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German Pages 118 [142] Year 1912
Arzt und R.V.O. (Der Arzt und die deutsche Reichsversicherungsordnung)
Von
Dr. Th. Rumpf G e b . M e d . - R a t u n d P r o f e s s o r an der U n i v e r s i t ä t
Bonn 1912. A. M a r c u s & E. W e b e r s Verlag. (Di', j u r . A l b e n Ahn.)
Bonn.
Vorwort. Seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts haben deutsche Naturforscher
und Ärzte
sich
ganz
besonders bemüht,
die
Ergebnisse der Wissenschaft ihrem Vaterlande nutzbar zu machen. E s sei nur auf die Bestrebungen l'iir ein R e i c h s s e u c h e n g e s e t z , für Errichtung eines E e i c h s g e s u n d h c i t s a i n t s ,
für A s e p s i s in
Chirurgie und Geburtshilfe, für S ä u g l i n g s e r n ä h r u n g und Reinheit der N a h r u n g s - und G e n u s s i n i t t e l , für gesunde W o h n u n g e n , Krankenhäuser
und G e n e s u n g s h e i m e
hingewiesen.
Unter
Hintansetzung des eigenen persönlichen Vorteils haben die Ärzte ihren Idealen Rechnung
getragen.
So
hat z. B. die Jahre lang
von Hamburgs Ärzten erstrebte und nach der grossen e p i d e m i e durchgeführte S a n i e r u n g der g r o s s e n
Cholera-
Hansestadt
in den Jahren 1893 u. f. das E i n k o m m e n vieler Hamburger Ärzte etwa um ein Drittel vermindert.
Welcher Berufsstand kann sich
rühmen, gegenüber dem Allgemeinwohl so sehr die eigenen Interessen zurückgestellt zu haben? Trotzdem nicht
die
nehmen
Stelle
die deutschen
ein,
welche
Ärzte
ihnen
in
e r k e n n u n g ihrer Verdienste g e b ü h r t .
im
Staatsleben
berechtigter
An-
Ich will nur daran er-
innern, dass der Staat und die Volksvertretung die B e k ä m p f u n g der schweren Schäden,
welche die
Krankenversicherung
für die w i r t s c h a f t l i c h e E x i s t e n z des ärztlichen Standes mit sich brachte, der S e l b s t h i l f e überlassen hat. dürfen
uns Ärzte
nicht
abhalten,
auf
Aber diese Umstände
dem von unserem
Beruf
vorgeschriebenen Weg fortzufahren, nach Kräften unseren k r a n k e n M i t m e n s c h e n zu h e l f e n und an der W o h l f a h r t des S t a a t e s mitzuwirken.
IV
Vorwort.
Um beides erfolgreich zu können, darf allerdings die Ausb i l d u n g der künftigen Ä r z t e hinter den Fortschritten der Wissenschaft n i c h t z u r ü c k b l e i b e n . Schon die g r ö s s e r e Z a h l der Studierenden erheischt eine E r w e i t e r u n g und b e s s e r e Ausg e s t a l t u n g des Unterrichts. Sodann erfordert die s o z i a l e - u n d V e r s i c h e r u n g s m e d i z i n einen eingehenderen Unterricht, als er seither möglich war. Gehört doch die K e n n t n i s dieser zu dem t ä g l i c h e r f o r d e r l i c h e n R ü s t z e u g des Arztes! Auch die Ä r z t e müssen im Bewusstsein ihrer Aufgaben im Staat der Kenntnis der s o z i a l e n G e s e t z e und a l l e r W o h l f a h r t s b e s t r e b u n g e n mehr Beachtung schenken, als es bisher vielfach der Fall war. Die neu geschaffene R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g , welche zum Teil schon ins Leben getreten ist, zum Teil in Jahresfrist an Stelle der seither noch geltenden Krankenund Unfall-Versicherungsgesetze treten dürfte, bringt den Ärzten n e u e und nicht immer ganz leichte Aufgaben. Der Einführung in dieses Gebiet soll das kleine Buch dienen. Möge es diesen Zweck erfüllen! B o n n , im Juni 1912.
Th. Rumpf.
Inhaltsverzeichnis. Einleitung.
Einleitung in die ärztliche T ä t i g k e i t Einleitung in die R . V . 0 Das Reichsversicherungsamt
Die Krankenversicherung
Versicherungsberechtigung Krankenkassen Mitgliedschaft S a t z u n g der K a s s e Höhe der B e i t r ä g e Gegenstand der Versicherung Ärzte und K r a n k e n k a s s e n Streitigkeiten zwischen K r a n k e n k a s s e n und Ärzten . . . . Die kassenärztliclie T ä t i g k e i t und ihre Honorierung . . . Dringende. Fälle Krankenkassen und Apotheken Aufsicht und Streitverfahren
Die Unfallversicherung
Die Berufsgenossenschaften Gegenstand der Versicherung Beginn und Feststellung der L e i s t u n g e n Berufsgenossenschaften und Ärzte Die Beurteilung des Unfalls Ärztliche B e h a n d l u n g und Heilverfahren Die Beurteilung der E r w e r b s b e s c h r ä n k u n g Einspruchsverfahren
Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung
Versicherungsanstalten A u f b r i n g u n g der Mittel L e i s t u n g e n der I. und H.V Eintritt und Wegfall der L e i s t u n g e n Die ärztliche T ä t i g k e i t bei der Invalidenversicherung . . . Die B e g u t a c h t u n g der Invalidität Dauernde oder v o r ü b e r g e h e n d e Invalidität D i e ärztliche T ä t i g k e i t im Heilverfahren Die ärztliche T ä t i g k e i t im R e n t e n e n t z i e h u n g s v e r f a h r e n . Verfahren und Kosten Einspruchsverfahren Schluss Literatur
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Abkürzungen. R.V.O. = R.V.A. = 0.V.A. = V.A. = B.G.B. = St.G.B. = 1. u. H.V. =
Reichsversicherungsordnun«'. Reichsversicherungsamt. Oberversicherungsaint. Versicherungsamt. Bürgerliches Gesetzbuch. Strafgesetzbuch. Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung'.
a) Einleitung zur ärztlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit des Arztes ist eine ausserordentlich vielseitige. Einmal hat der Arzt den Charakter einer dem Staat zu Diensten verpflichteten M e d i z i n a l p e r s o n , indem ihm die Feststellung, Anzeige und Prophylaxe g e m e i n g e f ä h r l i c h e r und a n s t e c k e n d e r Krankheiten in Verbindung mit den Medizinalbehörden obliegt. Ausserdem hat er bei dem Fehlen anderer Verpflichteten dem Staudesamt die Anzeige von G e b u r t e n zu erstatten. In zweiter L i n i e übt er eine g e w i n n b r i n g e n d e B e s c h ä f t i g u n g als Berufstätigkeit aus, die ihm durch eine Spezialgesetzgebung bezüglich der ärztlichen Ehrengerichte vom 25. November 1899 und ihre Auslegung die Pflicht auflegt, in Fällen d r i n g e n d e r L e b e n s g e f a h r seine Hilfe nicht zu verweigern, soweit es ohne erhebliche eigene Gefahr möglich ist. Indessen ist der Arzt b e r e c h t i g t , nach geleisteter einmaliger Hilfe die w e i t e r e B e h a n d l u n g a b z u l e h n e n , muss aber diese Absicht dem Kranken oder der Familie mitteilen. Mit dem Beginn der ärztlicheil Leistung tritt auch ohne besondere Verabredung der D i e n s t v e r t r a g des B G B . in Kraft, durch welchen der Arzt zur Leistung versprochener Dienste, der Patient oder sein Vertreter zur Erstattung einer gewissen Vergütung verpflichtet ist. In seltenen Fällen kann durch besondere Verabredung ein W e r k v e r t r a g (Wiederherstellung von einem Leiden durch Operation usw.) geschlossen werden, durch welchen sich der Arzt zur Herstellung eines Werkes, der Besteller zur Entrichtung einer verabredeten Vergütung verpflichtet. Diese Verträge entsprechen aber nur dann der R e c h t s o r d n u n g , wenn beide Parteien g e s c h ä f t s f ä h i g sind, d. h. wenn der die ärztliche Hilfe verlangende Mensch das einundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat und nicht geisteskrank, nicht entmündigt und nicht unter Vormundschaft gestellt ist. R u m p f , A r z t unü R e i c h s v e r a i c b e r u n g s o r d n u n g .
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Einleitung' z u r ärztlichen T ä t i g k e i t .
An Stelle der Geschäftsunfähigen muss der g e s e t z l i e h e V e r t r e t e r den Arzt mit der Behandlung beauftragen. Weiterhin kann der Arzt im A u f t r a g von D r i t t e n die Behandlung von Kranken übernehmen, welche durch Verträge oder Gesetze an diesen Dritten Ansprüche auf ärztliche Behandlung haben. In diese Kategorie gehören vor allem die Angehörigen der K r a n k e n k a s s e n , die Klienten der B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und der I n v a l i d e n v e r s i c h e r u n g s a n s t a l t e n , ausserdem ein Teil der in staatlichem Dienst befindlichen Angestellten oder Arbeitnehmer. Das Honorar für diese ärztlichen Leistungen wird entweder auf Grund besonderer Verträge oder auf Grund der Gebührenordnungen für approbierte Ärzte oder für Jledizinalbeamte berechnet. Bezüglich der Gebührenordnung ist zu berücksichtigen, dass die niedrigsten Sätze ausser für Unbemittelte und Armenverbände auch in Betracht kommen, wenn die Zahlung aus Staatsfonds, aus einer Knappschai'ts- oder Arbeiter-Krankenkasse zu leisten ist. Doch lassen besondere Schwierigkeiten der ärztlichen Leistung oder das Mass des Zeitaufwandes einen höheren Satz rechtfertigen. Auch ohne direkten A u f t r a g der Verpflichteten kann der Arzt in d r i n g e n d e n Fällen um seine Hilfe f ü r Versicherte ersucht werden, sei es, dass der mit der ärztlichen Dienstleistung Beauftragte augenblicklich nicht zur Verfügung steht, sei es, dass die Hilfe dieses Arztes nicht genügt. Auch in solchen Fällen kann der hinzugezogene Arzt Honorar f ü r seine Leistungen beanspruchen. Nun gibt es aber eine dritte Art ärztlicher Tätigkeit, bei welcher der Hilfebedürftige nicht in der L a g e ist, persönlich einen Arzt in Anspruch zu nehmen, und ein gesetzlicher Vertreter in dem dringenden Fall fehlt. Es handelt sich hier um Fälle von Bewusstlosigkeit, bei welchen der Arzt von einem Beliebigen zur Hilfe gerufen, oder der Patient bevvusstlos in das Krankenhaus gebracht wird. Dieser Teil der ärztlichen T ä t i g k e i t fällt unter die G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g (§ 677 u. f. des BGB.). In diesen Fällen hat der Arzt zunächst nur nach den R e g e l n ä r z t l i c h e r K u n s t zu handeln. Die Berechtigung zu diesem Handeln ist vorhanden, wenn die Geschäftsführung unter A b w e n d u n g einer dem Patienten d r o h e n d e n dringenden G e f a h r eine nützliche ist und mit dem wirklichen oder mut-
Einleitung zur ärztlichen Tätigkeit.
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masslichen berechtigten W i l l e n des Patienten sowie mit der Rechtsordnung in E i n k l a n g steht. Auch für diese Tätigkeit kann der Arzt Ersatz der Auslagen sowie auch Zahlung des gebräuchlichen Honorars verlangen. Zum Schluss sei bezüglich dieser Pflichten zur Hilfeleistung erwähnt, dass der Arzt wie jeder andere Staatsbürger (§ 360 Abs. 10 des StGB.) verpflichtet ist, bei U n g l ü c k s f ä l l e n oder g e m e i n e r G e f a h r oder Not, von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur Hilfe aufgefordert, Folge zu leisten, sobald er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr folgen kann. Dass der Arzt verpflichtet ist, seine Tätigkeit nach den R e g e l n d e r ä r z t l i c h e n K u n s t auszuüben, dass er k e i n e n Kranken in h i l f l o s e r Lage verlassen (§221 des StGB.), dass er m ü n d l i c h e und s c h r i f t l i c h e G u t a c h t e n und gutachtliche Ä u s s e r u n g e n nur auf Grund einer einwandfreien Untersuchung abgeben darf, dass er für v o r s ä t z l i c h e und f a h r l ä s s i g e S c h ä d i g u n g e n des Lebens, Körpers oder der Gesundheit schad e n s e r s a t z p f l i c h t i g ist (§ 823 u. f. des BGB.), dass diese Ersatzpflicht bei Mangel einer entsprechenden Vorsicht auch für Hilfspersonen (Assistenten, Wartepersonal) gilt, welche der Arzt zu einer Verrichtung bestellt hat (§ 831 des BGB.), alle diese Punkte seien hier nur kurz berührt. Weiterhin ist der Arzt verpflichtet, das ä r z t l i c h e B e r u f s g e h e i m n i s zu wahren. Diese Pflicht gilt naturgemäss auch gegenüber den nach der Reichsversicherungsordnung Versicherten, bedarf aber einer erklärenden Einschränkung. Die Versicherten nehmen ärztlichen Rat oder ärztliche Beurteilung in Anspruch auf Grund von K r a n k e n k a s s e n s a t z u n g e n oder im Auftrag von anderen V e r s i c h e r u n g s t r ä g e r n , um sich behandeln oder ihren Gesundheitszustand begutachten zu lassen. Indem die Versicherten unter diesen Voraussetzungen zum Arzt gehen, gehen sie stillschweigend die B e d i n g u n g e n ein, welche die Versicherungsträger gemäss ihren Statuten oder ihren gesetzlich bestimmten Zwecken beanspruchen dürfen. Der Arzt hat also innerhalb dieser Grenzen die Erlaubnis, den T r ä g e r n der V e r s i c h e r u n g die ärztlich gemachten Beobachtungen mitzuteilen. Immerhin kann der Fail eintreten, dass der Versicherte von dem Arzt verlangt, dass er eine Mitteilung oder einen Befund als B e r u f s g e h e i m n i s betrachte. In diesem Fall hat der Arzt zu überlegen, ob diese Mitteilung
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Einleitung' in die Reichsversicherungsordnung.
oder der Befund für den Versicherungsträger von Bedeutung ist. Ist er es nicht, wie es beispielsweise gelegentlich gefundener Hermaphroditismus sein kann, so kann er eventuell von der Mitteilung dieses Befundes Abstand nehmen. Ist der Befund von Wichtigkeit für den Versicherungsträger, so hat der Arzt nicht das Recht, ihn zu verschweigen. Er muss dieses dem Klienten mitteilen und, falls dieser auf seinem Willen besteht, muss der Arzt d e m V e r s i c h e r u n g s t r ä g e r m i t t e i l e n , dass er aus gesetzlich wichtigen Gründen n i c h t in d e r L a g e i s t , d e n e r teilten A u f t r a g auszuführen. Ähnliche Verhältnisse kommen ja auch gelegentlich bei anderweitiger ärztlicher Tätigkeit vor. Durch die Reichsversicherungsordnung ist nur eine Häufung derartiger Fälle ermöglicht. Die übrigen zuvor skizzierten a l l g e m e i n e n P f l i c h t e n u n d R e c h t e des Arztes sind im wesentlichen die gleichen bei Privatpatienten wie bei Versicherten der Reichsversicherungsordnung. Doch bedingt die letztere die Berücksichtigung einer grossen Zahl spezieller Punkte. Mit dieser speziellen ärztlichen Tätigkeit auf den einzelnen in der Reichsversicherungsordnung zusammengefassten Gebieten haben wir uns im Anschluss an die einzelnen Kapitel zu beschäftigen.
b) Einleitung in die Reichsversicherungsordnung. Die Reichsversicherungsordnung tritt an Stelle der sozialen Gesetze, welche durch die berühmte Botschaft Kaiser Wilhelms I. vom 17. November 1881 angekündigt wurden, und vom 15. Juni 1883 bis zum 30. Juni 1900 durch verschiedene Gesetze mit Abänderungen und Nachträgen für Krankenversicherung, Unfallversicherung, Alters- und Invalidenversicherung eingeführt wurden. Waren die sozialen Gesetze vom hauptsächlichen Gedanken getragen, der Arbeiterbevölkerung Hilfe in Krankheit und Not zu bringen, so zeigt schon der Name Reichsversicherungsordnung, dass der Kreis der Versicherten sich über die ursprünglich gedachten Grenzen erweitert hat. Die Reichsversicherungsordnung bestimmt als Träger der Versicherung, ebenso wie seither, in erster Linie die K r a n k e n k a s s e n , die B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und die V e r s i e h e -
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Einleitung' in die Reichsversicherungsordnung.
oder der Befund für den Versicherungsträger von Bedeutung ist. Ist er es nicht, wie es beispielsweise gelegentlich gefundener Hermaphroditismus sein kann, so kann er eventuell von der Mitteilung dieses Befundes Abstand nehmen. Ist der Befund von Wichtigkeit für den Versicherungsträger, so hat der Arzt nicht das Recht, ihn zu verschweigen. Er muss dieses dem Klienten mitteilen und, falls dieser auf seinem Willen besteht, muss der Arzt d e m V e r s i c h e r u n g s t r ä g e r m i t t e i l e n , dass er aus gesetzlich wichtigen Gründen n i c h t in d e r L a g e i s t , d e n e r teilten A u f t r a g auszuführen. Ähnliche Verhältnisse kommen ja auch gelegentlich bei anderweitiger ärztlicher Tätigkeit vor. Durch die Reichsversicherungsordnung ist nur eine Häufung derartiger Fälle ermöglicht. Die übrigen zuvor skizzierten a l l g e m e i n e n P f l i c h t e n u n d R e c h t e des Arztes sind im wesentlichen die gleichen bei Privatpatienten wie bei Versicherten der Reichsversicherungsordnung. Doch bedingt die letztere die Berücksichtigung einer grossen Zahl spezieller Punkte. Mit dieser speziellen ärztlichen Tätigkeit auf den einzelnen in der Reichsversicherungsordnung zusammengefassten Gebieten haben wir uns im Anschluss an die einzelnen Kapitel zu beschäftigen.
b) Einleitung in die Reichsversicherungsordnung. Die Reichsversicherungsordnung tritt an Stelle der sozialen Gesetze, welche durch die berühmte Botschaft Kaiser Wilhelms I. vom 17. November 1881 angekündigt wurden, und vom 15. Juni 1883 bis zum 30. Juni 1900 durch verschiedene Gesetze mit Abänderungen und Nachträgen für Krankenversicherung, Unfallversicherung, Alters- und Invalidenversicherung eingeführt wurden. Waren die sozialen Gesetze vom hauptsächlichen Gedanken getragen, der Arbeiterbevölkerung Hilfe in Krankheit und Not zu bringen, so zeigt schon der Name Reichsversicherungsordnung, dass der Kreis der Versicherten sich über die ursprünglich gedachten Grenzen erweitert hat. Die Reichsversicherungsordnung bestimmt als Träger der Versicherung, ebenso wie seither, in erster Linie die K r a n k e n k a s s e n , die B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und die V e r s i e h e -
Einleitung: in die Reichsversieherungsordnung.
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r u n g s a n s t a l t e n , in zweiter Linie und in gewissem Umfang für die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g die E r s a t z k a s s e n , für die Unf a l l v e r s i c h e r u n g vor allem das R e i c h , die B u n d e s s t a a t e n , die für leistungsfähig erklärten G e m e i n d e n und V e r b ä n d e , für die I n v a l i d e n - und H i n t e r b l i e b e n e n V e r s i c h e r u n g die Sonderanstalten. Allen diesen Organisationen, die man als Versicherungsträger zusammenfasst, ist gemeinsam, dass sie einen Vorstand oder Vertreter haben müssen, dass diese wie seither ihren Posten ehrenamtlich verwalten, dass Frauen in allen Zweigen wählbar sind, und dass die Vertreter sowohl der Arbeitgeber als der Versicherten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Durch die Erweiterung der Versicherung dürfte auch die Mehrzahl der Ärzte Arbeitgeber im Sinne der RVO. werden, eine Tatsache, auf deren grosse Bedeutung M u g d a n kürzlich aufmerksam gemacht hat. Dass den ehrenamtlich tätigen Personen die unbefugte Offenbarung derjenigen Dinge, die sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Arbeitgeber oder der Versicherten erfahren, bei hoher Strafe verboten ist, sei nur kurz erwähnt. Die seitherigen grundsätzlichen Träger der Versicherung sind somit geblieben. Doch ist durch eine anderweitige Gestaltung und Neuschaffung von Versicherungsbehörden ein gewisser Zusammenhang- erreicht. Neu geschaffen wurden zunächst die Ve rs i c h e r u n g s ä m t e r und durch Umgestaltung aus den Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung die O b e r v e r s i c h e r u n g s ä m t e r ; es bleiben mit einigen Änderungen das R e i c h s v e r s i c h e r u n g s a m t und die L a n d e s v e r s i c h e r u n g s ä m t e r sowie der B u n d e s r a t und die B u n d e s b e h ö r d e n für allgemeine Anordnungen, Entscheidungen sowie als Beschwerdeinstanz. Die erwähnten Ämter haben vor allem die Aufgaben der Rechtsprechung und einen grossen Teil der Verwaltungsaufgaben. Die Grundlage bildet das V e r s i c h e r u n g s a m t , welches in der Regel jeder unteren Verwaltungsbehörde angegliedert wird und aus einem Vorsitzenden (mit Stellvertreter) und aus mindestens zwölf Beisitzern besteht. Diese werden j e zur Hälfte aus den Arbeitgebern und den Versicherten entnommen und von den Vorständen der Krankenkassen des Bezirks, welche mindestens fünfzig Mitglieder haben, in besonderer Wahl der Arbeitgeber und der Versicherten gewählt. Die Beisitzer sollen mindestens je zur
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Einleitung in die Reichsversiclierun°-soi - dnuri2'-
H ä l f t e an der Unfallversicherung beteiligt sein. Das Versicherungsamt bildet einen oder mehrere S p r u c h a u s s c h ü s s e von je einem Arbeitgeber oder Versicherten unter dem Vorsitzenden und einen ßesclilussausschuss für die im Beschlussverfahren zu erledigenden Sachen. Die Versicherungsämter sind: 1. die Aufsichtsinstanz der Krankenversicherung, 2. die Untersuchungsinstanz und Hilfsinstanz der Unfall-, Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung, 3. Auskunftsbehörde in Sachen
der Reichsversiclierung.
Organen von Knappschaftsvereinen oder Knappschaftskassen, feiner von Betriebskrankenkassen für Betriebsverwaltungen und Dienstbetriebe sowie von Sonderanstalten des Reichs und der Bundesstaaten können von der obersten Verwaltungsbehörde Aufgaben der Versicherungsämter (ausser Spruchbefugnissen) übertragen werden, wenn sie mindestens zur Hälfte aus VersichertenVertretern bestehen, die aus geheimer Wahl hervorgegangen sind. Der Vorsitzende des VA. kann in allen Sachen ohne mündliche Verhandlung eine Vorentscheidung treffen. Gegen diese V o r e n t s c h e i d u n g kann entweder das Rechtsmittel der B e r u f u n g , soweit es zulässig, eingelegt, oder der A n t r a g a u f m ü n d l i c h e Verhandlung gestellt werden. Geschieht dieses nicht, so steht die Vorentscheidung einem Urteil gleich. Das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t , welches in der Regel finden Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde errichtet wird, besteht aus einem Direktor und mindestens einem beamteten Stellvertreter sowie aus mindestens 40 Beisitzern, j e zur Hälfte Arbeitgeber und Versicherte. Im Gegensatz zu den Versicherungsämtern werden die ersteren zur Hälfte von den Arbeitgebermitgliedern im Ausschuss der zuständigen Versicherungsanstalt und zur Hälfte von den Vorständen der landwirtschaftlichen und einer Vertrauensberufsgenossenschaft gewählt; die Beisitzer aus den Versicherten werden von den Versichertenvertretern bei den Versicherungsämtern des Oberversicherungsamts nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die Vertrauensberufsgenossenschaft oder eine ihr entsprechende Aufsichtsbehörde werden von den entsprechenden Genossenschaften im Bezirk des Oberversicherungsamts gewählt.
Einleitung' in die R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g .
F ü r die Rechtsprechung bildet das Oberversicherungsamt mehrere Spruchkammern, aus dem Direktor, einem zweiten Mitglied und zwei Beisitzern bestehend. Besondere Oberversicherungsämter können errichtet werden f ü r : 1. Betriebsverwaltungen und Dienstbetriebe die eigene Betriebskrankenkassen haben,
des Reichs,
2. Gruppen von Betrieben, für deren Beschäftigte Sonderanstalten die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung besorgen, 3. Gruppen von Betrieben, die Knappschaftsvereinen oder Knappschaftskassen angehören. Die Wahl der Beisitzer zu diesen Oberversicherungsämtern erfolgt zur Hälfte durch die Arbeitgebervorstandsmitglieder der betreffenden Kassen, Sonderanstalten, zur Hälfte durch die Versichertenausschussmitglieder der Kassen oder die Knappschaftsältesten. Das Oberversicherungsamt wählt j e für vier Jahre, in der Regel nach Anhören der zuständigen Ärztevertretung, aus seinem Bezirke die Ä r z t e aus, die es als Sachverständige nach Bedarf zuzieht. In Sachen der Unfall-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung dürfen keine Ärzte zugezogen werden, die in einem Vertragsverhältnis zu Trägern der Unfall-, Invaliden- oder Hinterbliebenenversicherung stehen, oder von ihnen regelmässig als Gutachter in Anspruch genommen werden. Das Oberversicherungsamt ist für manche Fälle die l e t z t e I n s t a n z . Deshalb bestimmt das Gesetz, dass dasselbe in Fällen von noch nicht festgestellter Auslegung gesetzlicher Vorschriften oder bei der Absicht einer Abweichung von amtlich veröffentlichten grundsätzlichen Entscheidungen die Sache unter Begründung seiner Auffassung an das Reichsversicherungsamt abzugeben hat. Die Kosten des Oberversicherungsamts trägt der Bundesstaat, doch haben die Versicherungsträger für j e d e Spruchsache, an der sie beteiligt sind, einen vom Bundesrat festzusetzenden Betrag zu entrichten.
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Das Reichsversicherung'samt.
c) Das Reichsversicherungsamt in Berlin ist die oberste Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörde. Dasselbe besteht aus beamteten ständigen Mitgliedern und 32 nicht ständigen, von welchen der B u n d e s r a t aus seiner Mitte sechs wählt. J e weitere zwölf nicht ständige Mitglieder werden als Vertreter der Arbeitgeber in den Ausschüssen der Versicherungsanstalten und von den Berufsgenossenschaften, als Vertreter der Versicherten von den Versicherungsbeisitzern bei den Oberversicherungsämtern gewählt. Das Reichsversicherungsamt bildet Spi uchsenate aus j e sieben Mitgliedern mit je einem A r b e i t g e b e r und einem Versicherten. Ausserdem wird ein grosser Senat aus elf Personen (darunter zwei Arbeitgeber und zwei Versicherte) errichtet, welcher in grundsätzlichen und zweifelhaften R e c h t s f r a g e n zu entscheiden bat. Neben dem Reichsversicherungsamt können ähnlich aufgebaute L a n d e s V e r s i c h e r u n g s a m t e r bestehen bleiben, soweit zu dem Bereich mindestens vier Ober Versicherungsämter gehören. Doch muss ein L a n d e s v e r s i c h e r u n g s a m t , welches von einer amtlieb veröffentlichten E n t s c h e i d u n g des R V A . in einer grundsätzlichen R e c h t s f r a g e abweichen will, die S a c h e an den grossen Senat des RVA. verweisen. Das gleiche gilt auch f ü r die einzelnen S e n a t e des RVA.
Von allgemeinen Bestimmungen ist zunächst von B e d e u t u n g , dass T r u n k s ü c h t i g e n , die nicht e n t m ü n d i g t sind, ganz o d e r teilweise S a c h l e i s t u n g e n g e w ä h r t w e r d e n können und auf A n t r a g eines beteiligten A r m e n v e r b a n d e s oder der G e m e i n d e b e h ö r d e g e w ä h r t w e r d e n müssen. Mit Zustimmung der Gemeinde k ö n n e n die Sachleistungen auch durch Vermittlung einer T r i n k e r f ü r s o r g e s t e l l e g e w ä h r t w e r d e n . Der A u s b a u dieser Bestimmungen ermöglicht vielleicht eine bessere B e k ä m p f u n g der T r u n k s u c h t als seither. Bei T r u n k s ü c h t i g e n , die e n t m ü n d i g t sind, ist die Gew ä h r u n g von Sachleistungen nur mit Zustimmung des V o r m u n d s zulässig. Eine wichtige, allen Zweigen der Reichs Versicherung gemeinsame L e i s t u n g ist die ä r z t l i c h e B e h a n d l u n g . Diese b e d e u t e t im Sinne der Reichsversieherungsordnung B e h a n d l u n g durch a p p r o -
Die Krankenversicherung.
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b i e r t e Ä r z t e , bei Z a h n k r a n k h e i t e n a u c h durch approbierte Z a h n ä r z t e . Sie umfasst H i l f e l e i s t u n g e n a n d e r e r Personen, wie B a der, Hebammen, Heildiener, Heilgehilfen, Krankenw ä r t e r , M a s s e u r e u. dgl. sowie Z a h n t e c h n i k e r nur dann, w e n n der Arzt (Zahnarzt) sie anordnet, oder wenn in dringenden F ä l l e n kein approbierter Arzt (Zahnarzt) zugezogen werden k a n n . Allerdings erleidet diese Bestimmung eine E i n s c h r ä n k u n g , indem die oberste Verwaltungsbehörde bestimmen kann, wieweit a u c h sonst H i l f s p e r s o n e n i n n e r h a l b d e r s t a a t l i c h ane r k a n n t e n B e f u g n i s s e selbständige Hilfe leisten können. Da es sich hierbei um Personen mit staatlich anerkannten Befugnissen h a n d e l t , so kann von der Zulassung von K u r p f u s c h e r n zur Beh a n d l u n g der Versicherten keine R e d e sein. Doch besagt der s p ä t e r zu besprechende § 370, 1, dass bei Schwierigkeiten in der ärztlichen Versorgung der K r a n k e n k a s s e n durch Bestimmung des Oberversicherungsamts der Krankheitszustand auch anders als d u r c h ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden darf. Von hervorragender W i c h t i g k e i t ist sodann, dass die öffentlichen Behörden (auch die Gerichte) verpflichtet sind, auf Ersuchen der Organe der Versicherungsträger und Behörden, Z e u g e n u n d S a c h v e r s t ä n d i g e zu vernehmen, denigemäss auch Arzte vorladen zu lassen. Was den f ü r die Versicherung wichtigen Ortslohn betrifft, so wird er vom Oberversicherungsamt f ü r Versicherte unter 16 Jahren, solche von 16—21 J a h r e n und über 21 J a h r e n a c h Anhörung der Interessenten festgesetzt.
Die Krankenversicherung. Die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g ist in ihrem Hauptteil eine Z w a n g s v e r s i c h e r u n g , welche einem grossen Teil der Bevölker u n g mit niedrigem Einkommen, welcher nicht durch Anrechte an das Reich, einen Bundesstaat oder einen Gemeindeverband entsprechende Ansprüche an K r a n k e n k a s s e n l e i s t u n g , Gehalt, Ruheoder Wartegeld besitzt, im F a l l der K r a n k h e i t Hilfe zu bringen bestimmt ist.
Die Krankenversicherung.
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b i e r t e Ä r z t e , bei Z a h n k r a n k h e i t e n a u c h durch approbierte Z a h n ä r z t e . Sie umfasst H i l f e l e i s t u n g e n a n d e r e r Personen, wie B a der, Hebammen, Heildiener, Heilgehilfen, Krankenw ä r t e r , M a s s e u r e u. dgl. sowie Z a h n t e c h n i k e r nur dann, w e n n der Arzt (Zahnarzt) sie anordnet, oder wenn in dringenden F ä l l e n kein approbierter Arzt (Zahnarzt) zugezogen werden k a n n . Allerdings erleidet diese Bestimmung eine E i n s c h r ä n k u n g , indem die oberste Verwaltungsbehörde bestimmen kann, wieweit a u c h sonst H i l f s p e r s o n e n i n n e r h a l b d e r s t a a t l i c h ane r k a n n t e n B e f u g n i s s e selbständige Hilfe leisten können. Da es sich hierbei um Personen mit staatlich anerkannten Befugnissen h a n d e l t , so kann von der Zulassung von K u r p f u s c h e r n zur Beh a n d l u n g der Versicherten keine R e d e sein. Doch besagt der s p ä t e r zu besprechende § 370, 1, dass bei Schwierigkeiten in der ärztlichen Versorgung der K r a n k e n k a s s e n durch Bestimmung des Oberversicherungsamts der Krankheitszustand auch anders als d u r c h ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden darf. Von hervorragender W i c h t i g k e i t ist sodann, dass die öffentlichen Behörden (auch die Gerichte) verpflichtet sind, auf Ersuchen der Organe der Versicherungsträger und Behörden, Z e u g e n u n d S a c h v e r s t ä n d i g e zu vernehmen, denigemäss auch Arzte vorladen zu lassen. Was den f ü r die Versicherung wichtigen Ortslohn betrifft, so wird er vom Oberversicherungsamt f ü r Versicherte unter 16 Jahren, solche von 16—21 J a h r e n und über 21 J a h r e n a c h Anhörung der Interessenten festgesetzt.
Die Krankenversicherung. Die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g ist in ihrem Hauptteil eine Z w a n g s v e r s i c h e r u n g , welche einem grossen Teil der Bevölker u n g mit niedrigem Einkommen, welcher nicht durch Anrechte an das Reich, einen Bundesstaat oder einen Gemeindeverband entsprechende Ansprüche an K r a n k e n k a s s e n l e i s t u n g , Gehalt, Ruheoder Wartegeld besitzt, im F a l l der K r a n k h e i t Hilfe zu bringen bestimmt ist.
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Die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g .
lieben dieser Zwangsversicherung beisteht aber eine V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g u n g für manche Personen, welche dem Versicherungszwang nicht unterworfen sind, und weiterhin eine B e f r e i u n g von der Krankenversicherung für einzelne Gruppen, welche, vielleicht dem Wortlaut, aber nicht dem Sinne des Gesetzes entsprechend, der Zwangsversicherung zugerechnet werden könnten. Dem Versicherungszwang sind unterworfen: 1. Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten, 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, sämtlich wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, 0. Handlungsgehilfen und -Iehrliuge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, 4. Bühnen- und Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen, 5. Lehrer und Erzieher, 6. Hausgewerbetreibende, 7. die Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge sowie die Besatzung von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt (mit entsprechenden gesetzlich bestimmten Ausnahmen). Doch gilt das Gesetz für die unter 2 — 5 bezeichneten und die Schiffer nur dann, wenn ihr r e g e l m ä s s i g e r J a h r e s a r b e i t s v e r d i e n s t z w e i t a u s e n d f ü n f h u n d e r t M a r k an Entgelt nicht übersteigt. Lehrlinge aller Art, die ohne Entgelt beschäftigt werden, erhalten bei geringeren Beiträgen geringere Leistungen. Ausserdem sind die in der L a n d w i r t s c h a f t und ihren Nebenbetrieben Beschäftigten, die u n s t ä n d i g und die im W a n d e r g e w e r b e Beschäftigten v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g ; doch gelten für diese und die D i e n s t b o t e n teilweise Einschränkungen der Versicherung. Befreit von der Versicherungspflicht sind: 1. Beamte des Reichs, der Bundesstaaten, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und der Versicherungsträger, Lehrer und Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten, so lange sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden, 2. Personen des Soldatenstandes, die eine der versiehe-
Die Krankenversicherung - .
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rungspflichtigen Tätigkeiten während der Vorbereitung auf einen nicht versicherungspflichtigen Beruf ausüben, 3. Personen, die während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf gegen Entgelt unterrichten, 4. Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen, Schulschwestern und ähnliche Personen, die sich aus religiösen oder sittlichen Beweggründen mit Krankenpflege, Unterricht oder anderen gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen und als Entgelt nicht mehr als den freien Unterhalt beziehen. Auf Antrag des A r b e i t g e b e r s werden von der Versicherungspflicht b e f r e i t : 1. Lehrlinge aller Art, so lange sie im Betrieb ihrer Eltern beschäftigt sind, 2. Personen, die bei Arbeitslosigkeit in A r b e i t e r k o l o n i e n oder ähnlichen Wohltätigkeitsanstalten vorübergehend beschäftigt werden. Aber auch auf e i g e n e n A n t r a g kann von der Versicherungspflicht b e f r e i t werden, wer auf die Dauer nur zu einem geringen Teil arbeitsfähig ist, so lange der vorläufig unterstützungspflichtige Armenverband einverstanden ist. Versicherungsberechtigung. 1. Versicherungsfreie gesunde Personen der Arbeiterkreise, 2. Familienangehörige des Arbeitgebers, die ohne eigentliches Arbeitsverhältnis und ohne Entgelt in seinem Betrieb tätig tind, 3. Gewerbetreibende und andere Betriebsunternehmer, die in ihrem Betrieb regelmässig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige beschäftigen, können der Versicherung freiwillig beitreten, wenn ihr jährliches Einkommen nicht z w e i t a u s e n d f ü n f h u n d e r t M a r k übersteigt. Doch kann die Kasse das Recht zum Beitritt von der Vorlegung eines ärztlichen G e s u n d h e i t s z e u g n i s s e s und mit Genehmigung des Oberversicherungsamts von einer bestimmten A l t e r s g r e n z e abhängig machen. Die V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g u n g e r l i s c h t , wenn das regelmässige jährliche Gesamteinkommen v i e r t a u s e n d M a r k übersteigt.
12
Die Krankenversicherung'.
Die r e c h t l i c h e n B e z i e h u n g e n zur Krankenkasse entstehen mit der Z u g e h ö r i g k e i t zu einer Krankenkasse. Krankenkassen. Als die deutsche Krankenversicherung geschaffen wurde, fand sie eine Reihe auf Selbstverwaltung beruhender, der Krankenversicherung dienender Verbände vor, so landesrechtliche Kassen und Hilfskassen, unter denen die k n a p p s c h a f t l i c h e n Krankenkassen die bedeutendsten waren, die I n n u n g s k r a n k e n k a s s e n für Gesellen und Lehrlinge von Innungsinitgliedern, die B e t r i e b s ( F a b r i k - ) k r a n k e n k a s s e n , welche in grösseren Betrieben von den Unternehmern errichtet, ihre Mitgliederzahl nur auf die Berufsgenossen ausdehnten, sowrie die eingeschriebenen H i l f s k a s s e n . Die ältere Krankenkassengesetzgebung versuchte diese Organisationen zu benutzen und auszubauen, indem sie den Bedürfnissen entsprechend O r t s k r a n k e n k a s s e n für einzelne oder mehrere Gewerbezweige, B a u k r a n k e n k a s s e n und die G em e i n d e k r a n k e n v e r S i c h e r u n g hinzufügte. Die Reichsversicherungsordnung hat wieder eine gewisse Vereinfachung eingeführt. Ausser den l a n d e s r e c h t l i c h e n K a s s e n , welche ihren Mitgliedern durch die Satzung mindestens die Regelleistungen der Ortskrankenkassen gewähren müssen, bestehen nach der Reichsversicherungsordnung: 1. die Ortskrankenkassen, 2. die Landkrankenkassen, 3. die Betriebskrankenkassen und 4. die Innungskrankenkassen. Die Mitglieder der knappschaftlichen Krankenkassen können diesen Krankenkassen nicht angehören. D i e O r t s k r a n k e n k a s s e n , welche in der Regel alle Betriebsarten und Gewerbezweige umfassen sollen, sowie die L a n d k r a n k e n k a s s e n , werden in der Regel innerhalb des Bezirkes eines Versicherungsamts durch Beschluss des Gemeindeverbandes errichtet. B e s o n d e r e O r t s k r a n k e n k a s s e n für besonders bezeichnete Gruppen von Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten sind nur bei mindestens zweihundertundfünfzig Mitgliedern, bei Fortfall einer Schädigung der übrigen Orts- und Landkrankenkassen sowie bei gleichen sicheren Leistungen zugelassen, wenn sie nicht über den Bezirk des Versicherungsamts hinausreichen. Es kann aber auch auf die Errichtung einer Landkrankenkasse neben der Ortskrankenkasse
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Die Krankenversicherung'.
Die r e c h t l i c h e n B e z i e h u n g e n zur Krankenkasse entstehen mit der Z u g e h ö r i g k e i t zu einer Krankenkasse. Krankenkassen. Als die deutsche Krankenversicherung geschaffen wurde, fand sie eine Reihe auf Selbstverwaltung beruhender, der Krankenversicherung dienender Verbände vor, so landesrechtliche Kassen und Hilfskassen, unter denen die k n a p p s c h a f t l i c h e n Krankenkassen die bedeutendsten waren, die I n n u n g s k r a n k e n k a s s e n für Gesellen und Lehrlinge von Innungsinitgliedern, die B e t r i e b s ( F a b r i k - ) k r a n k e n k a s s e n , welche in grösseren Betrieben von den Unternehmern errichtet, ihre Mitgliederzahl nur auf die Berufsgenossen ausdehnten, sowrie die eingeschriebenen H i l f s k a s s e n . Die ältere Krankenkassengesetzgebung versuchte diese Organisationen zu benutzen und auszubauen, indem sie den Bedürfnissen entsprechend O r t s k r a n k e n k a s s e n für einzelne oder mehrere Gewerbezweige, B a u k r a n k e n k a s s e n und die G em e i n d e k r a n k e n v e r S i c h e r u n g hinzufügte. Die Reichsversicherungsordnung hat wieder eine gewisse Vereinfachung eingeführt. Ausser den l a n d e s r e c h t l i c h e n K a s s e n , welche ihren Mitgliedern durch die Satzung mindestens die Regelleistungen der Ortskrankenkassen gewähren müssen, bestehen nach der Reichsversicherungsordnung: 1. die Ortskrankenkassen, 2. die Landkrankenkassen, 3. die Betriebskrankenkassen und 4. die Innungskrankenkassen. Die Mitglieder der knappschaftlichen Krankenkassen können diesen Krankenkassen nicht angehören. D i e O r t s k r a n k e n k a s s e n , welche in der Regel alle Betriebsarten und Gewerbezweige umfassen sollen, sowie die L a n d k r a n k e n k a s s e n , werden in der Regel innerhalb des Bezirkes eines Versicherungsamts durch Beschluss des Gemeindeverbandes errichtet. B e s o n d e r e O r t s k r a n k e n k a s s e n für besonders bezeichnete Gruppen von Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten sind nur bei mindestens zweihundertundfünfzig Mitgliedern, bei Fortfall einer Schädigung der übrigen Orts- und Landkrankenkassen sowie bei gleichen sicheren Leistungen zugelassen, wenn sie nicht über den Bezirk des Versicherungsamts hinausreichen. Es kann aber auch auf die Errichtung einer Landkrankenkasse neben der Ortskrankenkasse
Die Krankenversicherung'.
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und umgekehrt verzichtet werden, ebenso wie die Errichtung mehrerer Orts- oder Landkranbenkassen im Bezirk eines Versicherungsamtes möglich ist. Versicherungspflichtige, die weder in eine knappschaftliche Krankenkasse, noch in eine besondere Orts-, oder eine Betriebs-, oder eine Innungskasse gehören, sind Mitglieder der allgemeinen Ortsoder Landkrankenkasse ihres Erwerbszweigs und Beschäftigungsorts. Mitglieder der L a n d k r a n k e n k a s s e sind: 1. die in der Landwirtschaft Beschäftigten, 2. die Dienstboten, 3. die im Wandergewerbe Beschäftigten, 4. die Hausgewerbetreibenden und ihre hausgewerblich Beschäftigten. Die in der Gärtnerei, im Friedhofsbetrieb, in Park- und Gartenpflege beschäftigten sind im allgemeinen Mitglieder der Landkrankenkassen nur dann, wenn sie in Teilen landwirtschaftlicher Betriebe tätig sind. Bezüglich der in der L a n d w i r t s c h a f t Versicherungspflichtigen kann auf Antrag des Arbeitgebers derjenige von der Versicherungspflicht b e f r e i t werden, welcher an diesen bei Erkrankung Rechtsansprüche auf Unterstützung hat, die den Leistungen der zuständigen Krankenkasse gleichwertig sind. Das gleiche gilt für Dienstboten. Auch kann die Satzung einer Landkrankenkasse allgemein oder für gewisse Gruppen Versicherter das Krankengeld für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März oder für einen Teil dieser Zeit bis auf ein Viertel des Ortslohnes herabsetzen. B e t r i e b s k r a n k e n k a s s e n können für industrielle Betriebe bei einhundertundfünfzig Versicherungspflichtigen, für landwirtschaftliche oder Binnenschiffahrtsbetriebe bei fünfzig Versicherungspflichtigen errichtet werden. Doch dürfen neue Betriebskrankenkassen nur errichtet werden, wenn sie den Bestand oder die Leistungsfähigkeit der Ortskrankenkassen nicht gefährden und gleichwertige Leistungen aufweisen. Die seitherigen Baukrankenkassen gehen in den Betriebskrankenkassen auf. Eine I n n u n g kann unter denselben Bedingungen für die ihr angehörigen Mitglieder eine I n n u n g s k r a n k e n k a s s e errichten; doch muss der Gesellenausschuss, die Gemeindebehörde des Orts, an dem die Innung ihren Sitz hat, die Handwerkskammer sowie die Aufsichtsbehörde der Innung gehört werden.
