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German Pages [319] Year 2014
Birgit Schwarz
Auf Befehl des Führers Hitler und der NS-Kunstraub
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Susanne Mädger, Speyer Satz: Peter Lohse, Heppenheim Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt am Main Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-2958-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-2990-5 eBook (epub): 978-3-8062-2991-2
Inhalt Vorwort
9
1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten
11
2. Der „Führer“ als Kunstsammler
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Hitlers Böcklin-Kollektion 19 Berater und Händler 26 Meisterwerke der Malerei AH 32
3. Das Projekt „Führermuseum“
39
Eine Galerie für Hitlers Heimatstadt 39 Das Erlebnis der Uffizien 42 Der Sonderbeauftragte Hans Posse 47
4. Kunstraub in Österreich
56
Vom Vermögensentzug zum Kunstraub 56 Hitler sammelt österreichisch 61 Das Denkmalamt als Kollaborateur 64 Streit um die Rothschild-Sammlungen 70 Die gescheiterte Verteilung 78
5. Raubkunst für die Museen
83
Posse inspiziert die Wiener Raubkunst 83 Zugriff auf die sichergestellten Kunstwerke 88 Der Kunstbesitz der Klöster und Stifte 89
6
Inhalt
Zwangsverkäufe 94 Posses Verteilungsplan 95 Streit um die Sammlung Lanckoroński 103 Kunstraub im „Altreich“ 109
6. Kunstraub in Polen
111
Die Rolle Hitlers 111 Posses Polen-Mission 114 Wissenschaft als Legitimierung 120 Die „Führerauswahl“ in Berlin 125 Lubomirskis Dürer-Sammlung 127 Konkurrierende Verteilungspläne 129
7. „Heimführung“
137
Deutsche Kunstraub-Paranoia 137 Deutscher Kunstraub-Revanchismus 146 Posses Gutachten zum Genter Altar 150 Die Odyssee des Genter Altars 153
8. Kunstraub in Frankreich
158
Die Rolle Hitlers 158 Rosenbergs Zugriff auf die jüdischen Sammlungen 160 Posse in den Pariser Raubkunstdepots 164 Der Profiteur Hermann Göring 166 Konflikte um den Abtransport 174 Die symbolische Übergabe der Beute 180
9. Kunstraub in den Niederlanden
191
Erwerbungen en gros 191 Kampf gegen die Konkurrenz 196
10. Kunstraub in der Tschechoslowakei
199
Der „Führervorbehalt“ im Protektorat Böhmen und Mähren 199 Die Sammlung des Fürsten Lobkowicz 201 Der Hohenfurther Altar 205
Inhalt
11. Kunstraub in der Sowjetunion
7
208
Der „Sonderauftrag“ in der Sowjetunion 208 Der „Führervorbehalt“ für die Eremitage 210 Posses Beauftragter Niels von Holst 212 Überraschende Kooperationen 214 Der Anteil Rosenbergs 220
12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
225
Die geplante Präsentation in München 225 Das „Führermuseum“ in Kremsmünster 230 Hitlers Sorge um die Kunstwerke 235
13. Der „Sonderauftrag“ nach Stalingrad
239
Der Nachfolger Hermann Voss 239 Die Zentralregistrierung in Dresden 245 Die Kunstwerke in Altaussee 248 Unautorisierte Einlieferungen 253
14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
258
Hitler ist der Chef 258 Posse setzt sich durch 262
15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst
Anmerkungen 280 Abkürzungen 301 Quellen 302 Literatur 305 Personenregister 316
270
Vorwort Hitler war nicht nur die zentrale Figur des „Dritten Reiches“, sondern auch die zentrale Figur des NS-Kunstraubs, der ganz Europa erfasste und dessen Folgen bis heute die Museums- und Kunstwelt erschüttern. Anders als im Fall des Holocaust, wo ein zentraler schriftlicher Befehl Hitlers fehlt, gibt es einen solchen für den Kunstraub: den „Führervorbehalt“. In diesem Schlüsseldokument zum NS-Kunstraub räumte sich Hitler das Vorrecht ein, persönlich die Entscheidung über die Verwendung eines jeden beschlagnahmten Kunstwerkes von Museumsrang zu treffen, um es auf Museen des „Großdeutschen Reiches“ zu verteilen. Der „Führervorbehalt“ ist kein Beschlagnahmebefehl, sondern formuliert einen Verwertungsanspruch. Hitler legte ganz bewusst eine Distanz zwischen sich und den Vorgang des Raubes. Obwohl die Beschlagnahmen auf Befehlen Hitlers basieren, durfte nicht in seinem Namen beschlagnahmt werden. Er griff erst zu, nachdem die Kunstwerke im Namen des Deutschen Reiches eingezogen worden waren. Zur operativen Durchführung seiner Kunstraubpolitik setzte Hitler 1939 einen renommierten Museumskunsthistoriker ein: Hans Posse, Direktor der Dresdner Gemäldegalerie. Er hatte die Aufgabe, den Raubzug im Sinne des Verteilungsprogramms zu steuern und Hitlers Zuweisungen an die deutschen Museen vorzubereiten. Posse beriet den „Führer“, welche Werke und Sammlungen in den besetzten Ländern sich für das Programm eigneten. Hitler sorgte daraufhin für entsprechende Beschlagnahmebefehle und ließ den „Führervorbehalt“ auf die gewünschten Bestände erweitern. Posses Einfluss ging erkennbar über das Operative hinaus. Er war Hitlers Dämon, der seinen Auftraggeber antrieb und den Kunstraub radikalisierte. In welchem Umfang Posse die Plünderung Europas gesteuert hat, war bisher unbekannt, da der Kunstraub Geheimstatus hatte und von Hitler und Posse vor allem mündlich verhandelt wurde. Der Geheimstatus hatte zur Folge, dass Hans Posse vor allem als Einkäufer für Hitlers Lieblingsprojekt, das geplante „Führermuseum“
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Vorwort
in Linz, in die Geschichte eingegangen ist. Als solchen hat ihn die NSPropaganda nach seinem Tod Ende 1942 in Szene gesetzt und damit die Wahrnehmung der Historiker bis heute geprägt. Parallel dazu entwickelte sich ein entsprechendes Bild von Hitler als manischen Sammler, der für sein Linzer Museum keine Ausgaben scheute, in Angelegenheit des Kunstraubes aber nicht recht zum Zug kam. Unablässig werden Behauptungen wiederholt, Hitler sei als Kunsträuber zu spät gekommen, sein Sonderbeauftragter Posse habe die beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Frankreich ignoriert und am beschlagnahmten Kunstbesitz Polens, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion wenig Interesse gezeigt. Im Konkurrenzkampf der diversen Kunstrauborganisationen sei der angeblich skrupulöse Posse gar eine Randfigur gewesen, Hitlers Machtsystem habe hier letztlich versagt. Dieser Fehleinschätzung, die bis heute in der Forschung verbreitet ist, setzt das vorliegende Buch einen facettenreichen und neuen Einblick in die Struktur des NS-Kunstraubes entgegen. Dabei werden Hitlers und Posses tatsächliche Rollen im NS-Kunstraub deutlich. Die Darstellung der Ereignisse orientiert sich am Kriegsverlauf und gibt einen Überblick über die Vorgänge in den einzelnen Ländern. Sie beschreibt, nach welchen Mustern diese gestaltet und wie sie gelenkt wurden. Der Blick wendet sich vom Linzer „Führermuseum“ ab, das im Nachhinein von den am Kunstraub beteiligten Kunsthistorikern zu ihrer eigenen Entlastung instrumentalisiert wurde, und richtet sich stattdessen auf die politische Bedeutung einer regelrechten Raubpolitik. In deren Zentrum steht die Person Hitlers, denn er hat den NS-Kunstraub nicht nur erfunden, sondern auch die Plünderung des europäischen Kunstbesitzes mithilfe des „Führervorbehalts“ in seinem Sinne gelenkt. Damit schreibt das vorliegende Buch die Geschichte des NS-Kunstraubes als Geschichte von Hitlers Kunstraub neu.
1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten Es war wahrscheinlich der größte Kunstraub aller Zeiten: Jedenfalls stellte der amerikanische Ankläger beim Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg, Robert G. Storey, fest, dass das, was sich Hitlerdeutschland an Kunstgegenständen angeeignet hatte, alle Schätze des Metropolitan Museum of Art in New York, des Britischen Museums in London, des Louvre in Paris und der Tretjakow-Galerie in Moskau zusammengenommen übertraf.1 Dabei stützte sich Storey unter anderem auf Untersuchungen einer amerikanischen Untersuchungseinheit für Kunstraub, die Art Looting Investigation Unit (ALIU), die der amerikanische Nachrichtendienst Office of Strategic Services (OSS) im November 1944 eingerichtet hatte, um zum nationalsozialistischen Kunstraub zu recherchieren. Die ALIU setzte sich aus hochrangigen Fachleuten, Kunsthistorikern, zusammen; für die Untersuchung des NS-Kunstraubes waren Theodore Rousseau, James Plaut und S. Lane Faison Jr. zuständig.2 Sie spürten 16 Hauptbeteiligte am NS-Kunstraub auf, verhafteten und verhörten sie, oft wochenlang. Unter den Verhörten befanden sich Maria Almas-Dietrich und Karl Haberstock, Hitlers wichtigste Kunsthändler, Heinrich Hoffmann, sein Fotograph und langjähriger Kunstberater, Kajetan Mühlmann, eine zentrale Figur für den Kunstraub in Österreich, Polen und den Niederlanden und Hermann Voss, der Nachfolger des 1942 verstorbenen Sonderbeauftragten Hans Posse. In drei Monaten, vom 10. Juni bis 15. September 1945, entstanden 13 Detailed Interrogation Reports über die einzelnen Akteure. Darauf aufbauend wurden in den folgenden drei Monaten vier thematisch angelegte Consolidated Interrogation Reports ausgearbeitet, ein Bericht über die Aktivitäten des Einsatzstabes Reichsleiter Ro-
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1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten
senberg (ERR), ein weiterer über die Kunstsammlung Hermann Görings und schließlich Faisons Linz-Report (Hitler’s Museum and Library), der am 15. Dezember 1945 abgeschlossen war, sowie ein Abschlussbericht. Die Berichte waren für die Vorbereitung der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse bestimmt, sodass Eile geboten war. S. Lane Faison musste sich innerhalb kurzer Zeit ein Bild von den Aktivitäten des „Sonderauftrags Linz“ – der informellen Kunstraub- und -verteilungsorganisation – sowie von Art und Umfang des von diesem zusammengetragenen Bestandes machen. Damit war ihm eine besonders schwierige Aufgabe zugefallen, denn während die Kunsträuber Alfred Rosenberg und Hermann Göring noch lebten und befragt werden konnten, waren Hitler und sein erster, für den Kunstraub maßgeblicher Sonderbeauftragter Hans Posse tot. Dessen Nachfolger Hermann Voss war als Zeitzeuge wenig brauchbar und lieferte nur vereinzelt verwertbare, oft (absichtlich?) widersprüchliche Informationen. Er hatte die laufenden Geschäfte weitgehend seinen Mitarbeitern Gottfried Reimer und Robert Oertel überlassen, die den amerikanischen Verhöroffizieren wiederum nicht zur Verfügung standen, da sie sich in der sowjetischen Besatzungszone befanden. Hermann Voss gab an, keine beschlagnahmten Kunstwerke in den Bestand des „Sonderauftrags Linz“ aufgenommen zu haben. Das entsprach nicht der Wahrheit, doch war dies mit den Unterlagen, die Faison zur Verfügung standen, nicht nachzuweisen. Faisons größtes Manko war, dass er keinen Zugriff auf die Zentralregistrierung des „Sonderauftrags Linz“ hatte, da diese sich in Dresden und damit in der sowjetischen Besatzungszone befand. Die umfangreichen Karteien und die Akten des „Sonderauftrags“ waren von der Sowjetarmee beschlagnahmt worden. Selbstverständlich bemühten sich die Amerikaner um Einsichtnahme; Faison ging am 15. September 1945 noch davon aus, dass die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein würden.3 Seine Hoffnung trog, die Russen stellten die Unterlagen und Karteien nicht zur Verfügung. Das war vermutlich eine Folge des Umstandes, dass die westlichen Alliierten auf einer Länge von etwa 650 Kilometern mehr als 150 Kilometer tief in die sowjetische Besatzungszone vorgedrungen waren und dass US-Einheiten an 34 Orten, in Bergwerken und Auslagerungsdepots, die evaku-
1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten
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ierten Objekte sowie die dazugehörigen Dokumentationen sichergestellt und entfernt hatten.4 Faison stand also wenig Material zur Verfügung, um ein Bild von Hitlers Kunstraub zu zeichnen. Elf Aktenbände Korrespondenz des „Sonderauftrags“ mit der Reichskanzlei tauchten zu spät auf, um noch ausgewertet werden zu können.5 Dennoch musste er in seinem Abschlussbericht eine Einschätzung des Umfanges der Hitler-Sammlungen abliefern. Eine ungefähre Vorstellung ließ sich, wie er annahm, über die Einlagerungen im Salzbergwerk von Altaussee gewinnen. Das Bergwerk war gegen Ende des Krieges zum zentralen Bergungsort der Hitler-Sammlungen geworden. Der amerikanische Untersuchungsoffizier erstellte eine summarische Inventarliste, die 5350 „alte Meister“ und 21 zeitgenössische Gemälde als Bestand des „Sonderauftrags Linz“ bezeichnete.6 Sie basiert auf einer Zusammenfassung der Einlagerungen im Salzbergwerk Altaussee, die im Mai 1945 von dem für das Bergwerk zuständigen Ingenieur Max Eder und dem für die Kunstwerke verantwortlichen Restaurator Karl Sieber erstellt worden war.7 Die Verfasser, beide keine Kunsthistoriker, hatten keinerlei Einblick in den Fundus des „Sonderauftrags Linz“. Der zuständige Referent des „Sonderauftrags“, Gottfried Reimer, war seit der Zerstörung Dresdens im Februar 1945 nicht mehr in Altaussee aufgetaucht. Die summarische Aufstellung, welche nur Konvolute in den verschiedenen Bergwerkräumen aufführt, war im Grunde genommen völlig unbrauchbar, weil grob mangelhaft, was die Autoren sogar angaben: „In dieser Aufstellung ist eine sehr große Anzahl von Kunstgütern, von denen z. Zt. die Einlagerungslisten nicht vorliegen, unberücksichtigt geblieben.“ So ignorierten sie etwa die 1000 Kisten des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg, obwohl diese Kunstwerke enthielten, die für Hitlers Museumsprogramm vorgesehen waren.8 Das einzige detaillierte Inventar, das Faison zur Verfügung stand, war das des Depots im Führerbau in München, das knapp 4000 Objekte umfasst. Dort waren vor allem die Ankäufe eingegangen, die der „Sonderauftrag“ in Deutschland, den besetzten Westgebieten und in Italien für das „Führermuseum“ getätigt hatte. Trotz seiner eklatanten Mängel wurde die Geschichte des „Sonderauftrags“ auf Basis von Faisons
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Kolumne
Kolumne
Karl Sieber, Zusammenfassung der Einlagerungen im Salzbergwerk Altaussee, Mai 1945, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
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1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten
Linz-Report und damit auf der Materialbasis des Münchner Depots weitergeschrieben. Die Bild-Datenbank Sammlung Sonderauftrag Linz, die das Deutsche Historische Museum in Berlin gemeinsam mit dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen im Sommer 2008 ins Internet gestellt hat, wurde auf dem Münchner Karteibestand aufgebaut. Im Vorwort heißt es, bis 1945 seien ungefähr 560 Werke aus Beschlagnahmungen in die Sammlung des „Sonderauftrages Linz“ gelangt.9 Dabei hatte Faison schon 1945 im Linz-Report klar zum Ausdruck gebracht, dass der „Sonderauftrag“ Erstzugriff auf die gesamte NS-Raubkunst hatte: „Nevertheless, the Sonderauftrag Linz had first claim upon all works of art looted by Germany“.10 Er erklärte diesen daher zur kriminellen Organisation und empfahl eine Anklage vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg. Dem kamen die Ankläger jedoch nicht nach. Die Verantwortlichen des „Sonderauftrags Linz“ sind auch nicht in den Nürnberger Folgeprozessen angeklagt worden. Der Umstand, dass belastbares Beweismaterial wie etwa die zentrale Registrierung in Dresden fehlte, dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. Tatsächlich hatte der „Sonderauftrag Linz“ Zugriff auf die Kunstraubbestände aus Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Polen, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion. Die sogenannte „Führerauswahl“ aus diesem Fundus lagerte nicht im Führerbau in München, sondern in anderen Depots, etwa in Berlin sowie in Klöstern und Schlössern in Österreich und Bayern. Zum Zugriff berechtigt wurde der „Sonderauftrag“ durch den „Führervorbehalt“, ein Erstzugriffsrecht auf Raubkunst, das sich Hitler selbst eingeräumt hatte. Zum ersten Mal formulierte ein Rundschreiben der Reichskanzlei vom 18. Juni 1938 diesen Anspruch, und zwar hinsichtlich der in Österreich nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen. Der Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, sandte das Schreiben an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, an verschiedene Reichsminister sowie an den Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyß-Inquart, und den „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Josef Bürckel.
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Der „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
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1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten
„Bei der Beschlagnahme staatsfeindlichen, im besonderen auch jüdischen Vermögens in Österreich sind u. a. auch Bilder und sonstige Kunstwerke von hohem Wert beschlagnahmt worden. Der Führer wünscht, dass diese zum großen Teil aus jüdischen Händen stammenden Kunstwerke weder zur Ausstattung von Diensträumen der Behörden oder Dienstzimmern leitender Beamter verwendet, noch von leitenden Persönlichkeiten des Staates und der Partei erworben werden. Der Führer beabsichtigt, nach Einziehung der beschlagnahmten Vermögensgegenstände die Entscheidung über ihre Verwendung persönlich zu treffen. Er erwägt dabei, Kunstwerke in erster Linie den kleineren Städten in Österreich für ihre Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Indem ich Ihnen hiervon Kenntnis gebe, bitte ich im Auftrag des Führers, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit eine Verfügung über das in Österreich beschlagnahmte Vermögen bis auf weiteres unterbleibt.“11 Ein Jahr später wurde der Anspruch Hitlers auf jene Kunstwerke ausgedehnt, die nach Maßgabe des österreichischen Denkmalschutzgesetztes sichergestellt waren, und bald darauf auch auf den Kunstbesitz der aufgelösten österreichischen Klöster und Stifte erweitert. Durch Rundschreiben vom 9. Oktober 1940 wurde der „Führervorbehalt“ für das übrige Reichsgebiet und durch Erlass vom 18. November 1940 für die besetzten und noch zu besetzenden Gebiete ausgesprochen. Am Ende des Dritten Reiches stand die gesamte Raubkunst Europas unter „Führervorbehalt“ und die „Führerauswahl“ daraus, die Hitler für sein Verteilungsprogramm zur Verfügung stand, betrug nicht 560 Objekte, wie die offizielle deutsche Datenbank angibt, sondern annäherungsweise das Hundertfache.
2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Hitlers Böcklin-Kollektion Hitlers private Gemäldesammlung war nicht so schlecht wie ihr Ruf. Für diesen hat vor allem der Architekt, Generalbauinspektor und Rüstungsminister Hitlers, Albert Speer, nach dem Krieg mit seinem Rechtfertigungswerk Erinnerungen gesorgt, mit dem er sich von seinem Auftraggeber und Gönner zu distanzieren versuchte. Ausführlich gab Speer dort seiner Verwunderung über Hitlers Vorliebe für die Genremalerei Ausdruck.1 Speers Manipulationen prägten wiederum das Bild vom Kunstgeschmack des Diktators, das Joachim Fest in seiner wirkmächtigen Hitler-Biografie von 1969 kanonisiert hat: „Bezeichnenderweise liebte er überdies allerlei sentimentale Genremalerei in der Art der weinseligen Mönche und fetten Kellermeister Eduard Grützners: Es sei schon in jungen Jahren, so hatte er seiner Umgebung erzählt, sein Traum gewesen, einmal im Leben so erfolgreich zu sein, um sich einen echten Grützner leisten zu können. In seiner Münchner Wohnung am Prinzregentenplatz hingen später zahlreiche Arbeiten dieses Malers, daneben sanfte Kleinleute-Idylle von Spitzweg, ein Bismarck-Porträt Lenbachs, eine Parkszene Anselm v. Feuerbachs sowie eine der zahlreichen Versionen der ‚Sünde‘ von Franz v. Stuck.“2 Vor allem die Münchner Genremalerei musste seither in vielen Publikationen für den kleinbürgerlichen Kunstgeschmack des Diktators herhalten.
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Arnold Böcklin, „Kentaurenkampf“, 1878, ehemals Gemäldesammlung Hitler, verschollen
Dem Besucher in Hitlers Münchner Wohnung (wie später auf dem Obersalzberg und in den Berliner und Münchner Residenzen) begegneten in den Haupt- und Repräsentationsräumen weniger die kleinformatigen Genrebilder, sondern Hauptwerke eines der wichtigsten Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Arnold Böcklin. Schon Hitlers erste Erwerbung soll eine Zeichnung von Böcklin gewesen sein.3 Im Speisezimmer zog ein besonders spektakuläres Werk des Malers die Aufmerksamkeit auf sich, der Kentaurenkampf. Es handelte sich um die zweite von drei Fassungen dieses Bildthemas; der Maler hatte sie 1878 ausgeführt. Fritz von Ostini nannte das Gemälde in seiner populären Künstlermonographie „die tollste Kampfszene von allen dreien“. Es ist verschollen, doch findet sich ein Foto in einem Fotoalbum, das 74 Aufnahmen nach Werken aus der Privatsammlung Hitlers enthält.4 Dieses auf dem Umschlag als Katalog der Privat-Gallerie Adolf Hitlers betitelte Album, das heute in der Library of Congress in Washington D. C. bewahrt
Hitlers Böcklin-Kollektion
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wird, stammt aus Hitlers Besitz und wurde vermutlich in seiner Alpenresidenz, dem Berghof bei Berchtesgaden, von amerikanischen Truppen aufgefunden. Dank dieses Dokuments können wir uns ein Bild von der privaten Gemäldesammlung machen, jedenfalls lernen wir ihre Hauptwerke kennen. Einem kleinbürgerlichen Kunstgeschmack, wie er für Hitler immer wieder reklamiert wird, entsprach Böcklin nicht und seine Bildthemen sind auch keineswegs harmlos: Böcklin war auf das Thema des Kentaurenkampfes in Zusammenhang mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 gekommen: „Da alle Welt voll Kampf“ sei, bemerkte er mit bezeichnender Ironie seinem Freund Arnold von Salis gegenüber, müsse er „auch wohl ein paar ‚raufende Knoten‘ malen“.5 Seine Knoten sind zwei Kentaurenpaare, die auf einer Bergkuppe in barbarischem Kampf aufeinandergetroffen sind. Es handelt sich unübersehbar um Angehörige zweier Völker, denn die einen sind blond und hellhäutig, die anderen schwarzhaarig und dunkel, „germanische“ und „romanische“ Kentauren also. Ihr brutaler, vermutlich tödlich endender Kampf, vor quellenden Wolken hochpathetisch inszeniert, ist nichts anderes als ein sinnloses Sich-Totschlagen. Ironische Details wie die Grimasse des hilflos am Boden Liegenden machen klar, dass dies mit Heldentum nichts zu tun hat. Dass Hitler Böcklins ironische Kriegskritik aus dem Bild herausgelesen hat, ist unwahrscheinlich. Er dürfte in dem Gemälde viel eher den ewigen naturgegebenen Kampf der Völker versinnbildlicht gesehen haben, der die Grundlage seiner Weltanschauung und Geschichtsphilosophie bildete. Das legt auch der Bildkommentar im Privatdruck zu Hitlers Gemäldesammlung (s. u.) nahe, der die Komposition als „von unerhörter Wucht und Wildheit, eine Verkörperung des Rasens entfesselter Elementargewalten“ beschreibt. Der Verfasser des Textes hat damit eine Auslegung gewählt, die dem Verständnis Hitlers wohl nahekam. Mit dem Sammeln von Gemälden begann Hitler nach den Wahlerfolgen der NSDAP Ende der Zwanzigerjahre und der zunehmenden Etablierung der Partei beim Bürgertum.6 Der konkrete Anlass war, dass er 1929 in München ein repräsentatives Domizil bezog, eine über 300 Quadratmeter große Wohnung am Prinzregentenplatz, die er mit
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Gemälden ausstattete. Finanziell war Hitler inzwischen dazu in der Lage, denn mit den politischen Erfolgen der NSDAP wurde sein Bekenntnisbuch Mein Kampf zum Bestseller und machte ihn im Laufe der Zeit zum Millionär. Einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens gab er für Gemälde aus. In Hitlers Freundes- und Bekanntenkreis waren Kunst und Kunstsammeln ein zentrales Thema. Hitler scharte großbürgerliche Kunstliebhaber um sich, darunter Personen, die ihr Vermögen und Ansehen durch die noch junge und rasant expandierende Reproduktionsindustrie gewonnen hatten. Ernst Hanfstaengl etwa, Spross des HanfstaenglKunstverlages, der sich mit qualitativ hochrangigen Kunstdrucken einen Namen gemacht hatte. Derselben Branche gehörte das Verleger-Ehepaar Bruckmann an. Der Bruckmann-Verlag war 1858 als „Verlag für Kunst und Wissenschaft“ gegründet worden und hatte sich mit Publikationen zur deutschen Kunst und Kulturgeschichte schnell einen Namen gemacht. Die in der eigenen hochmodernen Druckerei hergestellten Bücher zeichneten sich durch eine bis dahin ungekannte Druck- und Abbildungsqualität aus. Für die Wohnung am Prinzregentenplatz engagierten sich vor allem die Bruckmanns. Sie übernahmen nicht nur Mietgarantien, Elsa Bruckmann half Hitler auch bei der Einrichtung. So überrascht es nicht, dass an den Wänden Gemälde derjenigen Maler hingen, für deren Werk sich beide Münchner Verlage engagierten. Um Böcklin hatte sich der Bruckmann-Verlag in besonderem Ausmaß verdient gemacht, da dort das ambitionierte vierbändige Werkverzeichnis der Gemälde Böcklins von Heinrich Alfred Schmid erschienen war; der Verlag publizierte auch eine edle Monographie desselben Autors mit 95 Bildtafeln, die 1919 in erster und 1922 in zweiter Auflage erschien.7 Das Künstlerbild, das dieses Buch – wie so viele andere jener Zeit – vermittelte, war das des verkannten Genies, das nach langen Phasen des Nichtverstehens durch das Publikum erst am Ende seines Lebens oder nach seinem Tod als wahres Genie erkannt wird. Böcklin sei, so das Credo, „mehr als alle übrigen seinen eigenen Weg gegangen, am meisten verschrieen und verhöhnt worden, war während der größten Zeit
Hitlers Böcklin-Kollektion
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seines Wirkens wie Feuerbach, Thoma, Hans von Marées, nur von wenigen erkannt, abseits gestanden und hat schließlich die größte Fülle von Beifall geerntet“. Der Grund dafür sei das zutiefst Deutsche seiner Kunst gewesen, das romantische tiefe Naturverständnis. Dies treffe zu, so der Autor, obwohl der Künstler von Geburt Schweizer war. In einer vom französischen Geschmack geprägten und dominierten Kunstszene sei er mit seinem Deutschtum auf erbitterten Widerstand gestoßen. Tatsächlich hatte Böcklin anfänglich wegen der schreienden Farben und des starken Lokalkolorits seiner Bilder heftige Kritik geerntet und war dann nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zum Nationalheros hochstilisiert worden. Seine Schaffensweise wurde nun als Negation des Impressionismus gedeutet und als Überwindung der französischen Vorherrschaft in der Kunst gefeiert. Nach seinem Tod 1901 kannte die nationalistische Vereinnahmung kaum noch Grenzen. Fritz von Ostini sprach ihm in seinem bereits erwähnten Buch von 1904 ein „urgermanisches Wesen“ und seinen Werken „den tiefsten persönlichen Gehalt von allen Bildern des Jahrhunderts“ zu. Auch wenn die Begeisterung seit der Jahrhundertwende abgenommen hatte, so war Böcklin in den Zwanzigerjahren immer noch „in“, insbesondere in München, wo man sein Werk in der Schack-Galerie und der Neuen Pinakothek in hervorragender Auswahl studieren konnte. Bei aller nationalchauvinistischen Deutung von Werk und Person war Böcklin dennoch ein in NS-Kunstkreisen verachteter Maler. Alfred Rosenberg, der Chefideologe des Dritten Reiches, zuständig für die geistige und weltanschauliche Schulung der NSDAP, lehnte Böcklin vehement ab.8 Sein Urteil wiegt durchaus schwer, denn er war so etwas wie der Kunstexperte der Partei. Schon Ende der Zwanzigerjahre nahm er das Projekt in Angriff, die deutsche Kunst und Kultur nach nationalsozialistischen Prinzipien umzuformen. 1928 gründete er die „Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur“ (NGDK) und wurde deren Vorsitzender; als solcher war er für die bildende Kunst zuständig. 1929 ging aus dieser Gesellschaft der „Kampfbund für deutsche Kultur“
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Arnold Böcklin, „Die Toteninsel“, 1883, ehemals Gemäldesammlung Hitler, Nationalgalerie Berlin
hervor. In seinem 1930 erschienenen Hauptwerk Der Mythus des 20. Jahrhunderts widmete er sich ausführlich dem Wesen germanischer Kunst und urteilte vernichtend über das Werk des Malers: „Die Toteninsel heute noch an die Wand zu hängen, ist innere Unmöglichkeit geworden. Das Spiel der Nymphen in den Wellen drängt uns heute einen Stoff auf, den wir einfach nicht mehr vertragen können. Die Frauen mit griechisch-blauen Gewändern unter den Pappeln am dunklen Fluß; die durchs Feld schreitende Flora; die Harfenspielerin auf grüner Erde, das alles sind Dinge, die für uns einen künstlerischen Widersinn bedeuten und Böcklins starke Ursprünglichkeit, wie sie in anderen Werken ewig hervorbricht, immer wieder verfälschen.“9
Hitlers Böcklin-Kollektion
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Hitler war es jedoch keine „innere Unmöglichkeit“, sich die Toteninsel an die Wand zu hängen. Er kaufte 1936 vielmehr die berühmteste Fassung dieses Kultbildes und hängte es in seiner Berliner Residenz, dem alten Reichskanzlerpalais, dorthin, wo es jeder sehen konnte, nämlich in die zentrale Wohnhalle, wo er Gäste empfing. Heute wird die Toteninsel in der Nationalgalerie in Berlin als eines der Hauptwerke der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts präsentiert. In den NS-internen Böcklin-Streit war auch Joseph Goebbels verwickelt, ein entschiedener Gegner von Rosenbergs Kunstkonzept und dessen ständiger Gegenspieler im Kampf um die „Lufthoheit“ über die Kunst. Gleichwohl teilte er mit ihm eine Abscheu vor Böcklin. 1929 notierte er über einen Besuch in der Nationalgalerie: „Ich sah Menzel – herrlich! – Böcklin, Feuerbach, Cornelius – für uns Heutige fast unerträglich. Die Maler malen nur Farben, aber keinen Duft, keine Atmosphäre. Wir denken doch heute ganz anders. [...] So eine Bildersammlung aus dem 19. Jahrhundert kommt einem vor wie eine Totenkammer.“10 Rosenberg und Goebbels sahen den Böcklin’schen Symbolismus als veraltet an, aber sie waren mit diesem Urteil nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit. Böcklins eigenständige und starke Bilderfindungen wirkten gerade in Künstlerkreisen weiter: Der italienische Maler Giorgio de Chirico, der 1906 bis 1909 an der Königlichen Akademie der Künste in München studierte, erkor den Maler zu seinem Vorbild. Und als Hitler ihn in den Zwanzigerjahren zu sammeln begann, haben ihn Max Ernst und die Surrealisten ebenfalls für sich entdeckt und sich von seinen Bildkompositionen inspirieren lassen. Nähme man den Böcklin-Bestand als Indikator, müsste man zu dem Ergebnis kommen, Hitlers Sammlung sei hervorragend gewesen. Neben Kentaurenkampf und Toteninsel besaß er weitere fünf Hauptwerke des Malers, die er selbst erworben hatte. Sie gehörten zum Grundstock der Gemäldegalerie des geplanten „Führermuseums“; zu diesen kaufte der „Sonderauftrag Linz“ weitere drei Werke hinzu.11 Die Bedeutung der Kollektion lässt sich daran ablesen, dass alle Gemälde, als die Rest-
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
bestände der Sammlung Hitlers den deutschen Museumsdirektoren in den Sechzigerjahren zur Übernahme angeboten wurden, an wichtige deutsche Museen gingen: Germanen auf der Eberjagd befindet sich im Kölner Wallraf-Richartz-Museum, Venus, Amor entsendend im Westfälischen Landesmuseum in Münster, Die Geburt der Venus („Blaue Venus“) im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, Die schaumgeborene Venus im Wiesbadener Museum, Schlafende Diana, von Faunen belauscht im Kunstmuseum Düsseldorf (museum kunst palast), Nessus und Dejanira in der Pfalzgalerie Kaiserslautern, Villa am Meer im Museum Folkwang in Essen, Die Hochzeitsreise im Städel in Frankfurt. Während das deutsche Publikum Speers Behauptung von der absoluten Mediokrität der Hitler’schen Gemäldesammlung und der Spießigkeit seines Geschmacks über die Hitler-Biographie von Joachim Fest begierig aufsog und verinnerlichte, erfreute es sich gleichzeitig an seinen Bildern, die in deutschen Museen als Meisterwerke präsentiert werden.
Berater und Händler Selbstverständlich war die Sammlung insgesamt qualitativ schwächer als das von mir herausgegriffene Böcklin-Segment, und tatsächlich dominierten die Genregemälde, die allerdings nicht so harmlos waren, wie Speer und Fest das angenommen haben.12 Doch ist eine qualitative Unausgeglichenheit nicht untypisch für Privatsammlungen und hängt damit zusammen, dass Sammeln auch ein Lernprozess ist, ein ständiges Verbessern und Vertiefen des Kenntnisstandes. Bei Hitler sind die Qualitätsunterschiede zudem das Ergebnis wachsender finanzieller und Machtressourcen: Denn zu Beginn seiner politischen Karriere standen ihm nicht die Möglichkeiten zur Verfügung wie dem Reichskanzler ab 1933, dem Okkupator Österreichs ab 1938 und dem obersten Kriegsherrn ab 1939, der seine Rauborganisationen über die besetzten Länder ausschwärmen ließ und dabei die besten Kunstwerke für sich reklamierte. Parallel dazu gewann er immer kompetentere Berater, bis er dann mit Hans Posse, dem langjährigen Direktor der Dresdner Gemäldegalerie,
Kolumne
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Gemälde von Robert Schleich aus der Sammlung Hitlers, verschollen
einen der renommiertesten Malerei- und Sammlungsexperten Deutschlands als seinen persönlichen Kunstexperten fand. Wie fast jeder Sammler fing Hitler klein an. Die wegweisende Figur am Anfang seines Weges war sein Freund Heinrich Hoffmann.13 Der Fotograph war 1920 der NSDAP beigetreten; zwei Jahre später ergab sich ein persönlicher Kontakt zu Hitler, als dieser entdeckte, dass auch Hoffmann ein verhinderter Maler, gleichsam ein Seelenverwandter war. Damit war die Grundlage einer Freundschaft gelegt und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Hoffmann den bis dato fotoscheuen politischen Aufsteiger im September 1923 für eine Porträtsitzung gewinnen konnte. Hoffmann avancierte danach schnell zum „Leibfotographen“ und hatte mit seinen Aufnahmen einen entscheidenden Anteil am Aufbau des Führermythos. Als Reichsbildberichterstatter der NSDAP verdiente er während des Dritten Reiches ein Vermögen, mit dem er wiederum Kunstwerke kaufte.
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2. Der Kunstsammler Hitler
Hitler war während seiner Münchner Aufenthalte über Jahre hin fast täglich Nachmittags- und Abendgast bei Hoffmann. „Meine kleine Gemäldesammlung hatte es ihm angetan“, berichtete der Fotograph. Nach Kriegsende zählte Hoffmanns Kollektion etwa 300 Gemälde und Aquarelle, vorwiegend Landschafts-, Tier- und Genredarstellungen der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts. Auf seinen Streifzügen durch die Münchner Galerien hielt der Fotograph immer auch Ausschau nach Objekten, die für seinen Freund von Interesse sein könnten, und ließ diese dann zur Auswahl in dessen Wohnung schicken. So muss es nicht überraschen, dass Hitlers frühe Sammlung der Hoffmann’schen ähnelte: Dominant waren eher kleinformatige Landschafts- und Genregemälde Münchner Maler des 19. Jahrhunderts. Dieses Sammlungsprofil war wohl typisch für München: Gleichzeitig mit Hitler und Hoffmann baute Eberhard Hanfstaengl, ein Cousin von Ernst „Putzi“ Hanfstaengl und ein ausgewiesener Fachmann für die Malerei des 19. Jahrhunderts, als Leiter der Städtischen Kunstsammlungen deren Bestand mit Münchner Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus.14 Hitlers erste Kunsthändlerin war Maria Almas-Dietrich, die seit mindestens 1935 mit ihm in Geschäftsverbindung stand.15 Der Kontakt war von Hoffmann vermittelt worden, und für das Florieren der Beziehung soll der Umstand von Bedeutung gewesen sein, dass sie mit Hitlers Geliebten, Eva Braun, befreundet war. Das schuf wohl ein gewisses Vertrauensverhältnis, das dazu führte, dass Hitler, der selbst keine Kunstauktionen besucht haben soll, sie als seine Agentin einsetzte. Der Diktator studierte die Auktionskataloge persönlich, traf Vorabsprachen mit ihr und sie ersteigerte dann in seinem Auftrag die Kunstwerke. Maria Almas-Dietrich dürfte ihm mit Abstand die meisten Gemälde verkauft beziehungsweise vermittelt haben. Sie ist es gewesen, die Hitler 1936 Böcklins Toteninsel lieferte. Auch das Porträt der Nanna von Anselm Feuerbach hat sie seiner Sammlung zugeführt, laut Aussage der Sekretärinnen sein absolutes Lieblingsbild.16 Über die Person der Kunsthändlerin ist wenig bekannt. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass sie nach den NS-Rassegesetzen Halbjüdin war. Das passte und passt nicht ins Bild. Maria Almas-Dietrich wurde 1892 in München als uneheliche Tochter eines jüdischen Va-
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ters geboren. 1921 heiratete sie den türkischen Tabakhändler Ali AlmasDiamant und trat zum jüdischen Glauben ihres Mannes über, was ihr nach 1933 erhebliche Schwierigkeiten mit den Nazibehörden einbrachte. Ihre Galerie in der Münchner Ottostraße vertrieb Antiquitäten und Gemälde des 15. bis 19. Jahrhunderts. Sie war gewiss keine große Kennerin, scheint aber über gute Verbindungen in die Münchner Kunstszene verfügt zu haben. Zu Konflikten kam es, nachdem Hans Posse Sonderbeauftragter geworden war und die Kunst-Einlieferungen in das Depot des Führerbaus in München zu kontrollieren hatte. Er hielt wenig von der Dilettantin ohne akademische Ausbildung und, was in seinen Augen noch schlimmer war, ohne Kennerschaft. Am 4. August 1940 musste er in Berlin circa 250 Gemälde durchsehen, welche die Händlerin gemeinsam mit Heinrich Hoffmann aus den Niederlanden ausgeführt hatte und nun Hitler zum Kauf anbot. Posse traf eine strenge Auswahl, die er abends mit Hitler noch einmal durchgehen und wohl auch begründen musste. Als sich das Ganze am 21. August 1940 mit 75 weiteren Gemälden wiederholte, urteilte er vernichtend. Es handele sich um Restbestände, sehr mäßige Bilder bekannterer Meister, die bisher unverkauft geblieben seien. Nur wenige schlug er zur Erwerbung vor.17 Als Hitler in der ersten Hälfte der Dreißigerjahre sein privates Feriendomizil Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg zur Alpenresidenz, dem Berghof, ausbauen ließ, kam ein anderer Kunsthändler zum Zug – jedenfalls bei der Ausstattung der Großen Halle, nämlich der in Berlin tätige Kunsthändler Karl Haberstock. Auf die hier hängende Kollektion war Hitler besonders stolz. Sowohl bei offiziellen Empfängen wie auch während der abendlichen Gespräche am Kamin kam er oft auf die Bilder zu sprechen.18 Haberstock, 1878 als Sohn eines Bankiers in Augsburg geboren, hatte eine Bankausbildung absolviert und war nach und nach in das Kunstgeschäft hineingewachsen.19 Zu Beginn des Jahrhunderts hatte er sich in der Reichshauptstadt niedergelassen, wo er rasch zu einem der führenden Kunsthändler aufstieg. Er spezialisierte sich auf deutsche Kunst und hatte persönlichen Kontakt zu einigen der Hauptmeister des späten 19. Jahrhunderts, vor allem zu Wilhelm Trübner, Wilhelm Leibl und Wilhelm von Uhde, für
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Paris Bordone, „Venus und Amor“, ehemals Gemäldesammlung Hitler, Nationalmuseum Warschau
deren Werk er sich engagierte. Vor allem erwarb er Arbeiten des Wiener Malers Carl Schuch, zu einem Zeitpunkt, als sich noch kein anderer Händler für diesen in die Moderne vorausweisenden Realisten interessierte. In den Zwanzigerjahren erweiterte Haberstock sein Repertoire auf Altmeister. Hitler lernte auch diesen Kunsthändler über seinen Fotographen Heinrich Hoffmann kennen, mit dem gemeinsam er Haberstocks Berliner Galerie besuchte. Die erste bekannte Erwerbung ist das Gemälde Venus und Amor des italienischen Renaissance-Malers Paris Bordone, das Hitler im Mai 1936 zum Preis von 65 000 Reichsmark für die Große Halle ankaufte. Haberstock hatte es bereits 1928 von einem Londo-
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ner Händler bezogen.20 Es folgte Bordones Dame mit Apfel, ein Gemälde, das der Händler 1937 über das Auktionshaus Theodor Fischer in Luzern erworben hatte. Fischer sollte im Jahr darauf in Luzern die Auktion „Entartete Kunst“ veranstalten, auf der das Dritte Reich Werke moderner Kunst, die aus deutschen Museen beschlagnahmt worden waren, ins Ausland verkaufen ließ. Haberstock war Mitglied der Verwertungskommission „entarteter Kunst“ und möglicherweise der Initiator der Verkaufsaktion. Hitler schätzte Haberstock nicht nur als Kunstlieferanten, sondern auch als Kenner der europäischen Gemäldegalerien. Der Händler unterhielt beste Geschäftsverbindungen zu deutschen Museen, bei denen er ankaufte und denen er verkaufte; da die Erwerbungsetats niedrig waren, ließ er sich häufig auch auf Tauschgeschäfte ein.21 Haberstock war jedenfalls mehr als nur ein Händler für Hitler, er war sein Kunstberater und sein erster, allerdings an den Verhältnissen gescheiterter Sonderbeauftragter für die Verteilung der Raubkunst aus jüdischem Besitz in Wien. Auf seinen Rat hin berief Hitler den Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Hans Posse, zum Sonderbeauftragten für sein Raubkunst-Verteilungsprogramm. Mehrfach waren Haberstock und Posse gemeinsam bei Hitler zum Essen eingeladen. Auch als Posse im Herbst 1940 nach Paris fuhr, um die dort requirierten jüdischen Kunstsammlungen zu inspizieren, begleitete ihn der Kunsthändler. Haberstock baute für Posse Kontakte in den dortigen Kunsthandel auf; nicht ausgeschlossen werden kann, dass er ihn bei der Beurteilung der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in den Depots des Louvre unterstützte. Nach dem Krieg hütete sich Haberstock, seine zumindest zeitweise zentrale Rolle den Offizieren des amerikanischen Nachrichtendienstes, die ihn verhörten, preiszugeben. Da alle Untersuchungen zum NSKunstraub auf diesen Verhörprotokollen aufbauen, wird die Rolle Haberstocks bis heute unterschätzt. Tatsächlich gelang es dem Kunsthändler, seine Reputation wiederherzustellen.22 Er unterzog sich 1949 einem Entnazifizierungsverfahren, wurde als „Entlasteter“ klassifiziert, erhielt den Großteil seines von der amerikanischen Militärverwaltung beschlagnahmten Eigentums zurück und konnte sein Geschäft in München weiterführen.
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
„Meisterwerke der Malerei AH“, Staatsgemäldesammlungen, München
Meisterwerke der Malerei AH Die Bedeutung Haberstocks für Hitler und sein Museumsprojekt lässt sich vielleicht am besten anhand eines prachtvollen Privatdrucks zur Gemäldesammlung Hitlers ermessen: Meisterwerke der Malerei AH. Es handelt sich um zwei monumentale Bände mit eingeklebten Fotographien, auf deren roten Ledereinbänden das Signet Adolf Hitlers in Goldprägung prangt.23 Die wohl nur in wenigen Exemplaren hergestellten Folianten präsentieren im Band Neue Meister 31 Gemälde des deutschen 19. Jahrhunderts und im Band Alte Meister 27 Werke der europäischen Malerei vor 1800. Für Haberstocks Autorschaft sprechen verschiedene Indizien: Er besaß mehrere Exemplare; eines befindet sich in seinem Nachlass, das andere gab er in der letzten Kriegsphase in die Bibliothek
Meisterwerke der Malerei AH
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der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Offenbar wollte er Hitlers Sammlung über die Fährnisse des Krieges hinaus dokumentiert wissen. Der Grund dafür dürfte gewesen sein, dass fast alle der darin dokumentierten Bilder von ihm selbst geliefert worden waren. Drei Gemälde kamen zwar von seiner Konkurrentin Maria Almas-Dietrich. Doch diese konnte Haberstock schwerlich ignorieren, da es sich um Ikonen der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts handelte: Böcklins Toteninsel, Feuerbachs Nanna sowie Friedrich der Große auf Reisen von Adolph von Menzel. Von anderen Händlern gelieferte Bilder kommen in den beiden Bänden nicht vor. Für die These, dass Haberstock die Auswahl aus der Sammlung Hitlers zusammengestellt hat, spricht überdies der Umstand, dass die Neuen Meister mit seinem Weihnachtsgeschenk an Hitler von 1937 einsetzen, einem Aquarell von Rudolf von Alt, Wiener Ansicht mit Stephansturm.24 Bei den alten Meistern überwiegen Gemälde dekorativen Charakters wie venezianische Frauenporträts des 16. Jahrhunderts, niederländische Stillleben des 17. Jahrhunderts, römische Architekturphantasien und venezianische Stadtansichten des 18. Jahrhunderts. Allerdings trifft man auch auf religiöse Sujets, etwa zwei italienische Madonnenbilder der Renaissance. Ausgesprochen hochrangig ist die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts vertreten, die mit Hauptwerken von Arnold Böcklin, Franz von Defregger, Anselm Feuerbach, Hans Thoma, Hans Makart, Adolph Menzel, Moritz von Schwind, Georg Ferdinand Waldmüller und Eduard Grützner aufwarten kann. Haberstock hat vermutlich auch die Bildkommentare verfasst, die jedem Gemälde beigegeben sind. Es handelt sich um typische Beispiele der völkischen Kunstgeschichtsschreibung jener Zeit. Sie erschöpfen sich völlig im Klischee von Volkstum und Heimatliebe, betonen im Falle Menzels dessen „Preußentum“ und im Falle Rudolf von Alts dessen „Wienertum“. Zuweilen versuchen die Texte auch, nichtdeutsche Maler einzudeutschen. Dies betrifft etwa eine so europäische Erscheinung wie den aus Venedig stammenden und in Wien, Dresden und Warschau tätigen Bernardo Bellotto, nach seinem Onkel und Lehrer auch Canaletto genannt: „Sein Auge wird im Norden immer scharfsichtiger für Linien und Luftperspektive, seine Palette immer klarer und lichter, seine Pin-
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Hans Makart, „Siesta am Hofe der Medici“, 1875, ehemals Gemäldesammlung Hitler, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
selführung immer detaillierter. Man darf wohl sagen, Canaletto wird immer deutscher.“ Dabei hat der Maler die genuin venezianische Vedutenmalerei des 18. Jahrhunderts in den Norden transferiert und wurde von seinen Auftraggebern gerade wegen seiner Italianità geschätzt. Es handelt sich um nationalchauvinistische, aber nicht spezifisch nationalsozialistische Texte. Der Stand der Kunstkritik, den sie reflektieren, ist jener der Jahrhundertausstellung 1906 in der Nationalgalerie in Berlin, mit der die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts eine Neubewertung als eine spezifisch nationale Kunst erfahren hatte. 1906 schrieb der Kunsthistoriker Richard Hamann anhand der Exponate eine dreibändige Geschichte der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts, die mehrfach in den Alben zitiert ist, obwohl Hamann als „Linker“ galt.25
Meisterwerke der Malerei AH
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Mehr Verve und Gründlichkeit zeigen die Texte dort, wo es um die Vorgeschichte der Werke geht, und darin dürfte ein spezifischer Händlerstolz zum Ausdruck kommen. Zahlreiche der von Haberstock an Hitler gelieferten Werke hatten adelige beziehungsweise berühmte Vorbesitzer. So kam der Madonnen-Tondo, der über dem Kamin in der Großen Halle des Berghofes seinen Platz fand, aus dem Besitz des Prinzen Heinrich von Preußen, einem Bruder Wilhelms II. Der Begleittext verweist auf den rückseitigen Stempel des preußischen Königshauses. Zwei Gemälde von Canaletto (er erscheint hier als Bellotto) stammten aus dem Besitz des Herzogs von Anhalt-Dessau, der Text zur Ansicht des Zwingergrabens vermerkt, dass dessen Vorfahr es als Geschenk der Zarin Katharina erhalten habe. Mehrere Bilder stammen aus alten englischen Sammlungen: Anthonis van Dycks Jupiter und Antiope aus der ehemaligen Sammlung des Earl of Coventry, Paris Bordones Venus und Amor aus der von Sir Peter Lely, einem Nachfolger von Anthonis van Dyck.26 Die beiden Bände Meisterwerke der Malerei AH repräsentieren nicht nur Hauptwerke der Sammlung, vielmehr feiern Texte und Bildauswahl Hitler auch als Kunstmäzen und den Berghof als Musenhof, indem sie etwa auf große Vorbilder verweisen: Hans Makarts Siesta am Hof der Medici von 1875 schildert das Hofleben des Lorenzo de’ Medici (1449 – 1492) in Florenz, „dieses großen Bewunderers und Förderers der Kunst“, als „Sammelplatz berühmter und genialer Männer, Gelehrter, Dichter und bildender Künstler“, wie im Prachtband zu lesen ist. Lorenzo erhielt wegen seines Mäzenatentums den Beinamen der Prächtige: „Junge Künstler, die als hoffnungsvoll empfohlen werden, nimmt Lorenzo in den Kreis seines Hauses auf, lässt sie im Kasino wohnen, an seiner Tafel teilnehmen, versieht sie mit Geld, erwirbt ihre Arbeiten.“ Das Gemälde war 1937 von dem Berliner Kunsthändler in den Berghof gebracht worden. Die Fotoalben widerlegen anschaulich die vor allem von Albert Speer lancierte Vorstellung, Hitler habe vor 1939, als er den Gemäldeexperten Hans Posse als Berater gewann, lediglich eine unbedeutende Sammlung an Malerei des 19. Jahrhunderts besessen.27 Die Berghof-Kollektion ist bereits zuvor beachtlich, und ihre Qualität ist wohl hauptsächlich
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
Giovanni Paolo Pannini, „Römische Ruinenlandschaft“, ehemals Gemäldesammlung Hitler, verschollen
Haberstock zu verdanken; andererseits ist die persönliche Prägung durch Hitlers Geschmack deutlich spürbar. Die Maler Makart und Feuerbach waren schon in jungen Jahren seine Vorbilder gewesen, lange bevor er überhaupt zu sammeln begonnen hatte.28 Hitler gab also die Richtung vor und Haberstock sorgte dafür, dass sich sein Geschmack auf hohem Niveau realisieren konnte. Natürlich hat auch Hitler mindestens ein Exemplar des zweibändigen Prachtwerks besessen, das jedoch verschollen ist. Immerhin hat es
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eine Spur in der Erinnerungsliteratur des engeren Hitlerkreises hinterlassen. Hitlers Chefsekretärin Christa Schroeder verbrachte, nachdem sie dem Führerbunker und dem Berliner Inferno entronnen war, die letzten Wochen des Dritten Reiches auf dem Obersalzberg. Während dieser Zeit machte sie sich Notizen über Hitlers Kunstsammlung und legte eine Liste von Künstlernamen an, die sie in ihren Memoiren Er war mein Chef anführt. Diese Liste folgt dem Künstlerindex der Meisterwerke der Malerei-Folianten.29 Wir dürfen also davon ausgehen, dass sie die Alben benutzte und dass sich diese im Berghof befanden. In seiner dortigen Bibliothek verwahrte Hitler weitere Dokumente, die seine diversen Sammlungen präsentierten: den Fotokatalog der Gemäldegalerie Linz, das schon vorgestellte Album seiner Privatsammlung und die Bildmappen des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg, welche die „Führerauswahl“ aus den konfiszierten jüdischen Sammlungen aus Frankreich enthielten.30 Als die Prachtbände hergestellt wurden, hatte Hitler seine Hand bereits auf beschlagnahmtes Kunstgut gelegt. Demgegenüber sind die in den beiden Bänden reproduzierten Gemälde in den meisten Fällen noch regulär über den Kunsthandel erworben. Dabei profitierte Hitler jedoch mehrfach von den Zwangsverkäufen jüdischer Kunstsammler und Kunsthändler. Um zwei Beispiele anzuführen: Das Porträt der Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (1872) von Franz von Lenbach hatte Haberstock von der Wiener Galerie Neumann angekauft, die es wiederum im Wiener Pfandleih- und Auktionshaus Dorotheum erworben hatte, wo es von der Gestapo eingeliefert worden war. Es stammte aus dem Besitz des jüdischen Industriellen Bernhard Altmann, der nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich geflohen war, worauf sein Besitz beschlagnahmt und zur Begleichung der Reichsfluchtsteuer versteigert worden war. Viele Jahre befand es sich als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland im Wallraf-Richartz-Museum in Köln, bis es 2005 an die Erben Bernhard Altmanns restituiert wurde.31 Die Römische Ruinenlandschaft, gemalt von dem venezianische Vedutenmaler Giovanni Paolo Pannini, die in der Großen Halle des Berghofes hing, dürfte aus dem Besitz des jüdischen Kunst- und Antiquitätenhändlers Jakob Oppenheimer stammen, der Deutschland bereits
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2. Der „Führer“ als Kunstsammler
im Jahre 1933 verlassen hatte.32 Seine Gemälde, Möbel und Antiquitäten waren konfisziert und zu Schleuderpreisen im April 1935 in Berlin versteigert worden. Jakob Oppenheimer verstarb am 3. Juni 1941 in Nizza, seine Frau Rosa wurde nach der Besetzung der freien Zone Frankreichs verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wie das Gemälde aus der Auktion an Hitler gelangte, ist unbekannt. Möglicherweise war Maria Almas-Dietrich daran beteiligt, die in jenen Jahren häufig auf Berliner Auktionen im Auftrag Hitlers ankaufte. Würde das verschollene Gemälde heute auftauchen, wäre es ein Restitutionsfall. Deshalb wurde es von den Erben von Jakob und Rosa Oppenheimer vor wenigen Jahren der Koordinierungsstelle in Magdeburg gemeldet und von dieser in die Datenbank lostart eingestellt. Ungeachtet ihrer Vorgeschichte ist jedoch klar: Die Gemälde, die sich auf dem Berghof befanden, sind von Hitler gekauft und von seinem Privatkonto bezahlt worden.33 Bei den Alben handelt es sich um hochrangige Dokumente seiner Sammeltätigkeit vor der Installation des „Sonderauftrags Linz“ im Juli 1939. Die letzten in den beiden Prachtbänden verzeichneten Erwerbungen – die Ansicht des Canale Grande von Canaletto und Menzels Friedrich besucht den Maler Pense auf dem Gerüst – fanden am 16. Juni 1939 statt, zwei Tage vor der Berufung Posses zum Sonderbeauftragten für die Verteilung der Raubkunst.
3. Das Projekt „Führermuseum“
Eine Galerie für Hitlers Heimatstadt Wenige Stunden nachdem die deutsche Wehrmacht am frühen Morgen des 12. März 1938 in Österreich einmarschiert war, passierte Hitler die Grenze in seiner Geburtsstadt Braunau am Inn und erreichte gegen Abend Linz an der Donau, jene Stadt, in der er prägende Jugendjahre verbracht hatte. Die Bevölkerung, die seit Stunden auf sein Erscheinen gewartet hatte, bereitete dem Sohn der Stadt, der es bis zum deutschen Reichskanzler gebracht hatte, einen begeisterten Empfang. Hitler war erleichtert und zeigte sich gerührt: Bei seiner Rede vom Balkon des Rathauses auf dem Hauptplatz bemühte er die Vorsehung; es sollen ihm sogar die Tränen gekommen sein. Die Dankbarkeit des Diktators für den begeisterten Empfang hatte Folgen: Oberdonau wurde mit dem Titel „Heimatgau des Führers“ ausgezeichnet und Linz zur „Heimatstadt des Führers“ und zu einer der fünf „Führerstädte“ erhoben. In Linz wollte Hitler seinen Lebensabend verbringen, auf dem Freinberg oberhalb der Altstadt plante er seinen Alterssitz. Die Stadt konnte sich aus dieser liebenden Umarmung nicht mehr befreien: In der Ratssitzung vom 30. November 1943 klagte der Oberbürgermeister, der Führer liebe seine Heimat sehr und habe das Ziel, aus Linz „die schönste Stadt an der Donau zu machen. Er kümmert sich um jedes Detail, er kümmert sich auch im Krieg um jede Einzelheit, er kümmert sich um jeden Splitterschutzgraben, Feuerlöschteich, genauso um kulturelle Veranstaltungen. Es kommen in der Nacht Fernschreiben, in denen er verbietet, dass Veranstaltungen im Volksgarten
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3. Das Projekt „Führermuseum“
stattfinden, da der Volksgarten doch eine schlechte Akustik hat und daher besonders bekannte Künstler im Vereinshaus auftreten sollen.“ Frustriert resümierte er: „Die Selbstverwaltung der Stadt ist in erheblichem Maße eingeschränkt.“1 Am 12. März verschob Hitler die Weiterfahrt nach Wien erst einmal und beschloss, die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich zu beschleunigen und ein Gesetz zur Wiedervereinigung, das seine Juristen in Berlin jedoch erst noch formulieren mussten, von Linz aus bekannt zu geben.2 Den dadurch verlängerten Aufenthalt nutzte er zum Besuch des Grabes seiner Eltern und zu einem Mittagessen mit Linzer Lokalpolitikern, bei dem er in Aussicht stellte, dass er die Patenschaft über die Stadt übernehmen werde und die Errichtung einer neuen Donaubrücke versprach. Bürgermeister Wolkersdorfer packte die Gelegenheit beim Schopf und wies darauf hin, dass auch ein eklatanter Mangel an Kulturstätten zu beklagen sei, da die Stadt außer dem viel zu kleinen Landesmuseum keine Gemäldegalerie und keine Museen besitze. Das Problem brannte dem Bürgermeister auf den Nägeln, hatte die Stadt doch Pläne für einen Ausbau ihrer Museen 1931 wegen der Verschlechterung der Landesfinanzen auf Eis legen müssen. Da sich Hitler im Jahr zuvor mit der Eröffnung des „Hauses der Deutschen Kunst“ in München als Bauherr und Förderer der bildenden Kunst präsentiert hatte, war es naheliegend, die kulturellen Anliegen an ihn heranzutragen. Wenige Wochen später, am 8. April, war Hitler auf „Wahlkampfreise“ für den „Anschluss“ erneut in Linz. In Begleitung von Museumsdirektor Dr. Theodor Kerschner stattete er dem Oberösterreichischen Landesmuseum einen einstündigen Besuch ab. Hitler fühlte sich dem Museum in besonderer Weise verbunden: Dem Gebäude hatte schon in jungen Jahren seine Bewunderung gegolten; besonders gut gefiel ihm der monumentale Skulpturenfries, der sich um das Gebäude zieht und diesem eine zugleich malerische und sprechende Außenwirkung verleiht. Als Realschüler (1900 – 1905) war Hitler sogar Mitglied des Musealvereins gewesen. Allerdings ist das Museumsgebäude vergleichsweise klein und wirkt eher wie eine große Privatvilla als wie ein öffentliches Gebäude; das In-
Kolumne
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Hitler verlässt das Oberösterreichische Landesmuseum in Linz, 8. April 1938
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3. Das Projekt „Führermuseum“
nere wird zudem von einem monumentalen Treppenhaus dominiert, sodass für die erheblich angewachsene Sammlung zu wenig Ausstellungsfläche zur Verfügung stand. So war das Gebäude vom Keller bis zum Obergeschoss mit den Beständen seiner diversen Sammlungen vollgestopft: den Objekten der Vor- und Frühgeschichte, der Naturwissenschaft und Zoologie, dem Kunstgewerbe, der Waffensammlung und der Kunst. Während seines Rundganges äußerte Hitler Pläne zum Ausbau der städtischen Museumslandschaft: Linz sollte ein repräsentatives Gaumuseum, ein großes Volkskundemuseum und einen Ergänzungsbau zum bestehenden Museum erhalten.
Das Erlebnis der Uffizien Mit diesen Überlegungen zum Ausbau der Linzer Museumslandschaft im Kopf trat Hitler am 3. Mai 1938 seinen Staatsbesuch in Italien an. Auf seinem Programm standen mit Rom, Neapel und Florenz drei Kunststädte, die er zum ersten Mal betrat. In geradezu unzulässiger Weise machte er den Staatsbesuch zu einer Kunstreise.3 Sein Interesse galt insbesondere den Museen. In Rom besichtigte er die Galleria Borghese und das Thermenmuseum, in Neapel das Nationalmuseum. In der Galleria Borghese mit den Meisterwerken aus Renaissance und Barock setzte sich der genervte Mussolini mit seinem Gefolge ab. Hitler, den der ständig zum Weitergehen drängende Duce in seinem Kunstgenuss gestört hatte, entspannte sich. Überrascht bemerkte der Kunsthistoriker und Archäologe Ranuccio Bianchi Bandinelli, der Hitler durch die Sammlung führte, wie die Gemälde Hitler berührten, er erkannte an dessen Reaktionen echte Passion. Vor allem habe er sich von der Barockmalerei – Guido Reni, Guercino, den Carracci – begeistern lassen: „Viele Male äußerte sich seine Bewunderung in einer Art Röcheln aus der Tiefe seiner Kehle; oder in einer zögerlichen Beobachtung oder Frage in seinem dialektgefärbten Deutsch. Dann aber, wenn ihn eine Sache besonders getroffen hatte, wurde er lebhaft, als sei ein elektrischer Kontakt hergestellt, und er wendete sich an sein Gefolge:
Das Erlebnis der Uffizien
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‚Sehen Sie, meine Herren …‘ Den Blick immer im Ungewissen, flossen die Worte nun leicht, und der Dialekt milderte sich. Wer ihm so nahe kam, konnte in ihm den Sentimentalen, den Romantiker, auch den Fanatiker entdecken.“4 Noch ein weiteres Mal musste Mussolini einen ausführlichen Museumsbesuch über sich ergehen lassen: In Florenz, der dritten und letzten Station der Reise, führte der Direktor des dortigen deutschen Kunsthistorischen Instituts, Friedrich Kriegbaum, durch den Palazzo Pitti; von dort ging es dann durch den berühmten Vasari-Korridor des Ponte Vecchio über den Arno in die Galerie der Uffizien. Das Erlebnis der Uffizien scheint Hitlers Gedankengang bezüglich seiner Linzer Museumsplanungen entschieden weitergebracht zu haben, freilich nicht in dem oft kolportierten Sinn, dass es der Auslöser für die Idee eines gigantischen „Führermuseums“ gewesen wäre. Dazu hätte Hitler schließlich nicht nach Florenz reisen müssen. Deutschland besaß mit der Berliner Museumsinsel einen riesigen Museumskomplex, für den es in Italien nichts Vergleichbares gab. Und Hitler kannte die Museumsinsel sehr gut: Bereits 1934 hatte er persönlich ihre Erweiterung durch drei Museumsgebäude am nördlichen Spreeufer initiiert: ein Museum des 19. Jahrhunderts, ein Ägyptisch-Vorderasiatisches Museum und ein Germanisches Museum, für die der Architekt Wilhelm Kreis 1939 den Auftrag erhielt.5 Was also war es, das Hitlers Florenzaufenthalt und speziell den Uffizienbesuch zu einem Schlüsselereignis werden ließ? Höchstwahrscheinlich war es das emotionale Erlebnis vor den Originalen, welches ihn zutiefst motivierte, sein Selbstkonzept als Künstler und Kunstsammler bestätigte und seine Linzer Planungen voranbrachte. Hitler dürfte es begeistert haben, dass er vieles, was er aus München kannte und schätzte, in Florenz in größerer Dichte und höherer Qualität vorfand. Der Gründer der Münchner Pinakothek, der bayerische König Ludwig I., hatte über viele Jahre in Florenz Objekte für sein Museum angekauft. Die Schack-Galerie in München besaß zehn Kopien nach Meisterwerken aus den Uffizien. Und da die Kunstsammlungen der bayerischen Hauptstadt Hitlers Kunstgeschmack entscheidend geprägt hatten, fanden sich
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3. Das Projekt „Führermuseum“
Hitler in den Uffizien, Florenz, 9. Mai 1938
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dieselben Maler und verwandte Werke in seiner Privatsammlung wieder. Vielfache Bezüge konnte er zu den Gemälden knüpfen, die er für den Berghof auf dem Obersalzberg erworben hatte. Dort hingen in der großen Wohnhalle etwa zwei hervorragende Gemälde des Tizianschülers Paris Bordone, der auch in den Uffizien prominent vertreten ist: Dame mit Apfel und Venus mit Amor. Vermutlich wurde es Hitler über das Erlebnis der Florentiner Museen auch möglich, die eigenen zentralistischen Museumskonzeptionen, welche „Germania“, das neue Berlin, in den Mittelpunkt gestellt hatten, gedanklich zu einem föderalistischen System umzugestalten. Jedenfalls erhielten die Uffizien Modellcharakter für seine Linzer Planungen, nämlich als eine Galerie von Weltrang in einer Mittelstadt, die noch Jahrhunderte nach ihrer Gründung ein großes Publikum zu begeistern vermochte, die also langfristig funktionierte. Nach dem Krieg gab Haberstock amerikanischen Kunstschutzoffizieren gegenüber an, der Italienbesuch habe Hitler den Eindruck vermittelt, in Deutschland fehle es an Galerien in der Qualität der Uffizien, und er habe ihm von seinem Plan berichtet, eine Gemäldegalerie nach Linz zu stiften. Wie stark Hitlers Galerieplanungen durch das Florenz-Erlebnis angeregt worden waren, belegen seine sich unmittelbar daran anschließenden Aktivitäten.6 Zurück im Deutschen Reich soll er erstmalig Stiftungspläne mit dem Direktor des Linzer Landesmuseums besprochen haben. Er sagte diesem zu, eine Reihe von Werken aus seiner Münchner Sammlung dem Museum zuzuweisen – noch dachte er nicht an ein separates „Führermuseum“, sondern an einen Erweiterungsbau des Landesmuseums. Zudem suchte er das Gespräch mit seinem Kunsthändler Karl Haberstock. Da dieser zahlreiche Museumsleiter persönlich kannte, fragte er ihn um Rat, wer am besten geeignet sei, ihm eine Gemäldesammlung für Linz zusammenzustellen. Haberstock empfahl ihm den Direktor der Dresdner Gemäldegalerie Hans Posse „als den größten Museumsexperten in Deutschland“. Hitler hatte Posse schon 1934 bei einem Besuch in Dresden kennengelernt, als dieser ihn und seine Entourage durch die Dresdner Gemäldegalerie führte. Haberstock nutzte die Gelegenheit, die Rehabilitierung seines Freundes Posse einzufädeln, der aufgrund seiner Ankäufe „entarteter Kunst“ kurz zuvor vom zuständigen
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3. Das Projekt „Führermuseum“
Landesministerium gezwungen worden war, seine vorzeitige Pensionierung zu beantragen. Gleichzeitig begann Hitler, Gemälde für das zukünftige Museum anzukaufen. Unmittelbar nach dem 18. Juni 1938 setzten Kunsterwerbungen ein, die das Ausmaß der vorangegangenen Sammeltätigkeit erheblich überstiegen.7 Am 28. und 30. Juni 1938 brachte Karl Haberstock ein Gemäldekonvolut in den Führerbau, das sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ deutlich von seinen bisherigen Lieferungen absetzte. Es handelte sich um „Museumsware“: Gemälde des 19. Jahrhunderts von Hans Thoma, Franz von Lenbach und Arnold Böcklin und von Altmeistern wie Peter Paul Rubens und Anthonis von Dyck; das Konvolut beinhaltete auch mehrere Gemälde des venezianischen Vedutenmalers Canaletto, nämlich Die Karlskirche in Wien, Der Marktplatz in Pirna und Der Zwingergraben in Dresden. Canaletto hatte sich als Hofmaler der sächsischen Könige mehrere Jahre in Sachsen aufgehalten und die Schlösser und Residenzen der Wettiner sowie Ansichten von Dresden und Pirna gemalt, weshalb die Dresdner Gemäldegalerie einen großen und bedeutenden Canaletto-Bestand ihr Eigen nennt. Das Gemälde Der Zwingergraben, das Haberstock an Hitler lieferte, stellt nicht nur ein Dresdner Motiv dar, es handelte sich auch um eine kleinere Wiederholung des Exemplares der Dresdner Galerie. Ein weiteres Gemälde war sogar alter Galeriebestand, nämlich Andrea Previtalis Maria mit Kind und dem kleinen Johannes (1510). Das ehemalige sächsische Königshaus der Wettiner hatte aufgrund des Sächsischen Fürstenabfindungsgesetzes von 1924 auch Kunstwerke aus der Galerie zugesprochen bekommen, darunter das Gemälde Previtalis, das es verkaufte und das auf diesem Wege an Haberstock gelangte. Der Kunsthändler hatte in kürzester Zeit ein Konvolut zusammengestellt, das auf Hitlers Besuch in Dresden Bezug nahm. Ein eindeutiger Beleg für die Erweiterung des Sammlungskonzepts ist, dass sich einige der gelieferten Objekte schon lange im Besitz des Händlers befanden, ohne dass sie Hitler angeboten worden waren. In den Rechnungen taucht zum ersten Mal auch der Vermerk „für Linz“ auf.
Kolumne
Porträt Hans Posse
Der Sonderbeauftragte Hans Posse Posse, gebürtiger Dresdner, war 1910 im Alter von erst 31 Jahren zum Leiter der Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden berufen worden. Nach einer Neuhängung der Alten Meister widmete er sich in den Zwanzigerjahren dem Ausbau vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.8 Er kaufte Gemälde der Dresdner Künstlergruppe „Brücke“, des österreichischen Malers Oskar Kokoschka, mit dem er befreundet war, ein abstraktes Gemälde von Kandinsky und vor allem das Kriegsbild des Schützengrabens von Otto Dix, jenes Gemälde, das ab 1933 im Zentrum
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3. Das Projekt „Führermuseum“
verschiedener Ausstellungen „entarteter Kunst“ stehen sollte. Als Kurator des Deutschen Pavillons auf zwei Biennalen in Venedig (1922 und 1930) und mit der Internationalen Kunstausstellung 1926 in Dresden präsentierte er die Avantgarde als die gültige deutsche Kunst. Das setzte ihn dem Hass national-konservativer und nationalsozialistischer Künstler aus. 1933 wurde Posses Position prekär, doch konnte er sich dank seiner großen Reputation und weil das Kultusministerium noch nicht „gleichgeschaltet“ war, vielleicht auch wegen guter Kontakte in nationalsozialistische Kreise hinein im Amt halten. Als Glück stellte sich für ihn heraus, dass sein Ankaufsetat während der fraglichen Jahre miserabel gewesen war. Deshalb hatte er bei seinen Käufen die Unterstützung eines Galeriehilfsvereins, des Patronatsvereins, in Anspruch nehmen müssen. Der Patronatsverein kaufte die modernen Werke an und diese gingen dann erst nach einer Frist von zehn Jahren in den Besitz der Gemäldegalerie über. So konnte sich Posse 1933 zunächst damit herausreden, dass das Gros der Avantgarde-Kunst gar nicht der Galerie gehöre. Er verfasste ein vermutlich an das Ministerium gerichtetes Rechtfertigungsschreiben, in dem er nur für einige expressionistische Gemälde die Verantwortung übernahm, die er Anfang der Zwanzigerjahre erworben hatte. Als Grund für den Erwerb gab er an: „lokale Kunstpflege“.9 Selbstverständlich waren die Ankäufe des Patronatsvereins Ankäufe Posses, in die er viel Zeit und Energie gesteckt hatte. Posse nannte diesen Bestand „Vorgalerie“.10 Ein richtungsweisendes Schlüsselereignis der NS-Kulturpolitik war die Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München, denn mit ihr und der parallel dazu stattfindenden ersten „Großen Deutschen Kunstausstellung“ schaltete sich Hitler persönlich ein und stellte klar, welche Kunst erwünscht und welche unerwünscht war. Mit den beiden Veranstaltungen legte sich die NS-Kunstpolitik nach einem Schlingerkurs in den Jahren zuvor endgültig auf „antimodern“ fest. Als unmittelbare Folge ging eine Säuberungswelle durch die deutschen Museen, die Tausende Kunstwerke mit sich riss. Auch die Dresdner Gemäldegalerie blieb vom Bildersturm nicht verschont: Im Dezember 1937 wurden mehr als 50 Gemälde beschlagnahmt.
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In der Münchner „Entarteten“-Schau standen nicht nur die modernen Kunstwerke und ihre Schöpfer am Pranger, sondern explizit auch die Händler und Museumsdirektoren, die sich für die Moderne eingesetzt hatten. Am 7. März 1938 wurde Posse ins inzwischen „gleichgeschaltete“ Sächsische Ministerium für Volksbildung beordert, wo man ihm nahelegte, seine Versetzung in den dauernden Ruhestand zu beantragen, eine gebräuchliche Methode, Aufsehen um Entlassungen bei renommierten Personen zu vermeiden. Am 12. März 1938 reichte der Sechzigjährige sein Pensionierungsgesuch ein, fünf Tage darauf wurde ihm der sofortige Antritt seines Erholungsurlaubes genehmigt. Überraschenderweise arbeitete er am 19. April jedoch wieder in der Galerie, und zwar im Auftrag des Ministeriums, das ihn kurz zuvor zur Abdankung gezwungen hatte. Grund war, dass die zweite „Dresdner Museumswoche“ kurz bevorstand, ein im Vorjahr nicht zuletzt dank einer von Posse veranstalteten Cranach-Ausstellung höchst erfolgreich initiiertes nationalsozialistisches Kulturprojekt. Auch dieses Jahr wollte und konnte man auf Posses organisatorische und kuratorische Kompetenz nicht verzichten. Da sein Pensionsantrag noch bearbeitet wurde, er also noch nicht im Ruhestand war, hatte ihn das Ministerium mit dem Aufbau der Ausstellung „Deutsche Kunst vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts“ beauftragt, allerdings war er vorher von seiner Leitungsfunktion entbunden worden. Die Ausstellung öffnete am 11. Juni 1938 ihre Tore. Eine Woche später, am 18. Juni 1938, erschien Hitler persönlich in der Dresdner Galerie, begleitet von Reichsleiter Bormann, und ließ sich von Posse durch die Sammlung führen; wir sind über den Vorgang durch Posses Diensttagebuch unterrichtet. Erst besichtigte man die Altmeister im Semperbau, wo Hitler besonderes Interesse für das große Gemälde Neptun und Amphitrite des venezianischen Malers Giovanni Battista Tiepolo zeigte. Er erkundigte sich nach Posses Erwerbungen und Erwerbungsmitteln. Posse notierte seine Antwort im Tagebuch: „7500 vor dem Krieg, nichts, Inflation, nur 1926 – 1928 größere Mittel, seitdem wieder nichts.“ Der Erwerb des Tiepolo-Gemäldes war 1928 durch Sondermittel des Ministeriums ermöglicht worden.
