von denen einer 11 v. Chr., der andere 4 n. Chr. Konsul wurde. Dieser Historiker Tubero gehörte zwar der patrizischen Linie der Aelii an, doch hat es zwischen den Aelii Tuberones und den Aelii Galli ohne Zweifel Verbindungen

gegeben. Eine Bekanntschaft Strabons mit diesem Familienzweig?" ist also plausibel. Im

Rahmen eines Referates über verschiedene Varianten zu der Ktisis Roms und zu den angeblichen griechischen Wurzeln der Stadt nennt er als eine seiner Quellen einen Κύλιος, ὁ τῶν Ῥωμαίων συγγραφεύς. Man hat diesen Namen, der in den Handschriften in fehlerhafter Schreibung überliefert ist, in Koilios, d.h. Coelius Antipater, oder in Akulios, d.h. C. Acilius, verbessert. Gegen beide Vorschläge erheben sich aber Bedenken, weil die von Strabon referierte Ktisis-Variante nicht gut zu dem paßt, was wir über das Werk beider römischen Historiker wissen. Auszuschließen sind diese Vorschläge andererseits auch nicht, da die Werke des Coelius Antipater und des C. Acilius nur in Fragmenten erhalten

sind. Βικαβοηιβ[ῦδ schlug jedoch Q. Aelius Tubero, den Historiker und Patron des Dionysios von Halikarnassos, vor. Der Vorschlag ist attraktiv. Falls Strabon diesen Historiker

Aelius Tubero kannte, gehórte er vielleicht zeitweise sogar in den gleichen Literatenzirke] wie Dionysios von Halikarnassos, der Q. Aelius Tubero seinen Traktat über Thukydides von Makedowidmete. Aelius Catus, Konsul 4 n. Chr. und möglicherweise Statthalter und Donau, Rhein an Zeit augusteischen der aus General nien, ist der einzige römische den Strabon mit Namen nennt, wenn man die Mitglieder des römischen Kaiserhauses

(und Varus) ausnimmt. Auch diese auffällige Tatsache ist am einfachsten durch eine Ver-

bindung Strabons zu den Aelii Tuberones zu erklären’. Bowersock vermutet sogar, daB 304 Vel. Stein 1950, Nr. 16. 305

17,1,54 C. 820 und zur Administration des Petronius während eines Aufstandes in Alexandreia 17,1,53 C. 819,

306 Vgl. PIR? A 200; siehe Hor. c. 1,36 mit Kommentaren, IRT 930, Tac. ann. 4,13,3, Vell. 2,116,3 und dazu THOMASSON 1960, 21f.

307 PIR? A 274.

308 BinAscut 1981, 195-199 zu 5,3,3 C. 230: Fragmente der Werke des Q. Aelius Tubero findet man bei

Peter HRR I p. CCCLXVL - CCCLXXIII.

309 Vgl. 7,3,10 C. 303 und dazu Syme 1978, 69 und 102f.

3. Das Bild führender Römer

35]

Strabon über L. Aelius Gallus oder Q. Aelius Tubero das römische Bürgerrecht erlangt

habe. Dies bleibt aber pure Spekulation?!9,

Strabon hat aus dem illustren Kreis griechischer Intellektueller im augusteischen Rom zwar Timagenes und Nikolaos von Damaskos als Quellen benutzt und auf Dionysios von Halikarnassos und den Dichter Krinagoras wenigstens in den Geographika hingewiesen, aber eine persónliche Bekanntschaft Strabons mit diesen griechischen Intellektuellen in

Rom können wir nicht nachweisen?!!, Strabon zählt dagegen den Dichter und Historiker Diodoros (den Jüngeren) von Sardeis, den Sohn des berühmten Diodoros Zonas, zu seinen

Freunden. Diodoros lebte in augusteischer Zeit in Rom und schrieb unter anderem epi-

grammatische Gedichte zur Verherrlichung des Tiberius und seines Bruders Drusus?!?., Strabon erwähnt auch Pompeius Macer, Abkömmling des berühmten Historikers Theophanes von Mytilene, einen rómischen Ritter, den Augustus mit der ehrenvollen Aufgabe

betraute, die kaiserliche Bibliothek zu organisieren??, Aus der Art dieser Erwähnung können wir aber nicht ableiten, daß Strabon über ihn direkten Kontakt zum Prinzeps Augustus oder zu Tiberius gefunden hätte. Das einzige Indiz für eine bisweilen unterstellte Verbindung des Historikers und Geographen Strabon zum Freundeskreis des Tiberius schon unter Augustus und spáter zu

seinem Kaiserhof liegt in der familiären Verbindung des L. Aelius Gallus zu L. Aelius Seianus, dem mächtigen Prätorianerpräfekten unter Tiberius, falls tatsächlich dieser Aelius Gallus und nicht der angesehene Senator und Jurist Q. Aelius Tubero Seianus adoptiert

hat*!^, Wenn Strabon ungefähr in der Mitte der 20er Jahre verstorben ist, befand sich Seianus damals auf dem Höhepunkt seiner Machtfülle. Gegen eine persönliche Bekannt-

schaft Strabons mit ihm spricht aber doch die Tatsache, daß er ihn niemals in den Geogra-

phika erwühnt. Strabon nennt in den Geographika ein Mitglied der einflußreichen Pisonenfamilie als Quelle für einen Vergleich der Gestalt Afrikas im 2. Buch: Cn. Calpurnius Piso, den Prokonsul der Provinz Africa. Er bezeichnet ihn aber im Unterschied zu Gallus nicht ausdrücklich als seinen Freund und gibt auch keinen präzisen Hinweis auf den Zeitpunkt des Prokonsulats oder den Kontext des Ausspruches Pisos über Afrika. Dennoch scheint es sich um eine Erinnerung an ein persónliches Gespräch mit Piso zu handeln. Strabon meint Cn. Calpurnius Piso, den gleichnamigen Sohn des berühmten Gegners Caesars auf dem afrikanischen Feldzug 47 v. Chr. und Konsuls 23 v. Chr. Sein Sohn Piso hatte seit etwa 25 v. Chr. eine steile Karriere gemacht, die er seiner Familie und seinen guten Beziehungen zu Tiberius verdankte. Piso war zusammen mit Tiberius 7 v. Chr. consul ordinarius, verwaltete vielleicht 3 v. Chr. (SvME) oder bei strenger Einhaltung eines fünfjährigen Inter-

valls nach dem Konsulat auch erst 1 v. Chr. (TuoMassoN), jedenfalls vor 12/13 n. Chr., die 310 Möglicherweise hätte der Historiker dann mit rômischem Namen Aelius Strabo geheißen (BOWERSOCK 1965, 129). 311 14,2,16 C. 656 über Dionystos und 13,2,3 C. 617 über Krinagoras.

312 13,4.9 C. 628; vgl. Cicuorius 1922, 298-304 und Bowersock 1965, 133 mit Verweisen auf Anth. Pal. IX,219 Beckby (auf Tiberius) und IX,405 (auf Drusus).

313 Q. Pompeius Macer, Sohn dieses augusteischen Prokurators von Asia und zeitweise des Direktors der

kaiserlichen Bibliothek, wurde der erste bekannte Senator griechischer Herkunft, vgi. 13,2,3 C. 618 und zu den prosopographischen Diskussionen um Pompeius Macer jüngst Wurre 1992. 314 Aelius Gallus, den Präfekten Ägyptens, nehmen als Adoptivvater an: BowErsock 1965, 128 und Anm. 5 und SUMNER 1965, 134-145; siche ferner Levick 1976, 159; sichere Belege für die Adoption durch ihn haben wir indessen nicht; Hrants 1975, 15f und Anm. 48 plädiert nachdrücklich für Q. Aelius Tubero als Adoptierenden; zu Seianus’ Karriere bleibt auch weiterhin FRIEDENTHAL 1957 wichtig. Strabonische „connections with the court" des Tiberius über Pompeius Macer oder Seianus behaupten

zuversichtlich KAPLAN 1990, 239 mit Anm. 165 und 264f sowie vorsichtiger auch Bowersock 1965, 128-134.

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

452

Provinz Africa Proconsularis, war möglicherweise 9/10 Statthalter der Hispania Tarraconensis, rückte im Dezember 14 n. Chr. an die Stelle des verstorbenen Augustus als Arval-

bruder nach, wurde von Tiberius 17 n. Chr. zum Statthalter Syriens bestellt und erst nach dem Tod des Germanicus, bei dem Piso eine Verwicklung in den unterstellten Giftmord vorgeworfen wurde, von Tiberius nach einer formalen Anklage wegen Hochverrats und

Amtsüberschreitung fallengelassen und in den Selbstmord getrieben?!*, Seianus und Piso

waren also abgesehen von Aelius Gallus möglicherweise die prominentesten Römer in Strabons Bekanntschaft. Mit Seianus und Piso stürzten aber dann plötzlich während der Regierungszeit des Tiberius und kurz vor oder bald nach Strabons Tod beide móglichen Patrone des strabonischen Werkes. KapLaN hielt dagegen sogar eine persönliche Bekanntschaft Strabons mit Germanicus für gut möglich und eine Hochschätzung Strabons durch Germanicus für belegbar. Das durch Tacitus gegebene Itinerar des Germanicus in Agypten nenne námlich keinen Ort, der nicht auch in Strabons Geographika erwühnt sei. Germanicus habe móglicherweise sogar eine frühe Fassung der Kulturgeographie (ohne die letzten Nachtráge nach 18/19 n. Chr.) als ;Baedeker' für seine Ägyptenreise benutzt. Die Übereinstimmung bei Strabon im 17. Buch der Geographika beschriebener Orte und Sehenswürdigkeiten mit denen, die Germanicus nach dem Bericht des Tacitus besuchte, erklärt sich jedoch einfach daraus, daß Strabon die damals ‚touristisch-archäologisch‘ berühmtesten Orte Ägyptens beschrieben hat. Dieses Itinerar kann keine Vertrautheit des Germanicus mit dem strabonischen

Werk beweisen und schon gar keine Hochschätzung Strabons durch Germanicus?!6,

Meiner Meinung nach haben wir weder aus dem erhaltenen strabonischen Werk noch aus anderen Quellen Belege dafür, daß Strabon die Prinzipes Augustus und Tiberius oder ein anderes Mitglied des kaiserlichen Hauses persónlich gekannt hat. Insbesondere die Stellen der Geographika, an denen Strabon Mitglieder des Kaiserhauses erwähnt, geben hierfür keine Indizien. Eine solche Bekanntschaft mit einem Mitglied des Kaiserhauses hátte Strabon keinesfalls verschwiegen und nicht Aelius Gallus und Cn. Piso, rangniedrigere römische Aristokraten, als seine höchststehenden römischen Freunde und Bekannten herausheben können. Man würde bei einer persönlichen Bekanntschaft mit Mitgliedern des Kaiserhauses — oder gar im Falle einer Anregung zu den Geographika durch den

Prinzeps selbst — eine Widmung und eindeutige Hinweise erwarten.

übe Insgesamt läßt sich kein festes Schema ablesen, dem Strabon in seinen Bemerkungen fol U rende Römer und andere herausragende Personen der hellenistisch-óstlichen Welt

er Stelle en bei den bedeutendsten Personen faßt er seine Bemerkungen nicht an

lographischen Exkurs zusammen. Denn die für das biographische Genus

so typi schen

at

Uh

erwähnte 315

emerkungen tiber Abstammung und Familie, Lebenszeit, Todesart und

B els und Charakter der beschriebenen Personen sind bei alien namentlich n führenden Rómern seltener als die militürischen oder politisch-diplomatischen

Pi

sowic za emi Afrikas: 2,5,33 C. 130; zum Vater und Gegner Caesars (Caes. Bell. Afr. 3,1 und 18,1); Statthalterschaft P; es Sohnes PIR* C 287 und die Kommentar zu Tac. ann. 2,43; das Datum der in ders. 1984, 12261232, insb. 1229 Anm 27 ka bleibt umstritten. SYME 1980, 333-341 (auch g auf die gleichen Zeugnisse, die THOMASSON $960. 1 3 D plädiert für „perhapsc. 3 B.C." unter Berufun

P Scinen Vorschlag 1 v. Chr. anführt (Sen. de ira 1,18,3, RT 520 aus Lepcis,

Münzfunde und Strabo

SYME (ebd. und Anm. 28) setzt die Statthalterschaft in der Tarraconensis auf

n);

9/10 n. Chr. a

diese in PIR? C 287 vor das Prokonsulat von" Afrika datiert worden :ist; über 2,533 C. Id qe Ahred orlage eines Gedichtes Antipat Pal. 7,626), eines Be-

ὃς nn »

des Pontifex Piso, vgl. Bowensocx » (ba > von Thessalonike (Anth.

r

.

P

.

1

,

4

258-265; keine Indizien für eine persönliche Bekanntschaft zwischen Strabon

und German et

WEINGARTNER 1969. die 1 ἣν Denutrung der Geographika für diese Reise des Germanicus sieht zu Recht

Solchen Reisen und ih

on

trabon genannten Orte entsprechen alle einer üblichen Reiseroute, vgl. zu

Ihren typischen Zielen schon HouLwem 1940, 253-278.

Ereignisse und Handlungen, die berichtet werden. Diese Gewichtung unterscheidet übrigens auch die Bemerkungen zu den politisch-militärisch führenden Männern der späten Republik, des Karserhauses sowie den hellenistischen Dynasten in der Lebenszeit Stra-

bons von seinen zahlreichen Notizen über Gelehrte und literarische Zelebritäten insbesondere des kleinasiatisch-griechischen Raumes, die Strabon meist anläßlich der Beschreibung ihres jeweiligen Geburtsortes oder der Stätte ihrer größten Wirksamkeit einfügt. Fast imrner nennt Strabon zunächst nämlich ihre philosophische Schulzugehórigkeit und die wissenschaftliche oder literarhistorische Bedeutung der wichtigsten Schriften solcher ἔνδοξοι ἄνδρες, während er über ihre gleichzeitige, häufig ähnlich bedeutende politisch-diplomatische Tätigkeit als Magistrate, Diplomaten für ihre Stádte und als Berater führender Rómer

weniger berichtet??. Unter den führenden Personen seiner Zeit stellt Strabon fast ausschlieBlich Männer vor. Da nun bekanntlich kein Mangel an berichtenswerten Taten und Eigenschaften prominenter rómischer Frauen dieser Zeit bestcht, scheint Strabon bewuBt selektiv sein Material ausgewählt und dem augusteischen Idealbild einer römischen matrona Rechnung tragend auf solche Notizen verzichtet zu haben. Die interessantesten und ausführlichsten Notizen über politisch aktive Frauen finden wir dagegen aus der hellenistischen Welt. Während die Menge der berichteten Einzelheiten über Pompeius, Caesar, Antonius und Augustus auch deren historischer Bedeutung aus heutiger Sicht entspricht, korrespondiert die Bedeutung anderer Personen nicht recht mit dem Umfang der ihnen bei

Strabon gewidmeten Notizen. Hier kommen subjektive, nur im Einzelfall bei Aelius Gallus oder bei einigen Honoratioren und Gelehrten Kleinasiens noch greifbare Auswahlkriterien ins Spiel. Einige Personen von erstrangiger Bedeutung für die Zeitgeschichte und das Geistesleben werden jedenfalls gar nicht (z.B. Horaz, Vergil und Varro) und andere nur sehr selten erwähnt (Cicero, Cato, Clodius).

8. Die Náhe verschiedener strabonischer Bemerkungen in den Geographika zu Leitgedanken der Res gestae des Augustus Füreine Reihe von Notizen der Geographika über Augustus findet man auffállige Parallelen im ,Tatenbericht* des Kaisers, seinen Res gestae. Übereinstimmungen finden sich nicht nur in den großen Themen und propagandistischen Schlagworten vom augusteischen Oikumenereich und dem durch die Siege des Augustus und die neue Verfassungsordnung Eesicherten Frieden. Sie wáren nur wenig signifikant. Wichtiger sind Ähnlichkeiten in einzelnen Notizen des Tatenberichtes. Sie fallen in einem Vergleich der Geographika mit der griechischen Textfassung der Res gestae noch deutlicher als in einem mit der lateinischen auf, weil die griechische Fassung geschickt dem östlich-helienistischen Sprachgebrauch angeglichen war?!*, Sollte sich Strabon nach 14 n. Chr. noch einmal oder dauerhaft in Rom aufgehalten haben, darf man erwarten, daß er selbst diese Res gestae gelesen hat, weil er ausführlich das Mausoleum des Augustus beschreibt, vor dern das Original der Inschrift aufgestellt war. Aber er konnte auch in Kleinasien (in Ánkyra, Apollonia und Antiocheia in Pisidien) und an anderen Orten des Reiches inschriftliche Kopien sehen und Kennmis von diesem wichtigen Dokument erlangen. Die Menge der Übereinstimmungen 317 Zu zahlreichen der bei Strabon genannten ‚Honoratioren' vgl. knapp STEMPLINGER 1894 und zur hellenisüschen Schicht der Honoratioren insgesamt Quass 1993 passim (Register s.v. Strabo 430).

318 Vgl. zum Text VoLKMANN 1969 sowie auch Mazcovarı 1969, 105ff und WEBER 1975; der Kommentar

MoMMsens 1883 bleibt nützlich; zur Gedankenführung und zu den Propagandaaspekten stehe Heuss

1975, 55-95 und Yaverz 1984, 1-36. Vgl. zu einigen Eipenarten der griechischen Fassung der Res gestae Wic Tn. 1982, 624—638.

354

ΠῚ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakicrisierung des strabonischen Geschicht sbildes

ist jedenfalls keineswegs mehr rein zufällig, sondern entspricht der Absicht Strabons, sei-

ne Geographika trotz der frühtiberischen Überarbeitung im Kem als ein augusteisches Werk zu bewahren. Denn so konnte er die Zusammengehörigkeit seiner Oikumenegeographie und seiner früheren Universalhistorie verdeutlichen. An folgenden Stellen des Tatenberichtes fallen Parallelen zu in den Geographika ge-

nannten Ereignissen auf: Strabon erinnert mehrfach an die gerechte Rache an den Mör-

dern Caesars, die auch der Prinzeps Augustus selbst am Anfang der Res gestae betont (Res gestae 2). Natürlich nennt Strabon auch nachdrücklich den Sieg der Caesarianer bei Philippi. Stolz führt der Kaiser seine siegreichen Kriege auf der ganzen Oikumene (Res gestae 3 und vor allem 29) durch Angabe der Kriegsschauplätze auf. Dabei stellt Augustus selbst seine Tapferkeit und die ehrenvollen Siege in den persönlich von ihm geleiteten Kriegen in Spanien (gegen die Kantabrer), in Gallien und Dalmatien heraus. Genau für diese Kriege berichtet auch Strabon vom persönlichen Oberkommando und von den Siegen des Prinzeps. Augustus rühmt sich (Res gestae 25), er habe das Meer von den ‚Seeräubern‘

befreit und die weggelaufenen Sklaven besiegt und gefangen. Auch diese Diffamierung

der Truppen des Sextus Pompeius als ‚Seeräuber‘ übernimmt Strabon. Der Sieg von Ac-

tium 3] v. Chr. wird als Zäsur sowohl in den Res gestae (25) als auch mehrfach bei Strabon im Sinne eines militärischen Endpunktes dec universalhistorischen Periode der Zeit Alexanders und der Diadochen interpretiert.

Der Prinzeps ist stolz darauf, in allen Provinzen des rómischen Volkes, denen Vólkerschaften benachbart waren, die dem rómischen Machtspruche nicht gehorchten, die Grenzen des römischen Reiches erweitert und als ‚Mehrer des Reiches‘ gewirkt zu haben (Res gestae 26). Er habe insbesondere die gallischen und spanischen Provinzen befriedet. Dies sind (auBer Germanien) auch die einzigen beiden Kriegsgebiete, in denen Strabon namentlich in den Jahren nach Actium Siege mit dem Oberkommando des Augustus verbindet. Zur Unterwerfung der Alpenstämme durch Rom (Res gestae 26) merkt der Prinzeps an, daß „keiner Völkerschaft der Krieg unrechtmäßig erklärt wurde“. Diese romfreundliche

Version verbreitet auch Strabon, weil er z.B. die Salasser und andere Stämme als Räuber darstellt und damit den Eroberungskrieg Roms legitimiert. Im Tatenbericht (Res gestae 26) werden die Feldzüge gegen Äthiopien und Arabien als großartige Siege Roms beschrieben, Dies tut wahrheitswidrig auch Strabon in umfangreichen Exkursen der Bücher 16 und 17 zu den Feldzügen des Aelius Gallus und C. Petronius. Das Motiv der pax Augusta für die gesamte Mittelmeeroikumene (Res gestae 9, 12

und öfter) durchzieht als Leitfaden die Geographika, und dieser lange ersehnte Frieden ist der wichtigste Grund der Legitimität der römischen Weltherrschaft. Daher kann dieses Motiv trotz seiner Allgemeinheit auch als ein Element der Übereinstimmung gerechnet werden. Unter den Friedenstaten des Au gustus ragen in den Res gestae die Ansiedlung

von Kolonien und die Fórderung des Städtewesens (Res gestae 3 und 28) hervor. Er habe Kolonien und Städte in Afrika, Sizilien, Makedonien, den spanischen Provinzen, Achaia, Asien, Syrien, Gallia Narbonensis und Pisidien, nicht zuletzt auch in Italien gegründet.

Für sämtliche hier erwähnten Regionen gibt Strabon ein Beispiel (aus Pisidien) oder meh-

rere Beispiele (aus Spanien und Hellas). Diese augusteischen Ansiedlungen belasten aber anders als frühere rómische Deduktionen durch die finanzielle Beteiligung des Prinzeps

nach den Res gestae und auch in Strabons Einschützung nicht mehr die betroffenen und umliegenden Poleis. Sie fórdern vielmehr diese Regionen, wie er am Beispiel von Nikopolis und Patras in Griechenland erläutert. An mehreren Stellen hatte Strabon das Einschreiten des Augustus gegen von Antonius eingesetzte Dynasten und Könige im öst-

lichen Raum, die Förderung der Städte und die Konsolidierung der Provinzen nach 31 v. Chr. gelobt, Taten, derer sich Augustus auch selbst rühmt (Res gestae 28). Ein signifi-

kantes Detail des Tatenberichtes ist die Erwähnung der Rückgabe der von Antonius aus

3. Das Bild führender Rômer

355

den Tempeln der Städte Asiens entführten (und meist der Kleopatra geschenkten) Kunst-

werke an ihre früheren Besitzer nach 31 v. Chr, (Res gestae 24). Es ist dies die einzige Euergesie und Friedenstat, die Augustus selbst ausdrücklich aus dem kleinasiatischen Raum nennt, und auch Strabon erinnert im 13. und 14. Buch zweimal daran?'?. Augustus hebt unter seinen Maßnahmen als Euerget seiner Mitbürger die bauliche Verschönerung der Hauptstadt Rom stark hervor (Res gestae 19-21 und die Liste der wichtigen Gebäude ebd. 35,2-3). Diese Bautätigkeit im öffentlichen Interesse unterstreicht in seiner Rombeschreibung auch Strabon. Die Res gestae enthalten schließlich mit propagandistischer Absicht nicht weniger als

55 geographische Bezeichnungen”, Geographisch geschulte Zeitgenossen, die sich über

die Propaganda des Prinzeps ein kritisches Urteil bewahrt hatten, konnten indes nicht übersehen, daß zwischen den von einigen augusteischen Dichtern in der Öffentlichkeit geweckten Erwartungen an die augusteische Außenpolitik und der stolzen offiziellen Erfolgsbilanz der Res gestae einerseits und der politisch-militärischen Realität an den Rändern des Reiches (in Britannien, Germanien und Parthien) andererseits Widersprüche

bestanden??!, Das allgemeine Raumbild des Oikumenereiches, das den Res gestae zugrundeliegt, zeigt an seinen nördlichen und südöstlichen Rändern Übereinstimmungen mit dem Raumbild der strabonischen Geographika. Das neuerworbene nordwestliche

Gebiet Europas wird als eine Region umschrieben, die durch den Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschlossen wird (Res gestae 26). Die Ostsee ist eine Bucht des Welt-

ozeans, dessen Grenze das Reich nach der Vorstellung des Prinzeps damit auch im Norden erreicht hatte. Eine solche Raumvorstellung vermittelt auch Strabon in den Büchern

1-2, 4 und 7. Von allen ‚Grenzen der Welt‘ kommen in den Res gestae ehrenvolle Gesandtschaften, die den Primat Roms unter Augustus anerkennen und um die Freundschaft des Prinzeps und des römischen Volkes ersuchen (Res gestae 26: die Kimbrer und andere keltisch-germanische Stämme bitten um die Freundschaft des Augustus; Res gestae 31: Gesandtschaften aus Indien, von den Skythen und den Kaukasusvólkern; Res gestae 32: Kónige aus Parthien, Medien und Adiabene sowie Britannien und von den Germanen

nehmen ihre Zuflucht zu Augustus). Auch Strabon erwähnt diese Ereignisse. Darunter sind vielleicht die Notizen über Gesandschaften der Kimbrer und Britannier aus dem Nordwesten und der Inder aus dem Südosten die wichtigsten Parallelen für die gemeinsame Absicht des Prinzeps und Strabons, den Charakter des augusteischen Reiches als imperium sine fine zu zeigen. Augustus hebt besonders hervor, daß er Ägypten, die letzte bis dahin formal noch unabhángige Diadochenmonarchie, dem Herrschaftsbereich des rómischen Volkes hinzugefügt habe (Res gestae 27). Auch Strabon hält die Eroberung Agyptens 30 v. Chr. aus militärisch-politischer (und die Neuordnung von 27 v. Chr. aus verfassungspolitischer) Sicht für den Endpunkt der Epoche nach Alexander. Die Neuordnung des Jahres 27 v. Chr. wird in den Res gestae (34) - natürlich nicht als ‚Geburtsdatum‘ der Monarchie — und

an prominenter Stelle am Ende der Geographika als ein Epochendatum herausgestellt. Vermutlich wáhlt er diese Jahre als Endpunkt auch seiner eigenen Universalhistorie. Sicherlich nimmt er sie als einen zentralen Bezugspunkt zeitlichen Achse der Geographika. 319 Vgl. zu den propagandistischen Absichten mit dieser Rückgabe Scheer 1995, 209—225. 320

Vgl. insb. Res gestae 26-31. Auf Kenntnis der Res gestae, der Commentarii und der Karte Agrippas

321

Iud. 2,16,345—401 zurück, in der ein Überblick über die Ausdehnung der römischen Weltmacht gegeben wird, um die Juden von einem sinnlosen Aufstand abzuhalten. Vgl. zur augusteischen Außenpolitik, dem ökumenischen Charakter des Reiches und den Spiegelun-

und vielleicht auch der Geographika Strabons geht die lange Rede vor König Agrippa II. bei Ios. bell.

gen augusteischer Politik in der Literatur u.a. Meyer 1961, {{πππ|8 1982, 254-370 und Vanorn 1987, 234—249; zu Britannien siche Zeccnmi 1987, 250-271, zu Rom und den Parthern in augusteischer Zeit auch PAN! 1972, ANGEL] BERTINFLLI [979 und ZEccHINI 1980, 138-148.

356

NI. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonis chen Geschichtsbildes

Augustus insistiert darauf, daß in seiner Zeit Rom die völlige Kontrolle über den Kli-

entelstaat Armenien ausgeübt habe (Res gestae 27). Auch hiermit stimmen die Bemerkun-

gen Strabons überein. Das Verhältnis zwischen dem römischen und dem parthischen Reich ist in den Res gestae und den Geographika ähnlich und zwar vôllig im augusteisch-rômi-

schen Sinne beschrieben (Res gestae 29 und 320), Die Parther wurden nach den Res gestae veranlaßt, früher erbeutete römische Feldzeichen zurückzu geben und ,demütig^ die Freundschaft des römischen Volkes zu erbitten. Tiridates und Phraates IV. (und auch

Phraates V.) nehmen ihre Zuflucht bei Augustus. Parther und Meder erhalten von Rom ihre Könige, nämlich Vonones I. und Ariobarzanes. Es ist kein Zufall, daß Augustus von

den drei großen Grenzströmen seines Reiches zwar Rhein und Donau, nicht aber den Euphrat in den Res gestae erwähnt. Er wollte nicht selbst auf diesen schwachen Punkt

seiner militärpolitischen Bilanz hinweisen. Strabon übertrifft an dieser Stelle sogar noch den Prinzeps, indem er die Parther schon kurz vor der völligen Übergabe ihres Reiches an

Rom stehen läßt und sachlich falsch und propagandistisch vereinfachend von mehreren

Königen spricht, welche die Parther von Rom erhalten hätten. Sowohl in den Leitgedanken seines Oikumenebildes und zur Legitimität der römi-

schen Weltherrschaft als auch in signifikanten Einzelheiten strebt Strabon in den Geogra-

phika Übereinstimmungen mit den Res gestae des Augustus an und behält diese auch in seiner frühtiberischen Aktualisierung des Werkes weitgehend bei. Auch darin erweist er sich als ein augusteischer Autor und Zeitzeuge des augusteischen Oikumenereiches. Strabon begrüßt nachdrücklich die Erweiterungen der geographischen Erkenntnisse über die gewaltigen Ausdehnungen Zentral- und Osteuropas, Afrikas nach Süden hin und vor allem der asiatischen Kontinentalregionen nach Osten und Südosten jenseits des Euphrat bis zum Reich der Serer (China), die in augusteischer Zeit erfolgt waren. Sie hatten jedoch

eine Eroberung der gesamten nunmehr bekannten Welt (des orbis terrarum) mit den damaligen militärisch-technischen Mitteln unmöglich gemacht und erzwangen eine Konzentratıon der Reichspolitik auf den Kernraum der Mittelmeeroikumene (den orbis Romanus)

und die Sicherung der Reichsgrenzen. Dennoch hielt Augustus politisch in den Res gestae den Anspruch aufrecht, die gesamte Oikumene bis auf wenige Randgebiete zu beherrschen. In der óffentlichkeitswirksamen Verbreitung dieses Weltreichsanspruches unterstützten ihn einige der besten Dichter der Zeit, M. Agrippa mit seiner Weltkarte und nicht zuletzt auch Strabon mit seiner Kulturgeographie. Denn er legte anders als Eratosthenes seinen Geographika eine ráumlich kleinere Oikumenedimension zugrunde. Unter dieser Annah-

me verringerte sich aber auch die Spannung zwischen der Ausdehnung des augusteischen

Reiches und der tatsächlichen Größe der bekannten Welt???

Strabon ist aus mehreren Gründen von der historischen und geopolitischen Notwen-

digkeit des Prinzipates des Augustus überzeugt. Nur die Monarchie als Verfassungsform sichert die Stabilitát Bewohnern die pax chen Eliten auch auf Zugleich eröffneten

des Oikumenereiches, und nur dieses wiederum garantiert seinen Augusta. Die Prinzipatsordnung garantierte den hellenistisch-östliDauer den inneren, sozialen status quo in den Städten und Provinzen. sich einzelnen Mitgliedern dieser Oberschicht bald glanzvolle Móg-

lichkeiten der Partizipation an der Reichsverwaltung und der Karriere im rómischen Staatswesen. Strabon selbst und seine Familie zählen sich zu dieser Schicht. Der äußere und innere Frieden ist ferner auch Voraussetzung für weitere Fortschritte in den Wissenschaften — nicht zuletzt in der Kulturgeographie und Universalhistorie. 322 Dazu gut Lauatouis 1951, 56-88. Nach Eratosthenes betrug der Umfang der Erde 252000 Stadien, nach Poseidonios und Strabon aber nur 180000. Dies hatte die Kon sequenz, daß an den Nord-, Ost- und Südrändern des augusteischen Reiches nur noch relativ kleine (und laut Strabon zudem wentg wertvol-

le) Gebicte nicht von den Rómern beherrscht wutden.

3. Das Bild führender Römer

357

Man findet in den Geographika nur relativ wenige, aber durchaus aussagekräftige Stellen, an denen Strabon die Legitimität des römischen Universalreiches unter seiner monarchischen Verfassung theoretisch diskutiert. Strabon macht seine eigenen Auffassungen deutlich, indem er in den Geographika — und wahrscheinlich schon zuvor in der Universalhistorie -- wie in einem großen enzyklopädischen Tableau die zivilisatorischen, ökononmuschen und politisch-sozialen Erfolge des Prinzipates in seinen einzelnen Städten und Regionen vorstellt. Der Gesamteindruck, der nach der Lektüre entsteht, ist noch nachhaltıger und überzeugender als der nach der Lektüre einer allzu offenen und topischen Augustuspanegyrik, wie sie manche augusteische Dichter oder zeitgenössische Redner betrieben. Strabon arbeitet in den Geographika gerne mit Gegensätzen (früher — jetzt,

Dorf — Stadt, Krieg — Frieden, Barbarei — rómisch-griechische Zivilisation, räuberische Armut — friedliche Prosperität), wenn er den Zustand der Mittelmeeroikumene unter Au-

gustus positiv von früheren Zeiten abhebt. Der Prinzeps selbst und die Mitglieder seines Hauses sind zugleich im ganzen Reich die größten Euergeten und Nothelfer für einzelne Bürger, Städte und ganze Provinzen. Die εὐεργεσία wird von Strabon geradezu als eine ‚königliche Form der Beeinflussung der Massen‘ gepriesen. Sie stabilisiert die Monarchie als Verfassungsform sicherer als offener Zwang oder als die Drohung mit überlegener militärischer Gewalt. In einer seltenen persönlichen Betrachtung über die politische Macht (δύναμις) führt Strabon diesen hellenistischen Gedanken so aus: „Denn abgesehen von

jenem allgemeinen Ausspruche: Die Schätze sind der Menschen höchst geschätztes Gut und die größte Geltung haben sie im Menschenreich müssen wir die Sache auch im einzeinen betrachten. Wir sagen nämlich, daß die Könige die meiste Macht besitzen, weshalb wir sie auch Machthaber nennen. Sie vermögen aber die Völker durch Überredung oder Gewalt zu leiten, wohin ste wollen; am meisten jedoch überreden sie durch Wohltaten. Denn die Überredung durch Worte ist nicht Sache der Könige, sondern der Redner; königlich aber nennen wir die Überredung, wenn sie durch Wohltaten leiten und führen, wohin sie wollen. Sie überreden demnach durch Wohltaten und zwingen durch die Waffen. Diese beiden [Mittel] aber sind [nur] durch Geld zu erwerben; denn das größte Heer hat der,

der es ernähren kann, und am meisten wohltun kann, wer das meiste besitzt”. Aus der hellenistischen Tradition seit Alexander dem Großen, den komplexen lokalen Verhältnissen der anatolischen Staatenwelt und den Lehren ‚seiner‘ stoischen Philosophenschule

mit ihrem Konzept des Weltbürgertums und der Universalmonarchie war Strabon die monarchische Verfassung wohlvertraut. So wie der λόγος oder der νοῦς im Körper herrschen,

soll der Monarch den Weltstaat lenken ?**. Mit subtilen Definitionen des staatsrechtlichen Ausgleichs zwischen dem römischem Volk, dem Senat und dem Prinzeps bei der Konstitution des Prinzipats gibt er sich nicht ab. Diesen betrachtet Strabon als eine Monarchie, die den hellenistischen Monarchien ähnlich sei. Aus seiner anatolischen Heimat weiß er, daß man unter einer Monarchie sehr heterogene Gebiete und Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen ethnischen, kulturellen und wirtschaftlich-politischen Traditionen und verschiedenem Rechtsstatus besser in einem Staat vereinen konnte als in republikanischen oder föderalen Staats- und Verfassungsformen. Auf lokaler Ebene bilden aber für Strabon weiterhin die griechischen Polisstaaten mit ihren Freiheiten und kulturellen Traditionen

ein Modell des Zusammenlebens, dem er sich verpflichtet fühlt.

|

Strabon sieht unter der neuen Verfassungsform des Prinzipates auch einer weiteren

zukünftigen Ausdehnung des Reiches ohne jede Sorge vor einer Krise aufgrund der Größe

des Imperiums und ohne irgendwelche Ängste vor einem Niedergang mit einem erfri-

323

Vgl. 9,240 C.415 mit einem Zitat aus Eur. Phoen. 439-440 Murray: dt. Übers. FonBiGER 1906-1914, 42.

324 Vgl. MaNCINETTI SANTAMARIA 1978-1979, insb. 133f und Crescı MARRONE 1994, passim.

358

IIL Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

schend unkritischem, zuweilen naiven Optimismus entgegen. Er teilt keineswegs die nachdenkliche und pessimistische Bemerkung des Livius, Rom sei inzwischen aus kleinen

Anfängen so groß geworden, daß es an seiner schieren Größe zu leiden beginne?5. Strabon

begründet also zunächst die Legitimität der römischen Herrschaft und der Verfassungsform der Monarchie aus der Sicht eines Gelehrten der östlichen Reichshälfte durch die Garantie des äußeren und inneren Friedens, dann durch eine besser funktionierende und gerechtere Verwaltung, das Ende der Agonie der hellenistischen Staatenwelt, die soziale Stabilität und Partizipationschancen für die Eliten auch der Provinzen im neuen Kaiserreich. Er betont dagegen eine anders akzentuierte und zusätzliche Legitimation für die erst kürzlich unterworfenen und ins römische Reich einbezogenen nordwesteuropäischen Gebiete auf der iberischen Halbinsel, in Gallien, im Alpen- und Donauraum. Hier sind die

militärische Niederwerfung der indigenen Kelten- und Germanenstämme und die Zerschlagung

ihrer vorhandenen

politischen

Stammesstrukturen

für ihn unerläßliche Vor-

aussetzungen für die Befriedung der Einwohner und Regionen. Die Römer haben in ihrer Geschichte schon viele barbarische Völker unterworfen und sie später als Verbündete in ihr politisches System und ihren Kulturkreis aufgenommen. Selbst die rauhen Bergbewohner und abgelegene Stämme in Gebieten ohne Verbindung zur Mittelmeerkultur durch Häfen oder in klimatisch extremen Lagen haben die Römer als zivilisatorische Macht gelehrt, nun auf bürgerlich-zivilisierte Weise (πολιτικῶς) zu leben: Ῥωμαῖοί TE πολλὰ ἔθνη παραλαβόντες κατὰ τὴν φύσιν ἀνήμερα διὰ TOUS τόπους ἤ τραχεῖς ὄντας fj GALμένους ἤ ψυχροὺς 1| ἀπ᾽ ἄλλης αἰτίας δυσοικήτους πολλοῖς τοὺς τε ἀνεπιπλέκτους

ἀλλήλοις ἐπέπλεξαν καὶ τοὺς ἀγριωτέρους πολιτικῶς ζῆν ἐδίδαξαν25, Der Frieden

durch die römischen Waffen und die römische Herrschaft bilden also die notwendigen Fundamente, auf denen sich der Prozeß der Akkulturation der ehemals barbarischen Provinzen, den Strabon als Romanisierung und Zivilisierung versteht, erfolgreich vollzieht. In augusteischer Zeit zeigen sich, wie Strabon mehrfach zufrieden feststellt, vor allem in

Spanien und Gallien schon staunenswerte Erfolge dieser Romanisierung?7",

325 Vgl. Liv. praef. 4 und die weitere Zuspitzung dieses Gedankens von Plinius, daB den späteren Ge-

schlechtern die Weite der Welt und die Größe der Verhältnisse nachteilig geworden seien (Plin. nat. 14,2ff); ähnlich auch Plin. nat. 2,117f und Flor. 1,47,6: „ac nescio an satius fuerit populo Romano

Sicilia et Africa contento fuisse, aur his etiam ipsis carere dominanti in Italia sua, quam eo magnitudinis crescere, ut viribus suts conficeretur."

326 2,5,26 C. 127. 327 Vgl. zur Romanisicrung der unterworfenen barbarischen Gegner Roms und den Topoi der Barbaren-

ethnographie MaNctNETTI SANTAMARIA 1978-1979, 134ff, CLAVEL-LEVÈQUE 1974, 75-91, van der VLIET 1977, TRoLLARD 1987 und DAuGE 1981, 87-182.

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

359

4. DIE COMMENTARI UND DIE ‚WELTKARTE‘ DES AGRIPPA ALS TYPISCHE RÖMISCHE FORMEN DER DARSTELLUNG DER AUGUSTEISCHEN OIKUMENE 1. Römische Traditionen der Erfassung, Vermessung, Beschreibung und Abbildung des römischen Reiches bis zur Zeit des Agrippa und Augustus M. Vipsanius Agrippa und Augustus waren ohne Zweifel mit der reichen hellenistischen Tradition griechischer geographisch-historischer Schriften vertraut. Außerdem stellten M. Terentius Varro, L. Cincius, C. Nepos und andere antiquarische Forscher des 1. Jh. v. Chr. in ihren lateinischen literarischen Werken Agrippa, dem Prinzeps Augustus (und später Plinius) viele wertvolle topographisch-geographische Informationen bereit!. Dennoch sind andere Traditionen der Vermessung und administrativ-geographischen Erfassung des ró-

mischen Reiches als Quellen für die Commentarii und die Weltkarte Agrippas sowie für die Raumvorstellung des Prinzeps von seinem Reich bedeutsamer als solche literarischen Werke. Dieses nichtliterarische Material repräsentiert eine speziftsch römische Tradition der Erfassung, Vermessung, Beschreibung und Abbildung des römischen Reiches?. Sehr knappe und zudem erst späte Quellen berichten, daß C. Iulius Caesar als erster rómischer Staatsmann kurz vor seiner Ermordung 44 v. Chr. vier griechischen Fachleuten, Nikodemos (oder Nikodoxos), Didymos, Theodotos (oder Theodokos) und Polyklei-

tos den Auftrag erteilt haben soll, das gesamte damalige rómische Reich zu vermessen und wahrscheinlich auch in kartographischer Form darzustellen?. Diese Vermessungen und Datenerhebungen wurden erst in der augusteischen Zeit vollendet. RODRIGUEZ vertritt sogar die nicht beweisbare Vermutung, daß Strabon in Rom eine ältere caesarische - und

von Agrippa vollendete — Weltkarte gesehen und als Quelle benutzt habe, nicht aber das Exemplar, das spáter in der Porticus Vipsania auf der Basis der Daten und Angaben der

Commentarii Agrippas angebracht wurde. Doch ist es unwahrscheinlich, daß Strabon sich auf eine ihm aus eigener Anschauung bekannte Weltkarte Caesars bezogen haben sollte, ohne auch nur den Namen Caesars, dieses von ihm so hoch geschützten Staatsmannes oder das caesarische Projekt der Vermessung des Reiches zu erwähnen. Auch Plinius gibt keinen Hinweis auf eine öffentlich in Rom aufgestellte Weltkarte Caesars. Es gibt jedoch durchaus Hinweise auf einen Aufenthalt Strabons in Rom noch nach 7 v. Chr. und sogar nach 14 n. Chr. Bei einem solchen Aufenthalt konnte er die Agrippakarte in der fer-

tiggestellten Porticus schon selbst sehenf. 1

Lus 1988, 41—51 weist auf Varro und Nepos als literarische Quellen der Commentarii des Agrippa

hin. Über Varro als Quelle des Plinius siehe SALLMANN 1971, 107-126.

2

Vgl. Nicouers für unser Thema wichtige Beiträge 1988, 1991 und [996 (mit weiterführenden Rezen-

sionen von ALONSO-NGREz 1989, 53-55 und PuRcELL 1990, 178-182 zur Monographie von 1988); gute

Abbildungen antiker Karten und einen knappen Überblick über wichtige Testimonien findet tnan bel STOCKELBERGER 1994, 47-73; grundlegend zur Raumauffassung in der griechisch-rómischen Antike

(aber mit einigen überspitzten Thesen) sind Jannı 1984 (‚hodologisches Weltbild‘, Wegeraum) und BRODERSEN 1995; ALGRA 1995 diskutiert die wichtigsten philosophischen Theorien der Klassik und des Hellenismus über den Raum und die antiken Termini für Räume und Orte. Für Strabons Vorstellungen

3

sind ALGRAS Ausführungen über die Lehren der Stoa (261-335) interessant.

ΝΕ

"

Vgl Geographi Latini Minores Riese 1878, 21-23 zu Julius Honorius' Cosmographia lulii Caesans;

Weltkarte, Dn xr 1985, 40 und RoDRIGUEZ 1992, 79-93 sprechen beide vom Projekt einer caesarischen

NicoLer 1988, 103-107 vermutet vorsichtiger nur eine Vermessung. BRoDERseN 1995, 262-267 hält

die gesamte Tradition über die Reichsvermessung im Auftrag Caesars sogar nur für eine mittelalter4

liche Erfindung.

.

Das Argument BRODERSENS 1995, 283-284, die Abfassungszeit der Geographika einerseits und das Datum der Fertigstellung der Porticus Vipsania andererseits würden ausschließen, daB Strabon me

Weltkarte (oder BRODERSEN zufolge nur eine Inschrift) Agrippas in dieser Porticus gesehen haben

kon-

360

IH. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes Altere Darstellungen einzelner Gebiete auf Karten oder in Bildern, die im ôffent-

lichen Raum aufgestellten wurden, hatte es in der römischen Tradition schon gegeben, auch wenn wir hierüber nur wenige Zeugnisse kennen. 174 v. Chr. ließ Tib. Sempronius Gracchus als ex voto in Rom an einer Innenwand des Tempels der Mater Matuta als Denk-

mal seiner Siege eine forma Sardiniens, also wohl eine einfache Form einer Länderkarte anbringen”. Bald darauf weihte P. Cornelius Lentulus im Atrium Libertatis? in Rom eine Jorma agrorum von Kampanien, eine Karte mit der Darstellung der dort von ihm geleiteten Zenturiationen. Varro führte in De re rustica (37 v. Chr.) Sprecher ein, die sich am Tempel der Tellus in Rom treffen und vor einer auf eine Tempelwand gemalten Karte oder einer bildhaften Darstellung von Italien (talia picta) über die landwirtschaftlichen Vorteile der einzelnen Regionen diskutieren’, Propagandistisches Ziel dieser Karte, die vielleicht schon nach dem Ende des Bundesgenossenkrieges fertiggestellt wurde, war es, die Einheit Italiens unter rómischer Vorherrschaft zu zeigen. Agrippa und Áugustus knüpften mit ihrer Otkumenekarte in der Porticus Vipsania als Medium der Reichspropaganda an diese Karte an. Sie weiteten aber die Darstellung von Italien auf den orbis terrarum aus. Beide Karten verfolgten keine streng wissenschaftlich-geographischen Ziele und

konnten daher auf eine in allen Proportionen und Dimensionen der Realität entsprechende Darstellung verzichten, die ohnehin mit den damaligen technischen Mitteln nicht zu erreichen war. Agrippa und Augustus wollten vielmehr primär der Offentlichkeit Roms das

imperium sine fine, das augusteische Oikumenereich, bildhaft vor Augen stellenÿ. Wenige explizite Hinweise bei Plinius auf Corbulos militärische Karten Armeniens

und auf die forma Äthiopiens, die man als Ergebnis einer wissenschaftlichen Expedition Nero sandte, beweisen zwar die Benutzung von Karten bei einigen Feldzügen und im

wissenschaftlichen Kontext in der späten julisch-claudischen Dynastie”, geben aber noch keinen Anhaltspunkt dafür, seit wann und in welchem Umfang man in politisch-militärischen Zusammenhängen die Verwendung von Karten in Rom voraussetzen darf? Der über Jahrhunderte währende Prozeß der Eroberung und die spätere Beherrschung der Mittelmeeroikumene durch Rom sind ohne hervorragende Kenntnisse auch auf geo-

graphischem Gebiet nur schwer vorstellbar. Gravierende Niederlagen erlitten römische Heerführer nur selten durch Mangel an notwendigen geographischen Kenntnissen, sondern in den meisten Fällen durch arrogante Selbstüberschätzung, irrationale Sturheit oder andere strategisch-taktische Führungstehter. Die Planung von Feldzügen, die Koordinane, überzeugt nicht, vgl. hierzu Kapitel I, über einen durchaus möglichen, sogar wahrscheinlichen Aufenthalt Strabons in Rom nach 14 n. Chr. Sie bot wahrscheinlich keine präzisen chorographische Angaben, dafür aber (nach Liv. 41,28,10) ge-

5

malte Darstellungen der Orte der siegreichen Schlachten des Gracchus auf Sardinien. Ein reines Historiengemálde war dagegen die Darstellung der Eroberung Karthagos, die C. Hostilius Mancinus 146 v. Chr. nach Plin. nat. 35,23 auf dem römischen Forum aufstellen ließ, um sie zur Erhöhung seiner gloria

militaris den Mitbürgern selbst zu erláutern. Siche Granius Licinianus, ed. Criniti p. 28,36. Nach Nicoser stammte die Karte aus den frühen 50er Jahren. Da die Teilnehmer des Gespräches bei Varro rust. 1,2,1, in den subsellia sitzen und von dort die Jtalia picta betrachten, muB sie im Vestibül

6 7

des Tempels angebracht gewesen sein. BRODERSEN 1995, 152-155 hält dies für ein Bild einer Personifikation Italiens, die sich schon auf die Mitte des 3. fh. v. Chr. zurückführen lasse. In die Umrisse einer

9

effigies orae Hiberae um ca. 200 v. Chr. (Sil, 17, 635ff) waren jedoch wohl schon Stadtvignetten und ähnliche Symbole eingezeichnet, die eher an eine chorographische Karte als eine Personifikation oder ein Emblem denken lassen. Plin. nat. 3,17: „cum orbem terrarum urbi spectandum propositurus esset" (sc. M. Agrippa). Siehe nachdrücklich SYME 1988, 227—251 (auch in ders. 1991, 372—397), mit Verweisen auf Plin. nat.

6,40 über Karten mit Corbulos Namen und Plin. nat. 12,19 über eine forma Athiopiens. 10

Vgl. zum Stand der Diskussion BRODERSEN 1995 und zur Rolle der strabonischen Kulturgeographie in

der Entwicklung der antiken Geographie und Kartographie ENGELs 1998b.

