arm und reich [1. Aufl.] 9783839400920

Das in dieser Studie praktizierte Vorgehen unterscheidet sich vom vorherrschenden philosophischen Diskurs. Dort wird so

191 95 544KB

German Pages 52 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Einführung
Armut als öffentliche Erscheinung
Reichtum als öffentliches Geheimnis
Wesen und Zusammenhang von arm und reich
Gespaltene, verbundene Moral
Regsame Selbsterblindung
Nur der Teufel hat keine Zeit oder: der humanisierte Reichtum
Weiterführende Literatur
Recommend Papers

arm und reich [1. Aufl.]
 9783839400920

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Werner Rügemer | arm und reich

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

1

) T00_01 schmutztitel.p 18334704676

Bibliothek dialektischer Grundbegriffe Bisher erschienene Bände Christoph Hubig | Mittel Renate Wahsner | Naturwissenschaft Werner Rügemer | arm und reich Michael Weingarten | Leben (bio-ethisch) Jörg Zimmer | Metapher Hans Heinz Holz | Widerspiegelung Volker Schürmann | Muße

In Vorbereitung Angelica Nuzzo | System Michael Weingarten | Wahrnehmen Thomas Metscher | Mimesis Jörg Zimmer | Reflexion Hermann Klenner | Recht Michael Weingarten | Sterben (bio-ethisch) Michael Weingarten | Tod (bio-ethisch) Gerhard Pasternack | Dekonstruktion Andreas Hüllinghorst | Interpretieren

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

2

) T00_02 Liste der Bände.p 18334704708

Edition panta rei | πÜντα ½ει~

Bibliothek dialektischer Grundbegriffe herausgegeben von Andreas Hüllinghorst Band 3 | Werner Rügemer | arm und reich

2., überarbeitete Auflage

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

3

) T00_03 innentitel.p 18334704756

Die Bibliothek dialektischer Grundbegriffe ist eine Einführungsreihe in verschiedene Ansätze dialektischen Philosophierens. Weitere Informationen zur Reihe insgesamt als auch zu Autoren und einzelnen Bänden erhalten Sie auf der Internetseite www. transcript-verlag.de/prg_bdg_edi.htm. Dort haben Sie auch die Möglichkeit, Fragen, die Ihnen bei der Lektüre kommen, an den Herausgeber bzw. an den jeweiligen Autor zu stellen. Die Bibliothek dialektischer Grundbegriffe kann auch abonniert werden. Bitte wenden Sie sich an Ihre Buchhandlung oder direkt an den Verlag. Jeder Band kostet dann nur noch 5,50 € (plus Porto).

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2003 transcript Verlag, Bielefeld 1. Auflage 2002 Satz: digitron GmbH, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-933127-92-0

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

4

) T00_04 impressum.p 18334704764

Inhalt

6 | Einführung 8 | Armut als öffentliche Erscheinung 16 | Reichtum als öffentliches Geheimnis 22 | Wesen und Zusammenhang von arm und reich 32 | Gespaltene, verbundene Moral 39 | Regsame Selbsterblindung 42 | Nur der Teufel hat keine Zeit oder: der humanisierte Reichtum 49 | Weiterführende Literatur

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

5

) T00_05 inhalt.p 18334704796

»Hier in Frankreich herrscht gegenwärtig die größte Ruhe. Ein abgematteter, schläfriger, gähnender Friede. Es ist alles still, wie in einer verschneiten Winternacht. Nur ein leiser, monotoner Tropfenfall. Das sind die Zinsen, die fortlaufend hinabträufeln auf die Kapitalien, welche beständig anschwellen, man hört sie ordentlich wachsen, die Reichtümer der Reichen. Dazwischen das leise Schluchzen der Armut. Manchmal auch klirrt etwas, wie ein Messer, das gewetzt wird.« Heinrich Heine1

Bei dauerhafter Arbeitslosigkeit wird Armut Thema

Reichtum wird ausgeblendet

Einführung | Gegenwärtig verstärkt sich (wieder einmal) die Wahrnehmung, dass der Gegensatz oder Unterschied zwischen arm und reich noch nie so groß gewesen sei wie heute und weiter wachse. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – sind die genauen Ausmaße und Ursachen von Armut und Reichtum mit Tabus belegt. Insbesondere trifft dies auch für den Zusammenhang von Armut und Reichtum zu. Wenn es in der Gesellschaft ein bisschen brenzlig wird, wenn etwa Massenarbeitslosigkeit herrscht, dann nimmt die Befassung mit einem Teil des Problems zu – mit der Armut. Dann entdeckt man etwa die ›soziale Frage‹. Sie ist eigenartigerweise nur auf die Armut und die Armen gerichtet, auf die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosen, auf die Verelendung und auf die Verelendeten. Ebenso wird dann die Frage gestellt, wie man das ›Schicksal‹ dieser Armen, Arbeitslosen und Verelendeten verbessern könne; etwa durch ›Reformen‹ der sozialen Sicherungssysteme. Schließlich wird dann, wenn das Problem nicht verschwindet, wie neuerdings, die Kürzung sozialer Leistungen gefordert, und die Armen werden unter Druck gesetzt, niedrigere Entlohnungen und unsichere Arbeits- und Gesundheitsverhältnisse anzunehmen anstatt auf staatliche Leistungen zu ›warten‹. Dagegen bleibt die Gegenseite, der Reichtum, weitgehend außer Betracht. Selbst wenn extreme Formen der Selbstbereicherung in den Topetagen der Unternehmen und Banken einmal bekannt werden, führt dies bestenfalls zu kurzfristigen Skandali1 | Heinrich Heine, Korrespondentenbericht aus Paris 1842, Lutetia, in: Sämtliche Schriften, München 1997, Bd. 5, S. 425

6

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

sierungen, nicht jedoch zu systematischer Aufklärung oder gar Veränderung. Auch Wissenschaft und Philosophie – insbesondere soweit sie Teil des Universitäts- und Bildungsbetriebes sind – halten sich in Deutschland vornehm zurück, wenn es um Armut und Reichtum geht. Das war und ist im Zusammenhang demokratischer Oppositionsbewegungen – in Deutschland etwa nach dem Zusammenbruch des wilhelminischen Kaiserreichs um 1918 und mit der Studentenbewegung nach 1968 – kurzzeitig und partiell anders, aber danach kehrt mit der Modernisierung der alten Eigentumsverhältnisse bald die Normalität der Nichtbefassung und Tabuisierung ein. ›Arm‹ und ›reich‹ sind keine selbstverständlichen philosophischen Gegenstände. Als Begriffe sind sie alltäglich, aber unscharf, offen für verschiedenste Assoziationen. Dennoch gehört die Frage nach arm und reich zum Grundbestand menschlicher Kultur und Selbstverständigung, ja des menschlichen Überlebens. Seit den frühesten entwickelten Weltbildern, etwa den Märchen, Märchenzyklen und nationalen Epen, wird diese Menschheitsfrage gestellt, in den vielfältigsten Formen. Sie war und ist Gegenstand ernsthafter Philosophie wie auch der Großreligionen, selbst wenn sie aus Gründen, die zu erörtern sind, dabei ihrer Substanz beraubt, pervertiert oder (scheinbar) zum Verschwinden gebracht wird. Das in der vorliegenden Studie praktizierte Vorgehen unter- Philosophie scheidet sich vom vorherrschenden Diskurs, wie er in philosophi- und Empirie schen, theologischen, politischen und unternehmerischen Milieus geführt wird. Dort wird so manches Allgemeine und Grundsätzliche und Gutmeinende zum Thema gesagt, es werden ›neue‹ Verhaltenskodexe und ethische Selbstverpflichtungen diskutiert. Doch die empirische Analyse über Umfang, Entstehung und Wirkungen von Armut und Reichtum und über ihren Zusammenhang wird vernachlässigt. Schon die Suggestion oder stillschweigende Voraussetzung, alle wüssten doch in der Sache Bescheid, und sie liege für jedermann und jedefrau offen zu Tage, geht an der Erkenntnisproblematik geradewegs vorbei: Armut und Reichtum sind der Erkenntnis zunächst weitgehend entzogen, ›liegen‹ trotz allem Anschein gerade nicht ›auf der Straße‹. Deshalb wird hier anders vorgegangen: Zunächst soll die Sache selbst erörtert werden, sollen die Fakten ausgebreitet und die Methoden der Faktenermittlung bewertet werden, be7

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

vor die philosophische Vertiefung beginnt. Nach der Überzeugung des Autors ist eine Philosophie und jede andere geistige Beschäftigung nichts wert, die ohne empirische Grundlage arbeitet und allzu schnell sich in ›hehren‹ Grundsätzen verliert, die im Nebulösen gründen. Zugleich ist der Autor überzeugt, dass es keine Aufeinanderfolge von Empirie und philosophischer Vertiefung gibt, sondern dass sich die philosophische Klarheit und Wahrheit bereits in der Empirie beweist. arm und reich als Wer die Frage nach arm und reich empirisch wie theoretisch Grundbegriffe nicht stellt und nicht beantworten will, kann auch nichts Wesentliches zu Zeit und Ewigkeit, zu Individuum und Gemeinschaft, zu Erkenntnis und Wahrheit, zu Krieg und Frieden, zu Kunst und Kultur sagen. Seit dem Entstehen von Armut und Reichtum als Dauerproblem menschlichen Zusammenlebens vor einigen tausend Jahren ist die Frage nach arm und reich zur Menschheitsfrage geworden, zur Frage an jedes Individuum, an jede geistige Erkenntnis- und soziale Gemeinschaftsform wie an die Menschheit selbst. Dies ist heute umso mehr der Fall, als Armut und Reichtum aus Erscheinungen in einzelnen Staaten, Regionen und Epochen zu einem globalen Zusammenhang geworden sind, der menschliche Enthemmung fördert und Vernichtungen gebiert. Armut als öffentliche Erscheinung | Die Armut und die Armen sind sehr viel mehr als der Reichtum und die Reichen eine öffentlich wahrgenommene und erörterte Erscheinung. Das ist in einem reichen Industrieland wie Deutschland so, und das ist weltweit so. Seit der ›neuen sozialen Frage‹, die im Gefolge der dauerhaft gewordenen Massenarbeitslosigkeit Ende der 1970er Jahre von der CDU ausgerufen wurde, wird in Deutschland die Armut intensiv erörtert. Von Gewerkschaften, Sozialorganisationen und einer »Nationalen Armutskonferenz« wurden Armutsberichte veröffentlicht. Dies geschieht zunehmend auch im regionalen Bezug, etwa für einzelne Städte wie Köln und Düsseldorf. Ebenso hat sich die wissenschaftliche Forschung mit dem Problem seitdem immer wieder befasst: etwa mit der Armut von Kindern im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit der Eltern, mit der besonderen Armut von Frauen sowie mit dem Ausmaß und der Struktur der Armut allgemein. Die öffentliche Wahrnehmung und Erörterung allerdings be8

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

deutet nicht, dass die Armut vollständig und wahrheitsgemäß erfasst wird. Selbst ausführliche Empirie und sozialwissenschaftlich geschärfte Methodik können den Blick für die tatsächlichen Erscheinungsformen, Ursachen der Armut und den Zusammenhang mit dem Reichtum verstellen. Dies gilt auch für die im Jahre 2001 erstmalig von einer deutschen Regierung erarbeitete Darstellung.2 Der Bericht behandelt den Zeitraum vom Beginn der Massenarbeitslosigkeit 1973 bis ein Jahr nach dem Regierungsantritt der Koalition von sozialdemokratischer und grüner Partei, also bis 1999. Die zentrale Feststellung lautet, »dass soziale Ausgrenzung zugenommen und Verteilungsgerechtigkeit abgenommen hat«. Armut wird nach sozialwissenschaftlicher Übereinkunft dann angenommen, wenn einem privaten Haushalt weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens zur Verfügung steht. Als wichtigstes Erkennungsmerkmal für Armut wird die Zahlung staatlicher Sozialhilfe angesehen. Ihr Umfang ist daher wesentlich mit dem Umfang der Armut und der von ihr betroffenen Personen identisch. »Ende 1998 erhielten 2,88 Millionen Personen in 1,5 Millionen Haushalten Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe). Dies entsprach einem Anteil von 3,5 Prozent der Bevölkerung; in den alten Bundesländern betrug der Anteil 3,7 Prozent, in den neuen Bundesländern 2,7 Prozent. Unter den Empfängern von Sozialhilfe waren Kinder unter 18 Jahren mit rund 1,1 Millionen die größte Gruppe. Das mit Abstand höchste Sozialhilferisiko hatten mit 28 Prozent Haushalte allein erziehender Frauen.« Als weiteres Armutsmerkmal gilt die Ver- und Überschuldung privater Haushalte: »Überschuldung ist ein Ausdruck von Armut.« Dabei hat die Überschuldung im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. »Die Anzahl der Überschuldungsfälle 1999 wurde auf rund 2,8 Millionen geschätzt, das waren 7 Prozent der bundesdeutschen Haushalte. Die starke Zunahme – seit 1994 um rund 30 Prozent – war vor allem auf die Entwicklung in den neuen Bundesländern zurückzuführen.« Der Einstieg in die Über-

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

2 | Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Berlin 2001; vgl. dazu Werner Rügemer, Heile Welten. Der Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 7(2001), S. 863 ff.