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Hitler in der Dresdner Gemäldegalerie, 18. Juni 1938
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War Hitlers Interesse an dem Tiepolo taktischer Natur, etwa in dem Sinne, dass er dem Dresdner Galeriedirektor Gelegenheit geben wollte, seine Leistungen herauszustreichen? Das würde voraussetzen, dass er sich sehr gut auf die Führung vorbereitet hätte. Hitlers Fragenkatalog, so wie er sich aus Posses Aufzeichnungen rekonstruieren lässt, legt dies durchaus nahe; möglicherweise hatte der mit der Dresdner Ankaufspolitik vertraute Haberstock ihn entsprechend vorinformiert. Doch wie wir von Ranuccio Bianchi Bandinelli, Hitlers italienischem „Cicerone“ wissen, hatte Hitler ein Faible für die italienische Barockmalerei. Er besaß Gemälde von Canaletto und Pannini und hatte kurz zuvor zwei Tiepolos angekauft. Als Sammler konnte er sich also von Posses Ankaufspolitik durchaus bestätigt fühlen. Im Anschluss begab man sich in die Deutsche Abteilung, bei der es sich um die soeben von Posse aufgebaute Ausstellung handelte, die als Dauereinrichtung bestehen bleiben sollte. Deren Schwerpunkt bildete die Malerei um 1500, vor allem der hervorragende Dresdner Cranach-Bestand. Hitler ging die Abteilung sehr genau durch. Posse hatte in den Zwanzigerjahren wichtige Gemälde des sächsischen Hofmalers Lucas Cranach erwerben können. Wieder ergaben sich eklatante Übereinstimmungen mit Hitlers eigener Sammeltätigkeit, der Ende 1937 ein Bildnispaar Martin Luthers und seiner Frau Katharina von Bora, gemalt von Lucas Cranach, erworben hatte und der eine große, bedeutende Venusdarstellung des Malers in seiner Münchner Wohnung hängen hatte.11 Posse konnte sich hier von seiner im Sinne des Nationalsozialismus besten Seite zeigen, nämlich als Museumsmann, der sich besonders für die deutsche Kunst einsetzte. Selbstverständlich vergaß er nicht darauf hinzuweisen, dass der Aufbau der deutschen Abteilung ein alter Plan von ihm gewesen sei, der eigentlich einen Erweiterungsbau notwendig gemacht hätte. Damit sprach Posse Planungen für einen Galerie-Neubau in unmittelbarer Nähe zum Altbau an, der sein Lebensziel war, aber von den politischen Entscheidungsträgern seit Jahrzehnten aus finanziellen und politischen Gründen immer wieder auf Eis gelegt worden war. Am Ende der Führung erkundigte sich Hitler nach der Galerie des 19. Jahrhunderts, die Posse 1931 auf der Brühlschen Terrasse eröffnet hatte. Dort war unter anderem die großartige, ganz überwiegend von Posse
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Kolumne
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aufgebaute Romantiker-Sammlung ausgestellt. Einen Schwerpunkt bildete Caspar David Friedrich, den auch Hitler hoch schätzte, mit seinem Hauptwerk Das Kreuz im Gebirge. Posse hatte Hitler zweifellos beeindruckt: Der kunstbesessene Diktator erkannte in ihm die von Haberstock soufflierte „Führerpersönlichkeit“ unter den deutschen Museumsdirektoren, wie er sie für den Aufbau seiner Gemäldegalerie brauchte. Und da der „Führerwille“ entscheidend war, spielte es fortan auch keine Rolle mehr, dass der Dresdner Museumsdirektor kein Parteimitglied war. Immerhin hatte er ja im April 1933 – zur gleichen Zeit, als er massiven Angriffen durch lokale NSParteigrößen ausgesetzt war – den Antrag zur Aufnahme in die NSDAP gestellt; im Dezember 1933 – nach Klärung der gegen ihn geäußerten Vorwürfe – hatte er auch die Interimskarte erhalten. Die endgültige Aufnahme wussten seine lokalen Widersacher jedoch zu verhindern. Die fehlende Parteimitgliedschaft ist jedoch weniger erstaunlich als der Umstand, dass Hitler über Posses Engagement für die abgrundtief gehasste Avantgarde hinwegsah. Offenbar wollte er gerade diesen Mann für sein Museumsprojekt gewinnen, vermutlich weil er hoffte, in ihm den Wilhelm von Bode des Dritten Reiches gefunden zu haben. Bode, der Generaldirektor der preußischen Kunstsammlungen, auch als der „Bismarck der Museen“ bekannt, hatte die Berliner Museen um die Jahrhundertwende zu einem repräsentativen Museumskomplex ausgebaut: Die Museumsinsel ist ganz überwiegend sein Werk. Posse galt als Lieblingsschüler Bodes, er soll seinem Lehrer äußerlich geähnelt und „seine rasch zupackende, schlagfertige, oft sarkastische Art“ mit ihm geteilt haben, wie noch der offizielle Nachruf auf Posse betonen sollte. Vermutlich hat Haberstock, der mit Bode befreundet gewesen war, Hitler auf dieses nahe Verhältnis hingewiesen. Hitlers Besuch in der Dresdner Gemäldegalerie sollte Schlüsselfunktion für das Linzer Museumsprojekt erlangen. Die weltberühmten Alt-
Lucas Cranach d. Ä., „Der Honigdieb“, ehemals Gemäldesammlung Hitler, National Gallery, London
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meister im Semperbau, die neu eingerichtete deutsche Abteilung sowie das Neubauprojekt der Gemäldegalerie hatten seiner Linz-Vision Gestalt gegeben. Offenbar war er nach seinem Zusammentreffen mit Posse überzeugt davon, mit diesem den Experten gefunden zu haben, der ihm seine Linzer Gemäldegalerie zusammenstellen würde, und zwar nicht nur mit Gemälden des 19. Jahrhunderts, sondern auch mit Altmeistern. Woher er diese Altmeister beziehen wollte, stand für ihn ebenfalls fest: aus den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien. Von Dresden flog Hitler zurück nach Berlin und gab umgehend den „Führervorbehalt“ beim Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, in Auftrag. Dieser versandte also das bereits zitierte Rundschreiben am 18. Juni 1938 im Auftrag Hitlers an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, den Reichsminister des Innern, Wilhelm Frick, den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Josef Bürckel, sowie den Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyß-Inquart. Hitler erwähnte im „Führervorbehalt“ sein eigenes Museumsprojekt nicht, sondern kündete ein großes Verteilungsprojekt von Raubkunst auf die „kleineren“ österreichischen Museen an und meinte damit die Provinzmuseen, darunter sein Linzer Museumsprojekt! Hitler ließ sich die Personalakten Posses auf den Obersalzberg schicken. Am 22. Juli 1938 wurde der kaltgestellte Museumsdirektor erneut ins Sächsische Ministerium für Volksbildung bestellt. Diesmal empfing ihn der Leiter Arthur Göpfert lächelnd – wie Posse in sein Tagebuch notierte – und eröffnete ihm, dass er wieder in sein Amt eingesetzt und dafür gesorgt werde, dass in Zukunft keine Angriffe mehr gegen ihn gerichtet würden – „auf Befehl des Führers“. Nachmittags erschien Göpfert sogar höchstpersönlich in der Galerie, um Posse vor der versammelten Museumsbelegschaft des Vertrauens der Regierung zu versichern. Am 2. August verfasste der wieder eingesetzte Museumsdirektor ein Dankesschreiben an Bormann:
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„Sehr geehrter Herr Reichsleiter, auf Veranlassung des Führers bin ich am 22. Juli durch den Herrn Leiter des Ministeriums für Volksbildung wieder in mein Amt als Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie eingesetzt worden. Ich bin unendlich glücklich darüber, mich auch weiterhin einem von mir als Lebensaufgabe betrachteten Werk, der Arbeit an einer der schönsten Galerien Europas und einem der bedeutendsten Monumente deutschen Kulturwillens widmen zu dürfen. Darf ich Sie, sehr geehrter Herr Reichsleiter, bitten, den Führer meines tiefsten und verehrungsvollsten Dankes versichern zu wollen. Heil Hitler!“12 Wir dürfen davon ausgehen, dass dies keine Floskeln waren. Posse war Hitler offenbar persönlich dankbar, denn dieser hatte ihn nicht nur rehabilitiert, er hatte ihm sogar einen vollkommenen Triumph über seine Nazi-Gegner verschafft. Deren langjähriger Agent Galerieinspektor Anders, der ihm das Leben schwer gemacht hatte, indem er Interna aus der Galerie an die Partei weitergegeben hatte, wurde entlassen. Nach langen Jahren war Posse wieder uneingeschränkter Herr im eigenen Haus.
4. Kunstraub in Österreich
Vom Vermögensentzug zum Kunstraub Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden jüdische Mitbürger systematisch entrechtet und enteignet. Erst wurde ihnen die Staatsbürgerschaft und damit die legale Existenzgrundlage, dann durch Berufsverbote und Entlassungen die wirtschaftliche Existenzbasis entzogen. Zunehmend griff der NS-Staat auch mit Sondersteuern auf jüdische Vermögen zu. Personen, die sich zur Ausreise entschlossen, unterlagen der sogenannten „Reichsfluchtsteuer“, die bei Verlassen des Deutschen Reiches entrichtet werden musste. Unter dem durch Berufsverbote und Zwangsabgaben erzeugten wirtschaftlichen Druck wurden jüdische Privatsammler und Kunsthändler gezwungen, sich von ihrem Kunstbesitz zu trennen. Es wurden sogenannte „Judenauktionen“ veranstaltet; ihr Zentrum war Berlin. In der jungen, dynamischen Hauptstadt des Deutschen Reiches hatten sich viele jüdische Kunsthändler etablieren können. Das Reichskulturkammergesetz vom September 1933 verpflichtete sie zur Mitgliedschaft, enthielt aber keinen „Arierparagraphen“, sodass sie zunächst aufgenommen wurden. Da sich viele von ihnen noch nicht von den Folgen der Weltwirtschaftskrise erholt hatten, trafen sie der zunehmende Antisemitismus in der Bevölkerung und die sich verschärfende judenfeindliche Gesetzgebung besonders hart. Viele lösten ihre Geschäfte auf, um auszuwandern. Ab Mai 1936 wurde von den Mitgliedern der Reichskulturkammer ein „Ariernachweis“ verlangt, im Februar 1938 den jüdischen Kunsthändlern generell die Berufsausübung untersagt. Zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich war der jüdische Kunsthandel in Deutschland ausgeschaltet und die jüdischen Kunst-
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sammlungen entweder ins Ausland verbracht oder „arisiert“. Jüdischen Kunstbesitz gab es nur noch wenig. Die allgemeinen antijüdischen Maßnahmen radikalisierten sich mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938. Schon einen Monat später wurde die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden erlassen: Alle Personen, die von den Nationalsozialisten mit dem ersten Reichsbürgergesetz von 1935 als Juden definiert waren, sowie deren Ehegatten wurden verpflichtet, ihr gesamtes in- und ausländisches Vermögen und Einkommen zu bewerten und – sofern es 5000 Reichsmark überstieg – anzumelden. Im November 1939 kam noch die sogenannte „Sühneabgabe“ hinzu: Den „Juden deutscher Staatsangehörigkeit in ihrer Gesamtheit“ wurde nach der Ermordung des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath durch Herschel Grynszpan in Paris die Zahlung einer Kontribution von einer Milliarde Reichsmark an das Deutsche Reich auferlegt. Mit der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 wurden die Vermögen dann der Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer praktisch entzogen. Für Kunstwerke hatten innerhalb des Vermögensentzugs bis zum „Anschluss“ Österreichs keine Sonderregeln gegolten: Sie wurden liquidiert und „arisiert“. Ihr Kunstwert spielte dabei nur insofern eine Rolle, als er sich im Marktwert niederschlug: Ein Rembrandt war nicht als Rembrandt von Interesse, sondern als ein hoher Vermögenswert. In Österreich setzten erstmalig spezifische Regelungen ein, deren wichtigste Hitlers „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 war. Damit vollzog der „Führer“ höchstpersönlich und allein durch den „Führerwillen“ legitimiert einen grundlegenden Paradigmenwechsel bei der Verwertung jüdischen Vermögens: Ab diesem Zeitpunkt sollten hochrangige Kunstwerke nicht mehr verkauft, sondern den Museen des Großdeutschen Reiches kostenlos zugewiesen werden. Nach der Reichspogromnacht (vom 9. auf den 10. November 1938) setzten weitere spezifische Kunstverfügungen ein: Die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 bestimmte in Artikel IV Juwelen, Schmuck und Kunstgegenstände, dass Kunstgegenstände im Wert über 1000 Reichsmark nur an staatliche Abgabestellen, die den Preis selbst festlegten, verkauft werden durften.1 Damit war jüdischen Mitbürgern der freie Verkauf
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4. Kunstraub in Österreich
ihrer Kunstwerke und Schmuckstücke verboten, der NS-Staat hatte das alleinige Ankaufsrecht. Selbst die 1000-Reichsmark-Begrenzung fiel im Mai 1941. Für den Paradigmenwechsel von Vermögens- zu Kunstwerten waren in Österreich – anders als im Deutschen Reich – durch das Kunst-Ausfuhrverbotsgesetz von 1923 die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben.2 Dieses Gesetz bot optimale Bedingungen für den NS-Kunstraub. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, als die junge österreichische Republik fürchten musste, finanziell und kulturell auszubluten, war das Ausfuhrverbot für Kunstgegenstände in Kraft getreten. Es wurde 1923 novelliert und gilt prinzipiell bis heute. Das Gesetz ermächtigte das staatliche Denkmalamt, Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer und kultureller Bedeutung unter Schutz zu stellen und ihre Ausfuhr zu verbieten, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Das Ausfuhrverbotsgesetz galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts als außerordentlich fortschrittlich und als eine große Errungenschaft im Sinne des Denkmalschutzes. Es stand in einer langen historischen Entwicklungslinie, die – ausgehend von der Aufklärung – Kunstwerke als nationalen Kunstbesitz begriff. Die Französische Revolution hatte Kunstwerke aus Adels- und Kirchenbesitz in einem durchaus gewaltsamen Prozess der Nation in Museen zugänglich gemacht, Napoleon auf seinen Kriegszügen systematischen Kunstraub betreiben lassen. Damit einher ging eine wissenschaftliche Bearbeitung der Kunst. In diesem historischen Kontext entstanden sowohl die Kunstgeschichte als Wissenschaft als auch die Institution des Museums als wissenschaftliche und öffentliche Anstalt. Gleichzeitig wuchs im Kampf mit Napoleon in den europäischen Ländern das Bewusstsein um die nationale Identität. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass die von den französischen Truppen geraubten Kunstwerke Teil der „eigenen nationalen Identität waren und damit unverzichtbar die kulturelle Identität der Nation veranschaulichten“.3 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also hundert Jahre nach Beginn dieses Prozesses, schien es eine historische Gesetzlichkeit, dass der gesamte Kunstbestand als Eigentum der Nation irgendwann in Museen öffentlich zugänglich sein würde. Die Verstaatlichungen adligen Kunst-
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besitzes nach der russischen Oktoberrevolution wirkte alles in allem wie eine Bestätigung, auch wenn die Bolschewiki Teile davon ans Ausland verkauften. Die als Errungenschaft noch ganz neue staatliche Denkmalpflege legitimiert sich über diese Vorstellung einer überpersönlichen, nationalen Bedeutung von Kunst und hatte dadurch per se einen gewissen Zwangscharakter. Zwei Gründerväter und Heroen der Denkmalpflege – der Österreicher Alois Riegl und der Deutsche Georg Dehio – haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts den sozialistischen Charakter des Denkmals betont. Nach dieser Auffassung kann ein Denkmal auch enteignet werden, egal ob es sich dabei um ein Gebäude oder eine Kunstsammlung handelt. Auch das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz sah und sieht Zwangsmaßnahmen vor: Denkmalämter und staatliche Kunstinstitute wie Museen konnten und können Sicherstellungen durch die Polizei veranlassen. Mit dem „Anschluss“, als viele Juden fluchtartig das Land verließen, kam es in Österreich zu einer Situation, in der die Denkmalschützer einen unkontrollierten Abfluss von Kunst ins Ausland fürchten mussten. In der Folge wurde sozusagen flächendeckend sichergestellt. Am 17. März 1938, also nur vier Tage nach dem „Anschluss“, ließ das Kunsthistorische Museum die Kunstsammlung des jüdischen Industriellen Oskar Bondy in Wien sicherstellen. Bondy befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Tschechoslowakei, wo er Zuckerfabriken besaß. Seine Wiener Wohnung wurde versiegelt, die Sicherstellung seiner umfangreichen Kollektion vor allem österreichischen Kunstgewerbes wurde 1938/39 in drei Etappen durchgeführt, die Sammlung vom zuständigen Denkmalamt, der Zentralstelle für Denkmalschutz, mit einer Ausfuhrsperre belegt.4 Die Zielrichtung des Ausfuhrverbotsgesetzes war ursprünglich weder politisch noch antisemitisch. Durch die antijüdische Politik des NSStaates wurde das Gesetz in seiner Anwendung indes zu einem antijüdischen Gesetz. Denn es waren vor allem Juden, die zur Auswanderung gezwungen wurden und deshalb ihren Hausrat auf Kunstwerke hin kontrollieren lassen mussten. Allein in den Jahren 1938 und 1939, mit dem ersten großen jüdischen Exitus, gab es bei der Zentralstelle für Denkmalschutz in Wien rund 16 500 Ansuchen um Ausfuhr-
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genehmigungen. In sogenannten „Hausbeschauen“ stellten die Fachleute auf der Grundlage des Ausfuhrverbotsgesetztes fest, was im Hausrat tatsächlich als Kunstwerk zu gelten hatte. Da das Gros der jüdischen Einwohner Österreichs in Wien lebte, konzentrierten sich die Hausbeschauen dort. Es wurden so viele Anträge auf Ausfuhr gestellt, dass Denkmalpfleger aus den Ländern zur Unterstützung der lokalen Kräfte beordert wurden. Ein Bericht des Kärntner Denkmalpflegers Walter Frodl aus der Nachkriegszeit gibt einen Einblick in die Praxis: „So verbrachte ich nun während des Sommers und Herbstes einige Wochen in Wien, tagsüber in einem Taxi durch die Bezirke fahrend.“ Frodl gab an, angewidert von der Arbeit gewesen zu sein; er habe kein einziges Objekt zurückgehalten. Solche Aussagen lassen sich im Nachhinein nicht überprüfen. Da aber jede Wohnung besichtigt werden musste, wenn – so Frodl – „auch nur ein Fleckerlteppich, ein Stickereibild und die Fotographie der Großeltern den ‚Kunstbesitz‘ bildeten“, bestand in den meisten Fällen auch kein Grund für Sicherstellungen.5 Ein weiterer Bericht des Denkmalamtes resümiert: „Insgesamt wurden bis Ende 1938 nicht weniger als 9500 Hausbeschauen vorgenommen. Hiebei wurden viele tausende Kunstgegenstände und andere kulturell wertvolle Objekte (Musikmanuskripte, Archivalien, Autographen etc.) von der Ausfuhr zurückgestellt.“6 Der Berichterstatter führte aus, es seien darüber hinaus „Sicherstellungen vor Ort“ und „Sicherstellungen verbunden mit der Verbringung in Gewahrsam eines öffentlichen Museums“ durchgeführt worden. Eine Reihe von großen Sammlungen und Hunderte von Einzelobjekten seien so zurückgehalten, Objekte geringeren Wertes aber freigegeben worden. Mit den Sicherstellungen war zunächst kein Vermögensentzug verbunden, nach Überprüfung konnte alles zur Ausfuhr freigegeben werden. Dies ist zum Beispiel bei Sigmund Freud geschehen, der seine an die 3000 Objekte umfassende Antikensammlung mit ins Londoner Exil nehmen durfte. Mit Händen zu greifen ist die Willkür in der Durchführung des Gesetzes, dessen Kriterien sehr offen angelegt waren, sodass Denkmalpfleger mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken entscheiden konnten. Und hier kam natürlich die eigene poli-
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tische Einstellung ins Spiel. Der in diesem Zusammenhang immer wieder verwendete Begriff „Verschiebung“ kriminalisiert schon die Ausfuhrabsicht und zeigt sehr deutlich, wie schnell sich die Rechtsvorstellungen verbogen hatten. Um die Spirale einer immer tiefer gehenden Verstrickung des Denkmalamtes und der Museen in den NS-Kunstraub verstehen zu können, muss man sich klarmachen, dass sich der „Führervorbehalt“ mit dem österreichischen Ausfuhrverbotsgesetz in einem Ziel deckt, nämlich dem Staat Kunstgut, das als national wichtig angesehen wurde, zu erhalten und der Öffentlichkeit in Museen zur Verfügung zu stellen. Zwar kam Hitler als Kunstsammler selbst – wie wir noch sehen werden – mit dem österreichischen Ausfuhrverbot in Konflikt und traf mit seinem förderalistischen Kunstverteilungsprogramm auf den Widerstand der Wiener Museen. Dennoch kam der Umstand, dass in Österreich Museen und Denkmalämter Kunstwerke sicherstellen und dann einziehen lassen konnten, seinen Plänen ganz grundsätzlich entgegen: Zum einen führten hier Experten die Selektion der „hochrangigen Kunst“ durch, der Museumskunst, auf die es ihm ankam. Zum anderen erlaubten es ihm diese Institutionen, einen scheinlegalen Mantel über seinen Raub zu breiten. Letzteres war Hitler außerordentlich wichtig, denn sein Name durfte im ganzen Kontext des Raubes nicht auftauchen, wie die diversen Ausführungen des „Führervorbehaltes“ geradezu mantraartig wiederholen.
Hitler sammelt österreichisch Die Denkmalschutz-Gesetzgebung im „Altreich“ (Deutschland ohne die „Ostmark“/Österreich) war, was von österreichischer Seite immer wieder moniert wurde, weniger streng, im Sinne der Denkmalpfleger rückständig und damit schlechter als in der „Ostmark“. Die Reichsverordnung über den Schutz von Denkmalen und Kunstwerken vom 11. Dezember 1919 schützte lediglich national bedeutende Kunstwerke vor einer Ausfuhr; sie wurden auf eine sogenannte „Reichsliste“ gesetzt. Die Objekte, welche nicht auf dieser Liste standen, also der Großteil der Kunst, konnten
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frei exportiert werden. Aufgrund dieser Gesetzesungleichheit zwischen dem Deutschen Reich und Österreich befürchtete das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in Wien eine Abwanderung von Kunstgegenständen über das „Altreich“ ins Ausland. Von dieser Problematik war auch Hitler betroffen, der nach dem „Anschluss“ seine Kunsthändler nach Wien sandte, um seine Gemäldesammlung, deren Schwerpunkt die Münchner Schule war, zu „austrifizieren“. Wenn er die Sammlung an das Landesmuseum in Linz stiften wollte, brauchte er natürlich auch bedeutende Beispiele österreichischer Malerei. Mitte Mai kam der Sachbearbeiter für Kunst und Kulturfragen im Stab von Rudolf Hess, Reichsamtsleiter Ernst Schulte-Strathaus, mit dem doppelten Auftrag nach Wien, „im höheren Auftrag“ nach Werken erstens des Führers und zweitens des Wiener Aquarellisten Rudolf von Alt Ausschau zu halten.7 Schulte-Strathaus war im Stab des Stellvertreters des Führers, Rudolf Hess, zuständig für die Sammlung und Bearbeitung der Hitler’schen Aquarelle. Während Hess’ Geburtstagsfeier am 26. April 1938 war er mit Hitler über Alt, dessen Stadtansichten Hitler als Vorbild für seine eigenen Aquarelle gedient hatten, ins Gespräch gekommen.8 Der Führer habe bedauert, so Schulte-Strathaus, dass der Künstler im Altreich so gut wie unbekannt sei, und den Wunsch geäußert, deutsche Museen möchten mehr Bilder in ihren Besitz bringen. Hier muss die Entscheidung gefallen sein, nicht nur Werke Hitlers, sondern auch des für ihn vorbildlichen Aquarellisten anzukaufen. Am 20. Mai 1938 wandte sich Gauleiter Josef Bürckel mit der Order an die Wiener Gestapo, aus den beschlagnahmten Kunstsammlungen dürfe nichts verkauft oder abgegeben werden, bevor nicht SchulteStrathaus die Bestände geprüft und freigegeben habe. Er habe in allen Fällen das Vorkaufsrecht. Da Österreich nach dem „Anschluss“ für eine Übergangszeit zumindest formal noch als eigener Rechtsraum existierte, galten die österreichischen Gesetze weiterhin und blieben die alten Grenzen für den Transfer von Kunstwerken von Bedeutung. Und so wies der oberste Denkmalschützer des Landes, Leodegar Petrin, das Amt des Reichsstatthalters am 27. Mai 1938 darauf hin, dass das Ausfuhrverbot auch dem Altreich gegenüber Geltung habe.9
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Daraufhin stattete Hitler seine Händler und Beauftragten mit Legitimationen aus, welche das österreichische Kunstschutzgesetz unterliefen. Am 11. Juni 1938 legte Maria Almas-Dietrich der Wiener Denkmalbehörde zwei Schriftstücke vor: Das eine besagte, dass sie im Auftrag des „Führers“ reise und die von ihr ausgeführten Bilder für ihn bestimmt seien, das andere, dass sie berechtigt sei, Kunstwerke aus jüdischem Besitz zu kaufen und ohne Genehmigung des Amtes auszuführen. Über sie gingen 1938 zahlreiche aus Wien kommende Werke in Hitlers Sammlung ein. Schulte-Strathaus, legitimiert von Gauleiter Bürckel, führte ungefähr sechs große Transporte von Wien nach Berchtesgaden mit circa 200 Blättern von Rudolf von Alt, 15 Gemälde des Wiener Biedermeiermalers Ferdinand Georg Waldmüller und andere Werke zur Vorlage an Hitler aus. Ein neues Denkmalschutzgesetz kam im „Altreich“ nicht zustande, da die Denkmalpflege – anders als in Österreich – trotz Versuchen zur „Gleichschaltung“ doch Ländersache blieb. Obwohl es nicht gelang, die Grenzen per Denkmalschutz für Kunst- und Kulturgut undurchlässig zu machen, funktionierten die Erfassung und der Entzug jüdischen Kunstbesitzes ab 1938 auch hier. Dafür sorgten die Vermögensanmeldungen, mit denen der Besitz von Kunstwerken offengelegt werden musste. Zudem wurde das Umzugsgut der zur Auswanderung gezwungenen Juden durch Devisenstellen auf seinen Wert geprüft. Befanden sich Kunstwerke darunter, wurden Museumsbeamte zur Schätzung herangezogen. In Dresden war Galeriedirektor Posse als Kunstsachverständiger tätig.10 Im November 1938 stellte die Gestapo das Vermögen des Bankiers Victor von Klemperer Edler von Klemenau sicher, des Direktors des Stammhauses der Dresdner Bank. Am 1. Dezember 1938 erschien Posse zusammen mit einem Vertreter der Gestapo und seinem Kollegen Fritz Fichtner, Fachmann für Porzellan- und Kunstgewerbe, in dessen Villa in der Tiergartenstraße, um dort die Kunstsammlungen der Familie – Inkunabeln, Porzellan und Porträtminiaturen – zu begutachten. Sie wurde den Staatlichen Sammlungen in Dresden zur Verwahrung gegeben. Nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, die das Vermögen sämtlicher ins Ausland vertriebenen Juden für
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verfallen erklärte, gingen die Sammlungen von Klemperer in den Besitz des Deutschen Reiches über. Reichsstatthalter Martin Mutschmann stellte im November 1942 den Antrag auf Überweisung an das Land Sachsen. Unterstützt wurde dies von einem Brief Posses an Hitler, wie immer via Bormann. Hitler entschied – wie es im Schreiben Bormanns an Lammers vom 22. November 1942 ausdrücklich heißt – „entsprechend dem Antrag Dr. Posses“.11 Danach wurden die Objekte an die sächsischen Museen übergeben.
Das Denkmalamt als Kollaborateur Im Laufe des Septembers 1938 wurde die Zentralstelle für Denkmalschutz in Wien „gleichgeschaltet“ und ihr Präsident Lodegar Petrin zwangspensioniert. Herbert Seiberl, der jüngste Mitarbeiter des Denkmalamtes, stieg zu dessen kommissarischem Leiter auf. Seiberl war Parteimitglied, beschäftigte indes Mitarbeiter, die dem NS-Regime missliebig waren und den Anforderungen der Nürnberger Gesetze nicht entsprachen; gleichwohl passte Seiberl hervorragend in das Muster, nach dem Hitler die Leitungsfunktionen seines Kunstapparates besetzen ließ. Wie weitere Hauptfiguren seines Kunstraubes, etwa Hans Posse, Heinrich Hoffmann, Alfred Rosenberg und Kajetan Mühlmann, war Seiberl ein verhinderter Maler und fühlte sich als Künstler. Er hatte eine Ausbildung als akademischer Maler absolviert, hatte diesen Berufstraum aber – wie Posse – zugunsten einer kunsthistorischen Ausbildung aufgegeben.12 Am 20. November 1938 trat in der „Ostmark“ die Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens in Kraft, der zufolge der Reichsstatthalter in Wien oder die von ihm bestimmten Stellen Vermögen von Personen oder Personenvereinigungen, die volks- oder staatsfeindliche Bestrebungen gefördert hatten, zugunsten des Landes Österreichs einziehen konnten.13 Damit gab es neben einer Gesetzesgrundlage für die Sicherstellung von Kunstwerken auch eine Gesetzesgrundlage für deren Aneignung, mithin war der staatliche Kunstraub legistisch installiert. Die meisten Sammlungen, die unter dem Ausfuhr-
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Verordnung für die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 18. November 1938, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
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verbotsgesetz festgehalten waren, wurden nun eingezogen, das Denkmalamt zum 1. Dezember 1938 mit der Bearbeitung der davon betroffenen Kunstwerke betraut. Die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 ging bei der Zentralstelle mit der Bitte ein, bei der Handhabung der Denkmalschutzbestimmungen „möglichste Strenge walten zu lassen, um die Juden zum Verkauf ihres Kunstbesitzes an die zu errichtende Reichstelle zu zwingen“. Herbert Seiberl beruhigte, sein Amt beschränke sich nicht nur darauf, „für Kunstgegenstände, an deren Erhaltung innerhalb des Deutsches Reiches ein öffentliches Interesse besteht, keine Ausfuhrfuhrbewilligung zu erteilen, sondern sie lässt auch in allen jenen Fällen, in welchen der leiseste Verdacht einer Verschleppungsgefahr besteht, die betreffenden Objekte durch den zuständigen Landeshauptmann sicherstellen. Die Zahl der auf diese Weise sichergestellten Gegenstände geht in die tausende. Von einer largen Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen kann demnach keine Rede sein.“14 Auf das Denkmalamt und die sichergestellten Kunstwerke wurde Posse im Juli 1939 während seines ersten Aufenthaltes in Wien als Sonderbeauftragter aufmerksam. Anlässlich seines Vortrags bei Hitler am 23. Juli 1939 machte er den Vorschlag, den „Führervorbehalt“ auf diese auszudehnen. Dem wurde entsprochen, der Wiener Gauleiter Josef Bürckel am folgenden Tag davon unterrichtete. Am 25. August und 18. September 1939 erließ Staatskommissar Friedrich Plattner entsprechende Verfügungen und benachrichtigte die staatlichen Museen und Bibliotheken, die Zentralstelle für Denkmalschutz und das Archivamt in Wien, die Landeshauptmänner, den Bürgermeister von Wien und die Vermögensverkehrsstelle: „Der Führer hat angeordnet, dass nicht nur die beschlagnahmten, sondern auch die im Gefolge der Machtergreifung lediglich sichergestellten Bilder und sonstigen Kunstwerte seiner Verfügung unterliegen.“ Sein Ministerium verwalte diese und Veränderungen an betreffenden Beständen dürften nur mit seiner vorherigen Zustimmung vorgenommen werden.15 Er erbat „eheste Bekanntgabe und schnellen Bericht“.
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Es war nur konsequent, dass mit Erlass vom 31. Juli 1939 die Zuständigkeit des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten auf alle in der „Ostmark“ von der Gestapo requirierten sowie auf die finanzamtlich sichergestellten beziehungsweise wegen Nichtanmeldung verfallenen Bestände ausgeweitet wurde; die Zentralstelle für Denkmalschutz sollte sie bis zur endgültigen Entscheidung Hitlers über die Zuteilung verwalten.16 Das Ministerium wies die Zentralstelle am 25. August an, „die bisher verfügten Sicherstellungen auch über die von den hiesigen Staatsmuseen zur Erwerbung beantragten Bestände hinaus vollinhaltlich aufrechtzuerhalten, beziehungsweise die Aufrechterhaltung der diesbezüglich getroffenen Sperremaßnahmen bei der Sicherstellungsbehörde erforderlicherfalls zu beantragen.“17 Damit war die Zentralstelle für Denkmalschutz zum Erfüllungsorgan des „Führervorbehaltes“ geworden. Es war eine logische Konsequenz dieser Entwicklung, dass die im Zuge der fortschreitenden Umwandlung der österreichischen Länder in nationalsozialistische Gaue von der Auflösung bedrohte Zentralbehörde als Institut für Denkmalpflege ab 1940 auf Kosten des Reiches weitergeführt und dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin unterstellt wurde.18 So konnte nach Auflösung der österreichischen Übergangsregierung im Sommer 1940 die Verwaltung der unter „Führervorbehalt“ fallenden Kunstwerke im Denkmalamt verbleiben. Die Reichweite des „Führervorbehaltes“ war umfassend: Die Landesbeziehungsweise Gaukonservatoren, die Vermögensverkehrsstelle und die Oberfinanzpräsidenten wurden beauftragt, bedeutende Kunstwerke, die sich unter den von ihnen verwalteten Beständen befanden, zu melden. So teilte der Gaukonservator der Steiermark am 7. Dezember 1943 an die Reichskanzlei mit, „der Beauftragte des Führers für Kunstangelegenheiten, Direktor Dr. Posse, Dresden“ habe Listen erhalten und daraufhin mitgeteilt, dass mit Ausnahme einer Münzensammlung keiner der dort verzeichneten Gegenstände „für die Zwecke des Führers“ infrage komme.19 Damit konnte der Gau selbst über die Objekte verfügen und sie lokalen Museen zuteilen.
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Das Wiener Pfand- und Auktionshaus Dorotheum war seit Beginn des Jahres 1939 eine öffentliche Ankaufstelle für Kunstgegenstände, die unter die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 fielen. Am 30. November 1939 wandte sich das Ministerium an das Dorotheum und teilte unter Bezug auf den Erlass vom 18. September 1939 mit, Verkäufe der unter „Führervorbehalt“ fallenden Kunstwerke ohne Zustimmung des Ministeriums seien unzulässig: „Ich bitte Sie, die etwa im Dorotheum befindlichen und künftig noch zukommenden Kunstwerte, die unter diese Bestimmung fallen, der Zentralstelle mittels Verzeichnis anzumelden. Die Zentralstelle wird verständigt und angewiesen, gegebenenfalls wegen Übernahme solcher Bestände in das von ihr verwaltete Zentraldepot mit Ihnen ins Einvernehmen zu treten.“20 Und so geschah es: Die Mitarbeiter des Dorotheums informierten entweder das Denkmalamt oder die Dresdner Geschäftsstelle des „Sonderauftrags Linz“ mittels Fotos. Die Dresdner studierten ihrerseits die Auktionskataloge; entdeckten sie interessante Objekte, baten sie die Kunsthistoriker vor Ort um „Amtshilfe“ und Begutachtung des Originals, etwa den Leiter der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Ludwig von Baldass.21 Kamen die Fachgutachter zu einem positiven Ergebnis, wurden die im Katalog angekündigten Objekte aus der Versteigerungsmasse herausgenommen und ins Denkmalamt gebracht. Hier wurden kleine Ausstellungen arrangiert, die sowohl von Posse wie auch von Vertretern der zuteilungsberechtigten Museen besichtigt wurden, die ihre Zuteilungswünsche in Form von Listen hinterlegten.22 Immer wieder kam es dabei zu Interessenskollisionen und Hitler musste entscheiden. So legte er im Fall der spätgotischen Skulptur des Schmerzensmannes vom Pfenningberg, die von mehreren Museen beansprucht wurde, fest, dieses Stück solle dorthin zugeteilt werden, woher es stamme, nämlich in den Gau Oberdonau. Hitler habe diese Entscheidung getroffen, so Posse, „obwohl ihm, wie ich merkte, recht wenig an dieser wehleidigen Figur lag“.23 Die Skulptur stammte aus der Sammlung Fritz Erlachs, der mit seiner jüdischen Frau in die USA ausgereist war. Für den
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Schmerzensmann hatte Erlach keine Ausfuhrgenehmigung vom Denkmalamt bekommen, sodass er die Figur gegen ein anderes Kunstobjekt eintauschte, das er ausführen durfte.24 Der „Führervorbehalt“ galt auch für Umzugsgut, das bei Speditionen lagerte. Die Gestapo gründete im September 1940 dafür sogar ein eigenes Verkaufsunternehmen, die Vugesta, die ganze Wohnungseinrichtungen zur Auktion brachte. Stellte man darunter Kunstwerke fest, wurden diese beim Dorotheum eingeliefert und von dort der Zentralstelle oder dem „Sonderauftrag“ in Dresden gemeldet. Der „Führervorbehalt“ war ursprünglich für Kunstsammlungen ausgesprochen worden, war aber mit den sichergestellten Kunstwerken automatisch auf Einzelwerke ausgedehnt. Hierdurch wurde er quasi automatisch auch zu einem Vorkaufsrecht Hitlers beziehungsweise seines Sonderbeauftragten. Ein solches Recht war Hitler schon bei den Ankäufen seines Kunstagenten Schulte-Strathaus eingeräumt worden. Eine rechtliche Legitimierung gab es dafür nicht, vielmehr basierte das Vorkaufsrecht allein auf der Autorität des „Führers“. Es wurde auch für die sichergestellten Kunstwerke eingefordert und durchgesetzt. Hier nahm Posse ganz klar das Erstzugriffsrecht in Anspruch. Am 9. Oktober 1940 fragte der leitende Direktor des Kunsthistorischen Museums Fritz Dworschak bei ihm wegen Erwerbungen aus den Sicherstellungen durch die staatlichen Museen an und erhielt die Antwort, dass solche Erwerbungen natürlich jederzeit möglich seien – unter Berücksichtigung des Vorkaufsrechts, das sich der Führer vorbehalten habe.25 Anfang 1940 wandte Posse das Vorkaufsrecht Hitlers zum ersten Mal auch auf eine Kunstsammlung an, nämlich die Handzeichnungensammlung Prinz Johann Georg von Sachsen, die beim Kunstantiquariat C. G. Boerner in Leipzig zum Verkauf anstand.26 Am 9. April 1940, dem ersten Tag der Vorbesichtigung, hielt er Hitler Vortrag über die Sammlung und zwei Tage darauf erneut. Obwohl dies der Tag war, an dem die Wehrmacht Dänemark und Norwegen besetzte, empfing Hitler seinen Sonderbeauftragten, da die Entscheidung wegen des Auktionstermins drängte. Hitler ließ sich vom Ankauf überzeugen, denn hier bot sich die einmalige Gelegenheit, mit einem Schlag etwa 1000 deutsche Hand-
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zeichnungen des 19. Jahrhunderts, vor allem solche der Romantiker und Nazarener, zu erwerben. Die Sammlung wurde für 350 000 Reichsmark angekauft, die Versteigerung abgesetzt.27 Sicherlich war Boerner froh, die ganze Sammlung auf einen Schlag verkauft zu haben; andererseits dürfte die ganz kurzfristig abgesetzte Auktion zu Unruhe unter seiner Kundschaft geführt haben; die Kaufwilligen jedenfalls, die zur Vorbesichtigung angereist waren, dürfte er verprellt haben. Die Sammlung Johann Georgs wurde im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vorläufig verwahrt und befindet sich auch heute noch dort. Da der Ankauf als rechtmäßig gilt, wurde der Freistaat Sachsen laut Bescheid des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen 2005 zum Eigentümer erklärt.
Streit um die Rothschild-Sammlungen Der „Führervorbehalt“ war an den Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, mit der Aufforderung gegangen, „dem Führer eine Übersicht über die beschlagnahmten Vermögenswerte zu ermöglichen“.28 Am 25. Juni 1938 wurde einem Referenten Himmlers in einem vertraulichen Gespräch mitgeteilt, dass sich der Wunsch Hitlers „ganz besonders auf das Vermögen Rothschilds beziehe“. Himmler legte am 22. Juli 1938 ein Verzeichnis der in der Ostmark eingezogenen bzw. beschlagnahmten Vermögenswerte vor, das die Vermögen jedoch nur sehr kursorisch aufführte. Die Reichskanzlei dürfte genauere Verzeichnisse beziehungsweise Inventare verlangt haben, denn es ging Hitler um die Kunstwerke, genauer um die Rothschild-Sammlungen, wie dies ein geheimer Aktenvermerk vom 26. Juli 1938 verdeutlicht. Himmler klagte am 28. Juli, dass eine solche Aufstellung nicht einfach sei, da nicht nur die Gestapo, sondern auch zahlreiche Stellen der NSDAP Vermögen beschlagnahmt hätten. Am 10. August 1938 sandte er immerhin sieben Verzeichnisse über beschlagnahmte beziehungsweise eingezogene Kunstgegenstände, darunter das sog. Wiener Album, das Verzeichnis der von der Gestapo in Wien requirierten Kunstgegenstände, unter anderem der Sammlungen Rothschild, dazu Fotoalben.29
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Der Name Rothschild stand für den Erfolg und den Aufstieg aller jüdischen Familien in Österreich. Wien hatte nicht nur die größte jüdische Gemeinde in Österreich, hier war auch der jüdische Kunstbesitz konzentriert. Kaiser Franz Joseph hatte nach der Niederlegung der Stadtbefestigung und der Anlage des Prachtboulevards der Wiener Ringstraße durch den Verkauf des neu gewonnene Baugrundes vermögende Unternehmer aus der Monarchie nach Wien gelockt, damit sie sich hier – in unmittelbarer Nähe der kaiserlichen Residenz – repräsentative Wohnsitze bauen konnten. Seinem Aufruf waren überwiegend jüdische Unternehmer gefolgt, die sich an der Ringstraße prachtvolle Palais errichten ließen, sodass diese spöttisch „Zionstraße“ genannt wurde, die Straße der Juden.30 Davon hob sich die alteingesessene Familie Rothschild jedoch ab: In den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts hatte Albert von Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße, in unmittelbarer Nähe zum Sommerpalais des Prinzen Eugen, sein Palais errichten lassen, ein Bau, der dem für Wien ungewöhnlichen französischen Bautypus des Hôtel entsprach. Die Innenräume waren mit originalen Gemälden und Möbeln des 18. Jahrhunderts eingerichtet. Das Palais wurde zum Symbol für Macht und Einfluss der Rothschilds, zum sichtbaren Zeichen des Erfolgs. Die Rothschild-Sammlungen waren ein Mythos und Hitler seit seiner Wiener Zeit sicherlich ein Begriff. Sein damaliges politisches Leitbild, der „Führer“ der Alldeutschen Georg Schönerer, hatte gegen die Familie Rothschild agitiert. Die Sammlungen, die inzwischen in den Besitz der Söhne, Louis und Alphonse, übergegangen waren, zeichneten sich nicht nur durch höchste Qualität aus, auch ihr Umfang war gewaltig: Nach dem Beschlagnahme-Katalog, den die Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums 1938/39 erstellten, umfasste das Inventar des Palais von Louis Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße allein 631 Nummern, wobei eine Inventarnummer oft mehrere Objekte beinhaltet.31 Hinzu kamen Beschlagnahmungen aus dem Palais in der Wiener Plößlgasse sowie aus den Gütern Waidhofen an der Ybbs, Atschreith und Steinbach. Die Sammlung Alphonse Rothschild umfasste laut derselben Quelle sogar 3444 Objekte, darunter 379 Gemälde aus dem Palais in der Theresianumgasse und 48 aus dem Palais auf der Hohen Warte. Zusammen-
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Kolumne
Katalog der im Zuge der Machtergreifung in Österreich beschlagnahmten Kunstgegenstände, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
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genommen waren die beiden Kollektionen nach der des Fürsten von Liechtenstein die bedeutendste Privatsammlung Österreichs. Sie beinhalteten herausragende Bestände an niederländischer Porträtmalerei des 17. Jahrhunderts, Alphonse besaß darüber hinaus Spitzenwerke der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts, die sowohl das Kunsthistorische Museum wie auch Hitler begehrten, und Louis englische und österreichische Gemälde des 19. Jahrhunderts. Alphonse Rothschild hatte sich und seine Familie vor dem Einmarsch der Wehrmacht durch Flucht in Sicherheit bringen können, Louis, Inhaber des Bankhauses S. M. Rothschild, war am Tag des „Anschlusses“, dem 12. März 1938, auf dem Flughafen von Aspern bei Wien an der Ausreise gehindert und am Tag darauf festgenommen worden. Neun Monate wurde er im Wiener Gestapo-Hauptquartier, dem ehemaligen Hotel Metropol, festgehalten, bis er sich die Freiheit durch die Überschreibung eines Großteils seines Vermögens an das Deutsche Reich erkaufen konnte. Am 13. Juli 1939 wurde ein Vertrag zwischen den Reichswirtschaftsministerium und einem Rothschild-Vertreter unterzeichnet, wonach „die gesamten im Reichsgebiet gelegenen Rothschild’schen Vermögenschaften einschließlich der Kunstsammlungen Reichseigentum“ wurden. Alphonse und Louis Rothschild mussten „Reichsfluchtsteuer“ von je mehr als fünf Millionen Reichsmark zahlen, danach durfte Louis das Deutsche Reich verlassen. Das Palais in der Prinz-Eugen-Straße 22 wurde im Herbst 1938 Adolf Eichmann als Sitz der Zentralstelle für jüdische Auswanderung zur Verfügung gestellt. Auf die hochsymbolische Bedeutung dieser Vereinnahmung hat Hubertus Czernin zu Recht hingewiesen: „Und nichts konnte die Erniedrigung der jüdischen Bürger und den nationalsozialistischen Triumph stärker symbolisieren, als dieses Palais – zur Zentrale der Vertreibung degradiert.“32 Später sollte es der Reichspost zugeteilt werden. Auch das Palais Alphonse Rothschild in der Theresianumgasse wurde als Dienstsitz von Reinhard Heydrichs Sicherheitsdienst bedeutungsvoll umfunktioniert. Mit seinem spezifischen Interesse an den Rothschild-Sammlungen war Hitler zum Konkurrenten des Kunsthistorischen Museums geworden.33 Die anhaltende Feindschaft zwischen dem Wiener und dem Pariser Hof hatte Erwerbungen von französischer Malerei des 18. Jahrhun-
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derts verhindert. Nachdem die Kunstkollektionen der Habsburger im 19. Jahrhundert in eine Museumssammlung mit wissenschaftlichem, systematischem Anspruch überführt worden waren, klaffte damit eine peinliche Lücke im Bestand. Bereits seit Jahren hatten sich Museumsmitarbeiter um die Rothschilds bemüht: Jeden Mittwoch war der Gemälde-Konservator zum Frühstück bei Louis Rothschild geladen, um eine Art von privatem Kunstseminar abzuhalten. Und nun waren alle Hoffnungen des Museums, Stiftungen oder Dauerleihgaben zu erhalten, durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht und die Verhaftung des Besitzers schlagartig zunichte. Bereits am 14. März 1938, also nur zwei Tage nach dem Einmarsch deutscher Verbände in Österreich, ließ die Gestapo die beiden Rothschild-Palais in Wien versiegeln. Der leitende Direktor des Kunsthistorischen Museums, Fritz Dworschak, setzte durch, dass er am 9. Mai 1938 vom Ministerium zum „Unterbevollmächtigten für die Bewachung der Sammlung beider Rothschilds“ eingesetzt wurde.34 Daraufhin wurden die Kunstsammlungen in die Neue Burg gebracht, jenem Erweiterungsbau der Hofburg, der unter Kaiser Franz Joseph begonnen, dessen Innenausbau nach dem Ersten Weltkrieg aber nicht mehr vollendet worden war. In den leer stehenden Repräsentationsräumen im ersten Geschoss war ausreichend Platz, die umfangreichen Bestände zu lagern. Dworschaks Absicht war klar: Er wollte die wichtigsten Kunstgegenstände in das Eigentum seines Museums übernehmen und die Verhandlungen darüber baldmöglichst einleiten. Noch bevor weitere Entscheidungen gefallen waren, ging er daran, die Objekte zu fotographieren und ein Verzeichnis zu erstellen. Heinrich Himmler, der Chef der Deutschen Polizei, hatte hingegen andere Pläne für die Raubkunst.35 Nach seinen Vorstellungen sollte sie zunächst in einem Zentraldepot in München oder Berlin untergebracht werden; er argumentierte, dass dies dem „Führer“ die Besichtigung zwecks Entscheidung über die endgültige Verwendung erleichtert hätte. Der Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers gab am 28. Juli 1938 den Vorschlag eines Zentraldepots als zweckmäßig an Hitler weiter, empfahl aber, die Kunstwerke in Wien zu lagern; es solle nicht der Anschein erweckt werden, sie würden der Ostmark entzogen. Am 13. Au-
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gust 1938 wurde Himmler mitgeteilt, dass sich Hitler mit einem Zentraldepot einverstanden erklärt habe, die Kunstwerke jedoch in Österreich belassen wolle, um sie auf die Provinzmuseen zu verteilen. Die Unterbringung solle zwischenzeitlich in einem geeigneten Gebäude in Wien erfolgen. Kurz zuvor hatte sich Dworschak protestierend an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten gewandt und wegen der Pläne, die jüdischen Sammlungen nach Berlin zu bringen, interveniert. Als Hitler den „Führervorbehalt“ erließ, habe ihm noch ein Überblick über Hochrangigkeit und Umfang der beschlagnahmten Kunstwerke gefehlt und er habe deshalb „zunächst an die kleinen Museen“ gedacht. Es müsse aber darum gehen (und hier dachte er nun an sein eigenes Haus), „den Museen internationalen Ranges die internationalen Kunstwerke zu sichern, welche für ihre Sammlungen in Frage kommen“. Er wies auf das projektierte Zentraldepot in der Neuen Burg hin. Der Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyß-Inquart, leitete die Denkschrift am 11. August 1938 über die Reichskanzlei an Hitler weiter. Der „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 hatte die Wiener Kulturinstitute mit der Ankündigung, die konfiszierten Kunstwerke auf kleinere Museen der „Ostmark“ zu verteilen, in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Mit der Auflösung des Landes Österreich und seiner „Vergauung“, der Aufteilung in Reichsgaue, verlor Wien seine herausgehobene Position als Hauptstadt, womit auch seine kulturelle Dominanz infrage gestellt war. Die ehemaligen kaiserlichen Hofmuseen bangten schon seit dem Zusammenbruch der Monarchie im Jahr 1918 um ihre Vorrangstellung, da sowohl die österreichischen Bundesländer wie auch die Nachfolgestaaten des Habsburgerreiches die Herausgabe umfangreicher Kunstund Kulturgüter forderten. Die Gaue erhoben erneut ihre schon älteren Ansprüche auf den Wiener Musealbesitz.36 Besonders rigoros trat dabei Tirol auf, das schon 1919 seinen alten Anspruch auf Schloss Ambras und die Ambraser Sammlung geltend gemacht hatte. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse war aber in den folgenden Jahren nicht eingetreten, Schloss und Sammlung blieben im Besitz des Bundes. Die neuerliche politische Umwälzung sollte nun endlich die Besitzübertragung an Tirol möglich machen.
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Am 21. September 1938 erklärte sich Dworschak gegenüber dem Leiter der Sicherheitspolizei Wien bereit, die in ganz Österreich beschlagnahmten Gegenstände von künstlerischem und kulturellem Wert zentral zu verwalten, zu katalogisieren und zu konservieren.37 Zwei Tage später folgte eine Anordnung des Sicherheitsinspekteurs, wonach alle in Österreich beschlagnahmten und eingezogenen Kunstwerke im Interesse einer sachgemäßen Behandlung und Wartung in die Neue Hofburg gebracht werden sollten. Damit hatte Dworschak das Zentraldepot unter Verwaltung des Kunsthistorischen Museums durchgesetzt und einen wichtigen Etappensieg errungen. In der Folge wurden auch die von der Gestapo beschlagnahmten Kunstgüter dorthin gebracht. Doch nicht nur das Kunsthistorische Museum, auch Hitler war an der französischen Rokokomalerei interessiert, obwohl sie als Kunst des Erzfeindes Frankreich und mit ihren als frivol und dekadent geltenden Themen wenig in die Ideologie des Nationalsozialismus passte. Ihm schwebte als Vorbild der Preußenkönig Friedrich II. vor, der unter Einfluss und mithilfe seines Hofmalers Antoine Pesne zeitgenössische französische Werke zusammengetragen hatte.38 Er nannte 13 Gemälde von Antoine Watteau sein Eigen, von dem Watteau-Schüler Nicolas Lancret besaß er gar 26 Bilder. Am 25. Oktober 1938 besuchte Hitler das Wiener Zentraldepot, begleitet von seinem Kunstberater Heinrich Hoffmann und dem Wiener Gauleiter Josef Bürckel.39 Dort war aus den etwa 8000 Objekten (ohne Medaillen und Münzen) eine Ausstellung zusammengestellt worden. Die bisherige Forschung hat wiederholt eine Verspätung Hitlers im Raubprozess konstatiert und die Auseinandersetzungen mit den österreichischen Museen als dessen ursächliche Folge angesehen. Der Verzug war jedoch beabsichtigt, denn in Hitlers Namen durfte nicht beschlagnahmt werden; er griff erst zu, nachdem die Kunstwerke eingezogen waren. Diese Strategie kommt im „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 nicht zum Ausdruck, ist aber Thema aller folgenden Erweiterungen dieses Erlasses. Die Einziehungen setzten nach dem 20. November 1938 ein, nachdem die Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens in Kraft getreten war. Derzufolge konnten der Reichsstatthalter
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in Wien oder die von ihm bestimmten Stellen Vermögen von Personen oder Personenvereinigungen, die volks- oder staatsfeindliche Bestrebungen gefördert hatten, zugunsten des Landes Österreichs requirieren.40 Damit war die legistische Grundlage für den staatlichen Raub gelegt. Erst nachdem die Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen waren, durfte der Zugriff im Namen des „Führers“ erfolgen. Beschlagnahmungen durften indes nicht im Namen Hitlers vollzogen werden, wie die Erweiterungen des „Führervorbehalts“ in der Folge immer wieder betonen sollten. In der Literatur zum NS-Kunstraub ist verschiedentlich eine „Verspätung“ Hitlers beim österreichischen Kunstraub konstatiert worden. Davon abgesehen, dass er sich erst am 18. Juni 1938 mit dem „Führervorbehalt“ einschaltete, handelte es sich bei der angeblichen „Verspätung“ um nichts anderes als den Versuch, seinen persönlichen Zugriff auf die geraubte Kunst vom kriminellen Akt des Raubes abzukoppeln. Im Januar 1939 war die erste große Beschlagnahmewelle abgeebbt und Himmler zog ein erstes Resümee: Er berichtete an die Reichskanzlei, dass Kunst im Wert von 60 bis 70 Millionen Reichsmark beschlagnahmt und im Rothschild’schen Jagdhaus bei Waidhofen an der Ybbs sowie in der Wiener Neuen Hofburg eingelagert worden sei. Im April 1939 fand eine erste Inventur der Beute statt: Wie Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, in diesem Monat an die Reichskanzlei schrieb, war der ihm unterstellte Sicherheitsdienst (SD) mit der Bestandsaufnahme und der Verwaltung der in Wien konfiszierten Kunst beschäftigt. Am 6. April 1939 sandte auch Dworschak eine Zusammenfassung seiner Tätigkeit als Betreuer des Zentraldepots an das Amt des Reichsstatthalters: Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 16 teils sehr umfangreiche Kunstsammlungen dort, neben der von Louis und Alphonse Rothschild auch die von Rudolf Gutmann, Otto Pick, David Goldmann, Leo Fürst, Felix Haas, Alois Bauer, Felix Kornfeld, Wally Kulka, Valentin Rosenfeld, Stephan Kuffner, Alfons Thorsch, Bernhard Altmann, Fritz Reichwald, Emmy Aldor sowie der Sammlungen Pilzer und Helene Karpeles-Schenker und die Goldmünzensammlung des Prinzen Philipp Josias zu Sachsen-Coburg-Gotha.
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Die gescheiterte Verteilung Nach der Inventur der beschlagnahmten Kunstgegenstände sollte der Plan Hitlers in seine zweite Phase treten, die der Verteilung.41 Der Chef der Reichskanzlei Lammers regte an, einen von Hitler auszuwählenden und zu beauftragenden Sachverständigen aus Österreich Vorschläge für die Verwendung der eingezogenen Kunstgegenstände ausarbeiten zu lassen. Doch Hitler wählte keinen Österreicher, sondern seine Wahl fiel auf eine Person seines persönlichen Vertrauens, den Berliner Kunsthändler Karl Haberstock, der schon seit der ersten Hälfte der Dreißigerjahre für Hitler Ankäufe getätigt hatte und den er als gut vernetzten Sachverständigen schätzte. Dieser begab sich Anfang Februar 1939 nach Wien, besichtigte das Zentraldepot und erklärte sich schriftlich bereit, den Auftrag ohne besondere Vergütung zu übernehmen. Er legte der Reichskanzlei eine Verfügung über die in der Ostmark beschlagnahmten Kunstwerke vor: „Soweit die Gegenstände künstlerisch wertvoll sind und zur Erziehung des deutschen Volkes geeignet, werden sie an die Museen der Ostmark, wie Linz, Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck, Graz, evtl. Reichenberg aufgeteilt.“ Reichenberg/Liberic, das zuvor zur Tschechoslowakei gehört hatte, war mit dem Münchner Abkommen an das Deutsche Reich gefallen und Hauptstadt des neu gegründeten Reichsgaus Sudetenland geworden. Am 30. März 1939 erging der offizielle Auftrag an den Kunsthändler, Hitler bei seiner Entscheidung über die Verwendung der in Österreich eingezogenen Kunstwerke zu beraten. Er solle „die museumsfähigen an die Museen der Ostmark, insbesondere in Linz, Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck, Graz, Eisenstadt“ verteilen, „wobei den Wiener Zentralmuseen – dem Wunsch des Führers folgend – nur eine Auswahl englischer und französischer Bilder und kunstgewerblicher Gegenstände des 18. Jahrhunderts unter gewissen Voraussetzungen zugewiesen werden“. Zur Verwendung der nicht museumsfähigen Restbestände solle er Vorschläge unterbreiten. Am 6. April 1939 gingen Haberstock die Unterlagen der Reichskanzlei über die beschlagnahmten Bestände zu. Zum 1. Mai 1939 trat das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der „Ostmark“ („Ostmarkgesetz“) in Kraft und die österreichische Regie-
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rung wurde aufgelöst. Am 28. April 1939, unmittelbar vor Ablauf seiner Funktion als Reichsstatthalter in Österreich, begab sich Seyß-Inquart nach Berlin, um Hitler die Ansprüche der Wiener Staatssammlungen auf die beschlagnahmten Kunstsammlungen noch einmal vorzutragen und ihm eine Denkschrift zu überreichen.42 Um einen „Ausgleich zwischen den Wiener Staatssammlungen und den zum Teil bedürftigen Gaumuseen“ herzustellen, sah die Denkschrift vor, den Provinzmuseen „namhafte Depotbestände als Leihgaben“ zu überweisen, die sich in den Residenzen von Salzburg, in der Hofburg von Innsbruck, im Schloss von Ambras und zahlreichen anderen Schlössern und Museen befanden. Seyß-Inquart drängte Hitler, die Beschlagnahmungen möglichst schnell zu verteilen, da diese Begehrlichkeiten weckten. Hitler gab sich diplomatisch und zeigte ein gewisses Verständnis für eine „umfangreiche Antrags-Stellung durch Wien“, betonte aber wieder seine Absicht, „andere Museen der Ostmark“ an der Verteilung teilhaben zu lassen: Seyß-Inquart gab er eine Stillhalteorder. Am 1. Mai 1939 reiste Hitlers Kunstagent Karl Haberstock ein zweites Mal nach Wien, jetzt mit dem Auftrag, einen definitiven Verteilungsplan zu erstellen und für die Verwendung der nicht museumsfähigen Restbestände Vorschläge auszuarbeiten.43 Vor Ort traf er jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, da die Leitung des Kunsthistorischen Museums der Ansicht war, dass die Verfügung über die Kunstwerke ausschließlich Seyß-Inquart obliege. Haberstock schaltete die Reichskanzlei ein, welche die Museumsverwaltung anwies, ihm bei der Durchführung seiner Aufgabe in jeder Weise behilflich zu sein. Der ebenfalls benachrichtigte Seyß-Inquart, inzwischen Reichsminister ohne Geschäftsbereich, machte die Reichskanzlei darauf aufmerksam, dass bereits ein ausführlicher Verteilungsvorschlag seines Ministeriums vorliege. Ausgearbeitet hatte ihn wohl der Beauftragte für das staatliche Kunstwesen im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, SS-Obergruppenführer Staatssekretär Dr. Kajetan Mühlmann. Dieser schaltete sich jedenfalls auch in die Auseinandersetzung ein und drohte der Reichskanzlei gar, er werde mit seinen Mitarbeitern zurücktreten, falls Haberstock bestimmenden Einfluss auf die Sammlungen erhielte. Er erhielt zur Antwort, die Entscheidung Hitlers sei abzuwarten, die dieser demnächst in
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Wien persönlich treffen würde. Bis dahin möge Mühlmann einen eigenen Aufteilungsvorschlag ausarbeiten.44 Am 6. Juni 1939 sandte Haberstock einen in vielerlei Hinsicht überraschenden Verteilungsvorschlag an die Reichskanzlei, denn er berücksichtigte nicht Hitlers Interessen. Sein Lieblingsprojekt scheint ein Museum des 18. Jahrhunderts gewesen zu sein, das er im Schloss Mirabell in Salzburg einrichten und mit den hochrangigen Beständen an Rokoko-Malerei aus den Rothschild-Beständen bestücken wollte. Für das „Führermuseum“ sah sein Plan die Zuteilung von je einem oder zwei Bildern etwa von Frans Hals, Jacob Izaakszoon van Ruisdael, Rembrandt, Anthonis van Dyck vor. Offenbar war ihm Hitlers ganz persönlicher Anspruch auf die Rothschild-Sammlungen, der ja Geheimnisstatus hatte, nicht bekannt. Man geht wohl nicht zu weit mit der Vermutung, dass Hitler verärgert war, sei es über den merkwürdig eigenständigen Verteilungsplan, sei es über Haberstocks Versagen hinsichtlich der Wiener Kunstadministration. Dem Kunsthändler war es nicht gelungen, die Wiener Blockadepolitik zu überwinden; er hatte es noch nicht einmal geschafft, wie beauftragt Fotomaterial zu beschaffen, um es Hitler vorzulegen. Vermutlich war beiden klar, dass Haberstocks Metier als Kunsthändler der Grund dafür war, weshalb er auf so unüberwindlichen Widerstand gestoßen war. Hitler muss wohl erkannt haben, dass der Zeitpunkt gekommen war, das Projekt an Posse zu übergeben. Hitler nahm die heikle Angelegenheit nun selbst in die Hand: Am 11. Juni 1939, als er sich anlässlich der Reichstheaterwoche in Wien aufhielt, besichtigte er in Begleitung Kajetan Mühlmanns das Zentraldepot in der Neuen Burg. Dort kam es zur Auseinandersetzung wegen der Rothschild-Sammlungen. Laut einer Nachkriegsaussage Mühlmanns hielt er am Anspruch der Wiener Museen auf die RothschildSammlungen fest. Hitler habe ihn daraufhin erregt zur Rede gestellt und deutlich gemacht, dass der Vorschlag inakzeptabel sei. Der anhaltende Widerstand sollte Folgen für Mühlmann haben: Ende Juni 1939 wurde er auf Weisung Hitlers durch Gauleiter Josef Bürckel aus seinem Amt entlassen.45 Wie Hitler selbst die Widerstände der Wiener Kulturinstitutionen gegen seine Verteilungspläne beurteilte, ist einem Protokoll eines Tisch-
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gesprächs im Führerhauptquartier, das drei Jahre später, am Abend des 26. April 1942 stattfand, zu entnehmen: „Auch bei der Besichtigung der Kunstwerke, die bei der Beschlagnahme jüdischen Vermögens in Wien angefallen seien, habe er ganz stur den Standpunkt vertreten, dass alles, was zur Ergänzung der Wiener Galerien beitragen könne, dort verbleiben solle. Ebenso stur habe er aber entgegen den Wiener Wünschen darauf bestanden, dass die anderen Kunstwerke dorthin verbracht werden, wo sie beim Aufbau neuer Galerien dienlich sein können, zum Beispiel Werke von Franz [sic!] Hals nach Linz für die Galerie moderner Meister, Tiroler Heimatstücke nach Innsbruck und so fort. Er habe diese Entscheidung, die seinen lieben Wienern durchaus nicht in den Kram gepasst habe, mit um so leichterem Herzen durchführen können, als in Wien aufgrund des halbtausendjährigen Wirkens des Habsburger Kaiserhauses so viele Kunstschätze zusammengetragen seien, dass allein mit den in den Kellern und auf den Böden abgestellten Sachen drei weitere Museen voll ausgefüllt werden könnten. Allein an Gobelins seien etwa 1000 wunderbare Handarbeiten in Wiener Lagerhäusern untergebracht, von denen die Öffentlichkeit nun doch wirklich nichts habe. Dabei seien seine lieben Wiener, die er ja genau kenne, so krampfig, dass sie ihm bei der Besichtigung einiger beschlagnahmter Rembrandtbilder in ihrer gemütvollen Art klarzumachen versucht hätten, dass alle echten Bilder eigentlich in Wien verbleiben müssten, man diejenigen aber, deren Meister unbekannt sind, gerne Galerien in Linz oder Innsbruck zukommen lassen wolle. Sie hätten dann große Kulleraugen gemacht, wie er entschieden habe, dass auch die echten Sachen, soweit sie nicht Lücken in geschlossenen Galerien in Wien vervollständigten, den Landesmuseen der übrigen Alpen- und Donaugaue zugeführt würden.“46 Unmittelbar nach der Auseinandersetzung mit Mühlmann im Jahr 1939 schaltete Hitler den Dresdner Museumsdirektor Posse ein.47 Am 19. Juni 1939 reiste Posse über Berlin, wo er sich von Haberstock über
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den Stand des Verteilungsprojekts unterrichten ließ, nach Berchtesgaden. Am Tag darauf kam er mit Hitler und dessen Architekten Speer, der für die Linzer Planungen zuständig war, im Berghof zusammen. Während ihres Treffens entwickelte Hitler seine Museumspläne für Linz, über die Posse in sein Diensttagebuch Folgendes notierte: „das Museum seiner Heimatstadt, das er als Gegengewicht zu den großen industriellen Plänen von Linz neben anderen kulturellen Einrichtungen schaffen will. Im Gegensatz zu der Vergangenheit, die Wien egoistisch überfüttert, die Provinzstädte aber hat verkommen lassen. Das Linzer Museum soll nur das Beste enthalten aus allen Zeiten (beschlagnahmter Besitz, alter Bestand, Neuerwerbungen) von der Praehistorie beginnend die alten Kunst, im 2. Geschoss eine Sammlung des 19. Jahrhunderts und der Neuzeit, die auch die Wiener Sammlung übertreffen soll. Nochmals betont: seine Heimatstadt und vor allem die kulturpolitische Bedeutung, die er diesem Plane [...] Er freue sich, mich für diese Aufgabe gewonnen zu haben.“ Das Zusammentreffen verlief äußerst positiv: Nach der Beauftragung führte Hitler dem gerade ernannten „Sonderbeauftragten für das Führermuseum Linz“ seine Gemäldesammlung in der Großen Halle vor!
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Posse inspiziert die Wiener Raubkunst Am 26. Juni 1939 ging ein Einschreiben vom Obersalzberg ab: „Ich beauftrage Herrn Galeriedirektor Dr. Hans Posse, Dresden, mit dem Aufbau des neuen Kunstmuseums für die Stadt Linz/Donau. Alle Partei- und Staatsdienststellen sind verpflichtet, Herrn Posse bei der Erfüllung seiner Aufgabe zu unterstützen.“ Der Gauleiter von Wien, Josef Bürckel, der Planungsarchitekt des „Führermuseums“ Roderich Fick, der Verwalter des Kunstdepots im Münchner Führerbau, Hans Reger, und der Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber, wurden per Einschreiben von der Beauftragung Posses unterrichtet. Um eventuellen Schwierigkeiten in Wien vorzubeugen, wurde Bürckel angewiesen, Posse die Möglichkeit zu geben, die beschlagnahmten Bestände genau durchzusehen, und zwar nicht nur die Schausammlung, sondern alle Stücke.1 Posses Funktion als Sonderbeauftragter begann am 1. Juli 1939. Seine allererste „Amtshandlung“ führte ihn, wie wir seinem Tagebuch entnehmen können, am 2. Juli 1939 nach Berlin, wo er sich von seinem gescheiterten Vorgänger Karl Haberstock die Verzeichnisse der in Österreich beschlagnahmten Kunstsammlungen aushändigen und über dessen Vorarbeiten informieren ließ. Am Tag darauf erhielt er die telefonische Order, die Museumsselektion aus der Sammlung Hitlers in München vorzunehmen. Am 5. Juli 1939 traf er aus den dort befindlichen knapp 800 Gemälden eine Auswahl von etwa 140 Werken.2
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Zwei Tage später machte er sich in die „Ostmark“ auf. Seine erste Station war Linz, wo er den Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums Gottfried Kerschner traf und sich einen Eindruck von den Museumsbeständen und deren völlig unzureichenden Präsentationsmöglichkeiten machte. In seinem Bericht über die Landesmuseen der „Ostmark“, den er im Oktober verfassen sollte, zog er ein vernichtendes Resümee der vorangegangen zentralistischen Kunstpolitik. Die Museen befänden sich „zu einem großen Teil in einem bedauernswerten Zustand, vom Keller bis zum Dachgeschoß überfüllt mit den verschiedenartigsten naturwissenschaftlichen, kulturhistorischen und kunstgeschichtlichen Gegenständen, oft Dingen von hohem künstlerischem, nationalem und wissenschaftlichem Wert, die aber in ihrer Bedeutung infolge des Raummangels nicht zur Geltung kommen können. […] Die Vernachlässigung kultureller Bedürfnisse der Gaue durch den Staat und seine Teilnahmslosigkeit zugunsten der Zentrale Wien tritt hier besonders deutlich zutage.“3 Von Linz reiste Posse nach Wien weiter, wo er drei Tage lang, vom 10. bis zum 12. Juli 1939, die mehr als 8000 Kunstwerke im Zentraldepot in der Neuen Burg sichtete. Seine Kooperation mit dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Max Dworschak, dem Herrscher über das Zentraldepot, muss naturgemäß eng gewesen sein. Posse dürfte ihm verdeutlicht haben, dass er mit seinen Forderungen für das Kunsthistorische Museum in direkte Konkurrenz zu Hitlers Linzer Museumsprojekt geraten war. Vermutlich war sich Dworschak über diesen Umstand nicht im Klaren gewesen, da im „Führervorbehalt“ lediglich von „kleineren Museen“ die Rede ist und nicht von einem „Führermuseum“. Jedenfalls verfasste er am 11. Juli 1939 – also während Posses Wiener Aufenthalt und wohl auf dessen Anraten hin – ein Promemoria, in dem er die Ansprüche seines Museums sehr gründlich und umfassend mit der Arbeit begründete, welche die Mitarbeiter bei der Inventarisierung der Raubkunst und der Errichtung und Betreuung des Zentraldepots geleistet hatten.4 Zudem erinnerte er an die Verluste, die das Museum
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durch die italienischen Requirierungen 1919 erfahren hatte, ein Argument, das passgerecht auf Hitlers zentrales politisches Ziel, nämlich die Rückgängigmachung des Versailler Vertrages, zugeschnitten war. Abschließend führte Dworschak einen besonders heiklen Punkt an, den Verlust der Reichskleinodien, die Hitler im Jahr zuvor nach Nürnberg hatte transferieren lassen, wo sie sich, bevor sie vor Napoleon nach Wien geflüchtet worden waren, jahrhundertelang befunden hatten.5 Seinem Museum würden dadurch fast die Hälfte der Einnahmen und Besucher entgehen. Nach seiner Wienreise und einem kurzen Zwischenaufenthalt in Dresden fuhr Posse am 20. Juli 1939 mit dem Nachtzug nach München, um Hitler seine Linz-Auswahl zu präsentieren.6 Am Tag darauf stellte er die Bilder „in den dafür hergerichteten Räumen“ des Führerbaus auf, vermutlich im Saal und in der sogenannten Bildergalerie im zweiten Obergeschoss. Am späten Nachmittag hatte er eine Besprechung bei Reichsleiter Bormann. Hier erfuhr er, dass er die Gesamtverteilung der Wiener Raubkunst übernehmen solle. Posse notierte diesen Auftrag in seinen Reisekladden, ohne das Thema in seinem ausführlicheren Diensttagebuch noch einmal aufzugreifen. Es ist ein so kurzer wie folgenreicher Satz, der von der Forschung bisher unbeachtet blieb. Als Hitler am Abend des 23. Juli 1939, einem Sonntag, zur Besichtigung erschien, dürfte die Ausweitung von Posses Aufgabe ausführlicher besprochen worden sein. In diesem Zusammenhang ist Posses Gesprächsnotiz sehr interessant: „Bilder Kunstwerke usw. aus beschlagnahmtem Besitz dürfen nicht veräußert werden.“ Auf Posses Schilderung der durchgängigen Hochrangigkeit der Wiener Beschlagnahmungen hin muss Hitler entschieden haben, sie alle restlos in sein Verteilungsprogramm aufzunehmen. Das ist ein entscheidender Unterschied zu dem Vorhaben Haberstocks, die nicht museumsgeeigneten Objekte zu verkaufen. Überraschend kam diese Entscheidung nicht, war doch schon Haberstock mit der Gesamtverteilung beauftragt gewesen. Damit hatte sich Posses Arbeitsbereich erheblich erweitert. Er war nun nicht nur „der Beauftragte des Führers zum Aufbau des neuen Kunstmuseums in Linz“, sondern auch „der Beauftragte des Führers für die Verwertung der in der
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Ostmark beschlagnahmten und sichergestellten Kunstgüter“7. Mit der Ausdehnung des „Führervorbehalts“ wuchs seine Zuständigkeit jeweils mit: Goebbels sollte Anfang 1940 von Posses Funktion mit folgenden Worten unterrichtet werden: „Der Direktor der Staatlichen Galerie in Dresden, Dr. Hans Posse, sichtet und bearbeitet im Auftrage des „Führers“ die in Wien und an anderen Orten beschlagnahmten Kunstschätze.“8 Am Sonntag, den 23. Juli 1939, kam Hitler also von 19.55 bis 21.25 Uhr zur Besichtigung von Posses Auswahl. Dieser erste Vortrag bei Hitler muss ein schwieriger Termin für den Dresdner Galeriedirektor gewesen sein, hatten doch nur 140 von 800 Bildern seiner Qualitätsprüfung standgehalten. Deren Präsentation fand in den „eigens dafür hergerichteten Räumen“ statt, womit höchstwahrscheinlich der „Saal“ und die „Bildergalerie“ im zweiten Obergeschoss gemeint sind, Räume, die vermutlich zu diesem Zeitpunkt als Galerieräume adaptiert wurden.9 Wir wissen aus der Korrespondenz mit Bormann, dass Posse seine Gemäldeauswahl an den Wänden hängend vorführte und dass die Werke eng hingen. Vermutlich schritt man die Bilderreihe ab und Posse erläuterte seine Auswahlkriterien. Die heikle Angelegenheit verlief jedenfalls zu aller Zufriedenheit. An diesem Abend unterrichtete Posse Hitler auch ausführlich über die Wiener Raubkunstbestände und wurde – wie bereits sein Vorgänger Haberstock – beauftragt, anhand fotographischer Unterlagen zu berichten. Hitler gab die Richtlinien für die Verteilung vor und legte die Reihenfolge in der Behandlung der Gattungen fest: Erst seien die Gemälde zu erledigen, dann die Möbel, dann das Kunstgewerbe et cetera. Auf Vorschlag Posses wurde beschlossen, aus dem beschlagnahmten Kunstbesitz auch eine graphische Abteilung für das „Führermuseum“ zu bilden und die noch in Wien befindlichen Bilder für Linz nach München zu bringen. Diese war also noch nicht in München, wie vielfach fälschlich angenommen wurde.10 Posse setzte sich zudem für die Wiener Museumsbelange und die Unantastbarkeit der Sammlung des Kunsthistorischen Museums ein.11 Albert Speer hat uns eine viel zitierte Geschichte von einer gemeinsamen Auswahl aus der Hitler-Sammlung im Keller des Führerbaus hinterlassen:
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„Kurz nach der Ernennung Posses führte ihm Hitler seine bisherigen Ankäufe einschließlich der Grütznersammlung in seinem Luftschutzkeller, wo er die Schätze geborgen hatte, vor. Sessel wurden für Posse, Hitler und mich herbeigeschafft und Bild nach Bild von der SS-Dienerschaft vorbeigetragen. Hitler lobte seine Lieblingsgemälde mit den geläufigen Prädikaten, aber Posse ließ sich weder durch Hitlers Position noch durch dessen bezwingende Liebenswürdigkeit beeindrucken. Sachlich und unbeeinflussbar lehnte er viele dieser kostspieligen Erwerbungen ab: ‚Kaum brauchbar‘ oder ‚Entspricht nicht dem Rang der Galerie, wie ich sie mir vorstelle‘. Wie meist, wenn sich Hitler einem Fachmann gegenüber fand, nahm er die Kritik ohne Einwand hin. Immerhin verwarf Posse die meisten Bilder der von Hitler geliebten Münchner Schule.“12 Für den Vorgang findet sich keine Entsprechung in Posses Tagebuchaufzeichnungen. Auch die Absurdität der Situation spricht für eine Fälschung: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein Gemäldefachmann wie Posse eine Auswahl im Sessel sitzend trifft, über Gemälde, die bei künstlichem Licht an ihm vorbeigetragen werden. Dieses denkbar unprofessionelle Prozedere erinnert eher an eine Kabarettnummer. Aber auch wenn Speers Geschichte frei erfunden sein sollte, so stimmt doch ihre Hauptaussage: dass Posse nämlich die meisten Bilder der von Hitler geliebten Münchner Schule verworfen und der Diktator dies akzeptierte hat. Speer muss den Vorgang als so wichtig empfunden haben, dass er die Geschichte für seine Memoiren erfand. Überraschend war die Akzeptanz Hitlers freilich nur auf den ersten Blick, hatte er den Dresdner Museumsdirektor doch genau mit dieser Aufgabe betraut und damit die Autorität des Fachmannes eingefordert. Zudem handelte es sich bei den im Führerbau versammelten Gemälden größtenteils um Dekorationsstücke, zusammengetragen für die aus dem Boden gestampften Staats- und Parteibauten. Hitler war durchaus selbstkritisch genug, zwischen einem Ausstattungsbild und einem Museumsstück unterscheiden zu können. Er selbst hatte ja, wie wir schon gesehen haben, ab Mai 1938 in Hinblick auf die Linzer Gemäldegalerie seine Ankaufskriterien geändert und großformatige und kunsthistorisch bedeutendere Werke
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erworben. Ein gewisser Museums-Sachverstand lässt sich Hitler nicht absprechen. Schon in den Zwanzigerjahren hatte er eine Nationalgalerie entworfen und sich Gedanken und Notizen über die Hängung der Gemälde gemacht.13 Seitdem hatte er sowohl mit seiner „Galerie“ in der Großen Halle, wo er mit Vorliebe die Bilder umhängte, und mit der Großen Deutschen Kunstausstellung in München auch praktische Erfahrung gewonnen. Zudem war der für Linz ausgeschiedene Rest nicht „verworfen“, wie Speer formulierte, vielmehr stand er für die Verteilung auf kleinere Museen zur Verfügung.
