Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht 9783504386597

Der „Köhler“ gewährleistet ein Höchstmaß an Beratungsqualität! Deutliche Hinweise vermeiden Haftungsrisiken. Tipps zu St

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Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht
 9783504386597

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Köhler Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht

Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht herausgegeben von

RA Wilfried J. Köhler, Köln bearbeitet von

RA Helmut Aschenbrenner, München Prof. Dr. Matthias Becker, Bad Münstereifel RR Dr. Sebastian Felz, M.A., Rheinbach RAin Ulrike Gantert, Karlsruhe Prof. Dr. Martin Häublein, Innsbruck/Berlin VorsRiLG Dr. Johannes Hogenschurz, Köln RA Wilfried J. Köhler, Köln RA Sebastian Leppla, Kaiserslautern RA Markus Maier, Köln RAuN Dr. Andreas Ott, Berlin RA Michael Peter, Bad Honnef RiAG Dr. Christian Queisner, Göttingen RA Dr. Holger Reichert, Mainz † RAin Daniela Scheuer, Köln RAin Susanne Tank, Hannover RA Michael Wolicki, Frankfurt/M.

4., neu bearbeitete Auflage

2020

Zitierempfehlung: Verfasser in Köhler, Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2020, Teil … Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-18072-0 ©2020 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nach dem Statistischen Jahrbuch 2018 annähernd 5,5 Millionen Eigentumswohnungen. Nicht nur diese Zahl, sondern auch die seit dem Redaktionsschluss der Vorauflage veröffentlichten, etwa 2.200 gerichtlichen Entscheidungen aller Instanzen und ca. 2.800 Aufsätze zum Wohnungseigentumsrecht und zu überschneidenden Rechtsgebieten lassen auf die erhebliche Bedeutung der Materie schließen. Die 4. Auflage des Anwalts-Handbuches greift die Rechtsentwicklung seit 2012 für die Praxis auf. Eine leichte Änderung der Struktur des Werkes und die Aufnahme von zusätzlichen Themenbereichen sind der dynamischen Entwicklung geschuldet. Bei der rechtsanwaltlichen Beratung und der forensischen Tätigkeit im Bereich des Wohnungseigentumsrechts dürfen Überschneidungen mit anderen Rechtsgebieten nicht unbeachtet bleiben. Derjenige, der sich mit vermeintlichen „Randgebieten“ beschäftigt, wird sehr schnell feststellen, dass diese Gebiete Rückkopplungseffekte auf das zentrale Wohnungseigentumsrecht haben und durchaus grundlegende Fragen zu seinem Kernbereich aufwerfen können. Eine vertiefte Betrachtung dieser „Randgebiete“ ist für die rechtsanwaltliche Praxis deshalb nicht nur nützlich, sondern geboten. Das Anwalts-Handbuch versucht deshalb, solche vermeintlichen Rand- oder Nebengebiete zu erschließen und ihre Verbindungen zum Wohnungseigentumsrecht herauszuarbeiten – um auf diesem Weg auch für Gerichte, Wohnungseigentumsverwalter und interessierte Wohnungseigentümer ein Hilfsmittel zu sein. Das Insolvenzrecht ist ein solches „Randgebiet“, das sicher nicht zu den Kerntätigkeiten eines Wohnungseigentumsrechtlers gehört – umso wichtiger ist die systematische Darstellung der Berührungspunkte zwischen Wohnungseigentums- und Insolvenzrecht. Dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seiner Treuepflicht ausnahmsweise gegenüber den anderen Eigentümern oder dem Verband gezwungen sein könnte, von seinem Stimmrecht in einer ganz bestimmten Weise Gebrauch zu machen, ist bekannt und auch vom BGH in seiner Entscheidung vom 23.2.2018 (V ZR 101/16) bestätigt worden. Dass aber auch der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Wohnungseigentümers von dieser Treuepflicht erfasst wird, müssen sich nicht nur Insolvenzverwalter erst einmal bewusst machen. Insolvenzverwalter nehmen die Position des insolventen Eigentümers ein und haben deshalb auch seine Pflichten wahrzunehmen, wozu auch die Erfüllung von Treuepflichten gehört. Schadensersatzansprüche, die einzelne Eigentümer oder der Verband wegen Verletzung dieser Treuepflicht haben könnten, sind Masseverbindlichkeiten. Bei insoweit nicht ausreichender Masse haftet der gegen die Treuepflicht verstoßende Insolvenzverwalter allerdings nicht persönlich. Queisner hat diese Problematik – und zahlreiche andere für Wohnungseigentumsrechtler wichtige Fragestellungen an der Schnittstelle Insolvenzrecht/Wohnungseigentumsrecht – in unserem neuen Teil 23 auf den Punkt gebracht. Ebenfalls ein (vermeintliches) „Randgebiet“ ist das technische Sicherheitsrecht, das auch für Eigentümergemeinschaften gilt, jedoch in der wohnungseigentumsrechtlichen Literatur bisher nur punktuell behandelt wurde. Felz verdeutlicht in unserem neuen Teil 9 anhand einschlägiger Rechtsprechung, dass alle Beteiligten am Wohnungseigentum – einzelne oder mehrere Wohnungseigentümer, der Verband der Wohnungseigentümer und der WEG-Verwalter – als „Zielpersonen“ für Ordnungsverfügungen und strafrechtliche Ermittlungen im Fokus der Behörden stehen können. Dabei ist es gleichgültig, ob es um die Eichpflicht (und die damit zuV

Vorwort

sammenhängende Abrechnungsproblematik bei nicht geeichten Zählern), baurechtliche oder ordnungsrechtliche Fragen (Rettungswege, Brandschutz oder Brandlastenentfernung in Treppenhäusern oder Garagen), Trinkwasserschutz oder „einfaches“ Sicherheitsrecht von Aufzügen geht. Felz erörtert auch Arbeitsschutzgesetze, Arbeitsschutzverordnungen sowie untergesetzliche technischen Regeln für überwachungsbedürftige Anlagen und stellt – oft überraschende – Bezüge zum Wohnungseigentum und zur Verwalterpraxis dar. Diese Gesetze, Verordnungen und untergesetzlichen Regeln können durchaus unmittelbare Pflichten für Wohnungseigentümergemeinschaften und den WEG-Verwalter schaffen und insbesondere die einzuhaltenden Verkehrssicherungspflichten konkretisieren. Arbeitsrechtliche und versicherungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum sind mir in meiner anwaltlichen Tätigkeit immer wieder begegnet, und auch Fragen von Kolleginnen und Kollegen in diese Richtung zeigen, dass eigenständige Teile zum Arbeitsrecht und zum Versicherungsrecht im Handbuch praxisrelevant sind. Mit meinen Ausführungen zu diesen Rechtsmaterien (neue Teile 17 und 18) möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass „über den Tellerrand“ geschaut werden kann, denn Arbeitsgerichte haben nur ganz selten mit wohnungseigentumsrechtlichen Grundfragen – rechtliche Stellung des Verwalters, Aufgaben und Befugnisse von Eigentümerversammlungen, Bedeutung einer Gemeinschaftsordnung usw. – zu tun. Gleiches gilt auch für die Abteilungen und Kammern der Gerichte, die sich mit versicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum auseinandersetzen müssen. Von der anderen Seite betrachtet – von der Seite der wohnungseigentumsrechtlichen Fachgerichte – gilt ähnliches; diese Gerichte haben geringe Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht oder dem Versicherungsrecht. Arbeitsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundfragen können aber durchaus Auswirkungen haben auf die wohnungseigentumsrechtliche Betrachtungsweise und Einfluss nehmen auf gerichtliche Entscheidungen. Das Datenschutzrecht – mit dem ich mich im neuen Teil 15 auseinandersetze – hat bis vor kurzem nur wenige Fachleute beschäftigt, im Wohnungseigentumsrecht fristete es sogar nur ein „Kümmerdasein“. Erst mit dem Wirksamwerden der Datenschutz-Grundverordnung am 25.5.2018 (die allerdings schon am 27.4.2016 vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet worden war) fiel auch der Wohnungseigentumspraxis auf, dass hier Interessen der Wohnungseigentümer, des Verbandes und Interessen von Verwaltern kollidieren und behördliche Maßnahmen auslösen können – deren Zielrichtung und Berechtigung aber durchaus kritisch betrachtet und überprüft werden müssen. Alle Teile des Handbuchs sind von den Autorinnen und Autoren grundlegend erarbeitet oder überarbeitet worden und bilden so weit wie möglich den neuesten Rechtsprechungs- und Diskussionsstand ab. Frau Kollegin Scheuer hat den Teil 4 (Eigentümerversammlung) übernommen und neu bearbeitet. Der Teil 8 (Instandhaltung pp) ist nunmehr von Herrn Kollegen Peter bearbeitet worden. Die Teile 12 (Sondernutzungsrechte) bzw. 14 (Verwaltungsbeirat) haben Herr Kollege Ott bzw. Herr Prof. Häublein in Alleinautorenschaft übernommen und überarbeitet. Herr Kollege Maier hat sich der Aufgabe unterzogen, die Teile 16 (Hausordnungsfragen) und 26 (Streitwert) zu bearbeiten. Die besonderen Maßnahmen gegen Wohnungseigentümer bei Hausgeldschulden sind nunmehr von Herrn Kollegen Leppla in den separaten Teilen 21 (Zwangsversteigerung) und 22 (Zwangsverwaltung) dargestellt worden. Herr Kollege Dr. Holger Reichert, Rechtsanwalt in Mainz, der an allen bisherigen Auflagen mitgewirkt hatte, ist während der Arbeit an dieser Neuauflage verstor-ben, was mich tief und VI

Vorwort

schmerzlich berührt hat. Ich habe mit Herrn Kollegen Reichert gerne zusammengearbeitet, auch über das Anwalts-Handbuch hinaus, und werde ihn als kenntnisreichen und engagierten Fachmann in Erinnerung behalten. Frau Kollegin Susanne Tank hat sehr kurzfristig als Autorin den wesentlichen Beitrag zum Teil 13 (Verwaltungsverhältnis) geleistet, wofür ich sehr dankbar bin. Das Anwalts-Handbuch bietet ein Forum für unterschiedliche und kritische Meinungen zu vielen Rechtsfragen, so dass nicht erstaunen darf, in diesem Handbuch keine „Einheitsmeinung“ zu finden. Unser Rechtsgebiet lebt von der Diskussion, dem Hinterfragen und dem Weiterentwickeln von Rechtspositionen – das soll auch in dem vorliegenden Werk bewusst praktiziert werden. Damit bietet es wichtige Ansatzpunkte und Argumente für die Beratungsund Verwaltungspraxis und für gerichtliche Auseinandersetzungen. Ich danke allen Autorinnen und Autoren für ihre Bereitschaft, das Anwalts-Handbuch mitzugestalten, und für ihren großen Arbeitseinsatz. Es ist nicht selbstverständlich, neben der eigentlichen beruflichen Tätigkeit auch noch an Fachliteratur mitzuarbeiten. Der Verlag und ich als Herausgeber haben darüber nachgedacht, ob die Neuauflage mit oder ohne Berücksichtigung der geplanten WEG-Novelle erfolgen soll. Betrachtet man den Mitte Januar vom BMJV veröffentlichten Referentenentwurf, dürfte die Entscheidung, den Redaktionsschluss vor die Novelle zu legen, richtig gewesen sein. Im Entwurf wird davon gesprochen, dass „die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die umweltpolitischen Herausforderungen und die technischen Möglichkeiten“ sich seit Schaffung des WEG verändert hätten und es wird festgestellt, „diesen Herausforderungen wird das geltende WEG in vielen Fällen nicht gerecht“. Der Entwurf postuliert deshalb als Ziel, das WEG „grundlegend“ zu reformieren. Er ist ohne Frage ein sehr mutiger Schritt, ob er allerdings ein großer Wurf ist, wird erst eine eingehende Diskussion in den Fachkreisen zeigen. Die im Entwurf gewählten, ganz neuen Lösungsansätze müssen nämlich im Zielkonflikt zwischen Theorie und Praxis bestehen können; schon bei der letzten Reform 2007 hat sich das als schwierig erwiesen. Der „Prüfstein der Praxis“ ist bekanntlich härter als mancher meint. Ob, wann, und mit welchem konkreten Inhalt das neue Recht tatsächlich kommen wird, erscheint deshalb und gerade auch in Anbetracht des umwälzenden Entwurf-Charakters durchaus als offen. Die 4. Auflage hat Herr Rüdiger Donnerbauer und sein Verlagsteam wieder sehr kompetent begleitet und mich bei meiner Herausgebertätigkeit außerordentlich unterstützt – dafür herzlichen Dank. Ich hoffe, die 4. Auflage des Anwalts-Handbuches wird wie die Vorauflagen erneut positiv aufgenommen werden. Kritik, Anregungen und Ergänzungsvorschläge können an mich (über www.koehler-rae.de) oder an den Verlag herangetragen werden. Köln, im Januar 2020

Wilfried J. Köhler

VII

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Teil 1 Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen (Köhler) I. II. III. IV. V.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mandatskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstkontakt Mandant – Rechtsanwaltskanzlei . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung einer Beratungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Hinweise an den Mandanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Streitwertvereinbarung/Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.1 1.2 1.23 1.26

1 1 9 10

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1.33 1.65 1.74 1.83

11 20 22 24

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2.1

27

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2.7 2.8 2.21

29 29 32

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2.36 2.59

35 43

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2.64

44

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2.72

46

Teil 2 Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme (Köhler) I. Verwaltungsübergabe (Unterlagensicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestellung des neuen Verwalters und Abschluss eines Vertrages zwischen WEG und Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übernahmevorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der 1. Tag der Verwaltungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Herausgabe der Kontobestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf brisante Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Mitteilung der Prüfungsergebnisse an die Wohnungseigentümergemeinschaft und Vorbereitung weiterer Maßnahmen . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsübersicht

Teil 3 Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Änderungsanspruch und Beschlusskompetenzen (Becker)

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3.1 3.47

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4.1 4.3 4.109

99 100 126

4.198 4.316

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5.1 5.8 5.32 5.54 5.61 5.106 5.130

175 177 184 191 194 206 212

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5.138

214

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6.1 6.18 6.134 6.184 6.194

219 224 254 269 272

I. Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers . . . . . . . . . . . II. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss .

Teil 4 Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse (Scheuer) I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . Teilnahmerecht und Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . . . V. Beschluss-Sammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil 5 Wirtschaftsplan (Köhler) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formaler Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss über den Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung eines Wirtschaftsplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 6 Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung (Köhler) I. II. III. IV. V.

X

Grundsätzliches/Inhalt einer Jahresabrechnung . . . . . . . . . Die Gesamtabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einzelabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Rückstellung) Die Girokontodarstellung/Kontoabstimmung . . . . . . . . . .

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Inhaltsübersicht

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6.198 6.200

274 274

6.224

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7.1 7.6 7.24 7.28 7.38 7.43 7.46 7.49

307 308 314 315 318 319 320 321

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7.56 7.58

323 323

VI. Prüfung der Jahresabrechnung durch den Verwaltungsbeirat . . . . . . . VII. Wirksamwerden einer Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Abrechnungsansprüche gegenüber dem amtierenden und dem ausgeschiedenen Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil 7 Rechnungslegung (Köhler) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss über die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs Schuldner der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ort der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches . . . . . . . . . . . . . . Konsequenz einer Weigerung, Rechnung zu legen/ fehlerhafte Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Streitwert/Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil 8 Instandhaltung, Instandsetzung und bauliche Veränderungen, Modernisierung und Anpassung an den Stand der Technik (Peter) I. Terminologie, Funktion, Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ordentliche Durchführung von Maßnahmen zur Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung der Verwaltung und einzelner Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Veränderungen bei der Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8.1

327

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8.127

353

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8.382

402

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8.533

437

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8.604 8.649

450 460

XI

Inhaltsübersicht

Teil 9 Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft (Felz) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die unübersichtliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das System des technischen Sicherheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . Überwachungsbedürftige Anlagen und überprüfungs- sowie eichpflichtige Anlagen und Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eröffnung des Anwendungsbereichs des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsschutzverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normen und Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duales Arbeitsschutzsystem in Deutschland: Staatliches Recht und Recht der Unfallversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkehrssicherungspflichten (Eröffnung von Verkehr, Überwachung von Gefahrenquellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsmöglichkeiten über „Stand der Technik“, Technische Regeln, UVT-Vorschriften und Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. . . . Verzeichnis besonderer Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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466 466 485 485

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502 506

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9.65

510

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9.81 9.87 9.88

517 518 526

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Teil 10 Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer (Hogenschurz) 10.1

530

11.1 I. Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.217

653

I. Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer . . . . . . .

Teil 11 Inhalt des Wohnungseigentums/Störungen durch Eigentümer, Verwalter und Dritte (Peter)

XII

687

Inhaltsübersicht

Teil 12 Sondernutzungsrechte (Ott) I. II. III. IV. V. VI. VII.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten . . . . . . . . Veräußerung des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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12.1 12.43 12.105 12.148 12.168 12.184 12.206

741 754 776 793 799 805 812

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13.1 . 13.4 . . 13.94 . 13.241 . 13.306 . 13.345

817 818 848 887 902 915

Teil 13 Das Verwaltungsverhältnis (Reichert †/Tank/Köhler) I. II. III. IV. V. VI.

Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses . . . . Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters . . . Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses . . . . Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters . Entlastung des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 14 Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis (Häublein) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einrichtung des Verwaltungsbeirats – Begründung und Beendigung von Amts- und Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Verwaltungsbeirat als Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufgaben und Befugnisse des Beirats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats zum Verband und den einzelnen Eigentümern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Beirat als Vertreter im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Haftung für das Handeln des Beirats und Zurechnung des Wissens der Beiratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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14.1

933

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14.3

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14.20 14.33 14.37

939 944 944

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14.54 14.71

950 957

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14.77

959

XIII

Inhaltsübersicht

Teil 15 Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft (Köhler) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenschutz als (nationales und europäisches) Grundrecht . . . . . . . Die Besonderheit europäischer Gesetzgebung – „Erwägungsgründe“ . Die Vorlaufzeit der DSGVO und die „Datenschutz-Panik“ . . . . . . . . Der Anwendungsbereich der DSGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pflichten nach Art. 28 DSGVO und ihre wohnungseigentumsrechtlichen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten . . . Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten Software-Angebote für die Wohnungswirtschaft und Datenschutz . . Die Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft . . . . . . . . . Die Auskunftsrechte Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstand bei datenschutzrechtlichen Verstößen . . . . . . . . . . . . Datenschutzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

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15.1 15.6 15.14 15.16 15.21 15.52

964 965 967 967 969 974

. . . . . . . . . .

15.73 15.125 15.155 15.180 15.211 15.229 15.247 15.262 15.267 15.271

981 990 998 1003 1012 1016 1020 1022 1023 1024

. . . .

16.1 16.3 16.9 16.12

1025 1025 1027 1028

Teil 16 Hausordnungsfragen – inhaltliche Gestaltung und Beschlusskompetenzen (Maier) I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Hausordnung . Adressaten der Hausordnung . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 17 Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht für die Wohnungseigentümergemeinschaft (Köhler) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite . . . . . . . . . . . . . III. Vertragspartner auf der Arbeitnehmerseite (Einzelvertrag/ Gruppenvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen . V. Vollzeitarbeitnehmer/Teilzeitarbeitnehmer . . . . . . . . . . . XIV

........ ........

17.1 1034 17.9 1035

........ ........ ........

17.22 1038 17.35 1040 17.54 1044

Inhaltsübersicht

Rz.

VI. Inhalt des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gesetzlich geregelte Arbeitnehmeransprüche und Schutzvorschriften (Lohnfortzahlung/Mutterschutz/Elternzeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Wohnraumüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Seite

17.57 1045 17.142 17.162 17.170 17.198 17.266

1057 1060 1061 1067 1080

Teil 18 Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum (Köhler) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften . . . . Versicherungsvertrag für den Verwaltungsbeirat (VermSchHV) . . . . Versicherungsverträge für den Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsabschlussberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung von Versicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstbeteiligungen bei der Gebäudeversicherung . . . . . . . . . . . . . . Abwicklung von Versicherungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.1 1082 . 18.7 1083 . . 18.107 1099 . . . . .

18.118 18.148 18.159 18.187 18.206

1102 1107 1108 1112 1116

Teil 19 Baurecht im WEG-Mandat (Aschenbrenner/Gantert) I. II. III. IV.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum Mängel am Sondereigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliche Verfahren (Besonderheiten) . . . . . . . .

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19.1 1136 . . 19.229 1196 . 19.403 1249 . 19.421 1254

Teil 20 Hausgeldverpflichtung des Sondereigentümers und gerichtliche Maßnahmen (Wolicki) I. II. III. IV. V. VI.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hausgeldverpflichtung des Sondereigentümers . . . . . . . . . . . . . Zahlungsschuldner von Hausgeldverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . Die gerichtliche Beitreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung aus Zahlungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungssperre bei Hausgeldrückständen des Wohnungseigentümers

20.1 20.7 20.101 20.221 20.355 20.463

1280 1282 1305 1331 1359 1382 XV

Inhaltsübersicht

Teil 21 Zwangsversteigerung des Sondereigentums (Leppla) I. II. III. IV. V. VI.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die wichtigsten Akteure des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation zur Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zwangsversteigerung unter Ausnutzung des Hausgeldprivilegs Sonderformen des Zwangsversteigerungsverfahrens . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz.

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Seite

21.1 1400 . 21.7 1401 . . 21.34 1407 . 21.69 1415 . 21.203 1443 . 21.214 1445

Teil 22 Besondere Maßnahmen gegen den Sondereigentümer – Zwangsverwaltung des Sondereigentums (Leppla) . . . . .

. . . . .

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22.1 . 22.6 . . 22.50 . 22.94 . 22.124

1448 1449 1455 1464 1468

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Insolvenzverfahren im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen . . . . . . . . . . . . . Die Verwaltung des Wohnungseigentums im Insolvenzverfahren . Die Verwertung des Wohnungseigentums und seiner Nutzungen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Verwertung der Nutzungen aus dem Wohnungseigentum . . . VII. Die Freigabe des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Der Beschlussanfechtungsprozess nach § 46 WEG in der Insolvenz

. . . .

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. . . .

23.1 23.3 23.26 23.31

1472 1473 1480 1482

. . . .

. . . .

. . . .

23.132 23.146 23.149 23.157

1516 1522 1523 1527

I. II. III. IV. V.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die wichtigsten Akteure des Verfahrens Motivation zur Zwangsverwaltung . . . Gang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 23 Die Insolvenz des Sondereigentümers (Queisner) I. II. III. IV. V.

Teil 24 Die Veräußerungsbeschränkung nach § 12 WEG (Köhler) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Wirksamkeit der Veräußerungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . III. „Veräußerung“ als Voraussetzung für ein Zustimmungserfordernis . . . XVI

24.1 1537 24.4 1539 24.9 1540

Inhaltsübersicht

IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI.

Erfordernis „wichtiger Gründe“ für eine Zustimmungsverweigerung . . Die Person des Zustimmungsverpflichteten (Klagegegner) . . . . . . . . . Vom Veräußerer zu erteilende Auskünfte und vorzulegende Unterlagen . Wirksamkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung . . . . . . Zustimmungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwert für Streitigkeiten über die Veräußerungszustimmung . . . . . Kosten der Verwalterzustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufhebung der Veräußerungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz.

Seite

24.12 24.20 24.33 24.45 24.58 24.60 24.65 24.77

1541 1545 1548 1550 1553 1553 1554 1557

Teil 25 Das gerichtliche Verfahren in Wohnungseigentumssachen (Scheuer) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.

Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergangsvorschrift des § 62 Abs. 1 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenshindernisse und vorbereitende Verfahren . . . . . . . . . . . . Klageverfahren der 1. Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertretung des Beklagten oder anderer Beteiligter im Klageverfahren . Entscheidungsmöglichkeiten 1. Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren 2. Instanz – Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren 3. Instanz – Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenfestsetzung gemäß § 50 WEG – Begrenzung der Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

25.1 25.3 25.4 25.41 25.358 25.361 25.443 25.460 25.467

1562 1563 1563 1571 1644 1645 1662 1667 1668

. 25.471 1669 . 25.481 1671

Teil 26 Der Streitwert in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren (Maier) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau des § 49a GKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Festgesetzte Streitwerte bei häufig vorkommenden Verfahrensgegenständen (seit der Novellierung des WEG 2007) . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbehelfe gegen den festgesetzten Streitwert . . . . . . . . . . . . . .

. .

26.1 1673 26.3 1674

. .

26.8 1675 26.77 1694

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1697

XVII

Abkürzungsverzeichnis (Für hier nicht aufgeführte Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner/Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., 2008) AGBG AO

Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Abgabenordnung

BauGB BayObLG BayObLGZ BB BDSG BeckOK BeUrkG BewG BVerwG BFH BGB BGBl. BGH BlGBW BNotO BWNotZ

Baugesetzbuch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater Bundesdatenschutzgesetz Beck Online-Kommentar Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesverwaltungsgericht Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Bundesnotarordnung Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg

DNotZ DV DWE

Deutsche Notar-Zeitschrift Durchführungsverordnung Der Wohnungseigentümer

EigZulG EStDV EStG EStR

Eigenheimzulagengesetz Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien

FGG FGPrax

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit

GBO GmbHG GrEStG GVBl.

Grundbuchordnung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grunderwerbsteuergesetz Gesetz- und Verordnungsblatt

HeizkV

Heizkosten-Verordnung

InsO

Insolvenzverordnung

JR Justiz JZ

Juristische Rundschau Die Justiz Juristen-Zeitschrift XIX

Abkürzungsverzeichnis

KG

Kammergericht (Oberlandesgericht für Berlin)

LG

Landgericht

MaBV MDR MHRG MietRB MittBayNot MittRhNotK MünchKomm

Makler- und Bauträgerverordnung Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz zur Regelung der Miethöhe Der Mietrechts-Berater Mitteilungen des Bayer. Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Münchener Kommentar zum BGB

n.v. NJW NJW-RR NotBZ NZM

nicht veröffentlicht Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Neue Zeitschrift für Mietrecht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

PiG

Partner im Gespräch (Schriftenreihe)

RG Rpfleger Rz.

Reichsgericht Der Deutsche Rechtspfleger Randziffer

UStG

Umsatzsteuergesetz

VerwG VGH VOB

Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verdingungsordnung für Bauleistungen

WE WEM WiStG WKSchG WuH WuM

Wohnungseigentum Wohnungseigentümer-Magazin Wirtschaftsgesetz Wohnraumkündigungsschutzgesetz Zeitschrift „Wohnung und Haus“ Wohnungswirtschaft und Mietrecht

ZfIR ZMR ZPO ZRP ZVG ZWE

Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für Wohnungseigentum

XX

Literaturverzeichnis Abramenko, Andrik, Das neue WEG in der anwaltlichen Praxis, Bonn 2007 Abramenko, Andrik, Handbuch WEG, 2. Aufl., Bonn 2014 Bader, Hans Anton, Aktuelle Fragen der Verwalterbestellung, FS für Seuß zum 60. Geburtstag, München 1987 Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Band 3: §§ 705-1017, PartGG, ProdHaftG, ErbbauRG, WEG 4. Aufl., München 2019 Bärmann, Johannes, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl., München 2018 Bärmann, Johannes/Pick, Eckhart, Wohnungseigentumsgesetz, 19. Aufl., München 2010 Bärmann, Johannes/Seuß, Hanns, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl., München 2017 Bassenge, Peter/Herbst, Gerhard/Roth, Herbert, FGG/RPflG, 12. Aufl., Heidelberg 2009 Basty, Gregor, Der Bauträgervertrag, 9. Aufl., Köln 2017 Bauer, Hans-Joachim/v. Oefele, Helmut, Grundbuchordnung, 4. Aufl., München 2018 Baumbach, Adolf/Lauterbach, Wolfgang/Albers, Jan/Hartmann, Peter, Zivilprozessordnung, 78. Aufl., München 2020 Becker, Matthias/Ott, Andreas/Suilmann, Martin, Wohnungseigentum, 3. Aufl., Köln 2015 Belz, August, Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Stuttgart 1996 Bogen, Torsten, Die Amtsniederlegung des Verwalters im Wohnungseigentumsrecht, Potsdam 2002 Braun, Eberhard, InsO, 8. Aufl., München 2020 Briesemeister, Lothar/Drasdo, Michael, Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, Berlin 2001 Bub, Wolf-Rüdiger, Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft, 2. Aufl., München 1996 Buck, Hendrik, Mehrheitsentscheidungen mit Vereinbarungsinhalt im Wohnungseigentumsrecht, Potsdam 2001 Dassler, Gerhard/Schiffhauer, Horst/Hintzen, Udo/Engels, Ralf/Rellermeyer, Klaus, ZVG, 15. Aufl. Bielefeld 2016 Deckert, Wolf/Briesemeister, Lothar/Gottschalg, Wolfgang, Die Eigentumswohnung, Loseblatt, Stand August 2019, München Drasdo, Michael, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, 4. Aufl., Köln 2011 Drasdo, Michael, Die Eigentümerversammlung nach WEG, 5. Aufl., München 2014 Erman, Walter/Westermann, Harm Peter, BGB, 15. Aufl., Köln 2017 Fritsch, Rüdiger, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Baden-Baden 2007 Gottschalg, Wolfgang, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. Aufl. 2009 Gottwald, Peter/Haas, Ulrich, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., München 2015 Greiner, David, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., Bonn 2017 Grziwotz, Herbert/Koeble, Wolfgang, Handbuch Bauträgerrecht, München 2004

XXI

Literaturverzeichnis

Hartmann, Peter/Toussaint, Guido, Kostenrecht, 49. Aufl., München 2019 Harz, Annegret/Riecke, Olaf/Schmid, Michael J., Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 6. Aufl., Neuwied 2018 Harz, Annegret/Riecke, Olaf/Schmid, Michael J., Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 6. Aufl., Heidelberg 2018 Häublein, Martin Günther, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, München 2003 Heckschen, Heribert/Herrler, Sebastian/Münch, Christof, Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl., München 2019 Henssler, Martin/Strohn, Lutz, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., München 2019 Herrler, Sebastian, Münchener Vertragshandbuch, Band 6, Bürgerliches Recht II, 7. Aufl., München 2016 Hügel, Stefan, Grundbuchordnung, 3. Aufl., München 2015 Hügel, Stefan/Elzer, Oliver, Das neue WEG – Recht, München 2007 Hügel, Stefan/Elzer, Oliver, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2018. Hügel, Stefan/Scheel, Jochen, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 4. Aufl., München 2018 Jennißen, Georg (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl., Köln 2012 Jennißen, Georg/Bartholome, Fridolin, Die Eigentumswohnung, 13 Aufl., München 2016 Jennißen, Georg/Schmidt, Jan-Hendrik, Der WEG-Verwalter – Handbuch für Verwalter und Beirat, 2. Aufl., München 2010 Klaßen, Kurt/Eiermann, Urs, Praxisratgeber Wohnungseigentumsrecht, Köln 2013 Köhler, Wilfried J., Das neue WEG, Köln 2007 Kreuzer, Heinrich, Die Gemeinschaftsordnung nach dem WEG, Köln 2005 Larenz, Karl, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I: Allgemeiner Teil, 14. Aufl., München 1987 Lotz-Störmer, Iris, Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsbeschränkung im Wohnungseigentumsrecht, Göttingen 1993 Medicus, Dieter/Petersen, Jens, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 11. Aufl., Heidelberg 2016 Müller, Horst, Instandhaltung und Instandsetzung, Partner im Gespräch Bd. 48, Hamburg 1995 Müller, Horst, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 6. Aufl., München 2015 Niedenführ, Werner/Schmidt-Räntsch, Johanna/Vandenhouten, Nicole, Wohnungseigentumsgesetz – Kommentar und Handbuch, 13. Aufl., Bonn 2020 Ott, Andreas, Das Sondernutzungsrecht im Wohnungseigentum, Berlin 2000 Palandt, Otto, Kommentar zum BGB, 79. Aufl., München 2020 Pause, Hans-Egon, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., München 2018 Putzo, Hans, Zivilprozessordnung, 40. Aufl., München 2019

XXII

Literaturverzeichnis

RGRK, Das bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., Berlin/New York 1974 Riecke, Olaf/Schmid, Michael, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. Neuwied 2019 Röll, Ludwig, Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 10. Aufl. Köln 2018 Sauren, Marcel M., Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., München 2014 Schmid, Michael J./Kahlen, Hermann, Wohnungseigentumsgesetz, München 2007 Schmitz, Claus, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, Reihe IBR-Online, München/ Mannheim, Stand 15.5.2018 Schneider, Gero, Verwaltervertrag von Wohnungseigentum, 6. Aufl., Heidelberg 2010 Schöner, Hartmut/Stöber Kurt, Grundbuchrecht, 15. Aufl., München 2012 Spielbauer, Thomas/Then, Michael, Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht mit weiterführenden Vorschriften, 3. Aufl., Berlin 2016 Staudinger, Julius, Kommentar zum BGB (WEG, 2 Bände), 17. Aufl., München/Berlin, 2017 (Band 2), 2018 (Band 1) Stöber, Kurt, ZVG, 22. Aufl., München 2019 Suilmann, Martin, Das Beschlussmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht, Düsseldorf 1998 Timme, Michael, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl., München 2014 Weitnauer, Hermann, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl., München 2004 Wendel, Christian, Der Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung, Potsdam 2002 Winkler, Karl, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., München 2019 Zöller, Richard, Zivilprozessordnung, 33. Aufl., Köln 2020

XXIII

Teil 1 Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1

II. Mandatskonstellationen . . . . . . . . . .

1.2

V. Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.33

III. Erstkontakt Mandant – Rechtsanwaltskanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.23

VI. Hinweise an den Mandanten . . . . . . 1.65

IV. Vereinbarung einer Beratungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.26

VII. Streitwertvereinbarung/Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.74 VIII. Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . 1.83

I. Einleitung Die Bearbeitung von wohnungseigentumsrechtlichen Mandaten ist ganz grundlegend abhän- 1.1 gig von den Informationen, die die Rechtsberater von ihren Mandanten erhalten. Schon vor dem ersten Beratungsgespräch sollten „die Weichen“ richtig gestellt werden, damit das Mandat erfolgreich bearbeitet werden kann. Dieser Teil kann und soll nur einen ersten Überblick und den Anfang eines „roten Fadens“ für die Behandlung von neuen Mandaten darstellen.

II. Mandatskonstellationen Im Wohnungseigentumsrecht gibt es mehrere Mandatskonstellationen. Personen, die Mandate erteilen wollen, können sein:

1.2

– Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

1.3

Der Verwalter nach dem WEG könnte das Mandat erteilen wollen für den Verband (die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer), für die „übrigen Wohnungseigentümer“ (z.B. bei der Abwehr einer Beschlussanfechtungsklage eines Wohnungseigentümers) oder für sich selbst (z.B., wenn er von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder von einzelnen Wohnungseigentümern in Anspruch genommen wird). Im letzten Fall, Mandatierung für den Verwalter selbst, ergibt sich hinsichtlich der Mandatserteilung kein Problem, es sei denn, es läge eine Vorbefassung im Interesse des potentiellen Gegners vor. Will der Verwalter ein Mandat für den Verband oder für die „übrigen Wohnungseigentümer“ erteilen, muss geprüft werden, ob der Verwalter hierzu berechtigt ist. Erster Schritt einer Prüfung muss immer sein, ob der Verwalter ordnungsgemäß bestellt wurde und ob die Bestellungszeit noch nicht abgelaufen ist.1 Dabei sind die möglichen Bestellungsurkunden (Teilungserklärung/letzter Bestellungsbeschluss) zu prüfen.

1 Zur Frage, ob das Handeln eines Verwalters, dessen Bestellungsbeschluss für ungültig erklärt worden ist, weiter wirksam bleibt, vgl. (allerdings zur Rechtslage vor der Reform 2007) BGH, Beschl. v. 21.7.2007 – V ZB 20/07, MDR 2007, 1247 = NJW 2007, 2776 = WuM 2007, 540, sowie BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = WuM 1997, 294.

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1

Teil 1 Rz. 1.3

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

Die weitere Prüfung der Mandatserteilung für den Verband oder die „übrigen Wohnungseigentümer“ muss unterschieden werden zwischen einem Mandat für ein Passivverfahren und einem Mandat für ein Aktivverfahren.

1.4 – Passivverfahren Für den ordnungsgemäß bestellten Verwalter gibt es aufgrund der seit dem 1.7.2007 bestehenden gesetzlichen Lage keine grundsätzlichen Probleme mehr, Vollmachten für Passivverfahren an rechtsanwaltliche Vertreter zu erteilen. Der Bundesgerichtshof hat die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Verwalters in Passivverfahren nach § 43 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 WEG klargestellt: Für Binnenstreitigkeiten nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist der Verwalter zur Vertretung befugt, wenn auch nur hinsichtlich des beklagten Teils der Wohnungseigentümer;2 für Klage gegen den Verband gibt § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG dem Verwalter die Vertretungsberechtigung.3 Seine Entscheidung vom 5.7.2013 hat der BGH im Urteil vom 23.10.2015 noch einmal bekräftigt.4

1.5 Umstritten ist die Reichweite der gesetzlichen Vertretungsmacht. Teilweise wird in der Literatur in Zweifel gezogen, dass der Verwalter (daraus abgeleitet: der rechtsanwaltliche Vertreter) alle Prozesshandlungen vornehmen darf. Die Verwalter-Vertretungsmacht sei beschränkt, so dass der Verwalter nicht über den Streitgegenstand verfügen dürfe (er also keinen Vergleich abschließen und kein Anerkenntnis abgeben dürfe).5 Ich halte diese Beschränkungsüberlegungen für nicht richtig; sie lassen sich nicht aus dem Gesetz ableiten. Eine ganz andere Frage ist aber, ob ein rechtsanwaltlicher Vertreter über den Streitgegenstand ohne ausdrückliche Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung verfügen sollte; für eine solche prozessuale Maßnahmen empfehle ich im Hinblick auf eine offene und nachvollziehbare Prozessführung stets die Beratung und Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung, selbst wenn der Verwalter schon der rechtsanwaltlichen Verfahrensführung zugestimmt haben sollte.

1.6 Für den vom Verwalter mandatierten rechtsanwaltlichen Vertreter ist zu beachten, dass in laufenden Beschlussanfechtungsverfahren die Wohnungseigentümer die Einberufung einer Eigentümerversammlung verlangen und im Wege der Beschlussfassung auf die Verfahrensführung und Prozessvertreter-Bestellung durch den Verwalter Einfluss nehmen können;6 ein solcher Beschluss könnte auch beinhalten, den Verwalter anzuweisen, eine(n) bestimmte(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen.

1.7 Es bleibt einzelnen Wohnungseigentümer unbenommen, einen eigenen rechtsanwaltlichen Vertreter zu beauftragen,7 allerdings ist dabei eine eventuelle Kostenfolgen nach § 50 WEG zu

2 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = WuM 2013, 562 = NJW 2013, 3098. 3 BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – I ZB 61/10, ZMR 2012, 370 = ZWE 2012, 127 = NJW-RR 2012, 460. 4 BGH, Urt. v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, MDR 2016, 176 = ZWE 2016, 98 = NJW 2016, 716. 5 Vgl. hierzu Jacoby in Staudinger (2018), § 27 WEG Rz. 141 und 203; Heinemann in Jennißen (Hrsg.), WEG, 5. Auflage, § 27 Rz. 74a. 6 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = WuM 2013, 562 = NJW 2013, 3098 – unter II.1.c). 7 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = WuM 2013, 562 = NJW 2013, 3098 – unter II.1.c); BGH, Urt. v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, MDR 2016, 176 = ZWE 2016, 98 = NJW 2016, 716.

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Mandatskonstellationen

Rz. 1.10 Teil 1

beachten.8 Stellt der vom Verwalter mandatierte rechtsanwaltliche Vertreter im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens fest, dass einzelne Wohnungseigentümer einen eigenen Rechtsanwalt beauftragt haben, der andere (eventuell kollidierende) rechtliche Positionen vertritt, sollte geprüft werden, ob es – um eventuelle Interessenkollisionen zu vermeiden – sinnvoll oder sogar notwendig ist, das Mandat für den/die Wohnungseigentümer mit eigenem Rechtsanwalt niederzulegen. Vor der Mandatsannahme sollte der ersuchte rechtsanwaltliche Vertreter genau eine eventuelle Kollision zwischen den Interessen des Verwalters und der Eigentümergemeinschaft/den „übrigen Wohnungseigentümern“ prüfen.9 Eine solche könnte nämlich die Berechtigung des Verwalters zur Mandatserteilung berühren.

1.8

In seinen Urteilen vom 5.7.2013 und 23.10.2015 hat der Bundesgerichtshof unentschieden gelassen, ob die Vertretungsmacht des Verwalters auch dann besteht, wenn er als Zustellungsvertreter (§ 45 Abs. 1 WEG) ausgeschlossen ist.10 Der BGH ist in seiner Entscheidung vom 9.3.201211 der Mehrheitsmeinung in Literatur und Rechtsprechung gefolgt, wonach der Verwalter nur dann als Zustellungsvertreter ausgeschlossen ist, wenn eine konkrete Gefahr der sachwidrigen Information besteht. Eine solche Gefahr sei erst dann gegeben, wenn ein echter Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern auftrete, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwalter und einigen oder allen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern nachhaltig gestört sei. Selbst wenn der Verwalter seiner Pflicht (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG) nicht nachkommt, die Wohnungseigentümer unverzüglich über einen anhängigen Rechtsstreit zu informieren, lässt sich allein daraus nicht auf einen Interessenkonflikt schließen; die konkrete Gefahr einer Interessenkollision muss sich aus dem Streitgegenstand des anhängigen Rechtsstreits ergeben.12 Deutlich wird, dass eine nur abstrakte Gefahr der Interessenkollision nicht ausreicht, um den Verwalter als Zustellungsvertreter auszuschließen und ihm damit eventuell auch die Vertretungsbefugnis zu nehmen. Aus dem Streitgegenstand des Rechtsstreits ist abzuleiten, ob eine konkrete Interessenkollisi- 1.9 on des Verwalters vorliegt, die eine Zustellungsvertretung ausschließt. Ist der Verwalter als Zustellungsvertreter ausgeschlossen, schließt das nach meiner Auffassung auch die Vertretungsberechtigung des Verwalters aus.13 Hat die rechtsanwaltliche Prüfung ergeben,14 dass für den Verwalter der Gemeinschaft eine Interessenkollision besteht und er für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Verband) 8 BGH, Beschl. 16.7.2009 – WuM 2009, 605 = ZWE 2009, 393; vgl. auch LG Köln, Beschl. v. 21.8.2017 – 29 T 66/17, ZMR 2018, 70 = ZWE 2017, 2018, 180; LG Itzehoe, Beschl. v. 4.7.2016 – 4 T 177/16, ZMR 2016, 729 = ZWE 2017, 295. 9 Vgl. zu Interessenkonflikten Köhler, „§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG – der (all)tägliche Parteiverrat“, MietRB 2013, 371; vgl. auch Offermann-Burckart, „Interessenkollision – russisches Roulette oder beherrschbares Risiko?“, AnwBl Online 2018, 200. 10 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = WuM 2013, 562 = NJW 2013, 3098 – unter II. 1. c); BGH, Urt. v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, MDR 2016, 176 = ZWE 2016, 98 = NJW 2016, 716. 11 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 170/11, NZM 2012, 387 = MietRB 2012, 169 = WuM 2012, 341. 12 BGH, Urt. v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, MDR 2016, 176 = ZWE 2016, 98 = NJW 2016, 716. 13 So auch Jacoby in Staudinger (2018), § 27 WEG Rz. 140. 14 Unter anderem auch anhand der vom BGH im Urteil vom 9.3.2012 erwähnten Entscheidungen des BayObLG, Beschl. v. 9.8.1989 – 2 Z 60/89, MDR 1989, 1106 = WuM 1989, 534; BayObLG,

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3

1.10

Teil 1 Rz. 1.10

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

oder die „übrigen Wohnungseigentümer“ keinen Rechtsanwalt beauftragen darf,15 sollte der vom Verwalter um Mandatsübernahme ersuchte rechtsanwaltliche Vertreter darauf drängen, dass der Verwalter eine außerordentliche Eigentümerversammlung einberuft, in der über die Mandatserteilung beschlossen wird. Eine Mandatsübernahme ohne Absicherung durch eine Eigentümerversammlung wird bei der späteren Abrechnung der rechtsanwaltlichen Vergütung Probleme bereiten; die „vertretenen“ Personen könnten einwenden, dass keine wirksame Prozessvertretung vorgelegen hat.

1.11 Eine Interessenkollision kann bestehen, wenn der Verwalter selbst vom Ausgang eines Verfahrens in irgendeiner Weise unmittelbar betroffen oder sogar als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist,16 insbesondere wenn Beschlüsse angefochten werden, in denen es um die Abberufung des Verwalters17 (oder um die Ablehnung seiner Abberufung) geht, um Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter18 oder um die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger (wenn Bauträger und Verwalter identisch sind).19

1.12 Ebenfalls problematisch für die rechtsanwaltliche Mandatsübernahme: Führt ein Verwalter über das Ende der Bestellungszeit die Verwaltung fort, kann er nicht mehr als Zustellungsvertreter fungieren.20 Selbstverständlich kann ein solcher „Verwalter“ auch kein Mandat für den Verband oder die „übrigen Eigentümer“ erteilen.

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19 20

4

Beschl. v. 7.2.2002 – 2Z BR 161/01, NZM 2002, 346 = ZWE 2002, 214 (diese Entscheidung erscheint fragwürdig!); LG Dresden, Urt. v. 9.12.2009 – 2 S 184/09, ZMR 2010, 629 (auch diese Entscheidung erscheint fragwürdig!). Vgl. allgemein zu einer Interessenkollision eines Verwalters: KG, Beschl. v. 20.4.2007 – 24 W 12/07, ZMR 2007, 801 m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2001 – 15 W 326/01, OLGReport Hamm 2002, 108 = ZMR 2002, 540 = NZM 2002, 295 = ZWE 2002, 234; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717 = WE 1995, 375 = DWE 1994, 142. Zur Interessenkollision bei der nachträglichen Verbindung von Verfahren: BGH, Urt. v. 2.7.1998 – IX ZR 51/97, MDR 1998, 1090 = ZMR 1998, 789 = NJW 1998, 3279 = WuM 1998, 686; vgl. hierzu auch Vollkommer, Der Insichprozess der Wohnungseigentümergemeinschaft, ZMR 2000, 7. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.11.2009 – 5 W 204/09, ZMR 2010, 708; OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, ZMR 2001, 130 = NZM 2001, 49 = ZWE 2001, 81 = NJW-RR 2001, 226; KG, Beschl. v. 27.6.1997 – 24 W 2353/97, ZMR 1997, 541 = WuM 1997, 578 = DWE 1998, 32. KG, Beschl. v. 11.6.2003 – 24 W 77/03, KGR Berlin 2003, 263 = WuM 2003, 529 = NJW-RR 2003, 1234 = ZMR 2004, 142; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2008 – 16 Wx 228/07, ZMR 2009, 311 zur Interessenkollision, wenn der Verwalter nicht über einen Abberufungsantrag in einem laufenden Beschlussanfechtungsverfahren informiert; zur Interessenkollision nur beim Stimmrecht bezüglich der Verwalterabberufung vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = ZMR 2002, 930 = NJW 2002, 3704. OLG Köln, Beschl. v. 17.5.2006 – 16 Wx 228/05, OLGReport Köln 2006, 669; ein Beschluss, mit dem ein Verwalter beauftragt wird, gebührenpflichtige Rechtsauskünfte über gegen ihn selbst gerichtete Schadensersatzansprüche einzuholen, widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung: KG, Beschl. v. 28.1.2004 – 24 W 3/02, KGR Berlin 2004, 204 = ZMR 2004, 458. Vgl. zum letzten Fall aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.10.2004 – 20 W 133/03, OLGReport Frankfurt 2005, 378; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 8.4.2004 – 15 W 17/04, ZMR 2004, 702 = NZM 2004, 744. BGH, Urt. v. 20.4.2018 – V ZR 202/16, MDR 2018, 783 = WuM 2018, 457 = NJW-RR 2018, 970.

Köhler

Mandatskonstellationen

Rz. 1.14 Teil 1

In Beschlussanfechtungsverfahren, in denen der Rechtsanwalt die übrigen Miteigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund einer Mandatserteilung durch den Verwalter vertritt, entstehen Erhöhungsgebühren (Mehrvertretungsgebühren nach Nr. 1008 RVG-VV).21

1.13

Wird ein Mandat für den Verband erteilt (Abwehr von Ansprüchen Dritter oder eines Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer), entsteht selbstverständlich keine Erhöhungsgebühr.22

1.14

– Aktivverfahren Auch bei Aktivverfahren ist zu prüfen, ob die Verwalterbestellung ordnungsgemäß erfolgte und ob die Bestellungszeit noch nicht abgelaufen ist. Das Landgericht Hamburg hat einem Verwalter, der trotz fehlender Neubestellung ein Hausgeldverfahren einleiten ließ, die Kosten für dieses Verfahren – gemäß § 49 Abs. WEG – auferlegt.23 Der Verwalter bedarf – außer in Eilfällen – einer durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erteilten Vollmacht, um in Aktivverfahren tätig werden zu können und um einem Rechtsanwalt eine Vollmacht erteilen zu können. Es ist grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer, darüber zu befinden, ob ein Prozess geführt werden soll oder nicht,24 so dass die Vollmacht des Verwalters geprüft werden muss. Eine Vollmacht für den Verwalter kann sich ergeben aus der Gemeinschaftsordnung, aus einem wirksam beschlossenen Verwaltervertrag oder aus einem Beschluss einer Eigentümerversammlung. Bei allen drei Vollmachtsvarianten muss sehr genau geprüft werden, welchen konkreten Umfang die Vollmachtserteilung hat. Es sind die Fragen zu stellen: Ist die Vollmacht für den Verwalter umfassend, so dass er in allen gemeinschaftlichen Angelegenheiten und bei jeglichen Ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – sei es gegen Miteigentümer, sei es gegen Dritte – tätig werden kann, oder bezieht sich die Vollmacht nur auf einen beschränkten Aufgabenbereich (z.B., dass der Verwalter nur im Rahmen von Angelegenheiten der „laufenden Verwaltung“ tätig werden kann)25? Wird durch den Verwaltervertrag oder durch Beschluss eine generelle Vollmacht für die Führung von Aktivverfahren erteilt? Dann sollte auch geprüft werden, ob dies gegen beschränkende Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung verstößt.26

21 BGH, Beschl. v. 15.9.2011 – V ZB 39/11, NJW 2011, 3723 = ZWE 2012, 29 = ZMR 2012, 203 = MietRB 2012, 15; LG München II, Beschl. v. 30.6.2017 – 6 T 2303/17, ZMR 2017, 834 = ZWE 2018, 38 (Erhöhungsgebühr im Vollstreckungsverfahren); LG Lüneburg, Beschl. v. 5.8.2016 – 2 T 44/16, ZMR 2016, 747; LG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.2010 – 25 T 423/10, ZMR 2011, 160 = ZWE 2011, 183; zu einem Sonderfall der Entstehung der Erhöhungsgebühr (Mandatserteilung vor Bekanntgabe der Entscheidung, dass die Gemeinschaft rechtsfähig ist) vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.8.2017 – 14 W 372/17, Rpfleger 2018, 111 = JurBüro 2018, 41. 22 Vgl. hierzu auch LG Hannover, Beschl. v. 29.3.2010 – 92 T 17/10, ZMR 2010, 639. 23 LG Hamburg, Beschl. v. 18.2.2009 – 318 S 99/08, ZMR 2009, 477 = NZM 2009, 708. 24 BGH, Urt. v. 28.1.2011 – V ZR 145/10, BGHZ 188, 157 = MDR 2011, 534 = ZMR 2011, 487 = NZM 2011, 278. 25 Vgl. KG, Beschl. v. 11.6.2003 – 24 W 77/03, KGR 2003, 263; OLG Hamm, Beschl. v. 6.3.2001 – 15 W 320/00, OLGReport Hamm 2001, 323 = ZWE 2001, 393 = ZMR 2001, 839 = NJW-RR 2002, 156. 26 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2001 – 16 Wx 185/01, OLGReport 2002, 136 = ZMR 2002, 972.

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Teil 1 Rz. 1.15

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

1.15 Der Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann nach einer Entscheidung des BGH vom 28.1.2011, bekräftigt durch die BGH-Entscheidung vom 15.7.2011, nur noch in absoluten Ausnahmefällen in gewillkürter Prozessstandschaft tätig werden.27 Eine solche Ausnahme könnte vorliegen, wenn in der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass der Verwalter in eigenem Namen vorzugehen hat. Eine zwingende Regelung ist jedoch eher selten und auch immer im Licht der neuen Rechtsprechung auszulegen; meist ist in Gemeinschaftsordnungen (älteren Datums) nur vorgesehen, dass der Verwalter auch im eigenen Namen vorgehen kann. Diese Klausel eröffnet keinen Raum für eine Ausnahme von dem Grundsatz, den der BGH aufgestellt hat. Bei einer gewillkürten Prozessstandschaft wird das Recht eines anderen im eigenen Namen geltend gemacht. Für den Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer war diese Berechtigung bis zur oben zitierten Entscheidung des BGH vom 28.1.2011 anerkannt;28 insbesondere, weil damit entstehende Erhöhungsgebühren (Mehrvertretungsgebühren) vermieden werden konnten. Dieser Grund ist durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft entfallen und ein notwendiges und schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung ist nicht mehr gegeben. Ist in der Gemeinschaftsordnung nur eine Ermächtigung enthalten, Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen, und zwar ohne nähere Regelung darüber, ob in gewillkürter Prozessstandschaft oder als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist der Verwalter nunmehr nur noch berechtigt, als Vertreter für die klagende Eigentümergemeinschaft aufzutreten.

1.16 Bei der gewillkürten Prozessstandschaft ist nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern der Verwalter (als Prozessstandschafter) Mandant des Rechtsanwalts. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt seine Vergütungsansprüche nicht gegenüber der Gemeinschaft geltend machen kann, sondern diese Ansprüche sich gegen den Verwalter richten. Der Verwalter war schon bisher nicht verpflichtet, Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen, wenn ein solches Vorgehen dem Verwalter nicht ausdrücklich durch die Gemeinschaftsordnung aufgegeben worden war. Der Verwalter musste nicht das Risiko eingehen, Gerichtskosten- und RechtsanwaltskostenSchuldner zu sein.29

1.17 – Wohnungseigentümer Ein einzelner oder auch mehrere Wohnungseigentümer könnten das Mandat erteilen wollen. Bei der Übernahme von Mandaten, die durch mehrere Eigentümer erteilt werden, ist besondere Sorgfalt notwendig. Es muss geprüft werden, ob die Interessen der einzelnen Eigentümer in allen Belangen gleichgerichtet sind, sonst kann leicht eine Interessenkollision für den Rechtsanwalt auftreten, die es notwendig macht, das Mandat für einzelne Mandanten niederzulegen. Bei mehreren Eigentümern ist auch zu klären, ob Korrespondenz mit allen Mandanten geführt 27 BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031; BGH, Urt. v. 28.1.2011 – V ZR 145/10, BGHZ 188, 157 = MDR 2011, 534 = ZMR 2011, 487 = NZM 2011, 278. 28 Ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 2.2.1979 – V ZR 14/77, BGHZ 73, 302 = NJW 1979, 2391 = DWE 1979, 90 = Rpfleger 1979, 255. 29 Vgl. LG Berlin, Beschl. v. 20.6.1989 – 82 T 284/89, Rpfleger 1989, 427 = AnwBl 1990, 632 = MDR 1989, 917; LG Köln, Beschl. v. 20.6.1990 – 30 T 91/90, Rpfleger 1991, 81; LG München I, Beschl. v. 23.9.1991 – 13 T 12951/91, AnwBl 1992, 92; KG, Beschl. v. 14.4.1993 – 24 W 829/93, ZMR 1993, 944 = WuM 1993, 932; OLG Köln, Beschl. v. 22.4.1998 – 17 W 136/98, OLGReport Köln 1999, 99; vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 24.3.2000 – 10 U 675/99, JurBüro 2000, 529 = OLGReport Koblenz 2000, 543; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.1990 – 3 Wx 93/90, JurBüro 1990, 1157; AG Kempen, Beschl. v. 9.8.2004 – 31 II 41/03, ZMR 2005, 155.

6

Köhler

Mandatskonstellationen

Rz. 1.19 Teil 1

werden soll oder ob es ausreicht, wenn nur ein Mandant über die Vorgänge informiert wird. Wenn sich die mandatserteilenden Wohnungseigentümer darüber geeinigt haben, dass nur einer der Mandanten informiert werden soll, empfiehlt es sich, hierüber eine schriftliche Vereinbarung mit allen Mandanten zu treffen. Will ein einzelner Wohnungseigentümer ein Mandat in einer Beschlussanfechtungsklage erteilen, bei der er sich auf der Beklagtenseite befindet, entsteht für den Rechtsanwalt eine Hinweispflicht zur eventuell beschränkten Kostenerstattung nach § 50 WEG. Der Verwalter hat in Beschlussanfechtungsklagen, wie in allen Passivverfahren, eine gesetzliche und unabdingbare Prozessvertretungsbefugnis nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG, kann also auch einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung für die beklagten Wohnungseigentümer beauftragen.30 Der rechtsanwaltliche Vertreter, dem ein Einzelmandat in Beschlussanfechtungsverfahren angetragen wird, hat deshalb zu erfragen, ob der Verwalter bereits einen anderen Rechtsanwalt beauftragt hat oder ob eine solche Beauftragung bevorsteht. In diesem Fall muss der Rechtsanwalt, der das Mandat nicht vom Verwalter, sondern nur von einem einzelnen Eigentümer angetragen bekommt, darauf hinweisen, dass eine Kostenerstattung auch bei Obsiegen in der Sache fraglich ist. Die Kosten des von dem Verwalter beauftragten Rechtsanwalts sind regelmäßig vorrangig zu erstatten; eventuell hat auch eine Quotelung der Kosten zu erfolgen.31 Ein Hinweis auf § 50 WEG ist auch bei einem rechtsschutzversicherten Mandanten geboten.

1.18

Zu beachten sind vom Rechtsanwalt verschiedene Eigentumsverhältnisse: Ideelle Miteigentümer, die an einer Eigentumswohnung in Bruchteilsgemeinschaft beteiligt sind (z.B. Eheleute)32, haben das Recht, jeweils allein zu handeln, können z.B. eine Beschlussanfechtungsklage allein erheben33 und damit auch allein den Rechtsanwalt für sich beauftragen. Zu dem Problem, ob der einzeln klagende Bruchteilseigentümer auch seine anderen Bruchteilseigentümer verklagen muss, vergleiche die Entscheidung des LG München I vom 12.1.2012.34 Bei den Mitgliedern einer BGB-Gesellschaft ist ein einzelnes Mitglied der Gesellschaft nicht al-

1.19

30 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = WuM 2013, 562 = ZWE 2013, 368. 31 Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – V ZB 171/10, NJW 2011, 3165 = ZMR 2012, 28 = ZWE 2011, 399 = DWE 2012, 30; LG Berlin, Beschl. v. 10.1.2011 – 82 T 857/10 (und 858/10), ZMR 2011, 493; BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – V ZB 11/09, ZfIR 2009, 745 = NJW 2009, 3168 = WuM 2009, 605 = ZWE 2009, 393; Drasdo, Die Kostenerstattungsbegrenzung gemäß § 50 WEG, ZMR 2008, 266. 32 Bei im Grundbuch eingetragenen Eheleuten ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, dass sie in Form einer BGB-Gesellschaft verbunden sind, weshalb auch der Antrag eines eingetragenen Eigentümers für die Beschlussanfechtung ausreicht: OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2001 – 16 Wx 185/01, ZMR 2002, 972; AG Köln, Urt. v. 13.9.2011 – 204 C 238/10; Eheleute können allerdings eine Eigentumswohnung in BGB-Gesellschaft erwerben: BGH, Beschl. v. 20.5.1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170. 33 Vgl. LG München I, Urt. v. 12.1.2012 – 36 S 6417/11, NJW-Spezial 2012, 194 (der einzeln klagende Bruchteilseigentümer sei gesetzlicher Prozessstandschafter der übrigen Bruchteilseigentümer); OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.9.2006 – 20 W 241/05, ZMR 2007, 291 = NZM 2007, 490; KG, Beschl. v. 5.5.1993 – 24 W 3913/92, OLGZ 1994, 154 = ZMR 1993, 430 = WuM 1993, 427 = NJW-RR 1994, 278; AG Tostedt, Urt. v. 25.7.2014 – 5 C 49/14, ZMR 2015, 417; Becker, Die Anfechtungsklage des Mitberechtigten am Wohnungseigentum, ZWE 2011, 405; vgl. zu einem Sonderfall (in dem ein Bruchteilseigentümer auch die anderen Bruchteilseigentümer verklagt hatte, weil diese anderer Meinung als er gewesen sind): LG Frankfurt/Main, Urt. v. 8.5.2013 – 2-13 S 70/09, ZWE 2013, 469 = ZMR 2014, 140. 34 LG München I, Urt. v. 12.1.2012 – 36 S 6417/11, ZWE 2012, 142 = WuM 2012, 225 = NJW-Spezial 2012, 194 (der einzeln klagende Bruchteilseigentümer sei gesetzlicher Prozessstandschafter

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Teil 1 Rz. 1.19

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

lein zu Handlungen berechtigt, also auch nicht zur allein durchgeführten Beschlussanfechtung. Die Rechte kann nur die Gesellschaft ausüben.35 Anders ist es bei Mitgliedern einer Erbengemeinschaft. Hier ist jeder Miterbe berechtigt, allein tätig zu werden, kann also auch einen Eigentümerbeschluss allein anfechten.36

1.20 – Beiratsmitglieder Auch Beiratsmitglieder treten häufig an Rechtsanwälte heran und wollen ein Mandat erteilen. Wenn dies in eigenem Namen erfolgt, besteht selbstverständlich kein Problem. Mitunter wird aber bei dem ersten Kontakt schnell erkennbar, dass die Vorstellung bei den Beiräten besteht, sie könnten aufgrund ihrer Beiratsbestellung für die Gemeinschaft und auf deren Kosten handeln. Hier gilt es darüber aufzuklären, dass Beiratsmitglieder keinerlei Recht haben, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder im Namen eines Teils einer Gemeinschaft zu handeln, sondern nur für sich selbst und bei einer Mandatserteilung für die anfallende Rechtsanwaltsvergütung persönlich in Anspruch genommen werden. Allerdings gibt es Gemeinschaftsordnungen, die die Rechte von Beiräten deutlich über die gesetzlichen Rechte und Pflichten des § 29 WEG hinaus erweitern. Die Gemeinschaftsordnung ist auf eine solche (konkrete) Aufgaben- und Rechteerweiterung zu prüfen.

1.21 – Nießbraucher Gelegentlich wollen Personen ein wohnungseigentumsrechtliches Mandat erteilen, die „nur“ Nießbraucher sind. Nießbraucher eines Wohnungseigentums haben allerdings weder Anspruch auf Teilnahme an einer Eigentümerversammlung,37 noch sind sie berechtigt, Beschlüsse einer Eigentümerversammlung durch Beschlussanfechtungsklage anzugreifen.38 Dies können Nießbraucher regelmäßig nicht nachvollziehen, da sie – und nicht der Eigentümer – die Lasten und Kosten des Wohnungseigentums tragen. Mitunter haben die Nießbraucher auch gar keine Vorstellung von ihren fehlenden Rechten und treten gegenüber dem Rechtsanwalt als „Eigentümer“ auf und teilen sogar mit, sie hätten in der Vergangenheit auch immer an Eigentümerversammlungen teilgenommen; erst wenn das Grundbuch angefordert und geprüft wird, stellt sich dann die konkrete rechtliche Situation dar. Hier wird der Rechtsanwalt Aufklärungsarbeit leisten müssen. Nießbraucher könnten allerdings nach meiner Auffassung in ge-

35 36 37 38

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der übrigen Bruchteilseigentümer und müsse deshalb die übrigen Bruchteilseigentümer nicht verklagen). Vgl. BayObLG, Beschl. v. 20.5.1998 – 2 Z BR 25/98, NJW-RR 1999, 164 = WE 1999, 33 = WuM 1998, 747 = NZM 1999, 286; BayObLG, Beschl. v. 27.9.1990 – 2 Z 47/90, ZMR 1991, 74 = NJWRR 1991, 215 = WuM 1990, 618. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 20.5.1998 – 2 Z BR 25/98, ZMR 1998, 644 = NJW-RR 1999, 164 = WuM 1998, 747 = NZM 1999, 286. BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 194/14, MDR 2015, 1122 = WuM 2015, 589 = ZWE 2015, 376; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2003 – 2 Wx 1/01, OLGReport Hamburg 2004, 252 = ZMR 2003, 701. BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 194/14, MDR 2015, 1122 = WuM 2015, 589 = ZWE 2015, 376; BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = ZMR 2002, 440 = NJW 2002, 1647 = WuM 2002, 277; vgl. im Übrigen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.8.2005 – 3 Wx 323/04, ZMR 2005, 897 = OLGReport Düsseldorf 2005, 525 = WuM 2005, 668 = WE 2005, 271. Das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.3.2005 – 3 Wx 323/04, ZMR 2005, 469 = OLGReport Düsseldorf 2005, 297 = NZM 2005, 380 = DWE 2005, 41, hatte die Entscheidung dem BGH vorgelegt, der die Sache jedoch an das OLG zur eigenen Entscheidung zurückgab, BGH, Beschl. v. 23.6.2005 – V ZB 61/05, ZMR 2005, 798 = NZM 2005, 627 = DWE 2005, 146.

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Erstkontakt Mandant – Rechtsanwaltskanzlei

Rz. 1.24 Teil 1

willkürter Prozessstandschaft für den wirklichen Eigentümer tätig werden;39 das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche rechtliche Interesse wird man einem Nießbraucher nicht absprechen können. Dass in gewillkürter Verfahrensstandschaft gehandelt wird, muss allerdings bei Erhebung der Klage offengelegt werden.40 Außerdem könnte sich der Nießbraucher auch vom Eigentümer bevollmächtigen lassen, für diesen zu handeln und Aufträge an einen Rechtsanwalt erteilen zu können. In diesem Fall würde jedoch der Rechtsanwalt nicht im Namen des Nießbrauchers, sondern im Namen des Eigentümers tätig. Die Wohnungseigentümergemeinschaft könnte gegenüber einem Nießbraucher Ansprüche 1.22 geltend machen, allerdings nicht gestützt auf wohnungseigentumsrechtliche Vorschriften (z.B. § 14 WEG) und auch nicht im Verfahren nach § 43 Nrn. 1–4 WEG. In Betracht kämen z.B. Ansprüche aus § 1004 BGB, die aber im „normalen“ Zivilverfahren geltend gemacht werden müssten.41 Die Entscheidung des OLG München vom 23.3.2009 dürfte deshalb nicht vollständig richtig sein; der Senat hatte sich in dieser Entscheidung darauf gestützt, dass auch ein Nießbraucher „unmittelbar“ an die Teilungserklärung (gemeint wohl „Gemeinschaftsordnung“) gebunden sei und ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB bestehe.42 Aus rechtsanwaltlicher Sicht ist bei Beteiligung eines Nießbrauchers an einem Rechtsstreit höchste Vorsicht geboten.

III. Erstkontakt Mandant – Rechtsanwaltskanzlei Wendet sich ein neuer Mandant an die Rechtsanwaltskanzlei, ist es sinnvoll, sich vor dem ersten persönlichen Gespräch von dem potentiellen Mandanten Unterlagen hereingeben zu lassen, um das Gespräch anhand der hereingegebenen Unterlagen konkret vorbereiten zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Verwalter oder Wohnungseigentümer handelt. Die Materie Wohnungseigentumsrecht ist vielschichtig, kompliziert, von zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung und durch Versammlungsbeschlüsse bestimmt. Ein erstes Gespräch ohne vorbereitende Durchsicht von Unterlagen kann deshalb kaum zielgerichtet geführt werden. Schon beim ersten telefonischen Kontakt sollten von dem Büropersonal oder von dem anwaltlichen Sachbearbeiter die mögliche Zielrichtung der anwaltlichen Beratung ermittelt und die notwendigen Unterlagen angefordert werden.

1.23

Abgefragt werden muss unbedingt schon bei der ersten Kontaktaufnahme, ob Fristen laufen. Es muss also insbesondere geklärt werden, ob es sich bei dem erteilten Mandat um eine Beschlussanfechtungsklage handeln könnte. Eine Belehrung des Büropersonals über die wichtigsten Fristen ist deshalb notwendig und haftungsvermeidend. Die Frist für die Erhebung der Beschlussanfechtungsklage (Beschlussanfechtungsfrist) beträgt einen Monat ab Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung; die Begründungsfrist für die Beschluss-

1.24

39 Vgl. LG Hamburg, Urt. v. 29.5.2013 – 318 S 6/13, ZMR 2013, 826 = ZWE 2015, 224; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.6.2012 – V ZB 56/12, NZM 2012, 732 = NJW-RR 2012, 1359; zur Pflicht des Wohnungseigentümers, bei einem Nießbrauchsverhältnis Vollmachten zu erteilen, vgl. AG Brühl, Urt. v. 15.11.2010 – 23 C 257/10, ZMR 2011, 245 = ZWE 2011, 190. 40 KG, Beschl. v. 20.7.1994 – 24 W 3942/94, KGR Berlin 1994, 205 = ZMR 1994, 524 = WuM 1994, 714 = NJW-RR 1995, 147 = WE 1995, 119 = DWE 1995, 31; OLG Celle, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 352/99, OLGReport Celle 2000, 237 = ZWE 2001, 34; vgl. LG Hamburg, Urt. v. 29.5.2013 – 318 S 6/13, ZMR 2013, 826 = ZWE 2015, 224. 41 BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 194/14, MDR 2015, 1122 = WuM 2015, 589 = ZWE 2015, 376. 42 OLG München, Beschl. v. 23.3.2009 – 19 U 5448/08, ZWE 2010, 36 (Vorentscheidung = Hinweisbeschluss OLG München, Beschl. v. 10.2.2009, nur juris, sonst n.v.).

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Teil 1 Rz. 1.24

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

anfechtungsklage beträgt zwei Monate ab Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung, vgl. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG. Eine Verlängerung der beiden Fristen ist nicht möglich. Lediglich eine Wiedereinsetzung könnte bei einer unverschuldeten Fristversäumung in Betracht kommen.

1.25 Falls diese Anfechtungs- und Begründungsfristen nach Auskunft des Mandanten nicht relevant sind, muss weiter ermittelt werden, ob gerichtliche Fristen laufen oder eine Verjährungsproblematik im Raume steht.

IV. Vereinbarung einer Beratungsgebühr 1.26 Anhand der Unterlagen und der ersten übermittelten Informationen kann regelmäßig schon abgeschätzt werden, welchen Aufwand eine Beratung mit sich bringen wird, und es sollte dann auch eine Beratungsgebühr vereinbart werden. Die Vereinbarung einer solchen Beratungsgebühr ist nach § 34 RVG notwendig und geboten. § 34 RVG (1) Für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft (Beratung), die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen, für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens und für die Tätigkeit als Mediator soll der Rechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken, soweit in Teil 2 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses keine Gebühren bestimmt sind. Wenn keine Vereinbarung getroffen worden ist, erhält der Rechtsanwalt Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Ist im Fall des Satzes 2 der Auftraggeber Verbraucher, beträgt die Gebühr für die Beratung oder für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens jeweils höchstens 250 Euro; […] (2) Wenn nichts anderes vereinbart ist, ist die Gebühr für die Beratung auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit, die mit der Beratung zusammenhängt, anzurechnen.

Bei der Vereinbarung sollte auch berücksichtigt werden, ob eine Anrechnung auf spätere Gebühren ausgeschlossen werden soll. Das Gesetz sieht eine solche Anrechung vor; die gesetzliche Regelung kann allerdings abbedungen werden.

1.27 Meine Erfahrung ist: Gerade bei einem ersten Beratungsgespräch müssen eine Vielzahl von unterschiedlichen Problemen und sogar Fehlvorstellungen der Mandanten angesprochen und erörtert werden, um überhaupt zu den relevanten Kernpunkten der späteren Fallbearbeitung zu gelangen. Dabei sind die Unterschiede zwischen „einfachen“ Wohnungseigentümern und Verwaltern nur graduell. Wegen des fast immer sehr aufwändigen ersten Beratungsgesprächs ist es empfehlenswert, eine Anrechnung der Gebühr für die erste Beratung auf später anfallende Gebühren auszuschließen.

1.28 Zu beachten ist im Rahmen des § 34 RVG der Verbraucherbegriff und die hieran zu knüpfenden Folgen für die Gebührenhöhe.

1.29 Verbraucher (§ 13 BGB) ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann deshalb kein Verbraucher sein, wenn er für sich selbst eine Beratung beansprucht; er unterfällt dem § 14 BGB.

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Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten

Rz. 1.35 Teil 1

Demgegenüber können Wohnungseigentümer, die nicht vermietet haben, regelmäßig Verbraucher sein. Vermietet der Wohnungseigentümer allerdings, ist – z.B., wenn er zur Umsatzsteuer optiert hat – davon auszugehen, dass er kein Verbraucher ist; im Übrigen wäre hier zu prüfen, ob die Vermietung von Wohnungseigentum zum Bereich seiner gewerblichen Tätigkeit gehört.

1.30

Dient Teileigentum einer gewerblichen Tätigkeit (z.B., wenn das Teileigentum für gewerbliche Zwecke vermietet werden kann oder vermietet worden ist oder der Eigentümer das Teileigentum selbst für gewerbliche Zwecke nutzt), kann der „Verbraucher“-Begriff ebenfalls nicht erfüllt sein.

1.31

Bei der Beratung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, in der auch Nicht-Verbraucher Miteigentümer sind, ist die Gemeinschaft – auch wenn das Beratungsmandat über den Verwalter erteilt wird – als Verbraucher zu behandeln. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen dann einem Verbraucher gemäß § 13 BGB gleichzustellen ist, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.43

1.32

V. Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten Zu den Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch von den Mandanten vorgelegt werden 1.33 sollten, zählen: Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung44 und Teilungsplan. Sie sind die Urkunden, die für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das „Grundgesetz“ darstellen und die die Grundlagen der Rechtsbeziehungen der Eigentümer untereinander und der Eigentümer zum Verwalter bilden. Aus diesen Urkunden ergeben sich die grundsätzlichen Bestimmungen und Informationen, die für das Betreiben eines Verfahrens notwendig sind. Die Teilungserklärung ist die Erklärung des Grundstückeigentümers,45 mit der er das Grundstück in Wohnungseigentum aufteilt und das Grundbuchamt in die Lage versetzt, neue Grundbuchblätter anzulegen und das alte Einzelgrundbuch zu schließen. In der Teilungserklärung finden sich die Beschreibung der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten („bestehend aus … Zimmern, Küche, Bad …“) und die Zuordnung der Miteigentumsanteile.

1.34

Die Gemeinschaftsordnung regelt die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander und gegenüber dem Verwalter, wie auch die Rechte und Pflichten des Verwalters. In der Gemeinschaftsordnung finden sich u.a. die grundsätzlichen Kostenverteilungskriterien (wenn die Kostenverteilung nicht – nach der WEG-Novelle 2007 – durch Beschluss einer Eigentümerversammlung geändert wurde), Bestimmungen über die Abhaltung von Ei-

1.35

43 Vgl. BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 = MDR 2015, 575 = WuM 2015, 575; LG Karlsruhe, Urt. v. 14.4.2015 – 8 = 144/14, ZMR 2015, 817 = ZWE 2016, 25. 44 Zum Begriff TE/GO: BayObLG, Beschl. v. 7.7.1988 – 2 Z 7/88, BayObLGZ 1988, 238 = DWE 1989, 27 = DNotZ 1989, 426. 45 Oder der Vertrag nach § 3 WEG.

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Teil 1 Rz. 1.35

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

gentümerversammlungen, Protokollierungsvorschriften für die Versammlungsprotokolle46 usw. Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung werden regelmäßig zusammen beurkundet und finden sich deshalb regelmäßig in einer notariellen Urkunde. In der Praxis werden Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung häufiger vor endgültiger Eintragung der Aufteilung im Grundbuch geändert, weshalb unbedingt nicht nur die ursprüngliche Urkunde, sondern auch spätere Ergänzungs- oder Abänderungsurkunden beigezogen werden müssen. Welche Änderungsurkunden existieren, ergibt sich aus dem Bestandsverzeichnis des Grundbuches; dort wird auf die entsprechenden Urkunden Bezug genommen. Ganz wichtig ist für den Rechtsanwalt, in der Gemeinschaftsordnung zu prüfen, ob der ordentliche Rechtsweg durch eine Schlichtungsvereinbarung ausgeschlossen ist. In der Gemeinschaftsordnung kann bestimmt werden, dass unter Ausschluss des staatlichen Gerichts Streitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern und zwischen den Wohnungseigentümern (oder dem Verband) und dem Verwalter ein Schiedsgericht entscheidet. Das derzeit einzige auf Wohnungseigentumsrecht spezialisierte Schiedsgericht ist das Deutsche Ständige Schiedsgericht für Wohnungseigentum.47

1.36 Wird die Schiedsvereinbarung nicht beachtet und deshalb fehlerhaft vor dem örtlich „zuständigen“Amtsgericht geklagt, muss die Klage als unzulässig verworfen werden. Dieser Fehler kann bei Beschlussanfechtungsklagen wegen der abgelaufenen Beschlussanfechtungsfrist nicht mehr repariert werden, es sei denn, der anzugreifende Beschluss wäre nichtig. Auch für die Anrufung des Schiedsgerichts müssen die Fristen nach dem WEG beachtet werden, denn nach dem Statut (Verfahrensstatut) des Schiedsgerichts gelten die § 43 ff. WEG entsprechend für das Verfahren vor dem Schiedsgericht. Nicht fristgebundene Leistungsklagen, die fälschlich vor dem staatlichen Gericht erhoben wurden, können zurückgenommen werden, und es könnte sodann das Schiedsgericht angerufen werden; allerdings sind beim staatlichen Gericht dann bereits vermeidbare Kosten entstanden.

1.37 Der Teilungsplan weist in zeichnerischer Form die Aufteilung des Gebäudes und die Lage und Größe der im Sondereigentum und im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile aus. Der Teilungsplan hat nicht die Funktion, Nutzungsbeschränkungen zum Ausdruck zu bringen.48 Gibt es Diskrepanzen zwischen Teilungserklärung und Teilungsplan, die sich auf die ge46 Vgl. zur Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass das Protokoll durch mehrere in der Versammlung anwesende Personen zu unterzeichnen ist: BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = ZMR 1997, 531 = NJW 1997, 2956 = WuM 1997, 520; BGH, Beschl. v. 9.10.1997 – V ZB 3/97, MDR 1998, 29 = ZMR 1998, 171 = NJW 1998, 755; OLG Celle, Beschl. v. 6.9.2004 – 4 W 143/04, NZM 2005, 308 = OLGReport Celle 2005, 308 (dort lediglich „Soll“Vorschrift); OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2008 – 15 Wx 15/08, ZMR 2009, 217 = NZM 2008, 808 = NJW-RR 2008, 1545 (Unterschrift eines Vertreters des Wohnungseigentümers reicht aus); eine nachträgliche Genehmigung des Protokolls bei fehlenden Unterschriften ist nicht möglich: AG Köln, Beschl. v. 10.3.2006 – 215 II 90/05, n.v. 47 Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum e.V., c/o eid Evangelischer Immobilienverband Deutschland e.V., Littenstraße 10, 10179 Berlin, Telefon: 030-547 112 50, Telefax: 030-547 112 55, Mail: [email protected]; weitere Kontaktinformationen, Statut (= Verfahrensregeln), Schiedsrichterliste, Verfahrenshinweise usw. sind zu finden unter http://www.schiedsge richt-wohnungseigentum.eu. 48 BGH, Urt. v. 16.11.2012 – V ZR 246/11, WuM 2013, 58 = ZWE 2013, 20; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 40/09, MDR 2010, 434 = MietRB 2010, 115 = ZMR 2010, 461 = NJW-RR 2010, 667; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.5.1989 – 8 W 369/88, ZMR 1989, 312, OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.1990 – 8 W 603/89, ZMR 1990, 190.

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Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten

Rz. 1.41 Teil 1

setzliche Funktion des Teilungsplans beziehen, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen, hat weder die Teilungserklärung noch der Teilungsplan Vorrang, sondern ein unauflöslicher Widerspruch zwischen Teilungserklärung und Teilungsplan führt dazu, dass Sondereigentum nicht entsteht.49 Auf dem Teilungsplan muss sich notwendigerweise der sogenannte „Grünstempel“ finden; das ist der Stempel, mit dem die Baubehörde50 die Abgeschlossenheit der Sondereigentumseinheiten bescheinigt (vgl. § 7 WEG). Die in dem Teilungsplan zeichnerisch wiedergegebene Zuordnung von Räumen zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum kann von erheblicher Bedeutung für die rechtliche Beurteilung eines Falles sein. Ohne die Einsichtnahme in die vorgenannten Urkunden kann ein Mandat nicht ordnungsgemäß betrieben werden.

1.38

Angefordert werden sollten auch das Protokoll über die Verwalterbestellung sowie der Verwaltervertrag. Bedeutungsvoll ist in allen Mandatsverhältnissen, wann der Verwalter letztmalig bestellt worden ist, und zwar unabhängig davon, ob ein Mandat für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (oder den Verwalter) oder gegen die übrigen Miteigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (oder den Verwalter) geführt werden soll. Bei der erstmaligen Bestellung eines Verwalters nach der Begründung des Wohnungseigentums darf die Bestellungsdauer drei Jahre nicht überschreiten, § 26 Abs. 1 S. 2 WEG.

1.39

Überraschend ist, wie häufig Verwalterbestellungen – ohne dass der Verwalter oder der Beirat oder die übrigen Eigentümer das bemerkt haben – zum Zeitpunkt der rechtsanwaltlichen Prüfung bereits abgelaufen sind und eine nicht berechtigte Person – nämlich der „Verwalter“, dessen Bestellung abgelaufen ist – eine Eigentümerversammlung einberufen hat. Sollen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung angefochten werden, verschafft die Kenntnis der Tatsache, dass die Eigentümerversammlung von dem nicht mehr amtierenden Verwalter einberufen wurde, erhebliche prozessuale Vorteile für den anfechtenden Eigentümer und – umgekehrt – erhebliche Nachteile für die Anfechtungsbeklagten und den beteiligten (Ex-)Verwalter.

1.40

Wird ein Rechtsanwalt für eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund eines Auftrages des Verwalters tätig (z.B. bei einer Klage auf Zahlung von Hausgeldern), hängt seine Legitimation im Prozess davon ab, ob der Verwalter bei Erteilung des Auftrages noch wirksam zum Verwalter bestellt war.51 Ist die Verwalterbestellung bereits abgelaufen, kann der Verwalter keinen wirksamen Auftrag für die Gemeinschaft mehr erteilen. Der Rechtsanwalt verliert seinen Vergütungsanspruch und läuft Gefahr, auch noch die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt zu bekommen. Ein Rückgriff auf den auftragserteilenden Verwalter dürfte

1.41

49 BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159 = MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851 = WuM 1995, 614; OLG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 34 Wx 71/12, ZWE 2012, 487; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 23.1.2006 – 20 W 195/03, OLGReport Frankfurt 2006, 664 = ZWE 2006, 243 (zur Entstehung von Sondernutzungsrechten); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.1997 – 3 Wx 154/97, ZMR 1998, 186 = WE 1998, 108 = MittRhNotK 1998, 132; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.10.1980 – 8 W 384/80, OLGZ 1981, 160 = Rpfleger 1981, 109; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, NZM 2004, 103 = ZMR 2004, 206 = NJW 2004, 1798. 50 Vgl. aber § 7 Abs. 4 S. 3 WEG, wonach auch Sachverständige die Bescheinigung erteilen können, wenn die Landesregierung dies durch Rechtsverordnung bestimmt hat. 51 Durch Beschluss einer Eigentümerversammlung kann die Rechtsanwaltsbeauftragung durch einen Verwalter, dessen Bestellungszeit abgelaufen ist, genehmigt werden: BayObLG, Beschl. v. 14.11.2002 – 2Z BR 79/02, ZMR 2003. 362 = ZWE 2003, 272.