Die Krankenversicherung'.
14
Anträge
auf
Genehmigung-
einer
Betriebs-
oder
Innungs-
k r a n k e n k a s s e sind an das V e r s i c h e r u n g s a m t zu r i c h t e n . D i e f r ü h e r e n eingeschriebenen H i l f s k a s s e n , s c h a f t von
der Zwangsversicherung' b e f r e i t e ,
wissen B e d i n g u n g e n noch als E r s a t z k a s s e n
deren Mitglied-
sind nur
unter
ge-
zugelassen,
wenn
ihr
d a u e r n d m e h r als eintausend Mitglieder a n g e h ö r e n . der E r s a t z k a s s e , w e l c h e k ü n f t i g den Namen auf
Gegenseitigkeit"
führt,
können
auf
Die Mitglieder
„Versichemngsverein
ihren
Antrag
R e c h t e n und P f l i c h t e n als M i t g l i e d e r der K r a n k e n k a s s e
von
den
entbunden
werden. Ausser den e r w ä h n t e n K a s s e n haben in der rungsordnung n o c h die k n a p p s c h a f t l i c h e n rücksichtigung gefunden.
Reichsversiche-
Krankenkassen
D i e R e g e l l e i s t u n g e n dieser müssen
Bemin-
destens die g l e i c h e n sein wie bei den O r t s k r a n k e n k a s s e n .
Die Orga-
nisation dieser K a s s e n weicht von d e r j e n i g e n d e r übrigen
Kranken-
kassen etwas ab.
Das gleiche
gilt von den verschiedenen
lichen Krankenkassen (Betriebskrankenkassen deren K a s s e n v e r b ä n d e n
bei
öffentlichen A r b e i t e n ) .
ziehung zu Ärzten bestehen
staat-
der E i s e n b a h n ,
an-
F ü r die B e -
meist ä h n l i c h e V e r h ä l t n i s s e ,
wie
sie
s p ä t e r in dem K a p i t e l K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e zu besprechen sind. M i t g l i e d s c h a f t. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger Tage
des
Eintritts
schäftigung.
in
eine
b e g i n n t mit d e m
versicherungspflichtige
Die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter
mit dem T a g e
ihres B e i t r i t t s
zur K a s s e ;
Be-
beginnt
doch b e g r ü n d e t
eine
E r k r a n k u n g , w e l c h e beim B e i t r i t t bereits bestand, keinen A n s p r u c h auf Kassenleistungen, tigte,
die
und ev.
sich
und
kann
zum E i n t r i t t
die K a s s e
melden,
Versicherungsberech-
ärztlich u n t e r s u c h e n
lassen
zurückweisen.
S c h e i d e t ein Mitglied, das auf Grund d e r R e i c h s v e r s i c h e r u n g , oder
bei
einer
gegangenen
knappschaftlichen
zwölf M o n a t e n
Krankenkasse
mindestens
in
den
sechsundzwanzig
voranWochen
o d e r u n m i t t e l b a r vorher mindestens s e c h s W o c h e n v e r s i c h e r t aus der v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n in
seiner
bleiben.
oder Doch
einer muss
anderen die
Beschäftigung Klasse
Meldung
n a c h dem A u s s c h e i d e n erfolgen. dieser W o c h e n e r k r a n k t ,
hat f ü r
in
oder den
aus,
so
Lohnstufe ersten
drei
W e r in der zweiten oder diese K r a n k h e i t
war,
kann
es
Mitglied Wochen dritten
nur dann
An-
Die Krankenversicherung'.
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Anträge
auf
Genehmigung-
einer
Betriebs-
oder
Innungs-
k r a n k e n k a s s e sind an das V e r s i c h e r u n g s a m t zu r i c h t e n . D i e f r ü h e r e n eingeschriebenen H i l f s k a s s e n , s c h a f t von
der Zwangsversicherung' b e f r e i t e ,
wissen B e d i n g u n g e n noch als E r s a t z k a s s e n
deren Mitglied-
sind nur
unter
ge-
zugelassen,
wenn
ihr
d a u e r n d m e h r als eintausend Mitglieder a n g e h ö r e n . der E r s a t z k a s s e , w e l c h e k ü n f t i g den Namen auf
Gegenseitigkeit"
führt,
können
auf
Die Mitglieder
„Versichemngsverein
ihren
Antrag
R e c h t e n und P f l i c h t e n als M i t g l i e d e r der K r a n k e n k a s s e
von
den
entbunden
werden. Ausser den e r w ä h n t e n K a s s e n haben in der rungsordnung n o c h die k n a p p s c h a f t l i c h e n rücksichtigung gefunden.
Reichsversiche-
Krankenkassen
D i e R e g e l l e i s t u n g e n dieser müssen
Bemin-
destens die g l e i c h e n sein wie bei den O r t s k r a n k e n k a s s e n .
Die Orga-
nisation dieser K a s s e n weicht von d e r j e n i g e n d e r übrigen
Kranken-
kassen etwas ab.
Das gleiche
gilt von den verschiedenen
lichen Krankenkassen (Betriebskrankenkassen deren K a s s e n v e r b ä n d e n
bei
öffentlichen A r b e i t e n ) .
ziehung zu Ärzten bestehen
staat-
der E i s e n b a h n ,
an-
F ü r die B e -
meist ä h n l i c h e V e r h ä l t n i s s e ,
wie
sie
s p ä t e r in dem K a p i t e l K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e zu besprechen sind. M i t g l i e d s c h a f t. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger Tage
des
Eintritts
schäftigung.
in
eine
b e g i n n t mit d e m
versicherungspflichtige
Die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter
mit dem T a g e
ihres B e i t r i t t s
zur K a s s e ;
Be-
beginnt
doch b e g r ü n d e t
eine
E r k r a n k u n g , w e l c h e beim B e i t r i t t bereits bestand, keinen A n s p r u c h auf Kassenleistungen, tigte,
die
und ev.
sich
und
kann
zum E i n t r i t t
die K a s s e
melden,
Versicherungsberech-
ärztlich u n t e r s u c h e n
lassen
zurückweisen.
S c h e i d e t ein Mitglied, das auf Grund d e r R e i c h s v e r s i c h e r u n g , oder
bei
einer
gegangenen
knappschaftlichen
zwölf M o n a t e n
Krankenkasse
mindestens
in
den
sechsundzwanzig
voranWochen
o d e r u n m i t t e l b a r vorher mindestens s e c h s W o c h e n v e r s i c h e r t aus der v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n in
seiner
bleiben.
oder Doch
einer muss
anderen die
Beschäftigung Klasse
Meldung
n a c h dem A u s s c h e i d e n erfolgen. dieser W o c h e n e r k r a n k t ,
hat f ü r
in
oder den
aus,
so
Lohnstufe ersten
drei
W e r in der zweiten oder diese K r a n k h e i t
war,
kann
es
Mitglied Wochen dritten
nur dann
An-
Die Krankenversicherung-.
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Spruch auf Kassenleistungen, wenn die Meldung in der ersten Woche gemacht war. Die Mitgliedschaft Versicherungsbereehtigter erlischt, wenn sie zweimal nacheinander am Zahltag die Beiträge nicht entrichten und seit dem ersten dieser Tage mindestens vier Wochen vergangen sind. Erfährt der Vorstand der Kasse g l a u b h a f t , dass das regelmässige jährliche G e s a m t e i n k o m m e n eines versicherungsberechtigten Mitglieds v i e r t a u s e n d M a r k übersteigt, so hat er diesem Mitglied alsbald mitzuteilen, dass seine Mitgliedschaft erloschen ist. Mit der Zustellung der Mitteilung erlischt die Mitgliedschaft. Die S a t z u n g d e r K a s s e . Die Satzung der Kasse muss bestimmen über den B e z i r k , M i t g l i e d e r k r e i s , Umfang der L e i s t u n g e n , Höhe der B e i t r ä g e , Rechte und Pflichten des V o r s t a n d s , Zusammensetzung und Berufung des A u s s c h u s s e s sowie über Voranschlag, Jahresabrechnung, Bekanntmachungen usw. Sie bedarf der G e n e h m i g u n g des O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t e s . Die Geschäfte der Kasse werden von einem V o r s t a n d und A u s s c h u s s besorgt. Der Ausschuss besteht (entsprechend den später zu besprechenden Beiträgen) zu e i n e m D r i t t e l aus Vertretern der beteiligten A r b e i t g e b e r und zu z w e i D r i t t e l n aus Vertretern der Vers i c h e r t e n und zählt höchstens neunzig Vertreter. Die Vertreter werden aus den einzelnen Gruppen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, wobei Vorschlagslisten eingereicht werden können. Die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten im Ausschuss wählen getrennt aus ihrer Gruppe die Vorstandsmitglieder, und zwar die A r b e i t g e b e r e i n D r i t t e l , die Vers i c h e r t e n z w e i D r i t t e l . Bei den Landkrankenkassen wählt die Vertretung des Gemeindeverbandes die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten je aus deren Mitte. Die Vorstandsmitglieder der O r t s k r a n k e n k a s s e wählen aus ihrer Mitte den V o r s i t z e n d e n des Vorstandes. Doch muss dieser die Mehrheit aus beiden Gruppen (sowohl Arbeitgebern als Versicherten) erhalten. Bei der L a n d k r a n k e n k a s s e wählt die Gemeindevertretung den Vorsitzenden und die anderen Mitglieder des Vorstandes, darunter einen oder mehrere Stellvertreter des Vorsitzenden. Bei den B e t r i e b s k r a n k e n k a s s e n zählt der Ausschuss höchstens fünfzig Vertreter der Versicherten sowie den
Die Krankenversicherung-.
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Spruch auf Kassenleistungen, wenn die Meldung in der ersten Woche gemacht war. Die Mitgliedschaft Versicherungsbereehtigter erlischt, wenn sie zweimal nacheinander am Zahltag die Beiträge nicht entrichten und seit dem ersten dieser Tage mindestens vier Wochen vergangen sind. Erfährt der Vorstand der Kasse g l a u b h a f t , dass das regelmässige jährliche G e s a m t e i n k o m m e n eines versicherungsberechtigten Mitglieds v i e r t a u s e n d M a r k übersteigt, so hat er diesem Mitglied alsbald mitzuteilen, dass seine Mitgliedschaft erloschen ist. Mit der Zustellung der Mitteilung erlischt die Mitgliedschaft. Die S a t z u n g d e r K a s s e . Die Satzung der Kasse muss bestimmen über den B e z i r k , M i t g l i e d e r k r e i s , Umfang der L e i s t u n g e n , Höhe der B e i t r ä g e , Rechte und Pflichten des V o r s t a n d s , Zusammensetzung und Berufung des A u s s c h u s s e s sowie über Voranschlag, Jahresabrechnung, Bekanntmachungen usw. Sie bedarf der G e n e h m i g u n g des O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t e s . Die Geschäfte der Kasse werden von einem V o r s t a n d und A u s s c h u s s besorgt. Der Ausschuss besteht (entsprechend den später zu besprechenden Beiträgen) zu e i n e m D r i t t e l aus Vertretern der beteiligten A r b e i t g e b e r und zu z w e i D r i t t e l n aus Vertretern der Vers i c h e r t e n und zählt höchstens neunzig Vertreter. Die Vertreter werden aus den einzelnen Gruppen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, wobei Vorschlagslisten eingereicht werden können. Die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten im Ausschuss wählen getrennt aus ihrer Gruppe die Vorstandsmitglieder, und zwar die A r b e i t g e b e r e i n D r i t t e l , die Vers i c h e r t e n z w e i D r i t t e l . Bei den Landkrankenkassen wählt die Vertretung des Gemeindeverbandes die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten je aus deren Mitte. Die Vorstandsmitglieder der O r t s k r a n k e n k a s s e wählen aus ihrer Mitte den V o r s i t z e n d e n des Vorstandes. Doch muss dieser die Mehrheit aus beiden Gruppen (sowohl Arbeitgebern als Versicherten) erhalten. Bei der L a n d k r a n k e n k a s s e wählt die Gemeindevertretung den Vorsitzenden und die anderen Mitglieder des Vorstandes, darunter einen oder mehrere Stellvertreter des Vorsitzenden. Bei den B e t r i e b s k r a n k e n k a s s e n zählt der Ausschuss höchstens fünfzig Vertreter der Versicherten sowie den
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Die Krankenversicherung.
Arbeitgeber oder seinen Vertreter. Der A r b e i t g e b e r oder sein Vertreter führt den V o r s i t z und hat die Hälfte der Stimmen, die den Versicherten nach der Satzung zustehen. Haben nach der Satzung die A r b e i t g e b e r und die V e r s i c h e r t e n j e d i e H ä l f t e der Beiträge zu zahlen, so haben sie j e d i e H ä l f t e d e r V e r t r e t e r im Ausschuss, und diese Vertreter je die Hälfte der Vorstandsmitglieder zu wählen. Der Ausschuss regelt die Meldung und Überwachung der Kranken sowie ihr Verhalten durch eine Krankenordnung. die der Genehmigung des Oberversicherungsamtes bedarf. Die M i t t e l für die Krankenversicherung sind von den Arbeitgebern und den Versicherten aufzubringen. Versicherungspflichtige haben zwei Drittel, ihre Arbeitgeber ein Drittel zu zahle«. V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g t e haben die B e i t r ä g e a l l e i n zu zahlen. Bei I n n u n g s k r a n k e n k a s s e n k a n n die Satzung bestimmen, dass die A r b e i t g e b e r und die V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n j e d i e H ä l f t e der Beiträge zahlen. Die Mittel der Kasse dürfen nur zu den satzungsmässigen Zwecken verwendet werden, wozu naturgemäss auch Verwaltungskosten, Ausgaben für K a s s e n v e r b ä n d e von mehreren zusammengeschlossenen Kassen, sowie Leistungen für allgemeine Zwecke der K r a n k h e i t s v e r h ü t u n g gehören. Die erwähnten Kassenverbände können ähnlich wie die Kassen Verträge schliessen, die Kranken nach einheitlichen Grundsätzen überwachen lassen usw., doch muss jede Kasse eine R ü c k l a g e mindestens im Betrage der Jahresausgabe, je nach dem Durchschnitt der letzten drei J a h r e , ansammeln und auf dieser Höhe halten. D a keine Behörde in der Lage ist, die Betriebstätigkeit oder den Aufenthalt des Arbeiters zu überwachen, so ist der A r b e i t g e b e r v e r p f l i c h t e t , j e d e n in seine Beschäftigung eintretenden V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n bei der zuständigen Krankenkasse (innerhalb dreier Tage) a n z u m e l d e n und den Versicherungsbeitrag bei der Kasse einzuzahlen, von welchem er den auf den Versicherungspflichtigen entfallenden Anteil bei der Lohnzahlung abziehen kann. Der Beitritt Versicherungsberechtigter geschieht durch schriftliche oder mündliche Meldung bei dem Vorstand oder der Meldestelle. Unständig
Beschäftigte
(bei denen
die T ä t i g k e i t
auf
Die Krankenversicherung.
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weniger als eine Woche entweder der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt, oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist) haben sich s e l b s t bei der Ortskrankenkasse oder der Landkrankenkasse a n z u m e l d e n . Doch kann die Kasse unständig Beschäftigte zur Feststellung der Versicherungspflicht vorladen lassen. Im W a n d e r g e w e r b e hat der A r b e i t g e b e r oder sein Vertreter die Anzeige der Beschäftigung zu erstatten. H a u s g e w e r b e t r e i b e n d e sind bei der Landkrankenkasse versichert. Dieselben haben, wenn sie regelmässig zwei hausgewerblich Versicherungspflichtige, abgesehen von den Familienmitgliedern, beschäftigen, sich und alle Beschäftigten anzumelden. Doch haben die Auftraggeber der Hausgewerbetreibenden die Hälfte der Gesamtlast der Kasse zu tragen. Die Satzung kann die Höhe der
Beiträge
nach den Erwerbszweigen und Berufsarten der Versicherten abstufen und eine höhere Bemessung der Beitragsteile des Arbeitgebers für einzelne Betriebe zulassen, soweit in diesen die Erkrankungsgefahr erheblich höher ist. K a s s e n m i t F a m i l i e n h i l f e können von den Versicherten mit Familienangehörigen einen Zusatzbeitrag erheben, den die Satzung festzusetzen hat. Billigt die Satzung das Krankengeld nicht allgemein f ü r Sonn- und Feiertage zu, so kann sie die Beträge für solche Mitglieder entsprechend erhöhen, für welche die Sonn- und Feiertage Arbeitstage sind. Doch bedürfen Festsetzungen dieser Art der Zustimmung des Oberversicherungsamts. Die wöchentlichen Beiträge dürfen bei Errichtung der Kasse nur dann höher als auf viereinhalb vom Hundert des Grundlohns festgesetzt werden, wenn es zur Deckung der Regelleistungen erforderlich ist. Über v i e r e i n h a l b vom Hundert des Grundlohns kann nur durch übereinstimmenden Beschluss der Arbeitgeber und der Versicherten erhoben werden. Bei einer Ortskrankenkasse kann der Beitrag unter der gleichen Voraussetzung auch über s e c h s vom Hundert festgesetzt werden. Auch kann der Gemeindeverband zur erforderlichen Beihilfe herangezogen werden.
R u m p f , Arzt und Reichsversicherungsordnung.
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Die Krankenversicherung.
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weniger als eine Woche entweder der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt, oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist) haben sich s e l b s t bei der Ortskrankenkasse oder der Landkrankenkasse a n z u m e l d e n . Doch kann die Kasse unständig Beschäftigte zur Feststellung der Versicherungspflicht vorladen lassen. Im W a n d e r g e w e r b e hat der A r b e i t g e b e r oder sein Vertreter die Anzeige der Beschäftigung zu erstatten. H a u s g e w e r b e t r e i b e n d e sind bei der Landkrankenkasse versichert. Dieselben haben, wenn sie regelmässig zwei hausgewerblich Versicherungspflichtige, abgesehen von den Familienmitgliedern, beschäftigen, sich und alle Beschäftigten anzumelden. Doch haben die Auftraggeber der Hausgewerbetreibenden die Hälfte der Gesamtlast der Kasse zu tragen. Die Satzung kann die Höhe der
Beiträge
nach den Erwerbszweigen und Berufsarten der Versicherten abstufen und eine höhere Bemessung der Beitragsteile des Arbeitgebers für einzelne Betriebe zulassen, soweit in diesen die Erkrankungsgefahr erheblich höher ist. K a s s e n m i t F a m i l i e n h i l f e können von den Versicherten mit Familienangehörigen einen Zusatzbeitrag erheben, den die Satzung festzusetzen hat. Billigt die Satzung das Krankengeld nicht allgemein f ü r Sonn- und Feiertage zu, so kann sie die Beträge für solche Mitglieder entsprechend erhöhen, für welche die Sonn- und Feiertage Arbeitstage sind. Doch bedürfen Festsetzungen dieser Art der Zustimmung des Oberversicherungsamts. Die wöchentlichen Beiträge dürfen bei Errichtung der Kasse nur dann höher als auf viereinhalb vom Hundert des Grundlohns festgesetzt werden, wenn es zur Deckung der Regelleistungen erforderlich ist. Über v i e r e i n h a l b vom Hundert des Grundlohns kann nur durch übereinstimmenden Beschluss der Arbeitgeber und der Versicherten erhoben werden. Bei einer Ortskrankenkasse kann der Beitrag unter der gleichen Voraussetzung auch über s e c h s vom Hundert festgesetzt werden. Auch kann der Gemeindeverband zur erforderlichen Beihilfe herangezogen werden.
R u m p f , Arzt und Reichsversicherungsordnung.
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Die Krankenversicherung.
Die vorstehend geschilderten gesetzlichen Einrichtungen werden die Zahl der an der Krankenversicherung interessierten Personen ganz wesentlich erhöhen. Nach der alten Versicherung betrug 1885 1900 1905 1909 die durchschnittliche Zahl der Kassen 18 942 23 021 23 214 23 279 „ Mitgliederzahl . 5 398 478 9 520 763 11689 388 12 519 785 dazu Knappschaftskrankenk. mit . . 638 392 677 822. 719 318 884513 Da in vielen Fällen auch den F a m i l i e n freie ä r z t l i c h e H i l f e gewährt wurde, so hat schon vor Eintreten der Reichsversicherungsordnung nahezu ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands der Krankenversicherung angehört. Im Jahre 1909 zählten die einzelnen Kassen an Mitgliedern: die Gemeindekrankenversicherung . . 1 6 2 5 542 „ Ortskrankenkassen 6 504 585 „ Betriebskrankenkassen 3 159 169 „ Baukrankenkassen 19188 „ Innungskrankenkassen 283 776 „ eingeschriebenen Hilfskassen . . . 890 519 Mit der Beschränkung der Zahl der Kassen dürfte in der Folge die Bedeutung der Ortskrankenkassen noch mehr steigen. G e g e n s t a n d der Versicherung. Gegenstand der Versicherung sind Leistungen der Krankenkasse an Krankenhilfe, Wochengeld und Sterbegeld. Die R.V.O. unterscheidet in dieser Hinsicht R e g e l l e i s t u n g e n , Mehrl e i s t u n g e n und g e r i n g e r e L e i s t u n g e n . Als Krankenhilfe wird gewährt: 1. K r a n k e n p f l e g e von Beginn der Krankheit an; sie umfasßt ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei, sowie Brillen, Bruchbänder und andere kleine Heilmittel. 2. K r a n k e n g e l d in der Höhe des halben Grundlohns für jeden Arbeitstag, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht; das Krankengeld wird vom vierten Krankheitstage an, wenn aber die Arbeitsunfähigkeit erst später eintritt, vom Tage ihres Eintritts an gewährt.
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Die Krankenversicherung.
Die vorstehend geschilderten gesetzlichen Einrichtungen werden die Zahl der an der Krankenversicherung interessierten Personen ganz wesentlich erhöhen. Nach der alten Versicherung betrug 1885 1900 1905 1909 die durchschnittliche Zahl der Kassen 18 942 23 021 23 214 23 279 „ Mitgliederzahl . 5 398 478 9 520 763 11689 388 12 519 785 dazu Knappschaftskrankenk. mit . . 638 392 677 822. 719 318 884513 Da in vielen Fällen auch den F a m i l i e n freie ä r z t l i c h e H i l f e gewährt wurde, so hat schon vor Eintreten der Reichsversicherungsordnung nahezu ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands der Krankenversicherung angehört. Im Jahre 1909 zählten die einzelnen Kassen an Mitgliedern: die Gemeindekrankenversicherung . . 1 6 2 5 542 „ Ortskrankenkassen 6 504 585 „ Betriebskrankenkassen 3 159 169 „ Baukrankenkassen 19188 „ Innungskrankenkassen 283 776 „ eingeschriebenen Hilfskassen . . . 890 519 Mit der Beschränkung der Zahl der Kassen dürfte in der Folge die Bedeutung der Ortskrankenkassen noch mehr steigen. G e g e n s t a n d der Versicherung. Gegenstand der Versicherung sind Leistungen der Krankenkasse an Krankenhilfe, Wochengeld und Sterbegeld. Die R.V.O. unterscheidet in dieser Hinsicht R e g e l l e i s t u n g e n , Mehrl e i s t u n g e n und g e r i n g e r e L e i s t u n g e n . Als Krankenhilfe wird gewährt: 1. K r a n k e n p f l e g e von Beginn der Krankheit an; sie umfasßt ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei, sowie Brillen, Bruchbänder und andere kleine Heilmittel. 2. K r a n k e n g e l d in der Höhe des halben Grundlohns für jeden Arbeitstag, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht; das Krankengeld wird vom vierten Krankheitstage an, wenn aber die Arbeitsunfähigkeit erst später eintritt, vom Tage ihres Eintritts an gewährt.
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Die Kraukenhilfe endet spätestens mit Ablauf der s e c h s u n d z w a n z i g s t e n W o c h e nach Beginn der Krankheit; wird jedoch Krankengeld erst von einem späteren T a g an bezogen, nach diesem. Fällt in den Krankengeldbezug eine Zeit, in der nur Krankenpflege gewährt wird, so wird diese Zeit auf die Dauer des Krankengeldbezugs bis zu dreizehn Wochen nicht angerechnet. An Stelle der Krankenpflege und des Krankengeldes kann die Kasse K u r und V e r p f l e g u n g in einem K r a u k e n h a u s gewähren, bei Familienangehörigen im allgemeinen nur mit Zustimmung des Kranken; bei einem Minderjährigen über sechzehn Jahren genügt dessen Zustimmung. Der Zustimmung bedarf es aber nicht, wenn eine in der Familie nicht durchzuführende Behandlung notwendig ist, wenn die Krankheit a n s t e c k e n d ist, und wenn der Zustand oder das Verhalten des Kranken es n o t w e n d i g macht. Dem Berechtigten soll, wenn möglich, eine A u s w a h l unter v e r s c h i e d e n e n Krankenhäusern freistehen. Wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, so kann die Kasse mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch K r a n k e n p f l e g e r , K r a n k e n s c h w e s t e r n oder andere Pfleger gewähren, wofür bis zu einem Viertel des Krankengelds in Abzug gebracht weiden kann. Wird Krankenhauspflege einem Versicherten gewährt, der bisher von seinem Arbeitsverdienst Angehörige ganz oder überwiegend unterhalten hat, so ist daneben ein H a u s g e l d für die Angehörigen im Betrage des halben Krankengeldes zu zahlen. Eine A u s d e h n u n g d e r K r a n k e n h i l f e ( M e h r l e i s t u n g e n ) ist durch besondere Bestimmung der Satzung insofern möglich, als die Dauer der Krankenhilfe bis auf e i n J a h r erweitert werden, auch für Genesende in ähnlicher Weise und durch Bewilligung von Hilfsmitteln gegen Verkrüppelung gesorgt werden kann. Weiterhin kann das Krankengeld bis auf drei Viertel des Grundlohns, das Hausgeld bis zum Betrage des gesetzlichen Krankengeldes erhöht, das Krankengeld unter gewissen Bedingungen auch vom ersten Krankheitstage an bewilligt werden. Eine B e s c h r ä n k u n g d e r L e i s t u n g e n kann bei Fortbestehen der gleichen Krankheitsursache für erneute Arbeitsunfähigkeit in zwei aufeinander folgenden Jahren festgesetzt werden, weiterhin ein V e r s a g e n d e s K r a n k e n g e l d s bei Schädigung
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der Kasse durch s t r a f b a r e Handlungen und bei vorsätzlicher schuldhafter Erlangung der Krankheit. Bei u n s t ä n d i g B e s c h ä f t i g t e n kann die Satzung bestimmen, dass die Kassenleistungen erst nach einer Wartezeit beginnen und bei Nichtleistung der B e i t r ä g e das Krankengeld fortfällt. L a n d w i r t s c h a f t l i c h e Arbeiter, welche gemäss Jahresvertrags Sachleistungen (Kartoffeln, Gemüse usw.) für diese Zeit im Wert des dreihundertfachen täglichen Krankengeldes empfangen, erhalten auf Antrag des Arbeitgebers im Krankheitsfall kein Krankengeld. Ausserdem kann mit Zustimmung des Oberversicherungsamts durch die Satzung einer Laudkrankenkasse für alle Versicherten oder Gruppen dieser das Krankengeld für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März oder für einen Teil dieser Zeit bis auf ein Viertel des Ortslohns herabgesetzt werden. Bei Bezug von Unfall- oder Invalidenrente im Betrage des täglichen Krankengeldes kann die Satzung ausserdem bestimmen, dass das Krankengeld fortfällt. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus kann die Satzung festsetzen, dass neben der Krankenhauspflege ein geringeres Hausgeld wie sonst, oder überhaupt kein Hausgeld gewährt wird, und das Sterbegeld höchstens dreissig Mark beträgt. U n s t ä n d i g Beschäftigte, welche im Laufe der letzten sechsundzwanzig Wochen vor der E r k r a n k u n g für mehr als acht Wochen ihren Beitrag nicht bezahlt haben, erhalten nur Krankenpflege. Im Todesfall darf das Sterbegeld dreissig Mark nicht übersteigen. Bei Anrechten des Versicherten an mehreren Kassen kann die Zwangsversicherung die Leistung soweit kürzen, dass das g e s a m t e Krankengeld den durchschnittlichen t ä g l i c h e n Arbeitslohn n i c h t übersteigt. W o c h e n h i l f e wird insofern gewährt, als Wöchnerinnen, welche im letzten J a h r vor der Niederkunft mindestens sechs Monate lang auf Grund der R.V.O. oder einer knappschaftlichen Krankenkasse versichert waren, für die Schwangerschaft und Niederkunft ein Wochengeld in Höhe des Krankengeldes von acht Wochen oder Kur und Verpflegung in einem Wöchnerinnenheim erhalten. S t e r b e g e l d wird beim Tode eines Versicherten als Zwanzigf a c h e s f d e s Grundlohns gezahlt, auch wenn der Versicherte n a c h Ablauf der Krankenhilfe binnen eines Jahres an derselben K r a n k heit starb und bis zum Tode arbeitsunfähig war.
Die Krankenversicherung.
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Beim Ausseheiden eines Versicherten wegen Erwerbslosigkeit verbleiben ihm unter gewissen Bedingungen, die schon oben erwähnt sind, Ansprüche an die Kasse. Zum Schluss sei erwähnt, dass weder durch die vorbehaltliche Annahme der Beitrittserklärung noch durch die fortgesetzte Annahme von Beiträgen seitens der Krankenkassen ein Versicherungsverhältnis begründet ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen. Hat aber eine Kasse für eine Person nach richtiger Anmeldung drei Monate ununterbrochen und unbeanstandet die Beiträge angenommen, so muss die Kasse die satzungsmässigen Leistungen gewähren, auch wenn die Person nicht versicherungspflichtig und nicht versicherungsberechtigt war. Die Meldung bei einer unzuständigen Krankenkasse gibt allerdings Versicherungsberechtigten nicht die gleichen Ansprüche. Ärzte und
Krankenkassen.
Die s o z i a l e G e s e t z g e b u n g hat durch Ausdehnung der Krankenversicherung die L e b e n s i n t e r e s s e n d e r Ä r z t e einschneidend betroffen. Die Einschaltung der Kassenvorstände zwischen Arzt und Kranken hat vielfach s c h w e r e K o n f l i k t e hervorgerufen, die noch nicht völlig behoben sind. Durch die Ausdehnung der Reichsversicherungsordnung auf Dienstboten, Kutscher, Chauffeure werden auch die Ärzte Arbeitgeber und können in den Ausschuss und Vorstand der Krankenkassen gewählt werden. Man kann hoffen, dass die Mitwirkung der Ärzte in der Leitung der Kassenangelegenheiten infolge ihrer besonderen Erfahrung und der stattfindenden Aussprache über die verschiedensten Interessen der Beteiligten eine besonders segensreiche werden wird. E s wäre aber besser gewesen, wenn die S a c h k e n n t n i s d e r Ä r z t e bei dem Ausbau der sozialen Gesetzgebung von A n f a n g an herangezogen wäre. Die Krankenkassen haben die V e r p f l i c h t u n g , ihren erkrankten Mitgliedern K r a n k e n h i l f e zu gewähren. Um diese leisten zu können, mnss der Vorstand mit Ä r z t e n , Z a h n ä r z t e n , A p o t h e k e r n und K r a n k e n h ä u s e r n sich einigen. Nach dem Gesetz sollen die B e z i e h u n g e n zwischen K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e n durch s c h r i f t l i c h e n V e r t r a g geregelt
Die Krankenversicherung.
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Beim Ausseheiden eines Versicherten wegen Erwerbslosigkeit verbleiben ihm unter gewissen Bedingungen, die schon oben erwähnt sind, Ansprüche an die Kasse. Zum Schluss sei erwähnt, dass weder durch die vorbehaltliche Annahme der Beitrittserklärung noch durch die fortgesetzte Annahme von Beiträgen seitens der Krankenkassen ein Versicherungsverhältnis begründet ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen. Hat aber eine Kasse für eine Person nach richtiger Anmeldung drei Monate ununterbrochen und unbeanstandet die Beiträge angenommen, so muss die Kasse die satzungsmässigen Leistungen gewähren, auch wenn die Person nicht versicherungspflichtig und nicht versicherungsberechtigt war. Die Meldung bei einer unzuständigen Krankenkasse gibt allerdings Versicherungsberechtigten nicht die gleichen Ansprüche. Ärzte und
Krankenkassen.
Die s o z i a l e G e s e t z g e b u n g hat durch Ausdehnung der Krankenversicherung die L e b e n s i n t e r e s s e n d e r Ä r z t e einschneidend betroffen. Die Einschaltung der Kassenvorstände zwischen Arzt und Kranken hat vielfach s c h w e r e K o n f l i k t e hervorgerufen, die noch nicht völlig behoben sind. Durch die Ausdehnung der Reichsversicherungsordnung auf Dienstboten, Kutscher, Chauffeure werden auch die Ärzte Arbeitgeber und können in den Ausschuss und Vorstand der Krankenkassen gewählt werden. Man kann hoffen, dass die Mitwirkung der Ärzte in der Leitung der Kassenangelegenheiten infolge ihrer besonderen Erfahrung und der stattfindenden Aussprache über die verschiedensten Interessen der Beteiligten eine besonders segensreiche werden wird. E s wäre aber besser gewesen, wenn die S a c h k e n n t n i s d e r Ä r z t e bei dem Ausbau der sozialen Gesetzgebung von A n f a n g an herangezogen wäre. Die Krankenkassen haben die V e r p f l i c h t u n g , ihren erkrankten Mitgliedern K r a n k e n h i l f e zu gewähren. Um diese leisten zu können, mnss der Vorstand mit Ä r z t e n , Z a h n ä r z t e n , A p o t h e k e r n und K r a n k e n h ä u s e r n sich einigen. Nach dem Gesetz sollen die B e z i e h u n g e n zwischen K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e n durch s c h r i f t l i c h e n V e r t r a g geregelt
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werden; die Bezahlung anderer Ärzte kann die Kasse, abgesehen von dringenden Fällen, ablehnen. Doch soll die Kasse, soweit sie nicht erheblich mehr belastet wird, ihren Mitgliedern die Auswahl zwischen m i n d e s t e n s z w e i Ä r z t e n frei lassen. Weiterhin steht dem Versicherten, falls er die Mehrkosten selbst übernimmt, die Auswahl unter den von der Kasse (ev. für einen andern Bezirk) bestellten Ärzten frei, wobei die S a t z u n g der Kasse bestimmen kann, dass der Behandelte während desselben Vers i c h e r u n g s f a l l s oder G e s c h ä f t s j a h r s den A r z t nur mit Z u s t i m m u n g des V o r s t a n d e s wechseln darf. Die Kasse kann demgemäss, abgesehen von dringenden Fällen, die Bezahlung jedes Arztes ablehnen, mit welchem eine Vereinbarung nicht stattgefunden hat. Dagegen wird sie den Arzneiverordnungen dieses Arztes sowie den Folgen, welche durch die Krankheitsbescheinigung bedingt sind, sich nicht ohne weiteres entziehen können. Die Verpflichtungen der Kasse beginnen also mit dem Augenblick, in welchem der Versicherte krank wird und die B e s c h e i n i g u n g der K r a n k h e i t vorliegt. Diese B e s c h e i n i g u n g kann, abgesehen von besonderen noch zu besprechenden Einschränkungen, n u r von einem Arzt ausgestellt werden. In d r i n g e n d e n Fällen kann j e d e r Arzt diese Bescheinigung ausstellen, in n i c h t d r i n g e n d e n soll sie von Ärzten ausgestellt werden, welche mit der Krankenkasse einen s c h r i f t l i c h e n Vertrag abgeschlossen haben. Dieses Erfordernis der K r a n k h e i t s b e s c h e i n i g u n g erheischt zunächst die Beantwortung der Frage, w a s im Sinne der Reichsversicherungsordnung K r a n k h e i t ist. Der Mediziner versteht nach dem Vorgang von V i r c h o w unter Krankheit eine Abweichung vom normalen Lebensprozess, hervorgerufen durch eine Wechselwirkung äusserer Bedingungen und der inneren regnlatorischen Fähigkeit des Körpers. Das Gesetz aber legt den Begriff der Krankheit folgendermassen fest: Im S i n n e d e s K r a n k e n v e r s i c h e r u n g s g e s e t z e s i s t krank, wer ärztliche Behandlung, Arzneien oder Heilm i t t e l n ö t i g h a t und w e i t e r d e r j e n i g e , d e s s e n A r b e i t s f ä h i g k e i t aufgehoben oder wesentlich b e s c h r ä n k t ist, gesund, wer keines Arztes, keiner Arzneien und Heilm i t t e l b e d a r f und unbehindert seiner A r b e i t nachgehen kann.