Zugriff auf die sichergestellten Kunstwerke An dem besagten Abend des 23. Juli 1939 fielen Entscheidungen von einiger Tragweite: Posse schlug vor, den „Führervorbehalt“ auf die von der Gestapo im Auftrag des Denkmalamtes sichergestellten Kunstwerke auszudehnen. Dies ging auf eine Anregung Fritz Dworschaks zurück, der diese für eine Verteilung auf die Gaumuseen verwenden wollte, um deren Ansprüche zu befriedigen, ohne dafür auf den eigenen Museumsbesitz zurückgreifen zu müssen.14 Der Vorschlag wurde aufgegriffen: Am 24. Juli 1939 teilte Bormann dem Wiener Gauleiter Josef Bürckel mit, dass „die nur sichergestellten Bilder und sonstigen Kunstwerte“ ebenfalls Hitlers Verfügung unterlägen. Direktor Posse aus Dresden sei beauftragt, sich diese anzusehen und anhand von fotographischen Unterlagen zu berichten. Bürckel erließ am 22. August eine entsprechende Anordnung, die er unter anderem an die Zentralstelle für Denkmalschutz weiterleitete.15 Am 18. September 1939 teilte Staatskommissar Friedrich Plattner vom Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten der ihm untergeordneten Zentralstelle mit, dass er die denkmalbehördlich sichergestellten, die beschlagnahmten und die von reichsunmittelbaren Dienststellen gepfändeten Kunstwerke verwalte und Veränderungen an den Beständen nur mit seiner vorherigen Zustimmung vorgenommen werden dürften.16 Das Wiener Denkmalamt war im ehemaligen Salesianerinnenkloster am Rennweg lokalisiert, das an das Belvedere, das Gartenpalais des Prinzen
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Eugen, grenzt. Die Gebäude des barocken Lustschlosses wurden museal genutzt, in der Orangerie war eine moderne Galerie eingerichtet worden, die inzwischen jedoch geschlossen war. Die Orangerie stand also ungenutzt, sodass hier die denkmalbehördlich sichergestellten Kunstgüter gesammelt, inventarisiert und aufgestellt werden konnten. Am 10. Oktober 1939 waren hier neben zahlreichen kleineren Sammlungsbeständen die gesamte Sammlung Oskar Bondy, die gesamte Sammlung Nathan Eichinger, große Teile der Sammlungen Albert Pollak, Robert Pollak und Serena Lederer, die Hauptstücke der Sammlungen Franz Ruhmann und Karl Ruhmann und Teile der Sammlung Oppenheimer zusammengetragen, 6000 bis 8000 Stück, wie Posse im Januar 1940 in sein Reisetagebuch notierte. Den Gesamtbestand der Raubkunst im Belvedere und der Neuen Burg schätzte er auf etwa 15 000 Stück.17 Es handelte sich keineswegs nur um Gemälde: Das Gros machten kunstgewerbliche Objekte aus, hinzu kamen Skulpturen, Möbel und Teppiche. Zwei längere Aufenthalte im Dezember 1939 und Januar 1940 sollten nötig sein, bis er sich einen Überblick verschafft und Listen erstellt hatte. Ende Januar 1940 drang Bormann darauf, dass Posse erneut Vortrag halten solle. Hitler wünsche es. Und so berichtete der Sonderbeauftragte am 1. Februar 1940 in Beisein von Bormann von 18 bis 19.15 Uhr in Berlin; die Wiener Beschlagnahmungen und ihre Verteilung standen erneut ganz oben auf der Agenda.18 Anfang März schloss sich eine weitere Durchsicht vor allem der Sammlungen Oskar Bondy und Albert Pollak im Belvedere und der letzteingebrachten Gegenstände aus den Rothschild’schen Jagdschlössern im Zentraldepot an.
Der Kunstbesitz der Klöster und Stifte Da die Verteilung der österreichischen Raubkunst nach museologischen Kriterien erfolgen sollte, erhielt Posse den Auftrag, die zuteilungsberechtigten Landesmuseen zu inspizieren, um sich ein Bild von ihren Sammlungsprofilen und -schwerpunkten zu machen. Im August 1939 besuchte der Sonderbeauftragte Klagenfurt und Graz, im Oktober Innsbruck und Salzburg. Seinen Bericht über die österreichischen Landes-
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museen, in dem er die Spezifika der Sammlungen beschreibt und damit die Grundlagen für sein Verteilungsprogramm legt, sandte er am 20. Oktober 1939 an Bormann, gemeinsam mit einem ersten Vorschlag zur Verteilung der in Wien beschlagnahmten Gemälde.19 Danach sollte das „Führermuseum“ 122 Gemälde erhalten, das Kunsthistorische Museum in Wien 44, darunter der Hauptteil der besten französischen Werke des 18. Jahrhunderts. Der Österreichischen Galerie in Wien wurden 13 Bilder zugebilligt, dem Ferdinandeum in Innsbruck 25, der Landesbildergalerie in Graz fünf. Posse, der seit dreißig Jahren eine der besten Galerien Europas leitete, konnte als Sammlungsexperte an den Aufbau einer Gemäldesammlung gar nicht anders als systematisch herangehen. Nichts zeigt dies deutlicher als sein Sammlungskonzept für das „Führermuseum“, in dem er skizziert, womit er den vorhandenen Grundstock auszubauen gedachte, nämlich mit dem Kunstbesitz der österreichischen Klöster und Stifte. Er dachte dabei insbesondere an die Malerei der Donauschule des frühen 16. Jahrhunderts: „Wenn es z. B. gelänge, so bedeutende Werke des Hauptmeisters der Donauschule Albrecht Altdorfer, wie sie das Stift St. Florian noch besitzt, (sei es auch vorläufig nur als Leihgabe) zu bekommen, so würde das neue Linzer Kunstmuseum einen besonderen Anziehungspunkt erhalten.“ Gemäß diesem Konzept vom Oktober 1939 speiste sich Hitlers Galerie noch ausschließlich aus österreichischen Beständen, der Zugriff auf den Kunstbesitz der eroberten Länder war damals noch nicht vorgesehen. Auffällig ist jedoch, wie erstaunlich selbstsicher Posse schon über den Kunstbesitz der Klöster verfügte. Am 11. Oktober 1939 hatte das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in Wien alle Landeshauptmänner (noch waren die Länder nicht aufgelöst) beauftragt, in den erweiterten „Führervorbehalt“ vom 18. September 1939 auch „den mittlerweile von öffentlichen Stellen erfassten geistlichen (klösterlichen) Kunstbesitz einzubeziehen“.20 Offenbar war Posse davon nicht informiert worden, denn am 16. März 1940 forderte er bei Bormann
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den „Führervorbehalt“ für die Kunstbestände der Klöster ein. In seinem Brief argumentierte er, ein solcher Erlass sei auch die letzte Gelegenheit durch Inventarisierung und fotographische Aufnahmen wertvollstes Kunstgut der Nation zu erfassen.21 Wir werden diesem Argument immer wieder begegnen. Der Erfassungsprozess des österreichischen Kunstbesitzes war zu diesem Zeitpunkt schon längst im Gange: Die sogenannte „Reichsliste“ war auf Österreich erweitert worden, womit dem Denkmalamt ein Instrument an die Hand gegeben wurde, um den Kunstbesitz vollständig zu erfassen, den kirchlichen, vor allem den der Klöster, sowie den kommunalen und privaten. Per Gesetz war jedermann verpflichtet, „zur Ermittlung von Denkmalen und zur Verzeichnung und Beaufsichtigung vorhandener Denkmalbestände von künstlerischer, historischer oder kultureller Bedeutung der Zentralstelle für Denkmalschutz und deren Organen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie die Besichtigung der in Frage kommenden Denkmale zu gestatten“. Auch die Oberfinanzpräsidenten wurden im Juli 1939 in die Erhebung einbezogen.22 Insgesamt wurde während der NS-Herrschaft in Österreich das Vermögen von 26 Stiften und Klöstern mit umfangreichen landwirtschaftlichen Besitzungen, gewerblichen Betrieben und Kunstsammlungen aufgrund der Anordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich vom 18. November 1938 beschlagnahmt. Den Mönchen wurden Misswirtschaft, sexuelles Fehlverhalten sowie Konspiration gegen die Staatsmacht vorgeworfen und wenn man die finden wollte, um eine treffende Bemerkung von Stefan Spevak aufzugreifen, so fand man sie auch.23 Beispielsweise wurde am 15. September 1939 das Vermögen des Benediktiner-Stifts Göttweig bei Krems an der Donau „wegen volks- und staatsfeindlichen Verhaltens der Klosterangehörigen“ von der Gestapo Wien zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.24 Als Posse Anfang März 1940 das Stift inspizierte, musste er feststellen, dass dort keine bedeutenden Kunstwerke mehr vorhanden waren. Der Stiftsbesitz war der Stadt Krems zugewiesen worden und diese hatte, ob-
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wohl sie vom Kultusministerium in Wien darauf hingewiesen worden war, dass „die Kunstwerke dieses Stiftes unter die Sperrverfügung des Führers“ fielen und daher vor Ort bleiben sollten, diese zum großen Teil abtransportiert. Posse war höchst alarmiert und forderte bei Bormann eine Erweiterung des „Führervorbehaltes“ ein, eventuell sogar rückwirkend. „Es scheint mir deshalb dringend notwendig, dass über die Eigentumsfrage an den Kunstsammlungen, Archiven und Bibliotheken vormaliger Klöster und ihre Verwendung im Interesse des nationalen Kulturbesitzes eine eindeutige Entscheidung getroffen wird. Es dürfte sich (eventuell rückwirkend) empfehlen, eine einheitliche Behandlung solcher Fälle wie bei dem beschlagnahmten jüdischen Kunstbesitz zu treffen, der dem Führer die Entscheidung über den Klosterbesitz überlässt.“25 Die Initiative des Sonderbeauftragten blieb zunächst stecken; erst Ende Mai kam eine Rückfrage aus dem Stab Bormanns. Am 1. Juni 1940 empfahl Posse erneut eine allgemeine Regelung, „die dem Führer auch in diesen Fällen (möglichst bis in die Zeiten der Machtergreifung zurückgehend) eine Entscheidung in der Zuteilung an die einzelnen Museen bzw. ein Vorkaufsrecht sichert“.26 Mit dem Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941 wurden die Vermögen der aufgehobenen Klöster dann den Gauen übertragen. Es gab Pläne, sogenannte „Gaustiftsmuseen“ in „besonders schönen Stiften“ zu gründen.27 Die Verteilung des klösterlichen Kunstbesitzes lief also nicht zentral über Posse, sondern über die Gauleiter beziehungsweise -konservatoren und Museumsleiter. Unberührt davon galt der „Führervorbehalt“. Hitlers Sonderbeauftragtem wurden vor der Verwertung der Sammlungen durch die Gaukonservatoren Listen zugesandt und er gab dann an, ob und welche Gegenstände er für „die Zwecke des Führers“ beanspruchte. Die Klostergalerien verloren für Posse an Interesse, als sich ihm mit dem Krieg und dem Zugriff auf den Kunstbesitz der eroberten Länder wesentlich attraktivere Möglichkeiten zur Aufstockung seines
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Museumsfundus eröffneten. Weiterhin attraktiv blieben jedoch die graphischen Bestände und die Münzsammlungen der Klöster. Zum Aufbau entsprechender Museumsabteilungen hatten die jüdischen Kunstsammlungen einen Grundstock geliefert, den Posse mit den Klosterbeständen auszubauen beabsichtigte. Am 28. Februar 1941 übermittelte er einen Verteilungsvorschlag für die beschlagnahmten Münzsammlungen und Waffen an Hitler.28 Betroffen waren die Stifte Klosterneuburg, Göttweig, Kremsmünster, Lambach, St. Florian, Schlägl, Wilhering, St. Peter in Salzburg, Admont, St. Lambrecht, Vorau, St. Paul und Hohenfurth (Vyšší Brod). Posse bat bei dieser Gelegenheit auch um Erlaubnis, Goldmünzen aus der „wegen Reichsfluchtsteuer“ sichergestellten Sammlung Alexander Hauser vom Finanzamt Wien erwerben zu dürfen. Hitler stimmte allen Vorschlägen zwei Tage später zu.29 Auf Posses Vortrag vom 20. Mai 1941 hin erklärte er sich auch damit einverstanden, dass die Handzeichnungen, Stiche und Radierungen der Stifts- und Klosterbibliotheken für das Graphische Kabinett des „Führermuseums“ zusammengezogen werden sollten.30 Hitler hatte ursprünglich vorgesehen, antiken Goldschmuck und Münzen in seinem Museum in Vitrinen auszustellen. Im Juni 1942 schlug Posse jedoch die Einrichtung eines separaten Münzkabinetts vor. Durch Beschlagnahmungen von Klöstern und bei Privaten seien nämlich „so bedeutende Mengen an antiken, mittelalterlichen und neueren Gold- und Silbermünzen sowie künstlerisch höchst wertvollen Medaillen erfasst worden, dass es nicht zu verantworten wäre, wenn man diese einmalige Gelegenheit zur Schaffung eines großen Münzkabinetts von internationalem Range ungenutzt vorübergehen ließe“. Der Erlass über die Errichtung eines Münzkabinetts in Linz erfolgte am 30. September 1942.31 Alle seit der Machtergreifung in der „Ostmark“ eingezogenen Bestände an Münzen, Medaillen, Prägestempeln, Münzenschränken und numismatisch-heraldischer Literatur sollten dem Kabinett zugeführt werden, „auch wenn sie als Bestandteile von
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Vermögenswerten gebietlichen Selbstverwaltungskörperschaften bereits zugewiesen waren“.32 Am 29. November 1942 wurde der „Führervorbehalt“ auf Münzen- und Medaillen-Sammlungen ausgedehnt, wobei die besetzten Ostgebiete und das Generalgouvernement, die besetzten zentralpolnischen Gebiete, jedoch nicht einbezogen wurden.33 Mit dem Aufbau des Münzkabinetts wurde Posse beauftragt; nach seinem Tod wurde der Auftrag dem Numismatiker und leitenden Direktor des Kunsthistorischen Museums Fritz Dworschak übertragen, der schon zuvor für die Inventarisierung der Münzbestände zuständig gewesen war. In dem Depot für das „Führermuseum“ in Stift Kremsmünster befanden sich Ende 1943 circa 200 000 Münzen und Medaillen aller Länder und Zeiten.34
Zwangsverkäufe Posse war das erste Jahr seiner Tätigkeit als Sonderbeauftragter überwiegend mit der Verteilung der Kunstsammlungen in Wien befasst. Der „Führervorbehalt“ stellte eine entschädigungslose Überweisung von Objekten aus eingezogenen Kunstsammlungen an die Museen sicher. Einzelne Kunstwerke, die beschlagnahmt und auf den Markt gebracht wurden, etwa weil sie von Finanzämtern zur Abdeckung der „Reichsfluchtsteuer“ verwertet wurden, mussten hingegen bezahlt werden. Vor allem für diese Ankäufe erhielt Posse am 1. Februar 1940, also sieben Monate nach Antritt seines Amtes, einen Etat von einer Million Reichsmark. Dass er erst so spät überhaupt mit Geldmitteln ausgestattet wurde, macht deutlich, dass seine primäre Aufgabe nicht der Ankauf von Kunst war, sondern vielmehr der Zugriff auf Raubkunst. Jene Phase, während der etwa 120 Millionen Reichsmark ausgegeben wurden und die das Bild des „Sonderauftrags“ als einer Ankaufsorganisation bestimmte, setzte erst Mitte 1940 mit dem Zugang zum niederländischen Kunstmarkt ein. Das erste Kunstwerk, das Posse ankaufte, war ein „sichergestelltes“ und damit alles andere als eine legale Erwerbung: das spätgotische Gemälde Wurzel Jesse eines schwäbischen Meisters. Es stammte aus dem Besitz der Jüdin Adele Fischel, der es gelungen war, es dem Mann ihrer Ku-
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sine, Fritz Hofbauer, zu schenken.35 Posse erwarb es von Hofbauer zum Schätzwert „für den sehr günstigen Preis von 6600 Reichsmark“, wie er an Bormann schrieb, nicht ohne hinzuzufügen, dass er mit mindestens 12 000 gerechnet habe.36 Adele Fischel kam 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Ein spätgotisches Holzrelief, Abschied der Apostel, eines Kärntner Meisters, datiert um 1500, erwarb Posse für 4000 Reichsmark vom Finanzamt Wien, Innere Stadt. Es stammte aus dem Besitz von Jenny Steiner, einer Förderin zeitgenössischer Kunst und insbesondere Gustav Klimts. Jenny Steiner war kurz nach dem „Anschluss“ nach Paris geflohen und von dort über Portugal nach Brasilien entkommen. Der Erlös, den das Holzrelief erbrachte, diente zur Begleichung der „Reichsfluchtsteuer“. Das Relief wurde 1949 an die Erben Jenny Steiners restituiert.37 Die Preise für die sichergestellten Kunstwerke waren Schätzpreise, die von staatlich vereidigten Schätzmeistern, oft Museumsbeamten, festgelegt wurden. Sie bewegten sich weit unter Marktwert, ein Umstand, der Posse sehr bewusst war; mehrfach brüstete er sich in seinen Briefen an Bormann, „Schnäppchen“ gemacht zu haben. So berichtete er etwa am 15. Februar 1940, er habe die „berühmte, in allen Werken über Schwind abgebildete Federzeichnung“ von Moritz von Schwind Das Ständchen „für den ungewöhnlich niedrigen Preis von RM 600 aus dem sichergestellten Besitz erworben“.38 Der Besitzer, Textilfabrikant Edwin Czeczowiczka, war 1938 nach Polen geflüchtet, wo seine Firma ihren Hauptsitz hatte. Aus der Sammlung Edwin und Karoline Czeczowiczka wurden vom Wiener Magistrat im Oktober 1938 22 Objekte sichergestellt und von der Zentralstelle für Denkmalschutz in Verwahrung übernommen, darunter die Federzeichnung von Schwind.39 Die Zeichnung, die mit den Restbeständen des Graphischen Kabinetts des „Führermuseums“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden aufbewahrt wurde, wird zurzeit restituiert.
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Posses Verteilungsplan Posse war im Juli 1939 mit der Gesamtverteilung der Kunstwerke aus beschlagnahmtem und sichergestelltem Besitz in Österreich beauftragt worden. Das heißt, dass er Hitler Listen für alle zuteilungsberechtigten österreichischen Museen vorzulegen hatte. An der Verteilung beteiligt waren alle wichtigen Kunstinstitute Österreichs: in Wien das Kunsthistorische Museum, das Reichsheeresmuseum, das Uhrenmuseum der Stadt, das Medizinische Museum Josephinum, die Nationalbibliothek, die Städtischen Sammlungen, die Topographische Sammlung und Werkstätte der Zentralstelle für Denkmalschutz. In den Ländern beziehungsweise Gauen handelte es sich um das Kunstmuseum Linz („Führermuseum“), das Oberösterreichische Landesmuseum in Linz, das Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, die Landesbildergalerie in Graz, das Kunstgewerbemuseum in Graz, das Gaumuseum Niederdonau beziehungsweise Museen in Krems und St. Pölten, das Museum in Salzburg, das Museum Klagenfurt, das Museum Bregenz, das Heimatmuseum Altaussee und das Burgenländische Landesmuseum in Eisenstadt. Da die Verteilung bisher noch nicht systematisch untersucht wurde, mag die Liste noch länger sein. Das Prozedere verlief folgendermaßen: Die zur Verteilung stehenden Kunstwerke wurden im Zentraldepot oder der Orangerie des Belvedere zu Ausstellungen arrangiert und die Museumsleiter aufgefordert, die Objekte zu besichtigen und Wunschlisten für die Zuteilung zu erstellen. Im Herbst 1940 und im Winter 1940/41 wurde die erste Tranche auf die Museen verteilt. Entsprechend dem von Hitler im „Führervorbehalt“ formulierten föderalistischen Programm, nach dem er „Kunstwerke in erster Linie den kleineren Städten in Österreich für ihre Sammlungen zur Verfügung zu stellen“ beabsichtigte, wurden die Landesmuseen bevorzugt. In besonderem Umfange profitierte die „Heimatstadt des Führers“, Linz. Das zukünftige „Führermuseum“ erhielt – wenig überraschend – die meisten Zuweisungen, wobei man bedenken muss, dass es sich um eine Neugründung handelte. Das Inventar der Gemäldegalerie vom 31. Juli 1940 umfasst 324 Gemälde, 107 aus Hitlers Sammlung im Führerbau, 173 aus den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen
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Anforderungen des Landesmuseums Joanneum in Graz aus den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen, 6. März 1940, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
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in Wien und 36 Neuankäufe vor allem aus sichergestelltem jüdischem Besitz. Das waren allerdings bei Weitem nicht alle Zuteilungen an das Kunstmuseum Linz, wie das „Führermuseum“ auch genannt wurde. Neben den Gemälden erhielt es noch Graphik, Skulpturen, Kunstgewerbe, Möbel, Gobelins und Teppiche. Insgesamt solle es bei dieser ersten Verteilung etwa 1500 Kunstwerke erhalten.40 Doch auch das Oberösterreichische Landesmuseum in Linz wurde reich bedacht. Es erhielt bei der Hauptverteilung 1940 knapp 400 Objekte, 173 aus der sichergestellten Sammlung Oskar Bondy, die von der Zentralstelle für Denkmalschutz überwiesen wurden, und 210 Kunstwerke aus den beschlagnahmten Beständen, die aus dem Zentraldepot kamen. Später gab es weitere Zuteilungen aus der Bondy-Sammlung; insgesamt wurden mindesten 260 Kunstwerke dieser Provenienz überwiesen. Nur die Eingänge der ersten Verteilungsphase 1940 wurden inventarisiert. Die späteren Zuweisungen gingen nicht mehr ins Museum, sondern direkt ins Bergungsdepot Eferding und fanden dadurch keinen Eingang ins Inventar.41 Das gilt auch für die übrigen Museen, die Zuteilungen aus den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen erhielten. Es ist daher bis heute nicht möglich, den Umfang der Zuteilungen genau zu beziffern. Ein laufendes Forschungsprojekt wird hier Licht ins Dunkel bringen.42 Mitte 1940, parallel zur Erstellung des Inventars, leitete Posse die Herstellung von Fotoalben in die Wege, um Hitler nicht nur eine Inventarliste zu überreichen, sondern auch Anschauungsmaterial. Seine Formulierung, dass er die Fotoalben „sobald als irgend möglich nachreichen“ werde, zeigt, dass Inventar und Alben konzeptionell zusammengehörten. Auf dem Rücken der in schwarzes Saffianleder gebundenen Bände prangt in goldgeprägten Lettern Gemäldegalerie Linz jeweils mit der Bandnummer in römischen Ziffern.43 Ein Band umfasste 50 mit Fotos ausgestattete Seiten im Format 34 × 36 Zentimeter; in aller Regel wurde pro Seite ein Foto eingeklebt, unter das handschriftlich der Name des Malers, der Bildtitel, teilweise die Datierung und in vielen Fällen auch die Bildmaße eingetragen wurden. Insgesamt wurden 31 Alben produziert und Hitler zu Weihnachten und zu seinem Geburtstag überreicht; die ersten fünf Bände gingen am 21. Dezember 1940 per Express
Kolumne
Hans Posse, Zuteilungsvorschlag für das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, 20. Oktober 1939, Bundesarchiv Koblenz
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Kolumne
Zuweisung aus dem Zentraldepot der beschlagnahmten Gegenstände, Bundesdenkmalamt Wien, Archiv
Kolumne
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Fotoalbum Gemäldegalerie Linz, Bd. II/35, Rembrandt, „Selbstbildnis“; Zwangsverkauf aus der Sammlung Rudolf Gutmann, Wien, restituiert, São Paulo, Brasilien, Museu de Arte
an den Berghof. Die Fotoalben sind die höchstrangige Bildquelle zum Bestand und zur Struktur der Gemäldegalerie. Aus ihnen war, so Posse anlässlich der ersten Lieferung, jeweils „der jetzige Stand der Linzer Gemäldegalerie ersichtlich“. Sie bilden eine virtuelle Galerie, indem sie Objekte vereinigen, die an verschiedenen Orten deponiert waren. Sie führen diese nach nationalen Schulen und chronologisch geordnet vor, wie es der gängigen Museumsordnung entsprach. Die Fotoalben zeigen das „Führermuseum“ beziehungsweise sein Kernstück, die Gemäldegalerie, als eine Sammlung im Entstehen, nach den in Europa und Nordamerika
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herrschenden Maßstäben der Kunsthistorik und Museologie des mittleren 20. Jahrhunderts. Mit den ersten 20 Bänden und den darin enthaltenen 1000 Gemälden war die Galerie im ersten Durchgang fertiggestellt. Band XX ist der einzige Skulpturenband und markiert den vorläufigen Abschluss: In der imaginäre Gemäldegalerie wurden zum Schluss einzelne Skulpturen verteilt. Zu den 20 Bänden wurde ein Künstler-Register erstellt und zum „Führergeburtstag“ 1943 überreicht.44 Das „Führermuseum“ wäre also keineswegs ein gigantisches Museum geworden und vor allem nicht das größte Museum der Welt, eine Vorstellung, die Joachim Fest in seiner Hitlerbiographie von 1973 popularisiert hat: „Doch wie alles, was er [Hitler] in Angriff nahm, augenblicklich und zwanghaft ins Überdimensionale zu wuchern begann, so entwickelten sich auch die Pläne für die Linzer Galerie rasch ins Ungemessene. Während er dort zunächst nur die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts in repräsentativen Beispielen hatte sammeln wollen, fühlte er sich nach der Italienreise des Jahres 1938 vom Reichtum der italienischen Museen offenbar so überwältigt und herausgefordert, dass er in Linz ein riesiges Gegenstück dazu errichten wollte: schon figurierte es in seiner Phantasie als ‚das größte Museum der Welt‘, ehe die Idee zu Beginn des Krieges eine letzte Steigerung erfuhr und mit einem Plan zur Neuverteilung des gesamten europäischen Kunstbesitzes verbunden wurde, demzufolge alle Werke aus sog. germanischen Einflusszonen nach Deutschland verbracht und vor allem in Linz, als einer Art deutschem Rom, zusammengefasst werden sollten.“45 Die unter dem „Führervorbehalt“ in ganz Europa beschlagnahmten Kunstwerke wären eben nicht in ein gigantisches Museum eingegangen, wie es der Mythos will, sondern von Hitler auf deutsche Museen verteilt worden. Hitler hatte Posse beauftragt, „eine Sammlung zu schaffen, die sich zwischen München und Wien, den Mittelpunkten alter künstlerischer Kultur, in Ehren“ sollte behaupten können. Zum Zeitpunkt von Pos-
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ses Tod umfasste der Fundus 1200 Werke und entsprach somit dem Bestand einer großen, aber keineswegs gigantischen Galerie; die Dresdner Sempergalerie hatte 1939 1336 Gemälde ausgestellt.46 Posse habe damit seinen Auftrag „zum größten Teil“ erfüllt, notierte Goebbels, der auf dem von Hitler angeordneten Staatsbegräbnis die Trauerrede hielt, am 12. Dezember 1942 in sein Tagebuch. Die Alben wurden in Hitlers Bibliothek im Berghof auf dem Obersalzberg aufbewahrt; dort befanden sich zahlreiche Fotoalben, welche die verschiedenen Komplexe der diversen Gemäldesammlungen des „Führers“ dokumentierten: ein Album seiner Privatsammlung, die schon vorgestellten Prachtalben Meisterwerke der Malerei A.H., sowie 39 Lederbände mit Fotos der in Frankreich konfiszierten jüdischen Sammlungen des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg.47 18 Alben zur Gemäldegalerie Linz wurden 1945 von den Amerikanern in der Berghof-Bibliothek aufgefunden; ein weiterer Band fand sich ebenfalls auf dem Obersalzberg, aber in Bormanns Haus. Sie wurden an den Central Collecting Point in München gegeben; dessen Unterlagen gingen nach dem Ende der amerikanischen Militärverwaltung an die Bayerische Treuhandverwaltung für Kulturgut über. Von hier aus gelangten die Fotoalben an die Oberfinanzdirektion in Berlin. Heute befinden sie sich als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland im Deutschen Historischen Museum in Berlin, wo sie in der Dauerausstellung zu sehen sind. Von den verschollenen 12 Alben ist inzwischen eines wieder aufgetaucht. 2010 gab Robert Edsel, Gründer der Monuments Men Foundation in Dallas, Texas, den von einem amerikanischen Soldaten als Souvenir aus dem Berghof mitgenommenen Band XIII an die Bundesrepublik Deutschland zurück.48
Streit um die Sammlung Lanckoron´ski Nicht alle in Österreich unter dem „Führervorbehalt“ geraubten Kunstwerke wurden zugeteilt; die unverteilt gebliebenen gingen in einen „Vorrat“ ein, der für eine spätere Verteilung zur Disposition stand. Eine sehr
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große beschlagnahmte Sammlung blieb sogar in Gänze unverteilt, nämlich die Sammlung Lanckoroński, die im Herbst 1939 in Wien von der Gestapo mit dem konstruierten Argument vorläufig beschlagnahmt worden war, der Besitzer sei polnischer Staatsbürger, habe sich vor Kriegsausbruch aus dem Reichsgebiet nach Polen begeben und dann dort gegen die deutschen Truppen gekämpft.49 Aufgebaut hatte sie Karl Graf Lanckoroński, von der Ausbildung her Jurist, vor allem aber als Privatier archäologischen und kunsthistorischen Forschungen zugetan und ein großer Kunstsammler sowie österreichischer und polnischer Patriot. Er hatte sich in der Wiener Jacquingasse von den übrigens von Hitler hochgeschätzten Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer ein prachtvolles Palais erbauen lassen, das aber vor allem wegen der darin befindlichen Sammlungen legendär war. Konfisziert worden war das Palais mitsamt seinem wertvollen Inhalt. 1695 Kunstwerke wurden im Herbst 1939 vom Denkmalamt sichergestellt und Ende des Jahres in der Orangerie des Belvedere inventarisiert und aufgestellt. Im Januar sichtete Posse die Bestände und machte Vorschläge zu ihrer Verteilung.50 Da die Sammlung frühe italienische Malerei enthielt, darunter viele Quattrocentogemälde, war Posse höchst interessiert an ihr, denn er hatte bis dato noch wenige frühe Italiener im Linzer Fundus. Und so suchte er 65 Werke für das „Führermuseum“ aus.51 Es scheint, als habe es in diesem Fall Schwierigkeiten gegeben, wie die Einziehung zu begründen sei. Jedenfalls kam die Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 18. November 1938 nicht zur Anwendung; es wurde argumentiert, die Besitzer – es handelte sich um den Sohn Anton und zwei Töchter – seien in politischer Hinsicht nicht hervorgetreten. Die Sammlung blieb weiterhin provisorisch eingezogen, bis dann die Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 zum Tragen kam und dadurch die Haupttreuhandstelle Ost (HTO) ihre Hand auf das Palais in der Jacquingasse 18 legte. Die dort befindliche Kunst wurde 1942 in einer Liste mit 3559 Nummern erfasst, darunter Nummern, die mehrere Objekte umfassten.52 Die HTO plante in Einvernehmen mit Gauleiter Baldur von Schirach, die nach Auswahl der Wer-
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ke für Hitler verbleibende Sammlung durch das Auktionshaus Dorotheum versteigern zu lassen. Dies war nicht im Sinne der Wiener Denkmalpfleger, war das Palais doch ein kulturhistorisches Denkmal ersten Ranges, vor allem auch hinsichtlich der österreichischen Denkmalpflege: 1914 war Karl Lanckoroński zum „Oberkämmerer“ und damit Leiter der kaiserlichen Sammlungen ernannt worden, 1911 zum Vize-Chef des neuen Denkmalamtes. Er galt als „Wortführer in gar manchem harten Kampf um die unberührte Erhaltung geschichtlicher Baudenkmäler des alten Österreich und einer der maßgebenden Vorkämpfer der neuen Grundsätze der Denkmalspflege“, wie Landeskonservator Erwin Hainisch betonte, der das Palais mitsamt Inventar als Museum bewahren wollte.53 Im Herbst 1942 kam es zu Konflikten Hitlers und des „Sonderauftrags“ mit der Haupttreuhandstelle Ost, die als untergeordnete Behörde von Görings Amt für den Vierjahresplan gegründet worden war und die Aufgabe hatte, polnisches Vermögen im Generalgouvernement und im „Altreich“ zu beschlagnahmen und zu liquidieren.54 Am 21. September 1942 ging ein Fernschreiben Bormanns aus dem Führerhauptquartier an den Chef der Reichskanzlei Lammers, mit den Vermerken: „Eilt sehr! Sofort auf den Tisch! Streng vertraulich!“: „Auf Veranlassung des Herrn Direktors Dr. Posse aus Dresden sollen noch einmal alle in Betracht kommenden Stellen ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass beschlagnahmte Sammlungen zunächst ausdrücklich dem Führer zur Verfügung stehen. Auch die Haupttreuhandstelle Ost muss sofort auf die von Ihnen herausgegebene Verfügung hingewiesen werden, damit klargestellt wird, dass die bekannte Sammlung des polnischen Grafen Lanckoroński in Wien (Bilder, Kunstgewerbe, Möbel, Antikensammlung) beschlagnahmter feindlicher Besitz und damit der Verfügung des Führers unterstellt ist.“55 Lammers hatte die Haupttreuhandstelle Ost bereits Ende 1940 auf den „Führervorbehalt“ hingewiesen. Nun brachte er ihn wieder in Erinnerung und wies die Verwertungsstelle an, bezüglich des weiteren Vor-
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gehens mit Posse Kontakt aufzunehmen. Daraufhin fragte die HTO bei diesem an, ob Hitler am Erwerb der ganzen Sammlung oder einzelner Kunstwerke Interesse habe, und erhielt zur Antwort, dass an der Erwerbung der gesamten Sammlung Interesse bestünde. Die Haupttreuhandstelle indes wollte den „Führervorbehalt“ nur für einzelne Kunstgegenstände gelten lassen. In dieser festgefahrenen Situation trafen die Streitparteien am 21. November 1942 die Vereinbarung, dass Göring Hitler in dieser Angelegenheit persönlich Vortrag halten solle. Dies freilich war noch nicht geschehen, als Hitler am 13. Februar 1943 vom „Sonderauftrag Linz“ über „illegale“ Entnahmen einiger Bilder durch die HTO unterrichtet wurde. Er ordnete an, dass ihm umgehend ein vollständiges Verzeichnis zu übermitteln und festzustellen sei, was entnommen war und wer entnommen hatte. Zwischenzeitlich erhöhte die Treuhandstelle den Druck auf den „Sonderauftrag“: Unter Missachtung des von Posse angemeldeten Anspruchs auf die gesamte Sammlung forderte sie am 16. Februar 1943 von dem Referenten des „Sonderauftrags“ Gottfried Reimer, endlich eine Entscheidung über „die wenigen Stücke“ zu treffen, auf die der „Führer“ vermutlich Wert lege: „Der Gedanke, die Sammlung Lanckoroński sozusagen als Vorratslager für etwaige künftige Museumsbedürfnisse weiterbestehen zu lassen, ist aus den oben dargelegten Gründen nicht durchführbar.“ Das von Hitler angeforderte Verzeichnis ging am 27. Februar bei Lammers ein. Bald darauf sandte Reimer eine Liste der „mit einwandfreier Sicherheit entnommenen Bilder“, nämlich ein Gemälde von Botticelli, das von einer Dienststelle Görings für den Preis von 25 000 Reichsmark gekauft und dem Reichsmarschall dann als Geburtstagsgeschenk überreicht worden sei und zwei Bilder von Rudolf von Alt, von denen Göring eines Hitler schenken wolle – vermutlich zu dessen Geburtstag am 20. April 1943; das andere sei dem Danziger Gauleiter Forster überlassen worden. Man hegte den Verdacht, dass Göring darüber hinaus noch zwei Rembrandt-Gemälde – Schätzwert jeweils 500 000 Reichsmark – für seine private Kunstsammlung zu erwerben beabsichtigte. Zwei Tage später warnte Reimer, die Haupttreuhandstelle Ost habe die Absicht, noch weitere Entnahmen vorzunehmen und diese nach Berlin zu bringen. Zugleich verwies er auf die dringende Notwendigkeit der
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Luftschutzbergung, der sich die HTO widersetzt habe, und forderte sogar einen Bergebefehl von höchster Stelle. Hitler hatte im „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 angeordnet, dass die beschlagnahmten Kunstwerke „weder zur Ausstattung von Diensträumen der Behörden oder Dienstzimmern leitender Beamter verwendet, noch von leitenden Persönlichkeiten des Staates und der Partei erworben werden“. Er hatte sogar den Verkauf verboten. Das Verbot wurde von Bormann am 6. Dezember 1942 noch einmal an Lammers gesandt: „Der Führer betonte am gestrigen Tage, Gegenstände aus beschlagnahmten Kunstsammlungen dürften weder verkauft noch als Privatgeschenke weitergegeben werden. Nach erfolgter Beschlagnahme seien die Kunstgegenstände Volksvermögen, gehörten also der Öffentlichkeit und seien demgemäß in Galerien, nicht aber in Privatbesitz zu geben. Anlass zu dieser grundsätzlichen Stellungnahme des Führers war die Anfrage, ob dem Reichsleiter Rosenberg ein Bild aus den in Frankreich beschlagnahmten Sammlungen, die sich zur Zeit auf Schloss Neuschwanstein befinden, zum 50. Geburtstag als Geschenk des Führers gegeben werden könne.“56 Am 19. März 1943 wies Bormann die Reichskanzlei an, umgehend Göring, Reichsstatthalter von Schirach und die Haupttreuhandstelle Ost noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Sammlung ausschließlich der Verfügung Hitlers unterliege. Bereits entnommene Gemälde und sonstige Kunstgegenstände seien umgehend zurückzugeben. Wie brisant diese Anordnung war, zeigt die Reaktion Lammers, der sich bei Bormann rückversicherte. Dieser bestätigte noch einmal Hitlers Alleinanspruch auf Kunstsammlungen, die polnischen Besitzern gehörten, und bekräftigte, die HTO habe demnach unzulässig gehandelt; nur Hitler beziehungsweise seinem Beauftragten stehe die Verfügungsgewalt über diese Bestände zu. Am 29. März 1943 argumentiert die Haupttreuhandstelle Ost erneut rein vermögensrechtlich, also unter Missachtung des „Führervorbehal-
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tes“. Anfang Mai erfolgte eine scharfe Zurechtweisung an Göring und seine Verwertungsstelle: „Der Führer hat angeordnet, dass die Sammlung Lanckoroński nicht von der Haupttreuhandstelle Ost verwertet, sondern geschlossen, ohne dass noch irgend ein Stück aus ihr entnommen wird, dem Beauftragten des Führers, Professor Dr. Voss, Gemäldegalerie Dresden, zu übergeben ist, der für ihre luftschutzsichere Unterbringung Sorge tragen wird. Der Führer beabsichtigt, nach dem Kriege die gesamte Sammlung den Museen der Alpen- und Donaugaue zu überlassen. Die Behandlung der Sammlung Lanckoronski hat dem Führer Anlass gegeben, grundsätzlich nochmals anzuordnen, dass auch die beschlagnahmten Kunstsammlungen, die polnischen Besitzern gehören, ausschließlich seiner Verfügung unterliegen. Demnach hat keine andere Dienststelle oder Person die Berechtigung, über solche Sammlungen ganz oder teilweise zu verfügen. Ebenso sind Privatkäufe aus beschlagnahmten Sammlungen unzulässig. Ich bitte daher, von allen von der Haupttreuhandstelle Ost verwalteten Kunstsammlungen dem Beauftragten des Führers, Prof. Dr. Voss, Kenntnis zu geben, damit dieser dem Führer für die Verwertung der Sammlungen Vorschläge machen kann.“ Damit war die Sammlung Lanckoroński an Hitler gegangen. Sie war seit November 1942 in Schloss Immendorf evakuiert, circa 40 Kilometer nordöstlich von Wien gelegen; es gab Bergungstransporte aus dem Palais in der Jacquingasse, aus dem Bankdepot und aus Steyersberg. Über die Zwischenstation Schloss Thürnthal wurde die Sammlung am Ende des Krieges in Hitlers Bergungsdepot, dem Salzbergwerk Altaussee, geborgen.57
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Kunstraub im „Altreich“ Im Deutschen Reich, dem sogenannten „Altreich“, setzten spezifische Beraubungsaktionen von Kunstsammlungen im Zuge der Novemberpogrome 1938 ein. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch wenig jüdischen Kunstbesitz in Deutschland. Der jüdische Kunsthandel war ausgeschaltet und die Kunstsammlungen entweder ins Ausland überführt oder arisiert worden. Ein Bericht von 1942 stellt fest, dass die Gestapo bei 85 Personen und einem Kunsthandelsunternehmen, der Bernheimer Galerie in München, mehr als 950 Kunstobjekte konfisziert habe. Hitlers Sonderbeauftragter Hans Posse wurde im Sommer 1939 beordert, eine Auswahl aus den aus Münchner Privatsammlungen und dem Münchner Kunsthandel geraubten Beständen zu treffen.58 Am 17. Mai 1940 regte Posse bei Bormann an, den „Führervorbehalt“ auf das „Altreich“ auszudehnen. In einzelnen Reichsgauen habe man damit begonnen, selbstständig über beschlagnahmtes Kunstgut zu verfügen. So sei man beispielsweise im Begriff, die Sammlung des ausgebürgerten Industriellen Fritz Thyssen unter die rheinischen Museen aufzuteilen. Der konfiszierte Besitz der Firma L. Bernheimer, München, sei der Münchner Kunsthandelsgesellschaft zum kommissionsfreien Verkauf übergeben worden. In anderen Fällen seien einzelne bedeutende Kunstwerke von den Finanzstellen zur „Deckung von Verbindlichkeiten“ der ausgewanderten jüdischen Besitzer in Anspruch genommen und verkauft worden. Posse empfahl dringend, „gleich wie für die Ostmark, dem Erlass, der dem Führer die Entscheidung bzw. das Vorkaufsrecht in allen solchen Fällen sichert, auch im Altreiche Geltung zu verschaffen“.59 Die Antwort Bormanns kam aus dem Führerhauptquartier: Hitler habe gegen die vorgenommene Verteilung der Kunstschätze Thyssens keine Einwände, vielmehr sei es seiner Meinung richtig gewesen, „diese Kunstschätze den Museen des Rheinlandes zu überlassen“.60 Bormann wies Lammers am 21. Mai an, „dafür zu sorgen, dass zunächst dem Führer bzw. seinem Beauftragten Erwerbungen aus allen beschlagnahmten Kunstsammlungen möglich sind.“61
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5. Verteilung und Ausweitung
Mit einiger Verzögerung wurde der „Führervorbehalt“ am 9. Oktober 1940 dann auf das gesamte Deutsche Reich ausgedehnt, im „Altreich“ blieb er jedoch auf Kunstsammlungen beschränkt. Das Rundschreiben der Reichskanzlei ging an die Reichsminister des Inneren, der Finanzen, der Justiz, für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, an das Reichswirtschaftsministerium und an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler.62 Vermutlich hatte die schon zuvor von Posse angeführte Sammlung Bernheimer in München den Ausschlag gegeben. Der Besitzer Otto Bernheimer war zur Auswanderung gezwungen worden, seine Firma arisiert. Für Hitler könnte sie von besonderem Interesse gewesen sein, weil sie einen Schwerpunkt in der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts hatte. Am 16. Oktober 1940 war Posse mit dem Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Ernst Buchner in der Kunsthandlung am Lenbachplatz; am 25. Oktober 1940 suchte er dort Bilder aus und verhandelte im Anschluss mit dem zuständigen Finanzpräsidenten. Nachdem er die „Führerauswahl“ durchgeführt hatte, durften sich die Münchner Museen bedienen. Später sollte der „Sonderauftrag“ noch einmal von der Kameradschaft der Künste e.V., einer aus der beschlagnahmten Firma Bernheimer hervorgegangen Verkaufsvereinigung, Werke aus konfiszierten jüdischen Sammlungen zu lächerlich niedrigen Schätzpreisen ankaufen.63 Insgesamt füllen die Meldungen der Oberfinanzpräsidenten und Gestapostellen über eingezogene Kunstwerke und die Korrespondenz mit dem „Sonderauftrag Linz“ immerhin drei Aktenordner.64 Alles in allem hat der „Sonderauftrag“ für Hitlers Museumsprogramm im „Altreich“ nur wenige Kunstwerke requiriert.
6. Kunstraub in Polen
Die Rolle Hitlers Hitlers Rolle im NS-Kunstraub in Polen ist ungeklärt. Einerseits gilt er als die anonyme Macht im Hintergrund, andererseits heißt es in den einschlägigen Untersuchungen, in die Hände seines Sonderbeauftragten Posse seien nur sehr wenige Werke gelangt.1 Diese Fehleinschätzung basiert wieder auf dem Linz-Report der Kunstraubexperten des amerikanischen Nachrichtendienstes, Office of Strategic Services (OSS), wonach aus Polen nur 30 Dürer-Zeichnungen an Hitler gegangen seien. Gemeint war im Wesentlichen die Dürer-Sammlung Lubomirski, die einen anderen Weg genommen hatte als die übrige polnische Raubkunst. Dem Verfasser des Linz-Reports stand der 1940 von Generalgouverneur Hans Frank an Hitler überreichte Fotokatalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement nicht zur Verfügung, der anschaulich belegt, dass eine Auswahl von 521 Werken aus dem konfiszierten polnischen Kunstbesitz für den deutschen Diktator zusammengestellt und auch an ihn übergeben worden war. Dieser Katalog war in der polnischen Forschung immer präsent und ist auch der allgemeinen Forschung nicht unbekannt geblieben. An der Grundthese des Linz-Reports, dass nur wenige Werke aus Polen an den „Sonderauftrag“ und damit an Hitler gegangen seien, hat diese Kenntnis freilich nichts geändert. Denn auch unter Berücksichtigung dieser 521 Werke fällt die Bilanz, die der NS-Kunstraub in Polen für „die Zwecke des Führers“ erbracht haben soll, vergleichweise mager aus. Man muss sich vor Augen führen, dass der Kunstraub in Österreich und Frankreich Hitler für sein Verteilungsprogramm jeweils über 20 000 Objekte zur Verfügung stellte.
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6. Kunstraub in Polen
Deshalb hat sich in der einschlägigen Literatur die Vorstellung etabliert, Hitler und sein Sonderbeauftragter Posse hätten nur geringes Interesse für den polnischen Kunstbesitz aufgebracht. Dies wird im Allgemeinen ideologisch begründet: Hitler sei an slawischer Kunst – für ihn Kunst des „Untermenschen“ – nicht interessiert gewesen.2 Das Argument taugt wenig. Für Hitler wie überhaupt für die NS-Kunstgeschichte war jegliche bedeutende Kunst in Polen – und nur an dieser war Hitler für sein Verteilungsprojekt interessiert – deutschen beziehungsweise „arischen“ Ursprungs. Der oberste Kunsträuber Kajetan Mühlmann kam im Vorwort des Fotokataloges Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement wenig überraschend zu dem Resümee: „Von einer selbständigen polnischen Kunstentwicklung in den historischen Stil-Epochen zu sprechen erübrigt sich. Es gibt Schöpfungen deutschen Gepräges, und es gibt holländische oder flämische Werke, die ihrem ganzen Geist und Charakter nach gleichfalls nichts anderes zum Ausdruck bringen als deutsches Wesen und deutsche Kulturkraft.“3 Ein vom Mainstream der NS-Kunstraub-Literatur wesentlich abweichendes Bild zeichneten indes der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Max Seydewitz, und seine Frau Ruth in ihren Büchern Die Dame mit dem Hermelin, erstmalig 1963 erschienen, und in dem Folgewerk Das Mädchen mit der Perle von 1972. Die DDR-Bestseller erschienen in vielen Auflagen und wurden unter anderem ins Polnische, Russische und Tschechische übersetzt. Von der westlichen Forschung wurden die Publikationen wegen ihrer offensichtlich ideologischen Zielrichtung wenig beachtet, nämlich die Beutekunstpolitik der Sowjetunion als Kunstrettung umzudeuten und auf diese Weise vom kriminellen NS-Kunstraub abzusetzen. Es fehlt auch nicht an Seitenhieben auf die Bundesrepublik als Nazi-Republik. Die Bücher darf man heute wohl als Dankeschön des Dresdner Generaldirektors und hochrangigen Kulturfunktionärs der DDR für die Rückgabe der Dresdner Museumsbestände in den Fünfzigerjahren durch die Sowjetunion und die Volksrepublik Polen werten. 1963, dem Jahr der Erstveröffentlichung der Dame mit dem
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Hermelin, kam es zu einer viel beachteten Kooperation der Dresdner Gemäldegalerie mit dem Nationalmuseum in Warschau, der Ausstellung der Dresdner und Warschauer Bilder Canalettos.4 Diese Zusammenarbeit sollte, auch vor dem Hintergrund der gemeinsamen sächsisch-polnischen Geschichte, weiter ausgebaut werden. Dazu mussten die Autoren die Dresdner Galerie von einem gewaltigen, die Zusammenarbeit belastenden Makel entlasten: nämlich Sitz des „Sonderauftrag Linz“ gewesen zu sein. Jenseits aller Ideologie der politisch motivierten Publikationen lässt sich feststellen, dass die Autoren über ihre Kontakte in die polnische Museumsszene an Informationen gelangten, die der westlichen Forschung entweder nicht zugänglich oder nicht in deren Fokus waren. So war ihnen etwa Zugang unter anderem zu den Akten der Zentralen Kommission zur Untersuchung der Nazi-Verbrechen im Justizministerium in Warschau gewährt worden. Überhaupt bezogen sie sich häufig auf Prozessmaterialien des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses, kannten also die Aussagen des obersten NS-Kunsträubers in Polen, Kajetan Mühlmann, etwa seine eidesstattliche Erklärung vom 19. November 1945, nach der „alle wichtigen Kunstwerke, die polnischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Sammlungen und der Kirche gehörten [also die unter „Führervorbehalt“ stehenden] zur Vervollständigung des Deutschen Kunstbesitzes verwendet worden wären“.5 Das Hauptaugenmerk von Ruth und Max Seydewitz war insbesondere auf Hans Posse gerichtet, über dessen Tätigkeit als Sonderbeauftragter Hitlers die Dresdner Kunstsammlungen tief in den NS-Kunstraub verstrickt waren. Sie machten als Erste auf die zentrale Rolle aufmerksam, die dieser im NS-Kunstraub in Polen gespielt hat. Wir werden sehen: Posse hat den „Führervorbehalt“ angewandt, er hat Listen beschlagnahmter Kunstwerke zugesandt bekommen und er selbst hat Forderungslisten erstellt. Durchgesetzt haben sich die Erkenntnisse der DDR-Autoren nicht, denn auch in der Forschung herrschte ein „Kalter Krieg“ und existierte ein „Eiserner Vorhang“. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren die Tendenz, Hitlers persönlichen Anteil am Kunstraub in Polen zu unterschätzen, zumindest in der deutschen Forschung wieder verstärkt. Die aktuellen institutionsgeschichtlichen Untersuchungen zeichnen ein Bild von
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miteinander konkurrierenden und gegeneinander arbeitenden Rauborganisationen. Doch trotz aller Polykratie und aller Konkurrenzen war der NS-Staat ein „Führerstaat“ und für den Kunstraub existierte ein Masterplan, der sich im „Führervorbehalt“ fassen lässt. Dieser galt seit dem 8. Oktober 1940 generell für alle besetzten Gebiete und wurde am 3. Oktober 1942 – wie wir sehen werden – noch einmal speziell für das Generalgouvernement, die besetzten zentralpolnischen Gebiete, ausgesprochen.6 Zweifellos ist die Struktur des NS-Kunstraubes in Polen kompliziert, komplizierter jedenfalls als in Österreich und Frankreich, denn das Land wurde geteilt und für die unterschiedlichen Territorien galten verschiedene Regularien. Auch das erschwert den Blick auf die zentrale Lenkung durch Hitler.
Posses Polen-Mission Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann ein rassenideologischer Vernichtungskrieg, in dem sich nach den Prämissen der NS-Ideologie zwei feindliche Mächte gegenüberstanden: Arier und Slawen. Am Ende dieses Krieges hatte Polen sechs und die Sowjetunion über 20 Millionen Opfer zu beklagen. Mit dem Vernichtungskrieg setzte auch ein Raubzug nie gekannten Ausmaßes ein. Da Polen seiner Staatlichkeit beraubt wurde, fiel der gesamte Staatsbesitz – und damit auch der staatliche Kunstbesitz – an das Deutsche Reich. Schon am 27. September 1939, dem Tag der polnischen Kapitulation, veröffentlichten deutsche Militärbehörden einen Erlass über die Beschlagnahme polnischen Eigentums in den westlichen Provinzen Polens. Hermann Göring, Beauftragter für den „Vierjahresplan“, der für die Kriegsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sorgen hatte, gründete eine Verwertungsstelle für ehemaliges polnisches Vermögen, die Haupttreuhandstelle Ost (HTO), die durch einen „nur für den inneren Dienstgebrauch bestimmten Erlass“ am 19. Oktober 1939 installiert wurde. Ihre Aufgabe war es, das von militärischen, zivilen und anderen Dienststellen bereits beschlagnahmte und noch zu beschlagnahmende polnische Privat- und Staatseigentum, einschließlich des jüdischen, zu betreuen
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und zu verwalten. Görings Erlass war ursprünglich für das gesamte ehemalige Staatsgebiet Polens gedacht, was im Folgenden noch eine Rolle spielen wird. Schon zuvor, am 9. Oktober 1939, hatte er dem auf Veranlassung Hitlers aus österreichischen Staatsdiensten entlassenen Kajetan Mühlmann einen Ausweis ausgestellt, der besagte, dass dieser von ihm den Sonderauftrag erhalten habe, „die Kunstschätze im besetzten polnischen Gebiet sicherzustellen“. Alle militärischen, zivilen und parteiamtlichen Dienststellen wurden angewiesen, ihn bei der Durchführung seines Auftrages zu unterstützen.7 Nach dem Blitzkrieg gegen Polen endete die Militärverwaltung schon am 26. Oktober 1939 und setzte die Zivilverwaltung ein: Westpolen wurde zu den Reichsgauen Wartheland und Danzig-Westpreußen und damit zu einem Teil des Deutschen Reiches, Zentralpolen zum sogenannten „Generalgouvernement“, dessen Verwaltung Hans Frank übernahm, und zwar, wie er in seinem Tagebuch notierte, „in unmittelbarer Unterstellung unter dem Führer“. Schon am 4. November 1939 traf Frank Hitler in Berlin zu einer eingehenden Besprechung der Gesamtlage. Hitler billigte seine Maßnahmen, „insbesondere die Niederlegung des Schlosses in Warschau und den Nicht-Wiederaufbau dieser Stadt“. Er stimmte zu, die Königsburg in Krakau als Residenz zu nehmen und erklärte sich auch einverstanden mit der „Überführung der Kunstschätze“.8 Das bedeutet, dass die sichergestellten beziehungsweise noch sicherzustellenden Kunstwerke aus Warschau und darüber hinaus nach Krakau gebracht werden sollten. Am 15. November 1939, die Zivilregierung war knapp drei Wochen im Amt, erließ Frank eine Verordnung über die Beschlagnahme des Vermögens des früheren polnischen Staates innerhalb des Generalgouvernements, den ersten nur auf sein Territorium bezogenen Raubbefehl.9 Ab demselben Datum existierte auch eine eigene Treuhandstelle für das Generalgouvernement, die Görings Haupttreuhandstelle Ost nicht unterstand.10 Deren Handlungsspielraum wurde nun klar auf Westpolen begrenzt. Drei Tage später erschien Frank erneut in Berlin zum Vortrag beim „Führer“.11 Am selben Tag – es war der 18. November 1939 – schaltete Hitler seinen Sonderbeauftragten Posse ein und ließ ihm via Bormann den Auftrag zur Inspektion der polnischen Raubkunst übermitteln:
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„Nach Rücksprache mit dem Führer hat Reichsminister Dr. Frank im Gouvernement eine Reihe von Kunstschätzen beschlagnahmt.“ Posse solle zu Frank nach Krakau fahren, um „sich über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerke zu unterrichten und mir hierüber für den Führer einen schriftlichen Bericht zu geben. Bitte fügen Sie Ihrem Bericht zugleich einen Vorschlag über die Verwendungsmöglichkeit der beschlagnahmten Kunstwerte bei.“12 Das war genau dieselbe Aufgabe, die Posse kurz zuvor in Österreich übernommen hatte. Das Modell Österreich wurde auf das Generalgouvernement übertragen, was auch bedeutete, dass der polnische Kunstbesitz für „die Zwecke des ‚Führers‘“, also für Hitlers Museumsprogramm zur Verfügung stehen sollte. Vom 25. bis zum 30. November 1939 hielt sich Posse in Krakau und Warschau auf.13 Ein Treffen mit Frank kam zwar nicht zustande, da sich dieser auf einer Dienstreise befand. Doch traf er alte Bekannte wie den ehemaligen Oberbürgermeister von Dresden, Ernst Zörner, der soeben als Bürgermeister von Krakau neue Verwendung gefunden hatte, oder Leopold Ruprecht, Direktor der Wiener Waffensammlung und einer der Verwalter des dortigen Zentraldepots der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen. Ruprecht arbeitete im Beschlagnahme-Team des Beauftragten für die Sicherstellung des polnischen Kunstbesitzes, Kajetan Mühlmann, für das dieser inzwischen vor allem Wiener und Breslauer Museumskunsthistoriker herangezogen hatte. Posses Interesse war erstaunlich weit gespannt, denn er machte sich nicht nur ein Bild von den beschlagnahmten Kunstwerken, sondern inspizierte auch die Krakauer Kirchen, die Städtische Sammlung und das Nationalmuseum, die private Czartoryski-Sammlung und die Königsburg auf dem Wawel. Am 29. November 1939 traf er Mühlmann, besichtigte den Domschatz in der Burg und war im noch nicht bezogenen Neubau der Jagellonischen Bibliothek (Universitätsbibliothek). Dieser diente als zentrales Sammellager für die Kunstbeute, die hier zusammengeführt, fotographiert und inventarisiert wurde.14 Tags darauf standen
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noch einmal der Wawel und die Bibliothek auf seinem Programm. Am 30. November 1939 fuhr er abends nach Warschau weiter, wo er mit Mitgliedern der Mühlmann’schen Sicherstellungskommission zusammentraf und sich über den Stand ihrer Arbeit unterrichten ließ. Zudem besichtigte er das „vollkommen verschossene“ Schloss (hier glaubt man Betroffenheit wegen der engen Verbindungen Dresdens und Sachsens mit Polen und dem Warschauer Königsschloss zu spüren) sowie Privatsammlungen und das Nationalmuseum. Danach fuhr Posse über Krakau nach Wien, um dort seine Verteilungsaufgaben weiterzuverfolgen. Am 11. Dezember 1939 meldete er sich telefonisch beim Führerstab in Berlin von seiner Dienstreise zurück und sandte drei Tage später einen ausführlichen Bericht an Bormann.15 Posses Polenmission wurde bisher als Misserfolg gewertet, da er den zweiten Teil seines Auftrags, einen Verteilungsvorschlag für den sichergestellten Kunstbesitz zu erarbeiten, nicht hatte ausführen können. Der Grund dafür war, dass die Voraussetzungen noch nicht geschaffen waren: Weder der Transfer nach Krakau, geschweige denn die Vorarbeiten für die Verteilung – die Inventarisierung und Aufstellung der Kunstwerke – waren abgeschlossen. Allerdings war Posse eine übersichtliche Präsentation der Raubkunst in der Jagellonischen Bibliothek für Februar 1940 angekündigt worden. Ein weitere Faktor hat zum Mythos von der Erfolglosigkeit der PolenReise beigetragen: Da sich Hitlers Interesse stark auf Gemälde konzentrierte, hielt Posse es für nötig, in seinem Bericht die durch die überaus reiche Ausbeute in Österreich hochgeschraubten Erwartungen Hitlers auf „eine Bereicherung des deutschen Besitzes an hoher Kunst (Malerei und Plastik)“ zu dämpfen. Er verwies aber als Ausgleich auf die hochrangigen Bestände an Kunsthandwerk: „Reicher und vielseitiger ist der polnische Besitz an kunstgewerblichen Objekten. Gold- und Silberschmiedarbeiten (zum Teil deutscher Herkunft, vor allem aus der Krakauer Marienkirche und dem Dom des Wawel), Bildteppiche, Waffen, Porzellan, Möbel, Bronzen, Münzen, wertvolle Pergamenthandschriften, Bücher usw.“
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Transportschachtel für das Gemälde „Die Dame mit dem Hermelin“ von Leonardo da Vinci (?), Foto Heinrich Hoffmann
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Tatsächlich verlief Posses Polenmission im Sinne des NS-Kunstraubes außerordentlich erfolgreich. Denn der Sonderbeauftragte hatte sich über die Sichtung der konfiszierten Bestände hinaus „Einblick in die öffentlichen und privaten Sammlungen sowie den kirchlichen Besitz verschafft“, für die zu diesem Zeitpunkt noch keine Beschlagnahmeorder bestand. Möglicherweise handelte er hier auf eigene Initiative, im Sinne des „Dem-Führer-Entgegenarbeitens“; möglicherweise handelte er aber auch in Absprache mit Hitler. Die Perspektive lag jedenfalls nah, da Posse zur gleichen Zeit in Österreich die konfiszierten Privatsammlungen verteilte und auch schon auf den klösterlichen Kunstbesitz spekulierte. Posses Fokus auf die Privatsammlungen hing mit der Krakauer Czartoryski-Sammlung zusammen, die er gut kannte. Sie war im Ersten Weltkrieg von den Besitzern aus Angst vor den Sowjets in die Gemäldegalerie in Dresden ausgelagert worden, wo sie bis Juli 1920 verblieb.16 Ihre wertvollsten Stücke, darunter Das Bildnis eines jungen Mannes von Raffael, Die Dame mit dem Hermelin von Leonardo da Vinci und das Hereinbrechende Gewitter von Rembrandt, waren im Wallpavillon des Zwingers ausgestellt gewesen. Posses Mentor, Wilhelm von Bode, publizierte einen Aufsatz über das Leonardo-Gemälde, dessen Authentizität umstritten war, da es bis dahin nur wenige Experten im Original gesehen hatten. Bode sprach sich für die Echtheit aus.17 Die drei Hauptstücke der Czartoryski-Sammlung befanden sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Krakau, sondern in Berlin. Sie waren von einem Vertreter der Familie an Mühlmann gegeben worden, um sie – wie schon im Ersten Weltkrieg – nach Deutschland zur Sicherstellung zu bringen. Wie dieser Vorgang zu bewerten ist, muss und darf offen bleiben: Die Werke waren jedenfalls noch nicht beschlagnahmt. Mühlmann lieferte sie bei seinem Chef Göring ab, der geäußert haben soll, er wolle Hitler vorschlagen, sie ins Kaiser-Friedrich-Museum bringen zu lassen.18 Sichergestellt wurden die drei Hauptwerke erst später, und zwar aufgrund der Beschlagnahmeverordnung Franks vom 16. Dezember 1939. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb sie nach drei Monaten wieder aus Berlin nach Krakau zurückgebracht wurden. Über die endgültige Beschlagnahme von insgesamt sieben Gemälden aus dem Museum Czartoryski – darunter
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der Rembrandt, der Leonardo und der Raffael – wurde dann am 12. September 1940 eine Quittung ausgestellt.19 Posse hatte sich nach der Polen-Reise wieder nach Wien begeben und meldete sich erst am 11. Dezember 1939 telefonisch beim Führerstab in Berlin von seiner Dienstreise zurück; in Dresden verfasste er seinen Polen-Bericht, in dem er vorschlug, die drei Hauptwerke der Czartoryski-Sammlung für das „Führermuseum“ zu reservieren. Da zu diesem Zeitpunkt noch keine Beschlagnahmeorder für privaten Kunstbesitz in Polen existierte, antizipiert dieser Vorschlag also die dann folgende Erweiterung vom 16. Dezember 1939, die zweifellos eine direkte Folge von Posses Polen-Bericht vom 14. Dezember war. Die neue Verordnung erweiterte die bestehende Anordnung auf den gesamten öffentlichen sowie auf privaten und kirchlichen Kunstbesitz. Paragraph 1 bestimmte, dass „der gesamte öffentliche Kunstbesitz im Generalgouvernement zur Erfüllung gemeinnütziger öffentlicher Aufgaben beschlagnahmt wird“, soweit dieser nicht schon durch die Verordnung vom 15. November 1939 erfasst sei. Paragraph 2 führte aus, dass private Kunstsammlungen und „der gesamte kirchliche Kunstbesitz mit Ausnahme der für die täglichen liturgischen Handlungen erforderlichen Gegenstände“ zu konfiszieren sei. Paragraph 3 ordnete eine Anmeldung jedes privaten und kirchlichen Kunstbesitzes an. Dazu legte eine Durchführungsvorschrift fest, dass Gemälde, Plastik, Erzeugnisse des Kunstgewerbes, Handschriften, Kupferstiche, Holzschnitte, Autographen, Miniaturen, Drucke, Einbände, Waffen, Rüstungen, Münzen, Medaillen, Siegelstücke et cetera bis zum 15. Februar 1940 bei der Dienststelle Mühlmanns zu melden seien. Unterzeichnender ist Mühlmann, und zwar im Auftrag Franks.20
Wissenschaft als Legitimierung Am 1. Dezember 1939 wurde das Amt des Generaltreuhänders für die Sicherung deutschen Kulturgutes in den eingegliederten Ostgebieten gegründet, Generaltreuhänder Ost waren Heinrich Harmjanz und als dessen Stellvertreter SS-Obersturmbannführer Wolfram Sievers. Die Zentralstelle wurde in den Diensträumen der Forschungs- und Lehr-
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gemeinschaft „Das Ahnenerbe“ in Berlin, Pücklerstraße 16, eingerichtet, Außenstellen befanden sich in Danzig, Kattowitz und Litzmannstadt. Ebenfalls am 1. Dezember 1939 erließ Himmler eine Beschlagnahmeverfügung, nach der nicht nur die Gestapo in den einverleibten Ostgebieten, sondern auch die Sicherheitspolizei und der Sicherheitsdienst im Generalgouvernement (Radom, Warschau und Lublin) alle „in Archiven, Museen, öffentlichen Sammlungen“ sowie in „privaten polnischen und jüdischen Händen“ vorhandenen „künstlerisch oder kulturgeschichtlich wertvollen Gegenstände“ sowie „Einrichtungs- und Schmuckgegenstände aus edlem Metall“ zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmen sollten.21 Am 5. Dezember erfolgte noch eine Erweiterung auf „Kostüme, Trachten, Musikinstrumente, Münzen, Briefmarken und ähnliche Sammlungen“ sowie wissenschaftliche Gerätschaft. Am 16. Dezember 1939, also gleichzeitig mit Franks zweiter Beschlagnahmeorder, ordnete er in einem Eil-Erlass erneut mit Bezug auf eine „Beschlagnahmeverfügung der HTO vom 1. des Monats“ Konfiszierungen in Archiven, Museen, öffentlichen Sammlungen und Privathäusern an unter anderem von „künstlerisch oder kulturgeschichtlich wertvollen Gegenständen“. Der Kompetenzwirrwar dieser ersten Monate des NS-Kunstraubes in Polen bietet wahrlich ein anschauliches Bild von der Polykratie des Dritten Reiches. Entscheidend aber ist, wer sich durchsetzte, und deshalb hilft ein Blick auf die Ergebnisse, die eine deutliche Sprache sprechen. Auf die Order Himmlers hin begannen der Sicherheitsdienst Reinhard Heydrichs und das Sonderkommando Paulsen, benannt nach seinem Leiter, SS-Untersturmführer Peter Paulsen, Dozent für Vorgeschichte in Berlin, ihre „Sicherstellungskampagne“. Die spektakulärste Beute des Sonderkommandos war der Hochaltar der Krakauer Marienkirche, der in den Siebziger- und Achtzigerjahren des 15. Jahrhunderts von dem Nürnberger Bildhauer Veit Stoß angefertigt worden war und daher den Deutschen als deutsches Kulturerbe galt. Der empfindliche Schnitzaltar war schon von den Polen zerlegt und in Kisten im Dom von Sandomierz versteckt worden. Doch das Sonderkommando Paulsen wurde Anfang Oktober fündig und brachte die Kisten nach Berlin, wo sie im Keller der Reichsbank gelagert wurden.22 Später wurde der Altar
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nach Nürnberg gebracht. Davon abgesehen war der Erfolg des Sonderkommandos gering, bereits im Sommer darauf wurde es aufgelöst. Das Meisterwerk von Veit Stoß wurde Hitler im Fotokatalog übrigens als Sicherstellung des Generalgouverneurs präsentiert. Frank jedenfalls hat behauptet, die Zugriffe der Kunstrauborganisationen Görings und Himmlers auf sein Territorium beendet zu haben: „Es gab zwei Fälle, in denen in letzter Zeit in spürbarer Form der Versuch unternommen wurde, von Berlin aus in unsere Zuständigkeiten hineinzuregieren. Das erste war der Erlass vom 16. Dezember betreffend der Beschlagnahme der Kunstschätze, und das zweite war die Einschaltung der Treuhandstelle Ost in die Verwaltung des beschlagnahmten polnischen Staatsvermögens. Ich kann heute sagen, dass auf meinen Protest hin sowohl der Reichsführer SS seinen Erlass als rechtswirksam zurücknahm, wie auch Generalfeldmarschall Göring mir schriftlich bestätigte, dass […] meine Verordnung über Beschlagnahme des polnischen Staatsvermögens in Kraft bleibt und die Treuhandstelle Ost in keiner Weise mitzuwirken hat.“23 Tatsächlich arbeitete Mühlmann von nun an für Frank, wie er das auch in seiner schon zitierten eidesstattlichen Erklärung am 19. November 1945 bestätigte: „Ich war der Sonderbeauftragte des Generalgouverneurs von Polen Hans Frank für die Sicherung der Kunstschätze im Generalgouvernement, Oktober 1939 bis September 1943.“ Göring ist hier nur noch als ursprünglicher Auftraggeber erwähnt. Nach einem 1942 vom Rechnungshof erstellten Bericht hatte Mühlmann „mit seinem wissenschaftlichen Stab sofort nach Beendigung der Kampfhandlungen die Arbeit aufgenommen, alle Gebiete bereist, Kirchen, Schlösser, Museen und weitere Institute inspiziert und die vorgefundenen Kunstgegenstände sichergestellt, Erhebungen darüber angestellt, auch Literaturrecherchen durchgeführt und die Kunstwerke inventarisiert. Wenn Reichsinteresse bestand, also bei Kunstwerken der ersten Wahl, konnte direkt beschlagnahmt werden.“24
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Von einem wissenschaftlichen Stab zu sprechen, war berechtigt. Hier arbeiteten Dr. Gustav Barthel, Direktor der Städtischen Kunstsammlungen in Breslau, und seine Kustoden Dr. Erich Meyer und Dr. Günther Otto, Dr. Anton Krauß, Bibliothekar der Akademie der bildenden Künste in Wien, Dr. Werner Kudlich, Direktor des Reichsgaumuseums Troppau (Opava/Opawa), Dr. Josef Mühlmann, ein Halbbruder Kajetan Mühlmanns, sowie Dr. Karl Pollhammer und Rudolf Prihoda, Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien.25 Der polnische Kunstraub wurde überwiegend mit Wiener Personal durchgeführt, was insofern seine innere Logik hat, als Teile Polens, vor allem Krakau, lange österreichisch gewesen waren. Entsprechend ähnelt das Kunst-Selektionsverfahren dem in Österreich: Die Beschlagnahmungen wurden in eine zentrale Sammelstelle gebracht und dort von Fachleuten fotographiert und inventarisiert; diese Funktion hatte in Österreich das Denkmalamt im Verein mit Vertretern der staatlichen Kunstsammlungen inne; in Polen übernahm sie der wissenschaftliche Stab von Kajetan Mühlmann. Der Kunstraub in Österreich war für den Kunstraub in Polen zum Modell geworden. Wie schon zuvor war die Wissenschaftlichkeit des Unternehmens eine wichtige Legitimierungsstrategie, was der Fotokatalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement wiederholt betont: „Hand in Hand mit der Bergetätigkeit ging die wissenschaftliche Bearbeitung der Kunstgüter“. Das Ergebnis dieser wissenschaftlichen und damit angeblich objektiven Bestandsaufnahme erbrachte nach Ansicht der Autoren den „klaren Beweis für die Durchdringung des Ostens durch den deutschen Kulturwillen“. In Ausführung der Verordnung des Generalgouverneurs vom 16. Dezember 1939, so rühmten sich die Kunsträuber, habe innerhalb von sechs Monaten fast der gesamte Kunstbesitz des Landes erfasst werden können. „Die sichergestellten in die erste Wahl übernommenen und noch zu übernehmenden Kunstgegenstände stellen in ihrer kunst- und kulturhistorischen Bedeutung eine eigene Sammlung für sich dar, zu der die zweite Wahl eine wertvolle Ergänzung bildet. Die Tätigkeit des Sonderbeauftragten und seiner Mitarbeiter hat in Zusammenarbeit
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mit dem vom Generalgouverneur gegründeten Institut für Deutsche Ostarbeit ein kulturpolitisches Ergebnis großer Tragweite erzielt. Die Schöpfungen deutscher Meister von der frühesten Zeit ab sind dem herabsetzenden Einfluss der polnischen Bestrebungen und der bewussten künstlerischen Vernachlässigung entzogen. Durch den Sonderauftrag ist dieses Kulturgut unter deutscher Verwaltung in pflegerische Betreuung genommen. Die Werke der deutschen Meister, teilweise heute schon nach langer unsachgemäßer Behandlung durch die deutsche schöpferische Restaurierung im alten Glanz wiedererstanden, zeugen von der Überlegenheit deutschen Kunstschaffens und deutscher Kulturgestaltung zu allen Zeiten im Ostraum. Die befruchtende schöpferische Gestaltungskraft und die kulturelle Führung des deutschen Menschen ist der Weltöffentlichkeit gegenüber einwandfrei unter Beweis gestellt.“26 Ebenfalls erfasst und inventarisiert wurden „Wahl II“, worunter Kunstwerke fielen, die als „nicht unbedingt reichswichtig, aber von guter Qualität“ galten, und „Wahl III“, die eher dekorative Werke umfasste, die für Ausstattungszwecke vorgesehen waren. Ein Prüfungsbericht der Regierung des Generalgouvernements vom Juni 1942 über die Tätigkeit Mühlmanns behauptet sogar, dass Mühlmanns Einsatz „den unkontrollierbaren Einzelaktionen verschiedenster Dienststellen und Sonderkommandos, die schon vorher stattgefunden hatten, Einhalt geboten und die Sicherung und Bergung der Kunstgegenstände unter eine einheitliche, wissenschaftliche Leitung gebracht“ habe. Das hört sich sehr nach Eigenlob an, ist aber im Ergebnis nicht zu bestreiten. Möglicherweise hatte Posse Hitler die Zentralisierung der Raubkunst-Agenden bei der Dienststelle Mühlmann nahegelegt; mehrfach hatte er sich während seines Polen-Aufenthaltes mit Mühlmann getroffen, zudem eine Unterredung mit der Beschlagnahmekommission gehabt, das heißt er hatte sich umfassend informiert bezüglich der Sicherstellungen, wie es auch seiner Aufgabe entsprach. Nach seiner Rückkehr kam es jedenfalls zur Klärung der Einsatzbereiche der verschiedenen Rauborganisationen. Dass in deren Konkurrenzkampf das Team Mühlmann das Rennen machte, hatte sicherlich mit seiner hoch-
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rangigen kunsthistorischen Besetzung zu tun und mit dem Umstand, dass sich Personen darunter befanden, die Posse kannte und die sich schon beim Kunstraub in Österreich bewährt hatten. Man könnte auch sagen, es siegte das „Kunst-Kompetenz-Team“.