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agripp a

361

tion ganzer Armeegruppen über weite Operationsräume z.B. in Germani en oder auf dem Balkan, die Sicherung des Nachschubes, die Auswahl geeigneter Plätze für dauerhaf te Lager der Truppen und für die Gründung von Städten im barbarischen Raum verlange n

gute Kenntnisse über geographische Fakten. Die erfolgreiche militäri sche und herrschaftsadministrative Praxis der Römer setzt daher nach Meinung einiger Forscher schon

in republikanischer und augusteischer Zeit in der politisch-militärischen Elite ein hohes

Maßan geographischen Kenntnissen und eben auch eine verbreitete Nutzung militärisch-

administrativen Kartenmaterials voraus, obwohl wir als Quellen hierfür kaum explizite literarische Zeugnisse oder archäologische Überreste haben, Als einen — allerdings erst

späten — Kronzeugen für eine weite Verbreitung von militärischen Routenbeschreibungen

(ttineraria adnotata) und kartographischen Itineraren (itineraria picta) kann man die dem

Kaiser Theodosius (379—395 n. Chr.) dedizierte Epitoma rei militaris des Vegetius heran-

ziehen, die von adnotata itineraria und picta itineraria für die Feldherrn über die wichti-

gen Provinzen oder militärischen Operationsgebiete spricht!!, Nach Vegetius soll der Feldherr ein itinerarium (d.h. hier eine Landkarte) benutzen, das über bloße Distanzangaben

hinausgehe und compendia, deverticula, montes, flumina und andere bildliche Darstellungen der Landschaft zeige. Aber ausdrücklich bezeugt sind solche Militürkarten für das 2. und 1. Jh. v. Chr. bisher nicht. Der Hinweis Sallusts auf die historischen Werke und Militärhandbücher, die junge Adlige vor Antritt ihres Kommmandos zum ,briefing* zu lesen pflegten'?, deutet auf literarische Beschreibungen der künftigen militärischen Einsatzräume. Unter vielen anderen historisch-geographischen Autoren betont auch Strabon

den unmittelbaren Nutzen geographischer Kenntnisse für Feldherren, die man sich vor Ort durch Exploration des Geländes und vor dem Einsatz durch Lektüre geographischer

Beschreibungen, z.B. seiner Geographika, verschaffen kónne?. Aber mit dieser Bemer-

kung móchte Strabon natürlich auch Leser für sein eigenes Werk gewinnen. Man darf sie daher nicht als ein starkes Argument gegen die Existenz und die Verbreitung von Landkarten benutzen.

m

Die arma Romana eröffneten im 2. und 1. Jh. v. Chr. riesige, bisher auch für die geographische Forschung kaum zugängliche Gebiete. Im Zuge dieser Feldzüge waren die

römischen Feldherrn und Politiker an militärisch verwertbaren, topographischen, klima-

tologischen und chorographischen Informationen über die Länder am Rande der Oikumene sehr interessiert. Alle berühmten Feldherrn des 1. Jh. bis in die augu steische Ara verfa

ten Commentarii über ihre Kriegszüge oder ließen ihre Taten von Historikern feiern, die dabei stets auch geographische Informationen in ihre Werke einbauten, Hiersei nur μὰ

einige berühmte Beispiele erinnert: Sullas Autobiographie, Caesars Commenfarti, el

über die Nordseefahrt des älteren Germanicus, über den Arabienfeldzug des vert ἃ die 25/24 v. Chr., über den Feldzug des C. Petronius gegen das Reich von Meroe »

" - Be-

Expedition in die Sahara durch L. Cornelius Balbus ca. 21-20 v. Chr., Kong τ Ve rhe. ^ chen Regelungen des Caius Caesar und aie richte über die parthischen und armenis h sichere Belege dafür, da NU ldherrenberichte reitung der großen Arabienexpedition vor dessen Tod. Doch Sk man als Ergebnis dieser Explorationen und aus dem Material dieser Feldherre del

11

»

ten für Soldaten (nicht nur reine Verzeichnisse von Marschstationen) Ambr.

118,

Kronzeugen für eine

sermo 5,2. SyME 1991, 379 und STÜCKELBERGER 1994, 69 machen Vegetius zum 12

+ erarkar-

Veg. mil. 3,6 Wille; Vegetius stützt sich für sein Handbuch auf älteres Material; Sees

188-189.

weite Verbreitung qualitätvolter Militärkarten; doch siche dagegen BRODERSEN ' Marius hat über diese Praxis gespottet (bei Sall. lug. 85,12-13). 4 f einen Traktat aus dem

13 Vgl. 1.1.16 C. 8-10. Selbst Bropersen 1995, 189 Anm. 3 verweist jedoch 20 CP 6. Ih. n. Chr. Περὶ στρατηγίας 20 (Dennis p. 70), in dem den Feldherra n

Anfertigen militärisch-geographischer Skizzen (ἀπογράφειν) von solchen denen man eventuell in einen Hinterhalt geraten könne.

cre pec das

empfohien wird, in

362

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

auch jeweils Karten über einzelne Länder oder gar ganze Erdteile zu militärischen oder politischen Zwecken angelegt hat und diese irgendwie publiziert worden sind, fehlen uns. Vorstellbar bleibt eine solche Anfertigung aber meines Erachtens dennoch durchaus. Ohne

genaues Vermessen und Erfassen der gewonnenen Daten ist keine effiziente

herrschaftliche Durchdringung eines eroberten Raumes zu organisieren. Recht genaue Katasterunterlagen dürfen wir auch schon für die meisten griechischen Städte der östlichen Mittelmeeroikumene seit dem 4. Jh. v. Chr. und insbesondere z.B. im Hellenismus für das Ptolemäerreich voraussetzen. Eine so einschneidende Maßnahme wie die Durchsetzung des Verbanntendekretes Alexanders des Großen von 324 v. Chr. war ohne genaue Erfassung

des Besitzes der Bürger an Land und Gebäuden sowie der Grenzen der Territo-

rıen der Städte nicht durchführbar. Aus Tegea kennen wir eine aussagekräftige Inschrift

zu diesen Fragen!*. Rechtsstreitigkeiten zwischen hellenistischen Poleis über Territorien wurden in einigen Fällen durch Austausch gegenseitig akzeptierter Flurkarten beigelegt!?.

Dieses dokumentarische Material wurde aber auffälligerweise von den Geographen und Historikern der hellenistischen Zeit bis zu Strabon kaum genutzt. Die Erweiterung und Intensivierung der römischen Herrschaft über Italien und die gesamte Mittelmeerwelt durch den Ausbau strategischer Straßenverbindungen zwischen den Zentren der einzelnen Länder, die limitatio bei der Anlage von coloniae und die Einrichtung neuer Provinzen führten aus praktischen, politisch-administrativen wie rechtlichen Gründen der Raumerfassung dazu, daß man über zivile und militärische Landvermessungen, bei der Anlage von Katastern, der Einziehung von Feindesland und der Verteilung von Nutzungsrechten am ager publicus (z.B. Capua nach dem Zweiten Punischen Krieg) sowie bei den Zensuserhebungen zahlreiche und präzise geographische Informationen sammelte. Vermessungen in militärischen Zusammenhängen durch die elf mensores, die jeder Legion angehörten, konzentrierten sich auf folgende Grundfunktionen: die Vermessung von Lagern, des territorium legionis und angrenzenden Landes, die Zenturiation bei der Anlage von Militärkolonien und die Vermessungsarbeiten beim Straßenbau (später auch an den limites). Einige dieser mensores haben wohl auch als Kartenmacher und Graveure (von Bronzekarten?) für ihre Kommandeure gearbeitet, wie eine Grab-

inschrift eines Prätorianers belegt, der als chorographiarius und caelator bezeichnet wird!®.

Das System der Zenturiation eignete sich aufgrund der eingesetzten Geräte und Methoden besonders gut zur Vermessung gleich großer Felder in ebenem Gelände, weniger gut aber zur Vermessung von hügeligem oder gebirgigem Gelände. Die Technik der Landvermessung der Römer mit den typischen Instrumenten der agrimensores, z. B. die groma, und

einige Riten der Stadtgründung sind eindeutig stärker über die Etrusker als über griechische Vorbilder vermittelt. BRODERSEN unterstreicht, daB der praktische Ablauf solcher Vermessungen wichtige Folgen für die Grenzen der gromatischen Raumerfassung und die Darstellung der Ergebnisse der Zenturiationen in den Karten, den formae, der Gromatiker

hatte", Für das Gebiet von Orange in Südfrankreich ist durch Kombination und minutiöse

Interpretation luftbildarchäologischer und epigraphischer Zeugnisse ein genauer Einblick

in die Anlage römischer Katasterpláne und -karten gelungen!?. CHEVALLER betont den 14 15

Siehe zu Tegea Syll? 306 und HeissERER 1980, 204-219. BatapiÉ 1980, 349-50 verweist auf ein Beispiel aus Magnesia am Mäander von 139 v. Chr. (IvK Magnesia 105,71). Weitere Beispiele findet man bei DAvERIo RoccH 1987, 21-42 und 1988 (zu Grie-

16

17

18

chenland); zu den allgemeinen Formen der zwischenstaatlichen Schlichtung siehe Piccmn.ut 1973. Vgl. AE 1947,61, weitere Quellen über mensores bei Austin und RANKow 1995, 114 Anm. 7. "Vgl. Bropersen 1995, 213ff.

Zur mustergültigen Interpretation der Katasterquellen aus Orange siehe PıcanıoL 1962, Duke 1974, 373—580 und 583f (auch ders. demnächst in ANRW II 37.5.). CHEVALLIER 1974, 649-788 mit umfas-

sender Bibliographie und vielen Abbildungen zu Katastern und Zenturiationen sowie SCHUBERT 1296

4. Die Commentarii und die ,Wellkarte' des Agrippa

363

Modellcharakter der latinischen Kolonien Roms für die Anlage neuer Stádte im Raum der Provinzen des Kaiserreiches, obwohl dort auch schon bestehende pagi oder vici der ein.

heimischen Stámme den Rómern siedlungsgeographische Anknüpfungspunkte boten.

Sogar einzelne villae oder Domänen wurden in den Provinzen als Fixpunkte der geogra-

phischen Durchdringung der ländlichen Räume genutzt!?.

Vielfältiges amtliches Material, das geographische Informationen enthielt, wurde in Rom spätestens seit dem 1. Jh. v. Chr. regelmäßig in verschiedenen Archiven aufbewahrt.

Manche formae mit den Ergebnissen wichtiger Zenturiationen wurden sogar in Rom öffentlich ausgestellt, z.B. die forma des ager Campanus, die auf Initiative des die Zenturia-

tion leitenden Magistraten P. Cornelius Lentulus 165 v. Chr. am Tempel der Libertas

angebracht wurde??, Die offiziellen Ergebnisse der Vermessungen und adsignationes wurden auf bronzenen Karten, sogenannten formae?!, niedergelegt. Ursprünglich hatte es Je zwei Kopien dieser Urkunden gegeben, eine für das Tabularium in Rom (die durch schriftliche Erklärungen begleitet wurde, die libri aeris) und eine für das lokale Archiv. Wegen ihres wertvollen Materials wurden diese Ritzkarten später eingeschmolzen, und deshalb hat sich bisher erst eine einzige (bruchstückhaft) erhalten, die eine Zenturiation in der Gegen des Anas-Flusses in Spanien zeigt. Die Flächenmaße der vermessenen Grundstücke sind auf diesem Fragment nicht aus der (nicht maßstabsgerechten) Zeichnung

selbst

erkennbar, sondern in die Abbildungen der Grundstücke eingeschrieben worden". Dieses wertvolle, ‚amtliche‘ Material bildete den Grundstock für Stadtpläne, regionale Kataster-

karten, formulae provinciarum, Itinerare sowie auch für die Weltkarte des M. Vipsanius Agrippa?. Die wenigen Abbildungen kleinformatiger Karten in einigen späten Handschriften des Corpus der Schriften der agrimensores mit ihrer nur durchschnittlichen Qualität geben einen Überblick über das römische Vermessungs- und Katasterwesen; vgl. zur Zenturiation als typisch römischer Weise der Landerfassung und -verteilung auch Moxrri 1993, 31-48 über die formae als enregistrement graphique“und 49-62 zu den instrumenta bzw. commentarii (libri aeris, libri sub-

secivorum, libri beneficiorum, libelli, Teilen der leges coloniae) als „enregistrement écrit”, die als TERRA parallele Formen zusammen verwendet wurden; siehe ferner den Sammelband MISURARE LA 1984 und über Kataster und Archive in Rom Nicoer 1994 und 1996 sowie CORTADELLA 1995, 33-56.

Gassa 1985, 223 wendet sich kritisch dagegen, daß Jannı 1983 (und neuerdings BeoDERSEN 1999 de

Bedeutung der Niederlegung der Ergebnisse der Zenturialion in formae (Katasterkarten) herunterspie n Es handele sich z.T. (etwa bei Orange) um schr weiträumige Vermessungen und Einteilungen vo

19

Gebieten bis zu 100 km, die auch ein umfangreiches kartographisches Können yorausselzter. 141. d Vor. Siehe zu Fragen der ‚Raumordnung‘ im römischen Reich grundsätzlich: KIRSTEN 1958, 25

71, Vogt 1942, 100-132 (auch in ders. 1960, 172-198) und Cuzvatutem 1974, 649-788, Zu cen 7 hälinissen in Gallien, Rätien, Noricum und Pannonien siehe GortLieß [989; zu grondlegender HET

ten der römischen Stadtplanung vgl. MAcKENbRICK 1956, 126-133, WarD-PERKINS 1974 un

Lier 1974, 691f. Griechische Vorbilder haben nur in geringem Maße über den Kontakt mit un schen 20

21

teritali-

Städten auf die römischen Stadtplanung eingewirkt.

"Vgl Granius Licinianus, ed. Criniti p. 9.

der Ritzkarte" scarifus Vgl. zu den Termini forma, typus, mappa oder dem prügnanten Fre Frenmdwort RuBelegstellen u.a. in Hyginus Gromaticus De limitibus constituendis, In: BLUME, one 1974 p DORFF (Hgg.), Bd. 1, 1848, 166-208 und anderen Gromatikerschriften; siehe ferner COLOGNESI (Heg. 592. ders. und M. S. Dı.xe 1976, 39-72, ders. 1985 sowie BEHRENDS und Croce à J985; SHERK

1992. Einzelne Instrumente und Techniken der Vermessung bespricht DILKE M II mensores jeder Belege für militärische Explorationen und die Ränge de 1974, 534—562 untersucht

Legion. 22

23

"Vgl. AE 1990, 529; zur forma von Lacimurga auch BRODERSEN 1995, 22 1-22

2.

Zwischen den römischen Katasterkarien und allen anderen antiken Karten Mnt Kartographie andererseits gibt es allerdings wesentliche strukturelle Unterschl

sehen darf, vgl. dazu Jannt 1984, 37-39. Bis zur Zeit des Ptolemaios gab es E System der Längen- und Breitenprojektion, selbst danach kein einheitliches ne allgemein verwendeten und klar verständlichen Kartensymbole.

its und der modernen

die man nicht über-

"

mein anerkanates

aßstabssystem und kei-

364

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

können den bedauerlichen Verlust dieser erstrangigen Quellen nicht ersetzen. Zumindest

einigen Historikern und Geographen, die in Rom lebten und von denen die meisten einen hohen sozialen Status hatten, stand dieses gromatische Material in augusteischer Zeit noch zur Auswertung zur Verfügung. Ihre Werke lassen aber erkennen, in wie geringem Umfange die meisten Historiker und Kulturgeographen unter dem Einfluß ihrer literarischtraditionellen Bildung solches Quellenmaterial auswerteten. In der Formung des Weltbildes der Römer und für die Propaganda des Prinzeps spielen Erdgloben in augusteischer Zeit keine große Rolle. Anders verhält es sich aber mit der Erd- oder Weltkugel als Symbol der Macht auf römischen Münzen. Schon in den 70er Jahren des 1. Jh. v. Chr. erschienen die ersten entsprechenden Prägungen”®. Die Göttin Roma oder der geníus populi Romani setzen auf den Bildern solcher frühen Münzprágun-

gen ihren Fuß auf die Erdkugel. 56 v. Chr. zeigen Münzen des Faustus einen Globus mit

vier Krünzen als Anspielung

auf die vier Triumphe des Pompeius?. Auf bekannten Mün-

zen Caesars steht Venus, Stammutter der Iulier, siegreich auf der Erdkugel. Diese Beispiele ließen sich noch vermehren. Dazu paßt gut, daß der , Auctor ad Herennium‘ (ca. 86— 82 v. Chr.) als erster römischer Autor behauptet, die römische Herrschaft erstrecke sich über den gesamten Erdkreis. Die aussagekräftigsten literarischen Testimonien für das ‚globale‘ herrschaftliche Selbstverständnis der römischen Republik des 1. Jh. v. Chr. bieten aber erst Ciceros Schriften”, Caesar wurde nach der Schlacht von Thapsus vom Senat

eine Ehrenstatue gewidmet und in Rom im Iuppitertempel errichtet, die ihn zeigte, wie er siegreich den Fuß auf ein Abbild (εἰκών) der Oikumene setzte. Die Botschaft dieses Bildes von Caesar als Herrscher der gesamten Welt entsprach der des Demetrios Poliorketes, der einen Mantel getragen hatte, in welchen eine Abbildung der Welt und der Himmels-

körper eingewebt war?”. An solche spätrepublikanischen Vorbilder (besonders an Caesar)

knüpften Augustus und die späteren Kaiser auch in ihrer Münzpropaganda an?®. In der Kaiserzeit entwickelten sich verschiedene Ausprägungen dieses Münztyps, wobei die

Weltkugel als Machtattribut immer für den Kaiser, die kaiserlichen Prinzen und (selten)

deren Gemahlinnen reserviert blieb. Mittelalterliche und byzantinische Typen werden in diesen Prägungen schon vorgeformt. ARNAUD behauptet dagegen, daß die Himmels- und die Erdkugel zunächst als ikonographisches Symbole nur auf die Sphäre der Himmelskörper verwiesen haben. Eine symbolische Verbindung zu den Sphären, zum Idealkosmos der Stoa, zur gesamten Ideenwelt sei zunächst die vorrangige Bedeutung der Metapher des Globus gewesen. Eine direkte Herrschaftssymbolik im Sinne der Manifestation

der Weltherrschaft sei dagegen erst später impliziert worden??. Diese Meinung ist nicht überzeugend, wenn man auf die Verwendung eindeutig zu erkennender Erdgloben im 24

Vgl. ScuLACurER 1927, 64-104 und zusammenfassend Arnauo 1984, 53ff. Zu den Münzprägungen

der Republik mit dem globus als propagandistischem Symbol vgl. CRAwronp 1974, Nr. 393: Cn. Lentulus 76/75 v. Chr. (der Genius populi Romani setzt seinen FuB auf den Globus), Nr. 397: P. Cornelius Lentulus Spinter 74 v. Chr. und Nr. 403: Q. Fufius Calenus 70 v. Chr. (Roma setzt den rechten FuB auf den Globusy; weiteres Material zum Oikumenemotiv in der Münzpropaganda bei SYDENHAM 1952, Index 863, MomiGLiano 1942, 53-64 sowie CRESCI MARRONE 1996.

25 26 27 28

Vgi. (εἴς, Balb. 16; Nachweise der Prägungen des Faustus bei CRawFoRD 1974, Nr. 426. "Vgl Rhet. Her. 4,13; die deutlichsten Stellen bei Cicero sammelt schon Vocr 1960, insb. 156f und Anm. 13-18. Vgl. zu Cacsar Cass. Dio 43,14,6, zu Demetrios Plut. Demetr. 41,7-8 und Athen. 12,535f. "Vgl. Voar 1960, 151-170; zur augusteischen Münzprägung siehe LIEGLE 1941, 91-119 (auch in: BrsDER (Hg.) 1991, 308-347), MAnNsPERGER 1991, 348—399, Krart 1968, 205-251 (auch in ders. 1978, Bd. 2, 291-337).

SCHLACHTER 1927, 70ff und 105f, dagegen aber AgNAUD 1984. Die spätere Bedeutung des Globus (bzw. des Reichsapfels) als Hertschaftszeichen von Caesar bis Elisabeth II. untersucht in einer klassischen Studie SCHRAMM 1958,

4. Die Commentarit und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

365

numisrnatischen Befund sieht. Für die deutlich erkennbaren Himmelsgloben ist die Interpretation ARNAUDS dagegen einleuchtend, Schon frühe völkerrechtliche Verträge der römischen Republik, z.B. mit Karthago, legen teils über weite Meeresdistanzen hinweg oder im entfernten Spanien genaue Demarkationslinien fest und setzen deshalb bei den Vertragsparteien ein entwickeltes Raum-

bild voraus. Die entscheidenden Grenzlinien scheinen in solchen Verträgen anfangs durch Benennung bekannter geographischer Fixpunkte (Kaps, Flüsse, Städte) festgelegt worden zu sein, ohne daß wir etwas über einen begleitenden Austausch von Karten hören, die sich erst allmählich zur Markierung von Vertragsgrenzen entwickelten. In der römischen Kai-

serzeit blieb das Konzept von den Grenzen des römischen Reiches jedoch anfangs noch sehr flexibel und erstaunlich offen. Dies drückt sich auch schon in der mehrdeutigen lateinischen Terminologie für ‚Grenzen‘ aus: finis, terminus, limes und ripa?" Nicht nur in der augusteischen Ara hätte eine genau markierte Grenzlinie des rómischen Reiches zu den umliegenden Klientelstaaten oder Barbarenvólkern dem Ideal des Oikumenereiches als imperium sine fine ideologisch widersprochen?!. Im 1. Jh. n. Chr. gewinnt dagegen bei

einigen auch politisch wichtigen Autoren, z.B. bei Seneca?", die Vorstellung präziser markierter Fluß- und Gebirgsgrenzen des römischen Reiches an Gewicht. Erst der verstärkte Ausbau der limites führt ab dem 2. Jh. n. Chr. jedoch in einer veränderten militärisch-politischen Lage des Imperiums zu gefestigteren Vorstellungen von den Grenzen des römischen Reiches. Diese lassen sich aber weiterhin keinesfalls immer völlig eindeutig festlegen, wenn man sie aus unterschiedlicher, nämlich geographisch-administrativer, militärischer, ökonomischer, kultureller oder ideologisch-propagandistischer Perspektive

diskutiert. 2. Die geographisch-administrativen und statistischen Projekte unter der Leitung Agrippas und des Prinzeps Augustus Die langjährige politische Freundschaft und enge Zusammenarbeit zwischen Agrippa und Octavian/Augustus in der Administration des Reiches und in der Kriegführung, ihre familiáre Verbindung und der plótzliche Tod Agrippas 12 v. Chr. haben dazu beigetragen, daß wir den genauen Anteil Agrippas an verschiedenen Projekten der Sammlung administrativer und statistischer Daten über das augusteische Reich, die als Quellen für spätere Geo-

wurden, nur schwer abschätzen kónnen. In der Überlieferung verbinden

graphen bedeutend sich diese Maßnahmen nämlich schon bald fast ausschließlich mit dem Namen des Augu-

stus. Auch die Kenntnis des Zusammenhanges zwischen den geographischen Commentarii Agrippas und der Weltkarte in der Porticus Vipsania verdanken wir letztlich nur wentgen Notizen bei Plinius. Obwohl die militärisch-administrative Karriere des M. AGREE zu verherrlichen, reiche Gelegenheiten für Dichter und sonstige Literaten bot, auch ihn

tritt er in der literarischen Propaganda klar hinter Augustus zurück”. 30

3|

de Vgl. TROUSSET 1993, 115-120. Eine exemplarische Analyse der Entstehung der N schen Reiches mit einem interessanten makrosozialen Modell unternimmt BRUN se d Roos: LE

Diskussion über die Grenzen des Kaiserreiches siche die Beiträge in Brun (Hg.) 1995 um (Hg.) 1995.

führt wichtige Stellen auch aus den Geographika Strabons als liste de l'empire qui ne connait d'autres limites que celles qu'impose la nature" aut. 32

4

vielen

Vgl. zum imperium sine fine MEuL 1994, 431-464 sowie CRESCI MARRONE 1956, 225. 20. Anm. 46 FRÉZOULS 1994, S ion universaBelegen u.a. aus Vergil, den Res gestae des Augustus und Plinius. Zeugntsse für die „con P Vgl. insb. Sen. nat. pr. 8-13.

|

,

:nistrativ-

und über die ‚geographischen‘ und admins 33 Vel. Feveu 1990, 99-125, Fraschern 1990, 83-98Nicouer 1991, 95ff und 171ff. statistischen Projekte des Agrippa und Augustus

366

IIL Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Man kann bestimmte zukunftsweisende administrative Reformen und auf das ganze Reich bezogene langjährige statistische Projekte erkennen, die nachhaltig auch die geographischen Kenntnisse fórderten. Der Prinzeps Augustus selbst gilt schon dem Zeitgenossen Strabon als Autorität auch in geographischen Fragen und wenig später bei Plinius

zusammen mit Agrippa als eine seiner geographischen Quellen der augusteischen Âra%4.

Augustus hatte der Instandsetzung der großen italischen Reichsstraßen seine persönliche

Fürsorge gewidmet und die cura viarum neu geordnet??, 20 v. Chr. war innerhalb des

augusteischen Bauprogramms in Rom auf dem Forum Romanum durch Augustus als curator viarum der vergoldete Meilenstein (milliarium aureum) als symbolisch markierter Mittelpunkt der Welt und als Ausgangspunkt aller großen Reichsstraßen errichtet worden?é. Nach dem Verlauf dieser Straßen orientiert auch Strabon Teile seiner Italienbeschreibung. Seit 27 v. Chr. ließ der Prinzeps systematisch Daten über Bevölkerungszahlen und Eigentumsverháltnisse neu erheben und für jede Provinz in den formulae provinciarum erfassen. Die Zentralisierung und effizientere Organisation der Zensusarchive und amtlichen Katasterunterlagen ermöglichten es am Ende der augusteischen Ära schon, einen zentralen Reichskataster anzulegen, eine Mafinahme, die dann spátantike Quellen tat-

sächlich dem Prinzeps zuschreiben?", Die systematische Registrierung des Rechtsstatus

der Einwohner und der Bevölkerungszahlen der Städte der Provinzen des Reiches in den vermutlich z.T. mit Karten erläuterten Dossiers der formae oder formulae provinciarum

diente neben deren primáren, fiskalisch-administrativen Zwecken auch der Propaganda

des augusteischen Oikumenereiches, weil diese Dokumente óffentlich zugänglich waren und ständig aktualisiert wurden. NicoLET betont zu Recht, daß die Menge und Qualität der

bezeugten oder der aufgrund des Systems der rómischen Steuererhebung und -eintreibung notwendig vorauszusetzenden Dokumente und Kenntnisse zu der Folgerung zwingt, daß

in der politisch-sozialen Elite Roms auch das abstrakte geographische Wissen über das Oikumenereich wesentlich umfangreicher gewesen sein muß, als man es gerade in der

Jüngeren Vergangenheit in der Forschung unterstellt hat?®.

Auch Aufzeichnungen über die bis 14 v. Chr. neugegründeten oder nach den Wirren

der Bürgerkriege reorganisierten coloniae eröffneten einen einfachen Zugriff aufein gro-

es, schon geographisch geordnetes Datenmaterial. Der sogenannte Liber coloniarum geht

im Kern nach einer in der Forschung überwiegend anerkannten Vermutung MOMMSENS

schon auf eine augusteische Sammlung wertvollen Primärmaterials zurück, Es läßt sich

jedoch kein sicherer Beleg dafür anführen, daß Strabon das Verzeichnis der Kolonien für

^^ Siehe4.1.1C. 177; Plin. nat. für die Bücher 3 und 4, insb, 3,17, 3,46, und 3,49. Beiden spätaniken und frühmittelalterlichen Geographen und Enzyklopädiste oder Dicuil, gilt Augustu So ceu

35

36

n, in der Divisio orbis, bei Isidor von Sevilla $ sogar als Verfasser ciner eigenen Chorographia des ganzen Reiches; Te-

Slimonien hierüber bei MALCOVATI 1969, 81-83. Suet

. Aug, 30: vgl. Eck 1992, 237 -245.

Ma Plin. nat. 3,66; CHEVALLIER 1972, 76, Bropersen 1995, 254-260 und ders. 1996-7, 273-283: Von une ‚steischen Zeit bis zu

Konstantin d. Gr, blieb das milliarium aureum der symbolische „Mittel-

punkt" des römischen Reiches; an dessen Stelle und in dessen Funktion trat erst im Laufe der Spätan-

37

ike der umbilicus Romae. Cass var. 3 52. Suda L z À 4412 s.v.über AG 0006 Καῖσαρ ἢ ine Volksund Bürgerzählung. Vgl. rés zum Stand der Forschung kennt aber nur eine Vo 1991, 1236f r die augusteischen Zensusdokumente zusammenfassend NiCoLer Cop

hier " den Katasterunterlagen ebd. 149ff und den dem Prinzeps Augustus zugeschriebenen

38 Vel RP sehen” Projekten und Schriften ebd. 1711,

|

rend. "OLET 1994, 149—171 und erneut ausführlicher 1996, 5-24 insb, gegen Jannt 1984 argumentie-

39

T

Mon

;

.

|

Der colonia rum in: BLUME, LacuMANN und Ruponrr Bd. 1, 1848, 209-262, Kommentar von

Vel. auch zu Dokumente, NN nd Ruvorrr Bd. 2, 1852, 143-220; Interpr.: Grenz 1992. 67-87. Kolonisten und Veteranenen Mosrt ἰ un

1994, 105. 1 d us, mappa, scarifus, aes) über über

die

8 adsignatio

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

367

seine Geographika benutzt hat, obwohl er nicht wenige aktuelle Notizen über augustei-

sche Kolonien einfügt. An der rechtlichen Stellung bestimmter Städte, insbesondere der

coloniae und der civitates liberae Kleinasiens, ist Strabon jedenfalls sehr interessiert. Die administrativen Einteilungen der Stadt Rom in vierzehn Bezirke und Italiens in elf Regionen (wohi kurz vor 7 v. Chr.) trugen dem Wunsch des Prinzeps nach klarer Raumeinteilung Rechnung. Die unübliche Zahl von elf Regionen Italiens erklärt sich vielleicht dadurch, daß die Hauptstadt Rom (ideell) als zwölfte Region hinzugedacht werden sollte. In diesem Falle hätten die auf der Weltkarte des Agrippa vermuteten 24 Regionen der Oikumene die augusteischen Regionen Italiens sinnfällig verdoppelt. Daneben behielten aber auch alte geographische Einteilungen Italiens nach Stammesgebieten und den Regionen für die Aushebung von Soldaten ihre Bedeutung. GALSTERER weist zu Recht darauf hin, daß die Einteilung Italiens in elf Regionen bei Historikern und Geographen der augustei-

schen Ara und des frühen Kaiserreiches sogar nur beiläufig erwähnt wird“, In der For-

schung ist umstritten, ob einige Passagen der Bücher 5 und 6 der Geographika Strabons eine Kenntnis der Discriptio totius Italiae des Prinzeps und der Regionen LV und VI

ahnen lassen*'. Auch für Strabon bilden aber die traditionellen literarischen Beschreibun-

gen Italiens mit ihren Gliederungen nach dem Territorium von Stammesverbänden, einzelnen bekannten Stádten sowie den Küstenverläufen noch das Rückgrad seines Raumbildes in den Büchern 5 und 6. Plinius nennt eine Discriptio Italiae des Augustus als eine seiner Quellen, aber erst Cassius Dio erwähnt unter den groBen Historikern die vierzehn

Regionen Roms sowie das Datum ihrer Einrichtung. Falls der neuen Einteilung Italiens und Roms nach Regionen also die Absicht einer grundlegenden ‚regionalen‘ Verwaltungsreform zugrundegelegen hätte, muß über den Zufall der Überlieferung hinaus erklärt wer-

den, warum wir in unseren Dokumenten und literarischen Quellen über die Administra-

tion Italiens und die Rechtsprechung im 1. und frühen 2. Jh. n. Chr. über diese neue Einteilung nur so wenige Belege finden^^, Eine vorrangige Bedeutung erhielten die Regionen Italiens als Zwischeninstanzen für die Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den Städten und Rom nämlich erst mit der Ausdehnung der diokletianischen Provinzialordnung auch auf Italien und dadurch, daß die christliche Kirche im Ersten Nicenum diese Regio-

nalordnung auch für ihre kirchliche Administration und ‚klerikale Geographie" übernahm. Die vierzehn regiones der Hauptstadt waren ihrerseits unterteilt in 265 vici mit jeweils eigenen vicomagistri, so daB die Hauptstadt künftig bis in kleinste räumliche Einheiten gegliedert war#, In der strabonischen Rombeschreibung finden wir aber von dieser neuen Einteilung noch keine Spur. Frühestens seit Sulla und danach in viel gró&cren Dimensionen seit Caesar und Augustus griffen die politischen Machthaber durch große Bauprojekte und administrative MaB-

nahmen massiv in die räumliche Entwicklung der Stadt Rom“ ein. Caesars intensive Bescháftigung mit stadtplanerischen Fragen auch im weiten Raum des Reiches wird u.a. 40

41

Vgl. Gaisrerer 1994, 306-323. Auch Plinius erwähnt die elf Regionen nur beiläufig (Plin. nat. 3,46, vgl. 3,123 und 7,164). Noch Ptolemaios nimmt lange Zeit nach Strabon sogar inzwischen ausgestorbene Stámme wie die Boier und Senonen in seine Beschreibun g auf und gibt den augusteischen Regionen nur wenig Gewicht (Ptol. Geog. 3,1,22-23). Pasqumucc 1988, 45-59, insb. 57f nimmt eine strabonische Kenntnis der regiones V und VI an; dies hält aber CoAretLı 1988, 84f, für unwahrscheinlich. Strabon habe nicht einmal Kenntnis der regio I

gehabt.

42

GALSTERER 1994, 315ff mit Verweisen auf Eck 1979.

43

Val. Suet. Aug. 30, Plin. nat. 3,66 und Cass. Dio 55,8,6-7 zum Datum 7 v. Chr. als terminus ante quem

44

der Einführung der Einteilung (Rosınson 1992, 9-13).

Eck 1992, 237-245 erhebt Bedenken, ob man für die Zeit der späten Republik oder des Kaiserreichs in Analogie zur Moderne überhaupt von ‚öffentlicher Planung‘ im Städtebau sprechen kann; siehe auch

ROBINSON 1992 und allgemein Warn-Perkms 1974 und Lorenz 1987.

368

III. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonis chen Geschichtsbildes

aus der lex Julia municipalis deutlich®. Wenngleich einzelne Aufzeichnungen und Pláne

über die Stadt Rom für die Zwecke der Administration und zur Planung der umfass enden

Bauprojekte in augusteischer Zeit wohl schon existierten®, erfolgte die erste offizielle

Vermessung der Hauptstadt wohl erst in flavischer Zeit 74 n. Chr.”. Die bekannte und in Teilen bis heute erhaltene forma urbis Romae, ein sorgfältig auf Marmorplatten eingravierter Stadtplan an der Wand einer Seitenhalle neben dem Templum Pacis, stammt bekanntlich erst aus den Jahren 203-208 n. Chr. Auch der offiziell verbreitete postume Tatenbericht des Augustus, die Res gestae, brachte den Raumgedanken der Weltherrschaft über den orbis terrarum zum Ausdruck. Wie eng verschiedene Berührungen zwischen den strabonischen Geographika und den Res gestae sind, wurde schon aufgezeigt (Kapitel III.3.8). Die Res gestae bilden aber nur den propagandistisch eindrucksvollsten Teil eines Bündels von verschiedenen Dokumenten, die Augustus am Ende seines Lebens den Vestalinnen anvertraut hatte. Zunächst fanden sich darunter Anweisungen für sein Begräbnis und das Testament, dann die Res gestae, ferner ein Breviarium totius imperii, das die Zahl und die Stationierungsorte aller Truppen des Reiches sowie eine Bilanz der Staatsfinanzen enthielt, aber auch als militärund verwaltungsgeographische Quelle ersten Ranges benutzt werden konnte, und eventuell noch ein viertes Dokument mit Ratschlägen an den Senat und den Nachfolger Tiberius für die Grundzüge der künftigen Politik des Reiches. Der EntschluB des Tiberius, die Expansionspolitik in Germanien und im Donauraum vorerst abzubrechen und die günstige diplomatische Position Roms gegenüber den Parthern und Armeniern an der Euphratgrenze zu verteidigen, wurde gewiß durch Ratschläge des Augustus, aber auch durch fi-

nanzielle Gründe und dynastische Überlegungen (Furcht vor der Rivalität des Germani-

cus) bestimmt. Möglicherweise haben Tiberius schließlich ebenfalls große geographische Ungewißheiten von sehr aufwendigen und schwer abschätzbaren militärischen Unterneh-

mungen östlich des Rheins, nördlich der Donau und auch östlich des Euphrat abgeschreckt. Die unter Augustus eingeführte und auch von Strabon am Ende der Geographika

betonte Aufteilung in provinciae populi Romani und provinciae Caesaris sowie die schnell wachsende, professionelle kaiserliche Provinzialverwaltung brachten eine Intensivierung der Beherrschung des Raumes des römischen Reiches mit sich. Die Förderung des Kai-

serkultes an einem festen Ort in jeder Provinz, der durch die häufige Anwesenheit des

Provinzstatthalters zur Provinzhauptstadt wurde, zeigt das wache Verständnis des Prinzeps für den Zusammenhang von Geographie und politischer Macht. Diesen Zusammenhang verkörpern auch die an markanten geographischen Punkten, z.B. an Flußmündungen, Ufern, dem Zusammenfluß wichtiger Ströme oder an Pässen im Gebirge errichteten symbolträchtigen Herrschaftszeichen. Dazu zählen aus der augusteisch-frühtiberischen Zeit die Ehrenbögen für Germanicus, die Siegesmonumente in den Alpen, die Altäre, Leuchttürme und Grabdenkmäler an markanten Flußgrenzen und Ozeanküsten, von denen einige auch in den Geographika Erwähnung finden. 45 46

FIRA I$ 18, S. 104ff und RosiNsoN 1992, 17-19. Hier lobt Adil oder

sei an die Commentarii des Agrippa über die Wasserleitungen Roms erinnert, die noch Frontin (Frontin. De aguaeductis 98,1—3). Diese Commentarii entstanden in der Amtszeit Agrippas als 33 v. Chr. vor denen zur Vorbereitung der Weltkarte. Solche verwaltungsinternen Denkschriften Unterlagen wurden aber kaum als eigenständige Publikationen veröffentlicht. Die Commemora-

fio aedilitatis des Agrippa (Plin. nat. 26,12, 1) kónnte auch ein Abschnitt seiner Autobiographie gewe47

sen sein, Zu den Bauprojekten siehe Tortorıcı 1990, 19-55. Plin. nat. 3,66-67 berichtet über eine Vermessung der Hauptstadt Rom im Jahre 826 nach der Grün-

dons n Sind, d.h. 73/74 n. Chr. (so auch Dicke 1985, 103; dagegen auf 77 n. Chr. datiert bei NicoLer

, 169).

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

369

3. Die geographischen Commentarii Agrippas und seine Oikumenekarte in der Porticus Vipsania Marcus Vipsanius Agrippa (64/63 — 12 v. Chr.), dem Vizeregenten und designierten Nachfolger des Augustus, gebührt in der Geschichte des geographischen Weltbildes in augusteischer Zeit ein Ehrenplatz. Auch Strabon erwähnt ihn mehrfach namentlich in den Geographika^*. Von der umfangreichen literarischen Tätigkeit Agrippas, seiner Autobiographie, seinen Reden, seiner technischen Denkschrift zur Planung der Wasserversorgung für die Hauptstadt Rom (mit Karten der Wasserleitungssysteme Roms?) und schlieBlich seinen geographischen Commentarii sind uns leider nur noch knappe Erwähnungen und

in ihrer Interpretation umstrittene Fragmente erhalten*?. Alle Aussagen über den Inhalt

und die Form der Veröffentlichung der geographischen Commentarii, über ihren Zusammenhang mit der Weltkarte, die Augustus ausführen ließ, und ihren Einfluß auf zeitgenös-

sische und spätere geographische Autoren®®, besonders auf Strabon und Plinius, müssen hypothetisch bleiben. Eine Abgrenzung der auf diese Commentarii zurückführbaren Nach-

m ——..

"Porticus Vipsania einflossen. Agrippa war in den 30er Jahren für die Planung des überTegionalen gallischen Straßensystems zuständig, das für die augusteische Gallien- und Germanienpolitik erstrangige strategisch-militärische Bedeutung hatte. Auch Strabon erkennt diese frühe Leistung Agrippas ausdrücklich lobend an. Auf allen wichtigen Kriegsschauplützen des rómischen Reiches konnte Agripppa von 39 v. Chr. bis zu seinem Tode 12 v. Chr. Erfahrungen sammeln und muête er sich mit der militárgeographischen Tradition und administrativen Fragen einzelner Provinzen und Klientelreiche Roms befassen. Augustus gewührte Agrippas Projekt der Vermessung und chorographischen Beschreibung der gesamten von den Rómern beherrschten Oikumene und der angrenzenden Gebiete volle Unterstützung. Agrippa übernahm einige Maße und Distanzangaben des Eratosthenes

und anderer hellenistischer griechischer Geographen, doch römische Itinerare, Notizen

der

Agrimensoren sowie Daten der statistischen Projekte in der augusteischen Ära bilde-

ten seine Hauptquellen. —

48

*

Umsiedlung der Ubier auf die linke Rheinseite 4,3,4 C. 194; Bau des gallischen Straßennetzes 4,6,11

C. 208; die Verbesserung der Wasserversorgung Roms 5,3,8 C. 235; (ohne Namensnennung) Kanäle am Avernersce 5,4,5 C. 244, aber vgl. zu Rodungen in dieser Gegend 5,4,5 C. 245; Überführung des ‚Lysippischen Lówen* aus Lampsakos nach Rom

13,1,19 C, 590; Agrippa legt zwei Legionen nach

Berytos 16,2,19 C. 756; ferner ist in 5,3,8 C. 236 möglicherweise der Campus Agrippae gemeint; dazu

49

kommt der Hinweis auf den χωρογραφικὸς πίναξ in 2,5,17 C. 120, mit dem eine Karte ähnlich der Oikumenekarte in der Porticus Vipsania gemeint ist, wenngleich auch hier Agrippas Namen aus Pietät gegenüber Augustus, dem tatsächlichen Vollender der Karte, nicht genannt wird. Siehe Roppaz 1984, Appendix 567-591 mit allen Belegen; wertvoll bleibt auch REmHOLD 1933, 142148 zu den Commentari und der Weltkarte; zur ‚verfassungsmäßigen' Stellung Agrippas im Reich und

zur Interpretation der Leichenrede des Augustus auf Agrippa (PKöln VI 249) siehe auch AMELING 1994, 1-28.

50 51

Zum bedeutenden Einfluß der Commentarii des Agrippa auf spätere geographische Schriften findet man ein insiruktives Stemma bei RoppAz 1984, 589 (mit Beilage 1). KLorz 1931, 38-58 und 386—466 bleibt immer noch der gründlichste Kommentar zu einzelnen Fragmenten; vgl. aber auch Roppaz 1984, 291-293 und 572-587, MoyniHan 1985, 149-162 mit einem Rekonstruktionsversuch der Karte Agrippas auf Abb. 6 sowie Nicouer 3988, 103-131 und ders. 1991 passim sowie GniLLI 1990, 127-146,

370

ΠΗ. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

Von der Weltkarte des Agrippa haben sich keine archäologischen Überreste erhalten. Rückschlüsse auf ihr Aussehen und ihre Gesamtgröße von alten ionischen Rundkarten der

Oikumene, spätantiken Itinerarkarten oder dem Aussehen der berühmten mappae_ muni

des Mittelalters zu ziehen, ist methodisch nicht unbedenklich, aber vielleicht doch bis zu einem gewissen Grade sinnvoll. Insbesondere erlauben das extreme Format der Peutin-

gertafel®? (ca. 6,80 m Länge bei 0,30 m Höhe) und ihre durch die Form der Papyrusrolien

erzwungenen, auffälligen proportionalen Verzerrungen keinen RückschiuB auf die Gesarntgröße und das Format der Agrippakarte. Diese wurde nach genauen Anweisungen

gemäß dem Testament Agrippas postum nach 12 bis ungefähr 2 v. Chr. an prominenter

Stelle in der Porticus Vipsania? im östlichen Grenzgebiet des Marsfeldes auf dem Campus Agrippae unter der Schutzherrschaft der Schwester Agrippas und des Augustus ausgeführt. Im Jahre 8/7 v. Chr. war die Porticus mit der Karte noch nicht fertig. Sie stellte meines Erachtens einen besonders wichtigen Teil der Totenehren für den Vizeregenten des Weltreiches dar?*. Die Karte könnte entweder auf eine Wand aufgemalt, dort eingraviert und danach ausgemalt, oder vollständig in Marmor nach Art der Forma

Urbis .

Marmorea ausgeführt worden sein, was das reprüsentativste und zugleich aus konservatorischen Gründen sinnvollste Verfahren gewesen wäre. Bei einer dauerhaften Ausführung in Marmor hätte man aber doch vielleicht wenigstens einige Überreste erwarten dürfen. Der orbis urbi spectandus in der Porticus Vipsania war die erste öffentliche kartographi-

sche Darstellung in Rom, die nicht mehr in einem sakralen Kontext als Weibung in einem Tempelbezirk aufgestellt oder als Wandbild an einer Tempelwand angebracht wurde, wie

zuvor die imago ltaliens oder die forma Sardiniens (s.o.). Die Absicht, einen besonders „nachdrücklichund en tiefen Eindruck beim Betrachter zu erwecken, scheint mir bei der

Weltkarte des Agrippa von entscheidender Bedeutung. Diese Absicht wurde nicht wie bei den wenig später aufgestellten Res gestae des Augustus durch einen bloßen Text (per titulos) erreicht, sondern eben durch eine visuelle Abbildung der oikumenischen Weite des rómischen Reiches (per imagines).

©

|

|

Betrachtet man die Jahre des germanischen Triumphes des Tiberius 7 v. Chr. und der relativen Ruhe bis zum illyrisch-pannonischen Aufstand als Zeit ihrer Entstehung, wird es fraglich, ob die Karte Agrippas als bildlicher Ausdruck aggressiver zukünftiger Welter-

oberungspläne interpretiert werden darf??. Eher kann man sie als Teil derOikumenereichs-

propaganda des Prinzeps per imagines auffassen. Der wahrscheinliche Zweck dieser Weltsi!

52

Vgl. Muuer 1916 (ND 1988) und A. und M. Levi 1967. Die Peutingertafel ist ein Musterbeispiel der itineraria picta im Unterschicd zu den itineraria adnotata, Andere bekannte Itinerare findet man in der Textausgabe von Cunrz und Schnetz 1929/1940. Die typisch römischen Karten sind in erster Linie Wegebeschreibungen.

Sie stellen die Welt oder eine Region vor allem unter dem Gesichtspunkt der

Erreichbarkeit jedes Ortes dar. Kuorz 1931, 41 nimmt eine rechteckige Form für die Agrippakarte an.

Vgl. allgemein zu Formen und Formaten antiker Karten auch Heiner 1937 (ND 1976).

53

Zur Geschichte der Porticus Vipsania vgl. Plin. nat. 6,139 und Cass, Dio 55.8.4, nach dessen Bericht sie im Jahre 8/7 v. Chr. noch nicht fertig war; Strabon erwähnt in seiner Rom beschreibung explizit nur

dic Halle der Livia (5,3,8, C.236). Dies spricht aber nicht dagegen, daß er die ‚Karte‘ des Agrippa in der Porticus Vipsania geschen hat, da seine Rombeschreibung (mit Ausnahme des Augustusmausoleums)

auf die Hauptstadt in der früh- und mittelaugusteischen Zeit zielt. 69 n. Chr. lagerten Soldaten in der Porticus Vipsania (Plut. Gal. 25,9 und Tac. hist. 1,31). Sie kann also nicht zu klein gewesen

54 55

sein, um

als Einquartierungsgebäude zu dienen. Es läßt sich ebenfalls nicht mehr sicher sagen, ob die Porticus Vipsania eventuell identisch ist mit der bei Martial mehrfach erwähnten Porticus Europae (Martial. 2,14,3 und 15 sowie 3,20,12, eventuell 7,32,11-12). Vgl. in diesem Sinne treffend auch Cresct MARRONE 1996, insb, 221-222. Vgl. zu einem Verständnis der spätrepublikanischen und augusteischen Außenpolitik als grundlegend aggressiv Brunt 1978, 159-191 und 1963, 170-176, ferner Werıs 1972, LUTTWAK 1976 sowie GARN-

SEY und SALLER 1989; dagegen siche u.a. Syme 1991, 382ff mit einer Analyse der augusteischen Außenpolitik und wichtigen Bemerkungen zur Karte Agrippas.

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

«--.