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A b n o r m i t ä t e n , D i f f o r m i t ä t e n und V e r k r ü p p e l u n g e n sind von Krankheiten zu trennen. Der Plattfuss oder eine in früher Jugend erworbene Difformität sind keine Krankheiten im Sinne des Gesetzes. Doch können infolge stärkerer Arbeit, oder Bonstiger Schädlichkeiten im Betrieb durch Hinzutreten von Entzündungen aus Difformitäten Krankheiten entstehen. Bleichsucht als angeborene Anlage gehört nicht zu den Krankheiten, für welche die Kasse eo ipso aufzukommen hat, wohl aber, wenn sie sich infolge schädlicher Einflüsse in einer versicherten Beschäftigung entwickelt. Nun kann der Kranke nur ärztlichen Rat und Arznei notwendig haben, oder er ist, was häufiger der Fall ist, g l e i c h z e i t i g erwerbsunfähig. E r w e r b s u n f ä h i g im S i n n e d e s K r a n k e n V e r s i c h e r u n g s g e s e t z e s i s t , w e r zu d e r j e n i g e n A r b e i t , a u f G r u n d d e r e n er v e r s i c h e r t ist, d u r c h K r a n k h e i t u n f ä h i g ist. Der Vorgang der Krankmeldung gestaltet sich in der Regel so, dass der Kranke oder ein Angehöriger sich an den Vorstand der Krankenkasse wendet, welcher eine Bescheinigung darüber ausstellt, dass der Kranke ein Anrecht auf die in den Satzungen vorgesehenen Kassenleistungen hat. Mit diesem Ausweis begibt sich der Kranke oder ein Angehöriger zu einem Arzt, welcher bei der Kasse tätig ist, um seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ausser den Ärzten, mit welchen die Kasse einen schriftlichen Vertrag über die Behandlung der betreffenden Kasseninitglieder geschlossen hat, kann aber das Mitglied auch von einem anderen Arzt sich behandeln lassen, falls es die Mehrkosten trägt. Doch muss dieser von der Kasse bestellt sein, d. h. er muss auf einer besonderen Liste von Ärzten geführt werden, an welche sich der Versicherte unter den angeführten Bedingungen wenden kann. Vielfach werden auf dieser Liste die den Kassen verpflichteten Ä r z t e a n d e r e r B e z i r k e verzeichnet sein; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch a n d e r e Ä r z t e unter den b e s o n d e r e n B e d i n g u n g e n als stellvertretende Kassenärzte benannt werden. Der Arzt hat den Kranken zu untersuchen und seine Verordnungen zu treffen. Ist der Kranke nicht erwerbsunfähig, so erhält er f r e i e ä r z t l i c h e B e h a n d l u n g und A r z n e i , ev. auch andere Heilmittel, welche zur Herstellung oder Erhaltung seiner Gesundheit erforderlich sind. Eine Beschränkung in der Arznei-
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Verordnung ist gesetzlieh nicht vorhanden; da aber das Gesetz bestimmt, dass die A p o t h e k e n den Krankenkassen für die Arzneien einen Abschlag von dem Preis der Arzneitaxe gewähren, und da die Mittel der Kasse beschränkte sind, so empfiehlt es sich für die Ärzte, die Arzneimittel in w i r k s a m e r Form und o h n e L u x u s - Z u b e r e i t u n g zu verordnen. Ist eine solche aber als Geschmacks-Korrigens notwendig, um das Einnehmen der Arznei zu ermöglichen (besonders bei Kindern und Frauen), so muss die Krankenkasse auch diese Kosten tragen. Im allgemeinen empfiehlt sich als Grundsatz für den Arzt, wie C a r l W i e bei betont, die therapeutischen Massnahmen iu denselben Grenzen anzuwenden, welche der Arzt bei einem Privatpatienten gleicher Vermögenslage sich auferlegen würde. Selbstverständlich müssen die verordneten Mittel Heilmittel sein. So können L e i b b i n d e n bei Unterleibsleiden, o r t h o p ä d i s c h e Schuhe bei entzündlichem Plattfuss oder Fussverstauchung, G u m m i s t r ü m p f e , S t ü t z g e r t i s t e , Z a h n e r s a t z t e i l e Heilmittel sein. Das gleiche gilt von B ä d e r n , I r r i g a t o r e n , I n h a l a t i o n s apparaten, Nasenduschen. Warzen, K r a m p f a d e r n , Brüche, welche sich in der Tätigkeit stärker bemerkbar machen, können zur Erzielung grösserer Leistungsfähigkeit auf Kosten der Krankenkassen operiert werden. Krankheitsfolgen zählen als Krankheit; dagegen sind r e g e l m ä s s i g e n a t ü r l i c h e Vorgänge, wie normal verlaufende Schwangerschaft, Entbindung sowie Altersschwäche keine Krankheit. Mit Zustimmung des Oberversicherungsamts kann die Satzung der Kasse für kleinere Heilmittel einen Höchstbetrag festsetzen, und bis zu dieser Höhe einen Zuschuss für grössere Heilmittel gewähren. Als Höchstgrenze wird der Betrag von 25 Mark angenommen. Schwierig ist häufig die Abgrenzung der Heilmittel gegenüber L e b e n s - und G e n u s s m i t t e l n . Die Reichsversicherungsordnung gestattet der Krankenkasse, durch die Satzung die Bewilligung von K r a n k e n k o s t zu gewähren. Viele Krankenkassen haben seither schon die Bewilligung von Milch, Wein, Kognak, die häufig nur als Kräftigungsmittel gegeben werden, durch die Satzung davon abhängig gemacht, dass der Vorstand in dem einzelnen Fall seine Genehmigung erteilt. Für die raschere Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist naturgemäss eine bessere Ernährung häufig
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ein wichtiger Faktor. Desshalb können A l e u r o n a t b r o t , H a e m a t o g e n , H y g i a m a gelegentlich den Heilmitteln zugerechnet werden. Zur ärztlichen Verordnung gehören auch, abgesehen von dringenden Fällen, die Anordnungen über Hilfeleistungen der verschiedenen H e i l d i e n e r , H e b a m m e n , M a s s e u r e und auch Z a h n t e c h n i k e r . Die oberste Verwaltungsbehörde kann aber auch bestimmen, wie weit die genannten Hilfspersonen innerhalb ihrer Befugnisse selbständige Hilfe leisten können. Die ä r z t l i c h e n B e s u c h e bei Mitgliedern der Krankenkassen sind naturgemäss auf das n o t w e n d i g e Mass zu beschränken. K r a n k e , welche in die S p r e c h s t u n d e des Arztes gehen können, sollen dazu angehalten werden. Arztliche Leistungen, welche höhere Kosten verursachen (Röntgendurchleuchtung, mikroskopische Untersuchungen), sind im Bedarfsfall, soweit sie notwendig, von der Kasse zu tragen, ebenso s p e z i a l ä r z t l i c h e Untersuchung und Behandlung. In der Regel enthalten die Krankenkassensatzungen hierüber Bestimmungen. Konstatiert der Arzt bei seinem Patienten E r w e r b s u n f ä h i g k e i t , so hat er diese zu bescheinigen, damit der Kranke durch diesen Nachweis in den Besitz des ihm zustehenden K r a n k e n g e l d e s gelangen kann. Da das Krankengeld in der Regel am Ende der Woche erhoben wird, so hat der Arzt von Krankenkassenpatienten meist am letzten Tage jeder Woche eine Bescheinigung darüber auszustellen, ob der Kranke noch erwerbsunfähig ist. Ist eine K r a n k e n h a u s b e h a n d l u n g erforderlich, so hat der Arzt die Notwendigkeit dieser zu bescheinigen. Doch muss der Vorstand der Kasse seine G e n e h m i g u n g erteilen, da die Kasse zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, Krankenhauspflege an Stelle der Krankenhilfe treten zu lassen. Die Genehmigung des Vorstands schliesst die Verpflichtung zur Tragung der Krankenhauskosten ein. In dem Fall der Krankenhauspflege des Berechtigten hat der Krankenhausarzt die Bescheinigung Uber Erwerbsunfähigkeit auszustellen. Die Krankenkasse kann allerdings durch Satzung die Krankenhausbehandlung in bestimmten Krankenhäusern festsetzen; doch dürfen Krankenhäuser, die lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken bestimmt, oder von öffentlichen Verbänden oder Körperschaften errichtet, und die bereit sind, die Krankenhauspflege zu denselben Sätzen wie die anderen zu leisten,
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nur mit Zustimmung des Oberversicherung-samtes ausgeschlossen werden. Verlässt ein Kassenkranker das Krankenhaus unbefugt, oder wird er wegen ungebührlichen Betragens aus der Anstalt entfernt, so verwirkt er den Unterstützungsanspruch. Doch braucht der Kranke sich Eingriffe in die Unversehrtheit des Körpers (Operationen) nicht gefallen zu lassen. Die Kassenkranken werden im allgemeinen in den Krankenhäusern mit den Kranken der Armenverwaltung gleichgestellt und ohne Forderung eines ärztlichen Honorars im Krankenhause behandelt. Dass das nicht ganz richtig ist, wird von den Ärzten häufig mit Recht hervorgehoben. Wenn aber K r a n k e n h a u s p f l e g e zwar geboten, aber n i c h t a u s f ü h r b a r ist, so kann die Kasse mit Zustimmung des Versicherten H i l f e u n d W a r t u n g durch K r a n k e n p f l e g e r , K r a n k e n s c h w e s t e r n , oder andere Pfleger gewähren. Es ist Sache des Arztes die Verhältnisse zu prüfen und das entsprechende zu beantragen. Wird einem Versicherten Krankenhauspflege bewilligt, so erhalten die von dem Arbeitsverdienst Unterhaltenen oder Unterstützten ein H a u s g e l d im Betrage des halben Krankengeldes. Die E r w e r b s u n f ä h i g k e i t bezieht sich wie oben schon erwähnt auf die A r b e i t , auf Grund deren das Kassenmitglied v e r s i c h e r t ist, nicht auf etwaige leichtere Arbeiten oder eine andere Tätigkeit. Die Kasse hat aber ein berechtigtes Interesse, dass alles geschieht, was eine baldige Genesung herbeiführt. Der Arzt tut deshalb gut, wie es auch vielfach die Kassenverträge bestimmen, dem kranken Kassenmitglied möglichst genaue Vorschriften über sein Leben, seine Diät und über etwaige Spaziergänge zu machen, letzteres auch, damit er den Kontrolleuren der Krankenkasse gegenüber sich ausweisen kann. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e n . Es ist naturgemäss nicht wunderbar, dass die Wünsche der Kassenmitglieder und des Kassenvorstandes vielfach auseinandergehen. Die K a s s e n m i t g l i e d e r sind sowohl bezüglich der ärztlichen Hilfe, als der Verordnungen von Arznei und anderen Heilmitteln h ä u f i g r e c h t a n s p r u c h s v o l l , während der Kassenvorstand mit Rücksicht auf die gesetzlich beschränkten Mittel seine Ausgaben möglichst beschränken möchte. Der Arzt soll zwischen den Wünschen der Kranken und denjenigen des Vor-
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nur mit Zustimmung des Oberversicherung-samtes ausgeschlossen werden. Verlässt ein Kassenkranker das Krankenhaus unbefugt, oder wird er wegen ungebührlichen Betragens aus der Anstalt entfernt, so verwirkt er den Unterstützungsanspruch. Doch braucht der Kranke sich Eingriffe in die Unversehrtheit des Körpers (Operationen) nicht gefallen zu lassen. Die Kassenkranken werden im allgemeinen in den Krankenhäusern mit den Kranken der Armenverwaltung gleichgestellt und ohne Forderung eines ärztlichen Honorars im Krankenhause behandelt. Dass das nicht ganz richtig ist, wird von den Ärzten häufig mit Recht hervorgehoben. Wenn aber K r a n k e n h a u s p f l e g e zwar geboten, aber n i c h t a u s f ü h r b a r ist, so kann die Kasse mit Zustimmung des Versicherten H i l f e u n d W a r t u n g durch K r a n k e n p f l e g e r , K r a n k e n s c h w e s t e r n , oder andere Pfleger gewähren. Es ist Sache des Arztes die Verhältnisse zu prüfen und das entsprechende zu beantragen. Wird einem Versicherten Krankenhauspflege bewilligt, so erhalten die von dem Arbeitsverdienst Unterhaltenen oder Unterstützten ein H a u s g e l d im Betrage des halben Krankengeldes. Die E r w e r b s u n f ä h i g k e i t bezieht sich wie oben schon erwähnt auf die A r b e i t , auf Grund deren das Kassenmitglied v e r s i c h e r t ist, nicht auf etwaige leichtere Arbeiten oder eine andere Tätigkeit. Die Kasse hat aber ein berechtigtes Interesse, dass alles geschieht, was eine baldige Genesung herbeiführt. Der Arzt tut deshalb gut, wie es auch vielfach die Kassenverträge bestimmen, dem kranken Kassenmitglied möglichst genaue Vorschriften über sein Leben, seine Diät und über etwaige Spaziergänge zu machen, letzteres auch, damit er den Kontrolleuren der Krankenkasse gegenüber sich ausweisen kann. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K r a n k e n k a s s e n und Ä r z t e n . Es ist naturgemäss nicht wunderbar, dass die Wünsche der Kassenmitglieder und des Kassenvorstandes vielfach auseinandergehen. Die K a s s e n m i t g l i e d e r sind sowohl bezüglich der ärztlichen Hilfe, als der Verordnungen von Arznei und anderen Heilmitteln h ä u f i g r e c h t a n s p r u c h s v o l l , während der Kassenvorstand mit Rücksicht auf die gesetzlich beschränkten Mittel seine Ausgaben möglichst beschränken möchte. Der Arzt soll zwischen den Wünschen der Kranken und denjenigen des Vor-
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standes einen den Gesetzen Rechnung tragenden Ausweg suchen, w a s nicht immer ganz leicht ist. Diese Schwierigkeit erhöht die a n und für sich nicht leichte ärztliche T ä t i g k e i t und ist geeignet, mancherlei Konflikte hervorzurufen. Dass die Ärzte für diese aufreibende und schwierige Tätigkeit ein ihrem Bildungsgang eiriigermassen entsprechendes Entgelt erstrebten, ist gewiss natürlich. Zweifellos ist durch die Krankenversicherung den deutschen Ärzten ein reiches Arbeitsfeld entstanden. Während die Bevölkerung Deutschlands seit dem J a h r e 1867 bis 1. XII. 1912 von 40 Millionen auf 64 Millionen gestiegen ist, hat sich die Zahl der Ärzte in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt (von 13 828 auf etwa 32 000). D i e Arbeitsvermehrung durch die Krankenversicherung fiel zunächst nur einer kleinen Zahl von Ärzten zu, welche einzeln oder in kleiner Zahl meist von den Kassen angestellt gegen ein Fixum oder gegen einen Pauschalbetrag für den Kopf des Kassenmitglieds tätig waren. Während diesen Kassenärzten eine häufig übermässige und kaum zu leistende Tätigkeit zufiel, fanden jüngere Ärzte überhaupt keine lohnende Tätigkeit. So k a m es zu erniedrigenden Bewerbungen um Kassenarztstellen mit Honorarunterbietung und schweren Missständen im ärztlichen Stande. Dazu k a m die Unzufriedenheit vieler Krankenkassenmitglieder, welche ihre Interessen nicht genügend berücksichtigt glaubten. Auch die Krankenhäuser klagten über Abschiebung von Kranken in die Krankenhäuser seitens der übermässig beschäftigten Kassenärzte. Manche Kassenvorstände benutzten ausserdem die Abhängigkeit der Ärzte, um ihnen ohne Erhöhung des Honorars möglichst viel Verpflichtungen aufzuerlegen. Diesen Ubelständen wurde erst dadurch entgegengetreten, dass die deutschen Ärzte im Jahre 1900 unter Führung von Dr. H a r t m a n n , Leipzig, sich zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Leipziger Verband zusammenschlössen, und infolgedessen Mittel zur Bekämpfung der Missstände und zur Hebung der ärztlichen Verhältnisse zur Verfügung standen. Der Leipziger Verband trat 1903 als eine besondere Abteilung in die Organisation des Deutschen Ärztevereinsbundes über, welcher bis dahin mehr durch erfolglose Petitionen an die gesetzgebenden Körperschaften als durch Selbsthilfe nach den gleichen Zielen gestrebt hatte. Mit grösserer K r a f t konnten nunmehr die gemeinschaftlichen Bestre-
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Die Krankenversicherung.
bungen auf dem Gebiet der Versicherungsmedizin aufgenommen werden. Das erste Bestreben war, die seither meist u n w ü r d i g e H o n o r i e r u n g und S t e l l u n g der Ärzte zu bessern. Sodann wurde an Stelle des seitherigen Kassenarztsystems die Einführung der f r e i e n A r z t w a h l erstrebt. An Stelle des e i n e n v e r t r a g s c h Ii e s s e n d e n A r z t e s soll eine V e r t r a g s - K o m m i s s i o n von Ärzten treten, an welche alle Meldungen zu kassenärztlicher Tätigkeit zu richten sind, während der e i n z e l n e A r z t w e d e r p e r s ö n l i c h n o c h d u r c h M i t t e l s p e r s o n e n bei dem Vorstaude der Krankenkasse sich m e l d e n oder V e r t r ä g e abschliessen darf. Dafür soll 1. j e d e r iu Deutschland a p p r o b i e r t e A r z t zur Kassenpraxis bei j e d e r K r a n k e n k a s s e , in deren Geschäftsgebiet er wohnt, zugelassen werden, sofern er sich vorher zur Beobachtung der Vereinbarungen zwischen dem Vorstand der Kasse und einer dazu befugten ärztlichen Vertretung (Vertragskommission, Ärzteausschuss) verpflichtet hat; 2. jedem K a s s e n m i t g l i e d , das ärztliche Hilfe notwendig hat, die W a h l unter diesen Ä r z t e n freistehen; 3. zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen dem Kassenvorstande und den Ärzten sollen p a r i t ä t i s c h e Einigungskommissionen und Schiedsgerichte mit unparteiischem Vorsitzenden eingerichtet werden. Von seiten der Krankenkassen wurde diesen Bestrebungen gegenüber hervorgehoben, dass der Krankenkasse die Wahl des ihr genehmen Arztes freistehen müsse, zumal nach ihrer Ansicht nicht alle Ärzte über die für die Kassenpraxis notwendigen K e n n t n i s s e , insbesondere der B e r u f s k r a n k h e i t e n , verfügen, dass die Ärzte in A b h ä n g i g k e i t von den K a s s e n m i t g l i e d e r n diesen in bezug auf Besuche, Arzneien und Stärkungsmittel zu grosses E n t g e g e n k o m m e n zeigten, dass die Inanspruchnahme der S p e z i a l ä r z t e gewaltig zunehmen, und durch alle diese Momente die A u s g a b e n der Krankenkassen ins u n g e m e s s e n e steigen würden. Während der fest angestellte Kassenarzt ein Interesse daran habe, seine Patienten baldigst genesen zu entlassen, habe bei der freien Arztwahl, besonders solcher mit B e z a h l u n g d e r E i n z e l l e i s t u n g e n , der Arzt kein beson-
Die Krankenversicherung 1 .
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deres Interesse, den Kranken rasch aus der Behandlung zu entlassen. Ein wichtiger, in den Ausführungen der Kassenvorstände aber nicht erwähnter, Punkt war der Wunsch, d i e ä r z t l i c h e n L e i s t u n g e n weit u n t e r d e r M i n i m a l t a x e zu erhalten und die Ärzte mit anderen Arbeitnehmern auf eine Stufe zu stellen. Aus diesen Gegensätzen haben sich naturgemäss verschiedene Kämpfe zwischen Kassenvorständen und Ärzten entwickelt, die in der grösseren Zahl von Fällen zugunsten der Ärzte ausfielen, nachdem die vorangegangenen und auch vor kurzem noch in R e m s c h e i d und an anderen Orten vorgekommenen Übergriffe der Kassenvorstände (wie das R e i c h s g e r i c h t noch kürzlich entschieden hat) zu einem festen Zusammenschluss der Ärzte geführt hatten. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass die vielfach erhobenen Bedenken gegen die freie Arztwahl unter Einführung gewisser V o r s i c h t s m a s s r e g e l n nicht völlig berechtigt waren. Der Ärztestand hat durch eine über viele Dezennien sich erstreckende grosse Tätigkeit auf dem Gebiete des öffentlichen Gesundheitswesens die Interessen der Allgemeinheit gegenüber persönlichen Vorteilen vertreten und keineswegs nur Standesinteressen verfochten. Die sorgfältige Prüfung der Statistik bei verschiedenen Kassen (ich verweise vor allem auf den gewiss nicht zugunsten der Ärzte parteiischen Rendanten M ü l l e r der Allg. Orts-Krankenkasse zu Magdeburg), hat denn auch ergeben, dass das System der freien Arztwahl keineswegs als die wesentliche Ursache der höheren Ausgaben der Krankenkassen betrachtet werden kann. Die Kosten für ärztliche Behandlung und Heilmittel zeigen zum Teil eine fortgesetzt fallende Tendenz, während andere Ausgaben wesentlich gestiegen sind. Bei anderen Kassen sind durch Beschlüsse des Vorstands und der Generalversammlung die M e h r l e i s t u n g e n (Erhöhung des Krankengelds, Ausdehnung der Krankenpflege, Errichtung von Genesungsheimen, Zahnpflege) ganz beträchtlich erhöht worden, während die ärztlichen Honorare nur eine geringe Erhöhung aufweisen. Bei der Prüfung vieler Krankenkassenstatistiken lässt sich ausserdem konstatieren, dass bei einem Zusammenarbeiten des Krankenkassenvorstands und der Ärzte die vielen in Zeitungen und alarmierenden Veröffentlichungen aufgestellten Behauptungen von dem drohenden Ruin der Krankenkassen durch die Bestrebungen der
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Ärzte falsch sind. Dass die ärztliche Tätigkeit anders honoriert werden musste als in den 80er Jahren, konnte für den Einsichtigen keinem Zweifel unterliegen. Arbeiten aber Arzte und Kassenvorstände in dem gleichen Sinne, dem Kranken ihre sozialgesetzlich verbürgten Rechte zu verschaffen und gleichzeitig unnötige Schädigung der Kasse zu vermeiden, so lässt sich ein befriedigendes Ergebnis erzielen. Allerdings sind dabei von beiden Seiten Zugeständnisse notwendig, wovon ich nur von Seiten der Kasse anführen will, dass ein Mitglied n i c h t u n b e g r ü n d e t m e h r m a l s im J a h r d e n A r z t w e c h s e l n d a r f , d a s s e n t s p r e c h e n d e K o n t r o l l e n von seiten der Kassen eingeführt werden usw., von Seiten der Arzte, d a s s ein K a s s e n a r z t , w e l c h e r f o r t g e s e t z t die I n t e r e s s e n der K a s s e und s e i n e r K o l l e g e n schädigt, aus der k a s s e n ä r z t l i c h e n T ä t i g k e i t e n t f e r n t werden kann. Weiterhin ist für Streitfälle die Einrichtung einer p a r i t ä t i s c h e n E i n i g u n g s k o m m i s s i o n unter einem unparteiischen Vorsitzenden dringendes Erfordernis. Die Bestrebungen des Deutschen Ärztevereinsbundes, d i e f r e i e A r z t w a h l bei den Krankenkassen gesetzlich eingeführt zu sehen, haben in der Reichsversicherungsordnung keine Erfüllung gefunden. Diese scheint auch in manchen ländlichen Bezirken wegen der hohen Fuhrkosten, welche zu der ärztlichen Tätigkeit hinzukommen und durch die gleichzeitige Tätigkeit mehrerer Kassenärzte sehr hoch werden können, kaum durchführbar. Es mag auch andere Verhältnisse geben, in welchen die E i n f ü h r u n g d e r f r e i e n A r z t w a h l grossen B e d e n k e n begegnet. Wenn aber die Kassenvorstände in derartigen Fällen sich entschliessen, mit den Ärzten des Bezirks die in Betracht kommenden Punkte zu beraten, so wird sich in den meisten Fällen ein Weg finden, um ein friedliches und erfolgreiches Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Die Gesetzgebung hat die Regelung des kassenärztlichen Dienstes besonderen s c h r i f t l i c h e n V e r t r ä g e n überlassen. Falls aber eine Kasse k e i n e n V e r t r a g zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schliessen kann, oder diese einen Vertrag nicht einhalten, und dadurch die ärztliche Versorgung der Kassenmitglieder ernstlich gefährdet ist, kann die Krankenkasse mit Genehmigung des Oberversicherungsamtes s t a t t d e r K r a n k e n p f l e g e oder der sonst erforderlichen ärztlichen
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Behandlung eine b a r e L e i s t u n g b i s zu z w e i D r i t t e l des Durchschnittsbetrags ihres gesetzlichen Krankengeldes gewähren. Das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) kann zugleich bestimmen: 1. wie der Zustand dessen, der die Leistungen erhalten soll, a nd e r s a l s d u r c h ä r z t l i c h e Bescheinigung nachgewiesen werden darf, 2. dass die Kasse ihre Leistungen so lange einstellen oder zurückhalten darf, bis ein ausreichender Nachweis erbracht ist, 3. dass die Leistungsptlicht der Kasse erlischt, wenn binnen einem Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs kein ausreichender Kachweis erbracht ist, 4. dass die Kasse diejenigen, denen sie ärztliche Behandlung zu gewähren hat, in ein Krankenhaus verweisen darf, auch wenn eine gesetzliche Begründung hierfür fehlt. Die Folgen dieser Bestimmungen lassen sich noch nicht übersehen. M u g d a n glaubt allerdings, dass keine Krankenkasse es aushält, auch nur 14 Tage ohne Kassenärzte zu sein. Ich habe bei einer Betriebskrankenkasse, die über zunehmende Ausgaben klagte, den Versuch ohne Kassenärzte zu sein, etwa ein Jahr lang beobachtet. Die Kasse glaubte bei den Mindestsätzen der Gebührenordnung durch Druck auf die Mitglieder, ärztliche Hilfe möglichst selten in Anspruch zu nehmen, sich besser zu stehen. Während des ersten halben Jahres gelang es, ein gutes Resultat für die Kasse zu erzielen; als aber nur eine kleine Grippeepidemie ausbrach, stand sich die Kasse viel schlechter als in den Jahren zuvor und trat schleunigst dem schon vor Jahresfrist angebotenen Vertrag bei. Bei grossen Ortskrankenkassen wird die Durchführung der K a s s e n a u f g a b e n o h n e Ä r z t e sicher auf die grössten Schwierigkeiten stossen. So einfach, wie viele sieh die Beurteilung eines Krankheitszustandes denken, ist dieselbe doch nicht. Auch die Krankenhäuser werden als Ersatz zum Teil sicher versagen. Man kann den Ärzten der Krankenhäuser unmöglich zumuten, eine wesentlich kassenärztliche Tätigkeit nebenbei u n d im K a m p f g e g e n d i e Ä r z t e zu übernehmen. Dass der Mangel eines Kassenvertrags mit seinen Folgen auch für die Ärzte unerfreulich ist, kann nicht bezweifelt werden. Sie dürfen die Hilfe in dringenden Fällen nicht versagen, müssen aber das Honorar von den Kranken beanspruchen, die ein erhöhtes
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K r a n k e n g e l d erhalten. Die Einziehung des ärztlichen Honorars von Mitgliedern der K r a n k e n k a s s e n wird aber um so grössere Schwierigkeiten machen, je weniger der Arzt g e w o h n t ist, von solchen Kranken die sofortige Bezahlung zu verlangen. Bei der Berechnung der Minimaltaxe würden die Kassenmitglieder auch wesentlich höhere B e t r ä g e f ü r ärztliche Leistungen zu zahlen haben, als sie bei den f ü r die Kassen noch recht gunstigen K r a n k e n k a s s e n v e r t r ä g e n zahlen. Alle diese U m s t ä n d e würden sicher eine grosse Unzufriedenheit im Gefolge haben. Nun hat allerdings die Verwaltungsbehörde einen Ausweg. Genügen bei einer K r a n k e n k a s s e die ärztliche Behandlung oder K r a n k e n h a u s p f l e g e nicht den berechtigten Anforderungen der E r k r a n k t e n , so k a n n das Oberversicherungsamt nach Anhören d e r K a s s e jederzeit anordnen, dass diese Leistungen noch durch andere Ä r z t e und K r a n k e n h ä u s e r zu g e w ä h r e n sind. Das ist schon in manchen Fällen geschehen und hat die berechtigten Bestrebungen der Ärzte und der K r a n k e n zum Sieg g e f ü h r t . Vielfach w a r der p e k u n i ä r e E r f o l g f ü r die Ärzte nicht gross, da die in der Kampfzeit fest angestellten Ärzte nicht einfach gehaltlos entlassen werden konnten. N a c h der Reichsversicherungsordnung ist mit derartigen Schwierigkeiten weniger zu rechnen. Die kassenärztliche T ä t i g k e i t und ihre
Honorierung.
Nach der Gebührenordnung f ü r Ä r z t e hat der bei Kassenk r a n k e n t ä t i g e Arzt f ü r seine B e m ü h u n g e n die Minimaltaxe f ü r die Einzelleistung zu beanspruchen. Diese Minimaltaxe ist schon r e c h t gering, aber h ö h e r a l s d e r d u r c h s c h n i t t l i c h e B e t r a g , den die K r a n k e n k a s s e n seither f ü r ärztliche Behandlung ausgegeben haben. Nach der seitherigen E n t w i c k l u n g und auf Grund der Reichsversicherungsordnung werden in Deutschland die n a c h f o l g e n d e n Systeme der kassenärztlichen T ä t i g k e i t bestehen, wobei die Anstellung und Entlassung auf G r u n d des vom Gesetz vorgeschriebenen Vertrags erfolgt. Zunächst 1. dasjenige des f i x i e r t e n K a s s e n a r z t e s , der gegen eine bestimmte Summe die Behandlung einer unbegrenzten Zahl von Kassenmitgliedern übernimmt. Diese Stellungen h a b e n von J a h r zu J a h r an Zahl abgenommen. Als kombiniertes System besteht
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Die Krankenversicherung.
K r a n k e n g e l d erhalten. Die Einziehung des ärztlichen Honorars von Mitgliedern der K r a n k e n k a s s e n wird aber um so grössere Schwierigkeiten machen, je weniger der Arzt g e w o h n t ist, von solchen Kranken die sofortige Bezahlung zu verlangen. Bei der Berechnung der Minimaltaxe würden die Kassenmitglieder auch wesentlich höhere B e t r ä g e f ü r ärztliche Leistungen zu zahlen haben, als sie bei den f ü r die Kassen noch recht gunstigen K r a n k e n k a s s e n v e r t r ä g e n zahlen. Alle diese U m s t ä n d e würden sicher eine grosse Unzufriedenheit im Gefolge haben. Nun hat allerdings die Verwaltungsbehörde einen Ausweg. Genügen bei einer K r a n k e n k a s s e die ärztliche Behandlung oder K r a n k e n h a u s p f l e g e nicht den berechtigten Anforderungen der E r k r a n k t e n , so k a n n das Oberversicherungsamt nach Anhören d e r K a s s e jederzeit anordnen, dass diese Leistungen noch durch andere Ä r z t e und K r a n k e n h ä u s e r zu g e w ä h r e n sind. Das ist schon in manchen Fällen geschehen und hat die berechtigten Bestrebungen der Ärzte und der K r a n k e n zum Sieg g e f ü h r t . Vielfach w a r der p e k u n i ä r e E r f o l g f ü r die Ärzte nicht gross, da die in der Kampfzeit fest angestellten Ärzte nicht einfach gehaltlos entlassen werden konnten. N a c h der Reichsversicherungsordnung ist mit derartigen Schwierigkeiten weniger zu rechnen. Die kassenärztliche T ä t i g k e i t und ihre
Honorierung.
Nach der Gebührenordnung f ü r Ä r z t e hat der bei Kassenk r a n k e n t ä t i g e Arzt f ü r seine B e m ü h u n g e n die Minimaltaxe f ü r die Einzelleistung zu beanspruchen. Diese Minimaltaxe ist schon r e c h t gering, aber h ö h e r a l s d e r d u r c h s c h n i t t l i c h e B e t r a g , den die K r a n k e n k a s s e n seither f ü r ärztliche Behandlung ausgegeben haben. Nach der seitherigen E n t w i c k l u n g und auf Grund der Reichsversicherungsordnung werden in Deutschland die n a c h f o l g e n d e n Systeme der kassenärztlichen T ä t i g k e i t bestehen, wobei die Anstellung und Entlassung auf G r u n d des vom Gesetz vorgeschriebenen Vertrags erfolgt. Zunächst 1. dasjenige des f i x i e r t e n K a s s e n a r z t e s , der gegen eine bestimmte Summe die Behandlung einer unbegrenzten Zahl von Kassenmitgliedern übernimmt. Diese Stellungen h a b e n von J a h r zu J a h r an Zahl abgenommen. Als kombiniertes System besteht
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diese Stellung im Herzogtum Nassau, wo die Kassenärzte ein geringes Fixum erhalten und daneben für jede ärztliche Leistung allerdings sehr gering honoriert werden; 2. dasjenige des a n g e s t e l l t e n K a s s e n a r z t e s mit Honorierung der L e i s t u n g nach der K o p f z a h l der Kassenmitglieder. Dieses System ist vielfach bei staatlichen Kassen eingeführt, hat aber gelegentlich auch schon Konflikte; zwischen den Behörden und Ärzten im Gefolge gehabt. Trotz Widerspruchs der deutschen Ärzte haben in jüngster Zeit 95 Ärzte der Pfalz einen entsprechenden Vertrag als Bahnärzte angenommen, laut welchem für das Kassenmitglied vier Mark und für die Familie zwölf Mark für das Jahr bezahlt werden; 3. dasjenige der f r e i e n Arz t w ä h l , die allerdings nur eine b e d i n g t e ist, da sie sich nur auf die Ärzte erstreckt, welche sich der Kasse durch die V e r t r a g s k o m m i s s i o n und auf Grund bestimmter V e r e i n b a r u n g e n zur Verfügung gestellt haben. In diesem System stehen zwei verschiedene Berechnungsarten der ärztlichen Honorierung einander gegenüber: a) dasjenige der Berechnung der E i n z e l l e i s t u n g e n ; b) dasjenige der Honorierung des e i n z e l n e n Arztes nach der K o p f z a h l s e i n e r K r a n k e n , wobei allerdings manche grösseren Einzelleistungen, wie Geburten, Operationen, Besuche bei grösseren Entfernungen, besonders vergütet werden. Die Honorierung der Ärzte mit Berechnung der E i n z e l l e i s t u n g auf Grund eines Vertrags mit o r g a n i s i e r t e r f r e i e r A r z t w a h l setzt, wie C a r l Wie b e i richtig ausführt, eine gewisse Selbsterziehung beider Vertragsschliessenden voraus. Es muss verlangt werden, dass die Ärzte die Bestimmungen des Vertrags nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen, dass sie ihre ärztliche Tätigkeit auf das wirklich Notwendige beschränken, oder nur diese in Rechnung setzen, dass sie alles tun die Genesung zu fördern und auf jeden überflüssigen Luxus in den Verordnungen verzichten, dass sie ordnungsgemäss vierteljährlich ihre Rechnungen an die Krankenkassen-Kommission einreichen und mit den Anordnungen dieser einverstanden sind. Im allgemeinen werden Beratungen im Hause des Arztes und Besuche getrennt berechnet; ausserdem werden für b e s o n d e r e V e r r i c h t u n g e n u n d L e i s t u n g e n (Geburten, Nachtbesuche, Besuche auf weitere Entfernungen) Zuschläge oder die Sätze R u m p f , Arzt und Reichsversieherungsordnung.
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der staatlichen Minimaltaxe in A n w e n d u n g g e b r a c h t . Allerdings werden die R e c h n u n g e n der Ärzte n i c h t in v o l l e r H ö h e beglichen, sondern n a c h den der Kasse zur V e r f ü g u n g stehenden Mitteln. Die Düsseldorfer K r a n k e n k a s s e n zahlen zurzeit ein Pauschale von 4 . 5 0 M. pro J a h r und Kassenmitglied und 9.00 M. f ü r Behandlung der Familie mit gewissen geringen Modifikationen bei höheren oder geringeren Leistungen. Die Bonner Ortskrankenkasse zahlt pro Kopf und J a h r 5.00 M. und f ü r B e h a n d l u n g der Angehörigen des betreffenden Mitgliedes 13.00 M. im J a h r . Die Behandlung der von auswärtigen Kassen ü b e r w i e s e n e n K r a n k e n wird besonders honoriert, ebenso die ärztliche Untersuchung der f r e i w i l l i g e n Mitglieder vor Eintritt in die Kasse. Der Kassenvorstand erhält j e d e Bescheinigung und A u s k u n f t o h n e E n t g e l t ; d a g e g e n w e r d e n f ü r Ausfüllung eines F r a g e bogens betreffs A u f n a h m e eines K r a n k e n in die Provinzial-Irrenheilanstalt 5 M. berechnet. Die von den Kassen gezahlten Bet r ä g e sind in der Regel wesentlich geringer als die Rechnungen, welche die Ärzte f ü r ihre Leistungen an die Vertragskommission einreichen, so dass diese um den entsprechenden Prozentsatz r e d u z i e r t w e r d e n . Um aber dem Umstand vorzubeugen, dass Ärzte mehr Leistungen machen, als richtig ist, und K r a n k e n ihren Wünschen entsprechend länger Krankenscheine ausstellen, als notwendig ist, bestehen einige Kontrolleinrichtungen. Zunächst besteht entweder eine Kontrollkommission, oder die vertragliche Möglichkeit, dass sowohl auf A n t r a g des Kassenarztes als des Vorstandes der K r a n k e n k a s s e N a c h u n t e r s u c h u n g e n simulationsverdächtigter K r a n k e n veranlasst w e r d e n können. Bei F a h r l ä s s i g k e i t des Arztes können diesem die hierdurch entstandenen Mehrkosten der Kasse a u f g e b ü r d e t werden. Die Ärzte der Düsseldorfer K r a n k e n k a s s e n haben ausserdem ein besonderes System der R e d u k t i o n der ärztlichen R e c h n u n g e n . N a c h d e m diese von der Krankenkassenkommission unter Zugrundelegung der Gesamtdurchschnittszahl d e r ärztlichen Leistungen f ü r jeden Krankheitsfall g e k ü r z t sind, erleiden diejenigen Ärzte, bei welchen die durchschnittliche Zahl der Leistungen f ü r den K r a n k heitsfall (Konsultationen, Besuche und Extraleistungen je = 1 gerechnet) den Gesamtdurchschnitt Ubertrifft, eine Kürzung, und zwar b e t r ä g t diese:
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a) bei Überschreiten um mehr als 0,3 : 10 °/0 b) „ „ » „ „ 1,0:20% c) „ „ „ „ „ 1,5:30% des berechneten Honorars. Die Vertragskommission der Ärzte des Stadtkreises Bonn übt ein etwas anderes Verfahren, indem mit der H ö h e der R e c h n u n g e n für ärztliche Leistungen d i e R e d u k t i o n a n s t e i g t . Differenzen zwischen Ärzten und den Kassen werden auf Grund der Verträge durch ein paritätisches Schiedsgericht geschlichtet. Die zweite Form der Berechnung der f r e i e n A r z t w a h l ist wesentlich einfacher. Bei dieser benennt das Kassenmitglied Ende des Jahres für das nächste Jahr schriftlich seinen Arzt, hat aber nach einem Vierteljahr das Recht, beim Vorstand der Kasse einen Wechsel zu beantragen. Dem betreffenden Arzt werden die Namen der Klienten mitgeteilt mit dem etwaigen vierteljährigen Wechsel. Dafür werden teilweise als Pauschale 4 M. bis 4,75 M. pro Kopf und Jahr bezahlt; Nachtkonsultationen und Nachtbesuche, sowie Operationen und besondere Leistungen werden extra berechnet. Die Zuziehung eines Spezialarztes wird teilweise von der Zustimmung des Kassenvorstandes und einer etwaigen Konsultation mit einem zweiten Kassenarzt abhängig gemacht. Im ganzen stehen sich die Ärzte bei diesem Modus nicht schlechter. Ein Vergleich der Ausgaben einer derartigen Betriebskrankenkasse mit denjenigen der Düsseldorfer Ortskrankenkassen aus dem Jahre 1911 ergibt nahezu die gleichen Werte. Bei beiden sind die Arzneikosten im Laufe der Jahre ungefähr gleich geblieben, doch sind die Ausgaben für Krankenhauspflege in den Städten höher. Einzelne staatliche Kassen gestatten ihren Mitgliedern eine beschränkte freie Ärztewahl in der Art, dass ein Teil der Ärzte von der Behörde gewählt, ein anderer Teil auf Vorschlag der ärztlichen Vertragskommission oder des Ärztevereins des Bezirks ernannt wird. An diesen Kassen sind somit ausser den behördlich angestellten auch solche Ärzte tätig, welche von dem Ärzteverein des Bezirks bestimmt werden.
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Wenn der Versicherte die M e h r k o s t e n trägt, so soll ihm die Auswahl unter den von der Kasse bestellten Ärzten freistehen. In diesem Falle sind zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder der Kranke trägt die Kosten für die Behandlung und lässt sich von der Kasse den Betrag, welchen der zuständige Arzt zu fordern hätte, zurückzahlen, oder der Kranke trägt nur die Mehrkosten, während die Kasse dem Arzt den Betrag erstattet, den sie sonst dem zuständigen Arzt hätte erstatten müssen. Der erste Modus ist schon vielfach von Kassen geübt worden, wenn sie Kranken zur Beurteilung schwieriger Fälle die Erlaubnis erteilten, einen hervorragend erfahrenen Arzt aufzusuchen. Derselbe scheint wohl angängig zu sein und dürfte sich für die Zukunft noch mehr empfehlen, als der zweite Fall, in welchem der Arzt doppelte Rechnung stellen muss. Alle diese Kassen unterscheiden nicht zwischen V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n und V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g t e n . In jüngster Zeit ist von seiten des Leipziger Verbandes für die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit eine neue Form des Vertrags in Vorschlag gebracht und mit den Krankenkassen für die kaufmännischen Angestellten von seiten des deutschen Ärzteverbandes vollzogen worden: ein T a r i f v e r t r a g . Den Kassenmitgliedern steht die Wahl unter den Kassenärzten zu, sie werden aber in die Gruppen V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e und V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g t e getrennt und haben sich dem Arzt gegenüber nach dieser Richtung auszuweisen. Während die ärztlichen Leistungen der Versicherungspflichtigen auf Grund der M i n i m a l t a x e bezahlt werden, erfolgt die Honorierung der den Nichtversicherungspflichtigen geleisteten ärztlichen Hilfe nach f r e i e r V e r e i n b a r u n g zwischen Arzt und Patient. Die Kassenärzte sind aber verpflichtet, den Patienten auf Verlangen Krankenscheine und spezifizierte Rechnung auszustellen. Kontrolleinrichtungen und Schiedsgerichte sind ähnlich wie bei den anderen Krankenkassen vorhanden. Derartige Tarifverträge können sehr wohl auch bei anderen Krankenkassen in Anwendung gezogen werden. Die Aufnahme V e r s i c h e r u n g s b e r e c h t i g t e r mit einem h ö h e r e n Einkommen stellt für die Krankenkassen eine B e lastung z u u n g u n s t e n der w e n i g e r g u t S i t u i e r t e n dar, da als höchster Beitrag 6 °/0 von 6 M. Tageslohn, also 36 Pf., be-
Die Krankenversicherung 1 .
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rechnet wird. Wird nun pro Kopf und Jahr ein bestimmter, durch die höhere Grenze erhöhter Betrag für ärztliches Honorar bewilligt, so fällt die stattfindende Erhöhung des ärztlichen Honorars allen Mitgliedern zur Last, während der Versicherungsberechtigte mit 2499 M. Einkommen gesetzlich nicht mehr zahlt, als ein Versicherungspflichtiger mit 1800 M. Einkommen. Die Einführung der Reichsversicherungsordnung in bezug auf die Krankenversicherung, welche für den 1. Januar 1913 geplant ist, wird noch zu mancherlei Schwierigkeiten bezüglich der jetzt bestehenden Verträge führen. Da diese Verträge wesentliche Änderungen bringen, so werden zweifellos neue Verträge geschlossen werden müssen.
In früherer Zeit bestanden vielfach Missstände bezüglich der von anderen Krankenkassen überwiesenen Mitglieder. Ältere Kassenverträge verpflichteten die Ärzte häufig, diese ohne besondere Vergütung zu behandeln. Nach den neueren Verträgen werden f ü r diese sowie für Unfallverletzte, für welche die Berufsgenossenschaften einzutreten haben, in der Regel die Leistungen des Kassenaiztes besonders (meist nach der Minimaltaxe) honoriert. Das gleiche ist der Fall, wenn eine Krankenkasse einen Kranken nach ausserhalb beurlaubt und die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung entsteht. Die T a x e wird zweckmässigerweise auch dort Anwendung finden, wo auf Antrag eines A r b e i t g e b e r s dieser von der K r a n k e n v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t seiner landwirtschaftlichen Arbeiter und Dienstboten befreit ist, weil diesen die gleichen Leistungen wie diejenigen der zuständigen Krankenkassen zugesichert sind. Dringende Fälle. Die Krankenkasse kann, wie oben schon gesagt, die Bezahlung anderer Ärzte als der durch schriftlichen Vertrag verpflichteten, a b g e s e h e n v o n d r i n g e n d e n F ä l l e n , ablehnen. Es frägt sich nun zuerst, was ein dringender Fall ist. Dringende Fälle im Sinne der K.V. sind solche, in denen eine e r h e b l i c h e G e f a h r für das L e b e n , die G e s u n d h e i t oder die A r b e i t s f ä h i g k e i t des Kranken angenommen werden muss. Wem fällt nun die Entscheidung über die Dringlichkeit des Falls
Die Krankenversicherung 1 .
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rechnet wird. Wird nun pro Kopf und Jahr ein bestimmter, durch die höhere Grenze erhöhter Betrag für ärztliches Honorar bewilligt, so fällt die stattfindende Erhöhung des ärztlichen Honorars allen Mitgliedern zur Last, während der Versicherungsberechtigte mit 2499 M. Einkommen gesetzlich nicht mehr zahlt, als ein Versicherungspflichtiger mit 1800 M. Einkommen. Die Einführung der Reichsversicherungsordnung in bezug auf die Krankenversicherung, welche für den 1. Januar 1913 geplant ist, wird noch zu mancherlei Schwierigkeiten bezüglich der jetzt bestehenden Verträge führen. Da diese Verträge wesentliche Änderungen bringen, so werden zweifellos neue Verträge geschlossen werden müssen.
In früherer Zeit bestanden vielfach Missstände bezüglich der von anderen Krankenkassen überwiesenen Mitglieder. Ältere Kassenverträge verpflichteten die Ärzte häufig, diese ohne besondere Vergütung zu behandeln. Nach den neueren Verträgen werden f ü r diese sowie für Unfallverletzte, für welche die Berufsgenossenschaften einzutreten haben, in der Regel die Leistungen des Kassenaiztes besonders (meist nach der Minimaltaxe) honoriert. Das gleiche ist der Fall, wenn eine Krankenkasse einen Kranken nach ausserhalb beurlaubt und die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung entsteht. Die T a x e wird zweckmässigerweise auch dort Anwendung finden, wo auf Antrag eines A r b e i t g e b e r s dieser von der K r a n k e n v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t seiner landwirtschaftlichen Arbeiter und Dienstboten befreit ist, weil diesen die gleichen Leistungen wie diejenigen der zuständigen Krankenkassen zugesichert sind. Dringende Fälle. Die Krankenkasse kann, wie oben schon gesagt, die Bezahlung anderer Ärzte als der durch schriftlichen Vertrag verpflichteten, a b g e s e h e n v o n d r i n g e n d e n F ä l l e n , ablehnen. Es frägt sich nun zuerst, was ein dringender Fall ist. Dringende Fälle im Sinne der K.V. sind solche, in denen eine e r h e b l i c h e G e f a h r für das L e b e n , die G e s u n d h e i t oder die A r b e i t s f ä h i g k e i t des Kranken angenommen werden muss. Wem fällt nun die Entscheidung über die Dringlichkeit des Falls
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zu? Würde man die Überzeugung des K r a n k e n von der Dringlichkeit als genügend erachten, so läge die Gefahr vor, dass ein nervöser Mensch, der seine Gesundheitsstörung überschätzt, in jedem Augenblick, falls der Kassenarzt nicht direkt zu erreichen ist, einen anderen Arzt und ev. einen Spezialarzt zuzieht. Da diese Auffassung gewiss nicht dem Sinne des Gesetzes entspricht, so dürfte für viele Fälle entscheidend sein, wie sich die Sachlage bei verständiger Beurteilung darstellen müsste. Doch werden bei Weigerung der Kasse manche Fälle erst die Gerichte beschäftigen. Der Braunschweigische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Sitzung vom 6. November 1907 entschieden, dass ein dringender Fall im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes auch dann vorliegen kann, wenn die k a s s e n ä r z t l i c h e B e h a n d l u n g n i c h t a u s r e i c h t und der K a s s e n v o r s t a n d nicht eingriff und die Z u z i e h u n g eines S p e z i a l a r z t e s v e r w e i g e r t e . Unzureichende, d. h. sachwidrige und nachlässige Hilfe des Kassenarztes berechtigt also den Kranken, die Zuziehung anderweitiger Hilfe zu verlangen. Verweigert der Kassenvorstand diese, so liegt ein dringender Fall vor, der den Kranken berechtigt, andere ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vielfach wird von dem z u g e z o g e n e n Arzt der Beweis verlangt werden, dass ein dringender Fall vorlag, wobei aber auch der S e e l e n z u s t a n d e i n e s K r a n k e n Berücksichtigung erheischt. Ist durch Nachweis des Arztes und andere Z e u g e n der Beweis der Dringlichkeit erbracht, so muss die Kasse die erwachsenen notwendigen Kosten tragen. Im allgemeinen betreffen die Pflichten der Kasse nur d i e L e i s t u n g der e r s t e n H i l f e ; für die weitere Behandlung ist dann der Kassenarzt zuständig. Aber diese Zuständigkeit erleidet eine Einschränkung, wenn durch die E i g e n t ü m l i c h k e i t des Falls bei der Übernahme der Behandlung durch den Kassenarzt eine G e f ä h r d u n g des Kranken eintreten würde. Der R e c h t s a n s p r u c h des zugezogenen Arztes kann direkt an die K a s s e geltend gemacht werden, wenn der Arzt aufgefordert wurde, an Stelle des Kassenarztes in einem dringenden Fall zu helfen. Die Kasse muss nun die Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte vergüten. Ist der Arzt von dem K r a n k e n oder seiner F a m i l i e zu einem dringenden Fall als Helfer gerufen worden, so erwächst der H o n o r a r a n s p r u c h an den P a t i e n t e n ,
Die Krankenversicherung.
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der für die notwendigen Auslagen von der Krankenkasse entsprechenden Ersatz beanspruchen kann. Hat ein Dritter, nicht Verpflichteter, den Arzt gerufen, weil ein Notfall vorlag, so entsteht der Rechtsanspruch des Arztes auf Grund der G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g . In diesem Fall kann die Krankenkasse zum Ersatz der Aufwendungen (einschliesslich eines a n g e m e s s e n e n H o n o r a r s ) direkt in Anspruch genommen werden. Allerdings sind die Entscheidungen der Gerichte nicht einheitlich. Krankenkassen
und
Apotheken.