Die „Führerauswahl“ in Berlin Im Februar 1940 fragte Posse bei Bormann an, ob sich die in Aussicht genommene Durchsicht der sichergestellten Kunstwerke in Krakau erledigt habe. Er spielte damit darauf an, dass ja Mühlmanns Mitarbeiter dabei waren, eine Führerauswahl zu treffen und einen Fotokatalog vorzubereiten. Doch sein Auftrag wurde bestätigt. Mitte Mai stellte er eine erneute Reise nach Krakau „in nächster Zeit“ in Aussicht. 27 Sie erwies sich dann aber doch als überflüssig, da Hitler seine Pläne geändert hatte: Die seiner Verfügung unterstellten Kunstwerke erster Kategorie, also die museumsgeeigneten Objekte, wurden nach Berlin gebracht. Mühlmann legte den gedruckten Katalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement vor, der – so das Vorwort – mit seinen 521 Kunstwerken eine „Qualitätsauslese nach dem Maßstab der führenden deutschen Museen“ präsentierte, von Gemälden, Buchmalerei, Metallstichen, Handzeichnungen, Skulpturen (darunter der Marienaltar von Veit Stoß aus Krakau), Kunsthandwerk, Möbeln und Bildteppichen. Die Kunstwerke stammten aus 38 privaten, staatlichen und kirchlichen Sammlungen; ein Großteil, 88 Stück, vor allem Gemälde, kamen aus dem CzartoryskiMuseum. Es handelte sich keineswegs nur um deutsche, sondern auch um „artverwandte“ italienische, französische und niederländische Werke. Darüber hinaus umfasste die „Führerauswahl“ auch indische Miniaturen und sassanidische Goldschmiedearbeiten, ja sogar russische Arbeiten! Generalgouverneur Frank, der als Verantwortlicher auf dem Deckblatt des Kataloges erscheint, überreichte Hitler ein Exemplar zusammen mit den dazugehörigen Bildbeilagen.28 Daraufhin scheint Hitler entschieden zu haben, die Werke nach Berlin bringen zu lassen, wo er eine öffentliche Ausstellung, vermutlich im Kaiser-Friedrich-Museum,
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plante. Diese unterblieb dann jedoch aus Luftschutzgründen – so zumindest lautete das offizielle Argument.29 Die Kunstwerke wurden wohl nur von einem inneren Kreis um Hitler besichtigt. Jedenfalls erinnerte sich Erich Gritzbach, als Görings Adjutant dessen „rechte Hand“, nach dem Krieg „dass Hitler im Kaiser Friedrich Museum Kunstschätze aus Polen besichtigt hat und dass Göring dieser Besichtigung beigewohnt hat“.30 Vermutlich hatte sich Posse gegen eine öffentliche Präsentation ausgesprochen, wie er dies gleichzeitig auch in Wien tat. Hier plante Gauleiter Bürckel, in einer Neuerwerbungsausstellung der kunsthistorischen Sammlungen auch Zuweisungen aus den jüdischen Kunstsammlungen öffentlich zu zeigen. Posse riet davon ab. Eine „solche Ausstellung könnte nur zu leicht Propagandastoff für die Feindmächte bieten“. Daraufhin verbot Bormann die Präsentation: „Die den Wiener Museen zugedachten Kunstwerke aus dem beschlagnahmten Besitz sollen jedoch vorläufig keinesfalls ausgestellt werden.“31 Im Sommer 1940 hielt sich der Sonderbeauftragte auffällig oft in Berlin auf, wie seinem Diensttagebuch zu entnehmen ist. Zu denken gibt, dass er nicht ausführt, was genau er dort zu tun hatte. Immerhin finden sich Andeutungen: Zum 5. Juni liest man ganz lapidar: „polnische Bilder“. Es handelte sich dabei um Teile – vor allem Gemälde und Skulpturen – aus dem Kirchenschatz aus Pelplin, einem Ort in den eingegliederten Ostgebieten. Der Kirchenschatz war von Heydrichs Sicherheitsdienst SD aufgespürt und sichergestellt worden.32 Heydrich hatte sich mit der Reichskanzlei in Verbindung gesetzt und Fotos und Listen gesandt. Im Februar 1940 trug Lammers Hitler den Fall vor und dieser entschied, „dass die sichergestellten Gemälde, soweit sie wertvoll sind, deutschen Museen, und zwar möglichst in den Ostgebieten, übergeben“, die kirchlichen Gerätschaften jedoch der Kirche zurückgegeben werden sollten. Generalbaudirektor Speer, der sich hier in die Verteilung der Raubkunst einmischte, ließ die Werke ins Kaiser-Friedrich-Museum bringen und beauftragte den Direktor mit der Auswahl der museumsgeeigneten Objekte; er selbst wollte danach die Entscheidung treffen, in welche Museen der Ostgebiete die einzelnen Werke kommen sollten. Gleichwohl schaltete er Posse zur Durchführung des „Führervorbehaltes“ ein; dieser sah die Bestände zum erwähnten Datum im Kaiser-Fried-
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rich-Museum durch. Am Tag darauf meldete er an Speer, dass sich unter den etwa zwanzig Gemälden nur ein Stück befinde, „das durch seine künstlerischen Qualitäten und seine gute Erhaltung für ein deutsches Kunstmuseum wie z. B. Posen ernsthaft in Betracht käme. […] alles andere ist zu geringen Ranges, schlecht erhalten und in polnischer Weise verrestauriert und übermalt, z. T. Kopien, so dass man diese Stücke am besten an den bisherigen Standort zurückgibt.“33 Vom 24. bis 26. Juni 1940 war Posse mehrere Tage hintereinander in Berlin; zuvor hatte er sich mit Kajetan Mühlmann dort verabredet, wie uns das Tagebuch verrät. Die Eintragungen belegen eine erneute Berlinfahrt am 4. September 1940; bei dieser Gelegenheit machte er sich ausführliche Notizen über Gemälde, doch erfahren wir nicht, woher sie stammen. Diese Angelegenheit bleibt ominös, doch muss es sich hier auch um polnischen Kunstbesitz gehandelt haben.
Lubomirskis Dürer-Sammlung In seinem Polen-Bericht wies Posse ausdrücklich auf die Dürer-Zeichnungen des Museums Ossolineum in Lemberg hin.34 Sie galten damals als ehemaliger Besitz der Graphischen Sammlung Albertina in Wien, von wo sie während der napoleonischen Besatzung verschwunden seien. So führt es jedenfalls ein Katalog aus, der vom Kurator des Museums Ossolineum Mieczysław Gebarowicz und dem Wiener Kunsthistoriker Hans Tietze erstellt und 1929 publiziert worden war. Heute geht man davon aus, dass es sich um alten Bestand der Wiener Hofbibliothek handelt.35 Nach ihrem Verschwinden aus Wien kamen die Zeichnungen wohl in den Kunsthandel, wo sie Prinz Henryk Lubomirski angekauft haben muss. Nach Ansicht Hitlers handelte es sich um unrechtmäßig erworbenen alten Reichsbesitz, wie Kajetan Mühlmann nach dem Krieg ausführte.36 Nach der aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts erfolgten Besetzung Ostpolens durch die Sowjetunion war Lemberg in die Ukrainische Sowjet-
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republik eingegliedert worden. Posse nahm daher an, dass die DürerZeichnungen in russische Hände gefallen seien, formulierte in seinem Begleitbrief zum Polen-Bericht vom 14. Dezember 1939 aber die Hoffnung, sie „nachträglich für Deutschland zu retten“. Als nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion Lemberg von den Deutschen besetzt wurde, erschien Kajetan Mühlmann im Juni 1941 im dortigen Kupferstichkabinett und stellte 26 Zeichnungen als „reichswichtig“ sicher, was automatisch Beschlagnahme bedeutete. Er brachte sie nach Krakau, wo er einen telefonischen Auftrag Görings erhielt, sie noch in derselben Nacht „zur Ansicht“ nach Berlin zu bringen. Am 29. Juni überreichte Mühlmann sie in Karinhall an Göring; der soll sie am gleichen Tag noch an Hitler in die Reichskanzlei überbracht haben. Laut Mühlmanns Nachkriegsaussagen bat er Hitler im September 1941 um Aushändigung, da er von Frank persönlich verantwortlich gemacht worden war. Hitler soll geantwortet habe, er habe ihm persönlich die Verantwortung abgenommen und sehe sich die Zeichnungen öfters an. Auch Posse wurde durch Mühlmann von der Sicherstellung der Dürer-Zeichnungen informiert; am 30. Juli 1941 machte er an Bormann Erfolgsmeldung und regte zugleich die Zuteilung an das Graphische Kabinett des „Führermuseums“ an.37 Gegen Ende des Krieges gingen die Zeichnungen tatsächlich in das Bergungsdepot Hitlers in Altaussee ein. Von dort wurden sie 1945 in den Central Collecting Point nach München gebracht und 1950 von der amerikanischen Militärverwaltung an Jerzy Rafal Lubomirski restituiert. Nach Auffassung der polnischen Regierung geschah dies zu Unrecht, da die Sammlung in den Zwanzigerjahren dem polnischen Staat von ihrem Besitzer übereignet worden war. Der Fall wird dadurch verkompliziert, dass Jerzy Rafal Lubomirski die Zeichnungen verkaufte, sodass sie sich heute in verschiedenen amerikanischen, britischen, kanadischen und holländischen Kunstinstituten und Privatsammlungen befinden. Polen hat Restitution beantragt.
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Konkurrierende Verteilungspläne Die Generaltreuhänder Ost stellten bis März 1941 im Warthegau, im Reichsgau Danzig-Westpreußen und im Regierungsbezirk Kattowitz außer 102 Bibliotheken auch 15 Museen, drei Gemäldegalerien, acht Waffensammlungen, zehn Münzsammlungen, eine ägyptische Sammlung, eine antike Vasensammlung, eine ethnographische Sammlung, 21 Privatsammlungen, 1100 Gemälde und Aquarelle, mehrere Hundert Stiche, 25 Statuen und Plastiken, Hunderte von Teppichen, 500 Möbel, 33 Kisten mit „verschleppten kirchlichen Kunstwerken“, 25 „edelmetallene Kollektionen“ sicher, ohne dass die Erfassungsaktion damit schon abgeschlossen war.38 Kontakte Posses mit dem stellvertretenden Generaltreuhänder Ost, Wolfram Sievers, sind mehrfach belegt. Schon am 8. Mai 1940 nahm er laut Diensttagebuch „Rücksprache mit Sturmbannführer Sievers“ über „rückzuführende Kunstwerke“. Im Reichsgau Wartheland galt wie überall im übrigen Reichsgebiet ab dem 9. Oktober 1940 der „Führervorbehalt“. Posse hat auch Zuteilungslisten für Posen eingereicht; jedenfalls erreichte ihn am 20. April 1941, an Hitlers Geburtstag, die Nachricht aus dem Führerhauptquartier, dass der „Führer“ mit seinen Vorschlägen vom 16. April 1941 bezüglich des dortigen Kaiser-Friedrich-Museums einverstanden sei.39 Gauleiter und Reichsstatthalter Arthur Greiser scheint jedoch mit der Einmischung in Belange seines Herrschaftsbereiches nicht einverstanden gewesen zu sein. Er beabsichtigte jedenfalls, alle in seinem Bereich konfiszierten Kunstwerke auch in seinem Gau zu behalten und selbst zu verteilen; am 16. Mai 1941 bildete er eine Kommission, welche die Beschlagnahmungen durchsehen und die Kulturgüter von musealem Wert dem Kaiser-Friedrich-Museum in Posen beziehungsweise anderen Museen übergeben sollte. Am 18. Juni 1941 fand eine Besprechung zwischen einem Beauftragten des Generaltreuhänders und dem persönlichen Referenten Greisers statt, doch die Standpunkte waren verhärtet. Nach der Beendigung der Tätigkeit des Generaltreuhänders Ost wurden Posse Verzeichnisse der sichergestellten Kunstsammlungen zugeschickt, die er durchsah und dabei verschiedene Gegenstände fand, „für welche der Führer Interesse haben könnte“. 40 Am 17. Dezember 1941 er-
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reichte ihn in Dresden der Anruf eines Dr. Kraut aus Berlin, in dem es um die Listen Warthegau ging. Bei dem Anrufer handelte es sich vermutlich um Alfred Kraut, der als Mitglied der Forschungsgemeinschaft „Ahnenerbe“ mit der Haupttreuhandstelle Ost zusammenarbeitete. Posse stellte die umgehende Zusendung einer Liste der „Führerauswahl“ in Aussicht, wie Kraut wenige Tage später seiner vorgesetzten Dienststelle mit Verweis auf den „Führervorbehalt“ vom 9. Oktober 1940 und Posses Zuständigkeit mitteilte. Auch die Gauleiter erhielten die Listen, allerdings mit der Auflage, „dass zunächst die Stellungsnahme des Herrn Dr. Posse abgewartet werden soll, bevor über das Kulturgut verfügt werden kann“. Am schwierigsten scheint die Zusammenarbeit mit Himmler gewesen zu sein. Am 17. Januar 1942 wurde der Haupttreuhandstelle Ost vermutlich von Kraut berichtet, Posse habe sich zu dem Versuch, ihm Kunstwerke vorzubehalten (es ging um die Sammlung Czartoryski in Goldau), folgendermaßen geäußert: Hitler habe sich grundsätzlich die Entscheidung über die zukünftige Verwendung und Unterbringung der im ehemaligen Polen beschlagnahmten Sammlungen vorbehalten. Wenn Wünsche des Warthegaues vorlägen, so müssten diese durch den Gauleiter am besten über Bormann eingereicht werden. Das eingeforderte Prozedere kennen wir aus Österreich: Gauleiter, die spezifische Zuteilungswünsche hatten, durften sich nicht selbst bedienen, sondern mussten sich über Bormann an Hitler wenden. Am 12. März 1942 hatte Posse erneut telefonischen Kontakt mit „Dr. Kraut, Ahnenerbe“ bezüglich „beschlagnahmte[r] Kunstwerke der Ostgebiete“. Die Vorbehalte, die ein Beauftragter des Generaltreuhänders Ost bei seinem Vorgesetzten am Tag darauf vorbrachte, stehen damit wohl in Zusammenhang. Es sei ernstlich zu befürchten, führte dieser aus, „dass ein großer Teil der Kulturgüter, statt Museen zugeführt zu werden, von verschiedenen Seiten zur Ausstattung von Diensträumen und Wohnungen benutzt wird. Es wird daher gebten, dafür Sorge zu tragen, dass jeder derartige Missbrauch im vorhinein ausgeschaltet wird“41. Das referiert den entsprechenden Passus des ersten „Führervorbehaltes“, der eine solche private Verwendung zu Ausstattungszwecken verbot.
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Schwerwiegende Interessenkonflikte gab es auch im Generalgouvernement. Hitlers Planungen sahen nämlich vor, polnischen Kunstbesitz, der nicht zur „Führerauswahl“ für Linz gehörte, der Stadt Königsberg zuzuweisen. Wir wüssten von diesen Plänen nichts, hätte es nicht nachdrücklich vorgetragene Ansprüche Breslaus auf die polnische Beute gegeben.42 Gustav Barthel, Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Breslau, und sein Kustos Erich Meyer waren als Mitglieder des Mühlmann-Stabes bestens über die beschlagnahmten Bestände informiert. Schon im Dezember 1939 schickte Barthel eine Wunschliste an Mühlmann. Am 4. Juli 1940 meldete der stellvertretende Gauleiter Fritz Bracht bei der Reichskanzlei Ansprüche des Gaus auf den polnischen Kunstbesitz an und vier Tage später erhielt er das Versprechen Bormanns, dass Hitler Breslau bei der Verteilung in großem Umfang bedenken wolle.43 Bracht hakte am 17. Oktober 1940 mit dem Hinweis nach, Hitler habe im Verlauf der Sicherungsaktion bestimmt, dass der Kunstbesitz des ehemaligen Polen „ins Reich zurückgeführt, den deutschen Ostmuseen zugute kommen soll“. Am 19. Oktober 1940 erbat auch Gauleiter Josef Wagner bei Hitler Zuteilungen für die Breslauer Kunstsammlungen und begründete seine Forderungen nun mit einem Museumsneubau. Beigegeben war ein zwanzigseitiger Bericht Über Planung und Ausbau der Kunstsammlungen der Stadt Breslau und die Errichtung eines neuen Museumsgebäudes und eine Wunschliste über 68 Objekte. Wagner plante ein Kulturforum im Rahmen des historischen Schlossplatzes; mit dem friderizianischen Schloss wollte er ein Opernhaus, ein Ausstellungsgebäude, ein Kongresshaus und das Museum vereinigen. Man ließ sogar persönliche Verbindungen zum Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, spielen, der gebürtiger Oberschlesier war: Am 15. November 1940 wandte sich ein Dr. Felix Theusner von der Deutschen Bank Breslau in dieser Angelegenheit an Lammers, mit dem er per Du war und erreichte einen persönlichen Termin für Oberbürgermeister Fridrich und Museumsleiter Barthel bei ihm. Lammers trug Hitler die Anliegen Breslaus vor, die dieser freilich als „völlig indiskutabel“ ablehnte. Er habe endgültig entschieden, dass die Kunstwerke Königsberg zugewiesen würden. Am 9. Februar 1941 schrieb Lammers an den Oberbürgermeister:
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„Leider hat der Führer entschieden, dass die Kunstwerke nicht nach Breslau kommen sollen. Auf mein besonders warmes Eintreten für Breslau hat sich der Führer aber bereit erklärt, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit die schlesische Hauptstadt bei der Ausstattung mit Kunstgut besonders zu berücksichtigen.“44 Wie in Österreich weckte der „Führervorbehalt“ mit seinen Versprechungen Begehrlichkeiten und löste Konkurrenzkämpfe zwischen den Zuteilungsberechtigten aus.45 Besonders begehrt war die Sammlung Mannheimer, die Hitler im April 1941 in Amsterdam angekauft hatte. Sie setzte sich zum Großteil aus Kunsthandwerk und Preziosen zusammen, darunter Objekte Breslauer, Danziger, Königsberger und Wiener Herkunft, auf deren Zuweisung die Städte hofften. Die Gauleiter meldeten ihr Interesse an. Am 20. Januar 1942 entschied Hitler, den Zuteilungswünschen Einhalt zu gebieten. Vom Führerhauptquartier gingen Schreiben an Gauleiter Scheel nach Salzburg und Gauleiter Forster nach Danzig, dass Zuteilungswünsche „von Kunstobjekten aus den Sammlungen des Führers“ bis Kriegsende nicht berücksichtigt würden. Auch Posse wurde von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Die einmal geweckten Begehrlichkeiten waren aber nicht so einfach abzuschalten. Der Danziger Gauleiter sprach am 26. April 1942 beim Abendessen mit Hitler in der Reichskanzlei die Frage der Verteilung von beschlagnahmten Kunstwerken erneut an.46 Im Mai 1942 stellte auch die Gauleitung von Schlesien den Antrag, der Stadt Breslau zum Ausbau ihrer Museen einzelne Stücke aus der Sammlung Mannheimer und von den in Polen beschlagnahmten Kunstwerken zu überlassen. „Nachdem eine Auswahl von 300 Kunstwerken zur ausschließlichen Verfügung des Führers im künftigen Linzer Museum aus der Sammlung getroffen wurde, befinden sich in der bedeutenden Restsammlung noch eine große Anzahl erlesener Meisterwerke von größter Kostbarkeit und Bedeutung. Die Kristallarbeiten, die Goldschmiedearbeiten und die Porzellansammlung enthalten Werke von hervorragender Qualität.“
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Hitler möge entscheiden, dass eine Auswahl den Breslauer Museen zugutekomme. Zusätzlich bat er dann auch noch um sechs angeblich aus Breslau und Schlesien stammende Werke aus der Polen-Beute. Die letzte Forderung, so entschied die Reichskanzlei, wurde Hitler nicht mehr vorgetragen; Posse wurde eingeschaltet und der teilte am 22. Mai brieflich mit, dass Hitler ausdrücklich den gesamten in Stift Hohenfurth untergebrachten Bestand der Sammlung Mannheimer für Linz reserviert habe.47 An Posse wurden aber noch mehrfach Wünsche bezüglich der Sammlung Mannheimer herangetragen von den Direktoren des Kunsthistorischen Museums in Wien, des Landesmuseums Joanneum in Klagenfurt und des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.48 Als es im September 1942 zu massiven Interessenkonflikten zwischen der Reichskanzlei und der Haupttreuhandstelle Ost bezüglich der Übernahme der in Wien beschlagnahmten Sammlung Lanckoroński kam, machte Lammers Hitler auf den Umstand aufmerksam, dass eine Bekanntmachung der Ausweitung des „Führervorbehaltes“ auf Polen noch nicht erfolgt sei: „Der Generalgouverneur ist daher von der Anordnung des Führers bis jetzt nicht unterrichtet worden. Sollten Sie dies für erforderlich halten, so wäre ich für eine Mitteilung dankbar.“49 Bormann und also auch Hitler hielten das für dringend notwendig: Und so verließ am 3. Oktober 1942 ein weiteres Rundschreiben die Reichskanzlei, gerichtet an alle leitenden staatlichen Dienststellen, das den „Führervorbehalt“ nun ausdrücklich für Polen aussprach und auf Posse als zuständigen Sachbearbeiter Hitlers verwies. In einer Ansprache zur Dreijahresfeier seines Territoriums am 26. Oktober 1942 erklärte Generalgouverneur Frank, dass der beschlagnahmte Kunstbesitz Polens Eigentum des Generalgouvernements sei.50 Dennoch wurde der „Führervorbehalt“ am 30. November 1942 im Generalgouvernement an alle untergeordneten Dienststellen weitergeleitet.51 Das war wenige Tage vor Posses Tod, der das Projekt „Führervorbehalt“ erst einmal ins Stocken brachte. Bis zur Installation seines Nachfolgers, Hermann Voss, führte der Referent des „Sonderauftrags Linz“, Gottfried Reimer, die Geschäfte kommissarisch. Anfang 1943 wurde dieser dringend nach Krakau gerufen,
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„damit dort die seit allerdings langer Zeit, von Herrn Direktor Dr. Posse immer wieder verschobene, von Dr. Mühlmann sehr gewünschte Ausscheidung aller für die Zwecke des Führers geeigneten Kunstwerke aus der großen Masse der polnischen Kunstbeschlagnahmungen endlich stattfinden kann“.52 Mit einem Schreiben vom 17. April 1943 an den Chef der Kanzlei des Generalgouvernements gab Frank die Anweisung, „die Kunstgegenstände der 1. und 2. Wahl in ihrer Gesamtheit, einschl. derjenigen, die sich noch in Warschau befinden, auf die Burg zu Krakau zu bringen und ausgepackt aufzustellen.“53 Vor Ort stellte sich heraus, dass die Kunstwerke in schlechtem Zustand waren. In einer Besprechung mit Mühlmann am 13. Juli 1943 machte Frank diesem massive Vorhaltungen; dabei muss es auch zum Konflikt wegen des „Führervorbehalts“ gekommen sein, den Frank – so zumindest die Aussage von Mühlmann – nicht anerkennen wollte.54 Mühlmann, der bereits einmal von Hitler wegen der Nichtanerkennung des „Führervorbehalts“ entlassen worden und in den Niederlanden nur von seinem Freund Seyß-Inquart vor diesem Schicksal bewahrt worden war, bat nun selbst um Entlassung aus den Diensten Franks. Ein drittes Mal wollte er nicht in Konflikt mit Hitler geraten. Als sein Nachfolger wurde der Direktor des Museums in Troppau (Opava/ Opawa), Werner Kudlich, eingesetzt. Die Dienststelle Mühlmanns wurde in „Amt für die Pflege alter Kunst“ umbenannt und dem Staatssekretariat der Regierung des Generalgouvernements zugeordnet. Hitler und Frank hatten also stark differierende Vorstellungen bezüglich des „Führervorbehalts“: Frank akzeptierte zwar den Erstzugriff Hitlers, wie der Katalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement belegt, sah aber wohl nicht ein, dass andere Museen als das Linzer „Führermuseum“ am Kunstbestand seines Territoriums Anteil haben sollten, eine Position, wie sie auch der Gauleiter des Warthegaus einnahm. Es schien den Verwaltern der neuen Ostgaue zu Recht widersinnig, die Zuteilung auf die eigenen Museen nicht auch durch die eigenen Museumsfachleute durchführen zu lassen. Doch Hitler forderte mit dem „Führervorbehalt“ für sich persönlich das Primärrecht der Verteilung. Im ersten „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 war dies klar formuliert;
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da zu diesem Zeitpunkt die Dienststellen in den Ostgebieten noch nicht existierten, kann vermutet werden, dass diese die ursprüngliche Version des „Führervorbehalts“ gar nicht vorliegen hatten. Die Rundschreiben, die sie erreichten, definierten vor allem den erweiterten Geltungsbereich und verwiesen ansonsten meist nur noch auf die vorangegangenen Ausfertigungen. Es scheint jedenfalls so, als habe sich in den neuen Ostgebieten die naheliegende Vorstellung entwickelt, dass die „Führerauswahl“ für Hitlers Linzer Museum bestimmt und nicht Verteilungsmasse für viele Museen gewesen sei. Das führte dazu, dass Hitlers umfassender Anspruch wieder in Erinnerung gerufen werden musste: Am 31. Mai 1943 informierte Martin Bormann Lammers darüber, dass nicht nur Gemälde, sondern Kunstgegenstände jeglicher Art im Rahmen des „Sonderauftrags Linz“ gesammelt würden. All diese Gegenstände seien nicht ausschließlich für Linz vorgesehen, vielmehr beabsichtige der Führer, die Sammlungen einer ganzen Reihe weiterer Museen und Galerien in anderen Städten, namentlich Grenzstädten, mit ihnen zu ergänzen. Lammers leitete das Schreiben an die entsprechenden Dienststellen zur Kenntnisnahme weiter.55 Am 21. September 1943 fand eine Besprechung Franks und seines Referenten, Architekt Ernst Wilhelm von Palézieux, mit Mühlmann statt, als deren Ergebnis es zur Gesamtübergabe der Kunst in die Verwaltung der Kanzlei des Generalgouvernements zum 1. Dezember 1943 kam.56 Am 1. Februar 1944 wurde die Übergabe der Raubkunstbestände durch das Amt für die Pflege alter Kunst in den „Gewahrsam der Burg“ beschlossen.57 Der polnische Kunstbesitz verblieb also im Wesentlichen auf dem Gebiet des ehemaligen Polen. Erst gegen Ende des Krieges wurden Teile davon vor der anrückenden Roten Armee westwärts gebracht und teilweise auf das Reichsgebiet verlagert. Nachdem die sowjetischen Truppen im Juli 1944 die deutsche Verteidigungslinie bei Lemberg durchbrochen hatten, wurde der größte Teil der „wertvollen Kunstgegenstände“, die sich im Keller der Krakauer Burg befanden, in drei Eisenbahnwaggons nach Schloss Seichau, Kreis Jauer/Jawor in Niederschlesien gebracht, wo sich der Wiener Restaurator Eduard Kneisel ihrer annahm. Später wurden diese nach Murau in Niederschlesien transportiert. 14 der wertvollsten Gegenstände gelangten – da dies
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6. Kunstraub in Polen
sicherer war als die häufig unter Beschuss stehenden Bahntransporte – in einem PKW-Sondertransport dorthin, darunter Die Dame mit dem Hermelin von Leonardo da Vinci und das Hereinbrechende Gewitter von Rembrandt.58 Von Murau aus gingen die bedeutendsten Gemälde nach Neuhaus am Schliersee, in die Villa von Generalgouverneur Frank, der hier nach seiner Flucht aus Krakau die Reste seiner Kanzlei aufrechtzuhalten versuchte. Dort erschien am 17. März 1945 der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Ernst Buchner zu einer Besprechung mit dem für die Kunstwerke zuständigen Palézieux „über Auslagerung von mitgeführten Kunstgegenständen aus dem Generalgouvernement im Salzbergwerk Alt-Aussee“.59 Es bestand also der Plan, den Leonardo und den Rembrandt sowie die übrigen Kunstwerke in Hitlers Bergungsdepot zu bringen. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Frank sei es also gelungen, so Lynn Nicholas, die Werke bei sich zu behalten.60 Denkbar ist aber auch eine alternative Deutung, die auf der Überlegung basiert, dass ja sicherlich Frank (wer sonst?) Hitler von den in Bayern angekommenen Kunstwerken informiert hat. Frank hätte in dieser Version der Geschichte für die Hauptwerke der CzartoryskiSammlung den „Führervorbehalt“ also durchaus anerkannt und diese mit dem Ziel nach Bayern gebracht, sie an Hitler zu übergeben. Amerikanische Kunstschutzoffiziere fanden neun Gemälde in Franks Villa und brachten sie in den Central Collecting Point nach München. Von hier aus wurden sie an ihre rechtmäßigen Besitzer restituiert.
7. „Heimführung“
Deutsche Kunstraub-Paranoia Der NS-Kunstraub hat eine Vorgeschichte, die den Tätern außerordentlich präsent war: den Napoleonischen Kunstraub. Viele der Kunsthistoriker, die zu Protagonisten des NS-Kunstraubes wurden, vertraten gerade Frankreich gegenüber einen ausgeprägten Kunstraub-Revanchismus, der sich aus der historischen Erinnerung speiste. So schrieb der junge Dresdner Museumsdirektor Hans Posse am 14. September 1914, kurz vor dem Abrücken an die Front, an seinen Lehrer und Mentor Wilhelm von Bode, den Generaldirektor der Berliner Museen: „Wären umgekehrt die Franzosen in Deutschland eingerückt, so würde gewiss sehr viel an Berliner u. Dresdner Kunstbesitz mitgenommen werden. Ich selbst wäre gern mit bei der Aufteilung des Louvre.“1 Hinter solchen Äußerungen, die heute irritieren, steht die historisch durchaus ableitbare Vorstellung, Frankreich habe in Deutschland jahrhundertelang gezielt Kunstraub betrieben, vom Pfälzischen Erbfolgekrieg von 1688/89, der in den Darstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts als Raubkrieg Ludwigs XIV. bezeichnet wurde, bis hin zu Napoleons Feldzügen. Das daraus erwachsene Ressentiment verdichtete sich nach dem Ersten Weltkrieg, als der Versailler Vertrag von Deutschland und Österreich Auslieferungen von Kunst- und Kulturgütern erzwang, zu einer kollektiven Paranoia, die in Sätzen wie dem folgenden gipfelte, veröffentlicht am 7. April 1919 in der Zeitung Der Montag: „Den Deutschen war von jeher das Prinzip der Kunstbeute fremd, während das kaiserliche, königliche und republikanische Frankreich stets Kunstraub als gutes Recht angesehen hat.“2
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7. „Heimführung“
Leopold Ruprecht, der Direktor der Waffenkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien, rechtfertigte die deutsche Kunstrückführungsaktion, die 1940 in Gang gesetzt wurde, in einem Brief an Posse folgendermaßen: „Es darf als eine natürliche Reaktion gelten, wenn wir alle […] für unsere engere Sparte desgleichen bemüht sind, angetanes Unrecht bis ins 17. Jahrhundert hinauf in gleicher Weise wieder zu reparieren. Diese Bestrebung betrifft die Rückforderung aller jener heuer noch festzustellenden Gegenstände deutschen Kunst- und Kulturbesitzes, welche den Raubzügen Ludwigs XIV. und Napoleons I. zum Opfer gefallen sind. Die Bestrebungen von Reparationen auf diesem Gebiete wurden unmittelbar nach dem Wiener Kongress bereits deutlich erkennbar, scheiterten damals aber an unsachlicher Durchführung und blieben daher in ihrem Resultat wenn nicht ganz erfolglos so doch unbefriedigend.“3 Erstaunlich daran ist nur, dass Ruprecht eine solche historische Rechtfertigung überhaupt für nötig erachtete, war er doch zuvor als eher skrupelloser Helfer im österreichischen und polnischen Kunstraub tätig gewesen, wo er historische Waffen inventarisiert hatte. Sein Kollege Fritz Dworschak, leitender Direktor des Kunsthistorischen Museums, stand ihm in nichts nach: Er deutete sogar die kriegsbedingte Evakuierungen von Museumsbeständen durch die französischen Behörden im Sinn einer feindseligen Politik: „Es ist auch kein Zweifel, dass die Franzosen ihre alte Verschleppungstaktik von 1814/15 um so besser wieder anzuwenden versuchen, als sich der Großteil der rückzufordernden Kunstgegenstände im unbesetzten Gebiet befindet, es wird daher eines besonderen Nachdruckes bedürfen, um innerhalb einer raisonnablen Zeit zu seinem Recht zu gelangen.“4
Deutsche Kunstraub-Paranoia
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Die beiden Wiener Kunsthistoriker waren Hauptfiguren des NS-Kunstraubes in Österreich, Ruprecht war zudem beim Raubzug in Polen und in der Tschechoslowakei beteiligt. Beide sollten nach dem Tod Posses führende Positionen in Hitlers Linzer Museumsprojekt einnehmen: Dworschak wurde zum Sachbearbeiter für das Münzkabinett des „Führermuseums“, Ruprecht zum Sachbearbeiter für die Sammlung historischer Waffen. Der in den Jahren um 1800 verübte französische Kunstraub, der in der Überlieferung zum Kunstraub Napoleons reduziert wurde, hat den NS-Kunstraub auch strukturell geprägt, sodass ein kurzer Überblick über die Ereignisse in unserem Zusammenhang sinnvoll erscheint. Die Französische Revolution hatte in einer ersten Welle einen gewaltigen Bildersturm ausgelöst und zahlreiche Monumente und Kunstwerke zerstört.5 Nach den Exzessen der Schreckensherrschaft setzte ein Besinnen ein: Die ehemaligen Symbole der feudalen und klerikalen Herrschaft wurden nun zu „Kunstwerken“ umgedeutet, also zu Trägern universeller menschlicher Werte, die aus der Gefangenschaft des Adels, des Königtums und der Kirche befreit und zur Erziehung der Nation allen Bürgern zugänglich gemacht werden mussten. 1791 wurde die Schaffung eines Nationalmuseums im Pariser Königsschloss, dem Louvre, beschlossen und am 10. August 1793 dort das „Musée Central“ eröffnet mit Werken der besten Künstler aus den königlichen Sammlungen und aus den französischen Provinzhauptstädten. Mit der Eroberung der südlichen Niederlande (dem heutigen Belgien) durch die Revolutionsarmeen 1794/95 kamen zudem Bilder der großen flämischen Maler Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck aus Antwerpen nach Paris sowie der Mittelteil des Genter Altars. Der Flügelaltar der Brüder Jan und Hubert van Eyck, 1432 oder 1435 vollendet und seither in einer Seitenkapelle von St. Bavo in Gent aufgestellt, ist ein Hauptwerk der flämischen Malerei des 15. Jahrhunderts und darf als das berühmteste Kunstwerk Belgiens gelten. Beim Einmarsch der französische Revolutionstruppen konnten die mobilen Altarflügel ins Stadthaus von Gent geflüchtet werden, die fest montierten Mitteltafeln aber verblieben in der Kirche und wurden von den Revolutionären nach Paris verschleppt.
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7. „Heimführung“
Jan van Eyck, „Genter Altar“
Zur Jahrhundertwende 1800 war das Zentralmuseum im Louvre hoffnungslos überfüllt, sodass ein Kunstlager im Schloss von Versailles eingerichtet werden musste. Da die Provinzstädte, die ihre besten Kunstwerke nach Paris geschickt hatten, immer schon Kompensation gefordert hatten, ging man daran, Kunstwerke dorthin zu verteilen. Eine Kommission von Kunstexperten wählte aus über 800 Gemälden jeweils ein Konvolut von circa 40 Bildern für 15 französische Departement-Städte aus, und da die französische Republik damals neben Frankreich Teile Deutschlands, Belgiens, Italiens und der Schweiz umfasste, erhielten auch Brüssel, Genf und Mainz Zuteilungen.
Deutsche Kunstraub-Paranoia
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Napoleon betrieb den Kunstraub mit System und perfektionierte ihn, indem er auf seinen Feldzügen Kunstexperten mitnahm. Einer davon war der Maler, Kupferstecher, Schriftsteller, Diplomat und Kunstsammler Dominique-Vivant Denon. 1802 ernannte Napoleon ihn zum Generaldirektor des „Musée Central“, das 1803 in „Musée Napoléon“ umbenannt wurde. Denons Ziel war es, das Museum zum schönsten und besten Kunsttempel der Welt zu machen. 1806 rückte er im Gefolge der französischen Armee in Berlin ein und durchsuchte die königlich-preußischen Kunstbestände, wie später auch die Galerien in Braunschweig und Kassel, nach Werken, die ihm für seine als universell konzipierte Sammlung noch fehlten. Überall machte er reiche Beute. Am 7. Juni 1809 erschien Napoleons Kunstkommissar in Wien, mit ausführlichen Listen und mit Vollmachten ausgestattet. Er hatte sich mithilfe der Wiener Museumskataloge gründlich auf seine Konfiskationen vorbereitet und hoffte auf einen kräftigen Zugewinn der Pariser Sammlungen vor allem an deutscher Malerei. Seine Pläne ließen sich jedoch nur teilweise in die Tat umsetzen, da vor allem die Meisterwerke Albrecht Dürers in Sicherheit gebracht worden waren. Immerhin fielen ihm bedeutende Werke von Hieronymus Bosch, Pieter Brueghel, Quentin Massys, Jan Gossaert, Hans Baldung Grien und Albrecht Altdorfer in die Hände. Die Habsburger-Sammlungen verloren 23 antike Objekte und 250 Gemälde, darunter auch bedeutende holländische und italienische Meisterwerke. Unter Napoleon wurde die Transformation von einem archaischen Trophäen-Raub, wie er in Kriegen seit Menschengedenken üblich war, zum Kunstraub vollzogen. Für die Geschichte des Kunstmuseums ist von Bedeutung, dass Denon die Kunstwerke, die durch die weiten Transporte teilweise in einem erbärmlichen Zustand waren, restaurieren, wissenschaftlich bearbeiten und katalogisieren ließ. Es wurden Stichwerke in Auftrag gegeben, welche die Öffentlichkeit über die Sammlungen informierten. Das war die Geburtsstunde des modernen Museums als wissenschaftliche Anstalt. Die systematische Struktur des NS-Kunstraubes ist hier ebenso vorgeprägt wie die Involvierung der Fachwissenschaftler und die Legitimierungsstrategie dafür, dass man Kunstwerke ihrem ursprünglichen Kontext und ihrem rechtmäßigen Besitzer entreißt, in Museen transferiert und damit der Öffentlichkeit zugänglich macht: die
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7. „Heimführung“
Wissenschaft. Eines der erschreckendsten Beispiele der Anwendung dieser Strategie ist der Endbericht von Robert Scholz, Leiter des Sonderstabes Bildende Kunst des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg, der in Frankreich über 20 000 Kunstwerke aus jüdischen Sammlungen geraubt hat. Viele der nach Frankreich verschleppten Kunstwerke wurden nach dem Wiener Kongress 1815 zurückgegeben. Dennoch verblieb dort ein großer Rest der napoleonischen Raubkunst, etwa Werke, die an die Provinzmuseen oder an Kirchen überwiesen worden waren. In Vergessenheit geriet der französische Raubzug in Deutschland nie, zahlreiche Publikationen stachelten das Interesse während des gesamten 19. Jahrhunderts auf beiden Seiten immer wieder an. Bénédicte Savoy hat die hochspannende Geschichte dieser Kunstraub-Historiographie nachgezeichnet.6 Schon während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 hatten deutsche Stellen Listen der vermissten Werke erstellt; bei den Friedensverhandlungen gelang es freilich nicht, umfangreiche Rückführungen durchzusetzen. Das Projekt scheiterte wohl am Widerstand Bismarcks. Am Ende des 19. Jahrhunderts war, wie Savoy gezeigt hat, der napoleonische Kunstraub im kollektiven Gedächtnis der Deutschen fest verankert. Die Forderungen nach Rückgabe wurden während des Ersten Weltkrieges erneuert. Wilhelm von Bode, Gründer des Kaiser-FriedrichMuseums in Berlin und Generaldirektor der dortigen staatlichen Kunstsammlungen, war die zentrale Figur der deutschen Rückforderungen, für die er bei Wilhelm II. und Hindenburg politische Unterstützung erhielt.7 Bode ließ Forderungslisten erstellen und leitete sie an das Auswärtige Amt weiter. 1915 schlug er vor, Kunstwerke, die in Nordfrankreich in die Verfügung der Deutschen gekommen waren, bei zukünftigen Friedensverhandlungen als Faustpfänder für die zurückgeforderten Werke zu verwenden. Dieser Vorschlag stieß auf größte Bedenken des Auswärtigen Amtes. Dennoch wurde nach längeren Verhandlungen der stellvertretende Direktor der Berliner Museen, Theodor Demmler, als Beauftragter für die Bestandsaufnahme der als Faustpfänder infrage kommenden Kunstwerke eingesetzt. Das Auswärtige Amt stimmte einer Sicherstellung dieser Objekte auf starken Druck zwar zu, insistier-
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te aber darauf, dass sie Frankreich nicht verlassen dürften; daher wurde ein zentrales Bergungsmuseum in Valenciennes eingerichtet. Um dem Verdacht des Kunstraubs entgegenzuwirken, wurden Ausstellungen mit aufwendigen Katalogen organisiert. Dennoch lasteten die Franzosen die „Kunstschutzmaßnahmen“ dem deutschen Kunstschutz als versuchten Kunstraub an. Freilich schmiedete auch die französische Seite Kunstraub-Pläne. Der Kunsthistoriker und Kunstkritiker Auguste Marguillier stellte 1915 in der Zeitschrift Mercure eine Forderungsliste auf, die er im Januar 1919 noch einmal erweiterte. Hatte er ursprünglich nur Ansprüche auf Werke französischer Künstler erhoben, so verlangte er nun auch solche deutscher Meister und wurde dabei von Museumsbeamten, wissenschaftlichen Verbänden und Akademien unterstützt. Ebenfalls im Januar 1919 wurde in Deutschland bekannt, dass der Friedensvertrag von Deutschland auch Kunstwerke forderte, darunter die Berliner Tafeln des Genter Altares.8 Das Berliner Tageblatt vom 24. Januar 1919 schrieb unter dem Titel Die Rache in Kunst: „Man denkt die Deutschen für die Verwüstung von Reims und Löwen dadurch zu strafen, dass man ihnen ihre van Eycks fortnimmt.“ Der Kunsthistoriker und Journalist Otto Grautoff, der als Hauptschriftführer der Monatsschrift Deutsch-Französische Rundschau einen guten Einblick in die französische Presseszene hatte, verfasste einen langen Artikel für die viel gelesene Kunstzeitschrift Der Cicerone, für den er einen Titel wählte, der alle Ressentiments zusammenfasste: Denkmalschutz und Kunstraubpolitik in Frankreich.9 Im April 1919 war die Stimmung so aufgeheizt, dass es deutschlandweit zu Protestveranstaltungen von Künstlern und Künstlerverbänden, Akademien und Museen kam. In der Berliner Akademie der Künste wurde zum Thema Kunstraub als Kriegsziel eine Versammlung abgehalten, auf welcher der Präsident Max Liebermann seine Stimme gegen den „Kunstraub der Entente“ erhob. Neben den Berliner Museen war auch die Dresdner Gemäldegalerie von Forderungen betroffen: Italien verlangte unter anderem deren „Ikonen“, Raffaels Sixtinische Madonna, Giorgiones Schlummernde Venus und Correggios Heilige Nacht, Frankreich forderte 14 der wertvollsten französischen Bilder. Es handelte sich im Wesentlichen um Erwer-
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bungen aus der Aufbauphase der Galerie im 18. Jahrhundert. Am Karfreitag, den 13. April 1919, fand im Schauspielhaus in Dresden eine Versammlung statt, die Einspruch formulierte „gegen die Absicht unserer Gegner, deutschen Kunstbesitz als Kriegsentschädigung wegzuführen“. Hauptredner war Hans Posse als Direktor der Gemäldegalerie, über dessen Auftreten die Dresdner Neuesten Nachrichten berichteten: „In klarer, eindringlicher und von sichtlichem Miterleben getragenen Weise zeigte er, wie in der Entente planmäßig darauf hingearbeitet werde, die künftige Friedenskonferenz dahin zu beeinflussen, dass sie als Kriegsentschädigung die Herausgabe einer Fülle von Kunstwerken aus allen Gauen Deutschlands fordere.“10 Posse und seinen Mitstreitern stand das erschreckende Beispiel des italienischen Zugriffs auf den Wiener Kunstbesitz vor Augen: Anfang Februar 1919 waren mit einem der Lebensmittelzüge, die Italien im Auftrag der Entente in die hungernde Stadt sandte, bewaffnete Soldaten und Gendarmen eingetroffen, um Kunstwerke zu beschlagnahmen. Italien habe 90 Gemälde aus der Akademie der bildenden Künste, 66 aus dem Kunsthistorischen Museum und 157 Werke aus der Hofbibliothek (der heutigen Nationalbibliothek) „entführt“, schrieb Max Dvořák, Ordinarius für Kunstgeschichte am Wiener Kunsthistorischen Institut, in einem offenen Brief, der auch als Broschüre verbreitet wurde. Wieder berichtete Der Cicerone ausführlich.11 Im März legte die italienische Militärkommission ein sechs Seiten langes Verzeichnis von Kunstgegenständen vor, auf die Italien weiterhin Anspruch erhob.12 Belgien, das lange Zeit zum Habsburgerreich gehört hatte, forderte den aus der Brüsseler Jakobskirche stammenden Ildefonso-Altar von Rubens aus dem Kunsthistorischen Museum sowie den Orden vom Goldenen Vlies. Eine Woche nach der Protestveranstaltung meldeten die Zeitungen in Dresden und anderswo, dass weitergehende Forderungen an österreichischem Kunstbesitz gestellt worden waren. Im Dresdner Anzeiger war etwa zu lesen, die Italiener beabsichtigten, bei den Friedens-
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Kunsthistorisches Museum Wien 1919 mit leeren Rahmen nach den „Sicherstellungen“ der italienischen Militärkommission
verhandlungen fast sämtliche Werke der italienischen Abteilung der Gemäldegalerie im Kunsthistorischen Museum in Wien zu verlangen. „Es sind im ganzen 27 Gemälde, sämtlich Werke von sehr großem Wert. – Außerdem verlangen die Italiener mehr als 200 kostbare Handschriften aus der Hofbibliothek, welche teils von Wien aus angekauft, bestellt oder als Geschenke dahin gelangt sind.“13 Laut Cicerone begab sich Ende 1919 eine interalliierte Kunstkommission nach Wien, um den öffentlichen und privaten Kunstbesitz Österreichs zu inventarisieren, um ihn als „unschätzbares Faustpfand für die Alli-
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ierten“ zu nutzen.14 Zwar wurden die Ansprüche der Folgestaaten im Wesentlichen nicht realisiert, doch war dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Die gewaltsam nach Italien abtransportierten Kunstwerke verblieben allerdings dort. Im zweiten Maiheft berichtete die Kunstzeitschrift, dass Deutschland nach den Bedingungen des Versailler Vertrages als Wiedergutmachung für die Zerstörung der Bibliothek in Löwen „Handschriften, alte Bücher, Drucke usw. nach Maßgabe der zerstörten“, ferner die Flügel des Genter Altares in Berlin und die in Berlin und München befindlichen Flügel des Abendmahlaltares aus St. Petrus in Löwen auszuliefern habe.15 Der Erwerb der sechs großen Außenflügel des Genter Altares von Jan van Eyck durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1821 war legal erfolgt, ebenso wie der Ankauf der Flügel des Abendmahlaltares von Dirk Bouts. Bei der erzwungenen Herausgabe handelte es sich um eine Kompensation für Kriegsschäden, also eine „restitution in kind“, die nach der Haager Kriegsordnung verboten ist. In Deutschland wurde dies daher als Kunstraub empfunden. Bode schrieb mehrere Protestartikel.16 All das half nichts: Die Kunstwerke mussten an Belgien übergeben werden. Diese Wunde sollte in den folgenden Jahren nicht heilen: Bis in die Dreißigerjahre hinein wurde in Deutschland dagegen protestiert. Die Berliner Museen richteten 1936 im sogenannten Deutschen Museum im Gebäude des Pergamonmuseums sogar ein Gedenkkabinett für den Genter Altar ein.
Deutscher Kunstraub-Revanchismus Am 5. Juni 1940 begann die Schlacht um Frankreich, am 14. Juni besetzte die deutsche Wehrmacht Paris. Einen Tag nach der Unterzeichnung des deutsch-französischen Waffenstillstands vom 22. Juni 1940 flog Hitler in Begleitung des Architekten Albert Speer und des Bildhauers Arno Breker nach Paris zur legendären frühmorgendlichen Besichtigungstour. Es war sein erster Besuch in der französischen Hauptstadt. Noch vor Morgengrauen besichtigte die Abordnung die Oper, in der frühen Morgendämmerung ging es weiter zum Eiffelturm, danach zum Invali-
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dendom und zum Montmartre. Unterwegs fielen Hitler im Pariser Armeemuseum im Invalidendom und auf öffentlichen Plätzen deutsche Waffen auf, welche die Franzosen erbeutet hatten und nun als Kriegstrophäen präsentierten. Damit war das Rückführungsthema bei ihm angekommen. Schon am nächsten Morgen, den 24. Juni, gab der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, dem Direktor des Berliner Zeughauses und Chef der Heeresmuseen, Admiral a. D. Lorey, den Befehl, unverzüglich mit den Vorbereitungen für die Rückführung von Beutestücken deutscher Herkunft „aus der Zeit von den Freiheitskriegen über 1914/18 bis zur Jetztzeit“ zu beginnen.17 Hitler wünsche rasches Handeln. Lorey solle auch nach versteckten oder verschleppten Trophäen suchen und diese nach Berlin bringen. 1941 erhielt Lorey denselben Auftrag für Russland. Am 27. Juli 1940 wurde Otto Kümmel, der Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin, beauftragt, einen Bericht für die Rückführung der von Napoleon nach Frankreich verbrachten Kunstwerke zu erstellen. Kümmel hatte schon zuvor, nachdem Gent und Löwen in deutscher Hand waren, von Goebbels die Rückbringung der 1919 ausgelieferten Teile des Genter und Löwener Altares gefordert: „Ich nehme als selbstverständlich an, dass diese Deutschland geraubten Kunstwerke ihren Eigentümern ganz ohne Rücksicht auf einen etwa später zu schließenden Frieden sofort zurückgegeben werden.“18 Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Genter Altar freilich längst nicht mehr vor Ort. Die belgische Regierung hatte ihn in den Vatikan in Sicherheit bringen lassen wollen, was aber durch den Kriegseintritt Italiens am 10. Juni 1940 verhindert wurde. Frankreich bot als Bergungsort das Schloss Pau in den Pyrenäen an, wohin der Altar dann auch gebracht wurde. Eine Verordnung Hitlers über die Erfassung der Kunstwerke in den besetzten Gebieten erging am 13. August 1940 an die Reichsminister: „Aus verschiedenen Gründen ist es erforderlich, alle Kunstwerke und geschichtlich bedeutsamen Gegenstände, die im Laufe der Zeiten ohne unseren Willen aus unserem Besitz in den Besitz unserer heutigen Kriegsgegner gelangt sind und sich zur Zeit in den besetzten Gebieten und anderswo befinden, zu erfassen.“19
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Hitler erweiterte die Aufgabe am 20. August auf alle Kunstwerke, „die überhaupt im Laufe der letzten 3 Jahrhunderte, gleichgültig von wem und wohin, in Deutschland geraubt worden oder von fremden Mächten in Deutschland zerstört worden sind“. Mit der zentralen Leitung der Rückführungen wurde Joseph Goebbels beauftragt, der entsprechende Verordnungen erließ. Eine beratende Kommission wurde einberufen, die sich am 22. August 1940 im Propagandaministerium in der Wilhelmstraße erstmalig traf. Ihr gehörte auch Hans Posse an. Im Spätsommer und Herbst 1940 ließen Goebbels und der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, eine umfassende Materialsammlung durchführen: Goebbels wies die Reichspropaganda-Ämter an, sie sollten „an die Geschichts-, Altertums- und Heimatvereine sowie ähnliche mit der örtlichen Kulturpflege betrauten Institutionen herantreten und die Aufforderung an sie richten, ihnen Material über deutschen Kunstbesitz, der von den Feindmächten geraubt wurde, unverzüglich einzureichen.“20 Auch alle Kreisleiter, Landräte und Oberbürgermeister wurden in die Aktion eingebunden. Rust beauftragte die ihm unterstellten Museen, Bibliotheken und weitere Dienststellen, entsprechende Erhebungen durchzuführen. An dieser umfassenden Umfrage waren sämtlich Reichsgaue, also auch die im „angeschlossenen“ Österreich, mit einbezogen. Auf Basis der Ergebnisse der umfassenden Recherchen wurden mehrere Listen erstellt.21 Uns interessiert hier vor allem der unter Otto Kümmels Leitung bis Ende 1940 entstandene dreibändige Bericht über Kunstwerke und geschichtlich bedeutsame Gegenstände, die seit 1500 ohne unseren Willen oder auf Grund zweifelhafter Rechtsgeschäfte in ausländischen Besitz gelangt sind, der sogenannte „Kümmel-Bericht“.22 Mehrere der NS-Kunsträuber, die in Hitlers Museumsprojekt tätig waren, waren hier beteiligt, etwa der junge Kunsthistoriker Niels von Holst, der als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an den Staatlichen Museen in Berlin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. Er stieg nach 1939 zu Kümmels wichtigstem und
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eifrigstem Mitarbeiter in der Rückführungs-Agenda auf, für die er nach Beurteilung seines Chefs „wertvollste Hilfe geleistet“ hat.23 1940/1941 sollte er als Posses Beauftragter in der Sowjetunion tätig werden. Der „Kümmel-Bericht“ erfasst nicht nur diejenigen Werke und Sammlungen, deren Verbleib festgestellt war, sondern auch solche, deren Verbleib unbekannt war, sowie im und nach dem Ersten Weltkrieg „von den Feinden beschlagnahmtes Kulturgut im Besitze deutscher Staatsangehöriger“, sogenannte Sequester. Interessanterweise wurden in die Forderungsliste auch belgische und holländische Kunstwerke aufgenommen, welche sich in Frankreich befanden. Der Bericht war am 31. Dezember 1940 abgeschlossen und wurde Hitler am 20. Januar 1941 überreicht. Er lag in gut 400 Kopien vor, das Exemplar Nr. 1 mit „XIX + 319 Seiten“ war das Führerexemplar. Es wurde im Mai 1945 von amerikanischen Truppen in Hitlers Alpenresidenz, dem Berghof bei Berchtesgaden, aufgefunden und befindet sich heute in der Kongress-Bibliothek in Washington. Neben der Hilfe von Museumskollegen konnte Kümmel bei seiner Erhebung auch auf zahlreiche ältere Recherchen zurückgreifen, etwa das Manuskript Die Rückforderung der während der Napoleonischen Kriege aus Deutschland geraubten und beim Wiener Kongress nicht vollständig zurückerlangten Kunstwerke, Handschriften, Bücher und Archivalien, das Ernst Steinmann, Direktor des deutschen kunsthistorischen Forschungsinstituts Bibliotheca Hertziana in Rom, während des Ersten Weltkrieges erstellt hatte. Kümmels Adlatus Niels von Holst fuhr Ende Oktober 1940 nach Rom, um die Steinmann’schen Materialien auszuwerten.24 Zur Erstellung der Rückforderungslisten reisten zahlreiche Kunsthistoriker im Sommer und Herbst 1940 nach Paris, um dort Kunstgut aus ursprünglich deutschem Besitz nachzuforschen, darunter Fritz Dworschak und Leopold Ruprecht vom Kunsthistorischen Museum in Wien. Als Mitglieder der Rückführungs-Kommission recherchierten sie in den Bestandskatalogen und Archiven der Stadt nach rückzufordernden Kunstwerken. Ihre Wunschliste umfasste vor allem historische Waffen und Rüstungen, die aus dem kaiserlichen Zeughaus in Wien und aus Schloss Ambras nach Paris gebracht worden waren. Dworschak schickte sie am 13. September 1940 an Kümmel.25
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Das bereits in den Kriegen von 1870/71 und 1914/18 gescheiterte Repatriierungsprojekt scheiterte erneut. Die rückgeforderten Kunstwerke blieben in Frankreich und auch der Zugriff auf den öffentlichen Kunstbesitz zur Kompensation erlittener Kunstverluste unterblieb.26 Zwar unternahm der Sicherheitsdienst auf Initiative Reinhard Heydrichs im Juli 1941 noch einen Versuch, die Kunstwerke nach Deutschland zu bringen. Nach Rücksprache mit Goebbels im Führerhauptquartier am 18. August 1941 entschied Hitler jedoch, das Projekt auf die Zeit nach Kriegsende und nach einem endgültigen Friedensvertrag zwischen Deutschland und Frankreich zu verschieben, der die genauen Konditionen erst festlegen sollte. Eine Ausnahme stellten jedoch die historischen Waffen dar, auf deren rasche Rückbringung Hitler bestanden hatte. Jedenfalls gelangten die Wiener Waffen über Lorey zunächst nach Berlin, dann als Leihgaben für die Ausstellung Rüstungen und Waffen. Rückführungen aus dem Musée de l’Armée im März 1941 nach Wien. „Nach Ende der Ausstellung verblieben die Objekte als Leihgaben des Oberkommandos der Wehrmacht in der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums. Im Dezember 1944 ordnete Hitler die Aushändigung jener neun Rüstungen an den Tiroler Gauleiter Franz Hofer an, die Napoleon 1805 aus Schloss Ambras nach Paris hatte verbringen lassen. Die Übergabe erfolgte am 17. Februar 1945.“27 Da die Forderungen aber weiterhin bestanden, wurde an den Listen bis Kriegsende weitergearbeitet. Auch Hitler spann seine Verteilungspläne weiter. Wie sich Albert Speer erinnerte, soll er verschiedentlich geäußert haben: „Was Napoleon bei seinen Kriegszügen an Kunstschätzen geraubt hat, muss der Louvre zurückgeben! Und dazu noch einmal den gleichen Wert als unsere Kriegsbeute ausliefern. Dafür sind schon Experten angesetzt, auch die Trondheimer Gemäldegalerie werde wir aus diesen Beständen ausstatten.“28
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Gemeint war das geplante „Neu-Drontheim“, eine Stadt für 250 000 bis 300 000 Einwohner in der Nähe des alten norwegischen Trontheim, für die Hitler Speer die Planungen übertragen hatte.
Posses Gutachten zum Genter Altar Obwohl das Rückführungsprojekt erst einmal auf Eis gelegt war, kam in der zweiten Jahreshälfte 1941 Bewegung in die Angelegenheit des Genter Altares. Der Grund war einfach: Es handelte sich in diesem Fall um eine Rückgängigmachung von Bestimmungen des Versailler Vertrags, ein zentrales politisches Projekt Hitlers. Zudem ging es nicht um französischen, sondern belgischen Kunstbesitz, der sich jedoch in der freien Zone Frankreichs befand. Franz Graf Wolff-Metternich, der Kunstbeauftragte des Oberkommandos der Wehrmacht, hatte nach dem prominenten Kunstwerk fahnden lassen. Nachdem er von dessen Bergungsort erfahren hatte – Schloss Pau in den Pyrenäen –, vertrat er die Auffassung, der Altar sei dort gut untergebracht. Der Militärverwaltungschef erhielt die Zusage Himmlers, dass er an seinem Fluchtort bleiben könne.29 Hitler aber schaltete seinen persönlichen Kunstexperten ein, um sich unabhängig vom Kunstschutz eine Meinung zu bilden: Posse verfasste eine Stellungnahme zur Frage der Rückführung der dem Kaiser-Friedrich-Museum entstammenden Teile des Genter Altares. Sie ist auf den 24. November 1941 datiert und ging an Bormann mit dem Zusatz „Persönlich!“.30 Posse schrieb: „Ich persönlich halte es für selbstverständlich, dass die durch den Versailler Vertrag geraubten, seinerzeit [1821] völlig einwandfrei für das Berliner Museum erworbenen Teile des Altares an ihre rechtmäßige Stelle zurückgeführt werden.“ Dieser „glatte Versailler Raub“ müsse wiedergutgemacht werden, die Berliner Tafeln des Altares sollten zurückgeholt werden, bevor „dieses für das germanische Kunstschaffen so bedeutungsvolle Werk durch die jetzige kriegsmäßige Unterbringung unersetzlichen Schaden erleidet“. Offenbar war auch eine Stellungnahme zu der Frage gewünscht worden, ob man nur die ehemaligen Berliner Tafeln oder nicht doch den ganzen Altar nach Deutsch-
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land bringen solle. Jedenfalls äußerte sich Posse im letzten Abschnitt seines Gutachtens zu dieser Frage und führte Argumente an, welche die Sicherheit betrafen: Eine der Berliner Tafeln sei in letzter Zeit aus der Kirche gestohlen worden und nicht wieder aufgetaucht. Er meint damit den Raub der Tafel mit den Gerechten Richtern (Innenseite) und Johannes (Außenseite) im April 1934, deren Seiten in Berlin getrennt worden waren. Der Dieb hatte vom Genter Bischof eine Million Belgische Francs erpressen wollen und als Beweis dafür, dass er tatsächlich im Besitz des Kunstwerkes war, die Tafel mit der Darstellung des hl. Johannes in der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofes hinterlegt. Doch der Kontakt zum Erpresser brach ab, der Austausch wurde nicht durchgeführt, die Tafel ist nicht wieder aufgetaucht. Bis heute nimmt eine Kopie ihre Stelle ein. Posses Gutachten endet also mit dem Argument für die Rückführung des ganzen Bildensembles: „Ich bin der Meinung, dass die von Deutschland seinerzeit rechtmäßig erworbenen und 1919 durch den Vertrag geraubten Tafeln des Genter Altares unverzüglich an das Deutsche Reich zurückgeliefert werden müssen. Selbstverständlich kann auch Ersatz für den seit dem Versailler Raub am Bestand des Altares erfolgten Verlust gefordert werden.“ Die klare Position für die Verbringung sämtlicher Tafeln nach Berlin, die auch vonseiten Hitlers wohl nie infrage stand, ist wenig überraschend: Posse fühlte sich dem Kaiser-Friedrich-Museum, dem heutigen BodeMuseum, persönlich verbunden. Er hatte dort 1904, im Jahr der Eröffnung des Museumsbaus, seine Museumslaufbahn als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter begonnen und folglich die Präsentation der Tafeln in einem eigenen Kabinett miterlebt. Ab 1909 war er als Direktoralassistent Bode direkt unterstellt und wurde ihm ein enger Vertrauter. Als engagierter Museumskunsthistoriker war er überzeugt davon, dass es keinen besseren Platz für ein so wichtiges Kunstwerk geben könne als ein modernes, mit Restaurierungswerkstatt ausgestattetes Museum. Entsprechend führte er konservatorische Gründe an:
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„Für die Genter Kathedrale genügen völlig die vorhandenen alten Kopien dieser Tafeln, da die wertvollen Originale nur unter den örtlichen Verhältnissen leiden und – wie sich gezeigt hat – dort ständig der Diebstahlsgefahr ausgesetzt sind.“ Unmittelbar nachdem Hitler das Gutachten erhalten hatte, informierte Bormann Reichsaußenminister von Ribbentrop: Der Führer wünsche, dass er für die „umgehende Rückführung der Bilder des Genter Altares an das Berliner Museum“ sorge.31
Die Odyssee des Genter Altars Ein Gesandter des Militärbefehlshabers in Frankreich erstattete im Dezember 1941 genauen Bericht über den Standort des Genter Altares an das Berliner Museum. Am 12. Januar 1942 fragte Posse bei dessen Direktor Ernst Heinrich Zimmermann nach, ob ihm in jüngster Zeit etwas über die Rückführung bekannt geworden sei und erkundigte sich nach dem Standort der Flügel des Löwener Retabels. Offenbar wollte er sich vergewissern, ob sein Berliner Kollege schon selbst initiativ geworden war. Doch das war nicht der Fall.32 Merkwürdigerweise stagnierte die Angelegenheit erst einmal; in der ersten Juliwoche 1942 erhielt dann überraschenderweise der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Ernst Buchner, den schriftlichen Auftrag der Reichskanzlei, den Genter Altar nach Deutschland zu überführen und ihn in Neuschwanstein zu deponieren.33 Vermutlich übernahm Buchner bei dieser Mission Posses Rolle, der an Krebs erkrankt war und sich zu diesem Zeitpunkt zur Behandlung in einer Berliner Klinik befand. Hitler ließ sich über den Gesundheitszustand seines Sonderbeauftragten genauestens informieren: Krankendossiers gingen zwischen der Klinik und dem Führerhauptquartier hin und her; sein Leibarzt Karl Brandt stand in engem Kontakt mit Posse und dem behandelnden Arzt. Hitler dürfte also klar gewesen sein, dass an eine Wiederaufnahme der Reisetätigkeit Posses vorläufig nicht zu denken war. Buchner war vermutlich dessen Ersatzmann. Schon häufiger
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7. „Heimführung“
war er wegen Überlastung des Sonderbeauftragten als Gutachter für Gemälde herangezogen worden, hatte Expertisen für Hitler erstellt und ihn in Depotfragen beraten. Für Buchner sprach seine schnelle Verfügbarkeit: Die Alte Pinakothek, deren Leiter er war, lag nur wenige Schritte vom Führerbau entfernt; das war auch der Grund, weshalb die Restauratoren der Alten Pinakothek die Gemälde im Führerbau konservatorisch betreuten. Bei der Befragung durch die amerikanischen Kunstschutzoffiziere nach dem Krieg sagte Buchner aus, der Rückführungs-Auftrag sei ihm ohne vorherige Anfrage oder Besprechung erteilt worden und habe ihn überrascht. Das dürfte stimmen: Der Auftrag muss vor dem 6. Juli 1942 ergangen sein, denn an diesem Tag teilte Buchner seinem Berliner Kollegen Kümmel mit, dass er „unmittelbar von der Kanzlei des Führers“ zur Rückführung und Bergung „der Teile des Genter Altares, die sich früher im Besitz des Berliner Museums befunden haben“ beauftragt worden sei. Und fügte hinzu: „Es freut mich, dass endlich das schreiende Unrecht des Versailler Vertrages wieder gutgemacht wird.“34 Am 7. Juli 1942 wandte er sich mit dem Vorschlag an die Reichskanzlei, auch die „vier Flügeltafeln des Löwener Abendmahlsaltares von Dirk Bouts“, an einen „der sicheren, keiner Fluggefahr ausgesetzten Bergungsorte der bayerischen Alpenvorlande“ zu verbringen.35 Sie seien zurzeit in der Peterskirche in Löwen erhöhter Luftgefahr ausgesetzt. Zwei der Flügel stammten aus der Alten Pinakothek, die beiden übrigen aus Berlin. Buchner ergriff damit die Gelegenheit beim Schopfe, auch seine Tafeln „heimzuführen“. Dass der Auftrag tatsächlich so überraschend kam, wie Buchner nach dem Krieg behauptete, dafür spricht das nachgeschobene Ansuchen. Wäre Buchner schon im Vorfeld in die Repatriierungspläne involviert gewesen, hätte Hitlers Auftrag sicherlich auch die Überführung der Tafeln von Dirk Bouts umfasst. Hitler erteilte die Genehmigung; am 28. August 1942 nahm Buchner die Tafeln in Löwen in Empfang und liefert sie am 31. August in das Bergungsdepot Schloss Neuschwanstein ein, wohin bereits die Bestände der Bayerischen Gemäldesammlungen ausgelagert worden waren und wo sich auch das Depot der Rauborganisation Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) befand.
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Die Reichskanzlei scheint den Auftrag zum Genter Altar sehr allgemein gehalten zu haben, sodass Buchner rückfragen musste, ob „sich der Rücktransport und die Bergung nur auf die ehemals im Besitz des Berliner Museums befindlichen, auf Grund des Versailler Vertrages 1919 an Belgien gelieferten Tafeln des Genter Altares, nicht aber auch auf die früher in belgischem Besitz befindlichen Tafeln bezieht“. Wir kennen die Antwort nicht – auch in diesem Fall dürfte vieles telefonisch geregelt worden zu sein –, doch wir wissen um das Ergebnis: Buchner hat schließlich alle Tafeln nach Deutschland überführt. Am 24. Juli machte er sich auf den Weg und traf am 29. Juli 1942 am Zielort ein. Der Depotleiter in Pau wollte den Altar jedoch nicht herausgeben, da Pau in der freien Zone lag und Buchner keine Bewilligung der französischen Regierung vorweisen konnte. Daraufhin schaltete Buchner die Reichskanzlei ein und diese das Außenministerium. Am 3. August traf die Genehmigung zum Transfer nach Deutschland von Vichy-Regierungschef Pierre Laval ein, am 4. August ging der Transport unter militärischer Begleitung in Pau ab. Die siebzehn Tafeln, in zehn Kisten verpackt und gegen Druck und Stoß gesichert, trafen am 8. August 1942 im Schloss Neuschwanstein ein. Buchner erhielt für die Aktion eine nicht unerhebliche Zahlung von 30 000 Reichsmark als Aufwandsentschädigung. Nach dem geglückten Transfer informierte Buchner seinen Berliner Kollegen Ernst Heinrich Zimmermann. Dieser wandte sich seinerseits an Generaldirektor Kümmel in der Hoffnung, diesen als Unterstützer für eine Überführung nach Berlin zu gewinnen. Erneut wurden konservatorische Gründe angeführt: „Im Schloss Neuschwanstein sind […] der Genter Altar und der Altar aus Löwen in Parterre-Räumen aufgehängt. Geeignete Keller sind dort nicht vorhanden. Zudem ist die Gegend von Neuschwanstein heute schon Kriegsgebiet und wird womöglich bald Operationsgebiet sein. Ich sehe daher die einzige Möglichkeit, die Altäre bombensicher unterzubringen darin, dass man sie so schnell wie möglich im Flakturm in Friedrichshain unterbringt.“36
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7. „Heimführung“
Der Flakturm Friedrichshain war eines der Hauptdepots der Berliner Museen, wohin umfangreiche Bestände sowohl der Gemäldegalerie wie auch anderer Museumsabteilungen ausgelagert worden waren. Die Absicht, das unersetzliche Schlüsselwerk der nordalpinen Malerei in die Hauptstadt zu bringen, erstaunt, hätte doch der Transport allein wieder eine zusätzliche Gefahr dargestellt. Dass die Überführung nach Berlin nicht zustande kam, sollte sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen. Denn die über 400 Altmeistergemälde, vor allem Großformate, die sich zu Kriegsende im Flakturm Friedrichshain befanden, sind heute verschollen. Das Depot überstand die letzten Kriegstage zunächst unbeschadet und wurde am 2. Mai 1945 der Roten Armee übergeben. Aus ungeklärten Gründen brannte am 6. Mai das erste Geschoss des Flakturms aus; zudem kam es zu Plünderungen durch Zivilpersonen, da der Hochbunker zeitweise unbewacht war. Zwischen dem 14. und dem 18. Mai brannte es erneut. Diesmal griffen die Flammen auf das gesamte Bauwerk über. Die Vorgänge konnten bis heute nicht geklärt werden. Völlig verloren scheinen die Kunstwerke freilich nicht zu sein: Rund 10 000 Objekte wurden geborgen und in die Sowjetunion gebracht. „Einige wurden dem Puschkin-Museum geschickt; auf der Liste, die man bei ihrem Erhalt erstellte, wurden sie als ‚teilweise verbrannt‘, ‚schwer beschädigt‘ oder ‚zerbrochen‘ aufgeführt.“37 Am 8. September 1944 wurde der Genter Altar von Buchner in das Bergungsdepot Hitlers, das Altausseer Salzbergwerk, transferiert, zusammen mit den vier Tafeln des Löwener Abendmahlaltares sowie 70 Gemälden der Schack-Galerie.38 Der Münchner Hauptkonservator Dr. Karl Feuchtmayr und eine Hilfskraft der Pinakothek waren bei der Übergabe und beim Auspacken anwesend, wie das bei professionellen Kunsttransporten üblich ist. Die eingelieferten Kunstwerke standen auch im Salzbergwerk unter konservatorischer Obhut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen; die ständige Kontrolle des Zustands der Malerei wurde von dem vor Ort anwesenden Restaurator des „Sonderauftrags Linz“ durchgeführt. Der Altar erfuhr im Bergwerk wegen seiner überragenden kunsthistorischen Bedeutung außerordentliche Aufmerksamkeit. Der ansonsten wenig reisefreudige Sonderbeauftragte Hermann Voss begab sich tat-
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sächlich – es war das zweite Mal – nach Altaussee; er wollte sichergehen, dass der Altar optimal untergebracht und überwacht wurde. Voss befürchtete, sein Ruf als renommierter Malereiexperte und Museumsmann könnte nachhaltig geschädigt werden, wenn das unersetzliche Kunstwerk Schaden leiden würde. Am 22. September 1944 inspizierte er das Werk eingehend; der benachbarte, „Kapelle“ genannte Raum wurde geräumt, um dort alle Tafeln aufstellen zu können, sodass eine ständige konservatorische Kontrolle durch den Restaurator des „Sonderauftrags“, Karl Sieber, möglich war. Da die Mitteltafel, die Anbetung des Lammes, wegen ihrer Größe nicht durch die Stollen transportiert werden konnte, blieb sie im Atelier von Sieber. Dass der Münchner und nicht der Berliner Galeriedirektor mit der Rückführung beauftragt worden war, hat verschiedentlich den Verdacht genährt, Hitler habe den Genter Altar für sein Museum in Linz vorgesehen. Die Überführung in sein Bergungsdepot ließ diesen Verdacht weiter wachsen. Belege dafür haben sich in den Unterlagen des „Sonderauftrags“ nicht finden lassen. Buchner gab bei den Verhören an, der Altar sei nur sichergestellt gewesen und wäre nach dem Krieg an seinen Besitzer zurückgegeben worden. In einem unbedachten Moment entfuhr ihm freilich die Bemerkung, dass er für das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin vorgesehen gewesen sei.39 Alle Indizien sprechen dafür; die Berliner Museumsleitung wurde von jedem Vorgang informiert und hatte offenbar auch in Neuschwanstein Zugang zu dem Altar. Der Verdacht, Hitler habe das berühmte Kunstwerk für sein Linzer Museum vorgesehen, ist eine Folge des Mythos vom „Führermuseum“ als dem größten Museum der Welt, das wie ein Moloch alle hochrangigen Kunstbestände Europas geschluckt hätte. Vor dem Hintergrund unserer Kenntnis von Hitlers Verteilungsprogramm verliert dieser Mythos jedoch jegliche Überzeugungskraft.
8. Kunstraub in Frankreich
Die Rolle Hitlers Bezüglich Frankreich war das Thema Kunstraub, wie wir gesehen haben, ein deutsches Trauma, das durch die im Versailler Vertrag erzwungenen Auslieferungen von Kunstwerken aus deutschen Museen 1919 aktualisiert worden war und damit bestens in das populäre politische Programm von der Rückgängigmachung dieses „Schandvertrages“ passte. Hier knüpfte Hitler mit seinem Zugriff auf die jüdischen Privatsammlungen an. Das lässt jedenfalls Wilhelm Keitels Sicherstellungsdekret vom 30. Juni 1940 an den Kommandanten von Paris, General von Bockelberg, vermuten, das nun ausdrücklich dem jüdischen Kunstbesitz galt. Hitler habe nach Vortrag von Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop angeordnet, „dass – neben den in französischem Staatsbesitz befindlichen Kunstschätzen – auch die privaten, vornehmlich in jüdischem Besitz befindlichen Kunst- und Altertumswerte vor Verschleppung bzw. gegen Verbergung einstweilen in Verwahrung der Besatzungsmacht sichergestellt werden unter Kenntlichmachung des bisherigen französischen Besitzers.“ Keitel gab die Direktive mit der Erklärung weiter, die Werke würden nicht enteignet, sondern dienten dem Reich als Pfand für spätere Friedensverhandlungen.1 Der Text suggeriert, der Zugriff auf die jüdischen Kunstsammlungen sei vom Außenminister an Hitler herangetragen worden. Doch Hitler brauchte keine Anregung von außen, vielmehr stand dies seit dem „Füh-
Die Rolle Hitlers
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rervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 auf seiner Tagesordnung. Während des Westfeldzuges gingen ihm die Verteilungslisten der jüdischen Kunstsammlungen in Wien zu, und er nahm sich tatsächlich die Zeit, diese kritisch durchzugehen. Ähnliche Formulierungen wie „dem Führer ist vorgeschlagen worden“ finden sich mehrfach in den verschiedenen Fassungen des „Führervorbehaltes“. Sie haben das taktische Ziel, von der Initiative Hitlers abzulenken. Denn wiewohl Hitler den NS-Kunstraub zentral lenkte, versuchte er doch gleichzeitig, eine möglichst große Distanz zwischen seiner Person und dem Vorgang des Raubes herzustellen; so durfte sein Name – worauf die Aussendungen zum „Führervorbehalt“ immer wieder insistieren – bei Beschlagnahmebefehlen von Kunst nicht auftauchen. Außenminister Joachim von Ribbentrop hatte seinen langjährigen Frankreich-Referenten Otto Abetz als Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes beim Militärbefehlshaber in Frankreich eingesetzt, wo dieser unter anderem für die Kulturpolitik zuständig war. Abetz teilte dem Militärbefehlshaber in Paris am 1. Juli 1940 mit, dass er auf Befehl Hitlers seitens des Außenministers beauftragt sei, staatlichen und städtischen sowie jüdischen Kunstbesitz in den militärisch besetzten Gebieten sicherstellen zu lassen und die wertvollsten Werke aus jüdischem Besitz in die Deutsche Botschaft nach Paris zu überführen.2 Mit Unterstützung der Geheimen Feldpolizei ließ er von Juli bis September 1940 Bestände jüdischer Kunsthandlungen sicherstellen. Im Nebenhaus der Deutschen Botschaft in der Rue de Lille wurden die Spitzenwerke zusammengetragen und ein Raub-Inventar von Erich Meyer, Kustos des Schlossmuseums in Berlin, erstellt.3 Abetz wurde bei der Aktion von Eberhard Freiherr von Künsberg unterstützt, der bereits nach dem Überfall auf Polen im Auftrag des Auswärtigen Amtes ein Sonderkommando gebildet hatte, um politisch relevantes Material, sicherheitsrelevante Dokumentationen der feindlichen Außenministerien, Botschaften und sonstigen Vertretungen zu konfiszieren. Das Sonderkommando Künsberg erhielt am 10. Juli 1940 den Auftrag, „mit einer Kommission von Professoren den franz. staatlichen, städtischen und privaten Kunstbesitz zu ueberholen [sic] und […] Kunstschätze im Auftrag des Führers auszusuchen und zu sichern“.4 Die
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8. Kunstraub in Frankreich
Pariser Museen waren im August 1939 geschlossen worden, die Exponate waren, als die Deutsche Wehrmacht die Stadt einnahm, evakuiert. Gemeinsam mit deutschen und französischen Museumsexperten, darunter Jacques Jaujard, der Generaldirektor der französischen Nationalmuseen, wurden die Bergungsorte der französischen Museen inspiziert, versiegelt und unter die gemeinsame Aufsicht des deutschen Militärs und französischer Museumsbeamter gestellt.5 Bereits am 27. Juli 1940 telegraphierte die Deutsche Botschaft nach Berlin, „Kunstschätze im Schloss Chambord sind sichergestellt. Umfang 410 Kisten, 139 sonstige Gemälde, 67 Ballen Tapisserien, 216 Möbel“. In das Château de Chambord an der Loire waren in der zweiten Jahreshälfte 1939 Bestände des Louvre ausgelagert worden. Auch das berühmteste Gemälde des Museums, die Mona Lisa von Leonardo da Vinci, hatte sich ursprünglich hier befunden, war aber in der Zwischenzeit erneut verlagert worden. Über mehrere Zwischenstationen gelangte das Werk in den Süden, bei Kriegsende befand es sich in Pau in den Pyrenäen.6 In Chambord waren auch einige jüdische Privatsammlungen deponiert, die ihre geflüchteten Besitzer dem französischen Staat übereignet hatten.