371



daß auch die Weltkarte zunächst der Unterhaltung der durch den Erholungspark des Cam-

pus Agrippae flanierenden hauptstädtischen Menge dienen sollte. Sie vermittelte dem Volk eine_Vorstellung von der Größe des Reiches und schmeichelte trotz seiner politischen Machtlosigkeit seinem Selbstbewußtsein als princeps terrarum populus. Über eine Reaktion der augusteischen Öffentlichkeit und insbesondere der hauptstädtischen Bevöl-

kerung auf die Karte des Agrippa fehlen uns aber jegliche Testimonien?”. Wie

mit

symbolisch

der Sonnenuhr die Zeit, wurde durch die Oikumenekarte Agrippas der Raum

in den Dienst der augusteischen Propaganda gestellt. Auf der Karte wurde

jedem Zeitgenossen das durch den Prinzeps gewünschte Bild des imperium sine fine auf einen Blick vor Augen geführt, während viele andere Repräsentationsbauten des augustei"chen Rom ihre auch geographische Symbolkraft erst in ihrem gegenseitigen Bezug auf-

*mànder

offenbarten. Hierzu wäre an das Mausoleum, den Obelisken als Zeiger der

Sonnenuhr des

Augustus und die Ara Pacis als ein Ensemble verschiedener Bauten zu

denken?®. Wenngleich wir wissen, daß von bedeutenden inschriftlichen Dokumenten der augusteisch-tiberischen Ara Kopien zur Aufstellung in die einzelnen Provinzen geschickt wurden,

um

die óffentliche Wirksamkeit dieser Texte zu erhóhen, ist es entgegen der

Meinung von BacROWw und SKELTON angesichts der aus propagandistischen Gründen kaum aufzulósenden Verbindung der Oikumenekarte mit der Hauptstadt eher wohl auszuschließen, daß es außerhalb Roms öffentlich aufgestellte Kopien dieser Wandkarte gegeben hat5?. Die Messungen und die Karte des Agrippa und Augustus behielten autoritative Gültigkeit bis in die Spätantike®®, Agrippas Name wurde dabei jedoch nach der Zeit des Plinius nicht mehr genannt, sondern man schrieb die Urheberschaft ausschließlich Augustus | (bzw. seltener bereits Caesar) zu. Es ergeben sich vielleicht Indizien für das Aussehen der Weltkarte aus ihrem Aufstellungsort. Der zuverlässigste Anhaltspunkt für die eventuelle Größe der Karte Agrippas

und ihr mögliches Aussehen ist eine Schätzung der Größe der Mauern der Porticus Vipsania, die die Karte trugen. Wir wissen aber nicht, ob die Karte sich (wahrscheinlich) nur über eine oder über mehrere der drei möglichen Wände der Porticus erstreckte. Nimmt man mit GRILL! für die Porticus einen ungefähren Umfang von ca. 118 x 135 m an, so hitten für die Abbildung der Karte an einer ganzen Wandfläche jedenfalls schon mehr als

100 m2

56 57

Fläche zur Verfügung gestanden?!, eine genügend große Fläche für ein optisch

Vgl. dazu WISEMAN 1979, 129-134 und hier Kapitel IIL2.1. über Strabons Rombeschreibung. 145 und macht Zanker 1987 deutlich (dort 1 deologischen Aspekte der augusteischen Baupolitik

Die

148

zur

Porticus Vipsania und zur Weltkarte); Übersichten über die vielfältigen Baumaßnahmen der

ischen Ara mit reichhaltigem Bildmaterial bieten Sımon 1986, von Hessera 1988, 93-115, zur ideologischen Instrumentalisierung der archáologiBmpER Hg.) 1991 und Winxes (Hg.) 1985; Mussolini siehe ScriBA 1995. Im Hinblick auf das Nachdurch Rom augusteischen des schen Überreste leben der Karte und die faschistische Mentalität der Epigonen des dux Augustus sind Marmorkarten des imperium Romanum entlang der damaligen Via del Impero (heute Via det Fori Imperiali) interesauguste

& $5

sant, die Mussolini anbringen licB.

él

vgl.

die Abbildungen und Erläuterungen bei Simon 1986, 28fF.

Vgl. aber BAGROY und SKELTON 1985, 45.

|

|

|

u

ben der Demensuratio provinciarum und der Divisio orbis werden sie wohl auch in den Einleitungs-

Ne iteln der ersten christlichen Universalgeschichte des Oros. 1,2 (417 n. Chr.) benutzt. Gral! 1990, 140. Ropkıguez 1992, 84f gibt Vergleichsmaße einiger zeitgenössischer Bauten, he

372

IL. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

eindrucksvolles Bild des imperium sine fine. Um das Mittelmeer im Zentrum der Karte besser darstellen zu können und den verfügbaren Raum auf der rechteckigen Wand der

Porticus ideal auszunutzen, darf man eine viereckige Form, mit geringeren proportionalen Verzerrungen als auf der Peutingertafel und selbstverständlich ohne maßstabsgerechte

Les να

.-

[rm ὦ

oder Strabons zurnindest annäherungsweise zu rekonstruierenden Kartenbild hellenisti-

scher Oikumenekarten ähnlich. Eine Bemerkung Tatians legt nahe, daß antike Weltkarten _in der Zeit dieses Kirchenvaters geostet waren”. Ein sicherer Rückschluß auf die Agrip-

pakarte ist aber daraus nicht abzuleiten.

Tr

Man kann auf der Basis der vorliegenden Quellen die Frage also nicht mehr beantworten, ob auf der Weltkarte selbst Distanz- und Größenangaben aus den Commentarii em

ag 90

mt

der Euphratmündung, das damals zudem zum parthischen Reich zählte, spricht für erstaunliche Detailgenauigkeit hinsichtlich prominenter „landmarks“ und Grenzpunkte. Die meisten Interpreten von KLorz bis DiLke verstehen die wichtige Notiz bei Plinius über die

Küsten- und Hafenstadt Charax meines Erachtens zutreffend so, daß er selbst diese Stadt

auf einer Karte oder jedenfalls bildhaften Darstellung in der Porticus Vipsania gefunden habe. Doch BRODERSEN wendet dagegen ein, daß sich auch in Itinerarwerken und rein literarischen Beschreibungen - allerdings eher selten - ähnliche Formulierungen finden“, ee

τὰ

ar im over

pri p abe

von kleineren wie der Porticus der Livia (115 x 75 m) bis zu der großen Porticus Aemilia (487 x 60 m). Die (leider unvollständig dokumentierten) archäologischen Befunde zur Porticus Vipsania findet man bei RobpAz 1984, 291—293, der gegen die ältere Forschung für eine Lokalisierung nahe des Teatro Quirino plüdiert; vgl. zur Diskussion

Nash

1961, SCAGNETTI und GRANDE

1980, CoanEtLur

1989 und

zuletzt Rıcnaroson 1992, 319—320, der auf die Schwierigkeiten hinweist, die augusteische Baustufe

62 63

der Porticus im archäologischen Befund von späteren Veränderungen zu differenzieren. Terousset 1993, 137-157. "Vgl. Tatian Oratio ad Graecos 20,2 p. 22,24 Whittaker,

64

Dies behauptet DETLEPSEN 1906, Er leitet aus dieser Annahme Vermutungen über die Zusammenstellung

65

einzelner Ländergruppen der festländischen Regionen ab, zu diesen KUBITSCHEK 1919, insb. 2105f und zustimmend Nicouer 1988, 113 und GriLLi 1990, 139; dagegen aber schon Krorz 1931, 40f. Kuerrscuek 1919, 2037 und jüngst Οκπ.. 1990, 140 ziehen die Buchstabengröße auf der Forma Urbis Marmorea zum Vergleich heran, die nur zwischen 2-8 cm beträgt, obwohl dieser Stadtplan vom Betrachter aus berechnet bis zu 9 m hoch angebracht war (RobriGuez-AimetDA 1977, 219-256 und ders. 2

Bde., 1981). Nach Taus 1993, 9-19 wurde die Forma Urbis Marmorea zwischen 205-208 n. Chr.

errichtet, Es war also im Originalzustand eine sehr große Karte mit 13 x 18 oder ca. 235 m? Fläche für einen Katasterplan Roms, auf dem die öffentlichen Gebäude namentlich hervorgehoben waren; es gab auch hier nach den vorhandenen Überresten keinen einheitlichen Maßstab (etwa 1: 240-250), sowie große Diskrepanzen in der Darstellung. Entweder wurde das Problem einer maßstabsgerechten Abbildung der Gebäude gar nicht erkannt (so BRODERSEN 1995, 230-233) oder es könnte ein „deliberate

66

attempt 10 enlarge certain sections or buildings" (so Taus 1993, 9) sein. Man könnte z.B. aus propagandistischen Gründen öffentliche Gebäude größer gezeichnet haben als private. Vgl. Plin. nat, 6, 139-140; dazu KLorz 1931, 450 und Dicke 1985, 52, jedoch siehe auch BRODERSEN 1995, 279-280, |

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

373

Weil aussagekräftige archäologische Überreste von der Agrippakarte fehlen, wird man darauf verwiesen, die literarischen Quellen gründlich zu interpretieren, welche über die

Commentarii des Agrippas und — ohne in wünschenswerter Klarheit von diesen zu differenzieren — über die Weltkarte berichten. Es handelt sich dabei um Notizen in den Geographika Strabons und den geographischen Büchern der Naturalis historia des älteren Plinius sowie zwei viel spätere und kleine geographische Werke, die Demensuratio provinciarum und die Divisio orbis, die man über Zwischenquellen auf Agrippas Commenta-

rii und die Weltkarte in der Porticus Vipsania zurückgeführt hat”, Abweichend von der

e

---

un

stellung für Großräume außerhalb des engen Kreises weniger Wissenschaftler in der griechisch-römischen Antike unüblich und für die meisten Menschen sogar unverständlich

gewesen”. Aus der Tatsache, daß Strabon für Italien und die angrenzende Inselwelt.einige Distan-

zen in römischen Meilen statt seiner üblichen griechischen Stadien angibt, folgern. KLorz “und die Mehrheit der Straboninterpreten, daß sich Agrippas Commentarii hinter dem ano-

nymen χῶρογράφος als einer Quelle Strabons verbergen”, Beweisen läßt sich diese plau67 68

Vgl. insb. 2,5,10 C, 116-117 und 2,5,17 C. 120 aus den Geographika, dann als wichtigstes Zeugnis Plin. nat. 3,16-17 über den orbis urbi spectandus sowie Plin. nat. 6,139 mit dem Hinweis auf Charax als Hafenstadt, sowie mehrere einzelne Angaben in der Demensuratio und der Diviso arbis. BRobrRSEN 1995, 268-287. Zweifel an einer Weltkarte als „a product of practical cartography based on a network of roads" haben vor BRODERSEN schon PopossiNov und CurkiN 1991, insb. 119 geäußert, die sich aber durchaus eine schematisierte Darstellung der einzelnen Provinzen und Regionen mit jeweiligen Längen- und Breitenausdehnungen vorstellen können. ArröLpy 1991, 289—324 charakterisiert die

augusteische Repräsentationsepigraphik und betont die Wirkung der imperialen Epigraphik als Kommunikationsmedium und Selbstdarsiellungsmiltel der Principes, ohne allerdings die Weltkarte Agrip-

pas zu einer reinen Inschrift zu erklären. Inschriften als Medium der Raumdarstellung wählte Augustus in der Tat mehrfach in der Aufzählung der Alpenstämme auf dem sogenannten tropaeum Alpicum, in den geographischen Passagen der Res gestae, mit der Liste der 60 gallischen civitates auf der [nschrift der ara in Lyon oder in den tituli der unterworfenen genres auf dem Augustusforum. Statuengruppen

und Reliefs wurden mit den simulacra omnium gentium der Porticus ad nationes (vgl. Serv. Aen. 8,721) eingesetzt. Die Basilica Aemilia in Rom wurde aus Baumaterialien errichtet, die aus den verschiedensten Provinzen des Reiches stammten, und demonsirierte so schon mil ihrem Baumaterial Roms weltbeherrschende Stellung.

69

Vgl. dazu auch meine Bemerkungen in Orbis Terrarum, ENGELS 1998b.

70

lassen 2,5,10 C. 116-117 und 2,5,17 C. 120; vgl. KLorz 1931, 40 und 45. Auf Agrippas Conmentart sich möglicherweise folgende Stellen der Geographika Strabons zurückführen: die Distanz vom Hera-

᾿

in rámischen Meilen 3,5,3 C. 169; die in Meilen angegebene Länge der

klestempels zur Stadt Gades C. 217; 5.1.2 C. 210 ist eine sehr problematiSıraße nach Ocellum (Avigliana) in Oberitalien 5,1,11 213-214 die Zensusangaben zu Pad ua; 5,2,7-8

sche Stelle, die man ev. ausschlieBen sollte; 5,1,7-8 C. C. 224-225 über Korsika und Sardinien und die Entfernung nach Libyen; die nach rómischen Quellen 6,1, 0-11 C. 261; die Küstenin Meilen angegebene Ausdehnung der Küste des Tarentinischen Golfs

374

II Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

sible Annahme aber nicht. SALLMANN hat z.B. mehrere genaue Reiseführer über Süditalien „und Sizilien als Vorlagen Sirabons vermutet?! Die Verwendung des bestimmten Artikels (der Chorograph) schlieBt aber wohl mehrere verschiedene Reiseführer als Quellen aus. Strabon scheint zudem im zweiten Buch an einer zentralen Stelle, ohne allerdings auch

hier den Namen Agrippas zu nennen, die typischen Charakterisüka einer Oikumenekarte

in augusteischer Zeit aufzuzählen’?. Hier werden von Strabon keine Distanzangaben genannt, obwohl solche nach den Pliniuszeugnissen zumindest in den Commentarii des Agrippa gestanden haben, die für einzelne Regionen (partes oder regiones) der Oikumene ihre dimensiones in longitudo und latitudo nannten. Auf einer Oikumenekarte, diein erster Linie als Propagandamonument dienen sollte, kónnten allzu viele Detailnotizen den

Betrachter eher gestört haben. Strabon erwähnt als typische Kennzeichen eines xopoypa-

᾿φικὸς πίναξ dagegen: Meere, Häfen, Isthmoi, Halbinseln, Kaps, Gestalt des Festlandes, Völkerstämme, Positionsbestimmungen der Städte und bunte, kartensymbolische Verzierungen. Wenig zuvor deutet Strabon an, daß für solche Karten eine ziemlich grobe, umriBhafte Angabe der Längen- und Breitenausdehnungen einzelner Länder üblicherweise genüge”?. Es bleibt umstritten, ob man eine Stelle bei Vitruv auf Karten ähnlich der Agrippakarte beziehen kann. Vitruv spricht dort von capita fluminum, quae orbe terrarum chorographiis picta itemque scripta, also von chorographischen Karten der ganzen Oikumene, auf denen Flußmündungen durch Bildzeichen und auch durch Legenden und erkiä-

rende Texte markiert seien’*. Ähnlich wird 298n. Chr. von dem spätantiken Panegyriker

Eumenius eine Wandkarte in Autun beschrieben, die aus pädagogisch-didaktischen Grün-

den auch Angaben über Distanzen zwischen Orten enthielt. —

and

Die etwa 30 unter dem Namen Agrippas bei Plinius in der Naturalis historia überlieferten Fragmente mit Distanzen zwischen bestimmten Fixpunkten und Umfangsangaben

einzelner Regionen und vor allem die Notiz über den orbis urbi speciandus machen mei‚nes Erachtens deutlich, daß Plinius sich sowohl auf eine schriftliche Beschreibung, nám-

lich die Commentarii, die Agrippa bei seinem Tode hinterließ, als auch auf eine chorographische Oikumenekarte. bezieht. Die Weltkarte war durch die Commentarii Agrippas vorbereitet worden. Diese waren jedoch nur eine umfangreiche Materialsammlung, wie man aus den unterschiedlichen Formulierungen erkennen kann, mit denen Plinius seine aus den Commentarii übernommenen Zitate differenziert. Einige Angaben hat Agrippa nur „geschätzt“ (existimavir) oder aus anderen Autoren als „glaubhaft übernommen" (credit). Andere Angaben stützen sich vermutlich auf Material aus militürischen und

administrativen Quellen und werden mit einem hóheren Grad der Sicherheit von Plinius

linie Siziliens 6,2,1 C. 266: 6,2,11 C. 277 die Distanzangaben in der Region der Liparischen Inseln;

6,3.7 C. 283 und 6,3,10 C. 285 Straßenangaben, die von Brindisi ausgehen; die Küste Italiens bei Brindisi 6,3,10 C. 285; die Vermessung der Via Egnatia von Apollónia nach Makedonien 7,74 C. 322 und vielleicht auch 17,3,12 C. 831 über Zella und Acholla. 71

SALLMANN [971, 106 Anm. 42 plädiert (mit Berufung auf HAGENOW 1932, 74) gegen eine Identifikation des Chorographen Strabons mit Agrippa; ähnlich äußert sich BRODERSEN 1995, 280 Anm. 3. Als „proba-

ble" bezeichnet dagegen BALApiÉ 1980, 348 diese Identifikation, die schon nachdrücklich Krorz 1931, 72 73 74

40 vertreten hat, 2,5,17 C. 120 und zuvor 2,5,10 C. 116-117; Bropersen 1995, 280-283 bestreitet einen Zusammenhang der von Strabon beschriebenen Karte mit dem orbis urbi spectandus in der Porticus Vipsania. 2,1,30 C. 83 und dazu Tiernev 1963, 159, Vel. Vitr. 8,2,6-8. Nach Derersen 1906, 8f wurde möglicherweise auf der Agrippakarte schon ein System der Kennzeichnung von Orten mit Vignetten oder anderen Symbolen benutzt. TERNEY 1963, 151-166 setzt meines Erachtens zu groBes Zutrauen in seine Hypothesen; eine Rekonstruktion des möglichen Kartenbildes versucht erneut MoyniHan 1985, 149-162 und Abb. 6; eine Doxographie der bisherigen Rekonstruktionsvorschläge der Karte Agrippas bietet BRODERSEN 1995, 269-270, der sie aber alle zugunsten seiner radikalen These von einer Inschrift verwirft. 2

4. Die Commentarii und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

375

direkt auf Agrippa zurückgeführt (Agrippa ... prodit ... auctor est). Doch für die Rekonstruktion des Aussehens der Weltkarte in der Porticus Vipsania lassen sich aus den Angaben des Plinius keine eindeutigen Hinweise mehr gewinnen, Schwer zu erklären

bleibt, daß schon Pomponius Mela die Commentarii und die Weltkarte nicht mehr als Quellen nennt. Während schon FRANDSEN im 19. Jh. zur Erklärung die Vermutung auf-

stellte, die Commentarii seien nach dem Tode Agrippas niemals veröffentlicht”? und nur

von Plinius und wenigen anderen interessierten und hochstehenden Fachleuten im kai-

serlichen Archiv eingesehen worden, kónnte man vielleicht die geringe Nachwirkung der Commentarii auch schon mit ihrem technisch-fachschriftstellerischen, literarisch wenig ansprechenden Charakter hinretchend erklären. Wahrscheinlich ginge man (nur ein wenig) zu weit mit der Behauptung, daß es im augusteischen Rom schon ein ,offizielles* geopolitisches Weltbild gab und dieses vor allem in den im Kern übereinstimmenden Commentarii Agrippas, in der Weltkarte in der Porticus Vipsania und in den geographischen Passagen der Res gestae seinen Niederschlag fand. Auf jeden Fall wußten zeitgenössische Dichter, Historiker, Geographen und sonstige Literaten, welche Vorstellung von der geographischen Dimension des Imperiums Agrippa und der Prinzeps hatten und daB ste die Verbreitung dieser Vorstellungen nicht nur per titulos und per imagines, sondern auch per scripta, also in literarischen Werken verschiedenster Gattungen, wünschten. Es gelang den meisten augusteischen Autoren, auch dem Universalhistoriker und Oikumenegeographen Strabon, die Spannungen zwischen dem Anspruch der augusteischen Ideologie auf die ungeteilte Weltherrschaft und der Existenz einer unbesiegten zweiten Weltmacht der Parther auszugleichen. Strabons Geographika sollten dabei mithelfen, den Widerspruch zwischen dem Konstrukt des im-

perium sine fine und den weiträumigen, aber noch keineswegs durch Rom beherrschten Gebieten im Norden und Osten Europas, in Afrika und Ásien, die augusteischen Geogra-

phen bekannt waren, zu verringern und zu beschönigen’®. Eine Verfolgung aufgrund von mißliebigen veröffentlichten Meinungen zur Oikümenegeographie gab es unter Augustus und Tiberius noch nicht, vielleicht aber doch schon unter Domitian, wie bestimmte Indi-

zien der Anklage und der Hinrichtung des Mettius Pompusianus vermuten lassen". Seit dem Epochenjahr 146 v. Chr, haben durch die umwälzenden Veränderungen des römischen Militärwesens und die langjährigen Kriege mit Massenheeren außerhalb Italiens die allgemeinen geographischen Kenntnisse des militárisch aktiven rómischen Bevölkerungsteiles bis in die augusteische Ära vermutlich zumindest geringfügig zugenommen, diejenigen des aristokratischen Offizierskorps wohl deutlich mehr. Die Demobilisierung der riesigen Bürgerkriegsheere in den ersten Jahrzehnten des Prinzipates eróffnete auch die Möglichkeit, daß Veteranen ihren Familienangehórigen erzählen konnten, wo sie jahrelang gedient und wo die entscheidenden Schlachten der letzten Kriege stattge-

funden hatten, Aber den geographischen Erkenntniszuwachs durch solche mündlichen Berichte sollte man in der Mehrheit der Bevölkerung selbst der Hauptstadt Rom nicht überschätzen. Der geographische Lebenskreis und der aus eigenem Augenschein oder aus der Lektüre gespeiste geographische Kenntnisschatz der meisten Bewohner des Reiches (und selbst auch derjenigen seiner Hauptstadt) blieb vielmehr beschránkt/*. Aus den Be75

76 77 78

Vgl. schon FaaNDsEN 1836; zustimmend aufgegriffen von GaiLLt 1990, 145f und Anm. 35.

Vgl. NicoLET 1983, 163-173, 1988 sowie 1991, VANorri 1987, 242-244 und Crescı MARRONE 1996,

223-268; siehe insb. zur Interpretation der augusteischen Dichtung im vorliegenden Kontext MEYER

| 1961 sowie über geographische Namen in der augusteischen Dichtung OKsaLA 1964. Vgl. ARNAUD 1983, 677-699 mit Hinweis auf Suet. Dom. 10: Mettius Pompusianus besaß eine auf

Pergament gemalte Weltkarte, deren Besitz man ihm außer anderen, gewichtigeren Anklagepunkten (Cass. Dio. 67,12,4: Usurpationsabsichten) vorwarf. ΝΞ ΕΞ

Selbst die geographischen Kenntnisse, die der überdurchschnittlich gebildete Livius m seinem monu-

376

II. Exemplarische Untersuchungen zur Charakterisierung des strabonischen Geschichtsbildes

richten über die aufwendigen Triumphzüge des Pompeius, des Lucullus und Caesars wis-

sen wir, daß dabei optisch stark vereinfachende und plakative zeichnerische Darstellun-

gen der unterworfenen Länder, Völker oder bestimmter Flüsse, ferner Listen mit

Namen

von Ländern, Städten, Flüssen etc. zu Propagandazwecken mitgetragen wurden. Diese

tituli stellte man nach dem Triumph gerne als Weihung

öffentlich auf”. Bildliche Darstel-

lungen und Personifikationen bestimmter Länder, Flüsse oder Erdteile, die bei der pompa triumphalis (und manchmal erneut bei der pompa funebris) mitgeführt wurden, werden wahrscheinlich das geographische Weltbild der Masse der hauptstädtischen Römer besonders nachdrücklich geprägt haben. Der große Triumph des Pompeius über drei Erdteile Europa, Asien und Afrika verdeutlichte erstmals in der langen Tradition der römischen Triumphzüge den Anspruch, das römische Imperium an die Grenzen der Oikumene ausgedehnt zu haben. Unter den Siegeszeichen (Tropaia), die Pompeius bei seinem Tri-

umph von 61 v. Chr. mitführte, war eines, das vermutlich eine skizzenhafte Darstellung

der römischen Oikumene darstellte®®, Antike Welt- und Regionalkarten blieben in der Tat primär der wissenschaftlichen und der politisch-militärischen Elite vorbehalten. Doch auch in den literarisch tonangebenden Kreisen der eleganten augusteischen Gesellschaft war es zeitweise nicht nur unter Männern, sondern auch unter vornehmen Damen Mode, kleine,

auf Brettern gemalte Karten zu besitzen und zu studieren. Von diesen haben wir verstánd-

licherweise jedoch keinerlei archäologische Überreste?!. Dies verwundert kaum, weil solche Karten auf Papyrus, Pergament oder Holztafeln, also leicht vergänglichen Materialien, gezeichnet waren. Ovid beschreibt ferner einen Brauch unter Soldaten, ihre Schilde mit ,Itineraren' oder kartenühnlichen Darstellungen zu dekorieren?,

Die Oikumenekarte Agrippas wird in ihrem vollen Informationsgehalt wohl nur durch Angehörige der geographisch hochgebildeten Schichten der römischen Bevölkerung zu überprüfen gewesen sein. Die meisten Betrachter dürften aber einen überwältigenden Eindruck von der Zahl der Städte und Völker sowie der grenzenlosen Größe des Reiches bis zu den Ufern des Weltozeans bekommen haben, Es schmeichelte dem Selbstbewußtsein der Betrachter, zum herrschenden Volk des römtschen Reiches zu gehören. Wer beim Betrachten der Karte Agrippas neugierig geworden war und nun Näheres über den orbis terrarum lernen wollte, sah sich jedoch weiterhin auf die literarische geographische Tradition verwiesen, die z.B. in den Geographika Strabons gesammelt war. Somit stellen die Geographika Strabons und die Karte des Agrippa zwei Höhepunkte unterschiedlicher Traditionen der Darstellung eines geographischen Weltbildes der griechisch-römischen Welt dar. Nur beide Traditionen zusammengenommen sind für das geographische Weltbild der augusteischen Zeit repräsentativ. Strabons Werk zieht eine

79 80

81

mentalen Geschichtswerk erkennen läßt, sind nicht überragend, vgl. Girop 1982, 1190-1229 sowie ders. 1974, 481—498. Vgl. u.a. BRODERSEN 1995, 118-121 mit Hinweis auch auf die ausführliche Beschreibung des flavischen Triumphes über die Juden von 71 n. Chr. bei Ios. bell. Iud. 7,3-7. Vgl. Cass. Dio 37,21,2 und Plut. Pomp. 45,6; diese ‚Zeichnung‘ wird meines Erachtens von BRODERSEN

1995, 161 zu Unrecht lediglich für eine gezeichnete Personifikation gehalten. Es bleibt umstritten, ob beim Triumph des Claudius über Britannien 44 n. Chr. ev. auch eine Karte des besiegten Britannien mitgeführt wurde, vgl. Anth. lat. 426 (Riese p. 326). Vgl. aber mehrere literarische Zeugnisse, u.a.: Prop. 4,3,35-37: ,coner et tabula picta ediscere mundos"; dies waren keine schematischen Darstellungen von Klimazonen, wie BroDERSER 1995, 101f erklärt, ferner vgl. Tib. 1,6,19-20 und 1,10,29ff sowie Ovid. her. 1,31; bildliche (oder in Form früher

Handkarten oder geographischer Skizzen ausgeführte?) Darstellungen von terrarum situs in kleinen

82

Formaten waren auch Ovid. met. 5,188f und Veteranen zeichneten men hatten, vgl. Plut.

im 2. Jh. n. Chr. nicht selten, siehe Flor. 1 praef. 3, 13,110. Ovid. Her. 1,33 bezeugt eine solche Skizze von der Belagerung Trojas. damals wie heute gerne Skizzen über die Kriegszüge, an denen sie teilgenomQuaest. Rom. 2,1,2 mor. 630b-c.

4. Die Commentari und die ‚Weltkarte‘ des Agrippa

377

Summe aus der hellenistischen Geographie und Ethnographie und ihrer Stellung als Hilfswissenschaft der Historie im Rahmen der traditionellen, literarischen Bildung. Die angesichts des augusteischen Klassizismus nicht wenigen Anhänger dieses traditionellen Bildungsideals und die an einer zusammenhängenden Erklärung threr Welt interessierten Leser werden sein geographisches Weltbild und seine Beschreibung der Regionen der Oikumene geschätzt haben. Defizite in der Aktualität bestimmter strabonischer Beschreibungen fielen aus der Sicht der augusteischen Leser weniger ins Gewicht als in modernen Analysen. In der individuell strabonischen und von keinem späteren antiken Universalhistoriker wiederholten Verbindung einer ausführlichen literarischen Kulturgeographie

mit einer hypomnematischen Universalgeschichte liegt die gattungs- und kulturgeschichtliche Bedeutung des Autors Strabon, die seine Werke über den Charakter bloBer Schatzhäuser an Informationen über die klassische und hellenistische Geographie und Geschichte heraushebt. Die Commentarii und die Weltkarte Agrippas stellten dagegen den damaligen Gipfelpunkt der aus Handel, Landvermessung, rómischer Administration und militärischer ExplorationalsHauptquellen gespeisten römischen ‚geographischen Tradition dar. Der orbis pictus: war zugleich eine propagandistisch wirksame bildhafte Darstellung des Raumbildes der wenig

später verfaBten Res gestae des Prinzeps Augustus. Strabon und Agrippa

trugen somit beide auf ihre Weise dazu bei, das Bild von der Majestät des augusteischen — imperium sine fine zu propagieren. LLL. =

o

cmm.

12

IV. ZUSAMMENFASSUNG Strabons Biographie ist in der Phase der Umwandiung der ehemals selbständigen späthellenistischen Reiche in römische Provinzen und Klientelherrschaften im anatolisch-syrischen Raum kein Einzelfall. Die Biographie Strabons weist vielmehr strukturelle Gemeinsamkeiten mit den Lebensläufen einiger anderer griechischer Gelehrter und Honoratioren des ausgehenden Hellenismus und der frühen Prinzipatszeit auf. Auf Generationen von aktiven Politikern und Heerführern in selbständigen Städten und Reichen folgen nun unter der römischer Herrschaft aus diesen gleichen Familien Gelehrte und angesehene Honoratioren. Strabons hoher sozialer Status, sein beachtliches Vermögen, sein langjähriges,

umfassendes Studium an mehreren Orten, weitläufige Reisen und längere Aufenthalte in Alexandreia, der östlichen Metropole des römischen Reiches mit der stärksten hellenisti-

schen Tradition, und vor allem in Rom, der Hauptstadt des augusteischen Oikumenereiches, schließlich seine persönlichen Verbindungen zu griechischen Gelehrten, Dynasten und zu wichtigen Römern seiner Zeit, z.B. zu Aelius Gallus, lassen aufschlußreiche

Vergleiche der Biographie Strabons mit den Biographien einiger universalhistorischer und geographischer Vorgänger und Zeitgenossen zu.

| Schon der ursprüngliche Umfang beider Werke Strabons läßt erkennen, daß er seine

Universalhistorie in 47 Büchern als sein Hauptwerk und die Oikumenegeographie in 17 Bilchern als eine Ergänzun g zu den Historika Hypomnemata aufgefaßt hat, die er methosch und thematisch aber in dieser Form als notwendig empfunden hat. Es sei am Ende

a

ner vorgelegten Untersuchungen nochmals festgehalten, daß erst die universalhi-

men genommen d ka Hypomnemata und die augusteische Oikumenegeographie zusamander bis Au en die gesarnie enzyklopädische Darstellung Strabons der Epoche von AlexFerner verdi Kar und des Raumes der Mittelmeeroikumene in seiner Lebenszeit bilden.

als ihr bisher m ee Aussage Strabons im Prooimion der Geographika größere Beachtung, graphiewerk EM e ek

worden Ist, daß er sich als (stoischen) Weliweisen und sein Geo-

losophen einschätzen eil der Materie eines durch ‚Polymatheia‘ charakterisierten Phi-

graphie in sei

. Denn Strabon verankert seine Universalhistorie und Oikumenegeo-

uferun dde Pailosophisch-péädagogischen, stoischen Weltanschauung. versalhie, id des tagMmentarischen Überlieferungszustandes der frühaugusteischen Uni, Storie Strabons, durch die hypom isch-kompilatorische Technik seinr beien Werke sowie wegen sei ΠΡ nematisc ompi alorisc e lechnik seiner bei der Oikumenegeogra " einer Spáteren, unsystematischen Zusätze zum ersten Entwurf

zelner Bücher daraus nich ann die genaue Entstehungszeit des Gesamtwerkes oder ein-

uns vorliegenden Textes ; mehr definitiv festgelegt werden. Es läßt sich auf der Basis des nach den aktualis; rende. συκῇ eindeutig beobachten, daß die Geographika Strabons auch 14 und 24 n, Chr. im Κὶ Satzen des Autors in den ersten Jahren des Tiberius zwischen inhaltlich komplementi emn ein augusteisches Werk bleiben, dessen methodischen und und dessen konzeption e Zusammenhang zu der frühaugusteischen Universalhistorie aufgibt. Unter d

tellcktuellen ist Sas M

ve Ausrichtung auf das augusteische Oikumenereich Strabon nicht :

en Universalhistorikern und romfreundlichen griechischen In-

Alexander dem rone

eic δι derjenige, der am deutlichsten den Charakter der Zeit

"annt hat. Diesem Zeitrau ᾿ bis zu Augustus als einer zusammengehörigen Epoche era. À verschieden Widmer er daher sein Hauptwerk, die Historika Hypo mnemaETSUCH erkennen ne histo risch -poli Noti tisch zen der Geog e raphika lassen den ‚gen Bo gen Von Alexander zu Augustus zu schlagen sowie. durch Ver-

IV. Zusammenfassung

379

gleiche späterer Monarchen, Dynasten und römischer nobiles mit dem großen Makedonenkönig und durch die häufige Erinnerung an Gesten der Alexanderimitatio die Einheitlichkeit und Eigenart dieser Epoche zu unterstreichen. Mit Alexanders Zug bis nach Indien wurde aus Strabons Sicht eine Universalmonarchie im Raum der damaligen Oikumene begründet. Sie zerfiel allerdings in den Kriegen der Diadochen und Epigonen untereinander in einzelne hellenistische Reiche, Dynastien und schließlich sogar in ‚Piratenstaaten‘. Diese sind für Strabon der sichtbarste Beweis des Zerfallsprozesses der hellenistischen Staatenwelt. Einzelnen hellenistischen Reichen und besonders den Taten ihrer Könige, Dynasten und Gelehrten widmet Strabon auch in den Geographika zahlreiche Bemerkungen, die es erlauben, zu einigen Grundfragen die Meinung zu erahnen, die er auch in den

nur noch fragmentarisch erhaltenen Historika Hypomnemata vorgetragen hat. Der Exkurs über die Begründung, die Geschichte und das Ende des Attalidenreiches in den Geographika wurde als beispielhafte Beschreibung einer hellenistischen Monarchie durch Strabon vorgestellt. Im Mittelpunkt des strabonischen Interesses stehen die Personen des attalidischen Herrscherhauses selbst, das Verhältnis des Reiches zu Rom und zu den galatischen ‚Barbaren‘, die Veränderungen des Territortums des Reiches und die Position bestimmter

Poleis. Erst mit dem augusteischen Reich wurde wieder eine Oikumenemonarchie errichtet, die in der Weite ihres Raumes und in ihrer politisch-sozialen Stabilität das Alexanderreich noch übertrifft. Damit beginnt aus Sicht Strabons zugleich eine neue historische Epoche. Strabons historisch-geographisches Gesamtwerk will sowohl eine Summe der literarisch-hellenistischen Traditionen ziehen als auch ein neues Raumbild der Mittelmeeroikumene unter dem römischen Kaïserfrieden zeichnen. Während die Historika Hypomnemata Strabons bis auf wenige Fragmente verloren sind, liegen uns seine Geographika mit Ausnahme weniger Passagen heute noch vollständig vor. Dies ist ein erstaunlicher Befund. Denn beide Werke Strabons sind methodisch ähnlich als Hypomnemata angelegt und komplementür aufeinander hin komponiert. Deshalb kann man dieses abweichende Überlieferungsschicksal nicht mit einem grundlegenden Unterschied des Niveaus oder des Charakters beider Werke erkláren. Für Strabons Universalhistorie ungünstige Gattungsentwicklungen der historiographisch-biographischen Literatur in der Kaiserzeit und ein verändertes Leserinteresse verhinderten vielmehr

eine vollständige Überlieferung der Historika Hypomnemata, Das Überlieferungsschicksa! der wahrscheinlich zu Lebzeiten des Verfassers noch nicht veröffentlichten Geographika unterscheidet sich in den drei grofien mittelalterlichen Kulturkreisen, der lateinisch-westlichen, der byzantinisch-griechischen und der islamisch-arabischen Welt erheblich. Nur im kulturellen Klima von Byzanz konnten Strabons Geographika für mehrere Generationen zu einem autoritativen Werk der Kulturgeographie werden und daher erhalten bleiben. Strabons historisch-geographisches Werk steht an einem Endpunkt einerseits der Entwicklung der kulturgeographischen Weltbeschreibungen seit den ionischen Periplus- und Perihegesis-Werken des 7. und 6. Jh. v. Chr. und andererseits der griechischen Universai-

historie, die durch Ephoros von Kyme im 4. Jh. v. Chr. begründet worden war und die sich bis zur augusteischen Zeit mit einer Vielzahl unterschiedlich akzentuierter Werke weiterentwickelte, Mit den Traditionen der universalhistorischen und geographischen Gattungen setzt sich Strabon kritisch auseinander, wührend er sich gleichzeitig der Hauptwerke des Ephoros, Polybios, Poseidonios und Timagenes unter den griechischen Universalhistorikern und des Eratosthenes, Hipparchos, Artemidoros und Agatharchides unter den

Geographen sowie einer Vielzahl weiterer historisch-geographischer Autoren als Vorla-

gen langer Passagen der eigenen Werke bedient. | Die augusteische Zeit brachte mit Pompeius Trogus den ersten Universalhistoriker in lateinischer Sprache und mit Timagenes, Strabon und Nikolaos von Damaskos drei Auto-

380

IV. Zusammenfassung

ren dieser Gattung in griechischer Sprache hervor. Die Universalhistorie blühte in dieser Zeit, weil sie - zusammen mit der Biographie - die angemessenste Form der Darstellung des zeitgenössischen Oikumenereiches und der Handlungen seiner Protagonisten war. Auch noch viele spätere Historiker des Kaiserreiches beziehen sich häufig auf die au-

gusteische Epoche als einen natürlichen Orientierungspunkt. Damit wird die literarische Schaffenszeit Strabons für die gesamte griechische Universalhistorie zu einer Schlüsselperiode.

Das Raumbild, welches den einzelnen Werken der griechischen Universalhistorie von Ephoros bis zu Strabon zugrundeliegt, und die historisch-thematischen Schwerpunkte ihrer Werke werden in hohem Maße durch die sich jeweils ändernden weltpolitischen Rahmenbedingungen bestimmt. Deshalb sind diese Werke besonders wertvolle Zeugen ihrer Zeit. Strabon verläßt die bisherige griechische universalhistorische Tradition dadurch, daß er als erster (und soweit wir wissen als einziger) Historiker der Antike eine Universalhistorie mit dem Titel Historika Hypomnemata statt des bisher üblichen der Historiai vor-

legt. In dieser Abweichung im Titel kündigt sich programmatisch ein methodisches und historiographisches Anliegen Strabons an. In der kolossalen Masse an Informationen, die nicht durchgehend, aber oft aktueller als diejenigen seiner Vorgängern sind, im gelehrten Charakter und in dem durch die Autorität seiner Vorlagen verbürgten sachlichen Quellen-

wert, nicht aber in einer durch Poseidonios als älteren Fortsetzer des Polybios schon meisterhaft vorgeführten rhetorisch-psychologischen Stilisierung soll der besondere Nutzen des strabonischen Werkes für die Leser gegenüber den Werken seiner Vorgänger und zeitgenóssischen Konkurrenten liegen. Die Historika Hypomnemata Strabons werten die hypomnematische Gattung in der griechischen Historiographie ühnlich stark (aber mit Beringerer Nachwirkung) auf wie Caesar kurz zuvor in der lateinischen Literatur die bis-

lang subhistorische Gattung der Commentarii. Obwohl sich Strabon einerseits offen in die universalhistorische und kulturgeographische Tradition seiner griechischen Vorgänger vor allem des Ephoros und des Polybios - stellt, zeigen die Geographika andererseits den Versuch, eine neuartige, enzyklopädische Synthese aus den Gattungstraditionen der Universalhistorie, Kulturgeographie, Biographie und gelehrten Traktatliteratur vorzulegen. Auch in diesem Versuch einer Synthese verschiedener Traditionen zu einem Gesamtbild, einer echten summa, erweist sich Strabon als ein für das Ende des Hellenismus und die augusteische Zeit typischer Autor. Aus dieser Perspektive erscheint das einfluß-

reiche kritische Urteil Jacogys! über die Historika Hypomnemata Strabons zu hart. „Il faut ... ressentir Strabon historien plutôt que déplorer son indifférence", rät dagegen zu Recht LASSERRE? als ein prominenter Vertreter des gegenwärtig steigenden Interesses an

Strabon als Historiker, Geographen und augusteischen Zeitzeugen.

Als Ergebnis seiner gründlichen Auseinandersetzung mit den Werken seiner Vorgän-

Ex seit Ephoros Ist Strabon der Auffassung, daf es nicht mehr genüge, den ,Raum der ς ον in Form von Exkursen oder auch zusammenfassenden Einzelbüchern inner-

" eu nlaufenden politisch-militärischen Ereigniserzählung der Historiai-Werke zu Universal τη Gesamtbild der Epoche des Hellenismus und des neuen augusteischen Universal es glaubt er seinen Lesern nur dadurch geben zu kónnen, daß er seine Werke ne ch eine umfassende Oikumenegeographie in einem zweiten großen lich im Dro ὍΝ ΠῚ ich die Geographika. Diese beziehen sich aber methodisch und inhalthistorie DE mmatischen Prooimion und an vielen Einzelstellen eng auf die Universal. Deswegen ist es eine Fehleinschätzung anzunehmen, daf sich Strabon von einem ι

Jaco ἮΝ ὰ FGrHist 91 Kommentar IIC 291: „das Werk war offenbar ohne eigene note; banal aber nütz-

2 — LASSERRE 1984,26,

IV. Zusammenfassung

381

frühaugusteischen Universalhistoriker zu einem frühtiberischen Kulturgeographen entwikkelt habe. Er gibt jedoch dem ‚Raum der Geschichte‘ einen so hohen Stellenwert wie kein anderer griechischer Universalhistoriker zuvor. In dieser auch aus moderner historiographischer Sicht interessanten Akzentuierung wird eine charakteristische Seite des strabonischen Werkes deutlich. Die sehr ausführliche Beschreibung des Raumes der Mitteimeeroikumene paßt gleichfalls gut zu der ‚offiziellen‘ Selbsteinschätzung des augusteischen Oikumenereiches als imperium sine fine. Durch ihre Anzahl, die inhaltliche Aussagekraft und eine auffällig deutliche Tendenz des strabonischen Urteils ragen unter allen Notizen der Geographika, in denen bekannte historische Ereignisse oder Orte mit bestimmten Personen namentlich verbunden werden, einerseits die Bemerkungen über die Zeit Alexanders und andererseits diejenigen über führende Römer aus der Lebenszeit Strabons heraus. Unter diesen ,kolossalen' Individuen des 1. Jh. v. Chr. und der frühen Prinzipatszeit überragen Pompeius, Caesar, Antonius und Augustus alle übrigen Personen bei weitem. Unter diesen vier wichtigsten Römern wiederum wird Augustus in mehrfacher Hinsicht und mit einer durchweg positiven Tendenz durch Strabon hervorgehoben. Auch in dieser ‚biographischen‘ Ponderierung schlägt Strabon den historischen Bogen von Alexander bis Augustus und erweist sich nicht nur als ein extrem prorömischer pontischer Intellektueller, sondern zugleich auch als ein augusteischer Autor, obwohl er in den ersten zehn Jahren des Prinzipates des Tiberius seine Oikumenegeographie nochmals unsystematisch aktualisiert. Mit seinen beiden Werken, der Universalhistorie in 47 Büchern und der Oikumene-

geographie in 17 Büchern, entwirft Strabon also ein umfassendes literarisches Bild der Geschichte und des Raumes des augusteischen Oikumenereiches und seiner hellenistischen Wurzeln. Es ist für die Eigenart der literarisch geprägten und in der griechischen Bildungstradition überlieferten Weltsicht Strabons erhellend, seine Beschreibung der Oikumene mit den Commentarii und der ehemals in der Porticus Vipsania in Rom angebrachten Wandkarte des Oikumenereiches zu vergleichen, die eine Summe der rómischen geographischen Traditionen ihrer Zeit zog und die Größe des augusteischen Reiches an

propagandistisch geschickt gewählter Stelle der Hauptstadt visualisierte. Sowohl Agrippa mit seinen Commentarii und mit seiner Weltkarte als auch Strabon mit der Universalhistorie und der Oikumenegeographie entwerfen aus unterschiedlichen Traditionen schópfend fast zur gleichen Zeit ein eindrucksvolles Weltbild der rómisch beherrschten Mittelmeeroikumene.

V. APPENDICES A - D ‘ APPENDIX A Das geographische Weltbild des lateinischen Westens und der Verlust der Kenntnis des strabonischen Werkes im lateinischen Mittelalter Weder Strabon als Kulturgeograph mit philosophischem Anspruch noch die mathematische Geographie und Kartographie des Klaudios Ptolemaios wurden für das geographische Weltbild! des westlich-lateinischen Mittelalters und die damalige Kartographie? bestimmend. Im lateinischen Westen war Strabon lediglich noch wenigen Gelehrten dem Namen nach und zwar als eine Vorlage der Werke des Josephus, Tertullian, Jordanes

sowie Priscianus Lydus bekannt. Der Geograph Strabon war dem lateinischen Westen so fremd geworden, daß man unter einem Autor namens Strabon selbstverständlich zunächst Walafried Strabo, den Gelehrten des 9. Ih., verstand’. Dominierend war vielmehr auch in

der Geographie der Einfluß der Verfasser zweier grundlegender Schulbücher aus dem 5. Jh. n. Chr., des Macrobius und Martianus Capella, die die ältere heidnische Tradition

zusammenfaßten und deren Thesen später bei Isidor, Dicuil und Beda ihren Niederschlag fanden. Diese säkulare, griechisch-römische Tradition wurde durch die Kirchenväter* Hieronymus und Augustinus sowie den Universalhistoriker Orosius mit der christlich-biblischen verschmolzen. Diese Synthese bildete dann den Kern des literarisch-traditionell und theologisch-philosophisch, nicht durch Entdeckungsfahrten geprägten Weltbildes des westlichen Mittelalters, Erst durch die regelmäßigen Pilgerzüge nach Santiago di Compostella, Rom und Jerusalem, den sich verstärkenden Fernhandel5, die Erfahrungen der Kreuzzugsepoche® und I

Vgl zur mittelalterlichen Geographie und Entdeckungsgeschichte das monumentale Werk von BEAZLEY Bd. 1, 1897 (von der Christianisterung des Reiches bis ca. 900), Bd. 2, 1901 (von ca. 900 bis 1260)

und Bd. 3, 1906 (von ca. 1260-1420), knapp KimuLe 1938 und zum Weltbild mittelalterlicher Gelehrter auch Simex 1992 und BünLER 1990, 457—488 sowie zu entdeckungsgeschichtlichen Fortschritten PurLiPrs 1988, Zu damaligen grundlegenden Vorstellungen über Raum und Zeit vgl. GuriEwrrsc 1982, 2

28-42, FUHRMANN 1985, 188-201, von den BRiNCKEN 1981, 6-21, dies. 1989, 129-144 und 1998, 557572 sowie AERTSEN und SPEER (Hgg.) 1998. Über die kartographischen Vorstellungen und einige Weltkarten des Mittelalters siehe von den BRN-

CKEN 1968, 118-186, 1970, 249-278, dies. 1988, 1989, 9-32 und zuletzt 1992, X X XI-XLIII, ferner

3

Muer 1895-1898, Harvey 1980, 48-65, ARENTZEN 1984, HARLEY und Woopwanp 1987 sowie mit schönen Abb. BaGrow und SKELTON 1985; zu antiken Quellen mittelalterlicher Weltkarten des 8. Jh. auch EpsoN 1993, 185-197, zur modernen Kartographie u.a, TooLEY 1949,

Einisoliertes Testimonium über den Geographen Strabon findet sich bei Albertus Magnus Politicorum lib. VIII, p. 10 (ed. A. Borgnet, Paris 1891), vgl. Dicer 1975, 88. Dort diskutiert Albertus die EtymoIogie des Wortes barbarus und beruft sich dabei frei paraphrasierend auf Strabons Geographika 14,2,28

C. 662. Albertus nennt dabei aber weder den Werktitel noch das 14. Buch als Fundstelle. Es geht ihm lediglich um den ,barbarischen' Charakter des karischen Griechisch. Zwischen Albertus und Strabon

ist keine eindeutige Zwischenquelle für diese Stelle erkennbar. Es bleibt daher eine offene Frage, wo-

4 5

6

her er seine Kenntnis von Strabons Auffassung bezog.

Siehe zu erdkundlichen Vorstellungen der Kirchenväter MarINELL: 1884, Grant 1992, 105-111 und

Konposts 1991 zur frühchristlichen Geographie des Ostens. Vel. zu den Kenntnissen über China und Ostasien im Mittelalter sehr anregend Reichert 1992 und

SCHMITT und VERLINDEN (Hgg.) 1986. | Zur Erweiterung der geographisch-ethnographischen Kenntnisse infolge der Kreuzzüge siche u.a. WRIGHT 1965; MoRAw (Hg.) 1989 sowie SiEvERNICH und Bubpe (Hgg.) 1989.

384

V. Appendices

das Erlebnis der Mongoleninvasion des 13. Jh. erweiterten sich die geographischen Vorstellungen von Europa, Afrika und dem östlichen Asien in beschränktem Maße’, ohne daß das geographische Weltbild sein Fundament in der Bibel und der philosophisch-christlichen Lehre von der Gesamtordnung der Welt verloren hátte. Für Augustinus? und spátere mittelalterliche Gelehrte fügten sich auch das geographische Wissen um die Gestalt des Kosmos, die Kugel- oder Scheibenform der Erde’, ihre Stellung innerhalb der anderen Himmelskórper und die Aufteilung des Erdkreises in drei Erdteile (Asien, Europa und Afrika) systematisch ein in den tibergeordneten ordo-Gedanken. Dieses die gesamte Schöpfung umfassende, durch Gott gesetzte Ordnungsprinzip bestimmte auch die kartographische Darstellung der Welt als Zonenkarte in griechischer Tradition oder als geostete ‚T-O-Karte‘, auf der seit der Zeit der Kreuzzüge zunchmend Jerusalem in der Mitte abgebildet war. Die lateinischen Weltchroniken und Universalhistorien des Mittelalters, deren Blüte im späten 11. und 12. Jh. anzusetzen ist, räumen der Kulturgeographie oder gar der mathematischen Geographie nur einen untergeordneten Rang ein. Insbesondere die Weltchroniken bleiben strukturell eine series temporum. Kein bedeutender Verfasser von lateinischen Weltchroniken oder Universalhistorien scheint daher Strabons Geographie- oder Geschichtswerk tiberhaupt zu kennen. Selbst die belesensten Historiker, z.B. Otto von Freising, Frutolf von Michelsberg, Hugo von Fleury oder Hugo von St. Viktor, nennen ihn

nie". Griechisch-römischen und biblischen Vorbildern folgend beginnt die wohl be-

deutendste westlich-mittelalterliche Universalgeschichte Ottos von Freising aus der Mitte des 12. Jh. mit einer kurzen Beschreibung der Erde. Otto räumt dabei sofort ein, daB er sich bei seiner Beschreibung an der literarischen Tradition der älteren Autoren orientiere. Sein Bild von der Welt ist an den Schultraditionen seiner Zeit gebildet, „die noch wenig Neigung verspürte, das überlieferte und durch Autoritäten gestützte Wissen für neue Kon-

zepte preiszugeben“!!.