Die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt die H ö h e d e s A b s c h l a g s von den Preisen der Arzneitaxe, welche die Apotheken den Krankenkassen zu gewähren haben. Die Höhe dieses Abschlags kann auch von der Höhe des Bezugs abhängig gemacht werden. Ebenso setzt die höhere Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse auch die H ö c h s t p r e i s e der H a n d v e r k a u f s m i t t e 1 fest. Doch kann der Vorstand der Kasse mit einzelnen Apothekenbesitzern wegen der dem freien Verkehr überlassencn Heilmittel Vereinbarungen treffen. Diesen Vereinbarungen können a l l e A p o t h e k e n im Bereiche der Kasse b e i t r e t e n . Aufsicht und
Streitverfahren.
Die Krankenkassen eines Bezirks unterstehen der Aufsicht des Versicherungsamts. Dieses entscheidet in e r s t e r I n s t a n z die Streitigkeiten zwischen Versicherten und Krankenkassen sowie zwischen verschiedenen Krankenkassen. Gegen die Entscheidung des Versicherungsamts oder seines Vorsitzenden kann Berufung an das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t erfolgen. Dieses entscheidet in der früher erwähnten Spruchkammer. Der Antragsteller kann bei dem Oberversicherungsamt beantragen, dass ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört wird. Doch steht es dem Oberversicherungsamt, falls es diesem Antrag stattgeben will, zu, diese Anhörung von der Bedingung abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten für die Vernehmung und Begutachtung dieses Arztes vorschiesst und sie, falls das Oberversicherungsamt nicht anders entscheidet, endgültig trägt.
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der für die notwendigen Auslagen von der Krankenkasse entsprechenden Ersatz beanspruchen kann. Hat ein Dritter, nicht Verpflichteter, den Arzt gerufen, weil ein Notfall vorlag, so entsteht der Rechtsanspruch des Arztes auf Grund der G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g . In diesem Fall kann die Krankenkasse zum Ersatz der Aufwendungen (einschliesslich eines a n g e m e s s e n e n H o n o r a r s ) direkt in Anspruch genommen werden. Allerdings sind die Entscheidungen der Gerichte nicht einheitlich. Krankenkassen
und
Apotheken.
Die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt die H ö h e d e s A b s c h l a g s von den Preisen der Arzneitaxe, welche die Apotheken den Krankenkassen zu gewähren haben. Die Höhe dieses Abschlags kann auch von der Höhe des Bezugs abhängig gemacht werden. Ebenso setzt die höhere Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse auch die H ö c h s t p r e i s e der H a n d v e r k a u f s m i t t e 1 fest. Doch kann der Vorstand der Kasse mit einzelnen Apothekenbesitzern wegen der dem freien Verkehr überlassencn Heilmittel Vereinbarungen treffen. Diesen Vereinbarungen können a l l e A p o t h e k e n im Bereiche der Kasse b e i t r e t e n . Aufsicht und
Streitverfahren.
Die Krankenkassen eines Bezirks unterstehen der Aufsicht des Versicherungsamts. Dieses entscheidet in e r s t e r I n s t a n z die Streitigkeiten zwischen Versicherten und Krankenkassen sowie zwischen verschiedenen Krankenkassen. Gegen die Entscheidung des Versicherungsamts oder seines Vorsitzenden kann Berufung an das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t erfolgen. Dieses entscheidet in der früher erwähnten Spruchkammer. Der Antragsteller kann bei dem Oberversicherungsamt beantragen, dass ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört wird. Doch steht es dem Oberversicherungsamt, falls es diesem Antrag stattgeben will, zu, diese Anhörung von der Bedingung abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten für die Vernehmung und Begutachtung dieses Arztes vorschiesst und sie, falls das Oberversicherungsamt nicht anders entscheidet, endgültig trägt.
Die Krankenversicherung.
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der für die notwendigen Auslagen von der Krankenkasse entsprechenden Ersatz beanspruchen kann. Hat ein Dritter, nicht Verpflichteter, den Arzt gerufen, weil ein Notfall vorlag, so entsteht der Rechtsanspruch des Arztes auf Grund der G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g . In diesem Fall kann die Krankenkasse zum Ersatz der Aufwendungen (einschliesslich eines a n g e m e s s e n e n H o n o r a r s ) direkt in Anspruch genommen werden. Allerdings sind die Entscheidungen der Gerichte nicht einheitlich. Krankenkassen
und
Apotheken.
Die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt die H ö h e d e s A b s c h l a g s von den Preisen der Arzneitaxe, welche die Apotheken den Krankenkassen zu gewähren haben. Die Höhe dieses Abschlags kann auch von der Höhe des Bezugs abhängig gemacht werden. Ebenso setzt die höhere Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse auch die H ö c h s t p r e i s e der H a n d v e r k a u f s m i t t e 1 fest. Doch kann der Vorstand der Kasse mit einzelnen Apothekenbesitzern wegen der dem freien Verkehr überlassencn Heilmittel Vereinbarungen treffen. Diesen Vereinbarungen können a l l e A p o t h e k e n im Bereiche der Kasse b e i t r e t e n . Aufsicht und
Streitverfahren.
Die Krankenkassen eines Bezirks unterstehen der Aufsicht des Versicherungsamts. Dieses entscheidet in e r s t e r I n s t a n z die Streitigkeiten zwischen Versicherten und Krankenkassen sowie zwischen verschiedenen Krankenkassen. Gegen die Entscheidung des Versicherungsamts oder seines Vorsitzenden kann Berufung an das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t erfolgen. Dieses entscheidet in der früher erwähnten Spruchkammer. Der Antragsteller kann bei dem Oberversicherungsamt beantragen, dass ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört wird. Doch steht es dem Oberversicherungsamt, falls es diesem Antrag stattgeben will, zu, diese Anhörung von der Bedingung abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten für die Vernehmung und Begutachtung dieses Arztes vorschiesst und sie, falls das Oberversicherungsamt nicht anders entscheidet, endgültig trägt.
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Die Unfallversicherung.
Gegen die Entscheidung des Oberversicherungsamts ist eine Revision beim R e i c h s v e r s i c h e r u n g s a m t nur dann zulassig, wenn 1. das angefochtene Urteil auf Nichtanwendung oder unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts oder auf einem Verstoss wider den klaren Inhalt der Akten beruht, oder 2. das Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet. Bei Streit über die Höhe des Kranken-, Haus- oder Sterbegelds, bei Unterstützungsfällen von weniger als acht Wochen Arbeitsunfähigkeit, Wochenhilfe, Familicnhilfe, Abfindung, Kosten des Verfahrens ist eine Revision ausgeschlossen.
Die Unfallversicherung. Den grossen Gefabren, welche die zunehmende Industrie und die Einführung eines ausgedehnten maschinellen Betriebes im Gefolge hatte, suchte das im J a h r e 1871 erlassene H a f t p f l i c h t g e s e t z entgegenzutreten. Hierdurch wurde der Unternehmer eines Betriebes haftpflichtig für Unfälle, welche durch V e r s c h u l d e n des U n t e r n e h m e r s oder eines B e t r i e b s b e a m t e n hervorgerufen werden. Da aber bei vielen Unfällen die Schuld zweifelhaft ist, und da aus der Privatversicherung der Unternehmer vielfach unerfreuliche Prozesse entstanden, so ertschloss sich die Reichsregierung, zur Z w a n g s v e r s i c h e r u n g überzugehen, für die sich ein Vorbild schon auf dem Gebiet des Bergbaus in den Genossenschaften zur gegenseitigen Unterstützung vorfand. Das erste Unfallversicherungsgesetz datiert vom 6. Juli 1884. Nach vielfachen gesetzlichen Ausdehnungen trat am 30. Juni 1900 das umgearbeitete Unfallversicherungsgesetz in Kraft, das in seinen grundlegenden Bestimmungen in die Reichsversicherungsordnung aufgenommen ist. Mit dem 1. J a n u a r 1913 wird vermutlich der Teil der Reichsversicherungsordnung, welcher die erweiterte Unfallversicherung umfasst, in K r a f t treten. Der Versicherung unterliegen: 1. Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüche, Gräbereien (Gruben),
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Die Unfallversicherung.
Gegen die Entscheidung des Oberversicherungsamts ist eine Revision beim R e i c h s v e r s i c h e r u n g s a m t nur dann zulassig, wenn 1. das angefochtene Urteil auf Nichtanwendung oder unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts oder auf einem Verstoss wider den klaren Inhalt der Akten beruht, oder 2. das Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet. Bei Streit über die Höhe des Kranken-, Haus- oder Sterbegelds, bei Unterstützungsfällen von weniger als acht Wochen Arbeitsunfähigkeit, Wochenhilfe, Familicnhilfe, Abfindung, Kosten des Verfahrens ist eine Revision ausgeschlossen.
Die Unfallversicherung. Den grossen Gefabren, welche die zunehmende Industrie und die Einführung eines ausgedehnten maschinellen Betriebes im Gefolge hatte, suchte das im J a h r e 1871 erlassene H a f t p f l i c h t g e s e t z entgegenzutreten. Hierdurch wurde der Unternehmer eines Betriebes haftpflichtig für Unfälle, welche durch V e r s c h u l d e n des U n t e r n e h m e r s oder eines B e t r i e b s b e a m t e n hervorgerufen werden. Da aber bei vielen Unfällen die Schuld zweifelhaft ist, und da aus der Privatversicherung der Unternehmer vielfach unerfreuliche Prozesse entstanden, so ertschloss sich die Reichsregierung, zur Z w a n g s v e r s i c h e r u n g überzugehen, für die sich ein Vorbild schon auf dem Gebiet des Bergbaus in den Genossenschaften zur gegenseitigen Unterstützung vorfand. Das erste Unfallversicherungsgesetz datiert vom 6. Juli 1884. Nach vielfachen gesetzlichen Ausdehnungen trat am 30. Juni 1900 das umgearbeitete Unfallversicherungsgesetz in Kraft, das in seinen grundlegenden Bestimmungen in die Reichsversicherungsordnung aufgenommen ist. Mit dem 1. J a n u a r 1913 wird vermutlich der Teil der Reichsversicherungsordnung, welcher die erweiterte Unfallversicherung umfasst, in K r a f t treten. Der Versicherung unterliegen: 1. Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüche, Gräbereien (Gruben),
Die, Unfallversicherung.
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2. Fabriken, Werften, Hüttenwerke, Apotheken, gewerbliche Brauereien und Gerbereibetriebe, o. Bauhöfe, Gewerbebetriebe, in denen Bau-, Dekorateur-, Steinliauer-, Schlosser-, Schmiede- oder Brunnenarbeiten ausgeführt werden, ferner Steinzerkleinerungsbetriebe sowie Bauarbeiten ausserhalb eines gewerbsmässigen Baubetriebs, 4. das Schornsteinfeger-, das Fensterputzer-, das Fleischergewerbe und der Betrieb von Badeanstalten, 5. der gesamte Betrieb der Eisenbahnen und der Postund Telegraphenverwaltungen sowie die Betriebe der Marine- und Heeresverwaltungen, B. der Binnenschiffahrts-, der Flüsserei-, der Prahm- und der Fährbetrieb, das Schiffziehen (Treidelei), die Binnenlischerei, die Fischzucht, die Teichwirtschaft und die Eisgewinnung, wenn sie gewerbsmässig betrieben oder vom Reiche, einem Bundesstaat, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen öffentlichen Körperschaft verwaltet werden, der Baggereibetrieb sowie das Halten von Fahrzeugen auf Binnengewässern, 7. der Fuhrwerksbetrieb, der Speditionsbetrieb, der Fährbetrieb, der Reittier- und der Stallhaltungsbetrieb, wenn sie gewerbsmässig betrieben werden, das Halten von anderen Fahrzeugen als Wasserfahrzeugen, wenn sie durch elementare oder tierische K r a f t bewegt werden, sowie das Halten von Reittieren, 8. der Speicher-, der Lagerei- und der Kellereibetrieb, wenn sie gewerbsmässig betrieben werden, 9. der Gewerbebetrieb der Güterpacker, Güterlader, Schaffer, Bracker, Wäger, Messer, Schauer, Stauer, 10. Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern und Holzfällungsbetriebe, wenn sie mit einem kaufmännischen Unternehmen verbunden sind, das über den Umfang des Kleinbetriebs hinausgeht, 11. unter der gleichen Voraussetzung (Nr. 10) Betriebe zur Behandlung und H a n d h a b u n g der Ware. Das Reichsversicherungsamt bestimmt, welche kaufmännischen Unternehmen (10 und 11) als Kleinbetriebe der Unfallversicherung nicht unterliegen.
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Die Unfallversicherung-,
Als F a b r i k e n gelten Betriebe mit mindestens z e h n Arbeitern, Betriebe zur Erzeugung von S p r e n g s t o f f e n , e x p l o d i e r e n d e n Gegenständen, e l e k t r i s c h e r K r a f t , oder ihrer Weitergabe, und solche mit regelmässiger Inanspruchnahme von Dampfkesseln oder Triebwerken. Ausser den A r b e i t e r n , G e h i l f e n , G e s e l l e n , Lehrl i n g e n der erwähnten Betriebe sind aber auch B e t r i e b s b e a i n t e , W e r k m e i s t e r und T e c h n i k e r versichert, deren Jahresarbeitsverdienst f ü n f t a u s e n d M a r k an Entgelt nicht übersteigt. Die Unfallversicherung umfasst aber auch die ohne Lohn und Gehalt tätigen Personen, so K i n d e r , welche den Eltern in der Betriebsarbeit helfen, wobei eine s a c h d i e n l i c h e e r n s t e T ä t i g k e i t im Betrieb die Voraussetzung ist, dass ein etwaiger Unfall der Versicherung zur Last fällt. Die Versicherung erstreckt sich weiter auf h ä u s l i c h e und andere D i e n s t e , zu denen Versicherte, die hauptsächlich im Betriebe oder hei versicherten Tätigkeiten beschäftigt sind, von dem Unternehmer oder dessen Beauftragten h e r a n g e z o g e n werden. Durch einen besonderen Abschnitt des Gesetzes ist auch die Tätigkeit der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Betriebe in die Unfallversicherung einbezogen, einschliesslich der Aufbesserung landwirtschaftlicher Gebäude, der Bodenkulturarbeiten, der Übernahme landwirtschaftlicher Arbeiten als Unternehmer, der Gärtnerei-, P a r k und Gartenpflege, des Friedhofsbetriebs (soweit sie nicht der gewerblichen Unfallversicherung unterliegen), sowie der landwirtschaftlichen Nebenbetriebe. Durch die Satzung kann die Versicherungspflicht erstreckt werden: 1. auf B e t r i e b s u n t e r n e h m e r , deren Jahresarbeitsverdienst d r e i t a u s e n d M a r k nicht übersteigt, oder die regelmässig keinen oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen, 2. auf Betriebsbeamte, deren Jahresarbeitsverdienst f ü n f t a u s e n d M a r k an Entgelt übersteigt, 3. ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäftigten Versicherungspflichtigen auf Hausgewerbetreibende, die Unternehmer eines der versicherungspflichtigen Betriebe sind.
Die Unfallversicherung.
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Unternehmer und Binnenlotsen mit mehr als dreitausend Mark Jahresarbeitsverdienst können sich selbst versichern, während V e r s i c h e r u n g s f r e i h e i t für O f f i z i e r e und B e a m t e mit Pensionsanspriichen besteht. Der Berufsgenossenschaft von Baugewerbetreibenden ist eine Zweiganstalt angegliedert für Personen, die ein Unternehmer nichtgewerbsmässiger Bauarbeiten im Bezirk beschäftigt. Dieser gehören auch die selbstversicherten Unternehmer solcher Bauarbeiten an. Ebenso ist der Berufsgenossenschaft von Unternehmern gewerbsmässiger Fuhrwerks- und Binnenschiffahrtsbetriebe eine Zweiganstalt für die Personen angeschlossen, welche bei n i e h tgewerbsmässigem Halten von Reittieren und Fahrzeugen beschäftigt werden. Weiterhin sind durch eine besondere See-Unfallversicherung die auf deutschen Seefahrzeugen, Docks und im Lotsen- und Rettungsdienst beschäftigten Personen gegen Unfälle versichert. Auch die kleinen Unternehmer gewerblicher Betriebe der Seeschiffahrt gehören unter Umständen der Versicherung an. Eine Zweiganstalt der Seeberufsgenossenschaft umfasst den Kleinbetrieb der Seeschiffahrt und die einfachere See- und Küstenfischerei mit den versicherungspflichtigen Unternehmern. Die B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n . Als Träger der Versicherung wurden unter Garantie des Reichs Berufsgenossenschaften auf Gegenseitigkeit geschaffen, d . h . G e n o s s e n s c h a f t e n von Unternehmern der v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n B e t r i e b e , welche nach Gewerbszweigen für das ganze Reich oder für begrenzte Wirtschaftsgebiete gebildet wurden. Die Berufsgenossenschaften besitzen Rechtsfähigkeit und eine weitgehende Selbstverwaltung. Jede Berufsgenossenschaft umschliesst innerhalb ihres Bezirks alle Betriebe der zugehörigen Gewerbszweige, wobei N e b e n b e t r i e b e regelmässig dem H a u p t b e t r i e b folgen. Auch landwirtschaftliche Nebenbetriebe können in die gewerbliche Unfallversicherung einbezogen werden, wenn in ihnen überwiegend die im Hauptbetrieb verwendeten gewerblichen Arbeiter beschäftigt werden. Mitglieder der Genossenschaft sind ausschliesslich die U n t e r n e h m e r , f ü r deren Rechnung die Betriebe erfolgen, und diese haben auch die K o s t e n der V e r s i c h e r u n g zu tragen.
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Im übrigen ist Unternehmer 1. von Bauarbeiten, die nicht in einem gewerbsmässigen Betrieb ausgeführt werden, derjenige, für dessen Rechnung sie gehen; 2. von Tätigkeiten bei nichtgewerbsmässigem Halten von Reittieren oder Fahrzeugen, wer das Reittier oder Fahrzeug hält. Das R e i c h oder der B u n d e s s t a a t , die G e m e i n d e oder der G e m e i n d e v e r b a n d ist Träger der Versicherung, wenn der Betrieb für seine Rechnung geht: 1. bei den P o s t - , T e l e g r a p h e n - , M a r i n e - und H e e r e s verwaltungen ; 2. bei den E i s e n b a h n e n , einschliesslich der Bauarbeiten und der Tätigkeit bei nichtgewerbsmässigem Halten von Reittieren und Fahrzeugen; 3. bei gewissen S c h i f f a h r t s b e t r i e b e n und anderen staatlichen oder öffentlichen Betrieben, welche auf Rechnung der Betreffenden gehen, soweit die Betriebe nicht Berufsgenossenschaften eingereiht werden, deren Mitglied dann der Staat oder die Gemeinde wird. Bei S t a a t s b e t r i e b e n treten an Stelle der Berufsgenossenschaften besondere Ausfiihrungsbehörden. Auch G e m e i n d e v e r b ä n d e können für Bauarbeiten usw. Träger der Versicherung sein. Neben der Wiederherstellung der G e s u n d h e i t und E r w e r b s f ä h i g k e i t Verletzter, neben der Entschädigung von V e r s i c h e r t e n und deren Hinterbliebenen ist es eine wichtige und vornehme Aufgabe der Berufsgenossenschaften, Vorschriften für ihre Mitglieder nnd die Arbeiter zu erlassen, welche bestimmt sind, U n f ä l l e nach M ö g l i c h k e i t zu v e r h ü t e n . Mit grossem Erfolg haben die Berufsgenossenschaften sich dieser Aufgabe schon seither unterzogen, auch zum Teil eine Beaufsichtigung der Betriebe ins Leben treten lassen. Die Reichsversicherungsordnung hat diese Aufgaben noch erweitert und ausser dem Erlass von U n f a l l v e r h ü t u n g s v o r s c h r i f t e n , die dem Reichsversicherungsamt einzureichen sind, auch jährliche Beratungen des Vorstandes mit den Versicherten und den ev. auf Verlangen des Reichsversicherungsamts anzustellenden technischen Aufsichtsbeamten angeordnet. Als technische Beamte können auch Personen angestellt werden, welche früher dem versicherten
Die Unfallversicherung.
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Betrieb als Arbeiter angehört haben. Statt der technischen Aufsichtsbeamten kann ein Unternehmer auch die Ernennung besonderer Sachverständiger verlangen, wenn er einen Schaden für seine geschäftliche Tätigkeit fürchtet. Doch werden die Mitglieder der Genossenschaftsorgane, die technischen Aufsichts- und Rechnungsbeamten, sowie die besonderen Sachverständigen von dem Versicherungsamt e i d l i c h verpflichtet, über das, was ihnen dienstlich bekannt geworden, zu s c h w e i g e n . Sind in einem Betrieb fünfundzwanzig Arbeiter einer fremdsprachigen Muttersprache beschäftigt, so sind die Unfallverhütungsvorschriften (oder die bergpolizeilichen Verordnungen) auch in dieser bekannt zu geben. Die Berufsgenossenschaften regeln ihre innere Verwaltung sowie ihre Geschäftsordnung durch die von der Berufsgenossenschaftsversammlung zu beschliessendcn S a t z u n g e n . Der Vorstand wird auf Grund dieser Satzungen gewählt.. Bei Vereinigung verschiedenartiger Gewerbszweige sollen diese möglichst im Vorstand vertreten sein. Die Berufsgenossenschaft kann in örtlich abgetrennte S e k t i o n e n eingeteilt werden, und V e r t r a u e n s m ä n n e r können als örtliche Organe der Genossenschaft eingesetzt werden. Doch bedürfen die Satzungen der Genehmigung des Reichsversicherungsamts. Beamte der Genossenschaft werden auf Grund einer Dienstordnung gewählt, welche ebenfalls der Genehmigung des Reichsversicherungsamts bedarf. Bei der Bildung der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften wurde lediglich eine territoriale Abgrenzung nach Provinzen zu Grunde gelegt und diese in Preussen dem P r o v i n z i a l a u s s c h u s s unter Gliederung in Sektionen (Kreisausschuss mit dem Landrat, Stadtausschuss mit dem Bürgermeister) unterstellt. Die S e e b e r u f s g e n o s s e n s c h a f t , in die auch der Staat als Träger der Versicherung für die auf seine Rechnung gehenden Betriebe eintreten kann, hat besondere dem Beruf und seinen Gefahren angepasste Satzungen. Sie untersteht ebenfalls dem Reichsversicherungsamt. Jeder Unternehmer, der mit einem Betriebe Mitglied einer Berufsgenossenschaft wird, hat dem Versicherungsamt Mitteilung zu machen; dieses gibt die Meldung dem Vorstand der betreffenden Genossenschaft weiter. Durch die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Kutscher,
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Chauffeure sowie auf kleinere Betriebe mit Dampfkesselbenutzung können auch Ärzte in den Vorstand der Genossenschaft gewählt werden. Die A u f b r i n g u n g d e r M i t t e l erfolgt in der Hauptsache durch D e c k u n g des Jahresbedarfs mittels Umlagen seitens der Genossenschaft. Am Schlüsse eines jeden J a h r e s wird der in diesem J a h r e zur Durchführung der Unfallversicherung erforderliche Betrag auf die einzelnen Unternehmer nach Massgabe der gezahlten Löhne und Gehälter (auf dem Gebiet der Landwirtschaft auch nach dem abgeschätzten Jahreseinkommen oder nach der bewirtschafteten Fläche in Verbindung mit der Grundsteuer) und ev. unter Berücksichtigung von Gefahrenklassen verteilt. Bei den Zweiganstalten der Baugewerbs-ßerufsgenossenschaft erfolgt die Aufbringung der Mittel durch einen P r ä m i e n t a r i f ; das Gleiche ist bei Zweiganstalten für Halten von Reittieren und Fahrzeugen der Fall. Bei der Seeunfallversicherung werden die Beiträge der Mitglieder nach deren Veranlagung zu Gefahrenklassen umgelegt. Einnahmen und Ausgaben der Zweigaustalt werden besonders verrechnet. Die Beiträge werden von den Gemeindeverbänden der Seeuferstaaten und Küstenbezirke nach der Zahl der Versicherten aufgebracht. Auf Grund der älteren Gesetzgebung bestanden ausser den staatlichen Ausführungsbehörden und der Seeberufsgenossenschaft im J a l n e 1909: 66 gewerbliche Berufsgenossenschaften, 48 landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften und 545 Ausführungsbehörden. Die gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften umfassten im J a h r e 1909: 17 179 000 Versicherte. Die Aufsicht führen ausser dem Reichsversicherungsamt in einigen Bundesstaaten Landesversicherungsämter. G e g e n s t a n d der
Versicherung.
Gegenstand der Versicherung ist ein bestimmter E r s a t z des S c h a d e n s , welcher durch U n f ä l l e , die mit dem Betrieb und seinen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang stehen (Betriebsunfälle), entsteht. Ein Ersatz findet n i c h t statt, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt ist. Der Schadensersatz kann ausserdem ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Unfall
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Chauffeure sowie auf kleinere Betriebe mit Dampfkesselbenutzung können auch Ärzte in den Vorstand der Genossenschaft gewählt werden. Die A u f b r i n g u n g d e r M i t t e l erfolgt in der Hauptsache durch D e c k u n g des Jahresbedarfs mittels Umlagen seitens der Genossenschaft. Am Schlüsse eines jeden J a h r e s wird der in diesem J a h r e zur Durchführung der Unfallversicherung erforderliche Betrag auf die einzelnen Unternehmer nach Massgabe der gezahlten Löhne und Gehälter (auf dem Gebiet der Landwirtschaft auch nach dem abgeschätzten Jahreseinkommen oder nach der bewirtschafteten Fläche in Verbindung mit der Grundsteuer) und ev. unter Berücksichtigung von Gefahrenklassen verteilt. Bei den Zweiganstalten der Baugewerbs-ßerufsgenossenschaft erfolgt die Aufbringung der Mittel durch einen P r ä m i e n t a r i f ; das Gleiche ist bei Zweiganstalten für Halten von Reittieren und Fahrzeugen der Fall. Bei der Seeunfallversicherung werden die Beiträge der Mitglieder nach deren Veranlagung zu Gefahrenklassen umgelegt. Einnahmen und Ausgaben der Zweigaustalt werden besonders verrechnet. Die Beiträge werden von den Gemeindeverbänden der Seeuferstaaten und Küstenbezirke nach der Zahl der Versicherten aufgebracht. Auf Grund der älteren Gesetzgebung bestanden ausser den staatlichen Ausführungsbehörden und der Seeberufsgenossenschaft im J a l n e 1909: 66 gewerbliche Berufsgenossenschaften, 48 landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften und 545 Ausführungsbehörden. Die gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften umfassten im J a h r e 1909: 17 179 000 Versicherte. Die Aufsicht führen ausser dem Reichsversicherungsamt in einigen Bundesstaaten Landesversicherungsämter. G e g e n s t a n d der
Versicherung.
Gegenstand der Versicherung ist ein bestimmter E r s a t z des S c h a d e n s , welcher durch U n f ä l l e , die mit dem Betrieb und seinen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang stehen (Betriebsunfälle), entsteht. Ein Ersatz findet n i c h t statt, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt ist. Der Schadensersatz kann ausserdem ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Unfall
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infolge s t r a f b a r e r Tat entstanden ist. Doch schliessen einfaches, verbotswidriges Handeln, Verletzung bergpolizeilicher Vorschriften und Verletzungen der Seemannsordnung die Ansprüche nicht eo ipso aus. Die L e i s t u n g e n bestehen bei Körperverletzungen, von Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls ab, in f r e i e r ä r z t l i c h e r B e h a n d l u n g , A r z n e i und sonstigen Heilund H i l f s m i t t e l n , ferner in einer laufenden R e n t e , welche in ihrer Höhe nach dem Grade der Erwerbsunfähigkeit abgestuft ist. Die Rente beträgt bei völliger Erwerbsunfähigkeit ( V o l l r e n t e ) 2 / 3 des Jahresarbeitsverdienstes, soweit er nicht 1800 Mark übersteigt. Ubersteigt der Jahresarbeitsverdienst diesen Betrag, so wird das M e h r nur zu einem D r i t t e l in Anrechnung gebracht. Bei t e i l w e i s e r Erwerbsunfähigkeit wird ein e n t s p r e c h e n d e r Teil der Vollrente, bei H i l f l o s i g k e i t (Bedürfnis von ständiger besonderer Wartung und Pflege) der v o l l e Arbeitsverdienst bewilligt. Bei Unfällen, welche den T o d zur Folge haben, sind ceben einem Sterbegeld ( 1 / 15 des Jaliresarbeitsverdienstes) laufende Renten an die Hinterbliebenen (Witwe, unter Umständen Witwer, Kinder unter 15 Jahren, bedürftige, von dem Verstorbenen in der Hauptsache unterhaltenen Eltern oder Grosseltern und Enkel unter 15 Jahren) zu gewähren. Der Gesamtbetrag der Hinterbliebenenrente darf jedoch 60°/ o des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen nicht übersteigen. Die Witwe wird im Fall der W i e d e r ver heir a t u n g durch ein K a p i t a l (60°/ 0 des Jahresarbeitsverdienstes) abgefunden. Bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit von Unfallverletzten kann die T e i l r e n t e bis zur V o l l r e n t e erhöht werden. Auch weitere freiwillige Leistungen zugunsten der Versicherten sind erlaubt. Als J a h r e s a r b e i t s v e r d i e n s t gilt, wenn der Verletzte ein volles Jahr vor dem Unfall im Betrieb beschäftigt war, das D r e i h u n d e r t f a c h e des durchschnittlichen Verdienstes für den A r b e i t s t a g . Ergibt aber die übliche Betriebsweise eine h ö h e r e oder n i e d r i g e r e Zahl von Arbeitstagen, so wird mit dieser Zahl statt mit Dreihundert vervielfältigt. War der Verletzte nur kürzere Zeit in dem Bebrieb beschäftigt, oder nur stundenweise beschäftigt, so wird die Berechnung mit Berücksichtigung des durchschnittlichen Verdienstes gleichwertiger Abeiter vorgenommen. Bei Personen, welche vor dem Unfall dauernd teilweise erwerbsunfähig
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waren, wird der erhaltene Rest der Erwerbsfähigkeit der Berechnung zu Grunde gelegt. Der unfallgeschädigte K a s s e n p a t i e n t erhält ausserdem vom Beginn der f ü n f t e n Woche nach dem Unfall an bis zum Ablauf der dreizehnten Woche mindestens zwei Drittel des massgebenden Grundlohns als Krankengeld. Hat der Verletzte kein Anrecht an eine Kasse, so hat der Unternehmer für die ersten dreizehn Wochen Krankengeld zu gewähren. Eine A b l ö s u n g durch K a p i t a l a b f i n d u n g ist bei 1 / 5 der Vollrente und weniger zugelassen, ausserdem bei Renten ausländischer Berechtigter, die ihren Wohnsitz im Deutschen Reich aufgeben, bei ihrer Zustimmung mit dem dreifachen Betrag der Jahresrente, und ohne diese mit einem dem Wert der Jahresrente entsprechenden Kapital. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Vorschrift, wonach bei Eintritt einer w e s e n t l i c h e n Verä n d e r u n g der für die Feststellung massgebenden Verhältnisse ( V e r s c h l i m m e r u n g , B e s s e r u n g oder B e s e i t i g u n g der Unfallfolgen) eine a n d e r w e i t i g e F e s t s t e l l u n g der Entschädigung (Erhöhung, Herabsetzung oder Aufhebung der Rente) erfolgen kann. Die Rente für Unfallverletzte J u g e n d l i c h e , welche teils nach dem durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst der Altersstufe, teils nach dem Ortslohn berechnet wird, wird bei Aufsteigen in eine höhere Altersstufe entsprechend erhöht. Die Reichsversicherungsordnung unterscheidet v o r l ä u f i g e und D a u e r r e n t e n . Im allgemeinen ist die Rente in den e r s t e n b e i d e n Jahren nach dem Unfall eine v o r l ä u f i g e und kann jederzeit unter Begründung geändert werden. Doch kann schon innerhalb dieser Frist eine Dauerrente rechtskräftig festgestellt werden. Nach Ablauf von zwei Jahren und bei bewilligter Dauerrente kann eine A b ä n d e r u n g der Festsetzung, sofern nicht zwischen dem Versicherungsträger und dem Berechtigten über einen kürzeren Zeitraum ausdrückliches Einverständnis erzielt ist, nur in Zeiträumen von mindestens e i n e m J a h r vorgenommen oder beantragt werden. Ein R u h e n d e r R e n t e n z a h l u n g e n ist vorgesehen, wenn der Berechtigte eine längere F r e i h e i t s s t r a f e verbüsst, ferner so lange ein berechtigter A u s l ä n d e r n i c h t im I n l a n d seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat oder ausgewiesen ist, oder der
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berechtigte Inländer sich im Ausland aufhält und es unterlässt, der Berufsgenossenschaft von seinem Aufenthalt Kenntnis zu geben. An Stelle der Rente und freier ärztlicher Behandlung kann dem Verletzten auch in einer H e i l a n s t a l t f r e i e K u r und Verp f l e g u n g gewährt werden, neben welchen Leistungen die Angehörigen eine Angehörigenrente erhalten. Von Wichtigkeit ist, dass durch Beschluss des B u n d e s r a t s die Unfallversicherung auch auf g e w e r b l i c h e B e r u f s k r a n k h e i t e n ausgedehnt werden kann. B e g i n n und F e s t s t e l l u n g der L e i s t u n g e n . Der A n s p r u c h auf Unfallentschädigung ist zur Vermeidung des Ausschlusses s p ä t e s t e n s z w e i J a h r e nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden. Doch lässt eine n e u e F o l g e des Unfalls, auch wenn sie erst s p ä t e r in allmählicher gleichmassiger Entwicklung nach Ablauf der Frist sich bemerkbar macht, den Anspruch nicht ausschliessen, ebenso nicht die Verh i n d e r u n g der A n m e l d u n g . Die A n z e i g e des Unfalls hat durch den B e t r i e b s u n t e r nehmer binnen drei Tagen zu erfolgen, falls ein in seinem Betrieb Beschäftigter getötet, oder so verletzt ist, dass er stirbt, oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise erwerbsunfähig wird. Die Anzeige erfolgt an die Ortspolizeibehörde des Unfallorts. Diese untersucht sobald als möglich den Unfall und stellt den Sachverhalt fest, insbesondere 1. Veranlassung, Ort, Hergang und Art des Unfalls, 2. Name der getöteten oder verletzten Person, sowie Tag und Ort ihrer Geburt, 3. die Art der Verletzung, 4. den Verbleib der verletzten Person, 5. die Hinterbliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung nach dem Gesetz verlangen können, 6. die Höhe von Unterstützungen und Renten, die der Verletzte aus der Reichsversicherung bezieht. Ausserdem haben die Krankenkassen die Verpflichtung, jede Krankheit, die ein entschädigungspflichtiger Unfall herbeigeführt hat, dem Träger der Unfallversicherung binnen drei Tagen anzuzeigen, wenn eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit durch den R u m p f , Arzt und Eeichsversicherungsordnung.
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berechtigte Inländer sich im Ausland aufhält und es unterlässt, der Berufsgenossenschaft von seinem Aufenthalt Kenntnis zu geben. An Stelle der Rente und freier ärztlicher Behandlung kann dem Verletzten auch in einer H e i l a n s t a l t f r e i e K u r und Verp f l e g u n g gewährt werden, neben welchen Leistungen die Angehörigen eine Angehörigenrente erhalten. Von Wichtigkeit ist, dass durch Beschluss des B u n d e s r a t s die Unfallversicherung auch auf g e w e r b l i c h e B e r u f s k r a n k h e i t e n ausgedehnt werden kann. B e g i n n und F e s t s t e l l u n g der L e i s t u n g e n . Der A n s p r u c h auf Unfallentschädigung ist zur Vermeidung des Ausschlusses s p ä t e s t e n s z w e i J a h r e nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden. Doch lässt eine n e u e F o l g e des Unfalls, auch wenn sie erst s p ä t e r in allmählicher gleichmassiger Entwicklung nach Ablauf der Frist sich bemerkbar macht, den Anspruch nicht ausschliessen, ebenso nicht die Verh i n d e r u n g der A n m e l d u n g . Die A n z e i g e des Unfalls hat durch den B e t r i e b s u n t e r nehmer binnen drei Tagen zu erfolgen, falls ein in seinem Betrieb Beschäftigter getötet, oder so verletzt ist, dass er stirbt, oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise erwerbsunfähig wird. Die Anzeige erfolgt an die Ortspolizeibehörde des Unfallorts. Diese untersucht sobald als möglich den Unfall und stellt den Sachverhalt fest, insbesondere 1. Veranlassung, Ort, Hergang und Art des Unfalls, 2. Name der getöteten oder verletzten Person, sowie Tag und Ort ihrer Geburt, 3. die Art der Verletzung, 4. den Verbleib der verletzten Person, 5. die Hinterbliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung nach dem Gesetz verlangen können, 6. die Höhe von Unterstützungen und Renten, die der Verletzte aus der Reichsversicherung bezieht. Ausserdem haben die Krankenkassen die Verpflichtung, jede Krankheit, die ein entschädigungspflichtiger Unfall herbeigeführt hat, dem Träger der Unfallversicherung binnen drei Tagen anzuzeigen, wenn eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit durch den R u m p f , Arzt und Eeichsversicherungsordnung.
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Unfall über die dreizehnte W o c h e hinaus zu e r w a r t e n ist; weiterhin ist, wenn der E r k r a n k t e n a c h Ablauf von drei Wochen nach dem Unfall noch nicht wiederhergestellt ist, der Berufsgenossens c h a f t bis zum E n d e der vierten W o c h e Mitteilung zu machen. An der U n f a l l u n t e r s u c h u n g , die bisher nicht immer mit der genügenden S o r g f a l t s t a t t f a n d , können sich der Verletzte oder seine Hinterbliebenen, sowie g e e i g n e t e private V e r t r e t e r , der T r ä g e r der U n f a l l - und der K r a n k e n v e r s i c h e r u n g , der U n t e r n e h m e r , das V e r s i c h e r u n g s a m t und ev. der staatliche A u f s i c h t s b e a m t e beteiligen. Ausserdem können auf A n t r a g der Versicherungsträger oder des Berechtigten (Versicherten) S a c h v e r s t ä n d i g e zugezogen werden. Über die Untersuchung wird ein Protokoll a u f g e n o m m e n , das auf Verlangen den Beteiligten in A b s c h r i f t zugestellt wird. Hält der Versicherungsträger die S a c h e nicht f ü r g e n ü g e n d a u f g e k l ä r t , so kann er weitere Ermittelungen durch das Versicherungsamt (auch durch das Amtsgericht) anstellen lassen. N a c h abgeschlossener U n t e r s u c h u n g stellt der Sektionsvorstand oder der Genossenschaftsverband seine Leistungen fest; er entscheidet ob K r a n k e n h a u s b e h a n d l u n g , oder Hauspflege, Heilanstaltspflege, Angehörigenrente, Sterbegeld, R e n t e f ü r E r w e r b s u n f ä h i g k e i t gegeben w e r d e n soll. Soll die E n t s c h ä d i g u n g abgelehnt, oder nur eine Teilrente g e w ä h r t werden, so ist vorher der b e h a n d e l n d e A r z t zu hören, w e n n er nicht schon ein ausreichendes Gutachten erstattet hat. D e r Versicherungsträger h a t innerhalb von drei Monaten dem Berechtigten einen Bescheid zu erteilen, oder die Gründe für die Verzögerung mitzuteilen. Unfälle der Seeberufsgenossenschaft können von dem Seemannsamt oder der Ortspolizeibehörde untersucht werden. Bei Unfällen, die im A u s l a n d zu untersuchen sind, findet die Untersuchung vor dem K o n s u l a t oder einer entsprechenden Behörde statt, unter Zuziehung von zwei Schiifsoffizieren oder anderen glaubwürdigen Personen. In den ersten 13 W o c h e n h a b e n die K r a n k e n k a s s e n und in E r m a n g e l u n g solcher die U n t e r n e h m e r f ü r die Verunglückten zu sorgen, wobei von Beginn der f ü n f t e n W o c h e ab das K r a n k e n g e l d f ü r R e c h n u n g des Betriebsunternehmers auf mindestens 2 / s des der K r a n k e n g e l d b e r e c h n u n g zugrunde gelegten Grundlohnes
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zu e r h ö h e n ist. Doch ist es den Berufsgenossenschaften gestattet, schon vor der 13. Woche d a s H e i l v e r f a h r e n z u ü b e r n e h m e n . Verletzte, welche einen eigenen Haushalt haben, oder Mitglieder des Haushalts ihrer Familie sind, können nur mit ihrer Zus t i m m u n g in eine H e i l a n s t a l t verbracht werden. Dieser Zustimmung bedarf es nur dann n i c h t , wenn: 1. die Art der Verletzung eine Behandlung oder Pflege verlangt, die in der Familie des Verletzten nicht möglich ist, 2. die Krankheit ansteckend ist, 3. der Verletzte wiederholt den Anordnungen des behandelnden Arztes zuwider gehandelt hat, 4. der Zustand oder das Verhalten des Verletzten eine fortgesetzte Beobachtung erfordern. Bei einem M i n d e r j ä h r i g e n über s e c h z e h n Jahre genügt zur Aufnahme in eine Heilanstalt seine Zustimmung. Bei U n v e r h e i r a t e t e n kann die Behandlung in einem Krankenhause auch o h n e besondere Zustimmung angeordnet werden. Die entschädigungspflichtigen Berufsgenossenschaften können aber auch ohne Übernahme des Heilverfahrens schon innerhalb der ersten 13 Wochen den Verletzten untersuchen lassen nnd Erkundigungen über den Verletzten bei den Kassen, dem Untere nehmer und Arzt einziehen; sowohl das V e r s i c h e r u n g s a m t als die A m t s g e r i c h t e sind verpflichtet, zu diesem Zweck auf Ersuchen der Berufsgenossenschaft Z e u g e n und S a c h v e r s t ä n d i g e eidlich zu vernehmen. Eine derartige Vernehmung von Ärzten dürfte aber nur erfolgen, wenn die Versuche, ein Gutachten zu erhalten, auf anderem Wege fruchtlos waren. Sodann ist vorgeschrieben, dass Verletzte, welche in einem Krankenhause mit genügenden Heileinrichtungen untergebracht sind, während des Heilverfahrens nur mit ihrer Zustimmung in ein anderes Krankenhaus überführt werden können. Die Zustimmung kann aber durch eine Anordnung des Versicherungsamts ersetzt werden. Die Möglichkeit einer Verlegung kann deshalb erwünscht sein, weil keineswegs alle Krankenhäuser die für sachgemässe Behandlungen notwendigen Einrichtungen besitzen. Mit Zustimmung des Verletzten kann die Genossenschaft Hilfe und Wartung durch h ä u s l i c h e P f l e g e gewähren, wenn die Aufnahme des Verletzten in eine Heilanstalt zwar geboten, aber aus wichtigen Gründen nicht ausführbar ist.