Rosenbergs Zugriff auf die jüdischen Kunstsammlungen Hier schlug nun die Stunde Alfred Rosenbergs. Sein Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) trug eifrig und äußerst effizient jüdische Kunstsammlungen und jüdisches Kulturgut in den besetzten Ländern zusammen. Von allen NS-Kunstrauborganisationen war er mit Abstand die erfolgsreichste. Jonathan Petropoulos sprach von der „effektivsten Kunstraubinstitution, die die Welt je gesehen hat“. Die Zuständigkeit des ERR für Hitlers Kunstraubprogramm war nicht von Beginn an absehbar, bestand die Aufgabe des Rosenberg’schen Einsatzstabes doch in der „geistigen Bekämpfung der weltanschaulichen Gegner der NSDAP“. Deshalb bezog sich seine Ermächtigung zunächst darauf, öffentliche und nichtöffentliche Einrichtungen nach „gegen uns gerichteten politischen Vorgängen zu durchforschen und das in Betracht kommende
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Material beschlagnahmen zu lassen“.7 Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, setzte den Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden und den Chef der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, am 5. Juli 1940 davon in Kenntnis. Die Gestapo wurde mit der Durchführung dieser Maßnahmen betraut. Wie in Österreich entwickelten die Rothschild-Sammlungen auch in Frankreich eine katalysatorische Wirkung, die zur Erweiterung der Zuständigkeit Rosenbergs führte. Bei seinen Durchsuchungen stieß der Einsatzstab auch auf hochrangige Kunstwerke. So notierte Rosenberg am 6. September 1940 in sein Tagebuch: „Ich erzählte dem Führer über die Funde in einem Palais Rothschild in Paris. Falltür und Geheimkeller mit 62 Kisten voll Urkunden, Büchern u. a.“ Man habe dort sogar ein Kästchen mit Porzellanköpfen Friedrichs des Großen entdeckt.8 „Rothschild“, „Verstecke in Geheimkellern“, „Friedrich der Große“: Das waren gut gewählte Reizworte für Hitlers. In seinem Zwischenbericht über die Erfassung herrenlosen jüdischen Kunstbesitzes in den besetzten Westgebieten vom 16. April 1943 verwies Rosenberg erneut auf die „berühmten Sammlungen der Judenfamilie Rothschild“ und betonte die „Schwierigkeit der Erfassungsaktion“ aufgrund unterschiedlicher Standorte in Paris, Bordeaux und den Loire-Schlössern der Rothschilds, die langwierige Nachforschungen notwendig gemacht hatten, um die Leistungen seines Stabes herauszustreichen.9 Am 17. September 1940 ging die Zuständigkeit für die jüdischen Kunstsammlungen an Rosenberg und seinen ERR über. Keitel sandte ein Schreiben an den Oberbefehlshaber des Heeres und die Militärverwaltung im besetzen Frankreich. Darin heißt es, Hitler habe Rosenberg in Ergänzung seines früheren Auftrags, „in den besetzen Gebieten des Westens Logen, Bibliotheken und Archive nach für Deutschland wertvollem Material zu durchsuchen und dieses durch die Gestapo sicherzustellen“ ermächtigt, auch „die ihm wertvoll erscheinenden Kulturgüter nach Deutschland abzutransportieren und hier sicherzustellen“. Das Schreiben erwähnt ausdrücklich die Bestände des Palais Rothschild. Zugleich wurde der „Führervorbehalt“ für die Bestände ausgesprochen: „Über ihre Verwendung hat der Führer sich die Entscheidung vorbehalten.“10
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8. Kunstraub in Frankreich
Rosenberg durfte also selbst entscheiden, welche Kunstwerke als wertvoll, also museumstauglich zu gelten hatten. Damit stellte Hitler ihm eine umfassende Vollmacht aus. Falls daraus abgeleitet werden darf, dass er ihm einen echten Kunstverstand zutraute, so hing dies sicherlich damit zusammen, dass Rosenberg mit Hitler sein Selbstverständnis als verhinderter Maler und Genie teilte.11 In Reval, dem heutigen Tallinn, geboren, hatte Rosenberg ursprünglich Malerei studieren wollen, sich in seiner Jugendzeit im „Abzeichnen Alt-Revals“ geübt und fleißig kopiert, „um Hand und Auge zu üben“. Genauso hatte sich Hitler der Malerei genähert, auch er hatte kopiert und Alt-Wien und Alt-München abgezeichnet! Beide waren auf diese Weise auch zur Architektur gelangt. Während Rosenberg aber tatsächlich ein Architekturstudium einschlug, das er in Moskau abschloss, versuchte Hitler sein Ziel autodidaktisch über das Architekturzeichnen zu erreichen. Rosenberg wusste, dass es vor allem die Malerei war, die Hitler persönlich interessierte. Sie verschaffte ihm den persönlichen Zugang zu Hitler – nicht die Archivalien und Bücher, deren Raub die eigentliche Aufgabe des ERR war. Sein ganzes Leben lang habe ihn „ein stilles Bedauern beschlichen, nicht ganz bei der Malerei geblieben zu sein“, behauptete Rosenberg nach dem Krieg, bevor er 1946 als Kriegsverbrecher in Nürnberg hingerichtet wurde.12 Man habe nur den kämpfenden Politiker beurteilt und nicht einen Menschen, der von der „Kunst des Auges“ aus an das Leben herangetreten sei. Dass Hitler Rosenberg nicht nur als Partei-Ideologen schätzte, sondern auch als Kunstpolitiker, zeigt der Umstand, dass er ihn im Februar 1937 mit der Herausgabe der Zeitschrift Die Kunst im Dritten Reich (ab 1939 Die Kunst im Deutschen Reich) betraute. Redakteur war der Maler und Kunstpublizist Robert Scholz, der seit 1937 auch einen Sonderstab Bildende Kunst leitete. Rosenberg stand also ein Mitarbeiterstab zur Verfügung, der die Selektion der hochwertigen Kunstwerke vornehmen konnte. Rosenberg durfte Hitler 1938 auf dem als Kunstreise inszenierten Staatsbesuch nach Italien begleiten, galt er doch als Kenner der europäischen Malereigeschichte und der europäischen Galerien. Denn anders als der wenig weltläufige „Führer“ kannte er den Louvre, die Eremitage in Petersburg, das Puschkin-Museum und den Kreml in Mos-
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kau, wo er studiert hatte, aber auch die Galerien in Dresden, Berlin und München. Unmittelbar nach dem Führerbefehl vom 17. September 1940 setzte die Erfassungsaktion des ERR ein. Zuerst wurden die Kunstsammlungen geflüchteter Juden in Paris gesichert, danach die Aktion auf alle übrigen Städte und Orte des besetzten Frankreich ausgedehnt. Schon im November 1940 konnte Rosenberg Hitler mitteilen, dass er „zahlreiches wertvolle Kunstgut“ vorgefunden habe. Zur Vorsicht habe er die Militärverwaltung beauftragt, die „wertvollsten Kunstgegenstände“ daraus zu beschlagnahmen und etliche Stücke davon im Louvre unterzubringen. Er schätzte den Gesamtwert auf eine halbe Billion Reichsmark.13 Die Kunstwerke wurden also in ein Sammellager im leer stehenden Louvre gebracht, dort vom kunsthistorischen Fachpersonal des Sonderstabes Bildende Kunst wissenschaftlich inventarisiert, fotographiert und für den Abtransport ins Reich verpackt. In seinem Abschlussbericht betonte Scholz, die Arbeit sei besonders schwierig gewesen, „da die meisten Sammlungen und einzelnen Kunstgegenstände ohne alle Inventare oder Herkunftsbezeichnungen übernommen wurden und die wissenschaftlichen Zuschreibungen erst durch die Kunstwissenschaftler des Einsatzstabes durchgeführt wurden“.14 Wir erkennen hier dieselbe Selbst-Legitimierung durch wissenschaftliches Arbeiten, wie wir sie schon in Österreich und Polen beobachten konnten. In der Folge zog sich Abetz, der unter anderem für die Kunstpolitik zuständige Vertreter des Auswärtigen Amtes, zurück: Am 28. September 1940 gab er dem Militärbefehlshaber gegenüber an, in Zukunft keine Konfiskationen von Kulturgut mehr vorzunehmen, es sei denn, dass diese „durch die Militärverwaltung oder auf schriftlichen Führerbefehl vorgenommen werden sollen“.15
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Posse in den Pariser Raubkunstdepots Es ist allgemeine Forschungsmeinung, Hitlers Sonderbeauftragter Hans Posse habe sich aus dem Kunstraub in Frankreich herausgehalten und sei nie in den Pariser Raubkunst-Depots aufgetaucht. Schon der amerikanische Kunstschutzoffizier S. Lane Faison, der als Mitglied des amerikanischen Geheimdienstes Office of Strategic Services (OSS) den Linz-Report verfasste, ließ sich von der Aktenlage täuschen, ja erklärte diesen Umstand sogar entlastend: Der renommierte Museumsmann habe sich nicht mit Objekten solcher Herkunft belasten wollen.16 Tatsächlich hätte sich Posse Zurückhaltung auferlegen können, denn mit dem Befehl vom 17. September 1940 war bezüglich der jüdischen Kunstsammlungen das Wesentliche geregelt, der „Führervorbehalt“ ausgesprochen, die Kompetenz einem Mann und einer Organisation übertragen – Rosenberg und seinem Stab – und der Abtransport der Werke ins Reich beschlossen. Posse hätte sich also erst einschalten müssen, um die Verteilung der Kunstwerke auf die Museen des Deutschen Reiches durchzuführen. Die historische Realität ist eine andere: Posse hat die Raubkunstdepots in Paris sehr wohl inspiziert, und zwar ausführlich.17 Wenn dies Faison und allen Forschern, die sich nach ihm mit dem Thema auseinandergesetzt haben, verborgen blieb, so hängt dies mit dem Umstand zusammen, dass Posse die brisante Angelegenheit des Kunstraubes als Geheimsache behandelte. Er war geradezu übervorsichtig: Sogar in seinen Briefen an den in jeder Hinsicht bestens eingeweihten Bormann machte er nur Andeutungen: „Ich fahre im Laufe dieser Woche nach Frankreich, um dort gewissen Sachen nachzugehen“, formulierte er am 14. Oktober 1940 hinsichtlich seiner Paris-Mission.18 Einem Schreiben eines seiner Mitarbeiter aus der Zeit nach Posses Tod ist zu entnehmen, dass dieser „stark politische Schriftstücke gern mit nach Hause zu nehmen und privat zu verwahren“ pflegte.19 Sie sind folglich nicht in die Korrespondenz des „Sonderauftrags Linz“ eingegangen, die im deutschen Bundesarchiv und in den US-amerikanischen National Archives der Forschung zur Verfügung steht. Posses Mission blieb geheim. Dazu bestand durchaus Grund: Posse war natürlich klar, dass ein Zugriff auf
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und Abtransport von jüdischem Kunstbesitz aus einem besetzten Land gegen die Haager Konvention verstieß und im Übrigen auf den Widerstand der Vichy-Regierung treffen musste. Wie seinem Reisetagebuch zu entnehmen ist, hielt sich Posse elf Tage in der französischen Hauptstadt auf, vom 19. bis zum 29. Oktober 1940, länger als von ihm selbst erwartet. Dass er in dieser Zeit lediglich einige Gespräche geführt und nur ein Gemälde erworben haben soll,20 ist allein schon aufgrund des Zeit-Leistungs-Verhältnisses nicht plausibel, denn Posse war ein effektiver Arbeiter, geradezu ein „Arbeitstier“. Es scheint, als sei der Sonderbeauftragte aus eigenem Antrieb aktiv geworden: Im Sommer 1940 war der Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien, Fritz Dworschak, als Mitglied im Komitee für die Wiedererlangung von Kunstwerken, gestohlen von den Franzosen aus Deutschland seit 179421 nach Paris gereist und am 24. August hatte er Posse seinen Lagebericht gesandt. Offenbar ist Posses Initiative auch auf das Rückführungsprojekt zurückzuführen, jedenfalls hat er eine Stellungnahme zur Sicherung des deutschen Kulturgutes in Frankreich22 und später das Gutachten zur Rückführung des Genter Altares verfasst. Wiewohl die Rückführung ehemals deutschen und der Raub privaten jüdischen Kunstbesitzes getrennte Agenden waren, für die verschiedene Organisationen zuständig waren, überschneiden sich die Bereiche in der Person Posses. Dass er – nachdem Rosenberg auf die jüdischen Sammlungen angesetzt und Kümmel beziehungsweise Goebbels für die Repatriierungen zuständig waren – auch noch nach Paris gesandt wurde, hängt sicherlich mit seiner zentralen Funktion als Hitlers Berater in allen Kunstfragen und als dessen Vertrauensmann zusammen. Möglicherweise war Dworschak von Posse beauftragt worden, bezüglich der jüdischen Kunstsammlungen Erkundungen einzuholen; präsent war die Thematik beiden, da sie im österreichischen Kunstraub leitende Rollen einnahmen. Der Wiener Museumsdirektor wies in seinem Brief jedenfalls darauf hin, dass noch keine übergeordnete Stelle für die Beschlagnahme des jüdischen Kunstbesitzes zuständig sei. Dabei habe sich doch eine Anzahl von Gegenständen in Paris angesammelt, deren Durchsicht an Ort und Stelle sich empfehlen würde. Ein Auftrag
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dazu sei daher zu begrüßen.23 Das war die unverhohlene Aufforderung an Posse, die Zuständigkeit für die jüdischen Sammlungen an sich zu ziehen. Am 9. Oktober 1940 erhielt Posse den offiziellen Auftrag zur ParisMission. Am Tag darauf telefonierte er in der Angelegenheit mit Dworschak. Er verschaffte sich wichtige Adressen, wie die von Werner Best, dem Pariser Verwaltungschef des Oberkommandos der Wehrmacht. Am 14. Oktober wurde er von Bormann um 21.30 Uhr telefonisch aufgefordert, nach München zu kommen; abends darauf fuhr er mit dem Nachtzug dorthin und traf am 16. Oktober anlässlich einer Bilderbesichtigung im Führerbau mit Hitler zusammen. Zweifellos wurde auch die bevorstehende Paris-Reise ausführlich vor-besprochen. Am 18. Oktober fuhr Posse mit der Bahn über Frankfurt, wo Karl Haberstock zu ihm stieg, nach Paris. Vermutlich hat ihn der Kunsthändler bei der Begutachtung der umfangreichen Raubkunst-Bestände unterstützte. Am 20. und 21. Oktober 1940 hielt Posse sich im „Depot der sichergestellten Sachen im Louvre“ auf, wie sein Reise-Notizbuch dokumentiert. Über mehrere Seiten hin machte er sich Notizen über Kunstwerke, und zwar schon systematisch geordnet: Italien, Franzosen, Skulpturen und Kunstgewerbe, Teppiche. Die Notizen dienten ihm als Gedächtnisstütze für die späteren Berichte beziehungsweise Vorträge bei Bormann und Hitler. Wie in Polen fand er einen großen Teil der Beute verpackt vor, bereits präpariert für den Abtransport ins Reich.
Der Profiteur Hermann Göring Anfang November 1940 tauchte der zweite Mann im NS-Staat, Hermann Göring, in Paris auf, um sich einen Eindruck von den sichergestellten Kunstbeständen zu machen.24 Am 5. November 1940 erließ er provisorische Bestimmungen, wie mit den Kunstwerken im Louvre zu verfahren sei:
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„In Fortführung der bisher getroffenen Maßnahmen zur Sicherstellung des jüdischen Kunstbesitzes durch den Chef der Militärverwaltung Paris und durch den Einsatzstab Rosenberg, wird mit den in den Louvre verbrachten Kunstgegenständen in folgender Weise verfahren: 1.) Diejenigen Kunstgegenstände, über deren weitere Verwendung sich der Führer das Bestimmungsrecht vorbehalten wird, 2.) diejenigen Kunstgegenstände, die zur Vervollständigung der Sammlungen des Reichsmarschalls [Göring] dienen, 3.) diejenigen Kunstgegenstände und Bibliotheksbestände, deren Verwendung beim Aufbau der Hohen Schule und im Aufgabenbereich des Reichsleiters Rosenberg angebracht erscheinen, 4.) diejenigen Kunstgegenstände, die geeignet sind, deutschen Museen zugeleitet zu werden, werden unverzüglich durch den Einsatzstab Rosenberg ordnungsgemäß inventarisiert, verpackt und mit Unterstützung der Luftwaffe nach Deutschland gebracht. 5.) Diejenigen Kunstgegenstände, die geeignet sind, den französischen Museen und dem deutschen und französischen Kunsthandel zugeleitet zu werden, werden an einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt versteigert und der dafür einkommende Erlös dem französischen Staat zu Gunsten der französischen Kriegshinterbliebenen überlassen. 6.) Die weitere Erfassung jüdischen Kunstbesitzes in Frankreich geschieht in der bisher bewährten Form durch den Einsatzstab Rosenberg in Zusammenarbeit mit dem Chef der Militärverwaltung Paris. Ich werde diesen Vorschlag dem Führer vorlegen. Bis zu seiner Entscheidung gilt diese Regelung.“25 Am 13. November 1940 wandte sich Rosenberg an Hitler, mit Vermerk „Geheim“ und „Persönlich!“ und erbat einen Befehl, dass der ERR bevollmächtigt werde, die sichergestellten Kulturgüter mit Unterstützung der Militärverwaltung in Frankreich zu inventarisieren und in einem Sonderzug mit Unterstützung der Luftwaffe nach Deutschland zu transportieren. Als Aufbewahrungsort schlug er die Kellerräume des Deutschen Museums in München oder des Schlosses Wilhelmshöhe
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in Kassel vor. Hitlers Genehmigung kam postwendend am 14. November 1940.26 Rosenbergs Bericht war ein Begleitschreiben an Bormann beigefügt, in dem er voller Stolz den Fund des Gemäldes Der Astronom von Jan Vermeer van Delft mitteilte: „In dringender Eile beiliegende Meldung an den Führer, die ihn, glaube ich, sehr freuen wird. Der Reichsmarschall Göring wird dem Führer in diesen Tagen ebenfalls über seine Besichtigung Bericht erstatten. Ich kann dem Führer auch noch mitteilen, dass das von ihm erwähnte Werk Jan Vermeer van Delfts sich ebenfalls unter dem beschlagnahmten Besitz der Rothschilds befindet.“ Aus der Bemerkung geht hervor, dass Rosenberg zuvor mit Hitler über die Pariser Rothschild-Sammlungen gesprochen und dieser deren Hauptwerk, Der Astronom von Vermeer, erwähnt hatte. Hitler hatte es anlässlich eines Gesprächs über Kunst in der Reichskanzlei als eines der größten Werke der niederländischen Malerei bezeichnet.27 Das Thema lag Ende 1940 nahe, denn im Oktober hatte Hitler den Vermeer aus der Wiener Sammlung Czernin Der Maler und sein Modell, heute unter dem Titel Die Malkunst bekannt, für 1 650 000 Reichsmark für das „Führermuseum“ angekauft. Mit dem Astronomen stellte Rosenberg Hitler nun ein zweites Werk dieses Malers zur Verfügung. Das versprach einen außerordentlichen Prestigegewinn für die Linzer Sammlung, denn das Œuvre des niederländischen Malers ist außerordentlich klein. Nach heutigem Kenntnisstand umfasst es weniger als 40 Werke. Alle Gemälde des Malers, die in den Jahren zuvor auf den Kunstmarkt gelangten, waren aus Europa nach Amerika abgewandert, ein Umstand, dem in der zeitgenössischen Kunstpublizistik große Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es herrschte in Museumskreisen der Eindruck, dass amerikanische Privatsammler mit ihren enormen finanziellen Möglichkeiten einen Ausverkauf der europäischen Kunst herbeiführen würden, ohne dass die europäischen Museen dem etwas entgegensetzen konnten. In der Anlage seines Briefes vom 13. November 1940 sandte Rosenberg die Göring-Anordnung vom 5. November mit, aus der hervorgeht,
Kolumne
Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Bildmappe VII/1, Jan Vermeer, „Der Astronom“, 1940 beschlagnahmt aus der Sammlung Édouard de Rothschild, Paris
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dass Göring Kunstwerke auch für sich selbst forderte. Diese Ansprüche scheinen von Hitler nicht problemlos akzeptiert worden zu sein. Auch Göring hatte wohl am 14. November eine Unterredung mit Hitler.28 Am 18. November 1940 verschickte der Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers das Rundschreiben, mit dem der „Führervorbehalt“ auf die von deutschen Truppen besetzten Gebiete erweitert wurde; die Adressaten waren der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, die Reichskommissare für die besetzten norwegischen und die besetzten niederländischen Gebiete, die Chefs der Zivilverwaltungen im Elsass, in Lothringen und Luxemburg. Das Schreiben nimmt ausdrücklichen Bezug auf den Kunstraub in Österreich: „Nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich hat der Führer, als in der Ostmark in größerem Umfange die Vermögen von Staatsfeinden beschlagnahmt und eingezogen wurden, sich die Entscheidung über die Verwendung der beschlagnahmten und eingezogenen, zum Teil überaus wertvollen Kunstwerke vorbehalten, um von vorneherein jede missbräuchliche Verwendung dieser Kunstwerke auszuschließen. Dem Führer ist jetzt vorgeschlagen worden, auch für die von den deutschen Truppen besetzten Gebiete einen entsprechenden Vorbehalt zu machen. Der Führer hat diesem Vorschlag zugestimmt und sich die Entscheidung über die Verwendung von Kunstwerken vorbehalten, die in den von den deutschen Truppen besetzten Gebieten von deutschen Stellen beschlagnahmt worden sind oder beschlagnahmt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob etwa auch durch einheimische Behörden eine Beschlagnahme erfolgt ist. Die deutschen Maßnahmen haben auf jeden Fall den Vorrang. Der Beauftragte des Führers für die Vorbereitung der Entscheidungen über die Verwendung der Kunstwerke ist der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden, Herr Dr. Posse. Indem ich Ihnen hiervon Kenntnis gebe, bitte ich für Ihren Geschäftsbereich zu veranlassen, dass Herr Dr. Posse benachrichtigt wird, falls Kunstwerke von deutschen Stellen beschlagnahmt werden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, dass der Vorbehalt des Führers keine Anordnung zur Beschlagnahme von Kunstwerken enthält. Er bezieht
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sich nur auf Fälle, in denen ohnehin eine Beschlagnahme bereits erfolgt ist oder erfolgt.“29 Wie immer wurde Posse von der Erweiterung seiner Kompetenzen auch noch einmal schriftlich unterrichtet; auch die Meldung Rosenbergs wurde an ihn weitergeleitet.30 Ab diesem Zeitpunkt war nicht mehr nur Rosenberg für die „Führerauswahl“ zuständig, sondern auch Posse. Da der „Führervorbehalt“ ja schon ausgesprochen worden war, ging es im Schreiben vom 18. November 1940 vor allem darum, Posses Zuständigkeit zu implementieren und die missbräuchliche Verwendung der beschlagnahmten Kunstwerke zu unterbinden. Die Kooperation mit Göring war nicht so konfliktfrei, wie dies die Raubkunstliteratur gerne schildert.31 Es muss bei dem Treffen mit Hitler am 14. November 1940 zu Friktionen, vielleicht sogar zu einer Auseinandersetzung gekommen sein. In der Folge scheint Göring von Hitler für einige Wochen kaltgestellt worden zu sein oder er zog sich freiwillig zurück. Jedenfalls beschönigte er die Situation, als er Erholungsbedarf behauptete: „Zurzeit hat mir der Führer einen mehrwöchigen Erholungsurlaub gegeben, den ich dringend notwendig hatte, da ich mich zum ersten Male am Ende meiner Kraft befand. Ich bin zunächst auf mein Jagdhaus nach Rominten gegangen, um einmal etwas abgesetzt von allen Sorgen mich erholen zu können.“ Grund zum Ärger war vorhanden: Göring hatte mit seinem Anspruch auf einen Teil der jüdischen Sammlungen gegen Hitlers Anordnung verstoßen, dass die unter „Führervorbehalt“ gestellten Kunstwerke „weder zur Ausstattung von Diensträumen der Behörden oder Dienstzimmern leitender Beamter verwendet, noch von leitenden Persönlichkeiten des Staates und der Partei erworben“ werden durften, wie das der „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 forderte, auf den das neue Rundschreiben ausdrücklich Bezug nahm. Die Turbulenzen, die der Konflikt ausgelöst hatte, klingen in einem Schreiben Görings an Rosenberg vom 21. No-
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vember 1940 nach, mit dem er seine Forderungen zu rechtfertigen versuchte.32 Göring sprach in seinem Brief von „falschen Vorstellungen“ hinsichtlich seines Verhaltens, die er vermeiden möchte. Rosenberg berichtete bei den Verhören vor dem Nürnberger Militärtribunal von Beunruhigungen, die ihn beschlichen hätten: „Als Reichsmarschall Göring, der diese Arbeiten des Einsatzstabes auf Befehl des Führers besonders unterstützte, eine Anzahl dieser Kunstwerke für sich, das heißt für seine Sammlung abgezweigt hatte, war ich offengestanden etwas beunruhigt, weil mit diesem Auftrag ich ja auch, mit meinem Namen, eine Verantwortung für die gesamten beschlagnahmten Kunst- und Kulturwerke übernommen hatte und deshalb verpflichtet war, sie als Gesamtheit zu katalogisieren und für alle Verhandlungen oder Entschlüsse zur Verfügung zu halten. Ich habe deshalb meinem Beauftragten die Weisung gegeben, möglichst eine genaue Aufstellung dessen zu machen, was Reichsmarschall Göring, und zwar mit Genehmigung des Führers, für seine Sammlung abgezweigt hatte.“33 In der Folge dieser Auseinandersetzung sah sich Göring genötigt, den „lieben Parteigenossen Rosenberg“ wieder auf seine Seite zu ziehen, indem er ihn ziemlich unverblümt auf seine Verdienste hinsichtlich des NS-Kunstraubes aufmerksam machte. In seiner Diktion betont er, „dass besonders wertvolle Kulturgüter aus jüdischem Besitz durch mich aus ihren Verstecken geholt werden konnten, da ich schon von langer Hand durch Einsatz von Bestechungsgeldern und Engagieren französischer Detektive und Kriminalbeamter ganz schwer zu findende Verstecke herausgefunden habe.“ So sei er in den Besitz einer außerordentlich hohen Zahl von Gegenständen gekommen, „die zur Ausschmückung von Bauten von Partei und Staat sowie zur Auffüllung von Museen verwendet werden können“. Er sprach hier seine sogenannten Devisenschutzkommandos an, welche die Aufgabe hatten, Bankschließfächer und Bankdepots emigrierter
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Juden auszuplündern. Dort fanden sie oft auch Kunstwerke; so wurde etwa ein großer Teil der Sammlungen von Edmond, von James Armand und von Alexandrine Rothschild in fünf Panzerräumen der Banque de France und des Crédit Lyonnais aufgefunden. Görings Devisenschutzkommandos sollten dem ERR im Laufe der Zeit 1359 Objekte zuführen.34 Wenn sich Göring Rosenberg gegenüber als bedeutender Kunstsammler präsentierte, so heißt das auch, dass sein Anspruch, „durch Tausch und Kauf, durch Geschenke und Testamentsvermächtnisse vielleicht die bedeutendste Privatsammlung zumindest in Deutschland, wenn nicht in Europa“ zu besitzen, keineswegs allgemein bekannt und damit seine Rolle als großer Sammler auch nicht akzeptiert war. Göring führte aus: „Es handelt sich hier vor allem um die Werke, die ich unter dem Begriff früh-nordische Malerei zusammenfasse, d. h. also, die frühdeutschen, die frühen Niederländer und Flamen, die Werke aus der französischen Gotik, und zwar sowohl um Bilder wie um Skulpturen.“ Mit dem Sammlungsschwerpunkt auf der spätgotischen Malerei trat er in die Fußspuren seines Taufpaten (und möglicherweise Vaters) Hermann von Epenstein, auf dessen Burg Veldenstein bei Nürnberg Göring einen Großteil seiner Jugend verbracht hatte. Epenstein vermachte ihm Burg Veldenstein und Burg Mautendorf in Oberösterreich sowie Teile seiner Kunstsammlung. Ab 1936 sammelte Göring dann in größerem Umfange selbst und ließ sich ein Jahr später von dem Berliner Kunsthändler Walter Andreas Hofer beraten. 1939 besaß er 15 Gemälde Lucas Cranachs beziehungsweise seiner Schule. Zudem – so führte er Rosenberg gegenüber weiter aus – besäße er „eine sehr umfangreiche und hochwertige Sammlung der Holländer aus dem 17. Jahrhundert und eine verhältnismäßig kleine, aber sehr gute Sammlung Franzosen aus dem 18. Jahrhundert und schließlich eine Sammlung italienischer Meister“.
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Seine Einschätzung war maßlos übertrieben. Das, was er zusammengetragen hatte, war weit davon entfernt, zu den bedeutenden Privatsammlungen Europas oder auch nur Deutschlands zu gehören. Die Kollektion war medioker, wie eine Rekonstruktion nachweisen konnte, und Museumsformat hatte sie zweifellos nicht.35 Göring lockte in seinem Brief ziemlich unverblümt mit seinen Sonderzügen: „Ich habe versprochen, die Arbeit Ihrer Herren kräftigst zu unterstützen und ihnen das bereitzustellen, was sie bisher praktisch nicht erreichen konnten, nämlich Transportmittel und Bewachungspersonal, und die Luftwaffe ist hier angewiesen, das Äußerste an Hilfstellung zu leisten.“ Gegen Ende beeilte sich der Briefschreiber zu versichern, dass er für die Übernahme der Kunstwerke die Zustimmung Hitlers habe. Weiter führte er aus, dass er diese bezahlen würde. Es handelte sich überdies bisher nur um 15 Bilder: „Ich halte diesen Prozentsatz nebenbei schon deshalb für berechtigt, da ich nachweislich durch meine Bemühungen einen sehr großen Teil der Kunstgüter aus ihrem Versteck herausgeholt habe. Über den wertvollsten Teil der Sammlungen hat sich der Führer das Bestimmungsrecht selbstverständlich vorbehalten.“
Konflikte um den Abtransport Anfang Februar 1941 erschien Göring erneut in Paris. Seine Absicht war, mit dem Abtransport der konfiszierten Sammlungen zu beginnen. Er besuchte auch den zum Louvre gehörigen Jeu de Paume, wohin ab Ende Oktober 1940 die Bestände des ERR gebracht wurden. Das ehemalige Ballhaus diente seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Ausstellungsort für Gegenwartskunst und war als solches zu diesem Zeitpunkt funktionslos. Wie die Orangerie des Belvedere in Wien, die zuvor ebenfalls als
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Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Ausstellung im Jeu de Paume, Paris, 28. Juli 1942
Museum der Moderne genutzt worden war, diente der Jeu de Paume nun der Präsentation sichergestellter Kunstwerke. Hier arbeitete unter der Leitung von Kurt von Behr eine ganze Mannschaft von deutschen und französischen Fachleuten – Kunsthändler und Kunsthistoriker –, um die Kunstwerke zu kategorisieren und zu katalogisieren. Erwähnt sei der junge Kunsthistoriker Bruno Lohse, ein Fachmann für holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, der für die Inventarisierung der Sammlung Alphonse Kann vom Militärdienst freigestellt worden war. Im Jeu de Paume hatte Göring seine großen Auftritte, mit denen er die Mitarbeiter und darüber hinaus über Jahrzehnte die Geschichtsforschung beeindruckt hat. Weniger auffällig gingen Hitler und sein Sonderbeauftragter Posse vor, die den Kunstraub als Geheimsache behandelten. Nur zweimal ist Hitler unseres Wissens nach in einem Raubkunstdepot erschienen, nämlich im Zentraldepot der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien – wobei beide Besuche ohne Öffentlichkeit und Fotographen stattfanden. Später scheint er kein Depot
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mehr betreten zu haben, obwohl sich das sowohl Rosenberg als auch Posse und die Depotverwalter sehr wünschten. Görings Besuch am 5. Februar 1941 ist legendär geworden. Bei dieser Gelegenheit soll er angeblich 53 Kunstgegenstände, meist Gemälde, aber auch einige kostbare Möbelstücke und mehrere Gobelins aus den beschlagnahmten Kunstsammlungen für Hitler ausgesucht haben. Es bildete sich der Mythos heraus, Göring habe autonom, über den Kopf Hitlers und seines Sonderbeauftragten hinweg gehandelt. Diese Fehleinschätzung gipfelte neuerdings in der Behauptung, Posse sei durch Görings Initiativen zu einer Randfigur geworden.36 Doch Göring handelte nicht autonom, sondern auf Anweisung. Posse hatte zuvor aus einer „Kollektion von Photographien“, die Hitler im Herbst zuvor vom ERR erhalten hatte, eine Auswahl getroffen.37 Göring übergab eine Auswahlliste samt Fotos am 4. Februar 1941 dem Sachbearbeiter beim Militärbefehlshaber in Paris, Hermann Bunjes, der die Gemälde heraussuchen und vermutlich aufhängen ließ. Am Tag darauf besichtigte der Reichsmarschall in Begleitung von General Hanesse, dem Luftwaffenkommandanten von Paris, sowie seinen Kunstsachverständigen Walter Andreas Hofer und Josef Angerer die Präsentation. In einem streng vertraulichen Bericht an seinen Vorgesetzten schilderte Hermann Bunjes die Vorkommnisse: Er habe Göring noch einmal unter vier Augen darauf aufmerksam gemacht, dass eine Protestnote der französischen Regierung vorliege. Doch Göring habe geantwortet, seine Befehle seien maßgebend und die Werke würden nach Berlin abtransportiert. Auf seinen Einwand hin, die Juristen seien wahrscheinlich anderer Meinung und auch vonseiten des Militärbefehlshabers in Frankreich seien Einwendungen zu erwarten, habe Göring geantwortet: „Lieber Bunjes, das lassen Sie meine Sorge sein, der höchste Jurist im Staate bin ich.“38 Die Kunstgegenstände wurden in zwei Eisenbahnwaggons verladen, dem Sonderzug Görings angehängt und bei seiner Abreise nach Berlin am 8. Februar mitgenommen. Über den Umweg Berlin trafen Anfang März 1941 53 Hauptwerke, hauptsächlich Gemälde, aber auch einige Tapisserien und mehrere Möbelstücke, im Führerbau in München ein.39 Das war aber nur ein Teil der Werke, die Posse ausgesucht hatte. 28 Gemälde fehlten; auf Rückfrage bei Scholz teilte ihm dieser mit, dass sich
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diese in Neuschwanstein befänden. Posse insistierte nun darauf, dass sie nach München gesandt werden müssten. Das scheint jedoch bis Anfang 1943 noch nicht geschehen zu sein, als Reimer die Herausgabe der immer noch nicht gelieferten fehlenden Gemälde aus Paris erneut einforderte. Die Sicherstellungen von im Jargon der Zeit „herrenlosen“ jüdischen Kunstsammlungen stellte an und für sich keinen Konflikt mit dem militärischen Kunstschutz unter Leitung von Franz Graf Wolff-Metternich dar. Sicherstellung im eigentlichen Sinne bedeutete ja, Kunstwerke gegen Raub und Vandalismus zu schützen. Zahlreiche Wohnungen und Gebäude geflüchteter jüdischer und nichtjüdischer Besitzer standen verlassen, sodass es zu Verwüstungen und Plünderungen kam: Davon berichtete etwa ein Inspektionsbericht eines SS-Hauptsturmführers vom 19. Juli 1940 aus einem französischen Schloss: „Am übelsten ist in dem großen Saal gehaust worden, in dem der verpackte Hausrat des Besitzers untergebracht ist. Rokokotische sind sinnlos eingeschlagen worden, Kisten mit Keramik stellenweise zertrümmert. Eine sehr große, flache Kiste ist ihres Inhalts, offenbar eines großen Ölgemäldes, beraubt. Um was für ein Bild es sich handelt, konnte nicht festgestellt werden. Auf welche Weise und wohin es weggeschafft ist, ist unbekannt.“40 Der Inspekteur vermutete, dass ein bayerisches Infanterieregiment verantwortlich sei, das kurzfristig im Schloss einquartiert gewesen war. Ein Konflikt mit der Militärverwaltung und insbesondere mit dem militärischen Kunstschutz bahnte sich jedoch mit der Ankündigung des Abtransports nach Deutschland und der Einziehung an. Die Kunstschutzverordnung des Oberkommandos des Heeres (OKH), die am 15. Juli 1940 erlassen worden war, untersagte die Entfernung, Beschädigung und den Verkauf von Kunstwerken im besetzten Gebiet.41 Auch die vom Deutschen Reich 1910 ratifizierte Haager Landkriegsordnung verbietet grundsätzlich jede Einziehung von Privateigentum. Artikel 56 besagt, dass
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„das Eigentum […] der Kunst und Wissenschaft gewidmeten Anstalten, auch wenn diese dem Staat gehören, […] als Privateigentum zu behandeln [ist]. Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Anlagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden.“ Die französische Vichy-Regierung protestierte wiederholt mit Bezug auf das Völkerrecht gegen die Beschlagnahmungen, denn sie erhob selbst Anspruch auf das jüdische Vermögen.42 Durch Gesetz vom 23. Juli 1940 wurde bestimmten Personen, insbesondere Juden, wegen staatsfeindlichen Verhaltens die französische Staatsbürgerschaft entzogen, ihr Vermögen unter Zwangsverwaltung gestellt und dessen Überweisung an das Nationale Hilfswerk angeordnet. Die Durchführung war durch Gesetz vom 5. Oktober 1940 der französischen Domänenverwaltung übertragen und von dieser in Angriff genommen. Der stellvertretende Stabführer des ERR, Kurt von Behr, musste am 11. Januar 1941 dem Verwaltungschef des Militärbefehlshabers von Frankreich, Werner Best, über die Rechtsgrundlagen der Arbeit des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenstab Rechenschaft ablegen. Offenbar war gegenargumentiert worden, dass die Aktionen des ERR keine kriegswichtige Aufgabe seien. Jedenfalls führte von Behr aus: „Es ist auch kein gültiges Argument, dass z. B. mit Rembrandtgemälden kein Weltanschauungskrieg gegen uns geführt würde. Unsere Kenntnis der Judenfrage ermächtigt uns zu dem Urteil, dass grundsätzlich der Jude Kunstwerte nicht aus ästhetischem Bewusstsein heraus, sondern als Kapitalanlage erwirbt. Das Judentum setzt im Kampf gegen das deutsche Volk das Höchste ein, was es hat, das ist im Gegensatz zum Kampf auf den Schlachtfeldern nicht das Blut, sondern sein Geld. Das Rembrandtbild von heute ist praktisch die Finanzierung des antideutschen Kampfes von morgen. Es fällt deshalb ebenso unter die materiellen Kriegsgüter wie die Waffen des Soldaten die militärischen Hilfsmittel seines Kampfes sind.“43
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Am 1. Mai 1941 leistete Göring dem Einsatzstab Schützenhilfe, indem er sowohl die Entscheidung zur Sicherstellung und zum Abtransport ausdrücklich „begrüßte“: „Der Kampf gegen Juden, Freimaurer und die ihnen verbündeten und sonstigen weltanschaulichen und gegnerischen Mächte ist eine vordringliche Aufgabe des Nationalsozialismus während des Krieges. Ich habe daher den Entschluss des Reichsleiters Rosenberg begrüßt, Einsatzstäbe in allen besetzten Gebieten zu errichten mit der Aufgabe, alles Forschungsmaterial und die Kulturgüter der so gekennzeichneten Kreise sicherzustellen und nach Deutschland abzutransportieren. Alle Dienststellen von Partei, Staat und Wehrmacht sind daher angewiesen, dem Stabführer der Einsatzstäbe des Reichsleiters Rosenberg, Reichshauptstellenleiter pg. Utikal, und seinem Stellvertreter, DRK-Feldführer Pg. von Behr, in Durchführung ihrer Aufträge jede nur denkbare Unterstützung und Hilfe angedeihen zu lassen. Die Obengenannten sind angewiesen, mir über die Arbeit, insbesondere aber über die entstehenden Schwierigkeiten zu berichten.“44 Mit umfassender Note vom 25. Juli 1941 führte der Generalkommissar für Judenfragen bei der französischen Regierung in der Angelegenheit beim Militärbefehlshaber Beschwerde; er erklärte die deutschen Maßnahmen für rechtswidrig und forderte die Herausgabe der beschlagnahmten Sammlungen. Der ERR nahm folgendermaßen Stellung: „Die Motive zur Beschlagnahme von Kunstschätzen aus jüdischem Besitz waren folgende: 1. Der Krieg gegen das Großdeutsche Reich wurde besonders durch Judentum und Weltfreimaurerei betrieben, die, verbündet mit ihnen genehmen Politikern, verschiedene europäische Staaten und Völker in den Krieg gegen Deutschland gehetzt haben. Die Maßnahmen des Deutschen Reiches gegen die Juden als Urheber dieses großen Krieges müssen daher ganz besondere sein.“45
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Die Militärverwaltung schlug am 29. Januar 1941 vor, Ziffer 6 des Göring-Befehls folgendermaßen zu fassen: „Die weitere Erfassung jüdischen Kunstbesitzes in Frankreich geschieht in der bisher bewährten Form durch den Einsatzstab Rosenberg unter meiner Leitung.“46
Die symbolische Übergabe der Beute Die 53 von Göring mitgenommenen Objekte waren nur ein Bruchteil dessen, was zur Überführung ins Reich bereitstand. Der Leiter der Abteilung Bildende Kunst des ERR, Robert Scholz, kündigte am 11. Dezember 1940 Bormanns persönlichen Referenten Hanssen, der mit der Verwaltung der Hitler’schen Sammlung im „Führerbau“ betraut war, den „Abtransport des wertvollsten Teils der Sammlungen in allernächster Zeit“ an und erfragte den Bestimmungsort. Daraufhin wurde er von Bormann scharf auf den am 18. November erlassenen „Führervorbehalt“ und Posses Zuständigkeit für die Depotfragen hingewiesen.47 Mit durchschlagendem Erfolg, denn im Dezember und Januar 1940 verhandelte Scholz die Angelegenheit mit Posse telefonisch. Hitler hatte vor, die Beute nach München in den Führerbau bringen zu lassen, doch Posse, der zwischenzeitlich über deren gewaltigen Umfang informiert war – es war von 20 Waggons die Rede – meldete am 23. Januar 1941, der Platz dort reiche nicht aus.48 Am 30. Januar 1941 wies der Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Ernst Buchner, in einem streng geheimen Schreiben Bormann auf das soeben „einer eingehenden Renovierung unterzogene Schloss in Dachau“ hin, stellte aber auch die Möglichkeit in den Raum, die Kunstwerke auf Schloss Neuschwanstein unterzubringen, das in Hinblick auf den Luftschutz wohl der sicherste Bergungsort sei.49 Hitler entschied sich für das Märchenschloss Ludwigs II., das, ab 1868 erbaut, mit Wandmalereien ausgestattet war, die zum Teil Wagner’sche Musikdramen wie Tannhäuser und Lohengrin illustrierten und von Hitlers Lieblingsmalern ausgeführt worden waren. Ausschlaggebend dürfte die vergleichsweise sichere Lage, weit entfernt von Ortschaften und Bahnlinien gewesen sein, wenngleich Hitler solche historischen und kunsthistorischen Bezüge liebte, mit denen er sich
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ERR-Depot Neuschwanstein, Gemäldelager
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ERR-Depot Neuschwanstein, Möbellager
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und seine Sammlungen in große Traditionen einordnen konnte. Posse wurde umgehend von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt.50 Nach Bormanns Plan sollte der „Sonderauftrag Linz“ die französische Raubkunst möglichst bald übernehmen. Am 7. Februar 1941 wies er Posse an, „zur Sichtung und Betreuung dieser Kunstschätze“ einen Sachbearbeiter nach Bayern zu versetzen, damit dieser vor Ort sei, „wenn dort die ersten Kunstschätze eintreffen“.51 Die personelle Situation in Dresden erlaubte es Posse jedoch nicht, einen Mann auf Warteposition nach Neuschwanstein zu schicken. Doch beeilte er sich zu versichern, sein Mitarbeiter Robert Oertel stehe auf Abruf bereit. Oertel war Kustos der Gemäldegalerie und auch in Dresden für die Inventarisierung der Bestände des „Sonderauftrags“ zuständig; wegen der zu dieser Zeit in großem Maßstab eingehenden holländischen und italienischen Ankäufe hatte er mehr als genug zu tun. Als die Raubkunst aus Frankreich dann Anfang März 1941 in Neuschwanstein eintraf, reiste Oertel auftragsgemäß an, musste aber „unverrichteter Dinge wieder nach Dresden zurückkehren“, da die Kunstwerke noch nicht ausgepackt worden waren. Auch hier fühlt man sich an die Situation in Polen erinnert. Der Druck Hitlers und Bormanns, den „Sonderauftrag“ möglichst schnell vor Ort zu haben, war so stark, dass man den gleichen Fehler offenbar regelmäßig wiederholte! 25 der bedeutendsten Rothschild-Gemälde nahm Posse in die Bände VI bis VIII des Fotokatalogs Gemäldegalerie Linz (s. u.) auf, die Hitler zu seinem Geburtstag im April 1941 übergeben wurden. Darunter befinden sich so herausragende Werke aus dem Pariser Besitz Edouard Rothschilds wie zwei späte Familienbilder von Peter Paul Rubens: das Porträt seiner zweiten Ehefrau Hélène Fourment und das Selbstporträt mit Hélène und dem gemeinsamen Sohn Frans, das eine heute im Louvre, das andere im Metropolitan Museum of Art in New York. Im Louvre befindet sich auch der Astronom von Vermeer mit derselben Provenienz, jenes Bild, von dessen Auffindung Rosenberg Hitler voller Stolz berichtet hatte. Die Alben führen darüber hinaus Spitzenwerke der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts aus der Sammlung Alphonse Rothschild in Wien auf, von François Boucher, Antoine Watteau und Honoré Fragonard.52 Auf diese Weise vereinigten sie virtuell die „Rothschild-Beute“.
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Fotoalbum Gemäldegalerie Linz, Band VIII/24, Honoré Fragonard, „Die Schaukel“, 1938 aus der Sammlung Alphonse Rothschild, Wien, beschlagnahmt, restituiert, Slg. Thyssen-Bornemisza
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Die Inventarisierungsarbeiten wurden weiterhin vom Sonderstab Bildende Kunst des ERR durchgeführt, wie Rosenberg hatte durchsetzen können. Diese Lösung war sicherlich auch im Sinne Posses und entsprach dem gängigen Muster: Auch in Österreich und Polen inventarisierte nicht der „Sonderauftrag“, sondern andere Organisationen die Raubkunst, in Wien die Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums und des Denkmalamtes, in Krakau die Kunsthistoriker des Mühlmann’schen Einsatzstabes. Hielt Posse seine Dresdner Museumsmitarbeiter möglicherweise aus der Inventarisierung von Raubkunst heraus? Oder handelte er rein pragmatisch? Die Dresdner waren jedenfalls mit den angekauften Gemälden befasst, die Posse in aller Regel an sein Museum senden ließ, wo sie fotographiert, inventarisiert und wenn nötig auch restauratorisch behandelt wurden, um dann nach München weitergeleitet zu werden. Bei vielen dieser Ankäufe handelte es sich zwar um Zwangsverkäufe, sie waren also keineswegs moralisch „sauber“ (vgl. dazu das Kapitel über den Kunstraub in den Niederlanden). Aber aus Posses Sicht waren sie zweifellos weniger belastet als die Raubkunst aus Österreich, Polen und Frankreich. Die Fotoalben Gemäldegalerie Linz hatten Hitler offenbar Lust auf mehr gemacht. Jedenfalls beauftragte Bormann Posse am 20. April 1941, das gesamte Material in Schloss Neuschwanstein auf die Belange des „Führermuseums“ hin durchzusehen, sobald die Inventarisierung durch den ERR beendet sei.53 Am 16. Juli 1941 schrieb Posse an Robert Scholz, es sei „im Sinne des mir vom Führer erteilten Auftrags erwünscht, dass ich mir über den Gesamtbestand der in Frankreich beschlagnahmten Kunstwerke einen Überblick verschaffen könnte“. Scholz antwortete drei Tage später, es werde noch ein Transport aus Paris erwartet, danach könnte alles aufgearbeitet werden. Posse werde „in einigen Wochen“ den Gesamtkatalog erhalten. Zuvor beabsichtige Rosenberg, Hitler die „wichtigsten und wertvollsten Gemälde“ in einer „Ausstellung in Neuschwanstein persönlich zu zeigen und ihm einen Überblick über das gesamte in Frankreich sichergestellte Kunstgut zu geben“.54 Der für Sommer 1941 geplante Besuch der Ausstellung sollte das Übergaberitual werden, vorher wollte Rosenberg die Dokumentation nicht aus den Händen geben. Zu der persönlichen Übergabe ist es frei-
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Neuschwanstein, Ausstellung des ERR anlässlich des Besuchs von Alfred Rosenberg und Franz Xaver Schwarz am 28. Juli 1942
lich nicht gekommen. Hitler dürfte nie in Neuschwanstein gewesen sein, wie er es überhaupt vermied, in den Depots seiner KunstraubOrganisationen aufzutauchen. Zwar wurde eine „Ausstellung auserlesener Gemälde“ im Sommer 1942 dort aufgebaut, zur Besichtigung erschien aber wohl nur Schatzmeister Franz Xaver Schwarz, Rosenbergs Finanzier von der NSDAP.55 Die Inventarisierungsarbeiten zogen sich hin, was zum einen mit der schieren Masse an Objekten zusammenhing, die fotografiert, vermessen, beschrieben, kunsthistorisch bestimmt und in vielen Fällen auch konservatorisch behandelt werden mussten. Andererseits dürfte vonseiten des ERR an einer schnellen Fertigstellung der Arbeiten auch
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kein Interesse bestanden haben: Für die Kunsthistoriker war die Arbeit die Gewähr, vom Kriegsdienst freigestellt zu bleiben. Und für Alfred Rosenberg sollte die Verfügung über die Kunstbestände das Interesse Hitlers, den persönlichen Zugang zu ihm und damit politische Einflussnahme sichern. Auch Krankheit und Tod Posses im Jahr 1942 ließen die geplante Übernahme in den Hintergrund rücken. Doch kurz vor dem Geburtstag des „Führers“ 1943 wandte sich Rosenberg am 16. April an Hitler: „In dem Wunsche, Ihnen, mein Führer, zu Ihrem Geburtstag eine Freude zu bereiten, gestatte ich mir, Ihnen eine Mappe mit Fotos einiger der wertvollsten Bilder zu überreichen, die mein Einsatzstab im Vollzuge Ihres Befehls in den besetzten westlichen Gebieten aus herrenlosem, jüdischem Kunstbesitz sichergestellt hat. Diese Bildermappe stellt eine Ergänzung zu den aus dieser Aktion Ihrer Sammlung bereits zugeführten 53 wertvollsten Kunstwerken dar. Doch diese Mappe vermittelt nur einen schwachen Eindruck von dem außerordentlichen Wert und Umfang der von meiner Dienststelle in Frankreich erfassten und im Reich sicher geborgenen Kunstwerte.“ Rosenberg erbat, ihm Gelegenheit zu geben, über den gesamten Umfang und dem Stand der „Kunsterfassungsaktion mündlich Bericht erstatten zu dürfen“, und übermittelte drei Bände des Bilderkataloges. Er lockte mit weiteren Bildmappen, die sich angeblich in Bearbeitung befanden: „Ich werde mir erlauben, bei dem erbetenen Vortrag weitere 20 Bildmappen Ihnen, mein Führer, zu übergeben in der Hoffnung, dass durch diese kurze Beschäftigung mit den schönen Dingen der Ihnen so am Herzen liegenden Kunst ein Strahl von Schönheit und Freude in die Schwere und Grösse Ihres gegenwärtigen Lebens fallen möge.“56 Das Angebot dürfte Hitler, trotz des unterwürfigen Tons, als Unverschämtheit erschienen sein, da die Kunstwerke nach seinem Willen ja schon längst hätten übergeben sein müssen. Rosenberg wurde nicht
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zu Hitlers Geburtstag zugelassen, vielmehr gingen am 21. April 1943 Befehle an ihn, die seinen Intentionen diametral zuwiderliefen. Bormann forderte, der ERR müsse nun endlich die von ihm erfassten Objekte zur weiteren Bearbeitung an die zuständigen Sachbearbeiter abgeben: „Sachbearbeiter der zu schaffenden Linzer Bibliothek ist Dr. Friedrich Wolffhardt, München, Führerbau; Sachbearbeiter der Galerien, die der Führer bedenken will (Linz etc.), ist Prof. Dr. Voss, Dresden, Staatliche Gemäldegalerie; Sachbearbeiter der übrigen Sammlungen, die der Führer in Linz schaffen will, ist zunächst Dr. von Hummel, München, Führerbau.“57 Rosenberg reagierte mit einem sechs Seiten langen Brief, aus dem, wie Jonathan Petropoulos treffend formuliert hat, Panik sprach.58 Er klagte, man verwehre ihm, dem „Führer“ persönlich zu referieren. „Es ist mir bekannt, dass bereits Anfang Februar dieses Jahres die bevorstehende Übernahme der Kunstbestände meines Sonderstabes durch den ‚Sonderauftrag Linz‘ als beschlossene Sache vorbereitet wurde.“59 Dann beeilte er sich zu beteuern, dass es für ihn selbstverständlich sei, „dem Wunsch des Führers in vollem Umfange zu entsprechen“, führte aber eine Vielzahl von Gründen auf, die gegen eine „überstürzte Übergabe“ der Bestände des ERR sprächen, zumal von den circa 20 000 Kunstobjekten erst 9455 inventarisiert seien. Abschließend schilderte er in leuchtenden Farben die Rauberfolge seines Stabes und schloss mit der Bemerkung: „Damit aber wird dem Führer eine Kunstsammlung zur Verfügung gestellt von der Größe einer europäischen Galerie.“ Rosenbergs emotionaler Appell wurde erhört: Am 19. Mai 1943 war er zu einer Besprechung mit Hitler, Bormann und Lammers im Führerhauptquartier zugelassen.60 Bei dem Treffen wurde vereinbart, der ERR dürfe die Raubkunst noch behalten und erst einmal die Inventarisierung weiterführen. Das war ein Entgegenkommen Hitlers, für das Rosenberg aber Gegenleistungen zu erbringen hatte: Im Mai 1943 übergab er endlich die schon lange in Aussicht gestellten ersten 25 Fotomappen sei-
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ner Beute. Sie wurden später auf den Berghof gebracht, wo sie nach dem Krieg von der US-Armee aufgefunden wurden.61 Zudem sandte der Einsatzstab nun Bestandsunterlagen und Fotos an die Geschäftstelle des „Sonderauftrags Linz“ in Dresden, sodass in die von Hitler angeordnete Zentralkartei auch die ERR-Bestände aufgenommen werden konnten. Mit dieser Lösung war beiden Parteien gedient: Rosenberg behielt die Kontrolle über die Originale und der „Sonderauftrag“ den Überblick über das Vorhandene. Vor allem aber: Rosenberg musste nun seine Verbindungen zu Göring endgültig abbrechen, der inzwischen 700 Werke aus den Beständen des ERR übernommen und damit permanent gegen Hitlers Verbot eines privaten Zugriffs verstoßen hatte.62 Hinzu kam der Ärger mit Görings Haupttreuhandstelle Ost, welche die umfassende Geltung des „Führervorbehalts“ bezüglich der Sammlung Lanckoroński nicht akzeptieren wollte. Mit Schreiben vom 3. Juni 1943 teilte Rosenberg Göring mit, dass er keinen Zugang mehr zu den Kunstschätzen des ERR habe.63 Gleichzeitig gab er seinen Mitarbeitern neue Befehle, die den „Führervorbehalt“ bekräftigten. Görings Stern war im Sinken begriffen. Ab 1942/43 zog er sich zunehmend ins Privatleben zurück. Die „Erfassung des herrenlosen jüdischen Kunstbesitzes“ durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg wurde erst im Juli 1944 abgeschlossen, also einen Monat nachdem die Alliierten in der Normandie gelandet waren. Robert Scholz erstellte einen Endbericht.64 Darin konnte er sich und seine Mitarbeiter gar nicht genug loben, kompetente wissenschaftliche Arbeit geleistet zu haben: „In den Bergungsorten wurden die zunächst in Paris nur der Identifizierung dienende Inventarisierung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ergänzt und die Ergebnisse der kunstwissenschaftlichen Zuschreibung in Inventarlisten und einer jeden Kunstgegenstand erfassenden Kartei niedergelegt. Bei dieser wissenschaftlichen Inventarisierung eines in seinem Umfang und seiner Bedeutung einmaligen Materials bisher der Kunstforschung unbekannter Werte wurde von dem Sonderstab Bildende Kunst eine für die gesamte Kunstwissenschaft wichtige Arbeit geleistet. Diese Inventarisierungs-
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arbeiten werden die Grundlage eines wissenschaftlichen Gesamtkatalogs bilden, in dem Hergang, Umfang, wissenschaftliche und politische Bedeutung dieser historisch einmaligen Kunsterfassungsaktion dokumentarisch niedergelegt werden sollen. Es wurde vom Sonderauftrag eine mit allen technischen Hilfsmitteln ausgerüstete Restaurierungswerkstätte an einem der Bergungsorte eingerichtet, die sich mit der Pflege und Wiederherstellung der erfassten Kunstwerke sowie ihrer ständigen Beobachtung in den Bergungsorten beschäftigt. Einige hundert von den jüdischen Besitzern vernachlässigte oder früher unsachgemäß wiederhergestellte Kunstwerke konnten in dieser Werkstätte wiederhergestellt und in ihrem Bestand gesichert werden.“ Von Oktober 1940 bis Juli 1944 waren 21 903 Kunstobjekte aus 203 Kunstsammlungen konfisziert worden, davon 5281 Gemälde und Graphiken, 583 Plastiken, 684 Miniaturen, Glas- und Emaillemalereien, Bücher und Handschriften, Terrakotten, Medaillen, Möbel, Textilien, kunsthandwerkliche Gegenstände und 259 antike Kunstwerke. Tatsächlich war die Herkunft der Kunstwerke durch die akribischen Inventararbeiten des ERR bestens dokumentiert: 5009 Objekte stammten aus den verschiedenen Sammlungen der Familie Rothschild, 2697 von David David-Weill, 1202 von Alphonse Kann, 989 von Levy de Benzion und 302 von Georges Wildenstein, um nur die wichtigsten betroffenen französischen Sammlungen zu nennen.
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Erwerbungen en gros Im ersten Jahr seiner Tätigkeit war Posse so gut wie ausschließlich mit Raubkunst-Belangen beschäftigt. Erst im Februar 1940 wurde er mit einem Ankaufsetat von einer Million Reichsmark ausgestattet, und zwar um Erwerbungen aus dem Fundus der sichergestellten Kunstwerke durchführen zu können. Größere Ankäufe waren bis dahin nicht vorgesehen, Hitlers Verteilungsprojekt war zunächst ein reines KunstraubProjekt. Der Zugriff auf den niederländischen Kunstmarkt nach dem Westfeldzug veränderte die Situation dramatisch. Der Westfeldzug begann am 10. Mai 1940. Fünf Tage später, am 15. Mai 1940, kapitulierten die Niederlande. Als einziges der besetzten Länder im Westen erhielten sie eine Zivilverwaltung, weil die Bevölkerung als den Deutschen rassisch eng verwandt galt. Schon am 16. Mai ließ Arthur Seyß-Inquart, der drei Tage später zum „Reichskommissar für die besetzten Niederlande“ ernannt werden sollte, seinen Freund Kajetan Mühlmann aus Polen nach Den Haag kommen, um dort eine Dienststelle aufzubauen. Deren Aufgabe bestand darin, wertvolles Kunstgut aufzufinden, die verschiedenen Reichsstellen darüber zu informieren und die Verbringung beziehungsweise den Verkauf nach Deutschland zu vermitteln. Der Auftrag galt sowohl für beschlagnahmtes „Feindvermögen“ als auch für den Kunstmarkt: Auch bei wertvollem Kulturgut, das zum Verkauf kam, musste die Dienststelle Mühlmann unterrichtet werden. Posse wurde schon Anfang Juni 1940 von Mühlmann darauf hingewiesen, dass zur Zeit „die besonders günstige Gelegenheit geboten sei, aus holländischem Kunsthandel und Privatbesitz wertvolle Kunst-
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werke in deutscher Währung zu erwerben“.1 Er legte diesen Vorschlag am 13. Juni 1940 Bormann vor und erhielt eine vielversprechende Antwort: „Der Führer wünscht, dass die Ankäufe getätigt werden, jede Summe stünde für wirklich erstklassige Bilder zur Verfügung.“ Am 23. Juni 1940 reiste Posse in die Niederlande. Zurückgekehrt hielt er Hitler in München einen Vortrag. Seine Berichte und Vorträge stießen bei seinem „Chef“ immer auf höchstes Interesse. Am 25. Juli teilte ihm Bormann mit, Hitler habe sich über den Ankauf der letzten Bilder außerordentlich gefreut: „Er wünscht, dass Sie bald weitere wertvolle Gemälde in Holland usw. einkaufen; die notwendigen Mittel hierfür würden jeweils sofort überwiesen.“2 Am 4. Dezember 1940 ging der erste Transport mit 39 Kisten voller niederländischer Erwerbungen – 68 Gemälde und 4 Skulpturen – nach München; zehn Tage später folgten weitere drei Gemälde als Eilgut.3 Posse baute eine Ausstellung mit seinen Ankäufen auf, die, wie er nach Den Haag meldete, „höchste Befriedigung“ ausgelöst habe. „Es wird sobald als möglich wieder eine weitere ähnliche Sendung erwartet.“4 Hitler und sein Sonderbeauftragter gerieten in einen regelrechten Kaufrausch, die Ausgaben explodierten. Lagen diese im Juli 1940 noch bei rund 550 000 Reichsmark, so erreichten sie im März 1941 schon eine Summe von gut acht Millionen; im Juli 1941 wurde für den Erwerb von Kunstwerken bei einer bisherigen Ausgabe von rund 18 Millionen in 15 Monaten mit monatlichen Kosten von 1 200 000 Reichsmark gerechnet.5 Grund dafür war, dass Posse ganze Sammlungen ankaufte; Anlass gaben die Sammlungen Lanz und Koenigs. Hitler gab am 12. Oktober 1940 dazu sein grundsätzliches Einverständnis.6 Zu seinem großen Ärger hatte Posse seit Beginn seiner Ankaufstätigkeit mit einem überheizten Kunstmarkt zu kämpfen. Vielen deutschen Juden war es nach 1933 gelungen, ihren Kunstbesitz in die Niederlande zu bringen. Nach dem Überfall durch die deutsche Wehrmacht konnte dieser nicht mehr außer Landes gebracht und musste liquidiert, also verkauft werden. Es gab also ein großes und hochrangiges Angebot, aber auch eine gewaltige Nachfrage. Schon Anfang August beschwerte sich Posse über zu viel Konkurrenz bei Bormann:
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„Im Augenblick ist die Lage wie folgt: ein oder mehr Gruppen kaufen alles, was sie erhaschen können. Preise spielen gar keine Rolle! Der Gulden wird mit hfl. 0,06 bewertet. Die Händler legen ihr ganzes Betriebskapital in den in Holland befindlichen Gemälden und Teppichen an, weil sie vorläufig nichts mehr werden importieren können. Privatiers kaufen als Kapitalanlage. […] die großen jüdischen Kunsthändler werden den Gewinn einstecken.“7 Dem Museumsmann, der in Dresden um jede Mark hatte kämpfen müssen und der zuletzt mehrere Jahre lang über keinen regulären Etat verfügt hatte, waren die Preise viel zu hoch und so setzte er alles daran, die Konkurrenz auszuschalten. Am 24. August 1940 sandte er einen Geheimbericht über den überheizten lokalen Kunstmarkt an Bormann.8 Er erhielt Informationen von Gesandtschaftsrat Felix Wilhelm Wickel, der in seinem im Stab des Reichskommissars eingerichteten „Referat Sonderfragen“ durch V-Männer-Informationen über die Stimmung im Land einholte, also nachrichtendienstlich tätig war. Anfang Januar 1941 wurde Posse von Wickel über den Umfang der Ankäufe seiner Konkurrenz unterrichtet: Bis Ende 1940 seien von Göring und anderen Personen Gemälde im Gegenwert von acht Millionen Gulden ausgeführt worden. Posse war merklich froh, Zahlenmaterial in die Hand zu bekommen, das seine Klagen untermauerte. Er antwortete, er werde von diesem Bericht weidlich Gebrauch machen, „damit möglichst diesen Leuten das Handwerk gelegt wird“. Handschriftlich fügte er hinzu: „Ich habe soeben telef. mit Reichsleiter B. über diese Angelegenheit gesprochen.“9 Es sei bedauerlich, klagte er am 1. Februar 1941, „dass infolge der Konkurrenz so vieler deutscher Käufer, die immer zahlreicher in Holland auftreten, die Bilderpreise mehr und mehr in die Höhe getrieben werden. Es dürfte sich meines Erachtens empfehlen, deutsche Ankäufe privater Natur zu verbieten bzw. bis zu einem Kaufpreis von etwa 1000 – 2000 hfl. für das einzelne Stück zu begrenzen.“10 In diesem Falle folgte Hitler der Empfehlung nicht. Bormann antwortete am 11. Februar 1941: „Ihren Vorschlag vom 1. 2., die privaten Ankäufe
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in Holland zu begrenzen, hält der Führer für nicht durchführbar.“11 Entscheidend war für Hitler, dass der „Führervorbehalt“ durchgesetzt und die Ankäufe anderer deutscher Museen nicht behindert würden. Schon im Oktober 1940 waren zwei bedeutende Kunstkollektionen in Posses Visier geraten, die Sammlung Fritz Mannheimer und die Sammlung Otto Lanz. Letztere gilt als die wichtigste, die der „Sonderauftrag Linz“ in den Niederlanden angekauft hat.12 Der Schweizer Chirurg Otto Lanz hatte bedeutende Werke italienischer Kunst vor allem des 15. und 16. Jahrhunderts zusammengetragen, Gemälde, Skulpturen, Möbel und Kunsthandwerk. Nach seinem Tod 1935 war die Kollektion in die Verwahrung des Rijksmuseums in Amsterdam gegeben worden, wo sie seit August 1940 ausgestellt war und Begehrlichkeiten weckte. Die Witwe lebte in der Schweiz, die Ausfuhr der Sammlung dorthin wurde von den Nationalsozialisten jedoch nicht genehmigt. Anfang Oktober 1940 besprach Posse mit Hitler den Ankauf, um den sich zu diesem Zeitpunkt auch Göring und Mühlmann bemühten. Im Anschluss fuhr er nach Holland, um sich einen Eindruck von den Originalen zu machen; er berichtete Hitler am 16. November 1940 und empfahl den Ankauf, vor allem weil er an den frühen italienischen Gemälden für das „Führermuseum“ interessiert war. Insgesamt aber schätzte er die Sammlung durchaus kritisch als „in ihrem Werte ungleichmäßig“ ein. Entsprechend integrierte er nur wenige ausgewählte Objekte in den Linzer Bestand, die übrigen museumsfähigen Objekte sollten an Museen der „Ostmark“ verteilt, der verbleibende Rest versteigert werden. Von diesem Konzept ließ sich Hitler überzeugen. Am 10. Oktober 1940 legte Posse Bormann nahe, die „bedeutende Sammlung des geflüchteten Finanzjuden F. Mannheimer“ für Linz vorzumerken. Bormann fragte daraufhin in der Reichskanzlei an, ob der „Führervorbehalt“ auch auf die Niederlande anzuwenden sei, und Lammers antwortete, dass die Anordnung vom 17. September 1940 grundsätzlich für alle besetzten Gebiete gelte. Diese Ausfertigung des „Führervorbehalts“ erwähnt Posse jedoch nicht. Dies holt der „Führervorbehalt“ vom 18. November 1940 nach, der auch an Seyß-Inquart ging. Er nennt Posse als den „Beauftragten des Führers für die Vorbereitung der Entscheidungen über die Verwendung der Kunstwerke“. Er müsse be-
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nachrichtigt werden, wenn Kunstwerke von deutschen Stellen beschlagnahmt würden.13 Posses Vertrauensmann Gesandtschaftsrat Felix Wilhelm Wickel führte die mehrmonatigen Verhandlungen mit dem in Amsterdam wohnenden Sohn von Otto Lanz und dessen Rechtsanwalt. Am 3. Februar 1941 wurde ein Einverständnis erzielt. Die 13 Erben, alle Schweizer Staatsbürger, bestanden auf einer Bezahlung mit Schweizer Franken; daraufhin musste das Reichswirtschaftsministerium die notwendigen Devisen bereitstellen. Zum endgültigen Abschluss des Kaufvertrages reiste ein Vertreter der Familie Lanz im Februar 1941 gemeinsam mit dem jüdischen Kunsthändler Nathan Katz als Vertrauensmann in die Schweiz. Am 12. März ging die Kollektion für zwei Millionen Schweizer Franken an den „Sonderauftrag Linz“. Am 28. März meldete Posse den Abschluss der Verkaufsverhandlungen an Hitler. Der Kaufvertrag wurde am 20. April 1941 geschlossen. Der Kunsthändler Katz, mit dem Posse häufig zusammenarbeitete, erhielt eine Provision für die Vermittlung des Verkaufs.14 Posses Vorschlag entsprechend wurde Katz und seiner Familie 1942 die Ausreise aus den Niederlanden in die Schweiz genehmigt.15 Der Verkauf war ein klarer Zwangsverkauf, da die Sammlung nicht ausgeführt werden durfte und die Drohung der Beschlagnahme im Raum stand. Den Vorgang resümierend schrieb die Besitzerin aus Zürich an Wickel: „Es ist mir nicht leicht gefallen, das entscheidende ‚ja‘ zu sagen, schon weil der übereingekommene Preis bei Weitem nicht dem Kapital entspricht, das mein Mann seinerzeit in seine Sammlung investiert hat. Überdies ist sie das Resultat von 40-jähriger Arbeit meines Mannes und von mir und hat für mich also ideelle Gefühlswerte, die sich nicht compensieren lassen.“ Bald darauf sollte Posse durch Wickel erfahren, dass der Kunsthändler Walter Paech im Auftrag Mühlmanns Gegenofferten gemacht und versucht hatte, den Verkauf zu durchkreuzen. Paech gehörte zu Görings Kunsthändlern.
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Kampf gegen die Konkurrenz Die Warnungen vor der niederländischen Konkurrenz häuften sich Anfang 1941: Der Wiener Kunsthistoriker Franz Kieslinger, eine Schlüsselfigur im österreichischen Kunstraub, der im Auftrag des Reichskommissars für die besetzten Niederlande, Arthur Seyß-Inquart, bei der Bearbeitung von „Feindvermögen“ mithalf und die Sammlung Mannheimer inventarisierte, informierte Posse Ende Januar über die „ernste Gefahr“, „dass diese einzigartige und hochbedeutende Sammlung von insgesamt etwa 3000 Objekten […] in spekulative Hände gerate, um dann zu Höchstpreisen zur Versteigerung gebracht zu werden“.16 Der deutsch-jüdische Bankier Fritz Mannheimer hatte schwerpunktmäßig in deutsches Kunstgewerbe, Meißener Porzellan, mittelalterliche Goldschmiedekunst und Nürnberger Silberkunst investiert. Angesichts der Verhältnisse in Nazi-Deutschland verlegte er seinen Wohnsitz 1936 nach Holland. Bereits 1933 hatte er auch in Frankreich, in Vaucresson bei Paris, ein großes Anwesen erworben. All dies war durch das Bankhaus Mendelssohn finanziert worden, von dem Mannheimer Anteile hielt und dessen persönlich haftender Gesellschafter er war. Als er 1939 in Frankreich starb – vermutlich beging er Selbstmord –, war das Bankhaus bereits in Konkurs gegangen. Nun bot der Kunsthändler Alois Miedl den Gläubigern siebeneinhalb Millionen holländische Gulden; er hatte vor, einen Teil der Sammlung nach Erwerb an Göring abzutreten. Nach Kieslingers Warnung informierte Posse Bormann und empfahl, „dass die Sammlung rechtzeitig durch das Reich angekauft wird“. Am Tag darauf teilte ihm Bormann mit, dass Hitler den sofortigen Ankauf wünsche.17 Der Reichskommissar solle den Verkauf an andere Stellen verhindern und dafür sorgen, dass die Sammlung durch Posse erworben werden könne. Der in Holland befindliche Teil wurde daraufhin für fünfeinhalb Millionen, also zwei Millionen weniger als von Miedl geboten, angekauft.18 Damit hatte Posse das Vorkaufsrecht Hitlers also durchgesetzt, mit der Erwerbung aber auch zugleich, wie wir gesehen haben, einen Verteilungskampf unter den Gauleitern ausgelöst.
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In der zweiten Jahreshälfte 1941 zeigte sich der Sonderbeauftragte entschlossen, die Konkurrenz auszuschalten. Am 27. Oktober 1941 forderte er von Bormann, eine Anweisung an Den Haag herbeizuführen, dass „sämtliche beschlagnahmte oder noch zu beschlagnahmende Kunstgegenstände aus feindlichem oder jüdischem Besitz seitens des Beschlagnahmenden bzw. des Treuhänders sofort und ausschließlich zunächst dem dafür vom Führer bestimmten Sonderbeauftragten vorzulegen sind“.19 Daraufhin veranlasste dieser eine erneute Ausfertigung des „Führervorbehalts“ durch die Reichskanzlei, die am 6. November 1941 an Reichskommissar Seyß-Inquart ging mit der ausdrücklichen Weisung, dass beschlagnahmte Kunstwerke „sofort und zunächst ausschließlich dem vom Führer bestimmten Sonderbeauftragten Direktor Dr. Posse in Dresden zu nennen und vorzulegen sind“.20 Lammers wies in seinem Schreiben auch darauf hin, dass die Anweisung bereits am 18. November 1940 ergangen war.21 Das war eine deutliche Rüge. In dieser Angelegenheit hatte Posse am 19. November 1941 dann auch eine Unterredung mit Seyß-Inquart, in der er seinen Vorwurf äußerte, die Dienststelle funktioniere nicht im Sinne des „Führervorbehalts“. Hitlers Sonderbeauftragter fühlte sich bei der Verwertung des königlichen Vermögens und der Sammlung Mannheimer übergangen. Letztere, so der Reichskommissar, falle aber nicht unter die Kategorie der beschlagnahmten Vermögenswerte, da Mannheimer zum Zeitpunkt des Einmarsches der deutschen Wehrmacht schon verstorben war und seitens der niederländischen Gläubiger das Konkursverfahren schon eröffnet gewesen sei.22 Er glaube, schrieb Posse nach seiner Aussprache an Bormann, „dass die Frage des in den Niederlanden beschlagnahmten oder sichergestellten Kunstbesitzes in dem vom Führer befohlenen Sinne durchgeführt wird“. In allen noch offenen Fragen sei ihm jetzt die nötige Auskunft erteilt und seien ihm alle Zusicherungen für die Zukunft gegeben worden. Er werde einen Vertreter in den Niederlanden bestellen, sodass in Zukunft alle Probleme von diesem geregelt werden könnten.
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Allerdings entbrannte eine Auseinandersetzung über die Person Mühlmanns, der unter Verdacht stand, die Interessen Görings zu vertreten und damit gegen das Vorkaufsrecht Hitlers zu verstoßen. Hitler hatte ihn ja bereits 1939 wegen seines Widerstands bezüglich der Wiener Rothschild-Sammlungen feuern lassen. Als Hitler von seiner Wiederanstellung als Sonderbeauftragter für die Sicherung der Kunstschätze im ehemaligen Polen erfuhr, soll er Göring gegenüber geäußert haben: „Mühlmann – Sie schicken ihn dorthin? Ich musste ihn aus Wien hinauswerfen [...] er ließ nichts fort [...] passen Sie auf, dass er nicht alles nach Wien bringen lässt.“23 Nun sollte Mühlmanns Tätigkeit ein weiteres Mal unterbunden werden. Allerdings setzte sich Seyß-Inquart mit Nachdruck für seinen alten Freund ein und beharrte auf dessen „Nützlichkeit“. Er argumentierte, dass aufgrund von dessen „konsultierender Tätigkeit eine verhältnismäßig große Anzahl wertvoller Bilder sichergestellt“ worden sei, die Hitler zu Preisen habe erwerben können, die „als geradezu außerordentlich billig bezeichnet werden müssen. [...] Ich glaube, mit Sicherheit angeben zu können, dass ein Teil dieser Erwerbungen nicht auf diese Weise hätte durchgeführt werden können, wenn nicht Mühlmann hier ein sorgsames Auge gehabt hätte. Was die Sammlung Mannheimer betrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, dass wir an diese Sache nur schwer herangekommen wären, da sie eigentlich schon im privaten Handel verhandelt war und bei nicht rechtzeitigem Eingriff Mühlmanns diese Sammlung wahrscheinlich um einige Millionen teurer hätte schließlich erstanden werden müssen. [...] Angesichts dieser Umstände glaube ich, dass vor irgendeiner Entscheidung, die eine weitere Tätigkeit Mühlmanns unterbinden würde, doch dieses Material dem Führer persönlich vorgelegt werden sollte, da ich nicht zweifle, dass der Führer, wenn er diese Liste sieht und sich dazu noch den Komplex Mannheimer vergegenwärtigt, die Nützlichkeit der Tätigkeit Mühlmanns durchaus anerkennen wird.“24 Nur dem engagierten Eintreten Seyß-Inquarts ist es wohl zu verdanken, dass Mühlmann nicht aus niederländischen Diensten entlassen wurde.