Einige Autoren der kompendienhaften, enzyklopädischen Schulchronistik, die bald

auf den gattungsgeschichtlichen Höhepunkt der Weltchronistik und Universalhistorie folgte, erwecken in der Werkökonomie den Eindruck, daß sie geographischen und historischen Aspekten einen annähernd gleichwertigen Rang beimessen. Guido aus Pisa stützte sich für die ersten drei Bücher seiner Historiae variae (1119) auf keinen der klassischen

antiken Geographen, sondern vor allem auf den Geographus Ravennas, während die Bücher 4-6 einen historischen, biographischen und poikilographischen Mischcharakter haben. Der Geographus Ravennas, eine Kosmographie eines Geistlichen aus Ravenna, entstand wohl im 8. Jh. unter Benutzung einer Weltkarte des 3. Jh. n. Chr. 12 In fünf Büchern

wurde zunächst eine schematische Einteilung der Erde gegeben. Dann folgten sehr knappe Beschreibungen Asiens, Afrikas und Europas. Hieran schloß sich noch ein knapper Periplus des Mittelmeeres und der nordwesteuropäischen Küsten an. Der uns überlieferten Fassung ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß dieser Quelle die strabonischen Geographika noch bekannt gewesen sind, was immerhin in der griechisch-byzantinisch geprägten Kulturtradition Ravennas vorstellbar gewesen wäre. Lambert von 5t. Omer oder 7 8 9

Vel. von den Brincxen 1992, 34—42 und 208-210 und KaRaaEoRGOS 1992, 137-164. Z.B. Aug. εἶν, 19,13-14.

KaroInder Beschreibung der Erde als Himmelskörper galt zumindest unter Gelehrten ın der Zeit der linger und Ottonen die Lehre von ihrer Kugelgestalt, in der alltäglichen Erfahrungswelt und als Ort

menschlichen Lebens und Handels beschrieb man sie dagegen ats Scheibe; vgl. dazu LINDGREN 1990, 574.

10

Vel. Buosnger 1900 und von den BRINCKEN 1957.

12.

Textin: Scunerz 1940. Auch die sogenannte Kosmographie des Aethias benutzt Strabon nicht mehr als Quellenautor, vgl. zu diesem Werk PriNz 1993,

11.

BoOHLER 1990, 467; vel. die Ausgabe von Horueister MGH SSRG 45, 1912.

Appendix B

385

Dietrich von Deutz lassen ermessen, wie bescheiden die geographischen Ansprüche des 12. Ih. in historiographischen oder enzyklopädischen Kompendien geworden waren!

Die Herefordkarte und die Ebstorfer Karte gründen beide auf der Descriptio totius

orbis des Gervasius und kónnen eine lebhafte Vorstellung von den qualitativ besten Welt-

karten des lateinischen Mittelalters vermitteln. Man kann sie als kartographische Visuali-

sierungen der scholastischen Summenliteratur, z.B. des Vinzenz von Beauvais, betrach-

ten!*, Diese mappae mundi sind für ihre Zeit typischer und verbreiteter als detaillierte Land- oder Seekarten einzelner Regionen (oder als Itinerare für Pilger). Sie wollen keine topographisch exakte Abbildung der gesamten Erde vorlegen. Die ersten in diesem modernen Sinne exakten Karten waren erst die Portolankarten für die Küstenlinien und Häfen des Mittelmeeres aus Genua und Venedig am Ende des 13. Jh., die aber in einern sákularer und ókonomischen Kontext entstanden, Mittelalterliche Weltkarten boten dagegen eine theologische Gesamtschau der Welt. Sie gaben eine imago mundi, ein in die Heilsgeschichte cingebettetes Erklärungsmodell zum Verständnis der gesamten Weltgeschichte. Sie lieferten eher eine Exegese als eine fachliche Kulturgeographie der Erde". In die Deutung der Welt im Großen zwischen ihren vier Enden, des ‚Makrokosmos‘, ordnete sich auch die Welt des Menschen im Kleinen, der ‚Mikrokosmos‘, ein. Die antike Lehre

von den vier Grundelementen wurde mit dem christlichen Schópfungsakt verbunden und allegorisch oder symbolisch interpretierend auf alle Lebensbereiche angewendet. Man rechnete sechs Zeitalter bis zum Weltensabbath (aetates mundi) nach Analogie der Schöp-

fungstage und teilte die Oikumene in sieben Klimata, geographische Zonen. Für das historische Weltbild noch folgenreicher wurde die Lehre von den vier Weltreichen (babylonisches Reich, Perserreich, Alexanderreich, rómisches Reich) in der Interpretation des

Traumes Nebukadnezars aus dem Buch Daniel der Bibel. Diese Weltreichssukzession

und die teleologische Perspektive aller irdischen Geschichte auf das Jüngste Gericht hin

bestimmten die Grundvorstellung von der zeitlichen Ordnung der Welt. Uber die Sukzession der Weltreiche als einen Kerngedanken der hellenistisch-augusteischen Universalhistorien hätte sich vielleicht ein Interesse auch an Strabons Werken ergeben können. Doch war diese Theorie ohnehin leicht in der lateinischen und weit verbreiteten Épétome Justins aus den Historiae Philippicae des Trogus greifbar. In keiner Weltchronik, enzy-

klopädischen Summa oder zugehörigen mappa mundi des westlich-lateinischen Mittelalters findet man meines Wissens eine sichere Spur der Kenntnis der Historika Hypomne-

mata oder der Geographika Strabons. Die Überlieferung seiner Werke verdanken wir ausschließlich byzantinischen Gelehrten. APPENDIX B Ostens und die ausschließliche Das geographische Weltbild des byzantinischen rraum Überlieferung Strabons im griechisch-christlichen Kultu .

chaften ker

-

: Wissenssich als christDie Geographie nahm unter den verschiedenen in; Byzanz zanz gepgepflegtenstanden " versta aphen Geogr Die byzantinischen nen herausragenden Rang ein!®. ‚autonome‘ Wissenschaft der Geographie hat es in Byz

liche Kosmographen. Eine 13

14

15

16

"Vgl. von den Brmcken 1957, 211-220,

Vgl. von den Brincken 1988, 27.

BOHLER 1990, 472, von den Brincken 1992 und KuattR (Hg) 1991. Byzanz PhiupesoN 1939, WoL-

Vgl. zum geographischen Welibild und zur geographischen Literatur in

Dy

SKA-Conus 1976, 155-222, Hunger 1978, 505-542, Koper 1984 und KO

aktuellen Überblick über Strabons Bedeutung im Rahmen der byzantinischen 1991, 46—66.

ες 1988, 131-144. Einen

^.GCoE hie gibt KODER

386

V. Appendices

nicht gegeben. Wie bei den Juden die jüdische Religion und im arabischen Sprachraum der Islam, so übte auch im byzantinischen Kulturkreis die christliche Religion einen dominierenden Einfluß auf alle Fachwissenschaften aus. Daher finden wir auch in Byzanz

die Geographie nur als Hilfswissenschaft der Theologie und Philosophie (als Kosmologie), der Philologie (zur Interpretation und Kommentierung antiker Texte) und der unterschiedlichen historischen Gattungen. Geographische und ethnographische Exkurse sind sehr oft mit antiken Topoi durchsetzt. Eine typische Spezialität der byzantinischen geographischen Literatur stellen lexikalische Werke dar, die Listen der Namen einzelner

Orte zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Schriftstellern von Homer bis in die Gegenwart enthalten. Trotz des im im Laufe der Zeit immer gravierender werdenden Problems der ‚Diglossia‘ zwischen der traditionellen Schrifthochsprache und der sich entwickelnden Volkssprache blieb die heidnisch-griechische Literatur der Antike in Byzanz in höherem Maße als im Westen oder im islamischen Raum präsent. Unter dominierendem Einfluß der christlichen Religion versuchte man, die antik-heidnische mit der jüdisch-christlichen Tradition in der Historiographie, Geographie und Kosmologie zu verschmelzen. Welche Autoren und welche Werke aus der heidnischen Literatur weiterhin in der christlichen Bildungswelt als überlieferungswürdig aufgefaßt wurden, hing neben der Nützlichkeit für administrative, pädagogisch-rhetorische oder militärische Zwecke von einer Prüfung der Vereinbarkeit der Inhalte mit christlichen Werten und Lehren ab. Die meisten byzantinischen Gelehrten und das byzantinische Bildungssystern tendierten ferner dazu, bestimmten Autoren in ein-

zelnen Fächern einen kanonischen Rang einzuräumen. War einmal die Entscheidung getroffen worden, einem Autor für seinen Bereich diesen Rang einzuräumen, dann sicherte das Bewußtsein, zur Bewahrung des Erbes der griechisch-römischen Kultur berufen und verpflichtet zu sein, diesen kanonischen Werken ihre weitere Überlieferung in Byzanz. ‚Eine erste Synthese der heidnisch-antiken geo graphischen Weltbilder und des jüdischchristlichen Traditionsgutes liegt uns in Byzanz in den zwölf Büchern der Χριστιανικὴ

τοπογραῤία des Kosmas Indikopleustes!? aus dem 6. Jh. n. Chr. vor. Strabon zählt nicht

fo den antiken Autoren, die sein Weltbild oder auch das der frühen Kirchenväter!® geKann

haben. Auflälligerweise erlebt dagegen das ältere Oikumenebild des Ephoros!® bei

stellun de - op eustes eine Renaissance, der sich zudem stark auf die OikumenevorGeographie " oxos und des Eratosthenes stützte. Für die Stellung der kosmologischen

Kosmar' Christie men byzantinischen Wissenschaftssystem ist es bezeichnend, daß

phische Schriften hat opographie bedeutenden Einfluß auf spätere theologisch-philosones

Philoponos Pe ^ obgleich noch im letzten Dritte] dieses Jahrhunderts durch Johandie Ergebnisse der ve em des Kosmas alternatives Modell entworfen worden war, das skriptive und mathe l chen Wissenschaft in stärkerem Maße verwertete. Auf die deagegen Kosmas ur

Sch-astronomische Geographie der byzantinischen Periode hat gefingen Einfluß ausgeübt. Die langiihr; urn schen “ alien ovd rigen Kriege der justiniani Ära im 6. Jh. .im Osten, in Afrika und in

ausgedehnten Miss;Sionsrelsen | dti östli ü an den südlichen und östlichen Rändern

ihrer Oiku

gefähr auf das Rat das geographische Weltbild der Byzantiner noch einmal undene Einzelkenntnisse Meer Mittelmeeroikumene Strabons und aktualisierten verschie-

der Hagiographje sowie in ae onsberichie und geographisch-ethnographische Exkurse in

graphien des Prok op®, steh

s

Ἐν

ni $ römische Reich ein. nnüalenkriege 1,1,4-19) legt einen knappen geographischena Überblick über 1%

Appendix B

387

ethnographischen Literatur des heidnischen Imperiums. Aber schon seit der zweiten Hälfte des 6. und dann ab dem 7. Jh. wirken verschiedene Krisenfaktoren?! zusammen, die den geographischen Horizont der Byzantiner verengten und der künftigen Aktualisierung der geographisch-historischen Kenntnisse über die Randvölker der Mittelmeeroikumene hinderlich waren, Die erzwungene Einengung der räumlichen Erfahrungswelt brachte andererseits den Geographika Strabons als der umfangreichsten deskriptiven Kulturgeographie der Mittelmeeroikumene aus der heidnischen griechischen Literatur eine neue Konjunktur. Strabons Beschreibungen dienten der gebildeten Welt als Ersatz für die ihr auf unabsehbare Zeit versperrte Möglichkeit, die südlichen, südöstlichen und nordwestlichen Teile der Mittelmeeroikumene selbst zu besuchen. In einer solchen Lage erhöhte sich auch das Gewicht der Kulturgeographie gegenüber der mathematisch-astronomischen Geographie. Der kanonische Bildungsbegriff der Byzantiner, der einer ehrfurchtsvollen Tradierung und gelehrten Interpretation des antiken Wissens gegenüber einer Erneuerung und Erweiterung Vorrang einráumte, kam einer Festlegung auf maßgebliche Werke auch in der Geographie entgegen. Die Geographika Strabons wurden daher in der mittelbyzantinischen Ara vor dem - durch deutlich höhere mathematisch-astronomische Anforderungen an die Leser und die Seltenheit der Handschriften gebremsten — Wiederaufstieg des Piolemaios ein führendes Handbuch zur Geographie der Mittelmeerwelt, das von keinem

byzantinischen Autor im Umfang und in der Qualität übertroffen wurde". Die versifizierte Weltbeschreibung des Dionysios Perihegetes aus hadrianischer Zeit, nicht Strabons Geographika, wurde jedoch das wichtigste geographische Schulbuch der Byzantiner, von dem Nikephoros Blemydes nochmals eine knappere Prosaepitome erstellte”, Dionysios aus Alexandreia benutzte nun zwar vermutlich — aber ohne ausdrück-

liche Nennung des Namens — Strabon als Quelle, aber diese indirekte Breitenwirkung Strabons erwies sich in der Überlieferungsgeschichte eher als schädlich. Die Vorliebe der Byzantiner für Chrestomathien, Epitomai oder Florilegien aus Originalwerken?^ brachte es nämlich mit sich, daß immer weniger Leser die gesamten, damals noch vorhandenen Geographika Strabons studierten. Nicht zuletzt deswegen verfügen wir heute leider über keinen vôllig vollständigen Text der Geographika mehr, Die militárischen, politischen und religiósen Krisen des 7. und 8. Jh. führten in Byzanz zum Absinken des kulturellen Niveaus und zum Untergang wichtiger heidnischer Werke der griechischen und lateinischen Literatur. Niemand zitiert Strabon zwischen Stephanos von Byzanz und der Anlage der Chrestomathie aus Strabons Geographika (Codex Palat. Gr. 398) im 9. Jahrhundert. Stephanos spielt für die Uberlieferungsgeschichte Stra-

bons eine wichtige Rolle, Denn er dedizierte sein Lexikon, in dem Strabon háufig benutzt wurde, dem byzantinischen Kaiser Justinian. Móglicherweise erhielt sich auch ein Exem-

plar der Geographika in der kaiserlichen Bibliothek in Byzanz. Es spricht manches dafür, 21

Nur verwiesen sei hier auf dic demographischen und ókonomischen Verheerungen durch dic Pest, die ruinüsen Kriege mit den Sassaniden an der Südostfront, welche dem Vordringen des Islam über die

südliche Mittelmeerküstenregion im 7. Jh. durch die Schwächung der Sassaniden Vorschub leisteten, die immer massiveren Invasionen der Slawen und Awaren auf dem Balkan, die Piraterie, die 6konomi-

sche Krise und die harten theologisch-politischen Auseinandersetzungen im Kerngebiet des byzantini-

schen Reiches. 22

23 24

"Vgl. Dicer 1975, Koper 1991, 53-62 und zum Nachleben des Ptolemaios in Byzanz POLASCHEK 1965, sp. 680-833 sowie Ausac 1993, 165-183. |

Vgl. BRODERSEN 1994, 9ff. Auf Strabon als Quelle des Dionysios geht Broversen nicht ein. Er weicht

im Text stellenweise von MüLLERS Text (in GGM Bd. 2, 103-176) ab. Jacog 1990 bietet eine franzósische Übersetzung. Vgl. SBORDONE 1953, 202-206.

388

V. Appendices

daB die Chrestomathie aus Strabon nicht nur zur Zeit des Patriarchen Photios, sondem auch unter dessen direkter Fórderung oder gar in seinem Auftrag angelegt wurde?. Zwar haben bisher Papyrusfunde nur wenige Erkenntnisfortschritte in der Geschichte der Uberlieferung der Werke Strabons eröffnet, doch erlaubt ein Kölner Papyrus (P. Colon. inv. nr. 5861) aus dem späten 2. oder beginnenden 3. Jh. n. Chr., eine Passage des in der Handschriftenüberlieferung verlorenen Endes des 7. Buches der Geographika mit Hilfe von Epitomai, Zitaten bei Stephanos von Byzanz und Eusthatios sowie anderen Parallelen

aus Strabon zu rekonstruieren® und das Verhältnis der byzantinischen Epitomai aus

Strabon zur handschriftlichen Überlieferung genauer zu erkennen. Das Papyrusfragment entstammt der strabonischen Beschreibung Makedoniens und Thrakiens und handelt über Methone, Pella und die Quelle des Axios. Die Identifikation des Papyrus ist durch Vergleiche mit den Fragmenten des 7. Buches in zwei strabonischen Epitomai, der Palatina und der Vaticana, gesichert. Die anderen späteren Epiromai, diejenige aus der Pariser Bibliothèque Nationale und die des Georgios Gemistos Plethon, kennen den Schluß des 7.

Buches schon nicht mehr?7, Man kann aus einer Synopse des Papyrus und der beiden

Epitomai feststellen, daß die Vaticana mit dem Text des Papyrus wörtlich übereinstimmt, die Palatina aber einen stark verkürzten Auszug bietet. Das 9. Jh. brachte also auch in der Geschichte der Textüberlieferung Strabons eine Wende zum Besseren. Die Transkription von Majuskel- in Minuskeltexte verband man mit einer philologischen Emendation der Texte. Auch für Strabons Geographika sind die mittelbyzantinischen Handschriften besser als der Palimpsest P oder der Text, der Stephanos vorlag. Die neue Fassung des Strabontextes des 9. Jh. bestand wahrscheinlich aus zwei Werkteilen, den heutigen Büchern 1-9 und 10-17. Diese zweiteilige Ausgabe wurde zum Archetyp aller folgenden Strabonhandschriften. Beide Teile erlebten ein unterschiedliches Überlieferungsschicksal in der Handschriftentradition. Photios und wenig später Arethas machten sich um die Erhaltung und philologische Bearbeitung wichtiger antiker Autoren, wahrscheinlich auch Strabons, verdient. In ihnen verkórpert sich der Geist der makedonischen Renaissance'. Arethas (ca. 850-935), Erzbischof von Kaisareia, zitiert

‚den Geographen* Strabon als geographische Autorität. DILLER, LASSERRE und jüngst KoDER vertreten die Auffassung, daß auch die Mehrzahl der mittelalterlichen Scholien zum Text Strabons dem 9. Jh. zugewiesen werden sollten, und Arethas selbst gilt als der Verfasser ungefähr eines Drittels der ‚alten‘ Scholien zu Strabon aus dem 9. und 10. Jn.?5. Auch Mitglieder des Kaiserhauses fórderten die wissenschaftliche Bescháftigung mit

der antiken Literatur. Etwa zur Zeit des Arethas die vorgibt, aus dem großen Werk des Kaisers zeigt den Rang Strabons als Autor an, barg aber re Überlieferung, daß Konstantin VII. Strabons 25

(9003/4) gibt es Leo VI. über auch Gefahren Werk für seine

Zitate in einer Sammlung, Taktik zu exzerpieren. Es für die vollständige weiteSammlung De thematibus

Vgl. ϑβοβοονε 1963, XLI-XLII. Einen nach heutigem philologisch-editorischen Kenntnisstand unzureichenden Text der Chrestomathie findet man bei MOLLER, GGM, Bd. 2, 529—636. Den Schreibern des

Vatopedi-Codex 655 lag in Konstantinopel wahrscheinlich noch ein vollständiger Text der Geograpkika

vor (vgl. dazu Ditter 1937, 174-184 und ders. 1952, 3-14). Eine adäquate Würdigung der Chrestomathie aus Strabons Geographika wird erst möglich sein, wenn die neue Groninger Strabonedition vorlicgen wird, die durchgehend die entsprechenden Passagen der Chrestomathie dem neu edierten

Strabontext gegenüberstellen wird,

26

27

28

Vel. Kreuser 1972, 204—221.

Vgl. das Vorwort KRAMERS zu seiner Edition 1844, Bd. I, XLII-XLIX zu den vier Epitomai Strabons. Die Codices brechen schon mit 7,7,12 C. 329 bzw. 7,7,5 C. 324 ab. KREBBER 1972, 216ff bringt eine instruktive Synopse der Epit. Vat., der Epit. Pal. und des Papyrustextes, die man auch bei BALADIÉ 1989, 160 zu Fr. 20c gewünscht hätte. Ὄπιει 1975, 30f und ders. 1954, 29-50, vgl. auch LassERRE 1959, 32-75 und KODER 1991, 55.58 mit Hinweisen auf Arethas,

Appendix B

389

exzerpieren lieB??, Strabon wird zusammen mit Stephanos als Quelle für historische und geographische Notizen auch in historischen Werken des Genesios, Pseudo-Symeons, des Continuator des Georgios Monachos und des Theophanes benutzt. Basilios, der Erzbischof von Kaisareia, zitiert aus einem heute nicht mehr erhaltenen Stück am Ende des Buches 7 Strabons in seinem Kommentar zu den Reden des Gregor von Nazianz. Ferner benutzen auch Scholien zu antiken Dichtern (Homer, Aischylos, Apollonios Rhodios, Dio-

nysios Perihegetes) aus dem 10. Jh. Strabon als Quelle?. Das früheste Manuskript unserer heutigen Handschriftenfamilien stammt aus dem 10. Jh. (Codex A). Älter sind nur die Heidelberger Handschrift der Chrestomathie und der Palimpsest der Vatikanbibliothek?!. In der durch byzantinische Traditionen geprägten Magna Graecia entstand im 10. Jh. eine jüdische Chronik, der Yosiphon. Diese beruft sich noch einmal zumindest beiläufig auf Nikolaos und Strabon als historische Autoritáten. Die Yosiphonschrift behandelte jüdische Geschichte von Adams Zeit bis zur Zerstórung des Tempels 70 n. Chr. Weil das Werk als eine jüdische Form der Weltchronistik anzusehen ist, teilt es die für jüdische Historiographie der Antike prägende räumliche Konzentration auf das Volk Israel und seine Nachbarn. Auch ein späterer mittelalterlicher jüdischer Chronist, Yerahmeel ben Shelomoh, wohl aus dem 11. Jh., zitiert noch einen Bericht, den Strabon der Kappadokier angeblich über Nimrod, Sems Sohn, und einen guten Rat des Yonites an Nimrod gegeben habe. Die Notiz ist aber zu knapp, um festzulegen, auf welche Tradition hier angespielt wird. Es findet sich jedoch keine damit direkt vergleichbare Stelle in den Geographika. Sollte daher hier tatsächlich nochmals - aus indirekter Überlieferung — auf eine Passage aus den Historika Hypomnemata Bezug genommen werden??? Unter den Werken des Michael Psellos im 11. Jh. findet man Spuren seiner Beschäftigung mit dem Werk Strabons, vor allem in seiner kleinen Schrift Über athenische Plätze und Namen mit Exzerpten aus

dem 9. Buch der Geographika. Wahrscheinlich hat Psellos sowohl für dieses Werk als auch für seine großen historischen Schriften Exzerpte aus Strabon angelegt. An einen ei genständigen Kommentar zu Strabons Geographika aus seiner Hand mag man aber kaum glauben", 29

Das Exzerptenwerk im Auftrag Konstantins VIL zitiert Strabon viermal, vgl. PERTUs: 1952 und Daın 1938. Zum historischen und geographischen Wissen in der byzantinischen Bildungswelt und zur Wür-

digung der Verdienste des Pholios und Arethas um die Überlieferung anliker Autoren vgl. Kuruva30 31

DeutvoriA 1991, Wilson 1983 und LEMERLE 1971, 267-300. "Vgl. Duier 1975, 80-95, Vgl. das Stemma bei Ὅπιπα 1975, 26. Die gelehrten Einführungen zur Textgeschichte von Auac und

LASSERRE in der Einleitung zum Band 1.1 der Budé-Ausgabe sowie ALvs und Sporpones (Vol. I, 1963, IXff und Stemmata XL und LV) in den Prolegomena zu ihren geplanten Strabonausgaben zeigen, wie schwierig die Textüberlieferung Strabons ist, Weil die beiden kritischen Editionsvorhaben der Geographika von ALY und SBORDONE nicht über wertvolle Prolegomena und die Ausgabe der ersten Bände hinausgekommen sind, und die große von Ausac und LAssERRE begründete Ausgabe der Collection Bude noch nicht abgeschlossen ist, wird man wohl auf das Erscheinen der von RApr betreuten neuen

Groninger Strabonausgabe warten müssen, bevor auf dem Feld der Überlieferungsgeschichte we-

sentliche, über Diti.ers Studien hinausführende Ergebnisse erwartet werden dürfen. Zum Stand der neuen Groninger Strabonausgabe vgl. RApT 1991, 305-326; ein eindrucksvolles Specimen der neuen Ausgabe anhand des Abschnittes über Troja bieten RApr und Druvers 1993, 201-23). Rapr 1996,

183-185 lcgt textkritische Beispiele aus dem 6. Buch für bedeutende Verbesserungen des Textes vor.

32

33

Diese Miszelle erklárt auch das neue Ziliersystem der ncuen Groninger Ausgabe, nämlich die Casaubonus-Seiten plus Zeilennummer in der neuen Groninger Ausgabe, z.B. 262, 14ff = C. 262, Zeile t4 (Groninger Ausgabe). an: aus Zu Yerahmeel und Yosiphon vgl. NeuBAUER 1899, 355-386, insb. 367 zum Text des Testimoniums Yerahmeel; zum Zitat aus Yosiphon (= FGrHist 91 F 14) siehe FLusser, Bd. 1, 1978, 151; siehe über Yosiphon (Josephus Gorionides) ferner Cassuro 1932, 419-425 und SCHÜRER 1973-1987, Bd. 1, 117118. Jacoby verweist weder zu Nikolaos noch zu Strabon in den FGrHist auf dieses Zeugnis. Ein Katalog von Codices in Konstantinopel aus dem 16. Jh. erwähnt Τὰ Toroypadıca τοῦ Στράβωνος

390

V. Appendices

Im 12. Jh. zitiert Johannes Tzetzes die Geographika Strabons mehrfach in seiner Universalhistorie mit dem Titel Chronikon und in den Historien. Auch Tzetzes kannte das Ende von Strabons Buch 7 noch. Eustathios von Thessalonike benutzt Strabon in seinen Kommentaren zu Dionysios Perihegetes und Homer über vierhundertmal als Quelle. Strabon war ihm so bekannt, daß er mehrfach einfach von ‚dem‘ Geographen sprechen kann. Die Art und Weise der Zitierpraxis und die enorme Zahl der Zitate lassen keinen Zweifel daran, daß Eustathios direkt auf die Geographika zurückgegriffen hat. Seine Strabonzitate gehen über das im Lexikon des Stephanos gebotene Material weit hinaus®*. Strabon war also von der zweiten Hälfte des 9. Jh. bis zur Eroberung von Byzanz im vierten Kreuzzug (1204) dort einer der wichtigsten geographischen Autoren. Er wird im Vergleich zu dem als zu stark mathematisch-technisch geltenden und seltenen Werk des Ptolemaios sogar im 11. und 12, Jh. als der beliebteste alte Geograph eingeschätzt, obgleich zumindest ein Teil der Werke des Ptolemaios auch schon bekannt war. Allerdings konzentriert sich das Interesse z.B. des Mathematikers und Astronomen Leon im 9. Jh. eindeutig auf die mathematisch-astronomischen Schriften des Ptolemaios, insbesondere

die Meyiom σύνταξις, die heute unter dem Namen Almagest bekannt ist, während seine Γεωγραφικὴ ὑφήγησις damals in Byzanz noch nicht bekannt war oder jedenfalls ohne

Einfluß blieb*,

Nach der Wiederbegründung des byzantinischen Kaiserreiches erlebten die klassischen und literarischen Studien in der Paläologenära ab 1261 einen neuen Aufschwung, der den des 9. und 10, Jh. unter der makedonischen Dynastie an Breite und wissenschaftlicher Tiefe noch übertraf. Wichtige Forscher flohen aber auch angesichts der permanenten militärischen Bedrohung des schrumpfenden Reiches nach Italien, und die Forschungen dieser Emigranten gaben einen Impuls für die Entwicklung der italienischen Renais-

sance und die Studien des Griechischen im Westen Europas. Diese griechischen Gelehrten in Italien vermittelten auch die Bekanntschaft mit dem Werk Strabons. Sein geographisches Werk erlangte im Westen allerdings erst mit den lateinischen Übersetzungen in der zweiten Hälfte des 15. Ih. eine gewisse Bedeutung, Maximos Planudes (1260-1310) sammelte viele Exzerpte aus Strabon in seiner Synagoge oder Sammlung nützlicher Exzerpte aus verschiedenen Büchern. Planudes fand

Gabei als begabter Philologe zahlreiche Konjekturen für den Text Strabons, die noch in

den modernen Editionen aufgenommen sind, Johannes Katrarios verfaßte ein kleines Werk Synopsis der Buchten der zu unserer Zeit bewohnten Oikumene exzerpiert aus der Geographie Strabons. Nikephoros Gregoras unter den Historikern und Theodoros Melinotes unter den Astronomen zitieren Strabon zur Kontrolle des Ptolemaios und zur

llustration ihrer eigenen Werke. Während die strabonischen Geographika im byzanti-

hen

nis a

Raum zumindest in der Hauptstadt von der Spätantike bis ins 15. Th. also fast un erliefent und hoch geschätzt wurden, war inzwischen selbst hier jede Kennt-

hil τ niversalhistorie Strabons abgesehen von wenigen Hinweisen in den Geograpita selbst sowie den seltenen Zitaten bei Plutarch und Josephus verloren.

Caes dece Τὰ τοπογραφικὰ Κλαύδιον Πτολεμαίου. Daran schloß sich angeblich ein Kommentar ὠφέλιμος

Dy cr des Michael Psellos zu diesen beiden Werken an, eine ᾿Ἐξήγησις καὶ διήγησις πάνν

des Sirabon und à 1975, 85 hält jedoch einen Kommentar des Psellos zu einer vollständigen Ausgabe urteil

nd

des Prolemaios für ganz unwahrscheinlich und verwirft daher dieses Zeugnis; ähnlich

4. Volnu-?U den KONSTANTINDDES. 1982,

1971, vol. Lp. LXX TV nissen, die Eustathios noch von den Geographika Strabons hatte, van der VALK

> Vel. Κοῦξῃ 1991, SH,

"n

Eine Liste findet man bej DitLLER 1975, 90 Anm. 3.

Appendix C

391

APPENDIX C Das geographische Weltbild im islamischen Kulturraum und die Dominanz des Ptolemaios gegenüber der deskriptiven Kulturgeographie Strabons Der Wissenschaftsbegriff des islamischen Mittelalters wich vom antiken oder modernen westlichen in entscheidenden Punkten ab. Die Wissenschaften im allgemeinen und damit auch die Geographie waren noch fester in das theologisch bestimmte Weltbild integriert als im mittelalterlichen katholisch-lateinischen Westen oder orthodox-byzantinischen

Osten". Die Bemühungen um genaue Ortsbestimmungen mit Hilfe der mathematischastronomischen Geographie erhielten z.B. aus der religiösen Vorschrift zum Bau neuer Moscheen bedeutenden Auftrieb. Denn mit der Ausbreitung des Islam in immer fernere Regionen wurden dort neue Moscheen gebaut, deren zentrale Gebeisnische stets nach Mekka hin ausgerichtet sein mußte. Die klassische islamische Welt differenzierte, beispielsweise im Buch der Schlüssel zu den Wissenschaften aus dem 10. Jh., zwischen den Wissenschaften des Religionsgesetzes und arabischen Wissenschaften einerseits sowie den fremden Wissenschaften andererseits. Die Geographie zählte zusammen mit den meisten Naturwissenschaften und technischen Fächern zu den von Griechen (sowie den Persern und Indern) übernommenen Wissenschaften. Theologie, Rechts- und Staatswissenschaft sowie Philosophie waren dagegen die höher angesehenen ,islamisch-arabischen' Disziplinen. Zu ihnen zählten auch Grammatik, die Kunst des Aufsetzens von Schriftstücken, Dichtung und Geschichts-

schreibung. Das Beweisverfahren in den islamischen Wissenschaften beruhte nicht ausschließlich auf logischen Schlüssen oder empirisch verifizierbaren Experimenten, sondern analog zur Koranwissenschaft grundsätzlich auf dem Autoritätsprinzip. Die Auswahl der Forschungsgegenstände wurde im Sinne einer durch die Religion definierten Vorstellung von Nützlichkeit bestimmt. Freie Forschung um der reinen Erkenntnis willen existierte nicht. Dies bedeutete für die Geographie, daß auch sie sich lange nicht zu einer eigenständigen und methodisch klar definierten Fachwissenschaft entwickelte, sondern bis zum 10. Jh. eine ancilla der Theologie, der Administration, der Poesie, der Erklärung der schönen Literatur oder der Geschichtswissenschaft blieb. Es gab nicht einmal ein eigenes arabisches Wort für die griechische γεωγραῤφία, die man deshalb als Fremdwort (Djughrafiya) übernahm, Der Koran gibt uns wichtigen Aufschluf über den frühislamischen geographischen Horizont?. Das Weltbild des Koran geht weitgehend auf babylonische und autochthon arabische Vorstellungen zurück, nicht aber auf die bei Strabon in den Büchern

1-2 der

Geographika referierten hellenistisch-griechischen Positionen. Gewichtige Unterschiede in der Kosmologie und der Vorstellung von der Oikumene standen daher einer Verbreitung Strabons im islamischen Kulturraum von Anfang an entgegen. Dem griechisch-rómischen Begriff der Otkumene bei Strabon, also der bewohnten Kulturwelt, stand der

islamische Grundbegriff des gemeinsamen Raumes aller ‚rechtgläubigen‘ (muslimischen) Staaten und Menschen gegenüber. Im alltäglichen Leben waren für die Araber konkrete und aktuelle Kenntnisse über KarawanenstraBen, die Entfernungen und Positionen be-

stimmter Rastplätze, Städte und Oasen und die Darstellung dieses Wissens in administrativ37 38

Vgl, einführend zur Geographie als Wissenschaft im islamischen Kulturkreis KRAMERS 1956, 75-148 sowie SCHACHT und BoswonTH (Hg.) 1980. Miuva, 3 Bde., 1967, 1975 und 1980 hat das moderne Standardwerk zum Thema vorgelegt, siehe aber auch Narıs 1947 und KRAMERS 1954, 172-204; stichwortartig informieren Kramers 1934, 62-75 und AHMAD 1960, 590-602 sowie TAESCHNER 1960, 602-605; KnaTscukowsxt 1957, 2 Bde. n.v. Zu den Naturwissenschaften im islamischen Kulturraum siehe jüngst Rasheo 1997.

392

V. Appendices

militärisch und ökonomisch nutzbaren Kartenwerken bedeutender als akademische Diskussionen über das Weltbild der hellenistischen Antike oder gar eine Beschreibung der Länder des augusteischen orbis Romanus. Mit antiken Begriffen könnte man den zunächst führenden Zweig der geographischen arabischen Literatur eine Itinerarliteratur nennen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Regierung in der Administration (Post, Steuern) und im Kriegswesen sowie der Händler

und der Pilger abgestellt war??. Unter möglichen antiken Vorläufern wird man deswegen kaum an Strabon, noch auch an die Vorlüuferin der Peutingertafel oder das Itinerarium Antonini denken, sondern z.B. an die Σταθμοὶ παρθικοί des Isidor von Charax^? als halboffizielles Itinerarwerk des parthischen Staates. Neben im staatlichen Auftrage verfaBten Werken gab es eine Vielzahl von Reiseberichten für die Pilger nach Mekka und zu anderen heiligen Stätten. Die Pilgerreise nach Mekka (Hadsch) ist für den gläubigen Moslem eine religiöse Pflicht. Daher reisten auch mehr Menschen nach Mekka als im lateinischen Westen trotz des sich dort entwickelnden Pilgerwesens nach Rom, Santiago oder Jerusalem. Der Reisende in der Gestalt des Kaufmannes, gelehrten Geographen, Theologen, Dichters oder Pilgers stand im islamischen Kulturkreis aufgrund der nomadischen Traditionen und der religiósen Vorschriften von Anfang an in hóherem Ansehen als im Westen. Wührend im lateinisch-westlichen Mittelalter der gelehrte Geograph fast immer ein Kleriker und damit häufig dem Ideal der stabilitas loci verpflichtet war (z.B. Isidor, Dicuil, Beda), finden sich unter den wichtigen islamischen Geographen fast keine Theologen, aber viele Reisende und Historiker. Während sich im islamischen Spätinittelalter die Geographie als Wissenschaft im allgemeinen kaum weiterentwickelte, liegt uns

dennoch aus der ersten Hälfte des 14. Jh. mit Ibn Battutas Bericht der berühmteste Reisebericht der islamischen Weit vor. Visualisierte Zusammenfassungen des geographischen Weltbildes des islamischen Mittelalters stellen die nach Ptolematos und arabischen Itinerarwerken gefertigte Weltkarte für den Kalifen al-Ma'mun aus dem 9. Jh. mit begleitenden Beschreibungen und die für Roger II. geschaffene silberne Erdkarte mit zugehöriger Beschreibung dar, in der sich islamisch-arabische mit normannischen Traditionen mischen. Diese enthält neben 71 Spezialkarten eine (vor 1154) von dem Universalgelehrten Muhammad as-Sarif al-Idrisi ver-

faßte geographische Abhandlung*!. Die Verbindung einer Weltkarte mit einer Beschreibung der Welt für einen Herrscher stellt eine gute Parallele zur Oikumenekarte und den Commentarii Agrippas dar. Sammlungen über wunderbare oder staunenswerte Naturphänomene in allen Teilen der islamischen Oikumene haben eine genuin arabisch-islamische Wurzel, wenngleich sie sich der Struktur nach auch mit hellenistischen und kaiserzeitlichen Paradoxographien berühren. Es entwickelte sich in der arabischen Literatur schon früh eine durch einen enzyklopädischen Wissenschaftsbegriff geprägte Literatur von Sammlungen geographischer Informationen, die in den großen geographischen Lexika kulminierte. Neben dieser seriösen geographischen Literatur entstanden auch zahlreiche beliebte Romane und Märchenerzählungen mit viel Seemannsgarn und Karawansereigespinst, z.B. die Geschichten

von Tausendundeiner Nacht oder von Sindbad dem Seefahrer. Auch in ihnen schlagen 39 40

4l

Vgl. HanLEv und WoobwaRD (Hgg.) 1992 und Μιμ εκ, 5 Bde., 1926-1931. Ein bekanntes Werk trägt den typischen Titel kitab al-masalik wa I-mamalik, d.h. Buch der Staaten und der Strafen. Vel. zu Isidor von Charax Scuorr 1914 (ND 1989).

Das Vergnügen des Begierigen lautete der Titel des geographischen Hauptwerkes von al-Idrisi, das nach dem kompetenten Urteil von ΟἹΒΒ und Lanpau 1968, 161 so wie das ältere Werk Mugaddasis nach der Weite des Themas und der Qualität der gebotenen Informationen durchaus mit Strabons Werk a yon werden kann. Al-Idrisi verfaßte auch für den Nachfolger Rogers, Wilhelm L., ein geographiWerk. sches

Appendix C

393

sich konkrete geographische Erfahrungen der islamischen Welt in dichterischer Form nieder. Die gewaltige militärische Expansion nach Muhammads Tod führte zur Ausbildung

einer auf administrative Bedürfnisse zugeschnittenen Literatur über bestimmte Provinzen

und Reiche. Sie gab auch einen Impuls zur Übersetzung der wichtigsten Werke vieler antiker griechischer Autoren ins Arabische, darunter des Klaudios Ptolemaios auf Anordnung des Kalifen al-Ma’mun (813-833) und seiner Nachfolger. Die Abbasiden in Bagdad standen der Bildungswelt der griechisch-römischen Antike näher als die Umajjaden. Diese hatten als militärische Eroberer der alten Kulturländer Ägypten und Syrien zunächst unter einem kultureilen Inferioritätsschock gegenüber ihren neuen Untertanen zu leiden. Es war jedoch nicht reine Neugier — abgeleitet aus der islamischen Hochschätzung des theologischen Wissens (ilm) — auf die nutzbare Weisheit der Heiden, die zur vielfach auf

dem Umwege über das Syrische vermittelten Übersetzung wichtiger antiker griechischer Autoren führte. In der Auseinandersetzung mit innerislamischen Abweichlergruppen (islamischen Gnostikern, Schiiten) stützten sich vielmehr die Abbasiden auf die sogenannte Mutazilah, deren Anhänger die philosophische Diskussion theologischer Fragen auf Grund von Ideen und Methoden im islamischen Kulturbereich vertraten, die aus der griechischen Philosophie herstammen. Das theologisch-philosophische Interesse bestimmte den Kanon der zu übersetzenden Werke stärker als ein pragmatischer Utilitarismus. Leider wurden die Geographika Strabons nicht unter die damals zu übersetzenden Schriften aufgenommen. Seit sich die Geschichte im islamischen Kulturraum am Ende des 9. Jh. von ihrer vólligen Integration in die theologischen Schriften lóste und zu einer eigenen Wissenschaft emanzipierte, bedeutete Universalgeschichte, daß man einen knappen Überblick über die Geschichte der Menschheit von der Erschaffung der Welt bis zum Aufkommen des Islam vorlegte, sich danach aber fast gar nicht mehr für die Geschichte nichtislamscher Gemeinschaften interessierte. Aus einer solchen Grundhaltung heraus konnte kein großes Interesse daran bestehen, die auf den späten Hellenismus und das augusteische Weltreich konzentrierte Oikumenebeschreibung Strabons zu übersetzen"? Die Qualität dieser Übersetzungen schwankte, aber es fanden sich zum Teil auch hervorragende Arbeiten, z.B. die des polyglotten Hunain Ibn Ishaq (809-873), eines der wichtigsten Ubersetzer des arabischen Mittelalters”, Die Auswirkung der Übersetzung des Ptolemaios und anderer mathematisch-astronomisch orientierter Geographen der griechischen Antike auf das Weltbild des mittelalterlichen Islam waren bedeutend. Wir kónnen sie noch am Ende der mittelalterlichen islamischen Wissenschaftsentwicklung in der großen Enzyklopädie des Taskóprüzade aus dem 16. Jh. fassen. Diese teilt die Geographie in vier Gebiete ein: die eigentliche Geographie, die auf Ptolemaios beruht und sich mit der wissenschaftlichen Erdbeschreibung beschäftigt, die Wissenschaft von Städten, Ländern, Bergen und von anderen geographischen Informationen, die in erster Linie für Reisende nützlich sind, die Kenntnis der Entfernungen zwischen Poststationen und weitere administrativ-militärische

Itinerarwerke und schließlich die Wissenschaft von den bemerkenswertesten Naturwundern der verschiedenen Erdregionen. 42

43

Mique 1967, Bd. 1, 28 Anm. 3 zählt Strabon zusammen mit Herodot, Xenophon, Thukydides, Polybios, Diodor und Cassius Dio unter die vielen der islamischen Welt leider unbekannt gebliebenen herausragenden Historiker der Antike, | | Vel. die Literaturgeschichten BROCKELMANNS 1943-1949 sowie GiBBs und LANDAUS 1968; siehe ferner zur Bedeutung der Übersetzungen aus der antiken Literatur BECKER 1931, ReynoLos und WILSON 1991 von sowie Hunger 1975. Von grundlegender Bedeutung bleiben auch die gelehrten Untersuchungen STEINSCHNEIDER 1893 sowie WauzeR 1962. Interessante Leseproben in deutscher Übersetzung gibt RosenrHAL 1965. Wichtige Passagen muslimischer Autoren über die Gestalt und Größe der Erde übersetzt WIEDEMANN 1909, 310-319 und 1912, 250-255.

304

V. Appendices

Die Entscheidung für die Übersetzung des Ptolemaios und die Orientierung an der mathematisch-astronomischen Geographie hatten zur Folge, daß das Werk Strabons auch in der islamischen deskriptiven Geographie fortan keine Rolle spielte, weil auch die arabischen Gelehrten dazu tendierten, sich aus den heidnisch-griechischen Schriften für jedes Fach jeweils an einem Autor und Verfasser des führenden ‚Handbuches‘ zu orientie-

ren“. Im 9. Jh. übersetzte man aber auch noch weitere ‚geographische‘ Werke der griechischen Antike, das Lehrbuch der Erdkartographie und Projektionslehre des Marinos von Tyros, sowie aus heutiger Sicht eher philosophische als geographische Schriften, z.B. den Timaios Platons wegen seiner Kosmogonie und die Meteorologica, De caelo und die

Metaphysik“ des Aristoteles. Abgesehen von den Büchern 15-17 (und teilweise Buch 3) behandelt Strabon Regionen, die außerhalb der muslimischen Oikumene lagen, während sich deren eigener Schwer-

punkt geographisch weit nach Süden und Osten verschoben hatte. Das Kerngebiet der Geographika war die römisch beherrschte Mittelmeeroikumene in den Grenzen des Reiches unter Augustus. In der Epoche von ca. 800 — 1000 wurden jedoch sehr bedeutende Teile dieser römischen Oikumene durch die Nachfolgereiche Karls des Großen und durch Byzanz beherrscht. Die Darlegungen Strabons über Nordafrika, Arabien und Asien óstlich des Euphrat hätten, sofern man sie gekannt hätte, mit den aktuelleren und umfangreichen islamischen Quellen oder mit dem Werk des Isidor von Charax keinesfalls

konkurrieren kónnen, Hinsichtlich der Süd- und Südostküste des Mittelmeeres, die zur muslimischen Oikumene zählte, war die Beschreibung Strabons auch deshalb aus islamischer Sicht wenig attraktiv, weil Strabon die großen Umrisse der Länder von den Küsten des Meeres aus beschreibt. Gerade in den ersten Jahrhunderten aber zeigten islamische Staaten eine starke

Zurückhaltung gegenüber dem Mittelmeer, weil es z.T. noch von den Flotten der Byzan-

tiner beherrscht war. Die Form und die Grenzen der islamischen Expansion im 7. und 8. Jh., die meerferne Lage einiger Hauptstädte, die Mangelhaftigkeit der Darstellung von Meeresregionen, Kilstenverläufen und Inseln auf islamischen Karten gegenüber der Qualität der binnenländischen Straßenkarten zeigen das Erbe der arabischen Nomaden im geographischen Weltbild des frühen Islam“, Die große Tradition der griechischen Literatur von Homer bis Polybios, auf die sich Strabon im Unterschied zu Ptolemaios ausführlich berief, erschwerte seine Rezeption in Kulturkreisen und Zeiten, die räumlich und

geistig nicht in einer ungebrochenen Verbindung mit der griechischen Kulturwelt und Literatur standen. | Eine islamische deskriptive Kulturgeographie oder wissenschaftliche Länderku nde,

die mit den Geographika Strabons vergleichbar wäre, entwickelte sich erst im 10. Jh.". Hier wäre nach den Untersuchungen von ScHoL Ten an al-Mas’udi, einen islamischen Universalgelehrten, Zu erinnern, der

in sein universalhistorisches Hauptwerk Murug nach ei-

genen Reisen auch bedeutende geographische Beschreibungen integrierte. Die beschreiWickeln opBraphie bleibt bei ihm in die Universalhistorie integriert. Demgegenüber ent-

He

e Werke von Ibn Hauqual und vor allem die von Mugaddasi die Länderkunde

derkunn x en Wissenschaftssystem fast zu einem eigenstándigen Fach. Diese neue Lánnde bleibt zwar noch in ihrem Beweisverfahren neben der Autopsie und der Beru44

Allerdings benutz

te m mis auch gerne antike Paraphrasen, Kommentarwerke oder doxographische Zusammenfassungen !

fangreich er und und schwerer Origina igi lwerke. Übe greicher Toe asuSwirkungen der Übersetzung des Ptotémaios siehe die Lexikonartikel von PLESSNER 1960, 46 Vgl.2,5 17 C Batlamiyus und Anman 1960, 590-602 s.v. Djughraftya. 3 Vg. Senne 0-120; dazu Jawskv 1929, 41-59. islamische ἊΝ elt 276 (Hg.) 1929, Ein modernes Analogon zu Strabons Werk über die findetundmanvonin Mz de PLANHOL 1975.

5

Appendix C

395

fung auf Zeugen an das Autoritätsprinzip gebunden, doch in der Spannung der naturräumlichen und administrativen Gliederungsprinzipien seiner Provinzbeschreibungen entwickelt Muqaddasi die Basis einer islamischen Theorie der Länderkunde. In der Verbindung von Universalhistorie und Geographie ähnelt vielleicht al-Mas’udi unter den klassischen islamischen Geographen Strabon am stärksten, während in der me-

thodischen Ausgestaltung der wissenschaftlichen Länderkunde das Werk Mugaddasis eher

vergleichbar wäre. Beide Werke entstehen in einem in ihrer Oikumene bestimmenden ‚Imperium‘. Sie richten sich an Leser der administrativ-militärischen Elite und an allgemein gebildete Nichtfachleute. Beide entstehen aus dem Zusammenwirken einer großen literarischen, historischen und geographischen Tradition mit der Verarbeitung eigener

Reiseerfahrungen*®. Die historische Anbindung der deskriptiven Oikumenegeographie verbindet die Werke beider Autoren*?, Selbst bei al-Mas'udi und Mugaddasi finden wir jedoch keine Spuren einer Kenntnis der Werke Strabons. Dagegen berichtet schon alMas’udi, der 956 n. Chr. starb, davon, eine Handschrift der seltenen Γεωγραφικὴ ὑφήγησις des Ptolemaios mitsamt zugehôrigen Karten eingesehen zu haben. Im Laufe des 11. und 12. Jh. wurde der einschnürende Einfluß der religiösen Or-

thodoxie auf die einzelnen Fachwissenschaften der islamischen Welt übermüchtig. Neue Übersetzungen von Fachwerken der Geographie aus der antiken heidnischen Tradition gab es fortan nicht mehr. Durch individuelle Interpretationen einzelner Forscher erzielte neue Forschungsergebnisse wurden oft nicht mehr akzeptiert, nachdem auf Druck der Rechtgläubigen die ‚Pforte des freien Etmessens' geschlossen worden war. Methodisch setzte sich nun völlig eine Arbeitsweise mit Koranzitaten und Berufung auf Autoritäten vergangener Zeiten (Hadit) durch. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Kreuzfahrern brachten diesen eine bedeutendere Erweiterung ihres geographischen Horizontes als der angegriffenen islamischen Welt, Einen Schock für das geographische Weltbild löste jedoch das Auftauchen zunächst der Seldschuken und dann der Mongolen aus den asiatischen Steppen aus, Auch im Weltbild der christlichen Gelehrten waren diese

Völker weder einfach mit den Völkern Gog und Magog aus den biblischen Texten noch mit den Skythen aus der antiken Tradition zu identifizieren. Während das Auftauchen der mongolischen Reitervölker im christlichen Europa aber nun ein neues Interesse am Orient durch die franziskanische Mission und die Fernkaufleute beförderte, bedeutete der massive Einfluß dieser neuen Völker für die Wissenschaften in der islamischen Welt eher eine Bedrohung als eine Förderung”. Der traditionalistische Bildungsbegriff der spátmittelalterlichen islamischen Welt fórderte ferner Tendenzen zu kompilatorischen Werken und

geographischen Wörterbüchern, zu Einzelbeschreibungen von Ländern und Orten statt der gesamten islamischen Oikumene, zur Tradierung überholter literarischer Beschreibun-

gen aus alten kanonischen Werken statt der Verbindung von Universalhistorie und der zeitgenössischen Beschreibung der Oikumene, die die besten geographischen Werke der

islamischen Periode ausgezeichnet hatte. Die mathematisch-astronomische Geographie im ptolemäischen Sinne schien theologisch unbedenklicher als die deskriptive Kulturgeographie und erlebte daher eine späte Blüte. Die Kartographie erreichte erst jetzt ihren Höhepunkt. Zwischen dem 13. und dem 15. Ih. wurden für sämtliche wichtigen Orte der islamischen Welt systematisch Ortskoordinaten neu errechnet, Diese legte man in umfangreichen Tabellenwerken nieder, welche

48

Vgl. Miquez 1967, 270f und 277.