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Teil 1 Rz. 1.41

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

wohl nicht möglich sein, weil die Prüfung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört.

1.42 Ab und zu ist bei der Prüfung der Verwalterbestellung festzustellen, dass eine BGB-Gesellschaft52 zum Verwalter bestellt worden ist oder dass zwei Verwalter für eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (wenn das gemeinschaftliche Objekt aus mehreren Gebäuden besteht) bestellt wurden (vgl. auch Rz. 1.44). Beides ist nicht zulässig. Dass die Bestellung einer BGBGesellschaft nichtig ist, hat der BGH mehrfach bestätigt.53 Daran hat auch die Teilrechtsfähigkeit einer BGB-Gesellschaft nichts geändert.

1.43 Auch die Bestellung von Eheleuten zu gemeinsamen Verwaltern einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist unzulässig und nichtig.54

1.44 Die Bestellung von mehreren Personen zu Verwaltern ist generell nichtig,55 insbesondere auch die Bestellung verschiedener Personen zu Verwaltern unterschiedlicher Gebäude einer einheitlichen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer („Mehrhausanlage“).56 Eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass für die verschiedenen Gebäude unterschiedliche Verwalter bestellt werden können, ist unwirksam.57

1.45 Die Bestellung einer (haftungsbeschränkten) Unternehmergesellschaft (UG), vgl. § 5a GmbHG, zur Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft halte ich für eine Maßnahme nicht ordnungsmäßiger Verwaltung,58 weil eine solche Gesellschaft bereits mit einem „Stammkapital“ von einem Euro gegründet und ins Handelsregister eingetragen werden kann. Die Bestellung einer solchen Gesellschaft erscheint für eine Wohnungseigentümergemeinschaft zu risikobehaftet; die bei Eigentümergemeinschaften zu verwaltenden erheblichen Vermögenswerte erfordern, dass eine solvente Gesellschaft oder eine solvente Person be52 Zur fehlenden Eignung eines Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft zur Ausübung des Verwalteramtes vgl. AG Bonn, Urt. v. 1.8.2018 – 27 C 52/18, ZMR 2018, 960. 53 Vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – V ZB 132/05, MDR 2006, 981 = BGHReport 2006, 631 = NJW 2006, 2189 = WuM 2006, 166 = NZM 2006, 263; BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, BGHZ 107, 268 = MDR 1989, 897 = NJW 1989, 2059; siehe auch BGH, Urt. v. 28.5.2009 – VII ZR 206/07, MDR 2009, 976 = ZMR 2009, 779 = WuM 2009, 420 = NJW 2009, 2449; KG, Beschl. v. 15.3.2016 – 1 W 79/16, ZWE 2016, 176 = NJW-RR 2016, 716 = ZMR 2016, 482; OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 58/06, ZMR 2006, 950 = NJW-RR 20087, 302 = ZWE 2007, 153. 54 BGH, Urt. v. 11.12.1989 – II ZR 117/89, ZMR 1990, 188 = WuM 1990, 128. 55 BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 241/11, MDR 2012, 1151 = WuM 2012, 527 = ZWE 2012, 499 (auch bei einer solchen Bestellung in der Gemeinschaftsordnung); KG, Beschl. v. 15.3.2016 – 1 W 79/16, ZWE 2016, 176 = NJW-RR 2016, 716 = ZMR 2016, 482; LG Dortmunde, Urt. v. 2.9.2014 – 1 S 369/13, Juris; OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 57/06, ZMR 2006, 950 = DWE 2006, 149 = ZWE 2007, 153 = NJW-RR 2007, 302. 56 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 15.6.2000 – 2 Z BR 1/00, BayOLGReport 2000, 58 = WuM 2000, 509 = NZM 2000, 1240; LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2009 – 19 S 40/09, NZM 2010, 288; LG NürnbergFürth, Urt. v. 23.9.2009 – 14 S 1754/09, ZMR 2010, 315; AG Heilbronn, Beschl. v. 3.9.2009 – GR 245/06, ZMR 2010, 484. 57 So auch Bader, Aktuelle Fragen der Verwalterbestellung, FS für Seuß zum 60. Geburtstag, S. 3; Lüke in Weitnauer, 9. Aufl., § 26 WEG Rz. 2; Merle, Rechtsgrundsätze der Wohnungseigentumsverwaltung, WE 1992, 239 (242); AG Schleiden, Beschl. v. 23.1.2007 – 9a II 2/06 WEG, n.v. 58 So auch LG Karlsruhe, Urt. v. 28.6.2011 – 11 S 7/10, ZWE 2011, 369 = NZM 2011, 784 = NotBZ 2012, 70; vgl. im Übrigen Armbrüster, Anm. zur Entscheidung LG Karlsruhe, NotBZ 2012, 75; Armbrüster, ZWE 2011, 372, Schmid, Gesellschaften als Wohnungseigentumsverwalter, NZG 2012, 134.

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Köhler

Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten

Rz. 1.47 Teil 1

stellt wird, bei auch auf vorhandenes (Gesellschafts-)Kapital zurückgegriffen werden kann. Der BGH ist allerdings anderer Meinung; er meint, dass eine UG grundsätzlich zur Verwalterin bestellt werden kann.59 Ob die Bestellung zum Verwalter den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche, dürfe sich bei solchen Unternehmen nicht nach der Rechtsform bestimmen, sondern beurteile sich danach, ob sie fachlich qualifiziert und ausreichend finanziell ausgestattet sind. Ein sachlicher Grund, die deutsche haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft anders zu behandeln, sei nicht erkennbar. Dem ist zu entgegnen, dass bei einem „Mindest“-Stammkapital von 1 Euro wohl kaum von einer ausreichenden finanziellen Ausstattung gesprochen werden kann (und auch nicht bei einem Stammkapital von bis zu 25.000 Euro). Vor der Bestellung einer UG zur Verwalterin ist auf jeden Fall konkret zu prüfen, ob die UG über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt und/oder ob die UG ausreichende Sicherheiten stellen kann. Auch ist zu prüfen, ob ein ausreichender Versicherungsschutz besteht.60 Interessant für eine spätere Prozessführung ist es, konkret anhand früherer Versammlungspro- 1.46 tokolle nachzuprüfen, ob bei der Bestellung eines Verwalters der § 26 Abs. 2 WEG beachtet worden ist. Nach § 26 Abs. 2 WEG ist die wiederholte Bestellung zum Verwalter zulässig. Der Bestellungsbeschluss darf dann aber frühestens ein Jahr vor Ablauf der Bestellungszeit gefasst werden. Diese Vorschrift wird gelegentlich nicht beachtet; ist sie nicht beachtet worden, führt das dazu, dass die Verwalterbestellung nichtig ist.61 Neben dem Beschluss über die Verwalterbestellung ist selbstverständlich auch wichtig, den Inhalt des Verwaltervertrages zu kennen. Hier können Regelungen enthalten sein, die die Grundlage für die Führung eines Mandats bilden könnten. Im Verwaltervertrag kann eine Vollmacht enthalten sein, die den Verwalter berechtigt, Aktivverfahren für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu führen.62 Wichtig ist dabei zu prüfen, ob der Verwaltervertrag ordnungsgemäß beschlossen wurde oder auf einem ordnungsgemäßen Beschluss einer Wohnungseigentümerversammlung beruht.63 Vollmachten können auch durch die Gemeinschaftsordnung oder durch Beschlüsse einer Eigentümerversammlung64 erteilt werden. 59 BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. 60 LG Dortmund, Urt. v. 16.2.2016 – 1 S 386/15, Juris; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 4.12.2013 – 2-13 S 94/12, ZMR 2014, 305 = ZWE 2014, 277 = WuM 2014, 428; LG Rostock, Beschl. v. 27.6.2013 – 1 S 290/12, Juris. 61 Vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1995 – III ZR 65/94, NJW-RR 1995, 780 = DWE 1995, 158; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.3.2005 – 20 W 153/03, OLGReport Frankfurt 2006, 46; OLGZ Zweibrücken, Beschl. v. 23.6.2004 – 3 W 65/06, ZMR 2005, 905; KG, Beschl. v. 30.7.1997 – 24 W 2316/96, ZMR 1997, 610; vgl. auch LG Zwickau, Beschl. v. 20.11.2001 – 9 T 328/01, ZMR 2002, 307; AG Siegburg, Urt. v. 2.5.2008 – 150 C 68/07, ZMR 2009, 82. 62 Vgl. hierzu OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2007 – 13 Wx 9/07, MietRB 2008, 174. Zur Problematik einer Vollmacht in einem Verwaltervertrag, der vom Verwaltungsbeirat aufgrund eines bevollmächtigenden Beschlusses abgeschlossen wurde: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2007 – 3 Wx 137/06, OLGReport Düsseldorf 2007, 241 = ZMR 2007, 550; vgl. ergänzend auch OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2002 – 16 Wx 135/05, OLGReport Köln 2003, 113 = ZMR 2003, 604 = NJWRR 2003, 8 = NZM 2002, 1002. 63 Vgl. LG Berlin, Urt. v. 24.8.2018 – 55 S 86/17 WEG, Grundeigentum 2018, 1291; LG Frankfurt/ Main, Beschl. v. 3.4.2017 – 2-13 S 85/16, WuM 2017, 354 = ZWE 2017, 320. 64 Vgl. zu einem problematischen Fall, in dem der Versammlungsbeschluss über die Vollmachtserteilung an den Verwalter mit den Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung kollidierte: OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2001 – 16 Wx 185/01, OLGReport Köln 2002, 136 = ZMR 2002, 972, vgl. aber auch OLG Köln, Beschl. v. 15.10.2003 – 16 Wx 137/03, ZMR 2004, 216.

Köhler

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1.47

Teil 1 Rz. 1.48

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

1.48 Eine weitere Informationsquelle für die rechtsanwaltliche Bearbeitung stellen die Protokolle von Eigentümerversammlungen dar. Einerseits kann anhand des Inhalts von Protokollen, insbesondere der Beschlussformulierungen und -protokollierungen, festgestellt werden, ob es sich um einen qualifizierten Verwalter handelt, andererseits müssen die Protokolle von Eigentümerversammlungen für die unterschiedlichsten rechtlichen Fragen geprüft und beurteilt werden. Aus den Protokollen kann sich die Zulässigkeit von baulichen Veränderungen ergeben, wenn in einer früheren Eigentümerversammlung einer baulichen Veränderung zugestimmt wurde, ohne dass dieser Beschluss gerichtlich angegriffen wurde. Aus früheren Protokollen können sich auch Beschlüsse über die Entlastung des Verwalters ergeben. Schon allein aufgrund eines solchen Entlastungsbeschlusses können Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter erloschen sein.65

1.49 Durch die Neuregelung des Wohnungseigentumsgesetzes können die Protokolle der Eigentümerversammlung sowie die nach dem 1.7.2007 gemäß § 24 Abs. 7 WEG zu erstellenden Beschlusssammlungen eine besondere Bedeutung erlangen. Die Kostenverteilungsschlüssel könnten z.B. durch Beschluss wirksam verändert (vgl. § 16 Abs. 3 WEG), Regelungen über Zahlungen getroffen oder Modernisierungsmaßnahmen/Anpassungen an den Stand der Technik beschlossen (§ 22 Abs. 2 WEG) worden sein. Dies sollte vor der anwaltlichen Beratung geprüft und bei der Beratung berücksichtigt werden.

1.50 Geht es um die Anfechtung aktueller Beschlüsse einer Eigentümerversammlung, ist die Einladung zur Eigentümerversammlung von erheblicher Bedeutung. Die Tagesordnungspunkte der Einladung sind mit den gefassten Beschlüssen zu vergleichen, um erkennen zu können, ob die in der Versammlung gefassten Beschlüsse in der Einladung ausreichend bezeichnet worden sind oder ob ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG vorliegt. Viele Verfahren können schon allein aufgrund von formellen Fehlern – die auch in der Inkongruenz zwischen Einladung und Beschlussfassung liegen – Erfolg haben.

1.51 Die Vorlage eines Grundbuchauszuges gehört ebenfalls zu den zentralen Informationsquellen bei der Mandatsübernahme. Aus dem Bestandsverzeichnis des Grundbuches ergeben sich die beteiligten anderen Grundbücher, so dass genau geprüft werden kann, aus wie vielen Einheiten die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besteht; das ist wichtig für die bereits oben angesprochene Problematik der Bestellung mehrerer „Verwalter“ für eine Eigentümergemeinschaft. In den Bestandsverzeichnissen der Grundbücher finden sich z.B. Formulierungen wie „Das Miteigentum ist beschränkt durch die zu den anderen Miteigentumsanteilen gehörenden Sondereigentumsrechte, eingetragen in den Blättern 17401 bis 17420 (ausgenommen dieses Grundbuchblatt).“ In diesem Beispiel sind also 20 Einheiten vorhanden, die aus Wohnungen oder Teileigentumseinheiten (gewerbliche Einheiten, Garagen usw.) bestehen können.

1.52 Aus dem Bestandsverzeichnis ergeben sich weiter die Urkunden, die das Verhältnis der Eigentümer untereinander bestimmen, nämlich Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung mit eventuellen Änderungen. Die Formulierung kann z.B. lauten: „Wegen Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Bezugnahme auf die Bewilligungen vom 13.10.1994 und 2.2.1995.“ Teilwei65 Vgl. Köhler, Die Entlastung des Verwalters – eine kritische Betrachtung, ZMR 1999, 293; Schmid, Die Verwalterentlastung im Lichte der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, ZWE 2009, 377; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 12222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124; BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 300 = WuM 2010, 178 = NJW 2010, 170.

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Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten

Rz. 1.55 Teil 1

se werden auch noch die entsprechenden Urkundenrollen-Nummern (UR. Nr.) des Notars genannt. Aus dem vorstehenden Eintragungsbeispiel ergibt sich, dass die ursprüngliche Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vom 13.10.1994 stammt und am 2.2.1995 geändert oder ergänzt worden ist. Um spätere Änderungen der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung nicht zu übersehen, ist also der Einblick in die Grundbuchkopien notwendig. Die Mandanten sollten unbedingt dazu angehalten werden, die Urkunden vollständig vorzulegen, damit man später nicht von Änderungsurkunden überrascht wird. Aus der Abteilung I des Wohnungsgrundbuches ergibt sich der aktuelle Eigentümer. Dieser 1.53 kann die Rechte in Bezug auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend machen. Die Rechtsfigur der „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“, die bisher umstritten war66 und auch von mir abgelehnt wurde, ist nunmehr vom BGH67 anerkannt worden. Das bedeutet, dass nicht der im Grundbuch Abteilung I eingetragene Eigentümer auf Zahlung von Hausgeld in Anspruch genommen werden und an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Beschlussfassung teilnehmen kann, sondern der „werdende Wohnungseigentümer“ (vgl. nachfolgend Rz. 1.55 ff.). Bei der Mandatierung durch den Verwalter ist die Vorlage des oder der betreffenden Grundbücher dringend geboten. Aus der Abteilung II ergeben sich z.B. Dienstbarkeiten, die für das Verhältnis zu Nachbarn wichtig sein können (Wegerechte pp). Ganz wichtig sind auch die Eintragungen von Vormerkungen nach § 883 BGB in der Abteilung II des Grundbuches (Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung des Rechts an dem Grundstück – „Auflassungsvormerkung“). Im Hinblick auf die Anerkennung der Rechtsfigur der „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“ durch den BGH (vgl. oben die Ausführungen zur „Abteilung I“) ist der Einblick in die Abteilung II ebenfalls von erheblicher Bedeutung.

1.54

Die Rechtsfigur der „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“:68 Diese entsteht, sobald ein Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzt und aufgrund des vertraglich vereinbarten Übergangs von Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran hat, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Gemeinschaftsanlage vorzeitig auszuüben. Das setzt voraus

1.55

66 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, NJW-RR 2008, 395; OLG Hamm, Beschl. v. 10.5.2007 – 15 W 428/06, ZMR 2007, 712; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.1.2006 – 13 Wx 17/05, ZWE 2006, 447; OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2005 – 16 Wx 193/05, OLGReport Köln 2006, 137 = ZMR 2006, 383 = NJW-RR 2006, 445 = WuM 2006, 217; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.5.2002 – 5 W 368/01, OLGReport Saarbrücken 2002, 336 = NZM 2002, 610 = NJW-RR 2002, 610. 67 BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, MDR 2016, 264 = WuM 2016, 185 = ZWE 2016, 169; BGH, Urt. v. 24.7.2015 – V ZR 275/14, BGHZ 206, 281 = MDR 2015, 1171 = ZMR 2015, 878; BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = NJW 2012, 2650; BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = MDR 2008, 1088 = MietRB 2008, 270 = NJW 2008, 2639 = WuM 2008, 511; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.9.2009 – V ZB 19/09, ZfIR 2009, 829 = MDR 2009, 1415 = NJW-RR 2010, 16 = ZWE 2010, 215; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, ZfIR 2010, 243 = MDR 2010, 433 = NJW 2010, 933 = ZWE 2010, 133. 68 BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, MDR 2016, 264 = WuM 2016, 185 = ZWE 2016, 169; BGH, Urt. v. 24.7.2015 – V ZR 275/14, BGHZ 206, 281 = MDR 2015, 1171 = ZMR 2015, 878; BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = NJW 2012, 2650; BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = MDR 2008, 1088 = MietRB 2008, 270 = NJW 2008, 2639 = WuM 2008, 511; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.9.2009 – V ZB 19/09, ZfIR 2009, 829 = MDR 2009, 1415 = NJW-RR 2010, 16 = ZWE 2010, 215; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, ZfIR 2010, 243 = MDR 2010, 433 = NJW 2010, 933 = ZWE 2010, 133.

Köhler

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Teil 1 Rz. 1.55

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

– einen wirksamen Erwerbsvertrag, der auf die Übereignung des Wohnungseigentums gerichtet ist, – dass eine Vormerkung gemäß § 883 BGB („Auflassungsvormerkung“) im Grundbuch eingetragen ist, – dass Besitz, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind.

1.56 Nicht erforderlich ist, dass auch schon die Wohnungseigentumsgrundbücher angelegt worden sind. Eine Eintragung der Vormerkung zur Einräumung des Wohnungseigentumsrechts im Grundbuch des ungeteilten Grundstücks reicht aus.

1.57 Wird ein Erwerber in der Abteilung I des Grundbuches eingetragen, entsteht eine echte Eigentümergemeinschaft. Die bisherigen „werdenden Wohnungseigentümer“ behalten jedoch ihre Rechte und Pflichten. Das Landgericht Stuttgart hatte bereits anerkannt, dass einem werdenden Wohnungseigentümer alle Rechte und Pflichten eines Wohnungseigentümers zuzubilligen und aufzuerlegen sind und er vollständig an die Stelle des veräußernden teilenden Eigentümers tritt.69 Der BGH hat 2012 entschieden, dass ein Erwerber von Wohnungseigentum, der den Erwerbsvertrag vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft abschließt und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen wird, auch dann als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, wenn er den Besitz an der Wohnung erst nach dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft erlangt. Der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Veräußerer haftet nicht gesamtschuldnerisch für die Lasten der Wohnung, wenn der Erwerber als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist.70

1.58 Aus der Abteilung III ergeben sich Grundpfandrechte, die Bedeutung haben können für die Zwangsversteigerung, einen Antrag nach § 18 WEG oder für die Frage einer Zustimmung eines Grundpfandgläubigers zur Kündigung von Feuerversicherungsverträgen (vgl. §§ 144, 148 VVG).

1.59 Nicht unbedingt für das erste Gespräch ist die Hereingabe der Wohnungsgrundbücher (oder der Einblick in die Wohnungsgrundbücher) aller Eigentümer notwendig. Bei manchen Mandatskonstellationen wird dies aber notwendig. Nur über den Einblick in die Grundbücher der anderen Miteigentümer kann nämlich rechtssicher festgestellt werden, wer die (richtigen) Eigentümer aller Einheiten sind.

1.60 Mitarbeiter der Grundbuchämter haben mitunter die Meinung, dass es für einen Einblick in die zu einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehörenden Wohnungsgrundbücher nicht ausreicht, Miteigentümer der Gemeinschaft zu sein. Diese Auffassung ist allerdings falsch. Ein Miteigentümer kann selbstverständlich in sämtliche Grundbücher seiner Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einblick nehmen, ohne – über die Tatsache hinaus, dass er Miteigentümer ist – ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen zu müssen.71 Auch der Verwalter 69 LG Stuttgart, Urt. v. 28.7.2011 – 2 S 49/10, GuT 2011, 176. 70 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = NJW 2012, 2650. 71 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.10.1986 – 3 Wx 340/86, NJW 1987, 1651 = MDR 1987, 471 = Rpfleger 1987, 199 = JurBüro 1987, 422; vgl. auch Böhringer, Informationelles Selbstbestimmungsrecht kontra Publizitätsprinzip bei § 12 GBO, Rpfleger 1987, 181; kein Anspruch auf Einsicht in die Urkunde zur Eigentumsübertragung: OLG München, Beschl. v. 9.10.2015 – 34 Wx 184/15, ZWE 2016, 51 = NZM 2016, 271; KG, Beschl. v. 3.4.2014 – 1 W 83/14, ZWE 2014, 310 = NotBZ 2014, 380. Für die Verweigerung einer Einsicht des Verwalters in Abt. III könnte die Entscheidung des KG nicht herangezogen werden; der Verwalter wird einen Anspruch darauf haben festzustellen,

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Köhler

Unterlagen, die vor einem Beratungsgespräch angefordert werden sollten

Rz. 1.64 Teil 1

hat aufgrund seiner Stellung als Organ der Gemeinschaft ein in jedem Fall berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht. Der Inhalt von Kaufverträgen ist für das Verhältnis von Einzeleigentümern zur Gemeinschaft 1.61 der Wohnungseigentümer grundsätzlich ohne jede Bedeutung; so ist auch eine Vereinbarung zwischen dem alten und neuen Eigentümer über die Verpflichtung zur Zahlung von Hausgeld für die Gemeinschaft und den Verwalter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unerheblich – was allerdings viele Verwalter verkennen. Baubeschreibungen können u.U. von Bedeutung sein, wenn zu prüfen ist, ob ein Anspruch auf erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums bestehen könnte. Geht es um Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Bauträger, sind die kaufvertraglichen Regelungen und die Baubeschreibung selbstverständlich von grundsätzlicher Bedeutung. Die sonstige Korrespondenz zwischen dem Mandanten und dem Verwalter oder anderen 1.62 Eigentümern gibt häufig Aufschluss über die Interessen und Wünsche, aber auch über die rechtlichen und tatsächlichen Vorstellungen (oder Fehlvorstellungen!) der Mandanten und/ oder der Gegenseite. Deshalb ist die Beiziehung der Korrespondenz wichtig, um den zu bearbeitenden Fall richtig einschätzen zu können. Darum sollte auch die Korrespondenz vom Mandanten angefordert werden und darauf gedrängt werden, dass diese möglichst lückenlos vorgelegt wird. Ist ein gerichtliches Verfahren bereits anhängig, ist besondere Vorsicht angebracht. Es sollte schon bei dem ersten Telefonat mit dem potentiellen Mandanten die Fristenproblematik angesprochen werden. Hat der Mandant Beschlüsse einer Eigentümerversammlung bereits angefochten und muss nunmehr die Begründung gefertigt werden, ist neben der Klärung der Frist auch die Hereingabe der geführten Korrespondenz zwischen Mandant und Gericht notwendig. Wurde von dem Mandanten die Begründung für seine Beschlussanfechtung bereits bei Gericht eingereicht und ist die Begründungsfrist von zwei Monaten nach Beschlussfassung schon abgelaufen, ist die Begründungsschrift des Mandanten von zentraler Bedeutung für den Prozessverlauf. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass weitere Begründungen, die über die Begründung des Mandanten hinausgehen (oder andere Begründungen als der Mandant sie vorgetragen hat), im Verfahren wegen Versäumung der Begründungsfrist regelmäßig abgeschnitten sind.72 Dies sollte – jedenfalls ansatzweise – vor einem persönlichen Gespräch anhand der Unterlagen untersucht werden.

1.63

Auch für die Vertretung der „übrigen Wohnungseigentümer“ ist wichtig, die Fristen zu betrachten und die gegnerischen Schriftsätze darauf zu prüfen, was vorgetragen wurde.

1.64

welche Grundpfandgläubiger existieren, um eine Kündigung des Feuerversicherungsvertrags vorbereiten zu können (vgl. §§ 144, 148 VVG). 72 Nachschieben von Anfechtungsgründen: Niedenführ, Erste Erfahrungen mit dem neuen WEGVerfahrensrecht, NJW 2008, 1768, sieht dies als unzulässig an; dagegen aber Dötsch, Anfechtungsbegründungsfrist i.S.d. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG – Gebot einer einschränkenden Auslegung, ZMR 2008, 433; inzwischen entschieden durch BGH, Urt. v. 16.1.2009 – V ZR 74/08, BGHZ 179, 230 = ZMR 2009, 296 = NJW 2009, 999 = WuM 2009, 190, der ein Nachschieben von Begründungen für nicht zulässig hält.

Köhler

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Teil 1 Rz. 1.65

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

VI. Hinweise an den Mandanten 1.65 In den Gesprächen mit dem Mandanten sind von anwaltlicher Seite die Ziele des Mandanten zu ermitteln und – aufgrund der zuvor eingereichten Unterlagen – die strategischen Möglichkeiten zur Erreichung dieser Ziele zu besprechen. Zu den einzelnen Informationspflichten des rechtsanwaltlichen Berater vgl. meinen Beitrag im Miet-Rechtsberater 2016.73

1.66 Häufig stellt man bei der Durchsicht der eingereichten Unterlagen fest, dass dort Vorstellungen des Mandanten zum Ausdruck kommen, die mit der Rechtswirklichkeit wenig zu tun haben oder die aufgrund eines juristischen Halbwissens gebildet wurden. Es gilt, dem Mandanten die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten und ihre Risiken realistisch darzustellen. Falsche Vorstellungen des Mandanten sind von vornherein zu korrigieren. Der Mandant ist umfassend über die Risiken und Chancen seines Begehrens aufzuklären.74

1.67 In dem Gespräch sollte angesprochen werden, dass eine Miteigentümerliste hereingegeben oder vom Verwalter angefordert werden muss, wenn ein gerichtliches Verfahren, bei dem die übrigen Eigentümer die Gegner sind, durchgeführt werden soll (vgl. § 44 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 WEG)75 oder wenn alle Wohnungseigentümer angeschrieben werden sollen. Eine Miteigentümerliste sollte auch dann angefordert werden, wenn ein Mandat für die „übrigen Wohnungseigentümer“ übernommen wird. Bei der Vertretung der Gemeinschaft der Eigentümer ist eine solche Liste nicht erforderlich, jedoch ist es sinnvoll, sich über die Zusammensetzung der Gemeinschaft ein Bild zu machen.

1.68 Gegenüber dem Verwalter hat der einzelne Wohnungseigentümer Anspruch auf Auskunft über die an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligten Eigentümer.76 Der Verwalter muss auch eine Miteigentümerliste mit ladungsfähigen Anschriften der Eigentümer herausgeben;77 E-Mail-Adressen muss er jedoch nicht mitteilen.78 Der Verwalter muss sich, wenn er die Namen und Anschriften der Eigentümer nicht bereits kennt, die Kenntnis auch über das Grundbuch verschaffen.79 Kann der Wohnungseigentümer, z.B., weil kein Verwalter existiert oder dieser sich nachhaltig weigert, eine Miteigentümerliste herauszugeben, eine Miteigentümerliste ohne Grundbucheinsicht nicht bei Gericht einreichen, werden die Kos73 Köhler, Fallstricke im Beschlussanfechtungsverfahren – Teil I, MietRB 2016, 55, Teil II, MietRB 2016, 87. 74 Vgl. z.B. OLG Celle, Urt. v. 7.3.2007 – 3 U 262/06, OLGReport Celle 2007, 388. 75 Einreichung einer Eigentümerliste in der zweiten Instanz: BGH, Urt. v. 28.10.2011 – V ZR 39/11, ZWE 2012, 82 = NZM 2012, 199 = NJW 2012, 997 und BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 34/11, ZWE 2011, 450 = ZMR 2011, 976 = NZM 2011, 782; BGH, Urt. v. 20.5.2011 – V ZR 99/10, WuM 2011, 481 = ZWE 2011, 328 = NJW 2011, 3237; zur Angabe der ladungsfähigen Anschriften: BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 190/10, MDR 2011, 534 = WuM 2011, 317 = NJW 2011, 1738 = ZWE 2011, 214; zur Nachbenennung von Miteigentümern im gerichtlichen Verfahren vgl. auch LG München I, Urt. v. 9.5.2011 – 1 S 22360/10, NJW 2011, 1974 = ZWE 2011, 282 = NZM 2011, 631 = MietRB 2011, 217. 76 Drasdo, Pflicht des Verwalters zur Herausgabe einer aktuellen Miteigentümerliste, NZM 2009, 742. 77 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 266/16, MDR 2018, 919 = NZM 2018, 685 = WuM 2018, 591; Schreiner, Die Vorlage einer Eigentümerliste bei Gericht, NZM 2011, 761. 78 LG Düsseldorf, Urt. v. 4.10.2018 – 25 S 22/18, ZMR 2019, 61 = NZM 2019, 67; zum Streitwert einer Herausgabeklage: LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 15.3.2013 – 2-13 T 117/12, WuM 2013, 637 = ZMR 2014, 48 = ZWE 2014, 57. 79 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.8.2006 – 5 W 72/06, ZMR 2007, 141.

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Köhler

Hinweise an den Mandanten

Rz. 1.72 Teil 1

ten für die Teilnahme am automatisierten Grundbuchabrufverfahren erstattungsfähig sein.80 Mitunter beziehen sich Verwalter bei ihrer Weigerung, eine Miteigentümerliste herauszugeben, auf Datenschutz. Das ist falsch; innerhalb einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gibt es keinen Datenschutz hinsichtlich der Miteigentümer-Benennung.81 Eine Bewohnerliste (Liste der Mieter und im Objekt wohnenden Eigentümer) muss der Verwalter jedoch nicht führen und auch nicht herausgeben.82 Der Mandant sollte befragt werden, wer zum Ersatzzustellungsvertreter bzw. als dessen Vertreter bestellt worden ist, damit diese Angabe in einer eventuell notwendig werdenden Klageschrift aufgenommen werden kann (vgl. §§ 45 Abs. 2, 44 Abs. 1 WEG). Gerichte können diese Angaben verlangen, um die formelle Zustellung an alle Wohnungseigentümer über den Ersatzzustellungsvertreter bewirken zu können,83 wenn der Verwalter nach Ansicht des Gerichts nicht als originärer Zustellungsvertreter in Betracht kommt.84

1.69

Die Sach- und Rechtslage sollte mit dem Mandanten umfassend erörtert werden, soweit dies aufgrund der hereingegebenen Unterlagen und Informationen möglich ist. Diese umfassende Erörterung dient auch dazu, dem Rechtsanwalt die Entscheidung über die Annahme des weiterführenden Mandats zu ermöglichen. Aufgrund des Gesprächs kann der Rechtsanwalt nämlich meist sehr schnell erkennen, welcher Arbeitsaufwand für die Bearbeitung des weiteren Mandats erforderlich ist und welche Gebühren- oder Streitwertvereinbarung getroffen werden sollte.

1.70

Grundsätzlich ist der Mandant über den Ablauf des weiteren Vorgehens zu informieren, nämlich über die voraussichtliche Zeitdauer, die benötigt wird, um das Ziel des Mandanten möglicherweise zu erreichen, über den Streitwert, der angesetzt wird und über die voraussichtlich entstehenden Kosten.

1.71

Die voraussichtliche Zeitdauer ist für den Mandanten von Bedeutung, denn in der Regel erwarten die Mandanten – jedenfalls, wenn es „einfache“ Wohnungseigentümer sind – eine schnelle Klärung ihrer Probleme. Die Mandanten sollten darüber aufgeklärt werden, dass die Verfahrensdauer von der (üblicherweise hohen) Belastung der Gerichte abhängt und von dem

1.72

80 Vgl. (noch zur alten Rechtslage) KG, Beschl. v. 21.10.2004 – 1 W 331/04, KGR Berlin 2005, 211 = WuM 2005, 146 = NZM 2005, 199. 81 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.2.1984 – 20 W 866/83, OLGZ 1984, 258; BayObLG, Beschl. v. 8.6.1984 – 2 Z 7/84, BayObLGZ 1984, 133 = MDR 1984, 850 = WuM 1984, 304; AG Köln, Beschl. v. 5.10.1998 – 204 II 135/98, ZMR 1999, 67; vgl. auch Drasdo, Datenschutz im Bereich des Wohnungseigentums, Grundeigentum 2009, 826; Drasdo, Datenschutz im Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaften, NZM 1999, 542; vgl. im Übrigen in diesem Handbuch den Teil 15. 82 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, WuM 2011, 594 = ZWE 2011, 415 = DWE 2011, 111; diese Entscheidung befasste sich mit überhöhten Müllgebühren und in diesem Zusammenhang mit der Führung einer „Bewohnerliste“ ohne vertragliche Grundlage. Die Entscheidung ist aufgrund des gerichtlich festgestellten Sachverhaltes richtig. Ein Anspruch auf Führung einer Bewohnerliste könnte aber bestehen, wenn aus dem Verwaltervertrag oder aus der Gemeinschaftsordnung wegen der notwendigen Verteilung von Kosten nach „Bewohnern“ eine Verpflichtung hergeleitet werden könnte. 83 Kosten eines Ersatzzustellungsvertreters sind keine Kosten des Rechtsstreits, sondern Kosten der „internen Verwaltung“: BGH, Beschl. v. 11.5.2017 – V ZB 52/15, MDR 217, 1048 = ZMR 2017, 753 = NJW 2017, 2766. 84 Vgl. BGH, Urt. v. 20.4.2018 – V ZR 202/16, MDR 2018, 783 = WuM 2018, 457 = ZMR 2018, 685; BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 170/11, GuT 2012, 170 = WuM 2012, 341 = NJW 2012, 2040; BGH, Urt. v. 25.9.1980 – VII ZR 276/79, BGHZ 78, 166 = MDR 1981, 220.

Köhler

21

Teil 1 Rz. 1.72

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

Instanzenzug, der in Anspruch genommen werden kann. In wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren gibt es nur noch zwei Tatsachen-Instanzen (nämlich das AG als Eingangsgericht,85 das LG als Berufungsgericht)86. Eine Revision ist auf Zulassung durch das LG möglich und auch eine Nichtzulassungsbeschwerde ist grundsätzlich möglich. § 62 Abs. 2 WEG. § 26 Nr. EGZPO stellt allerdings eine erhebliche Hürde für die Nichtzulassungsbeschwerde auf. Nach dieser Vorschrift ist bis einschließlich 31.12.2019 (sofern diese Regelung nicht erneut verlängert wird) eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt. Diese Mindestgrenze gilt nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung verworfen hat.

1.73 Richtet sich die zu erhebende Gebühr nach einem Gegenstandswert (Geschäftswert/Streitwert), hat nach § 49b Abs. 5 BRAO der Rechtsanwalt vor Übernahme des Mandats hierauf hinzuweisen.87 Es gibt die Auffassung,88 der Rechtsanwalt verliere seinen Vergütungsanspruch, wenn er seine Hinweispflicht verletzt.89 Der Mandant habe nämlich einen Schadensersatzanspruch in Höhe der anwaltlichen Vergütung gemäß § 280 Abs. 1 BGB.90 Unklar ist, ob der Rechtsanwalt auch auf die Höhe des Gegenstandswertes hinweisen muss; dies meine ich nicht. Auf die Höhe der entstehenden Gebühren (und damit auch auf den anzusetzenden Streitwert) muss der Rechtsanwalt jedenfalls hinweisen, wenn er danach gefragt wird.91 Auch wenn angenommen werden kann, dass keine Pflicht zur Information über die Höhe des anzusetzenden Streitwert besteht, sollte auf die Höhe hingewiesen werden, um dem Mandanten eine fundierte Entscheidung über die weiteren Maßnahmen (Erteilung/Fortführung des Mandats) zu ermöglichen. Hinweisen muss der Rechtsanwalt jedenfalls auf einen außergewöhnlich hohen Streitwert.92 Was „außergewöhnlich hoch“ ist, muss wohl aus Sicht des Mandanten beurteilt werden.

VII. Streitwertvereinbarung/Vergütungsvereinbarung 1.74 Der Streitwert eines gerichtlichen Verfahrens wird nunmehr bestimmt durch § 49a GKG. Dieser lautet:

85 § 23 Nr. 2c) GVG. 86 § 72 Abs. 2 GVG – Vorsicht geboten ist bei der Bestimmung des LG, das für die Berufung zuständig ist, vgl. BGH, Beschl. v. 12.4.2010 – V ZB 224/09, MDR 210, 887 = WuM 2010, 319 = ZWE 2010, 265; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – V ZB 67/09, MDR 2010, 342 = WuM 2010, 107 = ZWE 2010, 84; allgemein Elzer, Die Zuständigkeit für Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen, MietRB 2008, 156. 87 Zur Beweislast, ob der Rechtsanwalt seiner Hinweispflicht nachgekommen ist, vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2007 – IX ZR 105/06, MDR 2008, 235 = AnwBl 2008, 68 = NJW 2008, 371; vgl. zu den Hinweispflichten auch Köhler, Fallstricke im Beschlussanfechtungsverfahren (Teil I), MietRB 2016, 55, 59. 88 AG Köln, Urt. v. 18.2.2005 – 118 C 476/04, n.v. 89 A.A. LG Magdeburg, Urt. v. 21.10.2010 – 9 O 613/10, n.v. 90 BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, MDR 2007, 1046 = NJW 2007, 2332 = AGS 2007, 386 = AnwBl 2007, 628; vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Urt. v. 18.3.2008 – 6 U 86/07, JurBüro 2008, 364; LG Berlin, Urt. v. 7.6.2007 – 51 S 42/07, AGS 2007, 390; a.A. AG Altenkirchen, Urt. v. 13.9.2007 – 71 C 526/06, AGS 2007, 557 – nur berufsrechtliche Relevanz. 91 LG Stuttgart, Urt. v. 11.7.2016 – 27 O 338/15, AnwBl 2016, 772. 92 OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.9.2007 – 1 U 676/06, OLGReport Saarbrücken 2008, 79 = NJW-RR 2008, 509 = AGS 2008, 110 = JurBüro 2008, 30.

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Streitwertvereinbarung/Vergütungsvereinbarung

Rz. 1.78 Teil 1

(1) Der Streitwert ist auf 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten. Der Wert darf in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen. (2) Richtet sich eine Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, darf der Streitwert das Fünffache des Wertes ihres Interesses sowie des Interesses der auf ihrer Seite Beigetretenen nicht übersteigen. Abs. 1 S. 3 gilt entsprechend. Diese Bestimmungen bedürfen einer genauen Betrachtung und Bestimmung durch den rechtsanwaltlichen Vertreter, wenn mit dem Mandanten nach dem gesetzlichen Streitwert abgerechnet werden soll. Dieser Streitwert ist schwierig und für jedes Mandat individuell zu bestimmen. Vgl. zu den Einzelheiten Teil 26.

1.75

Bei objektiv schwierigen oder (schon aufgrund der Unterlagen zeitaufwendigen) Mandaten ist zu empfehlen, mit den Mandanten Streitwertvereinbarungen oder eine Stundensatzvereinbarung abzuschließen, um eine dem Arbeitsaufwand entsprechende Vergütung sicherzustellen. Die Praxis der Gerichte bei der Festsetzung eines Streitwerts in Wohnungseigentumssachen nach der neuen Vorschrift des § 49a GKG ist nicht einheitlich und bei Beginn des Verfahrens auch meist nicht absehbar; es könnten Streitwerte festgesetzt werden, die zu ganz geringen Rechtsanwaltsvergütungen führen.

1.76

Der Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist berechtigt, eine Streitwertvereinbarung mit dem Rechtsanwalt zu treffen, § 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 6 WEG. Diese Ermächtigung bezieht sich allerdings nur auf den Streitwert nach § 49a Abs. 1 S. 1 GKG; der Wert darf also 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen nicht überschreiten. Unabhängig von dieser Vorschrift könnte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer allerdings auch durch Beschluss eine Vereinbarung mit dem Rechtsanwalt billigen, die einen höheren Streitwert vorsieht. Ein solcher Beschluss muss allerdings ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.93

1.77

Eine Vergütungsvereinbarung kann sich auch auf die Vereinbarung eines Stundensatzes (Zeithonorar) beziehen, bedarf allerdings der Textform, § 4 RVG iVm § 3a RVG94 und muss auch in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, zur Verantwortung und zum Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen.95

1.78

93 Vgl. LG München I, Urt. v. 2.8.2017 – 1 S 15254/16 WEG, ZWE 2017, 416 = ZMR 2017, 1008. 94 Vgl. auch OLG München, Urt. v. 31.11.2016 – 15 U 1298/16, AnwBl Online 2017, 87; Drasdo, Honorarvereinbarung in Wohnungseigentumssachen, NJW-Spezial 2018, 417; Schneider, Die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts – was Anwälte wissen sollten, AnwBl 2016, 178; Blattner, Die Vereinbarung von Zeitintervallen im Anwaltsvertrag, AnwBl 2018, 534; Kunze, Anwälte in eigener Sache – wo liegen die Grenzen der Honorarmaximierung, AnwBl 2017, 1073. 95 Vgl. Blattner, Die Vereinbarung von Zeitintervallen im Anwaltsvertrag, AnwBl 2018, 534; Kunze, Anwälte in eigener Sache – wo liegen die Grenzen der Honorarmaximierung, AnwBl 2017, 1073; Schneider, Die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts – was Anwälte wissen sollten, AnwBl 2016, 178; Lührig, Wieso, weshalb, warum? Abrechnen nach Zeitaufwand wrd mühseliger, AnwBl 2011, 300; Gaier, Die Angemessenheit anwaltlicher Vergütung als Grundrechtsproblem, AnwBl 2010, 73; Heussen, Wie geht der gute Anwalt beim Honorar mit dem Mandanten um?, AnwBl 2009, 157; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. V. 15.6.2009 – 1 BvR 1342/07, AnwBl 2009, 650; BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZR 177/13, GI aktuell 2015, 36.

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Teil 1 Rz. 1.79

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

1.79 Weil eine höhere als die gesetzliche Gebühr vereinbart werden soll (z.B. für ein gerichtliches Verfahren), darf die Vereinbarung nicht in der Anwaltsvollmacht enthalten sein. Die Streitwertvereinbarung wird regelmäßig vom Rechtsanwalt verfasst und muss deshalb auch als solche „Streitwertvereinbarung“ bezeichnet werden; eine „Gebührenvereinbarung“ über Stundensätze sollte auch als solche Gebührenvereinbarung bezeichnet werden. Sie muss von anderen Vereinbarungen, wie z.B. Haftungsbeschränkungen, deutlich abgesetzt sein. Werden diese Formvorschriften verletzt, tritt gleichwohl eine Heilung durch die freiwillige und vorbehaltlose Zahlung des Mandanten ein. Dabei muss dieser auch nicht wissen, dass der Rechtsanwalt wegen des Formfehlers keinen Anspruch auf höhere Gebühren hatte.

1.80 Bei einer Streitwertvereinbarung ist eine konkrete Aufklärung über die Höhe der entstehenden Gebühren notwendig.96 Dies sollte in einem gesonderten Schreiben an den Mandanten erfolgen.

1.81 Bei der Vereinbarung eines Streitwerts ist auch eine Aufklärung des Mandanten notwendig, dass bei einem Obsiegen in einem Rechtsstreit nicht alle Gebühren erstattet werden, § 3a RVG. Erstattet werden von der unterliegenden Partei immer nur die gesetzlichen Gebühren, die sich nach dem vom Gericht festgesetzten Streitwert richten. Weicht also der gerichtlich festgesetzte Streitwert vom anwaltlich festgesetzten und mit dem Mandanten vereinbarten Streitwert ab, bleibt der Mandant auf einem Teil der Kosten „sitzen“. Hierüber muss der Rechtsanwalt aufklären.

1.82 Die Vertretung von mehreren Personen löst eine Mehrvertretungsgebühr97 (Erhöhungsgebühr) aus, auf die hingewiesen werden sollte. Entgegen der Auffassung vieler Mandanten ist die Entstehung einer solchen Gebühr nicht davon abhängig, dass dem Rechtsanwalt durch die Vielzahl der Mandanten eine messbare Mehrarbeit entsteht.98

VIII. Rechtsschutzversicherung 1.83 Häufig haben Mandanten eine Rechtsschutzversicherung und möchten, dass der Rechtsanwalt die Korrespondenz mit dem Versicherer führt. Hier muss der Rechtsanwalt rechtzeitig – nämlich vor dem ersten Beratungsgespräch bzw. vor einer weiteren Beauftragung – entscheiden, ob er die Korrespondenz mit dem Versicherer übernehmen will oder die Übernahme dieser Aufgabe generell ablehnt. Ein Rechtsanwalt ist zu der Übernahme eines Mandats nicht verpflichtet, also auch nicht zur Übernahme eines Mandats, das das Einholen der Deckungszusage betrifft. Wenn der Rechtsanwalt diese Aufgabe nicht übernehmen will – z.B. zur Vermeidung von Haftungsrisiken99 –, sollte er den Mandanten allerdings ausdrücklich hierauf hinweisen.

1.84 Das Einholen einer Deckungszusage bei einem Rechtsschutzversicherer stellt eine gesonderte Angelegenheit im Sinne des RVG dar, so dass hierfür eine Geschäftsgebühr anfällt.100 96 Zu weitgehend: OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.7.2007 – 24 U 46/06, OLGReport Düsseldorf 2008, 130 = AGS 2008, 12 = FamRZ 2008, 622. 97 Gebühr nach Nr. 1008 Vergütungsverzeichnis zum RVG. 98 Vgl. nur LG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2002 – 314 T 20/02, ZMR 2003, 232. 99 Vgl. hierzu Pabst, Die Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer durch den Anwalt, AnwBl 2007, 136. 100 Völlig abwegig: OLG München, Urt. v. 4.12.1990 – 13 U 3085/90, JurBüro 1993, 163, das doch tatsächlich meint, ein Mandant dürfe darauf vertrauen, dass der Rechtsanwalt bei der Einholung

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Köhler

Rechtsschutzversicherung

Rz. 1.86 Teil 1

Der Geschäftswert dieser Tätigkeit bemisst sich nach den voraussichtlichen Kosten, die anfallen können; bei einer gerichtlichen Tätigkeit sind also die eigenen und die gegnerischen Rechtsanwaltskosten, sowie die Gerichtskosten dem Geschäftswert zugrunde zu legen. Die Kosten für die Deckungsanfrage übernehmen die Rechtsschutzversicherer nicht, so dass der Mandant diese selbst zu tragen hat. Hierauf hat der Rechtsanwalt hinzuweisen.101 Für den Rechtsanwalt kann ein Haftungsrisiko entstehen, wenn er die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer übernimmt und die Rechtsschutzdeckung nicht rechtzeitig einholt, bevor er Klage erhebt.102 Der Rechtsanwalt ist allerdings nicht verpflichtet, eigenständige Ermittlungen anzustellen, wo der Mandant rechtsschutzversichert ist; er darf auf die Informationen seines Mandanten vertrauen.103 Der Rechtsanwalt muss den Rechtsschutzversicherer ordnungsgemäß informieren, sonst entsteht für ihn das Risiko, die eventuellen Kosten eines vermeidbar gewesenen Deckungsprozesses tragen zu müssen.104 Der Rechtsanwalt ist Wissensvertreter für den Mandanten.105

1.85

Wenn der Rechtsanwalt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer tätig werden soll (und diesen Auftrag auch übernimmt), sollte er auch die Versicherungspolice prüfen106:

1.86

– Ist bei selbstgenutztem Wohnungseigentum die Versicherungspolice hierauf erstreckt worden? In einigen Fällen haben Mandanten bei Erwerb des Wohnungseigentums die Umstellung oder Erweiterung ihrer Versicherungspolice versäumt, so dass wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten nicht abgedeckt sind. – Ist bei vermietetem Wohnungseigentum eine gesonderte Versicherungspolice für die vermietete Eigentumswohnung abgeschlossen oder ist die Rechtsschutzdeckung auch auf die vermietete Wohnung erweitert worden? Rechtsschutzversicherungen für vermietete Wohnungen sind relativ teuer, so dass die meisten vermietenden Mandanten keine Rechtsschutzversicherung für ihre vermietete Wohnung haben. – Geprüft werden sollte auch, wann der Versicherungsvertrag abgeschlossen worden ist. Der Rechtsschutzfall muss außerhalb der Karenzfrist von – üblicherweise – drei Monaten eingetreten sein, damit der Versicherer überhaupt Deckung erteilt. Gelegentlich berufen sich Versicherer darauf, dass der Rechtsschutzfall vor Abschluss des Versicherungsvertrags eingetreten ist.

101 102 103 104 105 106

einer Deckungszusage gebührenfrei tätig werde; vgl. zum Gebührenanspruch des Rechtsanwalts, wenn der Mandant sich selbst um die Deckungsanfrage bemühen soll: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.5.2010 – 24 U 211/09, VersR 2010, 1503; vgl. im Übrigen Terriuolo, Einholung der Deckungszusage durch den Rechtsanwalt, AnwBl 2017, 44; Bauer, Gebühren für die Einholung der Deckungszusage in der Rechtsschutzversicherung, VersR 2012, 1205; Hansens, Einholung der Deckungszusage, RVGreport 2010, 241. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.8.2002 – 12 U 76/02, OLGReport Stuttgart 2003, 34 = AGS 2003, 68 = JurBüro 2003, 585; AG Brühl, Urt. v. 14.10.2010 – 28 C 539/09, AGS 2011, 361 = AnwBl Online 2011, 45. Vgl. OLG Celle, Urt. v. 19.3.2008 – 3 U 242/07, OLGReport Celle 2008, 438. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.5.2010 – 24 U 211/09, VersR 2010, 1503; OLG Celle, Urt. v. 7.3.2007 – 3 U 262/06, OLGReport Celle 2007, 388. Vgl. OLG Köln, Urt. v. 22.3.2004 – 16 U 55/03, OLGReport Köln 2004, 305 = NJW-RR 2004, 1573. OLG Köln, Urt. v. 23.9.2003 – 9 U 174/02, OLGReport Köln 2004, 129 = NJW-RR 2004, 181 = VersR 2004, 639. Zu den Beratungspflichten des Rechtsanwalts vgl. auch Pabst, Die Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer durch den Anwalt, AnwBl 2007, 136.

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Teil 1 Rz. 1.87

Mandatsübernahme in Wohnungseigentumssachen

1.87 Bei Mandanten, die eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, ist es notwendig, vor dem Abschluss einer Streitwertvereinbarung oder einer Stundensatzvereinbarung darauf hinzuweisen, dass die Rechtsschutzversicherung Rechtsanwaltsgebühren nur nach einer Höhe erstattet, die sich nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert richten – oder mangels einer solchen Festsetzung nach einem Streitwert, der sich nach den in der Rechtsprechung anerkannten Kriterien richtet. Der Mandant muss also auch darauf hingewiesen werden, dass er auf einem Teil der Gebühren „sitzen bleiben“ kann.107

107 Vgl. hierzu auch LG Darmstadt, Urt. v. 25.10.2006 – 21 S 101/06, JurBüro 2007, 424.

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Köhler

Teil 2 Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme I. Verwaltungsübergabe (Unterlagensicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

II. Bestellung des neuen Verwalters und Abschluss eines Vertrages zwischen WEG und Verwalter . . . .

3. Kann der neue Verwalter die Verwaltungsunterlagen herausverlangen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.45

2.7

III. Übernahmevorbereitung . . . . . . . .

2.8

4. „Problem“-Unterlagen . . . . . . . . . . . 2.47 a) Bauunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2.47 b) Kontounterlagen . . . . . . . . . . . . . 2.56

IV. Der 1. Tag der Verwaltungszeit . . . . 2.21

VI. Herausgabe der Kontobestände . . . 2.59

V. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2.36

VII. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf brisante Themen . . . . . . . . . . . . . . . 2.64

1. Welche Unterlagen sind vom Vorverwalter herauszugeben? . . . . . . . . . 2.37

VIII. Mitteilung der Prüfungsergebnisse an die Wohnungseigentümergemeinschaft und Vorbereitung weiterer Maßnahmen . . . . . . . . . . . 2.72

2. Müssen die herausverlangten Unterlagen näher beschrieben werden? . . . 2.44

I. Verwaltungsübergabe (Unterlagensicherung) Die Verwaltungsübergabe vom bisher bestellten Verwalter an einen von der Eigentümerversammlung neu bestellten Verwalter und die Übernahme der Verwaltung durch den neuen Verwalter werfen in mancherlei Hinsicht Probleme auf.

2.1

Handelt es sich bei der Abgabe einer Verwaltung nicht um eine vom bisherigen Verwalter geplante Aktion, sondern erzwingt die Eigentümergemeinschaft die Beendigung der Verwaltertätigkeit, zeichnen sich Schwierigkeiten zwischen dem Verwalter und der Gemeinschaft in der Regel schon im Vorfeld durch Kritik von einzelnen Eigentümern und/oder Beiräten an der Verwaltertätigkeit ab. Diese Anzeichen sollten dem Verwalter, aber insbesondere dem rechtsanwaltlichen Vertreter des Verwalters Anlass sein, Sicherungsmaßnahmen zu besprechen und zu veranlassen, damit nicht bei einer kurzfristigen Abberufung oder Nichtverlängerung der Verwalterbestellung zeitliche Probleme bestehen, Unterlagen durch den bisherigen Verwalter zu sichern.

2.2

Bei einem von der Gemeinschaft erzwungenen Verwalterwechsel kommt es sehr häufig zu späteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem bisherigen Verwalter über die bisherige Verwaltungsführung und damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen des Verwalters. Wird der spätere Zugriff auf notwendige Beweisunterlagen nicht rechtzeitig vorbereitet und durch Anfertigung von Kopien gesichert, können später erheblich Beweis- und Argumentationsschwierigkeiten für den ehemaligen Verwalter bestehen.

2.3

Unterlagensicherung: Der Verwalter muss zwar alle Unterlagen der Wohnungseigentümer- 2.4 gemeinschaft im Original an die Gemeinschaft herausgeben, kann sich aber zur Beweissicherung die notwendigen Kopien anfertigen. Rechtsanwaltliche Berater sollten deshalb, wenn eine

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Teil 2 Rz. 2.4

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

Krisensituation in Ansätzen erkennbar wird, dem betreuten Verwalter dringend empfehlen, zumindest die folgenden Unterlagen durch Anfertigung von Kopien zu sichern: – Kopie der aktuellen Miteigentümerliste, die anhand der Grundbücher erstellt oder mit den Grundbucheintragungen abgeglichen wurde, – Kopie der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung, – Original des Verwaltervertrages (es gehört schon zu den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Pflichten des Verwalters, diesen in den eigenen Unterlagen aufzubewahren), – Kopien der Protokolle der Eigentümerversammlungen/der Beschlusssammlung und (sofern existent) der Beiratssitzungen, – Kopien der Abrechnungsunterlagen für die Jahre, für die dem Verwalter noch keine Entlastung erteilt worden ist, – Kopien der Unterlagen über bisher geführte Rechtsstreitigkeiten (zumindest die ergangenen Titel), – Kopien der vom Verwalter erstellten Instandhaltungspläne, – Kopie mindestens eines Grundbuches mit Bestandsverzeichnis (um später auf die übrigen beteiligten Grundbücher zugreifen zu können, die im Bestandsverzeichnis aufgeführt sind), – Kopien von solchen Unterlagen, die im Zusammenhang stehen mit der an dem Verwalter geübten Kritik (z.B. Unterlagen über Sanierungsmaßnahmen, Einstellung und Entlassung von Hausmeistern, Abschlussunterlagen für Versicherungen, umstrittene Vertragsabschlüsse usw.), – Kopien eigener Notizen des Verwalters über verschiedene Verwaltungsvorgänge, die streitig werden könnten.

2.5 In welchem Umfang die Unterlagen gesichert werden sollten, kann nicht generell gesagt werden, sondern muss im Einzelfall entschieden werden. Hier ist die Beratungsleistung des rechtsanwaltlichen Betreuers gefordert, der die Krisensituation analysieren und Empfehlungen geben muss. Leider stellt sich in der Praxis immer wieder heraus, dass wichtige Unterlagen ohne vorherige Anfertigung von Kopien an die Gemeinschaft herausgegeben wurden und später dann Zugriffsprobleme bestehen. In der Praxis sind sogar Fälle bekannt geworden, in denen der Verwalter seinen eigenen Verwaltervertrag in den Verwaltungsunterlagen gelassen und an den neuen Verwalter ausgehändigt hat.

2.6 Eine eher umgekehrte Situation ergibt sich für den Rechtsanwalt und den von ihm betreuten Verwalter bei der Übernahme einer neuen Verwaltung. Hier sollte der Rechtsanwalt auch bereit sein, zusammen mit dem Verwalter einen „Übernahmefahrplan“ zu erarbeiten, um die unmittelbar vor und nach der Verwaltungsübernahme durch einen neuen Verwalter notwendigen und erheblichen Vorbereitungs- und Übernahmearbeiten mit zu gestalten. Diese Tätigkeiten sollten der Verwalter und der ihn beratende Anwalt nicht unterschätzen, können sie doch schon zu Beginn der Tätigkeit die Weichen für eine ordnungsmäßige und optimale Verwaltung stellen. Je intensiver und genauer die Verwalter-Tätigkeit vorbereitet wird, desto geringer sind die Anlaufschwierigkeiten und desto einfacher ist die spätere laufende Verwaltertätigkeit. Der beratende Anwalt sollte intensiv auf die sinnvolle Vorbereitung der Verwaltungsübernahme hinwirken. Für die Mitarbeit an den Übernahmevorbereitungen, der Er28

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Übernahmevorbereitung

Rz. 2.9 Teil 2

stellung eines „Übernahmefahrplans“ und der Mitwirkung an der Sichtung der später vom „Alt-Verwalter“ übergebenen Unterlagen empfiehlt es sich für Rechtsanwälte, eine Gebührenvereinbarung auf Stundenbasis mit dem Mandanten (Verwalter) zu vereinbaren.

II. Bestellung des neuen Verwalters und Abschluss eines Vertrages zwischen WEG und Verwalter Bereits die Beschlussfassungen über seine Bestellung und über den Verwaltervertrag sollte der neue Verwalter kritisch begleiten und versuchen, diese Beschlüsse zu steuern. Auch hier muss die Beratung des betreuenden Rechtsanwalts früh einsetzen. Werden bei der Neubestellung von der Eigentümergemeinschaft und dem früheren Verwalter Fehler gemacht, belastet dies die Anfangszeit der neuen Verwaltertätigkeit mit Schwierigkeiten. Ganz besonders problematisch ist eine Situation, in der ein Verwalter durch Initiative des Beirats oder mehrerer Eigentümer vom Verwalteramt bereits abberufen wurde und nunmehr ein neuer Verwalter bestellt werden soll. Diese Situation bedarf einer sehr genauen Betrachtung durch den neu zu bestellenden Verwalter und den beratenden Rechtsanwalt, damit nicht beim Bestellungsakt Fehler passieren, die zu einer Anfechtung oder sogar zur Nichtigkeit einer Bestellung führen können (z.B. nicht genügend bestimmte Bezeichnung des zu bestellenden Verwalters).

2.7

III. Übernahmevorbereitung Unmittelbar nach der Bestellung durch die Eigentümergemeinschaft, jedenfalls aber vor dem Beginn der Verwaltertätigkeit, sollte der neue Verwalter Kontakt mit dem Verwaltungsbeirat aufnehmen, um eine Miteigentümerliste, Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung und Kopien der Versicherungspolicen zu erhalten.1 Diese Unterlagen benötigt der Verwalter für die Vorbereitung der Verwaltertätigkeit; je früher er die Unterlagen erhält, desto ruhiger kann er die notwendigen Vorbereitungen treffen. Eine kritische Prüfung der Unterlagen auf Unstimmigkeiten ist jedoch dringend geboten.

2.8

Ein neu bestellter Verwalter sollte nicht die Mühe scheuen, in die Grundbücher der Eigentümergemeinschaft zu schauen. Nach § 12 GBO und § 46 GBV hat er das Recht, in das Grundbuch und die Grundakten Einblick zu nehmen; ein solches Recht besteht neben dem Recht einzelner Eigentümer auf Grundbucheinsicht (letzteres ist aber von der Rechtsprechung in den letzten Jahren – m.E. zu Unrecht – eingeschränkt worden).2 Der Verwalter sollte sämtliche

2.9

1 Zwar befinden sich die Verwaltungsunterlagen beim alten Verwalter, gleichwohl hat der Beirat in der Regel eine Vielzahl von Unterlagen-Duplikaten in seinem Besitz, mit denen der neue Verwalter bereits arbeiten und sich vorbereiten kann. 2 Vgl. Scheuer, Aufgaben des neuen Verwalters nach Übernahme einer Verwaltung, ZWE 2014, 152; m.E. bedenklich ist die Entscheidung des OLG Hamm, Beschl. v. 17.6.2015 – I-15 W 210/14, MDR 2015, 1059 = WuM 2015, 690, und KG, Beschl. v. 3.4.2014 – 1 W 83/14, ZWE 2014, 310 = NotBZ 2014, 380, die einem Eigentümer lediglich eine Einsicht in das Bestandverzeichnis und die Abt. I zubilligen, das OLG Hamm meint, das Einsichtsrecht des Verwalters sperre das Einsichtsrecht des Wohnungseigentümers; vgl. dagegen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.10.1986 – 3 Wx 340/86, MDR 1987, 417 = NJW 1987, 1651 = JurBüro 1987, 422 = Rpfleger 1987, 199, das Wohnungseigentümern ein Einblicksrecht zugestanden hatte; vgl. auch Fodor, Verwalter darf ins Grundbuch einsehen, Miteigentümer nicht, IMR 2015, 471; Briesemeister, Nur beschränkte Einsicht in das Wohnungsgrundbuch anderer Wohnungseigentümer!, IMR 2014, 386; Grziwotz, Einsicht in das Wohnungsgrundbuch, MietRB 2016, 304; Schmid, Einsichtsrecht des Wohnungseigentümers in das Grundbuch,

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29

Teil 2 Rz. 2.9

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

zur Eigentümergemeinschaft gehörenden Grundbücher und in den einzelnen Grundbüchern das Bestandsverzeichnis, die Abteilungen I, II und III durchsehen, um die in den folgenden Randziffern erwähnten Einzelinformationen zu erlangen. Die Mühe zahlt sich in jedem Falle aus, wobei nach meiner Auffassung auch eine Pflicht des Verwalters besteht, die Grundbücher zu prüfen.3 Das bestätigt auch das LG Düsseldorf,4 das davon ausgeht, dass eine Pflicht des Verwalters besteht, sich regelmäßig über die Zusammensetzung der Gemeinschaft Kenntnis zu verschaffen. Falls der Verwalter dies unterlässt, kann das eine grobe Fahrlässigkeit darstellen. Im Hinblick auf § 49 Abs. 2 WEG dürfte ein solches Unterlassen für den Verwalter gefährlich sein. Auf eine Grundbucheinsicht sollte der den Verwalter beratende Rechtsanwalt unbedingt – auch im eigenen Interesse – hinwirken.

2.10 Dass ein neu bestellter Verwalter das Bestandsverzeichnis im Grundbuch prüfen muss, hängt schon damit zusammen, dass sich aus dem Bestandsverzeichnis für den Verwalter ganz wichtige Informationen ergeben.

2.11 Aus dem Bestandsverzeichnis ergeben sich die an der Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligten Grundbücher. Der Verwalter muss prüfen, welche und wieviel Eigentumseinheiten die zu übernehmende Eigentümergemeinschaft hat; anhand der Anzahl der Eigentumseinheiten, die im Bestandsverzeichnis mit den beteiligten Grundbuchblättern genannt werden, kann der Verwalter leicht feststellen, ob er auch von der richtigen Eigentümergruppierung bestellt wurde oder werden soll. Erstaunlicherweise gibt es aber immer wieder Fälle, bei denen mehrere Verwalter für eine Mehrhausanlage bestellt werden, obwohl es sich rechtlich um eine einheitliche Eigentümergemeinschaft handelt. Die Bestellung mehrerer Verwalter für eine Anlage (Mehrhausanlage) ist ebenso wenig zulässig5 wie die Bestellung einer BGB-Gesellschaft. Daran hat die Rechtsprechung des BGH6 zur Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft und auch die Gesetzesänderung zum 1.7.2007 nichts geändert.7 Auch die Bestellung von Eheleuten8 zum Verwalter einer Eigentümergemeinschaft ist nicht zulässig und damit nicht wirksam.

2.12 Aus dem Bestandsverzeichnis ergeben sich auch die der Grundbucheintragung zugrunde liegenden Urkunden, nämlich die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung mit ihren Änderungen („… unter Bezug auf die Bewilligung vom …“). Sind mehrere Bewilligungsdaten eingetragen, ist klar, dass es auch mehrere Urkunden mit möglichen Änderungen gibt.

3 4 5

6 7

8

DWE 2014, 145: Abramenko, Einsichtsrecht der Wohnungseigentümer in das Grundbuch? IMR 2016, 25. Vgl. hierzu Bielefeld, DWE 2002, 50 f. LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2000 – 19 T 442/00, ZWE 2001, 501. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 15.6.2000 – 2 Z BR 1/00, BayOLGReport 2000, 58 = WuM 2000, 509 = NZM 2000, 1240; LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2009 – 19 S 40/09, NZM 2010, 288; LG NürnbergFürth, Urt. v. 23.9.2009 – 14 S 1754/09, ZMR 2010, 315; AG Heilbronn, Beschl. v. 3.9.2009 – GR 245/06, ZMR 2010, 484; BayObLG, Beschl. v. 28.6.1990 – 2 Z 59/90, WE 1991, 289. BGH, Urt. v. 18.2.2002 – II ZR 331/00, NZM 2002, 271 = NJW 2002, 1207; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = ZMR 2001, 338 = NZM 2001, 299 = NJW 2001, 1056. BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – V ZB 132/05, MDR 2006, 981 = ZMR 2006, 375 = WuM 2006, 166 = NZM 2006, 263 = NJW 2006, 2189; vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 28.5.2009 – VII ZR 206/07, ZfIR 2009, 751 = MDR 2009, 976 = ZMR 2009, 779 = NJW 2009, 2449; KG, Beschl. v. 15.3.2016 – 1 W 79/16, ZWE 2016, 176 = NJW-RR 2016, 716 = ZMR 2016, 482; OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 58/06, ZMR 2006, 950 = NJW-RR 20087, 302 = ZWE 2007, 153. BGH, Urt. v. 11.12.1989 – II ZR 117/89, ZMR 1990, 188 = WuM 1990, 128 = WE 1990, 84.

30

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Übernahmevorbereitung

Rz. 2.17 Teil 2

Schließlich zeigt das Bestandsverzeichnis die Miteigentumsanteile jeder Wohnungs- und Teileigentumseinheit; diese sind (wenn § 16 Abs. 2 WEG nicht abbedungen ist) wichtig für die spätere Abrechnung und eventuell für die Abstimmung in den Eigentümerversammlungen, wenn sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen richtet (in einigen Gemeinschaftsordnungen ist sogar bestimmt, dass eine Eigentümerversammlung nur dann beschlussfähig ist, wenn sowohl mehr als 50 % der Miteigentumsanteile als auch mehr als 50 % der Miteigentümer in der Versammlung anwesend sind).9 Auch im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 16 Abs. 4, 22 Abs. 2 WEG sind die Miteigentumsanteile von großer Bedeutung.

2.13

Aufgrund der Prüfung der Abteilung I der Wohnungsgrundbücher ergibt sich, ob die vom 2.14 Verwaltungsbeirat oder Vorverwalter erhaltene Miteigentümerliste mit den Grundbucheintragungen übereinstimmt. Überraschend ist die Tatsache, dass viele Verwalter mit Eigentümerlisten arbeiten, die nicht mit dem Grundbuch übereinstimmen oder die unvollständig sind. Selbstverständlich müsste es sein, dass der neu bestellte Verwalter, um überhaupt vernünftig arbeiten zu können, eine ordnungsgemäße Eigentümerliste anhand der Grundbücher erstellt, aus der sämtliche Wohnungseigentümer hervorgehen, bei Personenmehrheiten (z.B. Eheleuten) also auch alle Mitglieder dieser Personenmehrheit. Problematisch ist, wenn der Verwalter seine Tätigkeit unter einem unglücklichen Stern beginnt und eine (vielleicht vom Vorverwalter oder Beirat erhaltene) fehlerhafte Eigentümerliste ungeprüft und ohne Vergleich mit dem Grundbuch verwendet. Spätestens bei der Einladung zur ersten Eigentümerversammlung oder nach der Durchführung der Eigentümerversammlung wird die Verwendung einer fehlerhaften Eigentümerliste zum Problem.

2.15

Erhält ein Miteigentümer nämlich keine Einladung zur Eigentümerversammlung, so stellt dies einen möglichen Anfechtungsgrund dar. Vergleiche wegen der Einzelheiten die Rechtsprechung des BGH10 sowie weiterer Obergerichte.11

2.16

Die im Grundbuch ermittelten Eigentümer und die in der Miteigentümerliste enthaltenen Anschriften können und sollten vom neuen Verwalter überprüft werden durch ein Vorstellungsschreiben des Verwalters an alle Miteigentümer, in dem die Kontoverbindung, der Verwaltungsbeginn, der Termin für eine erste Hausbegehung mit dem Verwaltungsbeirat und interessierten Miteigentümern sowie die Möglichkeiten des Kontakts mit dem Verwalter (Telefonzeiten, Rufnummern, Faxnummern und E-Mail-Adresse der Sachbearbeiter) be-

2.17

9 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2003 – 3 Wx 119/03, ZMR 2004, 53 = WuM 2004, 113 = FGPrax 2003, 216. 10 BGH, Urt. v 20.7.2012 – V ZR 235/11, MDR 2012, 1275 = ZWE 2012, 429 = NZM 2012, 768; BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 = NJW 1999, 3713 = NZM 1999, 1101 = ZMR 1999, 834 = DWE 1999, 164 = WE 2000, 8 = WuM 2000, 28. 11 BayObLG, Beschl. v. 25.5.1999 – 2 Z BR 38/99, DWE 1999, 120; vgl. im Übrigen auch OLG Celle, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 310/01, ZWE 2002, 276; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.1997 – 3 Wx 147/97, ZMR 1998, 244 = DWE 1998, 88 = WE 1998, 308; OLG Hamm, Beschl. v. 18.6.1998 – 15 W 357/97, ZMR 1998, 720 = NZM 998, 875 = FGPrax 1998, 213; BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2 Z BR 175/98, ZMR 1999, 574 = BayObLGR 1999, 75; nach OLG Köln, Beschl. v. 24.10.2001 – 16 Wx 192/01, OLGReport Köln 2002, 53 = ZMR 2002, 466, kann der nicht eingeladene Wohnungseigentümer die Beschlüsse der Versammlung anfechten, auch wenn seine Stimme in Anbetracht der konkreten Abstimmungsergebnisse rechnerisch ohne Belang ist, es sei denn, die Beschlüsse entsprechen ordnungsmäßiger Verwaltung und hätten auch unter Berücksichtigung seiner möglichen Einwände nicht anders gefasst werden dürfen.

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Teil 2 Rz. 2.17

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

schrieben sind. Bei allen „Rückläufer“-Briefen müssen die tatsächlichen Anschriften (z.B. durch Anfrage bei dem jeweiligen Einwohnermeldeamt oder durch Einblick in die Telefonbücher, auch im Internet) ermittelt werden.

2.18 In der Abteilung II des Wohnungsgrundbuches erkennt der neue Verwalter für die Verwaltungstätigkeit wichtige Dienstbarkeiten und/oder Verfügungsbeschränkungen. Hier sind auch Vormerkungen nach § 883 BGB eingetragen, die Bedeutung haben für eine „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“.

2.19 Durch einen Einblick in die Abteilung III des Wohnungsgrundbuches kann der Verwalter feststellen, welche Grundpfandrechte vorhanden sind. Diese Prüfung ist deshalb wichtig, weil die Kündigung eines Feuerversicherungsvertrages (oder eines verbundenen Gebäudeversicherungsvertrages, in dem auch die Feuerversicherung enthalten ist) regelmäßig der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedarf.

2.20 Will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer12 durch den Verwalter den Feuerversicherungsvertrag (Gebäudeversicherungsvertrag) kündigen lassen, muss der Hypotheken- oder Grundpfandgläubiger, der seine Hypothek oder Grundschuld beim Versicherer angemeldet hat, der Kündigung zustimmen. Liegt die Zustimmung nicht spätestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrages vor (oder hat der Versicherungsnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgewiesen, dass keine Belastung mit Hypothek oder Grundpfandrecht [mehr] besteht), ist die Kündigung des Feuerversicherungsvertrages unwirksam, §§ 144, 148 VVG.

IV. Der 1. Tag der Verwaltungszeit 2.21 Am 1. Tag der Verwaltungszeit (dies sollte wegen der Wichtigkeit der Erstbegehung wörtlich verstanden werden) sollte der Verwalter unbedingt eine umfassende Begehung des Objektes zusammen mit dem Verwaltungsbeirat und interessierten Wohnungseigentümern vornehmen. Hierzu sollte er, wie schon oben erwähnt, frühzeitig einladen. Bei dieser Hausbegehung soll die optische und technische Aufnahme des Verwaltungsobjektes erfolgen und es sollen eventuelle Gefahrenquellen ermittelt werden, um sogleich oder doch zeitnah Abhilfe schaffen zu können.

2.22 Es ist empfehlenswert, eine Hausbegehung nicht schon vor dem Beginn der Verwaltung, sondern tatsächlich erst am 1. Tag der Verwalterzeit durchzuführen. Der Grund liegt in den (noch ganz üblichen) Haftpflicht-Versicherungsbedingungen für Wohnungseigentümergemeinschaften: Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherungen ist der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft über den Vertrag der Gemeinschaft mitversichert. Dazu ist notwendig, dass die Versicherungspolice auf die Eigentümergemeinschaft ausgestellt ist. Mitversichert ist aber regelmäßig (wenn nichts anderes vom Versicherer zugesagt worden ist) nur der amtierende Verwalter, nicht der zukünftige. Ein Haftpflichtschaden, den der Verwalter bei der Begehung verursacht, ist also nur dann mitversichert, wenn der Verwalter auch tatsächlich im Amt ist.

12 Der Versicherungsvertrag wird zwischen dem Versicherer und „der Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher“ (also der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) geschlossen, vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133 = ZMR 2008, 401.

32

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Der 1. Tag der Verwaltungszeit

Rz. 2.30 Teil 2

Die Frage ist, ob der Verwalter überhaupt zu einer Hausbegehung verpflichtet ist.13 Ich bin der Auffassung, dass der Verwalter eine Verpflichtung hat, regelmäßig Begehungen durchzuführen;14 es ist im Übrigen aber auch aus Haftungsgesichtspunkten für den Verwalter angezeigt, solche Begehungen durchzuführen.

2.23

Das KG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Verwalter einer WEG durch einen 2.24 einzelnen Wohnungseigentümer in Anspruch genommen wurde. Durch ein verstopftes Regenwasserfallrohr wurde Wasser auf einen Balkon zurückgestaut und in die Wohnung des Wohnungseigentümers gedrückt.15 In der Vorentscheidung hatte das LG Berlin16 ausgeführt, der Verwalter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, zu Kontrollzwecken Begehungen selbst vorzunehmen. Die Entscheidung des LG könnte dahingehend missverstanden werden, dass der Verwalter nicht verpflichtet ist, überhaupt Hausbegehungen durchzuführen. Das KG hat sich zwar nicht im Einzelnen mit der Frage einer grundsätzlichen Pflicht zur Begehung beschäftigt, jedoch an einer Stelle ausgeführt, der Verwalter könne sich zu seiner Entlastung durchaus darauf berufen, er habe in unterschiedlichen Abständen Hausbegehungen unternommen.

2.25

In dem Fall des KG wurde der Schadensersatzanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers zurückgewiesen, weil dem Verwalter keine Pflichtverletzung nachgewiesen werden konnte.

2.26

Grundsätzlich ist der Verwalter zwar dafür zuständig, die Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu ergreifen (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG), dies bedeutet jedoch nur, dass der Verwalter die notwendigen Feststellungen über die Mängel treffen muss. Er muss dann den Eigentümern Gelegenheit geben, die notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können. Er muss also die Wohnungseigentümer informieren und die notwendigen Beschlüsse vorbereiten.17

2.27

Dazu ist aber zwingend erforderlich, dass der Verwalter auch die notwendigen Begehungen durchführt, um überhaupt Mängel erkennen zu können.

2.28

Das BayObLG18 konstatiert demgemäß auch eine Pflicht des Verwalters, das gemeinschaftliche Eigentum regelmäßig daraufhin zu kontrollieren, ob Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung erforderlich sind. Diese Pflicht muss er zwar nicht unbedingt in eigener Person erfüllen, gleichwohl bleibt es aber bei einer Begehungspflicht.

2.29

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, an den brisanten Fall der Verwalterhaftung zu erinnern, den das OLG Düsseldorf19 und der BGH zu entscheiden hatten. Hier war der Verwalter persönlich in Anspruch genommen worden, weil von dem Gebäude der WEG bei einem

2.30

13 Vgl. LG Dortmund, Urt. v. 11.11.2014 – 1 S 83/14, ZWE 2015, 371 (Hausbegehung = gesetzliche Pflicht); Sauren, PiG 48, S. 71 (76 ff.). 14 Allerdings nicht wöchentlich, wie Sauren, PiG 48, S. 77, meint. 15 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, ZMR 1999, 207 = WE 1999, 68 = NZM 1999, 131 = WuM 1999, 184 = KGR Berlin 1999, 122. 16 LG Berlin, Beschl. v. 31.3.1998 – 85 T 1/98, n.v. 17 Vgl. z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.1996 – 15 W 212/96, NJW-RR 1997, 908 = DWE 1997, 84 = WE 1997, 354 = OLGReport Hamm 1997, 143. 18 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2 Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840 = DWE 1999, 119. 19 OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.6.1992 – 10 U 178/91, OLGZ 1993, 107 = NJW-RR 1992, 1244 = MDR 1993, 27.

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Teil 2 Rz. 2.30

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

Sturm eine Dachpappe auf ein benachbartes Gewächshaus geweht worden war. Der BGH20 und später nach Zurückverweisung des Rechtsstreits auch das OLG Düsseldorf21 haben ausgeführt, dass derjenige, der für die Sicherheit eines Gebäudes zu sorgen hat, alle zumutbaren Maßnahmen treffen muss, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Es handelte sich um eine Haftung aus §§ 836, 838 BGB.

2.31 Gefahrenquellen kann der Verwalter aber nur bei einer Begehung erkennen. Ein fast lustiger Fall im Zusammenhang mit Begehungen ist der „Plakatwand-Fall“. An der Außenwand eines Gebäudes einer Eigentümergemeinschaft wurde eine Plakatwand angebracht, für die monatlich ein Mietzins zu zahlen war. Diesen Mietzins hatte der neue Verwalter nicht eingezogen, weil er die Plakatwand nie gesehen hatte. Im Verfahren der Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) gegen ihn hatte der Verwalter vorgetragen, er sei stets von der anderen Seite des Gebäudes gekommen, wenn er das Objekt besucht habe, und habe deshalb die Plakatwand nicht gesehen. Das nützte ihm jedoch nichts, das OLG Köln22 hat den Verwalter (unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Gemeinschaft) zur Tragung der Hälfte des Schadens verpflichtet. Bei einer Begehung sollte also das gesamte Gebäude (und zwar von allen Seiten) betrachtet werden.

2.32 Am 1. Tag der Verwaltung sollte auch eine Prüfung der Versicherungspolicen erfolgen. Dabei sollte der Verwalter prüfen, welche Versicherungen die Gemeinschaftsordnung vorschreibt und welche Versicherungspolicen vorhanden sind. Übliche Versicherungen sind: – Feuer/Leitungswasser/Sturm/Hagel/Elementarschaden – Grundbesitzer-Haftpflicht – Öltankversicherung – Glasversicherung.

2.33 Es muss weiter vom Verwalter geprüft werden, ob die Policen auf den ersten Blick ordnungsgemäß sind, nämlich ob der richtige Versicherungsnehmer genannt ist. Versicherungsnehmer muss die Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) sein, was jetzt aufgrund der Teilrechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft selbstverständlich ist. Der Abschluss von einzelnen Versicherungen für einzelne Häuser der Wohnungseigentümergemeinschaft dürfte nicht zulässig und auch nicht sinnvoll sein. Bei der Haftpflichtversicherung besteht an der richtigen Bezeichnung des Versicherungsnehmers ein Eigeninteresse des Verwalters, denn er ist in der Haftpflichtversicherung nur mitversichert, wenn die Eigentümergemeinschaft Versicherungsnehmer ist. Es muss auch der im Versicherungsschein genannte Versicherungsort und die Versicherungssumme geprüft werden. Die Versicherungssumme für die Gebäudeversicherung kann der erfahrene Verwalter meist „über den Daumen“ vorläufig prüfen, bei Unklarheiten sind aber Kontakte mit dem Versicherer dringend zu empfehlen. Bei Gebäude-Versicherungsverträgen wird stets der „Wert 1914“ zur Ermittlung der Versicherungssumme verwendet. Dabei handelt es sich um den (fiktiven) Bauerstellungswert zum Zeitpunkt des Jahres 1914.

20 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, MDR 1994, 45 = ZMR 1993, 322 = WuM 1993, 273 = NJW 1993, 1782 = DWE 1993, 66. 21 Nach Zurückverweisung durch den BGH: OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.1.1995 – 10 U 178/91, MDR 1996, 470 = DWE 1996, 186. 22 OLG Köln, Beschl. v. 4.5.1988 – 16 Wx 34/88, DWE 1988, 106 = WE 1989, 31.

34

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Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit

Rz. 2.38 Teil 2

Der Verwalter ist m.E. berechtigt, bei fehlender Haftpflicht- und/oder Gebäudeversicherung unverzüglich eine vorläufige Deckung für solche Versicherungen einzuholen, was sich schon aus § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG ergibt.

2.34

Der Verwalter muss im Übrigen alle sofort notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung von 2.35 festgestellten Gefahrenquellen ergreifen. Soweit es sich um „dringende Fälle“ im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG handelt, muss der Verwalter unverzüglich handeln und Maßnahmen einleiten, für die er nach § 27 Abs. 3 Nr. 4 WEG auch eine gesetzliche Vertretungsmacht für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat. Bei nicht dringenden Fällen ist die Entscheidung der nächsten Eigentümerversammlung herbeizuführen. Der Verwalter ist jedenfalls nicht befugt, umfassende Sanierungsmaßnahmen ohne Beschluss einer Eigentümerversammlung in Auftrag zu geben.23 Der Verwalter muss also stets die Grenzen seiner Handlungsbefugnisse und Handlungspflichten beachten.

V. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit Ein wichtiger Gesichtspunkt nach der Verwaltungsübernahme ist die Prüfung, ob der Vorverwalter alle von ihm herauszugebenden Unterlagen auch tatsächlich vollständig übergeben hat.24

2.36

1. Welche Unterlagen sind vom Vorverwalter herauszugeben? Der aus dem Amt ausgeschiedene Verwalter25 muss sämtliche Verwaltungsunterlagen26 he- 2.37 rausgeben, weil diese im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehen (vgl. § 10 Abs. 7 WEG).27 Die Unterlagen hält der Verwalter lediglich als Organ für die Gemeinschaft, solange er Verwalter ist. Auf die Eigentumsverhältnisse an den Unterlagen kommt es jedoch nicht an.28 Anspruchsgrundlage für die Herausgabe sind bei einer wirksamen Verwalterbestellung die §§ 675, 667 BGB. Wurde der ehemalige Verwalter nicht wirksam bestellt, ergibt sich die Anspruchsgrundlage aus §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB. Auch auf die Rechtskraft des Abberufungsbeschlusses kommt es nach dem OLG Celle nicht an,29 ebenso wenig auf eine Entlastung des Verwalters.30 Für die Herausgabeverpflichtung spielt es keine Rolle, wie und wodurch der ausgeschiedene Verwalter die Unterlagen erlangt hat. Er muss sowohl diejenigen Unterlagen herausgeben, die

23 Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 31.5.2018 – 7 U 40/18, ZMR 2018, 693 = ZWE 2018, 411; OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.1996 – 15 W 212/96, OLGReport Hamm 1997, 143 = DWE 1997, 84 = NJW-RR 1997, 908 = WE 1997, 354. 24 Vgl. hierzu auch Bielefeld, DWE 2002, 50 ff. 25 Vgl. zu der Voraussetzung, dass der Verwalter aus dem Amt ausgeschieden sein muss: Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 18.11.1986 – 2 W 61/86, OLGZ 1987, 188. 26 BayObLG, Beschl. v. 11.9.2003 – 2 Z BR 146/03, BayObLGR 2004, 48. 27 Vgl. auch Casser, Nachwirkende Pflichten des ausgeschiedenen Verwalters, ZWE 2014, 157. 28 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61; BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2 Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288. 29 OLG Celle, Beschl. v. 14.6.2005 – 4 W 114/05, OLGReport Celle 2006, 161 = NZM 2005, 748. 30 BayObLG, Beschl. v. 11.9.2003 – 2 Z BR 146/03, BayObLGR 2004, 48.