9

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

schuldung, also in einen Zustand der mit den vorhandenen und absehbaren Ressourcen der Betroffenen nicht mehr rückholbaren Verschuldung, beginnt nach dem Bericht altersmäßig immer früher, so hatten 20 Prozent der Jugendlichen im Westen und 14 Prozent der Jugendlichen im Osten bereits Schulden. IndividualisieDie Bundesregierung erhebt den Anspruch, ein möglichst rung von Armut umfassendes Bild der Armut zu geben. Sie verfährt deshalb nach dem ›Lebenslageansatz‹ und möchte monokausale Erklärungen vermeiden. Als Ursachen der Armut werden deshalb neben Arbeitslosigkeit Bildungsstatus und Familiensituation angegeben. Mangelhafte Bildung, etwa der Abschluss lediglich der Hauptschule oder gar das Verlassen der Hauptschule ohne Abschluss, werden für Arbeitslosigkeit und daraus folgende Armut verantwortlich gemacht. So wird mit hohem wissenschaftlichen Aufwand und mit scheinbarer empirischer Präzision – etwa durch acht Berechnungsvarianten der ›relativen Armut‹ – nahe gelegt, dass die Armut das Ergebnis individueller ›Defizite‹ sei und sich deshalb auch nur individuell überwinden lasse. Es heißt beispielsweise zur Überschuldung: »Im Mittelpunkt einer wirksamen Strategie der Vermeidung und Bekämpfung von Überschuldung steht die Schuldnerberatung, Schuldenbereinigung und Entschuldung ohne gerichtliches Verfahren.« So sinnvoll und notwendig solche Maßnahmen in jedem einzelnen Fall sein können, so wenig können sie ausreichen. Hier fehlt etwa die notwendige Verbesserung der Stellung der Kreditnehmer. Notwendig wären Maßnahmen gegen unseriöse und betrügerische Kreditvergabe (Mithaftung, Schuldenerlass, Schadenersatz). Vor allem aber beschränken sich die Vorschläge der Regierung darauf, die bereits eingetretene Überschuldung irgendwie zu bereinigen. Wie ihr bereits vor ihrem Eintritt zu begegnen sei, dazu sagt die Regierung nichts. Sie behauptet weiter, dass erhöhtes Kindergeld eine wirksame Maßnahme gegen Familienarmut sei. Bei diesem hochgradig populistischen Vorschlag werden tatsächliche Ursachen der Familienarmut ausgeblendet, nämlich die immer mangelhafteren staatlichen Leistungen. Ausreichende und gebührenfreie Hortund Kindergartenplätze, geeignete Arbeitszeiten für Alleinerziehende wären ein wirksameres, zweckgebundenes Mittel zur Armutsbekämpfung. Ähnlich bleibt beim mangelhaften Bildungsstatus ungeklärt, woher er kommt, der als allgemeine Bedingung für viele Millio10

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

nen Kinder und Jugendliche in gleicher Weise zutrifft. Die soziale Abschottung der oberen Bildungsabschlüsse, die hohe soziale Selektivität des hierarchisch gegliederten Schulsystems in Deutschland bleiben unerwähnt, obwohl sie seit langem in der Forschung bekannt sind. Ebenso erwähnt die Regierung nicht den chronischen Lehrermangel und Unterrichtsausfall, die zur ständigen Nichterfüllung des Lehrplans führen. Besonders brisant ist die Nichtberücksichtigung folgender Tatsachen: Die Verteuerung des Unterrichtsmaterials durch steigende Eigenbeteiligung der Schüler bzw. der Eltern und die Schadhaftigkeit vieler Schulgebäude und Unterrichtsräume vor allem in Haupt-, Real- und Berufsschulen – hier bilden Schadstoffausdünstungen, Schimmelpilz sowie nicht reparierte Fenster, Heizungen und Wasserhähne den Alltag. Diese personellen und materiellen Mangelzustände, die man traditionellerweise eher in Entwicklungsländern als in einem der reichsten Länder der Erde vermuten würde, wären erörterungs- und veränderungsbedürftig, wenn der Bildungsstatus erfasst werden soll. Verwahrloste Schulgebäude sind heimliche und effektive Miterzieher.3 Selbst wenn man von der fehlenden Ursachenanalyse absieht, so richtet sich der wissenschaftliche Furor der Bundesregierung und ihres für den Bericht personell und finanziell üppig ausgestatteten Berichtapparats nicht einmal auf alle Fakten, die statistisch erfassbar sind. Dies trifft etwa auf die bekannte Erscheinung der ›verdeckten Armut‹ zu. Drei Millionen Menschen zusätzlich leben unterhalb des Sozialhilfeniveaus, schätzt die »Nationale Armutskonferenz«. Viele Berechtigte beantragen nämlich gar keine Sozialhilfe. Auch die Voraussetzung der Bundesregierung, dass alle erwachsenen Personen, die eine Rente erhalten, nicht arm sind, trifft nicht zu. Viele Renten, vor allem für Frauen, die in ihrem Leben nur in geringem Umfang einer bezahlten und versicherungspflichtigen Arbeit nachgegangen sind, liegen unterhalb der Armutsgrenze. Schließlich: Wenn es im Prinzip nicht falsch ist, dass Armut working poor durch Arbeit bekämpft werden kann, so ist dies heute nur be3 | Ralph Bickel/Werner Rügemer, Städtischer Haushalt Köln und baulicher Zustand der Bildungseinrichtungen. Jährliches Gutachten für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft des Stadtverbandes Köln 1996 bis 1999

11

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

grenzt gültig. Es geht um die working poor. Diese in den USA in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts (wieder) festgestellte dauerhafte Massenerscheinung bedeutet: Menschen haben Arbeit bzw. einen Arbeitsplatz, sie haben zunehmend sogar zwei oder drei Arbeitsplätze; dabei handelt es sich um Mini-Jobs. In den USA und in Großbritannien gilt bereits eine Stunde Arbeit pro Woche als Arbeitsplatz. Die working poor haben also Arbeit, aber sie sind trotz und durch Arbeit arm. Sind es zwei, drei oder vier Millionen Menschen in Deutschland, vergleichbar mit der Situation in anderen ›entwickelten Industrieländern‹, die im statistischen, arbeitsrechtlichen und medialen Dunkel des sich ausweitenden und staatlich geförderten ›Niedriglohnsektors‹, des legalen und des illegalen, arbeiten? Die Regierung könnte es wissen, wenn sie es wollte. Gleichzeitig nehmen die zeitlich befristeten und solche Arbeitsverhältnisse zu, in denen den Arbeitenden die gesetzlich vorgeschriebenen oder tariflich vereinbarten Mindestentlohnungen vorenthalten, gekürzt, verzögert oder gar nicht ausbezahlt werden. So verbietet es die Ausweitung des großen Spektrums prekärer Arbeitsverhältnisse, Arbeit als Allheilmittel gegen Armut auszugeben. Entwürdigung Viele Indikatoren und Begleitumstände von Armut bleiben im durch Armut Bericht der Bundesregierung, der sich allerdings mit vielen vergleichbaren Darstellungen überschneidet, etwa denen der beiden Großkirchen4, unerwähnt. So etwa die mangelhafte oder nicht mögliche Gesundheitsversorgung mit der Folge chronischer Krankheiten. »Weil du arm bist, musst du früher sterben« – dies ist eine alte Erkenntnis, die auch für unsere im Gesamtdurchschnitt sehr reiche Gesellschaft nicht außer Kraft gesetzt ist, vielmehr (wieder) häufiger zutrifft. Angst, Ohnmacht, Hunger, Verkürzung der geistigen und psychischen Perspektive auf das unmittelbare und notfalls kriminelle Überleben, politische Ausgrenzung, Einsamkeit, das schamhafte Sich-Verstecken und Sich-Verstellen, die prinzipienlose Übernahme asozialer Werte, also mannigfache Formen der Entwürdigung: Sie gehören zur Armut. Sie führen auch dazu, dass Arme ihren Zustand nicht selbst darstellen können, sondern von der fürsorglichen Darstellung durch andere abhängig sind. Vor einer grundlegenden Kritik dieses Armutsbildes soll es 4 | Siehe Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland/Deutsche Bischofskonferenz, Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Bonn 1997

12

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

zunächst noch um Armut im globalen Maßstab gehen. Im Bericht der Bundesregierung ist von ihr nicht die Rede, was umso widersprüchlicher erscheinen mag, als dieselbe Regierung ansonsten geläufig und lobend ihre globale Perspektive hervorhebt. Die Tatsache, dass es eine globale Armut gibt, ist eigentlich Globale Armut weithin bekannt, jedenfalls statistisch und in groben Zügen. Dennoch werden gleichzeitig die Fakten verdrängt, prallen ab wie Regen an einer Fensterscheibe: Man sieht die Regentropfen herabrinnen, aber man wird nicht nass. Wenn der Regen bzw. die Berieselung mit den Armutsfakten aufgehört hat, geht man wieder trocken spazieren und freut sich, dass der Regen und die Berieselung endlich vorbei sind, und die Sonne am wolkenfreien Himmel des allgemeinen Wohlstands wieder scheint. So ist die ständige Beobachtung und Darstellung der globalen Armut den in unserer Reichtums- und Armutsordnung dafür spezialisierten Organisationen überlassen. Es sind dies vor allem die UNO und die Weltbank, aber auch die Großkirchen. Über Armut in der Welt haben sie reichhaltiges Material zusammengetragen. Danach lebt zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Fünftel der Menschheit in ›extremer‹ oder ›absoluter‹ Armut. Diese 1,2 Milliarden Menschen von insgesamt 6 Milliarden müssen mit einem Einkommen von weniger als einem Dollar pro Tag oder 365 Dollar pro Jahr ›auskommen‹. Das bedeutet, dass sie eben nicht ›auskommen‹, sondern sie gehen nicht oder kaum zur Schule, hungern und/oder verhungern, vegetieren dahin, sind krank, sterben früh. Setzt man die Grenze bei zwei Dollar pro Tag oder 730 Dollar pro Jahr (›große Armut‹), dann lebt fast die Hälfte der Menschen (47 Prozent) in Armut.5 Armut variiert nach dieser Darstellung, die wesentlich von der Weltbank geprägt ist, stark nach Regionen. Die meisten Armen leben danach in Südasien (Indien, Pakistan, Bangladesch) und in Schwarzafrika. Die Armut breitete sich im letzten Jahrzehnt in Schwarzafrika und in Osteuropa weiter besonders stark aus, in Südasien stieg sie langsamer, in Ostasien ging sie zurück. Sozial und religiös diskriminierte Bevölkerungsgruppen können verstärkt von Armut betroffen sein, z. B. Tagelöhner, Frauen und religiöse Minderheiten. Armut bedeutet auch in den insgesamt 5 | Die Darstellung folgt der Zusammenfassung in: Welthaus Bielefeld (Hg.), Atlas der Weltverwicklungen. Ein Schaubilderbuch über Armut, Wohlstand und Zukunft in der Einen Welt, Wuppertal 2001

13

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Das pauschale 1-$-Einkommen als untaugliches Maß

armen Staaten nicht nur einen materiellen Mangel an Lebensmöglichkeiten. »Auch die soziale Einbindung, die Möglichkeit, sich in Staat und Gesellschaft Gehör zu verschaffen, sind unter den Bedingungen der Armut eingeschränkt.«6 Diese Darstellung der globalen Armut hat sich weltweit eingebürgert, ist aber höchst fragwürdig. Erstens wird hier so getan, als gebe es in den reichen Industrieländern keine Armut. Die Armut in Deutschland beispielsweise, wie sie im Bericht der Bundesregierung so minutiös beschrieben wird, bleibt in den Berichten von Weltbank und UNO völlig unberücksichtigt. Sollte dies nicht erstaunen? Denn die Regierungen aller reichen Industriestaaten führen seit Jahrzehnten genaue Armutsstatistiken. Die USA und Kanada etwa tun dies genauso wie die Mitgliedsstaaten der »Europäischen Union«. Danach beträgt der Anteil der Armen an der Bevölkerung in Deutschland 13 Prozent, in den USA 13,7 Prozent, in Kanada 17,8 Prozent, in Großbritannien 20 Prozent, in Italien 17 Prozent und in Frankreich ebenfalls 17 Prozent.7 Beim Blick auf die Armut in der Welt wird also von den bestimmenden Organisationen die Armut in den reichen Staaten ausgeblendet. Hier herrscht ein gespaltener Blick. Zweitens ist das Armutskriterium für die Entwicklungsländer, also das Pro-Kopf-Einkommen von einem bzw. zwei Dollar pro Tag, willkürlich und realitätsuntauglich. Es wird nicht gefragt, was die armen Menschen in so verschiedenen Ländern und Städten wie Bangladesch, Indien, Niger und Buenos Aires für Essen, Wohnen und soziale Dienste ausgeben müssen und wie die Lebensbedingungen in verarmten Dörfern und städtischen Slums aussehen. Gerade bei so minimalen Einkommen von ein paar hundert Dollar pro Jahr können konkrete Umstände wie Gemüsepreise und Erreichbarkeit eines Arztes schon den Unterschied zwischen Tod und Leben ausmachen. Und selbstverständlich ist es ein Hohn, wenn Menschen mit einem Tageseinkommen ab 2,01 Dollar nicht mehr als arm bezeichnet werden. Eine sichere Behausung, ausreichende Ernährung und Kleidung, Strom, sauberes Trinkwasser, Anschluss an Kanalisation und Internet, eine Kühlanlage für Lebensmittel, Busfahrten, Schulbesuch, eine regelmäßige Informationsquelle, medizinische Versorgung – sol6 | Ebd., S. 21 7 | Michel Chossudovsky, Global brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg, Frankfurt/Main 2002, S. 53

14

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

che elementaren, minimalen Voraussetzungen würdigen Lebens sind auch für 900 Dollar im Jahr wohl nirgends zu haben. Dass hier ein gespaltener Blick vorherrscht, zeigt sich daran, Bezug zum dass das Ein- und Zwei-Dollar-Kriterium für die globale Armut auf Durchschnittseiner ganz anderen Methode beruht, als sie für die reichen Staa- einkommen ten gilt. Das Kriterium gilt ohne Bezug auf den Lebensstandard des jeweiligen Landes. In Deutschland dagegen gilt eine Person als arm, wenn sie weniger als die Hälfte des erreichten Durchschnittseinkommens von Lohn- und Gehaltsempfängern zur Verfügung hat. Das sind gegenwärtig 500 Euro pro Monat.8 Armut wird hier am Lebensniveau der übrigen lohnabhängigen Bevölkerung gemessen. Nach dieser Messmethode wird in den reichen Industriestaaten insgesamt verfahren. So lag Mitte der 1990er Jahre in den USA die Armutsschwelle bei einem Jahreseinkommen von 16.036 Dollar für eine vierköpfige Familie, also 11 Dollar pro Tag und Person.9 Würden die Messmethoden10, die in den reichen Staaten für die Erfassung und Definition der eigenen Armut gelten, auch auf die Entwicklungsländer angewandt, »müsste die überwältigende Mehrzahl der Weltbevölkerung als arm eingestuft werden.«11 Aber das Ausmaß der Armut wird ›heruntergespielt‹. Die methodisch-definitorische Ebene spiegelt dabei die politische Ebene wider, auf der der Mehrheit der Menschen die vollen Menschenrechte verweigert werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass es der Menschheit unmöglich gemacht wird, sich ein wahrheitsgemäßes Bild von sich selbst zu machen. In unserer Welt muss aus universellem, menschenrechtlichem Anspruch ohnehin ein einziges Armutskriterium gebildet werden. Erst dann wird das wirkliche Ausmaß der Armut deutlich; aber das wollen die Globalisten, die die gegenwärtig vorherrschende Form der kapitalorientierten Globalisierung vorantreiben, überhaupt nicht. 8 | Walter Hanesch u. a., Armut und Ungleichheit in Deutschland, Reinbek 2000 9 | US Bureau of the Census, Poverty in the United States 1996, Washington 1997, S. 7 10 | Zum Problem des Messens überhaupt siehe Band 2 der »Bibliothek dialektischer Grundbegriffe«, Renate Wahsner, Naturwissenschaft, Bielefeld 2 2002, S. 17 ff. 11 | Michel Chossudovsky, Global brutal, a. a. O., S. 57