49

luoo80 aphie strab Dies bestreitet MiQguEL 1967, 363f: „et que dire de cet air de famille commun un à laa géogr

SO

Vgl. Nager 1993 mit Literatur zur Kosmosvorstellung der Mongolen. Jaqut, der Verfasser des

nienne et à celle de Mugaddasi, alors que tout enchainement historique semble ici radicalment p u?

bedeu-

tendsten Geographischen Wörterbuches der arabischen Literatur (ca. 1220-1229) und des Wörter-

buches der Gebildeten mußte bekanntlich vor den Mongolen aus Marw fliehen.

die Datenbasis für ständig verbesserte Landkarten boten. Dabei wurden Methoden der Sphärischen Trigonometrie benutzt, die man aus der griechischen Antike übernommen und wesentlich verbessert hatte. Islamische Seekarten’, nautische Werke und schiffbautechnische Verbesserungen spielten auch eine bedeutende Rolle in der frühneuzeitlichen

christlichen Seefahrtsgeschichte. Die Eroberung von Byzanz führte bedauerlicherweise

nicht dazu, daß die islamischen Eroberer die Geographika Strabons ab 1453 in ihre geogra-

phischen Schriften übernommen hätten. Aus unterschiedlichen Gründen, aber mit dem gleichen Ergebnis blieben also Strabons Werke sowohl der lateinisch-westlichen als auch der islamischen Welt fremd. Nur über byzantinische Gelehrte wurde die Kenntnis dieses Autors der frühen Neuzeit übermittelt, APPENDIX D

Strabon im Italien der Renaissance und im frühneuzeitlichen Nordwesteuropa Anfang des 15. Jh. gab es in Konstantinopel mindestens drei bis auf wenige lacunae annähernd vollständige Manuskripte von Strabons Geographika. Die bedeutendste Handschrift ist eine Sammelhandschrift zur Geographie, die Strabons Geographika, den Text der Geographike hyphegesis des Ptolemaios (ohne Karten), die wichtigsten heute in der Sammlung der Geographi Graeci Minores zusammengefaßten Autoren und die Chrestomathie aus Strabon enthält. Diese Sammelhandschrift gelangte in die Bibliothek des Vatopedi-

Klosters auf dem Athos??, Kopien der Handschriften der Geographika wurden in der er-

sten Hälfte des 15. Jahrhunderts von verschiedenen Sammlern und Gelehrten nach Italien

gebracht, z.B. von Giovanni Aurispa (von 1424), Francesco Filelfo (1423-27), Bessarion

(1438), Isidorus Ruthenus (1446) und Cyriacus von Ancona (1448) und sind bis heute erhalten, Giovanni Tortelli zitierte die Geographika in seiner Orthographia (1449), und Flavio Biondo benutzte Buch 5 der Geographika in seiner Italia illustrata (1453). Im Vergleich zur früheren und damals schon starken Ptolemaiosrezeption hatten die griechischen Manuskripte Strabons jedoch nur eine geringe Wirkung im gelehrten Umkreis ihrer

jeweiligen Besitzer”. Georgios Gemisthos Plethon, der große Universalgelehrte, der 1452

kurz vor der Eroberung Konstantinopels starb, verfaßte einen kleinen geographischen Traktat διόρθωσις ἐνίων τῶν οὐκ ὀρθῶς ὑπὸ Στράβωνος λεγομένων, für dessen Vorbereitung er aus ihm vorliegenden Strabonhandschriften eine Exzerptensammlung?^ anlegte. Plethon interessierte sich im Zusammenhang mit seinem neuplatonischen Kosmosmodell

besonders für die Meer- und Landgrenzen der Oikumene nach Strabon?, Damit ging am

Ende der byzantinischen Ära Strabons Wunsch, seine Geographika als einen Teil der Philosophie anerkannt zu finden, nochmals in Erfüllung. Plethon spielt auch in der Ge-

schichte der Überlieferung des Strabontextes als Anreger des Transfers von Strabon-

handschriften nach Italien und der lateinischen Strabonübersetzungen eine große Rolle’.

Nach der Eroberung von Konstantinopel von 1453 wurden kaum noch weitere Handschriften griechischer Autoren nach Italien exportiert oder in Sicherheit gebracht. Aber griechische Emigranten sorgten dafür, daß in Italien selbst ab dem 15. Jh. viele Handschriften griechischer Autoren neu abgeschrieben wurden, sodaß etwa die Hälfte der heu51

52 53 54 55 56

Vgl. die Mittelmeerkarte des Piri Re'is, die auch für die christliche Seefahrt bedeutend wurde.

Aulac 1993, 149. Vgl. Dies und KRISTELLER 1971, 225-233, Vgl. Dicuer 1937, 441-457, BiLiNsKi 1948-1949, 78-85 und SALMERI 1988, 292f. Koper 1991, 60€, Vel. Hunger 1978, S10f und SALMERI 1988, 292f.

Appendix D

397

te noch existierenden Strabonhandschriften erst nach 1453 in Italien entstand’, Während das geographische Weltbild des Ptolemaios infolge der ersten lateinischen Übersetzungen

(1406) durch Jacopo d'Angelo?? ohne Karten und (1415) durch Francesco di Lapacino

und Domenico di Leonardo Boninsegni mitsamt begleitenden Karten auf dem Reformkonzil von Florenz den westlichen Gelehrten schon bekannt war, wußte man dort von Strabons Geographika noch nichts. Eine erste lateinische Gesamtübersetzung der Geographika Strabons entstand námlich erst durch Guarinus von Verona (Guarino Guarini Veronese) (1460) in Ferrara und für die Bücher 11-17 durch Gregorius aus Tifernum (Gregorio Tifernate) in Rom (+1464) auf der Basis der Handschriften des Cyriacus von

Ancona und des Isidorus Ruthenus??, Die Anregung zu den Übersetzungen des Guarinus und Gregorius kam aus dem Kreis des Papstes Nikolaus V. (1447-1455), der auch erstmals für vollstándige lateinische Ausgaben der Werke des Thukydides, Herodot, Platon, Aristoteles, Theophrast und Ptolemaios Sorge trug. Dieser echte Kirchenfürst der Renais-

sance wollte „ganz Griechenland für die Latinität erobern"? und hatte deshalb hohe Preise für die besten humanistischen Übersetzer seiner Zeit ausgesetzt. Das Albo Strabo Guarinos zählt heute durch sein ansprechendes Schriftbild, die reich ornamentierten Initialen und eingelegten Miniaturen, die móglicherweise z.T. sogar von Andrea Mantegna selbst oder aus dem Kreis um Jacopo Bellini stammen, zu den schönsten italienischen Renaissancemanuskripten.

Nórdlich der Alpen hatten die ersten lateinischen und griechischen Drucke des Geographtewerkes Strabons trotz der Dominanz des Klaudios Ptolemaios großen Einfluß auf

die Formung des geographischen und des kartographischen Weitbildes. Strabons Geographika befanden sich in lateinischer Übersetzung bald u.a. in den Bibliotheken des Hart-

mann Schedel und des Hieronymos Münzer, zweier wichtiger deutscher Geographen?!. Strabon und Pomponius Mela, die man im westlichen Mittelalter nicht gelesen hatte, wurden seit dem ausgehenden 15. Jh. sogar in den Lektürekanon einiger Universitäten aufgenommen. Diese Ehre war Strabon im römischen Kaiserreich nicht zuteil geworden. Er gilt nicht nur für Indien und die Inseln des Indischen Ozeans als eine wichtige Quelle für

57 58

Vel. Diizer 1975, 98-163. DiLLER nennt (164-165) einige weitere Besitzer der Strabonhandschriften des 15. Jh., vgl. auch SaALMERI 1988, 287[f und Hunger 1978, 5tOf. Vgl. HERkENHorr 1992, 143-155 mit weiterführender Literatur zur Wirkung der Ptolemaiosübersetzung auf P. d' Ailly und dic tabulae modernae des 16. Jh. (144f). Interessant sind verschiedene Beiträge über die Veränderungen des europäischen Welibiides nach der „Entdeckung“ Amerikas und weiterer überseeischer Gebiete in Haase und ReinhoLo (Hgg.) 1994 (dort u.a. zum Weltbild RANDLES 5-76; zu Atlanten M. und O.A.W. Dinxe 107-134 sowie zur Ethnographie Mason 135-172); siehe hierzu auch

BrrreRu 1991. Vgl. zur Geographie in der Epoche der Renaissance und des Humanismus im allgemei59

nen de DamviLLE 1946, SroRDOKE 1961, 11-32, Broc 1980 und SAL MERI 1988. Grundlegend über Guarino Guarini bleibt SAgsBADINI 1896 (ND 1964), 126-130. Das Jahr des Ab-

schlusses der ersten lateinischen Strabonübersetzung ist strittig. Nach DiLLer und KnisrELLER 1971, 226, Hunger 1978, 511 und Anm. 15b sowie Koper 1991, 66 Anm. 73 war die Übersetzung Guarinis

1458 fertig, nach SABBADINI dagegen schon 1456; Dit.LER 1975, 97ff und SABBADINI 1896, 126-130

60 61 62

erinnern an Ausgaben von 1469/70 in erster und 1473 in zweiter Auflage in Rom und eine weitere in Venedig 1472. SgonpoNE 1963, XXX führt eine Buchausgabe unter dem Titel Strabo in Latinam linguam versus a Guarino Veronesi et Gregorio Trifernate, Romae mit dem Erscheinungsjahr 1472 an. Vgl. auch Awac 1993, 154—156, der zufolge die lateinische Ausgabe der Geographika zuerst in Rom 1469 mit der Übersetzung des Guarino für Bücher 1-10 und des Gregortos Tifernas für Bücher 11-17 gedruckt und Papst Paul II. gewidmet wurden. Hunger 1975, 570. Vel. Borr und WiLLers (Hgg.) 1992, Bd. 2, 739—741. ı Vgl. Borr und WnLers (Hgg.) 1992, Bd. 2, 649, allgemein zu antiken Texten im frühen Erdkundeunterricht BRODERSEN 1996, 29-43. -

V. Appendices

398

den Behaim Globus“. Die editio princeps des griechischen Textes? der Geographika

Strabons in der Aldina in Venedig entstand November 1516. Zahlreiche Emendationsvorschläge und Eingriffe in den Strabontext und die inzwischen gestiegenen textkritischeditorischen Ansprüche ließen die ersten, noch ungenaueren Übersetzungen des Guarinus

und Gregorius in der zweiten Hälfte des 16. Jh. ins Wanken geraten. Die deutlich verbes-

serte Ausgabe der Geographika durch den deutschen Humanisten Xylander (1571) und

seine neue Übersetzung erlebten mehrere Auflagen bis ins 19. Jahrhundert. Xylanders

Ausgabe war auch die Basis der wichtigen Kommentare von Isaac Casaubonus (1587), die nach seinem Tode Federicus Morellus (1620) nachdruckte. Um die philologische Erklárung des Strabontextes, der sich infolge der schwierigen Überlieferungsgeschichte stel-

lenweise in deplorablem Zustande befand, haben sich unter den bedeutenden Humanisten des 16. Jh. dann Joseph Justus Scaliger (1540-1609) und vor allem Isaac Casaubonus (1559-1614) verdient gemacht, zu dessen Andenken man Strabonpassagen in der heutigen wissenschaftlichen Literatur immer noch nach Casaubonus-Seiten (C.) anführt. KRA-

MER in seiner Edition im 19. Jh. und alle folgenden modernen Straboneditoren des 20. Jh., z.B. ALY, SBoRDONE, Ausac, LASSERRE und jüngst RADT, unterstreichen die bedeutende

Leistung der frühen Editoren, Kommentatoren und Übersetzer Strabons.

Nicht nur deshalb, weil Ptolemaios um entscheidende Jahre früher im Westen beKannt wurde als Strabon, prägte sein Werk und Weltbild die frühneuzeitliche Geographie stärker als die Geographika Strabons. Den Ptolemaioshandschriften waren bei ihrer Übertragung nach Italien, ihrer Übersetzung und ihren ersten Drucken prachtvolle Karten mitgegeben. Das kartographische Weltbild der ptolemäischen Geographie war moderner,

Systematischer und aus der Sicht der frühneuzeitlichen Benutzer wissenschaftlicher als € here und stürker literarische Bild der Oikumene Strabons. Der theoretisch postulierte Ad ontinent auf der südlichen Hemisphäre gegenüber Südasien im Weltbild des Ptole10s regte die Phantasie der Seefahrer des 15. und 16. Jh. zur Entdeckung einer WestPiesape nach Indien an. Kolumbus besaf bekanntlich eine Ptolemaiosausgabe von 1478,

den Karten du pr ICE Notizen versah$5. Auch Gerhard Mercator orientierte sich an

berühmten Als tolematos, nicht an Strabons Kulturgeographte, für den Entwurf seines

digen Fassun mit all mographiae meditationes de fabrica mundi, der in einer vollstänPlolemaios hi de en Karten 1607 in Amsterdam erschien. Somit wurde das Werk des lanten 6

f dasjenige Strabons, zum Stammvater aller heute verbreiteten At-

& Diuss 1975, 167-1100, 249.δ0.

63

Vel

65

yabons bis 1969, 179 charakterisiert kurz die wichtigsten folgenden Editionen der Geographika

.

JaNDES

:K

l

a

66 Tir popa OR 1987. 331-340, Aanien und Kartenprojekie

1997, 323-327 gibt eine gründliche Übersicht über die wichtigsten

des APA marital Atlas Project Age ar Ken Welt von 1872 bis 1990 und über die FortschritteKürze neue mit Sehliche K

er antiken the Greek and Roman World", als dessen Ergebnis in

au δὰ Blick überprüfen kön

griechisch-rómischen Welt vorgelegt werden. Auf diesen wird man

Busteischen Oikumene behe” welche Orte Strabon in den Geographika in bestimmten Regionen Mus wird andelt und ob sich hieraus ein bestimmtes geographisch-kartographilichkeiten undC ergeben Aufgaben ; « éur Kartograp hie innerhalb der historischen Geographie, zu ihren Mög-

ches

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VII. REGISTER |l. QUELLEN Abas FGrHist 46 68 Anm. 5] Müller FHG IV 278 68 Anm. 51

Aemilius Sura De annis pop. Rem. HRR 161 223 Anm. 23 Agatharchides 219 Anm. 10 GGM 1, 117(8) 119 Anm. 33 FGrHist 86 T 1 211 Anm. 53; T 2211 Anm, 53 Agathins, Hist. 2,25 219 Anm. 13 Allian

var, 3,18 102 Anm. 68; 12,61 50 Anm. 26 nat. 17,28 64 Anm. 28

Áisopos FGrHist 187a 238 Anm. 45

Albertus Magnus Polit. 8 p. 10 Borgnet 383 Anm. Alexander Polyhistor FGrHist 273 T 1 226 Anm. [2; T 3 226 Anm. 12 F 1-145 226 Anm. 13

Alkaios Fr. 112 Lobel-Pagc 299 Anm. 11 Ambrosius Comm. in psalm, 118 361 Anm. 11 Aremianus Marcellinus 15,9,2-8 232 Anm. 14 Ammonio τῷ κατηγόριτων p. 4,4f 60 Anm. s8 Komm zu Περὶpt τῶν

Antiochos von Syrakus FGrHist 555 138 Anm. 58; F 9 141 Anm. 69 Antipater FGrHist 114 T 1 246 Anm. 19 Antipater von Thessalonike Anth Pal. 7,626 352 Anm. 315 Appian von Alexandrcia Prooimion 12 (45-46) 86 Anm. 50; 15 (61) 86 Anm. 52 civ. 2,103 87 Anm. 58; 3,77ff 332 Anm. 153; 5,75 334 Anm. 179-189; 5,109ff 202 Anm. 7 Ib. 76-98 147 Anm. It III, 30 319 Anm, 35 Mithr. 67 78 Anm. 12; 102 78 Anm. 12; 87 Anm. 58; 103 87 Anm. 58; 114 23 Anm. 20

Syr. 52-68 87 Anm. 67; 282 87 Anm. 67; 205ff 87 Anm. 67; 332 87 Anm. 67 FGrHist 237 T ] 61 Anm. 12 Apollodoros FGrHist 244 176 Anm. 50; 220 Anm. 14 F 157 116 Anm. 8: 170 116 Anm. 8; 171116

Anm. 8

Apollonios von Nikaia FHG IV 310 71 Anm. 68 Aratos von Sikyon FGrHist 23] T 361 Anm. 12; 5-6 61 Anm. 12 F 1-6 61 Anm. 12 Archelaos FGrHist 123 263 Anm. i1

Aristeides or. 24 54 Anm. 41; 26 54 Anm. 41 Anaximenes von Lampsakos FGrHi st 72

Aristodemos FHG III 310 71 Anm. 68

Amm. 13

Aristoteles rhet. 3,14,1-4 211 Anm. 49

T 1,1-25217 Anm. 2: 14217 Anm. 2 F 2-3 217 Anm. 2; 4-14

246 Anm. 19; 18-19 232

Anaxis FGrHist 67 218 Anm. 4 Andron FGrHisı 329 F2 103 Anm. 76

Ps.-Aristoteles phys. 14,1 163 Anm. 91 Aristoxenos von Tarent Wehrli

Anekdota Graeca Cra mer IIT P. 189 67 Anm. 43

Fr. 10a 63 Anm. 23; 10b 63 Anm. 23-24; 128—139 63 Anm. 21; 129 63 Anm. 21-22; 130-131 63 Anm. 22; 132 63 Anm. 22; 139 63 Anm. 22

Anthologia Lat, Riese 426 376 Anm. 80

Arrian

Anthologia Pal, . Beckb y 7,626 35 381 Anm. 3129405

354 Anm, 312 195219

Antigonos Ἰστορί ων πὰ nini d Fr, [30 62 Anm. 19 ραδόξων συναγωγή Gian: Fr. 138 62 Anm, 19 » n βῦπος Yon Karyst os Wehrli Fr, 10b 63 Anm.

an. 2.5.3.4 104 Anm. 83 Παρθικά FGrHist 156 F 30-51 258 Anm. 77 Arrianos FGrHist 153 F 15a 278 Anm. 6

Artemidoros von Ephesos GGM 1, 574-576 140 Anm. 67

lovixà ὑπομνήματα FGrHist 438 72 Anm. 69; F 1 140 Anm. 67: 221 Anm. 18

435

I. Quellen Γεογραφούμενα Stiehle F 12 221 Anm. 20; 14 221 Anm. 20; 48 221 Anm. 20; 127 221 Anm. 17 Artemon p. 213-218 Westermann 67 Anm. 45 Asinius Pollio von Tralleis FGrHist Anm. 12

302 Anm. 26; $3.25,1 344 Anm. 257; 53,25,21f 306

193 T 1 61

Athenaios von Naukratis

2,44f—15a 64 Anm. 29; 3,95f-96a 64 Anm. 34: 3,111d 140 Anm. 67; 3,121a 48 Anm. 12, 4,151e 188 Anm. 113; 60; 153a-b 180 82 Anm. 86; 94; 5,210e 181

195 Anm. 154; 152f-153a Anm. 75; 153b-c 131 Anm. 154c 64 Anm. 26; 168d-e Anm. 84; 211d-215b 184

177 Anm. 85; L53e 183 Anm. Anm. 98;

213c 185 Anm. 100; 6,232d 133 Anm. 33; 233d234c 199 Anm. 168; 246d 181 Anm. 85; 26[c 268 Anm, 35; 263c-d 179 Anm. 71; 266e-f 170 Anm, 25; 179 Anm. 72; 184 Anm, 97; 2726195 Anm. 152;

2713a-275b 177 Anm. 55; 8 335e-336b [04 Anm, 83; 9,369c-d

181 Anm.

82; 401a

195 Anm.

Anm. 251; 53,12,2-3 313 Anm. 63; 53,12,4—5 311 Anm, 52; 53,12,7 312 Anm. 53; 312 Anm. 57-58; 53,17 81 Anm, 27; 53,17,1 311 Anm. 52; 53,23,1

153;

Anm. 37; 53,27,11f 302 Anm, 26; 54,3,4-5 343 Anm. 255; 54,4,1 312 Anm. 53; 312 Anm. 57; 54,5 32 Anm. 74; 54,7,1 202 Anm. 8; 54,7,6 24 Anm. 30; 54,8 33 Anm. 78; 54,9 104 Anm. 81; 54.11.2fT 306 Anm. 37; 54.11.6 302 Anm. 26; 54,34,4 312 Anm.

58; 55,8,3-4 302 Anm. 26; 55.8.4 370 Anm. 53; 55,8,6-7 367 Anm. 43; 55,26,4f 300 Anm. 18; 55,28,1 338 Anm. 207; 57,17,7 312 Anm. 61; 57,24,3 236 Anm. 33; 57,24,6 24 Anm. 30; 5826,1 345 Anm. 270; 59,12,2 345 Anm. 269: 67,12,4 375 Anm. 77

Censorinus De die natali 21,8 8] Anm. 27 Charon von Karthago (?) FGrHist II p. 318 218 Anm. 7; 232 Anm. 13

10,434c 67 Anm. 45; 439d-e 180 Anm. 75; 12,529e530ς 104 Anm. 83; 535f 364 Anm. 27; 540a-b 181 Anm. 84; 542b 178 Anm. 67; 549 d-e 177 Anm. 59; 195 Anm. 152: 550a-b 183 Anm. 93; 13,577b 281 Anm. 16; 594d-e 169 Anm. 17; 14,619e 63 Anm. 21—22; 657e-f 22 Anm. 16; 48 Anm. 12; 195 Anm, 152; 15,682a 268 Anm. 36; 684c 65 Anm. 35; 700d

Charon von Lampsakos FGrHist 262 90 Anm. I

64 Anm. 27

Chrysippos (SVF II)

EGrHist 166 F 1 232 Anm. 13

654-655

Augustinus civ. 19,13-14 384 Anm. 8

Cicero Arch, 24 172 Anm. 32

Augustus Res gestac 2 354, 3 354; 9 354; 12 354; 19-21 355; 24 343 Anm, 251; 355; 25 338 Anm. 207; 354; 26 354-355; 2631 335 Anm. 320; 27 355-356; 28 343 Anm. 253; 354; 29 354; 356; 30 339 Anm. 209; 31 355; 32 355356; 33 308 Anm. 44; 356; 34 355; 35 355 Basilis FGrHist 718 219 Anm. 10 Baton von Sinope FGrHist 268 F 2-3 232 Ánm. 13 Berossos FGrHist 688 267 Anm, 3] Bion FGrHist 89 ΤΊ 219 Anm. 13 F 1219 Anm. 13

Caesar Gall. 3,22 268 Anm. 38

Bell. Afr. 3,1 352 Anm. 315; 18,1 352 Anm. 315 Cassiodorus var, 3,52 366 Anm. 37 Cassius Dio 22 Fr 76,2 318 Anm. 27; 36,20,1 338 Anm. 207; 37,21,2 376 Anm. 80; 38,39,3 312 Anm. 52; 42.35,5

312 Anm. 56; 43,14,6 364 Anm. 27; 47,27 ff 332 Anm. 153; 49,12,5 202 Anm. 7: 4925.4 335 Anm.

183; 49,32,5 312 Anm. 56; 49,42.2 302 Anm. 26; 50,10 32 Anm. 67; 51,5 333 Anm. 174; 51,17 343

Charon von Naukratis FGrHist 612 T 1218 Anm. 7; 222 Anm. 13

Chronik aus Oxyrhynchos FGrHist 255 65 Anm.

37 116 Anm.

14

Att, 2,1,2 69 Anm. 59; 168 Anm. 14; 171 Anm. 28; 19] Anm. 126-127; 2,4,3 27 Anm. 42; 224 Anm. 3; 2,6,1 27 Anm, 42; 224 Anm. 2-3; 2,7,1 27 Anm, 42; 224 Anm. 3; 2,22,7 227 Anm. 14; [6,6,4 211 Anm. 51; 16,1 1,4 191 Anm, 127; 192 Anm, 128 Balb. 16 364 Anm. 25 Brut, 74 223 Anm, 24; 114 184 Anm. 95; 315 23 Anm. 21: 322 224 Anm. 6

De rege Alcxandr. 325 A 97 div. 2,116 125 Anm. 22 fam, 5,12,2 147 Anm. 11; 192 Anm. 130; 5,12,10 69 Anm. 59; 192 Anm. 130; 13,64 26 Anm. 39 fin. 5,123 Anm. 21; 5,52 75 Anm. 79 Hortensius (Grilli} F 15 225 Anm. 7 leg. 1,5 125 Anm. 22 Manil. 61 204 Anm. 13 off. 1,159 199 Anm. 171 de or. 1,18 224 Anm. 6; 1,59 224 Anm. 3; 1,158 224 Anm. 6; 1,165 224 Anm. 6; 1,201 224 Anm. 6; 2,36 224 Anm.6; 2,55-58 192 Anm. 130; 192 Anm. 132; 225 Anm. 7; 2,59—61 276 Anm. 85; 2,62 227 Anm. 16 or. 39 227 Anm.

16; 120 224 Anm. 6

rep. 2,10-11 299 Anm. 9; 3,34 129 Anm. 13 Tusc. 2,61

173 Anm. 36; 199 Anm.

170; 5,101

Anm, 83; 5,107 167 Anm. 8 FGrHist 235 T I-2 61 Anm. 12; 69 Anm. 59; F 1-3 61 Anm. 12

104

436 Clemens

VII. Register

von Alexandreia

Strom, 1,139,3 133 Anm, 32 Clemens

FGrHist

102 T 1 232 Anm,

13

P. Cornelius Scipio Africanus Maior FGrHist 232 F 1 (1-9) 61 Anm. 12

P, Cornelius Scipio Nasica Corculum FGrHist 233 F 1-3 61 Anm. 12 Curtius 9,5,21 231 Anm. 11 Daimachos von Plataiai FGrHist 65 (und 66) T [2017 Anm. 4 F 3-4 71 Anm. 68 Damastes von Sigeton FGrHist 5 90 Anm. 1

209 Anm. 41; 210 Anm. 46; 33,4,1—4 177 Anm. 58; 33,4,4a 177 Anm. 58; 33,14 199 Anm. 171; 33.15 199 Anm. 171; 33,28b,1-4 152 Anm. 31: 34.2.26 295 Anm. 88; 34,2,33 179 Anm. 70; 34/35,2 208 Anm. 37; 34/35,2,1-18 199 Anm. 171; 34/35,5-7 178 Anm. 63; 34/35,13 179 Anm. 73; 3435,14 199 Anm. 171; 34/35,24—29 178 Anm. 63; 34/35,33 181 Anm, 81; 200 Anm, 176; 36,3-6 179 Anm. 68; 37,12 213 Anm. 66; 37,2,1 200 Anm, 174; 37,3,1—5 200 Anm. 174; 37,4 206 Anm. 27; 37,Sa 183 Anm. 91: 37,5-6 183 Anm. 90; 37,6 183 Anm. 91; 37,8 183 Anm. 9]; 37,1920 199 Anm. 171; 38/39,9 204 Anm. 13; 38/39,9-10 209 Anm. 40; 38/39,10 204 Anm. 13; 38/39,18,1 206 Anm. 27; 38/39,19-20 209 Anm. 40: 38/39,20 204 Anm. 13: 40,2,1 204 Anm. 13; 40,4 204 Anm.

13; 40,5,1-5al 204 Anm.

14

Demades von Athen FGrHist 227 T 1 6L Anm. I2; F f 61 Anm, 12

Diodoros von Sardeis Anth. Pal. 9,219 351 Anm. 312; 9,405 351 Anm. 312

Demetrios von Kallatis FGrHist 85

Diogenes Laertios 5,47 227 Anm. 16; 5,48 62 Anm. 17; 5,83 219 Anm. 9: 7,60 120 Anm. 36

T 1-2 218-219 Anm. 9; F 1-6 219 Anm. 9-10 Demetrios von Phaleron FGrHisı 228 T 1 6t Anm. 12: 3b 61 Anm. 12 F 28 61 Anm. 12; 34 61 Anm, 12

Dion Chrysostomos (SVF T) or. 53,42 Fr. 274 115 Anm. 6; 117 Anm. 21; Fr. 275

Demetrios FGrHist 722 F 1—6 232 Anm. 13 Demokritos von Abdera FHG II 24 71 Anm. 68

Dexippos FGrHist 100 F 12 46 Anm. 7 Dikaiarchos Wehrli

Fr. 47-66 130 Anm. 16; 104-115 130 Anm. 16 Diodor 1,1,4-1,2,2 212 Anm. 63; 1.1.3 213 Anm, 64; 0,22 181 Anm. 60; 212 Anm. 63; 1,2,4 206 Anm. 25; 1,3,1-2 128 Anm. 8; 1,3,2 202 Anm. 9; 208 Anm. 33; 1,3,8 52 Anm. 34; 208 Anm. 33; 1,4,1 202 Anm. 9: 203 Anm.

10;

1,4,1-2 203 Anm.

10;

1,4.4 69

Anm. 57; 1.4.6 202 Anm. 9; 208 Anm. 32; 1,4,7 203 Anm. L1; 1,5.1 203 Anm. 1: 204 Anm. 15; 1,222 203 Anm. 10; 1,44,1 202 Anm. 4; 1,44,1—4 202 Anm. 5; 1,83,8-9 202 Anm. 4; 2,7,1-2 215 Anm. 70; 3,38,1 69 Anm. 57; 3,38,2 204 Anm. 15; 3,38.23203 Anm. 11; 3,67,4 69 Anm. 57; 4,1,2 127 Anm. 4; 4,1,3 202 Anm. 9; 4,1,5 206 Anm. 25; 4,19,2 209 Anm. 38; 4,83,1-6 214 Anm. 67; 5,1,4 127 Anm. 6; 134 Anm. 38; 134 Anm. 39; 202 Anm. 9; 5,21,2 203 Anm. 11; 204 Anm. 15; 5,22,1 204 Anm. 15; 5,2532 181 Anm.

83; 5,57,3 69 Anm.

57, 62,12 209

Anm. 38; 8,32 254 Anm. 54; 11,37,6 121 Anm. 3; 11,38,5-6 206 Anm. 27; 14,117,9 253 Anm. St; 15.88.4

133 Anm. 31; 15,89,3 217 Anm. 2; 16,7,1

202 Anm. 6; 16,14,3 133 Anm. 33; 16,76,5 127 Anm, 5; 133 Anm. 34; 134 Anm. 39; 17,49 202 Anm.5; | 7,95 108 Anm. 110; 18,4,2—4 69

Anm. 57:

23,15,1 206 Anm. 27; 32,2 207 Anm. 31; 32,4,4-5 207 Anm. 29; 32,4,5 210 Anm. 48; 32,262 210 Anm. 47; 32,26,3 210 Anm. 44; 32.27.1 209 Anm. 39; 32,27,1-3 209 Anm. 38; 32,27,3 203 Anm. 12;

115 Anm. 6 Dionysios von Halikarnassos ant, 1,1,1-1,3,6 276 Anm. 87; 1,2,2-—4 274 Anm. 74, 1,3,1—4 275 Anm. 81; 1,3,1-5 274 Anm. 74; 1,3,5 248 Anm. 26; 1,4 238 Anm. 46; 1,6,5 275 Anm. 77, 1,7,2-4 275 Anm. 81; 1,8,3 275 Anm. 84; 1,82,31,84,2 267 Anm. 32; 2,32,1—2,34,1 267 Anm. 32; 4,24,4—8 275 Anm. 80; 9,68,4 300 Anm. 14 De ant or. 1,3 275 Anm. 83; 1,3, 1 275 Anm. 78; 1-4 93 Anm. 15: 11,2 187 Anm. 109 De comp. verb. 4 219 Anm. 9; 30 157 Anm.5I

Ad Pomp. 3-6 192 Anm. 133 Περὶ ypóvov FGrHist 25i F 1-5 176 Anm. 50 Dionysios Perihegetes 387 Anm. 23; 174-2[9 47 Anm. 10 Ps.-Dionysios Usener/Radermacher Ars rhetorica 11,2 43 Anm. 120 Dionysodoros FGrHist 68 218 Anm. 4 Diophantos FGrHist 805 219 Anm. 10 Dioskurides FGrHist 594 F 6-7 61 Anm. 12

Ephoros FGrHist 70 T 1-34 132 Anm. 26; 1 130 Anm. 18; 132 Anm. 26;

2a 130 Anm. 18; 132 Anm. 26; 132 Anm. 29; 138 Anm. 53; 139 Anm. 6); 2b-c 130 Anm. 18; 3a-c 130 Anm. 18;4 130 Anm. 18; 5 130 Anm. 18; 7 127

Anm. 3; 132 Anm. 25;8 127 Anm. 4; 9a-b 133 Anm. 33: 10 127 Anm. 5; 133 Anm. 34; 134 Anm. 39; 11 127 Anm. 6; 134 Anm. 38—39; 12 128 Anm. 7; 135 Anm. 42-45: 139 Anm. 61; 13 134 Anm. 37; 17 217

Anm. 4; 18a 133 Anm. 35; 134 Anm. 37; 135 Anm. 42, 138 Anm. 59; 18b 133 Anm. 35; 134 Anm. 37,

1. Queilen

437

19 135 Anm. 42; 138 Anm. 53: 139 Anm. 61; 23 £34 Anm. 38; 32 135 Anm. 43; 33d 132 Anm, 29

Eutrop Brev. 4,20 294 Anm, 87; 205 Anm. 89: 6,14 23 Anm. 22

F1132 Anm. 27; 2-5 132 Anm. 29; 6 132 Anm. 28; 9 133 Anm. 36; 18b 138 Anm. 57, 139; 18c 139; 30a 135 Anm. 43—44; 136 Anm. 48; 140 Anm. 66;

Florus 1 pracf. 3 376 Anm. 81; 4-8 129 Anm. 12:

252 Anm. 44; 386 Anm. [9; 30b 135 Anm. 43-44. 136 Anm. 48; 252 Anm. 44; 386 Anm. 19; 31b 139; 32-40 136 Anm. 48; 33 141 Anm. 72; 41-45 136 Anm. 48; 42 136 Anm. 45; 136 Anm. 48; 138 Anm.

55, 139; 143 Anm. 76; 44b

179 Anm, 71; 46-49

136 Anm. 49; 50-53 136 Anm. 49; 93-96 133 Anm. 33; 110 109 Anm. 120; 113 141 Anm. 72; 114a 141 Anm. 72; 115 138 Anm. 56: 139; 116 138 Anm. 56:

139; 117 138 Anm. 56; 139; 117-118 139; 118 131 Anm. 24; 138 Anm. 57; 139; 141 Anm. 72; 119 131 Anm. 24; 136 Anm. 46; 138 Anm. 56; 139, 142

Anm. 75; 143 Anm. 77; 121 148 Anm. 72; 122a 139; 140 Anm. 66; 141 Anm. 70; L41 Anm. 72; 143 Anm. 77. 122b 138 Anm. 55; 139; 143 Anm. 77; 123a

139; [41 Anm. 72; 143 Anm. 77; 123b

139; 141

Anm. 72; [43 Anm. 77; 124 14] Anm. 69; 127 141

Anm. 72; 128 140 Anm. 66; 128—133 136 Anm. 48; 130 [40 Anm. 66; 131a 140 Anm. 66; 132 140 Anm, 66: 134a 141 Anm. 69; 134-141

136 Anm. 48; 135

140 Anm. 66; 136 140 Anm. 66; 137a 140 Anm, 66; 138a 141 Anm. 69; 139 141 Anm. 69; 140 141 Anm. 69: 141 141] Anm. 69; 142 141 Anm. 72; 142-155 136 Anm, 48; 143 139; 146 141 Anm. 72; 147 141 Anm. 72; 149 138 Anm. 56; 139; [40 Anm. 66; 150 141 Anm. 69; 156—161 [36 Anm. 48; 162 141 Anm, 72: 142 Anm. 73; 162-169 136 Anm, 49; 163a 141 Anm. 72; 163b 141 Anm. 72; 169-172 136 Anm. 49; 171 136 Anm. 48; 176 136 Anm. 47; 14| Anm, 72: 185 14t Anm. 69; 216 138 Anm. 55; 141 Anm. 69: 217 133 Anm. 31; 223 133 Anm. 32; 133 Ann. 34; 236 132 Anm. 27: 140 Forderer Fr 1 140 Anm. 65; 1b 140 Anm. 65; 3 14! Anm. 69; 4 14] Anm. 69; 5 14| Anm. 69; 6 141 Anm. 69; 7 141 Anm.

69; 7a

141 Anm. 69; 9 141

Anm, 72; 10 141 Anm. 72; 11 [41 Anm. 72; 12 (41 Anm. 72

Eratosthenes Berger IA 1-21 119 Anm. 31; 14 20119 Anm. 33 Eunapios Müller FHG IV F 8a 70 Anm. 65 Euphorion von Chalkis Müller FHG III 72-73 ΕἸ 64 Anm. 26; 2 64 Anm. 27; 3 64 Anm. 28; 4 64 Anm. 29

Eupolemos FGrHist 723 F 1-4 232 Anm. 13 Euripides Phoen. 439-440 357 Anm. 323 Eusebius

Hist eccl. 2,2,5 65 Anm. 37 Arm. Chron. p. 125 Karst 66 Anm. 43 Praep. ev. 10,3 217 Anm. 4

1,35,2 292 Anm. 79; 1,47,6 358 Anm. 325

Frontin de aquaed. 98,1--3 368 Anm, 46 Fronto Ep. ad Verum 2,3 70 Anm. 64

Galen De sequcla p. 77,17-78,2 166 Anm. 3; 194 Anm. 148 De placitis Hippocratis T 59-64 194 Anm. 148 De causis contentivis 2,1 194 Anm. 143 Gellius Noctes atticae 3,9,7 242 Anm. 63; 5,36 68 Anm. 49; [5,23 68 Anm. 48; 16.3.5 227 Anm. 17,17,1 243 Anm. 1

17;

Geminos Elem. Astron. 16,32-38 [47 Anm. [2; 161 Anm. 8I

Granius Licinianus Criniti p. 9 28,36 360 Anm. 6; 363 Anm. 20 Kaiser Hadrianus FGrHist ΠΒ p. 990 61 Ánm. 12 Harpokration Keaney L 15 s.v. Λέχαιον 9 Anm. 2; 48 Anm. 13 L 10 s.v. Λευκάς 9 Anm. 2; 48 Anm. 13 Hegesias FGrHist 142 F 3-5 234 Anm. 26 Hekataios von Abdera FGrHist 264

219 Anm. IO Herakleides Anm. 12

Lembos

Müller FHG

III 167f 219

Herakleides FGrHist 187 238 Anm. 45 Herodes I. von Judäa FGrHist 236 F | 61 Anm.

12

Herodot

1,6,1 123 Anm. 12; 1,82 110 Anm. 123; 1,231 123 Anm. 12; 1,80 123 Anm. 12; 1,93 123 Anm. 12; 1,95 134 Anm. 40; 257 Anm. 68; 1,130 134 Anm. 40; 257 Anm. 68; 1,131-140 122 Anm. 7; 1,131-132 124 Anm. 14: 1,163 123 Anm. 12; 1,171 124 Anm. 14: 1,173 123 Anm, 12; 1,175 123 Anm. 12.1.20} 102 Anm. 64: 1.202 123 Anm. 12: 2,28 123 Anm. 123 12: 2,36 124 Anm. 12; 2,5 123 Anm. 12; 3,37 Anm.

12: 4,16-58

122 Anm. 6; 4,32-45

122 Anm.

24; 4,37 6: 4,36-42 122 Anm. 10; 4,36 125 Anm. 196 Anm. 122 Anm. 10; 4,42 124 Anm. 16; 4,4244

160; 4,46-58

122 Anm. 6; 4,59-82 122 Anm. 6;

Anm. 6; 4,994,83—144 122 Anm. 6:4,85,2-86 122

101 122 Anm. 127 123 Anm. Anm. 12; 124 123 Anm. 12; 12: 7,198 123 123 Anm. 12

6; 4,102-117 122 Anm. 6; 4,12612; 5,52-54 125 Anm. 24; 6,31 123 Anm. 15; 6.101 124 Anm. 15; 79i 7.92 123 Anm. 12; 7,170 123 Anm. Anm. 12; 7,200 123 Anm. 12; 8,104

438

VII. Register

Hieronymos von Rhodos Fr. 34-49 Wehrli 64 Anm.

30 Hieronymus chron. p. 155 Helm 202 Anm. 2 Homer

I. 2,494-759 120 Anm. 35; 2,813 107 Anm. 100; 2,867 144 Anm. 79; 2,816-877 120 Anm. 35; A,8LEF 118 Anm. 23: 6,208 173 Anm. 37: 11,784 173 Anm.

37 Od. 9,3 105 Anm. 90; 10,19-20 119 Anm. 31 Horaz c. 1,36 350 Anm. 306

Julius Honorius Cosmographia Iulii Caesaris GGM p. 21-23 359 Anm. 3 Iustin pracf. 1 259 Anm. 237 Anm. 70; 1,3,6 70; 1.8.1 257 Anm. 2.3.7 254 Anm. 53; Anm, 21; 257 Anm.

34; 1,1,4 256 Anm. 66; 1,1,4-8 257 Anm. 70; 1,6,17 257 Anm. 70; 1,9,1 257 Anm. 70: 2,1,1— 6,6,5 253 Anm. 51; 6,9,6-7 247 70; 9,8,21 257 Aum. 70; 10,3,7

257 Anm. 70; 11,12,15 258 Anm. 78; 12,7,4 257

Anm. 70: 12,13,1-2 257 Anm. 70; 20,1,13-14 254 Anm. 54; 20,2,5-20,4,1 254 Anm. 54; 20,23 254 Antn. 55; 20,43 254 Anm. 55; 23,2,1-12 251 Anm.

Hyginus, Exempla HRR IL, 72-77 74 Anm. 75 Hyginus Gromaticus De limit. const. 363 Anm. 21

39; 28,2,1-13 256 Anm. 63; 28,2,13 257 Anm. 75; 29 2,1-6 256 Anm. 63; 257 Anm. 75; 30,4,4 257 Anm. 70; 30,4,16 257 Anm. 70; 257 Anm. 75;

Hypsikrates FGrHist 190 F 1 329 Anm. 124

30,4,17 248 Anm. 26; 31,5,2—9 257 Anm. 75; 33,1,7

Inschriften:

AE 1947,61 362 Anm. 16; 1990,529 363 Anm. 22 Chronik von Pergamon FGrHist 506 278 Anm. 6 CIL XII 1371 243 Anm. 2 Durtbach Choix 136£ 20 Anm. 11

FIRA I5 18 368 Anm. 45 IvP II, 613b 281 Anm. 16 I Claros 1,1 (Robert) Polemaiosinschrift 296 Anm.

91 IvK Magnesia 105 362 Anm. 15 IvK Smyrna IL 1 Nr. 589 292 Anm. 79 IGRR IV 144 344 Anm. 267; 145 344 Anm. 267

248 Anm. 26; 38,3,11 251 Anm. 37; 38,4-7 256 Anm. 63: 257 Anm. 75; 38,4,15 253 Anm. 50; 39,5,2-3 257 Anm, 75; 39,5,3 257 Anm. 70; 40,2,5 248 Anm. 29; 41,1,1 258 Anm. 77; 41,1,1-9 257 Anm. 70; 41,1,7 258 Anm. 77; 41,4,6-7 249 Anm.

30; 41,5,6-8 244 Anm. 8; 42,4,7 244 Anm. 5; 42.4,16 244 Anm. 7; 42,5,11-12 244 Anm. 6; 42.5.12 260 Anm.

85; 43,1,1 243 Anm.

2; 43,2,5

257 Anm. 15; 43,3,1f256 Anm. 64; 43,3,2 257 Anm. 70; 43,5,11f 243 Anm. 2; 44,i-3 253 Anm. 52; 44,5,8 249 Anm. 32; 257 Anm. 67; 257 Anm. 70; 260 Anm. 87

ILS 91 105 Anm. 87

Justus von Tiberias FGrHist 734 F 1-3 232 Anm.

IRT 520 352 Anm. 315; 930 350 Anm. 306

13

OGIS 264 281 Anm. 16; 332 286 Anm. 41; 293 Anm. 83; 338 292 Anm. 79; 376 344 Anm. 267; 377

Kaikilios von Kale Akte Fr. 3 Ofenloch 112 Anm.

344 Anm. 266; 435 292 Anm. 79

134 Kallımachos

RDGE 12 292 Anm. 79 SEG 9,7 292 Anm. 76

Περὶ τῶν ἐν Ἑλλάδι θαυμασίων καὶ παραδόξων

Syll. 306 362 Anm. 14, 686 145 Anm. 3; 146 Anm. 6 Iosephus ant. Iud. 13-15 85 Anm. 47; 13,319 231 Anm. 11; 242 Anm. 64; 272 Anm. 59; 13,347 27] Anm. 53; 13,356-364 272 Anm. 63: 14,8-9 272 Anm. 58; 14,29-104 271 Anm, 55; 14,31-57 274 Anm. 72; 14,34 106 Anm. 92; 14,34-36 272 Anm. 61; 322 Anm. 68; 14,66—68 322 Anm. 70; 14,68 271 Anm.

Nr. I Giannini 62 Anm. 19 Fr. 622 Pfeiffer 64 Anm. 32

Kallisthenes von Olynth FGrHist 124 90 Anm. 1

Karystios von Pergamon Müller FHG IV 356-359 F 1-12 65 Anm. 36; 286 Anm. 4l

Kastor von Rhodos FGrHist 250 176 Anm. 50 Kephalion FGrHist 93 52 Anm. 33

53; 14,104 271 Anm. 54; 322 Anm. 70; 14,114-118 96 Anm. 27; 14,137-139 329 Anm. 124; 15,8 80

Kineas FGrHist 603 T 3a 61 Anm. 12

Anm, 25; 15,8-10 336 Anm. 195; 15,360 62; 16,179-185 270 Anm. 48; 18,167 65 bell. iud. 1,70-84 272 Anm. 59; 1,404 62; 2,345-401 355 Anm. 320; 7,3-7 376

Kleomedes De motu circ. 2,7,126 194 Anm. 147

272 Anm. Anm. 37 272 Anm. Anm. 79

c. Ap. 2,79 190 Anm. 123; 2,83f 231 Anm. 11; 2.84 271 Anm, 53

Ister von Kyrhene FGrHist 334 F 59 156 Anm. 48 Tuba FGrHist 275 263 Anm. 11; 265 Anm. 25 Kaiser Iulianos FGrHist 238 T 1-3 61 Anm. [2

Konon FGrHist 26 265 Anm. 25 Kosmas Indikopleustes, Topogr. Chr.

II p. 148 135 Anm. 44 Krateros (‚Brief des Krateros") FGrHist 153 F 2 106 Anm. 93

Ktesias von Knidos FGrHist 688 90 Anm. 1; 267 Anm. 31

1. Quellen Laktanz Div. inst. 7,14ff 201 Anm. 178 Lamachos von Myrina FGrHist 116 T ! 246 Anm. 19 Leon von Byzanz FGrHist 132 T 1 246 Anm. 19 Leschides FGrHist 172 T 1 278 Anm. 6

77;

102 23

Ps.-Longin De subl. 1,2 94 Anm, 15; 3,2 234 Anm. 26; 36,3 112 Anm. 135; 44,6 273 Anm. 70 Lukian Charon 6 53 Anm. 39 De historia conscribenda 16 69 Anm. 60; 48 69 Anm.

60 Ikarom.

Nikolaos von Damaskos FGrHist 90 T 1-15 261 Anm. 2; 1 262 Anm. 9: 264 Anm. 19; 265 Anm. 20; 266 Anm. 27; 2 263 Anm. 12: 4 262 Anm, 7-8; 8-9 265 Anm. 20; 266 Anm. 27; 10a 262 Anm. 9; 1| 267 Anm. 30; 13262 Anm. 9: 264 Anm. 19: 265 Anm. 24; 14 265 Anm. 20; 15 264 Anm. 19; 265 Anm. 24

Livius praef. 4 358 Anm. 325; 9,18,6 237 Anm. 41: 35,28,1—7 162 Anm. 85; 38,33 146 Anm. 9; 38,39,15 284 Anm. 31; 41,28,10 360 Anm. 5 Penoche 70 183 Anm. 94; 292 Anm. Anm. 22; 271 Anm. 53; 322 Anm. 70

439

F 5 267 Anm, 33; 22 267 Anm. 33: 68 267 Anm. 33; 69-70 267 Anm. 32; 273 Anm. 68; 73-74 268 Anm. 34; 73-75 Anm. 36; 37; 80 268 268 Anm.