Köhler

35

2.38

Teil 2 Rz. 2.38

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

er aufgrund seiner Verwaltertätigkeit erlangt hat,31 als auch die, die aus der Geschäftsbesorgung entstanden sind,32 die er von seinem Vorgänger erhalten hat33 und die, die während seiner Verwalterzeit angefallen sind und sich auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beziehen.34

2.39 Hat der ehemalige Verwalter die Verwaltungsunterlagen an einen Dritten weitergegeben, so muss er sich die Unterlagen wieder besorgen und sie sodann an die Gemeinschaft herausgeben.35 Die Gemeinschaft muss sich nicht etwa auf eine Abtretung des Herausgabeanspruches einlassen oder verweisen lassen.36 Hat der Verwalter Verwaltungsunterlagen an ein Mitglied der Eigentümergemeinschaft zur Einsichtnahme herausgegeben, kommt regelmäßig ein Leihvertrag zwischen dem Verwalter und dem Eigentümer zustande, aufgrund dessen der Verwalter die Unterlagen im eigenen Namen zurückfordern und die Rückgabe auch einklagen kann.37

2.40 Die Herausgabeverpflichtung des ehemaligen Verwalters bezieht sich auf die Originalunterlagen,38 so dass also der Verwalter nicht etwa nur Kopien herauszugeben braucht und die Originale behalten darf. Andererseits darf sich der Verwalter zur eigenen Absicherung – oder weil er noch eine Abrechnung zu erstellen hat – Kopien von den Verwaltungsunterlagen anfertigen.

2.41 Übersicht: Wichtige Verwaltungsunterlagen – Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung/Hausordnung – Miteigentümerliste – Versicherungspolicen – Versicherungsschadensakten – Technische Beschreibungen/Betriebsanleitung/Gewährleistungsunterlagen – Wartungsbücher (Aufzug, Notstromaggregat usw.) – Protokolle der Eigentümerversammlungen und die Beschluss-Sammlung – Anwesenheitslisten/Stimmzettel39 für die Wohnungseigentümerversammlungen

31 BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2 Z BR 45/96, WuM 1996, 661 = BayObLGR 1996, 74 = NJWEMietR 1997, 14 = WE 1997, 117. 32 BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2 Z BR 45/96, WuM 1996, 661 = BayObLGR 1996, 74 = NJWEMietR 1997, 14 = WE 1997, 117. 33 BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2 Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288. 34 BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2 Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288. 35 Zum Verschaffungsanspruch vgl. aber auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24.4.2006 – 20 W 517/05, ZWE 2006, 409 (LS). 36 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61. 37 BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = NJW-RR 2011, 1578 = WuM 2012, 54. 38 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61; BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2 Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288. 39 Stimmzettel, die sich nicht auf namentliche Abstimmungen beziehen, müssen vom Verwalter nicht aufbewahrt werden, weil aus anonymen Stimmzetteln keinerlei Rückschlüsse gezogen werden können, nachdem die Auszählung erfolgt ist.

36

Köhler

Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit

Rz. 2.44 Teil 2

– Schlüssel für das Objekt/Schlüsselpläne40 – Korrespondenz mit Miteigentümern – sämtliche alten und laufenden Verträge (mit Lieferanten, Serviceunternehmen, Versorgungsträgern) – Korrespondenz mit Lieferanten/Dritten usw. – Unterlagen über abgeschlossene und laufende gerichtliche Verfahren – Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern der WEG – Sozialversicherungs- und Lohnsteuerunterlagen – Buchhaltungsunterlagen (alte Jahre und laufendes Wirtschaftsjahr) – Rechnungen – Kontoblätter (Kreditoren/Debitoren) – Mahnungen von Lieferanten/an Wohnungseigentümer – Kontoauszüge – Instandhaltungsrücklage-Belege – frühere Jahresabrechnungen – Wirtschaftspläne (alte Jahre und laufendes Wirtschaftsjahr) – Rechnungslegungsunterlagen. Diese Aufzählung stellt nur einen Anhaltspunkt für die Vielzahl von möglichen herauszugebenden Unterlagen dar, sodass der neu bestellte Verwalter sehr sorgfältig zusammen mit dem Verwaltungsbeirat überlegen muss, welche Unterlagen vorhanden sein könnten. Ein Recht, Teile der Verwaltungsunterlagen nach Ablauf der hier nicht einschlägigen handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen zu vernichten, hat ein Verwalter nicht. Über eine Vernichtung muss die Eigentümerversammlung entscheiden.

2.42

Bei der Übergabe der Verwaltungsunterlagen vom alten an den neuen Verwalter sollte ein Protokoll über die übernommenen Unterlagen angefertigt werden und es sollte der Verwaltungsbeirat der Gemeinschaft anwesend sein.

2.43

2. Müssen die herausverlangten Unterlagen näher beschrieben werden? Gibt der ehemalige Verwalter die Verwaltungsunterlagen nicht heraus oder besteht die kon- 2.44 krete Vermutung, dass er die Unterlagen nur teilweise herausgegeben hat, so muss er auf Herausgabe in Anspruch genommen werden. Anspruchsinhaberin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, also der Verband. Bei der Geltendmachung der Ansprüche besteht die Schwierigkeit, dass die herauszugebenden Unterlagen nicht genau bezeichnet werden können. Die Rechtsprechung geht jedoch zu Recht davon aus, dass die herauszugebenden 40 Der Bauträger = Erstverwalter muss auch den Generalschlüssel für das Objekt der Eigentümergemeinschaft herausgeben, selbst wenn der Schlüssel auf weitere Objekte passt, so das BayObLG, Beschl. v. 28.6.1985 – 2 Z 13/85, ZMR 1985, 306 = DWE 1985, 125 (LS).

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37

Teil 2 Rz. 2.44

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

Unterlagen nicht genau bezeichnet werden müssen,41 weil die Herausgabe nach § 888 ZPO zu vollstrecken wäre und der ehemalige Verwalter nach § 260 Abs. 1 BGB ein Verzeichnis des Unterlagenbestandes anzufertigen hat. Bei Zweifeln über die Vollständigkeit der herausgegebenen Unterlagen könnte nach §§ 260 Abs. 2 BGB, 889 ZPO eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Liste verlangt werden. Der ausgeschiedene Verwalter hat kein Zurückbehaltungsrecht an den Verwaltungsunterlagen wegen eigener Vergütungsansprüche gegen die Gemeinschaft.42 3. Kann der neue Verwalter die Verwaltungsunterlagen herausverlangen?

2.45 Wie schon erwähnt, ist Anspruchsinhaberin eines Herausgabeverlangens die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Verband).43 Die Verwaltungsunterlagen stehen im Eigentum der Gemeinschaft. Der neue Verwalter hat jedoch ein Recht auf Besitzerlangung an den Verwaltungsunterlagen. Er muss mit diesen Unterlagen arbeiten und sie als Organ für die Gemeinschaft verwahren und verwalten.44 Dies berechtigt nach meiner Auffassung den neuen Verwalter, den Herausgabeanspruch im eigenen Namen gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter geltend zu machen.45 Dies käme insbesondere dann in Betracht, wenn ein Teil der Verwaltungsunterlagen dringend gebraucht wird. In dringenden Fällen, so hatte das BayObLG46 zum alten Recht entschieden, könnte der Anspruch auf Herausgabe (zumindest bezogen auf einen Teil der Unterlagen) auch im Wege der einstweiligen Anordnung verfolgt werden. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zum 1.7.2007 kann aufgrund der Geltung der ZPO eine einstweilige Verfügung in Betracht kommen. Das BayObLG hatte in der erwähnten Entscheidung allerdings nicht darüber zu befinden, ob der Verwalter den Anspruch selbstständig geltend machen darf. In einer anderen Entscheidung geht das BayObLG davon aus, dass die Wohnungseigentümer den Verwalter auch stillschweigend dazu bevollmächtigen können, die Unterlagen vom Vorverwalter heraus zu verlangen.47

2.46 Für den neuen Verwalter dürfte es, schon zur Vermeidung eines eigenen Kostenrisikos, sinnvoller sein, sich über einen Beschluss oder über den Verwaltervertrag bevollmächtigen oder ermächtigen zu lassen, das Herausgabeverlangen im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu stellen, wenn nicht schon in der Gemeinschaftsordnung eine entsprechende Vollmacht enthalten ist.

41 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61; BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 1/88, WuM 1988, 323 = WE 1989, 63. 42 OLG Hamm, Beschl. v. 22.2.2007 – 15 W 181/06, OLGReport Hamm 2007, 502 = ZMR 2007, 982. 43 Zu den Besonderheiten bei Unterlagen, die an einen Eigentümer leihweise überlassen wurden, vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = NJW-RR 2011, 1578 = WuM 2012, 54. 44 Insoweit trifft den Verwalter eine Treuepflicht. 45 Die Entscheidung des BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = NJW-RR 2011, 1578 = WuM 2012, 54, spricht allerdings eher dafür, dass dem Verwalter kein generelles Klagerecht zusteht. 46 BayObLG, Beschl. v. 9.2.1965 – 2 Z 276/64, NJW 1965, 821. 47 BayObLG, Beschl. v. 28.1.2003 – 2 Z BR 126/02, NJW-RR 2003, 517.

38

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Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit

Rz. 2.50 Teil 2

4. „Problem“-Unterlagen a) Bauunterlagen Bauunterlagen muss der ehemalige Verwalter, wenn er diese von der Eigentümergemeinschaft oder von dem Vorverwalter erhalten hat, genauso herausgeben wie alle anderen Unterlagen.

2.47

Umstritten war ganz allgemein im privaten Baurecht, ob der Bauträger die Bauunterlagen (wie Baupläne, Entwässerungspläne, Elektroinstallationspläne, Heizungspläne, statische Berechnungen, Bauantrag, Baugenehmigung, Energieausweis usw.) an den Erwerber des Baus herausgeben muss. Der ab 1.1.2018 geltende § 650n BGB hat den bisherigen Streit nur teilweise geklärt.48 § 650n BGB, der für Verbraucherverträge gilt,49 lautet in seinem Absatz 2: „Spätestens mit der Fertigstellung des Werks hat der Unternehmer diejenigen Unterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften ausgeführt worden ist.“ Damit ist jedenfalls hinsichtlich der öffentlich-rechtlich benötigten Bauunterlagen ein klarer und gesetzlicher Herausgabeanspruch gegeben.

2.48

Unklar ist aber weiterhin die Rechtslage für solche Unterlagen, die für öffentlich-rechtliche Belange nicht benötigt werden. Das können z.B. sein: Elektroinstallationspläne, Rohrleitungspläne, Heizungspläne, Heiztechnik- und sonstige Bedienungsanleitungen, Energieausweise usw., die für die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft durchaus von großer Bedeutung sein können. Der vor Schaffung von § 650n BGB bestehende Streit wird sich also weiter fortsetzen und schlägt, wie nicht anders zu erwarten, weiterhin auf das Verhältnis zwischen dem Bauträger und der Eigentümergemeinschaft und/oder dem einzelnen Wohnungseigentümer durch. Möglicher Weise wird der § 650n BGB sogar als gesetzgeberische Anspruchsbegrenzung ausgelegt werden; eine solche Begrenzung halte ich jedoch für falsch.

2.49

Ist in den Erwerberverträgen eine Herausgabeverpflichtung des Bauträgers fixiert,50 wird der 2.50 neue Verwalter im Falle eines Streits über die Herausgabe eine Prüfung der Reichweite der vertraglichen Verpflichtung bei der Wohnungseigentümergemeinschaft anregen müssen. Falls nicht alle Eigentümer eine solche Klausel im Vertrag haben, könnte problematisch sein, ob die „Klausel“-Eigentümer verpflichtet sind, das Herausgabeverlangen im Interesse der Gemeinschaft zu stellen. Im Rahmen der gemeinschaftlichen Treue- und Rücksichtnahmepflicht wird dies zu bejahen sein, wenn die Eigentümergemeinschaft sich zur Kosten- und Risikotragung gegenüber dem oder den Eigentümer(n) bereit erklärt hat. Die Wohnungseigentümergemein48 Vgl. auch Langjahr, Mit Fertigstellung sind öffentlich-rechtlich relevante Unterlagen herauszugeben!, IBR 2018, 36; Pause, Verbraucherbaurecht und Bauträgerrecht – zugleich ein Ausblick auf weitere Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren, BauR 20187, 430; Orlowski, Das gesetzliche Bauvertragsrecht – Übersicht und Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, ZfBR 2016, 419. 49 Vgl. § 650i BGB; eine Eigentümergemeinschaft ist in der Regel „Verbraucherin“: BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 = MDR 2015, 575. 50 So in dem Fall, der der Entscheidung des KG, Urt. v. 1.3.2018 – 27 U 40/17, Juris, zugrunde lag; das KG führt aus, dass der Bauherr eine Herausgabe von bestimmten das Bauprojekt betreffenden Unterlagen nur mit Erfolg verlangen kann, wenn diese hinreichend genau bezeichnet sind. Außerdem müssen die herausverlangten Unterlagen einen Bezug zu schutzwürdigen Interessen des Bauherrn haben, etwa zur Überprüfung der Vertragsgerechtigkeit der erbrachten Leistungen oder zur Vorbereitung von Gewährleistungsansprüchen.

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Teil 2 Rz. 2.50

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

schaft könnte aber auch, selbst wenn nur bezüglich eines Eigentümers ein vertragliches Herausgaberecht fixiert ist, die Rechte an sich ziehen.51

2.51 Problematisch bleibt es außerhalb der öffentlich-rechtlich notwendigen Unterlagen, wenn keine ausdrückliche vertragliche Grundlage besteht.52 Die LG Essen53 und Detmold54 geben dem Erwerber auch bei einer fehlenden vertraglichen Abrede einen Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen und ziehen hierzu die Vorschrift des § 444 BGB (a.F.) analog heran. Das OLG Köln hat 2015 einen Unterlagenherausgabeanspruch einer Wohnungseigentümergemeinschaft bezüglich des Energieausweises und des Kanaldichtigkeitsnachweises generell bejaht, wobei letzterer schon öffentlich-rechtlich erforderlich sei. Auch die Einweisungen in die Haustechnik sowie die Bedienungsanleitungen seien „als betriebs- und wartungsrelevante Unterlagen stets zu übergeben“.55 Demgegenüber verneinen das OLG Karlsruhe56 und das OLG München57 einen Herausgabeanspruch und meinen, § 444 BGB (a.F.) könne nicht analog angewendet werden und der Erwerber habe auch kein schutzwürdiges Interesse, solche Unterlagen gerade vom Bauträger zu erhalten.58 Das LG München59 und das LG Krefeld60 meinen, ein Anspruch auf Herausgabe von Bau- und Planungsunterlagen bestehe nur, wenn eine Abrede in den Erwerbsverträgen enthalten ist oder ein konkret begründetes rechtliches Interesse an der Herausgabe besteht. Ein solches Interesse (z.B. konkrete Baumängel oder konkrete Umbau-, Reparaturplanungen oder Umbaumaßnahmen) sind im Rechtsstreit vorzutragen. Das OLG Köln61 wiederum gewährt zwar einen Herausgabeanspruch, meint aber, dieser Anspruch erstrecke sich nicht auf die Originalunterlagen, sondern nur auf die Herausgabe von Kopien gegen Kostenerstattung. § 444 BGB (a.F.) sei analog anwendbar und es stelle ein Gebot von Treu und Glauben dar, die Unterlagen herauszugeben, weil diese für die ordnungsgemäße Erhaltung des Eigentums unentbehrlich seien.

2.52 Für eine Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Bauunterlagen von außerordentlich hoher Bedeutung. Immer wieder wird der Verwalter oder die Gemeinschaft auf diese Unterlagen zurückgreifen müssen, um Gewährleistungsansprüche durchsetzen zu können, Instandsetzungsaufträge zu erteilen oder um überhaupt anhand von Bedienungsanleitungen 51 Vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, MDR 2010, 433 = ZfIR 2010, 243 = WuM 2010, 172 = NJW 2010, 933 = ZWE 2010, 133. 52 Vgl. zur alten Rechtslage auch noch Schlie, Der Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe von Bauunterlagen, BauR 2014, 905; Lotz, Bauunterlagen und Dokumentation, BauR 2012, 157. 53 LG Essen, Urt. v. 25.11.1964 – 1 S 295/64, NJW 1965, 920; zum generellen Herausgabeanspruch des Bauherrn gegenüber dem Architekten vgl. LG Hamburg, Teilurt. v. 6.9.2013 – 317 O 79/09, Juris (weitere Instanzen ohne Bezug auf Herausgabeverlangen: Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 9.4.2015 – 6 U 26/14 und BGH, Beschl. v. 21.6.2017 – VII ZR 95/15). 54 LG Detmold, Urt. v. 14.1.1969 – 3 O 65/67, NJW 1969, 2144. 55 OLG Köln, Urt. v. 13.5.2015 – 11 U 96/14, ZMR 2016, 66; dazu Döring, Mängelansprüche vor Abnahme und Herausgabe von Unterlagen an die WEG, jurisPR-PrivBauR 11/2015 Anm. 5. 56 OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.7.1974 – 10 U 222/73, NJW 1975, 694, mit Anm. Koeble. 57 OLG München, Urt. v. 15.10.1991 – 9 U 2958/91, BauR 1992, 95. 58 Das AG Traunstein, Urt. v. 20.4.1988 – 310 C 224/88, NJW-RR 1989, 598, meint, der Erwerber könne die Bauunterlagen nicht von der Baubehörde erlangen, weil die Baupläne dem Urherberrecht unterlägen und somit die Behörde diese nicht zum Kopieren herausgeben dürfe. Aufgrund dessen billigt das AG einen Herausgabeanspruch gegenüber dem Bauträger zu. 59 LG München I, Urt. v. 2.3.2007 – 2 O 23839/06, BauR 2007, 1431. 60 LG Krefeld, Urt. v. 11.12.2008 – 2 O 56/08, IBR 2009, 276. 61 OLG Köln, Beschl. v. 22.11.1979 – 16 Wx 111/79, WEM 1980, Heft 2, S. 82 = BauR 1980, 283 = ZMR 1981, 89 (LS) = DWE 1981, 48 (Entscheidungsbesprechung).

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Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf Vollständigkeit

Rz. 2.56 Teil 2

den ordnungsgemäßen Betrieb gemeinschaftlicher Anlagen sicherzustellen. Dies hatte auch das BayObLG62 im Blick, als es der Eigentümergemeinschaft einen Anspruch zugesprochen hat auf Herausgabe der Werkzeichnungen und der übrigen Ausführungsunterlagen sowie eines Handwerkerverzeichnisses. Einen weiteren Aspekt bringt das OLG Hamm;63 es billigt den Wohnungseigentümern jedenfalls dann einen Anspruch (aus § 402 BGB) auf Herausgabe der Bauunterlagen zu, wenn die Gewährleistungsansprüche des Bauträgers gegenüber den Bauhandwerkern an die einzelnen Wohnungseigentümer abgetreten sind. Das OLG Frankfurt billigt der Eigentümergemeinschaft generell einen Herausgabeanspruch gegen den Bauträger-Verwalter auf Herausgabe der Unterlagen zu, die dieser in seiner Eigenschaft als Bauträger und früherer Eigentümer erhalten hat.64

2.53

Sowohl das OLG Köln65 als auch das BayObLG66 geben der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Herausgabeanspruch gegen den Verwalter, wenn dieser mit dem Bauträger identisch ist und insofern die Bauunterlagen nicht von einem früheren Verwalter oder von der Gemeinschaft erhalten hat. Grundsätzlich muss von der Gemeinschaft der Nachweis erbracht werden, dass der in Anspruch genommene Verwalter mit dem Bauträger identisch ist (oder war). Ist der ehemalige Verwalter lediglich Mitglied einer BGB-Gesellschaft gewesen, die als Bauträgerin fungierte, kann der Anspruch nicht gegen ihn gerichtet werden, wenn von der Gemeinschaft nicht nachgewiesen wurde, dass er die Unterlagen auch tatsächlich in Besitz hatte.67

2.54

Die analoge Anwendung des § 444 BGB (a.F.) konnte früher (bis zum 31.12.2001) im Verhältnis zwischen Bauträger und Erwerber (oder hier der Gemeinschaft) als richtige Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch angesehen werden. Im BGB in der Fassung ab 1.1.2002 gibt es keine dem § 444 BGB a.F. entsprechende Vorschrift mehr; man wird nunmehr für die Unterlagen, die nicht unmittelbar von § 650n BGB erfasst werden, eine Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag annehmen müssen.

2.55

b) Kontounterlagen Häufig wurde in der Vergangenheit von dem Verwalter einer Eigentümergemeinschaft das Konto, über welches die Zahlungen für die Gemeinschaft erfolgen, auf den Namen des Verwalters geführt. Spätestens seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zum 1.7.2007 ist eine solche Kontoführung unzulässig und auch für den Verwalter gefährlich.68 Das auf den Namen des Verwalters geführte Konto „gehört“ zwar formal dem Verwalter, für die Herausgabepflicht 62 BayObLG, Beschl. v. 23.3.2001 – 2 Z BR 6/01, ZWE 2001, 431 = ZMR 2001, 819 = NJW-RR 2001, 1667 = WuM 2001, 463 = NZM 2001, 469. 63 OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 361/85, OLGZ 1988, 29 = NJW-RR 1988, 268 = DWE 1988, 36. 64 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.4.2006 – 20 W 517/05, ZWE 2006, 409 (nur LS). 65 OLG Köln, Beschl. v. 22.11.1979 – 16 Wx 111/79, WEM 1980, Heft 2, S. 82 = BauR 1980, 283 = ZMR 1981, 89 (LS) = DWE 1981, 48 (Entscheidungsbesprechung). 66 BayObLG, Beschl. v. 23.3.2001 – 2 Z BR 6/01, ZWE 2001, 431 = ZMR 2001, 819 = NJW-RR 2001, 1667 = WuM 2001, 463 = NZM 2001, 469. 67 Vgl. hierzu die Entscheidung des OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24.4.2006 – 20 W 517/05, ZWE 2006, 409 (LS). 68 Vgl. z.B. LG Saarbrücken, Urt. v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, ZMR 2018, 699 = ZWE 2018, 275; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, ZWE 2018, 82 = ZMR 2018, 250; AG Hamburg,

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41

2.56

Teil 2 Rz. 2.56

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

der Kontounterlagen kann dies jedoch keine Rolle spielen.69 Nach § 10 Abs. 7 WEG gehören das Verwaltungsvermögen und damit auch die eingenommenen Gelder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Damit ist – unabhängig davon, auf welchen Namen das Konto geführt wurde – klar, dass der Verwalter auch die Kontounterlagen herausgeben muss, auch wenn die Kontounterlagen nicht im Eigentum der Gemeinschaft stehen.

2.57 Wie schon oben ausgeführt, muss der Verwalter alle Unterlagen herausgeben, die im Zusammenhang mit der Verwaltung der Eigentümergemeinschaft entstanden sind, wobei es gerade nicht auf die Eigentumsverhältnisse an den Unterlagen ankommt. Das BayObLG70 billigt deshalb der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Recht einen Anspruch auf Herausgabe der Kontoauszüge und der sonstigen Kontobelege zu.

2.58 Selbst wenn dem ehemaligen Verwalter Veruntreuungen oder sonstige Unregelmäßigkeiten vorgeworfen werden und er die Konto-Unterlagen für seine Rechtsverteidigung benötigt, hat er kein Zurückbehaltungsrecht.71 Für seine Rechtsverteidigung reicht es aus, wenn er sich Kopien macht oder (worauf der ehemalige Verwalter Anspruch hat)72 Einblick in die Unterlagen nimmt. Er kann auch dann kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, wenn er gegen die Eigentümergemeinschaft noch Zahlungsansprüche hat.73 Ein ausgeschiedener Verwalter kann sich nicht darauf berufen, er sei nicht in der Lage, eine Rechnungslegung vorzunehmen, weil er die Unterlagen schon an die Gemeinschaft übergeben habe. Er kann entweder von den Eigentümern verlangen, dass diese ihm Einsicht in die Unterlagen gewähren,74 zeitweise die Unterlagen überlassen oder – wenn die Gemeinschaft die Überlassung aus berechtigten Gründen verweigert – Kopien der Unterlagen zu erhalten, die ihn in die Lage versetzen, der Rechnungslegungspflicht nachzukommen.75 Kann die Gemeinschaft berechtigte Gründe für die Verweigerung der zeitweisen Überlassung der Originalunterlagen benennen, wird der ehemalige Verwalter – wenn die Gründe in seiner Person liegen – die Kosten der Kopien tragen müssen. Ein solcher, zur Verweigerung der Herausgabe berechtigender Grund läge dann vor, wenn der Verwalter wegen unberechtigter Entnahmen oder wegen des konkreten Verdachts auf Unterschlagung von Geldern abberufen wurde.76

69 70 71

72 73 74 75 76

42

Urt. v. 10.10.2016 – 22a C 176/15, ZMR 2017, 189; AG Mettmann, Urt. v. 15.4.2016 – 26 C 40/14, ZMR 2016, 913. Vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, ZMR 2008, 399 = ZWE 2008, 193 = WuM 2008, 572 = NZM 2008, 850, bezüglich eines Fremdgeldkontos des Verwalters, über das auch Geldbewegungen Dritter gehen. BayObLG, Beschl. v. 13.9.1993 – 2 Z BR 66/93, WuM 1994, 44 = WE 1994, 280. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.5.1994 – 20 W 488/93, OLGZ 1994, 538 = OLGReport Frankfurt 1994, 146 = ZMR 1994, 376 = DWE 1994, 116; BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2 Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288; BayObLG, Beschl. v. 9.2.1965 – 2 Z 276/64, NJW 1965, 821; vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 6.2.1991 – 26 O 484/90, GE 1991, 683. OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 = Rpfleger 1975, 255. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.5.1994 – 20 W 488/93, OLGZ 1994, 538 = OLGReport Frankfurt 1994, 146 = ZMR 1994, 376 = DWE 1994, 116. Vgl. hierzu auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.8.2003 – 20 W 525/00, n.v. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2003 – 3 Wx 217/02, OLGReport Düsseldorf 2004, 61 = ZMR 2004, 692 = NZM 2004, 110. Vgl. auch Teil 7 „Rechnungslegung“.

Köhler

Herausgabe der Kontobestände

Rz. 2.63 Teil 2

VI. Herausgabe der Kontobestände Wurden die Konten (Girokonto und Instandhaltungsrücklagen-Konto) ordnungsgemäß als offene Fremdgeldkonten auf den Namen der Eigentümergemeinschaft geführt, ist die Überleitung auf den neuen Verwalter in der Regel problemlos. Gegenüber dem Bankinstitut ist der Nachweis über die Bestellung als Verwalter und die Berechtigung zu Verfügungen über die Konten zu erbringen.

2.59

Sofern die Konten auch nach 2007 noch als (offene) Treuhandkonten geführt wurden, muss der alte Verwalter an die Gemeinschaft, zu Händen des neuen Verwalters, die Kontobestände von Girokonto und Instandhaltungsrücklagenkonto (Festgeldkonto) sowie die Barkasse herausgeben. Bei einem (offenen) Treuhandkonto ist der Verwalter gegenüber der Bank Kontoinhaber und damit verantwortlich für einen eventuell aufgelaufenen Minussaldo auf diesem Konto. Bei einem negativen Kontobestand dieses Treuhandkontos empfiehlt es sich für den neuen Verwalter nicht, das Konto einfach zu übernehmen (also auf die Gemeinschaft umschreiben zu lassen), selbst wenn dies banktechnisch ohne Probleme ginge. Es ist sinnvoller, wenn der alte Verwalter die Minusstände auf dem Konto erst einmal ordnungsgemäß aufklärt und sodann zwischen dem alten Verwalter und der Eigentümergemeinschaft ein Ausgleich erfolgt.77

2.60

Wenn die Eigentümergemeinschaft (Verband) gegenüber dem ehemaligen Verwalter Zahlungsansprüche geltend macht, ist sie verpflichtet, diese Ansprüche schlüssig darzulegen. Sofern erforderlich, muss die Eigentümergemeinschaft im Einzelnen darlegen und beweisen, welche Beträge der ehemalige Verwalter von den Wohnungseigentümern erhalten oder durch die Verwaltung erlangt hat.78

2.61

Es empfiehlt sich deshalb für die Eigentümergemeinschaft, vom ehemaligen Verwalter erst Rechnungslegung zu verlangen und dann (gestützt auf die Rechnungslegungsangaben) Forderungen geltend zu machen. Allerdings ist ein Auszahlungsanspruch keineswegs abhängig von einer vorherigen Rechnungslegung, sondern kann auch ohne diese geltend gemacht werden, so der BGH.79 Nach dem BGH muss der Verwalter in einem gegen ihn gerichteten Zahlungsverfahren darlegen und beweisen, dass die von ihm verauslagten Beträge in Erledigung des Auftrags (also bei der Wohnungseigentumsverwaltung) und für Zwecke der Gemeinschaft verbraucht wurden.

2.62

Wurde das Konto für die Eigentümergemeinschaft von dem ehemaligen Verwalter auf eigenen Namen geführt (offenes oder verdecktes Treuhandkonto), ist der ehemalige Verwalter verpflichtet, den Gegenwert des Guthabens an die Gemeinschaft auszuzahlen. Zu einer Abtretung der gegenüber der Bank bestehenden Guthabenforderung ist der Verwalter nicht verpflich-

2.63

77 Allein durch die Übergabe von Bankunterlagen für ein überzogenes Konto gerät die Eigentümergemeinschaft hinsichtlich des überzogenen Betrages nicht in Verzug; der ehemalige Verwalter muss die Eigentümergemeinschaft zur Erstattung des Fehlbestandes auffordern und sie in Verzug setzen, vgl. KG, Beschl. v. 16.9.1998 – 24 W 2514/98, KGR 1999, 38 = ZWE 2000, 277 = ZMR 1999, 62 = NZM 1999, 379 = DWE 1999, 172. 78 BayObLG, Beschl. v. 16.9.1993 – 2 Z BR 55/93, WuM 1994, 43 = BayObLGR 1994, 2 = WE 1994, 283. 79 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = WuM 1997, 294 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72 = WE 1997, 306.

Köhler

43

Teil 2 Rz. 2.63

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

tet.80 Bei Unklarheiten, ob abgehobene Beträge für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich und bestimmt waren, hat der ehemaliger Verwalter die Darlegungs- und Beweislast.81

VII. Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf brisante Themen 2.64 Der neue Verwalter muss die von seinem Vorgänger übergebenen Unterlagen auf brisante Themen prüfen. Diese Prüfungspflicht geht nach der Rechtsprechung recht weit. Nach dem BayObLG82 hat der neue Verwalter auf Verlangen der Wohnungseigentümergemeinschaft auch zu prüfen, ob Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten des alten Verwalters vorliegen und Schadensersatzansprüche gegen diesen in Betracht kommen.

2.65 Dies weit reichende Verpflichtung des neuen Verwalters wird man wohl durch vertragliche Regelungen im Verwaltervertrag nicht steuern oder ausschließen können (vgl. § 307 BGB).

2.66 Nach dem OLG Köln83 ist der (neu bestellte) Verwalter nicht verpflichtet, eine Auflistung der Gesamtrücklagen der vergangenen Jahre zu erstellen, wenn über die Arbeitsweise seines Amtsvorgängers bezüglich dieser Zeit in der Eigentümergemeinschaft Streit herrscht.

2.67 Der neue Verwalter muss überprüfen, ob der alte Verwalter ordnungsgemäß Rechnung gelegt hat über Einnahmen und Ausgaben der bisher noch nicht abgerechneten und beschlossenen Wirtschaftsjahre. Zu dem Inhalt einer Rechnungslegung vgl. Teil 7. Sollte keine (ordnungsgemäße) Rechnungslegung erfolgt sein, ist die Eigentümerversammlung wegen weiterer Maßnahmen einzuschalten.

2.68 Der neue Verwalter muss weitere Prüfungen vornehmen, um möglichst bald handeln zu können: – Stehen aus beschlossenen Jahresabrechnungen noch Beträge zur Auszahlung oder zur Anforderung offen? – Existiert für die laufende Wirtschaftsperiode ein Wirtschaftsplanbeschluss? Können Hausgeldforderungen auf einer anderen Rechtsgrundlage geltend gemacht werden (z.B. aufgrund einer Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass Wirtschaftspläne bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan weitergelten)? – Müssen gegenüber säumigen Wohnungseigentümern Ansprüche geltend gemacht werden? 80 BayObLG, Beschl. v. 26.8.1999 – 2 Z BR 53/99, NZM 1999, 1148 = ZMR 1999, 844 = NJW-RR 2000, 155. 81 Vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = WuM 1997, 294 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106; BGH, Urt. v. 4.2.1991 – II ZR 246/89, NJW 1991, 1884 = MDR 1991, 1095; BGH, Urt. v. 13.12.1990 – III ZR 336/89, NJW-RR 1991, 575 = WM 1991, 514; BayObLG, Beschl. v. 26.8.1999 – 2 Z BR 53/99, NZM 1999, 1148 = ZMR 1999, 844 = NJW-RR 2000, 155; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 30.1.2013 – 318 S 127/11, ZMR 2013, 984 = ZWE 2014, 131. 82 BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2 Z BR 45/96, WuM 1996, 661 = BayObLGR 1996, 74 = NJWEMietR 1997, 14 = WE 1997, 117. 83 OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1999 – 16 Wx 180/99, ZWE 2000, 489 = OLGReport Köln 2000, 246.

44

Köhler

Prüfung der vom Vorverwalter übergebenen Unterlagen auf brisante Themen

Rz. 2.68 Teil 2

– Hat eine Eigentümerversammlung einen Sonderumlagenbeschluss gefasst, aus dem noch Forderungen offen stehen? – Sind in früheren Versammlungen der Gemeinschaft Beschlüsse gefasst worden, die bisher noch nicht durchgeführt wurden? – Welche Beschlüsse aus früheren Eigentümerversammlungen könnten für spätere Eigentümergenerationen Gültigkeit haben? Beschlüsse, die für spätere Eigentümergenerationen gelten sollen, sind nach objektiven Maßstäben wie Grundbucheintragungen (objektiv und normativ) auszulegen. Solche Beschlüsse müssen deshalb insbesondere aus sich selbst heraus verständlich und nachvollziehbar sein. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, z.B., weil sie sich aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben.84 – Gibt es Wartungsverträge und sind alle technischen Prüfungen (Aufzüge, Notstromaggregate usw.) durchgeführt worden? – Sind die von der Eigentümergemeinschaft beschäftigten Personen sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich richtig behandelt worden? Bei fehlerhafter Behandlung der Sozialversicherungspflicht können aufgrund § 28g SGB IV erhebliche Nachzahlungen für die Gemeinschaft der Eigentümer anfallen.85 – Laufen Rechtsstreitigkeiten oder außergerichtliche Auseinandersetzungen? 1. Gibt es Aktivverfahren/Auseinandersetzungen gegen/mit Wohnungseigentümer(n)? – wegen ausstehender Hausgelder, – wegen Unterlassung (Lärmbelästigung usw.), – wegen baulicher Veränderungen, – wegen Entziehung des Eigentums. 2. Gibt es Passivverfahren/Auseinandersetzungen? – Von Wohnungseigentümer(n) gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Beschlussanfechtung/Leistungsklagen/Beweisverfahren) – Von Lieferanten/Handwerkern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Vergütungsklagen/Beweisverfahren) 3. Gibt es Aktivverfahren gegen Dritte/Auseinandersetzungen mit Dritten? – Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen Handwerker/Bauträger o.Ä.,

84 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 289 = MDR 1999, 28 = NJW 1998, 3713 = ZMR 1999, 41 = NZM 1998, 955 = DWE 1998, 177 = WuM 1998, 738 = WE 1999, 93. 85 Vgl. hierzu OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 177/00, OLGReport Köln 2002, 4 = NZM 2001, 862 = ZMR 2001, 913; Köhler, ZMR 2001, 865; vgl. im Übrigen Teil 17.

Köhler

45

Teil 2 Rz. 2.68

Verwaltungsübergabe und Verwaltungsübernahme

– Einzelne Wohnungseigentümer oder Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinde (z.B. wegen Grundbesitzabgaben oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Abgaben).86 4. Muss/soll/kann der neue Verwalter in die Verfahren/Auseinandersetzungen eintreten oder diese übernehmen? Erlischt die Vollmacht des durch den bisherigen Verwalter beauftragten Rechtsanwalts?

2.69 In Beschlussanfechtungsverfahren ist der neue Verwalter vom Gericht zu beteiligen, weil er die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen durchführen muss und deshalb von dem Beschlussanfechtungsverfahren materiell-rechtlich betroffen ist; auch der ausgeschiedene Verwalter, der zum Zeitpunkt der angegriffenen Beschlussfassung amtierte, muss beteiligt werden, wenn der Anfechtungsgrund vom Verwalter zu vertreten ist (oder zu vertreten sein könnte).87

2.70 Verfahren, die bisher der alte Verwalter geführt hat, sollten unverzüglich von dem neuen Verwalter übernommen werden; hierzu ist es sinnvoll, dass die Eigentümer bereits in der Eigentümerversammlung, in der sie den neuen Verwalter bestellen, hierüber beschließen. Der BGH88 hat zwar deutlich gemacht, dass bei einer vorzeitigen Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund (wegen gravierender Pflichtverletzungen) die materiell-rechtliche Ermächtigung des abberufenen Verwalters zum Einzug von Forderungen erlischt, es sollte aber schon bei der Bestellung eines neuen Verwalters auch die weitere Verfahrensführung geklärt und beschlossen werden.

2.71 Die Vollmacht, die einem Rechtsanwalt vom Vorverwalter im Namen der Gemeinschaft erteilt wurde, erlischt nicht. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass der Vorverwalter selbst im Rahmen seiner Vollmacht handelte und einen Rechtsanwalt für die Eigentümergemeinschaft beauftragen durfte.89

VIII. Mitteilung der Prüfungsergebnisse an die Wohnungseigentümergemeinschaft und Vorbereitung weiterer Maßnahmen 2.72 Nach der Übernahme der Verwaltungsunterlagen und der umfassenden Prüfung dieser Unterlagen muss der Verwalter die weiteren Schritte planen. Dazu ist erforderlich, dass er überlegt: 86 Hier werden die Parteirollen dadurch bestimmt, wer auf Zahlung der Abgaben in Anspruch genommen worden ist; vgl. zum Problem die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 25.1.2019 – 5 K 1246/15, Juris; OVG Bremen, Beschl. v. 23.11.2018 – 2 B 194/18, Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.2018 – 5 K 15131/17, Juris; Sächs. OVG, Beschl. v. 14.10.2014 – 5 A 95/14, Juris; VG Göttingen, Beschl. v. 27.6.2007 – 3 B 84/07, NJW 2008, 252; VG Stuttgart, Urt. v. 20.6.2007 – 2 K 3733/07, IR 2007, 313 = ZAP EN-Nr 8/2008; BVerwG, Beschl. v. 11.11.2005 – 10 B 65/05, NZM 2006, 146 = NJW 2006, 791 = ZMR 2006, 242 = DVBl 2006, 378; VGH BadenWürttemberg, Urt. v. 4.10.2005 – 2 S 995/05, ZMR 2006, 818; zu den gemeinschaftsinternen Pflichten, wenn ein Wohnungseigentümer auf Gebühren oder Beiträge in Anspruch genommen wird: BGH, Urt. v. 14.2.2014 – V ZR 100/13, MDR 2014, 397 = ZWE 2014, 165. 87 BGH, Beschl. v. 9.10.1997 – V ZB 3/97, MDR 1998, 29 = DWE 1997, 159 = ZMR 1998, 171 = WE 1998, 105 = NZM 1998, 78. 88 BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 55/11, MDR 2012, 337 = ZfIR 2012, 274 = ZWE 2012, 177 = NJW 2012, 1207. 89 BayObLG, Beschl. v. 19.8.1999 – 2 Z BR 44/99, NZM 2000, 291 = BayObLGR 2000, 19 (LS).

46

Köhler

Mitteilung der Prüfungsergebnisse

Rz. 2.73 Teil 2

– Welche Vollmachten hat er als neuer Verwalter, Ansprüche gegenüber Wohnungseigentümern, dem früheren Verwalter oder gegenüber Dritten geltend zu machen? – Beziehen sich die Vollmachten auf Aktiv- und Passivverfahren? Bei Passivverfahren gibt nunmehr § 27 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 WEG dem Verwalter ein unentziehbares Vertretungsrecht. Für Aktivverfahren benötigt der Verwalter weiterhin eine Ermächtigung (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG). – Ist (je nach Vollmacht) die Zustimmung des Beirates erforderlich? – Sind die Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung und die Vorbereitung ordnungsgemäßer Beschlussfassungen zur Erlangung notwendiger Vollmachten erforderlich? Der Verwalter sollte möglichst bald über seine Feststellungen im Zusammenhang mit der Verwaltungsübernahme dem Beirat und sodann auch in einer Eigentümerversammlung berichten. Diese Eigentümerversammlung, die sinnvoller Weise möglichst innerhalb weniger Wochen nach Verwaltungsübernahme stattfinden sollte, kann dann auch die weiteren Maßnahmen, die gegenüber dem alten Verwalter ergriffen werden sollen, beschließen und dem neuen Verwalter eventuell notwendige (zusätzlich erforderliche) Vollmachten erteilen.

Köhler

47

2.73

Teil 3 Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Änderungsanspruch und Beschlusskompetenzen I. Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers . . . . . . . . . .

3.1

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Normzweck des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zur ergänzenden Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinschaftsverhältnis und sachenrechtliches Grundverhältnis . d) Zustimmung dinglich Berechtigter? . . . . . . . . . . . . . . . .

3.12

2. Voraussetzungen des Änderungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.13

3. Der Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels . . . . . . .

3.17

4. Der Anspruch auf Änderung der vereinbarten Zweckbestimmung . . .

3.23

5. Der Anspruch auf Änderung der vereinbarten Stimmkraft . . . . . . . . .

3.25

6. Die Durchsetzung des Änderungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Rechtsschutzbedürfnis . . . . . b) Leistungs- und Gestaltungsklage . c) Wirkungen des stattgebenden Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die einheitliche Gestaltungsklage . e) Die einredeweise Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1 3.3 3.5 3.9

3.26 3.27 3.29 3.37 3.39 3.42

3.69 3.78 3.79 3.81 3.86 3.86 3.88 3.92 3.92 3.98 3.103 3.107 3.108 3.109 3.111 3.114

3.56 3.56 3.61 3.61

5. Das Verhältnis zum Änderungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.145

3.44

8. Vergemeinschaftung des Anspruchs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.45

II. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

3.47

2. Gesetzliche Beschlusskompetenzen . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Änderung der Kostenverteilung (§ 16 Abs. 3 bis 5 WEG) . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . .

3. Vereinbarte Beschlusskompetenzen (Öffnungsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung und Zulässigkeit . . . . . b) Bestimmtheitsgrundsatz und unbegrenzte Öffnungsklauseln . . . . . c) Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . aa) Sachlich unbegrenzte Öffnungsklauseln . . . . . . . . . bb) Sachlich begrenzte Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mehrheitserfordernisse . . . . . dd) Vereinbarung der Eintragungsbedürftigkeit? . . . . . . . . d) Die nachträgliche Vereinbarung einer Öffnungsklausel . . . . . . . . . . aa) Folgen fehlender Grundbucheintragung . . . . . . . . . . . bb) Zustimmung dinglich Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . e) Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . .

3.63 3.67

4. Der Änderungsbeschluss . . . . . . . . . a) Abgrenzung zur Vereinbarung . . . b) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage . . . . c) Inhaltliche Schranken der Mehrheitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . aa) Unverzichtbare Vorschriften . bb) Unentziehbare Rechte und Belastungsverbot . . . . . . . . . . cc) Sachlicher Grund und unbillige Benachteiligung . . . . . . . dd) Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung . . . . . . . . . . . d) Zustimmung dinglich Berechtigter? e) Eintragung im Grundbuch? . . . . .

7. Verjährung des Anspruchs? . . . . . . .

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . b) Bedeutung für die Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

bb) Betriebskosten . . . . . . . . . . . . cc) Kosten der Verwaltung . . . . . dd) Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung . . . . . . . . ee) Kosten baulicher Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Abweichende Vereinbarungen c) Beschlusskompetenzen gem. § 21 Abs. 7 WEG . . . . . . . . . . . . .

3.47 3.47 3.53

3.118 3.118 3.120 3.123 3.124 3.126 3.132 3.137 3.139 3.143

Becker

49

Teil 3 Rz. 3.1

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

I. Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers 1. Grundlagen

3.1 Wohnungseigentümer können die gesetzlichen oder vereinbarten Regelungen über ihr Gemeinschaftsverhältnis nur durch Vereinbarung ändern (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG), soweit ihnen das Gesetz oder eine Vereinbarung nicht ausnahmsweise eine Beschlusskompetenz zur Abänderung einräumt (siehe dazu Rz. 3.47 ff.). Ändernde Vereinbarungen kommen in der Praxis zumeist nicht zustande, da nicht alle Wohnungseigentümer die erforderliche Zustimmung erteilen. Auch soweit den Wohnungseigentümern Beschlusskompetenz eingeräumt ist, kann der Beschlussantrag zur Änderung der Gemeinschaftsordnung – etwa zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (siehe Rz. 3.61 ff.) – die erforderliche Mehrheit verfehlen. In diesen Fällen kann es für einzelne Wohnungseigentümer gleichwohl unzumutbar sein, an einzelnen Regelungen der Gemeinschaftsordnung festgehalten zu werden. Deshalb gewährt § 10 Abs. 2 S. 3 WEG einen Individualanspruch auf Abänderung der Gemeinschaftsordnung:1 Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

3.2 Hinweis: Der Anspruch ist auf Änderung mit Wirkung für die Zukunft gerichtet. Eine rückwirkende Änderung kann der Wohnungseigentümer nicht verlangen.2

a) Der Normzweck des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG

3.3 Die durch die WEG-Novelle 20073 in das Gesetz eingefügte Vorschrift knüpft an die bis dahin ergangene ständige Rechtsprechung an. Danach stand dem einzelnen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung zu, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an der geltenden Regelung als grob unbillig und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen.4 Die Rechtsprechung stellte seinerzeit hohe Anforderungen an eine „grobe Unbilligkeit“, insbesondere wenn es um die Änderung des gesetzlichen oder vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels ging. Eine „grobe Unbilligkeit“ des geltenden Verteilungsschlüssels wurde zumeist erst dann angenommen, wenn der Einzelne nach dem geltenden Schlüssel das Zwei- bis Dreifache dessen zahlen muss-

1 Vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447, 448 m. Anm. Brändle. 2 LG Itzehoe, Urt. v. 24.1.2012 – 11 S 16/11, ZMR 2012, 390. 3 Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze v. 26.3.2007, BGBl. I, S. 370. 4 BGH, Beschl. v. 13.7.1995 – V ZB 6/94, BGHZ 130, 305, 312; BayObLG, Beschl. v. 26.7.1978 – 2 Z BR 44/77, WEM 1979, 85, 87; BayObLG, Beschl. v. 15.3.1984 – 2 Z BR 75/83, BayObLGZ 1985, 50, 53; BayObLG, Beschl. v. 19.2.1987 – 2 Z BR 114/86, BayObLGZ 1987, 66, 69 = NJW-RR 1987, 714; BayObLG, Beschl. v. 21.2.1991 – 2 Z BR 7/91, WE 1992, 60; BayObLG, Beschl. v. 18.11.1991 – 2 Z BR 124/91, NJW-RR 1992, 342, 343; Beschl. v. 10.11.1994 – 2 Z BR 100/94, NJW-RR 1995, 529; BayObLG, Beschl. v. 27.9.1996 – 2 Z BR 80/96, WE 1997, 158, 160; BayObLG, Beschl. v. 18.7.1996 – 2 Z BR 59/96, WE 1997, 119; BayObLG, Beschl. v. 12.8.1999 – 2 Z BR 80/99, ZWE 2000, 171; KG, Beschl. v. 1.10.1990 – 24 W 184/90, NJW-RR 1991, 1169, 1170; OLG Köln, Beschl. v. 13.2.1995 – 16 Wx 6/95, NJW-RR 1995, 973, 974 = OLGReport Köln 1995, 194; OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.1995 – 15 W 93/95, DWE 1995, 127, 128; OLG Düsseldorf, Beschl. 20.5.1998 – 3 Wx 96/98, WE 1999, 188; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 19.2.1999 – 3 W 24/99, WE 1999, 192, 193.

50

Becker

Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.6 Teil 3

te, was er bei einer sachgerechten Kostenverteilung zu zahlen hätte.5 Der BGH sah eine Abweichung von 58 % noch nicht als grob unbillig an.6 Der Gesetzgeber der WEG-Novelle 2007 sah sich veranlasst, den strengen Maßstab der gro- 3.4 ben Unbilligkeit abzumildern. Im Wortlaut des Gesetzes kommt der Wille dadurch zum Ausdruck, dass in § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nur noch von „Unbilligkeit“ und nicht mehr von „grober Unbillligkeit“ die Rede ist. Zudem lässt die Vorschrift „schwerwiegende“ Gründe genügen; „außergewöhnliche“ Umstände sind nicht mehr erforderlich. Die Gesetzesbegründung7 orientiert sich dabei an einer abmildernden Entscheidung des KG, das einen Änderungsanspruch hinsichtlich der Kosten bereits für gegeben erachtete, wenn die Wohn- oder Nutzfläche von dem für die Kostenverteilung maßgeblichen Miteigentumsanteil um mehr als 25 % abweicht.8 Der Gesetzgeber hat jedoch im Gesetz keine konkreten Schwellenwerte festgeschrieben, sondern es bei einer generalklauselartigen Beschreibung der Anspruchsvoraussetzungen belassen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe sind jeweils im Einzelfall von der Rechtsprechung auszufüllen (siehe hierzu Rz. 3.13 ff.).9 b) Das Verhältnis zur ergänzenden Auslegung Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 10 Abs. 2 S. 3 WEG eine ergänzende Auslegung von 3.5 Vereinbarungen nicht ausschließen.10 Sie kommt in Betracht, wenn bestehende Vereinbarungen der Gemeinschaftsordnung lückenhaft sind, etwa weil sich die bei ihrer Errichtung vorliegenden Umstände geändert haben oder die Entwicklung einen anderen Verlauf genommen hat als ursprünglich erwartet.11 Die ergänzende Auslegung setzt weiter voraus, dass die Regelungslücke nicht durch Rückgriff auf die gesetzliche Regelung geschlossen werden kann. Schließlich muss ermittelt werden, welche Regelung die Wohnungseigentümer bei einer angemessenen Abwägung der beteiligten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Gemeinschaftsordnung bedacht hätten.12 Maßgeblich ist hierfür die objektive Sicht eines unbefangenen Betrachters. Die Grenze einer ergänzenden Auslegung bildet der Wille des die Gemeinschaftsordnung Errichtenden, wie er in den lückenhaften Regelungen objektiv zum Ausdruck kommt. Im Unterschied zum Abänderungsanspruch darf die ergänzende Auslegung den Regelungsgegenstand der vereinbarten Gemeinschaftsordnung nicht erweitern.13 Die ergänzende Auslegung führt nicht zu einem Anspruch des Einzelnen auf Abänderung der Gemeinschaftsordnung, der auf dasselbe Ziel gerichtet ist wie der Anspruch aus § 10

5 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.11.1994 – 2 Z BR 100/94, NJW-RR 1995, 529; BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2 Z BR 136/00, ZWE 2001, 320 = NZM 2001, 290 = ZMR 2001, 473; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.4.2000 – 20 W 485/98, NZM 2001, 140. 6 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72. 7 BT-Drucks. 16/887, S. 18 f. 8 KG, Beschl. v. 14.6.2004 – 24 W 32/04, ZWE 2005, 251 = NZM 2004, 549 = ZMR 2004, 705. 9 BT-Drucks. 16/887, S. 19. 10 BT-Drucks. 16/887, S. 19. 11 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2004, 72; s. im Einzelnen Wendel, Der Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung, Düsseldorf 2002, S. 11 ff. 12 Müller in BeckOK, § 10 WEG Rz. 338. 13 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72.

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3.6

Teil 3 Rz. 3.6

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

Abs. 2 S. 3 WEG.14 Sie führt unmittelbar zu einer ergänzenden Regelung der vereinbarten Gemeinschaftsordnung, ohne dass hierzu ein Anspruch auf Abänderung erfüllt werden muss.15 Lässt sich eine Regelungslücke der bestehenden Gemeinschaftsordnung auf diese Weise bereits durch ergänzende Auslegung schließen, besteht kein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung. Der Änderungsanspruch gem. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG ist insoweit subsidiär.16

3.7 Hinweis: Eine Vertreterklausel in der Gemeinschaftsordnung, wonach sich Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung nur durch Ehegatten, andere Wohnungseigentümer oder den Verwalter vertreten lassen können, lässt sich womöglich ergänzend dahingehend auslegen, dass auch die Vertretung durch den langjährigen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder durch den Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gestattet ist.17 Die in diesem Sinne ergänzend ausgelegte Vereinbarung gilt unmittelbar, ohne dass der betroffene Wohnungseigentümer die anderen auf Zustimmung zu einer ergänzenden Vereinbarung in Anspruch nehmen muss.

3.8 Das Ergebnis einer ergänzenden Auslegung kann der einzelne Wohnungseigentümer im Wege der Feststellungsklage gerichtlich feststellen lassen. Wenn es in der Gemeinschaft bestritten wird und nicht zur Anwendung kommt, dürfte das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben sein (§ 256 ZPO).18 Da sich in der Praxis die Fälle einer ergänzenden Auslegung und eines Änderungsanspruchs nur schwer unterscheiden lassen, empfiehlt es sich, hilfsweise auch einen Anspruch auf Zustimmung zu einer entsprechenden Änderungsvereinbarung geltend zu machen. c) Gemeinschaftsverhältnis und sachenrechtliches Grundverhältnis

3.9 Der Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG ist auf „eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung“ oder auf „Anpassung einer Vereinbarung“ gerichtet. Er bezieht sich nur auf die Abänderung der gesetzlichen oder vereinbarten Regelungen über das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander.19 Die Vorschrift bezieht sich hingegen nicht auf das sachenrechtliche Grundverhältnis, d.h. auf die Zuordnung des Sondereigentums zu bestimmten Miteigentumsanteilen am gemeinschaftlichen Eigentum durch die Teilungserklärung bzw. den Teilungsvertrag.20 Erweist sich etwa die gesetzliche Regelung in § 16 Abs. 2 WEG über die Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen als unbillig, kann der betroffene Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG grundsätzlich nur die Änderung des Verteilungsschlüssels, nicht aber die Neuzuordnung der Miteigentumsanteile verlangen.

3.10 Allerdings ergibt sich in eng begrenzten Ausnahmefällen aus den Treuebindungen der Wohnungseigentümer im Gemeinschaftsverhältnis ein Anspruch auf Änderung des sachenrecht14 BGH, Urt. v. 11.6.2010 – V ZB 174/09, ZWE 2010, 330 (331); a.A. noch BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 (366) = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72. 15 Müller in BeckOK, § 10 WEG Rz. 338. 16 BGH, Urt. v. 13.5.2016 – V ZR 152/15, MDR 2016, 1133; BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, ZfIR 2019, 405 406 m. Anm. Elzer. 17 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 8.12.2003 – 16 Wx 200/03, NZM 2004, 656 = ZMR 2004, 378. 18 Müller in BeckOK, § 10 WEG Rz. 338. 19 Vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 19. 20 Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.9.2004 – 5 W 173/04, NZM 2005, 423; OLG Celle, Beschl. v. 5.8.2003 – 4 W 111/03, OLG-Report 2004, 79; Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 125; Schneider in Riecke/Schmid, § 6 WEG Rz. 4; a.A. wohl OLG München, Beschl. v. 24.4.2008 – 32 Wx 165/07, ZWE 2008, 347 = NZM 2008, 407, 408 = ZMR 2008, 567.

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Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.13 Teil 3

lichen Grundverhältnisses.21 Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn ein Festhalten an der bisherigen Aufteilung unzumutbar oder eine Änderung zur Herstellung eines systemgerechten Zustands erforderlich ist.22 Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn infolge einer planabweichenden Bauausführung einem Miteigentumsanteil keine Räume im Sondereigentum zugeordnet werden können. In diesem Fall kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass Teilungserklärung nebst Aufteilungsplan der tatsächlichen Bebauung angepasst werden. Der Anspruch ist auf Neuaufteilung des isolierten Miteigentumsanteils gerichtet, wenn dies dem Inhaber des Anteils – ggf. gegen Zahlung eines Ausgleichs – zumutbar ist.23 Ein Anspruch auf Änderung der Miteigentumsanteile ist hingegen abzulehnen, wenn die Interessen des einzelnen Wohnungseigentümers durch den Anspruch auf Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels gem. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG gewahrt werden können.24 Vereinbarungen über Sondernutzungsrechte betreffen nicht das sachenrechtliche Grundverhältnis. Unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann daher als ultima ratio auch die Aufhebung eines Sondernutzungsrechts verlangt werden (siehe Rz. 3.16).25

3.11

d) Zustimmung dinglich Berechtigter? Zur Änderung von Vereinbarungen, die als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch 3.12 eingetragen sind, ist an sich gem. §§ 876, 877 BGB die Zustimmung der dinglich Berechtigten, insbesondere der Grundpfandrechtsgläubiger erforderlich. Nach zutreffender Ansicht ist jedoch in den Fällen eines Anspruchs auf Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG eine Zustimmung entbehrlich, da die Rechte der dinglich Berechtigten von vornherein mit dem gesetzlichen Änderungsanspruch „belastet“ sind.26 2. Voraussetzungen des Änderungsanspruchs Der Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG setzt voraus, dass ein Festhalten an der geltenden ge- 3.13 setzlichen oder vereinbarten Regelung aus „schwerwiegenden Gründen“ unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer „unbillig“ erscheint. Obwohl die Schwelle für einen Eingriff in die bestehende Gemeinschaftsordnung gegenüber der früheren Rechtsprechung abgesenkt wurde (s.o. Rz. 3.4), werden nach wie vor hohe Anforderungen gestellt. Es ist eine umfassende und sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Hierbei sind folgende Schritte zu beachten27:

21 Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 125. 22 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.3.2004 – 3 Wx 334/03, NZM 2004, 508; Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.9.2004 – 5 W 173/04, NZM 2005, 423, 424; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 5.11.2004 – 2 Wx 31/03, ZMR 2005, 390 = MietRB 2005, 234; OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1999 – 15 W 11/99, ZWE 2000, 44 = ZMR 2000, 244, 245. 23 BGH, Urt. v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, ZWE 2004, 262, 267. 24 Schüller, RNotZ 2011, 203, 215. 25 BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 65/17, 857. 26 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1987 – 2 Z BR 114/86, BayObLGZ 1987, 66 = NJW-RR 1987, 714; DNotZ 2009, 335, 346. 27 Vgl. Müller in Beck OK, § 10 WEG Rz. 296 ff.

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Teil 3 Rz. 3.13

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

– Zunächst sind die Interessen des Wohnungseigentümers festzustellen und zu bewerten, der die Änderung begehrt. „Schwerwiegende Gründe“ müssen bei objektiver Betrachtung das Interesse an einer Änderung stützen. – Sodann sind die Interessen der übrigen Wohungseigentümer festzustellen und zu gewichten, an der bisherigen Regelung festzuhalten und nicht den angestrebten Änderungen und ihren Folgen ausgesetzt zu sein. – Schließlich lässt sich die „Unbilligkeit“ nur feststellen, wenn die Interessen des Änderungswilligen nach umfassender Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Interessen der anderen Wohnungseigentümer deutlich überwiegen.

3.14 Bei der Abwägung sind der Grundsatz der Gleichbehandlung, die Sachgerechtigkeit der bestehenden Regelung, die Veränderung der zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, ihre Vorhersehbarkeit, die Risikoverteilung bei unerwarteten Entwicklungen und das Vertrauen auf das Fortbestehen der geltenden Regelung zu beachten.28 Es ist keineswegs so, dass eine Änderung nur verlangt werden kann, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geändert haben. Enthält eine Vereinbarung von Anfang an keine sachgerechte Regelung (sog. „Geburtsfehler“), so genießt diese Regelung idR keinen Vertrauensschutz.29

3.15 Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG müssen unabhängig davon erfüllt sein, ob den Wohnungseigentümern kraft Gesetzes – etwa gem. § 16 Abs. 3 bzw. Abs. 4 WEG – oder kraft Vereinbarung eine Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt ist (siehe Rz. 3.47 ff.), ein Mehrheitsbeschluss aber nicht zustande kommt.30 Die Beschlusskompetenz wirkt sich allenfalls auf die Durchsetzung des Individualanspruchs auf Änderung der Gemeinschaftsordnung aus (siehe Rz. 3.29 f.).

3.16 Die Aufhebung eines vereinbarten Sondernutzungsrechts kommt nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nur als ultima ratio in Betracht, etwa wenn anders bauordnungsrechtliche Vorgaben nicht erfüllt werden können.31 Regelmäßig kann die Aufhebung aber nur gegen Zahlung eines Ausgleichs in Geld verlangt werden. 3. Der Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels

3.17 In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob ein Wohnungseigentümer die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels verlangen kann. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu verteilen. Bei der Begründung von Wohnungseigentum kann der teilende Eigentümer die Miteigentumsanteile frei festlegen.32 Orientieren sich die Anteile nicht an dem Verhältnis der Wohn- oder Nutzflächen oder am Wert des Sonder28 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171. 29 BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, ZfIR 2019, 405 m. Anm. Elzer; OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2007 – 16 Wx 154/07, ZMR 2008, 989, 990; a.A. Hinz, ZMR 2005, 271, 273. 30 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, ZWE 2010, 174, 178. 31 BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 65/17, ZfIR 2018, 451 m. Anm. Dötsch = MDR 2018, 857 zu Stellplatzflächen. 32 BGH, Urt. v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976; BGH, Urt. v. 6.6.1986 – V ZR 264/84, NJW 1986, 2759, 2760; BayObLG, Beschl. v. 14.10.1985 – 2 Z BR 119-127/58, NJW 1958, 116.

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Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.19 Teil 3

eigentums, kann die Kostenverteilung bereits von Anfang an unsachgemäß sein. Die Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen kann ferner unsachgemäß sein, wenn nach der Begründung von Wohnungseigentum einzelne Gebäudeteile nicht errichtet oder fertiggestellt werden und es dadurch zu Wertverschiebungen zwischen den Miteigentumsanteilen und dem damit verbundenen Sondereigentum kommt. Solche Wertverschiebungen ergeben sich etwa, wenn mit dem Miteigentumsanteil u.a. das Sondereigentum an einer Tiefgarage verbunden ist, diese aber später nicht errichtet wird.33 Schließlich kann der geltende Kostenverteilungsschlüssel infolge nachträglicher baulicher Veränderungen – etwa durch den Ausbau eines Spitzbodens – unsachgemäß werden, wenn sich dadurch die Wohn- oder Nutzflächen des Sondereigentums gegenüber dem Aufteilungsplan nachhaltig verändern.34 Ein schwerwiegender Grund, von der gesetzlichen Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen abzuweichen, setzt voraus, dass der geltende Verteilungsschlüssel für den die Änderung verlangenden Eigentümer zu einer erheblichen Kostenmehrbelastung von mehr als 25 % gegenüber einer Verteilung nach den Wohn- oder Nutzflächen führt.35 Maßgeblich ist allein die Kostenmehrbelastung des betroffenen Wohnungseigentümers nach dem geltenden Verteilungsschlüssel im Verhältnis zu dem begehrten Verteilungsmaßstab, nicht die Relation zu dem Vorteil der anderen Wohnungseigentümer.36 Im Einzelfall ist zu berücksichtigen, ob die Kostenregelung für alle Kosten oder nur für bestimmte Kostenarten gilt. Findet die beanstandete Kostenregelung nur auf einzelne Kostenarten Anwendung, kann es auf das Verhältnis der hierdurch bedingten Mehrkosten zur gesamten Kostenlast des betroffenen Wohnungseigentümers ankommen.37

3.18

Eine erhebliche Kostenmehrbelastung genügt allein noch nicht, um einen Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zu begründen.38 Ob das Festhalten an dem bisherigen Verteilungsschlüssel unbillig erscheint, muss der Tatrichter im Rahmen einer umfassenden Abwägung der gegenläufigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls jeweils konkret feststellen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob die Kostenmehrbelastung in die Risikosphäre des betroffenen Wohnungseigentümers fällt oder die Auswirkungen einer nicht sachgerechten Kostenverteilung für ihn bereits beim Erwerb des Wohnungseigentums erkennbar waren.39

3.19

33 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1987 – 2 Z BR 114/86, BayObLGZ 1987, 66 = NJW-RR 1987, 714; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 2.2.1995 – 2 Z BR 131/94, WE 1995, 378, 379. 34 Vgl. BGH, Urt. v. 11.6.2011 – V ZR 174/09, ZWE 2010, 330, 331; BayObLG, Beschl. v. 10.11.1994 – 2 Z BR 100/94, NJW-RR 1995, 529, 530; BayObLG, Beschl. v. 12.8.1999 – 2 Z BR 80, 99, ZWE 2000, 171, 172; BayObLG, Beschl. v. 27.8.1998 – 2 Z BR 35/98, BayObLGZ 1998, 199; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 19.2.1999 – 3 W 24/99, NZM 1999, 808. 35 BT-Drucks. 16/887, S. 18; BGH, Urt. v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, ZWE 2010, 330 (331); BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171 m. Anm. Becker. 36 BGH, Urt. v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, ZWE 2010, 330, 331; OLG München, NZM 2008, 407, 408. 37 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72 = ZMR 2004, 834, 836. 38 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171; Urt. v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, ZWE 2010, 330, 331. 39 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72 = ZMR 2004, 834, 836; Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171; BayObLG, Beschl. v. 10.8.2001 – 2 Z BR 91/01, ZWE 2002, 31, 32 = ZMR 2001, 997; OLG Köln, Beschl. v. 5.7.2001 – 16 Wx 27/01, ZMR 2002, 153, 154; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2001 – 3 Wx 51/01, ZWE 2001, 444, 446; OLG Hamm, Beschl. v. 9.9.2002 – 15 W 235/00, ZMR 2003, 286, 287.

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Teil 3 Rz. 3.20

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

3.20 In einem vom BGH entschiedenen Fall betrug für eine Einheit der Miteigentumsanteil ca. 17,5 %, der Anteil an den gesamten Wohn- und Nutzflächen jedoch nur ca. 10 %.40 Obwohl sich eine Kostenmehrbelastung von mehr als 70 % ergab, verneinte das Gericht der letzten Tatsacheninstanz einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vereinbarung, die Kosten künftig nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen zu verteilen. Der BGH bestätigte die Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch das Tatgericht. Danach war entscheidend, dass der betroffene Erwerber der Einheit die Kostenbelastung bereits vor dem Erwerb kannte. Hinzu kam noch der Umstand, dass er das erworbene Teileigentum abweichend von der Zweckbestimmung zu Wohnzwecken nutzte. Maßgeblich sei, ob sich der geltende Verteilungsschlüssel bei zulässiger Nutzung als unbillig darstelle. Zudem sei bei gemischt genutzten Wohnungs- und Teileigentumsanlagen die Größe der Einheiten kein hinreichender Maßstab zur Bestimmung der anteiligen Kostenverursachung.41

3.21 Das Festhalten am geltenden Kostenverteilungsschlüssel erscheint nicht unbillig, wenn die erhebliche Kostenbelastung allein darauf zurückzuführen ist, dass der betroffene Wohnungseigentümer von einer in der Teilungserklärung eingeräumten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht. Verzichtet etwa ein Wohnungseigentümer darauf, die Räume seines Sondereigentums abweichend von der ursprünglichen Planung zu einem Schwimmbad auszubauen, so muss er sich an einem vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel festhalten lassen, der die Nutzung als Schwimmbad berücksichtigt.42

3.22 Schließlich ist eine Kostenmehrbelastung einzelner Wohnungseigentümer nicht als unbillig anzusehen, wenn es sich nur um eine vorübergehende Kostenmehrbelastung handelt, die sich langfristig wieder ausgleicht. Dies ist etwa bei einer Mehrhausanlage der Fall, deren Gebäude ein unterschiedliches Alter aufweisen. Hier ist keine unbillige Kostenverteilung anzunehmen, wenn anlässlich einer Gebäudesanierung für ein älteres Gebäude erheblich höhere Kosten anfallen, die nach Maßgabe des geltenden Verteilungsschlüssels auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen sind. Der Sanierungsbedarf für die neueren Gebäude stellt sich mit zeitlicher Verzögerung ein, so dass sich bei langfristiger Betrachtung die Belastung mit Sanierungskosten wieder ausgleicht.43 4. Der Anspruch auf Änderung der vereinbarten Zweckbestimmung

3.23 Ein Anspruch auf Änderung der vereinbarten Zweckbestimmung kommt nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG in Betracht, wenn die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Zweckbestimmung des Sondereigentums eine Nutzung ausschließt, die nach der baulichen Ausstattung der betroffenen Räume möglich ist (Wohnnutzung).44 Auch hier müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, die ein Festhalten an der vereinbarten Zweckbestimmung als unbillig erscheinen lassen. Dies ist unter folgenden Voraussetzungen anzunehmen:45 – Die erforderliche bauliche Ausstattung der Räume muss entweder schon bei der Aufteilung vorhanden gewesen oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung erfolgt und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen worden sein. Eine spätere eigenmäch40 41 42 43 44 45

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BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171. BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 172. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.5.1998 – 3 Wx 96/98, WE 1999, 188, 189. OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1997 – 16 Wx 311/97, DWE 1998, 190. BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, ZfIR 2019, 405 m. Anm. Elzer. BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, ZfIR 2019, 405, 407.

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Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.26 Teil 3

tige bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums ohne die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer genügt nicht. – Es müssen darüber hinaus objektive Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die bestehende Regelung die tatsächlich eröffnete Nutzung der Räume nicht wiedergibt (z.B. Missverhältnis zwischen Kostentragungspflicht und wirtschaftliche Verwertbarkeit des Sondereigentums). – Die verlangte Änderung der Zweckbestimmung muss eine Nutzung ermöglichen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Änderungsverlangens. – Die nach der bestehenden Zweckbestimmung zulässige Nutzung muss zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des betroffenen Sondereigentums führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung behoben werden kann. Liegen die genannten schwerwiegenden Gründe vor, müssen diese gegen das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an einem Festhalten an der bestehenden Zweckbestimmung abgewogen werden. Es müssen konkrete, über das formale Interesse an der Einhaltung der Gemeinschaftsordnung hinausgehende Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gegen eine Änderung sprechen.46

3.24

5. Der Anspruch auf Änderung der vereinbarten Stimmkraft Ein Anspruch auf Änderung der vereinbarten Stimmkraft kommt nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nur ausnahmsweise unter eng begrenzten Voraussetzungen in Betracht, da das Stimmrecht zum Kernbereich der Mitgliedschaft gehört. Schwerwiegende Gründe für eine Änderung der Stimmkraft sind etwa anzunehmen, wenn in einer aus 120 Mitgliedern bestehenden Gemeinschaft der teilende Bauträger einzelne geplante Wohnungen bereits seit Jahrzehnten nicht errichtet hat („Geisterwohnungen“) und ihm deshalb nach den Vereinbarungen der Teilungserklärung eine Stimmkraft von 48 % für seine isolierten Miteigentumsanteile zusteht.47 In diesem Fall hat der Bauträger in der Eigentümerversammlung eine faktische Mehrheit, weil die Anwesenheit aller Wohnungseigentümer auch mit Stimmrechtsvollmachten regelmäßig nicht zu erreichen sein wird. Es besteht ein Anspruch auf (vorübergehende) Herabsetzung des Stimmkraftanteils, solange die Sondereigentumseinheiten nicht bezugsfertig errichtet sind.48

3.25

6. Die Durchsetzung des Änderungsanspruchs Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers ist ggf. durch Klage im Zivilprozess nach der ZPO gegen die übrigen Wohnungseigentümer durchzusetzen. Es handelt sich um eine Streitigkeit über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG, so dass das AG ausschließlich zuständig ist, in dessen Bezirk sich das gemeinschaftliche Grundstück befindet.

46 BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, ZfIR 2019, 405 m. Anm. Elzer; BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 307/16, ZfIR 2018, 451 m. Anm. Dötsch = MDR 2018, 857. 47 BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447, 448 m. Anm. Brändle. 48 BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447.

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3.26

Teil 3 Rz. 3.27

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

a) Das Rechtsschutzbedürfnis

3.27 Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Änderung der Gemeinschaftsordnung besteht nur, wenn der betroffene Wohnungseigentümer zuvor vergeblich versucht hat, eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer bzw. einen Mehrheitsbeschluss im Rahmen der Beschlusskompetenz zustande zu bringen. Soweit Beschlusskompetenz besteht, ist der Kläger in der Regel gehalten, die Versammlung der Wohnungseigentümer mit der Angelegenheit zu befassen. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht dann nur, wenn die Versammlung den begehrten Änderungsbeschluss ablehnt.49

3.28 Hinweis: DerNegativbeschluss erschöpft sich regelmäßig in der Ablehnung des Beschlussantrags. Er entfaltet keine Sperrwirkung für die Zukunft.50 Da die Rechtsprechung aber im Wege der Auslegung mitunter zu einer Sperrwirkung gelangt,51 sollte man vorsorglich innerhalb eines Monats den Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses stellen und diesen mit dem Gestaltungsantrag nach § 21 Abs. 8 WEG verbinden.

b) Leistungs- und Gestaltungsklage

3.29 Bei der Formulierung des Klageantrags ist das konkrete Rechtsschutzziel zu beachten. Nach Ansicht des BGH ist danach zu unterscheiden, ob den Wohnungseigentümern kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung eine Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt ist (siehe Rz. 3.47 ff.): Fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz, besteht nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG ein Individualanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Abschluss einer abändernden Vereinbarung. Können die Wohnungseigentümer hingegen eine Änderung beschließen, muss der änderungswillige Wohnungseigentümer zunächst die Eigentümerversammlung mit der Angelegenheit befassen, ggf. einen ablehnenden Beschluss anfechten und eine den begehrten Beschluss ersetzende Entscheidung des Gerichts gem. § 21 Abs. 8 WEG beantragen.52 Entsprechend zweigleisig vorgehen muss etwa derjenige, der die Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels sowohl hinsichtlich der Betriebskosten als auch hinsichtlich der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten begehrt. Hinsichtlich der Betriebskosten haben die Wohnungseigentümer gem. § 16 Abs. 3 WEG Beschlusskompetenz (siehe Rz. 3.63). Hingegen fehlt ihnen die Beschlusskompetenz, den Verteilungsmaßstab hinsichtlich der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten über den Einzelfall hinaus zu ändern (§ 16 Abs. 4 WEG; siehe dazu Rz. 3.69).

3.30 Soweit eine abändernde Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist, muss der Kläger demnach einen Anspruch auf Abschluss einer Änderungsvereinbarung im Wege der Leistungsklage geltend machen. Der Klageantrag muss den Inhalt der begehrten Vereinbarung, etwa den begehrten Kostenverteilungsschlüssel, konkret bezeichnen. Es sind nur diejenigen auf Zustimmung zu einer Vereinbarung zu verklagen, die der Vereinbarung bisher nicht zugestimmt haben. Eine Änderungsvereinbarung wirkt gem. § 10 Abs. 3 WEG nur gegen Sondernachfolger, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen

49 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = ZWE 2010, 174, 176; BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447, 448 m. Anm. Brändle; OLG Hamm, Beschl. v. 10.9.2007 – 15 W 358/06, ZMR 2008, 156, 159. 50 Vgl. BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339, 3343; LG München I, Urt. v. 27.6.2011 – 1 S 1062/11, ZWE 2012, 47. 51 Vgl. OLG München, Beschl. v. 21.3.2000 – 32 Wx 2/06, ZWE 2006, 361. 52 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171.

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Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.36 Teil 3

ist. Deshalb sollte der Antrag auch auf Abgabe einer entsprechenden Eintragungsbewilligung gerichtet sein.53

M 1 Änderung der Gemeinschaftsordnung – Klageantrag 1

3.31

1. Die Beklagten werden verurteilt, einer Änderung der Gemeinschaftsordnung vom … dahingehend zuzustimmen, dass im Verhältnis der Wohnungseigentümer der Gemeinschaft … (Bezeichnung der Gemeinschaft) die Kosten der … (Art der Kosten) künftig nach … (Kostenverteilungsschlüssel) zu verteilen sind. 2. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, die Eintragung der nach Maßgabe des Klageantrags zu 1 geänderten Gemeinschaftsordnung vom … in das Wohnungsgrundbuch von …, Blatt Nr. … (genaue Bezeichnung des Grundbuchs) zu bewilligen. … (Es folgen entsprechende Anträge zur Abgabe der Eintragungsbewilligung durch die weiteren Beklagten).

Bei seiner Entscheidung ist das Gericht an den Leistungsantrag gebunden (§ 308 ZPO). Es kann also die Beklagten nicht verurteilen, einer anderen Kostenverteilung zuzustimmen. Ist der Klageantrag zu unbestimmt, hat das Gericht gem. § 139 Abs. 1 ZPO auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken. In der Regel wird es dem Kläger zumindest in der letzten mündlichen Verhandlung Gelegenheit geben, seinen Klageantrag anzupassen.

3.32

Besteht für die begehrte Änderung der Gemeinschaftsordnung eine Beschlusskompetenz, ist die Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten, und zwar unabhängig davon, ob sie bereits außergerichtlich einem Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung zugestimmt haben oder nicht. Erforderlich ist auch hier ein Antrag, der die begehrte Änderung konkret bezeichnet.

3.33

M 2 Änderung der Gemeinschaftsordnung – Klageantrag 2

3.34

Die in der Gemeinschaftsordnung vom … enthaltende Vereinbarung … (Bezeichnung der Vereinbarung) wird durch folgende Regelung ersetzt: Im Verhältnis der Wohnungseigentümer der Gemeinschaft … (Bezeichnung der Gemeinschaft) sind die Kosten der … (Art der Kosten) nach … (Kostenverteilungsschlüssel) zu verteilen.

Da das Gericht gem. § 21 Abs. 8 WEG nach billigem Ermessen entscheidet, ist es bei seiner Entscheidung nicht an den Klageantrag gebunden.54 Es kann daher vom Klageantrag abweichen und entscheiden, dass etwa die Betriebskosten nicht wie beantragt nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen, sondern nach Verbrauch zu verteilen sind. Das Gericht darf allerdings die Grenzen billigen Ermessens nicht überschreiten.55

3.35

Ausnahmsweise ist eine Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG auch statthaft, wenn keine 3.36 Beschlusskompetenz besteht. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht nach billigem Ermessen entscheiden, wenn die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maß53 Elzer, ZWE 2010, 251, 253; Rapp, DNotZ 2009, 335, 345. 54 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 186. 55 BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324 zur turnusmäßigen Nutzung einer Gartenfläche.

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Teil 3 Rz. 3.36

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

nahme nicht treffen. Der Begriff der Maßnahme erfasst nicht nur Beschlüsse, sondern auch Vereinbarungen, die unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG erforderlich sein können. Auch sie können durch richterlichen Gestaltungsakt ersetzt werden.56 c) Wirkungen des stattgebenden Urteils

3.37 Im Falle des Obsiegens des Klägers unterscheiden sich Leistungs- und Gestaltungsurteil in ihren Wirkungen. Das Gestaltungsurteil nach § 21 Abs. 8 WEG ersetzt den Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung. Die rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts wirkt nicht nur im Verhältnis der Parteien, sondern gemäß § 10 Abs. 4 WEG unmittelbar auch gegen ihre Sondernachfolger. Eine Eintragung in das Grundbuch ist hierzu nicht erforderlich.

3.38 Das stattgebende Leistungsurteil hat hingegen keine Gestaltungswirkung. Werden einzelne Wohnungseigentümer verurteilt, einer Änderungsvereinbarung zuzustimmen, gelten die Zustimmungserklärungen mit Eintritt der Rechtskraft als abgegeben (§ 894 S. 1 ZPO). Die fingierten Willenserklärungen der Beklagten sind lediglich Tatbestandsmerkmale einer erforderlichen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer, die selbst nicht durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt wird. Eine Gestaltungswirkung ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 3 WEG, wonach die Rechtskraft auch für und gegen beigeladene Wohnungseigentümer und ihre Rechtsnachfolger wirkt.57 Die Rechtskraftwirkung ersetzt nicht deren erforderliche eigene Willenserklärung zum Abschluss der begehrten Vereinbarung. Erst wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilt haben bzw. rechtskräftig zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verurteilt sind, bringt das Leistungsurteil eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer zustande. Im Unterschied zum Gestaltungsurteil ist die so zustande gekommene Vereinbarung gem. § 10 Abs. 3 WEG als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch einzutragen, um gegen Sondernachfolger zu wirken. d) Die einheitliche Gestaltungsklage

3.39 Die „gespaltene“ Durchsetzung eines Anspruchs auf Änderung der Gemeinschaftsordnung zwingt den Kläger dazu, seine Klageanträge als Gestaltungsantrag oder als Leistungsantrag zu formulieren, je nachdem, ob den Wohnungseigentümern Beschlusskomptenz zur begehrten Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt ist oder nicht. Dies wird den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht und ist auch rechtsdogmatisch fragwürdig. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer der Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG ungeteilt zusteht unabhängig davon, ob den Wohnungseigentümern eine Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt ist. Dementsprechend muss der einzelne Wohnungseigentümer auch die Möglichkeit haben, sein Rechtsschutzziel ohne Rücksicht auf gesetzliche oder vereinbarte Beschlusskompetenzen durch einheitliche Klage geltend zu machen.

3.40 Die Publizität des Grundbuchs wäre gewahrt, wenn man den Kläger stets auf den Leistungsantrag mit dem Erfordernis der Grundbucheintragung gem. § 10 Abs. 3 WEG verwiese (s.o. Rz. 3.25 f.). Allerdings ist die Publizität des Grundbuchs bereits durch § 10 Abs. 4 WEG entwertet, wonach vereinbarungsändernde Beschlüsse und gerichtliche Entscheidungen in einem 56 BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324; BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447, 448 m. Anm. Brändle; Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 163; Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 203. 57 Elzer, ZWE 2010, 251, 252.

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Der Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers

Rz. 3.43 Teil 3

Rechtsstreit nach § 43 WEG nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen, um gegen Sondernachfolger zu wirken. Vorzugswürdig ist daher der Weg einer einheitlichen Gestaltungsklage, den bereits das BayObLG vor der WEG-Reform 2007 zu § 43 Abs. 2 WEG a.F. gewiesen hat58: Der Gesetzgeber der WEG-Novelle 2007 hat die vormalige Regelung aus § 43 Abs. 2 WEG a.F. in § 21 Abs. 8 WEG für das ZPO-Verfahren übernommen. Eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift kann auch eine Vereinbarung sein, wie nunmehr auch der BGH festgestellt hat.59 Treffen die Wohnungseigentümer eine nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG erforderliche Vereinbarung nicht, kann der Kläger eine gerichtliche Entscheidung beantragen, die unmittelbar die Änderung der Gemeinschaftsordnung mit rechtsgestaltender Wirkung für und gegen alle Wohnungseigentümer und ihre Rechtsnachfolger ausspricht. Eine Grundbucheintragung ist hierzu nicht erforderlich. Hinweis: Da die richtige Klageart in der Praxis nicht geklärt ist, könnte man den Leistungsantrag (Rz. 3.30 f.) als Hauptantrag, den Gestaltungsklageantrag als Hilfsantrag stellen. Hierbei ist aber stets die erforderliche Identität der Parteien auf Beklagtenseite zu beachten (§ 260 ZPO). Sie fehlt, wenn einzelne Wohnungseigentümer bereits außerhalb des Rechtsstreits einer Änderungsvereinbarung zugestimmt haben, diese deshalb nicht im Wege der Leistungsklage auf Zustimmung zu verklagen sind, der Hilfsantrag unabhängig davon aber gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten ist (s.o. Rz. 3.33).