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Der „Führervorbehalt“ im Protektorat Böhmen und Mähren Nach der im Münchner Abkommen von 1938 erzwungenen Abtretung des Sudentenlandes wurde im März 1939 auch der tschechoslowakische Reststaat von deutschen Truppen besetzt und als Protektorat Böhmen und Mähren unter Kontrolle des Reichsprotektors Konstantin von Neurath einer brutalen Germanisierungspolitik unterzogen. Das Protektorat wurde als Bestandteil des Deutschen Reiches angesehen, das heißt, der staatliche Kunstbesitz verblieb dort, freilich wurde die Museumslandschaft im Sinne der nationalsozialistischen Germanisierungspolitik umstrukturiert. Die Museumsbestände stockte man durch konfiszierte Kunstwerke aus den Schlössern adeliger Besitzer auf, um so „für die annähernd 300 000 Deutschen des Protektorats die kulturelle Basis so zu verbreitern, dass der deutsche Charakter des alten Reichslandes Böhmen besonders gehoben und unterstrichen wird“.1 Das hatte zur Folge, dass nur wenige Kunstwerke in den Fundus des „Sonderauftrags“ eingingen. Auch hierfür findet sich in der Kunstraubliteratur verschiedentlich die unzutreffende Erklärung, Hitler habe „für die Kunstschätze Osteuropas, also die Kunst des ‚slawischen Untermenschen‘ nur Verachtung empfunden“ und sich deshalb für sie nicht interessiert.2 Das Argument verfängt im Falle der Tschechoslowakei noch weniger als in dem Polens, denn Böhmen und Mähren galten als deutsche Länder; somit war die dortige hochrangige Kunst für die Nationalsozialisten und die deutschen Kunsthistoriker nichts anderes als deutsche Kunst. Dies wird am Beispiel des sogenannten Hohenfurther Altares noch ausführlicher dargelegt werden. Der tschechischen Kunstgeschichte
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galt und gilt das gotische Bildwerk als das Gründungswerk einer spezifisch tschechischen Malerei, als nationales Kunstwerk. Deshalb wurde es – mit dem Argument, es müsse restauriert werden – von den tschechischen Behörden noch kurz vor der Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete in das Deutsche Reich nach Prag in die Nationalgalerie überführt, wo es sich auch heute befindet. Hans Posse plädierte für die Zuteilung an das „Führermuseum“ mit ähnlichen, nun aber deutschnationalen Argumenten, indem er ausführte: „Die neun Tafeln des Meisters von Hohenfurth, die aus dem 14. Jahrhundert stammen, gehören zu den ältesten und berühmtesten Leistungen deutscher Malerei.“3 Aufgrund der oben erläuterten Sonderstellung des Protektorats stand der staatliche Kunstbesitz für Hitlers Museumsprogramm nicht zur Disposition. Anders verhielt es sich mit dem privaten, insbesondere jüdischen Kunstbesitz. Auch für das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren wurden antisemitische Gesetze erlassen, die darauf zielten, die wirtschaftliche Existenz der Juden zu vernichten. Bis zum 31. Juli 1939 mussten jeglicher Grundbesitz sowie alle beweglichen Wertgegenstände, also Schmuck, Edelmetalle und Kunstobjekte mit einem geschätzten Wert von über 10 000 Kronen gemeldet werden. Am 4. Oktober 1939 wurde eine Verordnung über die Einziehung von Vermögen erlassen. Im Juli 1943 wurde dann das gesamte jüdische Eigentum zugunsten des Reichs beschlagnahmt.4 Allerdings fiel die Beute nicht so fett aus wie in Österreich, da nach dem Münchner Abkommen viele Juden das Land verlassen hatten und ihren Besitz noch in Sicherheit hatten bringen können. Der Reichsminister des Innern sandte am 2. Januar 1941 eine Anordnung des Führers über die Verwendung eingezogener Kunstsammlungen an die Landesregierungen und Reichsstatthalter in den Reichsgauen (mit Ausnahme von Warthegau u. Danzig-Westpreußen), den Preußischen Ministerpräsidenten und den Reichsprotektor in Böhmen und Mähren.5 Mit Bezug auf die Anordnung Hitlers vom 9. Oktober 1940 spricht das Rundschreiben den „Führervorbehalt“ aus und verweist nachdrücklich auf die absolute Zuständigkeit Hans Posses für die eingezogenen Kunstbestände.
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Die Sammlung des Fürsten Lobkowicz Im Februar 1941 meldete die Gestapo Prag einige eingezogene Gemälde an Posse. Dieser suchte zwei aus, ein Mädchenbildnis des österreichischen Malers Hans Canon und das Gemälde Landschaft mit Lindwurm von Carl Spitzweg.6 Beide Maler gehörten zu Hitlers Favoriten, doch scheint Posses Interesse durch das magere Angebot nicht geweckt worden sein. Vielmehr wurde der „Führervorbehalt“, der am 11. Mai 1941 ausgesprochen wurde, nun klar auf Sammlungen begrenzt, sodass Einzelwerke nicht mehr darunter fielen. Ausgelöst worden war diese Ausführung des „Führervorbehalts“ durch ein Memorandum des Direktors des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin, durch das Posse erfahren hatte, dass der Kunstbesitz des Fürsten Lobkowicz auf Schloss Raudnitz/Roudnice beschlagnahmt worden war. 7 Das Berliner Museum führte schon seit längerer Zeit Ankaufsverhandlungen über das berühmteste Gemälde der Sammlung, Die Heuernte von Pieter Brueghel d. Ä. Posse trachtete nun danach, dieses Gemälde für das „Führermuseum“ zu erhalten. Maximilian Lobkowicz, Rechtsanwalt, Politiker und Diplomat, war ein Unterstützer der tschechischen Republik und wirkte als deren Botschafter in Großbritannien, weshalb er von den NS-Behörden zum Staatsfeind erklärt und sein Eigentum eingezogen worden war. In einem Schreiben an Bormann vom 2. Mai 1941 empfahl Posse, auf Reichsprotektor Neurath dahingehend einzuwirken, dass ihm eine Durchsicht der Sammlung des Fürsten ermöglicht würde, um Ansprüche deutscher Museen und des „Führermuseums“ anmelden zu können.8 Am 11. Mai 1941 wurde der „Führervorbehalt“ auf das Protektorat ausgedehnt. „Wie ich jetzt erfahren habe, ist die Frage der Verwendung eingezogener Kunstsammlungen auch im Protektorat praktisch geworden. Da ich überzeugt bin, dass der Führer auch bei der Einziehung von Kunstsammlungen im Protektorat den Wunsch haben wird, über deren Verwendung bestimmen zu können, ehe die zuständigen Behörden sich mit der Verwertung der Sammlungen befassen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn sie veranlassen würden, dass im Falle der Einziehung von Kunstsammlungen vor einer Anordnung über die
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Verwertung der eingezogenen Gegenstände der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden, Herr Dr. Posse, den der Führer mit der Vorbereitung seiner Entscheidungen beauftragt hat, benachrichtigt wird, damit er eine Entscheidung des Führers herbeiführen kann. Um Missverständnisse von vornherein auszuschließen, darf ich darauf hinweisen, dass der Vorbehalt des Führers keinesfalls Anlass zur Einziehung von Kunstsammlungen geben kann. Er bezieht sich nur auf die Fälle, in denen auf Grund bestehender Vorschriften Einziehung bereits erfolgt ist.“9 Wie immer wurde Posse von dem ergangenen „Führervorbehalt“ durch die Reichskanzlei informiert. Am 22. Juli 1941 setzte Posse Hitlers Erstzugriffsrecht in die Tat um: Mit dem Nachtzug reiste er nach Prag; morgens inspizierte er die von der Gestapo konfiszierten Gemälde aus jüdischem Besitz und ein Museum (es bleibt unklar, welches), nachmittags fuhr er nach Raudnitz/Roudnice nad Labem, um die Sammlung Lobkowicz durchzusehen. Sein Inspektionsbericht ging am 30. Juli 1941 an Bormann. Im „beschlagnahmten Judenbesitz“ habe er „nur wenige für die Zwecke des Führers geeignete Stücke“ gefunden: „Das meiste war recht wertloses Zeug.“ Ausgewählt hatte er sieben Objekte, die am 17. September 1941 von einem Beamten der Gestapo Prag – vermutlich Heinrich Baudisch – in den Führerbau nach München gebracht wurden.10 Über die Ergebnisse seiner Inspektion des Kunstbesitzes Lobkowicz hielt er sich wieder einmal bedeckt: „Darüber werde ich noch berichten, sobald die Angelegenheit völlig geklärt ist. Es liegen da, vor allem auch von Seiten des Protektorats, allerhand Wünsche vor.“11 Reichsprotektor Konstantin von Neurath war nämlich der Meinung, dass die Sammlung im Protektorat verbleiben solle, wie Posse dem Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums Ernst Heinrich Zimmermann bald darauf berichtete.12 Am 30. September und 1. Oktober 1940 ergingen Berichte Posses an Hitler, in denen er wohl Neuraths Position erläuterte und dazu Stellung bezog. Diese vermutlich geheimen Berichte sind verschollen, wir wissen von ihnen lediglich durch Erwähnungen in Posses Korrespondenz. Hitler entschied jedenfalls am 4. Oktober 1941, dass neben den sieben
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von der Gestapo beschlagnahmten Werken auch sechs Gemälde aus der Raudnitzer Sammlung des Fürsten Lobkowicz dem „Führermuseum“ zugewiesen wurden, darunter Die Heuernte von Pieter Brueghel d. Ä.13 Der Sicherheitsdienst lieferte sie am 12. Dezember 1941 in der Dresdner Galerie ab, von wo sie nach München gesandt wurden. Brueghels Heuernte galt als ein Hauptwerke der geplanten Linzer Galerie: Als solches wurde sie in den Fotokatalog der „Gemäldegalerie Linz“ aufgenommen und im ersten Artikel über das „Führermuseum“ im Sonderheft zum 20. April 1943 der Zeitschrift Kunst dem Volk abgebildet.14 Posse empfahl im Februar 1942, dem Reichsprotektor eine Kompensation von einer Million Reichsmark zu zahlen, damit dieser „andere Kunstwerke für die Museen des Protektorats“ kaufen könne; die hohe Summe begründete er damit, dass allein die sechs Raudnitzer Bilder die Höhe dieser Summe voll rechtfertigen würden. Dabei blieb er allerdings wieder einmal unter den Forderungen: „Die vonseiten des Reichsprotektors aufgestellte durchaus nicht übertriebene Schätzungssumme beträgt 1 315 000,– RM.“15 Hitler stellte den Betrag tatsächlich zur Verfügung, allerdings mit Auflagen: Um eine missbräuchliche Verwendung zu verhindern, sollte die Zahlung nur auf Nachweis vom Ankauf von Kunstwerken hin erfolgen.16 Über die Gemälde hinaus umfasste die Sammlung des Fürsten Lobkowicz ebenso wie andere tschechische Sammlungen auch große Bestände an historischen Waffen. Bereits mit dem Rothschild-Besitz waren zahlreiche historische Waffen in die Verfügung des „Sonderauftrags“ gelangt. Sie wurden vom Direktor der Waffenkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien, Dr. Leopold Ruprecht, inventarisiert. In seinem Verteilungsvorschlag vom 28. Februar 1941 sah Posse 190 Stück der Waffensammlung Rothschild für das Linzer Museum vor.17 Nach Posses Tod wurde Ruprecht im April 1940 als Sachbearbeiter für den Aufbau einer Waffensammlung eingesetzt.18 Ursprünglich hatte Hitler für sein Linzer Museum eine Waffenhalle vorgesehen, doch die gute Ausbeute ließ den Plan reifen, ein separates Waffenmuseum in Linz zu errichten.19 Mit Rundschreiben vom 12. Juni 1943 wurde der „Führervorbehalt“ auf eingezogene Sammlungen historischer Waffen und einschlägiges Schrifttum ausge-
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dehnt; Ruprecht wurde als der Beauftragte für die Vorbereitung der Entscheidung des „Führers“ genannt.20 Am 1. Juli 1943 erhielt er einen Ausweis und fuhr wohl bald nach Prag, zur Inspektion der beschlagnahmten Waffensammlungen des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, des Fürsten Lobkowicz, des Grafen Coloredo und des Fürsten Schwarzenberg. Wie er feststellen konnte, waren sie auf den Hradschin gebracht worden; die Protektoratsverwaltung beabsichtigte, aus diesen Beständen ein Armeemuseum aufzubauen. Ruprecht erbat eine Verfügung, die ihm „eine Entnahme von Gegenständen für die Planung des Führers“ ermögliche. Am 13. August 1943 benachrichtige Bormann Lammers, dass Ruprecht mit dem Aufbau der Linzer Waffensammlung beauftragt worden sei und der „Führervorbehalt“ dementsprechend angepasst werden müsse. Am 29. September 1943 behielt sich Hitler das Verfügungsrecht auf beschlagnahmte Waffen von künstlerischem Wert vor.21 Daraufhin wurden 128 Waffen aus Prag nach Altaussee gebracht. Die übrigen Objekte – der Katalog führt 1294 Teile auf – waren in der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums deponiert. In seinem letzten Telefongespräch mit dem Führerhauptquartier bat Reichsstatthalter Baldur von Schirach, Wien der 90 000 Verwundeten wegen zur „offenen Stadt“ erklären zu lassen. „Doch die Antwort, die aus dem Feldtelefon kommt, ist nicht zu fassen: ‚Da die Lage der Stadt hoffnungslos erscheint, soll Hitlers Sammlung antiker Waffen, die dort lagert, sofort auf LKW verladen und zum Obersalzberg gebracht werden‘“ (Henriette von Schirach).22 Das Leiden und Sterben der Menschen war für Hitler nachrangig. In seiner Vorstellungswelt hatte das durchaus eine Logik, denn Kriege „kommen und vergehen, was bleibt, sind einzig die Werke der Kultur“.23 Damit war der Zugriff auf die Sammlung Lobkowicz noch nicht beendet: Friedrich Wolffhardt, der im April 1941 mit dem Aufbau einer Bibliothek für Linz beauftragt worden war, startete noch im Sommer 1944 einen Versuch, Zugriff auf die Bibliothek des Fürsten zu bekommen.24 Er wandte sich am 22. Juli 1944 an den Referenten des „Sonderauftrags Linz“ Gottfried Reimer mit der Frage, ob die eingezogene Bibliotheks- und Musikalien-Sammlung des Fürsten Lobkowicz dem „Füh-
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rervorbehalt“ unterläge; Reimer bejahte. Daraufhin meldete Wolffhardt beim Chef der Prager Gestapo sein Interesse an, die Bestände, die sich in der Universitätsbibliothek Prag befanden, für „Zwecke des Führers“ zu übernehmen. Im Dezember 1944 war die Angelegenheit freilich immer noch nicht entschieden und sah nach Wolffhardts Einschätzung auch wenig Erfolg versprechend aus. Die von Posse aus dem Protektorat bezogenen Werke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg an die Tschechoslowakei restituiert. Die sozialistische Republik aber verstaatlichte die Sammlung Lobkowicz. Die Kunstwerke wurden erst vor wenigen Jahren durch Präsident Václav Havel an die Familie zurückgegeben. Heute wird Brueghels Heuernte im als Museum eingerichteten Palais Lobkowicz auf der Prager Burg präsentiert.
Der Hohenfurther Altar Das südböhmische Zisterzienserstift Hohenfurth/Vyšší Brod, nur 30 Kilometer nördlich von Linz gelegen, war nach dem Münchner Abkommen 1938 dem Gau Oberdonau angegliedert worden. Kurz zuvor hatte die tschechische Regierung die neun Bildtafeln des sogenannten Hohenfurther Altares, die ursprünglich wohl gar nicht zu einem Retabel gehörten, nach Prag in die Nationalgalerie bringen lassen. Nach der Einnahme der „Rest-Tschechei“ durch das Deutsche Reich setzte sich der Landeskonservator von Oberdonau, Franz Juraschek, für die Rückführung des Bildensembles ein, und zwar gegen den Widerstand der Protektoratsverwaltung, welche die Tafeln in Prag behalten wollte.25 Nahezu ein Jahr musste Juraschek verhandeln, bis er – mit Unterstützung aus Berlin – an sein Ziel gekommen war. Ende Mai 1940 wurde der Hohenfurther Altar an seinen Ursprungsort zurückgebracht. Der Gaupresseamtsleiter von Oberdonau, Dr. Anton Fellner, hatte in seinem Artikel Malerei und Plastik der Gotik, der in einem Sonderheft der Zeitschrift Kunst dem Volk unter dem Titel Die Kunst im Heimatgau des Führers anlässlich des Führergeburtstages 1940 erschien, die Bildtafeln Weihnacht und Ölberg in Farbe abgebildet: „Hoch oben in verborgener Böhmerwaldeinsamkeit entstan-
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„Hohenfurther Altar“, Ölberg-Szene, um 1350, Prag, Nationalgalerie
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den um 1350 die neuen Goldtafeln des Altars von Hohenfurth, nach dem von Klosterneuburg das älteste Altarwerk der deutschen Malerei.“26 Knapp ein Jahr später, am 16. April 1941, kündigte Bormann Posse an, dass das Stift „in allernächster Zeit wegen des staatsabträglichen Verhaltens seiner Insassen mit seinem ganzen Vermögen beschlagnahmt werden“ würde. Er bat ihn um seine Stellungnahme, ob der Altar vor Ort verbleiben oder Linz zugewiesen werden solle.27 Im Mai 1941 beantragte Posse die Zuweisung des Bildwerks an das „Führermuseum“, mit dem Argument, dass es am abgelegenen Standort der Allgemeinheit entzogen sei und die Erhaltung der einzigartigen Tafeln deutscher Malerei in pfleglicher Behandlung eines großen Museums besser gesichert seien „als in dem längst bedeutungslos gewordenen Stift“. Posse folgte damit dem Vorschlag des Leiters des Wiener Denkmalamtes, Herbert Seiberl, und griff zu den gleichen konservatorischen und kunstpolitischen Argumenten. Seiberl war als Mittelalterkunsthistoriker offensichtlich persönlich an dem Bildwerk interessiert, das damals als das „älteste Altarwerk der deutschen Malerei“ galt. Er hoffte, dass die Überweisung des Bildwerkes die Initialzündung für eine „ostmärkische mittelalterliche Abteilung“ sein würde. Bis zum Bau des Linzer Museumsgebäudes solle es in einem der Linzer oder Wiener Museen – er dachte insbesondere an das Kunsthistorische Museum – ausgestellt werden.28 Die Entscheidung fiel am 20. Mai bei Posses Vortrag in München: Hitler bestimmte die Zuweisung an das „Führermuseum“.29 Am 9. Oktober 1943 holte Seiberl beim „Sonderauftrag“ die Genehmigung ein, die Tafeln im Salzbergwerk Altaussee zu bergen.30
11. Kunstraub in der Sowjetunion
Der „Sonderauftrag“ in der Sowjetunion Hitlers Interesse am Zugriff auf die italienischen, französischen und deutschen Meisterwerke der Eremitage in Sankt Petersburg (Leningrad), der bedeutendsten Gemäldesammlung europäischer Malerei in der Sowjetunion, steht außer Debatte. Da die Stadt von der Wehrmacht nie eingenommen wurde, kamen die Kunstwerke nicht in seine Verfügung. Stimmt es aber, dass der „Sonderauftrag Linz“ auf die beschlagnahmten Kunstbestände der Sowjetunion ebenfalls keinen Zugriff erhielt? Zog Hitlers Sonderbeauftragter im großen Konkurrenzkampf, der zwischen den Raubkunstorganisationen herrschte, tatsächlich den Kürzeren? Kam er auch hier zu spät?1 Urteile der neueren Forschung zum NS-Kunstraub wie diese gründen auf der falschen Annahme, der Katalog des Kunstdepots im Münchner Führerbau repräsentiere den Bestand des „Sonderauftrags“. Die Tatsache, dass in diesem tatsächlich nur ein einziges Gemälde aus der Sowjetunion verzeichnet ist, hat nur beschränkte Aussagekraft, denn die Kunstwerke aus der Sowjetunion waren in anderen Depots untergebracht. Gerade beim Kunstraub in der Sowjetunion kam der „Sonderauftrag“ erstaunlich früh: Posse wurde nämlich schon vor dem Überfall der Wehrmacht in der Angelegenheit des russischen Kunstbesitzes aktiv. Laut seinem Diensttagebuch ließ er sich am 20. und 21. Juni 1941 von Niels von Holst ausführlich über die in Russland vorhandenen Kunstgüter berichten. Von Holst, Otto Kümmels Adlatus bei den Recherchen zum napoleonischen Kunstraub, war ein aus Riga gebürtiger Deutsch-Balte. Die Stadt, die von 1710 bis 1917 zum Russischen Reich gehört hatte, war 1918
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von deutschen Truppen besetzt worden. Bei ihrem Rückzug hatten russische Truppen Kulturgüter requiriert und mitgenommen. Als Leiter der Kommission für die Rückführung Balten-Deutschen Kultur- und Archivgutes, die dem Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums Heinrich Himmler unterstellt war, war von Holst der Hauptverantwortliche für die Überführung baltischen Kunstgutes, das als „deutsch“ eingeordnet wurde, aus der Sowjetunion ins Deutsche Reich.2 Von Oktober 1939 bis Juni 1941 verhandelte er zuerst mit den Vertretern der baltischen Staaten und später mit denen der Sowjetunion über sogenannte „Repatriierungen“. Mehrfach reiste er mit der deutschen Delegation nach Moskau. Anfang Mai 1941 besuchte er dabei Sankt Petersburger und Moskauer Museen, um dort Kunstwerke deutschen Ursprungs festzustellen, die das Deutsche Reich von den Sowjets ankaufen oder eintauschen wollte. Diese Aktion stand wohl in Zusammenhang mit dem Rückführungsprojekt von Propagandaminister Joseph Goebbels, der eine Liste der in der Sowjetunion befindlichen Kunstwerke hatte erstellen lassen, auf die das Deutsche Reich Anspruch erhob. Sie umfasste 18 Gemälde in der Eremitage, die während der napoleonischen Feldzüge aus der Kasseler Galerie entführt und später an den Zaren verkauft worden waren, Repatriierungsfälle also. Darüber hinaus führt die Liste 194 weitere Werke der europäischen Kunst aus der Eremitage an, die vermutlich als Kompensation für zerstörte oder verschollene Kunstwerke deutscher Provenienz dienen sollten. Eine dritte Aufstellung galt Kunstwerken in anderen Museen, die – auch nach deutscher Auffassung – legal erworben worden waren und bei denen wohl eine Erwerbung durch Tausch erwogen wurde.3 Ende Mai bereitete von Holst offenbar eine weitere Reise vor. Am 28. Mai 1941 schrieb er an die deutsche Botschaft in Moskau: Der „Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – an seiner Seite u. a. der Direktor des Wiener Kunsthistorischen Museums und der Direktor der Dresdner Galerie, der vom Führer persönlich mit dem Aufbau des neuen ‚Führermuseums‘ in Linz betraute Direktor Posse“, so führte er aus, hätten „den Wunsch geäußert, dass die Gelegenheit benutzt werde, um durch mich gewisse Feststellungen treffen zu lassen“.
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Von Holst plante offenbar eine weitere Mission, nun im Auftrag Kümmels, Dworschaks und Posses. Es ist unsicher, ob er sie noch durchgeführt hat. Jedenfalls überreichte er mit Datum vom 24. Juni 1941 dem Auswärtigen Amt sowie Posse und Kümmel einen Gesamtbericht über Tätigkeit in den Staaten Lettland und Estland und in der Sowjetunion zur Erfassung und Sicherung deutschen Kunstguts.4
Der „Führervorbehalt“ für die Eremitage Das „Unternehmen Barbarossa“, der Überfall auf die Sowjetunion, startete am 22. Juni 1941. Am 30. Juni 1941 teilte der Sonderbeauftragte für die Erfassung und Sicherung der Kunst- und Kulturgegenstände im Generalgouvernement, Kajetan Mühlmann, dem Amt des Generalgouverneurs unter Bezugnahme auf das Dekret vom 9. Oktober 1939 zur Sicherstellung des polnischen Kunstbesitzes mit, dass „Reichsmarschall Göring nun den Auftrag auf die neu eroberten Gebiete im Osten ausgedehnt und sein Staatsamt bereits angewiesen hat, die notwendigen Vollmachten auszustellen“.5 Mühlmann wurde von Göring auf Sankt Petersburg und Moskau angesetzt.6 Doch wie in Polen scheint diese Initiative im Sand verlaufen zu sein. Auf den NS-Kunstraub in der Sowjetunion hatte Göring keinen Einfluss mehr.7 Vielmehr wurde zur schnellen Sicherstellung der Kunstschätze der Eremitage das Sonderkommando Künsberg eingesetzt, das sich bereits in Frankreich bei einer entsprechenden Aufgabe bewährt hatte.8 Ein geheimer und undatierter OKW-Befehl legte fest, das Sonderkommando und die Sicherheitspolizei sollten als schnelle Eingreifgruppe direkt im Gefolge der kämpfenden Truppe unmittelbar nach der Einnahme Leningrads die wichtigsten Kunstschätze sicherstellen.9 Der Befehl kam insofern überraschend, als Eberhard von Künsberg zuvor die schriftliche und mündliche Order erhalten hatte, seine Maßnahmen in der Sowjetunion auf geheimdienstliches Material zu beschränken. Am 9. Juli 1941 wies Außenminister Ribbentrop ihn jedoch an, sich nach Leningrad zu begeben, um „Bilder“ sicherzustellen. Drei Tage später wurde die Order auf den Kreml in Moskau erweitert.
Der „Führervorbehalt“ für die Eremitage
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In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Hitler schon in der Nacht auf den 6. Juli 1941 die Vermutung äußerte, die Bestände der Eremitage seien bereits in Schlösser auf dem Land oder in Städte östlich von Moskau verlagert worden.10 Tatsächlich hatte am Tag nach dem deutschen Überfall die Evakuierung des Museums begonnen. Am 1. Juli 1941 wurden annähernd eine Million Kunstwerke in einem Sonderzug von 22 Güterwagen einschließlich eines gepanzerten Spezialwaggons für die wertvollsten Objekte nach Swerdlowsk in Sibirien verschickt.11 Als die Schlacht um Leningrad am 15. Juli begann, ging das deutsche Militär noch davon aus, die Stadt bald besetzen zu können. „Der Führer will Leningrad dem Erdboden gleichmachen“, teilte Bormann dem Oberkommando der Wehrmacht am 16. Juli 1941 als geheime Kommandosache mit.12 Das stellt keinen Widerspruch zu der angeordneten Sicherstellungsaktion dar, im Gegenteil: Gerade wenn die Stadt zerstört werden sollte, mussten die dort noch vorhandenen Kunstwerke möglichst schnell herausgebracht werden. Am 20. Juli 1941 gab Hitler die Anweisung, den „Führervorbehalt“ auf die neu besetzten russischen Gebiete auszudehnen. Am 24. Juli 1941 übermittelte die Reichskanzlei dem neu ernannten Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg, und dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht den grundlegenden Erlass vom 18. November 1940. Der Chef der Reichskanzlei Lammers wies dabei ausdrücklich darauf hin, Hitler habe angeordnet, dass die im „Rundschreiben niedergelegten Grundsätze auch in den von deutschen Truppen besetzten und zu besetzenden russischen Gebieten“ gelten sollten. Posse sei der zuständige Sachbearbeiter. Wie immer wurde dieser von der Ausdehnung seiner Zugriffsmöglichkeiten unterrichtet.13 Am 23. Juli erging der schriftliche Befehl an das auf Leningrad angesetzte Einsatzkommando, die Kunstwerke der Eremitage sicherzustellen.14 Bei schneller Einnahme der Stadt hätte das Kommando durchaus noch reiche Beute gemacht, denn der zweite große Evakuierungs-Transport aus 23 Waggons mit 700 000 Kunstwerken hatte die Stadt noch nicht verlassen. Doch Leningrad widersetzte sich erfolgreich der Einnahme. Auch nachdem sich der Belagerungsring geschlossen hatte, befanden sich noch zahlreiche Kunstwerke in der Stadt. Sie wurden in die Keller der Museen ge-
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bracht, es wurden bombensichere Unterstände für sie errichtet, Objekte aus Glas, Porzellan oder Keramik wurden auf Stroh oder Sand gebettet, Skulpturen wurden vergraben. Nachdem mit einer schnellen Einnahme Leningrads nicht mehr zu rechnen war, zog Außenminister von Ribbentrop seine SicherstellungsOrder am 9. August 1941 zurück, Künsbergs Zuständigkeit wurde wieder auf politisches Material reduziert.15 Das Kommando raubte von nun an vor allem Bücher und Karten, die in Zwischenlagern auf dem Boden der Sowjetunion und des Generalgouvernements gesammelt und dann in die Berliner Sammelstelle Hardenbergstraße Nr. 29 abtransportiert wurden. Stieß das Kommando bei seinen Durchsuchungen auf Kunstwerke, wurden diese ebenfalls nach Berlin geschickt und dort katalogisiert; auch für sie galt der „Führervorbehalt“. Im Frühjahr 1943 wurde das Sonderkommando aufgelöst.
Posses Beauftragter Niels von Holst Ab Ende Juli 1941 galt der „Führervorbehalt“ also für die Sowjetunion, gleichzeitig war die Möglichkeit der Sicherstellung des hochrangigen Kunstbesitzes der großen Museen in weitere Ferne gerückt. Posse war zu diesem Zeitpunkt mit Kunstkäufen in Italien und den Niederlanden ausgelastet, und diese Aktivitäten wurden von Hitler ausdrücklich unterstützt. Posse, der mehrere Studienjahre in Italien verbracht und über Andrea Sacchi, einen römischen Maler des 17. Jahrhunderts promoviert hatte, war Experte für italienische Malerei und legte persönlichen Ehrgeiz in die Aufgabe, für das „Führermuseum“ eine gute italienische Abteilung aufzubauen. Da er also häufig auf Reisen war, in der hochwichtigen Angelegenheit der Eremitage-Bestände aber ein Fachmann ständig abrufbar und einsatzbereit sein sollte, unterbreitete Posse Bormann am 22. September 1941 den Vorschlag, Niels von Holst mit der Betreuung der Petersburger „Kunstsachen“ – wie er wieder sibyllinisch formulierte – zu beauftragen.16 Am 26. September erging der Befehl aus dem Führerhauptquartier an den Oberbefehlshaber des Heeres:
Posses Beauftragter Niels von Holst
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„Der Führer hat nach Vortrag von Reichsleiter Bormann entschieden, dass der Leiter des Außenamtes der staatlichen Museen in Berlin, Dr. Niels von Holst, der z. Zt. als Sonderführer die Betreuung der Kunstschätze in Reval ausübt, so eingesetzt wird, dass er auch für weitere Aufgaben auf dem Gebiet, z. B. Sicherstellung der Kunstschätze von Krasnoje-Selo, Peterhof und Oranienbaum und späterhin auch Petersburg, zur Verfügung steht.“17 Mit dieser Order brach von Holst bald darauf zu einer Erkundungsmission in das besetzte Gebiet südlich von Leningrad auf. Im Oktober muss er sich dort aufgehalten haben, jedenfalls ging sein Bericht am 1. November 1941 über Posse an Bormann.18 Er hatte das Zarenschloss Gatschina, das er wenige Monate zuvor, noch in deutsch-sowjetischen „Friedenszeiten“ besucht hatte, inspizieren können und dort festgestellt, dass zwischenzeitlich „alles wertvolle, bewegliche Kunstgut systematisch und offenbar in aller Ruhe sowjetischerseits entfernt worden“ war. Vorhanden seien nur noch Gemälde zweiten bis vierten Ranges, diese aber in großer Zahl. Allerdings befänden sich unter den Möbeln, Teppichen et cetera durchaus „noch sehr wertvolle Stücke“. Auf seiner Erkundungstour traf er Ernst-Otto Graf zu Solms-Laubach, im Zivilberuf Direktor des Museums für Stadtgeschichte in Frankfurt, nun Kunstschutzoffizier bei der Heeresgruppe Nord. Dieser schilderte ihm die Verhältnisse in den übrigen Schlössern „als übereinstimmend mit Gatschina“. Tatsächlich waren nach dem deutschen Überfall die wichtigsten Kunstobjekte der Palastmuseen in Zarskoje Selo, Pawlowsk und Gatschina nach Nischni-Nowgorod (etwa 450 km östlich von Moskau) und Sarapul (etwa 1250 km östlich von Moskau) beziehungsweise in die zu einem Antireligiösen Museum umfunktionierte Isaak-Kathedrale im Zentrum Leningrads verlagert worden. Nach von Holsts Einschätzung bestand „wenig Hoffnung für Gemälde und leicht entfernbare Kunstwerke“, das heißt, dass für Hitlers Kunstverteilungsprojekt nichts mehr in den Zarenschlössern vorhanden war; dritt- oder viertrangige Gemälde fielen nicht unter den „Führervorbehalt“, und an Möbeln und Teppichen bestand kein besonderer Bedarf, da umfangreiche und hochrangige Bestände aus den jüdischen Kunstsammlungen in Frank-
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reich zur Verfügung standen. Unabhängig davon stellte Solms-Laubach in Gatschina noch 4000 Gemälde sicher, in Pawlowsk Ikonen, Möbel und im Park vergrabene Skulpturen, in Peterhof eine Sammlung kostbaren Porzellans. Am 14. Oktober 1941 wurden fünf Eisenbahnwaggons voller Kunstwerke, darunter das berühmte, sagenumwobene Bernsteinzimmer, nach Königsberg abtransportiert.19 Als der Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin, Ernst Gall, im März 1942 Fotos von Kunstgegenständen aus Zarskoje Selo und Gatschina an Posse sandte, damit der „Führervorbehalt“ zur Anwendung komme, winkte Posse dankend ab.20
Überraschende Kooperationen Am 16. Juli 1941, kurz nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, wurde Alfred Rosenberg zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ernannt. Hitler übertrug am 20. August 1941 die bereits besetzten Gebiete der Zivilverwaltung; am selben Tag beauftragte Rosenberg den Reichshauptstellenleiter Gerhard Utikal mit der Leitung des Einsatzstabes auch in den besetzten Ostgebieten und erteilte ihm den Auftrag, im Osten alle Kulturgüter „sicherzustellen“, die für die nationalsozialistische Forschung von Interesse seien.21 Gleichzeitig beziehungsweise in den folgenden Wochen ergingen Sicherstellungsbefehle für Kulturgüter an die Reichskommissariate Ostland und Ukraine.22 Entsprechend der Vorgehensweise in den besetzten Westgebieten sollten die Beschlagnahmungen von der Polizei durchgeführt und die Objekte darauf dem Einsatzstab zur Sichtung übergeben werden. Noch war nicht ausdrücklich von Kunstwerken die Rede. In diesem Herbst wurde Hans Posse zweimal ins Führerhauptquartier Wolfsschanze in den masurischen Wäldern bestellt. Laut seinem Diensttagebuch hielt er sich am 15./16. und am 22./23. Oktober 1941 dort auf. Hier traf er Rosenbergs Verbindungsmann Werner Koeppen, mit dem er übereinkam, eine Liste jener russischen Kunstgüter zu erstellen, auf die er den „Führervorbehalt“ anwenden wollte.23 Der ERR war also bereit, gezielt nach den Wunschobjekten von Hitlers Sonderbeauftrag-
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tem zu suchen und diese für Hitler zu reservieren. Vermutlich in Reaktion auf Posses Kooperationsbereitschaft versuchte Rosenberg am 16. Oktober 1941 in einem Entwurf eines Schreibens an Hitler seine Zuständigkeit wie in Frankreich auf den spezifischen und gezielten Kunstraub auszuweiten24: „Verschiedene bei mir eingegangenen Berichte veranlassen mich, Sie, mein Führer, zu bitten, für die Sicherstellung von Kunstschätzen, Kulturgütern und Forschungsmaterial in den besetzten Ostgebieten eine für alle Dienststellen einschließlich der Wehrmacht und den SSFormationen bindende zusätzliche Regelung zu treffen. Als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete sehe ich meine Aufgabe nicht nur darin, die neuen Gebiete verwaltungsmäßig zu betreuen und für das Großdeutsche Reich nutzbar zu machen, sondern möchte auch als ihr Treuhänder in Verantwortung vor der Geschichte alle Kunstschätze, Kulturgüter und das gesamte Forschungsmaterial dieses Raumes für das Großdeutsche Reich umfassend gesichert wissen. […] Mir ist bekannt, dass Sie, mein Führer, bestimmte Kunstschätze zwecks Sicherstellung für das Museum in Linz abtransportieren ließen. Der Generalkommissar Kube berichtet mir jedoch, dass darüber hinaus aus den umfassenden Sammlungen von Kunstschätzen in Minsk sehr große Werte von Dienststellen und Personen entführt wurden, die offensichtlich dazu nicht befugt waren. Solche Vorgänge können meiner Meinung nach in keiner Weise gut geheißen werden und können nach Lage der Dinge nur durch eine besondere Verfügung durch Sie, mein Führer, verhindert werden.“ Er habe, so Rosenberg weiter, seinen Stab angewiesen, „die im Westen durchgeführten Arbeiten nun in umfassenderer Weise in den besetzen Ostgebieten ebenfalls durchzuführen“ und im Bereich der Zivilverwaltung zunächst jeglichen Abtransport von Kunstschätzen, Kulturgütern und Forschungsmaterial verboten: „Das gesamte Material soll durch meinen Einsatzstab gesichert und inventarisiert werden. Anhand der so entstehenden Übersicht kön-
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nen alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Dienststellen des Großdeutschen Reiches berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage würde ich auch die Garantie dafür übernehmen können, dass alle Kunstschätze, die für Ihre persönlichen Pläne, mein Führer, mit Linz und anderen Museen in Frage kommen, tatsächlich zugeführt werden können.“ Er lockte damit, dass er und sein Sonderstab sich wie bereits in Frankreich insbesondere für die Belange von Hitlers Museumsprojekt einsetzen würden und bot eine direkte Kooperation mit Posse an: „Ich wäre auch dankbar, wenn Herr Direktor Posse als Ihr besonderer Beauftragter für das Museum in Linz seine Vorschläge und Wünsche mir zuleiten würde, damit ich für strikte Berücksichtigung Ihrer Wünsche, mein Führer, sorgen kann. Das scheint mir auch zweckmässiger zu sein, als wenn neben den bereits bestehenden Dienststellen und Einrichtungen, die sich mit diesen Aufgaben befassen, noch weitere Beauftragte eingesetzt würden. Ich habe durch den Generalquartiermeister des Heeres erfahren, dass auf Vorschlag von Direktor Posse zur Sicherung von Kunstschätzen in Leningrad Herr Dr. von Holst beauftragt wurde. So sehr Herr Dr. von Holst als Kenner des Landes und Kunstsachverständiger dazu geeignet ist, so erscheint mir seine Tätigkeit aus den geschilderten Gründen innerhalb meines Einsatzstabes weit zweckmässiger, da damit die Arbeit meines dortigen Reichskommissariates erleichtert und den Wünschen und Auffassungen des Generalquartiermeisters des Heeres entsprechen wird.“ Er bat Hitler, einen entsprechenden Befehl zu erlassen, der für alle Dienststellen bindend sei, und legte schon einen Entwurf bei. Seinem Schreiben angefügt war ein Bericht des Generalkommissars Weißrutheniens, Wilhelm Kube, über Verwüstungen der Minsker Kunst- und Gemäldesammlung, des Museums für Vor- und Frühgeschichte und der Universität durch SS-Einheiten. Auf Befehl Himmlers seien alle wertvollen Objekte ins Reich abtransportiert und der Rest sinnlos zerstört worden. Kube endete mit dem Wunsch nach „fachmännischem Raub“:
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„Hoffentlich werden in Leningrad und in Moskau sowie in den alten Kulturstädten der Ukraine von vorn herein Sachverständige zur Verhütung derartiger Vorgänge eingesetzt, sonst findet die Zivilverwaltung überall dieselben Verheerungen wie hier vor.“25 Mit diesem Angriff auf Himmler beabsichtigte Rosenberg, bei Hitler ein primäres Verfügungsrecht seines Einsatzstabes über Kunstwerke in der Sowjetunion zu erwirken. Er begriff Posse dabei keineswegs als Konkurrenten, sondern als Verbündeten. Dessen Kooperationsbereitschaft bestätigte sozusagen seinen Einsatzstab als einzige kompetente Kunstrauborganisation für den Umgang mit Kunst und gab den Anlass, die Methoden der SS als für Kunst ungeeignet zu disqualifizieren. Rosenberg schlug auch vor, Niels von Holst seinem Einsatzstab für die Sicherstellung der Kunstwerke Leningrads zu unterstellen. Dieser scheint freilich keine große Rolle mehr gespielt zu haben. Er wurde im selben Jahr im Auftrag des Reichserziehungsministeriums nach Riga geschickt, um im ehemaligen Kunstmuseum ein Deutsches Landesmuseum einzurichten. Am 22. Oktober 1941 flog Posse laut seinem Diensttagebuch erneut mit dem Kurierflugzeug ins Führerhauptquartier. Nachmittags besprach er sich eineinhalb Stunden lang mit Hitler, sicherlich auch bezüglich der Vorschläge Rosenbergs. Danach folgten Verhandlungen mit Bormann und dessen Adjutanten Ministerialrat Heim, bevor Posse am Tag darauf abreiste. In den nächsten Tagen fand ein intensiver telefonischer Austausch zwischen ihm und dem Führerhauptquartier statt. Im Zusammenhang damit nahm er auch mit Georg Poensgen Kontakt auf, dem zuständigen Referenten für den militärischen Kunstschutz im Osten. Am 25. November 1941 verhandelte er mit ihm telefonisch wegen der „Kunstbergung im Osten“. Doch nicht alles drehte sich bei diesem Treffen mit Hitler um den Kunstbesitz der Sowjetunion. Ein wichtiges Thema waren auch die aktuellen italienischen Neuerwerbungen; dafür spricht die Anwesenheit von Prinz Philipp von Hessen, der Posse Vermittlungsdienste bei seinen Ankäufen in den alten, römischen Adelssammlungen leistete. Prinz Philipp, Mitglied der NSDAP und der SA, war mit Prinzessin Mafalda
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von Savoyen verheiratet, einer Tochter des italienischen Königs Viktor Emanuel III., und lebte in Italien. Das Paar sollte übrigens in KZ-Haft genommen werden, nachdem der König Mussolini im Juli 1943 verhaften ließ; der Prinz überlebte verschiedene Internierungslager, seine Frau starb 1944 nach einem Luftangriff auf das KZ Buchenwald. Albert Speer hat nach dem Krieg seine Verwunderung darüber geäußert, dass Hitler seine Kunsterwerbungen trotz des Russlandfeldzuges weiterführte. Dabei müsste ihm die Funktion, welche die Beschäftigung mit Kunst, Kunstangelegenheiten und Bauprojekten im Führerhauptquartier für Hitler hatte, klar gewesen sein. Er selbst war nämlich – auch nachdem er Rüstungsminister geworden war – Teil des Systems und hat mit Hitler immer wieder die gemeinsamen Bauprojekte besprochen.26 Im engeren Kreis um den Diktator war es jedenfalls jedem bekannt: Bei der Beschäftigung mit Kunst und Kunstangelegenheiten konnte Hitler Abstand gewinnen zu den immer aussichtsloser werdenden militärischen Ereignissen und neue Energie tanken. „Ich denke über militärische Dinge jetzt im Durchschnitt zehn Stunden am Tag“, äußerte er am 14. Oktober 1941, am Abend vor Posses erstem Besuch im Führerhauptquartier: „Dann kann ein Augenblick kommen, wo mich die Kriegsführung im Osten überhaupt nicht mehr beschäftigt […] und ich wende mich, während es dort weitergeht, ganz anderen Dingen zu.“ Er fuhr fort: „Das Gute für mich ist, dass ich mich entspannen kann. Vor dem Schlafengehen beschäftige ich mich mit Architektur, ich schaue Bilder an oder begebe mich auf sonst ein Gebiet, das ganz wo anders liegt, ein, zwei Stunden, ich würde sonst nicht schlafen können.“27 Am 5. Dezember 1941 setzte der russische Gegenangriff ein, am 19. Dezember übernahm Hitler selber den Oberbefehl über das Heer. In dieser Situation verbrachte er das Weihnachtsfest erstmalig nicht auf dem Berghof, sondern im Führerhauptquartier. Dorthin wurde ihm die Weihnachtslieferung der Fotoalben Gemäldegalerie Linz gebracht, der Fotokatalog seiner Gemäldesammlung, die der „Sonderauftrag Linz“ seit Ende 1940 für ihn zusammenstellte.28
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Adolf Hitler, „Grundriss der neuen Linzer Galerie“ („Führermuseum“), Mai 1942
Die fünf Fotoalben, die er nun in Händen hielt, verschafften ihm die lange gewünschte Übersicht über die Abteilung des 19. Jahrhunderts, die auf seiner eigenen Kollektion aufbaute. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1941 barst er förmlich vor Stolz darüber, dass es seine Sammlung schon „mit einer der neuen Galerien in Amerika aufnehmen“ könne.29 Wiederholt scheint er die Alben den folgenden Tagen studiert und sich mit seiner Museumsplanung beschäftigt zu haben. In der Nacht vom
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15. auf den 16. Januar 1942 sann er bereits über eine Inschrift für das Museumsgebäude nach: „Für die Galerie in Linz kann ich mir nur diese eine Überschrift denken: Dem deutschen Volk zu eigen“. Dann sprangen seine Gedanken zur Neuen Pinakothek in München und zu den Uffizien in Florenz, den vorbildlichen Museen, und weiter zu seinen diversen Museumsprojekten. Und er schloss: „Kriege kommen und vergehen, nur die Werke der menschlichen Kultur bleiben.“30 Zehn Tage später wiederholte er: „Kriege kommen und vergehen, was bleibt, sind einzig die Werke der Kultur. Daher meine Liebe zur Kunst, Musik und Architektur! Sind das nicht Kräfte, welche der kommenden Menschheit den Weg weisen? […] Ich würde, hätte sich ein anderer gefunden, nie in die Politik gegangen sein; ich wäre Künstler oder Philosoph geworden. Die Sorge um den Bestand des Volkes zwingt mich zu dieser Tätigkeit: Nur wenn das Leben gesichert ist, gibt es eine Kultur!“31
Der Anteil Rosenbergs Rosenbergs Wunsch auf Erweiterung seiner Zuständigkeit auf Kunstwerke kam Hitler mit einem Erlass am 1. März 1942 spät und nur zum Teil nach. Der Beschlagnahmebefehl bezog sich nämlich nur auf „Kulturgüter, die im Besitz oder Eigentum von Juden, herrenlos oder nicht einwandfrei zu klärender Herkunft sind“.32 Für alle aus den besetzten Ostgebieten stammenden hochrangigen Kulturgüter bestand laut Verfügung der Reichskanzlei vom 18. November 1940 eine Vorlagepflicht bei Hitler beziehungsweise seinem Sonderbeauftragten Posse. Um die Probleme zu umgehen, die sich in Frankreich aus der Abhängigkeit von Görings Luftwaffe für den Transport ergeben hatten, aber sicherlich auch wegen der sehr viel gefährlicheren und komplizierten militärischen Lage wurde die Wehrmacht am 1. März 1942 zur Zusammenarbeit aufgefordert: „Juden, Freimaurer und die mit ihnen verbündeten weltanschaulichen Gegner des Nationalsozialismus sind die Urheber des jetzigen gegen
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das Reich gerichteten Krieges. Die planmäßige geistige Bekämpfung dieser Mächte ist eine kriegsnotwendige Aufgabe.“ Der Chef der Reichskanzlei Lammers informierte am 5. Juli 1942 Polizei- und Wehrmachtsdienststellen über die Tätigkeit des ERR in den unter Zivil- und Militärverwaltung stehenden Gebieten und wies sie unter Berufung auf den „Führervorbehalt“ zur Zusammenarbeit an.33 Am 30. September 1942 ergingen Schreiben des Oberkommandos des Heeres mit der zentralen Bestimmung, die besagte, dass die Sonderkommandos des ERR zum Wehrmachtgefolge gehörten, aber ihre Aufgaben in eigener Verantwortung und nach den von Reichsleiter Rosenberg erlassenen Richtlinien durchführten.34 Damit konnte der ERR unmittelbar nach Besetzung der Gebiete durch die kämpfende Truppe tätig werden. Die Anordnung erging an alle Dienststellen der Wehrmacht, der Partei und des Staates. Am 7. April 1942 erfolgte eine Order Rosenbergs an die Reichskommissare, welche den ERR als die einzige für die Beschlagnahme von Kulturgut, Forschungsmaterial und wissenschaftlichen Einrichtungen zulässige Organisation erklärte. Zwei Tage später wurde im Ostministerium eine „Zentralstelle zur Erfassung und Bergung von Kulturgütern im Osten“ geschaffen, die Gerhard Utikal leitete.35 Am 11. April 1942 sandte Hans Posse Band 16 bis 20 des Fotokatalogs Gemäldegalerie Linz per Express nach Berlin zum Verbindungsstab.36 Damit war die Galerie mit 1000 Gemälden im Erstdurchgang provisorisch fertiggestellt. In seinem Begleitschreiben wies er ausdrücklich darauf hin, dass nun das Tausend erreicht sei; auf diese Anzahl von Gemälden hatte er die Sammlung von Anfang an konzipiert. Am Abend darauf kam Hitler – offenbar durch die neuen Alben inspiriert – im Führerhauptquartier Wolfsschanze auf seine Leistung als Kunstsammler zu sprechen. Ich zitiere hier die Protokolle, die Bormanns Referenten von diesen Gesprächen aufzeichneten: Zu einer Zeit, „in der kein Mensch an den Kauf von Meistern des 19. Jahrhunderts gedacht habe“, habe er diese Bilder angekauft, sodass jeder, der die Malkunst des 19. Jahrhunderts studieren wolle, später in die Linzer Galerie kommen müsse, „weil er nur dort vollständige Sammlungen finde“.
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„Alte Meister habe er überwiegend bei der Beschlagnahme jüdischen Vermögens im Reichsgebiet, beziehungsweise durch Käufe aus jüdischem Besitz erhalten. Auch die Eremitage mit ihren einmaligen Schätzen sei von ihm aus Judenbesitz erworben worden, nachdem sie durch russische Juden aus Moskau nach den USA und durch amerikanische Juden nach Holland verscheuert worden sei. Leider haben sich von 60 Rembrandts aber nur noch 7 erhalten. Er habe sie mit 9 Millionen RM durch Gläubigerabfindung aus einer pleite gegangenen Vermögensmasse gekauft.“37 Die Stichworte „Gläubigerabfindung“, „Eremitage“ und „Rembrandt“ weisen auf die Sammlung Fritz Mannheimers und damit auf die Geschichte eines Zwangsverkaufs an Hitler. Mannheimer hatte auf den sogenannten „Russen-Auktionen“ in den Zwanzigerjahren in Berlin Gemälde und Preziosen aus der Eremitage und dem Kreml in Moskau erworben. Neben zahlreichen kunstgewerblichen Objekten sollten tatsächlich fünf Gemälde aus der Eremitage über die Zwischenprovenienz Mannheimer an Hitler gelangen.38 Offenbar tröstete sich Hitler darüber hinweg, dass sein militärischer Zugriff auf die Bestände der Eremitage versagte! Gleichwohl wurden Hitler unter Maßgabe des „Führervorbehalts“ Listen zugesandt und sind mindestens zwei umfangreiche Konvolute aus der Sowjetunion in seine Verfügungsgewalt gelangt. Auch wenn die Vorgänge im Detail im Dunkel bleiben, finden sich doch eindeutige Hinweise darauf in den Akten. Im zitierten Brief vom 16. Oktober 1941 erwähnte Rosenberg, Hitler habe „bestimmte Kunstschätze zwecks Sicherstellung für das Museum in Linz abtransportieren“ lassen. Vielleicht nahm er damit Bezug auf Bestände aus den Kiewer Museen und der Charkower Gemäldegalerie, vielleicht spielt er aber auch auf einen anderen Fall an. Die erwähnten Kiewer und Charkower Kunstwerke wurden erst nach Ostpreußen abtransportiert und in der Domäne Richau bei Wehlau sowie dem Herrenhaus Wildenhoff des Grafen Schwerin untergebracht; mit Bezug auf den „Führervorbehalt“ vom 18. November 1940 wurde eine Liste dieser Kunstwerke – es handelte sich um 65 Kisten – Hitler im September 1944 vorgelegt und von diesem, wie ein hand-
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schriftlicher Vermerk unter diesem Schreiben beweist, „genehmigt“. Rosenberg schrieb: „Unter den Gemälden befinden sich eine Anzahl ältester Ikonen, Werke bekannter Meister deutscher, niederländischer und italienischer Schulen des 16., 17. und 19. Jahrhunderts. Insgesamt umfassen die Bestände die wertvollsten Stücke aus öffentlichem ukrainischen Kunstbesitz, die selbst nach oberflächlicher Schätzung Werte von vielen Millionen darstellen.“39 Der Schriftverkehr und die Listen waren „geheim“. Die Bestände aus Kiew und Charkow wurden zum Ende des Krieges aus Ostpreußen in das Kloster Buxheim in Bayern verlagert. Das war nicht das einzige Konvolut aus der Sowjetunion, das in die Verfügung Hitlers gelangte und für sein Museumsprogramm zur Verfügung stand. Ein zweites stellte der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg zur Verfügung: Am 8. Juni 1944 legte Utikal den Entwurf für einen Bericht Rosenbergs an Hitler vor und führt darin aus, man habe kostbare Musikinstrumente, Handschriften, Möbel, Gobelins, Gegenstände des Kunsthandwerks, vor allem aber Gemälde, darunter etwa 500 Spitzenwerke der europäischen Kunst „für Europa gerettet, indem man sie dem Zugriff ihrer jüdischen Eigentümer entzogen“ habe. Er endet: „Über den endgültigen Verbleib der Kunstwerke werden Sie, mein Führer, entscheiden.“40 Der Leiter des Sonderstabes Bildende Kunst des ERR, Robert Scholz, hat behauptet, dass sich die Arbeit seines Stabes in den besetzten Ostgebieten auf eine wissenschaftliche und fotografische Erfassung der öffentlichen Sammlungen und ihre Sicherung und Betreuung beschränkt habe. Allerdings seien im Zuge der Räumung der Gebiete auch „einige hundert wertvollster russischer Ikonen, einige hundert Gemälde der russischen Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts, Einzelmöbel und Einrichtungsgegenstände aus Schlössern […] geborgen und in ein Bergungslager ins Reich gebracht worden“.41
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Selbstverständlich standen auch diese unter „Führervorbehalt“. Und wäre der Krieg für das Nazi-Regime positiv ausgegangen, wären sie vom „Sonderauftrag“ – unter wessen Leitung auch immer – auf Museen des Deutschen Reiches verteilt worden.
12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
Die geplante Präsentation in München Wir haben gesehen, dass ein grundsätzlicher Fehler in der Forschung zum NS-Kunstraub darin besteht, den Depotbestand des Münchner Führerbaus als Bestand des „Sonderauftrags“ anzusehen. Da auch Hitlers umfassender Zugriff auf die beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien bekannt war – er hatte ihn im „Führervorbehalt“ und bei der Beauftragung Posses eingefordert und sein Vollzug ist durch viele Dokumente belegt – setzten Bearbeiter des NS-Kunstraubs einfach voraus, dass die österreichische Raubkunst in das Münchner Depot eingegangen sei. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, dies zu überprüfen, indem man das Eingangsregister des Münchner Depots mit den Inventaren und Zuteilungslisten für das „Führermuseum“ verglichen hätte. Das ist jedoch nie geschehen. Ebenso wenig ist die Tatsache in das allgemeine Wissen über den NS-Kunstraub vorgedrungen, dass es ein Depot für die Bestände des geplanten „Führermuseums“, ein spezifisches Linz-Depot gab, und zwar in Stift Kremsmünster und damit in Österreich. Ein genauerer Blick auf die Geschichte der Depots des „Sonderauftrags“ scheint daher notwendig und vielversprechend. Die erste Aufgabe von Hans Posse als Sonderbeauftragtem bestand darin, aus zwei räumlich getrennten Konvoluten – Hitlers Sammlung in München und den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien – den Grundstock für die Gemäldegalerie des „Führermuseums“ zusammenzustellen. Anlässlich seines ersten Vortrages bei Hitler am 23. Juli 1939 wurde daher beschlossen, die Wiener Gemälde nach München zu bringen. Alle einschlägigen Publikationen gehen implizit oder explizit davon aus, der angeordnete Transfer habe stattgefunden, eini-
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12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
ge Autoren nahmen sogar an, Posse habe Hitler am 23. Juli die Wiener Gemälde im Führerbau vorgeführt.1 Tatsächlich aber sind diese – von Ausnahmen abgesehen, auf die noch einzugehen sein wird – nie nach München gekommen. Wie überhaupt die österreichische Raubkunst – die ja nicht nur Gemälde, sondern auch Graphik, Skulpturen, Möbel, Kunstgewerbe et cetera umfasste – die „Ostmark“ nie verlassen hat. Die Objekte wanderten im Laufe der Jahre durch verschiedene österreichische Depots, vom Zentraldepot in der Neuen Burg und von der Orangerie des Belvedere in Wien über das Stift Kremsmünster ins Salzbergwerk Altaussee – um hier nur die wichtigste Deponierungslinie anzuführen. Erst nach dem Krieg wurden die Bestände von den amerikanischen Kunstschutzoffizieren, den „Monuments Men“, in die bayerische Landeshauptstadt gebracht. Das Wiener Konvolut hatte eine außerordentliche Bedeutung für Hitler, denn es handelte sich im Wesentlichen um die Rothschild-Gemälde. In ihren Besitz gekommen zu sein, verschaffte ihm zweifellos so etwas wie einen persönlichen Triumph über das „Judentum“; Hitler sah sich als Retter der „arischen Geniekunst“ aus den Händen der jüdischen Rasse, die nach seiner Vorstellung zu schöpferischen Leistungen nicht fähig war. Hinzu kam die Nobilitierung seiner Sammeltätigkeit durch das Vorbild Friedrichs II. von Preußen, der die französische Malerei des 18. Jahrhunderts, die einen Schwerpunkt der Rothschild-Sammlung bildete, hoch schätzte. Ebenfalls nicht vergessen werden sollte, dass Hitler im Kampf um die Rothschild-Gemälde auch über die widerspenstige Wiener Kulturbürokratie triumphiert hatte. Vermutlich hat gerade diese symbolische Aufladung dazu geführt, dass der Transfer der Wiener Gemälde nach München trotz eines „Führerbefehls“ nicht stattfand. In gewisser Weise stand sich Hitler dabei selbst im Wege: Denn er suchte für die interimistische Präsentation seiner Galerie einen besonderen Ort, ein Schloss in der unmittelbaren Umgebung von München. Dort sollten die Gemälde bedeutungsgemäß und ästhetisch angemessen ausgestellt werden. Die etwa 140 Bilder, die Posse aus Hitlers Münchener Kollektion ausgewählt hatte, hingen in den dafür hergerichteten Räumen nach Bormanns Urteil nämlich „dicht zusammengedrängt“; Bormann war hier das Sprachrohr seines Herrn,
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Führerbau, München, Architekt Paul Ludwig Troost
dessen Hängegeschmack entschieden modern war, wie die Großen Deutschen Kunstausstellungen in München zeigen. Auch für die Linzer Gemäldegalerie hatte Hitler eine lockere Hängung vorgesehen, wie seine Sekretärin Christa Schroeder in ihren Memoiren überlieferte. Das Linzer Museum sei eines seiner beliebtesten Gesprächsthemen beim abendlichen Tee gewesen; hier, so referiert sie ihn, „sollten die Bilder nicht so dicht zusammenhängen, wie z. B. im Louvre, wo nach seinen Worten ,… eins das andere erschlägt‘, sondern jedes sollte für sich wirken in Gemeinschaft mit den aus dem gleichen Jahrhundert stammenden Möbeln etc“.2
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12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
Und so entstand schon am 23. Juli 1939 die Idee, für die Exponate der zukünftigen Linzer Galerie ein großzügigeres Ambiente zu suchen. Am Tag danach wandte sich Bormann an Hermann Giesler, den Generalbaurat für die Neugestaltung der Stadt München, und bat ihn, nach einem Gebäude zu suchen, das sich für eine Darbietung der Gemäldesammlung besser eigne: „Es wird sich um 4500 Bilder handeln, die nicht – wie jetzt im Führerbau – dicht zusammengedrängt hängen sollen, sondern schon galeriemässig. Nach Meinung des Führers, dem sehr viel an baldiger Erfüllung seines Wunsches liegt, käme nur ein größeres Schloss in Frage. Der Führer wünscht, dass Sie beschleunigt einmal feststellen, ob ein derartiges Schloss für den bedachten Zweck vorhanden ist.“3 Bormann schätze den Umfang der Kollektion, die da zusammenkommen sollte, also auf 400 bis 500 Gemälde; das war großzügig, aber durchaus realistisch geschätzt. Das Inventar der Gemäldegalerie, das Posse am 31. Juli 1940 fertigstellen sollte, umfasst 324 Gemälde, 107 aus Hitlers Sammlung im Führerbau, 173 aus den beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien und 36 Neuankäufe vor allem aus sichergestelltem jüdischem Besitz. Eine Gesamtpräsentation hätte Hitler und seinen Sachbearbeiter Posse in die Lage versetzt, potenzielle Neuerwerbungen mit den vorhandenen Beständen direkt vergleichen und den Fortgang der Sammlung besser verfolgen zu können. Dies war im Führerbau nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Denn wegen des begrenzten Platzes wurden von Hitler besichtigte Gemälde in den Keller gebracht, und zwar in die Luftschutzräume, die eigentlich für den Personenschutz gebaut worden waren für die Belegschaft des Führerbaus. Freilich war das Gebäude personell nie voll belegt und die Gefahr durch Luftangriffe zu Beginn des Krieges noch nicht groß. So war es möglich, die Räume zweckfremd zu nutzen. Allerdings war der Keller für Depotzwecke grundsätzlich wenig geeignet: Die Zugänge sind eng, die Treppe steil und es fehlte eine spezifische Depot-Infrastruktur, das heißt, es gab keine Schiebewände oder Hängemöglichkeiten für die Gemälde. Sie wurden vielmehr eng gesta-
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pelt auf den Boden gestellt. Um ein bestimmtes Werk aus der Menge wieder herauszusuchen, mussten viele andere umgeräumt werden. Das bereitete Depotbetreuer Reger nicht nur viel Arbeit, es war auch aus konservatorischen Gründen problematisch. Doch das Vorhaben, für so viele Gemälde ein angemessenes Gebäude zu finden, ließ sich vorläufig nicht realisieren. Schloss Schleißheim, an das man wohl vorrangig gedacht hatte, war nicht beheizbar und entfiel daher aus konservatorischen Gründen. Die Idee einer provisorischen Galerie für die Linzer Bilder wurde aber nie aufgegeben. Wir werden sehen, dass Posse in Kremsmünster gerne den großen Kaisersaal und die anschließenden sieben Räume, in denen die Gemäldegalerie des Stifts untergebracht war, als solche benutzt hätte. In gewisser Weise waren die Fotoalben Gemäldegalerie Linz, welche der „Sonderauftrag“ ab Mitte 1940 für Hitler herstellte, der Ersatz: Hier konnte der „Führer“ sich einen Überblick über den Stand seiner Gemäldekollektion verschaffen, und zwar schon nach nationalen Kategorien geordnet in Deutsche, Italienische, Französische Schulen. Die Fotoalben waren seine virtuelle Galerie, die er zudem immer mit sich führen konnte und die er auch im Führerhauptquartier bei sich hatte.4 Schon am 6. Februar 1940, wenige Tage nach seinen ersten Ankäufen, fragte Posse bei Bormann an, ob die Bilder nach Berlin oder München oder nach Wien gesandt werden sollten.5 Die Bandbreite der Möglichkeiten, die er in Betracht zog, zeigt, dass die Frage eines zentralen Depots noch ungelöst war. Hitler entschied sich für den Führerbau in München, in dessen Luftschutzräumen im Frühjahr 1940 zwei weitere Abteile hergerichtet wurden. Doch mit dem Beginn der Ankäufe in den besetzten Westgebieten, vor allem ab Sommer 1940 in den Niederlanden, stellte sich die Depotfrage erneut. Posse sandte seine Neuerwerbungen in aller Regel an die Dresdner Gemäldegalerie, wo sie fotographiert, inventarisiert, konservatorisch begutachtet und wenn nötig behandelt wurden. Aufgrund einer notorischen Knappheit an Depotraum konnten sie auf Dauer dort aber nicht bleiben. Ab Herbst 1940 war definitiv abzusehen, dass zusätzliche Kunstlager benötigt werden würden. Inzwischen hatte Posse Hitler nämlich den folgenschweren Vorschlag gemacht, in den Niederlanden ganze
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12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
Sammlungen anzukaufen, und dieser hatte dazu im November 1940 seine Zustimmung gegeben. Zu diesem Zeitpunkt stand im Übrigen auch die französische Beute des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (ERR) zur Übernahme durch den „Sonderauftrag“ an; es war von 20 Waggons die Rede. In diesem Fall wurde mit der Unterbringung in Schloss Neuschwanstein und der Betreuung und Inventarisierung der fast 22 000 Inventarnummern durch den Einsatzstab Rosenbergs eine Lösung gefunden.
Das „Führermuseum“ in Kremsmünster Am 27. Januar 1941 wurde der für die zentrale Leitung aller kulturellen Aufgaben im Gau Oberdonau zuständige Oberregierungsrat Anton Fellner bei Posse mit dem Gedanken vorstellig, man möge Hitler den Vorschlag unterbreiten, die Bestände des zukünftigen Linzer Kunstmuseums zentral an einem Ort zu lagern, nämlich in einem der im Gau beschlagnahmten Klöster. Posse, der Hitlers Fixierung auf München kannte, wehrte die Idee zunächst ab.6 Der Vorschlag war jedoch plausibel und aus konservatorischen Gründen vernünftig: Österreich war vom Bombenkrieg noch verschont; Linz, der zukünftige Standort des „Führermuseums“, war zugleich die Hauptstadt des Gaues Oberdonau, sodass alle potentiellen Depots in der Nähe lagen. Der Gaukonservator von Oberdonau, Franz Juraschek, trug den Gedanken Gauleiter August Eigruber vor, der ihn an den Führerbau weitergab.7 Am 20. April 1941 – Hitlers 52. Geburtstag – ging ein Schreiben Bormanns an Posse mit der Bitte, er möge doch feststellen, ob nicht im Gau Oberdonau geeignete große Schlösser vorhanden seien oder ob sich die beschlagnahmten Stifte als vorläufige Aufbewahrungsorte der für Linz bestimmten Kunstwerke eigneten.8 Das „Führermuseum“ war offenbar ein spezifisches Geburtstagsthema, ausgelöst durch die Lieferungen der Fotoalben Gemäldegalerie Linz, die in diesem Jahr den vorhandenen Bestand der französischen Abteilung präsentierten, aufgebaut auf den Wiener und Pariser Rothschild-Sammlungen. An den Führergeburtstagen fielen jedenfalls häufig wichtige Entscheidungen bezüglich des Muse-
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umprojekts. Es drängt sich der Eindruck auf, dass auch Bormann das Thema an diesen Tagen forciert hat. Für Posse, der zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach einer Unterbringung für die in den Niederlanden angekaufte Sammlung Lanz war, löste die Entscheidung für ein zentrales Linz-Depot viele Probleme. Am 8. Mai 1941 brach er zu einer Oberdonau-Mission auf, die ihn in die Stifte Hohenfurth, St. Florian, Kremsmünster, Schlägl und Wilhering führte. Erste Station war das Stift Kremsmünster, das ihm Gaukonservator Juraschek als das geeignete empfohlen hatte und das er am 9. Mai gemeinsam mit diesem besichtigte. Er war von den Räumlichkeiten angetan, denn sie boten die Möglichkeit, im großen Kaisersaal und in der anschließenden Flucht von sieben „architektonisch anständigen Räumen“, in denen die Gemäldegalerie des Stifts untergebracht war, Hitler seine Neuerwerbungen vorzuführen. In seinem Bericht an Bormann vom 16. Mai schlug er daher Kremsmünster als „Depot für Linz“ vor. Vier Tage später brachte er Hitler die Angelegenheit noch einmal mündlich zum Vortrag, und dieser genehmigte die „Verwendung des Stiftes Kremsmünster als Depot für das geplante Führermuseum in Linz“.9 Ende Mai 1941 begann der Abtransport der Kunstwerke aus dem Zentraldepot in Wien. Drei Monate lang rollten die Lastwagen nach Kremsmünster, wo der Chefrestaurator des Kunsthistorischen Museums Josef Haysinek – so der Archivar des Museums, Herbert Haupt – das eintreffende Kunstgut katalogisierte: „Posse zollte der Aktion höchstes Lob: Das angelegte Verzeichnis wäre ‚ausgezeichnete‘ Wiener Arbeit.“10 Das Zentraldepot der beschlagnahmten Kunstwerke in der Wiener Hofburg wurde nun aufgelöst, indem der verbleibende Rest an das Institut für Denkmalpflege übergeben wurde. Froh, endlich ein zentrales Linz-Depot gefunden zu haben, bat Posse am 18. Juni 1941 um Genehmigung, auch seine Ankäufe, die in Dresden lagerten, dorthin leiten zu dürfen.11 Doch er traf damit auf entschiedenen Widerstand Hitlers, der Neuerwerbungen weiterhin in München besichtigen wollte. So sandte Posse im Sommer 1941 seine in Dresden und Wien angesammelten Neuerwerbungen also in die bayerische Metropole.12 Der dortige Depotverwalter Reger legte unverzüglich wegen Überfüllung Protest ein.
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Posse machte ihm daraufhin klar, dass dieses Prozedere dem ausdrücklichen Wunsch Hitlers geschuldet war; wenn also die Kapazitäten erschöpft seien – schrieb er –, müsse ein Teil der Bilder nach Kremsmünster überführt werden, nämlich die, die Hitler schon bekannt seien.13 Insgesamt brachten zwischen dem 1. August 1941 und dem 28. November 1943 zwölf Transporte 1732 Gemälde und 49 Objekte aus München nach Kremsmünster.14 Der erste LKW-Transport aus München überführte 120 ältere Erwerbungen in das Stift.15 Als Rückfracht sollte Reger 250 Gemälde mitnehmen, die Hitler noch nicht gesehen hatte. Gaukonservator Franz von Juraschek, zuständig für das oberösterreichische Depot, wurde von der damit verbundenen Umschichtung der Bestände informiert: „Der Führer wünscht, dass alle neuerworbenen Bilder, die er noch nicht gesehen hat, zuerst nach München gebracht werden. Dafür soll durch den Abtransport älterer Bestände nach Kremsmünster in München Platz geschafft werden. Zu diesen älteren Beständen gehört auch der erste Transport, den Herr Reger bringt. Da der Führer auch die aus Wien nach Kremsmünster gesendeten Gemälde noch nicht gesehen hat, müssen auch diese sobald als möglich nach München gebracht werden.“16 Dem Abtransport der Gemälde aus den beschlagnahmten Beständen widersetzte sich Juraschek mit dem Argument, Hitler werde diese bei seinem Besuch in Kremsmünster sehen können; er gab nur 68 Neuerwerbungen aus Wien heraus. Er wehrte sich sehr entschieden gegen einen Wegtransport der Rothschild-Gemälde aus seiner Machtsphäre und überhaupt aus der „Ostmark“. Zudem mag er die Hoffnung gehabt haben, so einen Führerbesuch in dem unter seiner Aufsicht stehenden Depot erreichen zu können. In einem Telefonat zerstörte Posse am 20. Oktober diese Hoffnung: Mit einem Besuch Hitlers sei, so teilte er mit, erst nach dem Krieg zu rechnen. In einem Schreiben an Gauleiter August Eigruber brachte der oberste Gaudenkmalpfleger daraufhin seine Befürchtungen zum Ausdruck, dass Kremsmünster zu einem Depot für zweitrangige Gemälde werde
Das „Führermuseum“ in Kremsmünster
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und „völlig die ihm ursprünglich zugedachte Bedeutung“ verlieren würde: „Im Juli änderte Posse plötzlich seine Anweisungen. Ob ein Führervortrag hierfür vorlag, weiß ich nicht. Er ließ die für Kremsmünster bereits angekündigten weiteren Sendungen aus Wien nicht mehr abrollen. Dafür kamen 5 Transporte aus München mit zum großen Teil zweit- und drittrangigen Werken an, die meist für das Führermuseum in Linz nicht in Betracht kommen, da sie dafür nicht gut genug sind. Dann teilte er mit, dass die sehr wertvolle Slg. Lanz nicht auszupacken sei, da sie vielleicht von Kremsmünster wieder abgeholt werden würde. Am 1. 8. telegraphierte er mich an, dass die aus Wien eingelangten Gemälde, also die oben genannten 250 Bilder, als Rückfracht nach München mitgenommen werden sollen. Ich ließ jedoch nur die Wiener Gemälde eines einzigen Depotraumes fortnehmen. […] Seit Ende Juli sind die weiteren Transporte aus Wien mit Werken aus der Ostmark, zum Teil aus Oberdonau, ebenso wie die weiteren Transporte aus Holland nur mehr nach München geleitet worden. Um hierfür in München Platz zu schaffen, ist das Mindergute, das noch in München lag, nach Kremsmünster gebracht worden. Kremsmünster wird so zu einem Depot für zweitrangige Gemälde und verliert völlig die ihm ursprünglich zugedachte Bedeutung.“17 Juraschek sandte weiterhin nur die Neueingänge aus Wien nach München. Posse hat dies offenbar akzeptiert; auch er dürfte die wegen des Bombenkrieges immer gefährlicher werdenden Transporte ungern gesehen haben. Ärger gab es auch wieder mit dem Münchner Depotverwalter Reger: Da er aus Kremsmünster Gemälde hatte mitnehmen müssen, zudem inzwischen weitere Lieferungen aus Den Haag und eine weitere Bildersendung aus Dresden im Führerbau eingetroffen waren, war der gewonnene Platz wieder belegt. Er habe aus Platzmangel schon Gemälde im Erdgeschoss des Führerbaus unterbringen müssen, beschwerte er sich bei Posse. Dresden möge ihm bitte keine Gemälde mehr senden, bis er einen weiteren Transport nach Kremsmünster geschickt habe.18
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12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
Die Depots füllten sich mehr und mehr, die Lage wurde immer unübersichtlicher. Als Posse Anfang 1942 erkrankte, fiel es ihm zusehends schwerer, das durch den enormen Zuwachs an Objekten immer komplizierter werdende Projekt zu kontrollieren. Nur sein Dresdner Team – die Mitarbeiter der Gemäldegalerie und der ihm ebenfalls persönlich verbundene Gottfried Reimer, der zuvor als Volontär an der Galerie tätig gewesen war – hatte er bis zuletzt fest im Griff und dirigierte sie noch vom Krankenbett aus. Schwieriger war die Kontrolle der österreichischen Depots. Nur das im Belvedere in Wien wurde vom Denkmalamt fachmännisch und zu aller Zufriedenheit geführt. Die Verhältnisse im Linz-Depot Kremsmünster waren indes prekär, weil die Zuständigkeit hier bei einem lokalen Verwalter lag, der kein Kunstexperte war. 1942 kam ein weiteres Kunstlager hinzu, nämlich das Zisterzienserstift Hohenfurth (Vyšší Brod). Im Februar 1942 wurde dorthin die Sammlung Mannheimer aus den Niederlanden überstellt.19 Für die Preziosen – Schmuckstücke, Gefäße aus Halbedelsteinen oder Bergkristall, goldene Dosen, Silberarbeiten, romanische Grubenschmelzarbeiten, Emaillekunst aus Limoges – wurden 32 große Panzerschränke angeschafft, die man im Kreuzgang aufstellte. Bei Eintritt der Italien-Krise im Sommer 1942 wurden auch „sämtliche Kostbarkeiten in Gold, Bergkristall, Elfenbein usw.“ sowie die für das „Führermuseum“ vorgesehenen Münzsammlungen der österreichischen Stifte aus Kremsmünster dorthin gebracht. Zudem wurden 42 Gemälde und 53 Skulpturen – wohl zeitgenössische Kunst – im Mai 1944 von München in das Stift verlagert.20 Auch das Depot des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg geriet mehr und mehr in die Kritik; es ging die Rede von der „Rosenberg’schen Unordnung“. Mit dem Tod Posses kam es zu einer regelrechten Depotkrise, ausgelöst durch Ängste Hitlers vor einem Kontrollverlust. Martin Bormann übernahm mehr und mehr die Beaufsichtigung, und zwar über seinen Referenten Helmut von Hummel, der sein Büro im Münchner „Führerbau“ hatte und als Verbindungsmann in die Kunstdepots fungierte.