15

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Reichtum als öffentliches Geheimnis | Im Gegensatz zur Armut wird Reichtum weltweit zwar gepriesen, bewundert, ja vergöttlicht, aber gleichzeitig wird er, was die Fakten angeht, mit einem Kranz aus Unwissen und Geheimnissen umgeben. Deshalb soll zunächst einmal, wie bei der Armut, das vorhandene Wissen in repräsentativer Weise dargestellt und bewertet werden, zunächst mit Blick auf den reichen Industriestaat Deutschland, dann weltweit. Detailreiche Bei allen Unzulänglichkeiten stellt die deutsche Regierung Verschleierung Armut vergleichsweise ausführlich und detailliert dar. Dagegen von Reichtum spielt die Regierung hinsichtlich des Reichtums die von vornherein weithin Unwissende. Sie tut so, als wäre das Phänomen erst vor einigen wenigen Jahren aus dem Dunkel der Menschheitsgeschichte aufgetaucht und als hätte sich bisher noch niemand so richtig damit beschäftigt. Dieses Blinde-Kuh-Spiel ist in der politischen Öffentlichkeit umso leichter möglich, als es sich mit der vorherrschenden Einstellung deckt. »Im Hinblick auf den Reichtumsbegriff, auch wegen des erst in Ansätzen entwickelten Forschungsstandes, fehlen bisher klare Definitionen und Abgrenzungen«, heißt es. Der Reichtum, so wird ein bekanntes Bild bemüht, gleiche »scheuem Wild«, das auf abgelegenen Waldlichtungen grase und beim leisesten Geräusch und bei jedem neugierigen Blick fluchtartig den Ort verlasse. Die bisherigen Untersuchungen über den Reichtum seien wenig ergiebig, man habe es mit »gravierenden Unzulänglichkeiten der empirischen Grundlage« zu tun. Die Regierung schlüpft in die Rolle wissenschaftlicher Behutsamkeit und »beschränkt« sich auf eine »beschreibende Darstellung der Einkommens- und Vermögensverteilung«. Diese Darstellung lässt allerdings nicht nur die Entstehung und Verwendung des Reichtums außer Acht, sondern entpuppt sich auch auf der gewählten statistisch-beschreibenden Ebene als eine kostenlose, staatliche Tarnkappe für das ›scheue Wild‹. »Auf der Grundlage des Bruttoeinkommens« zählt die Regierung für das Jahr 1995 in Deutschland 27.230 Einkommensmillionäre. Diese Zahl stützt sich aber nur auf die Angaben der Betroffenen gegenüber ihren Finanzämtern. Experten sind sich einig, dass diese Angaben weniger die Wirklichkeit als die Kunst der ›Steuergestaltung‹ in den einkommensstarken Milieus widerspiegeln. Die Regierung bemerkt nebenbei, dass diese Zahl zu niedrig angesetzt ist. Weil der Staat den Selbstauskünften der Topver16

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

diener und den eigenen Steuerstatistiken aus guten Gründen misstraut, wird alle fünf Jahre die »Einkommens- und Verbrauchsstichprobe« (EVS) durchgeführt. Das »Statistische Bundesamt« befragt dazu außerhalb der Besteuerungsprozedur 70.000 Haushalte. Freilich kastriert der Staat aus dem gleichzeitigen Interesse, die Einkommenssphäre der Topverdiener zu schützen, seine eigene Wahrheitsfindung: Bei der EVS werden »aus Datenschutzgründen« Haushalte mit einem Netto-Monatseinkommen über 18.000 Euro erst gar nicht befragt. Die Regierung empfindet das zwar als »problematisch«, belässt es aber bei den »gravierenden Unzulänglichkeiten der empirischen Grundlage«. Die Regierung spricht von den Topeinkommen, als wären sie so einfach und durchsichtig wie die Löhne der Arbeiter. Dabei wird verschwiegen, dass zwar die Aktiengesellschaften entsprechend der gesetzlichen Publizitätspflicht die Summe der Bezüge aller Vorstandsmitglieder im Jahresbericht veröffentlichen – allerdings nur die Gesamtbezüge, damit nicht der Unterschied zwischen dem Vorsitzenden und den anderen Vorstandsmitgliedern bekannt wird –, dass aber inzwischen die nicht publizitätspflichtigen Leistungen des Unternehmens an denselben Personenkreis ausgedehnt wurden: Prämien für weiteren Verbleib im Unternehmen (Halteprämien), Aktienoptionen, mietfreie Dienstwohnungen, kostenlose Benutzung von Dienstwagen, Übernahme von Vereinsbeiträgen (Golfclub, Rotary u. ä.), von privaten Telefonkosten und Versicherungen sowie Einzahlungen auf Pensionen. Beim Ausscheiden werden Abfindungen und Übergangsgelder gezahlt, obwohl eine neue Stellung bereits angetreten wurde (Goldener Handschlag). Verschwiegen wird weiter, dass Topmanager heute nicht nur Einkommen aus dem Unternehmen erhalten, bei dem sie angestellt sind, sondern auch aus Unternehmen, die sie nebenbei selbst betreiben oder an denen sie beteiligt sind, dass sie Tantiemen aus Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmandaten in anderen Unternehmen erhalten, dass sie aus gleichzeitigen Gutachten und Beraterverträgen verdienen und dass sie beispielsweise kostengünstige Kredite erhalten, die zudem oft nur als solche bezeichnet werden, in Wirklichkeit aber steuerfreie Geschenke darstellen, da sie nicht zurückgezahlt werden.12 Das reguläre, 12 | Einen Teileinblick in dieses Phantasialand der verschwiegenen Top-

17

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

veröffentlichte Bruttogehalt ist somit nur ein mehr oder weniger kleiner Teil der anderen Einkommen und Leistungen, die mit einer Führungsposition in der Wirtschaft heute verbunden sind. Zu den nicht dargestellten Merkmalen der hohen Einkommen gehört es, dass regelmäßig ein beträchtlicher Betrag nicht ausgegeben werden muss (oder gar nicht kann), sondern gewinnbringend angelegt werden kann. Mit hohem Einkommen kann man sich die neue Einkommensquelle des Vermögens erschließen. Dieser qualitative Umschlag von Einkommen in Vermögen ergibt dann eine weitere, zusätzliche Einkommensquelle. Aus Immobilienbesitz fließen Mieten, aus Aktien und Obligationen Dividenden, Zinsen, Kursgewinne, aus Unternehmensbeteiligungen Gewinnanteile. So wird der entscheidende Aspekt, dass nämlich viele Einkommensmillionäre gleichzeitig Vermögensmillionäre sind, von der Regierung verschwiegen, ebenso die Tatsache, dass in Deutschland mindestens eine Million Vermögensmillionäre leben. Dagegen werden hier sorgfältig nichts sagende Nebensächlichkeiten ausgebreitet, z. B. dass 25 Prozent der Netto-Einkommensmillionäre Frauen und 42,5 Prozent Singles sind, dass 4,7 Prozent Alleinerziehende mit einem Kind sind, 0,9 Prozent Alleinerziehende mit zwei Kindern, 12,5 Prozent Ehepaare mit zwei Kindern, 4,2 Prozent Ehepaare mit mehr als zwei Kindern und dergleichen. Zur Gesamtaddition aller Privatvermögen sagt die Regierung: »Nur 4,5 Prozent des Privatvermögens gehörten den unteren 50 Prozent aller Haushalte, aber 42 Prozent des Privatvermögens entfielen auf die obersten 10 Prozent der Haushalte.« Diese Feststellung, die von vielen Medien aufgegriffen und als Hinweis auf eine ›soziale Schieflage‹ interpretiert wurde, kann durchaus als kritisch verstanden werden. In Wirklichkeit aber verdeckt sie eine noch viel dramatischere Wirklichkeit. Die Zahlen sind weit untertrieben, ja, falsch. Es wurde nämlich nicht das wirkliche Vermögen zugrunde gelegt, sondern nur einkommen gewährt die »Kienbaum Vergütungsberatung GmbH«, die jährlich eine umfangreiche statistische Studie über Haupt- und Nebeneinnahmen von etwa 20.000 Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern sowie Geschäftsführern der wichtigsten deutschen Unternehmen und Branchen erstellt. Diese Studien sind nur für den internen Gebrauch in Unternehmen gedacht.

18

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

das steuerlich relevante Vermögen. Welcher Bürger, wenn er nicht zum betroffenen, profitierenden Milieu gehört, kennt schon diesen feinen, keineswegs kleinen Unterschied? Beim Immobilienvermögen heißt das beispielsweise, dass es nicht zum wirklichen Marktpreis, sondern zum steuerlichen Einheitswert erfasst wird. So geht eine Eigentumswohnung im Marktwert von 300.000 Euro, der also bei einem Verkauf erzielt werden kann, nur mit dem Einheitswert von 15.000 Euro in die Steuer- und damit in die Vermögensstatistik ein. Mit anderen Worten: Für eine korrekte Bewertung des Vermögens müsste der 20fache Betrag eingesetzt werden. Die weitaus zu niedrige Erfassung des Immobilienvermögens hat einen zweifachen Sinn: Erstens hängt sie mit der Privilegierung des großen Vermögens durch die geringe Besteuerung zusammen; zweitens steht sie im Zusammenhang mit dem sozialen Schutz eben dieses Vermögens gegenüber den weniger Vermögenden. Die Bundesregierung kann somit das soziale Gewissen der arm-reichen Nation beruhigen: »Die Verteilung des Privatvermögens […] ist trotz der gestiegenen Ungleichheit der Einkommen im langfristigen Trend tendenziell gleichmäßiger geworden.« Bei der steuerlichen Privilegierung der hohen Einkommen und Vermögen ist die Bewertung des Immobilienvermögens nur ein Teil. Andere steuerliche Privilegien sind im Vergleich zur Besteuerung der normalen Löhne und Gehälter eine weitere Quelle von Einkommen und Vermögen. Das Ziel der ›Besserverdienenden‹ und Reichen ist seit längerem, politisch akzeptiert und gefördert, die »Null-Steuer«.13 Dabei gibt es einen gleitenden Übergang von legalen zu illegalen Methoden, wie man sich der Besteuerung weitgehend oder ganz entziehen kann: Verlustzuweisungen, Abschreibungen, Nutzung von Steueroasen, steuerfreie Spekulationsgewinne usw. Ganze Branchen von Vermögensberatern, Steueranwälten und Treuhändern leben von solchen Dienstleistungen. Wenn Rechtsbrüche einmal auffliegen, werden sie für die vermögende Klientel meistens geräuschlos hinter den Kulissen und ohne strafrechtliche Verfolgung erledigt. Dies trifft etwa auf die ca. 600.000 Mitglieder der deutschen Elite zu, die zu Be13 | Wie zahlt man Null Steuern? In: Capital. Das Wirtschaftsmagazin 11/1996

19

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Vorläufiges Maß für Reichtum: Umkehrung des Maßes für Armut

ginn der 1990er Jahre nach Einführung einer neuen Steuer (Quellensteuer) mit Hilfe von in Deutschland illegalen Praktiken (z. B. ein Nummernkonto) einen Teil ihrer Vermögensanlagen in den Finanzoasen Schweiz und Luxemburg tätigten, um die Steuer zu umgehen. Der Mindestanlagebetrag belief sich auf 300.000 DM. Als die Sache aufflog und praktisch alle deutschen Banken durchsucht wurden, da sie Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hatten, gab es große öffentliche Aufregung. Die fürsorgliche staatliche ›Erledigung‹ der Angelegenheit zieht sich bis heute hin; ›die Öffentlichkeit‹ merkt so gut wie nichts; die großen Medien schweigen. Die Betroffenen zahlen den Teil der hinterzogenen Steuern nach, den man ihnen nachweisen kann, einige zahlen ein Bußgeld, teilweise in Millionenhöhe. Nicht einmal ein halbes Dutzend wurde strafrechtlich belangt, obwohl dies in viel größerem Maßstab möglich und vom Gleichheitsgrundsatz der Verfassung her geboten wäre.14 Schweigsam bleibt auch der Regierungsbericht beim wichtigsten Teil des Privatvermögens, nämlich dem Produktions- oder Betriebsvermögen. Hier nähert man sich auch der Macht, oder könnte es tun. Aber in dem unscheinbaren Kapitel Weitere Aspekte der Vermögensverteilung ist dieses Vermögen mit einigen Andeutungen versteckt. 1,2 Billionen Euro soll das Vermögen der 600.000 Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften und GmbH) und 2,4 Millionen Personengesellschaften betragen. Das dürfte weit untertrieben sein. Es fehlen z. B. alle Unternehmen und Unternehmensanteile im Ausland – auch dies wieder scheinbar widersprüchlich bei einer Regierung, die sich der globalen Perspektive der Wirtschaft verschrieben hat. Dieses enorme Vermögen sei in die Berechnung des privaten Vermögens »nicht einbezogen«, so die Regierung knapp. Geht man von dem auch im Bericht der Bundesregierung zugrunde gelegten Armutsbegriff aus – Armut besteht dann, wenn weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens verfügbar ist –, dann bedeutet dies im Umkehrschluss: Reichtum besteht dann, wenn mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens zur Verfügung steht. Das ist heute in Deutschland ein Betrag ab etwa 5.500 Euro monatlich netto pro Haushalt. 14 | Werner Rügemer, Der Deal von Düsseldorf – Die Justiz und die Banken, in: Freitag, Ausgabe vom 16.4.1999

20

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Ab einer solchen Grenze etwa ist nämlich der qualitative Umschlag nach oben möglich: Es kann ohne Schwierigkeiten ein Drittel des laufenden Erwerbseinkommens für die Vermögensbildung verwandt werden. Dies erlaubt eine dauerhafte Unabhängigkeit von Unsicherheiten der Arbeitswelt. Hinzuzurechnen sind dann noch die sich daraus generationenbedingt ergebenden Zusatzeinkommen wie Erbschaften. Dies ist der international verwandte Reichtumsbegriff der Sozialwissenschaften. 15 Danach waren bereits im Jahre 1993 etwa 1,759 Millionen Haushalte in Deutschland reich. Legt man die gegenwärtige Dynamik dieser Reichtumsbildung zugrunde, dass nämlich seit den 1980er Jahren sich diese Gruppe jährlich um 10 Prozent vermehrt, so haben wir es heute mit schätzungsweise mindestens 2,5 Millionen reichen Haushalten zu tun, also mit mindestens 5 Millionen Personen.16 Danach ist die Zahl der Reichen weitaus höher als die Zahl der Sozialhilfeempfänger. Erstaunlich, nicht wahr? Ähnliche Verhältnisse herrschen auch in vergleichbaren Industriestaaten wie Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien. Wir können also feststellen, dass nicht nur die Zahl der Armen, sondern auch die Zahl der Reichen künstlich kleingerechnet wird. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Reichtumsbegriff der Bundesregierung auch das außer Acht lässt, was neben dem ökonomischen Kapital in den Sozialwissenschaften ›symbolisches Kapital‹ genannt wird, also die kulturellen und sozialen Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht nur in Institutionen wie Schulen und Universitäten, sondern auch im eigenen und fremden Milieu erworben werden17; davon kennt die Regierung nur den reduzierten Aspekt des staatlich zertifizierten ›Bildungsstatus‹. Außerhalb öffentlicher Statistiken wird freilich über Aspekte Reichtum des wirklichen Reichtums sehr viel genauer Buch geführt. Die weltweit Banken und Vermögensberater etwa analysieren regelmäßig ih15 | Siehe Ernst-Ulrich Huster, Reichtum in Deutschland. Die Gewinner der sozialen Polarisierung, in: Jörg Stadlinger, Reichtum heute. Diskussion eines kontroversen Sachverhalts, Münster 2001, S. 19 16 | Siehe ebd. 17 | Siehe Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/Main 1987, S. 32 ff.