3.41

e) Die einredeweise Geltendmachung Der einzelne Wohnungseigentümer kann seinen Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen im Wege der Einrede geltend machen. Wird etwa ein Beschluss über die Jahresabrechnung angefochten, weil den Einzelabrechnungen nicht der geltende Verteilungsschlüssel zugrunde liegt, so kann ein mitverklagter Wohnungseigentümer im Beschlussanfechtungsprozess nicht mit Erfolg einwenden, er habe einen Anspruch auf eine entsprechende Änderung der Kostenverteilung. Da die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels erst mit Rechtskraft eines entsprechenden Leistungs- oder Gestaltungsurteils wirksam wird, kann sich das Begehren nicht auf den Anfechtungsprozess auswirken.60 Gegenüber einem Anspruch auf Beitragszahlung der Gemeinschaft kann der Schuldner sich bereits mangels Gegenseitigkeit der Ansprüche nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm stünde seinerseits ein Anspruch auf Änderung der Kostenverteilung zu.61

3.42

Nach Ansicht des BGH kann auch dem Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Unterlassung eines zweckwidrigen Gebrauchs der Anspruch auf Änderung der vereinbarten Gebrauchsregelung nicht im Wege der Einrede entgegengehalten werden.62 Berechtigte Anpas-

3.43

58 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1987 – 2 Z BR 114/86, BayObLGZ 1987, 66 = NJW-RR 1987, 714. 59 BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324; vgl. auch Merle in Bärmann, WEG § 21 Rz. 203. 60 Vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.1995 – V ZB 6/94, BGHZ 130, 304, 313 = NJW 1995, 2791 = ZMR 1995, 483; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.9.2006 – 20 W 242/05, ZMR 2007, 291, 293; OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.7.2006 – 20 W 179/04, ZMR 2006, 873, 874; KG, Beschl. v. 6.4.2005 – 24 W 13/03, ZWE 2005, 340 = NZM 2005, 425; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 15.3.2001 – 2 Wx 88/97, ZWE 2002, 186. 61 Zutreffend Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 162; a.A. noch OLG Celle, Beschl. v. 26.1.1998 – 4 W 228/97, NZM 1998, 577 vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft. 62 BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 307/16, MDR 2018, 923 (Rz. 17); a.A. noch 3. Aufl. sowie Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 15.3.2001 – 2 Wx 88/97, ZWE 2002, 186.

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Teil 3 Rz. 3.43

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

sungsansprüche müssen im Interesse der Rechtssicherheit in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Anspruch im Wege der Einrede geltend gemacht werden könnte, eine Änderung der Gemeinschaftsordnung aber unterbliebe. Möglich ist eine Widerklage auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung.63 7. Verjährung des Anspruchs?

3.44 Umstritten ist, ob der Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG der Verjährung unterliegt. Nach zutreffender Ansicht folgt der Anspruch unmittelbar aus dem im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentum, so dass er gem. § 902 BGB nicht verjährt.64 Es handelt sich um einen dinglichen Anspruch aus dem Eigentum und nicht um einen schuldrechtlichen Anspruch auf Änderung des Inhalts eines Rechts am Grundstück, so dass der Anspruch nicht der 10-jährigen Verjährung nach § 196 BGB unterliegt.65 8. Vergemeinschaftung des Anspruchs?

3.45 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann den Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nicht durch Beschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG an sich ziehen.66 § 10 Abs. 6 S. 3 WEG erfasst nur Rechte und Pflichten aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, nicht aber die individuellen Rechte aus dem Sondereigentum und die Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers.

3.46 Hierzu zählt auch der Änderungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG. Er ist einer Vergemeinschaftung entzogen.

II. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss 1. Grundlagen a) Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer

3.47 Die gesetzlichen oder vereinbarten Regelungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander sind grundsätzlich mehrheitsfest. Zur Änderung der Gemeinschaftsordnung ist gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 WEG eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erforderlich. Das Einstimmigkeitsprinzip schützt das Vertrauen des einzelnen Wohnungseigentümers in den Bestand der geltenden Gemeinschaftsordnung. Es hindert jedoch ihre Anpassung an die Bedürfnisse der Gemeinschaft, wenn einzelne Regelungen – etwa über die Verteilung gemeinschaftlicher Kosten – sich als unzweckmäßig oder lückenhaft erweisen. In der Praxis besteht daher vielfach das Bedürfnis, die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsentscheidung abzuändern.

3.48 Beispiel: Werden einzelne Wohnungseigentümer infolge einer genehmigten baulichen Veränderung – etwa im Falle eines Dachgeschossausbaus – vom Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen, erscheint es interessengerecht, diese Wohnungseigentümer durch Mehrheitsentscheidung von den Folgekosten der baulichen Veränderung freizustellen. 63 64 65 66

62

Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG § 10 Rz. 226. Rapp, DNotZ 2009, 335, 346 f.; kritisch Müller in BeckOK, § 10 WEG Rz. 337. So aber Schoch, ZMR 2007, 429. BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 305/16, MDR 2018, 333.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.52 Teil 3

Die Mehrheitsherrschaft der Wohnungseigentümer bedarf der Legitimation durch Zuweisung von Beschlusskompetenz.67 Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des WEG (WEG-Reform 2007)68 am 1.7.2007 konnten die Wohnungseigentümer ihre Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss nur abändern, soweit sie hierzu durch Vereinbarung (sog. Öffnungsklausel) ermächtigt waren. Seither mehr ist ihnen in bestimmten Angelegenheiten kraft Gesetzes die Möglichkeit eingeräumt, die gesetzliche oder vereinbarte Grundordnung der Gemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss abzuändern. Auf diese Weise kommt der Gesetzgeber insbesondere dem Bedürfnis der Praxis entgegen, eine als verfehlt angesehene Verteilung der Betriebs- und Verwaltungskosten abzuändern (§ 16 Abs. 3 WEG, siehe dazu Rz. 3.61 ff.). Ergänzend zur bestehenden Gemeinschaftsordnung können die Wohnungseigentümer zudem generell die Zahlungsmodalitäten für Beiträge zur gemeinschaftlichen Lasten- und Kostentragung regeln und für eine besondere Nutzung oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand zusätzliche Leistungspflichten begründen (§ 21 Abs. 7 WEG, siehe Rz. 3.81 ff.). Schließlich können sie durch Mehrheitsbeschluss eine Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 1 WEG aufheben (§ 12 Abs. 4 WEG).

3.49

Über die gesetzlich bestimmten Beschlussermächtigungen hinaus können Wohnungseigentümer die Gemeinschaftsordnung grundsätzlich nicht durch Mehrheitsentscheidung abweichend von den dispositiven gesetzlichen Vorschriften oder den bestehenden Vereinbarungen regeln. Mangels Beschlusskompetenz wäre ein gemeinschaftsordnungsändernder Mehrheitsbeschluss – ohne fristgerechte Beschlussanfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG – von Anfang an nichtig, sofern nicht eine Vereinbarung der Mehrheit die Möglichkeit zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung „eröffnet“. Als kompetenzbegründende Vereinbarung ist die sog. „Öffnungsklausel“ Gültigkeitsvoraussetzung einer Mehrheitsentscheidung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung.

3.50

Die Zulässigkeit kompetenzbegründender Öffnungsklauseln ergibt sich aus § 23 Abs. 1 3.51 WEG. Nach dieser Vorschrift unterliegen auch solche Angelegenheiten der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer, die nach einer Vereinbarung durch Beschluss geordnet werden können. Durch Vereinbarung einer Beschlussermächtigung können die Wohnungseigentümer das Einstimmigkeitsprinzip abbedingen und Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung dem Mehrheitsprinzip zugänglich machen.69 Allerdings lässt die Rechtsprechung eine Abänderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsentscheidung aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel nur zu, wenn sachliche Gründe vorliegen und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (siehe dazu Rz. 3.132 ff.).70 Die gesetzlichen oder vereinbarten Beschlusskompetenzen hindern die Wohnungseigentümer 3.52 nicht, Vereinbarungen in Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung zu treffen. Insbesondere kann ein einzelner Wohnungseigentümer auch im Falle einer Öffnungsklausel die Zustimmung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung verlangen, wenn die Änderung drin67 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, ZWE 2000, 518, 519 = NJW 2000, 3500; BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476. 68 Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze v. 26.3.2007, BGBl. I, S. 370. 69 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 140; KG, Beschl. v. 19.9.2001 – 24 W 6354/00, ZWE 2002, 38, 39; OLG Köln, Beschl. v. 29.10.2001 – 16 Wx 180/01, NZM 2002, 29. 70 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143; BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2 Z BR 121/00, NZM 2001, 671.

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Teil 3 Rz. 3.52

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

gend geboten ist und die Beibehaltung der alten Regelung gegen Treu und Glauben verstößt (s.o. Rz. 3.13 ff.).71 b) Bedeutung für die Beratungspraxis

3.53 Bereits bei der Begründung von Wohnungseigentum stellt sich die Frage, ob über die gesetzlichen Beschlusskompetenzen hinaus mit der Errichtung der Teilungserklärung eine Öffnungsklausel aufgenommen werden soll (Gestaltungsaufgabe). Sinnvoll erscheint die Aufnahme einer Öffnungsklausel, soweit bei der Errichtung der Teilungserklärung bereits ein späterer Änderungsbedarf erkennbar ist, der nicht von den gesetzlichen Beschlussermächtigungen erfasst wird (zur Gestaltung einer Öffnungsklausel siehe Rz. 3.92 ff.).

3.54 In der anwaltlichen Beratungspraxis ist oftmals zu klären, ob ein wirksamer Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung vorliegt (Beschlusskontrolle). Im Einzelnen stellen sich folgende Fragen:

3.55 Checkliste: Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses zur Änderung der Gemeinschaftsordnung l Ist der Inhalt des Beschlusses darauf gerichtet, das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer abweichend von den gesetzlichen Vorschriften oder den Vereinbarungen zu regeln? Nach den Grundsätzen einer objektiven, am Wortlaut des Beschlussprotokolls orientierten Auslegung ist zu ermitteln, ob der Beschluss seinem Inhalt nach – im Rahmen der gesetzlichen Beschlusskompetenz in Angelegenheiten des Gebrauchs und der Verwaltung gem. §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3, 26 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 5, 29 Abs. 1 S. 1 WEG – lediglich im Einzelfall gegen die gesetzliche oder vereinbarte Grundordnung verstößt (gesetzes- oder vereinbarungswidriger Beschluss, Beispiel: Fehlerhafte Kostenverteilung in der Jahresabrechnung) oder ob er die Gemeinschaftsordnung dauerhaft für weitere Einzelfälle abändert (gesetzes- oder vereinbarungsändernder Beschluss, Beispiel: Änderung des Kostenverteilungsschlüssels).72 Gesetzes- oder vereinbarungsändernde Beschlüsse sind von Anfang an nichtig, es sei denn, den Wohnungseigentümern ist kraft Gesetzes oder durch Vereinbarung eine Beschlusskompetenz eingeräumt. Gesetzes- und vereinbarungswidrige Beschlüsse sind lediglich anfechtbar, d.h., sie erwachsen in Bestandskraft, wenn sie nicht innerhalb eines Monats im Wege der Beschlussanfechtungsklage angefochten werden. Problematisch sind Beschlüsse in Angelegenheiten des Gebrauchs (§ 15 Abs. 2 WEG), wenn eine Gebrauchsregelung – etwa eine Hausordnung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG – formal in der Gemeinschaftsordnung geregelt ist und diese Regelungen durch Beschluss geändert werden sollen. Regelmäßig handelt es sich um unechte Bestandteile der Gemeinschaftsordnung, die im Rahmen der gesetzlichen Beschlusskompetenz durch Stimmenmehrheit geändert werden können. l Betrifft die Änderung der Gemeinschaftsordnung eine Angelegenheit, in der den Wohnungseigentümern kraft Gesetzes Beschlusskompetenz eingeräumt ist? Gesetzliche Beschlusskompetenzen bestehen für folgende Änderungen: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung (§ 12 Abs. 4 WEG), Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten (§ 16 Abs. 3 WEG, siehe Rz. 3.61 ff.), Zahlungsmodalitäten und Zahlungspflichten bei 71 BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2 Z BR 121/00, NZM 2001, 671 zur Änderung der Zweckbestimmung. 72 Zur Terminologie s. Wenzel, ZWE 2000, 2 f.; Wenzel, ZWE 2001, 226 f.; Wenzel in FS Hagen (1999), S. 231 f.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.56 Teil 3

besonderer Nutzung und besonderem Verwaltungsaufwand (§ 21 Abs. 7 WEG, siehe Rz. 3.81 ff.). l Wenn die Änderung nicht in den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Beschlussermächtigung fällt: Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Öffnungsklausel? Zu klären ist die wirksame Vereinbarung einer Öffnungsklausel. Zur Wirksamkeit gegen Sondernachfolger muss sie gemäß § 10 Abs. 2 WEG als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen sein; siehe dazu Rz. 3.108 f. Fehlt die Beschlussermächtigung, ist der Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig. l Ist der Inhalt des Beschlusses von der Beschlussermächtigung gedeckt? Bei einer vereinbarten Öffnungsklausel ist zu beachten, ob es sich um eine sachlich auf bestimmte Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung beschränkte Klausel handelt; siehe dazu Rz. 3.92 ff. Überschreitet der Beschluss die Grenzen der Beschlussermächtigung, ist er mangels Beschlusskompetenz nichtig. l Sind die Mehrheitserfordernisse der Beschlussermächtigung gewahrt? Sind die Mehrheitserfordernisse nicht gewahrt und stellt der Versammlungsleiter dennoch ein positives Beschlussergebnis fest, so kommt ein anfechtbarer Beschluss zustande;73 siehe dazu Rz. 3.122. l Sind die inhaltlichen Schranken einer Mehrheitsentscheidung gewahrt? Verstößt die beschlossene Änderung gegen das Willkürverbot oder benachteiligt sie einzelne Wohnungseigentümer unbillig, ist der Beschluss anfechtbar;74 siehe dazu Rz. 3.132 ff. Er ist unwirksam, wenn im Interesse des Individualrechtsschutzes Zustimmungsvorbehalte zugunsten einzelner Wohnungseigentümer bestehen und diese der Änderung nicht zugestimmt haben; siehe Rz. 3.126 ff. Der Beschluss ist nichtig, wenn er gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt; siehe Rz. 3.124. l Bedarf der Beschluss zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung etwaiger Grundpfandgläubiger und sonstiger dinglich Berechtigter? Nur wenn durch Mehrheitsbeschluss auf Grund einer vereinbarten Öffnungsklausel ein Sondernutzungsrecht begründet, aufgehoben, geändert oder übertragen wird, ist die Zustimmung der Grundpfandgläubiger erforderlich. Ihre Zustimmung ist nicht zur Begründung von Sondernutzungsrechten erforderlich, wenn gleichzeitig das zu ihren Gunsten belastete Wohnungseigentum mit einem Sondernutzungsrecht verbunden wird (§ 5 Abs. 4 WEG); zur Zustimmung sonstiger Berechtigter, etwa der Nießbraucher; siehe Rz. 3.139. 2. Gesetzliche Beschlusskompetenzen a) Überblick Die durch die WEG-Novelle 2007 neu geschaffenen Beschlusskompetenzen zur Regelung von 3.56 Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung unterscheiden sich in ihrem Regelungsgehalt. Einzelne Kompetenznormen ermächtigen die Wohnungseigentümer zu einer echten Änderung der Gemeinschaftsordnung. So können sie etwa durch Mehrheitsbeschluss die Verteilung der Betriebs- und Verwaltungskosten auf Dauer abweichend vom Gesetz oder den Vereinbarungen regeln (§ 16 Abs. 3 WEG; siehe Rz. 3.61 ff.). Die Änderung des Kostenvertei-

73 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, ZWE 2001, 530. 74 BGH, Beschl. v. 27.3.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143 = NJW 1985, 2832, 2833.

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Teil 3 Rz. 3.56

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

lungsschlüssels hat zur Folge, dass der beschlossene Verteilungsmaßstab künftigen Jahresabrechnungen zugrunde zu legen ist.

3.57 Von der Beschlussermächtigung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung sind Beschlusskompetenzen zu unterscheiden, die lediglich eine Durchbrechung der Gemeinschaftsordnung im Einzelfall ermöglichen. So können die Wohnungseigentümer etwa gem. § 16 Abs. 4 WEG die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung oder die Kosten einer baulichen Veränderung nur im Einzelfall abweichend vom gesetzlichen oder vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel verteilen. Nur die Abrechnung der Kosten einer einzelnen Maßnahme richtet sich nach dem beschlossenen Verteilungsmaßstab. Weitere Maßnahmen sind nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel abzurechnen, es sei denn, die Wohnungseigentümer fassen erneut einen Beschluss zur abweichenden Verteilung der Kosten (siehe Rz. 3.69).

3.58 Die Kompetenznorm des § 21 Abs. 7 WEG ermächtigt die Wohnungseigentümer zu einer Ergänzung der Gemeinschaftsordnung. Soweit sie die Art und Weise von Beitragszahlungen zur Lasten- und Kostentragung, deren Fälligkeit und die Folgen des Verzugs noch nicht durch Vereinbarung geregelt haben, können sie entsprechende Regelungen mit Stimmenmehrheit beschließen. Darüber hinaus können sie durch Mehrheitsbeschluss zusätzliche Leistungspflichten für eine besondere Nutzung oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand begründen (siehe Rz. 3.83).

3.59 Die gesetzlichen Beschlusskompetenzen zur Änderung der Gemeinschaftsordnung können durch Vereinbarung gem. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG erweitert werden. Hingegen können die Befugnisse aus § 12 Abs. 4 WEG (Aufhebung einer vereinbarten Veräußerungsbeschränkung) und § 16 Abs. 3 und 4 WEG (Regelung der Kostenverteilung) durch Vereinbarung nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Das Verbot soll die Entscheidungsbefugnisse der Mehrheit insbesondere gegen abweichende Vereinbarungen absichern, die auf einer einseitigen Rechtsgestaltung des teilenden Eigentümers nach §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG und nicht auf einer privatautonomen Entscheidung der Erwerber beruhen.75 Vereinbarungen, die Beschlusskompetenzen verbotswidrig einschränken oder ausschließen, sind gem. § 134 BGB nichtig.

3.60 Übersicht: Gesetzliche Beschlusskompetenzen Kompetenznorm

Angelegenheit

§ 12 Abs. 4 WEG

Aufhebung einer vereinbarten Veräußerungsbeschränkung gem. § 12 Abs. 1 WEG

75 BT-Drucks. 16/887, S. 21, 25.

66

Becker

Regelungsgehalt, Abdingbarkeit – Änderung der Gemeinschaftsordnung (Dauerregelung) keine Beschränkung durch Vereinbarung (§ 12 Abs. 4 S. 2 WEG)

Verweis Rz. 18.1 ff.

Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Regelungsgehalt, Abdingbarkeit

Rz. 3.62 Teil 3

Verweis

Kompetenznorm

Angelegenheit

§ 16 Abs. 3 WEG

Verteilung der Kosten des Betriebs und der Verwaltung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG

– Änderung der Gemeinschaftsordnung (Dauerregelung) keine Beschränkung durch Vereinbarung (§ 16 Abs. 5 WEG)

Rz. 3.61

§ 16 Abs. 4 WEG

Verteilung der Kosten von Instandhaltungsund Instandsetzungsmaßnahmen sowie baulichen Veränderungen abweichend von § 16 Abs. 2 WEG

– Durchbrechung der Gemeinschaftsordnung (Einzelfall) keine Beschränkung durch Vereinbarung (§ 16 Abs. 5 WEG)

Rz. 3.69

§ 21 Abs. 7 WEG

Art und Weise der Beitragszahlung, Fälligkeit, Folgen des Verzugs, Kosten besonderer Nutzung, Kosten eines besonderen Verwaltungsaufwands

– Änderung oder Er- Rz. 3.81 gänzung der Gemeinschaftsordnung durch Vereinbarung abdingbar (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG)

b) Die Änderung der Kostenverteilung (§ 16 Abs. 3 bis 5 WEG) aa) Allgemeines Die gesetzliche Beschlusskompetenz zur dauerhaften Änderung des Kostenverteilungsschlüssels beschränkt sich gem. § 16 Abs. 3 WEG auf die Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten. Die Wohnungseigentümer können mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen, dass diese Kosten abweichend von der gesetzlichen Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen (§ 16 Abs. 2 WEG) nach Verbrauch, Verursachung oder nach einem anderen Maßstab verteilt werden. Demgegenüber können sie die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung sowie die Kosten darüberhinausgehender baulicher Veränderungen i.S.v. § 22 Abs. 1 und 2 WEG gem. § 16 Abs. 4 WEG nur im Einzelfall abweichend von § 16 Abs. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss verteilen. Wegen der „besonderen Wichtigkeit“ und der „erheblichen vermögensrechtlichen Bedeutung“ derartiger Maßnahmen sollen die Wohnungseigentümer kraft Gesetzes nur die Möglichkeit haben, den gesetzlichen Verteilungsmaßstab im Einzelfall zu durchbrechen.76 Der Beschluss über eine Durchbrechung des gesetzlichen Verteilungsschlüssels bedarf einer doppelt qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer i.S.v. § 25 Abs. 2 WEG und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Damit wird ein Gleichlauf mit § 22 Abs. 2 S. 1 WEG hergestellt, wonach die Wohnungseigentümer über Modernisierungsmaßnahmen mit derselben qualifizierten Mehrheit beschließen können.77

3.61

Die gesetzlichen Regelungen in § 16 Abs. 3 und 4 WEG ermächtigen die Wohnungseigentümer ausdrücklich zwar nur zu einer „von Absatz 2“ abweichenden Kostenverteilung. Gleich-

3.62

76 BT-Drucks. 16/887, S. 25. 77 Zur Kritik der gesetzlichen Regelung siehe Merle, ZWE 2007, 217.

Becker

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Teil 3 Rz. 3.62

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

wohl können sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Beschlusskompetenz auch eine Kostenverteilung beschließen, die von den bestehenden Vereinbarungen abweicht. Diese Befugnis ergibt sich im Umkehrschluss aus § 16 Abs. 5 WEG, wonach die gesetzlichen Beschlusskompetenzen nicht durch Vereinbarung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können.78 Ist vereinbart, dass die Kosten des Gebrauchs und der Verwaltung nach Wohn- oder Nutzfläche umzulegen sind, können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss hiervon abweichen und gem. § 16 Abs. 3 WEG beschließen, dass etwa die Kaltwasserkosten nach Verbrauch erfasst und auf die Eigentümer umgelegt werden. Ist hingegen vereinbart, dass einzelne Wohnungseigentümer von der Kostentragungspflicht befreit sind, so begründet § 16 Abs. 3 WEG nicht die Befugnis, sie durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen.79 Die Vorschrift ermächtigt die Wohnungseigentümer lediglich, den „Maßstab“ der Kostenverteilung durch Beschluss abzuändern. Demgegenüber ermächtigt § 16 Abs. 4 WEG dazu, „die Kostenverteilung“ abweichend zu regeln. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift können die Wohnungseigentümer im Einzelfall mit qualifizierter Mehrheit auch einzelne Wohnungseigentümer von den Kosten baulicher Maßnahmen befreien oder belasten (siehe Rz. 3.75). bb) Betriebskosten

3.63 Die Beschlusskompetenz zur dauerhaften Änderung des Kostenverteilungsschlüssels erfasst gem. § 16 Abs. 3 WEG zunächst die Verteilung von Betriebskosten im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB. Das Gesetz legt somit den im Mietrecht geltenden Begriff der Betriebskosten zugrunde, die im Katalog des § 2 BetrKV näher bestimmt sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der Verweis auf das Mietrecht die Rechtsanwendung erleichtern.80 Auf Grund der unterschiedlichen Funktion des Begriffs im Wohnungseigentumsrecht und im Mietrecht ist der Verweis jedoch nicht unproblematisch. Anhand des Katalogs des § 2 BetrKV soll im Mietrecht geklärt werden, „ob“ der Vermieter Kosten auf seine Mieter umlegen kann. Im Wohnungseigentumsrecht geht es hingegen allein um die Frage, „wie“ die umzulegenden Kosten des Betriebs von Gemeinschafts- und Sondereigentum im Verhältnis der Wohnungseigentümer zu verteilen sind. Die unterschiedliche Funktion ist bei der Auslegung des Begriffs „Betriebskosten“ im Wohnungseigentumsrecht zu berücksichtigen.

3.64 Die Beschlusskompetenz erstreckt sich zunächst auf die Erfassung und Verteilung der Betriebskosten des Gemeinschaftseigentums. Nach dem Katalog des § 2 BetrKV gehören hierzu insbesondere folgende Kosten: – Kosten der Wasserversorgung des Gemeinschaftseigentums, etwa die Kosten der Gartenbewässerung (Nr. 2), – Kosten des Betriebs einer Aufzugsanlage (Nr. 7), – Kosten der Abfallbeseitigung, soweit sie nicht dem Gebrauch des Sondereigentums zugeordnet werden können (Nr. 8), – Kosten der Straßenreinigung (Nr. 8), 78 BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, NJW 2010, 2654; BGH, Urt. v. 16.7.2010 – V ZR 221/09, ZWE 2010, 403; LG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 318 S 138/09, ZWE 2011, 284, 285; LG Berlin, Urt. v. 3.12.2013 – 55 S 127/12 WEG, ZWE 2014, 459; Elzer, ZMR 2007, 430, 431; Hinz, ZMR 2005, 271, 275; Schmid, ZMR 2007, 844; a.A. Rapp, DNotZ 2009, 335, 351. 79 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 225/11 Rz. 13, ZWE 2012, 363 m. Anm. Becker; BGH, Urt. v. 13.5.2016 – V ZR 152/15, ZWE 2016, 374, 376. 80 BT-Drucks. 16/887, S. 22; kritisch Becker, ZWE 2005, 136, 137.

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Becker

Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.65 Teil 3

– Kosten der Gebäudereinigung (Nr. 9), – Allgemeinstromkosten (Nr. 11), – Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung (Nr. 13), – Hauswartskosten (Nr. 4). Darüber hinaus können die Wohnungseigentümer im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 3 WEG auch über die Erfassung und Verteilung der Betriebskosten des Sondereigentums beschließen, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden. Es handelt sich um Betriebskosten, die beim Gebrauch des Sondereigentums anfallen, die aber auf Grund einer Verbindlichkeit der Gemeinschaft zunächst das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft belasten und deshalb auf die Eigentümer umgelegt werden müssen. Hierzu gehören insbesondere die folgenden Kosten: – Kosten der Kaltwasserversorgung einschließlich der Entwässerungskosten (§ 2 Nr. 2, 3 BetrKV), wenn die Kosten auf Grund eines gemeinschaftlichen Liefervertrages mit dem Wasserversorger bei der Gemeinschaft anfallen: Sie sind im Verhältnis der Wohnungseigentümer zu verteilen, da sie zunächst aus den gemeinschaftlichen Geldern verauslagt werden. Sind keine Verbrauchserfassungsgeräte im Bereich des Sondereigentums vorhanden und ist in der Gemeinschaftsordnung kein besonderer Verteilungsschlüssel vereinbart, so sind die Kosten der Kaltwasserversorgung entsprechend § 16 Abs. 2 WEG im Zweifel nach Miteigentumsanteilen zu verteilen. Anknüpfend an die Rechtsprechung des BGH81 stellt § 16 Abs. 3 WEG klar, dass die Wohnungseigentümer in diesem Fall beschließen können, die Betriebskosten des Sondereigentums nach Verbrauch zu erfassen und zu verteilen.82 – Kosten der Heiz- und Warmwasserversorgung (§ 2 Nr. 4 ff. BetrKV): Über die Kosten des Betriebs einer zentralen Heiz- und Warmwasserversorgungsanlage können die Wohnungseigentümer nur nach Maßgabe der HeizkostenV beschließen. Die Vorschriften der HeizkostenV über die verbrauchsabhängige Kostenverteilung sind unabhängig von abweichenden Vereinbarungen und Beschlüssen der Wohnungseigentümer anzuwenden (§ 3 S. 1 HeizkostenV).83 Gem. § 16 Abs. 3 können die Wohnungseigentümer erstmals eine verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung einführen, die den Grundsätzen der §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 HeizkostenV – mindestens zu 50 %, höchstens zu 70 % nach Verbrauch – Rechnung trägt.84 – Kosten der Abfallbeseitigung im Bereich des Sondereigentums (§ 2 Nr. 8 BetrKV): Die Wohnungseigentümer können etwa beschließen, durch Zuordnung von abschließbaren Abfallbehältern den Abfall nach Sondereigentumseinheiten getrennt zu erfassen und die Kosten der Beseitigung nach Verursachung abzurechnen.85 – Kosten des Kabelanschlusses im Bereich des Sondereigentums (§ 2 Nr. 15b BetrKV), soweit auf Grund eines gemeinschaftlichen Nutzungsvertrages der Kabelnetzbetreiber das Entgelt von der Gemeinschaft erhebt: Fehlt eine Vereinbarung über die Kostenverteilung, so sind die Kosten entsprechend § 16 Abs. 2 WEG grundsätzlich auch dann nach Mit81 BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 21703, BGHZ 156, 192 = NJW 2003, 3476 = ZWE 2004, 66 m. Anm. Ott. 82 Vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 22. 83 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, ZWE 2012, 216. 84 Zu den Einzelheiten siehe Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 56 ff. m.w.N. 85 OLG Oldenburg, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 194/04, ZMR 2005, 814; Greiner, ZMR 2004, 319.

Becker

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3.65

Teil 3 Rz. 3.65

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

eigentumsanteilen im Verhältnis der am Kabelnetz angeschlossenen Wohnungseigentümer zu verteilen, wenn sich das Entgelt nach dem Nutzungsvertrag nach der Anzahl der angeschlossenen Wohneinheiten berechnet.86 Die Wohnungseigentümer können gem. § 16 Abs. 3 WEG jedoch beschließen, dass die Kabelanschlusskosten stattdessen nach der Anzahl der am Kabelnetz angeschlossenen Sondereigentumseinheiten zu gleichen Teilen zu verteilen sind. – Kosten der Anschaffung und Wartung von Rauchwarnmeldern in den Wohnungen, wenn die Wohnungseigentümer ihre Installation beschlossen haben und die Kosten über die Gemeinschaft abgerechnet werden.87

3.66 Die Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG erstreckt sich nicht auf Betriebskosten, die der einzelne Sondereigentümer unmittelbar gegenüber Dritten abrechnet. So können die Wohnungseigentümer nicht über die Verteilung der Kosten der Energieversorgung (Strom, Gas) beschließen, soweit jeder Sondereigentümer individuelle Verträge mit Versorgungsunternehmen, etwa zum Betrieb einer Gasetagenheizung abschließt. Auch Erschließungsbeiträge gem. § 134 S. 4 Hs. 2 BauGB sind Kosten, die der Einzelne als Teilschuldner unmittelbar im Verhältnis zum Hoheitsträger zu tragen hat. Entsprechendes gilt für Kommunalabgaben, soweit nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder die einzelnen Wohnungseigentümer als Teilschuldner anzusehen sind.88 Schließlich fällt auch die Grundsteuer, die im Mietrecht zu den umlagefähigen Betriebskosten gehört (§ 2 Nr. 1 BetrKV), nicht in den Anwendungsbereich der Beschlusskompetenz. Da die Grundsteuer auf dem einzelnen Wohnungseigentum lastet, ist der Sondereigentümer unmittelbar Steuerschuldner. Hier zeigt sich, dass der Betriebskostenbegriff des Mietrechts nicht unbesehen auf das Wohnungseigentumsrecht anzuwenden ist.89 cc) Kosten der Verwaltung

3.67 Gem. § 16 Abs. 3 WEG haben die Wohnungseigentümer auch die Kompetenz, die Kosten der Verwaltung abweichend vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel zu regeln. Sie können etwa über die Verteilung der Kosten beschließen, die die Gemeinschaft zur Vergütung des Verwalters aufzuwenden hat. Als Vertragspartner des Verwalters schuldet die rechtsfähige Gemeinschaft die Verwaltervergütung. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind die Kosten der Verwaltervergütung gem. § 16 Abs. 2 WEG nach Miteigentumsanteilen im Verhältnis der Wohnungseigentümer zu verteilen. Dieser Verteilungsmaßstab gilt im Verhältnis der Wohnungseigentümer grundsätzlich auch dann, wenn der Verwaltervertrag die Vergütung nach der Anzahl der Wohneinheiten bemisst.90 Gem. § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer jedoch beschließen, dass die Verteilung der Verwalterkosten im Verhältnis der Wohnungseigentümer gleichfalls nach der Anzahl der Wohneinheiten erfolgen soll. 86 BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – V ZB 83/07, NJW 2007, 3492 = NZM 2007, 886 = ZMR 2007, 975; OLG München, Beschl. v. 11.7.2007 – 34 Wx 21/07, ZMR 2007, 811 m. Anm. Elzer = MietRB 2007, 265 (Becker); a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 4.5.2004 – 15 W 142/03, ZMR 2004, 774; Hogenschurz, ZMR 2003, 901, 902. 87 LG Dortmund, Urt. v. 5.8.2016 – 1 S 80/16, ZWE 2017, 138. 88 Art. 5 Abs. 7 S. 1 BayKAG; § 21 Abs. 2 BWKAG; Becker, ZfIR 2012, 403, 404; Kirchhoff, ZWE 2000, 562 ff. 89 Zur Kritik siehe Köhler, ZMR 2005, 19, 20; Becker, ZWE 2005, 19, 20. 90 BayObLG, Beschl. v. 23.12.2003 – 2 Z BR 189/03, ZMR 2004, 358; OLG Köln, Beschl. v. 24.5.2002 – 16 Wx 84/02, NZM 2002, 615; OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.4.2004 – 20 W 183/02, OLGReport 2005, 7.

70

Becker

Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.71 Teil 3

Die Beschlusskompetenz zur Verteilung der Verwaltungskosten beschränkt sich nicht auf die „Verwalterkosten“. Auch die sonstigen Kosten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums sind von ihr erfasst, etwa die Kosten der Verwaltung gemeinschaftlicher Gelder (Kontoführungsentgelte), Aufwendungen für den Verwaltungsbeirat, oder die Kosten anwaltlicher Beratung in Verwaltungsangelegenheiten.91

3.68

dd) Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung Hinsichtlich der Beschlusskompetenz sind die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums von den Betriebs- und Verwaltungskosten abzugrenzen. Für diese Kosten ist den Wohnungseigentümern keine Kompetenz eingeräumt, die Kostenverteilung generell für die Zukunft durch einfachen Mehrheitsbeschluss zu regeln.92 Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten können gem. § 16 Abs. 4 WEG nur im Einzelfall durch Beschluss abweichend von § 16 Abs. 2 WEG verteilen, wobei der Beschluss darüber hinaus einer doppelt qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile bedarf.

3.69

Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung sind Aufwendungen für Maßnahmen, die den ursprünglichen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums erhalten, einen ordnungsmäßigen Zustand erstmals herstellen oder wiederherstellen. Auch Kosten der erstmaligen plangerechten und mangelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums fallen unter § 16 Abs. 4 WEG.93

3.70

In der Praxis bereitet die Abgrenzung der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten 3.71 von den Betriebskosten Schwierigkeiten. Bereits der Katalog des § 2 BetrKV führt umlagefähige Betriebskosten auf, die streng genommen zu den Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung gehören, etwa die Kosten der Reinigung und Wartung von Heizungsanlagen (Nr. 2), die Kosten der Wartung von Warmwasseraufbereitungsanlagen (Nr. 5c), Kosten der Pflege und Reinigung einer Aufzugsanlage (Nr. 7) oder die Kosten der Erneuerung von Pflanzen im Rahmen der Gartenpflege (Nr. 10). Da § 16 Abs. 3 WEG ausdrücklich auf den Betriebskostenbegriff der §§ 556 Abs. 1 BGB, 1, 2 BetrKV abstellt, ist davon auszugehen, dass zumindest die im Katalog des § 2 BetrKV genannten laufenden Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten als „Betriebskosten“ der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG unterfallen.94 Richtigerweise werden aber auch die nicht in § 2 BetrKV genannten Kosten einer „laufenden“ Instandhaltung und Instandsetzung von § 16 Abs. 3 WEG erfasst.95 Es leuchtet nicht ein, weshalb etwa die Kosten der Beleuchtung mehrerer Treppenhäuser einer Wohnanlage auf Grund eines einfachen Mehrheitsbeschlusses nach Treppenaufgängen getrennt erfasst und verteilt werden könnten (§ 2 Nr. 11 BetrKV), die Kosten für den Austausch einzelner defekter Leuchtmittel als Kosten der Instandsetzung aber nur „im Einzelfall“ auf Grund eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses in gleicher Weise objektbezogen verteilt werden können. Derartige Wertungswidersprüche lassen sich mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 WEG vermeiden.96 91 92 93 94

Fritsch, MietRB 2007, 244, 245; Häublein, ZMR 2007, 409, 416. Kritisch dazu Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 127a. BGH, Urt. v. 9.12.2ß16 – V ZR 84/16, ZWE 2017, 177, 179. LG München I, Urt. v. 18.3.2010 – 36 S 4706/09, ZWE 2010, 232; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 25.3.2009 – 14 S 7627/08, ZMR 2009, 640. 95 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 25.3.2009 – 14 S 7627/08, ZMR 2009, 640; J.-H. Schmidt, ZMR 2007, 913, 924 f.; a.A. Klimesch, ZMR 2009, 342. 96 Siehe dazu Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 84.

Becker

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Teil 3 Rz. 3.72

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

3.72 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die auf den Einzelfall beschränkte Beschlusskompetenz und das qualifizierte Mehrheitserfordernis die Wohnungseigentümer vor den weitreichenden Folgen einer generellen Entscheidung über die Verteilung der Kosten künftiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen schützen. Der Gesetzgeber geht von kostenintensiven baulichen Maßnahmen aus, deren finanzielle Tragweite die Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht überblicken können.97 Mit der Beschränkung auf den Einzelfall soll das Gesetz dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wohnungseigentümer in der Praxis die Maßnahme und die Verteilung der Kosten als einheitlichen Lebenssachverhalt ansehen und zusammen darüber entscheiden.98

3.73 Der Normzweck des § 16 Abs. 4 WEG erfasst von vornherein nicht die Kosten laufender Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die der Verwalter ohne eine besondere Beschlussfassung der Wohnungseigentümer gem. § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG vornehmen kann. Im Unterschied zu kostenintensiven Maßnahmen besteht hier kein Anlass, im Einzelfall über die Vornahme einer Maßnahme und über die Verteilung ihrer Kosten zu beschließen. Insoweit unterscheiden sich die Kosten einer laufenden Instandhaltung und Instandsetzung nicht von den Betriebs- und Verwaltungskosten, die ohne Rücksicht auf eine Einzelfallentscheidung bei der Gemeinschaft anfallen. Auf Grund der vergleichbaren Interessenlage ist anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer die Verteilung der Kosten laufender Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, etwa die Kosten von Kleinreparaturen und die Kosten der Ersatzbeschaffung von Kleinteilen, entsprechend § 16 Abs. 3 WEG generell mit einfacher Mehrheit beschließen können.

3.74 Hinweis: Die abweichende Verteilung von „Betriebskosten“ nach § 16 Abs. 3 WEG setzt eine hinreichend bestimmte Beschlussfassung voraus. Der Begriff der „Wartungskosten“ ist zu unbestimmt.99 Die Wohnungseigentümer sollten daher bei der Beschlussfassung angeben, welche Kosten einer laufenden Instandhaltung und Instandsetzung konkret gemeint sind. Problematisch sind sog. Vollwartungsverträge, die über die laufenden Pflegemaßnahmen auch größere Instandsetzungsmaßnahmen zum Gegenstand haben. Hier empfiehlt sich, die Verteilung der durch diesen Vertrag verursachten Kosten zugleich mit dem Abschluss des Vertrages mit der nach § 16 Abs. 4 WEG erforderlichen qualifizierten Mehrheit zu beschließen. Der Abschluss des Vertrages betrifft einen Einzelfall im Sinne dieser Vorschrift, so dass für die Dauer des Vertragsverhältnisses die Kosten nach dem beschlossenen Verteilungsschlüssel zu verteilen sind.

3.75 Probleme bereitet die auf den Einzelfall beschränkte Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG, wenn Wohnungseigentümer für die Kosten einer Instandsetzung abgrenzbarer Gebäudeteile (Fenster, Balkone) im Bereich ihres Sondereigentums abweichend von § 16 Abs. 2 WEG eine individuelle Kostentragungslast regeln wollen („Jeder Wohnungseigentümer trägt die Kosten der Instandsetzung der Fenster im Bereich seines Sondereigentums selbst.“). Sind etwa nur einzelne Fenster instandsetzungsbedürftig, so können die Wohnungseigentümer den Einzelfall nicht zum Anlass nehmen, mit qualifizierter Mehrheit nach § 16 Abs. 4 WEG auch für künftige Fälle eine individuelle Kostentragungslast zu beschließen. Mangels Beschlusskompetenz wäre ein solcher Beschluss nichtig.100 Wenn die Wohnungseigentümer im Einzelfall die Kosten einer Fenstersanierung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss individuell den betroffenen Wohnungseigentümern auferlegen, so können die betroffenen Wohnungseigentümer allenfalls verlangen, dass sie von den Kosten einer künftigen Instandsetzung von Fenstern im 97 98 99 100

BT-Drucks. 16/887, S. 25. BT-Drucks. 16/887, S. 23. LG München I, Urt. v. 18.3.2010 – 36 S 4706/09, ZWE 2010, 232. Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 118.

72

Becker

Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.77 Teil 3

Bereich anderer Wohnungen freigestellt werden.101 Nach Ansicht des BGH ist ein Beschluss über die Einzel- oder Gruppenanlastung von Instandsetzungskosten wegen Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung sogar anfechtbar, wenn die für den Einzelfall beschlossene Änderung der Kostenverteilung einen Anspruch der betroffenen Wohnungseigentümer auf Gleichbehandlung auslöst und so die Geltung des allgemeinen Verteilungsschlüssels unterläuft (Maßstabskontinuität).102 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass der Beschluss zur Durchbrechung des geltenden Verteilungsschlüssels im Einzelfall keinesfalls die Verteilung der Kosten in künftigen Fällen determiniert. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, vergleichbare Einzelfälle nicht ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Es müssen also die konkreten Umstände von mindestens zwei Einzelfällen bekannt sein, um beurteilen zu können, ob diese vergleichbar sind. Liegen vergleichbare Einzelfälle vor und weicht die Verteilung von Instandsetzungskosten im Zweitfall ohne sachlichen Grund von der im Erstfall beschlossenen Kostenverteilung ab, so ist allenfalls der zweite Beschluss anfechtbar.103 Legt man die für die Praxis maßgebliche Ansicht des BGH zugrunde, muss der Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung dem Grundsatz der Maßstabskontinuität in künftigen Fällen Rechnung tragen. Wenn bereits ein künftiger Instandsetzungsbedarf gleicher Art an anderen Gebäudeteilen erkennbar ist, bietet sich an, den Beschluss einer individuellen Kostentragungslast im Einzelfall unter der auflösenden Bedingung einer hiervon abweichenden Kostenverteilung in anderen gleichartigen Fällen zu fassen.

M 3 Beschluss zur Kostentragungslast

3.76

Die Kosten der Instandsetzung der Fenster im Vorderhaus gemäß Kostenangebot des Unternehmers X vom [Datum einfügen!] tragen allein die Eigentümer der Wohnungen im Vorderhaus. Die Kostenregelung erfolgt unter der auflösenden Bedingung, dass die Eigentümer des Vorderhauses von den Kosten der voraussichtlich in zwei Jahren anstehenden Instandsetzung der Fenster im Hinterhaus freigestellt werden.

Zu beachten ist, dass die abweichende Verteilung von Instandsetzungskosten im Einzelfall gem. § 16 Abs. 4 S. 1 WEG dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung tragen muss; andernfalls ist der Beschluss anfechtbar. Eine Kostenbelastung einzelner Wohnungseigentümer kommt daher nur in Betracht, wenn die belasteten Wohnungseigentümer von Gebäudeteilen im Gemeinschaftseigentum einen eigennützigen Gebrauch machen oder machen können, der den von den Kosten freigestellten Wohnungseigentümern nicht oder so nicht möglich ist. Erforderlich ist eine gesteigerte Gebrauchsmöglichkeit mit konkretem Objektbezug. Dieser ist bei der Instandsetzung von Fenstern im räumlichen Bereich des Sondereigentums einzelner Wohnungseigentümer gegeben. Er fehlt jedoch bei der Instandsetzung des Daches, so dass die hierfür anfallenden Kosten nicht allein den Wohnungseigentümern im

101 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2007 – 15 W 166/06, ZMR 2007, 296, 297; a.A. wohl AG Oldenburg, Urt. v. 19.2.2008 – 10 C 10016/07, NZM 2008, 495, 496. 102 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, ZWE 2010, 362, 364: Gruppenanlastung von Dachsanierungskosten eines Gebäudes einer Mehrhausanlage. 103 Zur Kritik im Einzelnen siehe Becker, ZWE 2011, 35, 36; ZWE 2017, 386 (388 f.); Bonifacio, ZMR 2011, 771, 772; zum Gleichbehandlungsgrundsatz siehe auch Schmid, ZWE 2011, 70 ff.

Becker

73

3.77

Teil 3 Rz. 3.77

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

Dachgeschoss auferlegt werden können.104 Entsprechendes dürfte auch für die Wohnungseigentümer eines Gebäudes in einer Mehrhausanlage gelten.105 ee) Kosten baulicher Veränderungen

3.78 Auch die Kosten baulicher Veränderungen, insbesondere solche mit Modernisierungscharakter, können nach § 16 Abs. 4 WEG nur im Einzelfall mit doppelt qualifizierter Mehrheit verteilt werden. Probleme bereitet auch hier die Beschränkung auf den Einzelfall, wenn es um Folgekosten geht. Können die Kosten für den Betrieb einer neu eingebauten Aufzugsanlage durch Beschluss den Wohnungseigentümern auferlegt, die die Anlage tatsächlich in Gebrauch nehmen können? Ein Teil der Rechtsprechung lehnt eine entsprechende Beschlusskompetenz ab, da Folgekosten über den Einzelfall hinausgehen.106 Teilweise wird eine Beschlusskompetenz bejaht, soweit die bauliche Veränderung ausschließlich im Interesse einzelner Wohnungseigentümer erfolge.107 ff) Abweichende Vereinbarungen

3.79 Die Beschlusskompetenzen gem. § 16 Abs. 3 und 4 WEG sind gem. § 16 Abs. 5 WEG unabdingbar. Sie können nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Das gesetzliche Verbot soll die Entscheidungsbefugnisse der Wohnungseigentümer insbesondere gegen beschränkende Vereinbarungen sichern, die der teilende Eigentümer bei der Begründung von Wohnungseigentum gem. §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG einseitig bestimmt.108 Vereinbarungen, die gegen das gesetzliche Verbot verstoßen, sind gem. § 134 BGB nichtig. Durch Vereinbarung kann die Beschlussfassung über die Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten nach § 16 Abs. 3 WEG etwa nicht von einer qualifizierten Mehrheit abhängig gemacht werden.

3.80 Nach Ansicht des BGH verstößt eine vom gesetzlichen Kopfprinzip (§ 25 Abs. 2 WEG) abweichende Vereinbarung der Stimmkraft nach dem Objekt- oder Wertprinzip nicht gegen § 16 Abs. 5 WEG, soweit es um Beschlüsse nach § 16 Abs. 3 WEG geht.109 Die Vorschrift ordne lediglich die Geltung des Mehrheitsprinzips an; sie erstrecke sich nicht auf die Kriterien, nach denen die Mehrheit zu bestimmen sei (Kopf-, Wert- oder Objektprinzip). Die Stimmkraft sei in § 25 Abs. 2 WEG dispositiv geregelt. Trotz der hiergegen vorgetragenen Kritik110 muss sich die Praxis an dieser Rechtsprechung orientieren. Bei Beschlüssen über eine abweichende Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten ist daher die jeweils vereinbarte Stimmkraft zugrunde zu legen. Anders dürften die Dinge bei Beschlüssen über die abweichende Verteilung der Kosten baulicher Maßnahmen nach § 16 Abs. 4 WEG liegen. Dort hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine doppelt qualifizierte Mehrheit nach dem Kopfund Wertprinzip angeordnet, die nach § 16 Abs. 5 als vereinbarungsfest anzusehen ist. Da-

104 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, ZWE 2010, 362 (364). 105 So LG München I, Urt. v. 30.7.2009 – 36 S 18003/08, ZWE 2010, 221, 222 = ZMR 2010, 150 (151); offenlassend BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, ZWE 2010, 362, 364. 106 LG München I, Urt. v. 23.6.2014 – 1 S 13821/13, ZWE 2015, 139, 140; LG Hamburg, Urt. v. 4.3.2016 – 318 S 109/15, ZWE 2016, 458. 107 LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. 108 BT-Drucks. 16/887, S. 21, 25. 109 BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 198/14, ZWE 2015, 410, 411; a.A. noch Häublein, ZMR 2007, 409, 411; Becker, ZWE 2012, 393, 396 f., 3. Auflage. 110 Becker, ZWE 2015, 400, 401.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.83 Teil 3

von abweichende Vereinbarungen der Stimmkraft gelten daher nicht für Beschlüsse nach § 16 Abs. 4 WEG.111 c) Beschlusskompetenzen gem. § 21 Abs. 7 WEG Gem. § 21 Abs. 7 können die Wohnungseigentümer die Regelung über die Art und Weise von 3.81 Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Die Beschlusskompetenz ermächtigt die Wohnungseigentümer auch, Zahlungsmodalitäten, Verzugsfolgen und besondere Leistungspflichten abweichend von anderslautenden Vereinbarungen zu regeln. Im Unterschied zu § 21 Abs. 5 WEG verweist § 21 Abs. 7 WEG nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 21 Abs. 3 WEG, wonach die Beschlussfassung in Verwaltungsangelegenheiten unter dem Vorbehalt einer Vereinbarung steht.112 Nach zutreffender Ansicht kann die Beschlusskompetenz aus § 21 Abs. 7 WEG jedoch durch Vereinbarung abgeändert oder ausgeschlossen werden.113 Ein den §§ 12 Abs. 4 S. 2, 16 Abs. 5, 22 Abs. 2 S. 2 WEG entsprechendes Verbot hat der Gesetzgeber hier nicht angeordnet. Auf Grund ihrer Beschlusskompetenz aus § 21 Abs. 7 WEG können die Wohnungseigentü- 3.82 mer die Art und Weise der Zahlungen, der Fälligkeit und die Folgen des Verzuges durch Mehrheitsbeschluss regeln. Die Vorschrift gilt zunächst für Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft im Rahmen der gemeinschaftlichen Lastenund Kostentragung. Die Wohnungseigentümer können etwa beschließen, dass Beitragsforderungen aus Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung im Wege des Lastschriftverfahrens zu erfüllen sind.114 Ferner können sie generell die Fälligkeit von Beitragsvorschüssen durch Beschluss abweichend von § 28 Abs. 2 WEG regeln, indem sie bestimmte Fälligkeitstermine – etwa den jeweils Ersten eines Monats – festlegen. Ebenso können sie die Folgen des Verzuges regeln, etwa indem sie abweichend von § 288 Abs. 1 BGB pauschalierte Verzugszinsen beschließen. Als Verzugsfolge können sie auch eine sog. Vorfälligkeitsregelung beschließen, wonach die gesamten, für das Wirtschaftsjahr geschuldeten Beitragsvorschüsse zur Lasten- und Kostentragung jeweils fällig werden, wenn ein Wohnungseigentümer mit seinen monatlichen Vorschussleistungen in Verzug gerät.115 Nach der Gesetzesbegründung können die Wohnungseigentümer auch eine Vertragsstrafe für den Fall beschließen, dass ein Wohnungseigentümer gegen eine vereinbarte Vermietungsbeschränkung verstößt.116 Gem. § 21 Abs. 7 WEG können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss die Kosten einer besonderen Nutzung des Gemeinschaftseigentums regeln. Das Vorliegen einer besonderen Nutzung ist nach zutreffender Ansicht abstrakt (objektiv) zu bestimmen. „Besondere Nutzungen“ sind solche, die mit einer gesteigerten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen und zumindest bei typisierender Betrachtung den Anfall be111 LG Köln, Urt. v. 4.10.2012 – 29 S 91/12, ZWE 2013, 267. 112 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 142; Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 21 WEG Rz. 112. 113 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 145; Merle, ZWE 2007, 321, 322; a.A. B. Müller, ZMR 2008, 177, 179. 114 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 146; B. Müller, ZMR 2008, 177, 178. 115 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 148; anders noch BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, ZMR 2003, 943 947 zur Verfallklausel nach altem Recht. 116 BT-Drucks. 16/887, S. 27; Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 21 WEG Rz. 126; kritisch Abramenko, Das neue WEG, § 2 Rz. 9; a.A. Köhler, Das neue WEG, Rz. 305.

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3.83

Teil 3 Rz. 3.83

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

sonderer Kosten – etwa zusätzliche Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten – wahrscheinlich machen.117 Voraussetzung ist, dass der Gemeinschaft durch die besondere Nutzung einzelner Kosten entstehen. So können die Wohnungseigentümer etwa die Erhebung einer Umzugskostenpauschale beschließen, die der stärkeren Nutzung der Aufzüge, Hausflure und Treppenhäuser bei einem Ein- oder Auszug Rechnung trägt.118 Die Festsetzung einer Umzugskostenpauschale entspricht jedoch nur dann den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn die Regelung nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führt. Das zulässige Maß ist überschritten, wenn eine Pauschale von 50 Euro pro Bewohnerwechsel auch für ständig wechselnde Feriengäste und Saisonarbeiter anfallen soll; ein solcher Beschluss ist anfechtbar.119 Ein Entgelt als Gegenleistung für eine normale Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen (z.B. Sauna, Schwimmbad, Waschmaschine) kann von vornherein nicht nach § 21 Abs. 7 WEG beschlossen werden.120 Eine entgeltliche Nutzung kann jedoch im Rahmen einer Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG beschlossen werden, soweit eine Vereinbarung nicht entgegensteht.121

3.84 Schließlich können die Wohnungseigentümer gem. § 21 Abs. 7 WEG die Kosten eines besonderen Verwaltungsaufwands mit Stimmenmehrheit beschließen. Ein „besonderer Verwaltungsaufwand“ ist ein Aufwand, der über den normalen Aufwand bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht und zusätzliche Kosten verursacht. Der Gemeinschaft entstehen besondere Kosten, wenn sie im Verwaltervertrag eine Sondervergütung vereinbart, etwa für die Erteilung einer Veräußerungszustimmung, die Vornahme einer Abrechnung vor Amtsantritt, die Durchführung außerordentlicher Versammlungen oder für den Mehraufwand bei Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren. Da es sich um Kosten der Verwaltung handelt, die im Verhältnis der Wohnungseigentümer zu verteilen sind, ergibt sich bereits eine Beschlusskompetenz zur Regelung der Kostentragung aus § 16 Abs. 3 WEG. Soweit das Verwaltungsvermögen mit Kosten für einen besonderen Verwaltungsaufwand belastet ist, überschneidet sich der Anwendungsbereich beider Vorschriften.122

3.85 Eine eigenständige, über die Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG hinausgehende Bedeutung hat die Beschlussermächtigung gem. § 21 Abs. 7 WEG, soweit besondere Kostenlasten durch Beschluss originär begründet werden sollen. Fehlt eine entsprechende Regelung im Verwaltervertrag, so können die Wohnungseigentümer etwa durch Beschluss die Erhebung einer Mehraufwandspauschale bei Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren beschließen. Auf diese Weise können die Wohnungseigentümer unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Verwaltervertrages zu Gunsten des Verwalters regeln, dass eine Mehraufwandspauschale unmittelbar

117 BGH, Urt. v. 1.10.2010 – V ZR 220/09, ZWE 2011, 31; LG Berlin, Urt. v. 12.6.2009 – 85 S 45/08, ZWE 2010, 227; Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 155; anders wohl Häublein, ZMR 2007, 409, 418 f., nach dem die „besondere Nutzung“ vom konkreten Nutzverhalten der übrigen Eigentümer derselben Gemeinschaft abhängen soll; s. auch B. Müller, ZMR 2008, 177, 179 f. 118 BGH, Urt. v. 1.10.2010 – V ZR 220/09, ZWE 2011, 31; LG Berlin, Urt. v. 12.6.2009 – 85 S 45/08, ZWE 2010, 227. 119 BGH, Urt. v. 1.10.2010 – V ZR 220/09, ZWE 2011, 31. 120 Abramenko, Das neue WEG, § 2 Rz. 13; Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 159; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 8 Rz. 65. 121 Merle, ZWE 2006, 128 ff. 122 Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 89; Häublein, ZMR 2007, 409, 418; Merle, ZWE 2007, 321, 325.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.89 Teil 3

an den Verwalter zu zahlen ist.123 Auch die Kosten des Erwerbs eines Grundstücks durch die Gemeinschaft können als besonderer Verwaltungsaufwand nur nach § 21 Abs. 7 WEG geregelt werden.124 3. Vereinbarte Beschlusskompetenzen (Öffnungsklausel) a) Bedeutung und Zulässigkeit Mangels einer allgemeinen gesetzlichen Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung besteht auch nach der WEG-Novelle 2007 mitunter das Bedürfnis, die Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer durch Vereinbarung einer Öffnungsklausel zu erweitern. Wollen die Wohnungseigentümer die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäudeteilen – etwa Fenster oder Balkone – generell objektsbezogen dem jeweiligen Nutzer auferlegen, so lässt sich ein Mehrheitsbeschluss nicht auf die gesetzliche Beschlussermächtigung gem. § 16 Abs. 4 WEG stützen. Da die Beschlusskompetenz nach dieser Vorschrift auf den Einzelfall beschränkt ist (s.o. Rz. 3.69), bedarf es einer vereinbarten Öffnungsklausel, die eine Regelung über den Einzelfall hinaus ermöglicht. Eine derartige Vereinbarung kann die Beschlussfassung erleichtern, indem sie abweichend von § 16 Abs. 4 S. 2 WEG eine einfache Stimmenmehrheit genügen lässt.

3.86

Die Zulässigkeit vereinbarter Öffnungsklauseln ergibt sich aus § 23 Abs. 1 WEG. Nach dieser Vorschrift können die Wohnungseigentümer in Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss entscheiden, wenn ihnen hierzu durch Vereinbarung eine entsprechende Beschlusskompetenz eingeräumt ist. Die gesetzliche Regelung in § 10 Abs. 4 S. 2 WEG stellt nach Inkrafttreten der WEG-Novelle ausdrücklich klar, dass die Wohnungseigentümer auf Grund einer Vereinbarung Beschlüsse fassen können, die vom Gesetz abweichen oder eine Vereinbarung ändern.

3.87

b) Bestimmtheitsgrundsatz und unbegrenzte Öffnungsklauseln Die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Öffnungsklausel muss eine subsumtionsfähige 3.88 Ermächtigungsgrundlage für eine Mehrheitsentscheidung enthalten, die mit hinreichender Bestimmtheit erkennen lässt, in welchem Umfang die Gemeinschaftsordnung abgeändert werden kann.125 Der Bestimmtheitsgrundsatz soll den Wohnungseigentümern und ihren Sondernachfolgern die Reichweite der Mehrheitskompetenz vor Augen führen. Anhand der im Grundbuch eingetragenen Beschlussermächtigung sollen sie erkennen können, in welchem Umfang die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss geändert werden kann.126 Umstritten ist, ob auch sachlich unbegrenzte Öffnungsklauseln („Die Gemeinschaftsord- 3.89 nung kann durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer geändert werden“) dem Bestimmtheitserfordernis genügen. Während die Rechtsprechung derartige Klauseln billigt,127 finden sich im Schrifttum Stimmen, die eine „Aushöhlung“ des Wohnungseigentums be123 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 166; Merle, ZWE 2007, 321 (326); Köhler, Das neue WEG, Rz. 310; a.A. Häublein, ZMR 2007, 409, 419: Beschränkung der Beschlusskompetenz auf Verwaltungsaufwand der Gemeinschaft. 124 BGH, Urt. v. 18.3.2016 – V ZR 75/15, ZWE 2016, 268; a.A. Schultzky, ZWE 2018, 198, 200. 125 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.1985 – 3 Wx 352/85, MDR 1986, 852. 126 Vgl. Buck, Mehrheitsentscheidungen, S. 60 ff. 127 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 140.

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Teil 3 Rz. 3.89

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

fürchten und deshalb eine sachlich auf einzelne Beschlussgegenstände begrenzte Öffnungsklausel für erforderlich halten.128

3.90 Dem Gesetz lässt sich eine Beschränkung auf einzelne Beschlussgegenstände nicht entnehmen. Nach § 23 Abs. 1 WEG steht den Wohnungseigentümern weit gehende Gestaltungsfreiheit zu; sämtliche Angelegenheiten, die nach einer Vereinbarung durch Beschluss geordnet werden können, unterliegen der Beschlussfassung. Zudem hätte das Erfordernis einer sachlichen Beschränkung zur Folge, dass sich die Gestaltungspraxis umfangreicher Kataloge bedient, um die abänderbaren Regelungen der Gemeinschaftsordnung abschließend zu bezeichnen. Umfangreiche Kataloge sind jedoch oft unübersichtlich und auslegungsbedürftig, sodass sie weder der Rechtssicherheit dienen noch der Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes gerecht werden.129 An das Maß inhaltlicher Bestimmtheit einer Öffnungsklausel sind deshalb keine höheren Anforderungen zu stellen als an die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen im Verbandsrecht, die einer qualifizierten Mehrheit die Beschlusskompetenz zur Satzungsänderung einräumen (vgl. § 33 BGB, § 53 Abs. 2 GmbHG, § 179 Abs. 2 AktG). Es ist damit grundsätzlich eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob man bei der Gestaltung einer Öffnungsklausel sämtliche abdingbaren Regelungen der Gemeinschaftsordnung einem Änderungsvorbehalt unterwirft, oder ob man die Beschlussermächtigung auf einzelne Regelungen beschränkt.

3.91 Eine allgemeine Beschlussermächtigung legitimiert jedoch nicht die Beschränkung von unentziehbaren Rechten der Wohnungseigentümer. Aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel braucht kein Wohnungseigentümer damit zu rechnen, dass sein Sondernutzungsrecht durch Mehrheitsbeschluss ganz oder teilweise entzogen wird. Entsprechendes gilt, wenn aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel Sondernutzungsrechte zugunsten einzelner Wohnungseigentümer begründet werden sollen, die andere vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließen.130 Sondernutzungsrechte können durch Mehrheitsbeschluss nur begründet oder entzogen werden, wenn die Gemeinschaftsordnung bereits die antizipierte Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer enthält.131 c) Gestaltungsmöglichkeiten aa) Sachlich unbegrenzte Öffnungsklauseln

3.92 Eine sachlich unbegrenzte Öffnungsklausel ermöglicht eine flexible Anpassung der Gemeinschaftsordnung an veränderte Umstände. Sie hat gegenüber einer sachlich auf bestimmte Regelungen beschränkten Öffnungsklausel den Vorteil, dass die Wohnungseigentümer auf zukünftige Umstände reagieren können, die im Zeitpunkt der Abfassung der Teilungserklärung nicht bedacht wurden. Auch soweit dispositive gesetzliche Vorschriften über das Gemeinschaftsverhältnis den Bedürfnissen der Gemeinschaft nicht gerecht werden, ermöglicht eine unbegrenzte Beschlussermächtigung eine Anpassung durch Mehrheitsbeschluss. Die Öffnungsklausel sollte deshalb klarstellen, ob die Ermächtigung nur zur Änderung der verein-

128 Rapp, DNotZ 2000, 864, 868; Wudy, MittRhNotK 2000, 387. 129 Müller, ZWE 2001, 191, 192; Hügel, ZWE 2001, 578, 579. 130 OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1997 – 16 Wx 250/97, WE 1998, 193, 194; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, ZWE 2012, 258. 131 Buck, PiG 48, S. 141, 147 f.; Kreuzer in FS Merle, 2000, S. 203, 209; Ott, Sondernutzungsrecht, S. 98 f., 168 f.; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.12.1985 – 8 W 344/84, NJW-RR 1986, 815.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.95 Teil 3

barten Gemeinschaftsordnung oder darüber hinaus auch zur Abänderung der abdingbaren gesetzlichen Vorschriften berechtigt.

M 4 Unbegrenzte Öffnungsklausel

3.93

Die Wohnungseigentümer können ihr Verhältnis untereinander abweichend von den Bestimmungen dieser Gemeinschaftsordnung und von den gesetzlichen Vorschriften durch Beschluss regeln, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

Bestimmt die Klausel lediglich, dass „diese Gemeinschaftsordnung“ durch Beschluss geändert werden kann,132 ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Beschlussermächtigung auch eine Abänderung gesetzlicher Vorschriften erfasst. Sofern die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich auf die gesetzlichen Vorschriften verweist („Für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gelten die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes, soweit nicht nachstehend etwas anderes vereinbart ist.“), ist regelmäßig anzunehmen, dass auch von dispositiven gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelungen beschlossen werden können.

3.94

Auch eine sachlich unbegrenzte Beschlussermächtigung ermöglicht keine grenzenlose Ab- 3.95 änderung durch Mehrheitsbeschluss. Eine Abänderung der Gemeinschaftsordnung war nach der Rechtsprechung bisher nur möglich, wenn sachliche Gründe für eine Änderung vorliegen und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (siehe dazu Rz. 3.132 ff.).133 Bei der Gestaltung einer Öffnungsklausel stellt sich mithin die Frage, ob man materielle Schranken einer Mehrheitsentscheidung ausdrücklich bezeichnen sollte.134 Die Bezeichnung der von der Rechtsprechung geforderten Kriterien weist die Wohnungseigentümer zwar darauf hin, dass die Mehrheitsherrschaft nicht schrankenlos gewährleistet ist. Zweifelhaft sind jedoch die Rechtsfolgen, wenn eine aufgrund der Öffnungsklausel beschlossene Änderung sachlich nicht gerechtfertigt ist oder einzelne Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt. Nach der Rechtsprechung ist der Beschluss lediglich auf fristgerechte Anfechtung gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG für ungültig zu erklären.135 Sind die materiellen Schranken einer Mehrheitsentscheidung jedoch in der Öffnungsklausel bezeichnet, so entsteht für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck, dass die Kriterien – sachlicher Grund, keine unbillige Benachteiligung – als Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Änderungsbeschlusses sind. Ein Änderungsbeschluss, der diese Kriterien nicht erfüllt, wäre demnach nicht von der Beschlussermächtigung gedeckt und mangels Beschlusskompetenz nichtig. Da eine derartige Beschränkung der Beschlusskompetenz regelmäßig nicht gewollt ist, sollte auf eine ausdrückliche Bezeichnung solcher Schranken verzichtet werden, deren Verletzung im konkre-

132 So der Vorschlag von Hügel, ZWE 2001, 578, 579. 133 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 3 W 83/98, ZWE 2000, 47; BayObLG, Beschl. v. 21.10.1999 – 2 Z BR 126/99, ZWE 2000, 78 (Ls). 134 So die Vorschläge von Casser, NZM 2001, 514, 517; Deckert, NZM 2001, 613; Hügel, ZWE 2001, 578, 584; Müller, ZWE 2001, 191, 192; vgl. AG Berlin-Lichtenberg, Urt. v. 14.5.2012 – 12 C 33/11, ZWE 2012, 321. 135 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII 21/84/84, BGHZ 95, 137, 143; a.A. Hügel, ZWE 2002, 503 (507), der Mehrheitsbeschlüsse aufgrund einer Öffnungsklausel als Vereinbarungen behandelt; siehe dazu Rz. 3.118.

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Teil 3 Rz. 3.95

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

ten Einzelfall lediglich die Anfechtbarkeit eines Beschlusses zur Folge hat.136 Die Beschlussermächtigung hat lediglich die Aufgabe, zukünftige Mehrheitsentscheidungen in Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung formell zu legitimieren, ohne die Wirkungen einer konkreten Mehrheitsentscheidung gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern inhaltlich-materiell zu rechtfertigen.137 Schließlich ist die Aufnahme inhaltlicher Schranken fragwürdig, da die Rechtsprechung die Anforderungen an eine Inhaltskontrolle nach Einführung gesetzlicher Beschlusskompetenzen durch die WEG-Novelle 2007 gelockert hat (siehe dazu Rz. 3.132 ff.).

3.96 Einzelne Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung können ausdrücklich von der Beschlussermächtigung ausgenommen und einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer vorbehalten werden. Auch ist ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten einzelner Wohnungseigentümer denkbar. Auf diese Weise wird klargestellt, dass etwa das Mitgebrauchsrecht nach § 13 Abs. 2 S. 1 WEG sowie Sondernutzungsnutzungsrechte einzelner Wohnungseigentümer mehrheitsfest sind.

3.97 Formulierungsvorschlag: Sondernutzungsrechte können ohne Zustimmung des Berechtigten durch Beschluss nicht beeinträchtigt werden. Die Begründung von Sondernutzungsrechten bedarf einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer.

bb) Sachlich begrenzte Öffnungsklauseln

3.98 Sachlich auf bestimmte Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung begrenzte Öffnungsklauseln empfehlen sich, wenn bereits bei der Errichtung der Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung ein späterer Änderungsbedarf erkennbar ist. Ermächtigt etwa die Teilungserklärung den teilenden Alleineigentümer dazu, nachträglich bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum zugunsten einzelner Wohnungseigentümer vorzunehmen oder Sondernutzungsrechte zugunsten einzelner Wohnungseigentümer zu begründen, so ist schon bei der Errichtung der Teilungserklärung absehbar, dass derartige Veränderungen eine Verteilung der Kosten nach den im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteilen (§ 16 Abs. 2 WEG) als unbillig erscheinen lassen können. Aufgrund einer begrenzten Beschlussermächtigung kann der Kostenverteilungsschlüssel im Hinblick auf den erhöhten Instandhaltungsund Instandsetzungsbedarf den veränderten Umständen angepasst werden.

3.99 Formulierungsvorschlag: Die Wohnungseigentümer können im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eine andere Verteilung der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten beschließen.

3.100 Sofern in der Gemeinschaftsordnung eine Hausordnung oder eine sonstige Angelegenheit „vereinbart“ ist, über die die Wohnungseigentümer kraft Gesetzes mit Stimmenmehrheit beschließen können, empfiehlt sich eine Klarstellung, dass die Regelung als „unechter“ Bestandteil der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss geändert werden kann.138

136 Kritisch auch Häublein, NZM 2001, 734, 736. 137 BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 477; Becker, ZWE 2002, 341, 342 f. 138 Vgl. dazu BayObLG, Beschl. v. 5.12.1991 – 2Z BR 154/91, BayObLGZ 1991, 421, 422; Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 61.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.107 Teil 3

3.101

Formulierungsvorschlag: Die Bestimmungen dieser Hausordnung können durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer geändert werden.

Die Reichweite einer sachlich begrenzten Öffnungsklausel ist jeweils im Wege der objektiven Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich sind Wortlaut und Sinn der Vereinbarung, der für einen unbefangenen Betrachter aus der Grundbucheintragung erkennbar ist. Bei Öffnungsklauseln, die vor Inkrafttreten der WEG-Novelle 2007 vereinbart worden sind, orientiert sich die Auslegung insbesondere an der Systematik der vereinbarten Regelung und nicht an den begrifflichen Differenzierungen des neuen Rechts. Deshalb lässt sich eine Öffnungsklausel, die sich auf eine im vorangegangenen Absatz geregelte Kostenverteilung für „Betriebskosten“ bezieht, ungeachtet der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 3 und 4 WEG weiterhin dahin auslegen, dass sie sich auch auf die Instandsetzungskosten erstreckt.139

3.102

cc) Mehrheitserfordernisse Das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip schützt das Vertrauen der Wohnungseigentümer und ihrer Sondernachfolger in den Bestand der im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen zur Gemeinschaftsordnung. Auch soweit eine Öffnungsklausel das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt, sollte dem Bestandsinteresse durch ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis Rechnung getragen werden. Insbesondere bei einer sachlich unbegrenzten Beschlussermächtigung empfiehlt es sich, die Änderung der Gemeinschaftsordnung von einer qualifizierten Stimmenmehrheit – etwa einer 3/4-Mehrheit – abhängig zu machen.140 Sofern die Ermächtigungsgrundlage nichts anderes bestimmt, genügt die qualifizierte Mehrheit der in der Versammlung anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümer. Damit der Bestand der Gemeinschaftsordnung nicht von einer zufälligen und wechselnden Versammlungsmehrheit abhängt, ist es ratsam, eine qualifizierte Mehrheit aller Wohnungseigentümer zu verlangen. Auch kann eine doppeltqualifizierte Mehrheit aller Wohnungseigentümer vorgesehen werden, die zugleich der Mehrheit aller Miteigentumsanteile entspricht.

3.103

Formulierungsvorschlag:

3.104

Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 3/4 der Stimmen aller Wohnungseigentümer.

Nach Inkrafttreten der WEG-Novelle 2007 ist zu beachten, dass bestimmte gesetzlich eingeräumte Beschlusskompetenzen zur Änderung der Gemeinschaftsordnung nicht durch Vereinbarung einer Öffnungsklausel eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können (§ 12 Abs. 4 S. 2 WEG: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung; § 16 Abs. 5 WEG: Regelung zur Kostentragung; s.o. Rz. 3.79). Bei Vereinbarung qualifizierter Mehrheitserfordernisse empfiehlt sich daher ein klarstellender Hinweis in der Öffnungsklausel.

3.105

Formulierungsvorschlag:

3.106

Die gesetzlichen Beschlusskompetenzen werden durch diese Regelung nicht eingeschränkt.

dd) Vereinbarung der Eintragungsbedürftigkeit? Vereinbarungen wirken gemäß § 10 Abs. 3 WEG gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen 139 OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.2003 – 15 W 151/03, ZMR 2005, 146 = MietRB 2004, 16. 140 So auch Müller, ZWE 2001, 191, 192; Röll, DNotZ 2000, 898, 902; Schneider, ZMR 2004, 286.

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3.107

Teil 3 Rz. 3.107

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

sind. Es fragt sich, ob dem Schutz der Sondernachfolger dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Öffnungsklausel selbst die Eintragung des Änderungsbeschlusses im Grundbuch vorsieht.141 Geht man mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht davon aus, dass auch die „Abänderung oder Aufhebung“ einer Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss aufgrund einer Öffnungsklausel gemäß § 10 Abs. 3 WEG ohnehin der Eintragung in das Grundbuch bedarf,142 hätte die Bestimmung eines Eintragungserfordernisses nur klarstellende Funktion. Dieser Auffassung kann nach Inkrafttreten der WEG-Novelle 2007 nicht mehr gefolgt werden, denn nunmehr bestimmt § 10 Abs. 4 S. 2 WEG ausdrücklich, dass auf Grund einer Vereinbarung gefasste Beschlüsse nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen, um gegen Sondernachfolger zu wirken. Vereinbarungsändernde Beschlüsse sind weder eintragungsbedürftig noch eintragungsfähig (siehe dazu Rz. 3.143).143 Da die Wohnungseigentümer nicht vereinbaren können, was in das Grundbuch einzutragen ist, kann auch eine Öffnungsklausel nicht konstitutiv bestimmen, dass Mehrheitsbeschlüsse der Eintragung bedürfen. d) Die nachträgliche Vereinbarung einer Öffnungsklausel

3.108 Regelmäßig wird eine Öffnungsklausel bereits bei der Begründung von Wohnungseigentum in die Gemeinschaftsordnung aufgenommen und in das Grundbuch eingetragen (§§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG). Fehlt eine Beschlussermächtigung in der Gemeinschaftsordnung, können die Wohnungseigentümer eine Öffnungsklausel nachträglich vereinbaren. Da eine Vereinbarung die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfordert, kommt die nachträgliche Vereinbarung einer Öffnungsklausel praktisch nur in kleinen Gemeinschaften in Betracht. Die vereinbarte Öffnungsklausel bedarf der Eintragung im Grundbuch, um auch gegenüber etwaigen Sondernachfolgern eine Legitimationsgrundlage zu schaffen (§ 10 Abs. 3 WEG).144 Praktische Schwierigkeiten ergeben sich, wenn zur Grundbucheintragung die Zustimmung dinglich Berechtigter in öffentlich beglaubigter Form (§ 29 GBO) nachzuweisen ist. aa) Folgen fehlender Grundbucheintragung

3.109 Unterbleibt die Grundbucheintragung, wirkt die vereinbarte Öffnungsklausel lediglich im Verhältnis der an der Vereinbarung Beteiligten (sog. „schuldrechtliche“ Öffnungsklausel). Die an der Vereinbarung beteiligten Wohnungseigentümer könnten zwar ihr Verhältnis untereinander gemäß § 23 Abs. 1 WEG durch Beschluss ordnen. Ein derartiger Beschluss ändert jedoch die Gemeinschaftsordnung nicht gemäß § 10 Abs. 4 WEG mit Wirkung gegen Sondernachfolger.145 Eine nicht gemäß § 10 Abs. 3 WEG im Grundbuch eingetragene Öffnungsklausel wirkt jedoch gegenüber Sondernachfolgern nicht als Legitimationsgrundlage einer Mehr-

141 So Beck’sches Notarhandbuch/Rapp, A III Rz. 121. 142 Buck, Mehrheitsentscheidungen, S. 98 ff.; Grebe, DNotZ 1987, 5, 18; Hügel, DNotZ 2001, 176, 189; Hügel, ZWE 2001, 578, 583; Müller in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 505, 512; Ott, ZWE 2001, 466, 468 f. 143 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 21; zur Rechtslage vor der WEG-Novelle BGH, Beschl. v. 16.9.1994 – V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 104; BayObLG, Beschl. v. 30.10.1984 – 2 Z BR 90/83, BayObLGZ 1984, 257, 267; BayObLG, Beschl. v. 4.11.1993 – 2 Z BR 89/93, WuM 1993, 750, 751; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.2.1980 – 20 W 453/79, OLGZ 1980, 160, 161; Belz, Handbuch, Rz. 82; Belz, WE 1997, 254, 256; Demharter, DNotZ 1991, 28, 31. 144 Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 145. 145 So aber Deckert, NZM 2002, 414, 418; Rau, ZMR 2001, 241, 247.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.111 Teil 3

heitsentscheidung.146 Die Grundbucheintragung soll dafür sorgen, dass Sondernachfolger bereits aus dem Grundbuch erkennen können, in welchem Umfang sich die Wohnungseigentümer dem Mehrheitsprinzip unterworfen haben.147 Sofern Sondernachfolger der schuldrechtlichen Vereinbarung nicht beitreten, fehlt ihnen gegenüber die Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung.148 Mehrheitsbeschlüsse aufgrund einer schuldrechtlichen Öffnungsklausel sind daher Sondernachfolgern gegenüber mangels Beschlusskompetenz unwirksam. Da eine relativ unwirksame Änderung der Gemeinschaftsordnung – etwa des Kostenverteilungsschlüssels – praktisch undurchführbar wäre, ist anzunehmen, dass die Änderung im Falle eines Eigentümerwechsels mangels Legitimationsgrundlage im Verhältnis aller Wohnungseigentümer unwirksam ist.149 Hinweis: Es empfiehlt sich, Mehrheitsbeschlüsse aufgrund einer nachträglich vereinbarten Öffnungsklausel erst zu fassen, nachdem die Klausel als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen ist. Andernfalls wäre der Beschluss im Falle eines Eigentümerwechsels mangels Beschlusskompetenz nichtig.

3.110

bb) Zustimmung dinglich Berechtigter Ungeklärt ist die Frage, ob die gemäß § 10 Abs. 3 WEG „als Inhalt des Sondereigentums“ im Grundbuch einzutragende Vereinbarung einer Öffnungsklausel entsprechend §§ 876, 877 BGB der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter – etwa der Nießbraucher, Wohnungsoder Dienstbarkeitsberechtigte bzw. der Vormerkungsberechtigten – bedarf, die nicht unter § 5 Abs. 4 S. 2 WEG fallen. Nach verbreiteter Ansicht ändern die im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen unmittelbar den „Inhalt des Sondereigentums“.150 Ist Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet, so bedarf die Inhaltsänderung entsprechend §§ 876, 877 BGB grundsätzlich seiner Zustimmung; sie ist nur entbehrlich, wenn die Änderung die dingliche Rechtsstellung des Dritten unberührt lässt.151 146 Kümmel, ZWE 2002, 68, 69; Schneider, ZfIR 2002, 108, 113; Wenzel in FS Deckert, S. 517m528 f.; Becker, ZWE 2002, 341, 343. 147 Schneider, ZfIR 2002, 108, 111. 148 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, NZM 2000, 1184, 1185; Grebe, DNotZ 1987, 5, 14 Ott, ZWE 2001, 466, 469. 149 Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 145; Wenzel in FS Deckert, 517, 528 f.; zur absoluten Unwirksamkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen s. BGH, Urt. v. 17.5.2002 – V ZR 149/01, ZWE 2002, 398, 399; BayObLG, Beschl. v. 10.1.2002 – 2 Z BR 180/01, NZM 2003, 321, 322; KG, Beschl. v. 6.6.1990 – 24 W 1227/90, NJW-RR 1991, 213; OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, OLGReport 2001, 320 = NZM 2001, 1135 = ZMR 2002, 73 = DNotZ 2002, 223, 227 m. Anm. Häublein; Demharter, DNotZ 1991, 28, 34; Kümmel, ZWE 2000, 387, 390; Volmer, ZfIR 2000, 931, 940; Wenzel, ZWE 2001, 226, 227; a.A. wohl Häublein, ZMR 2000, 421, 432; Rapp, DNotZ 2000, 185, 194; Rapp, ZWE 2000, 392, 394. 150 BGH, Beschl. v. 15.6.1962 – V ZB 2/62, BGHZ 37, 203, 206; BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 148; BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 345; BayObLG, Beschl. v. 8.5.1974 – 2 Z BR 17/74, BayObLGZ 1974, 217, 220; BayObLG, Beschl. v. 5.9.1991 – 2 Z BR 95/91, BayObLGZ 1991, 313, 318; BayObLG, Beschl. v. 24.10.1974 – 2 Z BR 51/74, Rpfleger 1976, 22, 23; BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – 2 Z BR 47/89, DNotZ 1990, 381, 382; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7.1995 – 3 Wx 201/95, Rpfleger 1996, 65; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.3.1998 – 20 W 54/98, WE 1998, 232, 233; OLG Hamm, Beschl. v. 5.12.1996 – 15 W 390/96, WE 1997, 196, 197; Kreuzer in FS Merle, S. 203, 204; Merle, System, S. 71 f.; Merle, Rpfleger 1978, 86, 87; Röll, Rpfleger 1980, 90, 91; Röll in FS Seuß (1987), 233, 238. 151 BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 93, 343, 346 = NJW 1984, 2409 = MDR 1984, 830; BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – 2 Z BR 47/89, DNotZ 1990, 381 m. Anm. Weitnauer.