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Ferner kann die Genossenschaft einem Rentenempfänger auf seinen Antrag statt der Rente Aufnahme in einem I n v a l i d e n h a u s e oder einer ähnlichen Anstalt bewilligen. Hoffentlich entwickeln sich auf Grund dieser Bestimmung A r b e i t e r k o l o n i e n für Unfallverletzte, in welchen diesen Gelegenheit gegeben ist, die vorhandene aber schwer nutzbar zu machende Arbeitskraft zu verwerten. B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und Ä r z t e , a) Die Beurteilung des Unfalls. Bei den Erhebungen, welche die Ortspolizeibehörde oder andere Behörden im Interesse der Berufsgenossenschaften anstellen t wird alsbald die ä r z t l i c h e L e i s t u n g in Anspruch genommen. Ist durch Unfall der Tod eines Menschen verursacht, so wird von dem Arzt der Totenschein mit der Angabe der Todesursache verlangt. In zweifelhaften Fällen ist es deshalb von grösster Wichtigkeit, durch die O b d u k t i o n die Todesursache feststellen zu lassen. Das Fehlen eines Obduktionsbefundes hat schon häufig zu langwierigen Streitigkeiten geführt. Grosse, vermeidbare K o s t e n sind den Berufsgenossenschaften auf diese Weise entstanden, und nicht immer war es den zur Begutachtung zugezogenen Ärzten möglich, ein s i c h e r e s U r t e i l über die U r s a c h e d e s T o d e s zu geben. Hat ein Unfall ohne tödliche Folgen einen Versicherten betroffen, so soll die U n f a l l a n z e i g e die Art der Verletzung ergeben. Diese wird häufig von dem Betriebsunternehmer auf Grund eigener Wahrnehmung erstattet, häufig aber erst, nachdem der hinzugezogene A r z t bei der sofortigen oder der späteren Untersuchung die Art der Verletzung festgestellt hat. Die möglichst f r ü h z e i t i g e und e i n g e h e n d e ä r z t l i c h e Untersuchung eines Verletzten möglichst bald nach dem Unfall, und die Niederschrift des Befundes gehören zu den wichtigsten Grundlagen für die Beurteilung eines Betriebsunfalls. Nur auf Grund dieses Befundes lässt sich in vielen Fällen entscheiden, was einem Betriebsunfall, was einem anderweitigen, teils früher vorhandenen, teils später entstandenen Leiden zur Last fällt. Der Arzt hat infolgedessen sich zunächst eingehend mit den E r e i g n i s s e n zu beschäftigen, welche die K ö r p e r v e r l e t z u n g eines Versicherten herbeigeführt
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Ferner kann die Genossenschaft einem Rentenempfänger auf seinen Antrag statt der Rente Aufnahme in einem I n v a l i d e n h a u s e oder einer ähnlichen Anstalt bewilligen. Hoffentlich entwickeln sich auf Grund dieser Bestimmung A r b e i t e r k o l o n i e n für Unfallverletzte, in welchen diesen Gelegenheit gegeben ist, die vorhandene aber schwer nutzbar zu machende Arbeitskraft zu verwerten. B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und Ä r z t e , a) Die Beurteilung des Unfalls. Bei den Erhebungen, welche die Ortspolizeibehörde oder andere Behörden im Interesse der Berufsgenossenschaften anstellen t wird alsbald die ä r z t l i c h e L e i s t u n g in Anspruch genommen. Ist durch Unfall der Tod eines Menschen verursacht, so wird von dem Arzt der Totenschein mit der Angabe der Todesursache verlangt. In zweifelhaften Fällen ist es deshalb von grösster Wichtigkeit, durch die O b d u k t i o n die Todesursache feststellen zu lassen. Das Fehlen eines Obduktionsbefundes hat schon häufig zu langwierigen Streitigkeiten geführt. Grosse, vermeidbare K o s t e n sind den Berufsgenossenschaften auf diese Weise entstanden, und nicht immer war es den zur Begutachtung zugezogenen Ärzten möglich, ein s i c h e r e s U r t e i l über die U r s a c h e d e s T o d e s zu geben. Hat ein Unfall ohne tödliche Folgen einen Versicherten betroffen, so soll die U n f a l l a n z e i g e die Art der Verletzung ergeben. Diese wird häufig von dem Betriebsunternehmer auf Grund eigener Wahrnehmung erstattet, häufig aber erst, nachdem der hinzugezogene A r z t bei der sofortigen oder der späteren Untersuchung die Art der Verletzung festgestellt hat. Die möglichst f r ü h z e i t i g e und e i n g e h e n d e ä r z t l i c h e Untersuchung eines Verletzten möglichst bald nach dem Unfall, und die Niederschrift des Befundes gehören zu den wichtigsten Grundlagen für die Beurteilung eines Betriebsunfalls. Nur auf Grund dieses Befundes lässt sich in vielen Fällen entscheiden, was einem Betriebsunfall, was einem anderweitigen, teils früher vorhandenen, teils später entstandenen Leiden zur Last fällt. Der Arzt hat infolgedessen sich zunächst eingehend mit den E r e i g n i s s e n zu beschäftigen, welche die K ö r p e r v e r l e t z u n g eines Versicherten herbeigeführt
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haben. Die ärztliche Beurteilung muss also zu der Frage Stellung nehmen: Was ist nach der Reichsversicherungsordnung als Unfall anzusehen? Der U n f a l l ist ein E r e i g n i s , durch welches der Betroffene durch ä u s s e r e V e r l e t z u n g oder o r g a n i s c h e E r k r a n k u n g eine Schädigung seiner körperlichen oder geistigen Gesundheit — Körp e r v e r l e t z u n g oder T o d — erleidet. Die Schädigung muss auf die p l ö t z l i c h e , in einem verhältnismässig kurzen Zeitraum eingeschlossene Einwirkung eines Ereignisses zurückzuführen sein, welches mittelbar oder unmittelbar die Körperverletzung oder den Tod herbeigeführt hat. E n t s c h ä d i g u n g s b e r e c h t i g t sind nur die in oder bei e i n e m v e r s i c h e r t e n B e t r i e b e , oder einer vers i c h e r t e n T ä t i g k e i t , n i c h t die a u s s e r h a l b desselben eingetretenen Unfälle. Ein Radfahrer z. B., der auf dem Wege zur täglichen Arbeit mit dem Rade stürzt und einen Unfall erleidet, hat also k e i n e n Anspruch auf Entschädigung, ein Klempnergeselle dagegen, der von der Werkstätte in die Stadt gesandt wird, um eine Arbeit auszuführen oder eine Bestellung zu machen und auf diesem Weg mit dem Rad einen Unfall erleidet, ist entschädigungsberechtigt, weil er sich im Betrieb befand. Es muss also ein urs ä c h l i c h e r Z u s a m m e n h a n g zwischen Betrieb und Unfall vorliegen. Weiterhin braucht der Unfall im Betrieb n i c h t d i e a l l e i n i g e Ursache der Erkrankung zu sein; es genügt, wenn der Unfall als m i t w i r k e n d e U r s a c h e beschuldigt werden muss. Doch ist kein richterlich formeller Beweis für den ursächlichen Zusammenhang notwendig, es genügt, wenn nur mit g r o s s e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t ein Zusammenhang angenommen werden muss. Wird der A r z t zu einem bei der A r b e i t E r k r a n k t e n oder von einem U n f a l l Betroffenen gerufen, so ist es seine erste Aufgabe, eine eingehende Untersuchung vorzunehmen und den Befund schriftlich niederzulegen. Er ist dann jederzeit in der Lage, ein begründetes Gutachten abzugeben. Die Entscheidung, was einem Betriebsunfall zuzurechnen ist, soll eigentlich durch die betreffenden Berufsgenossenschaften, Oberversicherungsämter oder das Reichsversicherungsamt erfolgen, während es dem Arzt obliegt, sein Gutachten darüber zu erstatten, 1. welche Verletzung oder Erkrankung vorliegt oder vorlag, 2. ob diese Verletzung oder Erkrankung oder der Todesfall als
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eine plötzliche E r k r a n k u n g mit ihren Folgen aufgetreten ist, oder als ein älteres Leiden aufgefasst werden muss, 3. ob die Verletzung, E r k r a n k u n g oder der Tod a) in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Ereignis beim Betriebe steht, b) zufällig bei der Arbeit aufgetreten ist. Die F r a g e n 2 und 3 enthalten aber schon Urteile über die Annahme eines Betriebsunfalls. Deshalb muss der Arzt, welcher diese F r a g e n beantworten soll, mit der Auffassung und den Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes vertraut sein, will er seinem Klienten oder der Berufsgenossenschaft oder der beauftragenden Behörde ein entsprechendes Gutachten erstatten. Er muss wissen, dass ein B e t r i e b s u n f a l l auch dann angenommen wird, wenn bei geordnetem Betrieb das M a s s d e r g e w ö h n l i c h e n L e i s t u n g e n ü b e r s c h r i t t e n wird, oder wenn durch irgendwelche Umstände eine ausserordentliche Leistung vorlag, welche zu Störungen führte. Er muss wissen, dass eine Körperletzung im Sinne der Unfallversicherung j e d e d u r c h einen Unfall h e r b e i g e f ü h r t e S t ö r u n g des ordnungsm ä s s i g e n K ö r p e r - o d e r G e i s t e s z u s t a n d e s ist. Daraus ergibt sich, dass n i c h t n u r ä u s s e r e V e r l e t z u n g e n , s o n d e r n auch k r a n k h a f t e innerorganische Vorgänge physischer wie p s y c h i s c h e r A r t als Unfall aufzufassen sind, wenn sie durch ein plötzliches äusseres Ereignis im Körper des Betreffenden hervorgerufen werden. G e w e r b e - und B e r u f s k r a n k h e i t e n , welche zu einer Abnutzung der Körperkräfte führen, oder eine chronische Vergiftung im Gefolge haben, gehören einstweilen der Unvallversicherung nicht an. Doch kann der Bundesrat die Unfallversicherung auf bestimmte gewerbliche Berufskrankheiten ausdehnen und ist berechtigt, zur D u r c h f ü h r u n g dieser Bestimmung besondere Vorschriften zu erlassen. Die D i a g n o s e eines B e t r i e b s u n f a l l s erscheint zunächst nicht schwierig und ist es auch in vielen Fällen nicht, wenn der Arzt sofort hinzugezogen wurde und an der Betriebsstätte von den Einzelheiten des Unfalls sich überzeugen konnte. Das ist a b e r leider meist nicht der Fall. Vielfach kommen die Patienten T a g e , ja Wochen lang nach dem Ereignis zum Arzt, und die Tatsache des Betriebsunfalls steht keineswegs mit Sicherheit fest.
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Hier hat der Arzt nach der eingehenden Untersuchung zu erwägen, ob es sich um einen Betriebsunfall handeln kann. Wenn z. B. bei einem Versicherten mit einer Affektion des K n i e g e l e n k s , welche auf eine im Maschinenbetrieb erfolgte Verletzung z u r ü c k g e f ü h r t wird, bei der Röntgenuntersuchung zerstreute S c h r o t k ö r n e r in der Umgebung des Kniegelenks gefunden werden, so liegt sicher kein Unfall im Sinne der reichsgesetzlichen Unfallversicherung vor. Wenn bei einem Patienten mit m o n a r t i k u l ä r e r K n i e g e l e n k e n t z ü n d u n g , welche auf eine Verstauchung zurückgeführt wird, ein T r i p p e r konstatiert wird, so ist die F r a g e zu erwägen, ob es sich nicht um eine gonorrhoische Kniegelenkentzündung handelt. Die Wahrscheinlichkeit spricht entschieden mehr für diese Ätiologie. Das Studium der Akten und eventuell weitere Zeugenvernehmungen müssen dann feststellen lassen, ob überhaupt ein Betriebsunfall vorhanden war, welcher die Lokalisation der Erk r a n k u n g im Kniegelenk ausgelöst hat. Häufig ist der Betriebsunfall nachträglich konstatiert. In manchen Fällen stellen sich nach geringen Verletzungen t i e f g e h e n d e Z e l l g e w e b s e n t z ü n d u n g e n erst nach einigen T a g e n ein, oder werden erst dann dem Verletzten deutlich. Nach Heben von starken Lasten kann Verschleppung von Venenthromben und der Tod eintreten, ein Ereignis, das natürlich als entschädigungspflichtiger Unfall betrachtet werden muss. U n t e r l e i b s b r ü c h e sind dann als entschädigungspflichtige Unfälle zu betrachten, wenn trotz vorhandener Bruchanlage im Anschluss an einen geeigneten Betriebsvorgang besondere Umstände ausnahmsweise das plötzliche gewaltsame Zustandek o m m e n des Bruchaustritts wahrscheinlich machen. Bei solchem Ereignis pflegen in der Regel g r o s s e S c h m e r z e n die schleunige Anrufung ärztlicher Hilfe zu veranlassen. Grössere Schwierigkeiten für die Beurteilung können die Beziehungen mancher G e h i r n - und R ü c k e n m a r k s l e i d e n (Gehirnblutung, Gehirngeschwulst, Dementia paralytica, Tabes dorsalis, Syringomyelie u. a.) zu Unfällen machen. Dabei sind ebenso, wie in vielen anderen Fällen folgende P u n k t e zu e r w ä g e n : 1. Das als Unfall angesprochene Ereignis kann einzig eine F o l g e des schon bestehenden L e i d e n s sein und ist somit n i c h t als B e t r i e b s u n f a l l anzusprechen, 2. tatsächliche U n f a l l f o l g e n können rasch h e i l e n , während das
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vor dem Unfall vorhandene Leiden seinen n a t u r g e m ä s s e n oft f o r t s c h r e i t e n d e n Verlauf nimmt. 3. der Unfall hat auf das schon bestehende Leiden vers c h l i m m e r n d oder b e s c h l e u n i g e n d eingewirkt, 4. der Unfall hat das Leiden ausgelöst, woran bei einer B l u t u n g in das Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m und auch bei einer Ges c h w u l s t b i l d u n g gedacht werden muss. Ist direkt nach der Verletzung eine eingehende Untersuchung aller Organe unterlassen, so geschieht es häufig, dass alle Störungen, auch die durch das ältere Leiden bedingten, von den Kranken auf den Unfall geschoben werden. Doch hat das RVA. in einem Falle, bei welchem infolge von s t a r k e r V e r k a l k u n g des g a n z e n G e f ä s s n e t z e s des linken Auges plötzlich bei gewöhnlicher Betriebstätigkeit eine Blutung in das Auge eintrat, die Entschädigungspflicht der BG. abgewiesen, weil die A r b e i t nur d i e z u f ä l l i g e Gelegenheit, nicht a b e r die U r s a c h e f ü r das Platzen der Blutader war. Dass auch vielfach für Unfälle, welche gar nicht beim Betrieb erfolgt sind, die Unfallversicherung in Anspruch genommen wird, ist nicht wunderbar. In vielen Fällen gibt das Studium der Akten über die Vernehmung von Zeugen einen Anhalt zur Entscheidung. So verlangte ein Landwirt Unfallentschädigung, der auf der Treppe seines Hauses einen Unfall erlitten hatte, als er, um zum Mähen zu gehen, die Sense holen wollte. Das Reichsgericht wies ihn ab. In einem anderen Fall erlitt ein Lademeister, der seitens des Arbeitgebers von einem Geschäftsgang zurückgerufen wurde, auf dem R ü c k w e g einen Unfall. Der Unfall wurde als entschädigungspflichtig angesehen, weil der Geschäftsgang innerhalb der Berufstätigkeit lag. Mannigfach werden akute Krankheiten einem Unfall ungerechtfertigter Weise zur Last gelegt. So konstatierte ich, dass eine s p i n a l e K i n d e r l ä h m u n g als Hitzschlag beim Betrieb aufgefasst und als entschädigungspflichtiger Unfall betrachtet wurde. Dagegen ist als Betriebsunfall vom Reichsversicherungsamt der Fall eines Chauffeurs einer Motor-Omnibus-Gesellschaft angesehen worden, der auf einer Endstation von einer verirrten, in einer anderen Strasse abgeschossenen Kugel getroffen wurde. Infektionen mit M i l z b r a n d , Rotz, A k t i n o m y k o s e , welche durch Verletzungen entstanden sind, werden naturgemäss als Unfälle anerkannt; das gleiche ist der Fall, wenn bei B e r u f s -
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k r a n k h e i t e n , welche an und für sich nicht entschädigungspflichtig sind, durch Hinzutreten einer Infektion eine neue Erkrankung mit Verschlimmerung der alten auftritt. Das Reichsversicherungsamt hat in neuerer Zeit auch manche B e r u f s k r a n k e i t e n , wenn die Erkrankung sich auf ein kurz einwirkendes Ereignis zurückführen liess, als entschädigungspflichtig erklärt, so einen Fall von W u r m k r a n k h e i t bei einem Bergmann, der iu einer kurzen Arbeitstätigkeit im Bergwerk die Infektion erlitten hatte, ferner in einem Fall von C h o l e r a , an der ein Weichselflüsser nach kurzer Tätigkeit auf dem verseuchten Kanal erkrankte. S k o r b u t der Seeleute, als Folge unzweckniässiger Ernährung wird gewöhnlich nicht als Betriebsunfall anerkannt; wenn aber durch ein E lerne nta re r e i g n i s auf hoher See ein plötzlicher Notstand geschaffen wird, wodurch das Süsswaser brackig und die N a h r u n g s m i t t e l verd o r b e n w e r d e n , und S k o r b u t in der Folge auftritt, so ist dieser auf einen Unfall zurückzuführen. Ein Unfall wurde auch angenommen bei einem Kapitän, der nach vielstündiger angestrengter Leitung seines Schiffs während eines S t u r m s einen H e r z s c h l a g erlitt und starb. Weiterhin wurde der Verlust eines Seemanns auf hoher See, ohne dass Selbstmord nachgewiesen werden konnte, als Tod durch Betriebsunfall aufgefasst, weil die Schiffsmannschaft in der Eegel j e d e r z e i t als im D i e n s t b e f i n d l i c h zu g e l t e n hat. Auch Unfälle bei Lebensrettung im Dienst sind entschädigungspflichtig. Hier wird die Gewaltsamkeit eines Naturereignisses im Betrieb dem Unfall gleichgesetzt. Dagegen wurden die Ansprüche wegen Todes an B e r i b e r i abgelehnt, während in einem besonderen Fall für den Tod eines Kapitäns an G e l b f i e b e r , dessen Entstehung als Folge plötzlich notwendig gewordener Umtrimmens des Ballastes in einen verseuchten Hafen angenommen wurde, die Entschädigungspflicht anerkannt wurde. Fälle von B l i t z s c h l a g während der Betriebsarbeit mit Körperschädigung werden unter allen Umständen als Betriebsunfall betrachtet, nachdem Prof. H e r g e s e l l ausgeführt hat, dass überall, wo der Blitz einschlägt, eine erhöhte Blitzgefahr besteht. Blitzschläge in die Telefonleitung werden häufig als Ursache von Betriebsunfällen angegeben. Meist handelt es sich hier um funktionelle Störungen. Nur ganz vereinzelt lässt sich eine Ohrstörung nachweisen. Vielfach handelt es sich hier um Menschen, die von Haus aus nervös sind und durch eine kleine Störung das Gleichgewicht verlieren.
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Man wird in solchen Fällen der Energielosigkeit nicht allzusehr nachgeben d ü r f e n . Über U n f ä l l e durch E i n w i r k u n g elektrischer Ströme d ü r f t e selten ein Z w e i f e l bestehen. Allerdings lassen sich nicht immer organische S t ö r u n g e n mit Sicherheit nachweisen. Ein H i t z s c h l a g , bei welchem die schädliche Mitwirkung der Hitze in einem verhältnismässig kurzen Zeitraum eintrat und durch die Betriebsarbeit s t a r k v e r m e h r t w u r d e , ist als Unfall anerkannt worden. Auch E r f r i e r e n w u r d e gelegentlich unter besonderen U m s t ä n d e n als entschädigungspflichtig erklärt, ebenso E r k ä l t u n g infolge siebenstiindiger Arbeit im Schnee. D i a b e t e s m e l i t u s und D i a b e t e s i n s i p i d u s sind insbesondere nach Kopfverletzungen vielfach beobachtet worden. Vereinzelt wird auch ein schon vorher v o r h a n d e n e r Diabetes durch einen Unfall verschlimmert. Es ist das aber k e i n e s w e g s immer der Fall. Die Schwierigkeit der B e g u t a c h t u n g liegt hier häufig in dem Mangel sorgfältiger U n t e r s u c h u n g vor dem Unfall. Erkrankungen der L u n g e n , des K i p p e n f e l l s , des H e r z b e u t e l s und des H e r z e n s n a c h Verletzungen der Brust sowie Ü b e r a n s t r e n g u n g , ebenso L u n g e n e n t z ü n d u n g e n nach a n s t r e n g e n d e r Arbeit und E r k ä l t u n g sind häufig entschädigungspflichtig. F ü r viele innere E r k r a n k u n g e n ist es von grösster Wichtigkeit, dass n i c h t n u r die durch den Unfall e n t s t a n d e n e n Leiden e n t s c h ä d i g t w e r d e n , sondern auch eine V e r s c h l i m m e r u n g bei dem U n f a l l schon vorhandener Leiden. D a s ist insbesondere f ü r die Tuberkulose, aber a u c h f ü r andere L e i d e n von Bedeutung, so f ü r H e r z l e i d e n , M a g e n d a r m e r k r a n k u n g e n usw. In einzelnen F ä l l e n w u r d e n M a g e n g e s c h w ü r e n a c h B a u c h v e r l e t z u n g e n und V e r b r e n n u n g e n beobachtet und als U n f ä l l e a n e r k a n n t . Vielfach f ü h r e n Verletzungen des Bauchs zu Blutungen, peritonitischen V e r w a c h s u n g e n und anschliessenden S t ö r u n g e n ; diese möglichen Folgen wird der Arzt bei der Beurteilung solcher Fälle stets im Auge behalten müssen. B e m e r k e n s w e r t sind folgende Auffassungen des Reichsversicherungsamts: Ein B e r g a r b e i t e r , welcher im Beruf eine s c h w e r e Verletzung des linken U n t e r a r m s erlitten hatte, k a m n a c h J a h r e n ausserhalb des B e r u f s zu F a l l und zog sich eine A u s r e n k u n g d e s A r m s mit Q u e t s c h u n g zu. Der Unfall w u r d e infolge der seit dem ersten Unfall b e s t e h e n d e n Unbeholfenheit und des d a d u r c h bedingten F a l l e s als V e r s c h l i m m e r u n g d e s e r s t e n U n f a l l s
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betrachtet. Ein Epileptiker, der als landwirtschaftlicher Arbeiter beschäftigt war, stürzte in einen Wassergaben und ertrank. Die G e f a h r des Betriebes wurde als wesentlich mitwirkende Ursache des T o d e s betrachtet. Berufskrankheiten werden, wie oben erwähnt, einstweilen nicht den entschädigungspflichtigen Unfällen gleichgestellt. Doch ist eine L u n g e n e n t z ü n d u n g , welche ein Kalkbrenner infolge Einatmens von Kalkstaub akquirierte, als Unfall anerkannt worden, weil das Einatmen sich auf einen kurzen Zeitraum beschränkte. K o h l e n o x i d g a s - und K l o a k e n g a s v e r g i f t u n g mit ihren Folgen wurden als entschädigungspflichtiger Unfall angesehen, ebenso Vergiftungen mit s c h w e f l i g e r S ä u r e , P h o s p h o r o x y c h l o r i d , nitrosen G a s e n , N i t r o a n i l i n , B e n z o l , S c h w e f e l w a s s e r s t o f f . Als wichtiger P u n k t für die Anerkennung kommt in Betracht, dass a k u t e E r s c h e i n u n g e n einer plötzlichen Vergiftung (Unruhe, Aufregung, Reizung der Schleimhäute, Schwindel, Zuckungen, Kopfschmerzen, vielfach Erbrechen, Delirium) vorhanden waren. Mit der immer grösseren Ausdehnung der Industrie dürften derartige Vergiftungen sich noch mehren. Von Einwirkungen psychischer Art kommen die S c h r e c k n e u r o s e n in Betracht, welche infolge eines drohenden aber nicht erfolgten Eisenbahnzusammenstosses bei dem Lokomotivführer, Heizer oder einem anderen Bediensteten gelegentlich entstanden sind. Den S c h r e c k n e u r o s e n zugerechnet und als entschädigungspflichtig hat das Reichsversicherungsamt einen Fall erklärt, *bei dem ein Arbeiter beauftragt wurde, kadaverös riechendes Blut und Leichenteile eines Verunglückten mit Lysol zu übergiessen. Der Arbeiter beschuldigte eine L y s o l v e r g i f t u n g als Ursache von nervösen Störungen, während Prof. L e v i n eine durch Schrecken hervorgerufene Störung annahm. In einem von P l a c z e c k mitgeteilten Fall erlitt ein herzkranker Patient dadurch eine schwere Schädigung, dass ein blutüberströmter Mann Nachts plötzlich vor seinem Bett stand. E r war von einem Einbrecher verletzt worden. Stundenlang lebte der Herzkranke in grosser Angst, und es trat dann plötzlich eine schwere Herzinsufizienz mit Herzdilatation, asthmatischen Anfällen und Herzgeräuschen ein. Das Ereignis wurde einem Unfall gleichgesetzt und als entschädigungspflichtig anerkannt. Eine grosse Rolle spielen nach Unfällen f u n k t i o n e l l e E r k r a n k u n g e n des N e r v e n s y s t e m s , die häufig als traumatische
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Neurose bezeichnet werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die D i a g n o s e h ä u f i g u n b e g r ü n d e t und nur auf nervöse Klagen des Patienten hin gestellt, wird. Auch bei diesen Erkrankungen darf sich die Diagnose nar auf einer s o r g f ä l t i g e n U n t e r s u c h u n g aufbauen. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass auf diesem Gebiet vielfach Übertreibungen vorkommen, dass die Rentensucht eine grosse Rolle spielt, j a dass die soziale Gesetzgebung der Rentensucht beträchtlichen Vorschub geleistet hat. Wissenschaftlichkeit und Geduld sind die Hauptmittel, welche bei Simulation sowie bei den Gemischen von Krankheit und Simulation zum Ziel führen ( T h i c m ) . Gcmische von Simulation und Krankheit sind jedenfalls viel häufiger als reine Simulation. Der um A n e r k e n n u n g s e i n e r B e s c h w e r d e n k a m p f e n d e Kranke glaubt häufig noch einiges hinzutun zu müssen. Der Arzt muss im Auge behalten, dass bei Kranken, welche mehrfach Traumen erlitten haben, oder welche von Haus aus sehr sensibel und nervös, für ein besonderes Ereignis nicht genug Widerstandskraft hatten, Jahre hindurch d a u e r n d e nervöse Störungen an einen Schrecken oder Unfall sich anschliessen können. In derartigen Fällen ist die Kontrolle der Herztätigkeit unter den verschiedensten Bedingungen häufig ein guter Massstab für die Beurteilung. Ob den Verletzten bei dem Betriebsunfall ein V e r s c h u l d e n trifft, kommt für die Entschädigung nicht in Betracht. Nur v o r s ä t z l i c h herbeigeführte Unfälle sind nicht entschädigungspflichtig. G e l e g e n h e i t s - und G e f ä l l i g k e i t s v e r r i c h t u n g e u , die ein Arbeiter im Betrieb ausführt, gelten in der Regel als zum Betrieb gehörig, ebenso sind h ä u s l i c h e und a n d e r e D i e n s t e , zu denen der Versicherte vom Betriebsunternehmer aufgefordert wird, der Versicherung zuzurechnen. Auch Unfälle, welche in Arbeitspausen im G e f a h r e n b e r e i c h d e s B e t r i e b s auftreten, sind e n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t i g , während für Unfälle aus Gefahren des gewöhnlichen Lebens, ausserhalb der Betriebstätigkeit, keine Entschädigungspflicht besteht. Vielfach ist der Unfall von ungünstigen Folgen begleitet, welche weitere schädliche Wirkungen auf den Verletzten ausüben; diese Wirkungen und ihre Folgen sind, wie eine oben angeführte Entscheidung des RVA. gezeigt hat, dem Betriebsunfall gleichzusetzen. Doch ist dies nicht der Fall, wenn der Verletzte durch ungeeignetes Verhalten (Trunkenheit, vorschriftswidrige Benutzung von
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Heilmitteln) sich die Verschlimmung zugezogen hat. Die Behandlung durch einen Kurpfuscher, dem der Versicherte Vertrauen schenkt, kann aber nicht als völlig ungeeignetes Verhalten betrachtet und der Entschädigungsanspruch deshalb abgelehnt werden. b) Ärztliche Behandlung und Heilverfahren. Vielfach tritt der Unfallverletzte in die Behandlung seines Arztes lange bevor der Fall der Berufsgenossenschaft übergeben ist. In der Hand dieses Arztes liegt zum grossen Teil das Schicksal des Verletzten. Der Arzt, welcher zu einem Unfall zugezogen wird, muss, um einige Beispiele anzuführen, wissen, dass bei I m p r e s s i o n e n d e s S c h ä d e l d a c h e s mit halbseitigen Lähmungen oder Bewusstlosigkeit mit der Trepanation nicht gezögert werden darf, um die Hirnrinde von dem Druck des Knochens und einem häufig vorhandenen Bluterguss zu befreien; er muss sich bemühen, die n o t w e n d i g e n c h i r u r g i s c h e n E i n g r i f f e möglichst bald vorzunehmen, um den günstigen Augenblick zur Operation nicht zu versäumen; er muss bei Firigerverletzungcn und notwendigen Operationen daran denken, dass eine W i e d e r h e r s t e l l u n g mit m ö g l i c h s t e r L e i s t u n g s f ä h i g k e i t das Ziel ist, dass steife und empfindliche Fingerstümpfe für den Arbeiter viel schlimmer sind, als der V e r l u s t eines oder mehrerer Finger; er muss wissen, dass bei Brüchen des Arms der G i p s v e r b a n d von Ü b e l ist, indem L ä h m u n g e n u n d d a u e r n d e V e r s t e i f u n g e n mit M u s k e l a t r o p h i e u n d S e h n e n v e r k ü r z u n g die Folgen sein können; er muss bedenken, dass d u r c h t r e n n t e N e r v e n schleunigst vernäht werden müssen, soll nicht eine dauernde Lähmung die Folge sein; er muss wissen, dass bei L ä h m u n g e n mit E n t a r t u n g s r e a k t i o n die Anwendung des faradischen Stroms ein Missgriff ist, da dadurch nur die Antagonisten erregt und zur Verkürzung veranlasst werden, wodurch die Lähmung nur noch schlimmer wird; er muss wissen, dass bei v i e l e n i n n e r e n V e r l e t z u n g e n grosse Ruhe und Beruhigung mit Anwendung entsprechender Mittel am Platze ist; er muss wissen, dass die Behandlung der P s y c h e des Kranken häufig ebensoviel wert ist, als diejenige des Körpers. Wer einem Schwerverletzten sagt, er wisse nicht, was alles daraus werden könne, macht sich nicht klar, dass ein solcher Ausspruch dem Verletzten allen Mut zu nehmen vermag. Die leichtfertig hin-
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geworfene Diagnose „traumatische Neurose" hat schon viel Unheil angerichtet. Der Arzt muss aber auch wissen, dass er, wo sein technisches Können als Arzt nicht ausreicht, nötigenfalls den Patienten in spezialärztliche Behandlung oder in ein Krankenhaus Uberweisen muss. Unter allen Umständen muss er aber n e b e n dem Befund der e i g e n t l i c h e n V e r l e t z u n g sofort oder möglichst bald eine e i n g e h e n d e U n t e r s u c h u n g d e s g e s a m t e n k ö r p e r l i c h e n u n d g e i s t i g e n Z u s t a n d e s vornehmen. Die Unkenntnis und Unerfahrenheit mancher Ärzte in den Gebieten der chirurgischen und inneren Unfallerkrankungen hat zweifellos viel geschadet und tut es noch jetzt, bis durch die .Staatsregierung für e i n e h i n r e i c h e n d e A u s b i l d u n g d e r Ä r z t e in d i e s e n w i c h t i g e n D i s z i p l i n e n g e s o r g t i s t . Der Arzt, welcher einen Klienten der Berufsgenossenschaft in Behandlung nimmt, hat die besondere Aufgabe, ausser der genauesten Untersuchung und Behandlung auch die Ergebnisse dieser aufzuzeichnen. Gewinnt die Berufsgenossenschaft aus dem Bericht des Arztes über die Verletzung mit ihren Folgen und die eingeleitete Behandlung die Überzeugung, dass für den Klienten bestens gesorgt ist, so wird sie diesen in den meisten Fällen in der Behandlung des seitherigen Arztes belassen. Häufig ist die Behandlung im Krankenhaus dringend erforderlich, weil zu Hause die Möglichkeit einer rationellen Behandlungnicht vorhanden ist. Vielfach ist der Arzt nicht in der Lage, die notwendige Kontrolle über Verbände und den Heilungsverlauf auszuüben; in anderen Fällen findet eine ungünstige Beeinflussung durch die Familie oder gute Freunde statt, welche den Patienten häufig veranlassen, mehr an die durchaus erforderliche Entschädigung, als an die erstrebenswerte Heilung und Arbeitsfähigkeit zu denken. Am rationellsten wäre es, wenn j e d e m Arzt ein Krankenhaus mit genügenden Einrichtungen für Diagnose und Behandlung zur Verfügung stände, da dann die Berufsgenossenschaft den Verletzten nur mit seiner Zustimmung in eine andere Krankenanstalt verbringen kann. Von grösster Wichtigkeit ist, wie oben schon erwähnt, die Beeinflussung der Psyche des Kranken. Die Entstehung der t r a u m a t i s c h e n H y s t e r i e oder N e u r a s t h e n i e beruht z u m T e i l in ungünstigen psychischen Einflüssen, bei lange bestehender Untätigkeit. J e mehr diese Faktoren ausgeschaltet werden, um so
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besser. Alle diese Gesichtspunkte haben dazu g e f ü h r t , dass eine frühzeitige Übernahme des Heilverfahrens durch die Berufsgenossenschaften diesen als zweckmässig und rechnerisch günstiger erschien, trotzdem dasselbe zunächst kostspieliger ist. Das Reichsversicherungsamt hat deshalb folgende Leitsätze f ü r das Heilverfahren aufgestellt: „Schon in der Wartezeit bis über die dreizehnte Woche hinaus muss ein möglichst auf die Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit gerichtetes Heilverfahren eingeleitet werden. Insbesondere sollen die Berufsgenossenschaften in der Regel, soweit nicht die Krankenkassen ausreichend eingreifen, die Fürsorge für die Verletzten übernehmen: bei o f f e n e n K n o c h e n b r ü c h e n sowie bei geschlossenen B r ü c h e n g r o s s e r R ö h r e n k n o c h e n , der W i r b e l s ä u l e und des B e c k e n s sowie solche in der Nähe von G e l e n k e n (abgesehen von Wadenbein- und Knöchelbrüchen), bei B r ü c h e n d e r H a n d - u n d F u s s w u r z e l k n o c h e n , der Grumlgliedknochen der F i n g e r , bei V e r r e n k u n g e n u n d V e r s t a u c h u n g e n grosser Gelenke, bei Verletzungen i n n e r e r O r g a n e , wichtiger Nervenstämme und Sehnen, bei schweren I n f e k t i o n e n und V e r b r e n n u n g e n , bei A u g e n v e r l e t z u n g e n und drohendem Milzbrand, sowie bei Auftreten n e r v ö s e r E r s c h e i n u n g e n , welche die Entwicklung eines Nervenleidens befürchten lassen. Ausser der sorgfältigen Untersuchung (Röntgenuntersuchung, Spezialarztzuziehung) kommt für die Überweisung- in Betracht, dass alle modernen Hilfsmittel vielfach nur in gut ausgestatteten Heilanstalten vorhanden sind. Dabei soll aber auf den erstbehandelnden Arzt alle Rücksicht genommen werden, welche mit dem Ziele einer möglichst schleunigen und vollkommenen Heilung und Herstellung zu vereinbaren ist. Viele Arzte stellen auch aus eigener Initiative den Antrag auf Uberführung der Verletzten in ein Krankenhaus. Wenn aber auch bei vielen dieser E r k r a n k u n g e n die Übernahme des Heilverfahrens bessere Aussichten auf baldige Wiederherstellung bietet, so darf man doch nicht übersehen, dass der w e i t e T r a n s p o r t von manchen Kranken Gefahren in sich schliesst. So sali ich einen Fall mit offenem Splitterbruch des Oberschenkels, der auf einem zweistündigen Transport sich verblutet, hatte und kurze Zeit nach der Einlieferung in das Krankenhaus starb. Ob
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die Knochensplitter erst auf dem Transport die schwere Blutung ausgelöst hatten, oder ob vielleicht durch Umlegung eine» Gummischlauchs um den Oberschenkel die schon vorhandene Blutung hätte gestillt werden können, liess sich nicht feststellen. Dem K r a n k e n h a u s a r z t fällt vielfach in erweitertem Masse die oben schon skizzierte Aufgabe zu, mit allen Mitteln der modernen Diagnostik den vorliegenden Fall zu untersuchen und dann die entsprechende Behandlung einzuleiten. Naturgemäss ist er an die in der Einleitung geschilderten gesetzlichen Bestimmungen gebunden. Da der Unfallverletzte ebenso wie jeder andere Mensch Herr über seinen Körper ist, so kann er o p e r a t i v e E i n g r i f f e und die Anwendung der N a r k o s e ablehnen. In der früheren Gesetzgebung war die Möglichkeit der Ablehnung durch Gesetz festgelegt. Es hat sich aber im Laufe der Jahre gezeigt, dass manche Patienten den k l e i n s t e n c h i r u r g i s c h e n E i n g r i f f und eine N a r k o s e zur rascheren Wiederherstellung und zur Erlangung einer grösseren Funktionstüchtigkeit ablehnten, um infolge ungünstigeren Verlaufs eine höhere Rente zu erlangen. In der Reichsversicherungsordnung haben Operation und Narkose keinen Platz gefunden. Dagegen heisst es in § 606: Hat der Unfallverletzte eine Anordnung, die das H e i l v e r f a h r e n betrifft, ohne g e s e t z l i c h e n oder sonst t r i f t i g e n Grund nicht befolgt, und wird dadurch seine Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflusst, so kann ihm der S c h a d e n e r s a t z auf lange Zeit ganz oder teilweise v e r s a g t werden, wenn er auf die Folgen hingewiesen ist. Es ist Sache des A r z t e s , einem Patienten die N o t w e n d i g k e i t eines bestimmten Heilverfahrens, einer Narkose, einer O p e r a t i o n mitzuteilen und ihn auf die nachteiligen Folgen der Verweigerung aufmerksam zu machen. Allerdings braucht der Patient zu grossen lebensgefährlichen Operationen seine Einwilligung nicht zu geben; aber bezüglich kleinerer Operationen und der Narkose liegt eine Entscheidung des Reichsgericht vor, dass in Fällen von Privatversicherung der Patient zur Wiederherstellung seiner Gesundheit k e i n e O p e r a t i o n z u r ü c k w e i s e n darf, welcher ein v e r n ü n f t i g d e n k e n d e r M e n s c h ohne weiters sich u n t e r z i e h e n würde. Weist der Klient einer privaten Versicherungsgesellschaft die Ausführung einer derartigen Operation zurück, so gehen seine weiteren Ansprüche an die Versicherungsgesellschaft verloren.
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Der gleiche Gesichtspunkt dürfte auch bei der Rechtsprechung im Gebiete der Unfallversicherung im Laufe der Zeit Geltung erlangen. Am besten ist es, wenn eine n o t w e n d i g e O p e r a t i o n tunlichst d i r e k t nach dem Unfall ausgeführt wird, da ein Kranker alsdann viel leichter seine Zustimmung gibt. Grosse Schwierigkeiten macht die Bekämpfung der t r a u m a t i s c h e n H y s t e r i e . Die Versicherten haben sich häufig so sehr ihren funktionellen Beschwerden hingegeben und sind von der völligen Arbeitsunfähigkeit so fest überzeugt, dass eine Behandlung auf grosse Schwierigkeiten stösst. Dazu kommt, dass dieselben vielfach die Zukunft in trübem Lichte sehen und nur von einer hohen Rente eine geringe Entschädigung f ü r alle Leiden und ihre Arbeitsunfähigkeit erwarten. Stossen sie dann auf begründete ärztliche Zweifel, so fühlen sie sich beeinträchtigt und versuchen mit allen Mitteln, ihr vermeintliches Recht zu erkämpfen. Neben der symptomatischen Behandlung kommt in solchen Fällen der psychischen eine wesentliche Bedeutung zu. Häufig gelingt es, den Patienten Übertreibungen und Täusehungsversuche nachzuweisen und, ohne ein Wort des Tadels, ärztlichen Einfluss zu gewinnen. Das beste wäre, wenn die Unfallentschädigungsfrage bei derartigen Fällen gar nicht aufgerollt zu werden brauchte, wie z.B. in den H o e c h s t er Farbwerken. Dort erhalten die betreffenden ihren seitherigen Lohn weiter und werden, sobald es geht, mit minimaler Arbeit beschäftigt. Auch aus Berlin liegen entsprechende günstige Erfahrungen vor. Leider lässt sich ein derartiges Verfahren nur in wenig Betrieben durchführen. In Steinbrüchen, Bergwerken, Hüttenanlagen usw. scheint es völlig unausführbar zu sein. Darin stimmen aber alle Ärzte überein, dass e i n e ü b e r J a h r e a u s g e d e h n t e B e h a n d l u n g derartiger Fälle keinen Nutzen, sondern eher Schaden bringt. Die Fälle sollen nur so lange im Krankenhause oder in ärztlicher Behandlung bleiben, als es unbedingt erforderlich ist. Am besten gestaltet sich der Verlauf, wenn sie direkt nach Entlassung aus der Behandlung eine ihnen angemessene Beschäftigung übernehmen können. Aufgabe des Arztes ist es mit allen Kräften darauf hinzuwirken. In manchen Fällen hat es sich bewährt, wenn den Genesenden schon R u m p f , Arzt und Reichsversicberungsordnung.