21

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

ren ›Markt‹: Wie viele Menschen, bei denen sich eine professionelle Vermögensanlage lohnt, haben wie viel Geld zur Verfügung? Einige große Banken erstellen für interne Zwecke regelmäßige »Welt-Reichtumsberichte«.18 Daraus gehen, zumindest annähernd, wesentliche Teile des ansonsten kunstvoll versteckten Reichtums ebenso wie seine ungleiche Verteilung hervor. Im Jahre 2001 hatten danach auf der Welt 36,6 Millionen reiche Privathaushalte neben ihrem Einkommen eine Nettogeldanlage von mehr als 250.000 Dollar; zusammengerechnet stellt dies ein Gesamtvermögen von 44,3 Billionen US-Dollar dar. Dagegen hatten die restlichen 1,107 Milliarden Privathaushalte – also 97 Prozent aller Haushalte –, die jeweils über eine Geldanlage von Null bis 249.999,99 Dollar verfügten, ein zusammengerechnetes Vermögen von nur 19,3 Billionen Dollar.19 Unter den 36,6 Millionen dieser bankintern bekannten Reichen auf der Welt herrscht noch einmal eine extreme Ungleichverteilung, und zwar zwischen der Mehrheit, die man die ›armen Reichen‹ nennen könnte, also zwischen den einfachen Millionären einerseits und den Milliardären und Mehrfach-Milliardären andererseits. So besitzt der globale ›Milliardärsclub‹, der gegenwärtig etwa 450 Mitglieder zählt, zusammengerechnet ein Vermögen, das über dem Sozialprodukt der ärmsten Staaten liegt, in denen 59 Prozent der Menschheit leben.20 Der private Reichtum der fünfköpfigen Familie Walton, der die Kaufhauskette »Wal-Mart« gehört, ist mit 85 Milliarden Dollar mehr als doppelt so groß wie das Bruttoinlandsprodukt des Staates Bangladesch mit seinen 127 Millionen Einwohnern, so wird immer wieder gern und staunend berichtet.21 Ist dieser Reichtum aber nur groß, oder ist sonst noch etwas mit ihm? Das Wesen und der Zusammenhang von arm und reich | Weder die Bundesregierung in ihrem Bericht über Armut und Reichtum in Deutschland noch die Weltbank und die UNO in ihren Berichten über Armut und Reichtum in der Welt stellen irgendeinen 18 | Z. B. Merril Lynch/Gemini Consulting, World Wealth Report; erscheint jährlich 19 | Boston Consulting Group, Prospering in Uncertain Times – Global Wealth 2002, London, New York, Sidney 2002 20 | Michel Chossudovsky, Global brutal, a. a. O., S. 29 21 | Ebd.

22

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Zusammenhang zwischen beiden Erscheinungen her – außer den der Gleichzeitigkeit. Diese Gleichzeitigkeit ist hier rein zufällig, bleibt jedenfalls unerklärt. In den Anfängen des modernen Kapitalismus, als die Arbeiterbewegung noch nicht erstarkt war und noch kein ernsthafter politisch-moralischer Gegenpol bestand, wurde der Zusammenhang zwischen arm und reich offen ausgesprochen. Ebenso anschaulich wie selbstverständlich tut dies etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts Bernard de Mandeville (ca. 1670–1733) in seiner bekannten Bienenfabel. Danach ist die Gesellschaft gespalten in entbehrungsreiche, fleißige Arme und genusssüchtige, korrupte Reiche, die nichts anderes kennen als den Selbstzweck der Selbstbereicherung. Nur durch möglichst großen Luxus und große Verschwendung durch Reiche kommt nach Mandeville die Wirtschaft in Schwung. Mit Genuss beschreibt er, wie die korrupten Richter die Waagschale der Justiz weglegen und die Hand aufhalten, wie die Ärzte nicht heilen, sondern viel Geld verdienen – alles zum Wohle von Industrie und Handel. Dies funktioniert freilich nur, weil der größere Teil der Gesellschaft dieser kapitalistischen Ethik nicht folgt, im Gegenteil. Die armen Arbeitenden müssen spar- und genügsam sein. Nur durch diese Kombination zweier Klassen und Moralen können starke, reiche Nationen entstehen: »Es ist das Interesse aller reichen Nationen, daß der größte Teil der Armen nie untätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen […]. Diejenigen, die ihr Leben durch die tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt zu arbeiten außer ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kurieren. […] Es folgt, dass in einer freien Nation der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht.«22 Damit die Armen in ihrer Rolle bleiben, was sie ja nicht aus Überzeugung tun, wird ihnen Brot und Peitsche geboten. Mandeville befürwortete sowohl öffentliche Bordelle wie öffentliche Hinrichtungen. Mandeville hat die Situation in aller erkenntnismäßigen Unschuld erfasst: Diejenigen, die den Reichtum durch ihre Arbeit schaffen, sollen nur so weit entlohnt werden, dass sie weiter arbeiten können. Es wäre für die Schaffung des gepriesenen kapi-

Zusammenhang von Armut und Reichtum bei Mandeville

Durch Arbeit entstehen Armut und Reichtum

22 | Bernard de Mandeville, Die Bienenfabel oder private Laster als gesellschaftliche Vorteile, Leipzig, München 1988

23

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

talistischen Reichtums fatal, erkennt Mandeville, wenn den arbeitenden Armen eine andere Lebensführung zugestanden würde als die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. Sonst werden sie frech und aufsässig. Der Reichtum der Reichen ist umso größer je mehr und zu je geringerem Lohn die Arbeitenden arbeiten. Aus diesem Grund sind sie die Armen und sollen es bleiben. Darum existieren durch sie, vermittelt durch ihre Arbeit, nicht nur sie selbst als Arme, sondern auch Reichtum und Reiche. Armut und Mandevilles Einsichten stehen keineswegs alleine da, sie Reichtum bei waren eine der theoretisch-moralischen Quellen des modernen Adam Smith Wirtschaftsliberalismus. Für den Klassiker der modernen kapitalistischen Nationalökonomie, Adam Smith (1723–1790), der sich von dem am englischen Königshof einflussreichen Mandeville inspirieren ließ, war klar, dass die Entlohnung der Arbeiter in keiner Weise irgendeinen gerechten oder sonstwie begründeten Anteil am geschaffenen Wert darstellt, sondern dass sie sich allein danach richtet, was die Arbeiter zum unmittelbaren Überleben brauchen und was sie sich unter dem Druck der Polizei und der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gefallen lassen (müssen). Ihnen soll der Unternehmer, der für Smith mit dem Reichen identisch ist, lediglich das Allernötigste zugestehen, damit sie arbeiten und nicht umkommen. Es ist, so Smith, »recht und billig, wenn diejenigen, die alle ernähren, kleiden und mit Wohnung versorgen, soviel vom Ertrag der eigenen Arbeit bekommen sollen, dass sie sich selbst richtig ernähren, ordentlich kleiden und anständig wohnen können.«23 Für Smith sind die Begriffe ›Arbeiter‹ und ›Armer‹ identisch. Er illustriert dies weiter durch die untergeordnete Stellung, die die Arbeiter in der Gesellschaft haben: Die Reichen und die Unternehmer haben den Staat und die Gesetze hinter sich, während der Staat nur partiell, zeitweise und umstandsbedingt etwas für die Arbeiter tut. Die Unternehmer sind zwar auf die Arbeiter angewiesen, können aber im Streik sehr viel länger durchhalten, da sie über etwas verfügen, was die Arbeiter nicht oder kaum haben: Vermögen.24 Smith sieht das alles wohlwollend aus der Interessenlage der Reichen, aber er entwickelt damit einen wissenschaftlichen Begriff der Armut: Sie besteht in der Reduktion der Arbeitenden auf die unmittelbaren Bedürfnisse. Die Arbei23 | Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, München 1993, S. 68 24 | Ebd., S. 58

24

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

tenden erhalten kein Entgelt für ihre Leistung, sondern eine nach jeweiligem Kräfteverhältnis auszuhandelnde, möglichst geringe Überlebensration. Auch geistig, moralisch und kulturell wird ihnen nur eine möglichst billige und einfache Überlebensration zugebilligt. Damit liefert Smith zugleich einen wissenschaftlichen Begriff des Reichtums. Er besteht nicht darin, dass ein Reicher viel besitzt, also ein hohes Einkommen oder viele Grundstücke hat. Vielmehr besteht Reichtum darin, über das Ergebnis der Arbeit anderer und damit über eine ständige Gewinnquelle verfügen zu können und den anderen Arbeitenden nicht den Gegenwert der Arbeit, sondern nur einen Beitrag zum unmittelbaren Überleben zahlen zu müssen. Dabei ist dieser Beitrag sehr variabel. Er hängt lediglich davon ab, zu welchem Preis der ›soziale Friede‹ erkauft werden muss. Smith hat hier übrigens mit leichter Hand das festgehalten, was viel später Antonio Gramsci (1891–1937) und Pierre Bourdieu (1930–2002) gegen den großen Trend der bürgerlichen Wissenschaften als »kulturelle Hegemonie« bzw. als »symbolisches Kapital« rekonstruierten. Schon in der Armutsgesetzgebung des frühen englischen Kapitalismus im 17. Jahrhundert tauchte der Begriff ›labouring poor‹ auf.25 Er ist das Vorbild für den Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA nachgebildeten Begriff ›working poor‹. Er bewegt sich innerhalb des kapitalistisch-fürsorglichen Verhältnisses der Reichen zu den Armen: Die an die Arbeitenden gezahlte Überlebensration reicht ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr aus, um das bisherige Überlebensniveau zu halten. Das bedeutet aber nicht, dass dann trotz vorhandener Arbeitsplätze Armut ganz neu entsteht, sondern nur, dass bei einem Teil der Arbeitenden ein neues materielles Niveau der Armut hervortritt, das noch tiefer liegt als das bisherige. So konnte Karl Marx (1818–1883) dann von der ›absoluten … bei Karl Marx Armut‹ als dem Wesensmerkmal der kapitalistischen Lohnarbeit sprechen. Er versteht ›absolute Armut‹ nicht als quantitative Eigenschaft wie sie heute bei UNO und Weltbank definiert wird, sondern als qualitative und dynamische Eigenschaft. Die Arbeit sei das Nichtkapital; der »allgemeine Reichtum« existiere von 25 | Siehe Margarete Tjaden-Steinhauer, Stichwort »Armut/Reichtum«, in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, Berlin 1994, S. 608

25

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

der Arbeit getrennt im Kapital als Eigentum an den Produktionsmitteln, wobei zu diesem Eigentum organisch auch die politische, wissenschaftliche und kulturelle Vorherrschaft gehöre.26 So bestehen für Marx Armut und Reichtum als »Pol und Gegenpol der kapitalistischen Produktion«27 eines in sich widersprüchlichen Ganzen: »Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d. h. auf Seiten der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.«28 Aber so schlimm sei es ja nicht geblieben, behaupten nun die Verteidiger des heutigen Kapitalismus. Richtig sei zwar, dass während der industriellen Revolution »zunächst« für große Teile der jetzt rapide wachsenden Bevölkerung »nur Einkommens- und Arbeitsverhältnisse zur Erreichung des Existenzminimums möglich« gewesen seien. Danach aber und seitdem hätten nur noch »ausbleibende Ernten« und »durch sie ausgelöste Teuerungskrisen jenes Massenelend begründet, das nach inzwischen herrschender Meinung erst allmählich durch Industrialisierungsprozesse gemildert und schließlich abgebaut wurde: Die Industrialisierung schuf entsprechende Arbeitsplätze […].« So heißt es in einem aktuellen Standardlexikon der Wirtschaft.29 Nun ist genau das Gegenteil wahr. Die heutige Globalisierung zeigt dies ebenso wie der Verlauf des Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert. Wie von Mandeville und Smith schon erkannt, ist das widersprüchliche Verhältnis zwischen arm und reich kein fest stehendes, sondern es entwickelt sich. Gestalt und Niveau der Armut, wie des Reichtums natürlich auch, können sich erheblich ändern, ohne dass die Armut und selbstverständlich auch der Reichtum überwunden ist. Marx untersucht das Verhältnis von arm und reich als im Arbeitsprozess entstehend weiter. Er erfasst den Gegensatz von arm und reich als einen die Gesellschaft grundlegend prägenden Widerspruch: »Einerseits verwandelt der 26 | Siehe Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1974, S. 217 27 | Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, Berlin 1976, S. 725 28 | Ebd., S. 675 29 | Stichwort »Armut« in: Gablers Wirtschaftslexikon, Wiesbaden 1994, Bd. 1, S. 213. Das Lexikon enthält übrigens kein Stichwort »Reichtum«.

26

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Produktionsprozeß fortwährend den stofflichen Reichtum in Kapital, in Verwertungs- und Genußmittel für den Kapitalisten. Andererseits kommt der Arbeiter beständig aus dem Prozeß heraus, wie er in ihn eintrat – persönliche Quelle des Reichtums, aber entblößt von allen Mitteln, diesen Reichtum für sich zu verwirklichen. Da vor seinem Eintritt in den Prozeß seine eigene Arbeit ihm selbst entfremdet, dem Kapitalisten angeeignet und dem Kapital einverleibt ist, vergegenständlicht sie sich während des kapitalistischen Produktionsverhältnisses beständig in fremdem Produkt […]. Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierenden Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter.«30 Dieser Widerspruch in der Produktion des Reichtums und somit der Armut im kapitalistischen Arbeitsprozess ist nach Marx in sich selbst beweglich und daher dialektisch zu denken. Wenn die Löhne in einem Land periodisch immer wieder steigen, dann wächst auch Reichtum und Luxus der zugleich politisch mächtigen Eigentümer von Produktionsmitteln. »Obgleich also die Genüsse des Arbeiters gestiegen sind, ist die gesellschaftliche Befriedigung, die sie gewähren, gefallen im Vergleich mit den vermehrten Genüssen des Kapitalisten, […] im Vergleich mit dem Entwicklungsstandard der Gesellschaft überhaupt.«31 Dieses dialektische Verhältnis kann schließlich noch weiter zu Lasten der Nicht-Eigentümer gehen: »Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, […] also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. […] Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend in umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusgeschichte der Arbeiterklasse […], desto größer der offizielle Pauperismus.«32 30 | Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, a. a. O., S. 595 f. 31 | Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 6, Berlin 1961, S. 412 32 | Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, a. a. O., S. 673 f.