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3.111

Teil 3 Rz. 3.112

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

3.112 Nach anderer Ansicht beeinträchtigt die im Grundbuch eingetragene Öffnungsklausel die dinglich Berechtigten nicht unmittelbar in ihren Rechten, da sie lediglich eine Verfahrensregelung enthalte.152 Erst die aufgrund einer eingetragenen Öffnungsklausel getroffene Mehrheitsentscheidung ändere den Inhalt des Sondereigentums, sodass allenfalls diese, nicht aber die Vereinbarung der Klausel der Zustimmung der dinglich Berechtigten bedürfe.153 Gegen diese Ansicht spricht, dass eine Öffnungsklausel nicht lediglich das Verfahren zur Änderung der Gemeinschaftsordnung regelt, sondern die Wohnungseigentümer in Angelegenheiten der Gemeinschaftsordnung der Mehrheitsherrschaft unterwirft. Dinglich Berechtigte, die ihr Recht am Wohnungseigentum vom jeweiligen Wohnungseigentümer ableiten, wären ebenfalls der Mehrheitsherrschaft unterworfen, sofern die im Grundbuch eingetragene Vereinbarung zum „Inhalt“ des belasteten Wohnungseigentums wird.154 Die Zustimmung dinglich Berechtigter wäre allenfalls entbehrlich, wenn man mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht annimmt, dass die Grundbucheintragung gemäß § 10 Abs. 3 WEG lediglich die Wirkung der Vereinbarung auf Sondernachfolger erstreckt, ohne den Inhalt des Wohnungseigentums mit Wirkung gegenüber dinglich Berechtigten zu ändern.155 Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass gem. §§ 876, 877 BGB gerade die im Grundbuch einzutragende Inhaltsänderung des mit Rechten Dritter belasteten Rechts das Zustimmungserfordernis auslöst. Die Eintragung der vereinbarten Öffnungsklausel als Inhalt des Sondereigentums gem. § 10 Abs. 3 WEG bewirkt, dass künftig auch die Inhaber dinglicher Rechte an Beschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung gebunden sind. Da diese wiederum gem. § 10 Abs. 4 WEG nicht als Inhalt des Sondereigentums einzutragen sind, löst der Beschluss auf Grund der Öffnungsklausel selbst kein Zustimmungserfordernis aus (siehe Rz. 3.140 ff.). Zustimmungsbedürftig ist somit nur die als Inhalt des Sondereigentums einzutragende Vereinbarung einer Öffnungsklausel.156

3.113 Hinweis: Da die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit für die Praxis bislang nicht geklärt ist, sollten die Wohnungseigentümer vor der Vereinbarung einer Öffnungsklausel über den Meinungsstand aufgeklärt werden. Im Zweifel empfiehlt sich, die Zustimmung der dinglich Berechtigten in der Form des § 29 GBO einzuholen. Deren Zustimmung kann entsprechend den landesrechtlichen Vorschriften über das Unschädlichkeitszeugnis (Art. 120 EGBGB) ersetzt werden.157 Ist Wohnungseigentum mit einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld bzw. mit einer Reallast eines Dritten belastet, so ist ihre Zustimmung gem. § 5 Abs. 4 WEG ohnehin nur erforderlich, wenn die Vereinbarung auch darauf gerichtet ist, Sondernutzungsrechte durch Beschluss zu begründen, aufzuheben, zu ändern oder zu übertragen.

e) Abgrenzungen

3.114 Die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte und im Grundbuch eingetragene Beschlussermächtigung räumt den Wohnungseigentümern originär die Beschlusskompetenz zur Ände152 Wenzel in FS Deckert, 517, 528; Ott, ZWE 2001, 466, 470, Schneider, ZfIR 2002, 108, 122. 153 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.1.2004 – 3 Wx 329/03, ZMR 2004, 284 = DNotZ 2004, 640m. krit. Anm. Becker; Gaier, ZWE 2005, 39, 42; Hügel, ZWE 2002, 503, 505; Ott, ZWE 2001, 466, 467; Schneider, ZMR 2004, 286, 287. 154 Becker, ZWE 2002, 341, 345. 155 So Ertl, DNotZ 1979, 267, 272; wohl auch Hügel, ZWE 2002, 503, 505; vgl. auch Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 576; Schneider, ZfIR 2002, 108, 117; Weitnauer/Lüke, § 10 WEG Rz. 35, der allerdings in Rz. 50 ein Zustimmungserfordernis bejaht. 156 Schneider, NotBZ 2008, 443, 451; Schüller, RNotZ 2011, 203, 221. 157 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 14.1.1988 – 2 Z 160/87, Rpfleger 1988, 140 zur Rechtslage in Bayern.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.118 Teil 3

rung der Gemeinschaftsordnung ein, soweit ihnen gesetzlich keine Beschlusskompetenz zugewiesen ist. Derartige kompetenzbegründende Öffnungsklauseln (konstitutive Öffnungsklausel) sind von Vereinbarungen abzugrenzen, die lediglich die gesetzlich zugewiesene Beschlusskompetenz modifizieren (modifizierende Öffnungsklausel). Beispiel: Die Gemeinschaftsordnung bestimmt abweichend von § 22 Abs. 1 WEG, dass „bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der in der Versammlung anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer beschlossen werden“ können.158 Das qualifizierte Mehrheitsprinzip ersetzt in diesem Fall das in § 22 Abs. 1 WEG angeordnete Zustimmungsprinzip. Dennoch wirkt die Klausel nicht kompetenzbegründend, da die Wohnungseigentümer über bauliche Veränderungen als Maßnahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bestandskräftige Beschlüsse fassen können.

3.115

Von einer verdeckten Öffnungsklausel spricht man, wenn die Gemeinschaftsordnung eine ausfüllungsbedürftige abstrakte Regelung enthält, die eine bestimmte Änderung vom Eintritt bestimmter Umstände abhängig macht. In diesem Fall liegt bereits eine aufschiebend bedingte Änderung der Gemeinschaftsordnung vor, deren Eintritt von tatsächlichen Umständen, nicht aber von einem Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer abhängig ist. Sofern die tatsächlichen Vorgaben für eine Änderung ausfüllungsbedürftig sind, können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Änderung eingetreten sind.159

3.116

Beispiel: Die Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass ein zum Dachausbau berechtigter Wohnungseigentümer verpflichtet ist, ab Baubeginn 50 % der auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Bewirtschaftungskosten zu tragen. Nach Ansicht des KG liegt darin eine ausfüllungsbedürftige Öffnungsklausel, die es den Wohnungseigentümern gestattet, den maßgeblichen Zeitpunkt des Baubeginns durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss festzulegen.160

3.117

4. Der Änderungsbeschluss a) Abgrenzung zur Vereinbarung Mehrheitsentscheidungen aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Beschlussermächtigung haben dieselbe Wirkung wie Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften oder den bestehenden Vereinbarungen regeln (§ 10 Abs. 3 WEG). Der „Vereinbarungsinhalt“ rechtfertigt es aber nicht, diese Mehrheitsentscheidungen als Vereinbarungen (sog. „Mehrheitsvereinbarungen“) anzusehen.161 Vereinbarungen sind Ausdruck des Einstimmigkeitsprinzips; sie kommen nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer zustande. Beschlüsse sind hingegen Ausdruck des Mehrheitsprinzips; ein wirksamer Mehrheitsbeschluss wirkt auch gegen Wohnungseigentümer, die dem Beschluss nicht zustimmen. Gemäß § 23 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Beschlussermächtigung über Änderungen der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss entscheiden. Zustandekommen und Wirksamkeit des Änderungsbeschlusses richten sich grundsätzlich nach 158 159 160 161

Vgl. KG, Beschl. v. 21.5.2003 – 24 W 253/02, NZM 2003, 642. KG, Beschl. v. 19.9.2001 – 24 W 6354/00, ZWE 2002, 38, 39 f. KG, Beschl. v. 19.9.2001 – 24 W 6354/00, ZWE 2002, 38, 40. Wenzel in FS Deckert, S. 517, 527; Becker, ZWE 2002, 509 f. gegen Hügel, DNotZ 2001, 176, 187 ff.; Hügel, ZWE 2002, 503, 508; Kreuzer in FS Seuß (2007), S. 155, 157; Böttcher, NotBZ 2007, 421, 428.

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3.118

Teil 3 Rz. 3.118

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

den allgemeinen Regeln über Beschlüsse. Insbesondere können fehlerhafte Änderungsbeschlüsse auf fristgerechte Anfechtung gemäß § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt werden.162 Bestandskräftige Beschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung wirken gem. § 10 Abs. 4 S. 2 WEG gegen Sondernachfolger, ohne dass eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist.

3.119 Eine gesetzliche oder vereinbarte Beschlussermächtigung schließt nicht aus, dass die Wohnungseigentümer die Gemeinschaftsordnung durch Vereinbarung abändern.163 Stimmen in einer Versammlung alle Wohnungseigentümer der Abänderung zu, ist anhand der Versammlungsniederschrift durch Auslegung zu ermitteln, ob die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung treffen wollten.164 Allein der Umstand, dass alle Wohnungseigentümer der Änderung zustimmen, lässt noch nicht auf eine Vereinbarung schließen. Eine Vereinbarung ist nur anzunehmen, wenn sich aus der Niederschrift oder aus besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann erkennbar ergibt, dass die Angelegenheit durch Vereinbarung geregelt werden sollte.165 Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer von ihrer Beschlusskompetenz Gebrauch machen und einen „Beschluss“ zur Änderung der Gemeinschaftsordnung fassen. b) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

3.120 Ein Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung ist nur wirksam, wenn er die formellen und inhaltlichen Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Insbesondere bei den gesetzlichen Beschlussermächtigungen ist zu prüfen, ob die beschlossene Änderung der Gemeinschaftsordnung in sachlicher Hinsicht von der vereinbarten Beschlussermächtigung gedeckt ist. Überschreitet der Änderungsbeschluss die sachlichen Grenzen der Beschlussermächtigung, fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz; der Beschluss ist wegen absoluter Beschlusszuständigkeit nichtig.

3.121 Beispiel: Mangels Beschlusskompetenz nichtig ist ein Beschluss, die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten generell abweichend vom geltenden Verteilungsschlüssel zu verteilen. Soweit die Wohnungseigentümer ihre Beschlusskompetenz nicht durch Vereinbarung erweitert haben, können sie gem. § 16 Abs. 4 WEG lediglich im Einzelfall eine abweichende Kostenverteilung beschließen (s.o. Rz. 3.69 ff.).166

3.122 Verlangt die Ermächtigungsgrundlage eine qualifizierte Stimmenmehrheit, kommt ein Änderungsbeschluss grundsätzlich nur zustande, wenn die erforderliche Mehrheit erreicht ist. Erreicht ein Beschlussantrag zur Änderung der Gemeinschaftsordnung nicht die erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit, stellt der Versammlungsleiter aber dennoch ein positives Beschlussergebnis fest, so kommt ein gemäß § 23 Abs. 4 WEG anfechtbarer Mehrheitsbeschluss zustande.167 Der Beschluss ist nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig, da die in der Öff162 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143; a.A. Hügel, ZWE 2002, 503, 507. 163 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2 Z BR 121/00, NZM 2001, 671 f. 164 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 25; Wenzel in FS Deckert, 517, 524 f. 165 Vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292. 166 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2005 – 3 Wx 164/05, ZWE 2006, 50 zu einer Öffnungsklausel, nach der die Instandsetzungskosten nur im Einzelfall abweichend durch Beschluss verteilt werden können. 167 LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186; Urt. v. 20.9.2010 – 36 S 12740/10, ZWE 2011, 102; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 3/16, MDR 2017, 107 sowie

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.124 Teil 3

nungsklausel bestimmten formellen Anforderungen an eine Mehrheitsentscheidung grundsätzlich nicht kompetenzbegründend wirken. Verlangt die Öffnungsklausel einen „einstimmigen Beschluss“, so kann die Auslegung ergeben, dass nur die Zustimmung der in der Versammlung anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümer erforderlich ist.168 Ein unangefochtener Mehrheitsbeschluss verstößt lediglich gegen das vereinbarte Erfordernis der Einstimmigkeit; nach Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist wird der Beschluss bestandskräftig.169 Absolute Nichtigkeit ist nur anzunehmen, wenn die Gemeinschaftsordnung eine von § 23 Abs. 4 WEG abweichende Regelung enthält.170 c) Inhaltliche Schranken der Mehrheitsentscheidung Ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel ist nicht ohne weiteres 3.123 rechtmäßig, wenn er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Insbesondere zum Schutz der Minderheit sind inhaltliche Schranken der Mehrheitsentscheidung zu beachten.171 Je nach Eingriffsintensität und Schutzzweck der verletzten Norm hat ein Verstoß die Nichtigkeit, Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit des Änderungsbeschlusses zur Folge. aa) Unverzichtbare Vorschriften Mehrheitsbeschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung sind nichtig, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen. Die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluss aufgrund einer Beschlussermächtigung keine Regelungen treffen, die bereits einer schuldrechtlichen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer nicht zugänglich wären. Deshalb können die Wohnungseigentümer etwa keine von den zwingenden Vorschriften der Heizkostenverordnung (§§ 2, 3 HeizkostenVO) abweichende Verteilung der Heizkosten beschließen. Auf Grund der gesetzlichen Beschlussermächtigung gem. § 16 Abs. 3 WEG (s.o. Rz. 3.61) können die Wohnungseigentümer zwar gem. § 10 HeizkostenV durch Beschluss einen höheren Verbrauchsanteil als 70 % einführen.172 Ihnen ist es aber verwehrt, durch Beschluss den Verbrauchsanteil entgegen §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 HeizkostenV auf weniger als 50 % abzusenken. Ein derartiger Beschluss ist nichtig, selbst wenn er auf Grund einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasst wird.173

168 169 170 171 172

173

BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, ZMR 2001, 809 zur Bedeutung der Feststellung des Beschlussergebnisses; a.A. Elzer, ZWE 2012, 323, 324. BayObLG, Beschl. v. 31.7.2003 – 2 Z BR 125/03, NZM 2004, 659, 660 = ZMR 2003, 950 = MietRB 2004, 16 m. Anm. Hügel. Vgl. die im Sachverhalt von BayObLG, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640 genannte Klausel. Vgl. dazu Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 201. BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 477. Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 65; Abramenko, ZWE 2007, 61, 66; a.A. Jennißen in Jennißen, § 16 WEG Rz. 88; Jennißen, ZWE 2011, 153, 158; vgl. aber OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2005 – 15 W 375/04, ZWE 2006, 228, 230: Beschluss über 100%ige Verteilung nach Verbrauch widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung und ist anfechtbar. OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.1994 – 15 W 327/94, NJW-RR 1995, 465; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2001 – 3 Wx 51/01, NZM 2001, 760 f.; Becker, ZWE 2006, 226, 228; a.A. BayObLG, Beschl. v. 30.6.2004 – 2 Z BR 118/04, ZMR 2005, 135, 136 = NZM 2004, 106 = ZWE 2005, 245 = MietRB 2004, 355; Abramenko, ZWE 2007, 61, 66.

Becker

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3.124

Teil 3 Rz. 3.125

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

3.125 Nichtig ist auch ein Beschluss, der aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum umwandelt.174 Die sachenrechtliche Zuordnung von Sonderund Gemeinschaftseigentum (sog. dinglicher „Kernbereich“) kann nur durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 BGB) geändert werden. bb) Unentziehbare Rechte und Belastungsverbot

3.126 Der Mehrheitsentscheidung sind darüber hinaus Grenzen gesetzt, soweit die Änderung unentziehbare individuelle Rechte einzelner Wohnungseigentümer beeinträchtigt (sog. unentziehbarer „Kernbereich“) oder einzelnen Wohnungseigentümern zusätzliche Leistungspflichten auferlegt, die sich bisher weder aus dem Gesetz noch aus der Gemeinschaftsordnung ergeben (sog. Belastungsverbot). Insoweit besteht eine dem Verbandsrecht vergleichbare Interessenlage (vgl. § 35 BGB, § 53 Abs. 3 GmbHG, § 180 Abs. 1 AktG).175

3.127 Ein einzelner Wohnungseigentümer braucht grundsätzlich nicht hinzunehmen, dass ihm durch Beschluss originäre Leistungspflichten – etwa die generelle Pflicht zur alleinigen Lasten- und Kostentragung anstelle der gemeinschaftlichen Lasten- und Kostentragung (§ 16 Abs. 2 WEG) – auferlegt werden.176 Nur die Kosten für eine besondere Nutzung des Gemeinschaftseigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand können gem. § 21 Abs. 7 WEG durch Beschluss den Wohnungseigentümern auferlegt werden, die diese Kosten verursachen (s.o. Rz. 3.81). Auch braucht es ein Sondernutzungsberechtigter nicht hinzunehmen, dass ihm durch Beschluss aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel eine zuvor der Gemeinschaft obliegende Instandhaltungspflicht auferlegt wird.177

3.128 Das Recht auf anteilige Nutzungen – etwa der Anteil an den Einnahmen aus der Vermietung von Gemeinschaftseigentum178 – kann ohne Zustimmung des Berechtigten ebenfalls nicht beeinträchtigt werden (§ 10 Abs. 2 S. 1 WEG iVm § 745 Abs. 3 S. 2 BGB). Aufgrund einer allgemeinen Beschlussermächtigung können Mehrheitsbeschlüsse ohne Zustimmung des Berechtigten keine Sondernutzungsrechte entziehen.179 Gleiches gilt, wenn aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel Sondernutzungsrechte durch Mehrheitsbeschluss begründet werden sollen, da dadurch das Mitgebrauchsrecht jedes Wohnungseigentümers beeinträchtigt würde.180 Der Mehrheitsbeschluss ist nur wirksam, sofern sich der Gemeinschaftsordnung ei-

174 Vgl. BGH, Urt. v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, NZM 2003, 480, 481; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.1.2002 – 3 Wx 293/01, ZWE 2002, 279, 280. 175 BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 79; BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 477; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2017 – 11 S 88/16, ZWE 2017, 283 m. Anm. Elzer; vgl. Buck, Mehrheitsentscheidungen, S. 79 f. 176 BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 75. Zu den Einzelheiten s. Becker/Strecker, ZWE 2001, 569, 575 f.; Becker, ZWE 2019, 395, 396. 177 BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 75. 178 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – V ZB 46/99, ZWE 2001, 21, 22 zur Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, die Vermietung von Gemeinschaftseigentum zu beschließen. 179 A.A. Böttcher, NotBZ 2007, 421; Hügel, DNotZ 2001, 176, 183; Wenzel, ZNotP 2004, 170; wohl auch Ott, ZWE 2001, 466, 467. 180 OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1997 – 16 Wx 250/97, ZMR 1998, 373; Schüller, RNotZ 2011, 203, 2129; zur Begründung von Sondernutzungsrechten durch Mehrheitsbeschluss ohne Öffnungsklausel vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, ZWE 2000, 518.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.132 Teil 3

ne antizipierte Zustimmung zum Inhalt des zu begründenden Sondernutzungsrechts entnehmen lässt.181 Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren („mehrheitsfesten“) Rechten eines Sondereigen- 3.129 tümers gehört auch die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Durch Mehrheitsbeschluss aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel darf sie nur mit Zustimmung des Sondereigentümers geändert oder eingeschränkt werden.182 Beispiel: Nach der Gemeinschaftsordnung ist es den Wohnungseigentümern gestattet, ihre Wohnungen vorübergehend und wechselnd (etwa an Feriengäste) zu vermieten. Aufgrund einer vereinbarten allgemeinen Öffnungsklausel beschließen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass die Überlassung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer nicht zulässig ist. – Der Beschluss ist nicht rechtmäßig, da nicht alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilt haben.183

3.130

Fehlt die erforderliche Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer, so ist ein beeinträchtigender Mehrheitsbeschluss unwirksam, ohne dass es einer gerichtlichen Ungültigerklärung nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG bedarf.184 Sofern ein betroffener Wohnungseigentümer in der Versammlung gegen den Beschluss stimmt, ist der Beschluss wegen Verweigerung der Zustimmung von Anfang an nichtig. Sein Veto ist nur unbeachtlich, wenn sich aus einer Treuebindung eine Zustimmungspflicht ergibt.185 War der betroffene Wohnungseigentümer hingegen nicht an der Beschlussfassung beteiligt, hat der BGH früher eine schwebende Unwirksamkeit des ohne seine Zustimmung gefassten Beschlusses angenommen.186 An dieser Auffassung hält das Gericht jedoch nicht mehr fest, da § 23 Abs. 4 WEG schwebend unwirksame Beschlüsse nicht vorsehe; zudem bestünden Bedenken im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit.187 Diese Ansicht ist nach der WEG-Reform 2007 zutreffend, denn § 23 Abs. 4 S. 1 WEG ordnet an, dass Beschlüsse nichtig sind, wenn sie gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften verstoßen. Das Belastungsverbot und das Verbot, in unentziehbare Rechte einzelner Wohnungseigentümer einzugreifen, gehören zu den unverzichtbaren Rechtsvorschriften. Zu beachten ist, dass das Belastungsverbot lediglich die Mehrheitsmacht der Wohnungseigentümer einschränkt; der Änderungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG bleibt davon unberührt (s.o. Rz. 3.13 ff.).188

3.131

cc) Sachlicher Grund und unbillige Benachteiligung Mehrheitsbeschlüsse aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Beschlussermächtigung sind darüber hinaus einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterworfen, die die Minderheit 181 Wenzel, ZNotP 2004, 170, 172; Schüller, RNotZ 2011, 203, 219; Kreuzer in FS Merle, 2000, S. 203, 209; Ott, Sondernutzungsrecht, S. 98 sowie S. 168 f. zu den Grenzen einer antizipierten Zustimmung. 182 BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 477. 183 BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 478. 184 BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 79; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2017 – 11 S 88/16, ZWE 2017, 283 m. Anm. Elzer. 185 Vgl. Wendel, ZWE 2002, 545, 546. 186 BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322, 335 = ZWE 2004, 352 = MDR 2004, 563; BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 79 im Anschluss an Buck, Mehrheitsentscheidungen, S. 84; so noch Becker/Strecker, ZWE 2001, 569, 576 f.; Becker, ZWE 2002, 341, 345 zu § 23 Abs. 4 WEG a.F. 187 BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NZM 2019, 476, 479. 188 BGH, Urt. v. 13.5.2016 – V ZR 152/15, MDR 2016, 1133.

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3.132

Teil 3 Rz. 3.132

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

vor einer willkürlichen Änderung der Gemeinschaftsordnung schützen soll. Vor der WEGNovelle 2007 ging die Rechtsprechung davon aus, dass die aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel beschlossene Änderung der Gemeinschaftsordnung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein muss und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligen darf.189 Nach Inkrafttreten der Novelle hat der BGH zunächst zu § 16 Abs. 3 WEG entschieden, dass den Wohnungseigentümern bei der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels aufgrund ihres Organisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Im Rahmen einer allgemeinen Missbrauchskontrolle ist das in der Gesetzesbegründung190 angesprochene Erfordernis eines wichtigen Grundes demnach lediglich Ausdruck des allgemeinen Willkürverbots. Sowohl das „Ob“ einer Änderung als auch das „Wie“ der geänderten Verteilung dürfe nicht willkürlich sein.191 Dieses Verständnis hat der BGH in einer weiteren Entscheidung auf die Änderung der Kostenverteilung aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel übertragen.192

3.133 Hinweis: Der vom BGH vollzogene Paradigmenwechsel wirkt sich auf die Darlegungs- und Beweislast im Beschlussanfechtungsprozess aus. Während vormals die Beklagten Umstände darlegen und im Falle des Bestreitens beweisen mussten, die eine Änderung der Gemeinschaftsordnung rechtfertigten, obliegt es nunmehr dem Kläger, Umstände darzulegen und zu beweisen, die die beschlossene Änderung als willkürlich, d.h. als sachlich nicht gerechtfertigt erscheinen lassen.

3.134 Die Änderung der Kostenverteilung durch Mehrheitsbeschluss ist insbesondere zulässig, wenn sich die Verhältnisse gegenüber früher in wesentlichen Punkten geändert haben oder sich die ursprüngliche Regelung nicht bewährt hat.193 Werden einzelne Wohnungseigentümer durch eine genehmigte bauliche Veränderung – etwa im Falle eines Dachausbaus zugunsten eines Wohnungseigentümers – oder durch die Begründung von Sondernutzungsrechten vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen, liegen sachliche Gründe vor, die es rechtfertigen, die nicht zum Gebrauch berechtigten Wohnungseigentümer insoweit von den Kosten des Gebrauchs sowie von den Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten freizustellen. Eine Kostenfreistellung erscheint auch gerechtfertigt, soweit einzelne Wohnungseigentümer gemeinschaftliche Einrichtungen tatsächlich nicht nutzen können. Anders hat der BGH vor der WEG-Novelle 2007 im Falle einer von Anfang an eingebauten Aufzugsanlage entschieden, wenn die Eigentümer der Erdgeschosswohnungen – entgegen dem vereinbarten „Aufzugsschlüssel“ – erstmals an den Aufzugskosten beteiligt werden sollen.194 Der Umstand, dass sie den Aufzug von Anfang an benutzen konnten, um in die Tiefgarage zu gelangen, rechtfertige keine Änderung der Kostenverteilung zu Lasten der Eigentümer im Erdgeschoss.

189 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 140 = NJW 1985, 2832, 2833; KG, Beschl. v. 16.7.2004 – 24 W 31/03, NZM 2004, 910 = ZMR 2005, 899 = MietRB 2005, 12 m. Anm. Hügel; OLG München, Beschl. v. 22.12.2006 – 32 Wx 165/06, NZM 2007, 364, 365; LG Köln, Urt. v. 15.10.2009 – 29 S 102/09, ZWE 2010, 283; Becker, ZWE 2002, 341, 344. 190 BT-Drucks. 16/887, S. 23. 191 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZWE 2011, 323, 324 m. Anm. Sauren; BGH, Urt. v. 16.9.2011 – V ZR 3/11, ZWE 2012, 30, 31; in diesem Sinne bereits Häublein, ZMR 2007, 409, 417; Meffert, ZMR 2007, 667, 668; a.A. noch AG Dortmund, Urt. v. 16.2.2010 – 512 C 57/09, ZWE 2010, 284; Abramenko, Das neue WEG, § 3 Rz. 32; Gottschalg, DWE 2007, 40. 192 BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 2/10, ZWE 2011, 327 f.; siehe dazu Bonifacio, MietRB 2012, 26, 27 ff. 193 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143. 194 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.137 Teil 3

Angesichts des nach der WEG-Novelle vollzogenen Paradigmenwechsels ist zweifelhaft, ob der BGH heute noch genauso entscheiden würde. Man könnte argumentieren, dass angesichts der gesetzlichen oder vereinbarten Beschlusskompetenz niemand mehr darauf vertrauen darf, dass die Regelungen über die Kostenverteilung Bestand haben. Allerdings macht es einen Unterschied, ob bereits nach der bisherigen Regelung sämtliche Wohnungseigentümer an bestimmten Kosten beteiligt sind und lediglich der Verteilungsmaßstab geändert wird, oder ob der Beschluss darauf gerichtet ist, Wohnungseigentümer abweichend von der bisherigen Regelung erstmals an bestimmten Kosten zu beteiligen. Wenn es um die erstmalige Kostenbelastung aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel geht, dürfen die bisher von der Kostenlast befreiten Wohnungseigentümer grundsätzlich darauf vertrauen, dass sie nicht ohne sachlichen Grund erstmals an den Kosten beteiligt werden.195

3.135

Der Verstoß gegen das Willkürverbot oder eine unbillige Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer hat nicht unmittelbar die Ungültigkeit des Änderungsbeschlusses zur Folge. Der Beschluss ist vielmehr nur ungültig, wenn er auf fristgerechte Anfechtung für ungültig erklärt ist (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG).196 Unterbleibt die Anfechtung, wird der Änderungsbeschluss bestandskräftig. Die fristgerechte Anfechtung ist dem benachteiligten Wohnungseigentümer zumutbar, solange seine unentziehbaren Rechte aus dem Wohnungseigentum unangetastet bleiben.

3.136

dd) Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung Der Beschluss auf Grund einer gesetzlichen oder vereinbarten Beschlussermächtigung muss schließlich ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.197 Die gesetzliche Regelung in § 16 Abs. 3 WEG bestimmt ausdrücklich, dass die Wohnungseigentümer eine abweichende Verteilung der Betriebs- und Verwaltungskosten mit Stimmenmehrheit beschließen können, „soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht“. Im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung ist den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum eingeräumt.198 Nach den Umständen des Einzelfalls kann sich jedoch eine Ermessensreduzierung ergeben mit der Folge, dass nur eine Entscheidung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Sind etwa Verbrauchserfassungsgeräte eingebaut, die eine verbrauchsabhängige Verteilung der Kaltwasserkosten im Bereich des Sondereigentums ermöglichen, so entspricht in der Regel nur eine verbrauchsabhängige Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung.199 Ein Beschluss über eine abweichende Verteilung der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten oder der Kosten baulicher Maßnahmen entspricht gem. § 16 Abs. 4 S. 1 WEG nur ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Kostenverteilung „dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt“. Auch bei der Bestimmung eines abweichenden Verteilungsmaßstabs nach § 16 Abs. 4 WEG haben die Wohnungseigentümer ein nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen.200 Es ist erst überschritten, wenn der Verteilungsmaßstab nicht nach dem Gebrauchsmaßstab, sondern nach anderen Kriterien bestimmt wird. Der auf den Einzelfall beschränkte Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG darf nicht gegen den Gleichbehand-

195 Vgl. Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 98. 196 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143; a.A. Hügel, ZWE 2002, 503, 508. 197 BayObLG, Beschl. v. 13.11.2003 – 2 Z BR 159/03, ZfIR 2004, 72. 198 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZWE 2011, 323, 324. 199 Vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192 = NJW 2003, 3476 = ZWE 2004, 66 = ZMR 203, 365 = MDR 2004, 86; Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 95. 200 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, ZWE 2010, 362.

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3.137

Teil 3 Rz. 3.137

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

lungsgrundsatz verstoßen. Er ist insbesondere bei der Einzelanlastung von Instandsetzungskosten zu beachten.

3.138 Der gesetzliche Vorbehalt einer ordnungsmäßigen Verwaltung ist kein Merkmal, das die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer beschränkt.201 Ein Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung, der gegen die Grundsätze einer ordnungsmäßigen Verwaltung verstößt, ist daher lediglich anfechtbar. d) Zustimmung dinglich Berechtigter?

3.139 Auch nach Inkrafttreten der WEG-Novelle 2007 ist umstritten, ob die aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel beschlossene Änderung der Gemeinschaftsordnung entsprechend §§ 876, 877 BGB der Zustimmung der Inhaber dinglicher Rechte bedarf. Der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 4 S. 2 WEG lässt sich lediglich entnehmen, dass die Zustimmung der Grundpfandgläubiger sowie der aus einer Rentenschuld oder Reallast Berechtigten allenfalls erforderlich ist, wenn Sondernutzungsrechte begründet, aufgehoben, geändert oder übertragen werden. In sonstigen Fällen stellt sich lediglich die Frage, ob der Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung der Zustimmung der Nießbraucher sowie der Wohnungsund Dienstbarkeitsberechtigten bedarf.

3.140 Eine verbreitete Ansicht geht von einem Zustimmungserfordernis aus.202 Dieses knüpfe an eine Inhaltsänderung des Sondereigentums an und bestehe daher auch dann, wenn die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werde. Bedenklich ist jedoch, dass Drittberechtigte aufgrund des Zustimmungserfordernisses gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern mehr Rechte hätten als der jeweilige Vollrechtsinhaber des belasteten Wohnungseigentums. Dieser ist aufgrund der „als Inhalt des Sondereigentums“ im Grundbuch eingetragenen Öffnungsklausel oder kraft Gesetzes der Mehrheitsherrschaft unterworfen.203 Da Drittberechtigte ihr beschränktes dingliches Recht am Wohnungseigentum vom Vollrechtsinhaber ableiten, sind sie ebenfalls an eine Mehrheitsentscheidung der Wohnungseigentümer gebunden. Die Zustimmung dinglich Berechtigter ist daher nur erforderlich, soweit die Mehrheitsentscheidung in unentziehbare Rechte des Vollrechtsinhabers eingreift und damit zugleich Drittberechtigte rechtlich benachteiligt.

3.141 Beispiel: Aufgrund einer Öffnungsklausel soll ein Sondernutzungsrecht mit Zustimmung des Vollrechtsinhabers durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden. Dadurch wird auch das Gebrauchsrecht eines Nießbrauchers beeinträchtigt, sodass neben der Zustimmung des Vollrechtsinhabers auch seine Zustimmung erforderlich ist.

201 Vgl. Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 94, 123; J.-H. Schmidt, ZMR 2007, 913, 920 zu § 16 Abs. 4 WEG. 202 BGH, Beschl. v. 16.9.1994 – V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 105 f.; Weitnauer/Lüke, § 10 WEG Rz. 51; Buck, Mehrheitsentscheidungen, S. 111; Grebe, DNotZ 1987, 5, 23; Lüke, PiG 54, S. 33, 38; Müller in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 505, 512; Ott, ZWE 2001, 466, 470; Schneider, ZfIR 2002, 108, 121. 203 KG, Beschl. v. 16.7.2004 – 24 W 31/03, NZM 2004, 910 = ZMR 2005, 899 = MietRB 2005, 12 m. Anm. Hügel; Schmack, ZWE 2001, 89, 91; Becker, ZWE 2002, 341, 345; Becker, DNotZ 2004, 642, 643.

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Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.144 Teil 3

Darüber hinaus bedarf die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss auf Grund einer vereinbarten Öffnungsklausel nicht der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter.204 Für Mehrheitsbeschlüsse auf Grund einer vereinbarten Beschlussermächtigung gilt nichts anderes als im Fall der Änderung der Gemeinschaftsordnung auf Grund einer gesetzlichen Beschlussermächtigung. In beiden Fall bedürfen ändernde Beschlüsse nicht der Eintragung im Grundbuch, um gegen Rechtsnachfolger zu wirken (§ 10 Abs. 4 WEG). Da sie nicht als Inhalt des Sondereigentums einzutragen sind, fehlt von vornherein der Anknüpfungspunkt für ein Zustimmungserfordernis.205

3.142

e) Eintragung im Grundbuch? Die auf Grund einer Vereinbarung (Öffnungsklausel) oder auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung gefassten Beschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung bedürfen gem. § 10 Abs. 4 S. 2 WEG nicht der Eintragung in das Grundbuch, um gegen Sondernachfolger zu wirken. Die im Rahmen der WEG-Novelle 2007 in das Gesetz eingefügte Vorschrift stellt klar, dass die im Rahmen der Beschlusskompetenz gefassten Beschlüsse nicht eintragungsbedürftig sind. Damit erledigt sich die Diskussion über die Eintragungsbedürftigkeit von Beschlüssen mit Vereinbarungsinhalt.206 Obgleich in § 10 Abs. 4 S. 2 WEG nicht ausdrücklich erwähnt, bedürfen auch Beschlüsse auf Grund einer gesetzlichen Beschlussermächtigung nicht der Eintragung im Grundbuch.

3.143

Nach zutreffender Ansicht sind Beschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung grundsätzlich auch nicht eintragungsfähig.207 Um das Grundbuch von überflüssigen Eintragungen freizuhalten, dürfen Eintragungen nur vorgenommen werden, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorschreibt oder Rechtswirkungen an die Eintragung oder Nichteintragung knüpft. Das Gesetz bestimmt lediglich in § 12 Abs. 4 S. 3 WEG, dass eine Veräußerungsbeschränkung im Grundbuch gelöscht werden kann, wenn die Wohnungseigentümer deren Aufhebung beschließen. In anderen Fällen vollzieht sich die Rechtsänderung gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 WEG außerhalb des Grundbuchs. Betrifft die Änderung eine als Inhalt des Sondereigentums ein-

3.144

204 KG, Beschl. v. 16.7.2004 – 24 W 31/03, NZM 2004, 910 = ZMR 2005, 899 = MietRB 2005, 12 m. Anm. Hügel; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 20. 205 Abramenko, Das neue WEG, S. 37; Böhringer/Hintzen, Rpfleger 2007, 353, 356; Briesemeister, ZWE 2007, 421, 422; Schneider, NotBZ 2008, 442, 452; Schüller, RNotZ 2011, 203, 221; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 2885. 206 Zur Diskussion s. 1. Aufl. sowie Wenzel, ZWE 2004, 130, 135 f.; Hügel, ZWE 2002, 503, 505 f.; Becker, ZWE 2002, 341, 343 f.; Schneider, ZfIR 2002, 108, 112 f.; der Abschlussbericht der BundLänder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), NZM 2019, 705, 709 f. schlägt jedoch erneut eine Regelung über die Eintragung im Grundbuch vor; ebenso Schneider in FS Müller (2019), S. 299, 305 ff. 207 BT-Drucks. 16/887, S. 19; OLG München v. 13.11.2009 – 34 Wx 100/09, ZWE 2010, 128, 129; Jennißen, § 10 WEG Rz. 53; Demharter, NZM 2006, 489, 491; Müller, ZMR 2011, 103, 104; Schneider, NotBZ 2008, 442, 447 f.; Schüller, RNotZ 2011, 203, 220; zur Rechtslage vor der WEG-Novelle siehe BGHZ 127, 99, 104; Becker, ZWE 2002, 341, 343 f.; a.A. Hügel, DNotZ 2001, 176, 189; Hügel, ZWE 2002, 503, 505 f.; Müller in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 505, 512; Ott, ZWE 2001, 466, 469; Schneider, ZfIR 2002, 108, 112 f.; Wenzel in FS Deckert (2002), S. 517, 529 f.

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Teil 3 Rz. 3.144

Änderungen der Gemeinschaftsordnung – Anspruch u. Beschlusskompetenzen

getragene Vereinbarung, wird das Grundbuch unrichtig.208 Eine Grundbuchberichtigung kommt gleichwohl nicht in Betracht, da hierzu die Eintragung des ändernden Beschlusses erforderlich wäre.209 Auch ein „Negativ-Vermerk“ ist nicht eintragungsfähig.210 Ein Erwerber von Wohnungseigentum darf nicht auf den Bestand der im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen vertrauen; ein gutgläubiger Erwerb gem. § 892 BGB scheidet aus.211 Nach den Wertungen des Gesetzes ist der Erwerber hinreichend dadurch geschützt, dass er sich durch Einsicht in die Beschluss-Sammlung Klarheit über vereinbarungsändernde Beschlüsse verschaffen kann.212 5. Das Verhältnis zum Änderungsanspruch

3.145 Die gesetzlichen und vereinbarten Beschlusskompetenzen lassen den Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Änderung der Gemeinschaftsordnung aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG unberührt (s.o. Rz. 3.1 ff.). Die gesetzlichen Vorschriften, die den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung einräumen, sind nicht als lex specialis zu § 10 Abs. 2 S. 3 WEG anzusehen, da sie verschiedene Regelungsgegenstände haben.213 Kompetenznormen regeln die Grenzen der Mehrheitsmacht, die naturgemäß weiter gesteckt sind als die Grenzen eines individuellen Anspruchs (schwerwiegende Gründe), gegen den Willen der Mehrheit eine Änderung der Gemeinschaftsordnung durchzusetzen.

3.146 Hinweis: Besteht für die Änderung der Gemeinschaftsordnung eine Beschlusskompetenz, sollte der Anspruchsteller zunächst die Eigentümerversammlung mit einer Beschlussfassung über sein Änderungsbegehren befassen. Erst wenn die Eigentümer den Beschlussantrag ablehnen, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, den Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtlich durchzusetzen.214

3.147 Nach zutreffender Ansicht lässt sich § 10 Abs. 2 S. 3 WEG über die Beschlusskompetenzen gem. §§ 12 Abs. 4, 16 Abs. 3, 21 Abs. 7 WEG hinaus keine allgemeine gesetzliche Beschlusskompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsordnung entnehmen.215 Ihrem Wortlaut nach regelt die Vorschrift lediglich einen individuellen Anspruch eines Wohnungseigentümers („jeder Wohnungseigentümer kann … verlangen“). Der Anspruch ist auf Zustimmung zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung gerichtet, der nicht durch Beschluss der Änderung

208 Zutreffend Demharter, FGPrax 2010, 18; Müller, ZMR 2011, 103, 105; Schneider in FS Müller (2019), S. 299 (302); a.A. OLG München, Beschl. v. 13.11.2009 – 34 Wx 100/09, ZWE 2010, 128, 129 = FGPrax 2010, 16, 17 f. 209 Ebenso OLG München, Beschl. v. 13.11.2009 – 34 Wx 100/09, ZWE 2010, 128, 129 = FGPrax 2010, 16, 17 f.; Demharter, FGPrax 2010, 18; Müller, ZMR 2011, 101, 106; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 5 Rz. 44; Hügel, DNotZ 2007, 326, 355; Böttcher, Rpfleger 2009, 181, 190. 210 Müller, ZMR 2011, 101, 106; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 5 Rz. 44. 211 Demharter, DNotZ 1991, 28, 33; Demharter, FGPrax 2010, 18; Schneider in FS Müller (2019), S. 299, 303. 212 BT-Drucks. 16/887, S. 20 f.; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 21; kritisch Schneider in FS Müller (2019), S. 299, 305. 213 Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 107; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 Rz. 123 und § 5 Rz. 51. 214 OLG Hamm, Beschl. v. 10.9.2007 – 15 W 358/06, ZMR 2008, 156 = MietRB 2008, 47; Becker in Bärmann, § 16 WEG Rz. 108; Abramenko, ZMR 2005, 22, 24. 215 Merle, ZWE 2007, 472 ff.; a.A. Abramenko, ZMR 2007, 424 f.

94

Becker

Die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss

Rz. 3.147 Teil 3

erfüllt werden kann, soweit sich nicht aus anderen Vorschriften oder aus einer Vereinbarung eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer ergibt. Überdies hat sich der Gesetzgeber im Rahmen der WEG-Novelle 2007 lediglich für eine punktuelle Erweiterung der Beschlusskompetenzen in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen entschieden.216 Es entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers, über § 10 Abs. 2 S. 3 WEG hinaus eine allgemeine gesetzliche Öffnungsklausel einzuführen. Kommt etwa ein Beschluss zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 3 oder Abs. 4 WEG nicht zustande, kann der einzelne Wohnungseigentümer eine Änderung nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG verlangen (s.o. Rz. 3.17 ff.).217

216 Vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 10 f. 217 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, ZWE 2010, 174; AG Essen, Urt. v. 20.6.2011 – 196 C 368/10, ZMR 2012, 50.

Becker

95

Teil 4 Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . . 1. Einberufungsbefugnis . . . . . . . . . . . a) Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Scheinverwalter . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltungsbeiratsvorsitzender, § 24 Abs. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlen des Verwalters . . . . . . bb) Pflichtwidrige Weigerung des Verwalters . . . . . . . . . . . cc) Einladung durch den Verwaltungsbeirat . . . . . . . . . d) Wohnungseigentümer . . . . . . . . . e) Einberufung durch Nichtberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gänzlich unbekannter Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht ermächtigte Person . . . cc) Folgen der Einladung durch Nichtberechtigten . . . . . . . . .

4.1 4.3 4.4 4.4 4.5 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.14 4.14 4.15 4.16

2. Einberufungsverpflichtung . . . . . . . a) Turnusmäßige Einberufung nach § 24 Abs. 1 WEG . . . . . . . . . . . . . b) Einberufung auf Verlangen der Wohnungseigentümer, § 24 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmung des Minderheitenquorums . . . . . . . . . . . bb) Form und Inhalt des Einberufungsverlangens . . . . . . . cc) Einberufungspflicht des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . c) Ordnungsmäßige Verwaltung . . . d) Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . e) Wiederholungsversammlung . . . .

4.19

4.30 4.33 4.34 4.35

3. Absage und Verlegung der Eigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . .

4.36

4. Form der Einberufung . . . . . . . . . .

4.38

5. Frist der Einberufung . . . . . . . . . . . a) Regelmäßige Einberufungsfrist . . b) Verkürzte Einberufungsfrist (besondere Dringlichkeit) . . . . . . c) Vereinbarte Einberufungsfrist . . .

4.41 4.41

6. Inhalt der Einberufung . . . . . . . . . .

4.44

4.20 4.23 4.24 4.28

4.42 4.43

a) Bezeichnung der Beschlussgegenstände durch den Verwalter . . . . . aa) Inhaltliche Bezeichnung . . . . bb) Beifügung von Unterlagen . . b) Bezeichnungsrecht der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . aa) Minderheitenquorum . . . . . . bb) Ordnungsmäßige Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . c) Bezeichnungsrecht des Beiratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachträgliche Änderung/Ergänzung der Tagesordnung . . . . . . . . e) Benennung von Zeit und Ort der Versammlung . . . . . . . . . . . . . aa) Ort der Versammlung . . . . . . bb) Zeitpunkt der Versammlung . f) Verstoß gegen die Einberufungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.45 4.45 4.50 4.54 4.54 4.55 4.57 4.58 4.60 4.61 4.63 4.66

7. Adressaten der Einberufung . . . . . . a) Wohnungseigentümer . . . . . . . . . b) Werdender Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltungsbefugte . . . . . . . . . . . d) Dinglich Berechtigte . . . . . . . . . . e) Gemeinschaftsfremde Mitglieder des Verwaltungsbeirats . . . . . . . . . f) Abweichende Vereinbarungen . . .

4.68 4.68

4.80 4.81

8. Zugang der Einberufung . . . . . . . . .

4.82

9. Mängel der Einberufung . . . . . . . . . a) Fehler in der Form der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichteinhaltung der Einladungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichteinladung teilnahmeberechtigter Personen . . . . . . . . .

4.85

4.74 4.76 4.79

4.86 4.87 4.89

10. Zweitversammlung . . . . . . . . . . . . . 4.90 a) Wiederholungsversammlung . . . . 4.90 aa) Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . 4.91 bb) Einberufung der Wiederholungsversammlung . . . . . . 4.93 b) Fortsetzungsversammlung . . . . . . 4.100 11. Teilversammlung . . . . . . . . . . . . . . . 4.101 a) Wirksame Vereinbarung . . . . . . . 4.102

Scheuer

97

Teil 4

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

b) Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.103 c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.104 III. Teilnahmerecht und Stimmrecht . . 4.109 1. Teilnahmerecht an der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . a) Wohnungseigentümer . . . . . . . . . b) Werdender Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwesenheit Dritter . . . . . . . . . . aa) Rechtsgeschäftliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Vertretung . . . . . d) Insolvenz-/Zwangs- und Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Dinglich Berechtigte . . . . . . . . . . f) Juristische Personen und Mitberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . g) Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Nichtwohnungseigentümer als Verwaltungsbeiratsmitglied . . . . . i) Berater, Beistände und sonstige Gäste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Teilnahme im Kollektivinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilnahme im Individualinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarungen über die Teilnahme Dritter . . . . . . . . . j) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . 2. Stimmrecht in der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . a) Stimmrechtsinhaber . . . . . . . . . . aa) Wohnungseigentümer . . . . . bb) Werdende Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . cc) Stimmrechtsträger kraft Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zwangsverwalter . . . . . . . . . . (2) Insolvenzverwalter . . . . . . . . (3) Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . (4) Inhaber dinglicher Rechte am Wohnungseigentum . . . . dd) Rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erteilung der Vollmacht . . . . (2) Umfang der Vollmacht . . . . . (3) Widerruf der Vollmacht . . . . (4) Zurückweisung der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . .

98

Scheuer

4.109 4.111 4.115 4.117 4.117 4.119 4.122 4.123 4.124 4.127 4.129 4.130 4.131 4.132 4.137 4.139 4.143 4.145 4.145 4.147 4.149 4.149 4.151 4.152 4.153 4.154 4.156 4.158 4.159 4.160

b) Ausübung des Stimmrechts . . . . . c) Stimmrechtswertigkeit . . . . . . . . . aa) Kopfprinzip . . . . . . . . . . . . . bb) Wertprinzip . . . . . . . . . . . . . cc) Objektprinzip . . . . . . . . . . . . dd) Stimmrecht bei Unterteilung von Wohnungseigentum . . . . ee) Stimmrecht bei Vereinigung von Wohnungseigentum . . . . ff) Stimmrecht bei mehrfacher Mitberechtigung . . . . . . . . . . gg) Stimmrecht bei Untergemeinschaften . . . . . . . . . . . d) Stimmrechtsausschlüsse . . . . . . . . aa) Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem abstimmenden Eigentümer, § 25 Abs. 5 1. Alt. WEG . . . . bb) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegen Wohnungseigentümer, § 25 Abs. 5 2. Alt. . . . . . . . . . cc) Anwendungsbereich und Sonderfälle des Stimmrechtsausschlusses . . . . . . . . . dd) Wirkungen des Stimmrechtsausschlusses . . . . . . . . . e) Ruhen des Stimmrechts . . . . . . . . f) Stimmbindungsverträge . . . . . . . .

4.163 4.165 4.166 4.167 4.169 4.172 4.176 4.177 4.179 4.181

4.183

4.186 4.188 4.192 4.194 4.196

IV. Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . . 4.198 1. Vorsitz in der Versammlung . . . . . . a) Verwalter bzw. dessen Mitarbeiter b) Anderweitige Regelung . . . . . . . . c) Fehlen eines Vorsitzenden . . . . . . 2. Aufgaben des Versammlungsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitungsbefugnisse des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anträge zur Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eröffnung der Versammlung cc) Vorschlag des Protokollführers . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung . . . . . ee) Feststellung der Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Hausrecht/Diskussionsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.198 4.199 4.201 4.203 4.204 4.206 4.207 4.210 4.211 4.212 4.214 4.216

Einleitung

gg) Beendigung/Vertagung/Auflösung der Versammlung . . . 4.230 hh) Ton-/Videoaufzeichnungen . 4.234 3. Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung, § 23 Abs. 1 WEG . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Beschlusses . . . . aa) Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung zur Vereinbarung . . . . . . . . . . . . cc) Einmannbeschluss . . . . . . . . b) Beschlusskompetenz . . . . . . . . . . aa) Gebrauchsregelungen . . . . . . bb) Verwaltungsregelungen . . . . cc) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen . . . . . . . c) Zustandekommen des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angekündigte Tagesordnungspunkte . . . . . . . . . . . . bb) Beschlussantragsrecht . . . . . . cc) Inhalt des Beschlussantrages . d) Abstimmung über den Beschlussantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abstimmungsmodalitäten . . bb) Abstimmungsergebnis . . . . . e) Feststellung des Beschlussergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verkündung des Beschlussergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Verkündung . . . . . bb) Fehlerhafte Verkündung . . . . cc) Nichtige Beschlüsse/Scheinbeschlüsse, § 23 Abs. 4 WEG g) Protokollierung des Beschlussergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zweitbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruch auf einen Zweitbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . cc) Typen des Zweitbeschlusses .

4.235 4.236 4.237 4.242 4.245 4.248 4.251 4.252 4.253 4.254 4.255 4.256 4.257 4.258 4.259 4.261 4.264 4.268 4.270 4.272 4.274 4.277 4.281 4.281 4.283 4.284

Rz. 4.1 Teil 4

(1) Abändernder Zweitbeschluss (2) Inhaltsgleicher Zweitbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergänzender Zweitbeschluss . (4) Aufhebungsbeschluss . . . . . . 4. Niederschrift der Eigentümerversammlung, § 24 Abs. 6 WEG . . . . . . a) Form der Niederschrift und Unterzeichnung . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Niederschrift . . . . . . . . aa) Mindestinhalt . . . . . . . . . . . . bb) Beweiskraft der Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frist zur Erstellung der Niederschrift/Versendungspflicht . . . . . . d) Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . e) Einsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt des Einsichtsrechts . . . bb) Ort der Einsichtnahme . . . . . f) Fehler der Niederschrift . . . . . . . . aa) Berichtigung der Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterbliebene oder verspätete Erstellung der Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.285 4.286 4.289 4.290 4.291 4.292 4.295 4.295 4.300 4.303 4.305 4.306 4.306 4.308 4.310 4.310 4.312

V. Beschluss-Sammlung . . . . . . . . . . . . 4.316 1. Führung der Beschluss-Sammlung . a) Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufbau der Beschluss-Sammlung . c) Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . .

4.318 4.319 4.320 4.321

2. Inhalt der Beschluss-Sammlung . . . a) Versammlungsbeschlüsse . . . . . . . b) Gerichtliche Entscheidungen . . . . c) Vermerke und Löschungen . . . . .

4.323 4.324 4.326 4.329

3. Fehler der Beschluss-Sammlung . . . 4.332 4. Einsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.333 5. Abweichende Vereinbarungen . . . . . 4.336

I. Einleitung Nach § 20 Abs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern, dem Verwalter und – sofern existent – dem Verwaltungsbeirat. Der Begriff der „Verwaltung“ in § 20 Abs. 1 WEG meint die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander, betroffen ist somit das Innenverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Dieses wird im Wesentlichen im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung gestaltet. Die Wohnungseigentümerversammlung kann daher als das zentrale Willensbildungsorgan der Wohnungseigentümer-

Scheuer

99

4.1

Teil 4 Rz. 4.1

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

gemeinschaft bezeichnet werden – ihr kommt aus diesem Grunde in der anwaltlichen Praxis besondere Bedeutung zu.

4.2 Die formellen Voraussetzungen für die Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung sind in den §§ 23–25 WEG geregelt. Die §§ 23–25 WEG stellen keine zwingenden Normen dar, sie können vielmehr durch Vereinbarungen der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG oder im Rahmen der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung verschärft oder erleichtert werden, was gängige Praxis ist. Die meisten Gemeinschaftsordnungen enthalten Regelungen zur Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung – der beratende Anwalt muss daher stets die Gemeinschaftsordnung prüfen. Werden die formellen Voraussetzungen für die Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht eingehalten, sind die Beschlüsse zwar nicht nichtig, sie können aber ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen und damit nach den §§ 43 Nr. 4, 46 WEG im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden. Die Klage hat Erfolg, wenn der Einberufungsmangel sich kausal auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschluss bei formell ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre.1 Hinsichtlich der Kausalität zwischen Einberufungsmangel und Beschlussfassung gilt eine widerlegliche Vermutung, die Beweislast für die fehlende Kausalität des Einberufungsmangels tragen die Beklagten, d.h. die übrigen Wohnungseigentümer.2 Werden Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer (Rede-, Frage- und Antragsrecht) in gravierender Weise verletzt, kommt es auf eine Kausalität der Verletzung nicht an, die Beschlüsse sind dann per se anfechtbar.3

II. Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung 4.3 Zentrale Norm für die Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung ist § 24, dort Abs. 1–4 WEG. Wie oben ausgeführt, muss zusätzlich stets ein Blick in die Gemeinschaftsordnung geworfen werden, ob diese weitere oder abweichende Einberufungsmodalitäten enthält. 1. Einberufungsbefugnis a) Verwalter

4.4 Nach § 24 Abs. 1 WEG wird die Versammlung der Wohnungseigentümer von dem Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen. Der vom Gesetz genannte Verwalter ist zum einen der durch Beschluss oder Teilungserklärung ordnungsgemäß bestellte Verwalter, zum anderen aber auch der durch gerichtliche Entscheidung rechtskräftig bestellte Verwalter.4 Entscheidend ist die Verwalterstellung bei der Einberufung, abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Ver-

1 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647 (1651); Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 21.6.2006 – 2 Wx 33/05, ZMR 2006, 704; LG Düsseldorf, Urt. v. 16.3.2011 – 25 S 56/10, ZMR 2011, 898; KG, Beschl. v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, ZMR 1997, 154. 2 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 21.6.2006 – 2 Wx 33/05, ZMR 2006, 704; OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2003 – 16 Wx 216/03, ZMR 2004, 299; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZMR 2010, 719. 3 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 414 = NJW 2011, 679 = WuM 2011, 125. 4 BGH, Beschl. v. 6.5.1993 – V ZB 9/92, BGHZ 122, 327 = MDR 1993, 865 = NJW 1993, 1924; BayObLG, Beschl. v. 12.12.1988 – 2Z BR 49/88, NJW-RR 1989, 461.

100

Scheuer

Rz. 4.6 Teil 4

Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

sendung des Einladungsschreibens.5 Wurde der Beschluss über die Verwalterbestellung oder Wiederbestellung zwar angefochten, aber noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt, ist der Verwalter weiterhin zur Einberufung berechtigt.6 Auch wenn infolge der Anfechtung eine rückwirkende Aufhebung des Bestellungsbeschlusses erfolgt, bleiben die durch den Verwalter in der Zwischenzeit getätigten Handlungen wirksam.7 Der Verwalter hat auch die Möglichkeit, die Tätigkeit der Einberufung im Wege der Vertretung (Vollmacht) auf einen seiner Mitarbeiter zu delegieren.8 b) Scheinverwalter Teilweise kommt es vor, dass ein sogenannter Scheinverwalter eine Wohnungseigentümerversammlung einberuft. Ein Scheinverwalter liegt vor, wenn

4.5

– eine Bestellung nie erfolgt ist, weil ein wirksamer Bestellungsbeschluss fehlt,9 – die Bestellungszeit des Verwalters abgelaufen ist,10 – die Beschlussfassung über die Bestellung rechtskräftig für ungültig erklärt wurde,11 – der Verwalter durch Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung oder des Gerichts nach § 21 Abs. 4 WEG abberufen wurde, – der Verwalter sein Amt niedergelegt hat12 oder – die Bestellung des Verwalters nichtig ist. Ein Scheinverwalter hat keine Befugnis zur Einberufung einer Versammlung. Genehmigen jedoch alle Wohnungseigentümer nachträglich die durch den Scheinverwalter erfolgte Einberufung nebst Tagesordnung, gilt die Versammlung als wirksam einberufen, der Einberufungsmangel ist dann geheilt.13

5 OLG Köln, Beschl. v. 20.3.1998 – 16 Wx 27/98, NZM 1998, 920; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 3. 6 BayObLG, Beschl. v. 4.12.2002 – 2Z BR 84/02, WuM 2003, 171: Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2000 – 2 Wx 27/98; ZMR 2000, 478. 7 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106 = ZMR 1997, 108; BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – V ZB 20/07, MDR 2007, 1247 = ZMR 2007, 798 = ZWE 2007, 296; BayObLG, Beschl. v. 2.4.1992 – 2Z BR 4/92, NJW-RR 1992, 910; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 16.12.2002 – 3 W 202/02, ZMR 2004, 63; OLG Hamm, Beschl. v. 27.9.2006 – 15 W 98/06, ZMR 2007, 133. 8 OLG Köln, Beschl. v. 4.9.2002 – 16 Wx 114/02, ZMR 2003, 380. 9 BayObLG, Beschl. v. 30.1.1990 – 2Z BR 111/89, WuM 1990, 235. 10 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 96/10, MDR 2011, 780 = ZWE 2011, 317; BayObLG, Beschl. v. 2.4.1992 – 2Z BR 4/92, BayObLGZ 1992, 79; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.12.1985 – 8 W 338/85, NJW-RR 1986, 315. 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.2003 – 20 W 167/02, juris. 12 OLG Köln, Beschl. v. 20.3.1998 – 16 Wx 27/98, OLGR Köln 1998, 241 = NZM 1998, 920. 13 BayObLG, Beschl. v. 21.10.1996 – 2Z BR 92/96, ZMR 1997, 93; OLG Köln, Beschl. v. 20.3.1998 – 16 Wx 27/98, NZM 1998, 920.

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4.6

Teil 4 Rz. 4.7

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

c) Verwaltungsbeiratsvorsitzender, § 24 Abs. 3 WEG

4.7 Existiert in der Wohnungseigentümergemeinschaft kein Verwalter oder weigert dieser sich pflichtwidrig, eine Versammlung einzuberufen, ist sekundär auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende oder dessen Vertreter einberufungsberechtigt. aa) Fehlen des Verwalters

4.8 Ein Verwalter fehlt, wenn entweder kein Verwalter bestellt wurde oder ein Scheinverwalter (vgl. Rz. 4.5) vorliegt. Des Weiteren ist ein Verwalter nicht vorhanden, wenn die erfolgte Bestellung erfolgreich angefochten und die Einladung erst nach der Urteilsverkündung (und Zustellung an den beteiligten Verwalter) versandt wurde oder die Bestellung von Beginn an nichtig ist. Auch ist es als Fehlen i.S.v. § 24 Abs. 3 WEG anzusehen, wenn der Verwalter aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend gehindert ist, sein Amt auszuüben.14 bb) Pflichtwidrige Weigerung des Verwalters

4.9 Eine pflichtwidrige Weigerung des Verwalters zur Einberufung liegt vor, wenn der Verwalter die turnusmäßige Versammlung nach § 24 Abs. 1 WEG oder die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene bzw. die von einer ausreichenden Anzahl Wohnungseigentümern gewünschte Versammlung nach § 24 Abs. 2 WEG bzw. eine nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung notwendige Versammlung nicht einberuft.15 Eine Weigerung liegt auch dann vor, wenn der Verwalter unangemessen lange untätig geblieben ist.16 Die Länge des Zeitraums, binnen dessen einberufen werden muss, wird nicht einheitlich beurteilt, die Unangemessenheit muss vielmehr im jeweiligen Einzelfall geprüft werden. Sie reicht von unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) bis zu einem Monat;17 wird die Versammlung erst zweieinhalb Monate nach dem Einberufungsverlangen anberaumt, liegt eine pflichtwidrige Weigerung des Verwalters vor.18 Dies gilt auch, wenn der Verwalter eine Versammlung ohne gleichzeitige Neueinberufung absagt19 oder durch mehrmaliges/langfristiges Verschieben faktisch verhindert.20 Keine pflichtwidrige Weigerung liegt dagegen vor, wenn der Verwalter beabsichtigt, eine Eigentümerversammlung während der Schulferien einzuberufen.21 cc) Einladung durch den Verwaltungsbeirat

4.10 Beruft der Verwalter trotz Verpflichtung22 keine Eigentümerversammlung ein, besteht ein Ersatzeinberufungsrecht zugunsten des Verwaltungsbeiratsvorsitzenden oder dessen Stellvertreter. Der Stellvertreter des Verwaltungsbeiratsvorsitzenden besitzt nur dann ein Einberu14 LG Düsseldorf, Urt. v. 16.3.2011 – 25 S 56/10, ZWE 2012, 44; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 21; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 35; a.A. Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 71a. 15 LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 77/09, ZWE 2011, 95, LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 77/09, ZWE 2011, 130 = ZMR 2011, 744; OLG Celle, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 310/01, ZWE 2002, 276. 16 OLG Düsseldorf NZM 2004, 110; LG Hamburg ZMR 2011, 744; LG Düsseldorf ZMR 2012, 384. 17 BayObLG NZM 2003, 317; OLG Düsseldorf, NZM 2004, 110; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 23. 18 BayObLG NZM 2003, 317; LG Frankfurt (Oder) ZWE 2011, 128. 19 KG, Beschl. v. 11.5.1988 – 24 W 6454/87, GE 1988, 1119. 20 OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.1980 – 15 W 177/79, OLGZ 1981, 24; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 23. 21 BayObLG, Beschl. v. 17.4.2002 – 2Z BR 14/02; ZWE 2002, 526. 22 Vgl. dazu Rz. 4.19 ff.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.12 Teil 4

fungsrecht, wenn der Verwaltungsbeiratsvorsitzende verhindert ist oder den Stellvertreter ausdrücklich ermächtigt hat.23 Da die Einberufung der Eigentümerversammlung zur Fassung erforderlicher Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist der Vorsitzende des Verwaltungsbeirates trotz des Wortlautes in § 24 Abs. 3 WEG („kann“) nach § 21 Abs. 4 WEG zur Einberufung verpflichtet.24 Gibt es zwar einen Verwaltungsbeirat, ist das Amt des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter jedoch nicht vergeben, kann die Einladung entweder durch alle amtierenden Beiratsmitglieder ausgesprochen werden oder auch durch zwei Mitglieder des Verwaltungsbeirates. Hintergrund ist, dass auch zwei Mitglieder des Verwaltungsbeirates einen Vorsitzenden wählen könnten, so dass sie auch das Recht haben müssen, eine Eigentümerversammlung einzuberufen.25 Die Einladung durch ein einzelnes Mitglied des Verwaltungsbeirates ist hingegen nicht ausreichend.26 Die Norm des § 24 Abs. 3 WEG kann in vollem Umfang durch Vereinbarung oder durch Regelungen der Gemeinschaftsordnung abbedungen werden.27 d) Wohnungseigentümer Lädt auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende oder dessen Stellvertreter nicht zur Eigentümerversammlung ein, kann jeder einzelne Eigentümer nach § 43 Nr. 3 WEG den Verwalter gerichtlich verpflichten lassen, eine Eigentümerversammlung einzuberufen.28 Die Einberufung durch den Verwalter kann dann nach § 887 ZPO durchgesetzt werden, wobei auch eine Ermächtigung des klagenden Wohnungseigentümers zur Einberufung der Versammlung in Betracht kommt. Die erteilte Ermächtigung wird durch die Einberufung einer Eigentümerversammlung verbraucht, unabhängig davon, ob die Versammlung tatsächlich durchgeführt wurde.29

4.11

Fehlt ein Verwalter oder weigert sich dieser pflichtwidrig, die Versammlung einzuberufen, kann auch der Vorsitzende des Verwaltungsbeirates in Anspruch genommen werden; existiert ein solcher nicht, richtet sich der Anspruch gegen alle Beiräte.30 Beruft der Verwaltungsbeirat eine Eigentümerversammlung ein, ohne dass der Verwalter sich vorher pflichtwidrig geweigert hat, kann der Verwalter vom Beirat den Widerruf der Einladung und die Unterlassung der Versammlungsdurchführung verlangen, der Anspruch ist auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzbar.31 Daneben ist es für jeden einzelnen Wohnungseigentümer möglich, sich selbst gerichtlich zur Einberufung nach § 43 Nr. 1 WEG ermächtigen zu las-

4.12

23 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 25; a.A. Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 69. 24 AG Charlottenburg, Urt. v. 16.7.2009 – 74 C 25/09, ZMR 2010, 76; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 25; Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 75; a.A. Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 40; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 3. 25 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 25a; Skauradzun, ZWE 2016, 61. 26 OLG Köln, NJW-RR 2000, 1616; AG Siegburg ZMR 2007, 736; Bassenge in Palandt, § 24 WEG Rz. 3; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 25a. 27 BayObLG, Beschl. v. 2.8.1990 – 2Z BR 69/90, WE 1991, 297; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.9.1987 – 20 W 147/87, OLGZ 1988, 43; OLG Köln, Beschl. v. 9.1.1996 – 16 Wx 214/95, WuM 1996, 246. 28 LG Frankfurt (Oder) ZWE 2011, 128. 29 BayObLG, Beschl. v. 28.3.1990 – 1b Z BR 13/89; WE 1991, 226. 30 AG Charlottenburg, Urt. v. 16.7.2009 – 74 C 25/09, ZMR 2010, 76; Merle in Bärmann, § 24 Rz. 27a. 31 AG Charlottenburg, Urt. v. 25.9.2012 – 73 C 1005/12, ZWE 2013, 41; AG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2009 – 102dC 127/09, ZMR 2010, 477.

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Teil 4 Rz. 4.12

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

sen. Ein solcher Anspruch besteht, wenn der einzelne Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch auf Beschlussfassung über eine bestimmte Angelegenheit hat.32 Das Gericht trifft seine Entscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 21 Abs. 8 WEG. Der einzelne Wohnungseigentümer kann sich auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zur Einberufung einer Eigentümerversammlung ermächtigen lassen33

4.13 Zuletzt können auch alle Eigentümer gemeinsam eine Versammlung einberufen, zu einer solchen zusammentreffen und eine Versammlung auch gemeinsam absagen.34 e) Einberufung durch Nichtberechtigte aa) Gänzlich unbekannter Dritter

4.14 Umstritten ist, wie sich die Einberufung der Eigentümerversammlung durch eine unzuständige Person auf die in der Versammlung gefassten Beschlüsse auswirkt. Zunächst ist wohl darauf abzustellen, ob der einzelne Wohnungseigentümer bei Erhalt des Ladungsschreibens auf den ersten Blick erkennen konnte, dass ein Nichtberechtigter (z.B. Person, die in keiner tatsächlichen oder rechtlichen Beziehung zur Wohnanlage steht, gänzlich unbekannt ist) zur Versammlung einlädt. Ist dies der Fall, kann und muss jeder Wohnungseigentümer davon ausgehen, dass aufgrund dieser Einladung keine Eigentümerversammlung stattfinden kann, so dass eine Nichteinladung vorliegt und sämtliche Beschlüsse nichtig sind.35 bb) Nicht ermächtigte Person

4.15 Wird die Eigentümerversammlung dagegen durch eine früher berechtigte Person oder eine nicht ermächtigte Person einberufen (z.B. früherer oder zukünftiger Verwalter, faktischer Verwalter, nicht ermächtigter Eigentümer, Verwaltungsbeiratsvorsitzender ohne die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 WEG), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die in einer solchen Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse nichtig oder „nur“ anfechtbar sind. Die wohl h.M. geht davon aus, dass die Beschlüsse wirksam, aber anfechtbar sind und in Bestandskraft erwachsen können.36 Nach einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung sollen die Beschlüsse dagegen nichtig sein.37 Die h.M. dürfte richtig sein. cc) Folgen der Einladung durch Nichtberechtigten

4.16 Sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse aufgrund der Einladung durch eine nicht ermächtigte Person anfechtbar, ist die Anfechtung nur erfolgreich, wenn sich der Einberu-

32 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten; WEG, § 24 Rz. 4; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 27 f. 33 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 28; Hügel/Elzer, NZM 2009, 457. 34 BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 222/10, ZMR 2011, 892 = ZWE 2011, 354; OLG Köln NZM 2003, 810; Pfälzisches OLG ZWE 2010, 464; OLG Celle OLGR 2000, 251 = MDR 2000, 1428. 35 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 128, 182; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 28; Elzer in Jennißen, § 23 Rz. 24. 36 BayObLG, Beschl. v. 17.4.2002 – 2Z BR 14/02, ZMR 2002, 774 = ZWE 2002, 526; BayObLG, Beschl. v. 30.6.2004 – 2Z BR 113/04, WuM 2004, 563 = NZM 2005, 308; OLG Köln, Beschl. v. 9.1.1996 – 16 Wx 214/95, WuM 1996, 246; OLG Hamm, Beschl. v. 2.9.1996 – 15 W 138/96, ZMR 1997, 49; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 28; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 28. 37 Sauren § 24 WEG Rz. 6.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.20 Teil 4

fungsmangel kausal auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.38 So hat die Anfechtung keinen Erfolg, wenn feststeht, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einladung genauso gefasst worden wäre.39 Hinweis: Da der Anfechtungskläger für die Kausalität des Einladungsmangels darlegungs- und beweisbelastet ist,40 muss der ihn beratende Rechtsanwalt hier sorgfältig argumentieren und nicht nur auf die Kausalitätsvermutung verweisen. In Betracht kommt z.B. eine Argumentation dahingehend, dass ein oder mehrere Wohnungseigentümer aufgrund der Kenntnis vom Einberufungsmangel nicht zur Versammlung erschienen sind, bei einer ordnungsgemäßen Einladung aber erschienen wären und mit abgestimmt hätten. Weiter muss dann dargelegt werden, dass diese Eigentümer durch ihre Wortbeiträge in der Versammlung möglicherweise andere Eigentümer von ihrer Sichtweise überzeugt hätten, so dass ein abweichendes Beschlussergebnis zustande gekommen wäre.

4.17

Der die übrigen Wohnungseigentümer vertretende Rechtsanwalt muss demgegenüber zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung sorgfältig dahingehend argumentieren, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einladung nicht anders gefasst worden wäre, z.B. weil der anfechtende Wohnungseigentümer eine Einzelmeinung vertritt41 oder die Beschlüsse ohne Gegenstimme gefasst wurden. Auch fehlt es an einer Kausalität, wenn die Beschlussfassung in einer Zweitversammlung in Anwesenheit des Anfechtenden wiederholt wird.42

4.18

2. Einberufungsverpflichtung In folgenden Fällen ist der Verwalter zur Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung verpflichtet:

4.19

– nach § 24 Abs. 1 WEG mindestens einmal im Jahr; – nach § 24 Abs. 2 WEG auf Verlangen von mehr als 1/4 der Wohnungseigentümer; – wenn in der Gemeinschaftsordnung bestimmte Gründe dies vorsehen; – wenn eine Einberufung der Versammlung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung geboten ist oder – wenn die einberufene Versammlung nicht beschlussfähig ist, § 25 Abs. 4 S. 1 WEG. a) Turnusmäßige Einberufung nach § 24 Abs. 1 WEG Nach § 24 Abs. 1 WEG muss der Verwalter mindestens einmal im Jahr eine Wohnungseigentümerversammlung einberufen. Hierdurch soll die regelmäßige Beteiligung der Wohnungs38 Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.8.2003 – 5 W 11/03, ZMR 2004, 67; OLG Celle, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 310/01, ZWE 2002, 276; OLG Hamm, Beschl. v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, ZWE 2002, 468. 39 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647; LG München I, Urt. v. 28.6.2012 – 36 S 17241/11 WEG, ZWE 2013, 139; BayObLG, Beschl. v. 18.3.1999 – 2Z BR 151/98, NZM 1999, 672; KG, Beschl. v. 18.11.1998 – 24 W 4180/97, ZMR 1999, 426. 40 OLG Köln WE 1996, 311. 41 BayObLG, Beschl. v. 7.2.2002 – 2Z BR 161/01, ZMR 2002, 532; KG, Urt. v. 4.9.1996 – 24 W 6566/95, ZMR 1997, 154. 42 OLG Köln, Beschl. v. 17.3.2009 – 16 Wx 169/08, ZMR 2009, 627; KG, Beschl. v. 18.5.2009 – 24 W 17/08, ZMR 2009, 790.

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4.20

Teil 4 Rz. 4.20

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

eigentümer als oberstes Verwaltungsorgan gewährleistet werden. In dieser sogenannten ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung sind – wie sich aus § 28 Abs. 1 und 3 WEG ergibt – die Jahresabrechnung des Vorjahres und der Wirtschaftsplan zu beschließen. Die Einberufung der jährlichen Wohnungseigentümerversammlung ist eine der Kardinalpflichten des Verwalters – eine diesbezügliche Pflichtverletzung kann einen Abberufungsgrund darstellen. Der genaue Zeitpunkt der jährlichen Versammlung ist gesetzlich nicht vorgegeben, er steht im Ermessen des Verwalters.43 Da in der jährlichen Versammlung jedoch im Regelfall über die Jahresabrechnung des abgelaufenen Wirtschaftsjahres und den Wirtschaftsplan des kommenden Wirtschaftsjahres abgestimmt wird, ist es sinnvoll und empfehlenswert, die turnusmäßige Eigentümerversammlung innerhalb der ersten Monate eines Jahres44 abzuhalten.

4.21 Die Wohnungseigentümer können gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 WEG von § 24 Abs. 1 WEG abweichende Vereinbarungen treffen. Bestimmt werden kann z.B. ein über ein Jahr hinausgehender Turnus zur Einberufung oder die Verpflichtung zur Durchführung von zwei Eigentümerversammlungen pro Jahr. Hingegen ist es nicht möglich, die Eigentümerversammlung gänzlich abzuschaffen, da es sich bei dem Teilhaberecht der Wohnungseigentümer an der Versammlung um den Kernbereich des Wohnungseigentums handelt.45

4.22 Durch Beschluss kann von der gesetzlichen (oder der in der Gemeinschaftsordnung bestimmten) Regelung nicht abgewichen werden. b) Einberufung auf Verlangen der Wohnungseigentümer, § 24 Abs. 2 WEG

4.23 Eine Eigentümerversammlung muss von dem Verwalter auch dann einberufen werden, wenn dies schriftlich und unter Angabe des Zweckes und der Gründe von mehr als 1/4 der Wohnungseigentümer beantragt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob bereits die turnusmäßige Versammlung des Kalenderjahres stattgefunden hat. aa) Bestimmung des Minderheitenquorums

4.24 Bei der Berechnung der erforderlichen Zahl von Wohnungseigentümern kommt es allein auf die Kopfzahl der Wohnungseigentümer an, dies gilt auch dann, wenn das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung nach einem anderen Kriterium – etwa Miteigentumsanteile oder Einheiten – erfolgt.46 Steht eine Einheit im Bruchteilseigentum mehrerer Personen (z.B. Ehegatten), zählen die Bruchteilsberechtigten nur als ein „Kopf“; das Einberufungsverlangen muss demnach einheitlich ausgeübt und von allen Bruchteilsberechtigten auch unterschrieben werden.47

4.25 Umstritten ist, ob auch Eigentümer, die nach § 25 Abs. 5 WEG von der Ausübung ihres Stimmrechtes in der Eigentümerversammlung ausgeschlossen sind oder deren Stimmrecht 43 BayObLG, Beschl. v. 20.2.2003 – 2Z BR 1/03, NZM 2003, 317; BayObLG, Beschl. v. 13.12.2001 – 2Z BR 93/01. 44 Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 4 „innerhalb der ersten drei Monate“; Sauren, § 24 WEG Rz. 9 „in der 1. Jahreshälfte“; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 7 „am Anfang oder am Ende eines Kalenderjahres“. 45 A.A. Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 8. 46 OLG Hamm, NJW 1973, 2300; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 9; Merle in Bärmann, § 24 Rz. 10. 47 Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 68; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 9; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 10.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.29 Teil 4

ruht, das Einberufungsverlangen mit tragen können. Die wohl h.M. in der Literatur48 bejaht dies, was überzeugend ist. Die Ansicht der Mindermeinung,49 nach der aufgrund des Stimmrechtsausschlusses des Wohnungseigentümers davon ausgegangen werden soll, dass der ausgeschlossene Eigentümer gänzlich von der Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft ausgeschlossen werden soll, erscheint zu weitgehend und schränkt die Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers über Gebühr ein. Umstritten ist, ob das Minderheitenquorum durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer gänzlich abbedungen oder erschwert werden kann. Nach h.M.50 ist eine gänzliche Abbedingung nicht möglich, dieser Ansicht ist zu folgen, da das Einberufungsverlangen zu den grundlegenden Minderheitsrechten in der Wohnungseigentümergemeinschaft zählt. Keinen Bedenken unterliegt dagegen eine Erleichterung der Voraussetzungen des Einberufungsverlangens, die Quote der erforderlichen Kopfstimmen kann daher verringert51 oder auf das Schriftformerfordernis verzichtet werden.52

4.26

Umstritten ist auch, ob die Voraussetzungen des Minderheitenquorums zu Lasten der Eigentümer erschwert werden dürfen, z.B. durch Erhöhung der erforderlichen Kopfquote. Teilweise wird vertreten, dass eine Verschärfung der Quote auf 1/3 möglich wäre und nur ein Missbrauch vorliege, wenn die erforderliche Zahl der Eigentümer auf mehr als die Hälfte angesetzt werde.53 Die wohl h.M. geht allerdings davon aus, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Quote als Höchstgrenze anzusehen ist, die nur nach unten verändert werden darf.54 Anderenfalls ginge der Charakter als Minderheitenrecht verloren. Die h.M. dürfte richtig sein.

4.27

bb) Form und Inhalt des Einberufungsverlangens Das an den Verwalter zu richtende empfangsbedürftige Minderheitenquorum ist schriftlich an den Verwalter zu richten, die Erleichterungen der elektronischen Form und der Textform nach § 126 a und b BGB greifen nicht, so dass E-Mail oder Telefax55 nicht ausreichend sind. Insbesondere ist darauf zu achten, dass sämtliche betroffenen Eigentümer (bei Bruchteilseigentum also sämtliche Bruchteilseigentümer) das Einberufungsverlangen eigenhändig unterschreiben müssen. Wird das schriftliche Einberufungsverlangen von einem Vertreter abgegeben, kann der Verwalter bei Fehlen einer Vollmacht das Einberufungsverlangen nach § 174 BGB unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht zurückweisen, sofern dies unverzüglich erfolgt.

4.28

In dem Einberufungsverlangen müssen der Zweck und die Gründe für die Durchführung der Eigentümerversammlung benannt werden. Die Eigentümer müssen zum Ausdruck bringen, welche Angelegenheit in der Eigentümerversammlung behandelt werden soll und wes-

4.29

48 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 10; Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 68; Elzer in Jennißen, § 24 Rz. 11; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 24. 49 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 9. 50 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 10; Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 68; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 23. 51 Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 31. 52 LG Hamburg ZWE 2011, 95. 53 Bassenge in Palandt, § 24 WEG Rz. 1; Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 31. 54 Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 23; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 12; Lüke in Weitnauer, § 24 WEG Rz. 3. 55 BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169.

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Teil 4 Rz. 4.29

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

halb nicht bis zur nächsten ordentlichen Versammlung abgewartet werden kann. Nicht erforderlich ist die genaue Formulierung eines Beschlussantrages.56 cc) Einberufungspflicht des Verwalters

4.30 Sind die formellen Anforderungen des Minderheitenquorums erfüllt, muss der Verwalter die Eigentümerversammlung einberufen. Ein materielles Prüfungsrecht der Gründe auf Plausibilität kommt dem Verwalter nicht zu,57 da durch § 24 Abs. 2 gerade erreicht werden soll, dass auch entgegen der Auffassung des Verwalters eine Eigentümerversammlung einberufen werden kann. Nur wenn das Minderheitenrecht offensichtlich missbraucht wird, kann der Verwalter die Einberufung verweigern.

4.31 Den Zeitpunkt der Versammlung bestimmt der Verwalter – ihm steht insoweit ein Ermessensspielraum zu.58 An Terminvorgaben oder -wünsche der Eigentümer ist der Verwalter nicht gebunden, er darf jedoch die Einberufung nicht ungebührlich verzögern. Eine solche Verzögerung wurde bei einer erst zweieinhalb Monate nach Eingang des Einberufungsverlangens anberaumten Eigentümerversammlung bejaht.59 Entscheidend ist die Dringlichkeit des in der Versammlung zu behandelnden Themas.

4.32 Hinweis: Es ist nicht erforderlich, dass das Minderheitenquorum bis zur Einberufung der Versammlung fortbesteht, entscheidend ist allein der Bestand während des Zugangs des Einberufungsverlangens beim Verwalter.

c) Ordnungsmäßige Verwaltung

4.33 Der Verwalter ist unabhängig von einem Einberufungsverlangen auch dann zur Einberufung einer Eigentümerversammlung verpflichtet, wenn nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung dringend eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeigeführt werden muss.60 Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 4 WEG. Beispiele sind das Auftreten notwendiger Instandhaltungsmaßnahmen, die Deckung eines unvorhergesehenen Liquiditätsbedarfs oder die Neubestellung oder Abberufung eines Verwalters.61 d) Gemeinschaftsordnung

4.34 Die Gemeinschaftsordnung kann weitere Gründe vorsehen, bei deren Vorliegen eine Einberufung durch den Verwalter erfolgen muss. Auch bei Vorliegen solcher Einberufungsgründe ist, wie § 24 Abs. 2 deutlich macht, nur der Verwalter zur Einberufung befugt, sofern die Gemeinschaftsordnung nicht andere Bestimmungen beinhaltet.

56 Bub in Staudinger, § 24 WEG Rz. 67; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 14. 57 OLG München, Beschl. v. 21.6.2006 – 34 Wx 28/06, ZMR 2006, 719; BayObLG, Beschl. v. 20.2.2003 – 2 Z BR 1/03, NZM 2003, 317; LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 77/09, ZMR 2011, 744. 58 BayObLG, Beschl. v. 29.11.2009 – BReg 2 Z 72/90, WuM 1991, 131. 59 OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.1980 – 15 W 177/79, OLGZ 1981, 24. 60 OLG Köln, Beschl. v. 15.3.2004 – 16 Wx 245/03, NJW-RR 2004, 733 = NZM 2004, 305; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 17; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 14. 61 OLG Köln, Beschl. v. 15.3.2004 – 16 Wx 245/03, NJW-RR 2004, 733 = NZM 2004, 305.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.39 Teil 4

e) Wiederholungsversammlung Nach § 25 Abs. 4 S. 1 WEG ist der Verwalter verpflichtet, eine Wiederholungsversammlung einzuberufen, wenn eine einberufene Versammlung beschlussunfähig ist.62

4.35

3. Absage und Verlegung der Eigentümerversammlung Die Personen, die zur Einberufung einer Versammlung berechtigt sind, haben auch das Recht, eine einberufene Versammlung wieder abzusagen oder zu verlegen.63 Ist die Versammlung von sämtlichen Eigentümern einberufen worden, kann eine Absage auch nur durch alle Eigentümer erfolgen.64 Eine Absage oder Verlegung der Eigentümerversammlung muss so rechtzeitig erfolgen, dass gewährleistet ist, dass alle Eigentümer hiervon Kenntnis erlangen und eben nicht zu dem ursprünglichen Termin erscheinen.65 Zu beachten sind hier insbesondere Postlaufzeiten bei im Ausland ansässigen Wohnungseigentümern. Der Verwalter kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn dem einzelnen Wohnungseigentümer unnötige Reiskosten entstehen.