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im Krankenhaus eine kleine Arbeit gegen besondere Vergünstigungen (eine Flasche Bier usw.) übertragen wird. Der Arzt gewinnt dann auch ein gewisses Urteil über die Leistungsfähigkeit. Leider fehlt es an Einrichtungen, Kolonien usw., in denen Unfallverletzte ihre verbliebene Arbeitskraft verwenden können. Zum Schlüsse sei erwähnt, dass die Genossenschaft jederzeit ein n e u e s H e i l v e r f a h r e n eintreten lassen kann, wenn zu erwarten ist, dass es die Erwerbsfähigkeit erhöht. c) Die Beurteilung der Erwerbsbeschränkung. Die Bestimmung des G r a d e s d e r E r w e r b s u n f ä h i g k e i t ist nach einer Entscheidung des Reichsversicherungsamtes nicht Sache des Arztes, sondern der einschlägigen Organe der Berufsgenossenschaften. Der Arzt müsste darnach nur die durch den Unfall hervorgerufenen Folgen schildern und das Weitere der Genossenschaft überlassen. Tatsächlich wird aber meist von den begutachtenden Ärzten eine prozentuale Abschätzung der Unfallfolgen gewünscht. Naturgemäss gibt es Fälle, in welchen die B e u r t e i l u n g d e r E r w e r b s b e s c h r ä n k u n g viel richtiger von B e r u f s g e n o s s e n des Verletzten und somit von der Berufsgenossenschaft erfolgt, da diese die Folgen einer vorhandenen Störung besser zu übersehen vermögen. Wie wenig manche Verletzungen die Erwerbsfähigkeit zu beeinträchtigen pflegen, haben ältere und neuere Erfahrungen genügend gezeigt. So bedingt für viele Berufe der V e r l u s t e i n z e l n e r F i n g e r g l i e d e r und selbst F i n g e r keine dauernde Beschränkung der Erwerbsfähigkeit. Aber auch grössere Defekte werden häufig ohne Einbusse an Lohn ertragen. Mit Hecht stellen deshalb die Berufsgenossenschaften Recherchen Uber die Leistungsfähigkeit und den Arbeitsverdienst der Unfallverletzten in späterer Zeit an. Als v ö l l i g e r w e r b s u n f ä h i g betrachtet das Reiehsversicherungsamt denjenigen, „ w e l c h e r u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der besonderen Umstände des Falls, der genossenen V o r b i l d u n g und s e i n e r k ö r p e r l i c h e n u n d g e i s t i g e n K r ä f t e a u s s e r s t a n d e e r a c h t e t werden muss, s i c h d u r c h A r b e i t n o c h e i n V e r d i e n s t zu s c h a f f e n " . Etwaige im Hause geleistete Arbeit wird nicht als Verdienst gerechnet, selbst wenn der Verletzte an Stelle der Frau die Aufsicht über Küche
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und Kinder übernimmt, und erstere ihre Berufstätigkeit ausserhalb des Hauses ausübt. Als h i l f l o s gilt nur der Verletzte, für dessen Pflege d a u e r n d eine f r e m d e A r b e i t s k r a f t angenommen werden muss, weil er zu den gewöhnlichen Verrichtungen aus eigener Kraft nicht imstande ist. Dabei bleibt es gleichgültig, ob die Hilfe durch Angehörige oder durch Fremde geleistet wird. War aber der Verletzte zur Zeit des Unfalls bereits dauernd erwerbsunfähig, so beschränkt sich der zu leistende Schadensersatz auf freie ärztliche Behandlung, Arznei und sonstige Heilmittel. Wird ein solcher Verletzter infolge des Unfalles derart hilflos, dass er ohne fremde Wartung und Pflege nicht bestehen kann, so ist eine Rente bis zur Hälfte der Vollrente zu gewähren. Soll auf Grund eines ärztlichen Gutachtens die Entschädigung abgelehnt oder nur eine T e i l r e n t e gewährt werden, so ist vorher der b e h a n d e l n d e A r z t zu hören, wenn er nicht schon ein ausreichendes Gutachten erstattet hat. Steht der behandelnde Arzt zu dem Versicherungsträger in einem nicht nur vorübergehenden Vertragsverhältnis, so ist auf Antrag ein anderer Arzt zu hören. Während die Abschätzung der v ö l l i g e n Erwerbsunfähigkeit oder der Hilflosigkeit leicht ist, stösst die Beurteilung der teilw e i s e n Erwerbsunfähigkeit auf mancherlei Schwierigkeiten. Als Massstab ist stets die jeweilige Erwerbsfähigkeit anzusehen, gegenüber dem V e r d i e n s t v o r dem Unfall. Dieser wird bei den g e w e r b l i c h e n B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n als Verdienst des einzelnen festgestellt. Bei diesem Verdienst hat der Arzt sich in der Regel nicht um die Frage zu kümmern, ob die Erwerbsfähigkeit des betreffenden schon vor dem Unfall verringert war, da dieser Rückgang schon im „Lohn" des einzelnen zum Ausdruck kommt. Doch kann sich der R ü c k g a n g der E r w e r b s f ä h i g k e i t auch dadurch zeigen, dass der betreffende häufiger seine Tätigkeit unterbrechen musste. Diese Tatsache wird auch der Arzt bei entsprechendem Krankheitsbefund berücksichtigen müssen. Anders liegt die Beurteilung bei denjenigen Berufsgenossenschaften, bei welchen das Durchschnittsverdienst der Rechnung zugrunde gelegt wird (wie in der landwirtschaftlichen und Seeunfall-Berufsgenossenschaft). Hier hat der Arzt zu erwägen, ob schon vor dem Unfall eine Erwerbsbeschränkung vorhanden war
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Die Unfallversicherung.
und hat diese gegebenenfalls unter sorgfältiger Anführung der schon vor dem Unfall vorhandenen Krankheitserscheinungen zu begründen. Um die noch vorhandene Erwerbsfähigkeit beurteilen zu können, muss der Arzt sich bemühen, eine E i n s i c h t in die verschiedenen E r w e r b s m ö g l i c h k e i t e n Zugewinnen, da derjenige Teil von Arbeitskraft, welcher dem Verletzten auf d e m g e s a m t e n A r b e i t s m a r k t zur Verfügung steht, dem V e r s i c h e r u n g s t r ä g e r n i c h t zur Last fällt. Allerdings kann eine Erwerbsfähigkeit noch nicht als wiedergekehrt betrachtet werden, solange die Wiederaufnahme der Arbeit eine Verschlimmerung des Zustandes befürchten lässt; weiterhin ist die Genossenschaft berechtigt, Verletzten für die Zeit unverschuldeter Arbeitslosigkeit infolge des Unfalls eine Teilrente bis zur Vollrente zu erhöhen. Alle diese Punkte sind bei der technischen Beurteilung auf dem Gebiet der Unfallversicherung zu berücksichtigen. Weiterhin sind bei der Beurteilung die Beziehungen aller v o r l i e g e n d e n K r a n k h e i t s e r s c h e i n u n g e n zu dem Unfall sorgfältig zu erwägen. Auf Grund der V o r g e s c h i c h t e und des s o r g f ä l t i g e n obj e k t i v e n B e f u n d e s hat der Arzt anzugeben, welche S t ö r u n g e n d e m U n f a l l zur Last fallen, und welche Störungen unbeeinflusst vom Unfall bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Versicherung k ö r p e r l i c h e u n d s e e l i s c h e S c h m e r z e n n i c h t b e t r i f f t , sondern n u r d a s v e r s i c h e r t e R e c h t s g u t d e r Erwerbsfähigkeit. So stellt jeder zu beurteilende Fall an den Arzt eine Reihe von Fragen, die zum Teil nur unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu beantworten sind. Doch liegen eine Anzahl Entscheidungen der Spruchgerichte und des Reichsversicherungsamtes vor, die dem ärzlichen Begutachter einen Anhaltspunkt für die Schätzung der Erwerbsbeschränkung geben. Ich entnehme den verschiedenen Entscheidungen und T h i e m ' s Tabellen folgende Schätzungen. Doch handelt es sich hierbei nur um einen Anhaltspunkt, von dem Abweichungen auf Grund des Einzelfalls notwendig werden können. Prozent Verlust eines Auges 20—30 100 „n beider Augen 0 Einseitige mässige Schwerhörigkeit .
Die Unfallversicherung. Prozent Doppelseitige mässige Schwerhörigkeit . . . 10 Einseitige stärkere Schwerhörigkeit . . . . 10 Doppelseitige „ „ . . . . bis 40 Einseitige völlige Ertaubung 20 Doppelseitige „ „ 50—60 Bei gleichzeitigen Gleichgewichtsstörungen durch Labyrintherkrankung 20—30 Verlust beider Hände, Arme, Füsse oder Beine oder eines Armes u n d eines Beines . . . 100 2 Verlust des Armes, rechts 66 / s —75 „ „ links 60—70 „ Verlust der Hand, rechts 60—66 2 / s „ „ „ links 50—60 Verlust des Daumens mit Mittelhandknochen 30—33 1 / ä Verlust des Daumens bei beweglichen Mittelhandknochen 25—30 Daumenverlust, rechts 25—30 „ links 20—25 Zeigefingerverlust, rechts 15—18 „ links 12—15 Mittelfingerverlust, rechts 10—18 „ links 10—15 Ringfingerverlust, rechts ) 0 10 „ links ) Verlust des kleinen Fingers 0—10 Verlust der Kuppe des rechten Daumens . . 0 Teilweise Steifheit des rechten Daumens . . 10 Steifigkeit des rechten Daumens und Zeigefingers 25 Atrophie mit Verkrümmung von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger mit Geschwürbildung 40 Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand . . 60 Verlust eines Beines oberhalb des Knies . . 75 Verlust eines Beines mit beweglichem Knie . 50—66 2 / g Verlust eines Fusses 50 Verlust der grossen Zehe 0—10 Verlust einer der übrigen Zehen 0
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Die Unfallversicherung-. Prozent
Verlust sämtlicher Zehen Leicht zurückzuhaltender Eingeweidebruch Leicht zurückzuhaltender doppelseitiger Eingeweidebruch Einfache Lageveränderung der Gebärmutter .
20—33V 3 10 15—20 20—25
Grössere Schwierigkeit bietet die Beurteilung innerer Erkrankungen. Für schwere Neurasthenie infolge einer Riickenverletzung hat das Reichsversicherungsamt gelegentlich eine Rente von 50 °/0 bewilligt. In einfacheren Fällen dürfte eine solche nach Ablauf der ersten Erscheinungen zu hoch sein oder höchstens als Übergangsrente in Betracht kommen. [Rentenhysterie als solche wird nicht entschädigt.] Bei Lähmungen wird der Verlust an Arbeitsfähigkeit mit Berücksichtigung des Ausfalls an Brauchbarkeit der Glieder zu schätzen sein. An Lungen- und Herzerkrankungen Leidende sind oft längere Zeit nach dem Unfall völlig erwerbsunfähig. Das gleiche ist öfters bei Magenerkrankung der Fall. Bestand zur Zeit des Unfalls ein a n d e r e s L e i d e n , welches die Erwerbsfähigkeit seither nicht beschränkte, aber durch die Folgen des Unfalls sich s t ä r k e r bemerkbar macht und dadurch für die Arbeitsleistung von Bedeutung wird, so muss diesem Umstand in der S c h ä t z u n g der Unfallfolgen R e c h n u n g getragen werden. In vielen Fällen ist der Zustand der Erwerbsbeschränkung kein dauernder; häufig bessert sich der anfängliche Krankeitszustand, seltener tritt eine Verschlimmerung der Unfallfolgen ein. Das Gesetz hat diese Möglichkeiten vorgesehen. Tritt in den V e r h ä l t n i s s e n , welche für die Feststellung der Entschädigung massgebend waren, eine w e s e n t l i c h e Ä n d e r u n g ein, so kann eine n e u e F e s t s t e l l u n g getroffen werden. Wie schon oben erwähnt, kann die Genossenschaft zur Erhöhung der Erwerbsfähigkeit des Unfallrentners jederzeit ein neues Heilverfahren eintreten lassen, und dieses kann auch von der Krankenkasse oder Ersatzkasse beantragt werden. Indessen rechtfertigen n u r w e s e n t l i c h e Ä n d e r u n g e n eine Herabsetzung der Rente; im allgemeinen sind Rentenänderungen um weniger als 10°/o nur dann zulässig, wenn eine 5°/ 0 ige Rente auf Grund eines höheren zugrunde gelegten Lohnes einen verhältnismässig hohen Geldbetrag
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ausmacht, oder wenn die um 5 °/0 geminderte Rente vermutlich eine dauernde ist. Ebenso wie eine Besserung der Unfallfolgen möglich ist, kann auch eine Verschlimmerung eintreten. Der Anspruch auf E r h ö h u n g oder W i e d e r g e W ä h r u n g einer Rente (wegen Änderung der Verhältnisse) ist bei dem Ve r s i c h e r u n g s t r ä g e r oder dem V e r s i c h e r u n g s a m t anzumelden. Letzteres gibt denselben weiter. Bei der ärztlichen Untersuchung zwecks neuer Feststellung der Unfallfolgen hat der Arzt nach Erhebung des genauen Befundes diesen mit den früheren Untersuchungsergebnissen und dem früheren Gutachten zu vergleichen, w e l c h e für d i e l e t z t e R e n t e n f e s t s t e l l u n g m a s s g e b e n d waren. Bei gleichen Untersuchungsmethoden lässt sich hieraus meist ein zutreffendes Urteil gewinnen, auch wenn die Begutachtung seitens verschiedener Ärzte erfolgt ist. Sind in dem Gutachten, welches für die letzte Feststellung massgebend war, wichtige Untersuchungen nicht angestellt oder die Ergebnisse nicht mitgeteilt, so kann die Beurteilung recht schwierig sein. Es muss dann vielfach auf die allgemeine Beurteilung und die zweifelhaften subjektiven Klagen zurückgegriffen werden. Zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten ist es dringendes Erfordernis, dass j e d e U n t e r s u c h u n g v o l l s t ä n d i g d u r c h g e f ü h r t und die Befunde in den Gutachten niedergelegt werden. Vereinzelt kommt es natürlich vor, dass weder bei der Untersuchung für die frühere Rentenfeststellung noch bei der Nachuntersuchung ein wesentlicher krankhafter Befund festgestellt werden kann. Es sind dann die a l l g e m e i n e Körperb e s c h a f f e n h e i t , das G e w i c h t , das A u s s e h e n , die Bes c h w i e l u n g der Hände gegenüber dem früheren Gutachten zu berücksichtigen. Für die Beurteilung einer Besserung kann auch die Frage des L o h n s und Arbeitsverdienstes herangezogen werden. Allerdings ist dieser nicht immer massgebend, da manche nervös Kranke sich nur schwer zur Arbeit entschliessen, trotzdem ein mehr oder weniger grosser Teil der Arbeitsfähigkeit wieder zurückgekehrt ist. Die von W i n d s c h e i d in einzelnen Fällen vorgeschlagene R e n t e n k ü r z u n g als H e i l m i t t e l ist gesetzlich nicht zulässig. Aber wenn der Arzt die Überzeugung hat, dass der betreffende Kranke einen g e w i s s e n G r a d v o n E r w e r b s f ä h i g k e i t wiedererlangt hat und diese Anschauung eingehend
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begründet, so werden die Berufsgenossenschaften und die höheren Instanzen nur selten ein sehr abweichendes Urteil sprechen. Allerdings habe ich es erlebt, dass ein männlicher Hysterikus durch seine Klagen und ständiges Hüsteln sich einige Jahre bei dem Schiedsgericht die Vollrente erkämpfte. Später zeigte sich, dass er gut zu 2/;. arbeitsfähig war. Eine wesentliche Änderung ist auch dann anzunehmen, wenn der Verletzte sich an den G e b r a u c h eines verletzt gewesenen Gliedes, oder au dessen V e r l u s t durch besseren Gebrauch der verbliebenen Glieder g e w ö h n t hat. Bei eingetretener Verschlimmerung oder bei gleichgebliebener Erwerbsbeschränkung ist aber auch zu prüfen, ob die letztere noch auf Unfallfolgen beruht. Gewiss muss, wie S e e l m a n n ausführt, berücksichtigt werden, dass beispielsweise bei einem 60jährigen Mann infolge einer Schädelverletzung eine frühzeitige Altersschwäche eintreten kann, und dass alsdann auch diese dem Unfall zur Last fällt. Es gibt aber auch Fälle, bei welchen schon vor dem Unfall deutliche Krankheitserscheinungen vorhanden waren, die durch den Unfall keine Verschlimmerung erfuhren. Während nun die Unfallfolgen, ein Knochenbruch, eine Lungenaffektion, langsam ausheilen, kann eine schon v o r dem Unfall vorhandene A r t e r i o s k l e r o s e , oder ein anderes Leiden langsam vorauschreiten und zu frühzeitiger Altersschwäche, oder zu einem Gehirnschlag infolge von Blutungsoder Erweichungsherden führen. Es wäre sicher u n g e r e c h t f e r t i g t , d i e s e F o l g e n einer schon v o r d e m U n f a l l vorhandenen und durch ihn nicht beeinflussten Krankheit d i e s e m zur Last zu legen. Die Renten werden innerhalb der e r s t e n b e i d e n J a h r e nach dem Unfall in der Regel als v o r l ä u f i g e , später als d a u e r n d e bezeichnet. Die Festsetzung der letzteren setzt eine Änderung der Verhältnisse nicht voraus. Die Dauerrente wird spätestens mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall festgesetzt. In den e r s t e n z w e i J a h r e n nach dem Unfall darf wegen einer Änderung im Zustand des Verletzten eine n e u e F e s t s t e l l u n g j e d e r z e i t vorgenommen, oder beantragt werden. Ist jedoch innerhalb dieser Frist eine d a u e r n d e Rente r e c h t s k r ä f t i g festgestellt worden, oder ist diese Frist abgelaufen, so darf eine n e u e F e s t s t e l l u n g nur in Zeiträumen von e i n e m J a h r vorgenommen oder beantragt werden. Diese Fristen können durch Übereinkommen jedoch gekürzt
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werden, werden aber durch ein neues Heilverfahren nicht berührt. Der Arzt hat sein Gutachten naturgemäss nach b e s t e m W i s s e n u n d G e w i s s e n abzugeben. Für manche Berufsgenossenschaften, besonders solche mit vielen Unfällen und schwieriger Erhebung der Beiträge ist, wie T h i e m betont, die Unfallversicherungsfrage eine r e i n e G e l d f r a g e . Der hieraus naturgemäss sich ergebende Gegensatz zwischen den Wünschen der Berufsgenossenschaften und der Berechtigten d a r f d e n A r z t in k e i n e r W e i s e in seinem zu erstattenden Gutachten b e e i n f l u s s e n . Er muss trachten, auf Grund seiner ä r z t l i c h e n K e n n t n i s s e den richtigen Weg zwischen den entgegenstehenden Interessen zu finden. Ist bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit eine Rente von 20 °/0 oder weniger der Vollrente festgesetzt, so kann nach Anhörung des Versicherungsamts die Berufsgenossenschaft den Entschädigungsberechtigten auf seinen Antrag durch eine entsprechende K a p i t a l z a h l u n g abfinden. Diese Abfindungen sind schon häufig für die Verletzten Veranlassung geworden, sich in erfolgreichster Weise einen n e u e n B e r u f zu schaffen. Insbesondere auf die Fälle unk o m p l i z i e r t e r H y s t e r i e würde eine Abfindung häufig günstiger wirken, als der fortlaufende Rentenbezug. Ein Ausländer kann, falls er seinen Wohnsitz im Deutschen Reich aufgibt, mit seiner Zustimmung mit dem d r e i f a c h e n B e t r a g d e r J a h r e s r e n t e , ohne seine Zustimmung mit einem dem Wert seiner Jahresrente entsprechenden Kapital abgefunden werden. d) Einspruchsverfahren. Gegen die Entscheidung des Genossenschaftsvorstandes oder des Sektionsvorstandes kann binnen einem Monat Einspruch erhoben werden; der Berechtigte kann durch diesen persönliche Vernehmung vor dem Versicherungsträger oder dem Versicherungsamt beanspruchen. Ist nicht schon durch den Versicherungsträger ein Arzt gehört worden, dem der Versicherte nach e i g e n e r Wahl seine Behandlung übertragen hat, so hat das V e r s i c h e r u n g s a m t a u f d e n b e i d e r V e r n e h m u n g zu s t e l l e n d e n A n t r a g d e s Versicherten das Gutachten eines bisher noch nicht gehörten Arztes e i n z u h o l e n , wenn d a s G u t a c h t e n n a c h Ans i c h t d e s V e r s i c h e r u n g s a m t e s f ü r d i e E n t s c h e i d u n g von B e d e u t u n g sein kann.
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Auf V e r l a n g e n d e s B e r e c h t i g t e n ist in a l l e n F ä l l e n , w e n n e r d i e K o s t e n im v o r a u s e n t r i c h t e t , e i n v o n i h m b e z e i c h n e t e r A r z t a l s G u t a c h t e r zu h ö r e n . In früherer Zeit musste der Berechtigte, der eine Erhöhung seiner Rente beantragte, ein ärztliches Zeugnis über eine wesentliche Änderung zum Schlechteren vorlegen. Dieser Modus hat durch Täuschung und Irrtum der Ärzte viel Unerfreuliches gezeitigt. So hat ein Arzt bei einem Fall von traumatischer Hysterie, dem wohlwollenderweise eine 50 "/„-Rente zugebilligt war, ohne ein beweisendes Symptom anzuführen, das Bestehen eines Rückenmarksleidens attestiert und Yollrente beantragt. Solche Gutachten haben mir vielfach vorgelegen. Sie schädigen das Ansehen des betreffenden Arztes im speziellen und das Ansehen der Ärzte im allgemeinen, bringen aber ausserdem dem Kranken einen psychischen Schaden, der gar nicht zu berechnen ist. Gelegentlich haben sie auch zu Bestrafungen von Ärzten wegen Fahrlässigkeit geführt. Nach der Reichsversieherungsordnung ist dieses früher verlangte Zeugnis nicht notwendig. Der Verletzte kann verlangen, dass er auf seinen Einspruch vor dem V e r s i c h e r u n g s a m t vernommen wird. Doch steht diesem keine Entscheidung zu. Es kann E r m i t t e l u n g e n anstellen, soweit dadurch keine erheblichen Kosten entstehen, auch Ä r z t e , wie oben erwähnt, hören, gibt aber dann die Akten mit allen Erhebungen und einer Äusserung zur Sache an den Versicherungsträger weiter. Handelt es sich um v o r l ä u f i g e R e n t e n , so kann der Vorsitzende des Versicherungsamts die Angelegenheit erledigen; bei Antrag auf V e r ä n d e r u n g e i n e r D a u e r r e n t e muss das Versicherungsamt nach Abschluss der Ermittelungen in nicht öffentlicher Sitzung unter Zuziehung von j e einem Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten mündlich verhandeln, wobei sich die Genossenschaft durch einen Vertrauensmann, oder ein Mitglied eines anderen Organs vertreten lassen, und der Berechtigte erwachsene Angehörige oder andere geeignete Personen als Beistand zuziehen kann. Doch dürfen der Vertreter der Genossenschaft und der Beistand des Berechtigten nicht zu solchen Personen gehören, welche das Verhandeln vor einer Behörde geschäftsmässig betreiben. Das Versicherungsamt erstattet nunmehr sein Gutachten und zwar über alles, was für die Erschliessung- des Versicherungs-
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trägere von Bedeutung ist, sowie über etwaige Meinungsverschiedenheiten des Vorsitzenden, des Versicherungsamts und der Versicherungsträger. Auf Grund dieses Gutachtens trifft der Versicherungsträger eine neue Entscheidung. Gegen diese steht dem Berechtigten binnen einem Monat Berufung an das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t zu. Das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) wählt je für vier Jahre am Schlüsse des letzten, in der Regel nach Anhören der zuständigen Ärztevertretung, aus seinem Bezirke die Ärzte aus, die es als Sachverständige nach Bedarf zuzieht. In Sachen der Unfallversicherung dürfen k e i n e Ärzte als S a c h v e r s t ä n d i g e zugezogen werden, die in einem V e r t r a g s v e r h ä l t n i s zu Trägern der Unfallversicherung stehen, oder von ihnen r e g e l m ä s s i g als Gutachter in Anspruch genommen werden. Auch an das Oberversicherungsamt kann ebenso wie an das Versicherungsamt seitens der Berechtigten der Antrag gestellt werden, einen bestimmten Arzt zu hören und das Oberversicherungsamt kann dem Antrag unter der Bedingung stattgeben, dass der Antragsteller die Kosten vorschiesst und sie, falls das Oberversicherungsamt nicht anders entscheidet, endgültig trägt. Die ärztliche Begutachtung vor dem Schiedsgericht ist nicht immer leicht. Wenn nicht eingehende und begründete Gutachten vorliegen, deren Resultate leicht zu kontrollieren sind, so bleibt die B e u r t e i l u n g nach e i n m a l i g e r k u r z e r U n t e r s u c h u n g häufig eine oberflächliche. Ich habe deshalb als Vertrauensarzt des Knappschaftsschiedsgerichts in Bonn mit dem Herrn Vorsitzenden die Vereinbarung getroffen, dass die b e t r e f f e n d e n F ä l l e e i n i g e T a g e im K r a n k e n h a u s u n t e r s u c h t und beo b a c h t e t werden, und dann erst die Beurteilung vor dem Schiedsgericht statthat. Mancher vorangegangene Zweifel und Irrtum hat sich dadurch aufklären lassen. Da das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t für viele Fälle die letzte Instanz sein wird, so muss die R e c h t s p r e c h u n g auf g a n z bes o n d e r s s o r g f ä l t i g e r Untersuchung aufgebaut werden. Gegen die Entscheidung des Oberversicherungsamts ist ein Rekurs an das Reichsversicherungsamt oder Landesversicherungsamt nur unter gewissen Bedingungen möglich. Der Rekurs ist ausgeschlossen, wenn es sich handelt um:
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Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung-.
1. Krankenbehandlung oder Hauspflege, 2. Rentenansprüche über frühere begrenzte und abgelaufene Zeiträume, 3. Heilanstaltspflege, 4. Angehörigenrente, 5. Sterbegeld, 6. vorläufige Renten, 7. Neufeststellung von Dauerrenten wegen Änderung der Verhältnisse, 8. Kapitalabfindung, 9. Kosten des Verfahrens.
Die Invaliden- und HinterbliebenenVersicherungDas Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz wurde in seiner ersten Fassung am 22. Juni 1889 vom Reichstag angenommen, erfuhr in der Folge mannigfache Änderungen und trat in neuer e r w e i t e r t e r Form gleichzeitig für die Hinterbliebenen als Teil der Reichsversicherungsordnung am 1. Januar 1912 in Kraft. Es handelt sich auch hier zunächst um eine Z w a n g s V e r s i c h e r u n g , welche vom vollendeten 16. Lebensjahre an versichert: 1. Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten, 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, sämtlich, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, 3. Handlungsgehilfen und Lehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, 4. Bühnen- und Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen, 5. Lehrer und Erzieher, 6. die Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und die Besatzung von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt.
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Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung-.
1. Krankenbehandlung oder Hauspflege, 2. Rentenansprüche über frühere begrenzte und abgelaufene Zeiträume, 3. Heilanstaltspflege, 4. Angehörigenrente, 5. Sterbegeld, 6. vorläufige Renten, 7. Neufeststellung von Dauerrenten wegen Änderung der Verhältnisse, 8. Kapitalabfindung, 9. Kosten des Verfahrens.
Die Invaliden- und HinterbliebenenVersicherungDas Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz wurde in seiner ersten Fassung am 22. Juni 1889 vom Reichstag angenommen, erfuhr in der Folge mannigfache Änderungen und trat in neuer e r w e i t e r t e r Form gleichzeitig für die Hinterbliebenen als Teil der Reichsversicherungsordnung am 1. Januar 1912 in Kraft. Es handelt sich auch hier zunächst um eine Z w a n g s V e r s i c h e r u n g , welche vom vollendeten 16. Lebensjahre an versichert: 1. Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten, 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, sämtlich, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, 3. Handlungsgehilfen und Lehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, 4. Bühnen- und Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen, 5. Lehrer und Erzieher, 6. die Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und die Besatzung von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt.
Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung.
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Voraussetzung der Versicherung ist für alle diese Personen, dass sie gegen Entgelt beschäftigt werden, für die unter 2—5 Bezeichneten, sowie für Schiffer ausserdem, dass ihr regelmässiger Jahresarbeitsverdienst zweitausend Mark an Entgelt nicht übersteigt. Eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur f r e i e r Unterh a l t gewährt wird, ist v e r s i c h e r u n g s f r e i . Liegt aber eine berufsmässige Lohnarbeit selbst mit geringem Verdienst in der Art vor, dass der betreffende durch diese Tätigkeit seinen Lebensunterhalt erwirbt, so liegt Versicherungspflicht vor. Stets muss es sich aber um die Leistung einer Arbeitskraft handeln. Wenn z. B. eine Grossmutter, die nie in versicherungspflichtiger Stellung war, als Wärterin bei den Enkeln sich versichern will, so liegt hier eine Umgehung des Gesetzes vor. Auch auf dem Gebiet der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung ist dem Bundesrat eine A u s d e h n u n g der Versicher u n g s p f l i c h t im allgemeinen oder in einzelnen Bezirken überlassen auf 1. Gewerbetreibende oder andere Betriebsunternehmer, die in ihren Betrieben regelmässig keine, oder höchstens einen Versicherungspflichtigen beschäftigen, 2. Hausgewerbetreibende ohne Rücksicht auf die Zahl ihrer hausgewerblich Beschäftigten. Inwieweit Gewerbetreibende als Arbeitgeber für die hausgewerblich Beschäftigten und die Zwischenpersonen heranzuziehen sind, bestimmt ebenfalls der Bundesrat. Sodann ist eine freiw i l l i g e S e l b s t v e r s i c h e r u n g und eine f r e i w i l l i g e Weiterv e r s i c h e r u n g möglich. Zur f r e i w i l l i g e n S e l b s t v e r s i c h e r u n g sind befugt: Betriebsbeamte, Angestellte, Handlungsgehilfen und Lehrlinge, Bühnen- und Orchestermitglieder, Lehrer, Erzieher, sowie Schiffer, deren Jahresarbeitsverdienst 2000 M., aber nicht 3000 M., beträgt. Gewerbetreibende und andere Betriebsunternehmer, die höchstens zwei Versicherungspflichtige beschäftigen, sowie Hausgewerbetreibende und bestimmte versicherungsfreie Personen unter der Voraussetzung, dass sie das 40. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die freiwillige W e i t e r v e r s i c h e r u n g ist ohne Rücksicht auf das Lebensalter solchen Personen gestattet, welche aus einem die V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t begründendem Verhältnis a u s s c h e i -
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d e n . Die B e d e u t u n g dieser f r e i w i l l i g e n Versicherung f ü r unsere Bevölkerung h a t heute noch nicht die g e n ü g e n d e Beachtung erf a h r e n , welche sie so sehr verdient. V e r s i c h e r u n g s f r e i sind: Beamte des Reichs, der Bundesstaaten, der Gemeindeverb ä n d e und der Versicherungsträger, sowie L e h r e r und Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten w ä h r e n d der Ausbildung zum Beruf oder bei A n w a r t s c h a f t auf Pension im Mindestbetrag der Invalidenrente, sowie auf Witwen- und Waisenrente, Personen des Soldatenstandes, welche dienstlich als Arbeiter b e s c h ä f t i g t werden, Personen, welche w ä h r e n d der wissenschaftlichen Ausbildung f ü r ihren zukünftigen Beruf Unterricht gegen E n t g e l t erteilen, Personen, welche eine reichsgesetzliche Invaliden- oder Hinterbliebenenrente beziehen oder invalide sind. Auf seinen A n t r a g wird von der V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t befreit: wem von dem Reiche, einem Bundesstaat, einem Gemeindeverband, einer Gemeinde oder einem Versicherungsträger, oder wem auf Grund f r ü h e r e r B e s c h ä f t i g u n g als L e h r e r oder Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten R u h e g e l d , W a r t e geld oder ähnliche Bezüge im Mindestbetrage der Invalidenrente nach den Sätzen der I. L o h n k l a s s e bewilligt sind, und d a n e b e n A n w a r t s c h a f t auf Hinterbliebenenrente gewährleistet ist. Auf Ant r a g des Arbeitgebers können auch Beamte und Personen ä h n licher Stellung und R e c h t e , auch solche der landesherrlichen Hof-, Kamerai- und ähnlicher Verwaltungen von der Versicherungspflicht befreit w e r d e n . W e i t e r h i n w i r d auf seinen A n t r a g von der Versicherungspflicht b e f r e i t , wer im L a u f e eines K a l e n d e r j a h r e s L o h n a r b e i t nur in bestimmten Jahreszeiten f ü r nicht mehr als zwölf Wochen, oder ü b e r h a u p t f ü r nicht mehr als fünfzig T a g e übernimmt, im übrigen aber seinen L e b e n s u n t e r h a l t selbständig e r w i r b t , oder ohne Entgelt tätig ist. D e r Bundesstaat k a n n bestimmen, dass A u s l ä n d e r versicherungsfrei sind, denen die B e h ö r d e den Aufenthalt im I n l a n d nur f ü r eine bestimmte Dauer gestattet. Ebenso kann der Bundesstaat bestimmen, wie weit v o r ü b e r g e h e n d e Dienstleistungen versicherungsfrei bleiben.
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Versicherungsanstalten. Die D u r c h f ü h r u n g der Invaliden- und H i n t e r b l i e b e n e n - V e r s i c h e r u n g wurde unter M i t w i r k u n g der L a n d e s v e r w a l t u n g besonderen Versicherungsanstalten übertragen. Diese Versicherungsanstalten sind f ü r weitere K o m m u n a l v e r b ä n d e (Provinzen, Stadtk r e i s Berlin), oder f ü r d a s Gebiet eines oder mehrerer Bundess t a a t e n , oder Teile desselben errichtet worden und haben infolge U m f a n g s der G e s c h ä f t e eine ausserordentliche A u s d e h n u n g e r f a h r e n . D e m Vorstand gehören ausser den staatlich e r n a n n t e n Mitgliedern a u c h Vertreter der A r b e i t g e b e r und Arbeitnehmer in gleicher Zahl a n . J e d e Versicherungsanstalt h a t einen Ausschuss von mindestens zehn Mitgliedern. Diese w e r d e n von den Versicherungsvertretern bei den Versicherungsämtern des Bezirks der Versicherungsanstalten, in getrennter Sitzung der A r b e i t g e b e r und der Versicherten g e w ä h l t . D e r Ausschuss wählt die nicht beamteten Vorstandsmitglieder uud nimmt an der Verwaltung teil. An Stelle der Versicherungsanstalten können n a c h Bestimmung d e s Bundesrats auf A n t r a g der zuständigen Stelle f ü r Anstalten des Reiches, eines B u n d e s s t a a t s oder eines Gemeindeverbandes S o n d e r a n s t a l t e n treten, deren Leistungen den Versicherungsanstalten mindestens gleichwertig sein müssen. Als Beispiel sei die Sonderanstalt der Seeberufsgenossenschaft e r w ä h n t . A u f b r i n g u n g der
Mittel.
Die Mittel f ü r die Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung w e r d e n von den A r b e i t g e b e r n , von den V e r s i c h e r t e n und vom S t a a t e a u f g e b r a c h t . Arbeitgeber und Versicherte zahlen l a u f e n d e B e i t r ä g e zu g l e i c h e n Teilen, das Reich t r ä g t f ü r die in j e d e m J a h r e tatsächlich gezahlten Renten, W i t w e n g e l d e r und Waisenaussteuern Zuschüsse. D e r G e m e i n d e v e r b a n d oder die oberste Verwaltungsbehörde bestellen die Beamten. Die Höhe der Beiträge ist f ü r alle Versicherungsanstalten einheitlich; sie wird vom Bundesrat jeweils auf zehn J a h r e festgesetzt. Dieselbe ist so bemessen, dass d e r W e r t aller k ü n f t i g e n Beiträge samt dem Vermögen den B e t r a g d e c k t , der nach Wahrscheinlichkeitsrechnung mit Zins und Zinseszins erforderlich ist, um alle zukünftigen A u f w e n d u n g e n der Versicherungsanstalten zu bestreiten. Irrtümlich geleistete Beiträge w e r d e n zurückerstattet.
Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung-.
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Versicherungsanstalten. Die D u r c h f ü h r u n g der Invaliden- und H i n t e r b l i e b e n e n - V e r s i c h e r u n g wurde unter M i t w i r k u n g der L a n d e s v e r w a l t u n g besonderen Versicherungsanstalten übertragen. Diese Versicherungsanstalten sind f ü r weitere K o m m u n a l v e r b ä n d e (Provinzen, Stadtk r e i s Berlin), oder f ü r d a s Gebiet eines oder mehrerer Bundess t a a t e n , oder Teile desselben errichtet worden und haben infolge U m f a n g s der G e s c h ä f t e eine ausserordentliche A u s d e h n u n g e r f a h r e n . D e m Vorstand gehören ausser den staatlich e r n a n n t e n Mitgliedern a u c h Vertreter der A r b e i t g e b e r und Arbeitnehmer in gleicher Zahl a n . J e d e Versicherungsanstalt h a t einen Ausschuss von mindestens zehn Mitgliedern. Diese w e r d e n von den Versicherungsvertretern bei den Versicherungsämtern des Bezirks der Versicherungsanstalten, in getrennter Sitzung der A r b e i t g e b e r und der Versicherten g e w ä h l t . D e r Ausschuss wählt die nicht beamteten Vorstandsmitglieder uud nimmt an der Verwaltung teil. An Stelle der Versicherungsanstalten können n a c h Bestimmung d e s Bundesrats auf A n t r a g der zuständigen Stelle f ü r Anstalten des Reiches, eines B u n d e s s t a a t s oder eines Gemeindeverbandes S o n d e r a n s t a l t e n treten, deren Leistungen den Versicherungsanstalten mindestens gleichwertig sein müssen. Als Beispiel sei die Sonderanstalt der Seeberufsgenossenschaft e r w ä h n t . A u f b r i n g u n g der
Mittel.
Die Mittel f ü r die Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung w e r d e n von den A r b e i t g e b e r n , von den V e r s i c h e r t e n und vom S t a a t e a u f g e b r a c h t . Arbeitgeber und Versicherte zahlen l a u f e n d e B e i t r ä g e zu g l e i c h e n Teilen, das Reich t r ä g t f ü r die in j e d e m J a h r e tatsächlich gezahlten Renten, W i t w e n g e l d e r und Waisenaussteuern Zuschüsse. D e r G e m e i n d e v e r b a n d oder die oberste Verwaltungsbehörde bestellen die Beamten. Die Höhe der Beiträge ist f ü r alle Versicherungsanstalten einheitlich; sie wird vom Bundesrat jeweils auf zehn J a h r e festgesetzt. Dieselbe ist so bemessen, dass d e r W e r t aller k ü n f t i g e n Beiträge samt dem Vermögen den B e t r a g d e c k t , der nach Wahrscheinlichkeitsrechnung mit Zins und Zinseszins erforderlich ist, um alle zukünftigen A u f w e n d u n g e n der Versicherungsanstalten zu bestreiten. Irrtümlich geleistete Beiträge w e r d e n zurückerstattet.
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Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung.
Die Beiträge werden als Wochenbeitrag nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes erhoben, in der Art, dass die Versicherungsanstalten Marken mit der Bezeichnung der Lohnklasse und des Geldwerts ausgeben. Diese Marken werden in die Quittungskarte des Versicherten eingeklebt, welche für mindestens 52 Wochenmarken Raum hat und binnen zwei Jahren nach dem Tage der Ausstellung zum Umtausch eingereicht werden muss. Die Marken müssen am letzten Tage der Woche oder bei anderem Arbeitsvertrag bei Ablauf der Beschäftigung entwertet werden. Der A r b e i t g e b e r , welcher den Versicherten wählend der Beitragswoche beschäftigt hat, hat für sich und diesen den Beitrag zu entrichten. Er kann den auf d e n V e r s i c h e r t e n entfallenden Betrag vom Lohn abziehen. Auch der Versicherte kann die vollen Beiträge entrichten. Der Arbeitgeber hat ihm die Hälfte der gesetzlichen Beiträge zurückzuerstatten, wenn die Marke vorschriftsmässig entwertet ist. Freiwillig Versicherte haben die Marken auf eigene Rechnung einzukleben. Doch kann auf Anordnung der obersten Verwaltungsbehörde und nach Anhören der Versicherungsanstalt das E i n z i e h e n der Beiträge auch durch K r a n k e n k a s s e n oder örtliche Hebestellen der Versicherungsanstalten erfolgen. Nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes sind folgende Lohnklassen gebildet: I. Lohnklasse bis 350 M 16 Pf. II. „ von 350—550 M. . . . 24 „ III. „ „ 550—850 „ . . . 32 „ IV. „ „ 850—1150 M. . . 40 „ V. „ über 1150 M 48 „ Der Verkauf dieser Marken erfolgt durch die Postämter. M i l i t ä r d i e n s t und K r a n k h e i t s z e i t e n (für die N i e d e r k u n f t werden acht Wochen in Anrechnung gebracht), sowie Zeiten o h n e v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e Beschäftigung, während deren der Anwärter oder der Verstorbene Invaliden- oder Altersrente, oder eine Unfallrente von mindestens einem Fünftel der Vollrente bezogen hat, zählen als Wochenbeiträge. Doch findet eine Anrechnung nur bei denen statt, welche vorher berufsmässig, nicht nur vorübergehend, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind. Über diese Zeiten sind naturgemäss Zeugnisse und Belege von den Versicherten zu erbringen.
Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicheruiig.
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Als Jahresarbeitsverdienst gilt: 1. fiir die Mitglieder einer Krankenkasse das Dreihundertfache des Grundlohnes, 2. für Seeleute ein vom Reichskanzler festzusetzender Durchschnittsbetrag, 3. im übrigen der dreihundertfache Betrag des Ortslohns. Die Versicherungsanstalten sind bezüglich der Verwendung der Einnahmen und der Anlage von Reserven an bestimmte Gesetze und Verordnungen gebunden. Zum Zweck des Ausgleichs zwischen den einzelnen Landesteilen haben alle Versicherungsanstalten eine gemeinsame Last (50 °/0 der Beiträge) und jede einzelne Anstalt die verbleibende besondere Last zu verwalten. Alle Versicherungspflichtigen und alle Versicherungsberechtigten können zu jeder Zeit und in beliebiger Zahl Z u s a t z m a r k e n einer beliebigen Versicherungsanstalt in die Quittungskarte kleben. Sie erwerben dadurch im Fall der Invalidität eine Zusatzrente. Ausserdem ist die Versicherung in einer höheren Lohnklasse erlaubt; der Arbeitgeber ist aber zum höheren Beitrag nur dann verpflichtet, wenn er ihn mit dem Versicherten vereinbart hat. Alle Versicherten müssen, um ihrer Rechte nicht verlustig zu gehen, die A n w a r t s c h a f t aufrecht erhalten. Diese erlischt, wenn während zweier Jahre nach dem Ablauf des auf der Quittungskarte verzeichneten Ausstellungstages w e n i g e r a l s z w a n z i g Wochenbeiträge auf Grund der V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t oder der W e i t e r v e r s i c h e r u n g entrichet worden sind. Bei der S e l b s t v e r s i c h e r u n g müssen in der angebenen Frist mindestens v i e r z i g B e i t r ä g e entrichtet sein. Es gilt diese Einschränkung nicht, wenn auf Grund der Versicherungspflicht mehr als sechzig Beiträge geliefert sind. Doch lebt die Anwartschaft wieder auf, wenn der Versicherte erneut zweihundert Beitragswochen versichert hat. Nach Zurücklegung des vierzigsten Lebensjahres bedarf er allerdings einer Wartezeit von fünfhundert Beitragswochen, nach dem sechzigsten Lebensjahr einer solchen von tausend Beitragswochen, nm die Anwartschaft wiederzugewinnen. Der R e n t e n a n s p r u c h entsteht aber nur dann, wenn d i e vom G e s e t z e r f o r d e r t e n V o r a u s s e t z u n g e n g e g e b e n s i n d .
R u m p f , Arzt und Reichsversicherungsordnung.
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Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung.
Leistungen d e r Invaliden- und Versicherung.
Hinterbliebenen-
Der Zweck des Gesetzes ist zunächst einer grossen Zahl von Menschen mit niederem Einkommen einen Anspruch auf A l t e r s - und I n v a l i d e n r e n t e , sowie auf R e n t e n , W i t w e n g e l d und W a i s e n a u s s t e u e r für Hinterbliebene zu gewähren. Die Altersrente beginnt mit dem 71. J a h r e , die Wartezeit beträgt 1200 Beitragswochen. I n v a l i d e n r e n t e erhält j e d e r , welcher die I n v a l i d i t ä t n a c h w e i s t , sowie die W a r t e z e i t e r f ü l l t und die A n w a r t s c h a f t aufrecht erhalten hat. Die W a r t e z e i t dauert bei der Invalidenrente, wenn fiir den Versicherten auf Grund der Versicherungspflicht mindestens h u n d e r t Beiträge geleistet worden sind, z w e i h u n d e r t , anderenfalls f ü n f h u n d e r t B e i t r a g s w o c h e n . Die Beiträge für die freiwillige Versicherung werden auf die Wartezeit für die Invalidenrente nur dann angerechnet, wenn mindestens hundert Beiträge auf Grund der Versicherungspflicht oder der Selbstversicherung geleistet worden sind. Dies gilt nicht f ü r Beiträge, die der Versicherte in den ersten vier J a h r e n freiwillig geleistet hat, nachdem sein Berufszweig versicherungspflichtig geworden ist. A l t e r s r e n t e erhält der Versicherte, auch wenn er noch nicht invalide ist. Diese Rente besteht aus einer von dem Versicherungsträger aufzubringenden Teilrente, welcher in den fünf Lohnklassen ansteigend j e 60, 90, 120, 150 und 180 Mark beträgt und einem Reichszuschuss von fünfzig Mark. Die I n v a l i d e n r e n t e erhält ohne Rücksicht auf das Lebensalter der B e r e c h t i g t e , der i n f o l g e v o n K r a n k h e i t o d e r e i n e m G e b r e c h e n d a u e r n d i n v a l i d e ist. Invalidenrente erhält auch der Versicherte, der nicht dauernd invalide ist, aber w ä h r e n d s e c h s u n d z w a n z i g W o c h e n u n u n t e r b r o c h e n inv a l i d e gewesen ist, oder der nach Wegfall des Krankengeldes invalide ist, f ü r die Dauer der Invalidität (Krankenrente). Lässt sich der Tag, an dem die Invalidität eingetreten ist, nicht feststellen, so gilt als solcher der Tag, an welchem der Antrag auf Rente bei dem Versicherungsträger eingegangen ist. Die Invalidenrente
besteht aus einem Reichszuschuss
von
Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung'.