27

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Lohn ohne Das absolute Niveau des ›Existenzminimums‹ hat sich zwar in Verhältnis zum den zentralen Staaten des Kapitalismus, wie insbesondere in Kapitalgewinn Westeuropa, Nordamerika und Japan, beträchtlich erhöht, aber

es ist erstens immer noch ein Minimum. Das Arbeitsentgelt wurde seitdem nirgends qualitativ neu gefasst, etwa in Form eines ›gerechten Lohns‹ oder eines betriebs- oder volkswirtschaftlich begründeten Anteils am erzielten Gewinn. Eine solche rationale Berechnung des Arbeitsentgelts wird gerade von der Seite des Reichtums weltweit entschieden abgelehnt. Nirgends in der kapitalistischen Welt wird der Arbeitslohn in ein Verhältnis zum Kapitalgewinn gesetzt, sondern bestenfalls zur Inflation oder zur ›Entwicklung der Lebenshaltungskosten‹. Zweitens entstehen gleichzeitig zur Existenz der Gruppen der Arbeitenden, deren Existenzminimumentgelt sich beträchtlich erhöht hat, periodisch neue Gruppen von Arbeitenden, deren Existenzminimum wesentlich niedriger angesetzt wird. Weltweit setzen sich gegenwärtig die Reichen wieder einmal, weil es die Umstände nun erlauben, verstärkt für die großflächige Einführung, gesetzliche Absicherung und staatliche Subventionierung von ›Niedriglohnsektoren‹ ein. Für die Festlegung der Niedriglöhne wird aber keinerlei neue Berechnungsmethode verwandt. Das ist auch gar nicht nötig, die alte Berechnungsmethode gilt weiter. Die Löhne werden einfach niedriger angesetzt, weiter nichts. Entgeltgefüge im Das wird auch durch die Entlohnung der Arbeit in diktatoriNationalsozialismus schen Regimes bestätigt. Nehmen wir den Nationalsozialismus, übrigens eine Periode extrem schneller und brutaler Modernisierung des Kapitalismus und hoher Gewinnentnahmen. Die Arbeitsentlohnung war äußerst differenziert: Deutsche Arbeiter erhielten Lohn in bisheriger Weise, freilich unter der generellen Einführung von Lohnstopps. Deutsche Frauen erhielten weniger als die Männer. Ausländische Zwangsarbeiter aus westlichen Besatzungsgebieten, wie Frankreich und Belgien, erhielten einen wesentlich niedrigeren Lohn, aber mit Anteilen der Sozialversicherung. ›Ostarbeiter‹ erhielten nur eine Art Taschengeld, auch ›Kriegsgefangenen-Lagergeld‹ genannt, und die Arbeitssklaven aus den Konzentrationslagern erhielten gar nichts, sie wurden durch Arbeit vernichtet. Dieses differenzierte Entgeltgefüge ergab sich ohne jegliche Schwierigkeiten aus dem damals gängigen, obwohl es neue Elemente zu enthalten scheint. Die deutschen Unternehmen mussten nichts anderes tun, als ihr bisheriges Prinzip 28

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

anzuwenden, nämlich die jeweilige Überlebensration möglichst tief anzusetzen, so wie es nach Stärke und Schwäche der jeweiligen Gruppe der Arbeitenden eben durchgesetzt werden konnte. Vom Prinzip her gesehen, gehen heute internationale Konzerne nicht anders vor. In Deutschland zahlen sie den bisher privilegierten Stammarbeitern die beklagten hohen Löhne, noch mit ihrem gesetzlichen Anteil an der Sozialversicherung, an die Beschäftigten in beauftragten Tochterunternehmen, etwa an polnische und portugiesische Bautrupps, werden Löhne gezahlt, die nicht einmal die Hälfte betragen. Und in undemokratischen Staaten zahlen sie schließlich noch niedrigere Niedriglöhne ohne Sozialversicherungsanteile. Kinderarbeit – noch nie, weder im 19. Jahrhundert in Europa noch im 21. Jahrhundert in Brasilien hatte irgendein Unternehmer Schwierigkeiten, Höhe und Art der Kinderlöhne festzusetzen. Dies spielt sich auch heute im Zeichen des autoritären, Kapital und postmoralischen Globalismus in verschärftem Maße ab, und zwar Arbeitslosigkeit in den reichen Industriestaaten ebenso wie in armen Entwicklungsländern. Die neue Welle großkapitalistischer Durchdringung lässt in West- und Osteuropa, in Afrika und Südamerika die Lebenshaltungskosten steigen, schafft neue Gruppen von Niedriglöhnern ebenso wie neue ›Reservearmeen‹. Der vorherrschende Typ des finanzkapitalistischen Reichtums – die etwa 63.000 multinationalen Konzerne, die vor allem Banken, Investmentfonds und institutionellen Anlegern gehören – beherrschen 66 Prozent des Welthandels, stellen aber nur 5 Prozent der Arbeitsplätze. Ihr Anteil am Welthandel wächst weiter wie bisher, und der Anteil der regulären Arbeitsplätze fällt ebenso.33 Der siegreiche und dominierende Kapitalismus ist, entgegen dem Anschein, in seiner Produktivität erschöpft bzw. auf den eigenen harten Kern beschränkt. Arbeitsplätze, das rituell behauptete Vorzeigeergebnis, werden nicht geschaffen, sondern aufgekauft, degradiert, vernichtet. Vorhandene Unternehmenssubstanz wird durch Fusionen ausgezehrt. Die Privatisierung der staatlichen Wirtschaftssubstanz folgt demselben parasitären Prinzip: Auspowern. Wenn sich Hungerkatastrophen ereignen, dann wird heute wie im England des 19. Jahrhunderts die Erklärung für diese Erscheinung in »ausgebliebenen Ernten und daraus resultieren33 | Siehe Blick in die Welt, in: Neue Zürcher Zeitung, Folio 5(2002), S. 31

29

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

den Teuerungskrisen«34 gesucht. Doch das ist heute so falsch wie damals und verleugnet das auch hier wirksame Verhältnis von arm und reich. Die Hungersnot trifft nur die Armen, so das Resüme des indischen Ökonomen Amartya K. Sen.35 Er hat die Entstehung und den Verlauf von Hungersnöten in Indien, Bangladesch, Äthiopien und in Staaten südlich der Sahara untersucht: Hungersnöte entstehen nicht wegen Nahrungsmittelknappheit, sondern wegen ungerechter Verteilung und wegen zu geringem Einkommen der Bevölkerung. Hungersnöte in Indien häuften sich schon während der britischen Kolonialherrschaft. Die Teuerungskrisen entstehen nicht durch ausgefallene Ernten, sondern wegen Verknappung und Preiserhöhungen durch den Nahrungsmittelhandel. Es sind genügend Nahrungsmittel vorhanden – mit der gegenwärtigen Landwirtschaft kann ohne jegliche Umstellung leicht die doppelte Zahl der jetzt lebenden Menschen ernährt werden. Hungersnöte sind auf extrem undemokratische Staaten mit einem extrem untergeordneten Status der Armen konzentriert. Die Regierenden und die Eliten selbst sind nie vom Hunger betroffen, weder damals im koloniereichen England, noch heute in Zentralafrika. So erweist sich das Glaubensbekenntnis – die Einführung der kapitalistischen Produktionsweise führe zunächst zu einer Entlohnung auf dem Niveau des ›Existenzminimums‹ und zu Massenelend, danach aber würden ›entsprechende Arbeitsplätze‹ geschaffen – mit der tatsächlichen Entwicklung wie mit den theoretischen Voraussetzungen als unvereinbar. Im selben Sinne und weil es das hier vorgestellte dialektische Verhältnis zwischen arm und reich gibt, erweist sich das Versprechen, dass möglichst hohe Gewinne zu neuen Arbeitsplätzen führen, als Unwahrheit. Die Jahrzehnte dauernde faktische Widerlegung dieses Versprechens in Deutschland seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wie in anderen vergleichbaren Ländern lässt es angemessen sein, von einer Lüge zu sprechen, wenn dieses Versprechen dennoch wiederholt wird. Grundsätzlich weiß man das eigentlich schon seit zweieinhalb Jahrhunderten. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770– 1831) hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Allgemeinen erkannt, dass der Kapitalismus die Armut nicht abschaffen kann, 34 | Gablers Wirtschaftslexikon, a. a. O., S. 213 35 | Amartya K. Sen, Poverty and Famines, Oxford 1981

30

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

sondern immer wieder neu hervorbringt: Es kommt hierin zum Vorschein, »daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern.«36 Warum werden nun dennoch hier weiter die Begriffspaare ›arm-reich‹ und ›Armut-Reichtum‹ verwandt, wo es doch im Kern um das dialektische Verhältnis von Arbeit und Kapital geht? Die Verwendung ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Denn die meisten Armen, sogar heute, angesichts des globalen Siegeszuges ›des‹ Kapitalismus37, sind nicht arm wegen eines unmittelbaren Lohnarbeitsverhältnisses oder einer nachfolgenden Arbeitslosigkeit, sondern nur infolge einer Fernwirkung ›des‹ Kapitalismus. Das können Spätfolgen des ehemaligen Kolonialstatus sein, das können die Abhängigkeit von Weltmarktpreisen, die Ausplünderung eines Landes durch einige Konzerne, durch Teile der eigenen ausgehaltenen Elite, das kann die von der Weltbank regulierte Staatsverschuldung eines Landes sein. Viele Arme sind arm, weil sie es unmittelbar mit feudalherrenartigen Grundbesitzern zu tun haben. Desgleichen sind viele Reiche heute nicht reich oder nicht nur reich, weil sie zu den dominierenden Kapitalisten gehören, sondern weil sie alte Reichtümer und Privilegien aus früheren Epochen besitzen oder repräsentieren. Dass das Verhältnis ›arm-reich‹ weiter besteht und sich gegenwärtig sogar ausweitet, ist zwar im Kern dem Gegensatz von arm und reich in seiner modernsten kapitalistischen Form geschuldet, aber nicht in jeder Einzelheit und für jede Person direkt von ihm verursacht. Die Ergebnisse und Folgen eines 4.000-jährigen arm-reich-Verhältnisses sind in der gegenwärtigen Menschheit angehäuft und lasten als ein scheinbar normal gewordener Alptraum auf uns.

Armut und Reichtum als Fernwirkungen des Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital

36 | Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Grundlagen der Philosophie des Rechts, in: Werke, Frankfurt/Main 1970, Bd. 7, § 245, S. 390 – Mit ›Pöbel‹ bezeichnet Hegel die Bevölkerungsgruppe, die bei Marx dann ›Proletariat‹ heißt. 37 | In Wirklichkeit gibt es innerhalb ›des‹ Kapitalismus verschiedene Kapitalismen, den US-amerikanischen, den kalifornischen, den deutschen, den bayerischen usw., die allerdings vom US-amerikanischen (noch) dominiert werden.

31

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Moral im Gespaltene, verbundene Moral | Was zu Beginn des modernen Kapitalismus Kapitalismus durch die ersten bürgerlichen Klassiker wie Mande-

Die Organisation von Armut und Reichtum in der bisherigen Demokratie

… am Beispiel England

… am Beispiel Frankreich

ville, Smith und Hegel und natürlich durch die neue Eigentümerklasse selbst mehr oder weniger offen ausgesprochen wurde, das wurde in der Folgezeit unter dem Druck, sich gegenüber den wachsenden Demokratie-, Gerechtigkeits- und Menschenrechtsansprüchen zu legitimieren, abgeschwächt, verunklart, abgestritten. Zu den hier wichtigen Entwicklungen gehört die Entstehung gewisser demokratischer Organisationsformen und Abmilderungen des arm-reich-Verhältnisses in den kapitalistischen Zentren, die aber darauf beschränkt blieben. Diese ansatzweise Demokratie in den Zentren des Reichtums und der Macht (Westeuropa, Nordamerika und neuerdings, wenn auch in noch beschränkterem Maße, Japan) existierte und existiert gleichzeitig und eng verbunden mit diktatorischen und asozialen Organisationsformen in den abhängigen und auf vielfältige Weise verbundenen Grenzgebieten.38 Heute sprechen wir meistens von Peripherie. Die Einführung der Demokratie etwa in England und Frankreich wurde scheinbar widerspruchslos begleitet von der Aufrechterhaltung oder gar neuen Einführung diktatorischer Verhältnisse in den Grenzgebieten, insbesondere den Kolonien. Das sich zumindest mit einer Teildemokratie schmückende England plünderte mit brutalsten Mitteln, die mit Demokratie nicht einmal dem Anspruch nach etwas zu tun hatten, z. B. den ganzen indischen Subkontinent, das ehemals reichste Land der Welt, gnadenlos aus und lieferte es einer bis heute andauernden Unterentwicklung mit Massenarmut aus. Gleichzeitig ließ sich England als Mutterland der Demokratie feiern. Besonders aufschlussreich ist die französische Revolution, weil in dieser geschichtlichen Phase die Abschaffung der Feudalherrschaft, die Einführung der Demokratie und die Entrechtung und Verarmung der Kolonien in engstem zeitlichem Zusammenhang stattfanden. Die allgemeine Erklärung der Men38 | Das wurde bereits ausführlich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts diskutiert, vgl. Wladimir I. Lenin, Rezension über das Buch von K. Kautsky, in: Werke, Bd. 4, Berlin 1975, S. 196, und Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, in: Gesammelte Werke, Bd. 5, Berlin 1960, S. 736

32

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

schen- und Bürgerrechte setzte alle Menschen gleich. Die Sklaverei wurde abgeschafft – aber nur in Frankreich, während sie in den Kolonien beibehalten wurde. Dort wurde zudem die weiße Hautfarbe zur Voraussetzung der Staatsbürgerschaft erklärt. Auch im Mutterland vollzog sich die Demokratisierung ungleich. Arbeiter und insbesondere die Frauen wurden von wichtigen Freiheiten ferngehalten. »Ihr müsst das Eigentum der Reichen garantieren. […] Die staatsbürgerliche Gleichheit, das ist alles, was ein vernünftiger Mensch verlangen kann. […] Die absolute Gleichheit ist ein Hirngespinst«39, hieß es ab 1795 in der ›Republik der Eigentümer‹. In den verbundenen Gebieten etwa Italiens half der französische Eigentümerstaat seinen dortigen Statthaltern, die Demokraten zu unterdrücken und den Arbeitern die Koalitionsfreiheit zu verbieten.40 Unschwer lässt sich an diesem Muster auch das spätere und das heutige Verhalten der westlichen Demokratien, insbesondere der USA, und der von dort aus operierenden multinationalen Konzerne erkennen: Im Mutterland werden Demokratie, Rechtsstaat und hohe Arbeitslöhne als Systemvorzüge beschworen, während gleichzeitig dieselben Akteure in zahlreichen Entwicklungsländern eine bevorzugte Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimes praktizieren, korrupte Bereicherungsclans alimentieren, wachsende Gruppen von working poor weithin rechtlos und zu Hungerlöhnen beschäftigen. Wer erkannt hat, dass diesem Verhalten in den Mutterländern einerseits und den Entwicklungsländern andererseits theoretisch derselbe Begriff von Armut und Reichtum zugrunde liegt, wird sich über die scheinbare Doppelmoral nicht wundern. Ähnlich verhält es sich beim Geheimnis um den Reichtum. Demokratie und Die Bezieher hoher Einkommen und die Eigentümer großer Ver- Reichtum mögen fordern die Diskretion und das Bankgeheimnis, während sie die Einkommen der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger gnadenlos und minutiös vor der Öffentlichkeit ausbreiten (lassen), nach der Berechtigung jedes Euros gezahlter Sozialleistungen fragen und tatsächliche ebenso wie vermutete Missbräuche mit dem Furor der ›Null-Toleranz‹ anprangern. Dagegen können die Reichen selbst bei hunderttausendfach nach39 | Walter Markov/Albert Soboul, 1789. Die Große Revolution der Franzosen, Köln 1976, S. 400 40 | Siehe ebd., S. 138 ff.