4.36

Durfte der Verwaltungsbeirat eine Eigentümerversammlung einberufen, weil der Verwalter sich pflichtwidrig weigerte, ist der Verwalter nicht zur Absage berechtigt, weil sonst das Notladungsrecht des Verwaltungsbeirates jederzeit ausgehebelt werden könnte.

4.37

4. Form der Einberufung Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 WEG muss die Einberufung der Eigentümerversammlung, soweit nicht in der Gemeinschaftsordnung oder mittels Vereinbarung etwas Abweichendes vorgeschrieben ist, in Textform erfolgen. Die Erklärung muss daher nach § 126b BGB in einer Urkunde oder in anderer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung erkennbar sein. Zulässig ist demnach die Einberufung per Post, E-Mail, E-Post-Brief oder (Computer-)Fax. Werden Texte nur auf der Homepage des Verwalters bereitgestellt und die Wohnungseigentümer darüber informiert, ist § 126b BGB nur erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass ein Download erfolgte.66

4.38

Eine eigenhändige Unterschrift des Verwalters oder der einberufenden Person unter der Einladung ist nicht mehr erforderlich, es ist ausreichend, wenn der Einberufende z.B. durch Nennung im Text ersichtlich ist und der Abschluss des Einberufungsschreibens in geeigneter Weise, z.B. durch eine Grußformel, ersichtlich ist.67 Bei einer Einladung auf elektronischem Weg ist zu beachten, dass trotz der Verbreitung der elektronischen Kommunikationswege ein Eigentümer nicht zwingend damit rechnen muss, eine Einladung per E-Mail oder E-Post-Brief zu erhalten. Der Einladende muss daher stets prüfen, ob auf Seiten der Wohnungseigentümer

4.39

62 Zu den Voraussetzungen vgl. unten Rz. 4.90. 63 OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.1980 – 15 W 85/80, OLGZ 1981, 24; LG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.2019 – 11 T 327/08, ZMR 2010, 715. 64 BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 222/10, ZMR 2011, 892. 65 BGH, Urt. v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, BGHZ 100, 264 = MDR 1987, 1004 = NJW 1987, 2580. 66 Hanseatisches OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2006 – 3 U 103/06, OLGR Hamburg 2007, 114 = NJWRR 2007, 839; KG, Urt. v. 18.7.2006 – 5 W 156/06, KGR Berlin 2006, 812 = NJW 2006, 3215. 67 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 33; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 16.

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Teil 4 Rz. 4.39

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

Einverständnis mit einer elektronischen Einladung besteht, z.B. weil die elektronischen Kontaktdaten ausdrücklich bekannt gegeben wurden.68

4.40 Die Einladung ist an die dem Verwalter zuletzt bekannt gegebene Anschrift des Wohnungseigentümers zu versenden.69 5. Frist der Einberufung a) Regelmäßige Einberufungsfrist

4.41 Nach § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG soll die Einberufungsfrist, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, mindestens zwei Wochen betragen. Hintergrund ist, das Teilnahmerecht eines jeden Wohnungseigentümers sicherzustellen. Für die Berechnung der Zwei-Wochen-Frist gilt § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB, d.h. die Versammlung kann frühestens an dem Folgetag des Zugangs der Einladung erfolgen. Geht die Einladung demnach z.B. an einem Dienstag zu, kann die Eigentümerversammlung frühestens am Mittwoch der übernächsten Woche stattfinden. Ohne Bedeutung für die Fristberechnung ist, ob das Ende der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt, § 193 BGB ist nicht anwendbar.70 b) Verkürzte Einberufungsfrist (besondere Dringlichkeit)

4.42 Liegt ein Fall besonderer Dringlichkeit vor, kann die Einberufungsfrist verkürzt werden. Erforderlich ist, dass die Angelegenheit so eilig ist, dass die gesetzliche Einladungsfrist nicht eingehalten werden kann, ohne dass die Wohnungseigentümer Gefahr liefen, einen erheblichen Schaden zu erleiden. Eine besondere Dringlichkeit wurde im Falle eines möglichen Heizungsausfalles im Herbst oder bei plötzlichen Erkenntnissen über die Einsturzgefahr einer Garage71 bejaht. Keinen Fall besonderer Dringlichkeit kann das Auslaufen der Verwalterbestellung darstellen, da es sich dabei nicht um ein plötzliches Ereignis handelt und ein kurzfristiger verwalterloser Zustand in der Regel keine Eilbedürftigkeit hervorruft.72 In jedem Fall muss ausgeschlossen sein, dass die verkürzte Einberufungsfrist die Eigentümer unzumutbar in der Ausübung ihrer Stimmrechte beeinträchtigt.73 c) Vereinbarte Einberufungsfrist

4.43 § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG kann durch Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung oder sonstige Vereinbarung) abgeändert werden – möglich ist dabei sowohl die Vereinbarung einer längeren als

68 Ellenberger in Palandt, BGB, § 126b Rz. 3. 69 LG Hamburg, Urt. v. 5.10.2011 – 318 S 245/10, ZWE 2012, 55; LG Karlsruhe, Urt. v. 25.10.2013 – 11 S 16/13, ZWE 2014, 93. 70 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 39; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 18. 71 LG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.2013 – 19 S 88/12, NJW-RR 2013, 1481 = ZMR 2013, 821 = NZM 2013, 795. 72 AG Krefeld, Urt. v. 5.8.2015 – 14 C 23/15, ZMR 2015, 972; LG Berlin, Beschl. v. 31.1.2012 – 85 T 31/12 WEG, ZMR 2012, 569. 73 LG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.2013 – 19 S 88/12, NJW-RR 2013, 1481 = ZMR 2013, 821 = NZM 2013, 795; LG München, Urt. v. 16.5.2011 – 1 S 5166/11, NJW-RR 2011, 1580 = ZWE 2011, 377.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.46 Teil 4

auch einer kürzeren Ladungsfrist.74 Eine Verkürzung der Ladungsfrist im Verwaltervertrag ist hingegen nicht möglich.75 6. Inhalt der Einberufung Der Inhalt der Einberufung ist gesetzlich nicht normiert, er liegt vielmehr im Ermessen der einberufungsberechtigten Person. Der Empfänger muss der Einladung zur Eigentümerversammlung mindestens entnehmen können, für welche Wohnungseigentümergemeinschaft eingeladen wird, an welchem Tagungsort die Eigentümerversammlung stattfindet, wann die Versammlung stattfinden soll und welche Themen Gegenstand der Beschlussfassung sein sollen.

4.44

a) Bezeichnung der Beschlussgegenstände durch den Verwalter aa) Inhaltliche Bezeichnung Im Regelfall wird die Eigentümerversammlung von dem Verwalter einberufen, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung im Rahmen billigen Ermessens entscheidet, welche einzelnen Punkte er auf die Tagesordnung nimmt. Dabei müssen die einzelnen Tagesordnungspunkte nach § 23 Abs. 2 WEG bei der Einberufung so bezeichnet sein, dass sich der einzelne Wohnungseigentümer anhand der Tagesordnung auf die Eigentümerversammlung vorbereiten und entscheiden kann, ob er an der Versammlung teilnehmen will.76 Gegenstand der Eigentümerversammlung müssen sämtliche Angelegenheiten der Gemeinschaft sein, deren Behandlung im Interesse aller Wohnungseigentümer liegt.

4.45

Der Inhalt der Bezeichnung ist dabei von der Bedeutung des Beschlussgegenstandes abhängig und richtet sich nach dem berechtigten Informationsbedürfnis der Wohnungseigentümer.77 Erforderlich aber auch ausreichend ist, wenn die Tagesordnung und die vorgesehenen Beschlüsse so genau bezeichnet werden, dass die Wohnungseigentümer überblicken können, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erläutert und beschlossen werden soll und welche Auswirkungen der Beschluss auf die Gemeinschaft hat.78 In der Regel genügt eine schlagwortartige Bezeichnung des Tagesordnungspunktes.79 Je bedeutsamer jedoch die Angele-

4.46

74 BayObLG, Beschl. v. 15.12.2004 – 2Z BR 163/04, WuM 2005, 148; OLG Dresden, Beschl. v. 30.10.2008 – 3 W 845/08, ZMR 2009, 301 = WE 2009, 126. 75 OLG Dresden, Beschl. v. 30.10.2008 – 3 W 845/08, ZMR 2009, 301 = WE 2009, 126; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 37. 76 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZWE 2012, 125; OLG München, Beschl. v. 14.9.2006 – 34 Wx 49/06, NZM 2006, 934; LG Karlsruhe, Urt. v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZWE 2010, 377; LG München I, Urt. v. 10.1.2013 – 36 S 8058/12 WEG, ZWE 2013, 413; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 20.1.2006 – 2 W 24/05, ZWE 2007, 51. 77 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 86; OLG Hamm, Beschl. v. 8.12.1992 – 15 W 218/91, NJW-RR 1993, 468. 78 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZWE 2012, 125; AG Düsseldorf, Beschl. v. 7.7.2008 – 291 II 98/07 WEG, ZMR 2008, 917. 79 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZWE 2012, 125; BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = ZWE 2013, 368; LG Itzehoe, Urt. v. 28.5.2014 – 11 S 85/13, ZWE 2015, 32; LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 27.1.2014 – 2-13 T 56/13, ZWE 2014, 337; OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2002 – 4 W 6/02, ZWE 2002, 474; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2001 – 3 Wx 7/01, ZWE 2001, 499.

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111

Teil 4 Rz. 4.46

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

genheit ist, desto deutlicher muss die Bezeichnung in der Einladung erfolgen.80 Es ist nicht erforderlich, bereits den Entwurf eines beabsichtigten Beschlusses oder einen konkreten Beschlussantrag mitzuteilen,81 geschieht dies gleichwohl, kann der Beschlussentwurf später noch geändert werden.82 Geschäftsordnungsbeschlüsse, d.h. Beschlüsse über das Verfahren der Wohnungseigentümerversammlung, müssen bei der Einberufung nicht angekündigt werden.83

4.47 Die Punkte „Entlastung des Verwalters/des Verwaltungsbeirates“ sollten stets eigene Tagesordnungspunkte darstellen und nicht mit einer Beschlussfassung über die Jahresabrechnung verknüpft werden. Es handelt sich um unterschiedliche Regelungsgehalte, die einer separierten Beschlussfassung bedürfen. Die Entlastung des Verwalters für „seine Tätigkeit“ enthält keinen Beschluss über die Jahresabrechnung.84

4.48 Beispiele ausreichender Bezeichnung aus der Rechtsprechung: „Wahl des Verwalters“ oder „Neuwahl des Verwalters“ umfasst nicht nur die Bestellung, sondern auch die Beratung über wesentliche Eckpunkte des Verwaltervertrages;85 „Verwalterbestellung“ für Bestellung des Verwalters und Höhe der Vergütung;86 „Erneuerung des Verwaltervertrages“ für Erhöhung der Verwaltervergütung;87 „Vertragsschluss mit neuer Hausverwaltung“ kann auch für die Wiederbestellung des bisherigen Verwalters dienen, da das Wort „neu“ die Wiederbestellung nicht ausschließt;88 „Neubestellung/Wiederbestellung des Verwalters“ erlaubt auch die Bestellung eines neuen Verwalters;89 „Abberufung des Verwalters“ deckt auch die Kündigung des Verwaltervertrages;90 „außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrages“ deckt auch die Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund;91 „Wirtschaftsplan“ soll wegen § 28 Abs. 1 Nr. 3 WEG auch einen Beschluss über die Erhöhung der Instandhaltungsrücklage decken;92 „Verwaltungsabrechnung 2008 – Erläuterung der Abrechnung“ für die Genehmigung der Abrechnung; „Genehmigung des Wirtschaftsplans für einen abgelaufenen Zeitraum“ deckt auch die Fortgeltung des Wirtschaftsplans;93 „Reinigung des Treppenhauses“ für die Beschlussfassung über Reinigungskosten;94 „Vorgehen wegen der Feuchtigkeitsschäden im Haus“ für die Beauftragung eines Sachverständigen zur Schadensermittlung;95 „Wahl der die Sanierung ausführenden Firma“ für die 80 OLG München, Beschl. v. 14.9.2006 – 34 Wx 49/06, ZMR 2006, 954; LG Karlsruhe, Urt. v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZMR 2011, 588. 81 OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2002 – 4 W 6/02, ZWE 2002, 474; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 87. 82 LG München I, Urt. v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZWE 2010, 138. 83 LG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2011 – 2-13 S 118/10, NZM 2012, 120; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 88; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 23 Rz. 72. 84 KG, Beschl. v. 18.6.1986 – 24 W 4940/85, NJW-RR 1986, 1337. 85 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, ZMR 2009, 64 = ZWE 2009, 27; SchleswigHolsteinisches OLG, Beschl. v. 20.1.2006 – 2 W 24/05, ZWE 2007, 51 = NZM 2006, 822; OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2002 – 4 W 6/02, ZWE 2002, 474. 86 BayObLG, Beschl. v. 24.8.2000 – 2Z BR 25/00, ZMR 2000, 858; BayObLG, Beschl. v. 19.12.2002 – 2Z BR 104/02, NZM 2003, 154 = WuM 2003, 168; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 20.1.2006 – 2 W 24/05, ZWE 2007, 51 = NZM 2006, 822. 87 BayObLG, Beschl. v. 13.12.1984 – 2Z BR 5/85, MDR 1985, 412. 88 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 20.1.2006 – 2 W 24/05, ZWE 2007, 51 = NZM 2006, 822. 89 LG Frankfurta.M., Urt. v. 30.4.2014 – 2-13 S 38/13, ZWE 2014, 327 = ZMR 2014, 821. 90 AG Charlottenburg, Urt. v. 18.1.2013 – 73 C 98/12, ZWE 2013, 274. 91 BayObLG, Beschl. v. 16.11.1995 – 2Z BR 108/95, WuM 1996, 116 = WE 1996, 237. 92 BayObLG, Beschl. v. 5.10.2000 – 2 Z BR 59/00, NZM 2000, 1239. 93 KG, DWE 1990, 110. 94 AG Lüdenscheid, Beschl. v. 18.4.1984 – 15 II 279/83 WEG. 95 OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2002 – 16 Wx 177/02, NZM 2003, 121.

112

Scheuer

Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.53 Teil 4

Übertragung der Auswahl auf den Verwaltungsbeirat;96 „Abmeierungsklage“ für einen Beschluss über die Entziehung des Wohnungseigentums.97 Beispiele ungenügender Bezeichnung aus der Rechtsprechung: „Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung“ reicht nicht für eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels;98 „Hausordnungsänderung“ zu unbestimmt wegen der Vielzahl der möglichen Änderungen;99 „Antrag der Stadt N wg. diverser Umbauarbeiten“ ist zu unbestimmt;100 „Verwaltung/Verwalter“ reicht nicht für eine Abwahl des Verwalters;101 „Novellierung der Trinkwasserverordnung“ lässt nicht erkennen, dass über die Kostentragung beschlossen werden soll;102 „Hausgeldabrechnung“ für eine Änderung der Kostenverteilung;103 „Beschlüsse zur Großsanierung“ für Beschlüsse zu konkreten Einzelmaßnahmen.104

4.49

bb) Beifügung von Unterlagen Von der inhaltlichen Ankündigung des Beschlussgegenstandes zu unterscheiden ist die Frage, welche Informationen und Unterlagen den Wohnungseigentümern mit der Einladung zugesandt werden müssen. Spätestens in der Wohnungseigentümerversammlung müssen den Wohnungseigentümern alle notwendigen Informationen für eine Beschlussfassung vorliegen, die Wohnungseigentümer müssen sich aber schon anhand der Einladung hinreichend auf die Wohnungseigentümerversammlung vorbereiten können. Es empfiehlt sich daher, schon mit der Einladung alle notwendigen Unterlagen für die Beschlussfassung zu übersenden.

4.50

Hinweis: Werden z.B. Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne zur Beschlussfassung gestellt, sind die jeweiligen Einzel- und Gesamtabrechnungen, -wirtschaftspläne den Wohnungseigentümern rechtzeitig unter Berücksichtigung der Ladungsfrist zur Verfügung zu stellen, damit diese sich hinreichend vorbereiten können.105

4.51

Sollen größere Instandhaltungs-/Instandsetzungsmaßnahmen beschlossen und Handwerker beauftragt werden, ist es nach derzeit herrschender Auffassung erforderlich, vor der Vergabe dieser Arbeiten mehrere Vergleichsangebote einzuholen,106 wobei übereinstimmend von drei Angeboten ausgegangen wird. Den Wohnungseigentümern müssen mit der Einladung auch die jeweiligen Angebote der Handwerksfirmen für die zu beschließenden Maßnahmen übersandt werden, damit diese sich vor der Versammlung eine Meinung dahingehend bilden können, welche Maßnahmen und welcher Betrieb beauftragt werden sollen.

4.52

In der Verwalterpraxis und Teilen der Literatur mehren sich die Stimmen, dass die Erforderlichkeit der Einholung von drei Vergleichsangeboten in Zeiten angespannter Handwerkermärkte nicht mehr praxisgerecht ist. Begründet wird dies damit, dass durch das Erfordernis der Einholung von drei Angeboten größere Instandsetzungsmaßnahmen weitgehend unmög-

4.53

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

KG, Beschl. v. 10.9.2003 – 24 W 141/02, ZMR 2004, 622. KG, Beschl. v. 22.11.1995 – 24 W 2452/95, ZMR 1996, 223 = NJW-RR 1996, 526. BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, MietRB 2010, 300 = NZM 2010, 622. OLG Köln, Beschl. v. 14.10.1987 – 16 Wx 60/87, DWE 1988, 24. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.11.2003 – I-3 Wx 123/03, ZMR 2004, 282. OLG Düsseldorf, Beschhl. V. 6.9.1985 – 3 W 145/85, NJW-RR 1986, 96 = DWE 1986, 23. AG Heiligenstadt, Urt. v. 20.12.2013 – 3 C 331/13, ZWE 2014, 465 = ZMR 2014, 490. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2005 – I-3 Wx 79/05, ZMR 2005, 895. OLG München, Beschl. v. 14.9.2006 – 34 Wx 49/06, NZM 2006, 934. BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZWE 2012, 125. BayObLG, Beschl. v. 9.9.1999 – 2Z BR 54/99, ZWE 2000, 37; LG Hamburg, Urt. v. 12.11.2014 – 318 S 74/14, ZWE 2012, 285; LG Hamburg, Urt. v. 12.11.2014 – 318 S 74/14; NJW-RR 2015, 914; LG München I, Urt. v. 6.10.2014 – 1 S 21342/13 WEG, ZWE 2015, 423.

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Teil 4 Rz. 4.53

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

lich und damit verschleppt würden.107 Die Rechtsprechung108 hält jedoch bislang an dem Erfordernis der Einholung von drei Angeboten fest, so dass auch Verwalter zumindest darum bemüht sein sollten, diese einzuholen. Gelingt dies nicht, kann zumindest in einem möglichen Anfechtungsverfahren dargelegt und bewiesen werden, dass eine Einholung mehrerer Vergleichsangebote nicht möglich war. b) Bezeichnungsrecht der Wohnungseigentümer aa) Minderheitenquorum

4.54 Entsprechend § 24 Abs. 2 WEG ist der Verwalter zur Aufnahme bestimmter Tagesordnungspunkte verpflichtet, wenn ein Viertel der Wohnungseigentümer dies von dem Verwalter schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt.109 Eine Zweckmäßigkeitsprüfung durch den Verwalter findet nicht statt. bb) Ordnungsmäßige Verwaltung

4.55 Der einzelne Wohnungseigentümer besitzt nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch gegen den Verwalter auf Aufnahme konkret benannter Beschlussgegenstände in die Tagesordnung. Dieser Anspruch besteht jedoch nur, soweit die Aufnahme der Tagesordnungspunkte ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und sachliche Gründe dafür sprechen, den Gegenstand in der Wohnungseigentümerversammlung zu behandeln.110

4.56 Der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers, konkret benannte Beschlussgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen, findet seine Grenze in § 242 BGB. Dem Wohnungseigentümer, der durch seine Anträge nur die Versammlung stören möchte, kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen gehalten werden.111 Stellt z.B. ein Wohnungseigentümer über mehrere DINA4-Seiten konfuse Anträge für die Versammlung, die zusätzlich noch den zeitlichen Rahmen der Versammlung sprengen würden, ist der Verwalter nicht verpflichtet, diese Tagesordnungspunkte aufzunehmen.112 Auch ist der Verwalter grundsätzlich nicht verpflichtet, Beschlussanträge auf die Tagesordnung zu nehmen, wenn das Begehren nur von einem von zahlreichen Wohnungseigentümern ausgeht und bereits in der vorhergehenden Versammlung eine ablehnende Haltung der anderen Eigentümer festgestellt wurde. Eine erneute Befassung entspricht nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn eine Notwendigkeit für eine neue Befassung besteht, insbesondere infolge veränderter Umstände.113

107 Casser in ZWE 2018, 382; Hogenschurz, jurisPR-MietR 14/2018 Anm. 6. 108 LG Itzehoe, Urt. v. 5.1.2018 – 11 S 1/17, ZWE 2018, 178-180 = ZMR 2018, 626 = NZM 2018, 574; LG Dortmund, Urt. v. 14.6.2016 – 1 S 455/15, ZWE 2017, 96; LG Hamburg, Urteil vom 15.2.2012 – 318 S 119/11; LG Hamburg, Urteil vom 12.11.2014 – 318 S 74/14, Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 21 Rn. 75. 109 Zur Berechnung des Minderheitenquorums vgl. oben Rz. 4.54. 110 LG Hamburg, Urt. v. 27.6.2012 – 318 S 196/11, ZWE 2013, 135; LG München I, Urt. v. 16.5.2011 – 1 S 5166/11, ZWE 2011, 377; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.8.2008 – 20 W 426/05, NZM 2009, 34; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.9.2003 – 20 W 103/01, ZMR 2004, 288; Saarländisches OLG, Beschl. v. 24.3.2004 – 5 W 268/03 -63, ZMR 2004, 533. 111 BayObLG, Beschl. v. 10.8.2001 – 2 Z BR 121/01, ZWE 2001, 538; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.9.2003 – 20 W 103/01, ZMR 2004, 288; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 95. 112 BayObLG, Beschl. v. 12.7.2001 – 2 Z BR 139/2000, ZWE 2001, 538. 113 OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.9.2003 – 20 W 103/01, ZMR 2004, 288.

114

Scheuer

Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.61 Teil 4

c) Bezeichnungsrecht des Beiratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter Soweit der Verwaltungsbeiratsvorsitzende bzw. sein Stellvertreter zur Einberufung berechtigt sind,114 steht ihnen auch das Recht zu, die Tagesordnung zu gestalten.115 Weigert sich der Verwalter pflichtwidrig, bestimmte Beschlussgegenstände für eine von ihm einberufene Versammlung aufzunehmen, kann der Verwaltungsbeiratsvorsitzende die Gestaltung der Tagesordnung übernehmen.116

4.57

d) Nachträgliche Änderung/Ergänzung der Tagesordnung Eine Änderung oder Ergänzung der Tagesordnung durch den Einberufenden kann nach dessen Ermessen grundsätzlich solange frei erfolgen, wie die entsprechende Mitteilung den zu ladenden Personen unter Wahrung der Frist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG noch zugeht. Kann ein solcher Zugang nicht gewährleistet werden, ist eine Ergänzung nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen einer abgekürzten Ladungsfrist117 vorliegen. Nimmt der Einberufende erst in der Versammlung Ergänzungen der Tagesordnung vor, so widerspricht dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, die in der Versammlung gefassten (zusätzlichen) Beschlüsse sind anfechtbar.

4.58

Stellt ein Wohnungseigentümer erst in der Versammlung den Antrag, die Tagesordnung zu ergänzen, so besteht sein Anspruch aus § 21 Abs. 4 WEG nur, sofern ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt.118 Allerdings würde durch eine Ergänzung in die Rechte der (nicht anwesenden) anderen Eigentümer eingegriffen.

4.59

e) Benennung von Zeit und Ort der Versammlung Die Bestimmung, an welchem Ort und zu welcher Zeit die Wohnungseigentümerversammlung stattfindet, liegt im Ermessen des Einberufenden – eine gesetzliche Regelung hierzu existiert nicht.119 Die Wohnungseigentümer können jedoch durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss (für den Einzelfall) diese Modalitäten regeln.

4.60

aa) Ort der Versammlung Existiert keine Bestimmung hinsichtlich des Versammlungsortes, muss die Versammlung in räumlicher Nähe zur Wohnanlage stattfinden und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein,120 um allen Berechtigten die Teilnahme zu ermöglichen121. Die Versammlung muss auch dann in der Nähe der Wohnanlage stattfinden, wenn die überwiegende Mehr114 115 116 117 118

S.o. Rz. 4.7 ff. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.1985 – 3 W 145/85, NJW-RR 1986, 96. OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.8.2008 – 20 W 426/05, NZM 2009, 34 = ZMR 2009, 133. S.o. Rz. 4.42. LG München I, Urt. v. 16.5.2011 – 1 S 5166/11, ZWE 2011, 377 = ZMR 2011, 839; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 101. 119 BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 222/10, ZMR 2011, 892 = ZWE 2011, 354 = NJW-RR 2011, 1519; OLG Köln, Beschl. v. 6.1.2006 – 16 Wx 188/05, ZMR 2006, 384. 120 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 133; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 26; Hügel/Elzer, § 24 WEG Rz. 14. 121 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647; OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.2000 – 15 W 101/09, ZMR 2001, 383 = NZM 2001, 297; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.8.1982 – 20 W 403/82, OLGZ 1982, 418.

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115

4.61

Teil 4 Rz. 4.61

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

heit der Wohnungseigentümer auswärts wohnt und einen nicht unerheblichen Reiseaufwand hat.122 Wird eine Änderung des Versammlungsortes notwendig, so liegt die Bestimmung des neuen Versammlungsortes im Ermessen des Einberufenden, die Bekanntgabe des neuen Versammlungsortes muss allerdings so rechtzeitig erfolgen, dass sich jeder Geladene darauf einstellen kann.

4.62 Der Versammlungsraum muss hinsichtlich Lage und Ausstattung für alle Wohnungseigentümer zumutbar sein und die Nichtöffentlichkeit der Versammlung gewährleisten. Insbesondere muss – die Zugangsmöglichkeit für jeden Wohnungseigentümer gewährleistet sein, d.h. es muss ein barrierefreier Versammlungsraum gewählt werden;123 – die Nichtöffentlichkeit der Versammlung gewährleistet sein, weshalb die Durchführung in einem Gastraum bei Anwesenheit fremder Personen unzulässig ist;124 zulässig ist die Durchführung in Gaststätten/Hotels mit einem abgetrennten Raum125 oder auch in Gemeinschaftsräumen. Bestehen erhebliche Spannungen zwischen den Eigentümern oder zwischen den Eigentümern und dem Verwalter, stellen die Wohnung/Geschäftsräume des Verwalters oder eines Eigentümers keinen zumutbaren Versammlungsort dar;126 – je nach Dauer der Versammlung im Regelfall ein Sitzplatz für jeden Wohnungseigentümer vorhanden und die Akustik des Raumes gesichert sein.127 bb) Zeitpunkt der Versammlung

4.63 Der Zeitpunkt der Versammlung wird ebenfalls von dem Einberufenden nach billigem Ermessen festgelegt, sofern nicht eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer besteht. Wie bei der Wahl des Versammlungsortes muss sich der Einberufende von dem Bestreben leiten lassen, möglichst allen Wohnungseigentümern die Teilnahme zu ermöglichen, in kleineren Wohnanlagen soll der Ladende den Zeitpunkt der Versammlung so mit den Eigentümern abstimmen, dass möglichst viele an der Versammlung teilnehmen können.128 Die Versammlung muss zu einem Zeitpunkt stattfinden, der grundsätzlich allen berufstätigen Wohnungseigentümern eine Teilnahme ermöglicht,129 d.h. fehlerhaft ist die Durchführung an einem Vormittag oder werktags vor 17.00 Uhr.130

4.64 Grundsätzlich kann eine Wohnungseigentümerversammlung auch an einem Sonn- oder Feiertag stattfinden, der Einladende muss jedoch auf das Recht der Wohnungseigentümer auf Religionsausübung und damit eventuelle Gottesdienstzeiten berücksichtigen. Im Regelfall 122 OLG Köln, Beschl. v. 1.6.2006 – 16 Wx 188/05; NZM 2006, 227 = ZMR 2006, 384. 123 OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2003 – 16 Wx 216/03, ZMR 2004, 299 = NZM 2004, 793; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 134. 124 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.4.1995 – 20 W 16/95, NJW 1995, 3395. 125 KG, Beschl. v. 30.4.1997 – 24 W 5809/96, NJW-RR 1997, 1171. 126 OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.2000 – 15 W 109/00, NZM 2001, 297; AG Büdingen, Urt. v. 7.4.2014 – 2 C 359/12, ZWE 2014, 284. 127 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten § 24 WEG Rz. 27. 128 LG München I, Beschl. v. 19.7.2004 – 1 T 3954/04, NZM 2005, 591. 129 OLG Köln, Beschl. v. 13.9.2004 – 16 Wx 168/04, ZMR 2005, 77; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.8.1982 – 20 W 403/82, OLGZ 1982, 418 = NJW 1983, 398; LG Berlin, Urt. v. 5.2.2013 – 85 S 31/12 WEG, ZWE 2013, 458. 130 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.1993 – 3Wx 512/92, WuM 1993, 305; AG Hamburg-Wandsbek, Beschl. v. 4.9.2003 – 715 II 91/02, ZMR 2004, 224.

116

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.67 Teil 4

sollte daher die Versammlung an Sonn- und Feiertagen nicht vor 11.00 Uhr anberaumt werden,131 unzumutbar dürfte auch eine Versammlung an hohen Feiertagen wie Karfreitag132 oder Heiligabend sein. Während der (Schul-)Ferien können Wohnungseigentümerversammlungen grundsätzlich stattfinden,133 der Verwalter sollte hier jedoch abwägen, wie viele Wohnungseigentümer von den Schulferien betroffen sind. Auf der anderen Seite ist auch zu beachten, dass keine bundeseinheitliche Regelung für die Schulferien existiert, so dass eine generelle Unzulässigkeit einer Versammlung in der Ferienzeit nicht angenommen werden kann.134 Versammlungen während der Ferienzeit sollten allerdings mit großzügig bemessener Einladungsfrist einberufen werden.135 Eine Höchstdauer der Versammlung ist nicht festgelegt, die Versammlung ist jedoch zu beenden, wenn den Wohnungseigentümern eine weitere Teilnahme wegen fortgeschrittener Uhrzeit oder überlanger Dauer nicht mehr zuzumuten ist. Im Regelfall sollte eine Wohnungseigentümerversammlung nicht nach 23 Uhr enden,136 eine Beschlussfassung nach fast siebenstündiger Versammlungszeit stellt eine Beschlussfassung zur Unzeit dar.137

4.65

f) Verstoß gegen die Einberufungsmodalitäten Verstöße gegen das Textformerfordernis des § 126b BGB führen nicht zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit. Dies gilt auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer die Einberufung der Versammlung zur Unzeit geltend machen will.

4.66

Hinweis: Für ein mögliches Anfechtungsverfahren wegen Verstoß gegen das Textformerfordernis oder Einberufung zur Unzeit sind unterschiedliche Konstellationen denkbar:

4.67

– Hat der Eigentümer nicht an der Versammlung teilgenommen, muss schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen die vorgeschriebene Form vorlag, der Kläger deshalb nicht zur Versammlung gekommen ist, jedoch bei Einhaltung der Formvorschriften erschienen wäre. Die Beklagten müssen in diesem Fall für eine erfolgreiche Verteidigung des angegriffenen Beschlusses darlegen und beweisen, dass auch bei Einhaltung der Textform kein abweichendes Beschlussergebnis erlangt worden wäre. – War der Kläger in der Versammlung anwesend, muss er vortragen, dass das Textformerfordernis nicht erfüllt war, er sich gerade deshalb nicht ausreichend auf die Versammlung vorbereiten konnte und es ihm deswegen nicht möglich war, die übrigen Wohnungseigentümer von einer anderen Beschlussfassung zu überzeugen. Die Beklagten müssen auch in diesem Fall darlegen und beweisen, dass auch bei Einhaltung der Textform kein abweichendes Beschlussergebnis erlangt worden wäre.

131 BayObLG, Beschl. v. 25.6.1987 – 2Z BR 68/86, WuM 1987, 329 = NJW-RR 1987, 1362; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.12.1985 – 8 W 338/85, NJW-RR 1986, 315. 132 LG Lübeck, Beschl. v. 28.10.1985 – 7 T 556/85, NJW-RR 1986, 813. 133 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten § 24 WEG Rz. 27; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 141; Riecke/Schmid/Riecke § 24 Rz. 24. 134 LG München I ZMR 2012, 819 = ZMR 2013, 139; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 141; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 24 Rz. 29; a.A. Merle in Bärmann, § 24 Rz. 54c. 135 LG Karlsruhe, Urt. v. 25.10.2013 – 11 S 16/13, NZM 2014, 168; LG Karlsruhe, Urt. v. 25.10.2013 – 11 S 16/13, ZWE 2014, 93. 136 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 142; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 55; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 30. 137 AG Starnberg, Urt. v. 3.9.2010, 3 C 785/10, ZMR 2011, 914.

Scheuer

117

Teil 4 Rz. 4.67

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

– Beruft der Kläger sich auf eine fehlerhafte Beschlussfassung wegen des Zeitpunkts oder der Dauer der Versammlung, muss er darlegen, dass die Versammlung zu einem unzulässigen Zeitpunkt stattfand oder unzumutbar lange dauerte, der Kläger deshalb nicht (mehr) an der Versammlung teilgenommen hat oder nicht mehr in der Lage war teilzunehmen und teilgenommen hätte, wenn die Versammlung zu einem zumutbaren Zeitpunkt stattgefunden hätte. Gelingt dem Kläger dieser Kausalitätsnachweis, ist es an den Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass der Beschluss auch bei zumutbarer Tageszeit/Dauer genauso gefasst worden wäre.

7. Adressaten der Einberufung a) Wohnungseigentümer

4.68 Zu der Versammlung sind grundsätzlich alle im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer einzuladen,138 dies gilt selbst dann, wenn ein Wohnungseigentümer bei den anstehenden Beschlussfassungen vom Stimmrecht ausgeschlossen ist oder das Stimmrecht ruht.139 Hintergrund ist, dass sich alle Wohnungseigentümer über den Inhalt der Wohnungseigentümerversammlung informieren können müssen und ihnen trotz Stimmrechtsausschluss Anwesenheits- und insbesondere auch Anfechtungsrechte zustehen.140 Im Falle der Veräußerung des Wohnungseigentums ist es Sache des Erwerbers, den Verwalter in geeigneter Weise über den Eigentumswechsel zu informieren, damit er eingeladen werden kann.141 Der Verwalter ist nicht verpflichtet, vor jeder Wohnungseigentümerversammlung die Grundbuchlage zu überprüfen.142

4.69 Bei geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Wohnungseigentümern ist der gesetzliche Vertreter zu laden. Liegt eine Betreuung nach § 1896 BGB vor, ist neben dem Eigentümer auch der Betreuer zu laden, wenn die zu behandelnden Tagesordnungspunkte seinen Aufgabenbereich betreffen.143

4.70 Hat der Wohnungseigentümer rechtsgeschäftlich einen Vertreter bestellt, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob darin auch das Einverständnis liegt, die Ladung unmittelbar an den Vertreter zu senden. Wird z.B. ein Sondereigentumsverwalter bestellt, der sich um die gesamte Verwaltung der Wohnung kümmert, spricht dies für ein solches Einverständnis.144

4.71 Steht das Wohnungseigentum einer Personenmehrheit iSd § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG zu (Bruchteilsgemeinschaft, Erbengemeinschaft pp.), so sind grundsätzlich alle berechtigten Personen getrennt einzuladen, es sei denn, die Gemeinschaftsordnung oder eine Vereinbarung sieht abweichende Einladungsmodalitäten vor. Dies soll nach h.L. selbst bei zusammenleben-

138 OLG Hamm, Beschl. v. 10.5.2007 – 15 W 428/06, ZMR 2007, 712; BayOblG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2 Z BR 32/02, NZM 2002, 616; BGH, Beschl. v. 1.12.1998 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 435. 139 BayOblG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2 Z BR 32/02, NZM 2002, 616. 140 BayOblG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2 Z BR 32/02, NZM 2002, 616; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 21.11.2002 – 3 W 179/02, ZMR 2004, 60. 141 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten § 24 WEG Rz. 31; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 42. 142 LG München I, Beschl. v. 20.2.2013 – 36 T 1970/13, ZWE 2013, 463. 143 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 16; Drabek, ZWE 2000, 395; Skauradzun, ZWE 2016, 61; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 31. 144 Schultzky in Jennißen, § 24 WEG Rz. 40; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 17.

118

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.76 Teil 4

den Ehegatten gelten,145 die Gegenansicht146 lässt bei Miteigentümern, die sich einer gemeinsamen Adresse bedienen, eine an alle Empfänger gerichtete Ladung genügen. In der Praxis bestimmt oftmals die Gemeinschaftsordnung, dass bei mehreren Mitberechtigten die Ladung eines Miteigentümers ausreichend ist. Sind juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften Wohnungseigentümer, ist deren gesetzlicher Vertreter zu laden. Existieren mehrere Geschäftsführer, genügt es, wenn die Ladung analog § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB einem Geschäftsführer zugeht.

4.72

Gehört eine Sondereigentumseinheit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist die Ladung an deren vertretungsberechtigtes Organ zu adressieren, d.h. regelmäßig an den Verwalter. Beruft dieser selbst die Versammlung ein, finden die §§ 181 BGB, 45 Abs. 1 WEG keine Anwendung, da die Wohnungseigentümer ohnehin zu laden sind und daher kein Informationsverlust droht.

4.73

b) Werdender Wohnungseigentümer Bei der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft sind die sogenannten Ersterwerber zu laden, die die Wohnungseigentümergemeinschaft faktisch in Vollzug gesetzt haben, nicht aber der im Grundbuch eingetragene Bauträger.147 Die werdenden Wohnungseigentümer verdrängen den im Grundbuch eingetragenen Bauträger hinsichtlich der Mitwirkungsrechte, so dass dieser nicht zu laden ist.

4.74

Zu unterscheiden davon sind die werdenden Wohnungseigentümer im Wege des „Zweiterwerbs“ bei einer in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft. Das sind diejenigen Erwerber, die zwar das Eigentum schon mittels Einigung und möglicherweise Besitzübergang erworben haben, aber noch nicht im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen sind. Selbst wenn eine Auflassungsvormerkung für den Erwerber im Grundbuch eingetragen ist, ist nach h.M. immer noch der Veräußerer als Wohnungseigentümer anzusehen und damit zur Wohnungseigentümerversammlung einzuladen.148

4.75

c) Verwaltungsbefugte Wird das Wohnungseigentum zur Zwangsversteigerung beschlagnahmt, behält der Wohnungseigentümer die Verwaltungsbefugnis und ist einzuladen. Wird die Zwangsverwaltung angeordnet, tritt der Zwangsverwalter lediglich bezüglich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in die Rechte des Eigentümers ein, zu laden sind daher sowohl der Zwangsverwalter als auch der Eigentümer.149 145 Drabek, ZWE 2000, 395; Hügel/Elzer, § 24 WEG Rz. 6; Schultzky in Jennißen § 24 WEG Rz. 36. 146 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 13; Merle in Bärmann, § 24 Rz. 44; Greiner; WEG, Rz. 754. 147 BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, ZMR 2008, 805; Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = ZWE 2012, 371; OLG Hamm, Beschl. v. 10.5.2007 – 15 W 428/06, ZMR 2007, 712. 148 BGH, Beschl. v. 1.12.1998 – V ZB 6/88; BGHZ 106, 113 ff. = NJW 1989, 1087; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 12; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 45. 149 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 47; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 31; BayObLG, Beschl. v. 5.11.1998 – 2 ZBR 131/98, NZM 1999, 77; Schultzky in Jennißen, § 24 WEG Rz. 45; a.A. Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 19.

Scheuer

119

4.76

Teil 4 Rz. 4.77

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.77 Ist das Insolvenzverfahren eröffnet und gehört das Wohnungseigentum des Schuldners zur Insolvenzmasse, verliert der Wohnungseigentümer durch die Anordnung der Insolvenzverwaltung nach § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsbefugnis, da der Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten des Wohnungseigentümers wahrnimmt. Zu laden ist daher nur der Insolvenzverwalter.150

4.78 Der Testamentsvollstrecker sowie der Nachlassverwalter sind zur Wohnungseigentümerversammlung einzuladen, nicht hingegen der Erbe/die Erben.151 d) Dinglich Berechtigte

4.79 Dinglich Berechtigte wie z.B. Nießbraucher, Grundpfandrechtsgläubiger, Dauerwohnberechtigte nach § 31 WEG oder Inhaber eines Wohnungsrechts im Sinne von § 1093 BGB sind nach ganz h.M. nicht zur Mitverwaltung berechtigt und daher auch nicht zur Eigentümerversammlung zu laden.152 e) Gemeinschaftsfremde Mitglieder des Verwaltungsbeirats

4.80 Wurden gemeinschaftsfremde Dritte zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirates bestellt – was grundsätzlich möglich ist – ist umstritten, ob diese ebenfalls zur Eigentümerversammlung einzuladen sind. Nach wohl richtiger h.L. folgt aus der Amtsinhaberschaft des Verwaltungsbeiratsmitglieds, dass eine Unterrichtung über die Versammlung und deren Inhalt zu erfolgen hat.153 Die Rechtsprechung ist diesbezüglich zurückhaltend und billigt nur ein Teilnahmerecht bezüglich solcher Tagesordnungspunkte zu, bezüglich derer das Amt des Beirates betroffen ist. Ein Ladungsmangel soll dann nicht zur Anfechtbarkeit führen.154 f) Abweichende Vereinbarungen

4.81 Bestehen nach der Gemeinschaftsordnung Untergemeinschaften und stimmen diese nach den Regelungen der Gemeinschaftsordnung in separaten Teilversammlungen ab, so sind zu jeder Teilversammlung nur die jeweiligen Mitglieder der Untergemeinschaft zu laden.155 Ob die Mitglieder der übrigen Untergemeinschaften ein Anwesenheits- und auch Rederecht haben, ist umstritten.156 Richtig dürfte sein, anhand der Formulierungen der Gemeinschaftsordnung zu prüfen, ob die übrigen Mitglieder nur von dem Stimmrecht ausgeschlossen werden sollten oder auch von der Kenntnis des Verlaufs der gesamten Teilversammlung. 150 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 19; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 47; beachte aber Queisner, AnwHdB, Teil 23. 151 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 20; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 44; Skauradszun, ZWE 2016, 61. 152 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = ZWE 2002, 260; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 45; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 23. 153 Merle in Bärmann, § 24 Rz. 48; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 21; Schultzky in Jennißen, § 24 WEG Rz. 47. 154 OLG Hamm, Beschl. v. 27.9.2006 – 15 W 98/06, ZMR 2007, 133; BayObLG, Beschl. v. 28.10.1987 – Breg 2Z 124/87, NJW-RR 1988, 270 = ZMR 1988, 70. 155 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2Z BR 180/98, BayObLGZ 1999, 40 = ZWE 2000, 529; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 28; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 50, Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 34. 156 Vgl. zum Meinungsstand Ott, ZWE 2016, 193.

120

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.85 Teil 4

8. Zugang der Einberufung Die Ladung zur Wohnungseigentümerversammlung muss nach wohl h.M. analog § 131 Abs. 1 Satz 1 BGB den Wohnungseigentümern bzw. Teilnahmeberechtigten zugehen.157 Voraussetzung ist danach, dass die Einladung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, eine Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Die Einladung ist an die letzte bekannte Adresse des Wohnungseigentümers zu versenden, teilt der Wohnungseigentümer eine Adressänderung nicht mit, kann er die in der Versammlung gefassten Beschlüsse nicht wegen eines fehlenden Zugangs der Ladung anfechten.158 Dies gilt sinngemäß auch bei einem Eigentümerwechsel – der Verwalter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, vor jeder Eigentümerversammlung die Grundbücher zu prüfen.

4.82

Die Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Zugang fingiert wird, so z.B. durch die Bestimmung, dass die Ladung als zugegangen gilt, wenn sie an die dem Verwalter zuletzt bekannt gemachte Adresse versandt wurde.159 Wirksam ist auch eine Klausel, wonach für die Ordnungsmäßigkeit der Einladung der Nachweis der rechtzeitigen Absendung ausreichend ist.160

4.83

Erfolgt die Einberufung zur Versammlung mittels (Computer)-Fax oder E-Mail, geht die Erklärung dem Empfänger nur zu, wenn er sich mit dieser Übermittlung einverstanden erklärt hat, z.B. durch Mitteilung der E-Mail-Adresse oder Faxnummer. Gleiches gilt, wenn der Verwalter die Tagesordnung und etwaiges Informationsmaterial auf einem Portal oder in einer Cloud zum Download bereithält. Auch hier kann erst mit dem tatsächlichen Abruf durch den Wohnungseigentümer von einem Zugang ausgegangen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann noch nicht von einer rechtlichen Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ausgegangen werden, weshalb es auf das Einverständnis eines jeden einzelnen Wohnungseigentümers ankommt.161 Beschlüsse, die eine Ladung ausschließlich auf elektronischem Wege, insbesondere per E-Mail oder SMS vorsehen, sind wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig, es sei denn, die Gemeinschaftsordnung enthält eine Öffnungsklausel.162

4.84

9. Mängel der Einberufung Formelle Mängel bei der Einberufung führen nach h.M. grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit.163 157 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 21.6.2006 – 2 Wx 33/05, ZMR 2006, 704 = OLGR Hamburg 2007, 678; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 335; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 34. 158 BGH, Urt. v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, BGHZ 137, 205 = MDR 1998, 337 = NJW 1998, 976; BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = NJW 2013, 3098, Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 35a; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 35. 159 LG Hamburg, Urt. v. 5.10.2011 – 318 S 245/10, ZWE 2012, 55; LG Karlsruhe, Urt. v. 25.10.2013 – 11 S 16/13, ZWE 2014, 93; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 35. 160 OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2008 – 15 Wx 15/08, ZMR 2009, 217. 161 So auch Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 38. 162 Merle, ZWE 2001, 196; Schultzky in Jennißen, § 24 WEG Rz. 65; Häublein, ZMR 2004, 723; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 38. 163 BGH, Urt. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290 = MDR 2000, 21; Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 235/11, MDR 2012, 1275 = NJW 2012, 3571; OLG Celle, Beschl. v. 19.6.2001 – 4 W 152/01, ZWE 2002, 132.

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4.85

Teil 4 Rz. 4.85

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

Die Anfechtungsklage ist nur dann erfolgreich, wenn sich die formellen Mängel kausal auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben. Diese Kausalität wird zunächst vermutet, die Anfechtungsgegner müssen im Rahmen ihrer Darlegungs- und Beweislast nachweisen, dass sich die formellen Mängel nicht auf die Beschlussfassung ausgewirkt haben.164 Dementsprechend ist die Anfechtungsklage erfolglos, wenn feststeht, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen genauso gefasst worden wäre, Zweifel gehen zu Lasten der beklagten übrigen Wohnungseigentümer.165 a) Fehler in der Form der Einberufung

4.86 Zur Anfechtung eines Beschlusses wegen eines Verstoßes gegen die Einberufungsmodalitäten vgl. oben Ziffer II. 6. f. Wird eine Wohnungseigentümerversammlung fehlerhaft statt vom Verwalter vom Beiratsvorsitzenden einberufen, sind die gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären, sofern nicht feststeht, dass auch bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso beschlossen worden wäre.166 Der Mangel der Einberufung durch einen Nichtberechtigten wird nach h.M. geheilt, wenn alle Wohnungseigentümer in der Versammlung anwesend waren und mit abgestimmt haben.167 b) Nichteinhaltung der Einladungsfrist

4.87 Die in § 24 Abs. 4 Satz 2 normierte Einladungsfrist stellt nur eine Sollvorschrift dar.168 Will der einzelne Wohnungseigentümer daher Beschlüsse anfechten, die in einer trotz Nichteinhaltung der Ladungsfrist abgehaltenen Wohnungseigentümerversammlung gefasst wurden, muss er schlüssig vortragen, dass – die Einladungsfrist nicht eingehalten wurde, – der Kläger aus diesem Grunde nicht an der Eigentümerversammlung teilnehmen konnte und – teilgenommen hätte, wenn er rechtzeitig eingeladen worden wäre.

4.88 Sind alle Wohnungseigentümer trotz Verstoßes gegen die Ladungsfrist erschienen, ist der Mangel in der Regel nicht ursächlich für die Beschlussfassung.169 Hat der Kläger an der Versammlung teilgenommen, muss er schlüssig darlegen, dass er sich aufgrund der verkürzten Einladungsfrist nicht hinreichend auf die Beschlüsse vorbereiten konnte und es ihm deshalb nicht möglich war, andere Wohnungseigentümer von einem abweichenden Beschlussergebnis zu überzeugen. Die Beklagten müssen demgegenüber darlegen und beweisen, dass der Beschluss genauso gefasst worden wäre, wenn die Einladungsfrist eingehalten worden wäre.170 164 OLG Köln, Beschl. v. 16.8.2000 – 16 Wx 87/00, NZM 2000, 1017. 165 OLG Hamm, Beschl. v. 13.1.1992 – 15 W 13/91, OLGZ 1992, 309; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 112. 166 BayObLG, Beschl. v. 6.6.2002 – 2Z BR 128/01, ZWE 2002, 526. 167 BayObLG, Beschl. v. 16.1.1992 – Breg 2 Z 162/91, NJW-RR 1992, 787; Beschl. v. 2.3.2001 – 2Z BR 88/00, ZMR 2001, 719 = WuM 2001, 626; BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 222/10, ZWE 2011, 354 = ZMR 2011, 892. 168 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647. 169 LG Dortmund, Urt. v. 21.10.2014 – 1 S 371/13, ZWE 2015, 182. 170 LG München I, Urt. v. 6.11.2014 – 36 S 25536/13 WEG, ZWE 2016, 42.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.94 Teil 4

c) Nichteinladung teilnahmeberechtigter Personen Wird ein Wohnungseigentümer nicht geladen und nimmt er deshalb nicht an der Eigentümerversammlung teil, sind die gefassten Beschlüsse lediglich anfechtbar und nicht nichtig. Dies gilt sowohl bei vorsätzlicher171 als auch bei versehentlicher172 Nichtladung. Hat ein Wohnungseigentümer es unterlassen, seine geänderte Anschrift mitzuteilen, kann er sich auf einen Einladungsmangel nicht berufen, dies gilt auch für die übrigen Wohnungseigentümer.173

4.89

10. Zweitversammlung a) Wiederholungsversammlung Ist die einberufene Eigentümerversammlung nicht nach § 25 Abs. 3 WEG beschlussfähig oder ist die Beschlussunfähigkeit während der Versammlung eingetreten, ist nach § 25 Abs. 4 Satz 1 WEG eine neue Versammlung mit dem gleichen Gegenstand einzuberufen. Diese ist unabhängig der in ihr vertretenen Miteigentumsanteile beschlussfähig.

4.90

aa) Statthaftigkeit Eine Wiederholungsversammlung kann nur für solche Tagesordnungspunkte durchgeführt werden, die bereits zur Tagesordnung der Erstversammlung gehörten. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 4 Satz 1 WEG.

4.91

Hinweis: Werden der Tagesordnung der Wiederholungsversammlung weitere Tagesordnungspunkte hinzugefügt, handelt es sich diesbezüglich nicht um eine Zweitversammlung und es gelten die allgemeinen Voraussetzungen für die Beschlussfähigkeit.174

4.92

bb) Einberufung der Wiederholungsversammlung Die Einberufung der Zweitversammlung erfolgt durch diejenige Person, die berechtigterweise auch die beschlussunfähige Erstversammlung einberufen hat.175 Bei Verweigerung der Einberufung gelten die Grundsätze der Einberufung der Erstversammlung entsprechend.176

4.93

Für Form, Inhalt und Frist der Einberufung gelten die Rz. 4.38 ff. entsprechend. Bei der Einberufung müssen die Beschlussgegenstände bezeichnet werden, über die in der vorangegangenen Versammlung wegen der Beschlussunfähigkeit keine Abstimmung erfolgen konnte. Bei dieser Bezeichnung kann auf die frühere Einberufung und deren Anlagen Bezug genommen werden.

4.94

171 BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 235/11, MDR 2012, 1275 = ZWE 2012, 430; OLG Celle, Beschl. v. 19.6.2001 – 4 W 152/01, ZWE 2002, 132; BayObLG, Beschl. v. 8.12.2004 – 2Z BR 199/04, NZM 2005, 630. 172 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 42. 173 BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = ZWE 2013, 368; LG München I, Beschl. v. 20.2.2013 – 36 T 1970/13, ZWE 2013, 463. 174 AG Bonn, Urt. v. 14.2.2014 – 27 C 136/13, ZMR 2014, 673; OLG Köln, Beschl. v. 30.12.1998 – 16 Wx 187/98, MDR 1999, 799; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 114. 175 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 114; Schultzky in Jennißen, § 25 WEG Rz. 115; Hügel/Elzer, § 25 WEG Rz. 55; a.A. Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 274. 176 Vgl. Rz. 4.9 ff.

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Teil 4 Rz. 4.95

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.95 Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 WEG muss die Einberufung zur Wiederholungsversammlung einen Hinweis auf die in jedem Fall gegebene Beschlussfähigkeit der Wiederholungsversammlung enthalten.177

4.96 Für Ort und Zeit der Wiederholungsversammlung gelten die Rz. 4.60 ff. entsprechend; Besonderheiten bei den Einberufungsadressaten bestehen nicht.

4.97 Hinweis: Die in der Praxis oft anzutreffende Formulierung, dass für den Fall der Beschlussunfähigkeit der Erstversammlung schon mit der Ursprungseinladung zu einer im Anschluss stattfindenden Zweitversammlung eingeladen wird (Eventualversammlung), ist nur zulässig, sofern dies in der Gemeinschaftsordnung oder durch sonstige Vereinbarung geregelt ist.178 Nach h.M.179 sind Eventualversammlungen – vorbehaltlich einer entsprechenden Formulierung in der Gemeinschaftsordnung – unzulässig, da sie dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widersprechen. Die in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse sind anfechtbar und widersprechen ordnungsmäßiger Verwaltung, sofern die Beschlussfassung auf dem Mangel beruht.

4.98 Ein Mehrheitsbeschluss über die Zulässigkeit einer Eventualversammlung (generell oder im Einzelfall) ist mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung nichtig.180

4.99 Ist eine Eventualversammlung zulässig einberufen worden, ist die Erstversammlung förmlich zu beenden und der Übergang in die zweite Versammlung vom Versammlungsleiter ist förmlich festzustellen.181 b) Fortsetzungsversammlung

4.100 Von einer Fortsetzungsversammlung spricht man, wenn die Erstversammlung zwar noch beschlussfähig ist, der Versammlungsleiter aber z.B. wegen der Dauer der Versammlung oder der fortgeschrittenen Uhrzeit der Versammlung den Abbruch der Eigentümerversammlung entscheidet. Es ist dann zu einer Fortsetzungsversammlung einzuladen, hinsichtlich derer die normalen Einberufungsmodalitäten gelten. 11. Teilversammlung

4.101 Die Versammlung nur eines Teils der Wohnungseigentümer kommt insbesondere bei Mehrhausanlagen in Betracht, bei denen wirksam die Bildung von Untergemeinschaften mit Beschlusskompetenz vereinbart wurde. 177 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 22; Merle in Bärmann, § 25 Rz. 115. 178 Zur Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen vgl. BayObLG, Beschl. v. 16.3.1995 – 2Z BR 12/95, NJW-RR 1996, 12; OLG Köln, Beschl. v. 30.12.1998 – 16 Wx 187/98, ZMR 1999, 282; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 118. 179 Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 277; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 117; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 23. 180 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 28.11.2002 – 2 T 102/00, NZM 2003, 245; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 278. 181 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.8.2006 – 20 W 215/06, ZWE 2007, 84, OLG Köln, Beschl. v. 30.12.1998 – 16 Wx 187/98, ZMR 1999, 282; BayObLG, Beschl. v. 10.5.1989 – 2 Z BR 23/88, WE 1990, 140.

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Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung

Rz. 4.105 Teil 4

a) Wirksame Vereinbarung Gesetzliches Leitbild ist die Versammlung aller Wohnungseigentümer, so dass eine Teilversammlung auch bei Bestehen von Untergemeinschaften nur zulässig ist, soweit dies hinreichend deutlich in der Gemeinschaftsordnung oder durch eine zusätzliche Vereinbarung vereinbart wurde. Sind Untergemeinschaften mit Beschlusskompetenz nur der Wohnungseigentümer der jeweiligen Untergemeinschaft vereinbart, können Teilversammlungen dieser Wohnungseigentümer durchgeführt werden.182 Die Zuweisung der Beschlusskompetenz an die jeweiligen Eigentümer der Untergemeinschaft impliziert dabei die Befugnis zur Durchführung getrennter Versammlungen der betroffenen Wohnungseigentümer.183

4.102

b) Formalien Die Wohnungseigentümer sind jeweils unter Beachtung der Ladungsfrist und unter Beifügung einer einheitlichen Tagesordnung zu der Teilversammlung, in der sie stimmberechtigt sind, zu laden.184 Daneben besitzen sie ein Teilnahmerecht an den übrigen Teilversammlungen, d.h. auch zu diesen müssen sie eingeladen werden.

4.103

Für die Berechnung der Beschlussfähigkeit ist auf alle Teilversammlungen abzustellen, d.h. eine Beschlussunfähigkeit kann sich u.U. erst in der letzten Versammlung ergeben. Für die Berechnung der Stimmenmehrheiten sind die Abstimmungsergebnisse aller Teilversammlungen zu addieren. Das Beschlussergebnis ist auf der letzten Teilversammlung vom Versammlungsleiter festzustellen und zu verkünden. c) Ausnahmen Enthält die Gemeinschaftsordnung einer Mehrausanlage keine Bestimmung über die Durchführung von Teilversammlungen, kann sich eine gleichwohl eine Abstimmungspflicht nur einzelner Häuser ergeben, wenn sich die Beschlussfassung auf eine Angelegenheit beschränkt, die ausschließlich ein bestimmtes Gebäude betrifft.185 Dies ist dann der Fall, wenn sich die jeweiligen Verwaltungsgegenstände rechtlich, wirtschaftlich und tatsächlich trennen lassen. Ist dies der Fall, sind nur die betroffenen Wohnungseigentümer stimmberechtigt.186

4.104

Zwingend gemeinschaftlich zu entscheiden sind somit kostenverursachende Beschlüsse, da sich aus § 16 Abs. 2 WEG eine gemeinsame Kostentragungspflicht der Wohnungseigentümer ergibt.187 Dies gilt auch für Beschlussfassungen über den Wirtschaftsplan und die Jah-

4.105

182 BayObLG, Beschl. v. 12.2.2004 – 2Z BR 261/03, NJW-RR 2004, 1092. 183 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = ZMR 2012, 979; LG Hamburg, Urt. v. 17.2.2016 – 318 S 74/15, ZWE 2017, 36; LG Köln, Urt. v. 26.11.2009 – 29 S 63/09, ZWE 2010, 278. 184 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2Z BR 180/89, BayObLGZ 1999, 40; BayObLG, Beschl. v. 17.1.2000 – 2Z BR 99/99, ZWE 2000, 268; BayObLG, Beschl. v. 17.11.2000 – 2Z BR 107/00, ZWE 2001, 269. 185 OLG München, Beschl. v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, WuM 2007, 34. 186 BayObLG, Beschl. v. 29.2.1996 – 2Z BR 142/95, NJW-RR 1996, 1101; BayObLG, Beschl. v. 17.1.2000 – 2Z BR 99/99, ZWE 2000, 268; BayObLG, Beschl. v. 21.8.2003 – 2Z BR 52/03, ZMR 2004, 598; BayObLG, Beschl. v. 25.9.2003 – 2Z BR 161/03, FG Prax 2003, 261. 187 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2Z BR 180/98, ZWE 2000, 529; OLG Köln, Beschl. v. 24.9.1997 – 16 Wx 36/97, WuM 1998, 177; OLG Celle, Beschl. v. 2.11.1989 – 15 W 520/88, OLGZ 1990, 168; AG Heidelberg, Urt. v. 9.4.2009 – 45 C 73/08, ZWE 2009, 266.

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Teil 4 Rz. 4.105

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

resabrechnung, da diese gemeinschaftliche Kosten enthalten.188 Dies gilt allerdings nur, sofern nicht durch Vereinbarung oder Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG bestimmte Kosten einzelnen Untergemeinschaften zugeordnet wurden, z.B. indem Instandsetzungsmaßnahmen an bestimmten Gebäudeteilen den jeweils nutzenden Wohnungseigentümern auferlegt werden.

4.106 Stimmen bei einem gegenständlich beschränkten Stimmrecht gleichwohl alle Wohnungseigentümer mit ab, ist der Beschluss nicht nichtig, aber anfechtbar. Erfolgreich ist die Anfechtung, wenn die Stimmabgabe durch die nichtberechtigten Wohnungseigentümer kausal für das Beschlussergebnis war. Ergeben mithin schon die Stimmen der stimmberechtigten Eigentümer eine Annahme des Beschlussantrages, ist die fehlerhafte Stimmabgabe nicht kausal.

4.107 Hinweis: Anfechtungsbefugt sind im Falle des gegenständlich beschränkten Stimmrechts nur die betroffenen Wohnungseigentümer; einer Klage eines nicht betroffenen Wohnungseigentümers fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.189 Die Anfechtungsklage ist trotz des beschränkten Stimmrechts gegen alle übrigen Miteigentümer der Gemeinschaft zu richten und nicht nur gegen die übrigen Miteigentümer der Untergemeinschaft.190

4.108 Liegt kein gegenständlich beschränktes Stimmrecht vor, stimmt aber gleichwohl nur ein Teil der Wohnungseigentümer in einer Teilversammlung ab, ist der Beschluss nichtig. Hintergrund ist, dass die Teilversammlung in diesem Fall ein unzuständiges Organ ist.191

III. Teilnahmerecht und Stimmrecht 1. Teilnahmerecht an der Wohnungseigentümerversammlung

4.109 Aufgrund des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit der Versammlung ist der Kreis der teilnahmeberechtigten Personen beschränkt. Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit dient dem Schutz der Wohnungseigentümerversammlung vor Einflüssen von außen und damit dem Schutz der Mitwirkungsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers. Weiterhin soll der Grundsatz das Vertraulichkeitsinteresse der Eigentümer hinsichtlich der die Wohnungseigentümergemeinschaft betreffenden internen Angelegenheiten schützen,192 die Wohnungseigentümer sollen Meinungsverschiedenheiten oder regelungsbedürftige Fragen grundsätzlich ohne die Einflussnahme Dritter erörtern und regeln können.193 188 BGH, Urt. v. 20.5.2011 – V ZR 175/10, NZM 2011, 716; BayObLG, Beschl. v. 17.11.2000 – 2Z BR 107/00, ZMR 2001, 209 = DWE 2001, 35; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 23.6.2004 – 3 W 64/04, ZMR 2005, 908; LG München I, Urt. v. 20.12.2010 – 1 S 8436/10, NZM 2011, 125. 189 BayObLG, Beschl. v. 25.7.1984 – 2Z BR 57/84, DNotZ 1985, 414. 190 BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 45/11, MDR 2012, 81 = WuM 2012, 55.LG München I, Urt. v. 31.1.2011 – 1 S 15378/10, ZfIR 2011, 364. 191 OLG München, Beschl. v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, WuM 2007, 34; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 8.3.2000 – 2 W 57/99, WuM 2000, 370; LG München I, Urt. v. 20.12.2010 – 1 S 8436/10, NZM 2011, 125. 192 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329; BayObLGZ, Beschl. v. 10.4.2002 – 2Z BR 97/01, NZM 2002, 616; KG, Beschl. v. 15.9.2000 – 24 W 3301/00, ZWE 2001, 75. 193 OLG Köln, Beschl. v. 22.6.2009 – 16 Wx 266/08, ZMR 2009, 869; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 11.4.2007 – 2 Wx 2/07, ZMR 2007, 550; BayObLG, Beschl. v. 19.2.2004 – 2Z BR 212/03, NZM 2004, 388; LG München I, Urt. v. 10.1.2013 – 36 S 8058/12 WEG, ZWE 2013, 415.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.114 Teil 4

Beschlüsse, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gefasst und mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden, sind für ungültig zu erklären, wenn sich die Ursächlichkeit des Verstoßes nicht ausschließen lässt.194 Hat sich der Dritte weder an der Abstimmung beteiligt noch durch Redebeiträge oder Erörterungen zu der Eigentümerversammlung beigetragen, dürfte eine Ursächlichkeit zu verneinen sein.195

4.110

a) Wohnungseigentümer Teilnahmeberechtigt an der Wohnungseigentümerversammlung ist zunächst jeder Wohnungseigentümer – das Teilnahmerecht ergibt sich aus der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümerversammlung. Inhaltlich umfasst das Teilnahmerecht das Recht auf Anwesenheit in der Versammlung und das Recht auf Beteiligung an der Willensbildung, d.h. umfasst ist insbesondere auch ein Rede- und Antragsrecht in der Versammlung.196 Ein Teilnahmerecht des Wohnungseigentümers besteht selbst dann, wenn er aufgrund eines Stimmverbotes von der Abstimmung ausgeschlossen ist.197 Hintergrund ist, dass dem einzelnen Wohnungseigentümer auch bei Ausschluss von der Stimmabgabe die Möglichkeit zustehen muss, etwaig gefasste Beschlüsse anzufechten und diese auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu prüfen.198

4.111

Das Teilnahmerecht des einzelnen Wohnungseigentümers kann zwar in den Grenzen der Vertragsfreiheit (§§ 134, 138, 242 BGB) näher geregelt werden, entzogen werden darf es aber nicht, da es zu dem unantastbaren Kernbereich der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.199 Folglich ist auch ein allgemeiner oder auch nur ein partieller Ausschluss von der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung unzulässig, da dies einen massiven Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers darstellt.200

4.112

Nicht zulässig ist daher eine Vereinbarung, nach der ein Wohnungseigentümer ab einer bestimmten Höhe von Hausgeldrückständen nicht mehr an der Wohnungseigentümerversammlung teilnehmen darf.201

4.113

Hinweis: Zulässig ist es hingegen, bei massiven Störungen des Versammlungsablaufs durch den Wohnungseigentümer diesen des Versammlungsraumes zu verweisen, wenn er trotz Androhung dieser Maßnahme die Versammlung weiter stört.202

4.114

194 LG Karlsruhe, Urt. v. 21.7.2015 – 11 S 118/14, ZWE 2016, 94; LG München I, Urt. v. 10.1.2013 – 36 S 8058/12 WEG, ZWE 2013, 415; BayObLG, 19.2.2004 – 2Z BR 212/03, NZM 2004, 388; KG, Beschl. v. 30.4.1997 – 24 W 5809/96, NJW-RR 1997, 1171; AG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2014 – 291a C 2476/14, ZWE 2015, 464. 195 AG Essen, Urt. v. 3.4.2017 – 196 C 288/16, ZWE 2017, 377; AG Hersbruck, Urt. v. 28.9.2011 – 7 C 32/11 WEG, ZWE 2012, 332; OLG Hamm, Beschl. v. 14.6.1996 – 15 W 15/96 – ZMR 1996, 677. 196 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 152. 197 BayObLG, Beschl. v. 31.1.1992 – Breg 2 Z 143/91, NJW 1993, 603; Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, NZM 2002, 616. 198 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZWE 2010, 233; LG München I, Urt. v. 9.12.2010 – 36 S 1362/10, ZWE 2011, 139. 199 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZWE 2010, 233; LG München I, Urt. v. 9.12.2010 – 36 S 1362/10, ZWE 2011, 139. 200 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 397 = ZWE 2011, 122; BGH, Urt. v. 13.2.2006 – II ZR 200/04, NJW-RR 2006, 831. 201 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 397 = ZWE 2011, 122. 202 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 397 = ZWE 2011, 122, vgl zu Beschränkungen des Teilnahmerechts durch Maßnahmen der Versammlungsleitung auch Rz. 4.216.

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127

Teil 4 Rz. 4.115

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

b) Werdender Wohnungseigentümer

4.115 Dem werdenden Wohnungseigentümer, d.h. demjenigen, der aufgrund eines wirksamen Kaufvertrages bereits Besitz an der Wohnung erlangt hat, aber noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, steht kein originäres Teilnahmerecht zu. Auch der BGH geht davon aus, dass die Mitgliedschaftsrechte erst mit der Eintragung im Grundbuch entstehen.203 Der werdende Wohnungseigentümer darf daher nur dann an der Eigentümerversammlung teilnehmen, wenn er dazu durch den Veräußerer wirksam bevollmächtigt wurde.

4.116 Davon zu unterscheiden sind die Rechte der Mitglieder einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Jedem Mitglied der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft steht ein Teilnahmerecht an den Versammlungen der werdenden Gemeinschaft zu, dieses bleibt ihm auch dann erhalten, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Eintragung mindestens eines Wohnungseigentümers in Vollzug gesetzt wird. c) Anwesenheit Dritter aa) Rechtsgeschäftliche Vertretung

4.117 Teilnahmeberechtigt sind alle diejenigen Dritten, die zur Ausübung des Stimmrechts rechtsgeschäftlich zulässigerweise ermächtigt oder bevollmächtigt wurden204 (zur wirksamen Bevollmächtigung vgl. Rz. 4.154). Nimmt ein Bevollmächtigter teil, darf der Wohnungseigentümer selbst allerdings nicht mehr an der Versammlung teilnehmen, anderenfalls wird der bevollmächtigte Dritte zum unberechtigten Teilnehmer.205

4.118 Hinweis: Zu prüfen ist auch, ob die Zulässigkeit der Vertretung in der Gemeinschaftsordnung wirksam beschränkt wurde, z.B. dahingehend, dass nur bestimmte Personen (z.B. Ehegatten, andere Wohnungseigentümer oder der Verwalter) bevollmächtigt werden dürfen.

bb) Gesetzliche Vertretung

4.119 Trotz des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung haben bestimmte Dritte ein Teilnahmerecht, da sie kraft Gesetzes zur Ausübung des Stimmrechtes des Wohnungseigentümers berechtigt sind.

4.120 Ist der Wohnungseigentümer nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig, steht dem gesetzlichen Vertreter ein Teilnahme- und auch Stimmrecht zu, sofern die Ausübung des Stimmrechts in seinen Aufgabenkreis fällt. Gesetzliche Vertreter sind insbesondere Eltern, Vormünder, Betreuer oder auch bestellte Pfleger, wobei zwischen Gesamt- und Einzelvertretungsmacht zu unterscheiden ist.

4.121 Hinweis: Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Vertreterbeschränkung dahingehend, dass nur bestimmte Personen (z.B. Ehegatten, andere Wohnungseigentümer oder der Verwalter) zur Vertretung berechtigt sind, berührt dies nicht die gesetzlichen Vertreter. Den Wohnungseigentümern fehlt die Regelungskompetenz, die gesetzlich angeordnete Vertretung abzuändern.206

203 BGH, Urt. v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 35 = NJW 1989, 1087. 204 AG Hersbruck, Urt. v. 28.9.2011 – 7 C 32/11 WEG, ZWE 2012, 332. 205 LG Karlsruhe, Urt. v. 21.7.2015 – 11 S 118/14, ZWE 2016, 94; LG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 29 S 135/12, ZWE 2013, 412. 206 AG Essen, Beschl. v. 8.9.1995 – 95 II 19/95 WEG, WuM 1995, 673; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 161.

128

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.128 Teil 4

d) Insolvenz-/Zwangs- und Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker Insolvenz-, Nachlass- und Zwangsverwalter sowie der Testamentsvollstrecker üben die Mitverwaltungsrechte des Wohnungseigentümers für diesen aus und besitzen dementsprechend ein Teilnahmerecht.

4.122

e) Dinglich Berechtigte Dinglich Berechtigte besitzen ein Teilnahmerecht nur, soweit die dingliche Berechtigung gerade auch ein Mitverwaltungsrecht an dem Eigentum einräumt. Schon oben im Rahmen der Adressaten der Ladung zur Wohnungseigentümerversammlung wurde ausgeführt, dass dem Nießbraucher und auch dem Grundpfandrechtsgläubiger kein Mitverwaltungsrecht am gemeinschaftlichen Eigentum zusteht.207 Diese Personen besitzen somit auch kein Teilnahmerecht an der Eigentümerversammlung. Dies gilt auch für Wohnberechtigte im Sinne des § 1093 BGB und Dauerwohnberechtigte im Sinne von § 31 WEG.

4.123

f) Juristische Personen und Mitberechtigte Gehört das Eigentum einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personenvereinigung, steht das Teilnahmerecht dem vertretungsberechtigten Organ bzw. den vertretungsberechtigten Gesellschaftern bei Personengesellschaften zu.

4.124

Bei einer Bruchteilsgemeinschaft, bei der die Miteigentümer das Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur gemeinschaftlich ausüben können, steht jedem Miteigentümer das Teilnahmerecht zu. Dies gilt gleichermaßen für die Erbengemeinschaft oder die eheliche Gütergemeinschaft.

4.125

Bei der Vorerbschaft tritt der Vorerbe in die Rechtstellung des Eigentümers ein, so dass nur ihm, nicht aber dem Nacherben, das Teilnahmerecht zusteht.208

4.126

g) Verwalter Der Verwalter hat kein eigenes oder abgeleitetes Teilnahmerecht, wenn er nicht zugleich 4.127 Eigentümer oder Bevollmächtigter eines Eigentümers ist. Aus seiner grundsätzlichen Stellung als Versammlungsvorsitzender steht ihm jedoch ein organschaftliches Teilnahmerecht zu.209 Selbst wenn von den Wohnungseigentümern ein anderer Versammlungsleiter gewählt wurde, steht dem Verwalter aufgrund des ihm zustehenden Anfechtungsrechts grundsätzlich die Befugnis zu, in der Versammlung anwesend zu sein.210 Der Verwalter darf aufgrund seines Teilnahmerechtes in der Versammlung Mitarbeiter hinzuziehen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist, z.B. weil er die Leitung

207 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 159, 109 = MDR 2002, 1003 = ZWE 2002, 260. 208 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten § 24 WEG Rz. 31; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 72. 209 LG Düsseldorf, Urt. v. 3.11.2011 – 19 S 45/11, ZMR 2012, 384 = ZWE 2012, 328. 210 LG Düsseldorf, Urt. v. 3.11.2011 – 19 S 45/11, ZMR 2012, 384 = ZWE 2012, 328; a.A. Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 99; Schmid, ZWE 2012, 480.

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4.128

Teil 4 Rz. 4.128

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

der Versammlung innehat und ein Mitarbeiter Protokoll führt. Insoweit sind die Mitarbeiter des Verwalters nicht als von der Anwesenheit ausgeschlossene Dritte anzusehen.211 h) Nichtwohnungseigentümer als Verwaltungsbeiratsmitglied

4.129 Umstritten ist, ob auch Verwaltungsbeiratsmitglieder, die nicht gleichzeitig Mitglieder der Eigentümergemeinschaft sind, ein Teilnahmerecht an der Versammlung besitzen. Die h.M. geht zutreffender Weise davon aus, dass dem externen Beiratsmitglied jedenfalls in dem Umfang ein Anwesenheitsrecht zusteht, als der Aufgabenbereich des Beirats betroffen ist.212 Ob daneben die weitere Teilnahme gestattet wird, steht im Ermessen der Wohnungseigentümer, die darüber Beschluss fassen können. i) Berater, Beistände und sonstige Gäste

4.130 Ob Berater, Auskunftspersonen oder sonstige Gäste trotz des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit an der Versammlung teilnehmen dürfen, hängt zunächst davon ab, ob sie im gemeinschaftlichen Interesse oder im Interesse einzelner Wohnungseigentümer oder des Verwalters teilnehmen. aa) Teilnahme im Kollektivinteresse

4.131 Als Teilnehmer im Kollektivinteresse kommen insbesondere technische oder rechtliche Berater (Sachverständige, Rechtsanwälte, Architekten usw.) in Betracht. Sind diese in der Versammlung nur zwecks punktueller Anhörung, Befragung oder Beratung zu einzelnen Tagesordnungspunkten anwesend, liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit vor, wenn diese vor der internen Besprechung durch die Eigentümergemeinschaft die Versammlung wieder verlassen.213 Allerdings muss in der Eigentümerversammlung darüber abgestimmt werden, ob die einzelnen Personen an der Versammlung teilnehmen dürfen. bb) Teilnahme im Individualinteresse

4.132 Die Teilnahme Dritter im Individualinteresse ist dann zulässig, wenn der einzelne Wohnungseigentümer im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der Hinzuziehung eines Beraters hat, welches das Interesse der Eigentümergemeinschaft an der Nichtöffentlichkeit der Versammlung übersteigt.214 Über diese Frage ist grundsätzlich erst in der Versammlung mittels eines Geschäftsordnungsbeschlusses zu befinden,215 wird die Teilnahme abgelehnt, kann sich der einzelne Wohnungseigentümer dagegen mit der Anfechtungsklage nach § 43 Nr. 4 WEG

211 KG, Beschl. v. 15.9.2000 – 24 W 3301/00, ZWE 2001, 75 = ZMR 2001, 223; BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2Z BR 27/01, ZWE 2001, 490 = WuM 2001, 406. 212 OLG Hamm, Beschl. v. 27.9.2006 – 15 W 98/06, ZMR 2007, 133; Armbrüster/Roguhn ZWE 2016, 105; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 184. 213 BayObLG, Beschl. v. 19.2.2004 – 2Z BR 212/03, NZM 2004, 388; LG Karlsruhe, Urt. v. 27.7.2010 – 11 S 70/09, ZMR 2013, 469; Armbrüster/Roguhn ZWE 2016, 105. 214 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329; BayObLG, Beschl. v. 10.4.1997 – 2Z BR 125/96, WuM 1997, 568; BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, ZMR 2002, 844 = ZWE 2002, 463. 215 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 =) MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329.

130

Scheuer

Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.137 Teil 4

wehren.216 Wird die Teilnahme zugelassen, beschränkt sich diese grundsätzlich nur auf einzelne Tagesordnungspunkte. Ein Anspruch auf Anwesenheit bloßer Begleitpersonen besteht grundsätzlich nicht.217

4.133

Ein berechtigtes Individualinteresse kann sich ergeben: – aus berechtigten persönlichen Gründen wie hohes Lebensalter, schwere Krankheit des Wohnungseigentümers, geistliche Gebrechlichkeit,218 unzureichende Deutschkenntnisse,219 die dazu führen, dass der Wohnungseigentümer nicht in der Lage ist, der Versammlung zu folgen. Hinweis: Wie bei der Bevollmächtigung richten sich die Befugnisse des Beraters nach dem Grund, weshalb er an der Versammlung teilnimmt. Ist er z.B. lediglich als Dolmetscher anwesend, steht ihm kein eigenes Rederecht zu.220

4.134

– aufgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeit, d.h. wenn besondere Fachkenntnisse erforderlich sind oder wenn besonders schwerwiegende Eingriffe in die Rechte des Wohnungseigentümers zu befürchten sind.221 Bei der Abwägung der Interessen ist einerseits die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwaltes zu beachten, auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass es dem Wohnungseigentümer zuzumuten ist, sich vor der Eigentümerversammlung sachkundig beraten zu lassen.222

4.135

Kein berechtigtes Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers liegt dagegen vor, wenn es sich um die Behandlung von Tagesordnungspunkten der laufenden Verwaltung ohne besondere Schwierigkeiten handelt, dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft zerstritten ist.223 Zudem ist es dem einzelnen Wohnungseigentümer nicht gestattet, aus Vorsichtsgründen während der gesamten Versammlung einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.224

4.136

cc) Vereinbarungen über die Teilnahme Dritter Die Teilnahme Dritter an der Versammlung kann durch Vereinbarung oder Regelung in der Gemeinschaftsordnung bzw. durch die Zustimmung aller Wohnungseigentümer gestattet werden.225 Mehrheitsbeschlüsse über die Teilnahme Dritter sind nach wohl h.M. ebenfalls zulässig.226 Sind nicht alle Wohnungseigentümer anwesend, kann auf den Grundsatz der Nicht-

216 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329. 217 Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 89; Armbrüster/Roguhn ZWE 2016, 105. 218 BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, ZMR 2002, 844 = ZWE 2002, 463. 219 AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 27.6.2005 – 303 II 8/05b, ZMR 2005, 823. 220 AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 27.6.2005 – 303 II 8/05b, ZMR 2005, 823. 221 OLG Köln, Beschl. v. 6.8.2007 – 16 Wx 106/07, WuM 2009, 547 = MietRB 2008, 178; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 187. 222 Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 90. 223 BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, ZMR 2002, 844 = ZWE 2002, 463. 224 BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, ZMR 2002, 844 = ZWE 2002, 463. 225 Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 103. 226 BayObLG ZMR 2004, 603; OLG Hamm NJW-RR 1997, 846; LG Karlsruhe ZMR 2013, 469; LG Karlsruhe ZWE 2010, 377; Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 102a; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 189; Armbrüster/Roguhn ZWE 2016, 105.

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131

4.137

Teil 4 Rz. 4.137

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

öffentlichkeit dadurch stillschweigend verzichtet werden, dass die Teilnahme des Dritten durch die Anwesenden nicht gerügt wird.227

4.138 Hinweis: Beschließt die Eigentümerversammlung die generelle Ermächtigung des Verwalters, zur Eigentümerversammlung zwecks Rechtsberatung der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt zu beauftragen, entspricht dies auch in einer zerstrittenen Eigentümergemeinschaft nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.228 Eine Beauftragung ist immer nur im Einzelfall zulässig.

j) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Teilnahmerecht

4.139 Ist ein Eigentümer oder sein Vertreter durch Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung rechtswidrig von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ausgeschlossen worden, kann er die in der Versammlung gefassten Beschlüsse nach § 43 Nr. 4 WEG anfechten. Während es früher für die Ungültigerklärung des Beschlusses darauf ankam, ob sich der Verstoß gegen das Teilnahmerecht auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat, hat der BGH diese Auffassung aufgegeben. Für die Ungültigerklärung der Beschlüsse ist es ausreichend, dass die Beschlüsse gefasst wurden, nachdem der Wohnungseigentümer oder seine Vertreter rechtswidrig von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen wurden.229 Die Verletzung des Teilnahmerechts stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft dar.

4.140 Hinweis: Bei dem Beschluss über den Ausschluss von der Teilnahme handelt es sich um einen Geschäftsordnungsbeschluss, der nicht selbständig anfechtbar ist.

4.141 Hinweis: Wurden Beistände oder Berater, die neben dem Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen sollten, von der Teilnahme ausgeschlossen, sind die Beschlüsse weiterhin nur anfechtbar, wenn sich deren Ausschluss unmittelbar auf das Mitwirkungsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers ausgewirkt hat.230

4.142 Das Recht auf Hinzuziehung eines Beraters oder Beistands kann von dem einzelnen Wohnungseigentümer im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO für zukünftige Versammlungen gerichtlich festgestellt werden. Das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt jedoch nur vor, wenn ein in der Person des Wohnungseigentümers liegender Grund gegeben ist, der auf Dauer die Hinzuziehung eines Beraters/Beistands erforderlich macht.231

227 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 11.4.2007 – 2 Wx 2/07, ZMR 2007, 551; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.1.2005 – 20 W 30/04, OLGReport Frankfurt 2005, 736; LG Frankfurt a. Main, Urt. v. 21.9.2011 – 2-13 S 118/10, ZWE 2012, 46; AG Bremen, Urt. v. 4.10.2013 – 44 C 2012/13, ZWE 2014, 227. 228 OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.2003 – 15 W 203/02, ZMR 2004, 699. 229 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 414 = ZWE 2011, 122 = WM 2011, 1282; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZWE 2010, 233 = ZMR 2010, 719; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.2.2012 – 11 S 46/11, ZWE 2013, 36 = WuM 2013, 634; Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 106. 230 Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 106; Armbrüster/Roguhn ZWE 2016, 105. 231 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 443 = NJW 1993, 1329.