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f ü n f z i g Mark und dem Anteil der Versicherungsanstalt. Dieser besteht aus einem Grundbetrag, welcher nach den fünf Lohnstufen abgestuft je 60, 70, 80, 90 und 100 Mark beträgt, ferner aus einer Erhöhung dieses Grundbetrags (Steigerungszusatz) von je 3, 6, 8, 10, 12 Pfennigen in den fünf Lohnklassen für jede einzelne Beitragswoche. Der Grundbetrag der Invalidenrente wird stets nach fünfhundert Beitragswochen berechnet; sind weniger nachgewiesen, so gilt für die fehlenden die Lohnklasse I; die anderen Wochen werden nach der Höhe der geleisteten Beiträge berechnet. Nach zwanzigjähriger Beitragsleistung beträgt der Anteil der Versicherungsanstalt an der Rente in den verschiedenen Klassen 90, 130, 160, 190, 220 Mark, hinzu kommt jeweils der Keichszuschuss von 50 Mark. Da aber die Beiträge im Laufe der Jahre häufig verschiedene sind, auch Krankheitszeiten in Lohnklasse I berechnet werden, so ist für jeden einzelnen Fall die Rente in Einzelrechnung festzustellen. Hat der Empfänger der Invalidenrente Kinder unter fünfzehn Jahren, so erhöht sich die Invalidenrente für jedes dieser Kinder um ein Zehntel bis höchstens 'zu dem anderthalbfachen Betrage seiner Rente. Die H i n t e r b l i e b e n e n f ü r s o r g e wird den Hinterbliebenen sämtlicher Personen zuteil, welche auf Grund der V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t , der S e l b s t v e r s i c h e r u n g und der W e i t e r v e r s i c h e r u n g der Invalidenversicherung unterstellt sind, oder durch die RVO. nunmehr unterstellt werden. Keinen Anspruch auf Fürsorge haben die Hinterbliebenen von Versicherten, die am 1. Januar 1912 bereits verstorben waren, oder solcher, welche am gleichen Datum dauernd erwerbsunfähig waren und dann verstorben sind, ohne inzwischen die Erwerbsfähigkeit wieder erlangt zu haben. Voraussetzung für die Gewährung der Hinterbliebenenbezüge ist, dass der V e r s t o r b e n e z u r z e i t s e i n e s T o d e s die W a r t e z e i t für die Invalidenrente e r f ü l l t und die A n w a r t s c h a f t a u f r e c h t e r h a l t e n hat. Die Hinterbliebenenbezüge bestehen t e i l s in R e n t e n , teils in e i n m a l i g e n L e i s t u n g e n . Die einmaligen Leistungen sind W i t w e n g e l d und W a i s e n a u s s t e u e r . Beide werden nur gewährt, wenn auch die W i t w e beim Tode ihres Ehemanns die W a r t e z e i t für die Invalidenrente e r f ü l l t und die Anwartschaft aufrechterhalten hat. Als Witwengeld wird der zwölffache Monatsbetrag der Witwenrente gewährt,
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wenn der Anspruch innerhalb eines Jahres nach dem Tode des Ehemanns geltend gemacht ist. Die W a i s e n a u s s t e u e r wird fällig bei Vollendung des f ü n f z e h n t e n L e b e n s j a h r e s der Berechtigten. Sie beträgt den a c h t f a c h e n M o n a t s b e t r a g der bezogenen Waisenrente. Die W i t w e n r e n t e wird n u r i n v a l i d e n W i t w e n gewährt. Die Begriffsbestimmung weicht insofern von dem später zu erörternden Invaliditätsbegriff ab, als an Stelle des Wortes B e r u f das Wort L e b e n s s t e l l u n g gebraucht ist. Die Witwe eines Tagelöhners wird also erst dann Witwenrente erhalten können, wenn sie nicht mehr imstande ist, durch Tagelöhnerarbeiten das reichsgesetzliche Drittel zu verdienen. Bei anderen Witwen wird zu erwägen sein, ob sie als Kinderfrauen, Köchinnen, Buchhalterinnen, Näherinnen sich beschäftigen können. Nach dem Tode der v e r s i c h e r t e n E h e f r a u eines erwerbsunfähigen Ehemannes, die den Lebensunterhalt ihrer Familie ganz oder überwiegend aus ihrem Arbeitsverdienst bestritten hat, steht auch dem Witwer W i t w e r r e n t e zu. W i t w e n - und W a i s e n r e n t e fallen bei der Wiederverheiratung fort; sie werden auch n i c h t gleichzeitig neben der Invalidenrente gegeben. Sie sind stets geringer, als die eigentliche Invalidenrente und sollen deshalb ein Ansporn sein, dass die Betreffenden die Anwartschaft auf Invalidenrente aufrechterhalten. W a i s e n r e n t e erhalten nach dem Tode des versicherten Vaters seine ehelichen Kinder unter fünfzehn Jahren, und nach dem Tode einer Versicherten ihre vaterlosen Kinder. Als vaterlos gelten auch uneheliche Kinder. Wenn der Vater wegen Erwerbsunfähigkeit seiner Unterhaltungspflicht nicht genügt oder die Familie böslich verlassen hat, wird nach dem Tode der versicherten Mutter auch den Kindern W a i s e n r e n t e gewährt, ebenso e l t e r n l o s e n E n k e l n versicherter Grosseltern, falls letztere die Ernährer waren. Hinterbliebene haben k e i n e n Anspruch auf Fürsorge, wenn sie den Tod des Versicherten v o r s ä t z l i c h herbeigeführt haben. Der Anspruch der Hinterbliebenen eines A u s l ä n d e r s , die sich zurzeit seines Todes gewöhnlich nicht im Inland oder den deutschen Schutzgebieten aufhalten, beschränkt sich auf die Hälfte der Bezüge ohne ßeichszuschuss.
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Alle Renten werden im voraus bezahlt und sind der Pfändung oder Beschlagnahme entzogen. Der Anteil der V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t beträgt bei W i t w e n - und W i t w e r r e n t e n d r e i Z e h n t e l , bei W a i s e n r e n t e n f ü r eine Waise d r e i Z w a n z i g s t e l , für jede weitere Waise e i n V i e r z i g s t e l des Grundbetrags und der Steigerungssätze der I n v a l i d e n r e n t e , die der Ernährer zurzeit seines Todes bezog, oder bei Invalidität bezogen hätte. Der R e i c h s z u s c h u s s beträgt für jedes W i t w e n g e l d einmalig f ü n f z i g Mark, für jede W a i s e n a u s s t e u e r s e c h z e h n z w e i d r i t t e l Mark, für jede W i t w e n - und W i t w e r r e n t e fortlaufend f ü n f z i g Mark, für jede W a i s e n r e n t e f ü n f u n d z w a n z i g Mark im Jahr. Doch gilt der Stcigernngszusatz erst vom 1. Januar 1912 an, so dass eine Witwe, deren Mann 700 Beitragswochen in Lohnklasse III entrichtet hat, am 1. Januar 1913 erhalten würde: 50 Mark Reichszuschuss, 24 Mark ( 3 / 10 des Grundbetrags von 500X16), 1.20 Mark ( 3 / 10 von 5 0 X 8 Pf.) 75 Mark 20 Pf~ Die Renten der Hinterbliebenen dürfen aber zusammen nicht mehr betragen als das a n d e r t h a l b f a c h e der Invalidenrente, W a i s e n r e n t e n zusammen nicht mehr als diese Invalidenrente. Ergeben diese Renten einen höheren Betrag, so werden sie im Verhältnis gekürzt. Die Witwe kann nach dem Tode des Ehemanns, auch ohne invalide zu sein, ihren Anspruch durch Meldung bei dem Versicherungsamt feststellen lassen. Eintritt und Wegfall der Leistungen. Der Rentenanspruch entsteht bei der Iqvaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung nur, wenn die vom Gesetz erforderten Voraussetzungen gegeben sind. Eine von diesen ist die I n v a l i d i t ä t , welche wir später zu besprechen haben. Für die Berechtigung zum Bezug der Witwenrente nach dem Tode des versicherten Ehemanns gilt dieselbe gesetzliche Voraussetzung mit Bezug auf die Frau. Ausserdem erhält Witwenrente (ebenso wie der Versicherte) auch die Witwe, welche nicht dauernd invalide ist, aber während s e c h s u n d z w a n z i g W o c h e n ununterbrochen invalide
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Alle Renten werden im voraus bezahlt und sind der Pfändung oder Beschlagnahme entzogen. Der Anteil der V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t beträgt bei W i t w e n - und W i t w e r r e n t e n d r e i Z e h n t e l , bei W a i s e n r e n t e n f ü r eine Waise d r e i Z w a n z i g s t e l , für jede weitere Waise e i n V i e r z i g s t e l des Grundbetrags und der Steigerungssätze der I n v a l i d e n r e n t e , die der Ernährer zurzeit seines Todes bezog, oder bei Invalidität bezogen hätte. Der R e i c h s z u s c h u s s beträgt für jedes W i t w e n g e l d einmalig f ü n f z i g Mark, für jede W a i s e n a u s s t e u e r s e c h z e h n z w e i d r i t t e l Mark, für jede W i t w e n - und W i t w e r r e n t e fortlaufend f ü n f z i g Mark, für jede W a i s e n r e n t e f ü n f u n d z w a n z i g Mark im Jahr. Doch gilt der Stcigernngszusatz erst vom 1. Januar 1912 an, so dass eine Witwe, deren Mann 700 Beitragswochen in Lohnklasse III entrichtet hat, am 1. Januar 1913 erhalten würde: 50 Mark Reichszuschuss, 24 Mark ( 3 / 10 des Grundbetrags von 500X16), 1.20 Mark ( 3 / 10 von 5 0 X 8 Pf.) 75 Mark 20 Pf~ Die Renten der Hinterbliebenen dürfen aber zusammen nicht mehr betragen als das a n d e r t h a l b f a c h e der Invalidenrente, W a i s e n r e n t e n zusammen nicht mehr als diese Invalidenrente. Ergeben diese Renten einen höheren Betrag, so werden sie im Verhältnis gekürzt. Die Witwe kann nach dem Tode des Ehemanns, auch ohne invalide zu sein, ihren Anspruch durch Meldung bei dem Versicherungsamt feststellen lassen. Eintritt und Wegfall der Leistungen. Der Rentenanspruch entsteht bei der Iqvaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung nur, wenn die vom Gesetz erforderten Voraussetzungen gegeben sind. Eine von diesen ist die I n v a l i d i t ä t , welche wir später zu besprechen haben. Für die Berechtigung zum Bezug der Witwenrente nach dem Tode des versicherten Ehemanns gilt dieselbe gesetzliche Voraussetzung mit Bezug auf die Frau. Ausserdem erhält Witwenrente (ebenso wie der Versicherte) auch die Witwe, welche nicht dauernd invalide ist, aber während s e c h s u n d z w a n z i g W o c h e n ununterbrochen invalide
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gewesen ist, oder die nach Wegfall des Krankengeldes invalide ist, für die weitere Dauer der Invalidität (Witwenkrankenrente). Die R e n t e r u h t neben einer reichsgesetzlichen Unfallrente, soweit beide zusammen übersteigen würden: 1. bei I n v a l i d e n - und A l t e r s r e n t e n den s i e b e n e i n h a l b f a c h e n Grundbetrag der Invalidenrente, 2. bei W i t w e n - und W i t w e r r e n t e n den d r e i e i n h a l b f a c h e n , bei W a i s e n r e n t e n den d r e i f a c h e n G r u n d b e t r a g der Invalidenrente, die der Ernährer zurzeit seines Todes bezog oder bei Invalidität bezogen hätte. Weiterhin ruht die Rente: so lange der Berechtigte eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat verbüsst, oder in einem Arbeitshaus oder einer Besserungsanstalt untergebracht ist (wobei ev. die Angehörigen die Rente erhalten), der Berechtigte sich freiwillig gewöhnlich im Ausland aufhält, ein berechtigter Ausländer wegen Verurteilung aus dem Reichsgebiet (ev. auch Bundesstaaten) ausgewiesen ist. Ist zu erwarten, dass ein H e i l v e r f a h r e n den Empfänger einer Invaliden-, Witwen- oder Witwerrente wieder erwerbsfähig macht, so kann es die Versicherungsanstalt einleiten, wobei ev. den Angehörigen ein Hausgeld zusteht. E n t z i e h t sich ein Rentenempfänger einem Heilverfahren oder einer Nachuntersuchung, so kann die Rente ganz oder teilweise e n t z o g e n werden, wenn er vorher auf diese Folgen hingewiesen ist. Ist der Empfänger einer Invaliden-, Witwen- oder Witwerrente infolge einer w e s e n t l i c h e n Ä n d e r u n g in s e i n e n V e r h ä l t n i s e n n i c h t m e h r i n v a l i d e , so e n t z i e h t ihm d i e Vers i c h e r u n g s a n s t a l t die R e n t e . Wird aber I n v a l i d e n - oder W i t w e n r e n t e v o n n e u e m oder an Stelle einer Krankenrente gewährt, oder wird eine Altersrente b e w i l l i g t , so wird die Zeit des früheren Rentenbezugs ebenso w i e n a c h g e w i e s e n e K r a n k h e i t s z e i t angerechnet. Die Anwartschaft erlischt während des früheren ReDtenbezugs nicht. A u s l ä n d i s c h e Rentenberechtigte können unter gewissen Umständen auch durch ein Kapital abgefunden werden.
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Die ärztliche Tätigkeit bei der Invalidenversicherung. A) D i e B e g u t a c h t u n g d e r I n v a l i d i t ä t . Für die Erlangung der Altersrente sowie der Waisenrente kommt die ärztliche Tätigkeit überhaupt nicht in Frage. Zur Erlangung der Invalidenrente hat der Bewerber sich unter Beifügung der Beweisstücke an das zuständige V e r s i c h e r u n g s a m t zu wenden. Als Beweisstücke sind zu betrachten: 1. der Nachweis der Ansprüche durch Beibringung der Beitragsquittungen, 2. der Nachweis der Invalidität. Der letztere besteht in der Regel in der Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses. Wir werden uns also den Wortlaut des Gesetzes klar zu machen haben. § 1255 sagt in Abs. 2: Als i n v a l i d e g i l t , wer n i c h t m e h r i m s t a n d e i s t , d u r c h eine T ä t i g k e i t , die s e i n e n K r ä f t e n und F ä h i g k e i t e n e n t s p r i c h t u n d ihm u n t e r b i l l i g e r B e r ü c k s i c h t i g u n g s e i n e r A u s b i l d u n g und seines b i s h e r i g e n B e r u f s z u g e m u t e t w e r d e n k a n n , ein D r i t t e l d e s s e n zu e r w e r b e n , was körperlich und geistig g e s u n d e Personen derselben A r t m i t ä h n l i c h e r A u s b i l d u n g in d e r s e l b e n G e g e n d d u r c h A r b e i t zu v e r d i e n e n p f l e g e n . Diese Fassung gilt ebensowohl für den versicherten Mann und die versicherte Frau, als für die Witwe nach dem Tode ihres versicherten Mannes mit der Einschränkung, dass für die Frau nicht der bisherige Beruf, sondern die b i s h e r i g e L e b e n s s t e l l u n g zu berücksichtigen ist. Die Frage, ob Invalidität unter den vom Gesetz gegebenen Einschränkungen besteht, wiederholt sich für den Arzt immer wieder, ob nun der Berechtigte oder der Vorsitzende des Versicherungsamts auf Antrag des Berechtigten das Gutachten einholt, oder ob die Versicherungsanstalt oder in Streitfällen das Oberversicherungsamt einen Arzt mit der Beurteilung beauftragt. Die Beurteilung der Invalidität erheischt an erster Stelle die s o r g f ä l t i g e E r h e b u n g d e r V o r g e s c h i c h t e ; denn das Gesetz verlangt n i c h t a l l e i n d i e B e u r t e i l u n g d e r K r ä f t e u n d F ä h i g k e i t e n , sondern auch die Berücksichtigung der A u s b i l d u n g und des s e i t h e r i g e n B e r u f s des Rentenbewerbers.
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An die Erhebung der Vorgeschichte, d. h. des gesamten Lebens und etwaiger Krankheiten, hat sich die eingehende Untersuchung anzuschliessen. Dieselbe muss so vollständig wie möglich sein und setzt die Anwendung a l l e r d i a g n o s t i s c h e n Methoden voraus. Einzelne Fälle scheinen vielleicht einfach zu beurteilen, so Fälle von ausgeprägter Lungentuberkulose oder von Verdacht einer bösartigen Neubildung, schwerer Blutarmut usw. Aber der Umstand, dass diese Fälle sowohl eine w e s e n t l i c h e B e s s e r u n g erfahren können, als auch I r r t ü m e r in d e r D i a g n o s e bei oberflächlicher Untersuchung möglich sind, machen die eingehende Erhebung des Befundes notwendig, weil der aufgenommene Befund immer wieder zum Vergleich herangezogen werden muss, wenn infolge einer w e s e n t l i c h e n Ä n d e r u n g der Verhältnisse der Rückgang der Invalidität wahrscheinlich ist, oder ärztlich beurteilt werden soll. Der Arzt tut deshalb gut, einen s y s t e m a t i s c h e n G a n g d e r U n t e r s u c h u n g einzuhalten und da, wo die technischen Fähigkeiten zur diagnostischen Beurteilung ihm fehlen, die Heranziehung eines S p e z i a l a r z t e s oder die Einweisung in ein K r a n k e n h a u s zu veranlassen. Für manche chronische Infektionskrankheiten, wie T u b e r k u l o s e , L e p r a , stehen ja auch die b a k t e r i o l o g i s c h e n Untersuchungsstellen und die M e d i z i n a l u n t e r s u c h u n g s ä m t e r zur Verfügung. Aber auch bei bestehender und nachgewiesener Tuberkulose ist die Beurteilung der Leistungsfähigkeit resp. der bestehenden Invalidität schwer. Der Arzt wird sich ja zunächst bemühen müssen, in möglichst frühem Stadium durch Einleitung eines H e i l v e r f a h r e n s eine Ausheilung und die Rückkehr voller Leistungsfähigkeit zu erreichen. Aber viele Fälle heilen nur teilweise, gelangen zu einem gewissen Stillstand und ein tuberkulöser Herd, geschlossen oder offen, bleibt bestehen. Mit derartigen tuberkulösen Herden arbeiten manche Menschen viele Jahre hindurch, nicht ohne Beschwerden und nur unter Aufbietung eines starken Willens, andere von geringerer Willenskraft erlahmen sehr bald und halten sich für völlig arbeitsunfähig. Der Arzt wird in solchen Fällen durch P e r k u s s i o n und A u s k u l t a t i o n , weiterhin durch R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g der Lungen und der Z w e r c h f e l l a t m u n g die Ausdehnung des Krankheitsprozesses möglichst festzustellen suchen, er darf aber nicht vergessen, dass die anatomische Untersuchung häufig eine grössere Verbreitung zeigt, als
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sie die klinische Untersuchung ergibt. Es sind oft das A l l g e m e i n b e f i n d e n , G r ö s s e , E r n ä h r u n g und G e w i c h t sowie Temperatur zur Beurteilung heranzuziehen; auch das psyc h i s c h e Moment und seinen Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit darf der sorgfältige Arzt nicht ausser Acht lassen. Die Beurteilung der H e r z k r a n k h e i t e n stösst häufig auf gleich grosse Schwierigkeiten, es kommt für diese nicht allein die a n a t o m i s c h e , sondern auch die f u n k t i o n e l l e Diagnose in Betracht, bei welcher ebenfalls die psychische Komponente Berücksichtigung erheischt. Ein verhältnismässig grosses Kontingent von Rentenbewerbern stellen Fälle mit E m p h y s e m und B r o n c h i t i s . Es gibt manche Leidende, welche glauben, sie seien rentenberechtigt, wenn sie nicht mehr den früheren Lohn verdienen können und infolgedessen Sorgen im Hause auftreten. Es mag dem Arzt manchesmal schwer werden, auf Grund des Befundes den Bewerber von der Aussichtslosigkeit zu überzeugen und seinen Wünschen nicht stattgeben zu können, er muss es aber in vielen Fällen nach seinem Gewissen auf Grund der Gesetze, und tut g u t , den Antragsteller über die gesetzliche Seite aufzuklären. Ahnliches kommt häufig bei B e r g l e u t e n vor, welche Berufsinvalide sind, als solche Invalidenrente beziehen und nun auch Anspruch auf Reichsinvalidenrente zu haben glauben, wiewohl sie oft mehr als die Hälfte des Tagelohnes gewöhnlicher Arbeiter zn verdienen imstande sind, aber nicht mehr zu bergmännischer und schwererer Hüttenarbeit taugen. Weiterhin macht die Beurteilung von A r t e r i o s k l e r o s e bei der Untersuchung auf Invalidität mancherlei Schwierigkeiten. Die Messung des Blutdrucks nach R i v a - R o c c i stellt eine erfreuliche Ergänzung der früheren Diagnostik dar. Doch sind keineswegs alle Apparate gleichwertig und deshalb die Ergebnisse der einzelnen Ärzte schwer zu vergleichen. Am besten ist es, wenn bei dem gleichen Fall bei erneuten Untersuchungen stets der g l e i c h e A p p a r a t gebraucht wird. Auch die Diagnose von N i e r e n l e i d e n erheischt grosse Sorgfalt. Nicht allein auf Eiweiss und Nierenbestandteile ist zu untersuchen, auch das spezifische Gewicht des 24 stündigen Urins muss bestimmt werden. Dass der V e r l u s t w i c h t i g e r G l i e d e r nicht immer Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Invalidenversicherung bedingt, sei nur kurz erwähnt.
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Nach sorgfältiger Untersuchung und gestellter Diagnose tritt der Arzt an die Beurteilung des Falles heran. Der Arzt soll die Kräfte und Fähigkeiten beurteilen und in seinem Gutachten ausdrücken, ob der Bewerber noch ein Drittel dessen verdienen kann, was k ö r p e r l i c h und g e i s t i g g e s u n d e P e r s o n e n derselben Art mit ä h n l i c h e r A u s b i l d u n g in d e r s e l b e n G e g e n d zu verdienen vermögen. Aber das notwendige Drittel ist keineswegs durch jede Arbeit zu verdienen, sondern nur durch eine Arbeit, welche dem Bewerber unter billiger Berücksichtigung der A u s b i l d u n g und seines bisherigen Berufs zugemutet werden kann. Von einer Köchin mit häuslicher Ausbildung, welche infolge Verlustes des Geruchs nicht mehr kochen kann, wird man demgemäss erwarten können, dass sie als Zimmermädchen ihr Brot verdient; einem Müllerknecht, der wegen Bronchitis und Emphysem nicht mehr in der Mühle arbeiten kann, wird der Arzt zumuten können, eine anderweitige Stellung als Knecht zu übernehmen. Dagegen wird man einer Klavierlehrerin, die infolge von Bewegungszittern der Hände nicht mehr Klavier spielen oder anderen Unterricht erteilen kann, nicht zumuten können, Stubenmädchen zu werden, ebensowenig einem Handlungsgehilfen, als Strassenkehrer tätig zu sein. Bei solchen Personen, welche zur Zeit der Rentenbewerbung einen Beruf nicht mehr ausüben, kommt diejenige T ä t i g k e i t in Betracht, welche sie früher ausübten, und infolge deren sie in die Versicherung eingetreten sind. Bei selbständigen Gewerbetreibenden kann die Beurteilung des notwendigen Drittels schwierig sein. S e e l m a n n ist wohl mit Recht der Meinung, dass als Höchstgrenze des normalen Verdienstes 3000 M. anzunehmen sind, da die freiwillige Versicherung bis zu dieser Höhe geht. Bei manchen Rentenanträgen ist es für den Arzt erwünscht, zunächst festzustellen, ob und welcher Grad der Invalidität vorliegt, um auf Grund dieser Feststellung die Frage zu beantworten, ob im Sinne des Gesetzes Invalitität vorliegt. Indessen führt dieses Verfahren nicht immer zum Ziel. So können qualifizierte Arbeiter durch ein Leiden der rechten Hand b e r u f s i n v a l i d e werden und unter ein Drittel des Verdienstes gleichwertiger Arbeiter sinken, während bei einem gewöhnlichen Arbeiter das gleiche Leiden höchstens einen Verlust von 30—40 °/0 der Arbeitsfähigkeit bedingt hätte. Doch kann der F a c h a r b e i t e r auf den Be-
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ruf eines u n g e l e r n t e n Arbeiters verwiesen werden, in welchem er häufig das gesetzliche Drittel noch zu verdienen vermag. Von Wichtigkeit ist weiter, dass das Verdienst durch L o h n a r b e i t zu gewinnen ist. Was der versicherte Arbeiter oder Techniker etwa als Unternehmer oder als Hausierer zu verdienen vermag, kommt nicht in Betracht. Weiterhin bedarf es häufig der Feststellung, ob der Lohn, welchen der Rentenbewerber noch erhält, nicht ganz oder teilweise aus Wohltätigkeitsgründen gegeben wird. Auch ist zu erwägen, ob die Arbeit, welche dem Bewerber zugemutet wird, nicht als eine ü b e r m ä s s i g e bezeichnet werden kann und eine weitere Gesundheitsstörung- auszulösen vermag. In vielen Fällen wird auch zu berücksichtigen sein, dass gewisse Krankheitszustände (Gesichtslupus, Stinknase, Geistesstörung) dazu fuhren, dass der Arbeiter oder die Arbeiterin keine Arbeit mehr erhalten können. Ob ein Typhus- oder Diphtherie-Bazillenträger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, wird im Einzelfalle zweifelhaft sein können. Jedenfalls muss der Arzt sich bemühen, ein Bild von den verschiedenen A r b e i t s m ö g l i c h k e i t e n zu gewinnen, um im einzelnen Fall sagen zu können, ob der Bewerber nach seiner Anschauung unter den gesetzlichen Einschränkungen ein Drittel des Normallohns verdienen kann. Ist die Frage der I n v a l i d i t ä t nach ärztlichem Urteil bejaht, so steht die weitere Frage zur Beantwortung, von w e l c h e m T a g der Eintritt der Invalidität anzunehmen ist. Manche Erkrankungen, welche zur Invalidität führen, beginnen schleichend und führen erst nach längerer Zeit zur Invalidität. Häufig hat der Berechtigte sein Gesuch um Kente schon vor Eintritt der wirklichen Invalidität eingereicht und ist zunächst abgewiesen worden. In der Folge erneuert er den Antrag. Die Untersuchung ergibt jetzt den Nachweis wirklicher Invalidität nach dem Gesetze. Es bleibt nun zu erwägen, ob ein langsames Fortschreiten der u r s p r ü n g l i c h e n E r k r a n k u n g , derenthalben der Versicherte den Antrag auf Invalidenrente stellte, n a c h u n d n a c h die I n v a l i d i t ä t herbeigeführt hat, oder ob eine n e u e K r a n k h e i t resp. n e u e E r s c h e i n u n g e n zu der alten Krankheit hinzugetreten sind, welche die gleichen Folgen hatten. Im ersten Fall wird die Invalidität vom Beginn der Krankheit an gerechnet, im zweiten Fall von d e r Z e i t des A u f t r e t e n s der n e u e n s c h w e r e n Krankheits-
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erscheinungen an. Mit Bezug auf diesen Fall sei der A r t e r i o s k l e r o s e gedacht, bei welcher die erste Phase der Erkrankung zwar eine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit im Gefolge haben kann, aber nicht sofort Invalidität bedingt. Schliessen sich aber an die Arteriosklerose schwere F o l g e e r s c h e i n u n g e n an, welche vielleicht durch E r w e i c h u n g s h e r d e im G e h i r n , oder durch Beteiligung des Herzens die Arbeitsfähigkeit unter das gesetzliche Drittel herabdrticken, so wird der Eintritt der erwähnten Komplikation als der Beginn der Invalidität zu betrachten sein. In zweifelhaften Fällen gilt der Tag, an dem der Antrag auf Rente bei dem Versicherungsamt eingegangen ist. Den Beginn der Invalidität festzustellen, ist auch für solche Fälle wichtig, welche erst spät in ein Versicherungsverhältnis eingetreten, und vor Beginn der Anwartschaft invalide geworden sind. Von diesem Zeitpunkt an kann die K r a n k h e i t n i c h t mehr als B e i t r a g s z e i t gerechnet werden. Wenn Versicherungsberechtigte, welche erst beim Nachlass der Kräfte ihren Eintritt in die Versicherung anmelden und Marken zu kleben beginnen, invalide werden, bevor sie ein Anrecht auf die Invalidenversicherung erworben haben, so müssen die Ansprüche zurückgewiesen werden. Häufig nehmen solche Rentenbewerber die Arbeit wieder auf und verlangen dann ein Zeugnis der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, um nachträglich mit Aufbietung aller Kräfte ihr Anrecht aufrechtzuerhalten. Der Arzt kann in solchen Fällen nichts anderes tun, als an der Hand der Vorgeschichte und des Befundes ein sorgfältig begründetes Urteil abgeben. b) Dauernde oder vorübergehende Invalidität. Die weitere Frage, welche der Arzt zu beantworten hat, ist die, ob die I n v a l i d i t ä t eine d a u e r n d e oder eine v o r ü b e r g e h e n d e ist. Der dauernd Invalide erhält die Rente von Beginn der Invalidität an, nicht dauernd Erwerbsunfähige erhalten die Rente, wenn sie während 26 Wochen ununterbrochen invalide gewesen sind, oder nach Wegfall des Krankengeldes invalide sind, für die weitere Dauer der Invalidität. V o r ü b e r g e h e n d e E r w e r b s u n f ä h i g k e i t ist dann anzunehmen, wenn nach menschlichem Ermessen in a b s e h b a r e r
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Z e i t eine H e i l u n g oder so w e s e n t l i c h e B e s s e r u n g erwartet werden kann, dass der Versicherte n i c h t m e h r i n v a l i d e im S i n n e d e s G e s e t z e s ist. Dieselbe ist auch dann anzunehmen, wenn ein Versicherter dessen Erwerbsfähigkeit noch nicht auf weniger als ein Drittel herabgesetzt war, infolge Durchführung eines zur Abwehr drohender Invalidität von ihm eingeleiteten H e i l v e r f a h r e n s , nicht in der Lage ist, das für ihn in Betracht kommende Lohndrittel zu verdienen. Kann der Z e i t p u n k t einer vermutlichen Heilung oder Besserung n i c h t bestimmt werden, so kann die Erwerbsunfähigkeit n i c h t als eine vorübergehende bezeichnet werden. Sie ist vielmehr eine dauernde. Als dauernde muss sie auch bezeichnet werden, wenn die Invalidität nur durch eine grössere O p e r a t i o n behoben werden kann, welche von dem Versicherten a b g e l e h n t wird. Entzieht sich allerdings ein Rentenempfänger ohne gesetzlichen Grund dem Heilverfahren, und verhindert er dadurch die Beseitigung der Invalidität, so kann die Rente auf Zeit ganz oder teilweise entzogen werden. Denn wenn der Versicherte auch nicht gegen seinen Willen operiert werden darf, auch einer Chloroformnarkose sich zu unterziehen nicht gezwungen werden kann, so darf er doch k l e i n e E i n g r i f f e , wie F r e i l e g e n e i n e r verletzten Stelle, Reinigung einer Wunde, Einschnitte in e i n G e s c h w ü r , Dinge, die jeder verständige Mensch ohne weiteres vornehmen lässt, nicht zurückweisen. Bei der Beantwortung der Frage nach der Dauer der Erwerbsunfähigkeit hängt die Entscheidung häufig davon ab, ob ein gewisses H e i l v e r f a h r e n eingeschlagen wird. Diese Frage, ob nur bei Durchführung eines solchen die Invalidität als eine vorübergehende betrachtet werden kann, bedarf der besonderen Betonung durch den Arzt, da sie für die Entschliessung der Versicherungsanstalt von wesentlicher Bedeutung ist. Der Arzt muss deshalb die Prognose des Einzelfalls sorgfältig erwägen. D i e ä r z t l i c h e T ä t i g k e i t im H e i l v e r f a h r e n . Hat der Arzt durch eingehende Untersuchung festgestellt, dass die Ansprüche eines Rentenbewerbers an die I. V. berechtigt sind, oder bei Fortschreiten des Leidens baldige Invalidität zu erwarten ist, so hat er die weitere Frage zu beantworten: I s t bei D u r c h f ü h r u n g e i n e s H e i l v e r f a h r e n s Wiedererlan-
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gung der A r b e i t s f ä h i g k e i t d a u e r n d , oder doch f ü r m e h r e r e J a h r e zu e r w a r t e n ? Schon vor Einführung der Reichsversicherungsordnung hat eine warmherzige sozialpolitische Auslegung der Gesetzesbestimmungen es ermöglicht, K r a n k e n f ü r s o r g e z u r V e r m e i d u n g d e r I n v a l i d i t ä t eintreten zu lassen. Den Landesversicherungsanstalten Hannover, Braunschweig und der Hanseatischen Versicherungsanstalt gebührt das Verdienst, auf diesem Wege vorangegangen zu sein. Die Reichsversicherungsordnuug hat diese Tätigkeit gesetzlich geregelt: Um d i e i n f o l g e e i n e r E r k r a n k u n g d r o h e n d e I n v a l i d i t ä t eines V e r s i c h e r t e n oder einer Witwe abz u w e n d e n , k a n n d i e V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t ein H e i l v e r f a h r e n einleiten. D a s g l e i c h e g i l t f ü r die E m p f ä n g e r e i n e r I n v a l i d e n - , W i t w e n - o d e r W i t w e r r e n t e . Das Heilverfahren kann in einem Krankenhause oder in einer Anstalt für Genesende eingeleitet werden, wobei die von dem Erkrankten unterhaltenen Angehörigen (jedoch nicht diejenigen von Witwen und Witwern) eventuell ein H a u s g e l d erhalten. Diese Leistung der Versicherungsanstalt ist eine durchaus f r e i w i l l i g e . Selbstverständlich bedarf das Heilverfahren der Z u s t i m m u n g d e s E r k r a n k t e n , der sich aber dem Heilverfahren n i c h t ohne triftigen Grund entziehen darf. Die Versicherungsanstalten sind aber auch berechtigt, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde M i t t e l zur Hebung der g e s u n d h e i t l i c h e n Verhältnisse der v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g e n B e v ö l k e r u n g aufzuwenden. Die Einrichtung des H e i l v e r f a h r e n s zur Vermeidung und zum Aufschub der Invalidität muss als eine der s e g e n s r e i c h s t e n d e r s o z i a l e n G e s e t z g e b u n g bezeichnet werden. Die Mittel, welche für diese aufgewendet wurden, und die Zahl der behandelten Fälle sind in kurzer Zeit ausserordentlich gewachsen. Nach dem Vorgang der erwähnten Anstalten wurde an erster Stelle die Bekämpfung der Lungentuberkulose und der durch diese bedingten frühzeitigen Invalidität das Ziel der Invalidenversicherung. Ende des Jahres 1909 besassen die Versicherungsträger bereits 37 Heilanstalten für Tuberkulose und 34 andere Heilanstalten. Ausserdem hatten die Fortschritte auf dem Gebiet der Hygiene und die Anregung der Versicherungsanstalten dazu geführt, dass zahlreiche Vereine zur Verbesserung u n s e r e r h y g i e n i s c h e n V e r h ä l t n i s s e sich bil-
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deten, so das Zentralkomitee zur Bekämpfung der T u b e r k u l o s e . Mehr als 100 (einschliesslich der Anstalten der Versicherungsanstalten) Lungenheilstätten mit allen hygienischen Anforderungen sind infolge der stattgehabten Anregung in Deutschland entstanden. Vereine zur Verhütung der Tuberkulose und zur gesundheitsmässigen Lebensgestaltung suchen erzieherisch auf das Volk zu wirken. Ich nenne nur den Verein für Volkshygiene, den niederrheinischen Verein für öffentliche Gesundheitspflege, den Deutschen Verein gegen den M i s s b r a u c h g e i s t i g e r G e t r ä n k e , das b l a u e K r e u z , den G u t t e m p l e r o r d e n , das K r e u z b ü n d n i s , die D e u t s c h e G e s e l l s c h a f t z u r B e k ä m p f u n g d e r G e s c h l e c h t s k r a n k h e i t e n . Pekuniäre Zuwendungen der Versicherungsanstalten haben es vielfach diesen Vereinen erst ermöglicht, praktisch zu wirken. Die Landesversicherungsanstalten haben auch vielfach G e n e s u n g s h e i m e , W a l d e r h o l u n g s s t ä t t e n erbaut und mit anderen Anstalten und Einrichtungen ähnlicher Art über zweckmässige Unterbringung ihrer Kranken Verträge geschlossen. Ausser der Tuberkulose haben die Versicherungsanstalten den verschiedensten H e r z l e i d e n , der B l u t a r m u t , der G i c h t , dem R h e u m a t i s m u s ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Unter Mitwirkung der Landesversicherungsanstalt ßheinprovinz ist ausser den Tuberkulosenheilstätten in der Rheinprovinz eine Anstalt für n e r v e n k r a n k e F r a u e n ( R o d e r b i r k e n ) , und eine Anstalt für r h e u m a t i s c h K r a n k e in Aachen ins Leben gerufen worden. Im Jahre 1910 hatten die Versicherungsanstalten für Heilstätten schon 61717989 M. verausgabt. Im Jahre 1909 betrug die Zahl der in diesen Heilstätten aufgenommenen Pfleglinge 43 478. Die Zahl stellt aber nur etwa die Hälfte der im Jahre 1909 in Behandlung genommenen Klienten der Versicherungsanstalten dar. Die Gesamtkosten für den Kopf und Tag betragen in den Lungenheilstätten 4.60 M., in den Genesungsheimen 4.04 M. Weiterhin sind auch die T r u n k s u c h t und der L u p u s in den Bereich der Heilbehandlung durch die Invalidenversicherung gezogen worden. Die Versicherungsanstalt der Rheinprovinz erstrebt, dass die örtlichen ,Abstinenzvereine in einer lokalen Trinkerfürsorgestelle sich zusammenfinden, zu deren Erhaltung sie eine Pauschalsumme bewilligt. Auch die Trinkerrettung3vereine erhalten für erfolgreiche Tätigkeit in Einzelfällen Zuwendungen.
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Aufgabe der F ü r s o r g e s t e l l e ist es, in Verbindung mit den betreffenden Vereinen, den Ärzten, Geistlichen usw. a l l e S c h r i t t e zur R e t t u n g d e s T r i n k e r s zu erwägen und einzuleiten. Die Landesversicherungsanstalt trägt die Kosten, welche durch die Aufnahme von Trinkern in entsprechenden Heilanstalten entstehen, und gewährt auch trunksüchtigen Rentenempfängern gegen Abtretung der Rente die Verpflegung in einem Invalidenheim, ohne einen weiteren Zuschuss zu verlangen. Dass den Trunksüchtigen an Stelle von Renten Sachleistungen gegeben werden können, und teilweise müssen, ist in der Einleitung schon erwähnt. In den Jahren 1905 bis 1910 wurden schon 1810 alkoholkranke Männer und 24 Frauen in Behandlung genommen. Im J. 1900 betrugen die Ausgaben für Heilverfahren 6 210 726.33 M. „ „ 1905 „ „ 14 448 005.02 „ „„1910 „ „ „ „ „ 21 102166.51 „ B e r l i n , die R h e i n p r o v i n z , S c h l e s i e n , das Königreich S a c h s e n und B a d e n nehmen bei diesen Bestrebungen im Jahre 1910 die erste Stellung ein. Was die Resultate bei nicht tuberkulösen Krankheiten betrifft, so zeigen die Ergebnisse der Behandlungsjahre 1897-—1902 nach 5 jähriger Kontrollperiode, dass noch 38, 36, 36, 40, 43 Erwerbsfähige unter 100 in Behandlung genommenen sich befanden. Bei Tuberkulösen ergab das Resultat der Jahre 1897, 1898, 1899, 1900 und 1901, dass von 100 Behandelten nach 5 Jahren noch 27, 31, 32, 31, 34 Personen erwerbsfähig waren. In den folgenden waren die Ergebnisse, vermutlich durch Beschränkung in der Aufnahme schwererer Fälle, noch günstiger. Nach Ablauf des dritten Jahrs nach dem Behandlungsjahr waren von 100 Behandelten unter den Männern noch 48 °/ 0 , unter den Frauen noch 5 5 % erwerbsfähig, nach Ablauf von fünf Jahren noch 41 °/0 der Männer und 49°/ 0 der Frauen. Eine neue und überraschende Tatsache ist diese Differenz zugunsten der Frauen. Allerdings war häufig eine Wiederaufnahme der Behandlung notwendig, so von 1000 in den Jahren 1900—1904 Behandelten bei 129—140. Im ganzen sind die Erfolge der Heilstättenbehandlung bei Tuberkulosen fortschreitend besser geworden. Immerhin sind die Ergebnisse der Tuberkulosebehandlung noch nicht als glänzend zu bezeichnen. Aber es wird im Laufe der Zeit doch gelingen, die schwerste Seuche des Deutschen Volkes mehr und mehr
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einzuengen. Jedenfalls sind nach der Berechnung yon B i e l e f e l d t die Erfolge der in Heilstätten behandelten Tuberkulösen wesentlich besser als diejenigen der nichtbehandelten. Wenn man aber auch der Beweisführung von B i e l e f e l d s keine zweifellose Bedeutung zuerkennt und somit mehr auf die praktische Allgemeinerfahrung in der Beurteilung angewiesen ist, so muss man der Tuberkulosebehandlung in Heilstätten doch noch eine weitere grosse Bedeutung zuerkennen. Diese beruht in der E r z i e h u n g d e r L u n g e n k r a n k e n zur Prophylaxe des Einzelnen und der Familie. Die Versicherungsanstalten und das Reichsversicherungsamt haben besondere D r u c k s c h r i f t e n , welche den Vorkehrungen gegen die Krankheitsübertragung dienen, drucken und weitgehendst verbreiten lassen. Neben der Heilstättenbehandlung sind weitere Einrichtungen ( F ü r s o r g e s t e l l e n f ü r T u b e r k u l ö s e , K r a n kenabteilungen für vorgeschrittene Lungentuberkulose) teils zur besseren Sorge für die Kranken, teils zum Schutz für die Gesunden unter vielfacher Unterstützung der Versicherungsanstalten geschaffen worden. Gewiss wird auf diese Weise, wie G r o t j a h n kürzlich ausgeführt hat, das sozialhygienische Ziel der A u s r o t t u n g der Tuberkulose als Volkskrankheit n i c h t v ö l l i g erreicht. Aber eine solche Auffassung hegten auch nur Enthusiasten, während kritische und erfahrene Arzte den ausgesprochenen Hoffnungen zwar skeptisch gegenüberstanden, aber schon deshalb denselben nicht energisch entgegentraten, weil mit Sicherheit eine Besserung der damals bestehenden traurigen Verhältnisse erhofft werden konnte, und das rege Interesse, welches sich in erfreulicher Weise den Fragen der Volksgesundheit zuwandte, nur warm begrlisst werden konnte. Weiterhin haben die Träger der Invalidenversicherung ihre Fürsorge der Krankenpflege auf dem Lande zugewandt. Insbesondere hat die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz Gemeindepflegestationen mit Krankenschwestern eingerichtet, wobei die Organisation einer Charitasvereinigung mitwirkte. Eine derartige Musteranstalt wurde in dem Dorfe Obergondershausen im Hunsrück geschaffen, wo die Gemeindeeingesessenen teils als aktive, teils als passive Mitglieder mit einem kleinen Jahresbeitrag herangezogen werden. Eine Krankenschwester übernimmt die erste Sorge für Erkrankte und zieht im Notfalle den Arzt zu. Ein grosser Teil von Aufgaben, besonders auf dem Gebiet der Hygiene, lässt R u m p f , A r z t und ReicbsversicherungsordnuDg.