33

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

gewiesenen Missbräuchen – etwa bei der Hinterziehung der Quellensteuer in den Jahren nach 1993 – mit gnädiger Behandlung in Politik, Justiz und Medien rechnen.41 Durch das Geheimnis um den Reichtum soll der tatsächliche Umfang des Reichtums der Öffentlichkeit verborgen werden. »Es drängt sich der Verdacht auf, daß Unkenntnis über hohe Einkommen vielleicht sogar eine ihrer Grundvoraussetzungen darstellt«, urteilt der Armuts- und Reichtumsforscher ErnstUlrich Huster.42 Es geht aber nicht nur um den Umfang des Reichtums, sondern vor allem darum, wie Reichtum entsteht und gemehrt wird. Die der Öffentlichkeit verschwiegenen Zusatzeinkommen des Topmanagements wurden schon genannt. Wie der Fall der Steuerhinterziehung zeigt, gehören zu den weit verbreiteten Formen der Reichtumsmehrung auch Rechtsbrüche. Die Geheimhaltung des Reichtums, die die Ermöglichung krimineller Praktiken einschließt, hat auch systemische und institutionelle Formen angenommen. Beispielsweise ist die Welt heute mit einem Netz von etwa 60 so genannten Finanz- und Steueroasen überzogen, in denen zwischen Liechtenstein, Monaco, Gibraltar, den britischen Kanalinseln und den karibischen Cayman Islands die Heimlichkeit des Reichtums einschließlich krimineller Entstehungs- und Mehrungsformen organisiert wird. Entgegen dem vorherrschenden Bild handelt es sich bei den Finanzoasen keineswegs um isolierte Oasen, sondern um ausgelagerte und hoch vernetzte Vorposten der internationalen Finanzzentren New York, London, Zürich, Paris, Amsterdam und Frankfurt am Main.43 Ein zentraler Grund für das Geheimnis um den Reichtum sind übrigens auch die Auseinandersetzungen um die Arbeitseinkommen. Die Rituale um die Tarifverhandlungen laufen in der 41 | Werner Rügemer, 600.000 Steuerhinterzieher, in: die tageszeitung, Ausgabe vom 19.6.1998 42 | Ernst-Ulrich Huster, Soziale Polarisierung – Wieviel Abstand zwischen Arm und Reich verträgt die Gesellschaft?, in: Herbert Schui/Eckart Spoo (Hg.), Geld ist genug da. Reichtum in Deutschland, Heilbronn 1996, S. 17 43 | Siehe Werner Rügemer, Grüezi – bei welchen Verbrechen dürfen wir behilflich sein? Die Schweiz als logistisches Zentrum der internationalen Wirtschaftskriminalität, Heilbronn 1999

34

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

›westlichen Wertegemeinschaft‹ seit Jahrzehnten mit einer erstaunlichen Primitivität ab. Die Argumente der Arbeitgeber und arbeitgebernahen Parteien, Medien und Regierungen, die sich gegen Lohnerhöhungen überhaupt oder gegen eine bestimmte Erhöhung, jedenfalls immer für ›Lohnzurückhaltung‹ aussprechen, lauten bekanntlich, dass die Unternehmensgewinne arbeitsplatzgefährdend geschmälert würden, dass die Lohnnebenkosten ohnehin zu hoch, die internationale Konkurrenz schwierig sei und dergleichen. Legte man aber die tatsächlichen Gewinne der Unternehmen wie auch die Zusatzeinkommen des Topmanagements offen und den Tarifverhandlungen zugrunde, könnten die Fürsorgeargumente für die als Lohn und Gehalt bezeichneten Arbeitsentgelte kaum greifen. Das Urteil von Huster trifft hier verstärkt zu: Die Unkenntnis über den wirklichen Reichtum ist eine seiner Grundvoraussetzungen und ebenso eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Arbeitenden nicht nur arm, sondern auch politisch dumm werden und bleiben. Wären Umfang, Entstehung und Mehrung des persönlichen Abkopplung des wie unternehmerischen Reichtums bekannt, wäre ein Grundaxi- Einkommens von om der gegenwärtigen Kapitaldemokratien erschüttert und wi- der Leistung derlegt. Es zeigte sich dann, dass gerade die hohen Einkommen und Gewinne nicht auf Arbeitsleistung beruhen. Hier sind Leistung und Einkommen längst entkoppelt. Ob Vorstandseinkommen in Banken und Unternehmen nun das 400- oder 756fache des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens betragen, lässt sich mit Leistung weder in der einen noch in der anderen Höhe begründen und wird auch gar nicht zu begründen versucht. Das Prinzip ›Einkommen je nach Leistung‹ ist zu Gunsten des Prinzips der größtmöglichen Bereicherung und Selbstbedienung außer Kraft gesetzt. Bekanntlich sind Einkommenserhöhungen und Selbstbedienung des Topmanagements im Niedergang von Unternehmen besonders verbreitet. Hier zählen Blenderqualitäten, kriminelle Energie, korruptive Herbeiführung von Entscheidungen und politischer Filz, während die stoffliche Arbeitsleistung nur eine notwendige, aber nicht entscheidende Voraussetzung ist.44 Eine besonders weitgehende Abkoppelung von Einkommen und Leistung stellen die Insidergeschäfte mit Aktien und Un44 | Siehe Werner Rügemer, Wirtschaften ohne Korruption? Frankfurt/ Main 1996

35

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

ternehmensanteilen dar: Hier entsteht Reichtum durch die skrupellose Nutzung von Kenntnissen, über die andere Beteiligte und die Öffentlichkeit systematisch im Unklaren gelassen werden. Dasselbe trifft für die heimlichen, korruptiven Zahlungen an Mitglieder der Unternehmensführungen und an die mehrheitswichtigen Anteilseigner bei Unternehmensaufkäufen und Fusionen zu.45 Dagegen wird von den Armen, also den Lohn- und Gehaltsempfängern ebenso wie von den Empfängern von Leistungen der sozialen Sicherungssysteme (medizinische Versorgung, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe, Berufsunfähigkeit, Rente) die akkurate Einhaltung des Prinzips ›Einkommen für Leistung‹ gefordert. So sind schließlich die Prinzipien, die man einmal dem guten, aufsteigenden Kapitalismus und den Kapitalisten zuschrieb, zu solchen geworden, deren Einhaltung nun nicht mehr von den Reichen, sondern von den Armen gefordert wird. Bekanntlich soll, wie ein berühmter und immer wieder einschlägig zitierter Soziologe schrieb, die protestantische Ethik mit dem Kern der Sparsamkeit zum Aufstieg des Kapitalismus geführt haben und ihn tragen.46 Ob dieses freundliche Märchen zumindest damals und für den braven schwäbischen Mittelständler zutreffend gewesen sein mag – heute wird Sparsamkeit und Sparen nur noch denen zugemutet, die keine Unternehmer sind. StaatsDie Reichen praktizieren in diesem Sinne auch eine dauerverschuldung hafte Überschuldung sowohl der Unternehmen als auch des und Steuern Staates. Entgegen der öffentlichen Darstellung sind nicht nur die ›armen‹ Länder, sondern ausnahmslos auch alle ›reichen‹ Länder überschuldet. Diese Verschuldung ist auf regulärem Wege nicht mehr rückzahlbar. Über sie aber wird nicht öffentlich gesprochen, weil sie zu einer neuen Reichtumsquelle der Reichen und zu einer Verarmungsquelle der Armen geworden ist.47 Die Reichen nehmen über den Staat die Armen in Steuerhaftung. Letztere zahlen heute fast ausschließlich die Steu45 | Siehe Werner Rügemer, Capital Corruption – The Enron Case, in: Transparency International Newsletter, September 2002 46 | Siehe Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Tübingen 1934 47 | Siehe Rainer Roth, Das Kartenhaus. Staatsverschuldung in Deutschland, Frankfurt/Main 2000

36

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

ern (wozu immer mehr die weniger merkbaren Verbrauchssteuern und Verwaltungsgebühren zählen) zur Aufrechterhaltung des Staates und seiner Dauer-Zinsverpflichtungen, während sich die Reichen der ›Null-Steuer‹ nähern.48 Sie tun dies teilweise durch gesetzlichen und praktischen Verzicht des Staates, teilweise durch gesetzwidrige Steuerhinterziehung, teilweise in einer Grauzone zwischen beidem. Auch damit ist ein Endpunkt erreicht: Gehörte es von Anfang an zum Selbstverständnis der bürgerlichen Eigentümerdemokratien, dass jeder Eigentümer entsprechend seinem Vermögen durch Steuern zum Bestreiten des staatlichen Aufwandes beizutragen habe, und gilt dieses Besteuerungsprinzip in allen Staaten rechtlich noch immer, so haben sich die gegenwärtig dominierenden Reichtumsformen vom Willen und von der Theorie her grundsätzlich und fast auch schon in der Praxis davon verabschiedet. Die etwas unklare Verpflichtung des Eigentums auf das ›Gemeinwohl‹, wie es etwa im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgehalten ist – »Eigentum verpflichtet!«49 –, ist gewiss einseitig und lückenhaft, aber besteht im Selbstverständnis der Reichen auch in dieser Form nicht mehr. Die etwa noch gezahlten Minimalsteuern auf Einkommen und Gewinn stellen Residualbeträge dar, die man aus Opportunitätsgründen noch nicht vollständig kappen konnte. Umkehrung der Verhältnisse? Scheinbar! Nicht mehr die Reichen sollen sparen, sondern nur die Armen. Sie sollen nicht mehr aus staatlichen oder gemeinschaftlichen Sicherungssystemen unterstützt werden, sondern die Reichen verlangen staatliche Profitratensubvention. Nun ist die geschilderte Doppelmoral der Reichen nur mög- ›Aufwärtssolidarilich, weil auch die Armen sie sich weitgehend zu eigen machen tät‹ der Armen bzw. aus ihrer moralisch spiegelbildlichen Praxis entwickeln. mit den Reichen Dies geschieht freilich unter der Bedingung, dass ihnen die reale Durchführung nur auf einem qualitativ niedrigeren Niveau möglich ist. Auch für die Kriminalität und den Moralverfall gilt die qualitative Grenze zwischen arm und reich. Steuerhinterziehung etwa ist ›Volkssport‹ geworden, aber zähneknirschend 48 | Siehe Fußnote 13; siehe ebenfalls Werner Rügemer, Die Mär vom Spitzensteuersatz – wieviel Steuern Unternehmen wirklich zahlen, in: junge Welt, Ausgabe vom 3.11.1997 49 | Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 14

37

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

müssen die Lohn- und Gehaltsempfänger den automatischen Abzug der wachsenden Steuern (einschließlich der besonders schnell wachsenden Verbrauchssteuern) und ihre geringen Möglichkeiten der Steuerverkürzung dulden, während die Reichen sich ›steuergestaltend‹ der ›Null-Steuer‹ nähern und für die Unternehmen die Mehrwertsteuer nur ein durchlaufender Posten ist. Es hat sich auch bei den Armen, ob lohnabhängig oder nicht, weitgehend das Prinzip durchgesetzt, das sie bei den Reichen bewundern: Wer erfolgreich ist, hat und bekommt Recht, wie unrechtmäßig er auch zu Erfolg und Reichtum gekommen ist. »Die Auffassung, dass allein der Erfolg zählt, hat sich immer stärker auch bei den Armen und Benachteiligten durchgesetzt. Dazu gehört Schwarzarbeit und der unrechtmäßige Bezug von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe«, berichtet Jürgen Espenhorst vom »Amt für Industrie- und Sozialarbeit der Evangelischen Kirche«. Daraus resultiert die, wie er sie nennt, »Aufwärtssolidarität« der Armen mit den Reichen.50 Die Armen möchten auch reich werden und sich derselben Methoden bedienen wie ›die da oben‹. Freilich stehen dazu nur bescheidene und illusionäre Mittel zur Verfügung. Ein beliebtes Betätigungsfeld für Individuen, die sich zu den cleveren, modernen und auch Besserverdienenden zählen, ist die Aktienbörse. Sie ist jedoch in der Hand mächtiger Reichtumsagenten wie Investment- und Emissionsbanken und institutioneller Anleger. Nur solche Insider gewinnen hier dauerhaft und in großem Umfang. Der gewöhnliche Aktienbesitzer, der erst in der Zeitung die Börsenkurse studiert oder sich in den Fernsehnachrichten ›informiert‹, hat schon verloren. Die regelmäßige Kapitalvernichtung durch Kursverfall ist in Wirklichkeit eine Kapitalumschichtung, denn das für den Kauf der Aktien eingesetzte Geld ist ja nicht verschwunden, freilich ist es nun auf einem anderen Konto. Obwohl wie in den letzten Jahren wieder weltweit Millionen von Anlegern, die bis in die nominell vermögenden Gruppen reichen, auf diese Weise betrügerisch um Hunderte von Milliarden Dollar gebracht wurden, gibt es hier bestenfalls punktuellen juristischen Protest gegen allzu offensichtliche Insidergeschäfte. Das Märchen von der Kapitalvernichtung aber wird geglaubt, die Lämmer schweigen mit 50 | »Lauschangriff aufs große Geld«, DeutschlandRadio vom 8.3.1998

38

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

den Wölfen, und die Hoffnung auf den nächsten Kursgewinn entsteht wieder neu.51 Andere Gruppen der Armen sind schon zufrieden, wenn sie wenigstens das Etikett auf dem Imitat der Modebekleidung oder dem gepanschten Luxuswein zur Schau stellen können. Massenmedien lassen die besonders Armen an den Intimitäten der Reichen teilhaben und gewähren Blicke in das vermeintliche Lotterbett und in die Unterhose des dafür auserkorenen Glamourpersonals. Zum zähen Kitt der widersprüchlichen Einheit von reich und arm gehören etwa auch das wöchentliche Lotto- und Totospiel und ähnliche Glücksspiele. Sie sind die Aktienbörsen der Armen. Die tatsächlichen Aussichten, Millionär zu werden, sind auch hier denkbar schlecht, aber Millionen Arme machen in einer Mischung aus Hoffnung, Resignation, Wut und Selbstironie immer wieder mit, in Dresden und Dortmund ebenso wie in den Slums von Manila und Mexiko City – soweit sie nicht zu denen gehören, die auch dafür das Geld nicht haben. Regsame Selbsterblindung | Die verschlungene, traditionsreiche und perverse Gemeinschaft von Armut und Reichtum hat selbstverständlich einen vielfältigeren Kitt hervorgebracht als das Börsen- und Glücksspiel. Das »Bereichert Euch!« der Reichen und das illusionär-resignierte Mittun der Armen hat vielfältige Begleitung. Dies ist zunächst deshalb der Fall, weil das gesellschaftliche arm-reich-Gefüge sehr vielgestaltig ist. Für den Zusammenhalt sind einerseits die Zwischenschichten wichtig. Sie repräsentieren für die Armen eine nahe Aufstiegsmöglichkeit, und sie produzieren vieles von dem, wovon auch manche Arme und auch manche Reiche etwas haben: Bildung, Dienstleistungen, Kultur. Zum anderen sind die Gruppen, Schichten und Klassen der Soziale Reichen und Armen hochgradig in sich zerklüftet. Und da in der und geistige Gesellschaft ein vollständiges Bild von sich selbst fehlt – die Rei- Zerklüftung chen fürchten es und setzen alles daran, es zu verhindern; die Armen sind nicht in der Lage, es zu entwickeln, fürchten durchaus auch die Wahrheit über sich selbst –, ist die soziale Erkenntnistätigkeit von oben bis unten vor allem darauf gerichtet, die 51 | Siehe Werner Rügemer, Das Schweigen der Lämmer und der Wölfe, in: junge Welt, Ausgabe vom 6.6.2001