132

Scheuer

Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.145 Teil 4

2. Stimmrecht in der Wohnungseigentümerversammlung Das Stimmrecht zählt zu den wichtigsten Mitverwaltungsrechten des Eigentümers und gehört zum Kernbereich elementarer Mitwirkungsrechte des Wohnungseigentümers.232 Es ermöglicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sich aktiv an der Willensbildung in der Gemeinschaft und damit an der Gestaltung der rechtlichen Beziehungen der Eigentümer untereinander und zu Dritten sowie an der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zu beteiligen. Aufgrund seiner hohen Bedeutung darf das Stimmrecht nicht dauerhaft von dem Wohnungseigentumsrecht abgespalten werden („Abspaltungsverbot“), d.h. der Eigentümer darf sein Stimmrecht nicht auf Dauer auf andere Eigentümer übertragen.233 Ein dauerhafter Verzicht des Wohnungseigentümers auf das Stimmrecht, auch durch Vereinbarung, ist ebenfalls nicht zulässig, weil der Wohnungseigentümer damit auf seine Handlungsfähigkeit verzichten würde.

4.143

Umstritten ist, ob ein temporärer Entzug des Stimmrechts (= Ruhen des Stimmrechts) vereinbart werden kann, etwa wenn sich der Wohnungseigentümer mit seinen Hausgeldbeiträgen in Verzug befindet. In der Literatur wird eine solche Beschränkung teilweise zumindest bei erheblichen Beitragsrückständen als zulässig angesehen.234 Der BGH235 und auch die obergerichtliche Rechtsprechung236 hält eine Vereinbarung über das Ruhen des Stimmrechts wegen Beitragsrückständen allerdings, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, für nichtig. Dem dürfte aufgrund der hohen Bedeutung des Stimmrechts zuzustimmen sein.

4.144

a) Stimmrechtsinhaber aa) Wohnungseigentümer § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG bestimmt als Stimmrechtsinhaber den materiell berechtigten Wohnungseigentümer oder Teileigentümer. Entscheidend ist damit, welche Person zum Zeitpunkt der Ausübung des Stimmrechts im Einklang mit der materiellen Rechtslage im Grundbuch eingetragen ist,237 nicht relevant ist deren Geschäftsfähigkeit. Ohne Einfluss auf das Stimmrecht ist es auch, ob das Gebäude ganz oder nur teilweise fertig gestellt oder ob bereits Sondereigentum entstanden238 ist.

232 BGH, Urt. v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, BGHZ 191, 198 = MDR 2011, 1465; Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, NJW 2011, 679; Urt. v. 6.12.2013 – V ZR 85/13, MDR 2014, 399 = ZMR 2014, 559; Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 138/16, ZMR 2017, 415 = ZWE 2017, 220; OLG Hamm, Beschl. v. 3.12.2002 – 15 W 190/02, ZMR 2004, 141. 233 Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 9; Schultzky in Jennißen, § 25 WEG Rz. 15; BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003. 234 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 25 Rz. 43; Schultzky in Jennißen, § 25 WEG Rz. 14, 145; Gottschalg, NZM 2012, 271. 235 BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10, MDR 2011, 414 = NJW 2011, 679. 236 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZMR 2010, 719; LG München I, Urt. v. 9.12.2010 – 36 S 1362/10, ZMR 2011, 415 = ZWE 2011, 139; LG Regensburg, Beschl. v. 1.2.1991 – 5 T 377/90, NJW-RR 1991, 1169. 237 BGH, Urt. v. 14.7.2017 – V ZR 290/16, MDR 2017, 1176 = ZWE 2017, 411; BayObLG, Beschl. v. 13.9.1968 – 2 Z 22/68, BayObLGZ 1968, 233. 238 OLG Dresden, Beschl. v. 5.6.2008 – 3 W 231/08, ZMR 2008, 812; OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.2005 – 15 W 256/04, ZMR 2006, 60 = NZM 2006, 142.

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133

4.145

Teil 4 Rz. 4.146

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.146 Für die im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer gilt die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB, weshalb der Versammlungsleiter sie stets zur Abstimmung zuzulassen hat.239 Dies gilt auch dann, wenn der Versammlungsleiter Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchinhalts hat, diese aber nicht aufklären kann. Stimmt statt des tatsächlichen Eigentümers ein fälschlicherweise noch im Grundbuch eingetragener Eigentümer (= Scheineigentümer) ab, muss sich der wirkliche Eigentümer die Stimmabgabe nach § 893 BGB zurechnen lassen, sofern die übrigen Miteigentümer gutgläubig waren.240 bb) Werdende Wohnungseigentümer

4.147 Das Mitglied einer sogenannten „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“ (= werdender Wohnungseigentümer) besitzt ein eigenes Stimmrecht. Eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft liegt vor, wenn ein wirksamer, auf den Erwerb des Wohnungseigentums gerichteter Kaufvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch mindestens eines Erwerbers durch Vormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist. Alle Erwerber, die diese Voraussetzungen erfüllen, sind Mitglieder der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft und nach § 25 Abs. 2 WEG analog allein stimmberechtigt.241 Der Veräußerer ist nicht stimmberechtigt. Wandelt sich die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Eintragung eines Erwerbers in das Grundbuch in eine rechtlich bestehende Gemeinschaft, bleibt das Stimmrecht der übrigen werdenden Wohnungseigentümer bestehen.242

4.148 Von dem Mitglied einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterscheiden ist derjenige Erwerber, der aus einer bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft Eigentum erwirbt und noch nicht im Grundbuch eingetragen ist (sog. Zweiterwerber). Der BGH hat ein Stimmrecht eines solchen „werdenden Wohnungseigentümers“ abgelehnt,243 da der eingetragene Wohnungseigentümer bis zur Umschreibung im Grundbuch zur Tragung der Lasten und Kosten verpflichtet bleibt und daher durch die Stimmrechtsausübung auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Einfluss nehmen können muss. Der Veräußerer hat jedoch die Möglichkeit, sein ihm bis zur Umschreibung zustehendes Stimmrecht auf den Erwerber zu übertragen. cc) Stimmrechtsträger kraft Gesetz (1) Zwangsverwalter

4.149 Steht das Wohnungseigentum unter Zwangsverwaltung, erstreckt sich die Beschlagnahme auch auf die Mitverwaltungsbefugnis des Eigentümers, so dass das Stimmrecht zumindest in dem Umfang der Beschlagnahme dem Zwangsverwalter zusteht.244 Nach der wohl h.M. er-

239 KG, Beschl. v. 17.5.1989 – 24 W 5147/88, OLGZ 1989, 425 = WuM 1989, 456; OLG Köln, Beschl. v. 23.4.1999 – 16 Wx54/99, ZMR 1999, 786. 240 Vgl. dazu ausführlich Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 6 f.; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 12. 241 BGH, Urt. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = ZMR 2008, 805 = WuM 2008, 511; BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = ZWE 2012, 371 = ZMR 2012, 711. 242 BGH, Urt. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = ZMR 2008, 805 = WuM 2008, 511. 243 BGH, Urt. v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087. 244 BayOblG, Beschl. v. 14.2.1991 – BReg 2 Z 4/91, BayObLGZ 1991, 93 = WuM 1991, 308.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.153 Teil 4

streckt sich die Beschlagnahme vorbehaltlos auf das Stimmrecht,245 erst nach Aufhebung der Beschlagnahme geht die Verwaltungsbefugnis wieder auf den Eigentümer über. Dieser Ansicht wird in der Literatur entgegengehalten, ein vollständiger Entzug des Stimmrechts sei von dem Zweck des Zwangsverwaltungsverfahrens nicht gedeckt. Auch nach dem BGH246 gehe es im Zwangsverwaltungsverfahren allein darum, die laufenden, aus der ordnungsmäßigen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes ungeschmälert erhalten bleibe. Die Zwangsverwaltung finde daher ihre Grenzen bei Substanzeingriffen, die das Grundstück wesentlich umgestalten oder verändern, so dass im Einzelfall darauf abzustellen sei, ob der Zweck der Vollstreckungsmaßnahme beeinträchtigt wird, wenn das Stimmrecht partiell beim Eigentümer verbleibt.247 Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass Beschlussgegenstände, die die Zwangsverwaltung gar nicht tangieren, eher selten sein dürften. Sowohl Beschlüsse über Instandhaltungs-/ Instandsetzungsmaßnahmen als auch Beschlüsse über den Wirtschaftsplan, die Jahresabrechnung, die Bestellung/Abberufung des Verwalters, bauliche Veränderungen, Regelungen des Gebrauchs können eine Kostentragungspflicht des Eigentümers auslösen, weshalb das Stimmrecht dem Zwangsverwalter zusteht. Der Zwangsverwalter ist daher nahezu bei allen Beschlussgegenständen betroffen, so dass eine Aufspaltung des Stimmrechts nicht praxisgerecht erscheint.

4.150

(2) Insolvenzverwalter Da nach § 80 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltung des Schuldnervermögens und damit auch des Wohnungseigentums auf den Insolvenzverwalter übergeht, steht diesem auch die alleinige Ausübungsbefugnis des Stimmrechts zu.248

4.151

(3) Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker Auch bei Anordnung der Nachlassverwaltung gehen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse der Erben nach § 1984 BGB auf den Nachlassverwalter über, so dass dieser auch Inhaber des Stimmrechtes wird. Entsprechendes gilt für den Testamentsvollstrecker, der nach § 2205 BGB zur Nachlassverwaltung sämtliche Rechte des Miteigentümers ausübt.

4.152

(4) Inhaber dinglicher Rechte am Wohnungseigentum Dem Nießbraucher steht trotz der Vorschrift des § 1066 BGB kein Stimmrecht zu.249 Dies gilt auch für den Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts i.S.v. § 1093 BGB oder einen Dauer245 OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.1987 – 15 W 429 + 434/86, DWE 1987, 54; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.1.1990 – 11 W 167/89, ZMR 1990, 189; LG Berlin, Beschl. v. 19.9.2008 – 85 T 404/07, ZMR 2009, 474; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 25. 246 BGH, Beschl. v. 10.12.2004 – IXa ZB 231/03, BGHZ 161, 336. 247 Drasdo ZWE 2006, 69; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten § 25 Rz. 4; Skauradszun ZWE 2016, 61; Wenzel in FS Kreft (2004), 171; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 19. 248 Merle in Bärmann; § 25 WEG Rz. 25; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 3; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 23; beachte aber Queisner, AnwHdB, Teil 23. 249 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, MDR 2002, 1003 = ZWE 2002, 260 = BGHZ 150, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2002 – 3 Wx 388/01, ZWE 2002, 590 = NZM 2002, 867; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 15.

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4.153

Teil 4 Rz. 4.153

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

wohnberechtigten nach § 31 WEG. Hintergrund ist, dass diese Personen zur Wahrung ihrer Rechte nicht auf die Ausübung des Stimmrechtes angewiesen sind, weil das Innenverhältnis zum Wohnungseigentümer ihnen hinreichenden Schutz bietet.250 Stimmrechtsinhaber ist allein der Wohnungseigentümer. dd) Rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter

4.154 Jeder Wohnungseigentümer kann sich in der Versammlung von einem von ihm bevollmächtigten Vertreter vertreten lassen. Gehören einem Wohnungseigentümer mehrere Einheiten, kann er für jede Einheit einen anderen Vertreter bevollmächtigen.251 Die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers, sich in der Versammlung vertreten zu lassen, kann durch eine Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG beschränkt werden – z.B. dahingehend, dass nur die Vertretung durch Ehegatten, andere Wohnungseigentümer oder den Verwalter zulässig ist (sog. „Vertreterklausel“). Eine Beschränkung der Vertretung durch Mehrheitsbeschluss ist nicht möglich.252

4.155 Erscheint der bestellte Vertreter, steht dem Wohnungseigentümer daneben kein Teilnahmerecht zu, d.h. teilnehmen kann entweder der Vertreter oder der Wohnungseigentümer. Ausnahmsweise können sich die Wohnungseigentümer jedoch nicht auf die Vertreterklausel berufen, wenn die Vertretungsbeschränkung auf bestimmte Personen im Einzelfall nach Treu und Glauben unzumutbar ist.253 (1) Erteilung der Vollmacht

4.156 Die Erteilung der Vollmacht zur Vertretung in der Eigentümerversammlung kann durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht) oder gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll (Außenvollmacht), erfolgen.254 In der Praxis dürfte die Außenvollmacht der Regelfall sein. Die Erteilung der Vollmacht kann gem. § 167 Abs. 2 BGB formlos erfolgen, d.h. sie kann auch mündlich, per Telefax oder E-Mail erklärt werden. Zu prüfen ist jedoch stets, ob die Gemeinschaftsordnung oder Vereinbarungen der Wohnungseigentümer abweichende Formerfordernisse enthalten, z.B. Schriftformerfordernis für die Erteilung der Vollmacht oder die Pflicht zur Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde.

4.157 Zum Vertreter in der Wohnungseigentümerversammlung können grundsätzlich alle Personen bestellt werden, es sei denn, durch die Gemeinschaftsordnung oder Vereinbarung der Wohnungseigentümer ist der Kreis der Vertreter wirksam beschränkt worden.255 Der Kreis der zur Vertretung berechtigten Personen ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, wobei der mit der Vertreterklausel verfolgte Zweck zu berücksichtigen ist, der darin besteht, ge250 BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, MDR 2002, 1003 = ZWE 2002, 260 = BGHZ 150, 109; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2003 – 2 Wx 1/01, ZMR 2003, 701 = OLGR 2004, 252; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 20; Schultzky in Jennißen § 25 WEG Rz. 43. 251 AG Niebüll, Urt. v. 15.6.2011 – 18 C 11/11, ZMR 2011, 912. 252 BayObLG WE 1988, 208. 253 BGH, Beschl. v. 11.11.1986 – V ZB 1/86, BGHZ 99, 90 = MDR 1987, 485; Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = ZWE 2012, 369; OLG Hamm, Beschl. v. 4.6.2002 – 15 W 66/02, ZWE 2002, 486; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.2007 – 2 Wx 93/06, ZMR, 2007, 477. 254 BGH, Urt. v. 13.7.2012 – V ZR 254/11, MDR 2012, 1218 = ZMR 2012, 980 = NZM 2012, 911; Lüke ZWE 2012, 193; Lehmann-Richter, ZMR 2007, 741; Elzer, ZMR 2009, 7. 255 Zur „Vertreterklausel“ vgl. Rz. 4.118.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.161 Teil 4

meinschaftsfremde Einflüsse aus der Versammlung herauszuhalten. Ist die Vertretung auf nahe Angehörige beschränkt und werden diese als Ehegatten und Kinder definiert, kann sich ein Wohnungseigentümer durch ein Elternteil vertreten lassen, wenn die Vertretung durch Ehegatten oder Kinder ausscheidet.256 Zudem dürfte auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Vertretung berechtigt sein.257 (2) Umfang der Vollmacht Den Umfang der Vollmacht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht bestimmt allein der Vertretene. Möglich ist eine Dauervollmacht für alle zukünftigen Versammlungen, eine Vollmacht für einzelne Versammlungen oder auch nur für einzelne Tagesordnungspunkte. Regelmäßig umfasst die Bevollmächtigung zur Vertretung nicht nur das Recht zur Stimmabgabe, sondern notwendigerweise auch das Recht zur Teilnahme an der gesamten Versammlung sowie zur Ausübung des Rede- und Antragsrechts in der Versammlung.258 Der Vollmachtgeber kann in der Vollmacht Weisungen zur Stimmabgabe erteilen, die Vertretungsmacht des Vertreters ist dann auf diese Weisungen beschränkt.259 Erteilt der Vollmachtgeber keine Weisungen, kann der Bevollmächtigte dem Beschluss zustimmen, diesen ablehnen oder sich der Stimme enthalten.

4.158

(3) Widerruf der Vollmacht Die Erteilung der Vollmacht kann jederzeit formlos aber auch konkludent durch Bevollmächtigung eines anderen widerrufen werden. Der Widerruf kann auch noch in der Eigentümerversammlung erklärt werden, etwa durch Telefonanruf bei dem Versammlungsleiter.

4.159

(4) Zurückweisung der Vollmacht Entspricht die von dem Vertreter vorgelegte Vollmacht nicht der (durch Vereinbarung oder Gemeinschaftsordnung) vereinbarten Form, kann der Versammlungsleiter die Stimmabgabe zurückweisen. Dies muss gemäß § 174 BGB unverzüglich erfolgen, anderenfalls ist die Stimmabgabe wirksam, falls der Vertreter tatsächlich wirksam bevollmächtigt wurde. Eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Form der Bevollmächtigung hat in der Regel nicht die Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht zur Folge.260 Auch wenn keine bestimmte Form der Vollmachtsurkunde vereinbart wurde, kann der Versammlungsleiter eine Stimmabgabe entsprechend § 174 BGB zurückweisen, wenn in der Versammlung nicht das Original der Vollmachtsurkunde vorgelegt wird.261

4.160

Hinweis: Auch wenn die Gemeinschaftsordnung keine bestimmte Form für eine Bevollmächtigung vorsieht, ist das Ausstellen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde zu empfehlen, um Streitigkeiten zu vermeiden.

4.161

256 LG Wuppertal, Beschl. v. 27.10.1994 – 6 T 735/94, WuM 1995, 673. 257 OLG Köln, Beschl. v. 8.12.2003 – 16 Wx 200/03, NZM 2004, 656; Armbrüster/Roguhn, ZWE 2016, 105; kritisch Häublein in Staudinger (2018), WEG § 25 Rz. 92. 258 BGH, Urt. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329; KG, Beschl. v. 4.5.1992 – 24 W 5476/91, WuM 1992, 392. 259 Merle in Bärmann, WEG, § 25 Rz. 81; Häublein, ZWE 2012, 1; Müller ZWE 2017, 395. 260 Lüke, ZWE 2012, 193; Häublein ZWE 2012, 1. 261 LG Landau, Beschl. v. 24.6.2013 – 3 S 177/12, ZWE 2014, 136; LG Frankfurt/M., Urt. v. 8.4.2015 – 2-13 S 35/13, ZWE 2015, 267.

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Teil 4 Rz. 4.162

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.162 Eine Zurückweisung der Vollmacht ist nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Versammlungsleiter von dem Vollmachtgeber über die Erteilung der Vollmacht in Kenntnis gesetzt wurde.262 Zudem muss stets geprüft werden, ob die Zurückweisung der Vollmacht deswegen rechtsmissbräuchlich ist, weil die Wohnungseigentümer die Vollmacht ohne Beachtung besonderer Formvorschriften jahrelang akzeptiert haben und plötzlich deren Verstoß gegen Formvorschriften beanstanden.263 b) Ausübung des Stimmrechts

4.163 Die Ausübung des Stimmrechts erfolgt durch Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung gegenüber den anderen Wohnungseigentümern oder dem Versammlungsleiter. Als Willenserklärung kann sie demnach nach §§ 119, 123 BGB angefochten werden. Eine Auswirkung auf die in der Versammlung gefassten Beschlüsse hat eine solche Anfechtung allerdings nur dann, wenn die angefochtene Stimme für das Zustandekommen des Beschlusses ausschlaggebend war.

4.164 Das Stimmrecht muss, sofern eine Abstimmung nach dem Wert- oder Objektprinzip264 erfolgt, einheitlich ausgeübt werden, d.h. der betroffene Wohnungseigentümer kann nicht teilweise mit „Ja“ und teilweise mit „Nein“ stimmen. Übt der Wohnungseigentümer sein Stimmrecht uneinheitlich aus, sind sämtliche von ihm abgegebenen Stimmen ungültig. c) Stimmrechtswertigkeit

4.165 Nach dem Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 2 WEG hat jeder Wohnungseigentümer unabhängig von der Größe seines Miteigentumsanteils oder der Zahl der ihm gehörenden Einheiten eine Stimme. Dieses sog. „Kopfprinzip“ löst die Stimmkraft zunächst von dem wirtschaftlichen Gewicht der Beteiligung des einzelnen Miteigentümers los und soll vor Majorisierung schützen. Die in § 25 Abs. 2 WEG geregelte gesetzliche Stimmkraftregelung ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG grundsätzlich durch Vereinbarung abdingbar.265 Eine Änderung der Stimmkraft durch Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nicht möglich, gleichwohl gefasste Beschlüsse sind nichtig.266 aa) Kopfprinzip

4.166 Enthält die Gemeinschaftsordnung keine abweichende Regelung, gilt für Abstimmungen der Wohnungseigentümer das gesetzliche Kopfstimmrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG. Kopfstimmrecht bedeutet, dass jeder Wohnungseigentümer unabhängig davon, wie viele Wohnungen oder Teileigentumseinheiten ihm gehören, bei Beschlussfassungen eine Stimme 262 LG Frankfurt/M., Urt. v. 22.7.2015 – 2-13 S 32/13, ZWE 2016, 223 = WuM 2015, 643; Häublein, ZWE 2012, 1. 263 OLG München, Beschl. v. 11.12.2007 – 34 Wx 91/07, ZMR 2008, 236 = NZM 2008, 87; OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2004 – 16 Wx 191/04, NJW 2005, 908 = ZMR 2005, 809; LG Mainz ZWE 2011, 462. 264 Vgl. dazu unten Rz. 4.167 ff. 265 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424; Derleder ZWE 2008, 253; BayOblG, Beschl. v. 30.4.1982 – BReg 2 Z 67/81, BayObLGZ 1982, 203. 266 BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 198/14, ZWE 2015, 410; Urt. v. 28.10.2011 – V ZR 253/10, BGHZ 191, 245; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2017 – 11 S 88/16, ZWE 2017, 283; Staudinger/Kreuzer (2018), § 10 WEG Rz. 107 ff.; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 Rz. 2.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.171 Teil 4

hat.267 Gehören einem Eigentümer mehrere Einheiten, entsteht ein neues Kopfstimmrecht, wenn er eine dieser Einheiten auf einen Dritten überträgt.268 Zudem entsteht ein neues Stimmrecht, wenn ein Eigentümer das Alleineigentum an einer von ihm gehaltenen Einheit auf eine vom Eigentümer beherrschte rechtsfähige Gesellschaft überträgt.269 bb) Wertprinzip Bei Vereinbarung des Wertprinzips bestimmt sich die Stimmkraft nach der Größe der Miteigentumsanteile. Hierbei können die aus dem Grundbuch ersichtlichen Miteigentumsanteile als Maßstab herangezogen werden, zwingend ist dies jedoch nicht.270 Die Miteigentümer können auch andere Bemessungskriterien vereinbaren.

4.167

Bei Vereinbarung des Wertprinzips besteht die Gefahr der Majorisierung, da ein möglicher Mehrheitseigentümer in die Lage versetzt wird, die Stimmkraft für seine Zwecke auszunutzen. Den anderen Eigentümern verbleibt in diesem Fall nur die Möglichkeit, im Wege der Beschlussanfechtung nach § 43 Nr. 4 WEG den Missbrauch der Stimmkraft geltend zu machen.271

4.168

cc) Objektprinzip Bei dem Objektprinzip bestimmt sich die Stimmkraft nach der Anzahl der dem Eigentümer zustehenden Einheiten (Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten)272. Jede Einheit gewährt eine Stimme.

4.169

Hinweis: Bei Ermittlung der geltenden Stimmkraft kann es im Einzelfall schwer festzustellen sein, ob die Gemeinschaftsordnung oder eine sonstige Vereinbarung eine Abweichung vom gesetzlichen Kopfprinzip enthält. Dies ist durch Auslegung der entsprechenden Regelung zu ermitteln, wobei auf den Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Dritten ergibt:

4.170

– Die Regelung, nach der „jeder Eigentümer einer Sondereigentumseinheit in der Eigentümerversammlung eine Stimme“ hat, soll die Vereinbarung eines Kopfstimmrechts beinhalten;273 – Die Regelung „Jedes Wohnungseigentum gewährt eine Stimme“ enthält das Objektprinzip, wobei sich durch Auslegung ergibt, dass auch Teileigentumseinheiten eine Stimme haben.

Die Entscheidung für eine bestimmte Stimmrechtswertigkeit hängt insbesondere von der Größe der Gemeinschaft und ihrer Eigentümerstruktur ab. Grundsätzlich ist die Festlegung der Stimmkraft allein durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs (§§ 138, 242 BGB) begrenzt. Die disproportionale Verteilung der Stimmkraft führt nicht automatisch zur Unzulässigkeit 267 BGH, Urt. v. 17.1.1968 – V ZB 9/67, BGHZ 49, 250; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 29; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 9. 268 BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434; Armbrüster ZWE 2017, 401. 269 BGH, Urt. v. 14.7.2017 – V ZR 290/16, MDR 2017, 1176 = ZWE 2017, 411. 270 BayObLG, Beschl. v. 28.1.1986 – Breg 2 Z 4/86, NJW-RR 1986, 566; BGH, Urt. v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2003 – I 3 Wx 107/03, WuM 2003, 592; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 31. 271 BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 198/14, ZWE 2015, 410; Urt. v. 28.10.2011 – V ZR 253/10, BGHZ 191, 245; Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424. 272 BayObLG, Beschl. v. 2.3.1989 – 2Z BR 8/89, WuM 1989, 527; KG, Beschl. v. 10.1.1994 – 24 W 4817/93, NJW-RR 1994, 525; AG Wiesbaden, Urt. v. 13.1.2012 – 92 C 4523/11, ZWE 2012, 325; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 18; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 38. 273 BayObLG, Beschl. v. 3.8.1998 – 2Z BR 74/98, ZMR 1998, 797 = WuM 1998, 748; OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 58/06, ZMR 2006, 950 = ZWE 2007, 153.

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4.171

Teil 4 Rz. 4.171

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

der geltenden Stimmrechtsregelung. So wurden bislang z.B. die folgenden Regelungen von der Rechtsprechung überwiegend als zulässig angesehen: – Der Bauträger behält sich in der Gemeinschaftsordnung ein Vetorecht bei Beschlussfassungen vor, solange er noch mindestens ein Wohnungseigentum innehat;274 – Die Gemeinschaftsordnung bewertet das Stimmrecht von Teileigentumseinheiten gegenüber Wohneinheiten überproportional;275 – Vereinbarung des Wertprinzips in Zweiergemeinschaften, obwohl deren Miteigentumsanteile unterschiedlich groß sind.276 dd) Stimmrecht bei Unterteilung von Wohnungseigentum

4.172 Teilt ein Wohnungseigentümer – was grundsätzlich ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer möglich ist277 – sein Eigentum in mehrere selbständige Wohnungseigentumsrechte auf, stellt sich die Frage, wie sich dies auf die Stimmkraft auswirkt. Hierbei ist zu beachten, dass sich durch die Teilung der Einheit die Rechte der übrigen Miteigentümer nicht nachteilig verändern dürfen und sich zugunsten des die Veränderung vornehmenden Eigentümers nicht mehr Rechte ergeben dürfen, als ihm ursprünglich zustanden.278

4.173 Gilt in der Gemeinschaft das Kopfstimmrecht, treten keine Besonderheiten auf, der unterteilende Eigentümer behält eine Stimme. Veräußert der unterteilende Wohnungseigentümer allerdings eine dieser Einheiten, besteht in Rechtsprechung und Literatur Streit darüber, wie sich der Verkauf auf das Stimmrecht auswirkt. Die herrschende Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Verkauf an einen Dritten nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte führt.279 Begründet wird dies damit, dass anderenfalls die zustimmungsfreie Unterteilung und Veräußerung des Wohnungseigentums zur Folge hätte, dass die übrigen Miteigentümer in ihren Stimmrechten beschränkt würden, was ohne deren Zustimmung nicht möglich ist. Das Stimmrecht soll daher in mehrere Stimmrechtsanteile aufgespalten werden.

4.174 Die Gegenansicht meint, durch die Veräußerung nach Unterteilung entsteht eine neue – zusätzliche – Stimme zugunsten des Erwerbers.280

4.175 Gilt in der Eigentümergemeinschaft das Wertprinzip, treten insoweit keine Probleme auf als dass sich bei Aufteilung des Miteigentumsanteils das Stimmrecht nach dem jeweiligen

274 BayObLG, Beschl. v. 2.4.1997 – 2Z BR 36/97; BayObLGZ 1997, 139; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.1996 – 5 W 153/96, NJW-RR 1997, 775. 275 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.7.1989 – 3 W 72/89, OLGZ 1990, 186. 276 BayObLG, Beschl. v. 28.1.1986 – Breg 3 Z 4/86, BayObLGZ 1986, 10; KG, Beschl. v. 10.1.1994 – 24 W 4817/93, NJW-RR 1994, 525. 277 BGH, Urt. v. 1.10.2004 – V ZR 210/03, NZM 2004, 876 = MDR 2005, 83; BayObLG, Beschl. v. 17.1.1991 – Breg 2 Z 161/90, NJW-RR 1991, 910; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 42. 278 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 2/78, BGHZ 73, 150 = NJW 1979, 870; Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, ZWE 2012, 271. 279 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 2/78, BGHZ 73, 150; Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, ZWE 2012, 271; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.2.2004 – 8 W 475/03, NZM 2005, 312; LG München I, Urt. v. 19.10.2009 – 1 S 21731/08, ZWE 2009, 456. 280 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.2.2004 – 3 Wx 364/03, NZM 2004, 234; KG, Beschl. v. 15.9.1999 – 24 W 9353/97, NZM 2000, 671; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 12; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 28.

140

Scheuer

Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.179 Teil 4

neuen Anteil richtet.281 Gilt das Objektprinzip, geht die herrschende Meinung davon aus, dass sich das zuvor auf die ungeteilte Einheit entfallende Stimmrecht nach der Unterteilung nach Bruchteilen entsprechend der Anzahl der neu entstandenen Einheiten aufteilt. Eine Vermehrung der Stimmrechte tritt danach nicht ein, die Eigentümer der Einheiten dürfen ohne die Bindung des § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG (Einheitlichkeit der Stimmabgabe) abstimmen.282 ee) Stimmrecht bei Vereinigung von Wohnungseigentum Werden Wohnungseigentumsrechte vereinigt, führt dies nicht zu einer Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer. Durch die Verbindung von Einheiten entstehen weder mehr Köpfe, noch Objekte oder Miteigentumsanteile. Die Vereinigung ist daher unproblematisch.

4.176

ff) Stimmrecht bei mehrfacher Mitberechtigung Liegt eine Miteigentümergemeinschaft vor (z.B. Ehegatten in Bruchteilsgemeinschaft), so hat diese unter Geltung des Kopfstimmrechts grundsätzlich nur eine gemeinschaftliche Stimme. Steht eine Einheit im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten und besitzt daneben einer der Eheleute noch eine Einheit im Alleineigentum, wird ein Stimmrecht gemeinsam ausgeübt, das weitere Stimmrecht steht dem Alleineigentümer zu, wobei dieses Stimmrecht völlig unabhängig von dem gemeinsamen Stimmrecht ausgeübt werden kann.283

4.177

Liegt eine Berechtigung zur gesamten Hand (z.B. Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft) vor, kann das jeweilige Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur einheitlich ausgeübt werden. Handelt es sich jedoch um unterschiedliche Rechtsträger (z.B. rechtsfähige Personengesellschaften), sind diese als verschiedene Köpfe im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 WEG zu behandeln.284

4.178

gg) Stimmrecht bei Untergemeinschaften Insbesondere in großen Wohnungseigentümergemeinschaften mit mehreren Häusern oder Wohnblöcken (Mehrhausanlagen) können Angelegenheiten zur Abstimmung anstehen, die nur einen bestimmten Teil der Wohnungseigentümer betreffen. In diesem Fall kann durch Vereinbarung geregelt werden, dass nur die betroffenen Wohnungseigentümer stimmberechtigt sind oder dass Untergemeinschaften gebildet werden, die getrennt zu verwalten sind. Das Stimmrecht ergibt sich dann aus der jeweiligen Zuweisung der Beschlusskompetenz,285 während für die nicht der Untergemeinschaft zugewiesenen Komplexe die Gesamtgemeinschaft zuständig bleibt.

281 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 43; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 31; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 53; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.12.2011 – 20 W 70/11, ZWE 2012, 272. 282 BGH, Beschl. v. 24.11.1987 – V ZB 2/78, BGHZ 73, 150; Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354; OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2002 – 15 W 358/01, ZMR 2002, 859; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1990 – 3 Wx 571/89, OLGZ 1990, 152 = NJW-RR 1990, 521; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 45; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 54; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 13. 283 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 11. 284 KG, Beschl. v. 15.6.1988 – 20 W 2084/88, OLGZ 1988, 434; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 51. 285 BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, ZWE 2012, 494 = NZM 2012, 766; LG Köln, Urt. v. 26.11.2009 – 9 S 63/09, ZWE 2010, 191.

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4.179

Teil 4 Rz. 4.180

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.180 Durch Vereinbarung kann auch die Beschlusskompetenz für bauliche Veränderungen auf eine Untergemeinschaft übertragen werden, der Gesamtgemeinschaft fehlt dann die Beschlusskompetenz.286 Etwas anderes gilt nur dann, wenn sämtliche Wohnungseigentümer von der baulichen Veränderung betroffen sind, z.B. weil sie Kosten zu tragen haben oder durch die Maßnahme beeinträchtigt werden.287 d) Stimmrechtsausschlüsse

4.181 Da das Stimmrecht zu den elementaren Mitgliedschaftsrechten des einzelnen Wohnungseigentümers gehört, darf es nur ausnahmsweise und in eng begrenzten Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Bei den sog. „starren Stimmrechtsschranken“, die in § 25 Abs. 5 WEG geregelt sind, wird das Stimmrecht ohne Rücksicht darauf beschränkt, ob es im Einzelfall überhaupt einer Einschränkung bedarf. Die „beweglichen Stimmrechtsschranken“ sind demgegenüber auf den jeweiligen Einzelfall bezogen und schließen das Stimmrecht nicht vollständig aus, sondern beschränken lediglich die Art und Weise der Ausübung. Die wichtigste bewegliche Stimmrechtsschranke stellt der Grundsatz von Treu und Glauben dar, der es dem Wohnungseigentümer verbietet, sein Stimmrecht missbräuchlich auszuüben. Liegt eine missbräuchliche Stimmrechtsausübung vor, sind die abgegebenen Stimmen unwirksam und haben bei der Auszählung unberücksichtigt zu bleiben.288

4.182 § 25 Abs. 5 WEG regelt demgegenüber Fälle, in denen der Eigentümer nicht stimmberechtigt ist, weil eine schwerwiegende Interessenkollision vorliegt und die sonst legitime Verfolgung von Privatinteressen durch den einzelnen Sondereigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheint.289 aa) Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem abstimmenden Eigentümer, § 25 Abs. 5 1. Alt. WEG

4.183 Betrifft die Beschlussfassung hinsichtlich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Eigentümer, ist dieser Eigentümer bei der Abstimmung nicht stimmberechtigt. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist grundsätzlich so zu verstehen wie im Zivilrecht, d.h. umfasst sind alle Fälle, in denen mit dem Eigentümer ein in dessen Interessen liegender Vertrag abgeschlossen werden soll. Nicht umfasst ist hingegen die Wahrnehmung rein mitgliedschaftsrechtlicher Interessen, wie z.B. eine Vollmachtserteilung zur Klageerhebung oder Beschlüsse über Gebrauchsregelungen.290

4.184 Als nicht unter die Norm des § 25 Abs. 5 1. Alt. WEG fallende Beispiele kommen in Betracht: – die Bestellung eines Eigentümers zum Verwalter, da mit der Bestellung lediglich mitgliedschaftliche Interessen verfolgt werden;291 286 Ott, ZWE 2016, 193; Moosheimer, ZMR 2014, 602. 287 OLG München, Beschl. v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, ZMR 2007, 391; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2000 – 16 Wx 17/00, ZWE 2000, 376 = ZMR 2000, 865. 288 OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 58/06, NZM 2007, 45. 289 BGH, Urt. v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, BGHZ 191, 198 = MDR 2011, 1465 = ZWE 2012, 32; Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424. 290 KG, Beschl. v. 22.12.1993 – 24 W 875/93, WE 1994, 335; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 132. 291 Rspr. + h.L.: BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = ZfIR 2002, 907; BayObLG, Beschl. v. 5.5.1993 – 2Z BR 29/93, WE 1994, 184.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.185 Teil 4

– Beschlussfassung über einen mit dem Eigentümer abzuschließenden Verwaltervertrag, dessen Änderung und auch Kündigung.292 Zwar hat der Eigentümer auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Abschluss des Vertrages, sein Stimmrecht bei der Bestellung würde jedoch ausgehöhlt, wenn er bei der Abstimmung über den Vertrag nicht stimmberechtigt wäre. Begehrt der Eigentümer demgegenüber die Erhöhung der Verwaltergebühr, stehen klar die persönlichen wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund und es ist von einem Stimmverbot auszugehen.293 Gleiches gilt, wenn eine Beschlussfassung über die Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund erfolgen soll. Im Gegensatz zur „normalen“ Abberufung, bei der kein Stimmrechtsausschluss besteht,294 geht es bei der Abberufung aus wichtigem Grund um persönliche Verfehlungen des Verwalters, so dass ein Stimmverbot besteht;295 – Beschlussfassung über die von einem Eigentümer als Verwalter erstellte Jahresabrechnung;296 – Beschlussfassung über die Bestellung zum Verwaltungsbeirat.297

4.185

In folgenden Fällen ist von einem Stimmrechtsverbot auszugehen: – Abschluss eines Werkvertrages mit einem Eigentümer, der Inhaber des entsprechenden Handwerksbetriebes ist, da hier die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht;298 – Beschlussfassung über die Entlastung eines Wohnungseigentümers als Verwalter oder Verwaltungsbeiratsmitglied;299 – Ermächtigung eines als Rechtsanwalt tätigen Eigentümers zur Prozessführung, da dieser Ermächtigung ein wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt; dies gilt auch dann, wenn ein vom Eigentümer abweichender Partner einer Anwaltssozietät beauftragt werden soll.300

292 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, NJW 2002, 3704; BayObLG, Beschl. v. 19.9.2001 – 2Z BR 89/01, ZWE 2001, 590; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 135. 293 Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 125. 294 BGH, Urt. v. 1.3.2001 – I ZR 211/98, NJW 2002, 374; BGH, Urt. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424; OLG München, Beschl. v. 15.9.2010 – 32 Wx 16/10, ZWE 2010, 461; OLG Celle, Beschl. v. 18.12.1957 – 4 Wx 42/57, NJW 1958, 307; KG, Beschl. v. 10.11.1978 – 1 W 179/78, OLGZ 1979, 28; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.7.1977 – 8 W 572/76, OLGZ 1977, 433; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.1983 – 3 W 177/83, OLGZ 1984, 289; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 13.6.1986 – 3 W 98/86, ZMR 1986, 369. 295 LG Köln, Urt. v. 7.7.2016 – 29 S 180/15, ZMR 2016, 907 = ZWE 2017, 145; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2001 – 3 Wx 174/01, NZM 2001, 992; BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = ZWE 2002, 64; KG, Beschl. v. 29.5.2002 – 24 W 66/02, NZM 2002, 618. 296 BayObLG, Beschl. v. 22.6.1995 – 2Z BR 48/95, WE 1996, 234; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 140. 297 BayObLG WE 1991, 226; BayObLG, Beschl. v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, ZWE 2002, 32. 298 Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 32; a.A. Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 143. 299 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 7.3.2002 – 3 W 184/01, ZWE 2002, 283; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.7.2007 – 14 Wx 41/06, ZMR 2008, 408. 300 BGH, Urt. v. 6.7.1971 – VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355; BayObLG, Beschl. v. 3.11.1994 – 2Z BR 58/94, NJW-RR 1995, 395.

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Teil 4 Rz. 4.186

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

bb) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegen Wohnungseigentümer, § 25 Abs. 5 2. Alt.

4.186 Ein Stimmrechtsausschluss für den einzelnen Eigentümer greift auch dann, wenn der Beschluss die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft. Betroffen sind sämtliche gerichtliche Verfahren (Klage, Mahnverfahren, einstweiliger Rechtsschutz, selbständiges Beweisverfahren etc.), also insbesondere auch solche, bei denen sich der Wohnungseigentümer und die Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüberstehen oder Verfahren nach § 43 WEG.301 Zur Einleitung eines Rechtsstreites gehören auch die vorprozessualen Maßnahmen, wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts, die Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung oder auch die Anfertigung von Gutachten.302

4.187 Unter den Begriff der Erledigung des Rechtsstreits fallen alle Maßnahmen, die den Fortgang oder die Beendigung des Rechtsstreits betreffen, wie z.B. Einlegung von Rechtsmitteln,303 Aussetzung des Verfahrens, Klagerücknahme, Verzicht, Vergleich oder Anerkenntnis. cc) Anwendungsbereich und Sonderfälle des Stimmrechtsausschlusses

4.188 Bei der Frage, ob ein Stimmrechtsausschluss nach § 25 Abs. 5 WEG vorliegt, ist grundsätzlich auf die Person des Eigentümers abzustellen. Persönliche Beziehungen oder verwandtschaftliche Verhältnisse zu einer befangenen Person führen nicht zu einem Stimmverbot.304 Lässt sich der Eigentümer in der Eigentümerversammlung vertreten, so kann auch der Vertreter kein Stimmrecht ausüben, wenn der Eigentümer selbst einem Stimmrechtsverbot unterliegt.305 Grund ist, dass der Eigentümer keine Rechtsmacht übertragen kann, die ihm selbst nicht zusteht.306

4.189 Gehört ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich, können diese ihr Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur einheitlich ausüben. Umstritten ist, ob sich ein Stimmverbot gegenüber einem einzelnen Miteigentümer dahingehend auswirkt, dass auch die anderen Miteigentümer vom Stimmverbot betroffen sind. Während die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur dies aufgrund der Einheitlichkeit des Stimmrechts bejahen,307 stellt die Gegenansicht darauf ab, ob der vom Stimmverbot betroffene Eigentümer derart auf die übrigen Miteigentümer Einfluss nimmt, dass auch die übrigen vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.308 Kann der ausgeschlossene Eigentümer im Innenverhältnis keine Einflussnahme ausüben, z.B. wegen

301 BGH, Urt. v. 6.12.2013 – V ZR 85/13, MDR 2014, 399 = ZWE 2014, 176; BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2Z BR 27/01, ZWE 2001, 490; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 147 f. 302 LG Stuttgart, Beschl. v. 24.9.2010 – 19 S 23/10, ZWE 2010, 468; BayObLG, Beschl. v. 31.1.1992 – BReg 2 Z 143/91, WuM 1992, 209. 303 LG Stuttgart, Beschl. v. 24.9.2010 – 19 S 23/10, ZWE 2010, 468. 304 Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.10.1997 – 5 W 60/97, WE 1998, 69; LG Frankfurt (Oder), Urt. v. 18.9.2012 – 16 S 9/12, ZWE 2013, 174. 305 OLG Frankfurt., Beschl. v. 28.2.1983 – 20 W 8/83, OLGZ 1983, 175; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.9.1998 – 3 Wx 366/98, NZM 1999, 285; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 7.3.2002 – 3 W 184/01, ZWE 2002, 283. 306 BGH, Urt. v. 6.12.2013 – V ZR 85/13, MDR 2014, 399 = ZWE 2014, 176; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.2.1983 – 20 W 8/83, OLGZ 1983, 175. 307 BayObLG, Beschl. v. 15.10.1992 – 2Z BR 75/92, NJW-RR 1993, 206; Gottschalg NZM 2005, 88; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 308 Merle in Bärmann, WEG, § 25 Rz. 160; Bassenge in Palandt, § 25 WEG Rz. 15; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 Rz. 30.

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Teilnahmerecht und Stimmrecht

Rz. 4.194 Teil 4

fehlender Mehrheitsverhältnisse, soll das Stimmrecht für die übrigen Eigentümer bestehen bleiben. Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Haben die verbliebenen Miteigentümer die Möglichkeit, den ausgeschlossenen Miteigentümer zu überstimmen, so kann auch eine Stimmabgabe erfolgen. Anderenfalls würden die Miteigentümer unzulässig in ihrem Stimmrecht beschränkt, wenn sie dieses nur nicht ausüben könnten, weil einer von ihnen einem Stimmverbot unterliegt.

4.190

Auch bei den rechtsfähigen Personen- und Kapitalgesellschaften kommt es für die Wirkung des in einer Person liegenden Stimmrechtsverbotes auf das Stimmrecht der Gesellschaft darauf an, ob die vom Verbot betroffene Person maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hat. Ist dies der Fall, so soll auch die Gesellschaft von der Stimmabgabe ausgeschlossen sein, weil die rechtsfähige Gesellschaft nicht selbst zur Willensbildung in der Lage ist, sondern diese durch die einzelnen Organe erfolgt.309 In der Aktiengesellschaft führt das beim Vorstand angesiedelte Stimmverbot zu einem Stimmverbot der gesamten AG, wenn mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder unmittelbar von einem Stimmverbot betroffen ist. Gleiches gilt für die GmbH, sofern der betroffene Gesellschafter oder Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss auf den Willensbildungsprozess der GmbH besitzt.310

4.191

dd) Wirkungen des Stimmrechtsausschlusses Besteht ein Stimmrechtsausschluss, darf die entsprechende Stimme bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit keine Berücksichtigung finden, der Betroffene darf zudem bei Beschlussfassungen nicht mit abstimmen.311 Wird die Stimme dennoch mitgewertet, kann der Beschluss angefochten werden.312 Auch wenn ein Stimmverbot besteht, behält der betroffene Eigentümer sein Teilnahme-, Rede- und Antragsrecht.313

4.192

Die Regelung des § 25 Abs. 5 WEG ist nach h.M. durch Vereinbarung abdingbar.314

4.193

e) Ruhen des Stimmrechts Wurde ein Wohnungseigentümer rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums 4.194 verurteilt (§ 18 WEG), ist er nach § 25 Abs. 5 3.Alt. WEG nicht mehr berechtigt, sein Stimmrecht auszuüben. Dabei kommt es nicht auf den Zweck oder Inhalt der Beschlussfassung an.315 Entscheidender Zeitpunkt für den Entzug des Stimmrechts ist die formelle Rechtskraft des Entziehungsurteils gemäß § 705 ZPO, bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Eigentümer stimmberechtigt. 309 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.7.2007 – 14 Wx 41/06, ZMR 2008, 408; AG Dresden, Beschl. v. 2.11.2002 – 440 UR II 90/02 WEG, ZMR 2005, 232; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 162. 310 Vgl. dazu ausführlich Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 161 ff. 311 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 173; Häublein, ZWE 2012, 1. 312 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.5.2008 – I-3 Wx 271/07, WuM 2008, 368; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 148. 313 BayObLG, Beschl. v. 29.2.1996 – 2Z BR 142/95, NJW-RR 1996, 1101; KG, Beschl. v. 30.10.1985 – 24 W 6819/84, NJW-RR 1986, 642. 314 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.1997 – 3 Wx 443/97, NZM 1998, 523; Steinmeyer in Timme, § 25 WEG Rz. 150 f.; Häublein in Staudinger (2018), § 25 Rz. 234; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 176. 315 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 179; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 230.

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145

Teil 4 Rz. 4.195

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.195 Daneben können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung weitere Kriterien festlegen, bei denen das Stimmrecht ruhen soll.316 Unwirksam ist allerdings eine Vereinbarung, nach der bei einem Stimmrechtsverbot aufgrund Entziehung des Eigentums bereits auf den Entziehungsbeschluss abgestellt werden soll, da der Beschluss allein keine Gewähr für das Vorliegen eines hinreichenden Grundes für das Stimmverbot bildet.317 f) Stimmbindungsverträge

4.196 Stimmbindungsverträge sind Verträge, in denen sich der Inhaber des Stimmrechts verpflichtet, sein Stimmrecht in einer bestimmten Art und Weise auszuüben. Solche Stimmbindungsverträge sind nach h.M. grundsätzlich zulässig, entfalten jedoch lediglich eine schuldrechtliche Wirkung. Dies bedeutet, dass eine entgegen des Vertrages abgegebene Stimme die Wirksamkeit der Stimmabgabe unberührt lässt.318 Der Vertragspartner kann gegen den Abstimmenden lediglich Ansprüche nach den §§ 280 ff. BGB geltend machen.

4.197 Die Stimmbindungsverträge unterliegen wie alle Verträge den allgemeinen Schranken für Rechtsgeschäfte, d.h. sie dürfen nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder ein gesetzliches Verbot verstoßen. Unzulässig sind zudem Stimmbindungsverträge mit Eigentümern, die einem Stimmverbot nach § 25 Abs. 5 WEG unterliegen.

IV. Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung 1. Vorsitz in der Versammlung

4.198 Nach § 24 Abs. 5 WEG führt der Verwalter den Vorsitz in der Wohnungseigentümerversammlung, sofern nicht in der Gemeinschaftsordnung etwas anderes vereinbart ist oder die Eigentümer in der Versammlung selbst etwas anderes beschließen. a) Verwalter bzw. dessen Mitarbeiter

4.199 Grundsätzlich ist der bestellte Verwalter berechtigt, aber auch verpflichtet, den Vorsitz in der Eigentümerversammlung zu führen. Der Verwalter ist nach zutreffender Ansicht nicht verpflichtet, die Versammlung persönlich zu leiten, er kann sich vielmehr durch Mitarbeiter vertreten lassen.319 Die von dem Verwalter ausgewählten Mitarbeiter müssen keine besondere fachliche Qualifikation besitzen, auch muss es sich nicht um besondere Repräsentanten des Unternehmens handeln.

4.200 Sofern die Verwaltung durch eine juristische Person oder eine Personengesellschaft geführt wird, richtet sich die Frage, welche Person den Vorsitz in der Versammlung führt, in erster 316 LG Hamburg, Beschl. v. 16.5.1962 – 10 T 4/62, NJW 1962, 1867; KG, Beschl. v. 27.11.1985 – 24 W 4858/85, OLGZ 1986, 179. 317 Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 234; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 192; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 25 WEG Rz. 44. 318 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 103; Häublein in Staudinger (2018), § 25 WEG Rz. 195; LG Hamburg, Beschl. v. 10.12.2007 – 318 T 49/07, ZMR 2011, 822. 319 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 127; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 59; Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 24 WEG Rz. 61; OLG München, Beschl. v. 7.6.2005 – 32 Wx 32/05, NZM 2005, 588 = NJW-RR 2005, 964.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.204 Teil 4

Linie nach den Bestimmungen des Verwaltervertrages. Enthält dieser keine Regelung, kann der Vorsitz von einem vertretungsberechtigten Organ oder von einem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter, z.B. Prokuristen geführt werden.320 In der Praxis werden die Eigentümerversammlungen – zumindest bei großen Verwaltungen – durch den jeweils bevollmächtigten Sachbearbeiter geleitet. b) Anderweitige Regelung Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung oder Beschluss einen anderweitigen Vorsitzenden der Versammlung bestimmen. Während durch die Gemeinschaftsordnung generell ein vom Verwalter abweichender Vorsitzender bestimmt werden kann, kann auch für jede Versammlung im Einzelfall der Vorsitzende mittels Beschluss bestimmt werden. Die zu bestimmende Person kann auch ein Dritter sein.321

4.201

Für einen Beschluss zur Bestimmung eines Vorsitzenden genügt eine einfache Mehrheit. Der 4.202 Beschluss über die Bestimmung des Versammlungsvorsitzenden ist als reiner Geschäftsordnungsbeschluss nicht selbständig anfechtbar, da er sich mit dem Ende der Versammlung erledigt. Eine Beschlussfassung über die Bestimmung des Vorsitzenden muss nicht in der Tagesordnung angekündigt werden, da sie bereits gesetzlich in § 24 Abs. 5 WEG verankert ist. Die benannte Person ist jedoch erst dann Vorsitzender, wenn sie die Wahl auch annimmt. Da die Zuständigkeit des Verwalters unter dem Vorbehalt einer abweichenden Regelung durch die Wohnungseigentümer steht, wird sie vielfach auch als „Ersatzkompetenz“ bezeichnet. c) Fehlen eines Vorsitzenden Fehlt ein Versammlungsvorsitzender, etwa weil kein Verwalter bestellt wurde oder der Verwalter nicht zur Versammlung erschienen ist, können in der Eigentümerversammlung keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden. Ein Beschluss kommt erst mit der Feststellung und Verkündung zustande, diese Aufgaben obliegen dem Versammlungsvorsitzenden.322 Sollen wirksame Beschlüsse gefasst werden, muss demnach in jedem Fall ein Versammlungsvorsitzender gewählt werden.

4.203

2. Aufgaben des Versammlungsvorsitzenden Die Aufgaben des Versammlungsvorsitzenden sind im Gesetz nicht geregelt. Eine Ausnahme bilden allein § 24 Abs. 5 u. Abs. 6 WEG, wonach der Vorsitzende vorbehaltlich eines abweichenden Beschlusses die Leitung der Versammlung inne und eine Niederschrift über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anzufertigen hat. Die Wohnungseigentümer können allerdings in der Gemeinschaftsordnung, durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss eine Geschäftsordnung festlegen;323 in dieser können etwa eine Redeordnung oder Ein- und Auslasskontrollen zur Versammlung geregelt sein. Verstöße gegen die Geschäftsordnung führen 320 BayObLG, Beschl. v. 7.8.2003 – 2Z BR 47/03, NJW-RR 2003, 1666 = NZM 2003, 900; SchleswigHolsteinisches OLG, Beschl. v. 4.12.1996 – 2 W 85/96, WE 1997, 388 = MDR 1997, 821; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 59. 321 Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 128; Schultzky in Jennißen, § 24 Rz. 107. 322 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809. 323 AG Koblenz, Urt. v. 18.5.2010 – 133 C 3201/09 WEG, ZWE 2010, 288; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 109.

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4.204

Teil 4 Rz. 4.204

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

grundsätzlich nicht zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, es sei denn, der Verstoß hat sich maßgeblich auf die Beschlussfassung ausgewirkt.324

4.205 Die Aufgaben und Befugnisse des Versammlungsvorsitzenden sind unter Berücksichtigung der Interessen der Eigentümer an einer fairen und nachvollziehbaren Willensbildung abzuleiten, wobei dem Vorsitzenden ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt wird.325 Die Versammlungsleitung des Vorsitzenden muss darauf ausgerichtet sein, eine sachgemäße Erledigung der Tagesordnung durch eine ungestörte Willensbildung und Beschlussfassung in der Versammlung sicherzustellen.326 a) Leitungsbefugnisse des Vorsitzenden

4.206 Zur sachgemäßen Erledigung der Tagesordnung hat der Vorsitzende das Recht und die Pflicht, alle erforderlichen verfahrensleitenden Maßnahmen zu treffen, wobei stets die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung zu beachten sind. Der Versammlungsvorsitzende soll dafür Sorge tragen, dass rechtlich nicht zu beanstandende Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden,327 zu diesem Zwecke stehen ihm Geschäftsordnungsmaßnahmen (z.B. Ausübung des Hausrechtes) zu, auch kann die Wohnungseigentümerversammlung Geschäftsordnungsbeschlüsse durch Mehrheit treffen, die dann auch von dem Versammlungsvorsitzenden zu beachten sind.328 aa) Anträge zur Geschäftsordnung

4.207 Jedem Miteigentümer steht es frei, zu Beginn aber auch während der Versammlung Anträge zur Geschäftsordnung zu stellen. Diese Anträge sind grundsätzlich vor anderen Anträgen zu behandeln. Da sich die Notwendigkeit von Geschäftsordnungsanträgen meist erst aus dem Verlauf der Versammlung ergibt, können und müssen diese nicht in die Tagesordnung aufgenommen werden. So kann etwa über die Änderung der Reihenfolge der Tagesordnung ohne vorherige Ankündigung mehrheitlich beschlossen werden, ebenso die Absetzung bestimmter Punkte von der Tagesordnung, oder die Vertagung der Eigentümerversammlung auf einen anderen Termin.329

4.208 Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine bestehende Geschäftsordnung generell geändert werden oder eine generelle Geschäftsordnung erstmalig beschlossen werden soll. In diesem Falle ist die Beschlussfassung in der Tagesordnung anzukündigen.330

4.209 Die Abstimmung über Geschäftsordnungsanträge erfolgt nach dem Kopfprinzip – dies gilt auch, wenn die Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der Abstimmung über die Tagesord324 325 326 327

Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 109a. BGH, Urt. v. 8.7.2016 – V ZR 261/15, NJW 2017, 666. KG, Beschl. v. 28.11.1990 – 24 W 1683/90, WuM 1991, 217. KG, Beschl. v. 28.11.1990 – 24 W 1683/90, WuM 1991, 217; Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105. 328 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63 = NJW 2002, 3629; OLG Hamm, Beschl. V. 14.6.1996 – 15 W 15/96, WE 1997, 23; KG, Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105. 329 LG Dortmund, Urt. v. 11.11.2014 – 1 S 83/14, ZWE 2015, 371; AG Dortmund, Urt. v. 19.1.2017 – 514 C 74/17, ZMR 2018, 372; BayObLG, Beschl. v. 18.3.1999 – 2Z BR 151/98, NZM 1999, 672. 330 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 111.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.214 Teil 4

nungspunkte der Wohnungseigentümerversammlung das Objekt- oder Wertprinzip vorsieht. Hintergrund dieser abweichenden Stimmkraftverteilung ist die Überlegung, dass kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Einflussnahme auf Geschäftsordnungsbeschlüsse mit unterschiedlicher Gewichtung der Wohnungseigentümer erfolgen soll.331 Beschlüsse zur Geschäftsordnung sind nicht selbständig anfechtbar,332 hat sich der Verstoß gegen die Geschäftsordnung indes auf den Inhalt der Beschlüsse zu den einzelnen Tagesordnungspunkten ausgewirkt, können diese Beschlüsse angefochten werden. bb) Eröffnung der Versammlung Der Versammlungsvorsitzende ist für die Eröffnung der Versammlung zuständig und sollte diese förmlich feststellen. Hintergrund ist, dass eine deutliche Abgrenzung zu reinen Vorgesprächen der Versammlung erfolgt, damit diese von förmlichen Beschlussfassungen abgegrenzt werden können.

4.210

cc) Vorschlag des Protokollführers Der Versammlungsvorsitzende hat des Weiteren einen Protokollführer vorzuschlagen, der den Verlauf der Wohnungseigentümerversammlung protokolliert.333 Die Bestimmung des Protokollführers erfolgt per Geschäftsordnungsbeschluss der Eigentümerversammlung,334 der Betroffene muss seiner Bestimmung zustimmen. Üblicherweise übernimmt ein Mitarbeiter der Verwaltung die Protokollführung.

4.211

dd) Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung Dem Versammlungsvorsitzenden obliegt die Prüfung und Feststellung der ordnungsgemäßen 4.212 Einberufung der Versammlung. Zu prüfen und auch festzustellen ist insbesondere, ob die Versammlung durch eine zuständige Person unter Einhaltung der Ladungsfrist einberufen wurde. Ist dem Vorsitzenden ein Ladungsmangel bekannt, so hat er darauf hinzuweisen und die Versammlung abzubrechen, da anderenfalls die gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt werden können.335 Hinweis: Widersprechen in der Versammlung anwesende Wohnungseigentümer der Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung nicht, sind sie gehindert, sich bei einer späteren Anfechtung von Beschlüssen auf einen Einberufungsmangel zu berufen.

4.213

ee) Feststellung der Beschlussfähigkeit Dem Versammlungsvorsitzenden obliegt nach § 25 Abs. 3 WEG außerdem die Feststellung 4.214 der Beschlussfähigkeit. Die Beschlussfähigkeit muss nicht nur zu Beginn der Versammlung vorliegen, sondern bei jedem einzelnen Beschlussantrag. Dem Vorsitzenden obliegt daher auch die fortlaufende Kontrolle der Beschlussfähigkeit, d.h. neu dazukommende oder die Versammlung verlassende Stimmrechtsinhaber müssen protokolliert und nachvollzogen werden. In der Praxis hat sich die Verwendung von Teilnehmerlisten bewährt, in die die einzelnen Wohnungseigentümer (oder ihre Vertreter) sich zu Beginn der Eigentümerversammlung ein331 Häublein in Staudinger (2018), WEG § 24 Rz. 203; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 110. 332 BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2Z BR 27/01, ZWE 2001, 490; OLG München, Beschl. v. 19.9.2005 – 34 Wx 76/05, NZM 2005, 825. 333 KG, Beschl. v. 15.9.2000 – 24 W 3301/00, ZWE 2001, 75; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 111. 334 BayObLG, Beschl. v. 19.2.2004 – 2Z BR 219/03, NZM 2004, 794 = ZMR 2005, 211. 335 Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 112.

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Teil 4 Rz. 4.214

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

tragen und in der dann auch eventuelle Wechsel in der Teilnehmerzahl vermerkt werden können.

4.215 Bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit hat der Versammlungsvorsitzende insbesondere zu beachten, ob es sich um eine Erstversammlung (§ 25 Abs. 3 WEG) oder eine Wiederholungsversammlung nach § 25 Abs. 4 S. 2 WEG handelt. Während die Erstversammlung beschlussfähig ist, wenn die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte aller im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile vertreten,336 ist die Wiederholungsversammlung unabhängig von der Zahl der Anwesenden nach § 25 Abs. 4 S. 2 WEG stets beschlussfähig. Tritt daher im Laufe der Versammlung die Beschlussunfähigkeit ein, ist die Versammlung abzubrechen und diese ggfs. als Widerholungsversammlung (vgl. oben Rz. 4.90) fortzusetzen.337 ff) Hausrecht/Diskussionsleitung

4.216 – Hausrecht Der Versammlungsvorsitzende hat dafür zu sorgen, dass die Tagesordnung Punkt für Punkt behandelt und diskutiert wird. Da der Vorsitzende für den ordnungsmäßigen Ablauf der Eigentümerversammlung verantwortlich ist, muss ihm neben den Wohnungseigentümern das Hausrecht zustehen.338 Der Versammlungsvorsitzende kann daher nicht teilnahmeberechtigte Dritte von der Teilnahme an der Versammlung ausschließen und diese des Raumes verweisen, wenn nicht die Wohnungseigentümer einen anderweitigen Zulassungsbeschluss fassen.339

4.217 – Saalverweis In besonderen Ausnahmefällen darf der Versammlungsvorsitzende auch teilnahmeberechtigte Personen des Saales verweisen, wobei ein solcher Verweis nur als ultima ratio in Betracht kommt.340 Vor Aussprache des Saalverweises sind daher zunächst mildere Mittel wie Redeverbot, Redezeitbeschränkung oder die Unterbrechung der Versammlung anzuwenden.341 Erst wenn diese nicht greifen, darf der Ausschluss erfolgen.

4.218 Gründe für einen zulässigen Ausschluss liegen z.B. vor, wenn – der Eigentümer die Versammlung durch ständige Zwischenrufe oder unsachliche Wortbeiträge stört, – der Eigentümer trotz Wortentzug die Versammlung stört oder

336 H.M: BayObLG, Beschl. v. 20.2.2003 – 2Z BR 136/02, ZMR 2003, 519; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.7.1991 – 3 Wx 99/91, MDR 1992, 374; KG, Urt. v. 10.5.1974 – 1 W 809/72, OLGZ 1974, 419; Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 109. 337 BayObLG, Beschl. v. 27.2.1981 – Breg 2Z 23/80, BayObLGZ 1981, 50 = ZMR 1981, 249; OLG Köln, Beschl. v. 23.8.1989 – 16 Wx 79/89, NJW-RR 1990, 26. 338 KG, Beschl. v. 28.11.1990 – 24 W 1683/90, WuM 1991, 217; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 110. 339 BGH, Beschl. v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 = NJW 1993, 1329 = ZMR 1993, 287; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.11.1996 – 11 Wx 121/95, WuM 1997, 242. 340 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 104 f., Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.8.2003 – 5 W 11/03, ZMR 2004, 67. 341 Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.8.2003 – 5 W 11/03, ZMR 2004, 67; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 105.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.223 Teil 4

– tätliche Angriffe gegenüber anderen Teilnehmern der Eigentümerversammlung oder dem Verwalter und dessen Mitarbeitern erfolgen. Wird eine teilnahmeberechtigte Person der Versammlung verwiesen, muss ihr Gelegenheit gegeben werden, einen anderen Teilnehmer mit der Ausübung ihres Stimmrechtes zu bevollmächtigen.342 Anderenfalls liegt ein schwerer Eingriff in elementare Rechte des Wohnungseigentümers vor, der zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führen kann.343

4.219

– Aufruf der Tagesordnung

4.220

Damit die Versammlungsteilnehmer erkennen können, welcher Tagesordnungspunkt behandelt wird, muss der jeweilige Tagesordnungspunkt aufgerufen und vollständig behandelt werden. Dem Versammlungsvorsitzenden obliegt es, Wortmeldungen in ihrer Reihenfolge entgegenzunehmen und das Wort zu erteilen.

4.221

– Redezeitbeschränkung Liegt ein umfangreicher Diskussionsbedarf vor, darf der Versammlungsvorsitzende Redezeiten vorgeben.344 Möglich ist zum einen eine generelle Redezeitbeschränkung für alle Teilnehmer bereits vor der Versammlung, wenn dies für die zügige, effektive und damit ordnungsmäßige Durchführung der Versammlung erforderlich ist.345 Diese Beschränkung kann bereits in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen sein oder durch Mehrheitsbeschluss erfolgen. Zum anderen kann eine Beschränkung im Einzelfall erfolgen, wenn ohne Begrenzung auf Grund der Art und des Umfangs der Tagesordnung ein ordnungsmäßiger Ablauf der Versammlung nicht gesichert erscheint.346 Die Begrenzung der Redezeit ist so zu bemessen, dass jeder Wohnungseigentümer den beabsichtigten Wortbeitrag liefern kann,347 andererseits aber der ordnungsgemäße und zügige Ablauf der Versammlung gewährleistet bleibt. Vom Stimmrecht ausgeschlossene Eigentümer müssen ebenfalls die Möglichkeit haben, Wortbeiträge zu liefern.348 Wird generell eine feste Redezeit von 3 Min/TOP beschlossen, ohne dass eine Ausnahme für schwierige oder komplexe Themen gemacht wird, widerspricht dies ordnungsmäßiger Verwaltung.349

4.222

– Wortentzug

4.223

Im Einzelfall darf der Versammlungsvorsitzende einem Versammlungsteilnehmer nach vorheriger Androhung das Wort entziehen. Beispielsfälle dafür sind Äußerungen des Teilnehmers

342 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 106. 343 BayObLG, Beschl. v. 10.4.2002 – 2Z BR 97/01, NZM 2002, 616. 344 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.1986 – 8 W 531/85, NJW-RR 1986, 1277 = DWE 1987, 30; AG Koblenz, Urt. v. 18.5.2010 – 133 C 3201/09 WEG, WuM 2010, 377 = ZWE 2010, 288 = ZMR 2011, 592. 345 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.1986 – 8 W 531/85, NJW-RR 1986, 1277 = DWE 1987, 30. 346 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 113; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 117. 347 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.4.2007 – I-3 Wx 127/06, ZMR 2008, 220 = NZM 2007, 569; AG Koblenz, Urt. v. 18.5.2010 – 133 C 3201/09 WEG, WuM 2010, 377 = ZWE 2010, 288 = ZMR 2011, 592. 348 Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 118; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 113. 349 LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 5.6.2014 – 2-09 S 6/13, ZWE 2014, 408.

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Teil 4 Rz. 4.223

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

in beleidigender oder unsachlicher Form, neben der Sache liegende oder weitschweifige Wortbeiträge oder die Nichteinhaltung einer berechtigten Redezeitbeschränkung.350

4.224 Hinweis: Empfehlenswert für den Versammlungsleiter ist, für eine einschneidende Maßnahme wie den Wortentzug auf einen entsprechenden Geschäftsordnungsbeschluss der Eigentümerversammlung hinzuwirken.

4.225 – Unterbrechung der Versammlung Der Versammlungsvorsitzende hat das Recht, die Versammlung jederzeit zu unterbrechen, wenn dies für einen weiteren ordnungsmäßigen Fortgang der Versammlung erforderlich ist,351 z.B. bei erkennbarem Nachlassen der Konzentration der Versammlungsteilnehmer oder bei hitzig geführten, nicht zielführenden Diskussionen. Auch Toiletten- oder Raucherpausen stellen einen Unterbrechungsgrund dar.352 Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung für ein Informationsgespräch von Eigentümern mit ihren Rechtsbeiständen entspricht in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, es sei denn, es liegen besondere Gründe vor.353

4.226 Die Dauer der Unterbrechung ist von dem Vorsitzenden vorab zumindest ungefähr festzulegen.354

4.227 – Beendigung der Debatte Ist ein Tagesordnungspunkt erschöpfend behandelt, darf der Versammlungsvorsitzende nach seinem Ermessen das Ende der Debatte anordnen bzw. feststellen.

4.228 – Abstimmung Nach Beendigung der Diskussion hat der Versammlungsvorsitzende die Abstimmung einzuleiten. Er muss noch einmal auf das konkrete Beschlussthema hinweisen und den Abstimmungsmodus festlegen.355 Liegen zu einem Tagesordnungspunkt mehrere Beschlussanträge vor, muss der Vorsitzende die Reihenfolge der Abstimmung festlegen, wobei Geschäftsordnungsanträge vor Sachanträgen zu behandeln sind.356

4.229 Die Abstimmung erfolgt unter Beachtung des festgelegten Abstimmungsmodus,357 anschließend stellt der Versammlungsleiter das Abstimmungsergebnis fest. Das Ergebnis ist von dem Vorsitzenden als konstitutive Voraussetzung für das Zustandekommen eines Beschlusses festzustellen und zu verkünden.358 Vgl. dazu auch Rz. 4.268 ff.

350 LG Stuttgart, Urt. v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, WM 1994, 1754 (zum Wortentzug innerhalb einer AG); LG Hamburg, Beschl. v. 10.2.1986 – 20a T 1/85, WuM 1986, 153. 351 BGH, Urt. v. 8.7.2016 – V ZR 261/15, ZWE 2017, 45. 352 LG Dortmund, Urt. v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZWE 2014, 127. 353 BGH, Urt. v. 8.7.2016 – V ZR 261/15, ZWE 2017, 45. 354 BGH, Urt. v. 8.7.2016 – V ZR 261/15, ZWE 2017, 45. 355 KG, Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105. 356 OLG Köln, Beschl. v. 14.10.1987 – 16 Wx 60/87, DWW 1988, 24. 357 BLOCKADE vgl unten RZ. 358 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = ZMR 2001, 809 = NJW 2001, 3339; BayObLG, Beschl. v. 29.1.2004 – 2Z BR 153/03, ZMR 2004, 446; OLG München, Beschl. v. 21.2.2007, 2 Wx 38/03, ZMR 2007, 635.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.236 Teil 4

gg) Beendigung/Vertagung/Auflösung der Versammlung Sind alle Tagesordnungspunkte abschließend behandelt, hat der Versammlungsvorsitzende die Beendigung der Versammlung festzustellen und die Versammlung förmlich zu schließen. Der Zeitpunkt der Beendigung ist in das Protokoll aufzunehmen.

4.230

Hinweis: Wie auch bei der Eröffnung der Versammlung sollte die Beendigung deutlich bekannt gemacht werden, damit etwaige im Nachgang geführte Gespräche deutlich abgrenzbar sind.

4.231

Ist die Tagesordnung noch nicht abschließend behandelt, aus Zeitgründen die Versammlung aber nicht weiter durchführbar, hat der Vorsitzende auf eine Vertagung der Versammlung hinzuwirken. Der Versammlungsleiter muss über die Vertagung abstimmen lassen, sprechen sich die Eigentümer gegen eine Vertagung aus, muss die Versammlung fortgesetzt werden.359 Mögliche Vertagungsgründe sind die Nichtbehandelbarkeit von Tagesordnungspunkten wegen fehlenden Informationen, die fortgeschrittene Zeit der Versammlung oder die drohende Beschlussunfähigkeit.

4.232

Die Auflösung der Versammlung kann erfolgen, wenn trotz fehlender Abarbeitung der Tagesordnung aus wichtigen Gründen eine Fortsetzung der Versammlung nicht mehr möglich ist, z.B. wegen nicht zu schlichtenden Streitigkeiten innerhalb der Eigentümerversammlung. Auch bei dieser Maßnahme sollte der Versammlungsleiter einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung herbeiführen.

4.233

hh) Ton-/Videoaufzeichnungen Stimmen alle anwesenden Eigentümer zu, darf der Versammlungsverlauf aufgezeichnet werden, sofern die Eigentümer das Recht haben, jederzeit den Abbruch der Aufzeichnungen zu verlangen.360 Ein bloßer Mehrheitsbeschluss ist nicht ausreichend, da die allgemeinen Persönlichkeitsrechte aller teilnehmenden Wohnungseigentümer betroffen sind.361 Wurden unberechtigt Mitschnitte angefertigt, hat der Versammlungsvorsitzende das Recht, diese in Besitz zu nehmen oder bei Verweigerung der Herausgabe den betroffenen Eigentümer des Saales zu verweisen.

4.234

3. Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung, § 23 Abs. 1 WEG Die Willensbildung in der Wohnungseigentümerversammlung erfolgt nach § 23 Abs. 1 WEG im Wege der Beschlussfassung.

4.235

a) Rechtsnatur des Beschlusses Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art, ein sog. Gesamtakt, der sich aus den einzelnen gleichgerichteten Willenserklärungen der Wohnungseigentümer zusammensetzt.362 359 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 103. 360 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.12.1997 – 4 U 128/97, NJW-RR 1998, 1116. 361 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = ZMR 2001, 809 = NJW 2001, 3339. 362 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NZM 1998, 955; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.1985 – 8 W 68/85, OLGZ 1985, 259; Armbrüster ZWE 2013, 242.

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4.236

Teil 4 Rz. 4.237

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

aa) Rechtsgeschäft

4.237 Der Beschluss unterliegt den für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften, insbesondere den Bestimmungen über die Nichtigkeit (§§ 134, 138, 139, 140 BGB). Als Rechtsgeschäfte können Beschlüsse nach § 158 Abs. 1 + 2 BGB grundsätzlich auch unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung gefasst werden. Die Bedingung muss dann aber klar bestimmt sein, damit ihr Nichteintritt oder Eintritt festgestellt werden kann.363

4.238 Hinweis: Bei bedingten Beschlüssen ist im Rahmen einer möglichen Anfechtung stets zu prüfen, ob die Verknüpfung mit einer Bedingung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies ist etwa nicht der Fall, wenn eine Jahresabrechnung vorbehaltlich der Prüfung durch den Verwaltungsbeirat oder vorbehaltlich gewisser Änderungen beschlossen wird.

4.239 Beschlüsse sind als Rechtsgeschäfte der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zugänglich. Die Anwendung der §§ 133, 157 BGB ist jedoch dadurch beschränkt, dass Beschlüsse nach § 10 Abs. 4 WEG auch ohne Eintragung im Grundbuch für und gegen den Sonderrechtsnachfolger gelten. Sie sind daher wie im Grundbuch eingetragene Regelungen der Gemeinschaftsordnung „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, wobei es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt.364 Daher ist bei der Auslegung von Beschlüssen grundsätzlich nur auf den protokollierten Beschluss abzustellen.365 Umstände außerhalb des Protokolls dürfen nur ausnahmsweise und nur dann herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann erkennbar sind.366

4.240 Enthält der Inhalt des Beschlusses weder eine bestimmbare noch – z.B. wegen Widersprüchlichkeit – eine durchführbare Regelung, ist er nichtig.367 Beispiele: – Eine Regelung, die das Singen und Musizieren nur in „nicht belästigender Art und Weise“ gestattet,368 363 BayObLG, Beschl. v. 14.8.1996 – 2Z BR 77/96, NJWE-MietR 1997, 15; OLG Köln, Beschl. v. 22.9.2004 – 16 Wx 142/04, NZM 2005, 23 = ZMR 2005, 227; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 31. 364 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; KG, Beschl. v. 18.5.2009 – 24 W 17/08, ZMR 2009, 790; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2007 – 2 Wx 128/03, ZMR 2008, 225; OLG Oldenburg, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 194/04, ZMR 2005, 814; OLG München, Beschl. v. 32 Wx 121/06, ZMR 2007, 69; BayObLG, Beschl. v. 8.8.1986 – BReg 2 Z 95/85, BayObLGZ 1986, 322; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 1.3.2001 – 2 W 179/99, ZWE 2001, 506; LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186. 365 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; BayObLG, Beschl. v. 11.10.1989 – 2Z 71/89, WE 1991, 50; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.9.2006 – 3 Wx 70/06, NJW-RR 2007, 1169. 366 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; BayObLG, Beschl. v. 24.11.2004 – 2Z BR 156/04, ZMR 2005, 639; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.4.2008 – 20 W 13/07, ZMR 2009, 56. 367 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; BayObLG, Beschl. v. 24.11.2004 – 2Z BR 156/04, ZMR 2005, 639; KG, Beschl. v. 3.2.1981 – 1 W 2823/80, OLGZ 1981, 307; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 27.3.2001 – 2 Wx 149/00, ZMR 2001725; OLG Hamm, Beschl. v. 23.9.2004 – 15 W 129/04, ZMR 2005, 306; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2008 – I-3 Wx 272/07, WuM 2009, 63. 368 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2009 – 3 Wx 233/08, NJW 2009, 3377.

154

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.243 Teil 4

– eine Regelung, wonach „weniger genutzte Fahrräder“ an einem bestimmten Ort abzustellen sind,369 – eine Regelung, nach der Kosten nach vom Bauträger angegebenen Wohnflächen abgerechnet werden sollen;370 – eine Regelung, nach der die Fälligkeit von Zahlungen von der „Vorlage einer Bankbestätigung“ abhängt371 oder – eine Regelung, nach der die Gartennutzung „weiterhin so bestehen bleibt wie bisher gehandhabt372“.

Lässt demgegenüber der Beschlussinhalt eine durchführbare Regelung noch erkennen, ist er zwar wirksam, aber anfechtbar. Hier muss stets sorgfältig argumentiert werden.

4.241

Beispiele: – Eine Regelung in der Hausordnung, dass Kinderwagen „vorübergehend im Hausflur abgestellt werden dürfen“;373 – ein Beschluss, der eine Baumaßnahme nur wenig detailliert beschreibt.374

bb) Abgrenzung zur Vereinbarung Bei einer Vereinbarung handelt es sich – anders als bei einem Beschluss – um einen schuldrechtlichen Vertrag, der die übereinstimmenden Willenserklärungen aller Wohnungseigentümer voraussetzt. Auf Vereinbarungen finden daher die allgemeinen Vorschriften für Rechtsgeschäfte Anwendung.375 Vereinbarungen ergänzen das Gesetz oder ändern es ab, Beschlüsse können dies nicht. Vereinbarungen können formlos geschlossen werden,376 während Beschlüsse den Formvorschriften der §§ 23-25 WEG unterliegen. Die Vereinbarung wirkt im Innenverhältnis für und gegen alle Wohnungseigentümer, die ihr zugestimmt haben.377 Eine Rechtswirkung gegenüber Sonderrechtsnachfolgern entfaltet sie gemäß § 10 Abs. 3 WEG erst dann, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen wird. Ein Beschluss entfaltet demgegenüber auch ohne Eintragung im Grundbuch Wirkung gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger, § 10 Abs. 4 WEG.

4.242

Fraglich ist, wie sich die Vereinbarung von einem allstimmigen Beschluss abgrenzen lässt. Der allstimmige Beschluss ist ein Gesamtakt, der sich aus den inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen aller Wohnungseigentümer zusammensetzt. Der allstimmige Beschluss setzt demnach voraus, dass alle Eigentümer in der Versammlung anwesend oder vertreten sind oder eine schriftliche Beschlussfassung nach § 23 Abs. 3 WEG erfolgt.

4.243

369 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2009 – 3 Wx 233/08, NJW 2009, 3377; LG Itzehoe, Urt. v. 28.5.2014 – 11 S 58/13, ZWE 2015, 32. 370 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.3.2004 – I-3 Wx 344/03, NZM 2004, 467. 371 BayObLG, Beschl. v. 20.10.2004 – 2 Z BR 161/04, NZM 2005, 788. 372 KG, Beschl. v. 3.2.1981 – 1 W 2823/80, OLGZ 1981, 307. 373 OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2001 – 15 W 444/00, ZWE 2002, 44. 374 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.11.2004 – I-3 Wx 234/04, ZMR 2005, 143. 375 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, NJW 1994, 2950; BayObLG, Beschl. v. 23.5.1990 – BReg 2 Z 46/90, NJW-RR 1990, 1102. 376 BGH, Urt. v. 21.10.1983 – V ZR 121/82, NJW 1984, 612; BayObLG, Beschl. v. 6.6.2002 – 2Z BR 128/01, ZMR 2002, 848. 377 BGH, Urt. v. 9.2.2004 – II ZR 218/01, ZMR 2004, 522; BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, NZM 2002, 747; BayObLG, Beschl. v. 14.11.2002 – 2Z BR 107/02, ZMR 2003, 364.

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Teil 4 Rz. 4.244

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.244 Für die Abgrenzung zwischen Vereinbarung und allstimmigem Beschluss ist auf den Inhalt der Regelung abzustellen.378 Ist der Regelungsgegenstand einer Beschlussfassung zugänglich, handelt es sich im Zweifelsfall um einen Beschluss. Dies gilt auch, wenn das Protokoll den Hergang der Entscheidungsfindung mit den Worten „Beschlussgegenstand“, „Abstimmung“ oder „Beschlussfeststellung“ beschreibt.379 Betrifft der Regelungsgegenstand demgegenüber die Änderung der Grundordnung der Gemeinschaft mit rechtsgestaltender Wirkung für die Zukunft, handelt es sich im Zweifel um eine Vereinbarung, da die Vermutung gilt, dass die Wohnungseigentümer das richtige Regelungsinstrument für ihre Willensentschließung wählen wollen.380 cc) Einmannbeschluss

4.245 Aus der Rechtsnatur des Beschlusses als Gesamtakt ergibt sich, dass ein Beschluss nur gefasst werden kann, wenn mindestens eine aus zwei Eigentümern bestehende Gemeinschaft vorliegt.381 Der teilende Alleineigentümer kann somit keine Beschlüsse im Sinne des WEG fassen, es gibt keine „Einmann-Wohnungseigentümergemeinschaft“.382 Dafür besteht auch kein Bedürfnis, da der teilende Eigentümer bis zur Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft die alleinige Befugnis zur Gestaltung der Gemeinschaftsordnung besitzt.383

4.246 Beschlüsse können damit erst ab Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft von dem teilenden Eigentümer und den (werdenden) Wohnungseigentümern gefasst werden.

4.247 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein in der Eigentümerversammlung allein anwesender Wohnungseigentümer wirksam Beschlüsse fassen kann. Dies wird dann bejaht, wenn die Einmannversammlung beschlussfähig ist,384 weil es sich z.B. um eine Wiederholungsversammlung handelt oder die Beschlussfähigkeit nach einer Vereinbarung der Eigentümer immer als gegeben vorausgesetzt wird. b) Beschlusskompetenz

4.248 Eine wirksame Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung kann nur dann erfolgen, wenn die Wohnungseigentümerversammlung Beschlusskompetenz besitzt. Be-

378 LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2010 – 11 S 140/09, ZMR 2010, 640; OLG Hamm, Beschl. v. 18.9.2006 – 15 W 88/06, ZMR 2007, 131; BayObLG, Beschl. v. 23.1.2001 – 2 Z BR 138/00, NJWRR 2001, 1164; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001 – 3 Wx 392/00, ZMR 2001, 734; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 26.11.2007 – 2 Wx 68/07, ZMR 2008, 154; OLG Hamm, Beschl. v. 10.9.1996 – 15 W 236/96, WE 1997, 32; a.A. Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 28; Wenzel in FS Deckert 2002, 519. 379 Häublein in Staudinger (2018), WEG § 23 Rz. 19; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 28. 380 BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, NZM 2002, 747; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.2.1997 – 3 W 200/96, WE 1997, 234; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 11.6.2001 – 3 W 218/00, ZMR 2001, 734; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001 – 3 Wx 392/00, ZMR 2001, 649. 381 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.1985 – 20 W 145/85, OLGZ 1986, 40; LG Frankfurta.M, Beschl. v. 16.3.1989 – 2/9 T 523/88, ZMR 1989, 351. 382 OLG Köln, Beschl. v. 15.1.2008 – 16 Wx 141/07, ZWE 2008, 244; BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 75/07, NJW 2008, 2639 = NZM 2008, 649; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 29. 383 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 29. 384 BayObLG, Beschl. v. 7.12.1995 – 2Z BR 72/95, NJW-RR 1996, 524; Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 29.