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Hitlers Sorge um die Kunstwerke Am 7. Dezember 1942 starb Hans Posse in einer Berliner Klinik. Der Tod seines hochgeschätzten Sonderbeauftragten traf Hitler in der bis dahin größten militärischen Krise des Zweiten Weltkrieges. Kurz zuvor hatte die große sowjetische Gegenoffensive eingesetzt, die zu einer schnellen Einkreisung der Sechsten Armee in Stalingrad führte. Hitlers Image als genialer Stratege war zunehmend infrage gestellt. In dieser Situation war er an einer Bekanntmachung seiner Sammeltätigkeit „für das deutsche Volk“ höchst interessiert, um auf diese Weise seine Verbundenheit und seinen unerschütterlichen Glauben an eine Zukunft des Deutschen Reiches zu demonstrieren. Die Linzer Galerie wurde von der Propaganda als Hitlers persönliches Geschenk an die Deutschen gefeiert.21 Hitler ordnete ein Staatsbegräbnis für Posse an, das am 12. Dezember 1942 im Ausstellungspalast in Dresden stattfand. Er nutzte den pompösen Staatsakt, um sein Galerieprojekt, das bis dahin Geheimstatus gehabt hatte, der Öffentlichkeit vorzustellen. Hitler selbst war kriegsbedingt nicht anwesend, die Trauerrede, mit der das Linzer Museumsprojektpublik wurde, hielt Propagandaminister Joseph Goebbels. Der Dresdner Museumsdirektor, so Goebbels, habe sich immer „in der wärmenden Sonne“ von Hitlers Vertrauen fühlen dürfen. Alle Zeitungen mussten berichten.22 Ein Nachruf von Posses Dresdner Mitarbeiter Robert Oertel, verfasst für Goebbels’ Magazin Das Reich, resümierte, es seien 1200 Werke für eine Gemäldegalerie zusammengekommen, welche den Kern des geplanten Linzer Kunstmuseums bilden würde. Den Grundstock für „eine der schönsten Abteilungen der Linzer Galerie“ bildeten zahlreiche Bilder, „die der Führer selbst seit Jahren schon für diesen Zweck gesammelt hatte“. Das, was „früher nur zur Freude […] einzelner“ gedient habe, werde nun „dem ganzen deutschen Volk gehören“.23 Der Artikel erschien am 31. Januar 1943, dem Tag, an dem sich die Reste der Sechsten Armee in Stalingrad ergaben. Zwei Dinge erwähnen die Propaganda-Artikel nicht: Zum einen, dass Hitler seine Sammlung zu einem wesentlichen Teil auf der Sammlungsleistung der beraubten jüdischen Besitzer aufgebaut hatte. Hitler selbst war sich übrigens darüber völlig im Klaren. Am 12. April 1942
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Kolumne
Staatsbegräbnis für Hans Posse, Ausstellungspalast Dresden, 12. Dezember 1942
resümierte er im Führerhauptquartier beim abendlichen Tischgespräch, er habe alte Meister „überwiegend bei der Beschlagnahme jüdischen Vermögens im Reichsgebiet, beziehungsweise durch Käufe aus jüdischem Besitz erhalten.“24 Damit bezog er sich auf die jüdischen Sammlungen in Österreich und Zwangsankäufe in den Niederlanden wie die Sammlung Mannheimer. Zum anderen erwähnten die Artikel ebenfalls nicht den großen Verteilungsplan der Raubkunst auf die deutschen Museen. Die schlechten Erfahrungen mit den zuteilungsberechtigten und miteinander konkurrierenden Gauleitern mögen Hitler von einer Bekanntgabe abgehalten haben, zumal er Anfang 1942 die Verteilung und alle Diskussionen darüber auf die Nachkriegszeit verschoben hatte. Natürlich wäre ein derart großes Verteilungsprogramm auch nicht ohne Nennung der Quellen möglich gewesen und hätte den Alliierten damit Propagandastoff geboten. Indem er es verschwieg, hat Hitler die Geschichtsschreibung über den NS-Kunstraub geprägt und die Deutung zu seinen Gunsten beeinflusst: Bis heute überlagern die Pläne für das „Führermuseum“ den großen Verteilungsplan für die Museen des Großdeutschen Reiches.
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Mit dem Tod Posses packte Hitler die Angst, sein Linz-Projekt sei führungs- und schutzlos.25 Die Besorgnis um seine Kunstsammlung wuchs ins Unermessliche: Am 9. Dezember 1942, zwei Tage nach Posses Tod, telegraphierte Bormann seinem Referenten für die Kunstdepots, Helmut von Hummel: „Erneut fragte mich der Führer in der gestrigen Nacht, ob wirklich alles Menschenmögliche zur Sicherung unserer Kunstschätze gegen Feuergefahr geschehen sei.“ Er habe wissen wollen, ob die Stifte wirklich luftschutzsicher lägen und ob nicht auch eine Tarnung mit Netzen erforderlich sei. Von Hummel leitete die Anfrage an den oberösterreichischen Gauleiter Eigruber weiter mit dem dringlichen Zusatz: „Ich bitte Sie, daraus zu ersehen, welche Bedeutung der Führer diesen Fragen beimisst.“26 Am 28. Dezember konnte er Bormann dann berichten, dass die Tarn- und Sicherungsmaßnahmen in Hohenfurth abgeschlossen seien und in Kremsmünster gerade letzte Arbeiten durchgeführt würden, in Neuschwanstein indes erhebliche Mängel bestünden, deren Beseitigung aber in Angriff genommen worden sei. Ein Aktenvermerk Bormanns für von Hummel vom 14. Januar 1943 bezüglich der Sicherung der Bergungsorte Hohenfurt, Kremsmünster und Neuschwanstein dokumentiert das anhaltende Misstrauen und den Kontrollwahn Hitlers: „Angesichts des Wertes der vom Führer gekauften Kunstschätze dürfen wir uns erst recht nicht auf irgendwelche Zusicherungen der Sacharbeiter verlassen. Sie müssen also binnen kurzem kontrollieren, ob tatsächlich die Rosenberg’sche Unordnung in Neuschwanstein geändert wurde […] Sie müssen ferner genau kontrollieren, ob die Auflagen, die für Kremsmünster und Hohenfurth gemacht werden mussten, erfüllt wurden; ist dies nicht der Fall, muss sofort Bericht an mich erfolgen. Die Kontrolle dürfen wir keinesfalls auf die lange Bank schieben, denn die gekauften Werte sind einfach unersetzlich. Es muss vielmehr mit aller Energie von Ihnen laufend nachgedrückt und – wie schon angeführt – laufend mit den zuständigen Sacharbeitern immer wieder kontrolliert werden.“27
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12. Die Gemälde für das „Führermuseum“
Daraufhin schaltete von Hummel den Referenten des „Sonderauftrags“ Reimer ein, der am 18. Februar 1943 einen Bericht über den Fortgang der personellen Neustrukturierung der Depotverwaltungen und die Beseitigung der Mängel sandte. Die Lagerstätten in Oberdonau würden nun durch einen „ständig in Oberdonau anwesenden, museal durchgebildeten Fachmann“ professionell betreut. Mit dieser Aufgabe sei Justus Schmidt vom Landesmuseum in Linz betraut worden. „Dr. Schmidt ist mir direkt, persönlich für alle Maßnahmen verantwortlich und wird in ständigem Einvernehmen mit mir handeln.“ Zudem seien die Deponierungsmängel, die auf Überfüllung beruhten, in Kremsmünster weitgehend behoben.28
13. Der „Sonderauftrag“ nach Stalingrad Der Nachfolger Hermann Voss Mit dem Antritt von Hermann Voss (1884–1969) als neuer Leiter trat der „Sonderauftrag Linz“ im Frühjahr 1943 in eine neue Phase, die durch eine Bestandsaufnahme der in den verschiedenen Depots lagernden Kunstwerke und durch die Luftschutzbergungen gekennzeichnet ist. Posse hatte den „Sonderauftrag“ maßgeblich geprägt und als Leiter in einem Ausmaß dominiert, dass sein Nachfolger vermutlich nie eine reelle Chance hatte, ihn wirklich ersetzen zu können. Schon der erste Auftrag von Voss, die Überprüfung des ERR-Depots in Schloss Neuschwanstein, zeigt, dass er nicht als übergeordnete Autorität akzeptiert wurde. In der Konsequenz zog er sich aus der Kontrolle der Depots zurück und überließ diese Aufgabe dem Referenten des „Sonderauftrags“ Gottfried Reimer. Auch in den Kunstraub war Voss wohl nicht mehr operativ eingebunden, vielmehr konzentrierten sich seine Aktivitäten auf die Verwaltung der vorhandenen Bestände. Unter ihm wurde auf Befehl Hitlers eine zentrale Registrierung in Dresden mit umfangreichen Fotokarteien angelegt, welche die Bestände in den verschiedenen Depots zusammenführte, über die der „Sonderauftrag“ die Übersicht zu verlieren drohte. Vernünftigerweise hätte man die Erwerbungen unter den Bedingungen des „totalen Krieges“ wenn nicht einstellen, so doch zumindest reduzieren müssen, denn die Geldmittel wurden knapper und der europäische Kunstmarkt war erschöpft. Voss aber kaufte weiterhin in großem Umfang, was zur Folge hatte, dass die Qualität der Erwerbungen deutlich sank. Längst ging es nicht mehr darum, eine hochrangige Galerie für Hitler aufzubauen (das hatte Posse bereits getan), Voss versuchte viel-
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mehr einen Betrieb am Laufen zu halten, der den Beteiligten die ersehnten UK-Stellungen, also die Freistellung vom Kriegseinsatz, verschaffte. Es war Hans Posse gewesen, der kurz vor seinem Tod Hermann Voss, den Direktor der Gemäldegalerie des Nassauischen Landesmuseums in Wiesbaden, als seinen Nachfolger empfohlen hatte, einen international angesehenen Gemäldeexperten, der wie er selbst aus der BodeSchule stammte.1 Anfang Februar 1943 kontaktierte Goebbels den fast 60-Jährigen und unterbreitete ihm das Angebot, die Leitung der Dresdner Gemäldegalerie zu übernehmen. Nach dem Vorgespräch traf Voss am 16. Februar 1943 im Führerhauptquartier bei Rastenburg mit Hitler zusammen, wo dieser ihm auch die Leitung des „Sonderauftrags Linz“ antrug. Hitler erläuterte dem Sonderbeauftragten in spe ausführlich seine Intentionen bezüglich der Linz-Galerie: Der Schwerpunkt der Sammeltätigkeit solle auf deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts liegen, insbesondere den Schulen von München und Wien. Darüber hinaus sollten auch ältere deutsche Gemälde erworben werden, ebenso solche der Niederlande, Italiens und Frankreichs. So jedenfalls referierte Voss das Gespräch 1945 dem Verhöroffizier des amerikanischen Geheimdienstes und stellte seinen Auftrag damit als einen ausschließlich dem „Führermuseum“ gewidmeten dar.2 Wie sein Vorgänger war Voss jedoch auch für die Vorbereitung des „Führervorbehaltes“ und damit die Verteilung der Raubkunst zuständig, worüber die Reichsminister und die Befehlshaber in den besetzten Gebieten unmittelbar nach seiner Installation informiert wurden: „Nach dem Tod von Herrn Dr. Posse hat der Führer dem vorläufigen Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Herrn Dr. Voss, die Aufgabe übertragen, die Entscheidungen einzuleiten, ob das Recht des Führers hinsichtlich der Verfügung über Kunstsammlungen und Kunstwerke ausgeübt werden soll. Ich ersuche Sie daher, sich ggf. mit Herrn Dr. Voss in Verbindung zu setzen.“3 Voss beteuerte den Kunstexperten des amerikanischen Geheimdienstes gegenüber, unter seiner Leitung seien keine beschlagnahmten Werke in den Bestand des „Sonderauftrags“ eingegangen. Das war, wie wir sehen
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werden, eine Lüge. Allerdings scheint er persönlich nicht aktiv geworden zu sein, er überließ auch dies dem Referenten des „Sonderauftrags“, Gottfried Reimer.4 Besonders perfide war dessen Zugriff auf Kunstwerke aus jüdischem Besitz. Die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 hatte das Vermögen sämtlicher ins Ausland vertriebener Juden und Jüdinnen für verfallen erklärt, auch das von Deportierten, die in Konzentrationslager außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches verschleppt worden waren, z. B. nach Auschwitz. Am 22. Januar 1943 besprach sich Reimer in dieser Frage mit den Experten des Reichsinnenministeriums. Deren Antwort referierte er dem Leiter des Wiener Denkmalamtes Herbert Seiberl folgendermaßen: Seien Juden „in das Inland oder in das Protektorat Böhmen und Mähren, also etwa nach Litzmannstadt (Lodz) oder nach Theresienstadt (Elbe), evakuiert worden, so wird das Vermögen ‚eingezogen‘ und fällt damit automatisch zur kostenlosen Verteilung unter den Führervorbehalt. Leider werden die ‚Einziehungen‘ aus natürlichen Umständen in Zukunft nur einen geringen Teil des anfallenden Judenvermögens und des dazu gehörigen Kunstgutes umfassen, so dass wir für unsere Erwerbungen, die auf Grund des Führervorbehaltes erfolgen werden, zahlen müssen. Sobald sich dazu Gelegenheit bietet, will ich versuchen, hier Abhilfe zu schaffen, da es ja seinerzeit bei der Abfassung des Führervorbehaltes den Begriff ‚verfallenes‘ Vermögen noch nicht gab und damals bei der gleichen Rechtslage die Einziehung erfolgen musste, auf welche dann der Vorbehalt kostenloser Verteilung Anwendung fand.“5 Tatsächlich regte Reimer am 15. März 1944 bei der Reichskanzlei an, den „Führervorbehalt“ auf „verfallenes Vermögen“ zu erweitern und war damit erfolgreich, der Reichsfinanzminister erteilte seine Zustimmung; die Oberfinanzpräsidenten wurden am 17. Juni von Lammers in einem Runderlass entsprechend angewiesen.6 Voss war auf Hitlers Angebot vor allem deshalb eingegangen, weil sein Ehrgeiz mit der Leitung des Wiesbadener Museums nicht befrie-
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digt war und er Direktor einer bedeutenden Galerie wie der Dresdner werden wollte. Da das Amt des Sonderbeauftragten mit dem Dresdner Direktorat gekoppelt war, ging das eine nicht ohne das andere. Zuvor war er Kustos der Berliner Gemäldegalerie gewesen, aber bei der Neubesetzung des dortigen Direktorenpostens 1933 übergangen worden, sodass er in Berlin keine beruflichen Aufstiegschancen mehr sah. So war er 1935 nach Wiesbaden gekommen. Das Amt des Sonderbeauftragten trat er nach der entscheidenden Kriegswende an; für Voss war das Ende des Dritten Reiches absehbar. Deshalb versuchte er, seine Hände nach Möglichkeit nicht schmutzig zu machen. Bewusst hielt er Distanz. Da er schon länger an einer Schilddrüsenüberfunktion litt, ließ er sich oft wochenlang krankschreiben oder er war in Kur beziehungsweise auf Genesungsurlaub (allein im Jahr 1944 insgesamt zwölf Wochen). Er schonte sich, gleichermaßen aus gesundheitlichen und politischen Gründen.7 Dabei spekulierte er darauf, nach dem Untergang des „Tausendjährigen Reiches“ weiterhin Direktor der Dresdner Gemäldegalerie bleiben zu können. So konzentrierte sich Voss auf die Erwerbung durch Ankäufe. Doch während sein Vorgänger selbst auf Einkaufstour gegangen war, schaltete er Kunsthändler seines Vertrauens ein. Einer der wichtigsten von ihnen war Hildebrand Gurlitt.8 Der Sohn des Dresdner Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt, dessen Mutter Jüdin war, stammte aus einer berühmten Künstler- und Kunsthändler-Familie. Hildebrand Gurlitt war seit Mitte der Zwanzigerjahre Museumsdirektor in Zwickau gewesen, doch wegen der Aufnahme „entarteter Kunst“ in die Sammlung schon 1930 entlassen worden. 1931 fand er Anstellung als Leiter des Kunstvereins in Hamburg, musste sein Amt 1933 aber wieder aufgeben. Daraufhin machte er sich in Hamburg als Kunsthändler selbstständig. Hildebrand Gurlitt gehörte zu den Händlern, die von Goebbels autorisiert wurden, Kunstwerke, welche die Nationalsozialisten als „entartet“ in deutschen Museen beschlagnahmt hatten, ins Ausland zu verkaufen. 1942 zog er von Hamburg in seine von Bomben noch verschonte Geburtstadt, in das Elternhaus in der Kaitzer Straße um und avancierte bald zu einem der wichtigsten Lieferanten des „Sonderauftrags“.
Der Nachfolger Hermann Voss
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Mit dem Antritt von Hermann Voss als Nachfolger Posses wurden alle Vollmachten und alle „Führervorbehalte“ auf Voss umgeschrieben; ab diesem Zeitpunkt war er der Sachbearbeiter Hitlers. Voss hat nach heutigem Forschungstand kein besonderes Interesse an der Raubkunst aus der Sowjetunion gezeigt. Es ist nicht bekannt und eher unwahrscheinlich, dass noch Listen von Raubkunst an ihn gesandt wurden. Eine wichtige Aufgabe war jedoch die Kontrolle der Depots. Auch dies hielt Voss den Amerikanern gegenüber geheim, ebenso wie den Umstand, dass unter seiner Leitung die Raubkunstbestände aus Polen und Frankreich in der Dresdner Zentralkartei registriert wurden. Am 15. März 1943 war die Leitung des „Sonderauftrags“ an ihn übergegangen, schon tags darauf wurde er von Bormann instruiert, seine dringlichste Aufgabe bestehe darin, die Bergungsorte Hohenfurth, Kremsmünster und Neuschwanstein persönlich zu besichtigen, um „einen Überblick über die bereits vorhandenen Kunstsammlungen zu gewinnen“ und „die Unterbringung der Kunstwerke selbst zu prüfen“. Der „Führer“ habe in den letzten Monaten mehrfach betont, dass die Kunstwerke gegen Fliegerangriffe und sonstige Schäden gesichert werden müssten.9 Am 19. April 1943 besichtigte eine Sachverständigenkommission, bestehend aus Helmut von Hummel, Hermann Voss, Gottfried Reimer und dem als Depot-Fachmann geschätzten Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Ernst Buchner, das Depot des ERR in Schloss Neuschwanstein.10 Von der Abteilung Bildende Kunst des ERR waren Robert Scholz und Günther Schiedlausky vertreten. Hier kam es zur Konfrontation mit Scholz, der Voss unterstellte, in unberechtigter Weise über die Bestände des ERR verfügen zu wollen. Aus einer defensiven Position heraus behauptete Scholz im Nachhinein, die Kommission habe nur die Berechtigung gehabt, die Brandschutzmaßnahmen im Depot zu überprüfen. Tatsächlich war Voss’ Aufgabe eine doppelte, nämlich einerseits die Sicherheit des Kunstlagers zu überprüfen und andererseits sich einen Überblick über die ERR-Bestände zu verschaffen. Zu Recht stellte er in seiner Version der Vorkommnisse fest, eine Mitteilung des ERR an den „Sonderauftrag“ über die in Schloss Neuschwanstein lagernden Kunstwerke hätte längst erfolgen müssen. Zugesagt hatte dies Scholz schon Posse.11
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Am 21. April 1943 kamen zwei Befehle aus dem Führerhauptquartier: Der eine ging an Rosenberg und lautete, nun seien endlich die ERRBestände an die Sachbearbeiter Hitlers, also an Voss, zu übergeben. Der andere ging an Voss und trug ihm auf, nun eine Gesamtkartei der Gemälde für Linz und andere Galerien anzulegen, also auch die Gemälde des ERR zu integrieren. Auch bei der Ausführung dieses Befehls tat sich Voss nicht durch besonderen Eifer hervor, sondern wurde erst auf einen ausdrücklichen zusätzlichen Befehl Hitlers hin aktiv.12 Im Mai 1943 ging er aber daran, einen Sachbearbeiter für das Kunstgewerbe, für Möbel und Plastik zu suchen und fragte bei Walter Mannowsky, dem Direktor des Museums für Kunsthandwerk in Frankfurt, an.13 Vermutlich hat dieser zugesagt, zumindest für eine Inspektion der Kunstgewerbebestände; jedenfalls sandte Voss ihn am 10. Juli 1943 in die Depots nach Hohenfurth (Vyšší Brod) und Kremsmünster. Ein instruktiver Bericht Helmut von Hummels an Bormann vom 5. Mai 1943 macht die problematische Situation in den Depots und die Notwendigkeit einer Inventarisierung der Bestände deutlich: „In Neuschwanstein, Hohenfurth, Kremsmünster und den sonstigen Bergungsorten sind nunmehr große Massen von Kunstwerken untergebracht. Vor allen Dingen die Gemälde sind so zahlreich, dass sie kaum zu übersehen sind. Alle diese Kunstwerke müssen, wie bereits angeordnet, laufend beaufsichtigt, daneben aber auch erfasst und karteimäßig zusammengestellt werden, wie Sie in Ihrem letzten Schreiben an Herrn Professor Voss bereits hervorhoben. Schließlich müssen die Neuerwerbungen, insbesondere in Frankreich, ebenfalls nach einem einheitlichen Plan durchgeführt werden, um die immer knapper werdenden Devisen zweckmäßig und planvoll anzulegen und um zu vermeiden, dass Gemälde angekauft werden, die bereits in großem Umfange vorhanden sind oder deretwegen ein anderer Beauftragter bereits Verhandlungen für einen Ankauf zu Zwecken des Führers eingeleitet hat.“ Voss müsse sich in Dresden „einen kleinen Führungsstab schaffen“ und laufend Verbindung mit den Händlern wegen der Neuerwerbungen halten, „damit an e i n e r Stelle alle Fäden zusammenlaufen und e i n e Stelle orientiert über das, was bereits vorhan-
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den ist sowie über das, was noch erworben werden soll. […] Meines Erachtens benötigt Herr Professor Voss außer Dr. Reimer und Herrn Dr. Oertel noch ein oder zwei vorgebildete wissenschaftliche Hilfsarbeiter oder Hilfsarbeiterinnen zum Erfassen und Katalogisieren der vorhandenen Bestände sowie einen Restaurator, den ihm Generaldirektor Buchner beschaffen will, und einen Fotographen, die laufend die verschiedenen Bergungssorte aufsuchen und ihre Arbeit dort durchführen müssten. Zu diesem bei Herrn Professor Voss selbst zentralisierten kleinen Führungsstab müssten an jedem Bergungsort kommen die verschiedenen Aufseher und sonstigen Hilfskräfte, die dorthin dezentralisiert sind und die mehr untergeordnete Arbeiten zu erledigen haben. Ich forderte Herrn Professor Voss, der die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Vorschlages durchaus einsah, nunmehr auf die zur Durchführung dieser Arbeiten notwendigen Sacharbeiter möglichst bald einzustellen und mir mitzuteilen, wenn Schwierigkeiten wegen der Einstellung oder UK-Stellung auftreten sollten. Ich darf um Genehmigung dieser Vorschläge bitten.“14 Das Schreiben trägt das handschriftliche Notat Bormanns: „Durchaus richtig! Völlig einverstanden!“
Die Zentralregistrierung in Dresden Wie wir gesehen haben, gelang es Alfred Rosenberg 1943 erneut, die Übergabe der Kunstbestände des ERR an den „Sonderauftrag“ hinauszuzögern; sein Einsatzstab durfte weiterhin in Neuschwanstein inventarisieren. Aber er musste nun Fotos der Gemälde nach Dresden geben. Der ERR hatte seine Beute, Stück für Stück, durch eine eigene Fotowerkstätte aufnehmen lassen und in einer Fotothek erfasst. Hiermit, so lobte Scholz diese Arbeit in seinem Endbericht, sei nicht nur die Identität jedes einzelnen Kunstwerkes dokumentarisch belegt, „sondern auch ein kunstwissenschaftliches Studien- und Veröffentlichungsmaterial von bleibendem Wert geschaffen“.15 Einer oder mehrere Sätze des Foto-
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bestandes müssen Mitte 1943 zusammen mit Informationen zu den Objekten selbst nach Dresden übermittelt worden sein. Jedenfalls wurde dort seit diesem Zeitpunkt eine große Kartei der Gemälde angelegt, die im März 1944 fertiggestellt war und – wie wir aus der Korrespondenz des „Sonderauftrags“ wissen – „alle durch die Dienststellen Rosenberg und Mühlmann in den besetzten Ost- und Westgebieten sichergestellten bzw. abtransportierten Stücke“ enthielt.16 Eine ungefähre Vorstellung vom Umfang der Zentralregistrierung vermittelt ein Bericht von Robert Oertel, der für die Registrierungsarbeiten zuständig war und nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Dezember 1945 noch Karteikästen im Auslagerungsort Schloss Weesenstein vorfand.17 In das bei Pirna gelegene Schloss waren die Unterlagen des „Sonderauftrags“ sowie die Bestände des Graphischen Kabinetts des „Führermuseums“ evakuiert worden; nach Kriegsende wurden sie von einer sowjetischen Trophäenkommission sichergestellt und abtransportiert. Oertels Bericht führt eine „Große Kartei“ mit elf Kästen an, wovon neun Kästen Gemäldebestände und jeweils ein Kasten „Plastik“ und „Graphik“ dokumentierten. Dann gab es die „Münchner Kartei“ mit drei Kästen; dabei handelte es sich um die schon länger geführte Fotokartei zum Bestand des Führerbau-Depots. Oertel nannte darüber hinaus noch je einen Kasten „Gesamtkartei“, „Sichergestellte Sammlungen“ und „Graphik“.18 Wenn die „Große Kartei“ fast das vierfache Volumen der „Münchner Kartei“ besaß, die Informationen zu 4000 Objekte enthielt, dann dürfte sie annäherungsweise 15 000 Gemälde umfasst haben oder doch zumindest für diesen Umfang angelegt worden sein. Ein solcher Umfang scheint plausibel, denn sie enthielt zusätzlich zu dem Münchner Bestand noch die Karteikarten der in Österreich, Polen und Frankreich geraubten Gemälde. Nachdem im Frühjahr 1944 die Gemäldekartei fertiggestellt war, wurden ab Mitte 1944 Handzeichnungen und Druckgraphik inventarisiert. Die Registrierung aller Bestände – also auch des Kunstgewerbes, der Möbel und der Skulpturen – konnte freilich nicht mehr abgeschlossen werden, da wegen der Kriegslage die Bergung der Objekte vorrangig war. Am 15. März 1944 berichtete Reimer an Helmut von Hummel, die Aufnahme der Gemäldebestände sei inzwischen restlos durchgeführt
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und für sämtliche Einzelobjekte seien Karteikarten angelegt worden. In etwa zehn Tagen werde die Aufstellung der Fotogemäldekartei, wie sie Hitler befohlen habe, fertiggestellt sein. „Die parallele Aufstellung einer Fotokartei für die Abteilung Plastik und Kunstgewerbe des Linzer Sonderauftrages wird einem späteren Zeitpunkt unter Heranziehung geeigneter Fachkräfte vorbehalten bleiben müssen, wenn es die Umstände erlauben, die vielen tausende kunstgewerblichen Objekte aus der Bergung zu entnehmen, wissenschaftlich zu beschreiben und sachgemäss durchzufotographieren. Verzeichnisse und Inventare dieser Bestände sind jedoch bereits ordnungsgemäß angelegt worden.“19 Der Umfang der Dresdner Karteien verhinderte, dass sie gegen Kriegsende nach Altaussee gebracht werden konnten. Für den Transport der voluminösen Kästen wären zwei Lastkraftwagen erforderlich gewesen, für die jedoch der Treibstoff fehlte. Reimers Sicherheitsvorstellungen verhinderten einen Bahntransport, den er nicht ohne einen geeigneten Waggon und bahnpolizeiliche Bewachung durchführen wollte, „da die Bestände zu kostbar sind, als dass man sie unbewacht auf die Reise geben könnte“.20 Das Argument des Wertes bezog sich auf die ebenfalls in Weesenstein ausgelagerten Bestände des Graphischen Kabinetts des „Führermuseums“, die gemeinsam mit den Karteikästen reisen sollten. Am 13. und 14. Februar 1945 wurde Dresden von alliierten Bomberverbänden zerstört. Das nach Schloss Weesenstein verlegte Büro des „Sonderauftrags“ und die dort befindlichen Grafikbestände waren davon nicht betroffen und Bormann ordnete am 22. Februar 1945 an, alles nach Altaussee zu verlegen.21 Diese Order wurde nicht mehr ausgeführt, weil – wie Voss nach dem Krieg angab – die verfügbaren Lastwagen zerstört und die Verbindungswege in den Süden ständigen Luftangriffen ausgesetzt waren; zudem sei man im April/März noch davon ausgegangen, dass die Amerikaner und nicht die Sowjets die Stadt einnehmen würden.22 Voss übergab die „Linz-Graphik“ am 19. Juni 1945 an die Sowjetarmee. Später wurde sie ins Schloss Pillnitz gebracht und von dort in die Sowjetunion abtransportiert.23
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Die Kunstwerke in Altaussee Mit der Landung der Alliierten in Italien im Sommer 1943 und ihrem Vormarsch war klar, dass der „Luftschutzkeller Ostmark“, wo das Gros der Sammlungen Hitlers geborgen war, nicht länger sicher war. Besondere Sorgen machte das Depot in Stift Kremsmünster, wo die Objekte oberirdisch lagerten.24 Hitler wies den „Sonderauftrag“ am 30. November 1943 an, das Depot „raschestmöglich total zu räumen und an anderen den heutigen Gegebenheiten der Kriegsführung entsprechenderen Örtlichkeiten unterzubringen“.25 Daraufhin geriet der für die Deponierung zuständige Gottfried Reimer unter Druck. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in Kremsmünster etwa 2000 Ölgemälde sowie 721 Miniaturen, Aquarelle, Handzeichnungen und Druckgrafiken, 328 Plastiken in Bronze und anderem Material, 327 Möbel, 458 kunstgewerbliche Objekte, 34 Gobelins und Teppiche, circa 200 000 Münzen und Medaillen und umfangreiche Bibliotheksbestände. Wäre es zu Schäden gekommen, hätte Hitler unter Umständen erfahren, wie wenig seine Anordnung bezüglich der Überführung der Wiener Gemälde nach München befolgt worden war. In seiner Not versuchte Reimer Verpasstes schnellstens nachzuholen, sodass im Dezember zwei Transporte mit insgesamt 120 Gemälden nach München gingen, 50 davon aus Rothschild-Besitz, die für das „Führermuseum“ vorgesehen waren. Es war völlig gegen die Regel, Kunstwerke in eine derart von Bomben bedrohte Stadt zu bringen, auch wenn die Luftschutzräume im Keller des Führerbaus als vergleichsweise sicher galten. So machte der neue Sonderbeauftragte Hermann Voss dem bald auch ein Ende mit dem Argument, dass die Luftschächte der für den Personenschutz gebauten Bunkerräume eine Gefahr für die Gemälde darstellten; brennendes Phosphor könne eindringen und die Kunstwerke zerstören. Man müsse nach einem anderen Luftschutzdepot suchen.26 Nach Hitlers Räumungsbefehl für Kremsmünster verfolgte Voss kurzfristig den Plan, die Sammlungen in einem Bergwerk in Thüringen zu bergen. Um den Wegtransport aus Österreich und damit aus seinem Zuständigkeitsbereich zu verhindern, verwies der Leiter des Wiener Instituts für Denkmalpflege, Herbert Seiberl, auf die Möglichkeit, beson-
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ders wertvolles Bergungsgut im Salzbergwerk Altaussee unterzubringen.27 Vom 13. bis 16. Dezember hielt sich Reimer erstmalig dort auf und ließ sich von Seiberl überzeugen, dass der Salzberg ein geeigneter Bergungsort sei. Bald darauf erschien eine Kommission, bestehend aus Reimer, Seiberl und dem Gaukonservator Juraschek sowie dem Referenten für die Kunstdepots Helmut von Hummel und dem Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Ernst Buchner. Auch sie kam zu einem positiven Ergebnis. Am 23. Dezember 1943 schlug Reimer das Salzbergwerk Altaussee sowie das Stift Hohenfurth und Schloss Thürnthal bei Fels am Wagram als „Ausweichbergungsorte für das Kunstdepot Stift Kremsmünster“ vor. Hitler stimmte dem zwei Tage später zu.28 Bevor die Transporte nach Altaussee rollen konnten, musste das Salzbergwerk für die Lagerung der Kunstobjekte hergerichtet, mussten die Böden planiert, Regale gebaut, elektrische Leitungen verlegt werden. Bis Bad Ischl konnte das Kunstgut mit der Bahn gebracht werden, dann ging es mit Lastwagen, bei Schnee auch mit Raupenschleppern weiter bis zum Steinberghaus, dem Eingang zu dem Stollensystem. Höhe und Breite der Stollen setzten dem Format der einzubringenden Gemälde allerdings Grenzen: Sie durften, einschließlich des Rahmens, nicht höher als 140 Zentimeter sein, die maximale Länge betrug fünf Meter.29 Größere Objekte erforderten andere Lagermöglichkeiten, die man im Ausweichdepot Schloss Thürnthal fand. 99 großformatige Bilder wurden am 16. März 1944 von Kremsmünster dorthin gebracht.30 Im Führerbau in München, wo die für den Personenschutz vorgesehenen Luftschutzräume voller Gemälde waren, müssen in der Zwischenzeit schlimme Zustände geherrscht haben. Am 3. April 1944 meldete Verwalter Reger an die Hausinspektion, die Kunstwerke seien durch Zulauf von Schutzsuchenden während eines Fliegeralarms und das Offenlassen von Türen gefährdet. Er forderte Wachposten vor der Tür, um die verzweifelte Bevölkerung fernzuhalten.31 Dieser Zustand war auf Dauer nicht haltbar. Bormanns Zustimmung zum Abtransport der Münchner Bestände erfolgte am 12. Mai 1944.32 Der erste Transport mit 248 Gemälden traf am 19. Mai 1944 in Altaussee ein und wurde von Reger an Seiberl übergeben.33 Die zweite Tranche konnte dann am 24. Juni 1944 von dem inzwischen vor Ort be-
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findlichen Restaurator des „Sonderauftrags“ Karl Sieber übernommen werden, der im Herbst 1943 eingestellt und dem ein interimistischer Arbeitsplatz in der Pinakothek in München eingerichtet worden war 43. Am 2. Oktober 1944 ging die vorläufig letzte Sendung aus dem Führerbau nach Altaussee mit „Spitzenwerken der Malerei für die Gemäldegalerie des künftigen Linzer Kunstmuseums“, darunter die beiden Gemälde von Jan Vermeer Die Malkunst, angekauft aus der Sammlung Czernin in Wien, und Der Astronom, geraubt aus der Sammlung Édouard de Rothschild in Paris. Im Führerbau blieben etwa 800 Gemälde zurück. Als Grund gab Reimer an, Hitler habe etwa 600 Neuerwerbungen noch nicht gesehen und die restlichen 200 kämen wegen ihrer Größe für die Einlagerung im Bergwerk nicht in Betracht.35 Ende April 1945 erreichte dann ein definitiv letzter Transport den Salzberg. Von den Kunstwerken, die im Führerbau verblieben waren, wurden 300 nach dem Abzug der Nazi-Wachmannschaften geplündert, teils durch die Zivilbevölkerung, teils durch Angehörige der US-Armee.36 Nach und nach fanden also die Bestände für Hitlers geplantes Linzer Museum sowie Teile der Verteilungsmasse für die Museen der Ostgaue ihren Weg in das Salzbergwerk. Seit Sommer 1944 wurden die Kunstwerke aus Hohenfurth nach dort gebracht: Zunächst überführte man die Bestände des Linzer Münzkabinetts, im Herbst 1944 folgte die gesamte Sammlung Mannheimer. Mitte Dezember waren der weitaus größte Teil des Inhaltes der Panzerschränke sowie sämtliche Gemälde, Handzeichnungen, Gobelins und kostbare intarsierte Möbel im Bergwerk. Es sei beabsichtigt, noch den Rest der Panzerschränke und eine Anzahl mit Tapisserien bespannter Möbel dorthin umzulagern, berichtete Reimer an von Hummel Mitte Dezember.37 Am 5. Februar 1944 war auch an Rosenberg die Order ergangen, die in Neuschwanstein und Herrenchiemsee untergebrachten Kunstwerke sofort nach Altaussee zu bringen.38 Wieder wehrte er sich, nun mit dem Argument, der Bergungsort sei feucht. Bormann fragte am 22. Februar telegraphisch bei ihm an, worauf sich seine Bedenken stützten und bat um „baldige schriftliche Stellungsnahme“. Er ließ seinen Adjutanten von Hummel einen Ortstermin organisieren, der am 23. Juni 1944 stattfand. Neben von Hummel waren vonseiten des ERR Scholz
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und Schiedlausky anwesend, als Vertreter des Sonderauftrags Gottfried Reimer und der Restaurator Karl Sieber, vom Institut für Denkmalpflege Herbert Seiberl und Ingenieur Max Eder sowie die Restauratoren des Kunsthistorischen Museums Josef Haysinek und Franz Sochor. Der gesamte denkmalpflegerische und konservatorische Sachverstand wurde gegen den sich immer noch sträubenden ERR in Stellung gebracht. Tatsächlich wurde ein Kompromiss gefunden: Die inventarisierten Bestände wurden nun im Salzbergwerk eingelagert und Rosenberg zugleich zugesichert, dass sie weiterhin in der Verwaltung des ERR blieben, „um die wissenschaftlichen und katalogmäßigen Vorarbeiten für die spätere Gesamtübergabe ordnungsgemäß weiterführen zu können“.39 Ein großer Höhlenraum, das sogenannte König-Josef-Werk, wurde für die Deponierung eingerichtet, sodass ab Juni 1944 dann Möbel, Gemälde, Plastiken und Kunstgewerbe aus den Depots Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Nikolsburg (Mikulov in Südmähren) nach Altaussee transportiert werden konnten.40 Am 1. Dezember 1944 befanden sich nur noch wenige Kisten in Neuschwanstein, die freilich auch für Altaussee bestimmt waren. Ihren Abtransport hatte der frühe Wintereinbruch verzögert, der den steilen Zufahrtsweg zum Stollen unpassierbar machte. Reimer hatte Scholz am 15. November 1944 gebeten, „bis zur Überwindung dieser gegenwärtigen Transportschwierigkeiten“ keine Kunstwerke mehr zu bringen.41 Rein formal gesehen hat der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg seine Kunstbeute nie an die Kunstexperten Hitlers übergeben. De facto waren diese jedoch in dessen Verfügungsmacht, denn die Mitarbeiter des ERR blieben in Neuschwanstein, wo sie weiter inventarisierten, um ihre UK-Stellung, die Unabkömmlich-Stellung, die sie vor der Einziehung bewahrte, zu behalten. Nur ganz am Ende, als die Zerstörung der Kunstwerke durch Gauleiter Eigruber drohte, kamen sie nach Altaussee, um die Vernichtung zu verhindern.42 Die Mitglieder des „Sonderauftrags“, die vor Ort waren, Gottfried Reimer und Restaurator Sieber, waren wenig interessiert daran, die ERR-Bestände zu übernehmen; letztlich war man wohl froh, nicht auch noch für diese die Verantwortung tragen zu müssen. Restaurator Sieber hütete sich, ERR-Kisten zu öffnen. Er scheint sie noch nicht einmal gezählt zu haben, denn in seine Auf-
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ERR, 1. Transport von Neuschwanstein nach Altaussee, Beladen auf Schloss Neuschwanstein, 12. Juni 1944
stellung der Einlagerungen trug er nur ein: „Anzahl unbekannt“.43 Nach den Aufzeichnungen des Generaldirektors der Alpenländischen Salinen Emmerich Pöchmüller waren es über tausend große Kisten.44 Ungeöffnet wurden sie schließlich nach Kriegsende in den Central Collecting Point nach München abtransportiert. Die hochrangigen Kunstwerke aus den jüdischen Sammlungen in Frankreich, die sie enthielten, konnten daher bei den Zeitzeugen keinen Eindruck hinterlassen, sodass sie im Kanon der Einlagerungen auch nicht auftauchen. An Hitlers Verfügungsgewalt über die ERR-Bestände gab es freilich niemals Zweifel, ebenso wenig wie an der grundsätzlichen Zuständigkeit des „Sonderauftrags Linz“ für die spätere Verteilung. Nach dem Krieg und nachdem die Gefahr gebannt war, an die Ostfront komman-
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diert zu werden, versicherten die Mitarbeiter der Abteilung Bildende Kunst des ERR, alles habe für Hitlers Experten, das heißt für den „Sonderauftrag“, immer zur Verfügung gestanden.45
Unautorisierte Einlieferungen Das Salzbergwerk Altaussee galt als Hitlers Bergungsstollen, Reimer nannte es „Bergungsort der Führer-Sammlungen“.46 Es dürfte sich tatsächlich um jenen Ort gehandelt haben, an dem es zur größten Konzentration von Objekten aus Hitlers diversen Kunstsammlungen gekommen ist. Aber es befanden sich dort auch Kunstwerke anderer Herkunft, etwa die von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eingelagerten Gemälde der Schack-Galerie. Das berühmteste Kunstwerk, das im Bergwerk deponiert war, nämlich der Genter Altar Jan van Eycks, galt als Besitz der Gemäldegalerie in Berlin. Diese Fremdeinlagerungen waren von Hitler autorisiert; in den letzten, chaotischen Kriegswochen kam es jedoch auch zu vielen unautorisierten Einlagerungen.47 Am 6. Oktober 1944 wurden Michelangelos Brügger Madonna sowie sieben Gemälde und vier Flügelaltäre aus der Liebfrauenkirche in Brügge mit Militärlastwagen vom Oberkommando der Wehrmacht völlig durchnässt ins Salzbergwerk eingeliefert.48 Ein Leutnant hatte die Kunstwerke auf eigene Veranlassung noch kurz vor der Einnahme Brügges durch die Alliierten abtransportiert. Dabei mag es sich um eine Panikaktion oder um einen Profilierungsversuch gehandelt haben. Die Verantwortlichen im Salzbergwerk dürften alles andere als erfreut gewesen sein, konnten die wertvollen Kunstwerke jedoch nicht abweisen; die Gefahr von Schäden oder gar der Vernichtung wäre viel zu groß gewesen. Die Brügger Madonna von Michelangelo war also nicht Bestand der Hitler-Sammlungen, auch wenn George Clooneys Film Monuments Men das anders dargestellt hat. Unter den Objekten, die nach einer abenteuerlichen Bergungstour ohne eigentliches Ziel in Hitlers Depot gelangten, befanden sich Kunstwerke aus der südlich von Rom gelegenen Benediktinerabtei Monte Cassino, die Anfang 1944 von den Alliierten vollständig zerstört wurde.
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Der „Genter Altar“ im Salzbergwerk Altaussee
Rechts: Salzbergwerk Altaussee, Abladen von Gemälden
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Zuvor waren Kunstwerke, die hier untergebracht waren, abtransportiert worden, Objekte aus der Abtei und Kunstwerke aus dem Nationalmuseum in Neapel. Die Bergungsaktion hatte ein Kommandant der Division „Hermann Göring“ durchgeführt. So wurde die Lieferung in Altaussee fälschlich als „Kunstgut Hermann Görings“ angekündigt.49 Kunstwerke aus der Sammlung Hermann Görings sind jedoch nie in Hitlers Bergungsdepots gelangt. August Eigruber, der Gauleiter von Oberdonau, wo sich das Altausseer Salzbergwerk befand, ließ am 10. und 13. April 1945 acht Fliegerbomben in den Salzberg bringen, um die Kunstwerke bei „Feindannäherung“ zu vernichten.50 Am 13. April 1945 reiste Helmut von Hummel im Auftrag Hitlers nach Altaussee, um geeignete Maßnahmen bei „Feindannäherung“ vor Ort zu erörtern. Hier erfuhr er von Eigrubers Plan und informierte Hitler, der die Vernichtung verbot. Im Falle einer „Feindannäherung“ seien lediglich die Zugänge zum Stollen durch Sprengungen zu schließen. An Hitlers Absicht, seine Kunstsammlung zu erhalten, kann kein Zweifel bestehen.51 Einen Nero-Befehl für Kunst gab es nicht. Hitler war überzeugt, dass die Erinnerung an seine Kriege im Laufe der Zeit verblassen würde, sein Nachruhm als Kunstsammler und Museumsstifter aber noch in fernen Zeiten leuchten würde, gemäß seiner Überzeugung: „Kriege kommen und vergehen, was bleibt, sind einzig die Werke der Kultur.“52 In seinem privaten Testament vom 29. April 1945, wenige Stunden vor seinem Selbstmord aufgesetzt, verfügte er, die Linzer Gemäldegalerie solle realisiert werden: „Ich habe meine Gemälde in den von mir im Laufe der Jahre angekauften Sammlungen niemals für private Zwecke, sondern stets nur für den Aufbau einer Galerie in meiner Heimatstadt Linz a. d. Donau gesammelt. Dass dieses Vermächtnis vollzogen wird, wäre mein herzlichster Wunsch.“ Ein Schreiben Helmut von Hummels vom 1. Mai 1945, also nach Hitlers Tod, bestätigt noch einmal: „Der Führer entschied in der vergangenen Woche auf erneute Anfrage, die in dem Bergungsort Oberdonau untergebrachten Kunstwerke dürften nicht in Feindeshand fallen, aber auch keineswegs
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endgültig vernichtet werden. Es seien vielmehr Vorkehrungen zu treffen, um die Kunstwerke für längere Zeit einem etwaigen Feindzugriff zu entziehen. Gauleiter Eigruber wurde bereits mündlich und fernmündlich über diese Entscheidung des Führers unterrichtet. Ich bitte Sie im Einvernehmen mit ihm bzw. den von ihm beauftragten Sacharbeitern die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.“53 Nach Hitlers Tod spitzte sich die Lage im Salzbergwerk Altaussee dramatisch zu. Da Hitler seinen Kunstbesitz dem Gau Oberdonau übereignet hatte, glaubte sich Eigruber nun nicht nur verantwortlich, sondern als Besitzer auch berechtigt, über das Schicksal der Kunstwerke zu entscheiden.54 Dank einer Initiative der Salinenmitarbeiter, die bei der Detonation der Bomben eine Zerstörung ihrer Arbeitsstätte fürchten mussten, wurde der Kontakt zu Ernst Kaltenbrunner hergestellt, der sich in der Gegend aufhielt. Kaltenbrunner war einer der ranghöchsten österreichischen Nationalsozialisten, als Nachfolger Heydrichs seit 1943 Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes sowie Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. Er war noch wenige Tage zuvor im Berliner Führerbunker gewesen und von Hitler vor das Linzer Modell geführt worden; entsprechend war ihm bewusst, dass Hitler sein Museum in Linz realisiert wissen wollte. Kaltenbrunner erklärte sich bereit, die Vernichtung der Kunstwerke zu verhindern und telefonierte mit Eigruber, der erst nach einer scharfen Auseinandersetzung nachgab. Die Bomben wurden am 4. Mai gegen 4 Uhr morgens aus dem Bergwerk gebracht. Danach wurden die Zugänge, wie es Hitlers Befehl entsprach, mit dosierten Sprengladungen verschlossen.
14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument Hitler ist der Chef Mit dem „Führervorbehalt“ nahm Hitler für sich das Recht in Anspruch, über die Verwendung jedes beschlagnahmten hochrangigen Kunstwerks persönlich zu entscheiden. Aber war ein solch umfassender Anspruch überhaupt realisierbar? Allein schon der territoriale Geltungsbereich des „Führervorbehalts“ war ja gewaltig. Resümieren wir kurz: Formuliert hatte Hitler den Verfügungsanspruch am 18. Juni 1938 in Bezug auf die beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Österreich; am 24. Juli 1939 wurde er auf Kunstwerke erweitert, die nach Maßnahme des österreichischen Denkmalschutzgesetztes sichergestellt waren, und dann auf die Kunstsammlungen der österreichischen Klöster und Stifte ausgedehnt. Mit Rundschreiben vom 9. Oktober 1940 wurde er auf das übrige Reichsgebiet übertragen und am 18. November 1940 auf alle beschlagnahmten beziehungsweise eingezogenen Kunstwerke in den besetzten Gebieten (Polen, Frankreich, Belgien, Niederlande und Luxemburg) erweitert. Er galt ganz grundsätzlich auch für die noch zu besetzenden Gebiete, gleichwohl gab es zusätzliche spezielle Anordnungen: Am 11. Mai 1941 wurde er für das Protektorat Böhmen und Mähren und am 24. Juli 1941 für „die besetzten und zu besetzenden russischen Gebiete“ ausgesprochen.1 Neben der territorialen gab es auch inhaltliche Ausweitungen: Seit dem 29. November 1942 galt er auch für Münzen- und Medaillensammlungen (ausgenommen die besetzten Ostgebiete), ab dem 12. Juni 1943 für Waffensammlungen. Zudem wurde er auch auf Bibliotheksbestände
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angewandt. Es folgte am 17. Juni 1944 noch eine Erweiterung auf Kunstwerke und Kunstsammlungen, die dem Reich verfallen waren. Hitler hielt an seinem Recht auf prioritären Zugriff für geraubte Kunstwerke nicht nur bis zuletzt fest, am Ende des Krieges umfasste der Geltungsbereich des „Führervorbehalts“ das Deutsche Reich und alle besetzten Gebiete. Fragen wir also noch einmal: War ein solcher Verfügungsanspruch überhaupt einzulösen oder war der „Führervorbehalt“ nicht eher der Fetisch eines kunstbesessenen Diktators? Die Beantwortung dieser Frage setzt eine grundsätzliche Klärung der Struktur des „Sonderauftrags“ voraus. In der einschlägigen Literatur gelten die Sonderbeauftragten Hans Posse und Hermann Voss als Leiter des „Sonderauftrags“, gelegentlich werden sie auch zu Direktoren des „Führermuseums“ ernannt. Letzteres sind sie nie gewesen: Es war der in den offiziellen Schreiben angeführte Dresdner Direktorentitel, der zu diesem Missverständnis geführt hat. Die Leitung des „Sonderauftrags“ hatten sie auch nur in einem sekundären Rang inne, denn Hitler war der „Chef“.2 Schon bei Posses Beauftragung im Juni 1939 hatte Hitler dies unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: „Ich werde Ihnen alle nötigen Anweisungen und Vollmachten geben. Im übrigen haben Sie es nur mit mir zu tun. Ich werde entscheiden.“ Damit war der „Sonderauftrag“ nach dem „Führerprinzip“ aufgebaut: Hitler stand an der Spitze, Posse war der ihm unmittelbar untergeordnete Sachbearbeiter für alle Kunstfragen. Bormann hat dies in seinem Bürokratendeutsch sehr präzise zum Ausdruck gebracht: „Der Beauftragte des Führers für die Vorbereitung der Entscheidung über die Verwendung der Kunstwerke ist der Direktor der Dresdner Galerie Herr Dr. Posse.“3 Ähnliche Formulierungen wurden verwendet, als der „Führervorbehalt“ auf den zweiten Sonderbeauftragten Hermann Voss überschrieben wurde; da heißt es etwa, Voss sei damit beauftragt, die Entscheidung darüber, ob von dem Vorbehalt des Führers über die Verwendung von Kunstwerken und Kunstsammlungen Gebrauch gemacht werden soll, vorzubereiten.4 Hitler war also der Chef, und so wird er von Posse in seinen Briefen an Dritte auch wiederholt genannt; einmal lobte er ihn sogar als einen „solch verständigen Chef“.5 Posse hat Hitlers Schlüsselposition innerhalb des Verteilungsprozesses immer klar benannt. So schrieb er
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14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
am 19. September 1939 an Oswald Graf Trapp, den Museumsdirektor von Innsbruck: „Augenblicklich ruht die ganze Angelegenheit [der Raubkunst-Verteilung], da ich nur Vorschläge zu machen habe, aber der Führer sich die letzte Entscheidung in jedem Einzelfall ausdrücklich vorbehalten hat.“6 Wie intensiv Hitlers Teilnahme am Entscheidungsprozess war, wird deutlich, wenn man sich das Prozedere vor Augen führt. Idealtypisch lief es folgendermaßen ab: Vor Ankauf eines Objekts berichtete Posse anhand von Fotos, und Hitler traf die Entscheidung. Verteilungslisten wurden ebenfalls vor Zuteilung an die Museen von Hitler genehmigt. Dabei folgte er in aller Regel den Vorschlägen seines Sonderbeauftragten, aber zwingend war dies nicht: Im Fall der ersten Zuteilungsliste für die beschlagnahmten und sichergestellten Kunstwerke in Österreich verweigerte er die Genehmigung und verlangte Änderungen. Die Besprechungen fanden häufig in Berlin statt. Posse wurde im Hotel Kaiserhof einquartiert, direkt gegenüber der Reichskanzlei. Wenn sich die Ankunft Hitlers verzögerte oder laufende Termine sich hinzogen, wartete er oft stundenlang. Aber sobald Hitler dann Zeit hatte, musste er unverzüglich erscheinen! Angekaufte Kunstwerke wurden nach München in den Führerbau gesandt, wo Posse Neuerwerbungsausstellungen arrangierte. Die gemeinsame Besichtigung darf man sich wohl so vorstellen, dass Posse und Hitler die Bilderreihe abschritten und der Kunsthistoriker dabei die einzelnen Werke beziehungsweise seine Kaufentscheidung erläuterte. Während des Russlandfeldzuges wurde Posse auch zweimal ins Führerhauptquartier beordert. 1942 nahm die Frequenz der Treffen stark ab, da Posse krankheitsbedingt häufig nicht reisefähig war. In dieser Situation wurde Bormann als Verbindungsmann immer wichtiger. Posse sandte Fotos nun an ihn, Bormann legte sie Hitler vor und dieser entschied. All dies war von schriftlichen Empfehlungen Posses begleitet. Am 12. August 1942 berichtete Bormann aus dem Führerhauptquartier an den Sonderbeauftragten:
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„Ihre verschiedenen Schreiben habe ich dem Führer nebst den Fotos heute vorgelegt. Der Führer war sehr erfreut und lässt Ihnen erneut für ihre Tätigkeit danken. Bei Übersendung weiterer Fotos bittet der Führer, jeweils die genauen Größen der Bilder rückseitig zu vermerken.“7 Auf der Angabe von Maßen zu bestehen, ist erstaunlich fachmännisch und zeigt Vertrautheit mit dem Thema des Aufbaus einer Gemäldegalerie. Dass Bormann unaufhörlich aufstieg – ab Mai 1941 war er Leiter der Parteikanzlei, ab April 1943 auch offiziell der „Sekretär des Führers“ –, hatte sicherlich mit seiner zentralen Rolle zu tun, die er nun zunehmend in den für Hitler so wichtigen Kunsterwerbungen und Depotangelegenheiten einnahm. Trotz des Krieges, der Hitlers Zeit immer stärker in Anspruch nahm, setzte er sich intensiv mit den Ankäufen und den Raubkunstzuteilungen auseinander. Doch die eingehenden Zuweisungswünsche der Gauleiter und Museumsdirektoren wurden ihm zunehmend lästig, zumal nach der enormen Expansion der Verteilungsmasse durch die Beschlagnahmungen in Polen und den Ankauf der Sammlung Mannheimer. Offiziell verschob er Anfang 1942 die Zuteilung auf die Nachkriegszeit, betrieb sie jedoch spielerisch weiter, vielleicht auch, um so zukünftige Entscheidungen vorzubereiten. Wie Albert Speer beobachtet hat, machte er sich ein Vergnügen daraus, die Gemälde aus der ERR-Beute, die ihm seit Frühjahr 1943 zumindest teilweise in Fotomappen vorlagen, „persönlich auf die von ihm bevorzugten Galerien von Linz sowie von Königsberg, Breslau und anderen Oststädten“ zu verteilen.8 Raubkunstlisten wurden Hitler noch in der zweiten Jahreshälfte 1944 vorgelegt, wie wir dies am Beispiel der Liste aus Kiew und Charkow gesehen haben.
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14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
Posse setzt sich durch Es gab bezüglich des „Führervorbehalts“, wie wir gesehen haben, immer wieder erhebliche Umsetzungs- beziehungsweise Durchsetzungsprobleme. In gewisser Weise war der „Führervorbehalt“ ein schwaches Instrument, denn er wurde nicht veröffentlicht, sondern nur durch Rundschreiben den betroffenen Dienststellen bekannt gemacht, die darüber hinaus auch noch geheim waren! Der darin eingeforderte Anspruch des prioritären Zugriffs auf alle museumstauglichen eingezogenen Kunstwerke war, statt durch ein Gesetz abgesichert zu sein, nur durch den „Führerwillen“ legitimiert. Allerdings waren die Rundschreiben nicht von Hitler persönlich unterzeichnet, sondern trugen die Unterschrift des Leiters der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers. Da die verschiedenen Ausfertigungen des „Führervorbehalts“ nicht veröffentlicht wurden, waren sie oft nicht greifbar und mussten immer wieder in Erinnerung gebracht werden. Durch die sukzessive Ausweitung des Geltungsbereiches wurden immer mehr Dienststellen einbezogen, die oft nicht den Wortlaut des „Ur-Dokuments“ vorliegen hatten, auf das sich die aktuellen Schreiben bezogen. Als der für die „Führerbibliothek“ zuständige Sachbearbeiter Friedrich Wolffhardt Ende 1944 von willkürlichen Entnahmen des Sicherheitsdienstes aus Klosterbibliotheken in der Steiermark an Bormann berichtete und eine grundsätzliche Klärung forderte, erging am 31. Dezember 1944 ein scharf formuliertes, mit dem Vermerk „Persönlich!“ versehenes Schreiben Bormanns an Himmler mit der Order, seinen Untergebenen mitzuteilen, dass „alle im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten beschlagnahmten Kunstwerke [...] den für diese Aufgabe eingesetzten Sachbearbeitern des Führers zu melden [seien], die nach eingehender Vorprüfung des Einzelfalls dem Führer über mich einen Bericht vorlegen, damit der Führer über die Verwertung der erworbenen Bestände selbst entscheiden kann. Wie Ihnen bekannt ist, werden diese Kunstwerke später zum Teil der Neuen Galerie in Linz, dem Linzer Waffenmuseum und dem Linzer Münzkabinett, zum Teil anderen öffentlichen Galerien vom Führer zugewiesen.“9
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Im Januar 1945 leitete Himmler Bormanns Anweisungen an Ernst Kaltenbrunner, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes und des Sicherheitsdienstes, und an alle Dienststellen der SS weiter.10 Um sich eine Vorstellung von der Wirksamkeit des „Führervorbehalts“ zu machen, muss man sich den Grundkonflikt vor Augen führen, den er verursachte: Der Anspruch Hitlers, über hochrangige Kunstsammlungen unentgeltlich zu verfügen und sie Museen des Deutschen Reiches zuzuweisen, führte zu einer Konkurrenz mit dem Reichswirtschafts- beziehungsweise Reichsfinanzministerium, wurden die Kunstwerke dadurch doch der Verwertung und der Steuerpflicht entzogen. Massive Differenzen traten auf, nachdem die Rothschild-Sammlungen Reichsbesitz geworden waren, da das Finanzministerium Anspruch auf Steuern erhob. Um diese bezahlen zu können, hätten Teile der Sammlung verkauft werden müssen. Posse vertrat sehr dezidiert den Standpunkt, die Kunstsammlungen seien von der Steuerpflicht zu befreien, da sie ja an staatliche Museen und damit an öffentliche Anstalten gestiftet werden würden.11 Der Reichstreuhänder lenkte ein: Eine Berechtigung, etwa durch „Verwertung“ Mittel zur Steuerbezahlung flüssig zu machen, bestehe in diesem Falle nicht. Die Verfügung des Führers über die Kunstwerke komme in ihrem Ergebnis unmittelbar einer Bezahlung von Steuern gleich. In einer Besprechung am 23. Oktober 1939 zwischen Vertretern des Reichswirtschaftsministeriums und dem Reichstreuhänder kam es zur Einigung.12 Posse konnte nun kostenfrei über die Kunstschätze verfügen. Anfang 1941 versuchte die Reichsfluchtsteuer-Stelle des Finanzamtes Wien Innere Stadt-Ost, nach Einziehung des Kunstbesitzes und der Bibliothek Rudolf Gutmanns einen Entschädigungsanspruch in der Höhe des vollen Verkaufswertes der eingezogenen Gegenstände gegenüber dem „Sonderauftrag“ durchzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt war ein Drittel der fast 900 Objekte bereits österreichischen Museen zugeteilt. Der Leiter des Instituts für Denkmalpflege, Herbert Seiberl, dem die Verwaltung der Sammlung unterstand, schlug nun vor, die noch nicht verteilten Objekte zur Verwertung freizugeben, um aus dem Erlös die Entschädigung zahlen zu können.13 Für Posse aber kamen Kompensationszahlungen und Verhandlungen nicht infrage. Er antwortete lapidar: „Beschlagnahmt ist beschlagnahmt!“ Und
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14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
beschlagnahmte Kunstsammlungen unterlagen eben dem „Führervorbehalt“. Wie sich zeigt, hing die Durchsetzung des „Führervorbehaltes“ zu einem hohen Grad vom unermüdlichen Einsatz und hartnäckigen Beharren Hans Posses und seiner Mitarbeiter ab. Posse legte durchweg eine entschlossene Haltung an den Tag, kostenfrei auf die beschlagnahmten Kunstwerke zugreifen zu können. Und er kämpfte, wenn es sein musste, auch um einzelne Objekte, so im Fall von sieben Gemälden aus der deutschen Botschaft in Paris, auf die er seit seinem Parisaufenthalt im Oktober 1940 für das „Führermuseum“ Anspruch erhob. Es handelte sich um „zwei große Aelbert Cuyp, ein großer Terborch, ein Wouwerman, ein Siberechts, ein großer Canaletto sowie die schöne große Tafel mit der Parissage, das Hauptwerk des Deutschen Matthias Gerung“.14 Sie gehörten zu dem Raubgut, mit dem der deutsche Botschafter im besetzten Frankreich, Otto Abetz, seinen Dienstsitz im Pariser Palais Beauharnais ausgestattet hatte. Da Posse in Dresden vergeblich auf die Ankunft der Werke wartete, erinnerte er Bormann im Dezember 1940: Hitler habe sich am 16. November mit der Übernahme dieser Kunstwerke für Linz einverstanden erklärt. Dass die Gemälde danach noch immer nicht in München eingingen, wurde als Niederlage des „Sonderauftrags“ im Konkurrenzkampf der Kunstrauborganisationen gewertet.15 Übersehen wurde, dass Posse im Oktober 1942 – sechs Wochen vor seinem Krebstod – noch einmal eine Initiative startete, der Gemälde habhaft zu werden.16 Erneut schaltete er via Bormann Hitler direkt ein, der postwendend befahl, die Kunstwerke seien umgehend in den Führerbau zu bringen; eine entsprechende Anweisung erging an den Außenminister und den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Zwar musste Bormann im Februar 1943 noch einmal nachhaken, doch am 16. April 1943, vier Monate nach Posses Tod, trafen die Objekte per Sondergepäckwagen des D-Zuges Paris – München in der bayerischen Hauptstadt ein. Bei aller Konkurrenz zwischen sich gleichermaßen zuständig fühlenden Institutionen, Personen und Organisationen hat sich das „Führerprinzip“ also doch durchgesetzt. Besonders prekär war das aus dem „Führervorbehalt“ abgeleitete Vorkaufsrecht Hitlers. Zwar nahmen Mitbewerber bei einer Auktion von
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ihrem Ankaufswunsch meist Abstand, wenn sie erfuhren, dass Hitler ihr Konkurrent war, verschiedentlich bestanden sie aber auf ihrem Ankaufswunsch und ließen sich auf eine Auseinandersetzung ein. Am 27. September 1941 beschwerte sich Karl Haberstock bei Posse, der Direktor des Weimarer Museums habe auf einer Berliner Versteigerung das Vorkaufsrecht des Führers nicht anerkannt. Das Kunstauktionshaus Lange gab Posse auf dessen telefonische Nachfrage hin ebenfalls die Auskunft, dass das Weimarer Museum auf „seinem Vorkaufsrecht“ bestehe. Tatsächlich gab es ein schon älteres Vorkaufsrecht Thüringens auf das Bild, Hitler aber entschied, dass es nicht berücksichtigt werden könne.17 Es scheint, als habe Hitler seinem Erstzugriffsrecht alle hochrangigen Kunstwerke unterstellen wollen, die auf den Markt kamen. Jedenfalls wurde eine „Anbietungspflicht an das Reich“ für jedes Kunstwerk besonderer Art vor jedem freihändigen Verkauf und jeder Versteigerung und ein Angebot des Werkes an Hitler durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda befohlen. Die Anordnung erfolgte am 15. Dezember 1941 für alle Werke der Malerei und Bildhauerei im Wert von über 5000 Reichsmark und für Graphik, Kunsthandwerk, alte Bücher und Drucke bei einem Wert ab 1000 Reichmark.18 Am Tag darauf wurde sie von Hitler wieder zurückgenommen. So jedenfalls berichtete der Inhaber des Kunstantiquariats C. G. Boerner, Hans Boerner, in Leipzig an Posse, „nachdem verständige und unterrichtete Leute ihn darauf aufmerksam gemacht hatten, dass diese Verordnung nicht nur das Ende des bedeutenden deutschen Kunsthandels- und Versteigerungswesens bedeutet hätte, sondern dass außerdem sofort alle bedeutenden Kunstwerke vom Markt verschwunden wären“.19 Der Kunsthandel war zweifellos ein großer Profiteur der antijüdischen Politik des Dritten Reiches, doch änderte sich 1938 manches, als Hitler den „Führervorbehalt“ aussprach. Dieser war mit der kostenfreien Verteilung von konfiszierten Kunstwerken grundsätzlich gegen die Interessen des Kunst- und Antiquitätenhandel gerichtet. Gut fassbar wird der noch wenig beachtete Konflikt in einem Briefwechsel zwischen der Fachschaft der Kunst- und Antiquitätenhändler bei der Reichskunstkam-
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14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
mer der bildenden Künste in Wien und dem Denkmalamt beziehungsweise Hans Posse. Die Fachschaft wandte sich im April 1941 an den Leiter des Denkmalamtes Herbert Seiberl mit der Bitte, dass Kunst- und Antiquitätenhändlern die Möglichkeit gegeben werde, aus der Masse der beschlagnahmten Kunstgegenstände Objekte zu erwerben, soweit sie nicht für das „Führermuseum“ oder für die anderen öffentlichen Sammlungen aufgrund des „Führervorbehaltes“ herangezogen würden. Die Händler hätten bisher niemals die Möglichkeit gehabt, etwas zu erwerben und litten sehr unter Warenmangel. Seiberl leitete die Anfrage an Posse weiter, und der entschied abschlägig: Eine Genehmigung zum Verkauf aus dem beschlagnahmten Besitz sei kaum – oder sicher nicht – zu erreichen, da noch nicht einmal die Verteilung an den öffentlichen Besitz geklärt sei. „Erst nach Beendigung des Krieges wird man an diese Frage herangehen können.“20 Die Umsetzung des „Führervorbehaltes“ stieß so zwar immer wieder auf große Schwierigkeiten. Andererseits war er, im Unterschied zu einem Gesetz, ein flexibles Instrument, das sehr schnell an veränderte Situationen angepasst werden konnte. Die damit verbundenen Probleme nahm Hitler in Kauf, weil er sehr darauf bedacht war, seine eigene Person deutlich von den kriminellen Akten des NS-Kunstraubs abzurücken. So war etwa eine Beschlagnahme, nur um den „Führervorbehalt“ geltend zu machen, verboten, wie Lammers am 9. Oktober 1940 im „Führervorbehalt für das übrige Reichsgebiet“ anordnete. „In der Ostmark haben sich über die Tragweite des Führervorbehaltes in einigen Fällen Zweifel ergeben. Ich möchte daher ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Anordnung des Führers keinesfalls Anlass zur Einziehung einer Kunstsammlung geben kann. Sie bezieht sich nur auf Fälle, in denen auf Grund bestehender Vorschriften eine Einziehung bereits erfolgt ist.“21 Jeder folgende „Führervorbehalt“ trug seither den Vermerk, Hitler wünsche nur über die Verwendung von bereits ihren Besitzern entzogenen Kunstsammlungen, die Entscheidung zu treffen.
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Im Frühjahr 1940 fragte Friedrich Plattner, Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung in Wien, bei der Reichskanzlei bezüglich der Verwertung der Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz in der „Ostmark“ an, wie mit Gegenständen zu verfahren sei, die noch nicht eingezogen seien: Lammers bat das Reichswirtschaftsministerium um Stellungnahme, die er am 10. Juni 1940 erhielt: „Soweit Gegenstände nur beschlagnahmt oder sichergestellt sind, ohne dass eine Einziehung zu Gunsten des Reiches erfolgt ist, stehen sie weiterhin im Eigentum der Juden. Um sie entsprechend dem Willen des Führers zum Ausbau und zur Vervollständigung der ostmärkischen Kunstsammlungen verwerten zu können, ist es erforderlich, Zwangsentjudungsverfahren einzuleiten. Den Juden müsste – soweit sie ausgewandert sind, durch Bekanntmachung im Reichsanzeiger – gemäß § 6 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 – Reichsgesetzblatt I S-1709 – die Veräußerung der betreffenden Gegenstände an den Beauftragten des Führers, Direktor Posse, gegen einen festgesetzten Schutzpreis aufgegeben werden. Erforderlichenfalls wären zur Durchführung dieser Veräußerung Treuhänder nach § 2 der Verordnung vom 3. Dezember 1938 einzusetzen. Der Erlös würde formell dem Juden zustehen, praktisch aber regelmäßig zur Deckung der Steuerforderungen des Reiches und zur Bezahlung sonstiger Schulden dienen. Ein etwaiger Überschuss wäre auf ein Devisensperrkonto einzuzahlen.“22 Am 11. Juli 1940 gab Lammers der österreichischen Landesregierung seine Zustimmung zu dem Verfahren. Zugleich gab er die Order aus, bei Verfahren zur „Zwangsentjudung“ von Kunstgegenständen „als Erwerber nicht den Führer oder einen Beauftragten des Führers angeben zu wollen.“23 Von seiner Wirkung her betrachtet war der „Führervorbehalt“ ein durchaus effizientes Instrument. Der Ertrag, den er in Frankreich „für die Zwecke des Führers“, so eine Standardformulierung in den zeitgenössischen Dokumenten, erbrachte, lässt sich relativ genau bestimmen: Es handelte sich um knapp 22 000 Inventarnummern, wobei eine In-
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14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument
ventarnummer mehrere Objekte umfassen kann. Auch bezüglich der „Ostmark“ darf man von mindestens 20 000 Objekten ausgehen (die 200 000 Münzen und Medaillen nicht mitgerechnet), die Hitler nicht nur zur Verfügung gestellt, sondern von ihm zu einem großen Teil auch auf die Museen verteilt wurden. Im „Altreich“ wurde der „Führervorbehalt“ zu einem Zeitpunkt ausgesprochen, als die meisten jüdischen Sammlungen bereits entweder aus dem Land gebracht oder arisiert worden waren. Daher war der Ertrag dort gering. Ähnliches gilt für das Protektorat Böhmen und Mähren, wo eigentlich nur die 128 historischen Waffen aus der Sammlung Lobkowicz ins Gewicht fallen. In Polen können wir sicher von circa 550 Werken ausgehen – 30 Dürer-Zeichnungen und die 521 Werke, die im Fotokatalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement dokumentiert sind –, die der NS-Kunstraub für Hitlers Museumsprogramm zur Verfügung stellte. Wie wir gesehen haben, gingen Hitlers Pläne aber darüber hinaus, denn er wollte beschlagnahmten polnischen Kunstbesitz der Stadt Königsberg zuteilen. Was den Kunstbesitz der Sowjetunion angeht, so konnten wir mindestens zwei umfangreiche Konvolute ausmachen, die „für die Zwecke des Führers“ vorgesehen waren. In der Summe dürfen wir also von mindestens 50 000 Objekten ausgehen, die der NS-Kunstraub für Hitlers Verteilungsprogramm geliefert hat. Die tatsächliche Verteilungsmasse war aber sicherlich noch umfangreicher. Nicht berücksichtigt sind beispielsweise „angekaufte“ Bestände wie die Sammlung Mannheimer, bei der es sich freilich um einen Zwangsverkauf handelte. Auch die von Posse 1938 für das „Führermuseum“ ausgeschiedenen 700 Werke aus Hitlers Sammlung sollten verteilt werden. Andererseits ist die Verfügungsmasse aber auch nicht beliebig erweiterbar, denn es galten strenge Qualitätskriterien. Zudem wurden von den Zivilverwaltungen in allen besetzten Ländern eigene Museumsund Verteilungsprogramme entwickelt, sodass die territorialen Machthaber dafür eintraten, einen (Groß)teil der Raubkunst im eigenen Territorium zu behalten. Selbst auferlegte Einschränkungen des Zugriffs zeigen, dass Hitler und die Reichskanzlei die Realitäten durchaus nicht aus den Blick verloren haben: So fand der „Führervorbehalt“ im „Altreich“, im Protektorat
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und im Generalgouvernement nur auf Kunstsammlungen Anwendung, nicht aber auf Einzelwerke, nicht zuletzt, weil dies den „Sonderauftrag“ logistisch überfordert hätte. Wollen wir resümieren, so ist es sicherlich sinnvoll, den Ertrag, den der „Führervorbehalt“ für Hitlers Kunstverteilungsprogramm erbracht hat, nicht quantitativ, sondern qualitativ zu bewerten: Es waren mit die besten Kunstwerke Europas, die der deutsche Diktator in seine Verfügung gebracht hat, und das auch ohne an die Bestände der Eremitage und des Louvre gelangt zu sein.
15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst
Die Alliierten fanden in Deutschland über 1400 Bergungsdepots.1 Diese enthielten neben ausgelagerten Beständen deutscher Museen und Bibliotheken (etwa 75 % des aufgefundenen Kulturgutes hatte diese Provenienz) auch fast vier Millionen Gegenstände problematischer Herkunft: Zum Großteil waren sie aus den besetzten Ländern ins Deutsche Reich gelangt und hatten damit als Raubgut zu gelten; daneben gab es aber auch Objekte, die in Deutschland, Österreich und Italien bei nichtjüdischen Verkäufern zum Marktwert angekauft worden waren. Da die Sicherheit des aufgefundenen Kulturgutes an den vielen Lagerstätten nicht gewährleistet war, richtete man Sammelstellen zur Sicherung, vorläufigen Verwahrung und Bearbeitung ein. Die meisten Kunstdepots befanden sich in Bayern und damit in der amerikanischen Zone; auch die wichtigsten österreichischen Bergungsorte lagen im Herrschaftsbereich der Amerikaner, so etwa Hitlers Bergungsdepot im Salzbergwerk Altaussee. Entsprechend wurde die Hauptsammelstelle für Kunstwerke in den Besatzungszonen der Westmächte in München installiert: der Central Collecting Point Munich (CCP). Die amerikanische Militärverwaltung nutzte dazu die beiden ehemaligen NSDAP-Großbauten am Königsplatz, den Führerbau und den Verwaltungsbau, die mit dem Ende der Naziherrschaft funktionslos geworden waren. Die Gebäude waren nur leicht beschädigt, sodass sie relativ schnell für die Aufnahme der Kunstwerke hergerichtet werden konnten. So kam – Ironie der Geschichte – ein Teil der Kunstwerke wieder dorthin zurück, wo er während des Dritten Reiches gewesen war, hauptsächlich zwar in den nun in Gallery I umgetauften Verwaltungsbau, zeitweise aber auch in Gallery II, den ehemaligen Führerbau.
Kolumne
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Inventarliste des ERR mit den Inventarnummern, die mit den Namenskürzeln die Herkunftssammlungen dokumentieren
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15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst
Karteikarte des ERR mit der Inventarnummer R 38. R steht für Édouard de Rothschild In den Central Collecting Point ging der Großteil von Hitlers Sammlungen ein. Hierher gelangten die Bestände des Bergungsdepot im Salzbergwerk Altaussee, das am 8. Mai 1945 von der 80. US-InfanterieDivision gesichert und am 20. Mai von einer speziellen Kunstschutzabteilung der U.S. Army übernommen wurde, den „Monuments Men“ unter Leitung von Captain Robert K. Posey. Sie sorgten dafür, dass die gesprengten Zugänge freigeräumt wurden, sodass die Stollen ab dem 14. Juni wieder zugänglich waren. Unmittelbar danach, am 17. Juni, begann der Abtransport der Kunstwerke. Bis zum 20. Juli 1945 wurden insgesamt 60 Lastwagen in die bayerische Metropole geschickt, beladen mit je 25 bis 50 Bildern. Eine zweite Transportwelle dauerte vom 6. Oktober bis zum 1. November 1945, die dritte vom 26. November bis zum 15. Dezem-
15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst
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ber 1945.2 Mit den Transporten aus Altaussee gingen nicht nur die Bestände des Linzer „Führermuseums“ in den Central Collecting Point ein, sondern auch Kunstwerke, die für Hitlers Verteilungsprogramm vorgesehen waren, wie etwa ein Großteil der jüdischen Kunstsammlungen, die der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg aus Paris nach Deutschland verschleppt hatte und die 1944 auf Befehl Hitlers aus den ERR-Depots in Neuschwanstein und Herrenchiemsee in sein Bergungsdepot verlagert worden waren. Auch die Bestände anderer ERR-Lager wurden nach München gebracht. Darüber hinaus gelangte auch die Raubkunst aus der Sowjetunion zu einem erheblichen Teil in die Münchner Sammelstelle. Über Zwischenlager unter anderem in Krakau, Troppau, Ratibor und Königsberg war sie gegen Ende des Krieges nach Westen verlagert worden, teils bis weit nach Süddeutschland. Die Kunstwerke aus den Zarenschlössern südlich Leningrads sowie den Städten Pskow und Nowgorod wurden auf der Burg Colmberg in Franken untergebracht. Südrussische und ukrainische Sammlungen kamen nach Schloss Höchstädt an der Donau und Gemälde und volkskundliche Sammlungen aus Minsk, Kiew, Taganrog und Charkow gelangten in das Kloster Buxheim bei Memmingen. Buxheim diente dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg bereits seit 1943 als Lagerort für Kunstwerke. Im November 1945 wurde Schloss Höchstadt von den Amerikanern evakuiert, in der Zeit vom 14. November bis zum 20. Dezember gingen in elf Transporten insgesamt 1815 Gegenstände in den Central Collecting Point nach München. Die Überführung der Kunstwerke aus Kloster Buxheim schloss sich an und zog sich bis zum 6. März 1946 hin. Anschließend wurde Schloss Colmberg geräumt. Bis zum 16. April wurden in acht Transporten 1190 Gegenstände überführt. Die Auflösung des Depots in Kloster Banz war am 8. Mai 1946 abgeschlossen. Insgesamt wurde im Münchner Collecting Point das Inventar von 601 Depots zusammengetragen, auch aus solchen in der sowjetischen Besatzungszone. Der Grund dafür war, dass die US-Armee vor Ankunft der Roten Armee weit in die sowjetische Zone eingedrungen war und an 34 Orten, in Bergwerken und Auslagerungsdepots sowohl die deponierten Kunstwerke als auch die wissenschaftliche Dokumentation sicher-
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gestellt und abtransportiert hatte.3 Die amerikanische Militärverwaltung gab übrigens zwischen September 1945 und September 1948 mit dreizehn Lieferungen 524 120 Objekte an die Sowjetunion zurück, das meiste wohl Bücher und Schriftgut; darunter befanden sich aber auch etwa 5000 Kunstobjekte.4 Auch an Polen wurden bis 1949 rund 1100 Kulturgüter übergeben. Für die Restitution der Kunstgegenstände war der Umstand von außerordentlicher Bedeutung, dass Hitlers Kunstraub von ausgebildeten Kunsthistorikern, oft erfahrenen Museumsleuten, ausgeführt wurde. Die Sammlungen des „Führers“ erlitten während des Krieges erstaunlich wenige Verluste; der größte Schwund dürfte durch Plünderungen in den letzten Kriegstagen und Diebstählen in der Nachkriegszeit zustande gekommen sein. Der Aufwand, der für die Sicherheit, den Transport sowie die Konservierung und Restaurierung der Kunstwerke während des Krieges betrieben wurde, war gigantisch. Ein Beispiel sei angeführt: Bei der Evakuierung von Neuschwanstein wurden die gefüllten Transportkisten des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg die Treppenanlage vom Märchenschloss Ludwigs II. herab zum Verladeplatz auf Schienen transportiert, um sie vor Stoß und Fall zu sichern, und das im Sommer 1944 unter den Bedingungen des „totalen Krieges“. Wir haben gesehen, dass die Professionalität der Arbeit für die Täter von außerordentlicher Bedeutung war, da sie ihre Tätigkeit mit der wissenschaftlichen Erfassung eines bis dahin unbekannten oder doch wenig bekannten Materials legitimierten. So betonte der Leiter des Sonderstabes Bildende Kunst Robert Scholz in seinem Endbericht, dass in „dieser historisch einmaligen Kunsterfassungsaktion“ eines von seiner Bedeutung her einmaligen Materials „eine für die gesamte Kunstwissenschaft wichtige Arbeit geleistet“ worden sei. Inventarisierung bedeutete in diesem Sinne auch Entlastung der Täter und ideelle Aneignung der Beute. Denn die in den Kunstraub involvierten Museumsleute wollten mit der Raubkunst ihre eigenen Sammlungen ergänzen, wie wir dies im Falle des österreichischen und polnischen Kunstraubes gesehen haben. Mit der Inventarisierung der Beute leistete man also Museumsarbeit. Beschwerdeschreiben zeigen, dass die Museumsleiter beleidigt reagierten und opponierten, wenn ihre Mitarbeiter Ob-
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jekte wissenschaftlich bearbeitet hatten, ihr Museum diese dann aber nicht zugeteilt bekam. Die Inventarisierung war für die Restitution von großem Nutzen: Denn zu einer fachmännischen Inventarisierung gehört auch die Dokumentation der Herkunftsgeschichte eines Kunstwerks, liefert sie doch den Beleg für dessen Echtheit und historische Relevanz. Teil dieser Herkunftsgeschichte ist immer auch der unmittelbare Vorbesitzer, und das heißt in diesem Falle die Sammlung, aus der das Objekt geraubt wurde, sogar im Fall von jüdischen Vorbesitzern. Die Museumsleute des Kunsthistorischen Museums in Wien, die 1938/39 einen Bestandskatalog des Zentraldepots der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen verfassten, der sogar gedruckt wurde, verzeichneten die Kunstwerke in ihrem ehemaligen Sammlungskontext, die Namen der Besitzer sind als Namenskürzel dokumentiert. Auch der Fotokatalog Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement führt die beraubten Personen und Institutionen auf, ebenso die Inventare des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg. Allerdings gab es nicht nur wissenschaftliche Motive für gründliche Arbeit und pfleglichen Umgang mit der Raubkunst. Mit einem persönlichen Einsatz für Hitlers Sammlungen und die unter „Führervorbehalt“ stehenden Kunstwerke konnte man sich innerhalb des NSHerrschaftssystems profilieren; man konnte dem „Führer“ damit nahekommen. Dessen Kunstbesessenheit war im Kreis der Kunsträuber bekannt. Dies bringt allein schon die NS-Terminologie zum Ausdruck, welche die Kunstwerke in aller Regel als „Kunstschätze“ bezeichnet. Indem man sich gut um die Kunstwerke kümmerte, arbeitete man dem „Führer“ also zu; nicht nur Alfred Rosenberg hat die Raubkunst in diesem Sinne als Mittel benutzt, sich immer wieder die Gunst Hitlers zu sichern, doch war dieses Motiv bei ihm besonders stark ausgeprägt. Aber nicht nur die Nazi-Führer, auch die normalen Betreuer in den Depots profitierten davon, sich für die Erhaltung und Pflege der Kunstwerke einzusetzen. Sie erhielten wiederholt Sondergratifikationen von Hitler. Vor allem aber wurden sie vom Kriegsdienst freigestellt: Für Hitler zu inventarisieren, seine Beute zu bewahren, sie zu restaurieren, das bedeutete eben auch, sein eigenes Leben zu retten.