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sich auf diese Weise leisten. Auch die Verbreitung guter populärer Schriften über Krankheiten und Krankheitsverhütung danken wir einzelnen Landesversicherungsanstalten. In den letzten Jahren lässt auch das Reichsversicherungsamt unter seinem n e u e n Präsidenten K a u f m a n n eine regelmässige Zeitschrift für Arbeiterversicherung erscheinen. Die Versicherungsanstalten haben auch mit Genehmigung des Reichsversicherungsamts die für Rentenzahlungen nicht sofort benötigten Kapitalien zum Teil zur Errichtung von verschiedenen Kranken-, Genesungshäusern, Volksheilstätten, H e r h e r g e n zur H e i m a t , V o l k s b ä d e r n , K l e i n k i n d e r s c h u l e n , W a s s e r l e i t u n g s - , K a n a l i s a t i o n s a n l a g e n usw. gegen geringen Zinsfuss bewilligt. Vom 1. Januar 1891 bis zum Jahre 1906 sind üir diese Zwecke 210 Millionen Mark, für den Bau gesunder Arbeiterwohnungen 155 Millionen Mark bewilligt worden. Welche Summe erhaltener Arbeitskraft des Volkes hieraus resultiert, lässt sich gar nicht ermessen. Wir dürfen heute fast mit Bestimmtheit sagen, dass der überraschende R ü c k g a n g d e r T u b e r k u l o s e s t e r b l i c h k e i t in Deutschland mit allen diesen Bestrebungen zusammenhängt. Auch Invalidenheime wurden gegründet, in welchen die Invaliden gegen Überlassung ihrer Renten und der noch verbliebenen Arbeitskraft freien Unterhalt finden. Eine besondere Bedeutung dürften die Heime für L u n g e n k r a n k e v o r g e s c h r i t t e n e n S t a d i u m s beanspruchen. Die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz hat 1909 293 und 1910 schon 411 derartige Kranke untergebracht. Für diesen Zweck kommen vor allem ländliche Krankenhäuser mit entsprechenden Einrichtungen in Betracht. Doch ist es in v i e l e n F ä l l e n schwer, die Kranken dauernd aus der Familie zu entfernen. Deshalb müssen T a g e s e r h o l u n g s stätten und die Einrichtung besonderer Wohnungen für Lungenkranke vielfach als Ersatz für Krankenhäuser eintreten. Alle diese Einrichtungen muss der Arzt im Interesse seiner Patienten kennen. Speziell muss er zunächst wissen, dass die Versicherungsanstalt nur dann befugt ist, ein Heilverfahren einzuleiten, wenn g e g r ü n d e t e A u s s i c h t vorhanden ist, dass der Berechtigte wieder soweit e r w e r b s f ä h i g wird, dass eine drohende I n v a l i d i t ä t h i n a u s g e s c h o b e n oder verhindert wird. Die Aufwendung für das Heilverfahren und die damit verknüpften Ausgaben
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müssen in der F o l g e mindestens durch E r s p a r n i s der R e n t e aufg e w o g e n werden. Ist eine solche b e g r ü n d e t e Aussicht nicht vorh a n d e n , so darf die L a n d e s v e r s i c h e r u n g das Heilverfahren nicht ü b e r n e h m e n . Aus diesen Gründen wird die Ü b e r n a h m e eines Heilv e r f a h r e n s f ü r K r e b s k r a n k e , Geisteskrankheit, Z u c k e r h a r n r u h r , ausg e d e h n t e n L u p u s und auch Epilepsie in der R e g e l abgelehnt. Der gleiche Gesichtspunkt gilt f ü r Personen, welche schon bet a g t sind, f ü r f o r t g e s c h r i t t e n e L u n g e n t u b e r k u l o s e , s c h w e r e r e F ä l l e von Hysterie, Neurasthenie, Gelenkleiden usw. Derartige Fälle müssen gegenüber solchen zurückgestellt werden, welche eine bessere Aussicht auf Heilung bieten, wie frischere und leichte F ä l l e von Lungentuberkulose, A n ä m i e , S c h w ä c h e z u s t ä n d e nach K r a n k h e i t e n . Der Arzt muss also in j e d e m Falle das Erreichb a r e unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der Gesetzgebung und ihrer Auslegung e r w ä g e n und b e g r ü n d e n . J e f r ü h e r er in Fällen mit günstiger Prognose bei U n t e r b r e c h u n g der T ä t i g k e i t und Heilbehandlung d a s Heilverfahren b e a n t r a g t , um so besser f ü r den K r a n k e n und die Behörde. Allerdings bieten die Anfangsstadien einer Lungene r k r a n k u n g manche Schwierigkeiten. Schon die F r a g e , ob es sich wirklich um L u n g e n t u b e r k u l o s e handelt, ist nicht immer leicht zu entscheiden. Vielfach ist ausser sorgfältiger physikalischer Untersuchung und der U n t e r s u c h u n g des Auswurfs die P r ü f u n g auf Tuberkulinreaktion und eine R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g zur Klarstellung des Falls notwendig. Aber auch die Stellung der Prognose bietet mancherlei Schwierigkeiten. Die Versicherungsanstalten haben deshalb in verschiedenen K r a n k e n h ä u s e r n die E r r i c h t u n g von Vors t a t i o n e n zur Untersuchung und Beurteilung von L u n g e n t u b e r kulose veranlasst. Hier können die für H e i l s t ä t t e n b e b a n d l u n g Geeigneten auch bleiben, bis ihre A u f n a h m e in die h ä u f i g überfüllten Anstalten erfolgen k a n n . Zur A u f n a h m e in die bezeichneten Anstalten ist die T a t sache der drohenden und zu beseitigenden I n v a l i d i t ä t allein nur dann genügend, wenn k e i n e g e s e t z l i c h e n V e r p f l i c h t u n g e n v o n a n d e r e r S e i t e bestehen, f ü r die Wiederherstellung des E r k r a n k t e n a u f z u k o m m e n . Ausserdem muss der Antragsteller eine grössere A n z a h l von B e i t r a g s m a r k e n geleistet haben. E s w ü r d e dem Sinne des Gesetzes w i d e r s p r e c h e n , wenn eine e r k r a n k t e Person irgendeine T ä t i g k e i t übernehmen und nur auf Grund einiger Beiträge ein Heilverfahren beanspruchen w ü r d e . Im Prinzip muss
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die Zahl der Beiträge so hoch sein, dass bei einer Dauer der Krankheit von 52 Wochen (die als Beitragswochen gerechnet werden), eine Rente in F r a g e käme, so dass also 148 regelmässige Beiträge geleistet sein müssen. Doch wird bei j u g e n d l i c h e n Personen, deren Krankheit eine besonders gute Prognose bietet, hiervon häufig a b g e s e h e n . Vorschläge über den Gebrauch eines bestimmten Bades oder Sanatoriums zu machen, empfiehlt sich nicht, da die L a n d e s v e r s i c h e r u n g s a n s t a l t e n teilweise e i g e n e A n s t a l t e n besitzen, teils mit geeigneten Anstalten bestimmte Verträge abgeschlossen haben. Es kommt auch in Betracht, dass auf Grund der A k t e n des Falls die Versicherungsanstalten vielfach besondere Gründe zur Einweisung in diese oder jene Anstalt haben. A m b u l a t o r i s c h e Behandlung in der Wohnung des Versicherten oder des Arztes als Heilverfahren zu übernehmen, lehnen die Versicherungsanstalten nieist ab, da die Garantie für eine sorgfältige und saebgemässe Durchführung in der Regel fehlt. Doch habe ich selbst in einzelnen Fällen geraten, das Heilverfahren zu Hause und die Behandlung durch den Hausarzt fortsetzen zu lassen, wenn ich aus der Behandlung und dem Verlauf der Erk r a n k u n g einen sicheren Erfolg erwarten konnte. Z. B. können manche Formen von Nervenlähmung zu Hause behandelt werden, wenn der Arzt die T e c h n i k der T h e r a p i e beherrscht, und die Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass keine anderweitigen Schädigungen den Verlauf stören. Der Arzt muss aber seinem Klienten gegenüber betonen, dass die A b l e h n u n g e i n e s H e i l v e r f a h r e n s k e i n e s w e g s e i n R e c h t gibt, I n v a l i d e n r e n t e zu beanspruchen. In dieser Hinsicht herrschen unter den Versicherten, wie vielfach über die Gesetze und ihre Auslegung, häufig falsche Auffassungen. c) Die ärztliche Tätigkeit im Rentenentziehungsverfahren. Die d r i t t e Aufgabe, welche bei der Durchführung des Invalidenversicherungsgesetzes dem Arzt zufällt, beruht in der Tätigkeit beim Rentenentziehungsverfahren. An erster Stelle kommt hier der V e r t r a u e n s a r z t der Landesversicherungsanstalt in Betracht. Doch können unter besonderen Bedingungen auch a n d e r e Ärzte gehört werden. Insbesondere wird das beim Oberversicherungsamt auf Antrag des Versicherten häufig der Fall sein.
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Die Rente kann entzogen werden, wenn in den Verhältnissen des Empfängers einer Invaliden- oder Witwenrente eine w e s e n t l i c h e Ä n d e r u n g eingetreten ist, welche ihn nicht mehr als erwerbsunfähig im Sinne des Invalidenversicherungsgesetzes erscheinen lässt. Nur eine Änderung der Verhältnisse, n i c h t e i n e n a c h t r ä g l i c h e a n d e r w e i t i g e g ü n s t i g e r e B e u r t e i l u n g des Gesundheitszustandes begründet nach Auffassung des Reichsversicherungsamts die Entziehung der Rente. Es muss eine t a t s ä c h l i c h e , im k ö r p e r l i c h e n und g e i s t i g e n Gesamtzustand begründete Besserung gegen früher eingetreten sein. Als solche kann aber auch der Umstand betrachtet werden, dass s c h w e r e K r a n k b e i t s s y m p t o m e , welche früher vorhanden waren, n i c h t m e h r n a c h w e i s b a r oder g e s c h w u n d e n sind. So kann auch Gewöhnung an den V e r l u s t e i n e s G l i e d e s durch Eintreten der anderen Glieder eine wesentliche günstige Veränderung im Gefolge haben. Die Aufhebung der K r a n k e n r e n t e verlangt aber d i e s e l b e B e u r t e i l u n g , wie diejenige der Invalidenrente. In b e i d e n Fällen muss eine wesentliche Änderung eingetreten sein und ebenso ein besonderes E n t z i e h u n g s v e r f a h r e n eingeleitet werden. Unter allen Umständen bedarf jeder einzelne Fall der sorgfältigsten ärztlichen Prüfung. Bei der Entziehung einer bewilligten Rente kommt auch in Betracht, dass die N e u g e w ä h r u n g einer Rente nach zeitweiser Entziehung zur Folge hat, dass die Zeit des früheren Rentenbezugs ebenso wie die bescheinigte Krankheitszeit und Militärdienstzeit anzurechnen ist. Handelt es sich also nicht um eine zweifellose und vermutlich länger andauernde Besserung, so tut der Arzt gut, bei Beurteilung von Fällen im Entziehungsverfahren nicht zu rigoros vorzugehen. Die mit der Rentenentziehung verbundene Aufregung und Unzufriedenheit des Versicherten findet dann kein Äquivalent in Ersparnissen der Versicherungsanstalt. Zweifelhafte Fälle werden am besten geeigneten Krankenhäusern zur genauen Untersuchung und Klarstellung überwiesen. Verfahren und Kosten. Wie oben schon erwähnt, sind Anträge auf Invalidenrente mit den Beweisstücken an das Versicherungsamt zu richten. Die Kosten für die Beweisführung hat, wie auch das Reichsversiche-
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Die Rente kann entzogen werden, wenn in den Verhältnissen des Empfängers einer Invaliden- oder Witwenrente eine w e s e n t l i c h e Ä n d e r u n g eingetreten ist, welche ihn nicht mehr als erwerbsunfähig im Sinne des Invalidenversicherungsgesetzes erscheinen lässt. Nur eine Änderung der Verhältnisse, n i c h t e i n e n a c h t r ä g l i c h e a n d e r w e i t i g e g ü n s t i g e r e B e u r t e i l u n g des Gesundheitszustandes begründet nach Auffassung des Reichsversicherungsamts die Entziehung der Rente. Es muss eine t a t s ä c h l i c h e , im k ö r p e r l i c h e n und g e i s t i g e n Gesamtzustand begründete Besserung gegen früher eingetreten sein. Als solche kann aber auch der Umstand betrachtet werden, dass s c h w e r e K r a n k b e i t s s y m p t o m e , welche früher vorhanden waren, n i c h t m e h r n a c h w e i s b a r oder g e s c h w u n d e n sind. So kann auch Gewöhnung an den V e r l u s t e i n e s G l i e d e s durch Eintreten der anderen Glieder eine wesentliche günstige Veränderung im Gefolge haben. Die Aufhebung der K r a n k e n r e n t e verlangt aber d i e s e l b e B e u r t e i l u n g , wie diejenige der Invalidenrente. In b e i d e n Fällen muss eine wesentliche Änderung eingetreten sein und ebenso ein besonderes E n t z i e h u n g s v e r f a h r e n eingeleitet werden. Unter allen Umständen bedarf jeder einzelne Fall der sorgfältigsten ärztlichen Prüfung. Bei der Entziehung einer bewilligten Rente kommt auch in Betracht, dass die N e u g e w ä h r u n g einer Rente nach zeitweiser Entziehung zur Folge hat, dass die Zeit des früheren Rentenbezugs ebenso wie die bescheinigte Krankheitszeit und Militärdienstzeit anzurechnen ist. Handelt es sich also nicht um eine zweifellose und vermutlich länger andauernde Besserung, so tut der Arzt gut, bei Beurteilung von Fällen im Entziehungsverfahren nicht zu rigoros vorzugehen. Die mit der Rentenentziehung verbundene Aufregung und Unzufriedenheit des Versicherten findet dann kein Äquivalent in Ersparnissen der Versicherungsanstalt. Zweifelhafte Fälle werden am besten geeigneten Krankenhäusern zur genauen Untersuchung und Klarstellung überwiesen. Verfahren und Kosten. Wie oben schon erwähnt, sind Anträge auf Invalidenrente mit den Beweisstücken an das Versicherungsamt zu richten. Die Kosten für die Beweisführung hat, wie auch das Reichsversiche-
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rungsamt (Amtliehe Nachrichen 1900 S. 826) und die g a n z e P r a x i s annimmt, der Antragsteller selbst zu tragen. D a es sich aber vielfach um Arme handelt, welche nicht in der L a g e sind, ein ärztliches Gutachten auf eigene R e c h n u n g beizubringen, so haben die Versicherungsanstalten meist Zuschusshonorare von 3 — 6 M. f ü r das ärztliche Zeugnis bewilligt; seitens der Ä r z t e k a m m e r ist allerdings vielfach die volle E r s t a t t u n g des ärztlichen Gutachtens von 9 M. verlangt worden. N a c h vielfachen V e r h a n d l u n g e n hierüber ist zwischen der L a n d e s v e r s i c h e r u n g und der Ä r z t e k a m m e r der Rheinprovinz der n a c h f o l g e n d e Vertrag zustande gekommen, der sich sowohl auf das Gesuch um Bewilligung einer I n v a l i d e n r e n t e als dasjenige eines H e i l v e r f a h r e n s bezieht. 1. Die L a n d e s v e r s i c h e r u n g Rheinprovinz sichert denjenigen Versicherten, welche eine I n v a l i d e n r e n t e oder ein H e i l v e r f a h r e n bei ihr nachsuchen wollen, die freie A r z t w a h l in dem Sinne zu, dass j e d e r Antragsteller berechtigt ist, ein Gutachten des von ihm zugezogenen oder beratenden Arztes zur Beg r ü n d u n g seines A n t r a g s vorlegen zu lassen, oder die zuständige Behörde zur direkten Einziehung des G u t a c h t e n s zu veranlassen. 2. Die G u t a c h t e n müssen auf den von der Landesversicherungsanstalt mit dem Vorstande der Ä r z t e k a m m e r zu vereinbarenden F o r m u l a r e n g e w i s s e n h a f t und vollständig a b g e f a s s t werden. Ergänzungen und Berichtigungen seines Gutachtens hat der zugezogene Arzt ohne besondere Kosten vorzunehmen. 3. Als Zuschusshonorar f ü r dieses Gutachten zahlt die Landesversicherungsanstalt eine Vergütung, die sich bei dem Gutachten f ü r Invalidenrente auf 6 M., bei solchem f ü r Heilverf a h r e n auf 5 M. bemisst. D i e Bezahlung erfolgt an den Arzt, dem es überlassen bleibt, mit dem Antragsteller zu vereinbaren, welcher weitere B e t r a g f ü r das Gutachten zu entrichten ist. 4. Die Landesversicherungsanstalt wird die Verwaltungsbehörden, gemäss Nr. 5 der Preussischen Ministerial-Anweisung vom 15. November 1904, b e t r e f f e n d das V e r f a h r e n vor den unteren Verwaltungsbehörden, ersuchen, bei Vorbereitung der der Landesversicherungsanstalt einzureichenden A n t r ä g e im Sinne des vorstehenden Abkommens zu v e r f a h r e n . 5. Dieses Abkommen ist auf unbestimmte Zeit geschlossen, bleibt aber j e d e s m a l drei Monate vor Schluss d e s K a l e n d e r jahres kündbar.
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Ähnliche Abkommen sind auch zwischen a n d e r e n Versicherungsanstalten und Ärztekammern geschlossen worden. Hat der Vorsitzende des Versicherungsamts den Antrag erhalten, so ermittelt er nach freiem Ermessen, was zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlich ist. Er kann Zeugen und Sachverständige auch eidlich vernehmen, Untersuchungen und Gutachten von Ärzten veranlassen und amtliche Auskünfte jeder Art einholen, auch andere Versicherungsträger beiladen. Im allgemeinen wird aber angenommen, dass kostspieligere Gutachten und Beobachtungen nur durch die Versicherungsanstalten angeordnet werden sollen. Die Erhebungen des Versicherungsanits sollen sich insbesondere erstrecken auf die V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t oder die Versicherungsberechtigung, die I n v a l i d i t ä t und den Tag ihres Eintritts, und die Bedürftigkeit, wenn es sich um Witwenrente handelt usw. Auf A n t r a g des B e r e c h t i g t e n ist das Gutachten eines von i h m benannten Arztes einzuholen, wenn das Gutachten nach Ansicht des Versicherungsamts für die Entscheidung von Bedeutung sein kann. Die K o s t e n hat der B e r e c h t i g t e vorher zu zahlen. Doch muss nach einer Anordnung des preussischen Handelsministers vom 15. November 1908 die untere Verwaltungsbehörde (das Versicherungsamt der RVO.) bei allen Anträgen, welche die Gewährung oder Entziehung einer Rente betreffen, einen V e r t r a u e n s a r z t der Landesversicherungsanstalt zuziehen. Dieser hat vor dem Termin oder in demselben den Rentenbewerber oder Rentenempfänger zu untersuchen und im Termin in mündlicher Verhandlung zu beurteilen. Nach beendeten Erhebungen erstattet das Versicherungsamt ein G u t a c h t e n über alles, was für die Entschliessung des Versicherungsträgers von Bedeutung ist und übersendet diesem die Verhandlungen mit dem Gutachten. Das Versicherungsamt benachrichtigt ausserdem den Versicherungsträger, wenn es erfährt, dass ein V e r s i c h e r t e r oder eine W i t w e durch ein H e i l v e r f a h r e n vor der Invalidität bewahrt bleiben, oder der Empfänger einer Rente durch ein Heilverfahren wieder erwerbsfähig werden kann, ferner, wenn die Invaliden-, Witwen-, Witwer-, Waisenrente zu ruhen hat. Die L e i s t u n g e n der V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t werden dureh den V o r s t a n d festgestellt, dem vielfach ein ärztlicher Berater zur Seite steht.
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Einspruchsverfahren. Wird der Antrag eines Versicherten a b g e l e h n t , so können ihm auf Verlangen das Gutachten des Versicherungsamts in Abschrift k o s t e n l o s , die Niederschriften der Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten gegen E r s t a t t u n g d e r K o s t e n abgegeben werden; doch soll dieses nur soweit geschehen, als es mit Rücksicht auf den Berechtigten zulässig erscheint. Will der Versicherungsträger dem für die Gewährung einer Rente abgegebenen Gutachten des Vorsitzenden des Versicherungsamts nicht, entsprechen, so ist die Sache zur Erörterung und Begutachtung an das Versicherungsamt zurückzugeben, wenn es sich um die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung oder die Invalidität handelt. Nach A b l e h n u n g eines Rentenantrags oder rechtskräftiger Entziehung kann der Antrag erst e i n J a h r n a c h Z u s t e l l u n g der Entscheidung wiederholt werden. Gegen Bescheide der Träger der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, sowie gegen Urteile des Versicherungsamts kann Berufung an das O b e r v e r s i c h e r u n g s a m t erhoben werden. Der Vorsitzende des Oberversicherungsamts kann nach eigenem Ermessen eine neue Untersuchung einleiten, Zeugen und Sachverständige vernehmen und Gutachten von Ärzten veranlassen. Wenn der Versicherte oder seine Hinterbliebenen beantragen, dass ein b e s t i m m t e r Arzt g u t a c h t l i c h gehört wird, so kann das Oberversicherungsamt, falls es diesem Antrag stattgeben will, die Anhörung von der Bedingung abhängig machen, dass der A n t r a g s t e l l e r die K o s t e n vorschiesst und, falls das Oberversicherungsamt nicht anders entscheidet, sie endgültig trägt. Auch für die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung dürfen bei dem Oberversicherungsamt k e i n e A r z t e a l s S a c h v e r s t ä n d i g e zugezogen werden, die in einem V e r t r a g s v e r h ä l t n i s zu den Trägern der Versicherung stehen, oder von ihnen regelmässig als Gutachter in Anspruch genommen werden. Gegen die Urteile der Spruchkammern des Oberversicherungsamts ist ein Rekurs an das R e i c h s v e r s i c h e r u n g s a m t angängig. Doch kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass 1. das angefochtene Urteil auf der N i c h t a n w e n d u n g
oder
Schiusa.
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der u n r i c h t i g e n A u w e n d u n g des bestehenden R e c h t e s , oder auf einem V e r s t o s s gegen den klaren Inhalt der A k t e n beruht, 2. das Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet. Höhe, Beginn und Ende der Rente, Kapitalabfindung, Witwengeld, Waisenaussteuer, Kosten des Verfahrens sind Gegenstände, bei welchen eine Revision ausgeschlossen ist. Das Reichsversicherungsamt kann in der Berufungssache entweder selbst entscheiden oder dieselbe an die Vorinstanz zurückverweisen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur bei gewissen Verfehlungen (Person des Richters, Verletzung des Eides usw.) zulässig.
Schluss. Mit der Reichsversicherungsordnung hat das grosse Werk der sozialen Versicherung seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Ein u n e r m e s s l i c h e r S e g e n ist für das deutsche Volk aus diesem gewaltigen F r i e d e n s w e r k erwachsen. Die grossen wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Seuchenerkennung und -bekämpfung hätten gewiss nicht solche praktischen Erfolge gezeitigt, wenn nicht durch die soziale Gesetzgebung, insbesondere durch die V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t e n , die Mittel zur praktischen Durchführung in einer Höhe zur Verfügung gestellt wurden, an welche eine frühere Zeit nicht denken konnte. Eine beträchtliche Verl ä n g e r u n g der durchschnittlichen L e b e n s d a u e r und A r b e i t s k r a f t wird u. a. als Resultat aller dieser Arbeiten durch die Statistik erwiesen. Auch die Berufsgenossenschaften tragen durch ihre Bestrebungen, die Arbeitsfähigkeit Verletzter durch alle Mittel medizinischen Wissens und Könnens baldigst wieder herzustellen, viel zur Erreichung der grossen Ziele bei. Die meisten von ihnen haben auch die grossen sozialen Aufgaben nicht nur von dem Gesichtspunkte der erwachsenden Kosten betrachtet, wenn auch dieser gewiss volle Berücksichtigung verdient. Entsprechend dem Ausspruch des früheren Präsidenten des Reichsversicherungsamts Bödiker: „Unfälle v e r h ü t e n ist b e s s e r , als U n f ä l l e ents c h ä d i g e n " , haben sie teilweise in hervorragender Weise durch Vorschriften und Belehrungen zu wirken gesucht.
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der u n r i c h t i g e n A u w e n d u n g des bestehenden R e c h t e s , oder auf einem V e r s t o s s gegen den klaren Inhalt der A k t e n beruht, 2. das Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet. Höhe, Beginn und Ende der Rente, Kapitalabfindung, Witwengeld, Waisenaussteuer, Kosten des Verfahrens sind Gegenstände, bei welchen eine Revision ausgeschlossen ist. Das Reichsversicherungsamt kann in der Berufungssache entweder selbst entscheiden oder dieselbe an die Vorinstanz zurückverweisen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur bei gewissen Verfehlungen (Person des Richters, Verletzung des Eides usw.) zulässig.
Schluss. Mit der Reichsversicherungsordnung hat das grosse Werk der sozialen Versicherung seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Ein u n e r m e s s l i c h e r S e g e n ist für das deutsche Volk aus diesem gewaltigen F r i e d e n s w e r k erwachsen. Die grossen wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Seuchenerkennung und -bekämpfung hätten gewiss nicht solche praktischen Erfolge gezeitigt, wenn nicht durch die soziale Gesetzgebung, insbesondere durch die V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t e n , die Mittel zur praktischen Durchführung in einer Höhe zur Verfügung gestellt wurden, an welche eine frühere Zeit nicht denken konnte. Eine beträchtliche Verl ä n g e r u n g der durchschnittlichen L e b e n s d a u e r und A r b e i t s k r a f t wird u. a. als Resultat aller dieser Arbeiten durch die Statistik erwiesen. Auch die Berufsgenossenschaften tragen durch ihre Bestrebungen, die Arbeitsfähigkeit Verletzter durch alle Mittel medizinischen Wissens und Könnens baldigst wieder herzustellen, viel zur Erreichung der grossen Ziele bei. Die meisten von ihnen haben auch die grossen sozialen Aufgaben nicht nur von dem Gesichtspunkte der erwachsenden Kosten betrachtet, wenn auch dieser gewiss volle Berücksichtigung verdient. Entsprechend dem Ausspruch des früheren Präsidenten des Reichsversicherungsamts Bödiker: „Unfälle v e r h ü t e n ist b e s s e r , als U n f ä l l e ents c h ä d i g e n " , haben sie teilweise in hervorragender Weise durch Vorschriften und Belehrungen zu wirken gesucht.
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Dass a u c h der m e d i z i n i s c h e n W i s s e n s c h a f t durch die h ä u f i g e r e und längere B e o b a c h t u n g verschiedener E r k r a n k u n g e n , insbesondere der nach U n f ä l l e n entstehenden, der zur I n v a l i d i t ä t f ü h r e n d e n , in bezug auf K r a n k h e i t s ä t i o l o g i e und - V e r l a u f reiche E r f a h r u n g e n zufliessen müssten, sei nur kurz e r w ä h n t . A u c h die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g hat dem deutschen Volke grossen Nutzen g e b r a c h t . Den T r ä g e r n der Krankenversicherung k a n n man aber im allgemeinen nicht nachrühmen, dass ihnen die sozialen A u f g a b e n völlig zum Bewusstsein gekommen sind. Gegenüber den Ärzten, auf welchen die a u s f ü h r e n d e T ä t i g k e i t der K r a n k e n v e r s i c h e r u n g zum grossen Teile lastete, haben sie viele J a h r e hindurch nur den Gesichtspunkt des Händlers gekannt, der ohne Rücksicht auf die grossen sozialen A u f g a b e n möglichst billige ärztliche Hilfe zu e r k a u f e n suchte. Ich brauche auf die grossen Streitigkeiten nicht einzugehen. Ich bin auch weit davon entfernt, nur auf Seiten der K r a n k e n v e r s i c h e r u n g Schuldige zu sehen. Auch unter den Ärzten fehlt es nicht an einzelnen Sündern. D a s s die möglichst b i l l i g e ärztliche Hilfe w e d e r dem Interesse der Kassenmitglieder noch demjenigen der Allgemeinheit entspricht, sei hier nur kurz begründet. Mit grosser Befriedigung können die deutschen Ärzte auf die grossen E r f o l g e der S e u c h e n b e k ä m p f u n g und V e r h ü t u n g blicken, mit gleicher Befriedig u n g auf die erfolgreiche B e k ä m p f u n g der G e w e r b e k r a n k h e i t e n , von welcher weniger in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Um ein Beispiel a n z u f ü h r e n , sei nur e r w ä h n t , dass Q u e c k s i l b e r v e r g i f t u n g e n in gewerblichen B e t r i e b e n infolge Zusammenarbeiten der Ärzte, T e c k n i k e r und Behörden zu den S e l t e n h e i t e n gehören, w ä h r e n d Prof. Kussmaul im J a h r e 1861 aus einem kurzen Zeiträume n a h e z u einhundert Beobachtungen zusammenstellen konnte. Auch viele a n d e r e technische Betriebe zeigen einen b e a c h t e n s w e r t e n R ü c k g a n g der G e w e r b e k r a n k h e i t e n . Aber es fehlt auch heute in keiner Weise an wichtigen hygienischen A u f g a b e n auf diesen und anderen Gebieten. D a s d e u t s c h e Volk u n d s e i n e n N a c h w u c h s a u c h bei den veränderten Erwerbsund Lebensverhältnissen k ö r p e r l i c h u n d g e i s t i g g e s u n d u n d l e i s t u n g s f ä h i g zu e r h a l t e n , ist die A u f g a b e der nächsten Zeit. In dieser Hinsicht fallen allen Ä r z t e n wichtige hygienische A u f g a b e n zu, welche auch
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die Vorstände und Ärzte der Krankenkassen, wie M u g d a n betont, nicht unberücksichtigt lassen können. Nicht allein die B e k ä m p f u n g der ansteckenden Krankheiten kommt in Betracht, auch die Belehrung über g e s u n d h e i t s g e m ä s s e E r n ä h r u n g der E r w a c h s e n e n und der K i n d e r , über F r a u e n - und S.äugl i n g s s c h u t z , über die Gefahren und Schädigungen durch Alkohol und audere G i f t e der Nahrungs- und Genussmittel, über A r b e i t und E r h o l u n g . Die deutschen Ärzte sollen deshalb auf der Universität eine so weitgehende A u s b i l d u n g in den N a t u r w i s s e n s c h a f t e n und H y g i e n e erfahren, weil sie an erster Stelle die Fortschritte der Gesundheitspflege allen Klassen der Bevölkerung zugängig zu machen vermögen. Wenn aber der K a m p f um die ä u s s e r e Stellung und das t ä g l i c h e B r o t die Kräfte für die wirtschaftlichen Interessen in so hohem Masse in Anspruch nimmt, wie das heute der Fall ist, müssen idealere Aufgaben Not leiden. Der Schaden trifft aber n i c h t a l l e i n die K r a n k e n k a s s e n p a t i e n t e n , er trifft auch die A l l gemeinheit. Es ist hohe Zeit, dass diese Missstände in den Beziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten ihr Ende erreichen. Die Reichsversicherungsordnung wird vermutlich nicht sofort einen friedlichen Ausgleich bringen. Die Ausdehnung der Krankenversicherung auf weitere Kreise mit höheren Einnahmen wird die Ärzte in vielen Fällen veranlassen, die seitherigen Verträge als eo ipso aufgelöst zu betrachten. Dieselben sind unter anderen gesetzlichen Voraussetzungen geschlossen und können demgemäss nach dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Vermutlich wird der Leipziger Verband den Ärzten Normalverträge vorlegen, welche sowohl den ärztlichen Anforderungen für ihre Tätigkeit entsprechen, als auch den Kassen gerecht werden. Ob sich das System der freien Arztwahl unter allen Umständen durchführen lässt, ist mir zweifelhaft. Aber wenn die Kassenvorstände in gemeinschaftlicher Beratung mit den Ärzten des Bezirks ihre wichtigen gegenseitigen und allgemeinen Interessen besprechen, wird der Weg zu einem f r i e d l i c h e n Z u s a m m e n a r b e i t e n sich auf die Dauer gewiss finden. Ist das erreicht, dann werden auch die gemeinsamen Aufgaben der Krankenkassen und der Ärzte in Bezug auf die Gesundheitspflege der Versicherten zu ihrem Rechte kommen. Das
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Halten von V o r t r ä g e n , die Verteilung b e l e h r e n d e r F l u g b l ä t t e r und D r u c k s a c h e n , ev. die E i n r i c h t u n g h y g i e n i s c h e r B e r a t u n g s s t e l l e n werden erwägenswert sein, um eine verständige Gesundheitspflege auch der Kassenmitglieder und damit von mehr als einem Drittel des deutschen Volkes zu erzielen. Die Reichsversicherungsordnung hat diesen Aufgaben dadurch Rechnung getragen, dass sie die Verwendung von Kassenmitteln auch für allgemeine Zwecke der Krankheitsverhütung gestattet. In diesen Punkten berühren sich auch die I n t e r e s s e n und Aufg a b e n der I n v a l i d e n v e r s i c h e r u n g mit denjenigen der Krankenkassen. Den Versicherungsämtern dürfte in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Ausführung der gemeinsamen Aufgaben zufallen.
Literatur. Ein Teil der Literatur ist schon in meinen Vorlesungen soziale Medizin erwähnt. Ausserdem vergleiche:
über
C a r l W i e b e l , T a r i f v e r t r a g des Leipziger Verbandes. Ärztl. Mitteil. 1911, Nr. 37, 39, 40, 41. P u p p e , Die Bestrebungen der deutschen Ärzte. Wiesbaden 1911. M ü l l e r , Untersuchungen zur freien Arztwahl. Berlin 1912. Allg. med. Verlagsanstalt. M u g d a n , Einführung in die Reichsversicherungsordnung. Berlin 1912. Allg. med. Verlagsanstali. J a h r e s b e r i c h t e der Krankenkassen-Kommission der Ärzte Düsseldorfs. S e e l m a n n , Die ärztliche Begutachtung. Leipzig 1911. T h i e m , Unfallerkrankungen, II. Auflage. Stuttgart 1909. L e w i n , Obergutachten. Leipzig 1912. P l a c z e k , Mediz. Klinik 1911. M e n d e l , Rentensucht. Ärztl. Sachverständ.-Ztg. 1908. W i n d s c h e i d , Monatsschr. f. Unf. u. I . W . 1909, Nr. 42. K n e p p e r , Ärztl. Sachverständ.-Ztg. 1911, Nr. 17 u. D. Med. Woch. 1911 Nr. 42. F r a n c k , Med. Klinik 1910, Beiheft 10. J e l l i n e k j Elektropathologie, Berlin u. Wien 1909. Leitfaden betreffend das Invalidenversicherungsgesetz, herausgeg. vom Vorstand der Landesversicherungsanstalt der Rheinprovinz. Düsseldorf 1908. Amtliche Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz 1908, 1909, 1910, 1911. D ü t t m a n n , A p p e l i u s u. a., Kommentar zur Reichsversicherungsordnung. Altenburg, Stephan Geibel. 1912. L e h m a n n , Archiv für Hygiene, Bd. 75, Heft 1 u. 2. Monatsblätter f. Arbeiterversicherung, 1908—1912. Herausgeg. von Mitgliedern des Reichsversicherungsamts. L o e n i n g , Tuberkulose u. Fürsorge. Centralbl. f. allg. Gesundheitspflege, 1910, 29. J a h r g a n g . Das Reichsversicherungsamt und die deutsche Arbeiterversicherung. Berlin 1910.
110
Literatur.
M u g d a n , Verein f. öff. Gesundheitspflege. Bremen 1907. B i e l e f e l d s Sozial. Med. u. Hyg., Bd II, Nr. 7. G r o t j a h n , Ges. f. soz. Med. Berlin. 11. April 1907. R u s s m u n t , Untersuchungen über Mercurialismus. W ü r z b u r g 1861. G r a f , Das ärztliche Vereinswesen in Deutschland. Leipzig 1890. Statistik der Heilbehandlung, 1905-1910, Amtl. Nahr. d. R.V.A.
Register. A. Ablehnung' 104. Abnormitäten 22. Älteres Leiden 54. Ärzte 21. 22. 23. 50. 67. 74. Ärztevereinsbund 27. Ärztliche Behandlung' 8. 47. Aktinomykose 56. Aleuronatbrot 25. Altersgrenze 11. Altersrente 82. Amtsgerichte 51. Ansteckende Krankheit 19. 51. Anwartschaft 81. 82. 83. Apotheken 21. 24. 39. Arbeiterkolonien 11. 52. Arbeitgeber 5. 15. 79. 80. Arteriosklerose 72. 89. Arznei 12. 23. 47. Arzneitaxe 24. Augenverletzung 63. Ausbildung 87. Ausführungsbehörden 46. Ausländer 48. 49. 50. 73. 78. 84. 86. Ausschuss der Krankenkasse 15.
B. Bader 9. Bäder 24. Bauarbeiten 43. Baukrankenkassen 12. Beamte 43. Beitragswochen 82. 92. Benzol 59. Beriberi 57. Beruf 87. Berufsgenossenschaften 43. 67. Berufsinvalidität 90. Berufskrankheiten 28. 54. 56. 57. Besserung- 48. Betriebsbeamten 40. 42.
Betriebskrankenkassen 12. 13. 15. Betriebsunfall 54. Betriebsunternehmer 42. Binnenlotsen 43. Blitzschlag' 57. Blutarmut 95. 99. Blutungen 56. 88. Bronchitis 89. Brüche 24. Bundesstaat 44.
Centrainervensystem 56. Chauffeure 46. Chirurgische Eingriffe 61. Cholera 57. D. Dampfkessel 46. Dementia paralytica 55. Diabetes 58. Dienstboten 13. Dienstvertrag 1. Difformitäten 22. Dringende Fälle 2. 22. 37.
E. Einigungskommission 28. Einzelleistungen 33. Eisenbahn 44. Emphysem 89. Entartungsreaktion 61. Erfrieren 58. E r n ä h r u n g 89. 107. Ersatzkassen 5. Erste Hilfe 38. Erwerbsfähigkeit 68. Erwerbslosigkeit 21 Erwerbsmöglichkeiten 68. Erwerbsunfähigkeit 23. 25. 26. 66.67.
Kegister.
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F. Fabriken 42. Facharbeiter 90. Fahrlässigkeit 3. 34. Farailienhilfe 17. Feststellung 48. Feststellung, neue 70. Finger 66. Frauen- und Säuglingsschutz 107. Freie Ärztewahl 28. 30. 35. Friedhof 13. Fürsorgestellen 96. Ct Gartenpflege 13. Gasvergiftung 59. Gebührenordnung f ü r Ärzte 2. Geburten 33. Gefahrenbereich des Betriebs 60. Gehirnkrankheiten 55. 92. Geisteszustand 54. Gelbfieber 57. Gelenkleiden 99. Gemeindekrankenversicherung 12. Gemeindeverband 44. Genesungsheime 95. 98. Genussmittel 24. Gesamteinkommen 15. Geschäftsfähigkeit 1. Geschäftsführung ohne Auftrag2.39. Geschlechtskrankheiten 95. Gesundheitszeugnis 11. Gewerbekrankheiten 106. Gewöhnung 72. Gicht 95. Gipsverband 61. G r u n d b e t r a g 83. Gummistrümpfe 24. Gutachten 3. 53. 103. H. Haematogen 25. Häusliche Dienste 42. 60. Haftpflichtgesetz 40. Handbeschwielung 71. Handverkaufsmittel 39. Hauptbetrieb 43. Hausgewerbetreibende 13. 42. Hebammen 9. 25. Heeresverwaltung 44. Heilanstalt 49. 51. Heildiener 9. 25. Heilgehülfen 9. Heilmittel 22. 47. Heilverfahren 63. 86. 88. 93. 94. 102.
Herzleiden 57. 58. 70. 89. 95. Hilflosigkeit 47. 67. Hilfskassen 12. 14. Hinterbliebenenfürsorge 83. Hitzschlag 58. Hvgiama 25. Hygiene 94. 107. 108. Hysterie 62. 65. 99.
J. Jahresarbeitsverdienst 10. 47. 80. 81. Inhalationsapparate 24. Innere E r k r a n k u n g e n 70. Innungskrankenkassen 12. 13. Invalidenhaus 52. Invalidenrente 82. 86. 94. 102. Invalidität 85. 91. Irrigatoren 24. Jugendliche 48.
K. Kapitalabfindung 48. 73. Kassenarzt 32. Kassenarztstellen 27. Kassemnitglieder 26. 33. Kassenpatient 48. Kassenverbände 16. Kassenvertrag 31. Kinder 42. Kinderlähmung 56. Knappschaftskrankenkassen 12. 14. Knappschaftsschiedsgericht 75. Kniegelenkentzündung 55. Knochenbrüche 63. Körperverletzung 53. 54. Konsulat 50. Kontrolle 30. 34. Krampfadern 24. Krankengeld 18. 25. 50. Krankenhaus 19. 21. 25. 62. Krankenhausarzt 64. Krankenkassen 80. Krankenkost 24. Krankenpflege 18. 19. 26. 30. 97. Krankenrente 101. Krankenschwester 19. 26. Krankenversicherung 106. Krankenwärter 9. Krankheitsbescheinigung 22. 80. Krankheitsverhütung 16. Kurpfuscher 9. 61. Kutscher 45. L. L ä h m u n g e n 61. Landesversicherungsamt 5. 8.
Register. Landkrankenkasse 12. 15. Landwirtschaft 10. 13. 20. Lebensgefahr 1. Lebensmittel 24. Lebensstellung 84. 87. Leibbinden 24. Leipziger Verband 27. L e p r a 88. Lohnarbeit 91. Lungenkrankheiten 58. 59. 70. 97.98. Lupus 95. Lysolvergiftung 59.
BS. Magendarmleiden 58. 70. Marineverwaltung 44. Marken 80. Masseure 9. 25. Mehrkosten 36. Milch 24. Militärdienst 80. Milzbrand 56. Minderjährige 51. Minimaltaxe 29. 36. Muskelatrophie 61.
Nachtbesuche 33. Nachuntersuchung 34. Narkose 64. Nasenduschen 24. Nebenbetriebe 43. Neurasthenie 62. 70. 99. Neurose, traumatische 60. 62. Niederkunft 80. Nierenleiden 89. Nitroanilin 59. Nitrose Gase 59. O. Obduktion 52. Oberversicherungsamt 5. 6. 32. 39. 75. 104. Offiziere 43. Operationen 26. 64. 65. 93. Orthopädische Schuhe 24. Ortskrankenkassen 12. 15. Ortslohn 81. P. Parkpflege 13. Phosphoroxydchlorid 59. Post 44. Psyche 61.
113 Q
Quecksilbervergiftung 106. R.
Rechnungen ärztliche 35. Reich das 44. Reichsgericht 29. Reichsversicherungsamtö. 8. 40.104. ReichszuseJiuss 82. 85. Reittiere und Fahrzeuge 4H. Remscheid 29. Renten 48. 72. 74. 81. 101. Rentenentziehung 100. 101. Rentenerhöhung 71. Rentenfeststellung 71. 72. Rentenkürzung 71. Reutensucht 60, Rheumatismus 95. Rippenfall 58. Rotz 56. Ruhm der Rente 48. 86.
S. Sachverständige 50. 51. Schadenersatz 64. Schiedsgerichte 28. Schiffahrtsbetriebe. 44. Schiffer 77. Schreckneurosen 59. Schweflige Säure, Schwefelwasserstoff 59. Seeberufsgenossenschaft 45. Seeunfallversicherung 43. 46. Sektionen 45. Selbstversicherung 77. 81. Seuchenbekämpfung 106. Skorbut 57. Sonderanstalten 5. 79. Sonn- und Feiertage 17. Spezialarzt 25. 28. 35. 38. 88. Sprechstunde 25. Spruchausschuss 6. Spruchkammer 7. Staat 79. Staatsbetriebe 44. Sterbegeld 20. Stützgerüste 24. Syringomyelie 55.
T. Tabes dorsalis 55. Tageserholungsetätten 98. Tarifvertrag 36. Techniker 42. 7*
Register.
114 T e i l r e n t e 47. 67. T e l e g r a p h e n v e r w a l t u n g 44. T o d 47. 52. 53. Trinkerfürsorgestelle 8. T r i p p e r 55. T r u n k e n h e i t 60. T r u n k s ü c h t i g e 8. 95. T u b e r k u l o s e 89. 95. U.
Überschreitung der Leistung 54. Überwiesene K r a n k e 34. Unfälle 46. Unfallanzeige 49 52. Unfalluntersuchung 50. Unfallverhütung 44. Unglücksfälle 3. Unständig beschäftigte 16. 20. Unterhalt, freier 77. Unterleibsbrüche, 55. Unternehmer 40. 43. 50. Unterstützungsanspruch 26.
V. Verbrennung 63. Vereinbarung freie 36. V e r k a l k u n g 56. Verkrüppeluug 22. Verpflichtungen, gesetzliche 99. Verrenkung 63. Verschlimmerung 48. 58. 71. Versicherte 15. 79. 81. Versicherungsamt 5. 6. 50. 61. 71. 74. 75. 87. Versicherungsanstalten 79. 83. Versicherungsberechtigung 10. 11. 36. Versicherungsfrei 78. Versicherungspflicht 81. Versicherungspflichtige 36. 68. 100. Versicherungsverhältnis 21. Vertrag 21. 30. Vertragskommission 23. 33.
Vertragsverhältnis 104. Vertrauensarzt 100. V e r t r a u e n s m ä n n e r 45. Volksbäder 98. Volksheilstätten 98. Vollrente 47. Vorentscheidung 6. Vorstand der K r a n k e n k a s s e 15. Vorstationen 99. W Wahrscheinlichkeit 53. Waisenaussteuer 82. 83. 84. Waisenrente 84. 86. Walderholungsstätlen 95. W a n d e r g e w e r b e 10. 13. 17. Wartezeit 82. 83. W a r z e n 24. Wein 24. Weiterversicherung 81. W e r k m e i s t e r 42. Werkvertrag- 1. Wesentliche Ä n d e r u n g 70. 8i>. Wiederherstellung 94, W i e d e r v e r h e i r a t u n g 47. Wirbelsäule 63. Witwengeld 82. 83. Witwenrente 84. 86. 94. Witwerrente 86. 94. W o c h e n b e i t r a g 80. Wochenhilfe 20. W u r m k r a n k h e i t 57.
Z. Zahnärzte 21. Zahnersatzteile 24. Zahntechniker 25. Zellgewebsentzündung 55 Zeugen 51. Zusatzmarken 81. Zuschusshonorar 102. Zwangsversicherung 9. 40. Zweiganstalten 46.
Carl Georgi, Universitata-Bnchdruckerei in Bonn.