273 Anm. 68; 75 268 Anm. 35; 76 268 77a-b 201 Anm. 178; 77-78 268 Anm. Anm. 38; 81 261 Anm. 2; 262 Anm. 7; 39; 269 Anm. 43; 85-88 269 Anm. 44;

91-102 268 Anm. 40; 91 271 Anm. 53:93 271 Anm. 53; 94-95 273 Anm. 68; 95 170 Anm. 25; 96 272 Anm. 58; 97 271 Anm. 54; 322 Anm. 70; 98 271 Anm. 53; 322 Anm. 70; 100 33 Anm. 78; 262 Aum. 6; 262 Anm. 10; 265 Anm. 20; 270 Anm. 49; 101— 102 270 Anm. 48; 102 266 Anm. 27; 103-124 264 Anm. 19: 265 Anm. 24; 125-130 264 Anm. 15-16;

125-139 273 Aam. 69; 125 339 Anm. 209; 125(1)

18 53 Anm. 39

Ps.-Lukian, Makrobioi 20 167 Anm. 9; 194 Anm. 150; 22 145 Anm. 3; 146 Anm. 7

264 Anm. 17; 274 Anm.71; 130264 Aam. 18: 131132 261 Anm. 2; 131-139 61 Anm. 12; 264 Anm. 19; 265 Anm. 20; 132{1) 264 Anm. 14; 13593 Anm.

Lykos von Rhegion FGrHist 570 219 Anm. 19

13: 265 Anm. 26; 266 Anm, 27; 136(8) 261 Anm. 3; 137(6) 261 Anm. 5; 142 262 Anm. 7; 274 Anm. 72

Lysimachos FGrHist 170 T 1 278 Anm. 4 Markellinos Vita Thuk. 29 227 Anm. 16 Markianos von Herakleia GGM 67

1,566, 140 Anm.

Martial 2,14,3 370 Anm. 53; 2,14,15 370 Anm. 53; 3,20,12 370 Anm. 53; 7,32,11-12 370 Anm, 53 Memnon FGrHist 434 F 14 292 Anm. 75

Menandros von Ephesos FGrHist 783 232 Anm. 13 Metrodoros von Chios FGrHist 43 F 3221 Anm. 18

Metrodoros von Skepsis FGrHist 184 238 Anm. 45 Musaios FGrHist 455 T 1 278 Anm. 6

Neanthes von Kyzikos FGrHist 84 / 171 F 1-3218 Anm. 8; 1 218 Anm. 8: 4 (= FOrHist 171

Orosius 1,2 371 Anm. 60 Ovid her. 1,35 376 Anm. 81; 1,33 376 Anm. 82 met. 5,1887 376 Anm. 82; 13,110 376 Anm. 82

Pamphile Cagnazzi (=Müller FHG III 520-522) T 1-3 66 Anm. 44 Fr 2 66 Anm. 44; 68 Anm. 47, 7 66 Anm. 44; 68 Anm. 48; [0 68 Anm. 49; [1 66 Anm. 44

Pausanias 1,8,1 281 Anm. 16; 8,27,14 50 Anm. 26; 8.30,8f 146 Anm. 6 Papyri P.Antinoop. 19,8,2 51 Anm. 30 P.Oxy. 3447 48 Anm. 14: 49 Anm. 21 P.Oxy. 4459 48 Aum. 15-16 P.Kóln I 8 48 Anm. 17; VI 249 369 Anm. 49 P.Vogl. 46 (40) 49 Anm. 18; 76—77 Anm. 6

F 1)218 Anm. 8; 278 Anm. 5

Περὶ Στρατηγίας 20 Dennis 361 Anm. 13

Nepos

Bu Phainias von Eresos Wchrli Ev Σικελίᾳ TUFr 9-10 156 Anm. 47; Περὶ τῶν IV À 1 1012F1Wehrli {= FGrHis

Chronica HRR Fr 1-7 223 Anm. 24 Exempla Fr. 10-35 Marshall 74 Anm. 74 De regibus 232 Anm. 13

Nestor von Laranda (?) FGrHist 153 F 13 7| Anm. 68 Nikandros von Kalchedon FGrHisi 700 232 Anm.

13

Nikandros von Kolophon FGrHist 271-2 T 2 286 Anm. 41

ράννων 11-13 2 Engels) 232 Anm. 13

Phlegon von Tralleis Fr. 26 Giannini 62 Anm. 19 FGrHist 257 65 Anm. 37

27; 65a 22151 Ann Photios Bibl. 65a 2 15] Anm. 37f 67 EN 103a 44; 30: 103a 35f 66 Anm. 12; Anm. 44; 219 119b 16 - 120a 4 66 Anm.

440

VIL Register

16 - 4410 14 212 Anm. 60; 441b 16 -- 460b 20 211 Anm. 54; 445b 37ff 21 Anm. 54; 445b 39 — 446a 2 212 Anm. 56; 446a 16 — 447b 5 212 Anm. 56; 447b 21 - 448a 38 212 Anm. 57; 447 b 34 212 Anm. 59; 447b 37-40 212 Anm. 58 Platon leg 6310

139 Anm. 64

Plautus Men. 235-248 160 Anm. 72

Plinius der Áltere nat. praef, 25 52 Anm. 35; index auctorum 3 52 Anm.

35; 5 52 Anm. 35; 194 Anm, 146; 7 67 Anm. 46; 1,3 240 Anm. 56; 1,7 132 Anm. 29; 2,117} 358 Anm. 325; 2,242-6,220 47 Anm. 9: 3,16-17 373 Anm. 67; 3,17 360 Anm, 8; 366 Anm. 34; 3,38-42 303 Anm. 32; 3,46 366 Anm, 34; 367 Anm. 40; 3,49 366 Anm. 34; 3,66 366 Anm. 36; 367 Anm. 43; 3,66-67 368 Anm. 47; 3,123 367 Anm. 40; 3,132 232 Anm. 14: 4,92 319 Anm. 35; 6,40 360 Anm. 9: 6,1 39-140 370 Anm. 53; 372 Anm. 66; 373 Anm. 67; 6,181 {= FGrHist 673 F 163d) 77 Anm. 6; 7,46 67 Anm. 46; 7.96 320 Anm. 42; 7,112 173 Anm. 36; 194 Anm. 146; 7,164 367 Anm. 40; 12,19 360 Anm. 9; 14 pracf. 2£ 53 Anm. 37; 14,2£ 358 Anm. 325; 26,12,1 368 Anm. 46; 34,39 319 Anm. 35; 35,23 360 Anm. 5; 35,26 109 Anm. 116; 35,27 342 Anm. 242; 35,91 109 Anm.

116;

342 Anm.

242; 35,127

109 Anm.

Polemon von Ilion FHG IH 108 156 Anm. 48 Polybios 1,1,1f 69 Anm. 54; 1,1,5 147 Anm. 13; 12,1 152 Anm. 32; 1,2,2-7 257 Anm. 69; 1,3 147 Anm. 13; 1,3,3f 153 Anm. 36; 1,4 152 Anm. 34; 1,4,3-8 153 Anm, 36; 1,5,1 147 Anm. 14; 1,6207 Anm. 29: 1.6.2 253 Anm. 51: 1,35,6 69 Anm. 54; 1,42,1-7 162 Anm. 87; 1,63,9 257 Anm. 69; 1,73,4 148 Anm. 16 2,14-17 158 Anm. 58; 2,3771 148 Anm. 17; 2,56 157 Anm. 50; 2,56-63 156 Anm. 49 3,1-5 148 Anm. 20; 3,1,9 147 Anm. 13; 3,3,4—7 147 Anm.

15; 3,4,2

147 Anm.

13; 3,4,8 147 Anm.

15:

3,4, [0-11 161 Anm. 82; 3,4,12 147 Anm. 15: 3,4,13 109 Anm.

120; 155 Anm, 46; 3,5,5 147 Anm.

15;

3,6,3 154 Anm. 43; 3,6,6-7 147 Anm. 15: 321,9 149 Anm. 23; 3,31—32 154 Anm. 43; 3,32 153 Anm.

36; 153 Anm. 38; 3,32,1-2 148 Anm. 18; 148 Anm. 20; 3,32,1-4 69 Anm.

54; 3,32,5-6 147 Anm.

15;

3,36-39 160 Anm. 70; 3,36,2-6 158 Anm. 62; 3,36,6-3,38,3 158 Anm. 62; 162 Anm. 89; 3,37,13,38,3

157 Anm.

52: 3,37,10-11

148 Anm.

18;

3,39,2-12 148 Anm. 18; 3,57-59 160 Anm. 70; 160 Anm. 72; 3,57,5 157 Anm. 52; 3,57,6—7 157 Anm. 53: 3,58,7-59,7 160 Anm. 73; 3,58,9 109 Anm. 120; 3,59,3 152 Anm. 34; 157 Anm. 52; 3,59,4 148 Anm. 18; 3,59,4—7 160 Anm. 71; 3,61,11 148 Anm. 18;

116; 37,201f 303 Anm. 32

3,86,2 148 Anm.

Plinius der Jüngere epist. 5,8.4 276 Anm. 85

4,1,4-9 148 Anm, 17; 4,20 158 Aum. 59; 4,27 149 Anm. 23; 4,30,4—5 149 Anm. 23: 4,31,3-33,12 149 Anm. 23; 4,38-45 158 Anm. 60; (60 Anm. 77;

Plutarch Vitae

4,38,11-13

Alex. 4 63 Anm. 22 Ant. 24,2 337 Anm, 201; 34,10 333 Anm, 171; 36,4 88 Anm. 74; 50,3-7 88 Anm. 74; 72,3 230 Anm. 6 Brut. 1 194 Anm. [49; 4 56 Anm. 47 Caes. 63,3-4 40 Anm. 111; 80 Anm. 24; 331 Anm. [48 Cat. 25 22 Anm, 14 Cic. 4,5 194 Anm. 149 Demetr. 41,7-8 364 Anm. 27 Gal. 25,9 370 Anm. 53 Luc. 2,3-4 170 Anm. 20; 28 40 Anm. 111 Marc. 20,1-11 194 Anm. 149 Mar. 12,3-5 199 Anm. 171; 15,4-5 317 Anm.

160 Anm, 77; 4,39,7—4,42,8

119 Anm.

29; 4,39,11 158 Anm. 50; 4,40,2 152 Anm. 34; 4,42,7 158 Anm. 60; 4,48,12 160 Anm. 74; 4,73,6— 4,74,8 149 Anm. 23 5,11,5 150 Anm. 25; 5,21,3-9 157 Anm. 56; 5,33,2 127 Anm. 3; 132 Anm. 25; 5,33,3f 128 Anm. 8; 5,33,5 69 Anm. 56 6,9,12f 153 Anm. 40; 69,14 148 Anm. 16; 6,45— 6,47,6 139 Anm. 64; 6,45,1 134 Anm. 37; 6,52,1-3 148 Anm. 16; 6,56,1-3 148 Anm. 16 7,6 158 Anm. 57; 7,7 153 Anm. 36 8,10,11 69 Anm. 56

9,1-2 92 Arm. 9: 154 Anm. 41; 9,1,3 69 Anm. 56; 18;

45,3-12 170 Anm. 22; 170 Anm. 26; 45,7 168 Anm. Il: 194 Anm. 149 Philop. 4,8 162 Anm. 85; 16 146 Anm. 9; 21,5 146 Anm. 9

Pomp. 7,1-2 204 Anm. 13; 10,2-14 204 Anm. 13; 28,1-7 320 Anm. 47; 36,1 173 Anm. 38; 42,10 168 Anm. 13: 173 Anm. 36; 194 Anm. 149; 45,6 376 Anm. 80; 49,13f 231 Anm. Sert. 9,6-8 318 Anm. 26

18

11; 238 Anm. 42

Sul. 23,1 317 Anm, 14; 26,4-7 317 Anm. 15 Thes. 25,4-7 103 Anm. 76 Moralia

De Alex. fortuna 329b 143 Anm. 78 Quaest. Rom. 630b-c 376 Anm. 82 Max. cum princ. 777a 177 Anm. 59; 198 Anm. 166

9,1,4 133 Anm. 35; 134 Anm. 37, 9,2,7 69 Anm. 54: 9,9,9-10 148 Anm. 16; 148 Anm. 19; 9,12-20 162

Anm. 85; 9,12,1-2 151 Anm. 29; 9,16,1 160 Anm. 71; 9,20,4 146 Anm. 10; 9,20,5-6 161 Anm. 82; 9,27,1-10 158 Anm. 57 10,9,8-10,10,13 158 Anm. 57; 10,21 146 Anm. 9: 10,22 146 Anm. 9; 10,36,2-3 150 Anm. 25; 10,44, 1 69 Anm. 56 11,1ff 211 Anm. 50; 11,9-10 146 Anm. 9 2.4ς,3 4 157 Anm. 55; 12,25 de 1 69 Anm. 56;

12,25e 109 Anm. 119-120; 155 Anm. 44-45; 157 Anm. 54; 158 Anm. 64; 12,258 3 155 Anm. 45; 160 Anm, 70; 12,25h 1 160 Anın. 70; 12,25h 5 69 Anm. 56; 12,251 7 155 Anm. 45; 12,26d 3-6 69 Anm. 56; [2,27,3 69 Anm. 56; 12,27 109 Anm. 120; 148 Anm. 18; 12,288 2-3 69 Anm. 56; 12,28a 4 160 Anın. 74;

1. Quellen 12,28,1 160 Anm. 71; 160 Anm. 73: 12,28,1-5 155 Anm. 45; 12,28,8 211 Anm. 49; 12,28,8(£ 212 Anm. 61; 12,28,10 134 Anm. 38 14,10,5 148 Anm.

16

15,30,10 148 Anm. 16 18.41.7 282 Anm. 22

21,32,c,1-4 146 Anm. 9; 21,38,7 160 Anm. 75 23,12,1—8 146 Anm. 9 24,6,5 145 Anm. 3; 24,11,1-24,13,10 146 Anm. 9 28,69 145 Anm. 3 29,12 153 Anm. 36 und 39; 29,21,1 69 Anm. 56 30.2,5f 148 Anm. 18; 30,2,6 280 Anm. 15; 30,6,3f 147 Anm. 15; 30,28 284 Anm. 34; 30,30,2-6 284 Anm. 34

31,12,12 148 Anm. 16; 31,21,2-3 148 Anm. 16; 31,23-25 145 Anm. 5; 31,23,9ff 145 Anm. 4; 31,25,3-7 147 Anm. 15; 31,28,13 [48 Anm. 18 34,1, 147 Anm. 12; 34,1,3 134 Anm. 37; 34,1.4-5 158 Anm. 65; 34,2,4ff 163 Anm. 94; 34,2,4—34,4,8 119 Anm. 32; 34,4,5 118 Anm. 23; 34,10,6—7 158 Anm. 60; 34.13.1 164 Anm. 98; 34.14.6 160 Anm. 76; 34,15,7 160 Anm. 73; 34,42 158 Anm. 57 36,9 150 Anm. 25 38,4,8 147 Anm. 15; 38,5f 175 Anm. 48; 38,19-21 145 Anm. 5; 38,21,3 148 Anm.

[8

39.5 148 Anm. 20; 39,5,4 148 Anm. 20; 39,8 147 Anm. 15; 148 Anm. 20; 150 Anm. 26; 39,8,2 149 Anm. 23; 39,8,4 147 Anm. 13-14 FGrHist 173 T 1 146 Anm. 9; 2 147 Anm. 11; 172 Anm. 35

Poseidonios (die T- und F-Nummern werden nach Edelstein und Kidd angegeben; falls bestimmte Texte jedoch nicht dort aufgenommen sind, werden auch die Nummern nach Jacoby oder Theiler autgeführt, An Ort und Stelle sind die Nummern aller drei

Sammlungen zu finden) T 1-113 191 Anm. 124; 1a/b 166 Anm. 5: 167 Anm. 9. 191 Anm. 125; 193 Anm. 137; 2a 166 Anm. 4: 166 Anm. 5; 3 167 Anm. 8; 191 Anm. 126; 4 166 Anm. 5; 167 Anm. 9: 194 Anm. 150; 7 195 Anm. 152; 8 22 Anm. 16; 22 Anm. 18: 195 Anm. 152; 9 19] Anm, 126; 10 191 Anm. 126; 24 195 Anm. 153; 26 195 Anm. 155; 27 168 Anm. 11; 28 168 Anm. 11; 170 Anm. 26; 194 Anm. 149; 29-34 168 Anm.

12; 191 Anm. 126; 29 194 Anm. 149; 34 168 Anm. 14; 171 Anm. 28; 191 Anm. 126-127;35 168 Anm. 13: 36 168 Anm. 13; 194 Anm. 146; 36-39 173 Anm. 36; 38 191 Anm.

126; 199 Anm.

170; 39 194

Anm. 149; 40 168 Anm. 16; 46 193 Anm. 136; 47 193 Anm. 136; 48 166 Anm. 3; 166 Anm. 5;.193 Anm. 138;49 193 Anm. 136; 50 193 Anm. 142; 51 194 Anm. 143; 52 194 Anm. 144; 53 194 Anm. 145; 54 194 Anm. 145; 55 194 Anm. 145; 56 194 Anm. 146; 57 194 Anm. 147; 58 166 Anm. 3: 194 Anm. 148; 59—64 194 Anm. 148; 65c 195 Anm. 152; 66 195 Anm. 155;67 195 Anm. 155; 68 195 Anm. 155; 69 195 Anm. 155; 70 195 Anm. 155; 71 195 Anm. 155; 72 50 Anm. 25; 195 Anm. 155; 77 166 Anm. 4;

441

193 Anm. 139; 195 Anm. 156; 78 195 Anm,

156: 79a 195 Anm. 156; 79b 195 Anm. 156:80 188 Aum. 113; 195 Anm. 154; 105 199 Anm. 169; 106 199 Anm. 172; 107 199 Anm. 171 F 49 193 Anm. 136-137; 193 Anm. 139; 195 Anm. 157; 51 170 Anm. 25; 179 Anm. 72: 184 Anm. 97.

52 195 Anm. 153;53 176 Anm 51; . 54-58 ]77 Anm.

56: 54 177 Anm. 58; 182 Anm. 88; 56 182 Anm. 88; 57 177 Anm. 60; 58 177 Anm. 59; 182 Anm. 88; 59 178 Anm. 67; 60 179 Anm. 71; 61a/b 182 Anm. 88:

62a/b 182 Anm. 88; 63 180 Anm. 75; 182 Anm. 88; 64 180 Anm. 75; 182 Anm. 88; 66 169 Anm. 17; 67-69 181 Anm. 83; 67 195 Anm. 154; 70 181 Anm. 82; 72a/b

181 Anm.

84; 73 182 Anm.

86. 74—75

181 Anm. 85; 77 182 Anm. 88; 183 Anm. 93; 78 183 Anm. 94: 79 172 Anm. 33; 173 Anm. 39, 188 Anm. 115; 197 Anm. 163; 111 195 Anm. 155; 112 195 Anm. 155; 136 194 Anm. 144; 176 188 Anm. 112; 177 199 Anm. 171; 206 166 Anm. 4; 172 Anm. 33; 214 195 Anm. 156; 215 [95 Anm. 156; 217 167 Anm. 10; 219 195 Anm. 155; 223 167 Anm. 10; 239

197 Anm. 164; 198 Anm. 167; 240a 199 Anm. 168; 246 197 Anm. 164; 248 197 Anm. 164; 252 169 Anm. 17; 253 [84 Anm. 98; 254 177 Anm. 59; 198

Anm.

166; 255 [68 Anm.

Anm. 26, 194 Anm.

{1: 170 Anm. 22; 170

[49; 256 194 Anm.

149; 257—

261 187 Aum. (06; 257 194 Anm. 149; 262 179 Anm. 68; 195 Anm. 152; 268 177 Anm. 55; 266 177 Anm. 55; 267 177 Anm. 55; 271 199 Anm. 169; 272 [82 Anm. 87; 273 197 Anm. 164; 274 197 Anm. 164; 2778 197 Anm. 164; 278 190 Anm. 123; 279 172 Anm. 34; 282 180 Anm. 76, 193 Anm. 140; (97 Anm. 163; 284 [99 Anm. (72 Jacoby FGrHist 87 F 70 172 Anm. 34; 197 Anm. 163; 270 Anm. 47; 272 Anm. 57; 108-123 178 Anm. 65; 108a/e 178 Anm. 67; 179 Anm. 70; 199 Anm. 171; 110 178 Anm. 63; 111 178 Anm. 63; 112 18! Anm. 81; 200 Anm. 176 Theiler T 1—38c 191 Anm. 124; 37 195 Anm, 155 F99 177 Aum. 58; 100 177 Anm. 58; 109 199 Anm. 171; 110 199 Anm. 171; 124-144 179 Anm. 67; 131b

180 Anm.

77; 133 172 Anm. 34; 197 Anm.

163; 136b 199 Anm. 171; 136b-f 179 Anm. 67; 136d 179 Anm. 70; 140—141 178 Anm. 63; 147 179 Ann.

67, 149 179 Anm. 73; 150 199 Anm. 171; 165-167

178 Anm. 63; 169 181 Anm. 83; 178 18] Anm. 81: 200 Anm. 176; 194a 179 Anm. 68; 207 197 Anm. 164; 211-242

183 Anm. 92; 2118 200 Anm.

174;

211b 200 Anm. 174: 213 183 Anm. 90-91; 214 183 91; 230 199 Anm. 171,236 91: 215 183 Anm. Anm. 183 Anm. 92 . Priscianus Lydus Solutiones ad Chosroen Prooem p. 42,8-11 50 Anm. 25

Prokop Bella 3,1,4-19 386 Anm. 20

442

VII. Register

Properz 4,3,35-37 376 Anm. 81 Ptolemaios Geog. 1,1,153 Anm. 39; 3,1,22-23 367 Anm. 40

Ptolemaios VIIL Euergetes II. FGrHist 234 T2 61 Anm. 12 F 1-11 61 Anm. 12

Pyrrhos von Epeiros FGrHist 229 F 1 61 Anm. 12 Quintilian inst. 2,5 224 Anm. 6; 3,8,8f 211 Anm. 52; 10,1,73-75 192 Anm. 134; 10,1,116 236 Anm. 36; 12,4 224 Anm. 6 Rhetorica ad Herennium

4,9,13 224—5 Anm. 6; 4,13 364 Anm. 26 Sallust Cat. 10,1 201 Anm.

177

[ug. 85,12-13 361 Anm. 12 Scholien zu

Aristoph. Av. 1022 104 Anm. 83 Hom. Il. 11,40 118 Anm. 22

Juv. 2,160 53 Anm. 37 Semos von Delos FGrHist 505 278 Anm. 6 Seneca der Ältere

Contr. 10 praef. 8 236 Anm. 34; 10,5,22 230 Anm. 5; 230 Anm. 7

Seneca der Jüngere epist. 33,3—4 194 Anm. 145; 46,1 42 Anm. 115; 88,3-5 116 Anm. 13; 89,5 196 Anm. 159; 90,4—5 179 Anm. 71; 90,20 194 Anm. 145; 90,20-23 199 Anm. 172; 91,13 230 Anm. 9; 95,65—67 188 Anm. 112; 100,9 42 Anm. 115; 108,36—38 194 Anm. 145 de ira 1,18,3 352 Anm. 315; 3,23,4-8 230 Anm. 8 nat. praef. 8-13 365 Anm. 32; 4,3,2 194 Anm. 144

(Aelius) Serenus FGrHist 790 T 4 61 Anm. [2 Servius Acn. 8,721 373 Anm. 68; 9,30 53 Anm. 37 Sextus Empiricus adv. math. 1,1526 74 Anm. 77

Silius Italicus 17,635ff 360 Anm. 7 Simplikios Komm. zu Περὶ τῶν κατηγορίων p. 4,t4f und 19f60 Anm. 8 Ps.-Skymnos (GGM I p. 196-237) 138 Anm. 54; v. 109-115 135 Anm. 43; v. 526 139 Sokrates 7,25,13 Hansen 49 Anm. 19 Solinus coll. 1,121

173 Anm. 36

Sostratos Müller FHG IV 504ff 26 Anm. 37 Stephanos von Byzanz Meineke s.v. ᾿Αμάσξια 41 Anm. 112 5.v."Apyoupa 220 Anm. 15 s.v. Μιλύαι 232 Anm. 16

s.v. Πλαταιαΐ 220 Anm. 15

Sirabon

Geographika: Die entsprechenden Casaubonus-Seiten finden sich an jeder erwähnten Stelle. 1,1,1-1,1,23 91 Anm. 4; t,1,1 40 Anm. 110; 93 Anm. 14; 111 Anm. 126; 115 Anm. 3; 125 Anm. 23;

135 Anm. 42; 138 Anm. 53; 139 Anm. 61; 224 Anm. 4, 1,1,1-2 111 Anm. 127; 114 Anm. 143; 116 Anm. 14; 1,1,2 115 Anm. 2; 1,1,9 195 Anm. 156; 1,1,10 LE6 Anm. 15; 119 Anm. 34; 1,1,11 125 Anm. 23; 1,1,16 95 Anm. 22-23; 111 Anm. 129; 361 Anm. 13: 1,1,16-17 111 Anm. 131; 1,1,17 34 Anm. 82;38 Anm. 102; 1,1,1891 Anm. 7; 111 Anm. 136; 1,1,19 92 Anm, 11; 1,1,19-21 96 Anm. 25; 1,1,21 113 Anm. 142; 1,1,22 101 Anm. 63; 111 Anm. 128; 1,1,22-23 9 Anm. 2; 59 Anm. 3; 70 Anm. 66; 90 Anm. 2: 9t Anm. 4; 91 Anm. 6; 198 Anm. 166; 1,1,23 36 Anm. 90; 39 Anm. 106; 91 Anm. 7; 93 Anm. 13; 93 Anm. 14; 99 Anm. 47; 111 Anm. 129; 112 Anm.

133-34; 233 Anm, 25; 314 Anm. 1; LZ.E

31 Anm. 54; 153 Anm. 35; 164 Anm. 99; 193 Anm. 136; 259 Anm. 83:274 Anm. 75; 313 Anm. 65; 1,23 28 Anm. 46; 43 Anm. 123; 116 Anm. 9; 116 Anm. 12: 116 Anm. 13; 116 Anm, 14-15; 119 Anm. 34; 120 Anm. 35; 1,2,5 120 Anm. 36; 1,2,6 100 Anm. 54-55; 12,8 43 Anm. 122; 100 Anm. 56; 101 Anm. 62-3; 224 Anm. 4; 1,29 115 Anm, 3; 1,2,12 119 Anm. 34; 1,2,13 98 Anm. 38; 99 Anm. 47; 12,14 100 Anm, 49; 120 Anm. 35; 1,2,15-18 164 Anm. 97; 1,2,15-17 163 Anm. 94; 1,2,15 119 Anm. 3l; 163 Anm, 94: 12.17 116 Anm. 15; 118 Anm. 23; 119 Anm. 27; 119 Anm. 34; 163 Anm. 94; 12,19 100 Anm. 49: 115 Anm. 3: 118 Anm. 26; 119 Anm. 28: 1,2,22 119 Anm, 30; 1,2,23 123 Anm, 12; 1,2,24 116 Anm. 11; 220 Anm. 16; 1,2,24-25 116 Anm. 11: 12.26 140 Anm. 66; 1,228 135 Anm. 44; 136 Anm. 48: 140 Anm. 66; 1,2,29 100 Anm. 51; 123 100 Anm. 49; 1,2,31 100 Anm. 51; Anm. 12: 1,2,30 118 Anm. 23; 1,2,34 28 Anm. 46; 43 Anm. 123; 116 Anm. 12; 1,2,35 100 Anm. 49; 100 Anm. 51; 100 Anm. 57; 119 Aum. 30; 123 Anm. 12; 125 Anm. 21; 220 Anm. 16; 1,2,35-36 100 Anm. 49; 1.2,36 100 Anm. 53; 1,2,37

118 Anm. 23; 1 ‚2.38 116

Anm. 7;

118 Anm. 23; 1,3,1 102 Anm. 69; 102 Anm. 1,2,40

103 Anm. 73; 1,3,12 71; 1,3,3 113 Anm. 138; 1,3,4

28 Anm. 48; 195 Anm. 156; 1,3,15 103 Anm. 73; 1.3.22 123 Anm. 12; 1,3,23 59 Anm. 4; 1.4,6 95 Anm. 21; 1.4.9 143 Anm. 77-78

59 Anm. 5; 2,1,9 195 Anm. 157; 2,1,5 2.1,1—2,3,8 19; 123 Anm.

82 Anm. 34; 94 Anm.

12; 125 Anu.

374 Anm. 73; 2.1,35 21;2,1,16 103 Anm. 74; 2,1,30 1 9 Anm. 113 Anm. 140; 2,1,4 113 Anm. 140; 2,1,40 2: 22,1 193 Anm. 136; 193 Anm. 139; 2,3,4 123 Anın, 12: 325 Anm 97; 326 Anm. 101; 2,3,4-5 124 Anm. 16; 196 Anm. 160; 2,3,5 32 Anm, 74, 123 Anm. 12; 193 Anm. 136-137; 196 Anm. 161; 2,3,78 163 Anm. 93: 2,3,8 28 Anm. 46; 43 Anm. 123; 116 Anm.

12; 196 Anm.

164 Anm. 97; 2,4,1-8

158; 325 Anm. 97; 2,4,1-3

Anm. 102 2 162 Anm. 89; 2,4,

443

1. Quellen

69; 2,4,3 164 Anm. 97; 2,4,7 162 Anm. 89: 2,48 162 Anm, 88; 164 Anm. 97; 2,5,1-2 95 Anm. 22; 96 Anm. 24; 2,5,1 53 Anm. 39; 2,5,4 96 Anm. 24; 2,5,5 95 Anm. 21; 2.5.6 95 Anm. 22; 2,5.10 53 Anm. 39: 373 Anm. 67; 373 Anm. 70; 374 Anm. 72; 2,5,11 28 Anm. 49; 110 Anm. 121; 2,5,12 30 Anm. 51; 3!

Anm. 51; 33 Anm. 76—77; 153 Anm. 35; 340 Anm. 217; 2,5,17 99 Anm. 42; 369 Anm. 48; 373 Anm.

67; 373 Anm. 70; 374 Anm. 72; 394 Anm. 46; 2,5,18 113 Anm. 139; 2,5,26 153 Anm. 37; 2,5,32-33 47 Anm. 10; 2,5,33 30 Anm. 51; 352 Anm. 315; 2,5,34 95 Anm. 22

3,1,4 140 Anm. 66; 3,1,8 329 Anm, 132; 3,1,9 107 Anm. 107; 3,2,1 328 Anm. 120; 330 Anm. [33; 3.2.2 332 Anm. 157; 332 Anm. 162; 3.2.5 338 Anm. 207; 32,8 164 Anm. 97; 3,2,9 197 Anm. 164; 198 Anm. 167; 3,2,11 140 Anm. 65; 312,14 123 Anm. 12; 140 Anm. 65; 3,2,15 164 Anm. 97; 329 Anm. 131; 340 Anm. 223—224; 3,3,8 339 Anm. 214; 340 Anm. 222; 3.4,1 108 Anm. 112; 320 Anm. 42; 3,4,2 48 Anm.

12; 3,43 118 Anm. 23-24; 3,4,4 116 Anm. 11; 3,4,5

S.1,1 330 Anm, 136; 5,1,2 373 Anm. 70; 5,1,3 339 Anm. 211; 5,1,6 324 Anm. 89; 330 Anm, 135; 5,],78 373 Anm. 70; 5,1,7 298 Anm. 2; 5,1,8 164 Anm. 97; 5,1,11 315 Anm. 4; 373 Anm. 70: 5.2.6 317 Anm. 17; 5,2,7-8 373 Anm. 70; 5,3,2 105 Anm. 91: 300 Anm. 15; 5,3,3 300 Anm. 16; 350 Anm. 308; 5,3,2—3 299 Anm, 8; 5,3,7 299 Anm, 8; 299 Anm, 10; 300 Anm. 18; 5,3,7-8 34 Anm. 83; 298 Anm. 4; 341 Anm. 234 ; 5,3,8 32 Anm. 71; 35 Anm. 86: 108 Anm. 115; 300 Anm. 19; 301 Anm. 20; 301 Anm. 22; 324 Anm. 88; 330 Anm.

6.1.1 141 Anm. 69; 6,1,2 99 Anm. 42; 6.1.5. [41

Anm. 69; 6,1,6 141 Anm. 69; 332 Anm. 159-160;

333 Anm. 165: 341 Anm. 236; 6.1,7 141 Anm. 69; 141 Anm. 69; 6,1,9 84 Anm. 44; 6,1,10 141

96 Anm. 29; 317 Anm, 21; 3,4,6 317 Anm. 22; 3,47

6,1,8

108 Anm. 112: 320 Anm. 42; 3,4,9 87 Anm. 58; 108 Anm. 112; 320 Anm. 42; 328 Anm. 119; 328 Anm. 121; 344,10 22 Anm. 18; 317 Anm. 22; 317 Anm.

Anm. 69; Anm. 70; 6.2.1 140 6.2.2 140 332 Anm. Anm. 93;

24-25: 320 Anm. 41; 324 Anm. 91; 328 Anm. 118; 328 Anm. 12}, 332 Anm. 156; 340 Anm. 228;

34,10-11 22 Anm. 18; 3,4,13 99 Anm. 45; 199 Anm. 166; 317 Anm. 23; 3,4,19 59 Anm. 6; 96 Anm. 29; 97 Anm. 32; 3,4,20 340 Anm. 222; 340 Anm. 224; 3,5,3 332 Anm. 155; 373 Anm. 70; 3,5,5 103 Anm. 75; 140 Anm. 65; 3,5,5-6 108 Anm. 110; 3,5,6 103 Anm. 75; 3,5,7 28 Anm. 48; 167 Anm. 10; 3,5,10 197 Anm. 164; 3,5,11 315 Anm. 5 4,3,1 96 Anm. 26; 312 Anm. 54; 340 Anm. 226; 366 Anm. 34; 4,1,2 28 Anm. 47; 43 Anm. 126; 108 Anm. 112; 340 Anm. 225; 4,1,3 320 Anm. 42; 4,1,5 324 Anm. 93; 329 Anm. 126; 329 Anm. 128; 4,1,8 84 Anm. 44; 317 Anm. 18; 4,1,9 339 Anm, 208; 4,1.11 108 Anm. 111; 315 Anm. 3; 4,1,12 329 Anm. 127; 4,1,13 197 Anm. 164; 232 Anm. 14; 238 Anm. 42; 242 Anm. 63; 4,1,14 28 Anm. 47; 197 Anm. 164; 340 Anm. 225; 4,2,1-2 340 Anm. 228; 4,2,2 340

254 Anm, 6,1,12 141 Anm. 66; Anm. 66; 158; 6,2,4 341 Anm.

112; 48; 328 197 115; 97;

4,6,6 341 Anm. 231; 4,6,7 332 Anm. 154; 339 Anm. 209: 339 Anm. 213: 4,6,9 23 59; 347 Anm. 293; 4,6,10 338 209. 4.6, 1 339 Anm. 212; 340 290; 369 Anm. 48; 4,6,12 239 293

Anm. Anm. Anm, Anm.

24; 207; 228; 51;

312 339 347 347

Anm. Anm. Anm. Anm.

54; 373 Anm. 70; 6,1.11 373 Anm. 69; 6,1,15 14] Anm. 69; 162 Anm. 87; 374 Anm. 70; 6,2,3 332 Anm. 160: 6,2,3-4 84 Anm. 44; 140 Anm, 66; 324 236; 6,2,6 31 Anm. 66; 214

70; 6,3,3 Anm. 68; 295 Anm. 88; 6.2,11 374 Anm.

Anm. [41 Anm. 69; 6,3,6 123 Anm. !2; 6,3,7 374 299 70; 6,3.10 113 Anm. 139; 374 Anm. 70; 6.4,1

Anm,

7; 6,4,1-2 81 Anm.

28; 303 Anm. 30; 303

34; 213 Anm. Anm. 32 ; 64,2 24 Anm. 26; 26 Anm. Anm. 5; 300 66; 260 Anm. 86; 291 Anm. 74; 298 39; 310 Anm. 48; Anm. 306 34; Anm. 304 17; Anm. 312

317 Anm. 24; 321 Anm. Anm. 61; 317 Anm. 20;

117: 339 Anm. 214; 53; 326 Anm. 103; 328 Anm. 345 Anm. 275; 346 273; Anm, 345 219; Anm. 340 300 Anm. 349 296; Anm. Anm. 283; 348 233; 347 Anm. 102; 341 71,334 Anm. 84; 3 8 Anm. 24 Anm. 26; 34 Anm,

7,1,4 293; 348 An m. 294; Anm. 102; 341 Anm. 232. 348

348 Anm. 297; 7,2,1 38 7,2.1-2 341 Anm. 229;

Anm. 228; 4,2,3 315 Anm. 3; 328 Anm. 116; 4,32 108 Anm. 113; 340 Anm. 227; 4,3,3 328 Anm. 328 Anm. 115; 4,3,4 347 Anm. 289; 369 Anm. 4,4,1 328 Anm. 114; 4,4,2 340 Anm. 225; 4,4,3 Anm. 113; 340 Anm. 225; 4,4,6 140 Anm. 66; Anm. 164; 4,5,2 328 Anm. 115:4,5,3 328 Anm. 340 Anm. 219; 341 Anm. 230; 4,6,2 164 Anm.

137; 347 Anm. 291;

349 Anm. 303; 369 Anm. 48; 370 Anm. 53; 5,3,913298 Anm. 3; 5,3,[0 316 Anm. 7; 5,3,1 1 317 Anm, 19; 5.2.4 141 Anm. 72; 5,4.3-9 30 Anm. 53; 5,4,4 332 Anm. 161; 338 Anm. 207; 5.4.8 141 Anm. 69; 369 Anm. 48; 5,4,6 347 Anm. 290; 5,4.7 33 Anm. 80—81; 38 Anm. 102; 5.4.9 84 Anm. 44; 341 Anm. 235: 54,11 316 Anm. 7

43 1 102 Anm. 675 73,4

5 329 Anm. 122; 7.36 102 Anm. Anm. 30; 102 Anm. 66;

. A 76; 7,3,10 350 Anm 256 An 18 ,12 220; 7,3 + 73,13 340 Anm. E .8 197 Anm. 64.7 Anm. 18; 7,4,3

152 340 An δῖ

2,75, 329 Anm.20

5 Am. 2712 124 Anm. 2114 338 Anm. 207; 339 ,1 31 7, 68 Anm. 11; 7,6

A

44; 174

374 Anm. 70; 105 Anm. 91;

444

VII. Register

342 Anm. 244; 7,7,5-6 341 Anm. 238; 388 Anm. 27, 7,1,6 32 Anm. 70; 326 Anm. 103; 334 Anm. 176; 7,7,7 139; 141 Anm. 72; 143 Anm. 77; 7,7,10 141 Anm. 72; 7,7,12 388 Anm. 27 Fragmente (Jones) 21 288 Anm. 55; 289 Anm. 64; 24 288 Anm. 55; 289 Anm. 64, 25 288 Anm. 56; 27 288 Anm, 56; 31 288 Anm. 56; 33 [4t Anm. 72; 41 333 Anm. 166; 47 24 Anm. 28; S1(52} 288 Anm, 57; 53(54) 288 Anm. 57; 60(58b) 22 Anm. 16; 48 Anm. 12 8,1,1 37 Anm. 95; 84 Anm. 43; 113 Anm. 141; 128 Anm. ?; 135 Anm. 42-43; 139 Anm. 61; [61 Anm, 83; 166 Anm. 4; 193 Anm. 139; 195 Anm. 156; 8,1,3 139; 8,3,2-3 98 Anm. 37: 8,3,3 98 Anm. 37; 99 Anm. 42; 8,39 101 Anm. 61; 8,3.17 9 Anm. 2; 94 Anm. 18; 8,3,23 98 Anm. 41; 8,3,30 107 Anm. LO7; 112 Anm. 136; 8,3,31 98 Anm. 39; 8,3,33 139; 8,4,3 334 Anm. 177; 347 Anm. 290; 8,4,7 139; 8,4,8 210 Anm. 42; 8,5,4 139; 8,5,5 131 Anm. 24; 139; 141 Anm. 72; 346 Anm, 285; 8,6,6-7 220 Anm. 15; 8,6,14 141 Anm. 69; 8,6,15 105 Anm, 88; 8,6,16 136 Anm. 47; 141 Anm. 72; 8,6221 31 Anm. 64; 84 Anm. 44; 210 Anm. 43; 210 Anm. 45; 8,6,22 9 Anm, 2; 48 Anm. 13; 8,6,23 32 Anm, 67; 152 Anm, 31; 210 Anm. 44; 318 Anm. 27; 329 Anm. 129; &,7,5 320 Anm. 47; 342 Anm. 244; 8,8,5 139 9,1.6-7 103 Anm. 76; 9,1,15 316 Anm. 9; 9,1,20 185 Anm. 101; 316 Anm. 8, 9,2,2 131 Anm. 24; 136 Anm. 46; 142 Anm. 75: 143 Anm. 77; 9,2,3 142 Anm. 75; 9,2,4 142 Anm. 75; 9,2,5 143 Anm. 75; 9,2,2-5 139; 9,2,16-17 220 Anm. 15; 9,2,31 106 Anm. 97: 9,2.37 107 Anm, 98: 316 Anm. 10; 9,2,40 357 Anm. 323, 9,2,42 87 Anm. 58; 9,3,11-12 100 Anm. $8; 139; 9,3,12 138 Anm. 52; 139; 143 Anm. 77, 9.4.2 103 Anm. 77; 107 Anm. 99; 9,4,7 14] Anm. 72; 9,4,11 342 Anm. 239; 9,4,14 123 Anm. 12; 9,4,16 103 Anm. 78; 9,5,4 94 Anm. 18; 9,5,5 100 Anm. 52; 9,5,8 94 Anm. 18; 9,5,22 84 Anm. 44 10,1,9 77 Anm. 9; 317 Anm. 15; 10,1,10 103 Anm. 79; 123 Anm. 12; 124 Anm. 15; 10,2,2 341 Anm. 238; 10,2,7 341 Anm. 238; 10,2,8 9 Anm. 2; 48 Anm, 13; 10,2.9 141 Anm. 69; 10,2,13 23 Anm. 19; 327 Anm. 108; 10,2,2t 108 Anm. 116; 342 Anm, 244; 10,2,22 325 Anm. 97; 10,2,23 342 Anm. 239; 10,2,25 139; 141 Anm. 72; 143 Anm. 77; 10,3,2 104 Anm. 80; 139; 141 Anm. 70; 141 Anm. 72; 143 Anm, 77; 10,3,5 92 Anm. Ὁ; 97 Anm. 34; 00 Anm. 48; 133 Anm. 35; 134 Anm. 37; 135 Anm. 42; 138 Anm. 52; 138 Anm. 59; 158 Anm. 65; !95 Anm. 156; 10,3,21 123 Anm. 12; 10,3,23 102 Anm. 72; 10,4,3 84 Anm. 44; 10,4,8 141 Anm. 72; 10,4,9 139 Anm. 64; [41] Anm. 72; 321 Anm. 48; 330 Anm. 142; 10,4,10 19 Anm. 9; 20 Anm. 11; 10,4,11 325 Anm. 97; 10,4,15 141 Anm. 72; 10,4,16 139; 10,4,16-22 139; 10,5,3 31 Anm. 63; 32 Anm. 69; 341 Anm, 237; 342 Anm. 241

11,1,6 22 Anm. 18; 166 Anm. 4; 168 Anm. 13; 172 Anm. 33; 173 Anm. 39; 174 Anm, 40; 188 Anm. 115; 197 Anm. 163; 321 Anm. 49—50; 323 Anm. 84; 11,2,3 344 Anm. 260-261: 11,2,7 108 Anm. 108; 11,2,11 344 Anm. 261; 11,2,12 87 Anm.58; 11,2,13 322 Anm. 61; 11,2,18 19 Anm. 9; 35 Anm. 87; 344 Anm. 261; 344 Anm. 264; 11,2,19 87 Anm. 58; 11,3,4-5 321 Anm. 51; 333 Anm. 171; 11,4,5 321 Anm. 52; 11,5,1-3 99 Anm. 43; 11,5,3 99 Anm. 44; 100 Anm. 55; 125 Anm. 20; 11,5.4 107 Anm. 100; 11,5.5 239 Anm. 47; 11,6,2 102 Anm. 65; 11,6,2-3 100 Anm. 58 ; 11,6,3 [25 Anm. 21; 11,6,4 99 Anm. 46; 123 Anm. 12; 239 Anm. 48; 259 Anm. 83; 11,7,2 257 Anm. 71; 11,7,3 239 Anm. 48; 11,7,4 239 Anm. 48; 11.8.4 322 Anm. 62: 323 Anm. 82; 11,9,1 22 Anm. 14; 257 Anm. 71; 326 Anm. 104; 11,9,1-3 94 Anm. 17; 239 Anm. 49; 11.9.2 249 Anm. 30; 11,93 59 Anm. 1; 78 Anm. 10; 79 Anm. 17; 81 Anm. 29; 94 Anm. 16; 180 Anm. 76; (93 Anm. 140; 197 Anm. 163; 239 Anm. 50; 259 Anm. 81; 11,11,5 159 Anm. 66; 11,11,6 257 Anm. 71; 11,13,1-2 345 Anm. 274;

11,13,2 334 Anm. 175; 11,13,3 333 Anm. 173; 337 Anm. 203: 11,13,4 333 Anm. 172; 11,13,5 257 Anm. 71; 259 Anm. 83; 11,13,6 288 Anm. 53; 11,14,6 38 Anm. 102; 348 Anm. 295; 11,14,9 333 Anm. 172; 11,14,10 321 Anm. 58; 11,14,12 337 Anm. 203; 11,14,13 123 Anm. I2; 124 Anm. 17; 11,14,15 257 Anm. 71; 260 Anm. 84; 308 Anm. 41; 318 Anm. 32;

333 Anm. 174; 342 Anm. 245; 11,14,16 123 Anm. 12; 124 Anm. 17

12,1,2-4 335 Anm. 190; 12,1,4 24 Anm. 27; 306 Anm, 39; 335 Anm. 185: 349 Anm. 301; 12,2,1 318 Anm. 31; 12,3,1 336 Anm. 199: 12,2,3 31 Anm. 55; 123 Anm. 12: 12,24 31 Anm. 56; 123 Anm. 12; 12.2.6335 Anm. 184; 122,11 284 Anm. 29-30; 335 Anm. 185; 12,3,1 23 Anm. 22; 323 Anm. 74; 12,3,4 179 Anm. 71; 12,3,5 94 Anm. 18; 115 Anm. 5; 12,3,6 342 Anm. 249; 12,3,8 281 Anm. 16; 12,3,9 123 Anm.

12; 12,3,10 141 Anm.

69;

12,3,11

318

Anm. 30: 330 Anm. 140; 12,3,13 323 Anm. 73; 323 Anm. 78; 12,3,14 79 Anm. 13; 318 Anm. 30; 330 Anm. 139: 336 Anm. 198; 342 Anm. 247; 12,3,15 17 Anm. 5; 12.3.16 22 Anm. 18; 27 Anm. 40; 27 Anm. 42; 12,3,18 321 Anm. 54; 12,3,20-21 123 Anm. 12: 12,3,21 126 Anm. 28; 141 Anm. 72; 12,3,24-25

116 Anm.

8; 12.3.25

19 Anm.

9; 220

Anm.

16: 12.3.26 100 Anm. 51; 12,3,26-27

100

Anm.

50;

56; 322 Anm.

59;

12,3,28 321

Anm.

12,3,29 24 Anm. 28; 35 Anm. 87; 344 Anm. 26];

344 Anm. 264; 345 Anm. 268-271; Anm. 29; 324 Anm. 90; 12,3,31

12,3,30 318

35 Anm.

87; 321

Anm. 57: 322 Anm. 60; 344 Anm. 264-265; 12,3,33 18 Anm. 8; 19 Anm. 9; 318 Anm. 33; 319 Anm. 34;

222 Anm. 62; 324 Anm. 87; 12,3,34 22 Anm. 15; 317 Anm. 14; 323 Anm. 79; 323 Anm. 80-81; 325 Anm. 99; 326 Anm. 103; 12,3,35 342 Anm. 250; 12,3,37 35 Anm. 87; 323 Anm. 82; 344 Anm. 264265; 12,3,38 323 Anm. 73; 335 Anm. 182; 336 Anm.

-], Quellen

196; 12,3,39 17 Anm. 5; 336 Anm. 197; 12,3,40 324 Anm. 92; 12,3,41 23 Anm. 22; 306 Anm. 39; 335 Anim. 186; 12,3,42 96 Anm. 28; 12,4,2 288 Anm, 58; 12,4,2—3 49 Anm. 19, 12,4,3 284 Anm. 31; 284 Anm. 32; 330 Anm. 141; 12,4,6 97 Anm. 35; 12,4,7 288 Anm. 59: 289 Anm. 64; 12,5.1 23 Anm. 20; 331 Anm. 147; 335 Anm. 187; 12,5,1-2 282 Anm. 21; 12.5.2 321 Anm. 55; 323 Anm. 77; 12.5.3 287 Anm. 49: 331 Anm. 150; I2,6,2 26 Anm. 39; 319 Anm. 38; 12,6,3—4 336 Anm. 192; 12,6,5 340 Anm. 221; 343 Anm. 253; 12,7,3 284 Anm. 33; 12,8,5 123 Anm. 12; 12,8,6 E07 Anm. 100; 12,8,7 97 Anm. 36; 12,8.8-9 336 Anm. 193; 12,8,11 24 Anm. 30; 318 Anm. 28; 12,8,12-13 284 Anm. 32; 12,8,14 283 Anm. 27; 12,8,15 288 Anm. 54; 289 Anm, 64; 12,8,16 23 Anm. 23; 334 Anm. 181; 12,8,18 289 Anm. 67; 343 Anm. 252; 349 Anm. 299 13,1,1 98 Anm. 40; 13,1,3 141 Anm. 72; 13,1,4 141 Anm. 72; 13,1,11 107 Anm. 102; 13,1,14 284 Anm. 35; 13,1,19 34 Anm. 85; 109 Anm. 117; 347 Anm. 291; 369 Anm. 48; 13,1,27 316 Anm. 12; 330 Anm. 138; 13,1,28 316 Anm. 11; 13,1,30 326 Anm. (03; 337 Anm. 204: 343 Anm. 251; 13,1,33 288 Anm. 60; 13,1,39 84 Anm. 44; 141 Anm. 72; 13.1.44 283 Anm. 23; 288 Anm. 61; 13,1,45 116 Anm, 7; 13,1,53 176 Anm. 54; 303 Anm. 33; 13,1,54 27 Anm, 4142: 34 Anm. 84; 40 Anm. 108; 120 Anm. 39; 285 Anm. 38; 317 Anm. 16; 13,1,55 322 Anm. 6}; 13,1,59 107 Anm. 101; 123 Anm. 12; 124 Anm. 17; 13.1.63 107 Anm. 103; 13,1,70 283 Anm. 24; 13,2,3 26 Anm. 34; 323 Anm. 83; 349 Anm. 302; 351 Anm. 311; 351 Anm. 313; 132,4 123 Anm. 12; 13,2,6 285 Anm. 39; 13,3,5 23 Anm, 23; 317 Anm. 13; 13,3,6 107 Anm. 100; 126 Anm. 27; 130 Anm. (8; 132 Anm. 26-27: 132 Anm. 29; 138 Anm, 53; 139 Anm. 61: 140; 13,4,1-3 279 Anm. 8; 13,4,2 283 Anm. 26; 285 Anm. 36-37, 291 Anm, 73; 13,4,3 279 Anm. 10: 331 Anm. 145; 346 Anm. 287; 13,4,5 123 Anm. 12; 124 Anm. 17; 13,4,7 107 Anm. 106; 123 Ann. 12; 13,4,7-8 124 Anm, 17; 13,4,8 23 Anm, 23; 343

Anm. 252; 349 Anm. 299; 13,4,9 26 Anm. 38; 167 Anm. 9; 351 Anm. 312; 13,4,10 289 Anm. 67; 13,4,12 297 Anm. 94; 13,4,14 31 Anm. 57; 13,4,17 343 Anm. 254 14.1.6 124 Anm. 14; 141 Anm. 72; 14.1.7 324 Anm. 86: 14,1,14 337 Anm. 204; 343 Anm. 251; (4,1,21 288 Anm. 63; 289 Anm. 64: 14,1,22 84 Anm. dd; 14,1,22-23 107 Anm. 107; 14,1,23 337 Anm. 200; 14,1,24 287 Anm. 46; 14,1,25 227 Anm. 14; 14,1,26 221 Anm. 17; 287 Anm. 47; 14,1,29 289 Anm. 68; 14.1.32 141 Anm. 72: 14,1,35 31 Anm. 62; 14,1,37 288 Anm. 62; 33| Anm. 151; 14,1,38 203 Anm. 81— 82: 294 Anm. 87; 297 Anm, 94; 14,1,39 286 Anm.