39

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

nächstliegenden Gruppen zu betrachten, zu beneiden, zu verachten, zu imitieren. Diese soziale und geistige Wuselei wird von einem durchaus leistungsfähigen, sozial differenzierten Kultur-, Tourismus-, Sport-, Unterhaltungs-, Pornografie-, Prostitutionsund Medienbetrieb befördert. Sie ist in Wirklichkeit geistige Erstarrung und regsame Selbsterblindung, so wie sie Heinrich Heine (1797–1856) in seinen Sittenbildern aus dem enthemmten Kapitalismus Frankreichs geschildert hat52 und wie sie heute in ungleich qualifizierterer Form die Nichterkenntnis des Verhältnisses von arm und reich begleitet. Bourdieu hat die hochgradige Vielfalt dieses Betriebes untersucht. Zu dessen Merkmalen gehört auch die Fähigkeit, Ansätze und Bewegungen der Kritik und der Revolte mit kundiger Hand in Posen zu transformieren, die den nach Kritik und Revolte Bedürftigen schicht-, gruppen-, regional- und geschlechtsspezifisch immer etwas Aufmunterndes und Interessantes bieten.53 Die Rockgruppe »Rolling Stones« wäre hier ebenso zu nennen wie, auf ein ganz anderes Milieu bezogen, etwa die deutsche Malergruppierung der »Jungen Wilden« (Lüpertz, Immendorf und andere). Sie sind Schauspieler erstarrter Posen von Aufruhr, Kritik und Revolte. Bei den Parteien sind das in Deutschland die »Grünen«, die mit einem wenn auch verblassten, aber immer noch nostalgisch transportierten Flair der Opposition (in Einzelfällen gar mit dem anrüchig-schaurigen Image des Steinewerfers) den politischen Apparat der Reichtumsverteidigung verjüngen. Ästhetik Der Betrieb der regsamen gesellschaftlichen Selbsterblindung ist von einer besonderen Ästhetik geprägt. Sie bewegt sich spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg zwischen inhaltsleerer Abstraktion und naturalistischem Kitsch. Beide Extreme entstanden etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Westeuropa (abstrakte Kunst einerseits und öffentlicher Naturalismus andererseits), also in der Epoche der großen Auseinandersetzungen um ein qualitatives neues Verhältnis zwischen arm und reich. Die abstrakte Kunst gestaltet die prinzipielle Nichtaussage, der Naturalismus das krude, illusionäre Glücksversprechen.54 Diese wider52 | Siehe Fußnote 1 53 | Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, a. a. O., S. 460 54 | Siehe dazu genauer Hans Heinz Holz, Der Zerfall der Bedeutungen, Bielefeld 1997; zur Ästhetik siehe Thomas Metscher, Mimesis (Bibliothek dialektischer Grundbegriffe, Band 10), Bielefeld 22003

40

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

sprüchlich scheinende Ästhetik der gegenwärtigen kapitalistischen Moderne durchzieht die künstlerischen Ausdrucksformen in Literatur, Kunst, Unterhaltung und wirkt auch in Wissenschaft und Philosophie, nicht zuletzt auch in der öffentlichen Sprache. Die geistig anspruchsvolle Weltferne hat hier ebenso ihren Platz wie das politische Versprechen auf die plötzliche Schaffung neuer Arbeitsplätze in der nächsten parlamentarischen Wahlperiode. Eine wesentliche Macht für die Organisation der die gespal- Staatsreligionen tene Welt versöhnenden Moral stellen die großen verkirchlichten als Klammern um Religionsgemeinschaften dar. Seit ihrer jeweiligen Erhebung zu arm und reich Staatskirchen stehen sie, Islam, Buddhismus wie Christentum, auf der Seite der Armen und des ›einfachen Volkes‹. Sie predigen, so das Christentum, die entsagungsvolle Armut als die vorbildliche Lebensführung, in der sich Gott offenbare, und ohne die kein Heil möglich sei. Sie betätigen sich zugleich als große Eigentümer, agieren politisch auf der Seite des Reichtums und segnen Diktatoren und Flugzeugträger. Obwohl der Sozialismus oder Kommunismus zumindest vom Anspruch her eher der von den Religionsgründern geforderten Lebensführung entspricht als die vom jeweiligen Reichtum beherrschte Gesellschaftsform, war und ist dem verkirchlichten und verstaatlichten Christentum die generelle Ablehnung einer eigentumsmäßig egalitären Gesellschaftsordnung sozusagen eingeboren: »Der verwirklichte Kommunismus […] ist der zum Ausbruch gekommene, verhaltene Grimm der Armut oder der Ärmeren gegen den Reichtum«, so wetterte Johann Hinrich Wichern (1808–1881), ein kirchlicher Sozialpolitiker, gegen den befürchteten Aufstand seiner Klientel, die er im Interesse seiner geschäftsmäßig aufgezogenen Fürsorge nicht verlieren wollte.55 Dagegen wurden die an der Armut orientierten Bewegungen, die im Kontext entfesselten Reichtums entstanden und zeitweise großen Einfluss im Volk erreichten, schließlich kirchlich umfunktioniert, wie die Bettelorden des Mittelalters, oder sie kamen über eine Randexistenz innerhalb der Kirchen nie hinaus, wie die südamerikanische Befreiungstheologie des 20. Jahrhunderts oder die zahlreichen Armen- und Arbeiterpriester, die zwar geachtete, aber gefährdete Einzelerscheinungen blieben. Das in 55 | Zitiert nach Ernst-Ulrich Huster, Stichwort »Armut«, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Hamburg 1990, Bd. 1, S. 258

41

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

allen Großreligionen ursprünglich festgelegte Zinsverbot wurde zuerst im Protestantismus aufgehoben. Dem folgten die anderen Staatsreligionen zumindest in der Praxis. Im Islam besteht das Zinsverbot theoretisch immer noch, genauso wie das Alkoholverbot. Beide Verbote werden aber vor allem von den neuen kapitalistischen Eliten kunstreich umgangen. Die ansatzweise Kritik von Jesus an jüdischen Geldwechslern, die zugleich hörige Kollaborateure der römischen Besatzungsmacht waren, wurde in den christlichen Großkirchen ihres Realgehalts entkleidet und als innerliche Duldungshaltung gegenüber dem Reichtum umgedeutet. Dagegen ist der korruptive Spagat moderner christlicher Parteien den Kirchen ein Wohlgefallen. CDU und CSU in Deutschland etwa gerieren sich mit christlichem Anspruch als ›Volksparteien‹ und handeln gleichzeitig und mehr unter der Hand, dafür praktisch umso eindeutiger, als so genannte Wirtschaftsparteien. Diese verblödende Versöhnung von Armut und Reichtum ist notwendigerweise mit politischer Korruption verbunden, z. B. der legalisierten wie illegalen Finanzierung dieser Parteien durch die Reichen und deren Lobby wie den »Bundesverband der Deutschen Industrie« und die »Deutsche Bank«, die gewiss und auch nach eigenem Eingeständnis keinerlei christliche Ziele verfolgen.56 Die wesentliche Verantwortung für die damit bewirkte Auszehrung der zwischenzeitlich durch Widerstand immer wieder, aber nie dauerhaft erreichten Zivilisierung und Humanisierung fällt hier freilich denen zu, die für sich allein die eigentliche Verantwortung nicht nur reklamieren, sondern auch staatlich und gewaltmäßig absichern. »Die Finanzaristokratie«, stellte Marx im Blick auf das ›Enrichissez-vous‹ im expandierenden französischen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts fest, »in ihrer Erwerbsweise wie in ihren Genüssen, ist nichts als die Wiedergeburt des Lumpenproletariats auf den Höhen der bürgerlichen Gesellschaft.«57 Menschliche Nur der Teufel hat keine Zeit oder: der humanisierte ReichArbeit und Natur tum | Da Reichtum als menschliches Eigentum von Natur aus 56 | Siehe Werner Rügemer, Wirtschaften ohne Korruption? Frankfurt/ Main 1996, S. 98 ff. 57 | Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, in: Marx-Engels-Werke, Band 7, Berlin 1960

42

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

nicht vorhanden ist, muss er erst geschaffen werden, und zwar durch Umgestaltung und Kombination der vorhandenen Materialien. Dies ist seit Bestehen der Menschheit nicht anders möglich als durch menschliche Arbeit. Dabei muss der Mensch für sein Überleben selbstverständlich der Natur Gewalt antun, er kann sie nicht lassen, wie er sie vorfindet. Sie ist ihm teilweise freundlich, teilweise tödlicher Feind. Ohnehin ist auch die Natur nichts Fertiges, sondern sie ändert sich selbst, und zwar vielfach mit ungeheurer Gewalt. Des Weiteren muss der Mensch auch sich selbst Gewalt antun, denn er ist Teil der Natur, die nicht weiß, wie sie sich entwickeln soll und kann. Sackgassen sind in der Natur nichts Ungewöhnliches. Der Mensch muss sich eine soziale, arbeitsteilige Form geben, damit er seine örtlich, geistig und zeitlich begrenzte Kraft potenziert. Er muss sich gegen ›natürliche‹ Neigungen der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung disziplinieren, sich selbst beherrschen, sich selbst Gewalt antun, um dauerhaftes, würdiges Leben zu gestalten. Nicht alle Menschen sind gleichzeitig zu einem solchen Verhalten fähig. Zudem herrscht in der Situation des noch nicht errungenen Reichtums und der durch sie ermöglichten Freiheit der unmittelbare Handlungs- und Entscheidungsdruck aus Gefahr, Hunger, Durst, Naturgewalt, Armut und Lohnarbeitsverhältnis. Zeit, Raum und Mittel sind knapp. So entstand das Problem und es entsteht immer wieder bis heute, dass nicht jedes einzelne Individuum die notwendige Gewalt gegen sich selbst anwendet. So stehen einzelne Individuen im Zwang, die notwendige Gewalt gegen andere Individuen zu richten und sie in der Gemeinschaft und zur notwendigen Arbeit zusammenzufassen.58 Wir können heute schwer beurteilen, wie sich die Akteure der ersten so entstandenen wichtigen Klassengesellschaften dieses Dilemmas bewusst waren. Wir kennen die Ergebnisse, auch philosophische. Der klassisch verbildete Bildungsbürger, der die griechische Philosophie bewundern und sich an der Nikomachischen Ethik erfreuen mag, hat normalerweise verdrängt, wie der achtbare Aristoteles die arbeitende, arme Mehrheit aus der πüλισ (polis, Stadt) und vom Menschentum ausschließt.

Menschliche Selbstdisziplinierung

Reichtum und Menschsein bei Aristoteles

58 | Siehe Werner Rügemer, Philosophische Anthropologie und Epochenkrise, Köln 1980, und die Herr-Knecht-Dialektik in Hegels Phänomenologie des Geistes.

43

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Eigentum und Reichtum sind nach Aristoteles die Voraussetzung dafür, »damit die Tugend entstehen und politisch gehandelt werden kann.« So weit, so gut, jedenfalls im Allgemeinen. Dies bedeutete aber auch, dass diejenigen, die eigentumslos den Reichtum erarbeiteten, nicht zur polis gehörten und keine Menschen waren: »Die Banausen gehören nämlich nicht zum Staate, noch auch irgend eine andere Klasse, die nicht die Tugend zur Aufgabe hat. […] So muß denn auch der Besitz diesen Bürgern gehören, weil die Bauern Sklaven sein sollen oder umwohnende Barbaren.« Mitleid mit den etwa drei Viertel vom Menschsein Ausgeschlossenen hatte man nicht, man fürchtete lediglich herrschaftstechnisch: »[…] die Armut führt zu Aufruhr und Verbrechen«59, was möglichst zu verhindern oder notfalls niederzuschlagen bzw. zu bestrafen sei. Im »Römischen Imperium« wurde das ebenso gehandhabt. … in der Neuzeit Das zwischenzeitlich durch das Christentum von oben in den Umgang mit den Armen eingeführte Mitleid und die für sie entwickelte Fürsorge wurden im aufstrebenden Wirtschaftsliberalismus, wie bei Mandeville und Smith, zur coolen Herrschaftstechnik degradiert. Die Reichtumsproduktion wurde aus ethischer Beschränkung befreit. Der möglichst billig produzierte und möglichst umfangreich angehäufte Reichtum erscheint nun als absoluter Zweck des Menschen und der Produktion. Man mag vielleicht dem Lob des produktiven Lasters seitens Mandeville noch die Unschuld des erfolgreichen kapitalistischen Neuanfangs zubilligen, der von einer in räuberischer Brutalität und Korruption erfahrenen Monarchie und der Kirche Ihrer Majestät gestützt wurde, aber die Wiederholung heute ist nicht nur eine Farce, sondern ein endgültiges Verbrechen. … und heute Die aggressive neoliberale Ideologie, die heute vorherrscht, stellt im Prinzip eine Rückkehr zum frühen englischen Wirtschaftsliberalismus dar. Friedrich von Hayek (1899–1992), der mit seiner Parole »Mehr Freiheit, weniger Staat!« in seinem Buch The Road to Serfdom den entscheidenden theoretischen Anstoß gab, griff auf Mandeville zurück.60 Man wird aufschlussreiche Parallelen entdecken, wenn man die mandevillesche Elite Revue passieren lässt: Ärzte, die nicht als Ärzte handeln, sondern als Kaufleute und deshalb die Kranken nicht heilen, sondern zur 59 | Aristoteles, Politik, München 1973, 1329a und 1265b 60 | Friedrich von Hayek, The Road to Serfdom, London 1944

44

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Reichtumsquelle umfunktionieren, Advokaten, die das Recht verdrehen, Richter, die die Hand aufhalten, egoistisch-korrupte Politiker. Mandeville hat dies auf eine erfrischend offene Formulierung gebracht, noch bevor er durch die neueren Erscheinungen von corporate crime, Weiße-Kragen-Kriminalität und legalem Betrug61 bestätigt werden konnte: »Wie hat’s ein solches Land doch gut, wo Macht ganz auf Verbrechen ruht!«62 Doch die These, wonach die ethisch befreite Reichtumsakkumulation gegen den Willen der Akteure faktisch doch ins Allgemeinwohl umschlage, wurde während der letzten Jahrzehnte in den kapitalistischen Hauptländern wie im globalen Maßstab (wieder) widerlegt. Die vergleichende Untergangsforschung zeigt, dass gerade im Hoch- und Endstadium eines gespaltenen Gewinnsystems die Möglichkeiten der schnellen und immer noch größeren Selbstbereicherung wachsen – und genutzt werden. Dies gilt hinsichtlich des Konkurses von Einzelunternehmen wie gegenwärtig in den USA, wo die Insidergeschäfte des Topmanagements ins ›Unermessliche‹ steigen und der Mehrzahl der Beschäftigten wie bei den Weltkonzernen »Enron« und »Worldcom« alles genommen wird, einschließlich der aktienfinanzierten Renten.63 Dies gilt auch im Zusammenbruch ganzer Imperien wie, immer noch beispielhaft, des römischen und in neuerer Zeit des Nationalsozialismus und von Diktaturen in der ›Dritten Welt‹. »Time is money!« Diese harmlos klingende Formulierung erweist ihren wahren Gehalt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der kapitalistische Profit nur in der immer schnelleren Übervorteilung der anderen Kapitalisten und Finanzjongleure und des Publikums möglich ist, aber auch in der Vernutzung der natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft. Denn die Anhäufung des Reichtums, einmal legitimiert und aus jeglicher Kontrolle entlassen, kennt für sich keine Grenzen und überschreitet bei Bedarf und Möglichkeit noch jede Grenze, die es bisher gab. Kriege werden geführt, Menschenrechte werden nicht nur mit Füßen getreten, sondern demagogisch für die eigenen egoisti61 | Siehe Dieter Schenk/Hans See (Hg.), Wirtschaftsverbrechen, Köln 1992; siehe auch Fußnote 45 62 | Siehe Fußnote 22 63 | Werner Rügemer, Die große Aufblähung. Warum die Wirtschaft der USA größer erscheint als sie ist, in: Kommune 8(2002)