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Die Amerikaner fanden an den Bergungsorten also nicht nur relativ gut erhaltene Kunstwerke, sondern auch Karteien und Dokumentationen, die ebenfalls in den Central Collecting Point gebracht wurden und die für die Rückgabe eine große Hilfe waren. Auch die wissenschaftliche Handbibliothek des „Führermuseums“, die ebenfalls vom „Sonderauftrag Linz“ aufgebaut worden war, sollte für die Restitution von großem Wert sein. Sie bildete sozusagen den Kern der Bibliothek des Central Collecting Points und damit auch der Bibliothek ihrer Folgeinstitution, des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München. Dass die Zentralkarteien des „Sonderauftrags Linz“ aus Dresden nicht zur Verfügung standen, stellte für die Restitution kein großes Problem dar, denn jedes Depot hatte eine eigene Bestandsdokumentation. Die Kartei des Depots des Führerbaus war in München vor Ort vorhanden; die Wiener Raubkunst-Karteien, die des Zentraldepots und des Denkmalamtes, befanden sich in Wien, ebenso alle für die Restitution nötigen Akten. Tatsächlich führte hier nach dem Krieg dasselbe Amt die Restitution durch, das während der Herrschaft des Nationalsozialismus einer der wichtigsten Handlanger des Kunstraubes gewesen war. Von 35 Beamten wurden 1945 lediglich sieben entlassen. Für die Restitution war in der US-Besatzungszone die Monuments, Fine Arts and Archives Section („Monuments Men“) zuständig. Sie arbeitete mit einem großen Stab von deutschen Mitarbeitern über mehrere Jahre an der erfolgreichen Rückgabe der Kunstwerke. Im März 1946 hatte der Central Collecting Point 130 deutsche Mitarbeiter, im März 1947 noch 111.5 Bis 1949 waren rund 250 000 Objekte auf eine mögliche Restitutions-Pflicht geprüft und etwa 56 000 Inventarnummern (eine Inventarnummer kann mehrere Objekte umfassen) zurückgegeben. Museumsbestände wurden nach Feststellung ihrer Identität wieder an die Museen gegeben, die Kunstwerke aus den verschiedenen Raubkunstdepots an die Länder restituiert, aus denen sie in den Besitz Hitlers gekommen waren. In der sogenannten Londoner Deklaration vom 5. Januar 1943 hatten die Alliierten jede Entnahme und jeden Verkauf von Kunstsammlungen unter Druck für ungültig erklärt. So wurden also auch diejenigen Kunstwerke restituiert, die der „Sonderauftrag Linz“ in den besetzten Ländern angekauft hatte. Restituiert wurde allerdings nicht an Privatper-
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sonen, sondern an die Regierungen der Länder, aus denen die Objekte in Hitlers Besitz gelangt waren. Die Ansprüche der rechtmäßigen Besitzer wurden durch einen beim Central Collecting Point bestellten Vertreter ihres Landes in Form von „Claims“ vortragen. Die Objekte wurden dann zu Sendungen (shipments) zusammengestellt und vom jeweiligen Vertreter des Landes übernommen. Als Quittungen dienten sogenannte Shipment-Listen, die sowohl vom Direktor des CCP als auch vom jeweiligen Vertreter des betreffenden Landes unterzeichnet wurden. Die Rückführung begann im Herbst 1945. Das erste Kunstwerk, das zurückgegeben wurde, war der Genter Altar. Er war schon im Juli 1945 aus dem Salzbergwerk in Altaussee in den Collecting Point nach München gebracht worden.6 Seine Überführung nach Belgien war ein Vorgang von großer symbolischer Bedeutung, der entsprechend inszeniert wurde. Man kam überein, dass der belgische Prinzregent den Altar am 3. September, dem ersten Jahrestag der Befreiung der Stadt durch die Alliierten, in einer Feier im Königspalast in Brüssel in Empfang nehmen sollte. Am 21. August 1945 gingen die Tafeln, in zehn Kisten verpackt, mit einer Militärmaschine, die als einziges Frachtgut den Altar geladen hatte, und begleitet von Captain Posey nach Brüssel. In der belgischen Hauptstadt wurden die Tafeln vom amerikanischen Botschafter feierlich dem belgischen Prinzregenten übergeben. Bald darauf nahm der Altar wieder seinen angestammten Platz in der Kathedrale von Gent ein. Die Restitutionen waren noch nicht abgeschlossen, als die amerikanische Militärregierung endete. Die Verwaltung des Restbestandes ging Ende 1948 in die Verantwortung des bayerischen Ministerpräsidenten über. Die Recherchen zur Rückgabe wurden danach vom Deutschen Restitutionsausschuss übernommen, der 1952 von der Treuhandverwaltung für Kulturgut abgelöst wurde. Diese setzte ihre Tätigkeit bis zu ihrer Auflösung 1962 fort. Es blieb ein Restbestand an Kunstwerken, der heute vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin verwaltet wird. Es handelt sich um circa 2300 Gemälde, Graphiken, Skulpturen, kunstgewerbliche Gegenstände und zusätzlich 10 000 Münzen und Bücher. Ein Grund für deren Verbleib in deutschem Besitz kann sein, dass der Erwerb durch ein gültiges Rechtsgeschäft erfolgt war, wie dies na-
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türlich auch während der NS-Herrschaft möglich war, etwa wenn ein nichtjüdischer Verkäufer freiwillig an den „Sonderauftrag“ verkaufte, einen guten, oft sogar hohen Preis erzielte und das verkaufte Objekt nicht zuvor verfolgungsbedingt entzogen worden war. In dem Restbestand befinden sich aber auch Kunstwerke, zu deren Herkunft keine oder zu wenig Informationen zur Verfügung stehen, sodass Lücken in der Provenienz bleiben, der Verdacht auf Entzug also nicht ausgeschlossen werden kann. Andauernde Provenienzforschung versucht, die offenen Fragen zu klären.7 Unaufgearbeitet blieb bis heute die Geschichte der Depots in der sowjetischen Besatzungszone. Die russischen Militärakten, die über die Vorgänge Auskunft geben könnten, sind noch immer nicht zugänglich. Da sich die Raubkunstdepots im Wesentlichen in Süddeutschland und Österreich befanden, stießen die Sowjets in ihrer Zone überwiegend auf ausgelagerte Bestände deutscher Museen, die von „Trophäenkommissionen“ als sogenannte Beutekunst nach Moskau gebracht wurden. Bekanntlich gab es mehrere Rückgabeaktionen, darunter die aus Propagandagründen spektakulär inszenierte und politische motivierte Rückgabe von Kunstwerken aus Dresdner und Berlin Museumsbesitz in den Fünfzigerjahren. Doch noch heute befindet sich Beutekunst in großem Umfang in russischen Museen und Depots. Hitlers Kunstraub wird von der Beutekunstproblematik insofern berührt, als dass Bestände des Graphischen Kabinetts des „Führermuseums“ provisorisch im Dresdner Kupferstichkabinett aufbewahrt und mit diesen nach Schloss Weesenstein ausgelagert waren, wo sie von der Sowjetarmee beschlagnahmt wurden. Ein wichtiges Depot mit der „Führerauswahl“ aus dem polnischen Kunstbesitz befand sich im Tresor der Deutschen Bank in Berlin; auch diese Geschichte harrt noch der Aufklärung. Die Folgen des NS-Kunstraub erschüttern bis heute die europäischen Museen, ja die Museumslandschaft der ganzen Welt. Immer noch werden zahllose Kulturgüter gesucht. Im Dezember 1998 handelten die USA in der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“ mit mehr als vierzig Ländern ein Abkommen aus. Die teilnehmenden Nationen, darunter Deutschland und Österreich, verpflichteten sich, in ihren staatlichen Sammlungen nach verfolgungsbedingt
15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst
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entzogenem Kunstgut zu suchen, die Ergebnisse zu veröffentlichen und gerechte und faire Lösungen für die Rückgabe zu finden, denn die Rückgabefristen sind in aller Regel verjährt. Die Provenienzforschungen sind zeit- und damit kostenaufwendig, die geforderten schnellen Lösungen oft nicht möglich, und so halten die Diskussionen darüber und die Auseinandersetzungen um Rückgaben an. Der Fall der Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt, bekannt geworden als der sogenannte „Schwabinger Kunstfund“ (2013), zeigt zudem, dass das Problem der NS-Raubkunst nicht auf staatliche Sammlungen begrenzt ist, sondern auch private Sammler und den Kunsthandel noch lange beschäftigen wird.
Anmerkungen 1. Der „Führervorbehalt“ und der größte Kunstraub aller Zeiten 1 Zit. nach Seydewitz, Die Dame, S. 48. 2 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 15 ff.; Linz-Report,
Vorwort. Voss-Report, S. 20. Volkert, Kunst- und Kulturraub, S. 113 f. Final Report, S. 11. Linz-Report, S. 78. BDA, Archiv, Rest., K. 22, M 3. BAK B 323/304 u. B 323/305: Kistenlisten des ERR über die in den Bergungsort Lager Peter (Altaussee) verbrachten Möbel, Gemälde, Plastiken und Kunstgewerbe. 9 Angelika Enderlein, Monika Flacke, Hanns Christian Löhr: Datenbank zum „Sonderauftrag Linz“. URL: https://www.dhm.de/datenbank/linzdb/ [23.04.2014]. 10 Linz-Report, S. 84. 11 Zum „Führervorbehalt“: Schwarz, Hitlers Museum, S. 35 f.; Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 211 ff. 3 4 5 6 7 8
2. Der „Führer“ als Kunstsammler 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12
Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 29–40. Fest, Hitler, S. 725 f. Hoffmann-Report, S. 2. Schwarz, Geniewahn, S. 108 ff. Arnold von Salis, Erinnerungen an Böcklin, zit. nach Arnold Böcklin, Ausst.Kat. Kunstmuseum Basel, Musée d’Orsay, Paris, Neue Pinakothek, München. Heidelberg 2001. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 94 ff., 105 ff. Schmid, Arnold Böcklin, Zitat S. 8. Schwarz, Geniewahn, S. 24–26. Rosenberg, Mythus, S. 300 f. Fröhlich, Tagebuch Goebbels, 14. Jan. 1929: Teil 1, Bd. 1/III, S. 163. Siehe Schwarz, Hitlers Museum, XI/18–23, XXIII/40, XXV/41. Schwarz, Geniewahn, S. 35 ff.
Anmerkungen
281
13 Hoffmann-Report; Schwarz, Geniewahn, S. 98 ff. 14 Schwarz, Geniewahn, S. 216. 15 Linz-Report, S. 49–51; BAK B 323/132, Nr. 97–237. 16 Junge, Bis zur letzten Stunde, S. 91; Schroeder, Er war mein Chef, S. 188. 17 Posse, Reisetagebuch; Posse an Hanssen, 22. Aug. 1940: BAK B 323/103,
Nr. 173, 174; BAK B 323/163, Nr. 15–19; Schwarz, Hitlers Museum, S. 19. 18 Schwarz, Geniewahn, S. 159 ff. 19 Zu Haberstock: Linz-Report, S. 47 f.; Keßler, Karl Haberstock; Petropoulos,
Faustian Bargain, S. 74–100. 20 Paris Bordone, Venus und Amor, Warschau, Nationalmuseum; Schwarz,
Geniewahn, S. 163 f., 263. 21 Haug, „sucht ständig zu kaufen“. 22 Petropoulos, Faustian Bargain, S. 96 ff. 23 Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Bibliothek: Slg. Hi 800/
24 25 26
27 28 29 30 31
32 33
200/1 (Alte Meister) und Slg. Hi 800/200/2 (Neue Meister); Schwarz, Geniewahn, S. 260 ff. Rudolf von Alt, Stephansplatz in Wien, 1872 oder 1873: BAK B 323/52. Hamann, Ein Gang durch die Jahrhundert-Ausstellung. Mü 4288; Schwarz, Hitlers Museum, VII/36; Mü 1648, Schwarz, Hitlers Museum, V/47; siehe zu den Werken die Datenbank: http://www.dhm.de/ datenbank/linzdb/. So z. B. Nicholas, Der Raub der Europa, S. 51. Schwarz, Geniewahn, S. 41 ff. Schroeder, Er war mein Chef, Anm. 387, S. 384. Schwarz, Hitlers Gemäldesammlungen in Fotoalben. Als Bildnis der Prinzessin Otto von Wittgenstein, Mü 2488, Schwarz, Hitlers Museum, XII/46; zu Bernhard Altmann: Lillie, Was einmal war, S. 33 ff. Katalog der Privat-Gallerie Adolf Hitlers, Nr. 46: http://www.lostart.de, ID: 308023 [28.04.2014]; Schwarz, Geniewahn, S. 164. Schwarz, Geniewahn, S. 159.
3. Das Projekt „Führermuseum“ 1 Zit. nach Sarlay, Hitlers Linz, S. 38. 2 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 221 ff. 3 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 15 ff., 224 ff. 4 Ranuccio Bianchi Bandinelli, Dal diario di un Borghese e altri scritti, Mai-
land 1948, S. 183 f. (Übersetzung Birgit und Michael Viktor Schwarz).
282
Anmerkungen
5 Preiß, Das Museum und seine Architektur, S. 249 ff. 6 Schwarz, Geniewahn, S. 226 ff. 7 Schwarz, Hitlers Museum, S. 35. 8 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 228 ff; Schwarz, Hit-
9
10 11 12
lers Sonderbeauftragter; Schwarz, Rittmeister und Excellenz; zu den Ankäufen Posses: Dalbajewa, Im Blickpunkt. Posse, o. T. (Datierung nachträglich handschriftlich 1934), Rechtfertigungsschreiben: Archiv Staatliche Kunstsammlungen Dresden 01/GG 41. Bd. 3, S. 3. Posse, Die Gemäldegalerie der neueren Zeit, S. 68; siehe auch Dalbajewa, Im Blickpunkt, S. 43. Schwarz, Geniewahn, S. 109 f., 313 f.; Schwarz, Die Kunst, die Hitler sammelte. BAK B 323/163, Nr. 234.
4. Kunstraub in Österreich 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Brenner, Kunstpolitik, Dok. 55. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 1a, b. Gaehtens, Das Musée Napoléon, S. 185. Haupt, Die Rolle des Kunsthistorischen Museums, S. 53 f.; Lillie, Was einmal war, S. 216–245. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 13. Bericht über die Überwachung jüdischen Auswanderergutes, BDA, Archiv, Rest., K. 8.1, M. 2, Bll. 3–5. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 237 f. Ernst Schulte-Strathaus, Eidesstattliche Erklärung, München, 28. April 1949, in: BAB B 323/12. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 437 u. Anhang, Dok. 14. Dorrmann, Die Sammlung der Familie von Klemperer; Posse, Diensttagebuch. BAB R 43 II/1272a, Bll. 102, 103, 107. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 120. Brückler, Kunstraub, Dok. S. 99. BDA, Archiv, Rest. K. 8, M. 1, Bll. 2–4. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 16; Brückler, Kunstraub, Dok. S. 117; BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 2. Verwaltungsverfügung vom 13. September 1939; BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 3, Bll. 16, 18 f. Wie Anm. 15.
Anmerkungen
283
18 Hierzu und zum Folgenden: BAK B 323/163, Nr. 176–188; BDA, Archiv, Rest.,
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
37 38 39 40 41 42 43
K. 10, M. 2; Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 196–211; Lammers an Plattner, 11. Juli 1940: Brückler, Kunstraub, Dok. S. 385. BAB R 43 II/1269b, Bl. 113. BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 2, Bl. 2. Vgl. die Korrespondenz des „Sonderauftrags“ mit Ludwig von Baldass: BAK 323/120, Nr. 303, 304, 308. Anforderungen der Museen aus der Vugestamasse: BAK B 323/106, Nr. 3a/ 393–396. Posse an Seiberl, 20. Jan. 1941: BAK B 323/106, Nr. 3a/554–557, 559. BDA, Archiv, Rest., K. 34/1, Mappe Franz Erlach. BAK B 323/108, Nr. 270. Schwarz, Der sogenannte Linz-Bestand. Lammers an Bormann, 24. April 1940: BAK B 323/163, Nr. 102. Hierzu und zum Folgenden: BAB R 43 II/1269a; Schwarz, Hitlers Museum, S. 36. BAB R 43 II/1269a. Edmund de Waal, Das Herzzerbrechende der Rückkehr nach Wien, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Januar 2014, S. 29. Beschlagnahmekatalog Wien, Staatsdruckerei Wien 1939: BAK B 323/228; Kunth, Die Rothschild’schen Gemäldesammlungen. Czernin, Die Fälschung, S. 137. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 240 ff. Hierzu und zum Folgenden: Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 16 ff. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 36 ff.; BAB R 43 II/1269a. Haupt, Das Kunsthistorische Museum, S. 65–71; zu den Forderungen Italiens 1938 und anderer Folgestaaten der Donaumonarchie und zu den Forderungen der österreichischen Länder: Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 27 ff.; zu den Forderungen des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz: Kirchmayr, Geraubte Kunst, S. 85–87. Dokument abgedruckt bei Brückler, Kunstraub, S. 168 f.; hierzu und zum Folgenden: BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 10. Zu Friedrich als Sammlervorbild: Schwarz, Geniewahn, S. 273 ff. Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 41; Hoffmann-Report, S. 3. Brückler, Kunstraub, Dok. S. 99. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 38 f.; BAB R 43 II/1269a. IfZ, MA 597, 1402 ff. BAB R 43 II/1269a, Bl. 167 ff.
284
Anmerkungen
44 Hierzu und zum Folgenden: Mühlmann-Report: BAK B 323/200. 45 Ebd.: Kajetan Mühlmann, Die Gründe für meine fristlose Entlassung als Lei-
ter der Österr. Kunstangelegenheiten durch den Reichskommissar Gauleiter Bürckel, 3. Sept. 1947: ebd., S. 235, Nr. 168; Entlassungsbrief Bürckels an Mühlmann, 23. Juni 1939: ebd., S. 245, Nr. 65. 46 Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 244 f. 47 Schwarz, Geniewahn, S. 244 f.
5. Raubkunst für die Museen 1 BAK B 323/163, Nr. 235, 237, 240, 242; Schwarz, Hitlers Museum, S. 40. 2 Schwarz, Hitlers Museum, S. 41 f. 3 Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark: BAK B 323/229;
Schwarz, Hitlers Museum, S. 43. 4 Fritz Dworschak, Pro memoria, 11. Juli 1939: BAK B 323/108, Nr. 338–341; ab5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
gedruckt bei: Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 174 f. Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 32–34; Schwarz, Hitlers Museum, s. 37 f. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 41 f. Plattner an Bormann, 8. Febr. 1940: BAK B 323/163, Nr. 176. Bormann an Goebbels, 5. Febr. 1940: BAK B 323/163, S. 191. Seckendorff, Monumentalität und Gemütlichkeit, S. 142. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 38; Löhr, Das Braune Haus, S. 32. Dworschak an Posse, 2. Aug. 1939: BAK B 323/108, Nr. 355. Speer, Erinnerungen, S. 194; vgl. dazu auch Schwarz, Geniewahn, S. 245 f. Schwarz, Geniewahn, S. 103–105, Abb. 21. BAK B 323/108, Nr. 360. Linz-Report, Anl. 3; BAK B 323/103, Nr. 264; BAK B 323/163, Nr. 233; vgl. auch Brückler, Kunstraub, Dok. S. 117. Hierzu und zum Folgenden: Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 200 ff. u. Anhang, Dok. 16. Posse an Bormann, 20. Jan. 1940: BAK B 323/163; Posse, Reisetagebuch. BAK B 323/103, Nr. 246; BAK B 323/165, Nr. 899. BAK B 323/230, S. 1–14; BAK B 323/229, 2–14; Linz-Report, Anl. 72; Schwarz, Hitlers Museum, S. 43–47. BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 2. Posse an Bormann, 16. März 1940: BAK B 323/163, Nr. 70, 71. Der Minister für innere und kulturelle Angelegenheiten an den Oberfinanzpräsidenten für Wien, 15. Juli 1939: BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 3, Bl. 30.
Anmerkungen
285
23 Spevak, Kunst im Benediktinerstift Göttweig, S. 144 ff.; zu den Kloster-
beschlagnahmungen auch: Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 272–299. 24 Reichsminister des Innern an Lammers, 12. Dez. 1940: BAB R 42 II/1269g, 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42
43 44 45 46 47 48 49 50
Bl. 124. Posse an Bormann, 16. März 1940: BAK B 323/163, Nr. 70, 71. Posse an Hanssen, 1. Juni 1940: BAK B 323/103, Nr. 196. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, S. 180. NARA 390/45/26/02 Box 428. Linz-Report, S. 21. Posse an Eigruber, 22. Mai 1941: BAK B 323/117, Nr. 750. Linz-Report, Anl. 21; Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 162 f. Posse an Hanssen, 11. Sept. 1942: BAK B 323/102, Nr. 647. Bormann an Lammers, 25. Okt. 1942: BAB R 43 II/1269b, Bl. 51. Reimer an v. Hummel, 23. Dez. 1943: BAK 323/105, Nr. 507, 508. Lillie, Was einmal war, S. 360–364. Posse an Bormann, 6. Febr. 1940: BAK B 323/103, Nr. 241; BDA, Archiv, Rest., K. 37/3; ebenso: BAK B 323/120, Nr. 72–78. BDA, Archiv, Rest., K. 10, M. 2; Lillie, Was einmal war, S. 1244–1251. BAK B 323/163, Nr. 159. BDA, Archiv, Rest. K. 8/1, M. 11; Lillie. Was einmal war, S. 274–279; Schwarz, Der sogenannte Linz-Bestand. Verzeichnis der für Linz in Aussicht genommenen Gemälde. Stand vom 31. Juli 1940: BAK B 323/193. Kirchmayr, Geraubte Kunst, S. 195 ff. Der Klärung dieser Fragen widmet sich das Forschungsprojekt der Verfasserin „Sonderauftrag Ostmark“: Hitlers Kunstraub- und Museumspolitik in Österreich. Eine Untersuchung ihrer historischen Abläufe, organisatorischen Strukturen, Bestände sowie kunstpolitischen und ideologischen Ziele. http://kunstgeschichte.univie.ac.at/forschungsprojekte/sonderauftrag-ostmark/ [12.04.2014]. Schwarz, Hitlers Museum; Schwarz, Hitlers Galerie zwischen Buchdeckeln. Gemäldegalerie Linz, Inhaltsverzeichnis Bd. I–XX: BAK B 323/192; Hansert, Georg Hartmann, S. 189–191. Fest, Hitler, S. 726. Neidhardt, Kriegsverluste, S. 39. Schwarz, Hitlers Kunstsammlungen in Fotoalben. http://www.monumentsmenfoundation.org/discoveries/führermuseumalbum [19.03.2014]. Vgl. BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 9, Bl. 19: Brückler, Kunstraub, Dok. S. 125. Posse an Bormann, 14. Dez. 1939: Linz-Report, Anl. 5.
286
Anmerkungen
51 Seydewitz, Die Dame, S. 75; BAK B 323/1210; Bergungsliste Altaussee: BAK
B 323/201. 52 BDA, Rest., K. 26, M. 6: Inventarliste des Palais. 53 Hainisch an Seiberl, 27. Nov. 1942: BAK B 323/1201, Bll. 33, 34. 54 Hierzu und zum Folgenden: Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“,
S. 241 ff. 55 Hierzu und zum Folgenden: BAB R 43 II/1270a, Bll. 27, 32, 33. 56 BAB R 43 II/1269d, Bl. 53. 57 Zur Sammlung Lanckoroński: BDA, Archiv, Rest., K. 10, M. 16, Bl. 10; BAK B
323/176, Nr. 65; BAK B 323/105, Nr. 508; BAK B 323/108, Nr. 105. 58 Zum Kunstraub im „Altreich“: Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, 59 60 61 62 63 64
S. 121 ff. BAB R 43II/1269b, Bll. 4 ,7, 8; Brenner, Kunstpolitik, Dok. 91. BAK B 323/102, Nr. 743. Bormann an Lammers, 21. Mai 1940: BAK B 323/163, Nr. 80. BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 7, Bl. 6. BAK 323/137, Nr. 20–39. BAK 323/118, 119, Bde. I u. II.
6. Kunstraub in Polen 1 Linz-Report, S. 6; Nicholas, Der Raub der Europa, S. 92–97; Löhr, Das Brau-
ne Haus, S. 34. 2 Z. B. Haase, Kunstraub und Kunstschutz, B. I, S. 203. 3 Frank, Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement, Vorwort. 4 Bernardo Bellotto genannt Canaletto in Dresden und Warschau, Ausst.-Kat.
Dresden, Warschau 1963/64. Dresden 1963. 5 Dokument abgebildet in: Seydewitz, Die Dame, vor S. 181; IMT/3042-PS. 6 Bormann an Lammers, 21. Sept. 1942: BAB R 43 II/1270a, Bl. 27; Lammers
an Frank, 3. Okt. 1942: zit. nach Seydewitz, Das Mädchen, S. 73. Wortlaut des Ausweises: Seydewitz, Die Dame, S. 51. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 59. IMT/1773-Ps. Kater, Ahnenerbe, S. 149. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 66. BAK B 323/103, Nr. 251. 13 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 69 ff.; Posse, Diensttagebuch. 14 BAK B 323/163, Nr. 212; Brenner, Kunstpolitik, S. 137. 7 8 9 10 11 12
Anmerkungen
287
15 Posse an Bormann, 14. Dez. 1939: Linz-Report, Anl. 5; BAK B 323/103,
16 17 18 19 20 21 22 23
24
25
26 27 28 29 30 31 32 33
Nr. 248–250; Faksimile des Berichts und des Begleitbriefes bei Seydewitz, Die Dame, zwischen S. 32 und 33; eine gekürzte Fassung bei Wulf, Die bildenden Künste, S. 429 f. Singer, Ausstellung von Werken; Seydewitz, Das Mädchen, S. 67 f. Maaz, Kunst-, Welt- und Werkgeschichten, S. 154. Mühlmann-Report: BAK B 323/200, S. 236, Nr. 94 u. S. 249, Nr. 151; GöringReport, S. 31. Faksimile des Beschlagnahmebefehls mit Übernahmebestätigung: Seydewitz, Die Dame, nach S. 32. Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 203 f. Seydewitz, Die Dame, S. 22 f.; Kurz, Kunstraub in Europa, S. 98. Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 133 f. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 147 und Anm. 44; zu dem Eil-Runderlass vom 16. Dez.: Cieślińska-Lobkowicz, Wer, was, woher, wohin, S. 183 f. und Anm. 22. Hierzu und zum Folgenden: Bericht über die Überprüfung der Gesamttätigkeit für die Erfassung der Kunst- und Kulturschätze im Generalgouvernement: BAB R 43 II/1341a. Als wissenschaftliche Gutachter zeitweise hinzugezogen wurden der Ägyptologe Prof. Dr. Hans von Demel, Leiter der Ägyptischen Abteilung des Kunsthistorischen Museums, Wien, Dr. Kurt Dittmer, Direktor des Völkerkundemuseums in Berlin, Prof. Dr. Dagobert Frey, Ordinarius für Kunstgeschichte an der Reichsuniversität in Breslau, Prof. Dr. Arthur Haberlandt, Direktor des Museums für Volkskunde in Wien, Dr. Eduard Holzmair, Kustos am Wiener Münzkabinett, Dr. Josef Mader, Direktor der Wiener Gobelinmanufaktur und Dr. Leopold Ruprecht, Direktor der Waffensammlung am Kunsthistorischen Museum, Wien. In den Restaurierungswerkstätten wirkten Franz Sochor, Ingeborg Spann, Eduard Kneisel sowie der schon erwähnte Josef Mader, alle aus Wien, s. ebd. Ebd., S. 83. BAK B 323/103, Nr. 201a, 201b, 228 u. 230. Romanowska-Zadrożna, Straty wojenne, S. 48 f. Gauleitung Schlesien an Lammers, 17. Okt. 1940: BAK B 323/183, 37. Mühlmann-Report: BAK B 323/200, S. 232, Nr. 91. Posse an Hanssen, 23. Febr. 1940 und Bormann an Bürckel, 1. März 1940: BAK B 323/163, Nr. 128, 138 f. Hierzu und zum Folgenden: BAB R 43 II/1269 f. Posse an Speer, 6. Juni 1940: BAK B 323/115, Nr. 30, 180–182.
288
Anmerkungen
34 Hierzu und zum Folgenden: Kozak, The History of the Lubomirski Dürers,
S. 27–31; siehe auch den Katalog der Zeichnungen dort, S. 33–59. 35 Ich verdanke die Information Christoph Metzger, Albertina, Wien. 36 Hierzu und zum Folgenden: Mühlmann, Schriftliche Erklärung, 15. Jan.
37 38
39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60
1948: BAK B 323/332, 48, 49; Kozak, The History of the Lubomirski Dürers, Dok. 8–10. Posse an Bormann, 30. Juli 1941: BAK B 323/102, Nr. 885. Hierzu und zum Folgenden: Seydewitz, Die Dame, S. 111 f.; BAB R 43II/1269 f., Bll. 58–60, undat. und NS 21/240, Bericht über die Tätigkeit des Generaltreuhänders, 28. März 1941. Posse an Bormann, 16. April 1941: BAK 323/103, Nr. 57; Bormann an Posse, 20. April 1941: BAK 323/103, Nr. 48. Hierzu und zum Folgenden: Seydewitz, Die Dame, S. 43–45. Zit. nach Seydewitz, Die Dame, S. 112. Zu den Forderungen Breslaus: BAK B 323/183, 28 ff.; Nicholas, Der Raub der Europa, S. 98 f.; Schwarz, Hitlers Museum, S. 76 f. Bormann an Bracht, 8. Juli 1940: BAK B 323/163, Nr. 60. BAK B 323/183, Nr. 40, Nr. II 149 f. Hierzu und zum Folgenden: BAK B 323/100, Nr. 747 f., 750 f.; BAK B 323/102, Nr. 723–725; Schwarz, Hitlers Museum, S. 76 f. Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 244. BAK B 323/183, S. 41 ff. Hopp, Kunsthandel im Nationalsozialismus, S. 292 f.; Holzhausen an Posse, Okt. 1942: BAK B 323/115, Nr. 383. Lammers an Bormann, 28. Sept. 1942: BAB R 43 II/1270a, Bll. 32, 33. Arend, Art Historians as Actors, S. 497 u. Anm. 30, S. 499. BAB R 43 II/1270a, Bl. 27; Lammers an Frank, 3. Okt. 1942: zit. nach Seydewitz, Das Mädchen, S. 73. Reimer an v. Hummel, 18. Febr. 1943: BAK B 323/104, Nr. 211–213. Besprechung mit Staatssekretär Mühlmann, 20. Aug. 1943, Krakau Burg: Mühlmann-Report, S. 240–242, Nr. 190–198. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 701; Piotrowski, Hans Franks Tagebuch, S. 159–197. BAB R 43 II/1269b, Bll. 82–88. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 728. Ebd, S. 778. Seydewitz, Die Dame, S. 45 f. Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 943. Nicholas, Der Raub der Europa, S. 110.
Anmerkungen
289
7. „Heimführung“ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18 19
20 21
Zit. nach Maaz, Kunst-, Welt- und Werkgeschichten, S. 138. Zit. nach Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang, S. 234. Ruprecht an Posse, 4. Juli 1940: BAK B 323/108, Nr. 282. BAK B 323/108, Nr. 275. Hierzu und zum Folgenden: Paas/Mertens, Beutekunst unter Napoleon, hier insbes. Gaehtgens, Das Musée Napoléon. Savoy, Kunstraub, insbes. S. 265 ff. Kott, Kunstwerke als Faustpfänder; Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 254 ff. Hierzu und zum Folgenden: Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang, S. 234. Grautoff, Denkmalschutz und Kunstraubpolitik. pth: Dresdens bedrohte Kunstschätze, in: Dresdner Neueste Nachrichten, 20. April 1919, S. 2 f. G. W., Der Kunstraub an Deutsch-Österreich, in: Der Cicerone, 11, 1919, S. 133–137; H. G., Die Entführung von Wiener Kunstwerken nach Italien, in: ebda, S. 305. Hierzu und zum Folgenden: Haupt, Das Kunsthistorische Museum, S. 65–72. Dresdner Anzeiger, 20. April 1919, S. 5 f. O. G., Eine alliierte Kunstkommission in Wien, in: Der Cicerone, 12, 1920, S. 43; Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 57 ff. Der Friedensvertrag und der Genter Altar, in: Der Cicerone, 11, 1919, S. 295 f. W. Bode, Über die Auslieferung des Genter Altares, in: Der Cicerone, 12, 1920, S. 652 f.; Gaethgens/Paul, Bode, Mein Leben, S. 466 f. BAK B 323/265, Nr. 615, 616; abgedruckt in: Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 198; BAK B 323/265, Nr. 626, 629, 630. Zit. nach Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang, S. 234 f. Hierzu und zum Folgenden: BAK B 323/265, Nr. 641–643; Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 198–202; Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 277 ff.; Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 161–164. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an die Reichspropagandaämter, 23. Aug. 1940: BAK B 323/265, Nr. 644. Z. B.: Rückführung von Kulturgut nach Deutschland. Feststellung der seit dem Jahr 1500 von Frankreich geraubten kirchlichen Kulturgüter: Alphabetisches Verzeichnis des Sicherheitsdienstes des Reichsführer SS, 26. Juni 1941: BAK B 323/263.
290
Anmerkungen
22 Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 201. Das Metropolitan Mu-
23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
seum, New York, hat sein Exemplar des „Kümmel-Berichts“ online gestellt: http://libmma.contentdem.oclc.org/cdm/ref/collection/p16028coll4/id/828 [25.06.2014]. Kümmel-Bericht (wie Anm. 22), S. XIII. Roolf, Ernst Steinmann. Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 23. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 282 f. Haupt, Jahre der Gefährdung, S. 23. Speer, Erinnerungen, S. 193. Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 85. BAK B 323/102, Nr. 776–778. BAK B 323/102, Nr. 777. BAK B 323/115, Nr. 140, 148. Hierzu und zum Folgenden: Buchner-Report; BAK B 323/157; Petropoulos, Faustian Bargain, S. 33–36; Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 85 f. Zit. nach Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang, S. 235. Zur Rückführung der vier Flügeltafeln des Löwener Abendmahl-Altares: BAK B 323/264, Nr. 564–578; Petropoulos, Faustian Bargain, S. 36 f. Zit. nach Geismeier, Ein Kunstwerk von Weltrang, S. 235. Akinscha, Operation Beutekunst, S. 111–117, hier S. 113. Hierzu und zum Folgenden: BDA, Archiv, Rest. K. 22, M. 4, Bl. 41; Reimer an Buchner und an v. Hummel, 5. Okt. 1944: BAK B 323/128, Nr. 595, 596. Buchner-Report, S. 3; Linz-Report; Linz-Report Suppl., Anl. E; BAK B 323/ 191.
8. Kunstraub in Frankreich 1 Brenner, Kunstpolitik, Dok. 75; IMT/RF-1301. 2 Brenner, Kunstpolitik, Dok. 76; IMT/RF-1334. 3 Erich Meyer, Verzeichnis der im Juli 1940 durch die Geheime Feldpolizei in
Paris gesicherten und in der Deutsche Botschaft überbrachten Gegenstände aus jüdischen Kunsthandlungen. Wissenschaftlich bearbeitet im Juli und August 1940: BAK 323/295. 4 Hierzu und zum Folgenden: Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 297 ff.; Heuß, Die „Beuteorganisation“ des Auswärtigen Amtes. 5 Bunjes-Bericht, 18. Aug. 1942: ERR-Report, Anl. 9; Wulf, Die bildenden Künste, S. 444. 6 Kurz, Kunstraub in Europa, S. 137.
Anmerkungen
291
7 BAK B 323/262, Nr. 658; Faksimile: Piper, Der Einsatzstab Reichsleiter
Rosenberg, Abb. S. 115; IMT/137-PS. 8 Seraphim, Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs, S. 117. 9 Alfred Rosenberg, Zwischenbericht über die Erfassung herrenlosen jüdi-
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
schen Kunstbesitzes in den besetzten Westgebieten, 16. April 1943: BAK B 323/259, Nr. 182–190. ERR-Report, Anl. 1; Brenner, Kunstpolitik, Dok. 79. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 24 ff. Rosenberg, Großdeutschland, S. 14. Vries, Kunstraub im Westen, S. 129; IMT/167-PS. Scholz, Arbeitsbericht vom Oktober 1940 bis Juli 1944, in: Wulf, Die bildenden Künste, S. 415–419; IMT/1015 (q)-PS. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 303. Linz-Report, S. 17; ERR-Report, S. 6, 24. Posse, Diensttagebuch und Reisetagebuch. BAK B 323/103, Nr. 151. Reimer an v. Hummel, 31. März 1943: BAK B 323/104, Nr. 182. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 55. Linz-Report, S. 19. Der Hinweis darauf in: BAK B 323/104, Nr. 182. Dworschak an Posse, 24. Aug. 1940: BAK B 323/108, Nr. 275. Hierzu Kurz, Kunstraub in Europa, S. 153 ff. BAK B 323/259, Nr. 307–309; ERR-Report, Anl. 2. Rosenberg an Bormann, 13. Nov. 1940: BAK B 323/259, Nr. 312, 316, 317; gekürzte Versionen: Wulf, Die bildenden Künste, S. 414; Brenner, Kunstpolitik, Dok. 80; IMT/167-PS. Kurz, Kunstraub in Europa, S. 158. Kurz, Kunstraub in Europa, S. 157. BAK B 323/262, Nr. 649, 650; Linz-Report, Anl. 8; BAB R 43 II/1269b, Bl. 11. BAK 323/103, Nr. 133. Kurz, Kunstraub in Europa, S. 162 f. Der „Führervorbehalt“ wird nicht als ursächlich erkannt. Brenner, Dok. 84; IMT/1651-PS; eine gekürzte Fassung: Wulf, Die bildenden Künste, S. 439–441. Zit. nach: Seydewitz, Die Dame, S. 57. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 87 f., 112; Kurz, Kunstraub in Europa, S. 160 f. Zur künstlerischen Qualität: Yeide, Beyond the Dreams, insbes. S. 17. Löhr, Das Braune Haus, S. 41. Linz-Report, S. 17 u. Anl. 56a, 56b.
292
Anmerkungen
38 Wulf, Die bildenden Künste, S. 442–444. 39 Hierzu und zum Folgenden: ERR-Report, Anl. 11–13. 40 Brenner, Kunstpolitik, Dok. 77. 41 Vgl. dazu Treue, „Bargatzky-Bericht“, hier S. 294. 42 Zu den französischen Protesten: Vries, Kunstraub im Westen, S. 142 ff. 43 Paris, den 11. Jan. 1941 gez. (Name unleserlich): BAK B 323/262, Nr. 1093–
1102. 44 Wulf, Die bildenden Künste, S. 413 f.; Hartung, Verschleppt und verschollen, 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
Dok. I/11. Brenner, Kunstpolitik, Dok. 81. BAK B 323/258, Nr. 696. Linz-Report, Anl. 56A. Linz-Report, Anl. 56B; BAK 323/103, Nr. 98a, 98b. BAK B 323/103, Nr. 96. Bormann an Posse, 31. Jan. 1941: BAK 323/103, Nr. 93. Hierzu und zum Folgenden: BAK 323/103, Nr. 85; BAK 323/164, Nr. 1004, 1052. Schwarz, Hitlers Museum, S. 52–54 und Kat.-Nr. VI/27, VI/28, VII/1. Linz-Report, Anl. 9. ERR-Report, Anl. 12, 13. Rosenberg an Schwarz, 11. Juni 1942; IMT/090-Ps. BAK B 323/259, Nr. 180, 181. Linz-Report, Anl. 16; Brenner, Kunstpolitik, Dok. 95. Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 206. IfZ, MA 243, 4913404 ff., zit. nach Kubin, Sonderauftrag Linz, Anm. 100, S. 285; Kurz, Kunstraub in Europa, S. 232. Rosenberg, Erklärung über die Besprechung im Führer-Hauptquartier am Mittwoch, den 19. Mai 1943, 24. Mai 1943: BAB R 6/18, Bl. 191. Schwarz, Hitlers Kunstsammlungen in Fotoalben. ERR-Report, S. 23; zu den Übernahmen s. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 88. Hierzu und zum Folgenden: Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 207 ff.; Rosenberg an Göring, 3. Juni 1943: BAB NS 8/167, Bll. 9, 10. Wulf, Die bildenden Künste, S. 415–419.
9. Kunstraub in den Niederlanden 1 Posse an Bormann, 10. Juni 1940: BAK B 323/103, Nr. 195. 2 BAK B 323/103, Nr. 186.
Anmerkungen
293
3 BAK B 323/165, Nr. 880; Inv.-Nr. 1296-1370; Oertel an Reger, 2. Dez. 1940:
BAK B 323/165, Nr. 886; Transportliste: BAK B 323/165, Nr. 883 f. 4 Posse an Wickel, 19. Dez. 1940: zit. nach Seidewitz, Die Dame, S. 147. 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
BAB R 43 II/844b, Bl. 2. Posse an Bormann, 14. Okt. 1940: BAK B 323/103, Nr. 151. 7. Aug. 1940: BAK B 323/103, Nr. 171. Posse an Bormann, 24. Aug. 1940: BAK B 323/163, Nr. 10, 11, 13. Posse an Wickel, 20. Januar 1941: Abgebildet bei Seydewitz, Die Dame, gegenüber S. 164. Posse an Bormann, 1. Febr. 1941 mit dem Zusatz „Persönlich“: BAK B 323/103, Nr. 89. Bormann an Posse, 11. Febr. 1941 mit dem Zusatz „PERSÖNLICH!“: BAK B 323/103, Nr. 77. Seydewitz, Die Dame, S. 142 ff.; Haase, Kunstraub und Kunstschutz, Bd. I, S. 39 f.; Schwarz, Hitlers Museum, S. 74 f. BAK B 323/262, Nr. 649, 650. BAK B 323/101, 219. Nicholas, Raub der Europa, S. 147 ff.; BAK B 323/113, Nr. 85 ff. BAK B 323/103, Nr. 82; zu Kieslingers Tätigkeit für die Dienststelle Mühlmann: Hopp, Kunsthandel im Nationalsozialismus, S. 281 ff. Posse an Bormann, 3. Febr. 1941, Bormann an Posse, 4. Febr. 1941: BAK B 323/103, Nr. 81, 82; Linz-Report, Anl. 35. Schwarz, Hitlers Museum, S. 75 f. Posse an Bormann, 27. Okt. 1941: BAK B 323/102, Nr. 814. Bormann an Lammers, 1. Nov. 1941: BAK B 323/102, Nr. 803; Lammers an Seyß-Inquart, 6. Nov. 1941: BAB R 43 II/1653a, 103. Seyß-Inquart an Lammers, 10. Nov. 1941: BAK B 323/102, Nr. 771 f. Seyß-Inquart an Lammers, 24. Nov. 1941: BAB R 43 II/1269b, Bl. 26 f. Zit. nach Nicholas, Der Raub der Europa, S. 92. Seyß-Inquart an Lammers, 14. Nov. 1942: BAK 323/102.
10. Kunstraub in der Tschechoslowakei 1 Linz-Report, Anl. 20. 2 Z. B. Kurz, Kunstraub in Europa, S. 70. 3 Zit nach Seidewitz, Das Mädchen, S. 27. 4 Horel, Raub und Restitution in Ungarn und der Tschechischen Republik. 5 BAK 323/106, Nr. 3a/378, 379. 6 BAK B 323/119, Nr. 491, 492.
294
Anmerkungen
7 Linz-Report, Anl. 68. 8 Posse an Bormann, 28. April 1941: BAK B 323/164, Nr. 930. 9 Lammers an Neurath, 11. Mai 1941: BAB R 43 II, 1269b, Bll. 15, 16. 10 Reger an Reimer, 12. Nov. 1941, Reimer an Reger, 14. Nov. 1941: BAK B
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
323/165; Linz-Report, Anl. 69; Hopp, Kunsthandel im Nationalsozialismus, S. 213, insbes. Anm. 785. Bei der Nachricht, dass Posse am 9. Juni 1941 mit einer Kommission in Prag beschlagnahmte Kulturgüter im Gestapoquartier besichtigt habe, handelt es sich um einen Fehler schon der Originalquelle; Posse befand sich laut seinem Tagebuch am 9. Juni 1941 in Rom. Posse an Bormann, 23. Juli 1941: BAK B 323/102, Nr. 886. Posse an Zimmermann, 22. Aug. 1941: BAK B 323/115, Nr. 151. Reimer an Reger, 14. Nov. 1941: BAK B 323/165. Kunst dem Volk, 14, April/Mai 1943, S. 18. Posse an Bormann, 21. Febr. 1942: BAK B 323/102, Nr. 712. Bormann an Lammers, 9. März 1942: BAB R 43 II/1272a, Bl. 14. Posse an Bormann, 28. Febr. 1941: BAK B 323/103, Nr. 72a, b. Reimer an v. Hummel, 20. April 1943: BAK B 323/104, Nr. 170. Hierzu und zum Folgenden: Linz-Report, S. 19 f. u. Anl. 20. BAB R 43 II/1269b, Bl. 97; Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 212. BAB R 43 II/1269b, Bll. 94–95. Schirach, Der Preis der Herrlichkeit, S. 17. Zit nach Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, 25./26. Jan. 1942, S. 234. Zur Linzer Bibliothek: Linz-Report, S. 71 f. und Anl. 71a–b; zu Wolffhardts Initiative: Linz-Report, Anl. 82; BAK B 323/115, Nr. 47, 52, 57. Volksstimme, Linz a. d. Donau, Nr. 155, 7. Juni 1940: BAK B 323/117, Nr. 779. Anton Fellner, Die Kunst im Heimatgau des Führers, in: Kunst dem Volk, 11, April 1940, S. 18–24, insbes. S. 20. Linz-Report, Anl. 70. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 30. Posse an Eigruber, 22. Mai 1941: BAK B 323/117, Nr. 750. BDA, Archiv, Rest., K. 10, M. 16, Bl. 10.
11. Kunstraub in der Sowjetunion 1 Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 65–72. 2 Zu von Holst: BAB B 255; Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 142–
146; Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 66 ff. 3 Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 281. 4 BAB B 255.
Anmerkungen
295
5 Seydewitz, Die Dame, S. 52. 6 Laut einem auf den 13. August 1941 datierten Schreiben eines Breslauer
7 8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
Mitgliedes von Mühlmanns Raubkunst-Team: Seydewitz, Die Dame, S. 160– 162. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 90 f. Hartung, Raubzüge in der Sowjetunion; Freitag/Grenzer, Der nationalsozialistische Kunstraub, S. 25 ff.; Heuß, Die „Beuteorganisation“ des Auswärtigen Amtes. Hartung, Raubzüge in der Sowjetunion, S. 20 f. Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, 5./6. Juli 1941, S. 39 f. Hierzu und zum Folgenden: Grenzer, Die Reaktion, S. 128 ff. IMG/221-L. BAB R 43 II 1269b, Bll. 18, 19. Heuß, Die „Beuteorganisation“ des Auswärtigen Amtes, S. 544. Ebd., S. 545. BAK B 323/102, Nr. 860. Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/6. Hierzu und zum Folgenden: BAK B 323/102, Nr. 801, 802. Freitag/Grenzer, Der nationalsozialistische Kunstraub, S. 24. BAK B 323/115, Nr. 204. Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/12. Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/13, I/14, I/15. Vogt, Herbst 1941 im „Führerhauptquartier“, S. 101. IMT/076-PS. IMT/076-PS; Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/39; eine gekürzte Version bei Wulf, Die bildenden Künste, S. 425 f. Schwarz, Geniewahn, S. 285 ff. (Genie-Inszenierungen). Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, S. 81. Schwarz, Hitlers Museum; zur Weihnachtslieferung 1941: ebd., S. 54 f.; Schwarz, Hitlers Galerie zwischen Buchdeckeln. Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, S. 156. Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, S. 201. Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, S. 234. Wulf, Die bildenden Künste, S. 411; Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/16. IMT/154-PS. Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/17. Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/18. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 55 f. Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 220 f.
296
Anmerkungen
38 Heuß, Russisches Kulturgut, S. 205 f.; Heuß führt auf S. 209 f. Gemälde rus-
sischer Provenienz auf, die über Zwischenbesitzer in den Bestand des „Sonderauftrags“ eingegangen sind. 39 Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/59, I/60. 40 BAB NS 8/132, Bl. 56. 41 Hartung, Verschleppt und verschollen, Dok. I/75.
12. Die Gemälde für das „Führermuseum“ 1 Explizit z. B. Heuß, Kunst- und Kulturgutraub, S. 38; Löhr, Das Braune Haus,
S. 32. 2 Schroeder, Er war mein Chef, S. 218. 3 Bormann an Giesler, 24. Juli 1939: BAK B 323/163, Nr. 231, 232. 4 Hoffmann, Kunstwerke für die Neue Galerie in Linz I; ders., Handzeichnun-
5 6 7 8 9
10 11 12 13 14
15 16 17
gen für die Neue Galerie in Linz; ders., Die Niederländer-Sammlung des zukünftigen Linzer Führermuseums. Schwarz, Hitlers Museum. BAK B 323/117, Nr. 756, 758. Hierzu und zum Folgenden: Kirchmayr, Geraubte Kunst, S. 141 ff. Bormann an Posse, 20. April 1941: NAW NARA 390/45/26/02, Box 428. Wulf, Die bildenden Künste, S. 428 f.; BAK B 323/103, Nr. 32; zum Depot Kremsmünster: BDA, Archiv, Rest., K. 13/3, 13/4; Kirchmayr, Geraubte Kunst, S. 141 ff. Haupt, Die Rolle des Kunsthistorischen Museums, S. 65. Posse an Bormann, 18. Juni 1941: BAK B 323/164, Nr. 888, 887. Posse an Bormann, 15. Aug. 1941: BAK B 323/102, Nr. 883. Reger an Posse, 15. Juli 1941 u. 21. Juli 1941: BAK B 323/165. Verzeichnis der Kunstgegenstände-Ferntransporte (Bergungsfahrten) von München-Führerbau nach Stift Kremsmünster, 2. Dez. 1943: BAK NS/6, 413, Faksimile bei Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 31; zu Stift Kremsmünster und Stift Hohenfurth als Bergungsorte für die aus dem „Führerbau“ in München ausgelagerten Kunstsammlungen: BAB NS 73 (1941 bis Sept. 1943), BAB NS 74 (Sept. 1943 bis Aug. 1944); BAK B 232/123. Transportlisten Kremsmünster – München: BDA, Archiv, Rest., K. 13/1, M. 74. Posse an Juraschek, 30. Juli 1941: BAK B 323/117, Nr. 739; Posse an Bormann, 15. Aug. 1941: BAK B 323/102, Nr. 883. Posse an Juraschek, 1. Aug. 1941: BAK B 323/117, Nr. 736. Juraschek an Eigruber, 23. Oktober 1941, zit. nach Kirchmayr, Geraubte Kunst, S. 148 f.
Anmerkungen
297
18 Reger an Oertel, 8. Aug. 1941: BAK B 323/165. 19 Reimer an v. Hummel, 18. Febr. 1943: BAK B 323/104, Nr. 211–213. 20 Linz-Report, S. 80.
Schwarz, Geniewahn, S. 277 ff. Goebbels, Zum Tod Hans Posses. Oertel, Ein Hort europäischer Kunst. Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 220 f. Schwarz, Geniewahn, S. 296 ff. BAK B 323/176. Aktenvermerk Bormanns für v. Hummel, 14. Jan. 1943: Betrifft: Sicherung der Bergungsorte Hohenfurth, Kremsmünster und Neuschwanstein: B 323/ 176. 28 BAK B 323/104, Nr. 211–213. 21 22 23 24 25 26 27
13. Der „Sonderauftrag“ nach Stalingrad 1 Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Hitlers Museum, S. 60 ff.; Iselt, „Son-
derbeauftragter des Führers“, S. 180 ff. 2 Voss-Report, Anl. 2. 3 Zur Überschreibung des „Führervorbehaltes“: Iselt, „Sonderbeauftragter des
Führers“, S. 212. 4 Schwarz, Hitlers Museum, S. 66 f.; Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“,
S. 241 ff. 5 Reimer an Seiberl, 3. Febr. 1943: Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok.
26. 6 Reimer an Lammers, 15. März 1944: BAK B 323/102, Nr. 8; Reichsfinanz-
7 8 9 10 11 12 13 14 15
minister an Oberfinanzpräsidenten, 12. Sept. 1944: BAB R 43 II/1269b, Bl. 128; hierzu und zum Folgenden: Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 213–215. Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 379. Linz-Report, S. 51–53; Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 293 ff. V. Hummel an Voss, 16. März 1943: BAB NS 6/73, Bll. 68, 69. V. Hummel, Aktenvermerk vom 30. April 1943: BAK 323/176, Nr. 55. Hierzu und zum Folgenden: Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 223 ff. Voss an v. Hummel, 1. Juli 1943: BAK B 323/104, Nr. 119. BAK B 323/115, Nr. 231, 257. V. Hummel zur Vorlage an Bormann, 5. Mai 1943: BAB NS 6/73, Bll. 32, 33. Zit. nach Wulf, Die bildenden Künste, S. 417.
298
Anmerkungen
16 Reimer an v. Hummel, 15. März 1944: BAK B 323/105, Nr. 468; Reimer an
Reger, 19. Aug. 1943: BAK B 323/109, Nr. 482. 17 Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 236, Anm. 358. 18 Schwarz, Der Dresdener Katalog; zu den Karteien ausführlich: Iselt, „Son19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
39 40
41
derbeauftragter des Führers“, S. 237–239. BAK B 323/105, Nr. 468. Reimer an v. Hummel, 5. Okt. 1944: BAK B 323/128, Nr. 598, 599. Bormann an Reimer, 22. Febr. 1945: BAK B 323/104, Nr. 264. Hierzu und zum Folgenden: Voss-Report, Linz-Report. Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 236 f., 388 f.; Schwarz, Der sogenannte „Linz-Bestand“. Hierzu und zum Folgenden: Schwarz, Geniewahn, S. 298 f. Reimer an v. Hummel: BAK B 323/105, Nr. 507, 508, 523, 526. Voss-Report, S. 9. Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 35; hierzu und zum Folgenden ebd., S. 339 ff.; Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“, S. 230 ff. V. Hummel an Reimer, 29. Dez. 1943: BAK B 323/105, Nr. 505; Juraschek an Eigruber, 4. Jan. 1944: BDA, Archiv, Rest. K. 22, M. 5, Bll. 43–45. Reimer an Reger, 4. März 1944: BAK B 323/109, Nr. 416. Brückler, Schloss Thürnthal; BDA, Archiv, Rest. K. 3 und 3/1. Reger an die Hausinspektion der Reichsleitung der NSDAP, 3. April 1944: BAK B 323/160, Nr. 1104. Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 80, 239. Die Transportlisten: BAK NS 6/413, Bll. 192–304. Reimer an Dworschak, 14. Sept. 1943: BAK B 323/108, Nr. 111. Reimer an v. Hummel, 5. Okt. 1944: BAK B 323/128, Nr. 598, 599. Löhr, Das Braune Haus, S. 85 ff., 221 ff. Reimer an v. Hummel, 16. Dez. 1944: BAK B 323/123, Nr. 174. Bormann an Rosenberg, 5. Febr. 1944: NS 6/398, Bl. 2; Sonderstab Bildende Kunst, Bericht an den Reichsleiter, Betrifft: Umlagerung von Neuschwanstein und Herrenchiemsee nach neuem Bergungsort, 17. Febr. 1944: BAB NS/262, Nr. 17–23. BDA, Archiv, Rest., K. 22, M. 7, Bl. 15; Kurz, Kunstraub in Europa, S. 366 f. BAK 323/305 u. B 323/306: Kistenlisten des ERR über die in den Bergungsort Lager Peter (Altaussee) verbrachten Möbel, Gemälde, Plastiken und Kunstgewerbe; BAK B 323/310, 314; BAB NS 6/398: Schloss Neuschwanstein als Bergungsort für in Frankreich sichergestelltes Kunstgut sowie dessen Auslagerung nach Bad Aussee; Liste der Transporte von Neuschwanstein, Herrenchiemsee, Kogl, abgedruckt bei Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 81. Siehe die Liste BAK 323/304, 378; BAK B 323/128, Nr. 417.
Anmerkungen
299
42 Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 114–116. 43 Sieber, Zusammenfassung der Einlagerungen im Salzbergwerk Altaussee:
BDA, Archiv, Rest., K. 22, M. 3. 44 Pöchmüller, Weltkunstschätze in Gefahr, S. 41. 45 Linz-Report, S. 84 u. Anl. 9, 16. 46 Reimer an Verwaltung Obersalzberg, 4. Okt. 1944: BAK B 323/104,
Nr. 322. 47 Zur den unautorisierten Einlagerungen: Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe,
S. 339 ff. 48 BAK B 323/128, Nr. 586–591; Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 87 f. 49 Kubin, Raub oder Schutz?, S. 67 ff.; Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 88–91. 50 Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 99 ff. (Herostratos); Brückler, Gefährdung 51 52 53 54
und Rettung. Schwarz, Geniewahn, S. 310. Jochmann, Adolf Hitler. Monologe, 25./26. Jan. 1942, S. 234. Kubin, Sonderauftrag Linz, Dok. 14, S. 115. Linz-Report, S. 4 u. Anl. 21.
14. Der „Führervorbehalt“ als Instrument 1 Zum „Führervorbehalt“: BAB R 43 II, 1269b. 2 Vgl. das Organigramm in Linz-Report, S. 14 und Kubin, Sonderauftrag Linz, 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
13 14 15
S. 63. Zit nach Brenner, Kunstpolitik, S. 170, Anm. 10. Linz-Report, Anl. 15. Posse an Dworschak, 13. Febr. 1940: BAK B 323/108, Nr. 315. BAK B 323/117, Nr. 679. BAK B 323/102, Nr. 657. Speer, Erinnerungen, S. 192 f. BAK B 323/115, Nr. 46; Wulf, Die bildenden Künste, S. 430 f. Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, Anm. 136 u. 138, S. 417; Himmler an alle Dienststellen der SS, 26. Jan. 1945: Linz-Report, Anl. 17. BAK B 323/116, Nr. 554. Heimann-Jelinek, Von Arisierungen und Restituierungen, S. 85; BAK B 323/108, Nr. 342; BAK 323/116, Nr. 554; BDA, Archiv, Rest., K. 4.3, M. 15, Bll. 96, 102, 106, 109, 110. BAK B 323/106, Nr. 3a/527, 528. Posse an Bormann, 11. Dez. 1940: BAK B 323/103, Nr. 124b. Löhr, Das Braune Haus, S. 39.
Anmerkungen
300
16 Posse an Bormann, 20. Okt. 1942: BAK B 323/183, S. 19, Nr. II/68; der ganze
Vorgang: BAK 323/183, S. 19–25. 17 Posse, Diensttagebuch; BAK B 323/102, Nr. 830, 835. 18 Völkischer Beobachter, 16. Dez. 1941; BAK B 323/183, S. 15–17. 19 Boerner an Posse, 7. Jan. 1942: BAK B 323/148, Nr. 695. 20 BAK B 323/106, Nr. 3a/533–536; Posse an Leopold Blauensteiner: BAK B
323/116, Nr. 447–449. 21 BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 7, Bl. 6. 22 BAK B 323/120, Nr. 242; Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe, Anhang, Dok. 18. 23 BDA, Archiv, Rest., K. 8, M. 5, Bl. 3; Brückler, Kunstraub, Dok. S. 115.
15. Das Nachkriegsschicksal der Raubkunst 1 Hierzu und zum Folgenden: Simpson, The Spoils of War; Nicholas, Der
2 3 4 5 6 7
Raub der Europa; Hartung, Verschleppt und verschollen, S. 263 ff.; Freitag, Die Restitution von NS-Beutegut; Volkert, Kunst- und Kulturgutraub, S. 167 ff.; Smyth, Repatriation of Art; Lauterbach, Austreibung der Dämonen; dies., Der Central Art Collecting Point in München; Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 141 ff.; Schwarz, Das Salzbergwerk Altaussee. Transportlisten Altaussee–München 1945: BDA, Archiv, Rest., K. 22/1, M. 18. Volkert, Kunst- und Kulturraub, S. 114. Hartung, Verschleppt und verschollen, S. 273 f. Lauterbach, Der Central Art Collecting Point, S. 197. Kubin, Sonderauftrag Linz, S. 87. http://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/Provenienzrecherche/start.html [10.05.2014].
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Clooney, George 253 Cornelius, Peter von 25 Correggio 143 Cranach, Lucas d. Ä. 51, 53, 173 Czeczowiczka, Edwin und Karoline 95 Czernin, Hubertus 73
Barthel, Gustav 123, 131 Baudisch, Heinrich 202 Bauer, Alois 77 Behr, Kurt von 175, 178f. Bellotto, Bernardo siehe Canaletto Benzion, Levy de 190 Bernheimer, Otto 110 Best, Werner 166, 178 Bianchi Bandinelli, Ranuccio 42, 51 Bockelberg siehe Vollard-Bockelberg Bode, Wilhelm von 53, 119, 137, 142, 146, 152 Böcklin, Arnold 19-26, 28, 33, 46 Boerner, Hans 69f. Bondy, Oskar 59, 89, 98 Bordone, Paris 30f., 35, 45 Boucher, François 183 Bouts, Dirk 146, 154 Bosch, Hieronymus 141 Bracht, Fritz 131 Brandt, Karl 153 Braun, Eva 28 Breker, Arno 146 Brueghel, Pieter d. Ä. 201, 203, 205, 141 Bruckmann, Elsa 22 Buchner, Ernst 110, 136, 153–157, 180, 243, 245, 249 Bunjes, Hermann 176 Bürckel, Josef 16, 54, 62f., 66f., 80, 83, 88, 126
David-Weill, David 190 De Chirico, Giorgio 25 Defregger, Franz von 33 Demmler, Theodor 142 Denon, Dominique-Vivant 141 Dvořák, Max 144 Dehio, Georg 59 Dix, Otto 47 Dworschak, Fritz 69, 74–77, 84f., 88, 94, 138f., 149, 165f., 210 Dyck, Anthonis van 5, 46, 80, 139
Canon, Hans 201 Canaletto 33-35, 38, 46, 51, 113, 264
Eder, Max 13, 251 Edsel, Robert 103 Eichmann, Adolf 73 Eigruber, August 83, 230, 232, 237, 251, 256f. Erlach, Fritz 68f. Ernst, Max 25 Eyck, Jan van 139f., 146, 253 Faison, S. Lane Jr. 11-13, 16, 164 Fellner, Anton 205, 230 Fellner, Ferdinand 104, 230 Fest, Joachim 19, 26 Feuerbach, Anselm von 19, 23, 25, 28, 33, 36 Fichtner, Fritz 63 Fick, Roderich 83 Fischel, Adele 94f. Fischer, Theodor 31 Forster, Albert 106, 132 Fragonard, Honoré 183f.
Personenregister
Frank, Hans 111, 115f., 119–122, 125, 128, 133–136 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich 71 Freud, Sigmund 60 Frick, Wilhelm 54 Friedrich II., König von Preußen (Friedrich der Große) 76, 161, 226 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 146 Friedrich, Caspar David 53 Frodl, Walter 60 Fürst, Leo 77 Gall, Ernst 214 Gebarowicz, Mieczysław 127 Giorgione 143 Goebbels, Joseph 25, 54, 86, 103, 147f., 150, 165, 209, 235, 240, 242 Göpfert, Arthur 54 Göring, Hermann 12, 106–108, 114, 119, 122, 126, 128, 166–168, 170–176, 179f., 189, 193–196, 198, 210, 256 Gossaert, Jan 141 Goldmann, David 77 Grautoff, Otto 143 Greiser, Arthur 129 Grien, Hans Baldung 141 Gritzbach, Erich 126 Grützner, Eduard 19, 33, 87 Grynszpan, Herschel 57 Guercino, Giovanni Francesco Babieri, genannt Il Guercino 42 Gurlitt, Cornelius (1850–1938) 242 Gurlitt, Cornelius (1932–2014) 279 Gurlitt, Hildebrand 242 Gutmann, Rudolf 77, 101, 263 Haas, Felix 77 Hals, Frans 80f. Hamann, Richard 34 Hanfstaengl, Eberhard 28 Hanfstaengl, Ernst 22, 28 Harmjanz, Heinrich 120
317
Hauser, Alexander 93 Havel, Václav 205 Haysinek, Josef 231, 251 Helmer, Hermann 104 Hess, Rudolf 62 Hessen, Philipp von 217 Heydrich, Reinhard 73, 77, 121, 126, 150, 161 Himmler, Heinrich 16, 54, 70, 74f., 77, 110, 121f., 130, 151, 209, 216f., 262f. Hofbauer, Fritz 95 Hofer, Franz 150 Hofer, Walter Andreas 173, 176 Hoffmann, Heinrich 11, 27–30, 64, 76, 118 Holst, Niels von 148 f., 208–210, 212 f., 216 f. Hummel, Helmut von 188, 234, 237f., 243f., 246, 249f., 256 Jaujard, Jacques 160 Juraschek, Franz 205, 230–233, 249 Kaltenbrunner, Ernst 257, 263 Kandinsky, Wassily 47 Kann, Alphonse 175, 190 Karpeles-Schenker, Helene 77 Katz, Nathan 195 Keitel, Wilhelm 147, 158, 161 Kerschner, Theo 40, 84 Kieslinger, Franz 196 Klemperer von Klemenau, Victor 63f. Klimt, Gustav 95 Kokoschka, Oskar 47 Kornfeld, Felix 77 Krauß, Anton 123 Kraut, Alfred 130 Kriegbaum, Friedrich 43 Kube, Wilhelm 215f. Kudlich, Werner 123, 134 Kümmel, Otto 147–149, 154f., 165, 210 Künsberg, Eberhard von 159, 210, 212 Kuffner, Stephan 77 Kulka, Wally 77
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Personenregister
Lammers, Hans Heinrich 16, 54, 64, 74, 78, 105–107, 109, 126, 131, 133, 135, 170, 188, 194, 197, 204, 211, 221, 241, 262, 266f. Lancret, Nicolas 76 Lanckoroński, Karl 104f. Lanz, Otto 194f. Leibl, Wilhelm 29 Lely, Peter 35 Lenbach, Franz von 19, 37, 46 Lederer, Serena 89 Leonardo da Vinci 118 f., 136, 160 Liebermann, Max 143 Lobkowicz, Maximilian 201–205 Lohse, Bruno 175 Lorey, Hermann 147, 150 Lubomirski, Henryk 127 Lubomirski, Jerzy Rafal 128 Ludwig I., König von Bayern 43 Ludwig II., König von Bayern 180, 274 Ludwig XIV., König von Frankreich 137f. Makart, Hans 33–36 Mannheimer, Fritz 194, 196, 222 Mannowsky, Walter 244 Marées, Hans von 23 Massys, Quentin 141 Medici, Lorenzo de’ 35 Menzel, Adolph 25, 33, 38 Meyer, Erich 123, 131, 159 Michelangelo 253 Mühlmann, Kajetan 11, 64, 79–81, 112f., 115–117, 119f., 122–125, 127f., 131, 134f., 191, 194f., 198, 210 Mühlmann, Josef 123 Mussolini, Benito 42f., 218 Mutschmann, Martin 64 Napoleon Bonaparte 137–139, 141, 147, 150 Neurath, Konstantin von 199, 201f. Oertel, Robert 12, 183, 235, 245f. Österreich-Este, Franz-Ferdinand von 204
Oppenheimer, Jakob 37f. Oppenheimer, Rosa 38 Ostini, Fritz von 20, 23 Otto, Günther 123 Paech, Walter 195 Palézieux, Ernst Wilhelm von 135f. Pannini, Giovanni Paolo 36f., 51 Paulsen, Peter 121 Pesne, Antoine 76 Petrin, Leodegar 62, 64 Petropoulos, Jonathan 160, 188 Pick, Otto 77 Plattner, Friedrich 66, 88, 267 Plaut, James 11 Poensgen, Georg 217 Pollak, Albert 89f. Pollak, Robert 89 Pollhammer, Karl 123 Posse, Hans 9–12, 26, 29, 31, 35, 38, 45, 47–55, 63f., 66–69, 80–106, 109–120, 124–134, 137–139, 144, 148f., 151–153, 164–166, 170f., 175–177, 180, 183, 185, 187, 191–197, 200–203, 205, 207, 207–218, 220f., 225–237, 239f., 243, 259f., 263–268 Preußen, Heinrich von 35 Previtali, Andrea 46 Prihoda, Rudolf 123 Raffael 143 Rath, Ernst vom 57 Reger, Hans 83, 229, 231–233, 249 Reichwald, Fritz 77 Reimer, Gottfried 12f., 106, 133, 177, 204f., 234, 238f., 241, 243, 245–251, 253 Rembrandt 80, 101, 119, 136 Reni, Guido 42 Ribbentrop, Joachim von 153, 158f., 210, 212 Riegl, Alois 59 Rosenberg, Alfred 64, 107, 160–165, 167–169, 171–173, 175f., 179, 183,
Personenregister
185–189, 211, 214f., 217, 220–223, 237, 244f., 250f., 275 Rosenfeld, Valentin 77 Rothschild, Alexandrine 173 Rothschild, Albert 71 Rothschild, Alphonse 71, 73, 77, 183f. Rothschild, Edmond 173 Rothschild, Édouard de 169, 183, 250, 272 Rothschild, James Armand 173 Rothschild, Louis 71, 73f., 77 Rousseau, Theodore 11 Rubens, Peter Paul 46, 139, 144, 183 Ruhmann, Franz 89 Ruhmann, Karl 89 Ruisdael, Jacob van 80 Ruprecht, Leopold 116, 138f., 149, 203f. Rust, Bernhard 148 Sachsen, Johann Georg von 69f. Sachsen-Coburg-Gotha, Philipp Josias von 77 Salis, Arnold von 21 Savoy, Bénédicte 142 Savoyen, Mafada von 217f. Schiedlausky, Günther 243, 251 Schirach, Baldur von 104, 107, 204 Schirach, Henriette von 204 Schmid, Heinrich Alfred 22 Schönerer, Georg 71 Scholz, Robert 142, 162f., 176, 180, 185, 189, 223, 243, 245, 250f., 274 Schroeder, Christa 37, 227 Schuch, Carl 30 Schulte-Strathaus, Ernst 62f., 69 Schwarz, Franz Xaver 186 Schwind, Moritz von 33, 95 Seiberl, Herbert 64, 66, 207, 241, 248f., 251, 263, 266 Seydewitz, Max und Ruth 112f. Seyß-Inquart, Arthur 16, 54, 75, 79, 134, 191, 194, 196–198 Sieber, Karl 13, 15, 157, 250f. Sievers, Wolfram 120, 129
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Sochor, Franz 251 Solms-Laubach, Ernst-Otto zu 213f. Speer, Albert 19, 26, 35, 82, 86–88, 126f., 146, 150f., 218, 261 Spevak, Stefan 91 Spitzweg, Carl 19, 201 Steiner, Jenny 95 Steinmann, Ernst 149 Storey, Robert G. 11 Stoß, Veit 121f., 125 Stuck, Franz von 19 Theusner, Felix 131 Thoma, Hans 23, 33, 46 Thorsch, Alfons 77 Thyssen, Fritz 109 Tiepolo, Giovanni Battista 49, 51 Tietze, Hans 127 Trapp, Oswald Graf 260 Trübner, Wilhelm 29 Uhde, Wilhelm von 29 Utikal, Gerhard 179. 214, 221, 223 Vermeer, Jan 168f., 183, 250 Vollard von Bockelberg, Alfred 158 Voss, Hermann 11f., 108, 133, 156f., 188, 239–245, 247f., 259 Wagner, Josef 131 Waldmüller, Georg Friedrich 33, 63 Watteau, Antoine 76, 183 Wickel, Felix Wilhelm 193, 195 Wildenstein, Georges 190 Wolff-Metternich, Franz Graf 151, 177 Wolffhardt, Friedrich 40, 204f., 262 Wolkersdorfer, Sepp 40 Zimmermann, Ernst Heinrich 153, 155, 202 Zörner, Ernst 116
Abbildungsnachweis akg-images: S. 140 Bayerische Staatsbibliothek München/ Bildarchiv: S. 118, 227, 236 Bertz, Inka/Dorrmann, Michael (Hrsg.): Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute. Göttingen 2008: S. 219 Brückler, Theodor (Hrsg.): Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute. Wien 1999: S. 17, 65, 72, 97, 100 Bundesarchiv, B 323 Bild-0924-001: S. 169 Bundesarchiv, B 323 Bild-310-047: S. 175 Bundesarchiv, B 323 Bild-310-026: S. 181 Bundesarchiv, B 323 Bild-310-003: S. 182 Bundesarchiv, B 323 Bild-310-054: S. 186 Bundesarchiv, B 323 Bild-310-097: S. 252 Congress Bibliothek Washington: S. 30, 34, 36, 52 Foto Birgit Schwarz: S. 27, 32, 99, 101, 184 Haupt, Herbert: Das Kunsthistorische Museum. Die Geschichte des Hauses am Ring. Wien 1991: S. 145 Hauptstaatsarchiv Dresden: S. 47 Hofer, Veronika (Hrsg.): Berg der Schätze. Die dramatische Rettung europäischer Kunst im Altausseer Salzbergwerk. Scharnstein 2006: S. 14, 15, 255 Jahrbuch des Vereins für Landeskunde und Heimatpflege im Gau Oberdonau 1939: S. 41 Kunsthistorisches Institut der Universität Wien: S. 206 Meisterwerke der Malerei A.H., Neue Meister, Berlin 1939. © Foto Birgit Schwarz: S. 20, 24 Ministero della Cultura Populare (Hrsg.), Hitler in Italia / Hitler in Italien. Maggio XVI, Rom o. J. (1938): S. 44 Monuments Men Foundation for the Preservation of Art: S. 271 National Archives and Records Administration, College Park, MD: S. 272 Naturhistorisches Museum Wien: S. 254 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Archiv für Bildende Kunst, NL Posse, Hans, I,B-1 (0003): S. 50
Danksagung Für Unterstützung, Lektüre und Hinweise danke ich Michael V. Schwarz, Ulrike Nimeth, Magda Truskolaski, Aneta Chromy, alle Wien, Almut Bue, Warschau, Iris Lauterbach, München, den Mitarbeiterinnen der Kommission für Provenienzforschung in Wien sowie den Mitarbeitern der konsultierten Archive.