41; 14.1,41 31 Anm. 58; 105 Anm. 90; 26; 337 Anm. 201; 14,1,42 35 Anm. 87; 163; 344 Anm. 264; 14,1,43-4831 Anm. 26 Anm. 36; 324 Anm. 85; 14,2,5 107 168 Anm. 15; 14,2,9 330 Anm. 143:

234 Anm. 332 Anm. 61; 14,1.48 Anm. 107; 14,2,10 84

448

Anm.

44: 142,13

28 Anm. 45;

166 Anm.

Anm. 5; 192 Anm. 135; 142,15 211 Anm. 5-ἡ: 331 Anm. 146; 14,2,16 107 Anm, 107: 123 Anm. 12: 126 Anm. 26; 275 Anm. 82; 276 Anm. 86: 351 Anm.

311: 142,19 105 Anm. 88: 109 Anm. 116: 342 Anm.

242; 14,2,23 31 Anm. 59; 14,224 3t Anm. 59; 88 Anm. 71; 332 Anm. !64: 334 Anm, 179: 142.25 327 Anm. 109; 14,227 124 Anm. 14; 142,28 144 Anm. 79; 383 Anm. 3; 14,2,29 164 Anın. 98: 14,32 319 Anm. 36; 320 Anm. 43; 320 Anm. 45: 14.3.3 319 Anm. 38; 320 Anm. 47; 321 Anm. 48: 338 Anm. 207; 342 Anm. 244; 14,3,4 283 Anm, 28: 14,3,6 325 Anm. 97; [4,4,1 289 Anm. 65; 14,4,3 123 Anm. 12; 124 Anm.

17; 14,5,2 177 Anm, 57; 319 Anm. 36;

320 Anm. 43; 320 Anm. 45; 14,5,3 326 Anm. t03; 335 Anm. 188; 14,5,428 Anm. 44: 31 Anm. 60; 343 Anm. 255; 346 Anm. 286; 14,5,6 320 Anm. 44; 326 Anm. 103; 335 Anm. 187; 335 Anm. 190; 14,5,7 419 Anm. 37, 14,5,8 320

Anm. 47; 14,5,9 104 Anm.

83; 108 Anm. 108; (4,5,10 335 Anm. 191; 14,5,14 23 Anm. 48; 88 Anm. 71; 327 Anm. 105; 330 Anm. 144; 333 Anm. 166; 337 Anm. 202; 346 Anm. 288; 347 Anm. 292; 349 Anm. 303; (4,5,16 107 Anm. 104; 14,5,22-29 116 Arm. 8; 14,5,23-26 141 Anm. 72: 142 Anm. 73; 14,5,25 142 Anm. 74; 14,6,6 22 Anm. 15; 292 Anm, 78; 312 Anm. 55-56; 320 Anm. 46; 325 Anm. 98; 326 Anm, 103; 335 Anm. 188 15,1,3 97 Anm. 31; 15,1,4 345 Anm. 276; 15,1,16 123 Anm.

12; 15,1,35 106 Anm. 93; 289 Anm. 64;

15.1,45 33 Anm. 78; 15,1,50 105 Anm. 91; 15,1,57 233 Anm. 24; 242 Anm. 63; 15,1,67 106 Anm. 94; 15.1,72-73 345 Anm. 276; 15,1,73 33 Anm. 78; 104 49; 95; 262 Anm. 10; 270 Anm. Anm. 82; 106 Anm.

15,2,7 325 Anm. 97; 15,3,3 257 Anm. 21: 1537 104 Anm. $4; 15,3,7-8 108 Anm. 108; 15,3,8 [05 Arm, 85: 15,3,13-14 124 Anm. 14, 15,3,24 257 Anm. 7] 16,1,5 107 Anm. 107; 108 Anm. 108: 288 Anm. 52; 16,3,11 108 Anm. 108; 16,1,19 259 Anm. 83; 16,1,23 325 Anm. 96; 16,1 ‚24 323 Anm. 75; 16,1,28 ; 38 Anm. 102; 325 Anm. 96; 333 Anm. 169-170 333 Anm. 174; 345 Anm, 273; 16,2,3 23 Anm. 25: 53; 323 Anm. 76; 326 Anm. 102 16,2,4 288 Anm. 76; 289 Anm. 64; 16,2,8 322 Anm. 65; 323 Aum. 331 Anm. 325 Anm. 97; 333 Anm. 168-169, 16,2,9 5; 193 Ánm. 152; 16,2,10 166 Anm. 3; 166 Anm. 260 Anm. 71; Anm. 257 138: 332 Anm, 153; 16,2,14 65; 322 Anm. 85; 320 Anm. 43; 16,2,18 322 Anm. Anm. 48; 16,220 69; 16,2,19 347 Anm. 290; 369 197 Anm. 163; 16,2,22 207; 212 Anm. 62; 338 Anm.

28 Anm. 45; 44 Anm. 16,2,23 322 Anm. 64; 16,2,24 97;

325 Anm. 128; 162,29 23 Anm. 21; 16,2,31 0 35.-4277; 2.34 ,34 346 Anm 16,2,33 324 Anm . 94; 16,2

40 77 Anm. 9; . 70-71;

446

VII. Register

277, 349 Anm. 303; 16,3,5 107 Anm. 105; 325 Anm. 97; 16,4,7 325 Anm. 97; 16,4,21 28 48; 322 Anm. 72; 346 Anm. 288; 16,4,22 340 217; 16,4,22—24 33 Anm, 77; 36 Anm. 90; 339 216; 16,4,24 38 Anm. [02; 339 Anm. 216

16,4,5 Anm. Anm. Anm.

17,1.3 32 Anm. 74; 17,1,5 32 Anm. 73; 325 Anm. 97: 17,1,6 105 Anm. 86; 107 Anm, 107; 329 Anm, 124; 17,1,7 30 Anm, 52; 338 Anm. 207; 17,1,8 108 Anm. 109; 325 Anm. 97; 346 Anm. 232; 17,1,9 33 Anm. 78; 337 Anm. 205; 17,1,10 325 Anm. 97; 337 Anm, 205; 346 Anm. 281; 17,1,10-11 325 Anm, 97, 17,1,11 22 Anm. 15; 317 Anm. 14; 323 Anm. 79: 323 Anm. 80; 324 Anm. 94; 325 Anm. 97; 326 Anm. 103; 329 Anm. 123; 333 Anm. 166; 17,1,12 160 Anm. 76; 325 Anm. 97; 346 Anm. 279-280; 17,1,13 22 Anm. 15; 325 Anm, 97; 327 Anm, 109; 17,1,17 105 Anm. 89; 17,1,18 325 Anm. 97, 17,1,25 325 Anm. 97; 17,1,29 30 Anm, 51; 33 Anm. 76; (7,1,33 107 Anm. 107; 198 Anm. 108; 17,1,36 9 Anm. 2; 28 Anm.

47; 43 Anm.

125; 59 Anm.

2;

17,1,37

108

Ánrm. 108; 17,1,42 108 Anm. 108; 17,[,45 325 Anm. 97. 17,1,46 30 Anm. 51; 33 Anm. 76; 105 Anm. 87; 17,1,47-49 346 Anm. 279; 17,1,52 123 Anm. 12; 126 Ánm.

29; 17,1,53 339 Anm.

216; 346 Anm.

278-279. 350 Anm. 305; 17,1,53-54 339 Anm. 216; 17,1,54 32 Anm. 74; 109 Anm. 118; 339 Anm. 214; 340 Anm. 218; 342 Anm. 243: 342 Anm. 246; 348 Anm. 298; 350 Anm, 305; 17,1,54-55 (= FGrHist 673 F 163a) 49 Anm, 18; 76 Anm. 6; 17,2,5 124 Anm, 12; 197 Anm. 163; 17,3,5 334 Anm. 178: 17,3,7 24 Anm. 31; 326 Anm. 103; 329 Anm, 125; 334 Anm, 178; 346 Anm. 283; 17,3,8 318 Anm. 26; 17,3,9 24 Anm. 31; 329 Anm. 125; 346 Anm. 283; 17,3,10 167 Anm. 10; 17,3,12 329 Anm. 125; 346 Anm, 283; 374 Anm. 70; 17,3,15 210 Anm, 44-45; 329 Anm. 130; 17,3,17 118 Anm. 23; 17,3,20 33 Anm. 79; 325 Anm, 97; 327 Anm. 106; 17,3,24 153 Anm. 33; 260 Anm. 83: 274 Anm, 75;

310 Anm. 50;

17,3,24-25 81 Anm. 28; 260 Anm. 86; 298 Anm. 6: 310 Anm. 49; 17,3,25 24 Anm. 31:39 Anm. 105; 81

Anm, 28; 291 Anm. 74: 312 Anm. 53:313 Anm. 62: 346 Anm. 283

Historika Hypomnemata FGrHist 91

T 19 Anm. 2; 17 Anm. 4; 41 Ánm. 113: 82 Anm. 32:T2 17 Anm. 4: 41 Anm. 113; 81 Anm. 30

F 117 Anm. 4; 59 Anm. 1: 78 Anm. 10; 81 Anm, 29,94 Anm, 16; 193 Anm. 140; 197 Anm. 163: 259

Anm. 81

| F29 Anm, 2; 36 Anm. 90; 59 Anm. 3; 91 Anm. 4 F 3 82 Anm. 34; 83

Anm.

F 5 46 Anm, 6; 83 Aem x 96 Anm, 27

40-1: 04 À

Le

77 Anm, 9: 317

F9 40 Anm, Hp

F 1083 Anm, 41:2 » F

10-18

271

Anm.

19

15 33

5]

F 11231 Anm. 11:23

Anm. 59: 272 Amm,66

dt ^4 Anm.

À

nm

.

F 12233 Anm. 22; 271 Anm. 53 F [3 271 Anm. 54; 322 Anm. 70 F 14 106 Anm. 92; 272 Anm. 61; 322 Anm. Anm. 32 F 15 77 Anm, 9; 271 Anm. 53; 322 Anm. Anm, 108 F 16 272 Anm. 65; 278 Anm. 3; 329 Anm. F [7 272 Anm, 65; 278 Anm. 3; 329 Anm. F 18 80 Anm. 25-26; 336 Anm. 195 F 19 40 Anm. 111; 80 Anm. 24; 328 Anm. Anm. 148

,

27i

.

Anm.

53

71,242 Anm. 64; 272

70; 327 124 124 111; 331

Ambaglio F 20 48-49 Anm. 18; 76-77 Anm. 6 Otto Fr 184 Anm. 46; 2 79 Anm. 20; 3 79 Anm. 20; 4-5 84 Anm. 46; 6a 79 Anm. 15; 79 Anm. 20: 7 78 Anm, 10; 78 Anm. 17; 81 Anm. 29; 9 84 Anm. 46; 10a 79

Anm. 13; 79 Anm. 20; 10b 79 Anm. 20; 12 79 Anm. 20, 16 79 Anm. 20; 17 84 Anm. 46; 25b 79 Anm. 13; 79 Anm. 20; 26b-c 79 Anm. 20; 29a 79 Anm.

13; 79 Anm. 20; 29b 79 Anm. 20; 29c 79 Anm. 20; 30 79 Anm. 20; 80 Anm. 23; 31 79 Anm.

15; 37b 80

Anm. 23; 37c 80 Anm. 22; 41-67 86 Anm. 55; 42 79 Anm. 20; 85 Anm. 46; 44 79 Anm. 13; 79 Anm. 19: 45a-176 Anm. 5; 45h 79 Anm. 20; 46a 80 Anm. 22; 46b 80 Anm. 22; d6c 80 Anm. 22; 46a-e 76

Anm, 5; 46e 80 Anm. 23; 50 79 Anm. 13: 79 Anm. 19: 51 80 Anm. 22; 52 79 Anm.

[3; 79 Anm.

19; 53

79 Anm. 19; 54 79 Anm. 19; 60 79 Anm. 19; 653 77 Anm. 9: 65b 77 Anm. 9; 66a 80 Anm.

22; 66b 80

Anm. 22; 73 79 Anm. 20; 78-140 86 Anm. 55; 78 78 Anm. 12; 80 Anm, 21; 57 Anm. 58; 79 79 Anm. 15; 83 79 Anm. 13; 80 Anm. 23; 84 79 Anm. 13: 79 Anm, 19; 86a 85 Anm. 46; 91 79 Anm. 15; 95a 70 Anm. 20; 96c 80 Anm. 22; 97a 80 Anm. 22; 100 80 Anm. 21; 101 80 Anm. 23; 103b 37 Anm. 58; 103bc 73 Anm. 12; 103c 80 Anm. 21; 87 Anm. 58; 104 79 Anm.

15; 106a-b 79 Anm.

15; 107b-c 79 Anm.

15; 108b-c 79 Anm. 15; 109 80 Anm. 22; 116a 80 Anm. 22; 116b 80 Anm. 22; 116d 80 Anm. 22; 120 79 Anm. 13; 79 Anm. 20; 124a 77 Anm. 9; 124b 77 Anm. 9; 131a 85 Anm. 46; I34b 80 Anm. 22; 134c

80 Anm, 22; 137 80 Anm. 23: 140 79 Anm. 13; 79 Anm. 19; 141 79 Anm. 19; 142 79 Anm. 19; 143 80 Anm. 21; 146b 80 Anm. 22; 151 80 Anm. 23; 152 79 Anm. 15; 153 80 Anm. 22; 156a 79 Anm. 15; 159 79 Anm. 19; 163 79 Anm. 13; 79 Anm. 20; 171 79 Anm. 13; 80 Anm. 23; 173 80 Anm. 21; 175a 79 Anm. [9; 175b 80 Anm. 21; 178a 79 Anm. 29; 80 Anm. 23; 178b 79 Anm. 20; 179 87 Anm.

58; 182

79 Anm, 13; 79 Anm. 19; 184a 79 Anm. 20; 184b 79 Anm. 13; 79 Anm. 20; 187 80 Anm. 24; 189 80 Anm. 23; 191 79 Anm. 13; 79 Anm. 20; 194 79 Anm. 20; 200 80 Anm. 22; 210 79 Anm.

20,

68; 389

13; 79 Anm.

19;

211 80 Anm. 23; 214 80 Anm. 25; 215 80 Anm. 22; 217a 80 Anm. 23; 219 79 Anm. 20; 220 79 Anm. 13; 80 Anm. 23; 231 79 Anm. 13; 79 Anm. 19; 234

447

I. Quellen

79 Anm. 20; 238b 79 Anm, Anm. 23: 257 81 Anm. 28

15; 242 79 Anm.

13; 80

Palimpsest Cod Vat. Gr. 2306 49 Anm. 20; 49 Anm, 24

345 Anm. 269; 2,72,1 67 Anm. 46: 2,72,2 24 Anm. 26: 3,48 340 Anm. 221; 4,5 25 Anm. 32; 4,6 309 Anm. 47; 4,9.2 24 Anm. 26; 4,13 300 Anm. 47; 4,13,3 350 Anm. 306; 4,21,3 236 Anm. 36; 4,32 256

Anm. 65; 4,34,4 235 Anm. 32; 4,36 24 Anm. 30;

Chrestomathie GGM 2,529. .636 388 Anm. 25

318 Anm. 28; 4.53.2 67 Anm. 46; 15,37 34 Anm. 85

Suda Adler A20 s.v. Ἄβας

Tatian or. ad Graec. 20,2 372 Anm. 63

A A ἃ A A A E

1129 1927 2705 4412 1151 1173 3930

s.v. s.v. s.v. s.v. s.v. s.v. s.v.

68 Ànm. 51

᾿Αλέξανδρος ὁ Μιλήσιος 226 Anm. 12 ᾿Ανακυνδάραξος 104 Anm. 83 ᾿Αντίπατρος 261 Anm. 4 Αὔγουστος Καῖσαρ 366 Anm. 37 Διόδωρος 202 Anm. 3 Διονύσιος 48 Anm. L1 Ἔφιππος 132 Anm. 26

E 3363 s.v. Εὐαγόρας 229 Anm. 3 Z 130 s.v. Ze Aog 217 Anm. 1 I 52 s.v. Ἰάσων 130 Anm. 16; 168 Anm. 16 O 139 s.v. Θεοδέκτης

66 Anm. 20

[1 139 s.v. Παμφίλη 66 Anm. 44 I1 1941 s.v. Πολύβιος 17 Anm. 4; 41 Anm. 113; δὶ Anm. 30; 145 Anm. 3 TI 2107 s.v. Ποσειδώνιος, ᾿Απαμεὺς 166 Anm. 5; 167 Anm. 9 I12108 s.v. Ποσειδώνιος, ᾿Αλεξανδρεύς 166 Anm, 5

I1 2109 s.v. Ποσειδώνιος, Ὁλβιοπολίτης 166 Anm.

5 E710 s.v. Σκύλαξ 156 Anm. 48 £ 1155 s.v. Στράτων, ᾿Αμασεύς, φιλόσοφος 9 Anm. 2; 17 Anm. 3; 41 Anm. 113 X 1184 s.v. Στράτων, κωμικός 41 Anm. 113 € 1185 s.v. Στράτων, Aouyaknvés 41 Anm. 113 £ 1187 s.v. Στράτων, ᾿Αμασεύς, φιλόσοφος 4l Anm. 113 T 588 s.v. Τιμαγένης 229 Anm. 4; 240 Anm. 54

hist. 1,31 370 Anm. 53

Telephas von Pergamon FGrHist 505 278 Anm. 6 Tertullian

De anima 46 46 Anm. 6; 133 Anm. 31 Apol. 19,5-6 66 Anm. 39 Teukros FGrHist 274 238 Anm. 45 Thallos FGrHist 256

T 1 66 Anm. 42-43: T 3 66 Anm. 38-39; T 4a-c 66 Anm. 38

F165 Anm. 37; F 1-8

65 Anm. 37; F 2 66 Anm.

4l; F 2-8 66 Anm. 40

Theodektes von Phaselis FGrHist 113 T 1 62 Theodoros von Rhodos FGrHist 230 F 1 61 Anm. 12; 64 Anm. 31

Theophanes von Mytilene FGrHist 188 T 3a 172 Anm. 32 F 7 321 Anm. 56 Theophrast Fortenbaugh Historika Hypomnemata Fr. 196 A-B 62 Anm. 18 FGrHist 737 F 1 62 Anm. 18 FOrHist 840 F 24 62 Anm. 18 Theopomp von Chios FGrHist 115 246 Anm.

19; F 75c 102 Anm, 68; 75d 102 Anm. 66

C. Sulpicius Galba FGrHist 92 52 Anm. 33

Tibull 1,6,19-20 376 Anm. 81; 1,10,29ff 376 Anm. 8l

Sueton Vitae

Timagenes FGrHist 88 T 1-11 229 Anm. 2; 1 229 Anm. 4; 231 Anm. 10, 2

Aug. 21 308 Anm. 44; 29 301 Anm. 24; 30 366 Anm. 35: 367 Anm. 43; 30,2 300 Anm. 18; 55-56 235

Anm. 29; 67,2 65 Anm. 37; 85,1 264 Anm. 15; 100,9 302 Anm. 29 Claud. 41,1f 235 Anm. 31 Dom. 10 375 Anm. 77 Tib. 26 309 Anm. 47; 32 309 Anm. 47; 37 24 Anm. 30; 318 Anm. 28; 61.3 236 Anm. 33; 62,1-2 24 Anm. 26

230 Anm. 5; 230 Anm. 7; 231 Anm.

10; 232 Anm.

18: 233 Anm. 25: 236 Anm. 35; 240 Anm. 57; 3230 Anm. 8: 231 Anm. 10; 232 Anm. 18; 236 Anm. 35; 240 Anm. 57; 5 230 Anm. 6; 6 240 Anm. 57; 7 240 Anm. 58; 8 230 Anm. 9; 237 Anm. 40; 9 237 Anm.

41; 238 Anm. 44; 10 240 Anm. 56; 11 229 Anm. 3 F 1231 Anm. 10; 232 Anm. 16; 2 229 Anm. 2; 232 Anm.

14; 232 Anm.

17; 240 Anm. 53; 240 Anm. 58;

De gramm. 20 226 Anm, 12

3 231 Anm. 11; 240 Anm. 55; 4 231 Anm. 11; 233 Anm. 20; 5 231 Anm. 11; 233 Anm. 21; 242 Anm.

Tacitus

64; 272 Anm. 59; 6 233 Anm. 22; 7 232 Anm. 14; 232 Anm. 17; 9 231 Anm. 11; 238 Anm. 42; 11 232

ann. 1,9-10 235 Anm. 29; 1,72,3 236 Anm. 36; 1,76,2 312 Anm. 60; 2,1 308 Anm. 43-44; 2,41,2-3 24 Anm. 26: 2,42 24 Anm. 27; 2,43 352 Anm. 315; 247 23 Anm. 23; 2,56 23 Anm. 25; 2,56,1-3 345 Anm. 269; 345 Anm. 270; 2,56,2 308 Anm. 41; 2,64

Anm. 14; 232 Anm. 17; 242 Anm. 63; 12233 Anm. 24; 242 Anm. 63; 13229 Anm. 2; 232 Anm. 17; 238 Anm. 42; 14-15 229 Anm, 2; 232 Anm. 14; 240 Anm. 53; 240 Anm. 58

448

VII. Register

Timaios FGrHist 566 3t9 Anm. 10; F 7 211 Anm, 49

Vitruv 1,1,3-10 224-5 Anm. 6; 6,1,10f 303 Anm. 32; 8,2,6-8 374 Anm. 74; 8,3,26-27 193 Anm. 142

Thukydides 1,3 144 Anm. 79

Xanthos FGrHist 765 267 Anm. 31

Trogus F 15 Scel 250 Anm. 34

Yerahmeel p. 367 Neubauer 389 Anm. 32

Valerius Maximus praef. 1,1 52 Anm. 36; 74 Ànm. 78; 2,10,5 184 Anm. 96; 8,15,6 183 Anm, 90

Yosiphon p. 15t Flusser 55 Anm. 45; 389 Anm. 32

Varro rust. 1,2,1 360 Anm. 7; 1,2,3-7 298 Anm.

Vegetius mil. 3,6 360 Anm, I1 Velleius Hist. 1,6,6 248 Anm. 26; 257 Anm. 73; 2,13,2 184 Anm.

96; 2,116,3 350 Anm. 306

1

Zenodotos FGrHist 19 F 1-2 64 Anm. 32-33; F 2 64 Anm. 34; F 3 64 Anm. 32

Zoilos von Amphipolis FGrHist 71

T 1156 Ànm. 47; 217 Anm. 1

2. Orts- und Personenregister

449

2. ORTS- UND PERSONENREGISTER Falls ein Ort oder eine Person auf einer bestimmten Seite und in einer zu dieser Seite gehörenden Anmerkung genannt werden, wird nur die Seite genannt; falls die Erwähnung nur in einer Anmerkung erfolgt, die Seite mit der Nummer der Anmerkung. Vgl. zu Erwähnungen antiker Autoren und bestimmter Stellen aus ihren Werken auch das Quellenregister. Aba 335 Abas 62, 68 Abbasiden 393 Abraham 270 Anm. 47 Abydos 141 Anm. 72, 284 Achaia (Achaier) 141 Anm. 72, 145, 148, 150, 210

Anm. 44, 286, 354 Achaia (Provinz) 311-312; 354

Acholla 374 Anm. 70 C. Acilius 350 Actium 80—81, 200, 230, 236-237, 244, 247 Anm. 23, 261, 274, 331, 333—335, 337-338, 341-342, 354 Adiabene 355 Adiatorix 342 Adobogione 330 Adramyttion 79 Anm. 19, 283

Ägypten (Ägypter) 32, 117, 121-122, 124 Anm, 12, 125, 197 Anm. 163, 202-203, 214, 221-222, 252, 262, 306 Anm. 39, 346, 352, 355, 393 Aelit Galli 350 Aelii Lamiae 350 Aelii Seiani 275, 35] Aelii Tuberones 275, 350 Sex. Aelius Catus 350 L. (?) Aelius Gallus (Práfckt) 18, 23, 30, 32-33, 36, 51, 95, 105, 230, 339, 346, 350-354, 361, 378 L. Aelius Lamia 350 L. Aeltus Seianus 51, 351-352 Q. Aelius Tubero 275, 350—351 M. Aemilius Lepidus (IIIvir) 203 L. Aemilius Paullus 91, 145, 152, 342 M. Aemilius Scaurus 61, 315 Aemilius Sura 223, 248 Anm. 26, 257 Aeneas Tacticus 69 Anm. 56, 74

Äthiopien (Aithioper) 11, 95, 109, 123, 136, 140 Anm. 66, 214, 222, 354, 360 L. Afranius 328

Africa (Provinz) 311, 350—352 Afrika (Afrikaner, Libycn) 140, 160, 167, 197 Anm. 163, 222, 310, 354 Agallis 67 Anm. 45

Agamemnon 118 Anm. 22 Agatharchides von Knidos 54, 127 Anm. 2, 130, 188, 198, 211-212, 214-215, 218-219, 221-222, 233, 379

Agathemeros 222

Agathokles 251

Agrippa (siehe M. Vipsanius Agrippa)

Agrippa Il, König 355 Anm. 320 Agrippina die Jüngere 61, 67 Aidepsos 78

Aigai 284, 286

Aigina 136, 141 Anm. 72 Ailian 50, 54, 146 Anm. 10

Pterre d' Ailly 397 Anm. 58 Ajneta 288 Aineas 176, 214, 330 Ainiates 18; 19 Anm. 9; 21 Atolis 141 Anm. 72, 222, 279 Ajolos [19 Aischines von Milet 324 Aischylos 143 Anm. 77, 389 Aisepos 107 Aisernia 316 Anm. 7

Aisopos, Enkomiast des Mithradates 238 Aitolien (Aitoler, Aitolos) 103, 136, 139, 143 Anm. 77, 341 2342 Akarmanien (Akarnanen) (36, 139, 141 Anm. 72, 143 Anm. 77, 341—342 Akesilene 321 Akragas 158 Anm. 57 Alazonen 123 Anm. 12 Albanien (Albaner) 23, 30, 173-174, 308, 321 Alchaidamnos, König der Rhambater 332 Alesia 203 Anm. 1L, 328 Alexander I. Balas 177, 286, 325 Anm. 97

Alexander van Ephesos 227 Alexander (der Große} 10, 13, 61, 65 Anm. 36, 8283, 94, 106, 108, 132-133, 143, 154, 169 Anm. 17, 200, 202, 206, 217—218, 239, 246, 249, 259, 277, 280, 288, 302, 305, 311, 324, 336-338, 343, 357, 378-379, 381, 385 Alexander Iannaios 270-272 Alexander von Kilikien 334 Anm. 179 Alcxander der Molosser 62 C. Alexander Polyhistor 71, 219 Anm. 13, 226-227, 269 Alexandreia (bei Ägypten) 14, 19, 27-29, 32-33, 35,

40, 55, 105, 146, 158 Anm. 57, 160, 166, 168, 183, 220, 237-238, 253, 261, 270, 272, 325 Anm, 97, 378 Alcxandreia (Troas) 288 Alexas von Laodikeia 230 al-Idrisi 392 Alliphae 316 Anm. 7 Alkaios 217

Alkibiades 61 Alkmaïon 141 Anm. 72 al-Ma' mun 392-393 al-Mas' udi 394—395 Alpen 159-160, 232 Anm. 14, 239 Anm. 51, 240 Anm. 56, 268, 332, 339, 347, 354, 358, 373 Anm. 68

450

VII. Register

Alpheios 84 Anm. 44 Alyattes 123 Anm. 12 Alyzia 108 Amaseia 10, 17, 19, 31, 44, 166, 253, 334, 336 Amazonen 99, 107, 123, 141 Anm. 72 Ambronen 317 Amlada 284 Ammianus Marcellinus 240 Amphilochos 107 Amphipolis 217 Amisos 19, 23, 26, 79, 309, 318, 330, 336, 342 Amulius 273

Amyntas 334 Anm, 179, 335, 340 Anacharsis 143 Anm. 76 Anaktorion 341

Anas 363 Anaxenor 105, 337 Anaximander 113, 120, 122 Anm. 6, 125 Anaximenes

von Lampsakos

134, 217, 232 Anm.

13, 246 Anm. 19 Anaxis 218 Anm. 4 Ancus Marcius 300 Andriskos (Ps.-Philippos) 150, 247—248, 286 Andromachos 268 Andron [03 Anm, 76 Andronikos von Rhodos 28 Jacopo d’ Angelo 397 Antaios 318

Ántigoneia (Bithynien) 288 Antigoneia (Syrien) 288 Antigoniden 278

Antigonos Monophthalmos 280, 286, 288 Antigonos (Sohn des Aristobulos) 80, 272, 336 Antigonos von Karystos 62—63 Antiocheia (in Pisidien) 353 Antiocheia (in Syrien) 33 Anm. 78, 63, 181, 262, 270, 288 Antiochis, Tochter des Achaios 290-291 Antiochos von Askalon 23, 40 Anm. 111, 189 Antiochos I. 279, 282, 288 Antiochos III. der GroBe 63, 84 Anm. 46, 150, 223, 239, 248, 270, 279, 283, 287, 305, 317, 325 Anm. 97 Antiochos IV. Eptphanes 84 Anm. 46, 231, 233, 268, 270--271, 284, 322 Antiochos V. 286 Antiochos VI. Epiphanes 177 Antiochos VII. Sidetes 179, 180, 182 Anm. 88, 270

Antiochos VIII. Philometor (Grypos) 169 Anm. 19, 181 Änttochos Hierax 182 Anm. 88

Antiochos IV. von Kommagene 334 Anm. 179 Antiochos von Syrakus 134, 138 Anm. 58, 141 Anm. 69 Antipater (Makedone} 65 Anm. 36, 246 Anm. 19 Antipater von Derbe und Laranda 335

Antipater, Sohn des Herodes 270 Antipater, Vater des Herodes 272 Antipater von Tarsos 189

Antipater von Thessalonike 352 Anm. 315 Antipatros, Vater des Nikolaos 261 Antonia, Tochter des M. Antonius 344 Antonia, Tochter der Pythodoris 345 C. Antonius Hybrida (cos. 63) 22, 327 M. Antonius 13,34 Anm. 82, 80, 183, 203, 207, 229— 230, 261, 274, 308, 314-317, 320-321, 324— 325, 331-338, 342-346, 349, 353-354, 381

Anyte 67 Anm. 45 Apama 288, 289 Anm. 64 Apameia am Orontes 63, 79 Anm. 13, 166-167, 177, 268, 279, 287, 307, 331 Apameia in Phrygien 330 Apellikon 184, 317 Apicius 183 Anm. 94 Apollodoros von Artemita 29, 96, 239 Anm. 48-49 Apollodoros von Athen 102, 116, 119, 124, 138— 139, 141, 142 Anm. 73, 176 Anm. 50, 220

Apollodoros von Pergamon 279, 346 Apollon 100, 319 Apolionia 288, 319, 353, 374 Anm. 70 Apollonios Molon 190 Anm. 123 Apollonios von Nikaia 71 Anm. 68 Apollonios Rhodios 117 Anm. 16, 389

Apollonis, Frau Attalos I. 291 Apollonis, Stadt 294-295 Appian 11-12, 52, 54 Anm. 41, 71, 78 Anm. 12, 79, 85-88, 151, 185, 191, 201 Anm. 178, 249, 264 M'. Aquilius 294, 297 Arabien (Araber) 11, 30, 222, 339 Anm. 215, 354, 361, 386, 391, 394 Arados 260 Arae Philainorum 108 Aragos 321 Aratos von Sikyon 61 Anm. 12, 91, 145 Araxes 123 Anm. 12 Archedemos 189 Archelaos (Stratege) 20, 185, 317 Archelaos, Sohn des Herodes 346

Archelaos (Oberpriester Komana) 323

Archelaos, Kónig von Kappadokien 24, 263, 265, 306, 334 Anm. 179, 335, 345 Areios Didymos 27, 189 Aretas (Nabatäer) 322 Arethas von Kaisareja 388 Arganthonios von Tariessos 123 Anm. 12 Argonauten 116 Anm. 7, 117 Artarathes TV., König von Kappadokien 284, 291 Ariarathes V., König von Kappadokien 295 Arier 143 Ariobarzanes I. Philorkomaios 335 Ariobarzanes, Sohn des Artavasdes 356 Argonauten 117 Arion von Methymna 123 Anm. 12 Aristagoras von Milet 221 Aristarchos von Samothrake 26, 115, 116 Anm. 7, 118, 141, 156, 220 Aristeides (Maler) 32

Ansteides 193

2. Orts- und Personenregister Ailios Aristeides (Rhetor) 54, 276 Aristion 184-185, 316 Aristodama von Smyrna 67 Anm. 46 Aristoxenos von Tarent 62-63, 71 Aristobulos 104-105 Aristobulos I. (Hasmonäer) 233, 271-272 Aristobulos II. (Hasmonáer) 106, 231, 322 Aristodemos von Elis 71 Anm. 68 Aristodemos, Sohn des Menekrales 26 Aristodemos von Nysa der Altere 323 Aristodemos von Nysa der Jüngere 27, 323 Ariston (geog. Autor) 32 Ariston von Rhegium 84 Anm, 44 Artstonikos (Grammatiker) 118 Anm. 23 Aristonikos (Eumenes III.) 179, 277, 279—280, 289, 291-297 Aristopatra 289 Artstophon 65 Anm. 36 Aristoteles 40, 43, 62, 125, 143-144, 156, 189,21 L,

261, 264, 285, 317, 394, 397 Arkadien 149 Anm. 23, 158 Armenien (Armenier) 24, 85 Anm. 46, 180, 252 Anm. 45, 260, 293, 308, 321, 333-335, 342, 344—345, 348, 356, 360—361, 363 Arminius 348 Am. 296 Arrian 49, 146 Anm. 10, 258 Anm. 77 Arrianos (Dichter) 278 Anm. 6 L. Arruntius 235 Arsakes I. 84 Anm, 46, 245 Arsakes, Sohn des Pharnakes 334 Arsinoe II. 281, 286, 288, 289 Anm, 64, 325 Anm. 97

Arsinoe IV., Schwester Kleopatras VII. 312, 326 Anm. 103, 335 Arsinoe (Stadt) 288 Artagira 38 Anm. 102, 348 Anm. 295

Arnapanos 130 Artavasdes von Armenien 333 Artemidoros von Ephesos 28-29, 47, 51, 72, 77, 84 Anm, 44, 113, 138-142, 164, 167, 186, 214, 220-223, 379 Artemon 67 Anm, 45 Artemon von Magnesia 67 Anm. 45 Arupiner 339 Arverner 315 Asander 330, 344 Asia (Provinz) 184, 221, 277, 279, 291—292, 296297, 311, 332, 342 Asien 121-122, 136, 153, 159, 162, 202, 215, 221222, 239, 253, 259, 303, 305, 307, 310, 345, 354—355, 375-376, 394 Asinius Pollio 36, 77, 88-89, 97, 201 Anm. 178, 229-230, 235-236, 242, 264, 302, 328, 329 Anm. 124, 332 Asinius Pollio von Tralleis 61 Anm. 12 Asklepiades voa Athen 141

Asklepiades von Myrlea 74 Anm. 77, 118 Asklepieion 288 Asophon 233, 271 Anm. 53

451

Asopos 123 Anm. 12 Aspordenon 285 Aspurgos 343

Assyrien (Assyrer) 11, 214, 223, 249—250, 254, 257, 259, 267 Astakos 288 Asturrer 249

Athen (Athener) 27-28, 40, 104, 134, 167—169, 185, 203 Anm. 10, 207, 209, 261, 278, 286, 288, 309, 316, 319 Athenaios (Sohn Attatos 1.) 286, 290 Athenalos von Altalcıa 194

Aihenaios von Naukratis 44, 48, 50, 56, 71, 150, 163, 170, 175, 177-178, 182, 184—185, 188, 190191, 194—195, 199, 232 Anm. 13, 263 Athenaios von Seleukeia 343, 346 Athenion 184-185, 187-188 Athenodoros von Tarsos 28, 326, 330, 346 Aihos 396 Attaleia 289

Autalidenreich (-kónige) 13, 84 Anm. 46, 186, 277— 297, 306 Aum. 39, 307 Attalos I. 278-280, 282, 283-284, 286, 290—291, 297 Attalos II. 220, 279—280, 282-287, 289-290, 203— 294 Attalos ΠῚ. 65 Anm. 35, 148 Anm. 18, 277, 279280, 283-284, 286, 289-294, 296 Atropates 345 Attika 179 Attis 287 Augusta Emerita 340 Augusta Praetoria 339 Augustinus 129 Anm. 14, 195, 383 Augustus (Octavianus) 10, 13, 24, 26 Anm. 35, 27, 33-34, 39, 65 Anm. 37, 80, 108—109, 154, 183, 200-203, 207, 218, 229-230, 232, 234-237, 239, 244-245, 247, 255, 258-259, 261, 263264, 270, 273-275, 280, 237, 300 Anm. 18, 301-302, 304-309, 314-317, 319—320, 324— 325, 327-328, 330-333, 336—349, 351-360, 365-366, 368, 375, 377-378, 381, 394 Aurelian 246 Anm. 15

Giovanni Aurispa 396 Autolykos 318 Autun 374 Avernersee 141 Anm. 69, 347, 369 Anm. 48 Awaren 387 Anm. 21 Axios 388

Axiothea 67 Anm, 45 Babylonien (Babylonier) 11, 267, 385 Bactica (Provinz) 311, 340 Baetis (Stadt) 328-330 Bagdad 393 Baktrien (Baktrer) 30, 252 Anm. 45 Balbilla 67 Anm. 45 Basilios von Kaisareia 389 Basilis 219 Anm. 10

452

VII. Register

Bastarner 30 Baton von Sinope 232 Anm, Beda Venerabilis 383, 392 Martin Behaim 398 Belger 328

13

Jacopo Bellini 397 Belos [07 Berenike I. 105 Berenike IV. 323, 326 Anm. 103 Berenike (Stadt) 325 Anm, 97 Berossos 267 Berytos 322, 347, 369 Anm. 48 Bessarion 396

Bilbilis 317 Billaros 318 Bion 219

Flavio Biondo 396 Bithynicn (Bithyner) 142, 222, 284, 203, 334, 336 Boa 281 Anm. 16, 286 Bocthius

195

Boethos von Sidon 28 Boethos, Stadtherr von Tarsos 337, 346 Bogos, König von Mauretanien 334, 347 Boier 367 Anm. 40 Boiotien (Boioter) 95, 106, (42 Bokchos, Kónig von Mauretanien 334 Bonaventura 73 Anm, 71 Borysthenes (Dnepr) 122 Ánm. 6

Bosporos (bosporanisches Reich) 29, 35, 343-345 Britannien (Britannier; britische Inseln) 30, 162, 203 Anm. 11, 311 Anm. 51, 328, 341, 355, 376 Anm. 80 Brogitaros 323 Brukterer 347 Brundisium (Brindisi) 30-31, 374 Anm. 70 D. Brutus 332 Buchetia 295 Domenico dt Leonardo Boninsegni 397 Burchanis 347, 348 Anm. 294 Burebistas 329 Buthrotos 342 Byblos 322 Byzanz (Byzantiner) 158, 160, 287, 379, 385-390

Lucius Caesar 301, 347 Calgacus 256 Caligula, Kaiser 312, 345 Cn. Calpurnius Piso 30 Anm. 51, 51, 351-352 P. Canidius Crassus 333 Cannae 150 Cappadocia (Provinz) 306 Anm. 39, 312 Capua 362 Carrhae 38 Anm. 102, 111, 345 Carthago nova 158 Anm. 57, 160 Isaac Casaubonus 398 Cassiodor 50, 246 Anm. 15 Cassius 167, 331 Cassius Dio 12, 52, 57, 201 Anm. 178, 209, 254, 313, 393 Anm. 42 Cassius Severus 236

M. Porcius Cato der Ältere 74 M. Porcius Cato der Jüngere 21, 168, 312, 325-327,

329, 353 Chaironeia 20, 106, 133 Anm. 34, 316 Chalastra 288 Charax (Stadt) 372 Charon von Karthago 67 Anm. 45, 232 Anm. 13 Charon von Lampsakos 90, 134

Charon von Naukratis 218, 232 Anm. 13 Chatten 348 Anm. 296

Cheops 107 Anm. 107 Cherusker 348 Anm. 296 Chilon 68 Chios (Chioten) 31, 170, 179, 184 Choirilos 104 Chrysippos 116 Anm. 14, 189, 192 M. Tullius Cicero 27, 41, 61 Anm. 12, 69, 75, 129,

147, 167-168, 171, 181, 184, 189—192, 194, 199, 223-225, 247, 299, 315, 325 Anm. 97, 326-327, 353, 364 L. Cincius 359 Claudia Trophime 67 Anm. 45 M. Claudius Marcellus (cos. 222) 173 Anm. 39, 187, 194

M. Claudius Marcellus (cos. 166) 178 Anm. 66 M. Claudius Marcellus (cos. 51 v. Chr.)

167,

173

Anm. 39 M. Claudius Marcellus (+ 23 v. Chr.), 301, 302 Anm.

Caecilia Trebulla 67 Anm. 45 L. Caccilius Dalmaticus

181

28, 347, 349 Claudius, Kaiser 235, 376 Anm. 80

Q. Caecilius Bassus 331

Clemens (von Alexandreia?) 232 Anm. 13

Q. Caecilius Metellus Numidicus 317

Clodius Licinus 235

Q. Caccilius Metellus Pius 317 C. Caesar 38 Anm. 102, 301, 347-348, 361 C. lulius Caesar 13, 27, 34 Anm. 82, 38 Anm. 102, 61. 77, 80, 88-89, 97, 111, 168—169, 183, 186, 200-201, 203—204, 206, 209-210, 226, 232, 242-243, 245, 247, 249, 253, 256, 264-265, 268, 272-273, 301, 309, 312, 314-317, 320, 324-332, 336, 338, 341, 349, 351, 353, 359, 361, 364, 367—368, 376, 380-381 C. Iulius Eurykles 346 C. lulius Hyginus 74, 244—245, 246 Anm. 15

P. Clodius Pulcher 312, 320, 325—327, 353 Coelius Anüpater 150, 300, 350 Commagene (Provinz) 312 Anm. 61 Comum 324, 329-330 Corbulo 360 L. Cornelius Balbus 302, 332, 361 P. Cornelius Dolabelia 331—332 Cornelius Galtus 33, 346 Cornelius Nepos 74, 176 Anm. 50, 223, 232 Anm. 13, 359

2, Orts- und Personenregister

Cornelius Lentulus (Patron des Alexander PolyhiL.

P. P. P.

stor} 226 Cornelius Sulla Felix 13, 27, 77, 169, 185-186, 198, 200, 204, 210, 226-227, 268, 314-317, 323-324, 327, 331, 361 Cornelius Lentulus 360, 363 Cornelius Lentulus Spinter 364 Anm. 24 Cornelius Scipio Africanus maior 61 Anm. 12, 9], 150, 152

P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Numantinus 91, 145, 148 Anm. 18, 152, 177, 186, 209, 315

P. Comeltus Scipio Nasica Corculum 61 Anm, 12 P. Cornetius Scipio Nasica Serapio 181 P. Cornelius Scipio Nasica (Gegner Caesars) 329 L. Cornificius 302 Cremutius Cordus 88, 235-236, 275 Flavius Cresconius Corippus 55 Creta und Cyrenae (Provinz) 311 Critognatus 256 Curtius Rufus 54, 83, 240, 246 Anm. [5 Cyprus (Provinz) 311 Cyriacus von Ancona 396-397 Dalmatia (Provinz) 311-312, 354 Damaskos 106, 166, 253, 261, 270 Anm. 47, 272, 322 Damasıes von Sigeion 90, 102 Damo 67 Anm. 45 Damophilos 178 Danala 32! Daniel 385 Daphitas 285 Dardanos 316-317

Dareios I, 104, 107, 122-123, 196 Dareios, Enkel des Mithradates 334 Daulios 141 Anm. 69

Deimachos (Daimachos) von Plataiai 71 Anm. 68, 94. 101, 123 Anm, 12, 142-143 Anm. 75, 217 Deiotaros 323, 331, 334

Deiotaros Philadelphos 306 Anm. 39, 335

453

Demosthenes 112, 247 Diaios 150 Dicuil 366 Anm. 34, 343, 392 Didymos 359 Diegylis 199 Anm. 171, 279, 287 Dietrich von Deutz 385 Dikaiarcheia 30 Dikaiarchos 114, 125, 130, 161 Diodor von Agyrıon 12, 50, 52, 55-57, 66, 69, 74, 80, 83, 101, 121, 127-129, 131, 634-135, 137, 150, 152, 155, 170, 176, 178, 180-181, 186,

190, 194, 200-217, 222, 231, 234, 249-251, 253, 255, 267, 268, 289, 393 Anm. 42 Diodoros Pasparos 279, 280 Anm. 11 Diodoros d. J. von Sardeis 26, 351 Diodoros Zonas 351 Diodoros (Histortker) 61 Anm. 12 Diodotos Trvphon 79 Anm. 13, 319 Diogenes Laertios 70 Anm. 67, 74 Anm. 77, 195 Diogenes von Seleukeia 141, 189 Dion von Prusa 276 Dionysios Atticus 279 Dionysios von Halikarnassos 51, 54, 57, 93, 124, 157, 176 Anm. 50, 192, 203, 213, 215, 233234, 238-239, 257, 263, 266, 273-276, 298300, 350-351 Dionysios Metathemenos 232 Anm. 13 Dionysios Perihegetes 47, 227, 387, 389-390 Dionysios der Jüngere von Syrakus 64 Dionysios Thrax 27 Dionysodoros 218 Anm. 4 Dionysos 108, 317, 203 Anm. Il Diophantos 219 Anm. 10 Diospolis (siche Kabeira) Diylios 130 Dodona 141 Anm. 72 Domitian, Kaiser 375 Cn. Domitius Ahenobarbus (cos. 122) 315 Cn. Domitius Ahenobarbus (cos. 32) 38 Anm. 102, 332 Dorothcos 62 Anm. 19

Dekaineos 329

Dorylaos der Ältere 18-19, 139 Anm. 64

Q. Dellius 77, 85-89, 333, 337 Delos (Delier) 20 Anm, 11, 179, 278, 286, 320 Delphi 278, 286 Demades 61 Anm. 12, 169 Anm. 17 Demetrios (Autor 3, Jh. v. Chr.) 232 Anm, 13 Demetrtos I. 286

Dorylaos der Jüngere 18-21, 43, 323 Drusus der Äitere 23, 34 Anm. 82, 108, 328, 338339, 341, 347-349, 351 Drusus der Jüngere 24-25, 306-307, 348-349 C. Drusus 235 C. Duilius 204 Anm. 13 Duris von Samos 156, 198, 242 Anm. 60 Dyme 321, 342 Dynamis 343-344 Dyteutos 342

Demetrios II. Nikator 177 Demetrios von Kallatis 218,

219 Anm.

[Ὁ

Demetrios von Phaleron 61 Anm. 12, 69 Ánm. 56, 195

Demetrios von Pharos (illyr. Dynast) 256 Anm. 63 Demetrios Poliorketes 65 Anm. 36, 364

Demetrios von Skepsis 84 Anm. 44, 115-116, 124,

214, 278 Demo 67 Anm. 45

Demokritos von Abdera 71 Anm. 68, 114, 125 Demophilos 133

Ebstorf (Karte) 385 Eburonen 34 Anm. 82, 111 Elaia 233 Elaiussa 335 Elbe 30, 341, 355 Elephantine 109, 124 Anm. 12

454

VII. Register

Elts (Eleier) 104, 139, 149 Anm. 23 Elisabeth, Kónigin 364 Anm. 29 Empedos 61 Anm. 12 Emporion 146

Q. Fabius Maximus Aemilianus 108 Q. Fabius Maximus Allobrogicus 315 Q. Fabius Maximus Cunctator 187, 194 Q. Fabtus Pictor 74 Fannius Caepio 343

Ennius 243 Epaminondas 131, 217 Ephesos (Ephesier) 107 Anm. 292-294, 336

Faustus (Münzmeister |. Jh.) 364

107, 221, 287-288,

Ephoros von Kyme 12, 55, 59, 78, 80, 84, 86, 90, 100, 103, 109, 113, 114, 121, 124-125, 127144, 150, 152-155, 159, 161, 165, 175, 177, 179, 182, 189, 192-193, 197, 205, 208, 211212, 214-218, 220, 222, 225, 231, 240-241, 248, 250, 252, 259, 267, 269, 379, 386 Ephyra 295 Epidauros 105

Epiros (Epiroten) 222, 311, 342 Epiktet 54 Anm. 4} Epikur 189 Eratosthenes 13, 27, 47, 90, 95-97, 103, 113 Anm. 140, 114, 116, 118-120, 125, 143-144, 156, 159, 161-164, 186, 193, 215, 220-221, 240, 356, 379, 386 Erastos 61 Anm. 12

Eretria (Eretrier) 103, 123 Anm. 12, 124 Erinna 67 Anm, 45 Erythras 107 Eryx 214 Etrusker 177 Euagoras von Lindos 229 Euagrius 50

C. Flavius Fimbria 316

Florenz 397 Florus 86, 129, 201 Anm. 178 Forum Iulii 339 Iulius Frontinus 74, 246 Anm. 15 Fronto 70

Frutolf von Michelsberg 384 Q. Fufius Calenus 364 Anm. 24 L. Furnius 235 A. Gabinius 22, 46, 229, 271, 323, 325 Gades (Gaditaner) 103,140, 355, 373 Anm. 70 Galatia (Provinz) 35

Galatien (Galater) 23, 85 Anm. 46, 282, 284, 291, 293, 323, 331, 335-336 Galen 41, 43, 69, 189, 191, 194, 199 Gallia (Provinz) Aquitania 311, 340 Belgica 3i 1, 340 Cisalpina 158 Anm. 58, 330 Comata 253

Lugdunensis 311, 340 Natbonensis 146, 160, 243, 255, 260, 31 1-312, 315,

Euander 299 Anm. 8, 300

Euboia 78 Eudoros 32 Eudoxos von Knidos 164 Eudoxos von Kyzikos 97, 114, 124-125,

225, 386 Euhemeros 102 Eumenes (Vater Eumenes I.) 290 Eumenes I. 282, 290 Eurnenes II. 118 Anm, 22, 278—280, 297 Eumenius 374 Eunapios 70 Eunomos 84 Anm. 44 Eunus 295 Anm. 88 Eupatoria (Magnopolis) 324 Euphorion von Chalkis 51 Anm. 32, Euphrat 29, 215 Anm. 70, 259, 307, 356, 368, 394 Euphrosyne 67 Anm. 45 Eupolemos 232 Anm. 13 Euripides 64 Europa 122, 136, 162, 202, 303, 310, 375-376 Eusebios 131, 195, 202 Eustathtos von Thessalonike 390 Euthyrnenes 123

Favorinus von Arelate 74 Francesco Filelfo 396

159, 196,

282-287, 291,

62-64 332, 335, 345,

355-356, 372,

340, 354 Transalpina 239 Anm. 51 Gallien (Gallier) / Kelten 28 Anm. 47, 108, 111, 136, 140 Anm. 66, 158 Anm. 60, 158-160, 162,167, 175, 177, 181, 186-188, [97, 199, 215, 222, 232, 240, 243, 249, 252-254, 304—305, 328, 340—341, 347, 354, 358, 363 Anm. 19, 369 Ganges 106 Garamanten 332 Gareskos 288 M. Gavius Apicius 183 Gaza 272 Gazelonitis 323 Aulus Gellius 74 Anm. 77, 227 Geminos 147 Genesios 389 Genua 385 Georgios Gemistos Plethon 388, 396 Georgios Monachos 389 Gepaepyris 345 Anm. 269 Gergitha 283 Gergovia 328 Germanicus 13, 23, 25, 34-35, 38, 108, 245, 300 Anm.