45

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

schen Ziele instrumentalisiert. Den Akteuren ist aber klar, dass es nicht endlos so weitergehen kann. So kann gerade die ausufernde modernste Form der kapitalistischen Reichtumsmehrung nicht dauern, sondern untergräbt sich selbst. Sie ist ein Wettlauf mit der Zeit. Irgendwann können die Armen aufwachen und sparen nicht mehr. Das Prinzip wurde in der Offenbarung des Johannes schon formuliert: »Der Teufel kommt zu euch hinab […], und er weiß, dass er wenig Zeit hat.«64 Der Aufruhr kam noch in jeder extremen Reichtumsgesellschaft, selbst wenn am Ende nur das profitierende Personal ausgetauscht wurde. Weil ›der Teufel‹ das weiß und ein Ende vor sich sieht – meist im Unterschied zu den Armen, die kein Ende ihrer Armut absehen –, muss er im Prinzip zu jedem Verbrechen bereit sein, da er mit Frieden, Rechtsstaat und den ›Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns‹, die immer noch in den Ehrenkodexen der Industrie- und Handelskammern ihr fossiles Dasein haben, in Konflikt geraten muss. So ist es reichlich naiv, wenn heute wie von der Bundesregierung in ihrem Bericht gesagt wird, »dass Reichtum wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft im ökonomischen, sozialen und kulturellen Bereich hat.«65 Wichtige Funktionen – ja, aber welche genau? Wichtig, das besagt alles und nichts. Damit sagt die Regierung in wichtig scheinenden Worten, dass sie erstens (scheinbar) keine Stellung bezieht und dass sie zweitens aber die von ihr selbst unausgesprochenen Funktionen des Reichtums befürwortet. Das ist der Unterschied zum frühbürgerlichen Liberalismus: kein Unterschied in der Sache, aber verquast in abstrakter Sprache. Differenzierter und offener äußert sich Niklas Luhmann (1927–1998): Das Gesellschaftssystem nach dem Modell der Bienenfabel sei »als moralisches Paradox nur noch schockierend, in der Sache selbst aber harmlos und ordnungsfähig«.66 Moral ist ein abschmelzender Residualposten. Dass Dauerkorruption und Reichtumskriege mit ihren ›Kollateralschäden‹ harmlos und ordnungsfähig sind, ist mit einem (scheinbar) inhaltsleeren Systembegriff gewiss denkbar. Danach ist ja alles eine Ordnung, was 64 | Offenbarung des Johannes (Apokalypse) 12,12 65 | Siehe Fußnote 2 66 | Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt/Main 1994, S. 156

46

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

eine gewisse Zeit irgendwie funktioniert. Damit bringt Luhmann die postmoralische Globalisierung auf ihren Systembegriff. Reichtum als relative Unabhängigkeit von Natur- und Gesellschaftskatastrophen ist Voraussetzung dauerhafter Menschenwürde, wenn wir Menschen denn schon allein auf der Welt sind und es kein ›besseres Jenseits‹ gibt. Aber es gibt ein Jenseits des natürlich und historisch unmittelbar Gegebenen – in der Moral. Und es gibt ein Jenseits etwa der heute vorherrschenden Praxen von ›Fressen, Ficken und Fusionieren‹ – in der freien Assoziation, die auch die Assoziation oder Gemeinschaft der Freien ist. Was in der europäischen Aufklärung einmal ›Glückseligkeit‹ hieß und auch anders genannt werden kann, hat ›Reichtum‹ als eine Voraussetzung. »Es kann sogar in gewissem Betracht Pflicht sein, für seine Glückseligkeit zu sorgen; teils weil sie (wozu Geschicklichkeit, Gesundheit, Reichtum gehört) Mittel zur Erfüllung seiner Pflicht enthält, teils weil der Mangel derselben (z. B. Armut) Versuchungen enthält, seine Pflicht zu übertreten.«67 In diesem von der (Welt-)Gemeinschaft der Freien selbst verantworteten diesseitigen Jenseits hat allerdings Reichtum eine solche Gestalt, wie sie von Kant gemeint ist. Reichtum kann und muss auch individuell sein, aber vor allem muss er gemeinschaftlich sein.68 Kein Individuum, das nicht Eigentümer in relevanter Form, also reich ist, kann Mensch im jeweils möglichen Sinne werden. Dies wiederum ist nur möglich, wenn es eine mit den dafür notwendigen Instrumenten bewaffnete, gesellschaftliche Eigentumsordnung gibt. Das hat die bisherige Geschichte der Armut und des Reichtums gezeigt. Ebenfalls hat diese Geschichte gezeigt, dass im Allgemeinen und Abstrakten für die Humanisierung und Reichtumsbildung die Anwendung von Gewalt notwendig und sinnvoll ist. Die bürgerlichen Revolutionen zur Etablierung der kapitalistischen Reichtumsdemokratien, auf denen wir heute fußen, sind dafür ein beachtenswertes Beispiel. Freilich hat sich nicht zuletzt in ihrem Verfolg die Gewalt der Reichen gegen die Armen umgewendet. Diese Gewalt hatte und hat weltweit viele Formen. Die

Gemeinschaftlicher Reichtum

Humanisierende Gewalt

67 | Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Werke, Bd. 7, Frankfurt/Main 21977 S. 217 68 | Siehe Jörg Stadlinger, Reichtum und Individuum. Überlegungen zu einem philosophischen Reichtumsbegriff, in: ders. (Hg.), Reichtum heute, Münster 2001, S. 289

47

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

gegenwärtig vorherrschende Form hat, wie andere, historisch noch weiter überholte Formen, längst keine Legitimation mehr, sie ist abzuschaffen – mit Hilfe der dafür notwendigen Gewalt. Dies erfordert viele Vorbereitungen. Zwei seien beispielhaft genannt. Es ist zu erforschen, wie der Reichtum sich auf dem Territorium der gegenwärtigen reichen Staaten herausgebildet hat; dabei wäre nicht von der unprüfbaren Voraussetzung auszugehen, dass der ›weiße, männliche Mitteleuropäer‹ intelligenter sei als andere Erdbewohner; vielmehr wäre zu fragen, wie die Kombination der Naturvoraussetzungen – Verteilung des Wassers in einem regelmäßigen, verzweigten Flusssystem, gemäßigtes Klima, vielfältige Bodenschätze und ähnliches – in einer bestimmten Periode des Planeten und der Menschheit günstiger waren als anderswo. Die zweite von vielen Vorbereitungen, die weltweit im Gange sind, ist folgende. Das Fordern von Seiten der Residualbestände der Arbeiterbewegung an die Adresse der Gegenseite nach Arbeitsplätzen ist ein paradoxes, erstarrtes Ritual. »Wer beschafft jetzt Arbeitsplätze? Der Gegner, der Kapitalist?«, konstatiert Luhmann spitz.69 Das endgültig erschöpfte Paradox ist durch den Aufbau eigener Arbeitsformen aufzulösen. Verhandlungen über Löhne und Gehälter sind nur noch zusammen mit Gewinnermittlungen zu führen. Aber die ›Arbeitgeber‹ geben keine Sicherheit und sie zahlen an die Arbeitenden keinen Gewinn. Lohn und Gehalt sind mehr denn je im Wesen nur Fürsorge, sie sind unsichere und jederzeit widerrufbare Zugeständnisse, genauso wie die durch politischen Druck bewirkte Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Staat nur eine verkappte Form der vor- bzw. nachläufigen Fürsorge sind. Es ist unter der menschlichen Würde, Freiheit und Möglichkeit, dass die Mehrheit der Lebendigen, gefangen in der Herrschaft des Reichtums, für ewig auf Fürsorge angewiesen sei.

69 | Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, a. a. O., S. 157

48

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Weiterführende Literatur Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede, Frankfurt/Main 1988 Chossudovsky, Michel: Global brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg, Frankfurt/Main 2002 Domke, Monika: Leistung und Idylle. Frauen zwischen Markt- und Hauswirtschaft, Köln 1999 Fanon, Frantz: Die Verdammten dieser Erde, Reinbek 1969 Uwe Hirschfeld/Werner Rügemer (Hg.): Utopie und Zivilgesellschaft. Antonio Gramsci, Berlin 1990 Huster, Ernst-Ulrich: Stichwort »Armut«, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, hg. von Hans Jörg Sandkühler, Hamburg 1990, Bd. 1, S. 255 ff. Marx, Karl: Das Kapital, Bd. I, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, Berlin 1976 Roth, Rainer: Das Kartenhaus. Staatsverschuldung in Deutschland, Frankfurt/Main 2000 Rügemer, Werner: Anthropologie und Epochenkrise, Köln 1980 — Neue Technik – alte Gesellschaft. Silicon Valley, Köln 1984 — Wirtschaften ohne Korruption?, Frankfurt/Main 1996 — Grüezi – bei welchen Verbrechen dürfen wir behilflich sein? Die Schweiz als logistisches Zentrum der internationalen Wirtschaftskriminalität, Heilbronn 1999 — Colonia Corrupta. Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels, Münster 2002 Dieter Schenk/Hans See (Hg.): Wirtschaftsverbrechen, Köln 1992 Schui, Herbert/Eckart Spoo (Hg.): Geld ist genug da. Reichtum in Deutschland. Heilbronn 1996 Sen, Amartya K.: Poverty and Famines, Oxford 1981 Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen, München 1993 Stadlinger, Jörg (Hg.): Reichtum heute. Diskussion eines kontroversen Sachverhalts, Münster 2001 Tjaden-Steinhauer, Margarete: Stichwort »Armut/Reichtum«, in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, Berlin 1994, S. 608 ff. Welthaus Bielefeld (Hg.): Atlas der Weltverwicklungen. Ein Schaubilderbuch über Armut, Wohlstand und Zukunft in der Einen Welt, Wuppertal 2001 Ziegler, Jean: Wie der Hunger in die Welt kam, Berlin 2001

49

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

6- 49) T01_01 text.p 18334704828

Einsichten. Themen der Soziologie Bereits erschienen: Uwe Schimank, Ute Volkmann

Urs Stäheli

Gesellschaftliche

Poststrukturalistische

Differenzierung

Soziologien

1999, 60 Seiten,

2000, 88 Seiten,

kart., 9,00 €,

kart., 10,50 €,

ISBN: 3-933127-06-8

ISBN: 3-933127-11-4

Sabine Maasen

Klaus Peter Japp

Wissenssoziologie

Risiko

1999, 94 Seiten,

2000, 128 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., 12,00 €,

ISBN: 3-933127-08-4

ISBN: 3-933127-12-2

Volkhard Krech

Ludger Pries

Religionssoziologie

Internationale Migration

1999, 100 Seiten,

2001, 84 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., 9,50 €,

ISBN: 3-933127-07-6

ISBN: 3-933127-27-0

Raimund Hasse, Georg Krücken

Gunnar Stollberg

Neo-Institutionalismus

Medizinsoziologie

2000, 86 Seiten,

2001, 100 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., 10,50 €,

ISBN: 3-933127-28-9

ISBN: 3-933127-26-2

Theresa Wobbe

Paul B. Hill

Weltgesellschaft

Rational-Choice-Theorie

2000, 100 Seiten,

2002, 92 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., 9,50 €,

ISBN: 3-933127-13-0

ISBN: 3-933127-30-0

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

50- 51) anzeige einsichten in bdg frühjahr 2003.p 18334704836

Einsichten. Themen der Soziologie Bereits erschienen: Martin Endreß

Veronika Tacke

Vertrauen

Soziologie der Organisation

2002, 110 Seiten,

Mai 2003, ca. 100 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., ca. 10,50 €,

ISBN: 3-933127-78-5

ISBN: 3-933127-29-7

Jörg Dürrschmidt

Ansgar Thiel

Globalisierung

Soziale Konflikte

2002, 132 Seiten,

März 2003, 102 Seiten,

kart., 12,00 €,

kart., 10,50 €,

ISBN: 3-933127-10-6

ISBN: 3-933127-21-1

Stefanie Eifler

Hannelore Bublitz

Kriminalsoziologie

Diskurs

2002, 108 Seiten,

Mai 2003, ca. 100 Seiten,

kart., 10,50 €,

kart., ca. 10,50 €,

ISBN: 3-933127-62-9

ISBN: 3-89942-128-0

Thomas Kurtz

transcript Verlag (Hg.)

Berufssoziologie

CD-ROM Einsichten Vielsichten

2002, 92 Seiten, kart., 10,50 €,

Lesewege und Interviews zu

ISBN: 3-933127-50-5

Themen der Soziologie

Beate Krais, Gunter Gebauer

CD, 2,50 €,

Habitus

ISBN: 3-933127-79-3

2001, 150 Seiten,

2002, 94 Seiten, kart., 10,50 €, ISBN: 3-933127-17-3

Peter Weingart Wissenschaftssoziologie März 2003, 172 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 3-933127-37-8

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

50- 51) anzeige einsichten in bdg frühjahr 2003.p 18334704836

Bibliothek dialektischer Grundbegriffe Christoph Hubig

Hans Heinz Holz

Mittel

Widerspiegelung

2002, 48 Seiten,

März 2003, 82 Seiten,

kart., 7,60 €,

kart., 10,80 €,

ISBN: 3-933127-91-2

ISBN: 3-89942-122-1

Renate Wahsner

Jörg Zimmer

Naturwissenschaft

Metapher

2002, 48 Seiten,

März 2003, 52 Seiten,

kart., 7,60 €,

kart., 7,60 €,

ISBN: 3-933127-95-5

ISBN: 3-89942-123-X

Werner Rügemer

Angelica Nuzzo

arm und reich

System

2002, 48 Seiten,

April 2003, 48 Seiten,

kart., 7,60 €,

kart., 7,60 €,

ISBN: 3-933127-92-0

ISBN: 3-89942-121-3

András Gedö

Volker Schürmann

Philosophiegeschichte

Muße

2002, 48 Seiten,

April 2003, 48 Seiten,

kart., 7,60 €,

kart., 7,60 €,

ISBN: 3-933127-90-4

ISBN: 3-89942-124-8

Michael Weingarten

Michael Weingarten

Wahrnehmen

Leben (bio-ethisch)

April 2003, 48 Seiten,

April 2003, 48 Seiten,

kart., 7,60 €,

kart., 7,60 €,

ISBN: 3-89942-125-6

ISBN: 3-933127-96-3

Die Bibliothek dialektischer Grundbegriffe kann auch abonniert werden. Der Preis pro Band reduziert sich dann auf 5,50 € (mit Ausnahme des Bandes von Hans Heinz Holz).

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

08.04.03 --- Projekt: transcript.pantarei.bdg.armundreich / Dokument: FAX ID 01bf18334704652|(S.

52

) anzeige bdg.p 18334704852