18, 306-309, 328, 338—339,

341, 345,

347—349, 361, 368 Gerrnanien (Germanen) 30, 34, 39, 111, 175, 181, 186, 253, 306, 341, 354-355, 358, 368—369

Gerros (Samuri) 122 Anm. 6

2. Orts- und Personenregister

Gervasius von Canterbury 385 Geten (Tyregeten, Getodaker) 30, 329, 340 Gindaros 333 Gog (und Magog) 395 Gorgonen 102 Gortyn 19, 325 Anm. 97 Granikos 107 Gregor von Nazianz 389 Gregorio Tifernate 397 Griechenland (Griechen; Hellas) 48, 95, 98, 134, 136, 138, 150, 153, 162, 175, 177, 222, 253, 262, 268, 288, 305, 311, 354 Guarino Guarini Veronese 397 Guido von Pisa 384 Gyaros 31-32, 342 Gyges 110 Hadrian 6} Anm. 12 Halikarnassos 107, 126 Halys 123 Anm. 12, 305 Halyzonen 116 Anm. 8 Hannibal 158, 236, 239, 305, 307, 317 Harpales 169 Anm. 17 Harpokration 44, 48, 50 Hasdrubal 150 Hasmonäer 172 Anm. 34, 180, 231, 233, 238, 263, 210, 273 Hegesias von Magnesia 193, 234 Hekataios 28, 102, 113, 120, 122 Anm. 6, 125, 134, 163, 255 Hekataios von Abdera 215, 219 Anm. 19 Heïlanikos 68, 101—102, 123 Anm. 12, 125, 134, 267

Heliopolis 32 Anm. 75 Helvetier 328 Hemeroskopeion 317 Hephaistos 123 Anm. 12 Herakleides Lembos 218-219

Herakleides von Magnesia 233 Herakleia 117 Anm. 16, 342 Herakleion 333 Herakles 108, 117, 203 Anm. 11, 206, 290 Hereford (Karte) 385 Hermippos von Smyrna 63 Hermogenes von Tarsos 54

Hermos 123 Anm. 12 Herodes (Archon in Athen) 203 Anm. 11 Herodes (Judiia) 38 Anm. 102, 61 Anm. 12, 80, 183, 261—273, 334 Anm. 179, 336, 346, 349 Anm. 303 Herodot 11, 28, 68, 86, 101-102, 109-110, 121-126, 127 Anm. 2, 131, 134, 137, 139 Anm. 63, 161, 163, 177, 192-193, 197, 225, 240, 252-254, 257, 393 Anm. 42, 397 Hesiod 102, 129

Hesperiden 102 Hesychios von Milet 44, 50, 232 Anm. 13 Hierapolis am Mäander 31

Hieronymus (Kirchenvater) 195, 383 Hieronymos von Kardia 84 Anm. 44, 205, 218, 242

Anm. 60, 248

455

Hieronymos von Rhodos 62, 64, 71 Hillel 265 Himyar 339 Anm. 215 Hipparchia 67 Anm. 45

Hipparchos 27, 95, 97, 113-116, 156, 159, 161, 164, 186, 193, 379 Hippokrates 123 Hippolytos 131 Hispalis 329-330 Hispaniae (Provinzen) 311 Homer 11, 43, 98-100, 102, 112-113,115-120, 132, 143-144, 386, 389-390, 394 Julius Hononus 359 Anm. 3 Horaz 120, 350, 353 Q. Hortensius Hortalus 22, 326 Hugo von Fleury 384 Hugo von St. Viktor 384 Hybreas von Mylasa 332 Anm. 164, 334 Anm. 179 Hypanis 122 Anm. 6

Hypakyris 122 Anm. 6 Hyperborecr 123 Hyrgis (Donez) 122 Anm. 6 Hyria 123 Anm. 12 (Johannes) Hyrkanos II. 272, 322, 329 Hyrkanien 30 lamblichos von Emessa 332 Iapoden 338 lapyger 141 Anm. 69 Jaqut 395 Anm. 50 Jason von Nysa 130 Anm. 16, [68 Iberien (Iberer) im Kaukasus 23, 30, 173-174, 308, 321, 333, 355 Iberien (Spanien, Iberer) 108, 146, 150, t58-160, 162, 167, 175, 178 Anm. 66, 181 Anm. 83, 183, 187, 197, 215, 222, 243, 252, 305, 317, 320, 324, 328, 354, 358 Ibn Hauqual 394 Ibn Ishag 393 Idanthyrsos 123 Anm. 12 Idumea 334 Anm. 179 Jerusalem 78, 172 Anm. 34, 231 Anm. 11, 233, 261, 266, 322, 383, 392 Tkarios 141 Anm. 69 Ilerda 328 Illyricum (Provinz) 311—312, 370 Illyrien (Ilyrer) 305, 370 Imandes 108 Anm. 108 Indien (Inder) 11, 30,33 Anm. 78, 95, 106, 103, 136, 143, 214, 222, 233, 239, 242 Anm. 63, 252 Anm. 45, 259, 270, 345, 355, 397 Johannes Katrarios 390 Johannes Philoponos 386 Johannes Tzetzes 390 Iol (Kaisare1a) 346 Ionien (Ioner) 222 Jordanes 246 Anm. 15, 383 Flavius Iosephus 11, 46, 50-51, 56, 71, 85, 180, 190—191, 261, 268—273, 383, 390

456

VII. Register

Irland 311 Anm. 51 Isaura (Isaurier) 319, 336 Isère 108

Isidor von Charax 29, 47, 96, 392, 394 Isıdor von Sevilla 366 Anm. 34, 383, 392 Isokrates 132, 143, 211 Istros 227 Istros (Donau) 30, 117 Anm. 16, 122 Anm. 6, 123, 256, 340—341, 348, 356, 358, 368 Italien (Italiker) 30, 55, 98, 136 Anm. 48, 138, 140, 148 Anm, 18, 150, 153, 158, 162, 167, 17517?, 203 Anm. 10, 222, 238, 252, 255, 262, 265, 298, 303, 310, 320, 328, 341, 354, 360, 367, 374, 386 Ithaka 117 Ituräer 332 Ition 328 Iuba I. 329 Iuba II. 24-25, 47, 71, 96, 227, 262, 265, 306-307, 312, 326, 346, 361 Judäa (Juden) 23, 46, 215, 233, 238, 263, 269-270, 212, 322, 355 Anm. 320, 386 Iugurtha 199 Anm. 171 Iulia 273 Iulia Transducta 329 lultan Kaiser 61 Anm. 12 Iuliopolis 336 Iulius Africanus t31 Iulius Marathus 235 Iulius Saturninus 235 M. Iunius Brutus 56, 168, 194

L. lunius Brutus Damasippus 204 D. Iunius Callaicus 148 Anm.

18

Justin 56, 83, 242, 244—246, 249, 250 Anm. 34, 251252, 254 Anm, 55, 255, 260, 289, 385 lustinian, Kaiser 54-55, 386 Justus von Tiberias 232 Anm.

13

Kabeira (Diospolis, Sebaste, Neokaisareia) 318, 322, 324 Kabiren 123 Anm. 12 Kaikilios von Kale Akte 112, 233—234, 275 Kainon Chorion 32] Kaisareia (Pantikapeion) 344 Kaisareia (Palästina) 261 Kalaguris 317 Kalamis 319 Anm. 35 Kallimachos von Kyrene 62, 64, 102, 227 Kaltimorphos 70 Kallipiden 123 Anm. 12 Kallisthenes von Olynth 90, 115, 124, 134, 192, 217, 225 Kalauria 14] Anm. 69 Kallydıon 336 Katyber [42 Kampanien 360 Kandaules 110 Kanopos 105 Kantabrer 249, 264, 306, 354

Kappadokien (Kappadoker) 24, 123 Anm. 284, 293, 306, 323, 335, 349 Kapreat 341 Karana 35

12, 222,

Karien (Karer) 107, 142, 222

Karner 347 Karthago (Karthager) 46, 55, 79 Anm. 13, 143, 145, 147-148, 149 Anm. 23, 150, 152, 185, 200 Anm. 176, 208-209, 210 Anm. 44, 305, 307, 316, 329, 341, 365 Karystios von Pergamon 62, 65, 286 Kasion (Berg) 324 Anm. 94 Kassandreia 288 Kassandros 65 Anm. 36, 288 Kastor (Paphlagonier) 306 Anm. 39 Kastor von Rhodos 66, 176 Anm. 50, 220 Kastor, Sohn des Saokondarios 331, 335 Katane 341 Kaukasus 30, 174, 239, 355 Kebren 288 Kelainai 288 Kephalion

12, 52 Anm. 33

Kibyra (Kihyraten) 343 Kilikien (Kiliker) 31, 142, 177, 311-312, 319-320, 326 Anm. 103, 334-335, 345 Kilos 107 Kimbrer 38 Anm, 102, 79, 167, 175, 182, 187, 200, 245, 253 Anm. 50, 317, 340, 355 Kimmeris 102 Kineas 61 Anm. 12 Kissos 283

Kicitarchos 192, 205, 240 Klcomedes 194 Kleon 336 Kleopatra III. 326 Kleopatra V. (Selenc) 326

Kleopatra VIL 207, 261, 274, 305, 307-308, 312, 317, 326, 329, 333—335, 337, 343—344, 349 Kleopatra-Berenike 323 Kleopatra Selene, Tochter Kleopatras VII. 326 Knossos 19, 330 Kokalos 138 Anm. 58 Kolamas 156 Kolchis (Kolcher) 20-21, 29, 35, 122, 222, 321, 335 Kolophon 289, 296 Kolumbus 398

Komana 20, 31, 43, 323, 336, 342 Kommagene 23, 323 Anm. 76 Konon 265

Konstantin VII. (Porphyrogennetos) 46, 57, 151, 268, 388 Konstantinopel 50, 54-55, 396 Koptos 325 Anm. 97 Korfu (Kephalonia) 327 Anm. 108 Korinna 67 Anm. 45

Korinth 31—32, 79 Anm. 13, 103, 145, 147, 150, 152, 185, 200 Anm. 176, 203, 208—210, 286, 316, 318, 329, 341—342

Korykos 141 Anm. 72, 142, 289, 319

2, Orts- und Personenregister

Kos 105, 342 Kosmas Indikopleustes 135, 386 Kotys VIII. 24, 345 Kotys IX. 345 Anm. 269 Krateros 106 Krates (Kyniker) 67 Anm. 45 Krates von Mallos 95, 116-118, 156, 163

Kratippos 217 Anm. 3 Kremna 343 Kresphontes 139 Kreta 19, 117, 136 Anm. 48, 139 Anm. 64, 14] Anm. 72, 183 Krinagoras 351 Kritolaos 150 Kroton 141 Anm. 69, 254 Anm. 54 Ktesias von Knidos 90, 101-102, 123 Anm. 12, 125, 134, 221, 267 Kyme 126, 132, 138, 141 Anm. 72, 142. 217 Kynoskephalai 248, 254 Kypsela 105 Anm. 91 Kyrene 33, 96, 103, 170, 270, 292, 307, 325 Anm. 97 Kyros 102, 104, 107, 207 Kyros (FluB} 321 Kyrrhestike 333

Kytoron 141 Anm. 69 Kyzikos 24—25, 117 Anm. 16, 291, 309, 318

Lacimurga 363 Anm. 22 Lagetas 18-21 Lakonten 139, 141 Anm. 72 Laktanz 66 Lamachos von Myrina 246 Anm. [9 Lambert von St, Omer 384 Lampsakos 34, 109, 347 Anm. 291, 369 Anm. 48

Langobarden 38 Anm. 102 Laodike, Mutter Mithradates Eupators 18-19 Laodike , Mutter Seleukos I. 288—259 Laodikeia (in Syrien) 79 Anm. 13 und 19, 331-332, 334 Laodikeia (in Phrygien) 23 Anm. 23, 343, 349 Laokoon 286 Anm. 43 Francesco di Lapacino 397 Larisaier 177 Lasthenia 67 Anm. 45 Lasyrtas 64 Laus 141 Anm. 69 Lebedos 284, 289 Lelantische Ebene 78 Leleger 107, 124 Anm. 14 Lentulus 364 Anm. 24 Leo VI. 388 Leon von Byzanz 246 Anm. 19 Leon (Mathematiker 9. Jh.) 390 Leontinoi 158 Anm. 57 Leschides 278 Leukai 293-295 Leukosyrer 123 Anm. 12 Leuktrai 131, 142 Levante 117

457

Libanon 322 Libyen (Libyer; Afrika} 11, 121-124, 136, 150, 153, 59, 162, 183, 303, 307, 356, 375-376, 386 L. Licinius Murena 27 (cos. 62) L. Licinius Murena (prae. 88/87) 343 Ánm. 254 M, Licinius Crassus Dives 34 Anm. 82, 38 Anm. 102, 180, 268, 321, 324—325, 333, 345 P. Licinius Crassus Mucianus (cos. 131) 294, 296 P, Licinius Crassus (cos. 97) 167, 315 L. Licinius Lucullus (cos. 151) 318 L. Licinius Lucullus (Feldherr gegen Mithradates) 13, 19 Anm. 9; 20, 29, 169-170, 180, 192, 201, 227, 268, 315-316, 318, 321, 324, 376 M. Licinius Lucullus 319 Ligurien 215 Liparische Inseln 374 Anm. 70 Livia, Frau des Augustus 32 Anm. 71, 38, 237, 301, 349 Livius Drusus 315 Titus Livius 42, 80, 87, 150, 162, 201 Anm. 178, 233, 237, 239, 251, 253 Anm. 52, 254, 27I Anm, 53, 298-300 P. Livius Larensis 48 Lokrer 141 Anm. 69 und 72 Longos 54 Lucullus (siehe M. Licinius Lucullus) Lugdunum (Lyon) 44, 108, 339-340, 347, 373 Anm. 68 Lukan 129 Anm, 12, 201 Anm. 178 Lukian 227 Lustianien (Lusitaner} 178 Anm. 66, 311, 315 Lydien (Lyder) 121, [23 Anm. 12, 142, 279, 288

Lykaonien 334 Lykien (Lykier) 142, 222, 283, 319 Lykomedes 334 Lykortas 145 Lykos von Rhegion 219 Anm. 10 Lyngis 318 Anm. 26 Lynkeus von Samos 61 Anm. 12 Lysimacheia 288. — . Lysimachos (Diadoche) 65 Anm. 36, 278—281, 285, 288-289 Lysimachos (Autor) 217, 278 Lysippos 108-109 Macedonia (Provinz) 311-312 Macrobius 195, 383 C. Maecenas 61, 235 Magarsa 107 Magnesia am Máander 31, 105, 234, 285, 362 Anm. 15 Magnesia am Sipylos 23, 248 Anm. 26, 283, 287, 317 Magnilla 67 Anm. 45 Maindes 108 Anm, 108 Maiotis 174 Makkabäer 233, 270-271 Makedonien (Makedonen) 134, 183, 222-223, 250, 254, 258, 260, 305, 354, 374 Anim, 70, 388 Malea 117

458

VII. Register

Maller 240 Anm. 55 Manes 18 Anm. 8

Andrea Mantegna 397 Mantineia

134, 217

Marron 34 Anm. 84, 38 Anm. 102, 341, 348 Anm. 2 Marcia, Frau Catos 21, 326, 349

Marcius Philippus 302 Mariandyner 142, 179 Marinos von Tyros 47, 53, 394 Marius (Marianer) 169-170, 181, 200, 314-317, 324, 361 Anm. C. Marius, Sohn des Kimbrersiegers Markianos von Herakleia 49, 140 223 Markomannen 341 Mars 108 Martianus Capella 383 Marw 395 Anm. 50 Massageten 102 Massilia 44, 79 Anm. 13, 160, 168, 329

Menippos von Pergamon 49 Menippos (asian. Redner) 327 Menodoros von Tralleis 332 Menodotos (Vater des Mithradates von Pergamon) 330 Gerhard Mercator 398 Meroc (Meroiter) 109, 340, 342, 350, 361 Meropis [02

Mesopotamien (Mesopotamier) 11, 323 186, 188, 194, 12 317 Anm. 67, 220-

Messana 332 Messene 139, 145-146, 149 Anm. 23 Messenien 139, 149 Anm. 23 Messenio 160 Anm. 72 Metapont 14t Anm. 69 Methone 334, 347, 388

215, 260, 317,

Massyas 332 Mauretania (Provinz) 312 Mauretanien 312, 318, 334, 346 Maussollos 107 Maximos Planudes 390 Media Atropatene (Atropatener) 333-335 Medien (Meder) 102, 122, 223, 257, 259, 267, 345, 355-356 Medios 337 Meer (OzeanY: 186 Atlantik 118, 160, 167 Indischer Ozean 397 Kaspisches 30, 173-174, 239 Anm. 48 Mittelmeer 119, 372, 394 Nordsee 361 Ostsee 355 Rotes Meer 325 Anm. 97 Schwarzes Mcer 30, 50, 119 Anm. 29, 136,153, 160 Anm. 77, 174, 344

Totes Meer 215 Megalopolis (in Griechenland} 145-146 Megalopolis (in Pontos) 35, 323 Anm. 82, 344 Megara 103 Megara Hyblea 140 Megasthenes 94, 101, 123 Anm. 12, 242 Anm. 63 Mekka 391-392 Pomponius Mela 46, 52-53, 224, 375, 397 Memnon, Sohn der Eos 107 Memnon von Herakleia 292 Memnon (Pharao) 108 Anm. 108 Memphis 32 Anm. 75, 107, 123 Anm. 12 Menander 68 Menandros (Arzt) 278 Anm. 6 Menandros von Ephesos 232 Anm. 13 Mendes 108 Anm. 108 Menelaos 118 Anm. 23 Meninx 118 Anm, 23

Metilier 275 Metrodoros von Chios 221 Anm. 18 Metrodoros von Skepsis 193, 236, 238, 248 Mettius Pompusianus 375 Michael Psellos 389 Midas 18 Anm. 8 Milet 79 Anm. 19, 107, 141 Anm. 72, 179, 286, 332 Milyas (Milyer) 123 Anm. 12, 142, 232, 343 Anm. 254 Minos 141 Anm. 72 Minucius Felix 66 Misenum 332 Mithradates Ktistes 8$ Anm. 46 Mithradates V. Eucrgetes 18, 292, 295 Mithradates VI. Eupator 13, 18-20, 26, 107, 179, 184-185, 204, 236, 243, 256, 268, 305, 307, 316, 318-319, 321, 323-324, 335—336, 343344 Mithradates von Pergamon 279, 280 Anm. 11, 330331 Mithradation 323 Mithropastes 107 Anm. 105 Moaphernes 18, 20-21, 318

Moesia (Provinz) 312 Mongolci (Mongolen) 384, 395 Mopsos 107 Federicus Morellus 398 Moriner 328 Moses 270 Q. Mucius Scaevola 180, 183-184, 280 Anm.

Hieronymos Münzer 397 L. Mummius

176, 209—210, 318

Munatius Plancus 302 Munda 328

Muqaddasi 392 Anm. 41, 394—395 Musaios 278 Anm. 6 Mutina 332 Mylasa 31, 332 Myonnesos 289 Myrina (Amazone) 107 Anm. 100 Myrina (Stadt) 284 Mysten (Myser) 142, 222, 279 Mysios 283 Mytilene 79 Anm. 19

11

459

2. Oris- und Personenregisier Nabatäer 180, 215, 322 Narbo 44 Naulochos 332 Naupaktos 141 Anm. 72 Naxos 140 Neanthes von Kyzikos 218, 278 Neapolis (Neapel) 30, 33, 38 Anm, 102, 34] Neapolis (in Pontos) 35 Nearchos 94, 101, 107 Anm. 105, 123 Anm. 12 Nebukadnezar 385 Necho 123-124 Neleus 285 Nemausus 329 Nero, Kaiser 360

Nestor (Akademtker) 347 Nestor von Laranda 71 Anm. 68

Nikaia (Stadt in Bithynien) 288 Nikaia (Frau des Lysimachos) 288, 289 Anm. 64 Nikandros von Chalkedon 232 Anm.

13

Nikandros von Kolophon 65 Anm. 35, 286 Anm. 41 Nikephoros Blemydes 387 Nikephoros Gregoras 390 Nikohule 67 Anm. 45-46

Nikodemos (Nikodoxos) 359 Nikolaos von Damaskos 9, 12, 33 Anm, 78, 46, 50— $2, 55, 59, 74, 77 Anm. 6, 85, 87, 93 Anm. 13, 104, 106, 127-129, 135, 139, 155, 166, 168170, 183-184, 190, 194, 201, 203, 205, 208, 219, 229, 235, 237-238, 242, 245, 250, 255, 257—258, 260, 261—276, 351, 379 Nikolaus V. 397 Nikomedeta 288 Nikomedes L von Bithynien 292 Nikomedes II. Epiphanes von Bilhynien 284, 287, 204-295 Nikomedes IV. Philopator 292 Nikopolis (bei Actium) 31—32, 341, 354 Nikopolis (in Kleinasien) 322, 324 Nikopolis (bei Alexandreia) 346 Nil 123, 126, 222 Nimrod, Sohn Sems 389 Ninia 339 Ninive 215 Anm. 70 Ninos 249, 256, 258, 266 Nola 254 Anm. 54 Nora 335

Noreia 182 Noricum (Provinz) 363 Anm. 19 Noriker 347-348

Nossis 67 Anm. 45 Numantia 146, 152, 160, 208 Numidia (Provinz) 311

Nysa 22, 26, 29, 31, 79 Anm. 19 Obulko 328 Ocellum 373 Anm. 70 Octavia, Schwester des Augustus 361, 349 Octavius Musa 235 Octavius Ruso 235

Odysseus 117-119, 141 Anm. 69, 160 Ogyios [02 Ogyris 107 Olba 335 Olympia 146 Anm. 6, 319 Anm. 35 Olympos 319 Olynth 99 Onesikritos 94, 101, 104-105, 123 Anm. 12 P. Oppius 264 Orange 362 Oreibasios 70 Orodes II. 333 Orosius 250, 383 Orthagoras 107 Anm. [05 Oska 317 Otto von Freising 128, 384 Oxyrhynchos 48 Padua 373 Anm. 70 Pakoros 333 Palästina 272 Pamphile 62, 66-68, 71 Pamphylien (Pamphyler) 123 Anm. 12, 142, 319 Panailios 22 Anm. 18, 145 Anm. 4, 167, 177, 184, 189 Panchaia 102 Pannonia (Provinz) 363 Anm.

[9, 370

Pannonien (Pannonier) 339, 363 Anm. 19, 370 Pantikapaion (Kaisarcia) 103, 344 Pantikapes 122 Anm. 6 Paphlaponien (Paphiagoner) 23, 142, 292, 306 Anm. 39, 323, 335 Cn. Papirius Carbo 182 Parion 284 Parmenides 196 Parmenion 343 Parthenios 51 Anm. 32 Parıhien (Parther) 11, 30, 79, 94, 96, 111, 162, 177, 179, 222, 233, 239, 244, 249, 252, 254, 256, 258—259, 268, 274, 203, 307—308, 325, 333334, 345, 355-356, 361, 368, 375 Paryadres 321 Patara 325 Anm. 97 Patavium 298 Anm. 2 Patras 31, 342, 354 Patrokles 113 Pausanias 47, 50, 209 Pausanias von Damas 138 Pax Augusta 340 Pax Iulia 340 Pedasos 123 Anm. 12 Pelasger 14] Anm. 72 Pella 388 Peloponnes 162 Pelusion 324 Pentapolis 108 Pergamon 79 Anm. 19, 179,220, 278-279, 281, 285, 289-290, 292-293 Periander 68

460

VII. Register

Perinth 133 M, Perperna (cos. 130) 294, 296 Perseus 145, 247, 283, 305, 317 Persien (Perser) 102, 121, 223, 254, 257, 259-260, 5 Pessinus 237 M. Petreius 328 Petronius Arbiter 201 Anm. 178

C. Petronius (Präfekt Ägyptens) 33, 49 Anm. 18, 76 Anm. 6, 109, 340, 350, 354, 361

Peutinger 392 Phaidon von Aigina 141 Anm. 72 Phainias von Ercsos 156 Anm. 47, 232 Anm. 13

Phanagoria (Agrippia) 344

Plinius der Ältere 37, 46-47, 52, 69, 150, 163, 191, 194, 205, 222, 240, 243-244, 339 358 Anm. 325, 360, 365 Anm. 31, 375 Plutarch 11, 46, 50, 54 Anm. 41, 71, 79, 137, 150-151, 185-186, 189, 191, 249, 263-264, 276, 390 Polemaios von Kolophon 296

Anm. 215, 369, 37283, 85-88, 194, 198,

Polemon I. Eusebes 24, 35 Anm. 87, 334—335, 343-

344 Polemon II. 345 Polemon von Ilion 278 Polyacn 74, 151 Polybios von Megalopolis 12, 17, 28—29, 33, 41,47,

Phanaroia 344

Phasclis 284, 319 Phasis 345 Phazemonitis 323, 336 Pheidias 107 Anm. 107, 112 Philadelpheia 289 Philai 32 Anm. 75, 109

50, 54-57, 59, 63, 65, 69, 72, 74, 78—79, 82, 84, 90-97, 99, 102, 109, 113—114, 118—120, 125, 127-135, 137, 145-165, 169, 172, 176— 177, 181, 184, 186-188, 192-193, 198-201, 205, 207, 208—216, 218, 221, 225, 227, 234, 241-242, 248-253, 255, 257—258, 266—267, 269, 278-279, 300, 303-304, 307, 379, 393 Anm. 42, 394 Polykleitos (Geograph) 359 Polyklet (Künstler) 112

Philemon 47

Pompeiopolis (in Paphlagonien) 35, 324

Pharnakes 331, 334 Pharos 105, 107 Anm. 107, 329 Anm. 124 Pharsalos 56, 324, 330

Philetos 156 Philhetairos (Sohn Attalos I.) 290 Philhetairos 65 Anm. 36, 277-282, 285-286, 290, 297 Philhetairos von Amisos 18, 19 Anm. 9 Philipp I, (Makedone) 65 Anm. 36, 106, 217, 246249, 252, 261, 288 Philipp II. (Seleukide) 249 Philipp V. 91, 181, 239, 248, 283, 305, 317 Philippi 235, 247, 333, 354 Philistos 134, 192, 225 Philochoros 103 Anm. 76 Philodem 120 Philon von Athen 61 Anm.

12

Philon von Byblos 54 Anm. 41, 130 Philopoimen 91, 145-146, Philostrat 54

162

Philotas 343 Philotera (= Arsinoe II.) 325 Anm. 97 Phlegon von Tralleis 62 Anm. 19, 65 Anm. 37 Phoinikien (Phoiniker) 11, 117, 222, 311, 378 Phokácr 140 Anm. 65

Photios 56, 66, 151, 178, 388 Phraates IV. 38 Anm. 102, 244, 308, 333, 345, 356 Phraates V. 356 Phranikates 333

Phrygien (Phryger) 142, 284 Phylarchos 84, 156, 198, 241, 242 Anm. 60 Pinncten

199 Anm.

171

Piri Re'is 396 Anm. 51 Pisidien (Pisider) 142, 222, 284, 334 Anm. 179, 343, 54

Pithekussai 84 Anm. 44, 341 Plataiai 106, 142 Anm. 75 Platon 61, 189, 394, 397

Pompeiopolis (in Spanien) 22 Anm. 18, 324

Pompciopolis (in Kilikien) 320, 324 Cn. Pompeius 332

M. Pompeius (= Pompeius Macer, Sohn des Theophanes) 26 Anm, 34, 323, 349, 351 Sex. Pompeius 202, 314, 328, 332, 338, 341, 347, 354 Pompeius (Magnus) 13, 18, 20-21, 26, 29, 46, 78, 106, 108, 168-169, 171-174, 180, 183, 186, 194, 198—200, 203-204, 209, 227, 231 Anm. 11, 232, 238,243, 248-249, 264, 271—272, 301, 302 Anm. 28, 307, 314—319, 319-327, 331332, 338, 349, 353, 364, 376, 381 Pompeius Strabo (Vater des Pompetus Magnus) 18, 174, 324, 330 Anm. 135 Pompeius Trogus 9, 12, 50, 52, 55-56, 127-129, 131, 135, 155, 162, 168—169, 177, 183, 190, 194, 203, 208, 215, 219, 223, 229, 237, 240242, 243-260, 262—263, 270 Anm. 47, 274, 303, 379, 385

T. Pomponius Atticus 27, 192, 223 Pontos (Pontier) 23, 29, 35, 117 Anm. 16, 142, 180, 189, 222, 293, 316, 323, 335-336, 343-345 Pontus und Bithynia (Provinz) 311, 323, 334, 342 Populonia 29—30 L. Porcius Licinus 214 Poros (Pandion) 106, 345 Porphyrios 195, 217, 222 Poseidonios von Apameia 12, 17, 22, 28-29, 33, 42, 47, 54-57, 59, 63, 74, ΤΊ, 87, 90, 96-97, 99, 113-114, 118, 124-127, 129—130, 135, 138141, 150, 153, 155-156, 160, 164, 166—201, 205, 207—208, 211—215, 220, 225, 227, 233, 238, 246, 248, 250—253, 255, 258, 261, 267, 269—270, 303, 320—321, 323, 379

461

2. Ons- und Personenregister Poseidonios der Olbiopolite 17 Potidaia 288 Praeneste 317 Praxilla 67 Anm. 45 Praxiphanes 227 Priamon 339 Priscianus Lydus 50, 195, 383 Probus 246 Anm. 15 Prokop 50, 386 Propontis 136 Anm. 48 Prusias I. von Bithynien 284 Prusias II. von Bithynien 284, 287 Pselchis 49 Anm. 18, 76 Anm. 6 Ptolemáer (-reich) 175, 186, 200, 203, 231, 233, 238, 270, 278, 307, 325-326 Ptolemaios, König von Mauretanien 24 Anm. 31, 312, 326 Ptolemaios, Sohn des Mennaios 332 Ptolemaios Apion 292 Ptolemaios I. Soter 105, 231, 240 Anim. 55, 325 Ptolemaios II. Philadelphos 286, 325 Anm. 97 Ptolemaios III. Euergetes I. 325 Ptolemaios ΓΝ, Philopator 325 Anm. 97 Ptolemaios V. Epiphanes 145, 325 Anm. 97 Ptolemaios VI, Philometor 177, 219, 292, 325 Anm. 97 Ptolemaios VITI. Eucrgetes II. (Physkon) 61 Anm. 12, 124, 145 Anm. 3, 177, 182 Anm. 88, 199 Anm. 171, 220, 292, 325 Anm. 97 Ptolemaios IX. Soter II. (Lathyros) 233, 271 Anm. 53, 325 Anm. 97 Ptolemaios X. Alexandros I. 169-170, 183 Ptolemaios XI. Alexandros Il. 292 Ptolemaios XII. Neos Dionysos (Auletes) 22, 229, 231-233, 238, 323, 325-327, 329 Ptolemaios XIII. Philopator 325 Anm. 97, 326, 329 Ptolemaios XIV. 312, 325 Anm. 97, 326, 329 Ptolemaios XV, Kaisar 274, 326 Ptolemaios (Geograph) 41, 47, 53, 339 Anm. 215, 383, 387, 390, 393-395, 397-398 Puteoli 30

Rhadamantys 14i Anm. 72 Rhagai 288 Rhambaier 332 Rhegium

141 Anm. 69, 332, 341

Rhenus (Rhein) 256, 341, 348, 356, 368 Rhianus 51 Anm. 32 Rhipáische Berge 102 Rhodos (Rhodier) 22, 26, 40, 107 Anm. 107, 112, 166—168, 173, 222, 261, 283, 319, 32I Rhoemetalkes III. 345 Rhone 84 Anm. 44, 108, 146

Rom (Rómer) Anm.

87,

Anm. 23, 208, 212, 260, 292, (führende 363, 367,

14, 19, 22, 26-31, 34-35, 55, 105 105 Anm.

91,

108,

143,

146,

149

150, 153, 167, 175-176, 183, 200. 230, 233, 238, 252, 254-255, 258, 298—313 (Hauptstadt Rom), 314—358 Rómer), 328, 330, 341, 347, 355, 383, 392

Romulus 299 Anm. 8 Remus 299 Anm. 8

Roger II. 392 Rubikon 148 Anm. 18 Isidorus Ruthenus 396-397 P. Rutilius Rufus 61, 180, 183—184

Sabäcr 322 Sagra 141 Anm. 69 Sagylion bei Amascia 334 Salas 348 Salasser 332, 330, 354 Salome (Alexandra) 271 Salona 339 Sallust (84, 191, 200—201, 207, 251, 253 Anm. 52, 256 Samaria (Sebastc) 346 Samaria 334 Anm. 179 Samnium (Sarnniten) 177, 316 Samos 33 Anm. 78, 341-343 Sampsikeramos 332 Santiago di Composiella 383, 392 Sappho 67 Aum. 45

Pydna 145, 147, 248 Anm. 26, 283, 307

Sardanapal 104, 107

Pylaimenes 23 Anm. 22, 292, 323 Pyramos 31, 107

Sardeis 23, 79 Anm. 19, 123 Anm. 12, 160, 279 Sardinien 29, 338 Anm. 207, 360, 370 Sardinia und Corsica (Provinz) 311, 373 Anm. 70 Saspirer 122 Sassaniden 387 Anm. 21 Sataspes 123 Saturninus 315 Satyros (Höfling Ptolemaios" II.) 63, 219, 325 Anm. 97

Pyrenäen 320, 347 Anm. 293 Pyrrhos 61 Anm. 12, 236, 239, 305

_Pytheas von Massilia 29, 97, ] 58 Anm. 60, 196, 221 Pytheas (Maler ) 278 Anm. 6 " Pythionike 169 Anm. 17 Pythodoris 35, 39, 322, 331, 343-345, 349 Pythodoris II. (Tochter d. Antonia Tryphaina) 345 Anm. 269 Pythodoros von Nysa 331 T. Quinctius Flamininus 91, 152 Quintilian 192, 211, 224, 240 Raetia und Vindelicia (Provinz) 312, 363 Anm. 19 Ramses II. 105 Anm. 87 Raphia 325 Anm. 97

Satyros (Dynast) 107 Sauromaten 143 Anm. 76 Joseph Justus Scaliger 398 Hartmann Schedel 397 Scribonius 344 Sebasteia 35 Sebaste (Kabeira) 322 Sebaste (Samaria) 346 Sebastopolis 35

462

VIL Register

Segestes 348 Am. 296

Skythopolis (am Jordan) 322

Segimundus 348 Am. 296 Segabriga 317

Slawen 337 Anm. 21

L. Aelius Seianus (siehe Aelii Setani)

Sokrates (Kirchenhistoriker) 46, 49

Smyrna 288, 295, 331

Scinc 328 Anm. 115 Seldschuken 395

Seleukeia 31, 288, 322-323 Seleukiden 172 Anm. 34, 175, 177, 180—181, 186, 231, 233, 238, 249, 259-260, 278, 293, 306 Anm. 39, 307 Seleukos (Autor) 156 Seleukos I. Nikator 280—281, 288 Seleukos IV. 286 Selge (Selgier) 284

Sem 389 Semiramis 107 Anm. 107, 266 Semos von Delos 278 Anm. 6 L. Sempronius Ascilio 150, 183 Tiberius Sempronius Gracchus (Feldherr 199, 360

Sophokles 64 Sophronios von Damaskos 263 Anm. 12 Sosius 80 Sostratos, Bruder des Aristodemos 26 Sostratos von Knidos 105 Sotades 65, 286 Soterides 62, 66

Sotion 2[9

Sparta (Lakonien; Spartaner) 103, 131 Anm. 24, 134, 139, 149 Anm. 23, 207 (74) 99,

Tiberius Sempronius Gracchus (Tribun 133) 152, 178, 180-181, 186, 315

Seneca der Ältere 88, 229, 240 Seneca der Jünpere 42, 129 Anm. 12, 188—189, 194, 196, 199, 201 Anm, 178, 224 Anm. 5, 237, 240, 343 Anm. 255

Spartacus 179, 320

Statilius Taurus 302, 347 Stephanos von Byzanz 44, 49—50, 269, 387, 390 Sthenis 318 Stratarchas 18-21 Stratios 280 Anm. 15

135, 222-223,

Straton von Amascia 17, 41

Senonen 367 Anm. 40 C. Sentius 133 Serapion 27 (Aelius) Serenus 61 Anm. 12 Serer (China) 29, 259, 356, 383 Anm. 5 Q. Serrius (Sertorianer) 243, 305-306, 314—318, 20

P. Silius Esauricus 18, 26, 280 Anm, 11, 319-320, 38 Q. Setvilius Caepio 238, 242 Anm. 63 Servilius Strabo 18; 26 Anm. 39 Servius 300 Sicilia (Provinz) 311

Side 320 Anm, 45 Sidon 197 Anm. 163, 322 Stlenos von Kale Akte 221 Simon ben Sirach 255 Simplicius 195 Sinnaka 325

Straton, Herrscher in Amisos 336, 342 Straton, Komödienautor 41 Anm, 113 Straton von Lampsakos 41 Anm. 113 Stratonike, Frau Eumenes’ II. 291 Stratonikeia am Kaikos 295-296

Sucton 235, 309, 343 Anm. 255 Sulla siche L. Cornelius Sulla Felix Sulpicia 67 Anm. 45 C. Sulpicius Galba I2, 52 P. Sulpicius Quirinius 340 Sybaris 141 Anm. 69 Syene 32 Anm. 75, 109, 123 Anm. 12 Syllaios 38 Anm. 102, 339 Anm. 216 Symbake 334 Ps.-Symeon 389 Syrakus 140, 341 Syria (Provinz) 307, 322, 333 Syrien (Syrer) 11, 23, 102, 123 Anm. 12, 167, 175,

Simone 19, 79 Anm, [3 und 19, 141 Anm. 69, 318, Sinotion 339 Sisina 335 Sizilien 98, 117

n, 136 Anm, , 48, 48, 13 138, 140 Anm. 66 162, 179, 183, 202, 203 A | 332, 338, 354, 374 Un. 10, 209, 214, Skepsis 285, 288 Skordisker 340

Skylax von Halikarnasso s 156 Anm. 48 Skylax von Karyanda 113, ‚12| 3, Ps.-Skymnos 136, 138 -139 ^ 156 Anm. 48 Skythien {Skythen) 101 -102, 121-122, 123 Anm 12, 125-126,

254, 355, 3s

Sokrates (Philosoph) 61, 68 Sokratidas 67 Soloi 320 Solymer 123 Anm. 12

139, 143 Anm, 76, 162, 252,

177, 197, 262-263, 270, 272, 311, 318, 323, 342, 352, 354, 393 Syrte (Kleine / Große) 118 Anm. 23, 327 Tacitus 67, 70, 127 Anm. 2, 235, 256, 309 Tanais (Don) 122 Anm. 6, 222

Tanais (Stadt) 344 Tanusius Geminus 318 Tapyrer 21 Tarent 141 Anm. 69, 373 Anm. 70

Tarraco 311, 340 Tatraconensis (Provinz) 340, 352 Tarsos 79 Anm.

19, 337

Tartessos 140 Anm. 65 Taurisker 347 Tauromenion 202, 209

463

2. Orts- und Personenregister Taurus 283, 305, 319 Tegea 362 Tektosagen 242 Anm. 63 Telephos 290 Telephos von Pergamon 278 Anm. 6 Telmessos 283 Temesa 141 Anm. 69 Teos 286, 289-290 A. Terentius Varro Murena 339, 343 M. Terentius Varro Reatinus 47, 72, 130 Anm, 16, 168, 176 Anm, 50, 191, 226-227, 353, 359 Termilen 123 Anm. 12 Tertullian 44, 46, 50, 66, 383 Teukros von Kyzikos 238 Teutonen 182, 200, 317 Thales 68 Thallos 62, 65-66, 68 Thapsus 327, 364 Theagenes van Rhegion 117

Thebais, Theben in Ägypten) 105, 346 Theben Thebaner in Griechenland

131,

133 Anm.

31, 143 Anm. 75 Theodektes von Phaselis 62 Theodoros von Gadara 261 Theodosos Meliteniotes 390

Theodoros von Rhodos 61 Anm. 12, 62, 64 Theodosius von Bithynien 53 Theodosius, Kaiser 361 Theodotos (Theodokos) 359 Theokritos 286 Theophanes (Byzantiner) 389

Theophanes von Mytilene 26 Anm. 34, 29, 77, 88— 89, 126, 171-172, 174, 248-249, 320-321, 323, 349, 351 Theophanes (Ratgeber des Ptolemaios) 23! Anm. 1] Theophilos 18, 21

Theophrastos, Sohn des Epikratides 27

Theophrastos von Eresos 62, 68, 130, 193, 264, 285, 317, 397 Theopomp von Chios 100 Anm. 57, 102, 137, 155, 192, 217, 225, 241, 246-247

Theopomp von Knidos 331 Thermai 103 Therme 288 Thermopylen 103, 107, 111 Theseus 103 Anm. 76 Thespiai 286 Thessalien (Thessaler) 222 Thessalonike (Stadt) 288

Thyateira 294-295, 296 Anm. 92 Tiber 254, 299 Tiberius (Kaiser)

13, 23-24, 26 Anm.

34-35,

34

Anm. 82, 35, 39, 51, 80, 234, 236, 275, 287, 303-304, 306, 308-309, 314, 328, 338-339, 341, 343, 346-349, 351-352, 368, 370, 375, 378 Tiberius von Samaria 65 Anm, 37 Tibios 18, 21 Tieion 281 Tigranes IIT., König von Armenien 169 Anm. 19, 268, 308, 318, 321—323, 335 Tigranokerta 318 Tigris 215 Anm. 70, 288 Timagenes von Alexandreia 12, 36, 55, 59, 77, 88— 89, 127, [50, 155, 166, 168-169, 183, 190, 192-194, 203-205, 218, 229-242, 245, 248250, 255, 262, 266-267, 269, 270 Anm. 47, 272, 328, 351, 379 Timaios von Tauromenion 84, 147, 150, 154—156, 192-193, 211

Anm.

49, 212, 218, 2[9 Anm.

10, 221, 225, 241, 253 Timosthenes von Rhodos 51, 325 Anm. 97 Tingis 317 Tiridates 356 Titus Labienus 236, 332, 334 Anm. 179, 336 Titus Tatius 300 Tobith 265 Tolistoboger 323 Tomisa 318 Giovanni Tortelli 396 Tralleis 79 Anm. 19, 349 Trebonius 331 Trikke 105 Troas 98,

117, 141 Anm. 72, 214 Anm. 67, 278, 283,

288 Troplodyten 222, 325 Anm, 97 Troja (Ilion; Trojaner) 107, 128, 153, 142,204 Anm. 15, 262, 268, 288, 316, 330, 376 Anm. 82 Trokmer 321, 323 Tullus Hostilius 300 Turdetanien 198, 328 Tyrannion 27, 40, 120

Tyres (Dnestr) 122 Anm. 6 Tyros 197 Anm. 163, 322 Ubier 347, 369 Anm. 48

Umajjaden 393

Thessalonike (Tochter Philipps II.) 288-289

C. Valenus Flaccus 316

Thorax 285 Thrakicn (Thraker) 24, 117, 136 Anm. 48, 222, 305, 344—345, 388 Thukydides 68, 70, 91, 109—110, 124-125, 127 Anm. 2, 134, 143, 147, 176, 192, 216, 225, 227, 393 Anm. 42, 397 Thumelikos 348 Am. 296 Thusnelda 348 Am. 296 Thurioi (Thurier) 123 Anm. 12, 126

M. Valerius Messala Corvinus M 338 Varro (siehe M. Terentius Varro Reatinus 350 Quinctilius Varus 34, 245, 321, 348 Am. 296,

Valerius Maximus 74, 245, 246 Anm.

15

Vasio 243

Vegetius 361

15, 257, 343 Velleius Paterculus 52, 245, 246 Anm. Anm. 255

Venedig 385

464

VIL Register

Veneter 328 P. Ventidius Bassus 333 Venus 330

Vera 333 Anm. 173 Vercingetorix 328 Vergit 303, 353, 365 Anm. 3] Vespasian 6l Via

Aemilia 315 Appia 298 Anm. 3 Domitia 146, 148 Anm. 18 Egnatia 105 Anm, 91, 374 Anm. 70 Latina 298 Anm. 3

Valeria 298 Anm. 3 Vincenz von Beauvais 73, 385 Vindeliker 348

M. Vipsanius Agrippa 14, 34, 47, 61, 97, 109, 230, 261-262, 268-269, 301-302, 309, 314, 324, 328, 334, 338, 346-349, 356, 359-377, 381 Viriathus 305, 317 Vitruv 41, 43, 191, 193—194, 224, 303, 374 Vokantier 243, 253, 260 Volaterrae 317

Vononcs I. 38 Anm. 102, 308, 356 Wilhelm I. (Normanne) 392 Anm. di

Xanthos 267 Xenarchos von Seleuketa 27-28, 346 Xenon [56 Xenophon von Lampsakos 47 Xenophon 134, 192, 225, 393 Anm. 42 Xylander 398 Yerameel ben Shelomo 389 Yosiphon 389 Zaleukos

141 Anm. 69

Zarmanochegas 104 Zela 323—324, 327, 344 Zella 374 Anm. 70 Zeniketes 319 Zenobia von Palmyra 67 Anm. Zcnodoros 272, 338 Anm. 207 Zenodotos 62, 64 Zenodotos von Ephesos 62, 64 Zenon (Artaxias) 24, 308, 345 Zenon, Vater des Polemon, 334 Zenon von Kition 28 Anm. 46, Zeus 107 Anm. 107, 261 Anm. Zoilos von Amphipolis 217 Zypern 22 Anm. 15, 170, 183, 326 Anm. 103, 327, 335

46

43, 115, 117 4 292, 307, 312, 325,

GEOGRAPHICA HISTORICA Begründet von Ernst Kirsten Herausgegeben von Eckart Olshausen 9. Gerhard H. Waldherr: Erdbeben Das außergewöhnliche Normale. Zur

Rezeption seismischer Aktivitäten in literarischen Quellen vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. 1997.271 S, k. ISBN 3-515-07070-2 10. Eckart Olshausen und Holger Sonn-

abend (Hrsg.) Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des

11. Bert Freyberger:

Südgallien im 1.

Jahrhundert v. Chr. Phasen, Konscquenzen und Grenzen rómischer Eroberung (125-27/22 v. Chr.). 1999. 320 S. m.

16 Abb., kt. ISBN 3-515-07330-2 . Johannes Engels: Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia. 1999, 464 S, ki. ISBN 3-515-07459-7

Altertums, 6,1996. Naturkatastrophen in der antiken Welt. 1998. 485 S, m. zahlr. Abb., kt. ISBN 3-515-07252-7

(Bünde 1-8 sind in den Verlagen Dr. R. Habelt und A. Hakkert erschienen)

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

ISSN 1381-0472