156

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.252 Teil 4

schlüsse, denen es an der Beschlusskompetenz mangelt, sind nichtig.385 Das WEG unterscheidet dabei zwischen Angelegenheiten, die die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss oder allstimmigen Beschluss regeln können und solchen, die einer Vereinbarung bedürfen. Durch sog. „Öffnungsklauseln“ in der Gemeinschaftsordnung oder durch eine Vereinba- 4.249 rung kann bestimmt werden, dass Angelegenheiten abweichend von einer gesetzlichen Bestimmung durch Mehrheitsbeschluss geregelt werden können. Umgekehrt kann auch bestimmt werden, dass in Angelegenheiten, in denen ein Mehrheitsbeschluss ausreichend wäre, ein allstimmiger Beschluss oder ein Beschluss mit qualifizierter Mehrheit notwendig ist. Nach dem gesetzlichen Prinzip sind die Angelegenheiten, die durch Mehrheitsbeschluss geregelt werden können, auf bestimmte Bereiche beschränkt. Der einzelne Wohnungseigentümer kann daher darauf vertrauen, dass auch nur in diesen Bereichen eine Mehrheitsentscheidung getroffen werden kann und es im Übrigen einer Vereinbarung bedarf. Ist daher die Regelungskompetenz durch Mehrheitsbeschluss weder nach dem Gesetz noch nach einer Vereinbarung gegeben, ist die Wohnungseigentümerversammlung absolut unzuständig, was zur Folge hat, dass gleichwohl gefasste Beschlüsse nichtig sind und nicht für ungültig erklärt werden müssen.386 Eine Regelungskompetenz durch Mehrheitsbeschluss wird abweichend von den gerade dargestellten Prinzipien in folgenden Fällen bejaht:

4.250

aa) Gebrauchsregelungen § 15 Abs. 2 WEG bestimmt, dass die Regelung des ordnungsmäßigen Gebrauchs des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss erfolgen kann. Gebrauchsregelungsbeschlüsse sind häufig Bestandteil der Hausordnung, insoweit stellt § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG ausdrücklich klar, dass die Aufstellung einer Hausordnung zur Regelung des ordnungsmäßigen Gebrauchs gehört. Zudem liegt eine Regelung des ordnungsmäßigen Gebrauchs vor, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Gegenstands und der Verkehrssicherungspflichten dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und billigem Ermessen entspricht,387 d.h. ein störungsfreies und geordnetes Zusammenleben der Wohnungseigentümer untereinander fördert und der Wahrung des Hausfriedens dient.388 Ordnungsgemäß ist dabei ein Gebrauch, der sich in den Grenzen des § 14 WEG hält,389 d.h. weder willkürlich ist noch gegen gesetzliche Regelungen verstößt.

4.251

bb) Verwaltungsregelungen Auch Regelungen zur ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums können nach § 21 Abs. 3 WEG durch Mehrheitsbeschluss beschlossen werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Regelung des § 21 Abs. 3 WEG ausdrücklich nicht auf das Sondereigen-

385 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZWE 2000, 518. 386 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1267 = NJW 2000, 3500 = ZWE 2000, 518; BGH, Beschl. v. 11.7.1991 – V ZB 24/90, BGHZ 115, 151 = NJW 1991, 2637. 387 OLG München, Beschl. v. 3.7.2007 – 34 Wx 25/07, NJW-RR 2007, 1461 = ZMR 2007, 484; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.12.2008 – 14 S 4885/07, ZMR 2009, 317. 388 Bärmann/Suilmann, § 15 Rz. 55; Kümmel in Niedenführ/Vandenhouten, § 15 Rz. 14. 389 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – V ZB 46/99, BGHZ 144, 386 = NJW 2000, 3211; OLG Köln, Beschl. v. 3.12.1999 – 16 Wx 165/99, NZM 2000, 191.

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157

4.252

Teil 4 Rz. 4.252

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

tum bezieht,390 für dieses ist die Wohnungseigentümerversammlung nicht zuständig. Unter Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung fallen alle Maßnahmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet sind.391 cc) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen

4.253 Als letzte Ausnahme sieht § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG vor, dass über bauliche Veränderungen, die sich im Rahmen ordnungsmäßiger Instandhaltung oder Instandsetzung halten, mit Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann. Dabei ist stets sorgfältig zu prüfen, ob sich die geplante Maßnahme tatsächlich noch in den Grenzen der Instandhaltung und Instandsetzung bewegt oder eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 2 WEG vorliegt. c) Zustandekommen des Beschlusses

4.254 Formal vollzieht sich die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung in der Weise, dass über einen bestimmten Beschlussantrag nach vorheriger Beratung abgestimmt, das Beschlussergebnis festgestellt und anschließend verkündet wird.392 aa) Angekündigte Tagesordnungspunkte

4.255 Der Beschlussantrag wird den Wohnungseigentümern im Regelfall durch den Verwalter mit der Versendung der Tagesordnung und der Einladung zur Versammlung bekannt gegeben. Der Beschlussantrag legt den Gegenstand der Beschlussfassung fest, er muss klar, verständlich und bestimmt gefasst sein und sich auf einen in der Einladung bezeichneten Regelungsgegenstand beziehen. bb) Beschlussantragsrecht

4.256 Jeder Wohnungseigentümer ist im Wege seines Teilnahmerechts an der Versammlung berechtigt, in der Eigentümerversammlung zu den angekündigten Tagesordnungspunkten einen Antrag zur Beschlussfassung zu stellen.393 Neben den Wohnungseigentümern steht auch dem Verwalter ein Antragsrecht zu. Dritte Personen besitzen nur dann ein Antragsrecht, wenn ihnen auch ein von dem Wohnungseigentümer abgeleitetes Teilnahmerecht an der Versammlung zusteht.394 cc) Inhalt des Beschlussantrages

4.257 Beschlussanträge müssen hinreichend bestimmt, klar und verständlich formuliert sein und sich auf einen Regelungsgegenstand beziehen, der in der Einladung zur Versammlung angekündigt wurde. Bezieht sich der Beschlussantrag auf vorher nicht angekündigte Tagesordnungspunkte, ist ein eventuell gefasster Beschluss anfechtbar. Der Beschlussantrag bedarf grundsätzlich nicht der Schriftform; zum Zwecke der Vorbereitung, Präzision und späteren

390 BGH, Urt. v. 9.12.2016 – V ZR 84/16, ZWE 2017, 177 = ZMR 2017, 317 = MDR 2017, 757; LG Itzehoe, Urt. v. 19.7.2016 – 11 S 113/15, ZWE 2017, 279 = ZMR 2016, 904. 391 LG München I, Urt. v. 14.6.2010 – 1 S 25652/09, ZWE 2010, 411 = ZMR 2010, 800; OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.1991 – 15 W 169/91, NJW-RR 1992, 403 = MDR 1992, 772. 392 BGH, Urt. v. 6.12.2013 – V ZR 25/13, ZWE 2014, 178 = NZM 2014, 275. 393 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 36. 394 Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 36.

158

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.262 Teil 4

Diskussion des Beschlussantrages ist es aber sinnvoll, den Antrag schriftlich vorzuformulieren. d) Abstimmung über den Beschlussantrag Nach der Beratung über den konkreten Beschlussantrag erfolgt die Abstimmung. Ohne eine Abstimmung, in der die Wohnungseigentümer nur die Möglichkeit haben, mit „ja“, „nein“ oder „Enthaltung“ zu stimmen, kommt ein Beschluss nicht zustande – es handelt sich dann vielmehr um eine bloße Diskussion.395

4.258

aa) Abstimmungsmodalitäten Hinsichtlich der Abstimmungsmodalitäten ist stets zu prüfen, ob die Gemeinschaftsord- 4.259 nung bestimmte Vorgaben zum Abstimmungsmodus enthält.396 Ist dies nicht der Fall, werden die Abstimmungsmodalitäten entweder von dem Versammlungsvorsitzenden oder von der Wohnungseigentümerversammlung durch einen entsprechenden Geschäftsordnungsbeschluss festgelegt. In Betracht kommt z.B. eine Abstimmung durch Handzeichen,397 durch Abgeben oder Heben von Stimmzetteln/Stimmkarten, durch elektronische Zählmaschinen,398 durch Akklamation oder durch Schweigen auf die Frage nach Gegenstimmen oder Enthaltungen.399 Die Abstimmung kann offen oder geheim erfolgen, wobei die Gemeinschaftsordnung einzelnen Wohnungseigentümern das Recht einräumen kann, eine geheime Abstimmung zu verlangen. Ein Widerruf einer einmal abgegeben Stimme ist nur bis zu dem Zeitpunkt möglich, in welchem die Stimmabgabe erfolgt, also dem Versammlungsleiter zugegangen ist.400

4.260

bb) Abstimmungsergebnis Nach erfolgter Abstimmung ist es Aufgabe des Versammlungsvorsitzenden, das Abstimmungsergebnis festzustellen. Dies geschieht dadurch, dass er die Anzahl der Ja-Stimmen, der Nein-Stimmen und der Enthaltungen ermittelt, indem er die entsprechenden Abstimmungsfragen stellt und die dazu abgegebenen Stimmen auszählt.401

4.261

Soweit die Gemeinschaftsordnung keine anderweitige Bestimmung enthält, kann das Abstimmungsergebnis auch durch die Subtraktionsmethode ermittelt werden, d.h. der Vorsitzende kann bereits nach Abfrage von zwei von drei – auf Zustimmung, Enthaltung oder Ablehnung gerichteten Stimmen – die noch verbleibenden Stimmen errechnen.402 Eine solche Ermittlung des Abstimmungsergebnisses ist indes nur ratsam, wenn die zum Zeitpunkt der Abstimmung anwesenden Stimmen klar bestimmt und nachweisbar sind und darauf geachtet wird, dass

4.262

395 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.11.2008 – 20 W 468/07, ZMR 2009, 463; LG Dortmund, Urt. v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZWE 2014, 127 = ZMR 2014, 387. 396 BayObLG, Beschl. v. 10.5.1989 – 2Z BR 23/88, WuM 1989, 459. 397 BayObLG, Beschl. v. 10.5.1989 – 2Z BR 23/88, WuM 1989, 459, BayObLG, Beschl. v. 21.6.1990 – Breg 1b Z 36/89, WuM 1990, 403. 398 KG, Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105. 399 KG, Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105. 400 BGH NJW-Spezial 2012, 705. 401 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2000 – 3 Wx 465/99, ZWE 2000, 423 = WuM 2000, 375. 402 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63 = NJW 2002, 3629 = ZfIR 2002, 914 = NZM 2002, 992; KG, Beschl. v. 28.11.1984 – 24 W 3678/84, ZMR 1985, 105 = WuM 1985, 101, a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2000 – 3 Wx 465/99, ZMR 2000, 550.

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Teil 4 Rz. 4.262

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

sämtliche Stimmrechtsverbote berücksichtigt werden. Unklarheiten bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses führen im Falle einer Beschlussanfechtung zu einer Ungültig Erklärung des Beschlusses.403

4.263 Bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses dürfen ungültige Stimmen nicht berücksichtigt werden, anderenfalls ist der Beschluss anfechtbar, wenn sich die ungültige Stimme auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.404 Ungültig ist eine Stimmabgabe z.B., wenn trotz Stimmrechtsverbotes eine Abstimmung erfolgt, wenn die Willensäußerung nicht eindeutig ist oder wenn im Falle gemeinschaftlicher Abstimmung nach § 25 Abs. 2 S. 2 WEG keine einheitliche Stimmabgabe erfolgt.405 e) Feststellung des Beschlussergebnisses

4.264 Aus dem Abstimmungsergebnis muss der Versammlungsvorsitzende anschließend das Beschlussergebnis ermitteln und entscheiden, ob der Beschlussantrag angenommen oder abgelehnt wurde. Dafür hat er zunächst zu prüfen, welche Stimmrechtsverhältnisse für ein Zustandekommen des Beschlusses notwendig sind (einfache oder qualifizierte Mehrheit, Einstimmigkeit), um dann das Erreichen dieser rechtlichen Erfordernisse festzustellen.406 Ergibt sich nach dem Beschlussergebnis die erforderliche Mehrheit, ist der Beschluss angenommen, anderenfalls ist er abgelehnt. Enthalten sich sämtliche Wohnungseigentümer der Stimme, liegt kein abgelehnter Beschluss vor, sondern ein Nichtbeschluss.407 Die entsprechenden Mehrheitserfordernisse ergeben sich aus den gesetzlichen Vorschriften, der Gemeinschaftsordnung oder entsprechenden Vereinbarungen der Wohnungseigentümer.

4.265 Normen, die ein zwingendes Recht auf eine Mehrheitsentscheidung beinhalten, sind z.B.: – § 12 Abs. 4 S. 2 WEG: Aufheben einer Veräußerungsbeschränkung – § 16 Abs. 5 WEG: Änderungen des Kostenverteilungsschlüssels nach Maßgabe des § 16 Abs. 3, 4 WEG; – § 21 Abs. 7 WEG Geldangelegenheiten, – § 26 Abs. 1 S. 1 WEG: Bestellung und Abberufung des Verwalters.

4.266 Ist eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 WEG Gegenstand der Beschlussfassung, so ist von dem Versammlungsleiter regelmäßig auch zu prüfen, ob die beeinträchtigten Wohnungseigentümer ihre Zustimmung gegeben haben und eine Beeinträchtigung vorliegt.408 Auch wenn die eigentliche Entscheidung über eine mögliche Beeinträchtigung den Gerichten obliegt, muss der Versammlungsleiter zumindest die Möglichkeit der Beeinträchtigung prüfen und seine Bedenken äußern. Den Versammlungsleiter trifft insoweit neben der Feststellungsauch eine Prüfungskompetenz, nach der er sämtliche Rechtswirksamkeits- und Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Beschlusses zu prüfen hat. Hat der Versammlungsleiter Bedenken an 403 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63 = NJW 2002, 3629 = ZfIR 2002, 914 = NZM 2002, 992; OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2001 – 16 Wx 185/01, NZM 2002, 458 = ZMR 2002, 972. 404 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.10.1984 – 3 Wx 448/94, ZMR 1995, 84. 405 OLG Köln, Beschl. v. 20.1.1986 – 16 Wx 111/85, NJW-RR 1986, 698. 406 Näher zur Prüfungspflicht des Vorsitzenden Becker, ZWE 2012, 297. 407 OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 Wx 100/06, NJW-RR 2007, 1096. 408 Merle in Bärmann, § 23 Rz. 41.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.271 Teil 4

der Rechtmäßigkeit des Beschlusses, muss er die Wohnungseigentümer auf diese hinweisen.409 Unterlässt der Versammlungsleiter diesen Hinweis und war der Fehler für ihn eindeutig erkennbar, stellt eine gleichwohl erfolgte Verkündung des Beschlussergebnisses eine Pflichtverletzung dar, die eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB oder im Falle einer Beschlussanfechtung eine Auferlegung der Kosten nach § 49 Abs. 2 WEG nach sich ziehen kann. Der Verwalter ist zudem nicht verpflichtet, Beschlüsse, die den rechtlichen Erfordernissen seiner Auffassung nach nicht entsprechen, festzustellen und zu verkünden.410

4.267

f) Verkündung des Beschlussergebnisses Nach der Ermittlung und Feststellung des Beschlussergebnisses muss der Versammlungsleiter dieses verkünden. Die Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses sind notwendige Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Beschlusses (konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung).411 Nur so kann später sicher festgestellt werden, ob eine Beschlussfassung erfolgte, die gegebenenfalls binnen der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 WEG angegriffen werden muss. Auch für den konkreten Beschlussinhalt ist das vom Versammlungsvorsitzenden verkündete Beschlussergebnis konstitutiv.412

4.268

Möglich ist auch eine konkludente Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses. So genügt die Bekanntgabe eines eindeutigen Abstimmungsergebnisses bzw. dessen Wiedergabe im Versammlungsprotokoll.413 Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich das Beschlussergebnis nach den zu berücksichtigenden Umständen nicht aus dem Abstimmungsergebnis eindeutig herleiten lässt, z.B. weil in der Versammlung noch zum Verständnis des Ergebnisses wichtige Erörterungen erfolgten.

4.269

aa) Fehlende Verkündung Unterbleibt die Verkündung des Beschlusses, so liegt ein „Nichtbeschluss“ vor und jeder ein- 4.270 zelne Wohnungseigentümer kann Klage nach § 43 Nr. 4 WEG auf Feststellung erheben, ob und mit welchem Ergebnis ein Beschluss zustande gekommen ist. In dieser Klage sind aus prozessökonomischen Gründen auch bereits formelle und materielle Mängel der Beschlussfassung zu prüfen.414 Hinweis: Der Beschluss wird dann erst mit der Rechtskraft der verkündeten Entscheidung wirksam.

409 Briesemeister, ZWE 2004, 305; Häublein, NZM 2007, 758. 410 LG München I, Urt. v. 27.4.2009 – 1 S 19129/08, NZM 2009, 868 = WuM 2009, 426. 411 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339; BayObLG, Beschl. v. 29.1.2004 – 2Z BR 153/03, ZMR 2004, 446; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.4.2005 – I-3 Wx 56/05, NZM 2005, 708; OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 Wx 100/06, NJW-RR 2007, 1096; OLG Hamm, Beschl. v. 29.5.2007 – 15 W 16/07, NZM 2007, 839. 412 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339. 413 LG München I, Beschl. v. 23.11.2016 – 1 T 18932/16, ZWE 2017, 234 = DWE 2017, 41; LG Berlin, Urt. v. 8.5.2015 – 55 S 123/14 WEG, ZWE 2016, 465. 414 OLG München, Beschl. v. 15.11.2006 – 34 Wx 97/06, NJW-RR 2007, 594 = ZMR 2007, 221; LG Hamburg, Beschl. v. 10.12.2007 – 318 T 49/07, ZMR 2011, 822, Becker, ZWE 2006, 157; a.A. AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 17.9.2008 – 539 C 27/08, ZMR 2008, 1001.

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4.271

Teil 4 Rz. 4.272

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

bb) Fehlerhafte Verkündung

4.272 Stellt der Versammlungsleiter entgegen der tatsächlichen Rechtslage ein positives Beschlussergebnis fest, so können die Rechtswirkungen dieses zunächst positiven Beschlusses nur durch Anfechtungsklage gemäß §§ 23 Abs. 4, 43 Nr. 4 WEG innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Monat beseitigt werden.415 Dabei kann der Antrag auf Ungültigerklärung mit dem nicht fristgebundenen Antrag auf Feststellung der Antragsablehnung verbunden werden.416

4.273 Auch für den Fall, dass der Versammlungsleiter entgegen der tatsächlichen Rechtslage ein negatives Beschlussergebnis feststellt, so ist diese Feststellung vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung zunächst maßgeblich. Um die Rechtswirkungen zu unterbinden, muss auch ein vermeintlicher Negativbeschluss mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Die erfolgreiche Anfechtung eines vermeintlich negativen Beschlusses kann jedoch nicht zu einem positiven Beschluss im Sinne des wahren Ergebnisses führen. Es muss daher auch hier parallel eine (nicht der Anfechtungsfrist unterliegende) Klage auf Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses erhoben werden.417 cc) Nichtige Beschlüsse/Scheinbeschlüsse, § 23 Abs. 4 WEG

4.274 Verstößt ein Beschluss gegen zwingende Vorschriften (z.B. §§ 134, 138 BGB, §§ 12 Abs. 2 S. 1, 26 Abs. 1 S. 2 + 5 WEG), ist er nichtig. Dies gilt auch, wenn der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz fehlte, wenn der Beschluss völlig unbestimmt ist oder wenn er eine nicht durchführbare Regelung enthält (vgl. dazu oben).

4.275 Demgegenüber liegt ein Scheinbeschluss/Nichtbeschluss vor, wenn die formellen Voraussetzungen einer Beschlussfassung nicht erfüllt sind. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn – die Eigentümerversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen wurde,418 – ein Beschluss protokolliert wurde, obwohl keine Abstimmung stattgefunden hat,419 – eine Abstimmung stattgefunden hat, diese aber nicht festgestellt und verkündet wird,420 – ein unbefugter Dritter die Versammlung einberufen hat und es sich nicht um eine Vollversammlung handelt, – keine Ja-, Nein- oder Enthaltungsstimmen oder ausschließlich Enthaltungsstimmen abgegeben werden.421

415 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.5.2002 – 3 Wx 244/01, ZWE 2002, 418 = ZMR 2002, 614. 416 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809; BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = NZM 2002, 995. 417 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30702, BGHZ 152, 46 = ZfIR 2002, 907; OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 Wx 100/06, ZMR 2007, 480 = NZM 2007, 448; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.2.2002 – 3 Wx 406/01, ZWE 2002, 372 = ZMR 2002, 612. 418 OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2007 – 15 W 180/07, NZM 2008, 89 = ZMR 2008, 161. 419 BayObLG, Beschl. v. 7.12.1995 – 2Z BR 72/95, BayObLGZ 1995, 407. 420 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809 = ZWE 2001, 530. 421 OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 W 100/06, NZM 2007, 448 = ZMR 2007, 480.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.281 Teil 4

Sowohl nichtige Beschlüsse als auch Scheinbeschlüsse bedürfen keiner Ungültigerklärung, sie sind von sich aus unwirksam. Die Nichtigkeit von Beschlüssen kann jederzeit geltend gemacht werden422 und ist im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen.

4.276

g) Protokollierung des Beschlussergebnisses Die Protokollierung ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen wirksamen Beschluss,423 4.277 es sei denn, die Gemeinschaftsordnung oder eine Vereinbarung enthalten abweichende Regelungen. Liegen abweichende Bestimmungen vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Protokollierung konstitutive Wirkung für das Zustandekommen des Beschlusses haben soll oder ein Verstoß lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führt.424 Insbesondere bei „SollVorschriften“ führt ein Verstoß lediglich zur Anfechtbarkeit. Beispiel: „Das Protokoll soll vom Verwalter und einem Eigentümer, der an der Versammlung teilgenommen hat, unterzeichnet werden“.

4.278

Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass zur Gültigkeit des Beschlusses neben der Proto- 4.279 kollierung des Beschlusses auch die Unterzeichnung des Protokolls durch den Verwalter und zwei von der Eigentümerversammlung bestimmte Personen zu erfolgen hat, gehört auch die Unterzeichnung durch die benannten Personen zur Gültigkeitsvoraussetzung des Beschlusses. Mit der Unterzeichnung soll die Richtigkeit des Protokolls gewährleistet werden, so dass die Unterschriften Wirksamkeitsvoraussetzung sind.425 Fehlt eine notwendige Unterschrift, ist der Beschluss zunächst nur schwebend unwirksam, die Unterschrift kann zeitnah nachgeholt werden, da die Protokollierung keinen Fristbestimmungen unterliegt.426 Ist die Niederschrift durch zwei in der Versammlung bestimmte Personen zu unterzeichnen, so muss der Bestimmungsbeschluss ebenfalls protokolliert werden.427 Eine konkludente Bestimmung der Unterzeichnungsberechtigten durch ständige Übung kommt nicht in Betracht.

4.280

h) Zweitbeschluss aa) Zulässigkeit Innerhalb ihrer Beschlusskompetenz können die Wohnungseigentümer auch einen sogenannten „Zweitbeschluss“ fassen, d.h. über eine Angelegenheit, die bereits durch Beschluss

422 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZWE 2000, 518. 423 BayObLG, Beschl. v. 13.10.2004 – 2Z BR 152/04, NZM 2005, 631 = NJW-RR 2005, 456, AG Pinneberg, Urt. v. 12.6.2018 – 60 C 41/17, ZMR 2018, 809 = ZWE 2018, 465. 424 BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = MDR 1997, 913 = NJW 1997, 2956; BGH, Beschl. v. 9.10.1997 – V ZB 3/97, MDR 1998, 29 = NJW 1998, 755; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.3.1984 – 5 W 41/83, ZMR 1985, 30; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 7.2.2005 – 2 Wx 45/02, ZMR 2005, 397; OLG München, Beschl. v. 7.8.2007 – 34 Wx 3/05, ZMR 2007, 883; OLG Frankfurt., Beschl. v. 17.2.2011 – 20 W 500/08, ZWE 2011, 363. 425 OLG München, Beschl. v. 7.8.2007 – 34 Wx 3/05, ZMR 2007, 883. 426 OLG München, Beschl. v. 7.8.2007 – 34 Wx 3/05, ZMR 2007, 883; zustimmend BGH, Urt. v. 30.3.2012 – V ZR 178/11, WuM 2012, 337. 427 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 24.3.2006 – 2 W 230/03, ZMR 2006, 721 = NZM 2007, 132.

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4.281

Teil 4 Rz. 4.281

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

entschieden wurde, einen weiteren Beschluss fassen.428 Die Bestandskraft des Erstbeschlusses steht dabei einem Zweitbeschluss nicht entgegen,429 dies gilt auch für eine gerichtliche Überprüfung des Erstbeschlusses, da diese sich nur auf den konkret angefochtenen Beschluss bezieht.430

4.282 Die Mehrheitserfordernisse des Zweitbeschlusses sind grundsätzlich identisch mit denen des Erstbeschlusses. Die Wohnungseigentümer können selbst bestimmen, ob und wann sie einen Zweitbeschluss fassen wollen, eines sachlichen Grundes für eine solche Beschlussfassung bedarf es nicht.431 Die erneute Beschlussfassung muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Unzulässig ist es daher, einen Zweitbeschluss zu fassen, obwohl ein Bestandsinteresse der Wohnungseigentümer vorliegt oder einzelne Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt werden. bb) Anspruch auf einen Zweitbeschluss

4.283 Nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG analog besteht ein Anspruch auf einen Zweitbeschluss, wenn schwerwiegende Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als unbillig und gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen.432 Relevant sind dabei nur solche Umstände, die bei der Beschlussfassung noch nicht berücksichtigt werden konnten. cc) Typen des Zweitbeschlusses

4.284 Ein Zweitbeschluss kann dabei die Erstregelung aufheben, ergänzen, abändern oder ersetzen. (1) Abändernder Zweitbeschluss

4.285 Ein abändernder Zweitbeschluss liegt vor, wenn die Beschlussfassung zu einer Abänderung des Erstbeschlusses führt, z.B. indem eine beschlossene Instandhaltungsmaßnahme in ihrer Ausführungsart verändert wird. Wird ein abändernder Zweitbeschluss für ungültig erklärt, entfällt auch die Änderung oder Aufhebung des Erstbeschlusses.433 (2) Inhaltsgleicher Zweitbeschluss

4.286 Ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss liegt vor, wenn er identisch mit dem Inhalt des Erstbeschlusses ist, wobei es auf eine wörtliche Übereinstimmung nicht ankommt. Inhaltsgleiche Zweitbeschlüsse verfolgen vielmals den Zweck, einen fehlerhaften Erstbeschluss zu heilen. Dies ist zulässig. Erwächst der Zweitbeschluss in Bestandskraft, sind die Eigentümer an den Zweitbeschluss auch dann gebunden, wenn der Erstbeschluss aufgrund seiner Mangelhaftigkeit für

428 BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = NJW 1991, 979 = ZMR 1991, 146; BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 807. 429 AG Mettmann, Urt. v. 21.3.2017 – 26 C 23/16, ZWE 2017, 415 = ZMR 2017, 518. 430 LG München I, Beschl. v. 24.10.2016 – 36 S 6557/16 WEG, ZWE 2017, 288 = ZMR 2017, 187. 431 BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = ZMR 1991, 146; LG Köln, Urt. v. 21.6.2012 – 29 S 225/11, ZWE 2013, 139 = ZMR 2012, 897; LG München I, Beschl. v. 24.10.2016 – 36 S 6557/16 WEG, ZWE 2017, 288 = ZMR 2017, 187. 432 OLG München, Beschl. v. 28.11.2008 – 34 Wx 78/07, NZM 2009, 132. 433 LG Hamburg, Urt. v. 23.7.2014 – 318 S 19/14, ZMR 2015, 45 = ZWE 2015, 185.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.291 Teil 4

ungültig erklärt wird.434 Tritt hinsichtlich des Zweitbeschlusses keine Bestandskraft ein, kann auch der Erstbeschluss nicht geheilt werden.435 Umstritten ist, ob der inhaltsgleiche, bestandskräftige Zweitbeschluss zurückwirkt436 oder nur Rechtswirkungen für die Zukunft entfaltet.437 Überzeugender erscheint die Auffassung, nach der der inhaltsgleiche Zweitbeschluss den Erstbeschluss von Beginn an heilt, da auch bei einer Anfechtung des Erstbeschluss dieser bis zu seiner Ungültigerklärung wirksam ist, § 23 Abs. 4 S. 1 WEG.438

4.287

Liegt ein bestandskräftiger Erstbeschluss vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Zweitbeschluss den Erstbeschluss nur bestätigen und verstärken (bestätigender Zweitbeschluss) oder den Erstbeschluss unter dessen Aufhebung ersetzen soll (ersetzender Zweitbeschluss). Im Fall des bestätigenden Zweitbeschlusses liegen zwei inhaltsgleiche Beschlüsse vor, während im Falle des ersetzenden Zweitbeschlusses der Erstbeschluss mit Bestandskraft des Zweitbeschlusses unwirksam wird.

4.288

(3) Ergänzender Zweitbeschluss Um einen ergänzenden Zweitbeschluss handelt es sich, wenn ein Beschluss den Erstbeschluss ergänzt und in gewisser Weise abhängig vom Erstbeschluss ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn mit dem Erstbeschluss eine Instandsetzungsmaßnahme beschlossen wird und mit dem Zweitbeschluss die Firma bestimmt wird, die die Maßnahmen vornehmen soll. Dabei ist darauf zu achten, dass hinreichend bestimmt auf den Erstbeschluss Bezug genommen wird.

4.289

(4) Aufhebungsbeschluss Die Wohnungseigentümer können im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung einen Erstbeschluss durch einen Zweitbeschluss aufheben. Wird ein aufhebender Zweitbeschluss gefasst, ist der Erstbeschluss bis zur Bestandskraft des Zweitbeschlusses schwebend unwirksam, bei Bestandskraft verliert der Erstbeschluss seine Wirkung.

4.290

Wird der Aufhebungsbeschluss demgegenüber für unwirksam erklärt, entfallen dessen Rechtswirkungen rückwirkend und der Erstbeschluss ist als von Anfang an wirksam zu behandeln. 4. Niederschrift der Eigentümerversammlung, § 24 Abs. 6 WEG Nach § 24 Abs. 6 WEG ist über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse eine Niederschrift anzufertigen. Abgesehen von dem in § 24 Abs. 6 S. 2 WEG vorgesehenen Unterschriftserfordernis enthält das Gesetz keine weiteren Bestimmungen zu Form, Inhalt und Ersteller der Niederschrift. Nach ganz h.M. obliegt jedoch die Erstellung der Niederschrift dem Versammlungsvorsitzenden, dieser bleibt auch dann zur Erstellung verpflichtet, wenn während der Versammlung ein Protokollführer bestimmt wird. 434 BGH, Beschl. v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087; BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339 = ZWE 2001, 530. 435 BGH, Beschl. v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087; BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZWE 2001, 530. 436 BayObLG, Beschl. v. 13.2.1997 – BReg 2 Z 77/78, ZMR 1979, 213; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 17.10.1985 – 3 W 192/85, ZMR 1986, 63. 437 KG, Beschl. v. 15.2.1988 – 24 W 3582/87, DWE 1988, 136. 438 So auch Merle in Bärmann, § 23 WEG Rz. 80.

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4.291

Teil 4 Rz. 4.292

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

a) Form der Niederschrift und Unterzeichnung

4.292 Der Formulierung des § 24 Abs. 6 WEG ist zu entnehmen, dass die Niederschrift schriftlich zu erstellen ist. Weiterhin ist die Niederschrift von dem Versammlungsvorsitzenden, einem Wohnungseigentümer und – im Falle des Vorhandenseins – durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates oder dessen Vertreter im Verhinderungsfalle zu unterzeichnen. Nimmt eine der Personen eine Doppelrolle wahr, z.B. weil der Beiratsvorsitzende zugleich der Versammlungsvorsitzende ist, muss er die Niederschrift nur einmal unterzeichnen.439 Um ggf. dem Grundbuchamt die Prüfung zu ermöglichen, ob die Unterschriften der genannten Personen vorliegen, muss die Unterschrift erkennen lassen, in welcher Funktion die jeweilige Unterschrift geleistet wurde.440 Fehlt es an einer Funktionsbezeichnung, kann diese formlos ergänzt werden.

4.293 Die unterzeichnenden Personen bestätigen durch ihre Unterschrift die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift. Aus diesem Grunde können nur Personen die Niederschrift unterzeichnen, die auch an der Versammlung teilgenommen haben.441 Eine Beglaubigung der Unterschriften ist nicht zwingend notwendig, kann allerdings durch die Gemeinschaftsordnung vorgeschrieben sein.

4.294 Auch ohne entsprechende Vereinbarung besteht ein Beglaubigungserfordernis, wenn z.B. eine Veräußerungszustimmung nach § 12 Abs. 1 WEG durch den Verwalter, den Verwaltungsbeirat oder die Wohnungseigentümer erfolgen muss. Gegenüber dem Grundbuchamt muss nach § 29 GBO die Veräußerungszustimmung durch öffentlich beglaubigte Urkunde erfolgen, wobei für den Nachweis der Funktion des Zustimmenden ausreicht, dass dessen Unterschrift unter der Niederschrift der Bestellungsversammlung öffentlich beglaubigt ist. Obliegt den Wohnungseigentümern die Zustimmung, kann der Nachweis dadurch geführt werden, dass die Unterschriften unter der Niederschrift der Versammlung, in der die Zustimmung erfolgte, öffentlich beglaubigt werden.442 b) Inhalt der Niederschrift aa) Mindestinhalt

4.295 In die Niederschrift müssen alle rechtserheblichen Umstände aufgenommen werden, zumindest sind der genaue Wortlaut der Beschlüsse sowie das Abstimmungsergebnis festzuhalten.443

4.296 Als gesetzlicher Mindestinhalt ist ein Ergebnisprotokoll vorgeschrieben,444 so dass mindestens folgende Angaben enthalten sein müssen:

439 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2010 – I-3 Wx 263/09, ZWE 2010, 182; LG Lübeck, Beschl. v. 11.2.1991 – 7 T 70/91, Rpfleger 1991, 309. 440 OLG München, Beschl. v. 30.5.2016 – 34 Wx 17/16, ZWE 2016, 331 = ZMR 2016, 717; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2010 – 3 Wx 263/09, FGPrax 2010, 174 = ZWE 2010, 182. 441 OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2012 – 15 W 395/12, ZWE 2013, 215 = ZMR 2013, 648. 442 BayObLG, Beschl. v. 3.7.1964 – BReg 2 Z 90/64, NJW 1964, 1962. 443 AG Tostedt, Urt. v. 5.9.2012 – 5 C 163/12, ZWE 2013, 228 = ZMR 2013, 80; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 121. 444 BayObLG, Beschl. v. 15.12.1982 – BReg 2 Z 38/82, BayObLGZ 1982, 445; KG, Beschl. v. 12.9.1988 – 24 W 2242/88, NJW 1989, 532; OLG Hamm, Beschl. v. 25.4.1989 – 15 W 353/87, OLGZ 1989, 314.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.300 Teil 4

– Ort der Versammlung, – Zeitpunkt der Versammlung: Datum, Uhrzeit, Beginn und Ende der Versammlung, – Beschlussanträge nebst jeweiligem Abstimmungsergebnis (Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen, Enthaltungen) sowie die Verkündung des Beschlussergebnisses, – Unterschriften der in § 24 Abs. 6 S. 2 WEG bezeichneten Personen.

4.297

Empfehlenswert sind darüber hinaus folgende Angaben: – Name der Eigentümergemeinschaft, – Person des Versammlungsleiters, – Feststellung der anwesenden Teilnehmer nebst Miteigentumsanteilen, – Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und der Beschlussfähigkeit. Die Voraussetzungen an den Inhalt der Niederschrift können in der Gemeinschaftsordnung oder durch Vereinbarung konkretisiert werden. So kann z.B. die notarielle Beglaubigung der Niederschrift verlangt werden, ebenso kann bestimmt werden, dass auch Wortbeiträge der Wohnungseigentümer protokolliert werden müssen.445

4.298

Geschäftsordnungsbeschlüsse sind ebenfalls protokollierungspflichtig.446 Zwar erledigen 4.299 sie sich mit dem Ablauf der Versammlung selbst, so dass sie nicht selbständig angefochten werden können. Ein fehlerhafter Geschäftsordnungsbeschluss kann jedoch zur Anfechtung der übrigen in der Versammlung gefassten Beschlüsse führen, z.B. wenn Personen zu Unrecht von der Versammlung oder der Abstimmung ausgeschlossen wurden. Aufgrund der möglichen Auswirkungen der Geschäftsordnungsbeschlüsse sind diese daher ebenfalls in die Niederschrift aufzunehmen. bb) Beweiskraft der Niederschrift Die Niederschrift der Wohnungseigentümerversammlung ist eine Privaturkunde im Sinne 4.300 von § 416 ZPO.447 Dies hat zur Folge, dass sich die Beweiskraft der Niederschrift allein auf die Urheberschaft des Ausstellers beschränkt, d.h. durch die Unterzeichnung der Urkunde wird nur bewiesen, dass diese durch denjenigen ausgestellt wurde, der die Unterschrift geleistet hat.448 Eine Beglaubigung der Unterschriften oder die Genehmigung der Niederschrift durch die Wohnungseigentümer ändert nichts an dem Charakter als Privaturkunde,449 d.h. an der fehlenden gesetzlichen Beweiskraft für den Inhalt der Urkunde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Niederschrift vor einem Notar aufgenommen wird, da es sich dann um eine öffentliche Urkunde handelt, der die Beweiskraft des § 415 ZPO zukommt.450 445 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1989 – B Reg 2 Z 121/89, WuM 1990, 173 = WE 1990, 113. 446 Merle in Bärmann, WEG, § 24 Rz. 121; Becker ZWE 2016, 2; abweichend Drasdo ZWE 2008, 169. 447 BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = MDR 1997, 919 = NJW 1997, 2956; BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 2Z BR 32/02, NZM 2002, 616; BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, ZWE 2002, 583; OLG München, Beschl. v. 26.6.2006 – 34 Wx 3/06, ZWE 2006, 456. 448 BayObLG, Beschl. v. 10.4.2002 – 2Z BR 97/01, ZWE 2002, 469. 449 BayObLG, WE 1988, 18; BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, ZWE 2002, 583. 450 Häublein in Staudinger (2018), WEG § 24 Rz. 246 f.

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Teil 4 Rz. 4.301

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4.301 Trotz der fehlenden gesetzlichen Beweiskraft kommt der Niederschrift jedoch ein erheblicher indizieller Beweiswert zu, da die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift vermutet werden.451

4.302 Es entspricht der Praxis, dass sich die unterzeichnenden Personen vor ihrer Unterschrift von der inhaltlichen Richtigkeit des Protokolls überzeugen und nur solche Inhalte von ihrer Unterschrift decken wollen, die sie als richtig und wahr empfinden. Fehlt eine der vorhergesehenen Unterschriften, ist der Beweiswert der Urkunde gemindert.452 Auswirkungen auf die Gültigkeit der in der Niederschrift enthaltenen Beschlüsse hat die fehlende Unterzeichnung nur dann, wenn abweichend von § 24 Abs. 6 WEG die Protokollierung als solche oder deren Form aufgrund einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer zur Gültigkeit der Beschlüsse erforderlich ist. c) Frist zur Erstellung der Niederschrift/Versendungspflicht

4.303 Eine gesetzliche Frist zur Erstellung der Niederschrift existiert nicht. Jeder Wohnungseigentümer hat die Möglichkeit, sich durch Einsicht in die Beschluss-Sammlung zuverlässig über die gefassten Beschlüsse zu informieren,453 so dass es einer Frist nicht bedarf. Teilweise enthalten die Verwalterverträge auch Regelungen, innerhalb welcher Frist eine Niederschrift zur Versammlung zu erstellen ist.

4.304 Eine Pflicht zur Vervielfältigung und Versendung der Niederschrift besteht ohne gesonderte Vereinbarung grundsätzlich nicht,454 § 24 Abs. 6 Satz 3 WEG gewährt dem Wohnungseigentümer lediglich ein Einsichtsrecht. Die Versendung des Protokolls entspricht jedoch gängiger Verwalterpraxis. Ist eine Versendung erforderlich, muss die Niederschrift sämtlichen Wohnungseigentümern zugehen. d) Aufbewahrungspflicht

4.305 Das WEG enthält über die Aufbewahrung der Niederschriften keine Regelungen. Da der Niederschrift jedoch eine indizielle Beweiswirkung zukommt und sie daher neben der Beschluss-Sammlung weiterhin Bedeutung hat, müssen die Niederschriften dauerhaft aufbewahrt werden.455

451 BayObLG, Beschl. v. 15.12.1982 – BReg 2 Z 39/82, BayObLGZ 1982, 445; BayObLG, Beschl. v. 27.10.1989 – BReg 2 Z 75/89, NJW-RR 1990, 210. 452 BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = MDR 1997, 919 = NJW 1997, 2956; BayObLG, Beschl. v. 5.12.1989 – BReg 2 Z 121/89, WE 1991, 81; AG Hamburg, Beschl. v. 21.9.2006 – 715 II 53/05, ZMR 2007, 150. 453 LG Hamburg, Beschl. v. 16.11.2016 – 318 S 54/16, ZWE 2017, 183; LG Hamburg, Beschl. v. 19.8.2010 – 318 T 57/10, ZMR 2010, 990; LG München I, Beschl. v. 6.2.2008 – 1 T 22613/07, NJW 2008, 1823. 454 LG Dortmund, Urt. v. 1.4.2014 – 1 S 178/13, ZWE 2015, 40; BayObLG, Beschl. v. 5.4.1990 – BReg 2 Z 30/90, WE 1991, 229; BayObLG, Beschl. v. 20.3.1991 – BReg 2 Z 8/91, WE 1992, 139. 455 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 134.

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Wohnungseigentümerversammlung und Beschlussfassung

Rz. 4.310 Teil 4

e) Einsichtsrecht aa) Inhalt des Einsichtsrechts Jeder Wohnungseigentümer ist nach § 24 Abs. 6 Satz 3 WEG zur Einsichtnahme in die Niederschriften berechtigt, ohne dass es auf ein besonderes rechtliches Interesse ankommt.456 Dritte können Einsicht nehmen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht eines Wohnungseigentümers nachweisen können und ein nachvollziehbares Interesse des Dritten an der Einsichtnahme besteht, z.B. weil dieser die Wohnung erwerben möchte.457

4.306

Das Einsichtsrecht umfasst die Inaugenscheinnahme der Niederschrift und das Recht, sich Abschriften zu fertigen oder sich Fotokopien gegen Kostenerstattung erstellen und aushändigen zu lassen.458 Es bezieht sich nicht nur auf die Niederschriften zu Wohnungseigentümerversammlungen, sondern auch auf schriftliche Beschlussfassungen nach § 23 Abs. 3 WEG und auf gerichtliche Entscheidungen. Das Einsichtsrecht entsteht mit der Erstellung der Niederschrift und ist zeitlich unbefristet. Es ist jedoch grundsätzlich im Zusammenhang mit einer Wohnungseigentümerversammlung wahrzunehmen, wird die Einsicht unabhängig von einer Versammlung verlangt, muss der Einsichtnehmende ein besonderes rechtliches Interesse darlegen.459

4.307

bb) Ort der Einsichtnahme Die Einsichtnahme hat grundsätzlich am Ort des Sitzes der Verwaltung zu erfolgen.460 Nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn der Sitz der Versammlung weit entfernt oder der Einsichtnehmende erkrankt ist, kann sich nach Treu und Glauben eine Pflicht zur Versendung von Unterlagen ergeben. Eine Einsichtnahme im Büro der Verwaltung ist zu den üblichen Bürozeiten möglich und muss mit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf angekündigt werden.461 Zudem ist das Recht zur Einsichtnahme durch das Schikane- und Missbrauchsverbot nach §§ 242, 226 BGB begrenzt,462 d.h. durch die Einsichtnahme darf der alltägliche Büroablauf der Verwaltung nicht über Gebühr beeinträchtigt werden.

4.308

Das Einsichtsrecht kann gegen den Verwalter im gerichtlichen Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG und gegen andere Vorsitzende der Versammlung nach § 43 Nr. 1 WEG geltend gemacht werden.

4.309

f) Fehler der Niederschrift aa) Berichtigung der Niederschrift Bei Fehlern in der Niederschrift kann jedem Wohnungseigentümer unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch auf Berichtigung zustehen. Ein solcher Anspruch kann sich zum ei456 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = NJW 2011, 1137; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 164; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 135. 457 LG Hamburg, Urt. v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388. 458 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 26.10.1990 – 3 W 79/90, WE 1991, 333; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 136. 459 OLG Köln, Beschl. v. 28.2.2001 – 16 Wx 10/01, ZMR 2001, 851. 460 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = NJW 2011, 1137. 461 OLG Köln, Beschl. v. 7.2.2006 – XI ZB 9/05, NJW-RR 2006, 1147. 462 BayObLG, Beschl. v. 8.4.2004 – 2Z BR 113/03, ZMR 2004, 839; OLG Hamm, Beschl. v. 9.2.1998 – 15 W 124/97, NZM 1998, 231: OLG Köln, Beschl. v. 28.2.2001 – 16 Wx 10/01, ZMR 2001, 851.

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4.310

Teil 4 Rz. 4.310

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

nen aus §§ 823, 1004 BGB ergeben, wenn der Inhalt der Niederschrift Persönlichkeitsrechte des Wohnungseigentümers rechtswidrig beeinträchtigt, insbesondere durch Ehrverletzungen.463 Bei wahren Tatsachenbehauptungen im Bereich der Privatsphäre ist abzuwägen, ob das Informationsinteresse der Wohnungseigentümer oder das Einzelinteresse überwiegt,464 wobei die Beweislast demjenigen obliegt, der die Unrichtigkeit der Niederschrift behauptet.465

4.311 Zum anderen besteht ein Berichtigungsanspruch nach § 21 Abs. 4 WEG, wenn der Inhalt der Niederschrift ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Das kann der Fall sein, wenn ein rechtlich bedeutsamer Inhalt der Eigentümerversammlung falsch, unvollständig oder überhaupt nicht widergegeben worden ist,466 die Niederschrift unrichtige Tatsachen enthält467 oder wenn bei einem Ablaufprotokoll vom Ermessen des Protokollerstellers eindeutig fehlerhaft Gebrauch gemacht wird.468 bb) Unterbliebene oder verspätete Erstellung der Niederschrift

4.312 Eine unterbliebene oder verspätete Erstellung der Niederschrift oder Unterzeichnung der Niederschrift führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Pflicht zur Protokollierung und Unterzeichnung durch Vereinbarung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Beschlüsse festgelegt wurde.

4.313 Hinweis: Widersprechen sich der Inhalt der Niederschrift und der Inhalt der Beschluss-Sammlung, kommt keinem von beiden ein höherer Beweiswert zu.

4.314 Der Berichtigungsanspruch besteht gegenüber allen, die aufgrund ihrer Unterschrift für die Richtigkeit des Protokolls einzustehen haben und die Korrektur verweigern.469 Ist in der Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass die Genehmigung der Niederschrift durch Mehrheitsbeschluss zu erfolgen hat, schließt eine solche Genehmigung einen möglichen Berichtigungsanspruch nicht aus. Solange die Genehmigung jedoch nicht erfolgt ist, fehlt für einen Berichtigungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis.470

4.315 Für eine Klage auf Berichtigung des Protokolls besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur, wenn sich die Rechtsposition des Klägers durch die begehrte Änderung des Protokolls verbessern oder zumindest erheblich verändern würde.471

463 BayObLG, Beschl. v. 20.11.2003 – 2Z BR 168/03, ZMR 2005, 134; LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 168/09, ZMR 2011, 664. 464 OLG München, Beschl. v. 24.1.2011 – 15 U 4931/10, ZMR 2011, 817. 465 AG Landshut, Beschl. v. 1.2.2008 – 14 UR II 40/05, ZMR 2008, 498. 466 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1989 – BReg 2 Z 121/89, WE 1991, 81 = WuM 1990, 73; KG, Beschl. v. 20.3.1989 – 24 W 3239/88, WE 1989, 139. OLG Hamm, Beschl. v. 25.4.1989 – 15 W 353/87, OLGZ 1989, 314; LG Hamburg, Urt. v. 27.6.2012 – 318 S 169/11, ZMR 2013, 62. 467 BayObLG, Beschl. v. 20.11.2003 – 2Z BR 168/03, ZMR 2005, 134; LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 168/09, ZMR 2011, 664. 468 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1989 – BReg 2 Z 121/89, WuM 1990, 173. 469 BayObLG, Beschl. v. 12.9.2002 – 2Z BR 28/02, ZMR 2002, 951. 470 BayObLG Beschl. v. 9.8.1989 – BReg 2 Z 60/89, BayObLGZ 1989, 342. 471 LG Stuttgart, Urt. v. 5.8.2015 – 10 S 10/15, ZWE 2015, 424; AG München, Urt. v. 14.9.2017 – 483 C 13301/16, ZMR 2018, 89.

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Beschluss-Sammlung

Rz. 4.320 Teil 4

V. Beschluss-Sammlung § 24 Abs. 7 Satz 1 WEG normiert die Pflicht zur Führung einer Beschluss-Sammlung. Die Beschluss-Sammlung dient der Publizität und soll den Wohnungseigentümern, dem Verwalter und auch einem Erwerber von Wohnungseigentum in übersichtlicher Form Kenntnis von der allgemeinen Beschlusslage der Gemeinschaft und damit zusammenhängenden gerichtlichen Entscheidungen geben.472

4.316

Die Eintragung in die Beschluss-Sammlung ist nicht konstitutiv für das Zustandekommen des Beschlusses, sie soll vielmehr die Eintragung von Beschlüssen in das Grundbuch ersetzen und so die Publizität der Beschlüsse auch für Sonderrechtsnachfolger sicherstellen.473 Registerpublizität kommt der Beschluss-Sammlung allerdings nicht zu, d.h. der Rechtsverkehr kann sich nicht auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Beschluss-Sammlung verlassen.474 Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG von den Regelungen des Gesetzes abweichen.

4.317

1. Führung der Beschluss-Sammlung Das „Führen“ der Beschluss-Sammlung umfasst alle mit der Anlegung, der Sammlung, den Eintragungen, der Aktualisierung und der Löschung verbundenen Maßnahmen. Eine bestimmte Form für die Beschluss-Sammlung sieht das Gesetz nicht vor, es kann daher eine Sammlung in Ordnern, elektronisch oder auch in Loseblattsammlungen erfolgen. Erforderlich ist die Sicherstellung der jederzeitigen Einsichtsmöglichkeit sowie der Dauerhaftigkeit der Eintragungen.475

4.318

a) Verpflichteter Nach dem Gesetzeswortlaut des § 24 Abs. 8 Satz 2 WEG ist die Beschluss-Sammlung von dem Verwalter zu führen. Diese Verpflichtung endet mit der Amtszeit des Verwalters, so dass ein in der Versammlung neu bestellter Verwalter bereits für die Eintragung der Beschlüsse der Versammlung, in der er bestellt wurde, verantwortlich ist.476 Fehlt ein Verwalter, so ist nach § 24 Abs. 8 Satz 2 WEG der Vorsitzende der Versammlung zur Führung der Beschluss-Sammlung verpflichtet, sofern nicht die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss eine andere Person bestimmen. Diese dritte Person muss nicht zwingend Wohnungseigentümer sein.

4.319

b) Aufbau der Beschluss-Sammlung In die Beschluss-Sammlung ist jeweils der vollständige Wortlaut aller in der Versammlung verkündeten Beschlüsse unter Angabe von Ort und Datum der Versammlung einzutragen, ebenso gerichtliche Entscheidungen nach § 24 Abs. 7 Satz 3 WEG. Die Eintragungen sind in chronologischer Reihenfolge vorzunehmen und fortlaufend zu nummerieren. Die Eintragung muss nach § 24 Abs. 7 S. 7 WEG unverzüglich erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern. Die 472 BT-Drs. 16/887, 33. 473 BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 104/15, MDR 2016, 1009 = ZWE 2016, 325 = NZM 2016, 553. 474 AG Charlottenburg, Urt. v. 14.5.2009 – 74 C 30/09, MittBayNot 2010, 45; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 144. 475 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 150. 476 AG Berlin-Schöneberg, Urt. v. 9.1.2014 – 772 C 24/13, ZWE 2015, 142.

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171

4.320

Teil 4 Rz. 4.320

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

Frage, wann noch von einer unverzüglichen Eintragung gesprochen werden kann, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Eintragung unmittelbar am nächsten Geschäftstag477 oder grundsätzlich nach drei Werktagen478 vorzunehmen ist, nach anderer Auffassung ist die Eintragung binnen einer Woche ausreichend.479 Die Frist zur Eintragung der Beschlüsse bereits am nächsten Geschäftstag erscheint zu kurz, binnen drei Tagen muss es der Verwaltung oder dem Verpflichteten jedoch möglich sein, die Beschlüsse entsprechend in die BeschlussSammlung einzutragen. c) Pflichtverletzungen

4.321 Bei Fehlern in der Führung der Beschluss-Sammlung ist der Verpflichtete, also in der Regel der Verwalter, zur Korrektur verpflichtet. Daneben stellt die nicht ordnungsgemäße Führung der Beschluss-Sammlung einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Abberufung des Verwalters dar, § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG. Die Wohnungseigentümer haben einen Beurteilungsspielraum, ob die Pflichtverletzung zur Abberufung führen soll480 oder ob sie aufgrund der bisherigen Leistungen des Verwalters eine solche nicht für erforderlich halten. Da § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG als widerlegbares Regelbeispiel ausgestaltet ist, muss eine umfassende Abwägung aller Umstände erfolgen, bevor eine Abberufung erfolgen kann.

4.322 Daneben kann eine Pflichtverletzung bei Führung der Beschluss-Sammlung eine Haftung des Verwalters gegenüber den Wohnungseigentümern nach § 280 Abs. 1 BGB begründen, z.B. auf Erstattung von Kosten, die zur Korrektur der fehlerhaften Beschluss-Sammlung aufgewendet werden mussten. 2. Inhalt der Beschluss-Sammlung

4.323 § 24 Abs. 7 Satz 2 WEG enthält genaue Vorgaben zum Inhalt der Beschluss-Sammlung. Einzutragen ist jeweils nur der Wortlaut der dort genannten Beschlüsse und Entscheidungen. a) Versammlungsbeschlüsse

4.324 Einzutragen ist der Wortlaut aller in der Versammlung oder im schriftlichen Verfahren nach § 23 Abs. 3 WEG verkündeten Beschlüsse, jeweils unter Angabe von Ort und Datum der Versammlung. Fehlt bei der Verkündung eines Beschlusses eine Wirksamkeitsvoraussetzung, darf der Beschluss nicht eingetragen werden. Die Eintragung ist vielmehr erst bei Vorliegen sämtlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen vorzunehmen.481

4.325 Einzutragen ist der vollständige Wortlaut des Beschlusses nebst Abstimmungsergebnis, dies gilt auch für Negativbeschlüsse.482 Bei Bezugnahmen auf Urkunden oder sonstige Dokumente (z.B. Gutachten, Jahresabrechnungen, Wirtschaftspläne, Angebote) sind diese als Anlagen beizufügen.

477 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 156. 478 Elzer in Jennißen, § 24 WEG Rz. 143. 479 LG Berlin, Urt. v. 7.10.2009 – 85 S 101/08 WEG, ZWE 2010, 244; LG München I, Beschl. v. 6.2.2008 – 1 T 2261/07, NJW 2008, 1823. 480 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = WuM 2012, 334 = NZM 2012, 347. 481 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 163. 482 Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 246; Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 166 f.

172

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Beschluss-Sammlung

Rz. 4.332 Teil 4

b) Gerichtliche Entscheidungen Aufzunehmen sind auch die gerichtlichen Entscheidungen in einem Rechtsstreit nach § 43 4.326 WEG. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind die Urteilsformeln nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO einzutragen, so dass neben der Wiedergabe des Hauptsachetenors auch die prozessualen Nebenentscheidungen, z.B. Kostenentscheidungen und Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit einzutragen sind. Auch der Tenor eines klageabweisenden Urteils ist vollständig aufzunehmen, hierbei empfiehlt sich zur besseren Verständlichkeit auch die Aufnahme des Klageantrages.483 Neben der Aufnahme des Tenors bedarf es der Angabe des Entscheidungsdatums, des Aktenzeichens des erkennenden Gerichts sowie der namentlichen Benennung der Parteien des Rechtsstreits.

4.327

Unter den Begriff der „Urteilsformeln der gerichtlichen Entscheidungen“ sind nicht nur Endurteile zu subsumieren, sondern auch verfahrensbeendende Beschlüsse und Vergleiche.484 Sinn und Zweck der Beschluss-Sammlung ist die Publizität der in der Gemeinschaft bestehenden Rechtslage, die auch durch vergleichsweise Regelungen bestimmt wird.485

4.328

c) Vermerke und Löschungen Sind Beschlüsse oder gerichtliche Entscheidungen angefochten oder aufgehoben, ist dies nach § 24 Abs. 7 Satz 4 WEG anzumerken (z.B. „angefochten mit Klage v. …, AG Köln, AZ …“). Anstelle der Anmerkung kann nach Satz 5 der Vorschrift bei Aufhebung eines Beschlusses oder einer gerichtlichen Entscheidung die Eintragung auch gelöscht werden.

4.329

Da die fortlaufende Nummerierung der Beschluss-Sammlung jedoch erhalten bleiben muss, ist ein entsprechender Löschungsvermerk einzutragen. Die Löschung kann auch dann erfolgen, wenn der Beschluss oder die gerichtliche Entscheidung für die Wohnungseigentümer keine Bedeutung mehr hat, § 24 Abs. 7 Satz 7 WEG. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich der Beschluss durch eine erneute Beschlussfassung oder Zeitablauf überholt hat.

4.330

Hinweis: Auch wenn die Beschluss-Sammlung der Übersichtlichkeit halber nicht überfrachtet werden soll, ist von Löschungen eher abzuraten. Es dürfte für den Verwalter schon schwierig sein zu bestimmen, wann ein Beschluss für die Wohnungseigentümer keine Bedeutung mehr hat.

4.331

3. Fehler der Beschluss-Sammlung Fehler in der Beschluss-Sammlung können durch den Verpflichteten jederzeit korrigiert werden, einer Anhörung der Gemeinschaft bedarf es nicht.486 Hat bereits eine Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung stattgefunden, muss der Verpflichtete über die Korrektur informieren oder besser die fehlerhafte Eintragung entsprechend kennzeichnen (Durchstreichen der laufenden Nummer, Berichtigungsvermerk) und die Eintragung richtig wiederholen.

483 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 177; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 251. 484 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 175 f.; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 253. 485 So auch Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 179, Bielefeld, DWE 2007, 20, Deckert/Kappus, NZM 2007, 750; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 253. 486 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 187.

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173

4.332

Teil 4 Rz. 4.333

Durchführung der WEV und formelle Prüfung der gefassten Beschlüsse

4. Einsichtsrecht

4.333 Nach § 24 Abs. 7 Satz 8 WEG ist einem Wohnungseigentümer oder einem Dritten, der dazu ermächtigt ist, auf sein Verlangen Einsicht in die Beschluss-Sammlung zu geben. Ein berechtigtes Interesse des Dritten ist nicht erforderlich.487 Die Einsichtnahme erfolgt in der Regel nach Absprache in den Räumen des Verwalters, wenn sich diese am Ort der Wohnanlage befindet,488 sonst an der Stelle, an der sich die Beschluss-Sammlung befindet.

4.334 Das Recht zur Einsichtnahme beinhaltet auch das Recht, Kopien gegen Kostenerstattung zu erhalten oder anzufertigen.489

4.335 Wird die Einsichtnahme verweigert, kann nach § 43 Nr. 1, 3 WEG gegen den verpflichteten auf Gestattung der Einsicht geklagt werden. Zudem kann die Verweigerung der Einsichtnahme Schadensersatzansprüche auslösen, ggfs. auch einen wichtigen Grund zur Abberufung nach § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG darstellen. 5. Abweichende Vereinbarungen

4.336 Die Pflicht zur Führung einer Beschluss-Sammlung kann von den Wohnungseigentümern nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG durch Vereinbarung modifiziert oder konkretisiert werden. So kann z.B. die Aufnahme eines Beschlusses in die Beschluss-Sammlung als Voraussetzung für die Gültigkeit eines Beschlusses festgelegt werden.490 Eine Änderung der Regelungen zur Beschluss-Sammlung durch Mehrheitsbeschluss ist nicht möglich, da es diesbezüglich an der Beschlusskompetenz fehlt. Ebenfalls nicht zulässig dürfte eine vollständige Abbedingung der Pflicht zur Führung einer Beschluss-Sammlung sein, da anderenfalls der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Publizität wieder unterlaufen werden könnte.491

487 488 489 490 491

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LG Hamburg, Urt. v. 5.10.2011 – 318 S 7/11, ZWE 2012, 283 = ZMR 2012, 292. AG Viersen, Urt. v. 25.10.2012 – 30 C 31/10, ZWE 2013, 424 = NZM 2013, 688. Vgl. BT-Drs. 16/887, S. 34. LG Saarbrücken, Urt. v. 27.10.2010 – 5 S 7/10, ZWE 2011, 47. So auch Elzer in Jennißen, § 24 Rz. 205; Steinmeyer in Timme, § 24 WEG Rz. 304; a.A. Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 148.

Scheuer

Teil 5 Wirtschaftsplan I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

II. Bedeutung und Inhalt . . . . . . . . . . 1. Finanzierungsinstrument . . . . . . . .

5.8

1. Vorlage des Wirtschaftsplanes und „rückwirkende Beschlussfassung“ . .

5.74

5.9

2. Festlegung des Wirtschaftsjahres . .

5.83

3. Beschluss durch Gesamtgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.87

4. Beschlüsse bei Mehrhausanlagen/ Untergemeinschaften . . . . . . . . . . .

5.88

5. Beiratsbeschluss (Kompetenzübertragung) . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.96

2. Kontroll-, Bindungs- und Ermächtigungsinstrument gegenüber dem (und für den) Verwalter . . . . . . . . .

5.13

3. Prognoseinstrument . . . . . . . . . . . .

5.19

III. Formaler Aufbau . . . . . . . . . . . . . .

5.32

1. Darstellung der prognostizierten Gesamt-Lasten und -Kosten (Gesamtwirtschaftsplan) . . . . . . . .

5.34

2. Benennung der Verteilungsschlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7. Ersetzung der Beschlussfassung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . 5.105

5.35

VI. Beschlussinhalt . . . . . . . . . . . . . . . 5.106

6. Beschluss- / Genehmigungsfiktion . 5.104

1. Geltungsdauer eines Wirtschaftsplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.107

3. Geplante Zuführung zur Instandhaltungsrücklage/Behandlung von Teilleistungen . . . . . . . . . . . . .

5.41

2. Fälligkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . 5.116

4. Einzelwirtschaftspläne . . . . . . . . . .

5.44

3. Lastschrifteinzugsermächtigung . . . 5.128

5. Vorschussliste . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.51

VII. Beschlussanfechtung . . . . . . . . . . . 5.130

6. Einnahmen-Ausweis . . . . . . . . . . .

5.53

IV. Verhältnis Wirtschaftsplan/ Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . .

5.54

VIII. Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung eines Wirtschaftsplanes . . . . . . . . 5.138

V. Beschluss über den Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.61

I. Allgemeines Wohnungseigentumsrechtlich ausgerichtete Rechtsanwaltskanzleien werden von Verwaltern, Eigentümern oder Beiräten auch zu Beratungen im Zusammenhang mit der Erstellung und/ oder Prüfung von Wirtschaftsplänen herangezogen. Hier gilt es, sowohl die grundsätzliche Struktur eines Wirtschaftsplanes zu kennen als auch seine Bedeutung für die Eigentümergemeinschaft und den Verwalter.

5.1

Verkannt werden darf allerdings nicht, dass die über die Beratungstätigkeit des Anwalts hinausgehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen über Wirtschaftspläne eher untergeordneter Natur sind. Dies hing in der Vergangenheit damit zusammen, dass aufgrund der früher in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung Ansprüche aufgrund von Wirtschaftsplanbeschlüssen nach Beschluss über eine Jahresabrechnung nicht mehr geltend gemacht werden konnten.

5.2

Köhler

175

Teil 5 Rz. 5.3

Wirtschaftsplan

5.3 Der BGH hat aber bekanntlich dieser Meinung eine Absage erteilt.1 Gleichwohl ergibt sich die relativ geringe Bedeutung in der gerichtlichen Praxis zum Teil daraus, dass der Wirtschaftsplan im Hinblick auf die interne Kostenverteilung ein „vorläufiges“ Instrument ist und erst die Jahresabrechnung (besser gesagt: der Beschluss hierüber) die endgültige Festlegung der gemeinschaftsinternen Kostentragung beinhaltet.2 Streitigkeiten über Wirtschaftsplanbeschlüsse werden aber häufig durch die Befürchtungen eines oder mehrerer Eigentümer ausgelöst, fehlerhaft mit zu hohen Kosten belastet zu werden. Durch Anfechtung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan kann die fehlerhaften Verteilung der Kosten im Wirtschaftsplan durchaus korrigiert werden – allerdings gilt der Beschluss über den Wirtschaftsplan so lange weiter, bis er vom Gericht für ungültig erklärt wurde (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Deshalb wird das Wirtschaftsjahr regelmäßig bereits abgelaufen sein, bevor eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Die Aufstellung eines neuen Wirtschaftsplans für das abgelaufene Wirtschaftsjahr ist nicht sinnvoll und der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung kann erst beim nächsten Wirtschaftsplan berücksichtigt werden.

5.4 Weil der Beschluss über den Wirtschaftsplan weiter gilt, können die aus dem Wirtschaftsplan resultierenden Zahlungsforderungen von der Gemeinschaft der Eigentümer (Verband) auch weiterhin geltend gemacht werden.3 Ein auf einen Wirtschaftsplan gestützter Zahlungsanspruch kann auch noch geltend gemacht werden, wenn die Jahresabrechnung des betreffenden Wirtschaftsjahres beschlossen worden ist, was u.a. auch Bedeutung hat für die Verjährung der Zahlungsansprüche, die sich auf den Wirtschaftsplan stützen.4

5.5 Ist absehbar, dass der Eigentümer aus der Eigentümergemeinschaft ausscheiden wird, kann die Aufhebung des Versammlungsbeschlusses Auswirkungen auf den (bisher) zahlungspflichtigen Wohnungseigentümer und auf die Eigentümergemeinschaft haben. Wird der Beschluss über den Wirtschaftsplan gerichtlich aufgrund einer Beschlussanfechtungsklage für ungültig erklärt, können Zahlungsansprüche der Gemeinschaft nicht mehr auf diesen Beschluss gestützt werden. Der (ausgeschiedene) Eigentümer kann für Zahlungsansprüche aus dem Wirtschaftsplan nicht mehr in Anspruch genommen werden. Eventuell können auch Rückforderungsansprüche des Eigentümers bestehen.5

5.6 Einige Wohnungseigentümer suchen rechtsanwaltliche Hilfe, weil sie (u.a.) durch die Anfechtung von Wirtschaftsplanbeschlüssen eine ordnungsmäßige Verwaltung erzwingen wol1 BGH, Urt. v. 10.3.1994 – IX ZR 98/93, ZMR 1994, 256 = WuM 1994, 346 = NJW 1994, 1866 = DWE 1994, 104 = MDR 1994, 1113 = WE 1994, 210; BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = NJW 1996, 725 = DWE 1996, 27 = ZMR 1996, 215 = WuM 1996, 237 = WE 1996, 144 = MDR 1996, 897. 2 Vgl. nur LG Lüneburg, Beschl. v. 28.7.2014 – 9 S 49/14, ZMR 2014, 1005; LG Hamburg, Urt. v. 23.7.2014, ZMR 2015, 47 = ZE 2015, 220; LG München I, Urt. v. 25.11.2013 – 1 S 4911/13 WEG, ZMR 2014, 399; LG Hamburg, Urt. v. 15.2.2012 – 318 S 119/11, ZMR 2012, 474 = ZWE 2013, 31. 3 Das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung eines Wirtschaftsplanbeschlusses entfällt nicht durch die Beschlussfassung über eine Jahresabrechnung: LG Hamburg, Urt. v. 22.6.2011 – 318 S 23/11, ZMR 2011, 996. 4 Vgl. im Einzelnen BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = NJW 2012, 2979 = WuM 2012, 524; sowie BGH, Urt. v. 24.6.2005 – V ZR 350/03, WuM 2005, 667 = MDR 2006, 85. 5 Vgl. dazu LG Frankfurt/Main, Urt. v. 14.3.2019 – 2/13 S 135/18, ZMR 2019, 364 = MietRB 2019, 174, das auch den derzeitigen Streitstand darstellt; Anm. zur LG-Entscheidung: Jahreis, jurisPRMietR 11/2019 Anm. 6 sowie Dötsch, IMR 2019, 203.

176

Köhler

Bedeutung und Inhalt

Rz. 5.9 Teil 5

len, z.B. die richtige Verteilung der Lasten und Kosten nach der Gemeinschaftsordnung oder den Ansatz von ordnungsgemäß ermittelten (höheren oder niedrigeren) Lasten und Kosten oder die Streichung von Kosten für Instandhaltungen oder Instandsetzungen. In der Praxis ist feststellbar, dass es neben wirklich hervorragend aufgestellten Wirtschaftsplänen leider auch vom Verwalter schlampig zusammengebastelte Wirtschaftspläne gibt, die weder den Grundsätzen der Rechtsprechung noch den Kriterien der Gemeinschaftsordnung noch den (an ordnungsmäßiger Verwaltung zu orientierenden) Interessen der Eigentümer entsprechen. Rechtsanwaltliche Hilfestellung ist auch notwendig, wenn der amtierende Verwalter keinen Wirtschaftsplan aufstellt oder eine Eigentümerversammlung aus nicht stichhaltigen Gründen einen Wirtschaftsplan-Beschluss ablehnt; in diesen Fällen stellen sich die Fragen, ob der Verwalter zur Erstellung eines Wirtschaftsplanes gezwungen und/oder die übrigen Miteigentümer der Gemeinschaft zur Zustimmung zu einem Wirtschaftsplan gebracht werden können. Nach § 28 Abs. 1 WEG hat der Verwalter für jeweils ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu enthalten hat sowie die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung und zu den Beiträgen für die Instandhaltungsrücklage. Wird der Wirtschaftsplan beschlossen, sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, auf Anforderung des Verwalters Zahlungen zu leisten.

5.7

II. Bedeutung und Inhalt Der Wirtschaftsplan ist nach Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümerversammlung ein Finanzierungsinstrument für die Gemeinschaft und ein Instrument zur Kontrolle, Bindung und Ermächtigung gegenüber dem (und für den) Verwalter.

5.8

1. Finanzierungsinstrument Der Wirtschaftsplan mit seinen angesetzten Beträgen dient der Festlegung der prognostizierten gemeinschaftlichen Lasten und Kosten (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 WEG), die bei der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums entstehen können, der Festlegung der Beitragsleistungen zur Instandhaltungsrückstellung (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 WEG) und der Festlegung der voraussichtlichen gemeinschaftlichen Einnahmen (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Deshalb gehören alle Lasten und Kosten, die voraussichtlich im bevorstehenden Wirtschaftsjahr für die Eigentümergemeinschaft entstehen werden, in den Wirtschaftsplanansatz,6 also z.B. Kosten für Strom, Wasser, Müllabfuhr, Hausmeister, Verwalter, aber auch die zu erwartenden Heizkosten.7 Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 17.2.20128 (Einstellung der tatsächlich gezahlten Brennstoffkosten und der Heizkostenabrechnungsbeträge gemäß Heizkosten-Verordnung in eine Jahresabrechnung) ist vom Verwalter eine Prognose zu erwarten, welche Beträge (Kosten für die Anschaffung der Brennstoffe und endgültige Abrechnungsbeträge) zu erwarten sein werden. Eine Differenzierung bei den Heizkosten zwischen Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan analog den Jahresabrechnungsgrundsätzen ist jedoch nicht erforderlich.

6 Vgl. auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.5.b) und c). 7 BayObLG, Beschl. v. 30.3.1988 – 2 Z 80/87, NJW-RR 1988, 1170; vgl. zum Ansatz verbrauchsabhängiger Heizkosten im Wirtschaftsplan AG Langenfeld, Urt. v. 15.12.2010 – 64 C 52/10, ZMR 2010, 907. 8 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = ZfIR 2012, 432 = WuM 2012, 222.

Köhler

177

5.9

Teil 5 Rz. 5.9

Wirtschaftsplan

Alle voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen gehören ebenfalls in den Wirtschaftsplan.9 Der BGH meint jedoch, dass die künftigen Hausgeldvorschüsse im Wirtschaftsplan nicht ausdrücklich als Einnahmen aufgeführt werden müssen.10

5.10 Auch die geplanten Beitragsleistungen und damit die geplante Zuführung zur Instandhaltungsrücklage gehören in den Wirtschaftsplan, wobei die jeweiligen Beitragsleistungen der Eigentümer formal getrennt von den anteiligen Lasten und Kosten ausgewiesen werden sollten, um bei der späteren Jahresabrechnung einen ordnungsgemäßen Ausweis der Instandhaltungsrücklagen gewährleisten zu können (Ist-Zuführungsbeträge sind auszuweisen und die eventuell noch offen stehenden Beiträge für einzelne Eigentumswohnungen).11 Anders als bei der Jahresabrechnung ist bei dem Zuführungsbetrag zur Instandhaltungsrücklage eine Differenzierung zwischen Soll- und Ist-Zuführung nicht möglich.

5.11 Nicht in den Wirtschaftsplan gehören „Rechnungsabgrenzungen“ oder „Vorrats“-Positionen,12 weil solche Positionen keine zu erwartenden Einnahmen oder Ausgaben des Wirtschaftsjahres sind und weder Belastungen der Gemeinschaft zur Folge haben noch zur anteiligen Leistungspflicht der Wohnungseigentümer führen. Zu Recht weist Bub13 darauf hin, dass der Wirtschaftsplan lediglich eine auf das Wirtschaftsjahr bezogene Liquiditätsrechnung darstellt. Es dürfen also nur solche Positionen im Wirtschaftsplan auftauchen, die auch tatsächlich die Liquidität der Gemeinschaft berühren.14 Zu einer „Liquiditätsreserve“ vergleiche aber die (wenig überzeugende) Entscheidung des LG Stuttgart vom 20.12.2017.15 „Forderungen“ und „Verbindlichkeiten“ sind nicht in den Wirtschaftsplan aufzunehmen, wenn während des Wirtschaftsjahres nicht damit zu rechnen ist, dass die Forderungen realisiert werden können oder die Verbindlichkeiten ausgeglichen werden müssen.16 Überhaupt sind „Forderungen“ und „Verbindlichkeiten“ im Wirtschaftsplan fehl am Platze, wenn sie nicht näher definiert sind.

5.12 Der Wirtschaftsplan stellt auch die Finanzierungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der Eigentümergemeinschaft dar, nämlich durch – seine Gesamtsumme, – seine Verteilung (der Lasten und Kosten und der Beiträge zur Instandhaltungsrücklage) auf die einzelnen Miteigentümer, – die damit feststellbaren Leistungen, die der einzelne Wohnungseigentümer an die Gemeinschaft zu erbringen hat, – den Ausweis der zu erzielenden Einnahmen. 9 BayObLG, Beschl. v. 24.6.1999 – 2Z BR 179/98, BayObLGZ 1999, 177 = ZMR 1999, 724 = NZM 1999, 868 = NJW-RR 2000, 17. 10 BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49. 11 Vgl. zu den Anforderungen bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage in einer Jahresabrechnung BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 243 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127. 12 A.A. aber Strobel, DWE 1997, 49. 13 Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.1. 14 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.3.1973 – 2 Z 5/73, BayObLGZ 1973, 78 = MDR 1973, 584. 15 LG Stuttgart, Urt. v. 20.12.2017 –, MietRB 2018, 308 = juris; vgl. auch Anm. Dötsch, jurisPRMietR 9/2018 Anm. 2. 16 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.7.1986 – 2 Z 41/86, BayObLGZ 1986, 263 = MDR 1986, 1031 = JMBl BY 1986, 182.

178

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Bedeutung und Inhalt

Rz. 5.17 Teil 5

2. Kontroll-, Bindungs- und Ermächtigungsinstrument gegenüber dem (und für den) Verwalter Der Wirtschaftsplan dient auch dazu, dem Verwalter den finanziellen Rahmen für die von 5.13 ihm zu verausgabenden Beträge zu geben. Grundsätzlich darf der Verwalter weder die Gesamtsumme des Wirtschaftsplanes noch die Summen der Einzelbeträge willkürlich überschreiten. Wird dem Verwalter beispielsweise für die Hausmeisterkosten ein bestimmter Betrag vorgegeben, darf er (unabhängig davon, dass er ohne besondere Bevollmächtigung schon nicht zu Vertragsabschlüssen oder -veränderungen berechtigt ist) nicht die Vergütung des Hausmeisters eigenmächtig erhöhen und den angesetzten Wirtschaftsplanbetrag überschreiten. Die Einhaltung des im Wirtschaftsplan angesetzten Budgets kann der Verwaltungsbeirat (im Prinzip auch jeder Eigentümer) anhand der Buchhaltungsunterlagen beim Verwalter turnusmäßig überprüfen und hat somit ein Kontrollinstrument gegenüber dem Verwalter.

5.14

Sind in einem Wirtschaftsplan Kostenpositionen für bestimmte Maßnahmen (Instandsetzungen, Instandhaltungen, Anschaffungen pp.) benannt, soll nach Ansicht des OLG Hamm17 der Verwalter bei der Eingehung der entsprechenden Verbindlichkeiten mit Vertretungsmacht der Gemeinschaft handeln. Dies führt zu der Frage, inwieweit der Verwalter durch die Wirtschaftsplanansätze pauschal ermächtigt wird, die angesetzten Beträge für Zwecke der Gemeinschaft zu verbrauchen. Geht man von dem Grundsatz aus, dass in den Wirtschaftsplan alle voraussichtlichen Lasten und Kosten aufzunehmen sind, könnte sich schon hieraus ergeben, dass die zu erwartenden Maßnahmen, Vertragsbeziehungen und Verpflichtungen, die sich in den Wirtschaftsplanansätzen niedergeschlagen haben, vom Verwalter ergriffen oder erfüllt werden dürfen (Wirtschaftsplan als Ermächtigungsgrundlage).

5.15

Dies erscheint mir jedoch zu kurz gegriffen. Der Wirtschaftsplan dient zwar der Finanzierung aller voraussichtlich notwendigen Maßnahmen und der Mittelbeschaffung zur Finanzierung der Lasten und Kosten der Gemeinschaft. Gleichwohl darf der Verwalter im Laufe des Wirtschaftsjahres nur solche Maßnahmen ergreifen und Lasten und Kosten ausgleichen, die im Rahmen ordnungsmäßiger und laufender Verwaltung liegen. Kostenauslösende Maßnahmen darf der Verwalter nicht ergreifen und auch keine Zahlungen leisten, wenn diese nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen; dabei spielt es auch keine Rolle, wenn die Wirtschaftsplanposition, zu der die Lasten und Kosten gehören, mit ausreichenden Mitteln angesetzt worden ist.

5.16

Die Ansätze im Wirtschaftsplan dienen nicht dazu, dem Verwalter „automatisch“ Vollmacht 5.17 zu geben, die angesetzten Beträge verwenden zu dürfen, sondern bilden lediglich einen Rahmen, an dem sich die Handlungen des Verwalters ausrichten müssen.18 Nur wenn die PlanPosition, aus der der Verwalter Beträge entnimmt, mit einem Verwendungszweck benannt wurde, aus dem sich deutlich erschließen lässt, dass die Eigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan den Willen hatte, den Verwalter auch zur Durchführung der bestimmten Maßnahme zu bevollmächtigen, kann eine solche Vollmacht angenommen werden.19 Sollten in den Wirtschaftsplan Kostenansätze für größere Instandsetzungsmaßnahmen aufgenommen worden sein, die nicht als Maßnahmen laufender Verwaltung betrachtet werden können, gibt das dem Verwalter keinen „Freibrief“ für eine 17 OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, OLGReport Hamm 1997, 141 = ZMR 1997, 377 = DWE 1998, 39 = WE 1997, 314. 18 Ähnlich wohl auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.1., Rz. 4. 19 Vgl. auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.1., Rz. 3.

Köhler

179

Teil 5 Rz. 5.17

Wirtschaftsplan

Beauftragung der Maßnahmen. Es müssen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung über die konkrete Durchführung der Maßnahme vorliegen.

5.18 Probleme können für den Verwalter entstehen, wenn er den Wirtschaftsplan entweder in der Gesamtsumme oder in den Einzelpositionen überzieht oder die Eigentümer zu der Ansicht kommen, die Ausgabenpolitik des Verwalters habe zwar im budgetierten Rahmen gelegen, sei aber gleichwohl falsch gewesen, weil sie den Rahmen ordnungsmäßiger laufender Verwaltung verlassen habe. In dieser Situation muss von dem rechtsanwaltlichen Berater – gleich welcher Seite – sehr genau untersucht werden, ob sich aus dem Wirtschaftsplan (und/oder aus zusätzlichen Unterlagen oder Beschlüssen) eine ausdrückliche oder vielleicht konkludente Ausgabenermächtigung des Verwalters ergeben haben könnte. 3. Prognoseinstrument

5.19 Der Ansatz der Lasten und Kosten im Wirtschaftsplan muss sich nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung richten. Das heißt, es müssen solche Beträge angesetzt werden, die sicherstellen, dass sämtliche Lasten und Kosten ohne finanzielle Engpässe im Laufe des Wirtschaftsjahres finanziert und vom Verwalter beglichen werden können. Es kann weder ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, die Wirtschaftsplanansätze vom Verwalter so hoch anzusetzen, dass am Ende des Wirtschaftsjahres deutliche Überschüsse zu erwarten sind, oder, andererseits, durch Beschluss der Eigentümerversammlung die Positionen so niedrig anzusetzen, dass eine Finanzierungslücke entstehen muss. Es widerspricht im Übrigen ordnungsmäßiger Verwaltung, im Wirtschaftsplan Lasten und Kosten anzusetzen, die nach bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten sind und nur bei Eintritt ganz besonderer, außergewöhnlicher Umstände entstehen können.20 Andererseits müssen solche Kosten, die noch offen und unbestimmt sind (z.B. noch nicht konkret absehbare Rechtsanwaltskosten), nicht im Wirtschaftsplan angesetzt werden;21 der BGH vertritt die Auffassung, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls dann die Aufbringung von Vorschüssen beschließen und damit in einen Wirtschaftsplan einsetzen kann, um den Verwalter in die Lage zu versetzen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen Beschlussanfechtungsklagen zu beauftragen, wenn solche Klagen allgemein zu erwarten sind.22 Selbstverständlich dürfen die Wohnungseigentümer die vom Verwalter vorgeschlagenen Wirtschaftsplanansätze durch Beschluss kürzen23 oder überhaupt ändern;24 eine solche Kürzung und generell jede Änderung muss aber stets im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung liegen.25 Der Verwalter darf bei seinen Prognosen wohnungswirtschaftliche Grundsätze und Erfahrungen nicht außer Acht lassen und den Wirtschaftsplan außer jeder Realität ansetzen.

20 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.8.1970 – 15 W 232/69, OLGZ 1971, 96 = MDR 1971, 46 = Rpfleger 1970, 400; die Entscheidung LG München I, Urt. v. 15.3.2017 – 1 S 10106/16, ZWE 2017, 325, ist nur richtig, wenn der dort genannte Betrag von t 1.500 für „allgemeine Kosten nicht umlagefähig“ im Verhältnis zur Gesamtwirtschaftsplansumme als unbedeutend betrachtet werden kann. 21 LG Berlin, Beschl. v. 29.11.2005 – 55 T 152/04 WEG, ZMR 2006, 393. 22 BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, MDR 2015, 146 = ZWE 2015, 91 = ZMR 2015, 244. 23 KG, Beschl. v. 17.5.1989 – 24 W 1407/89, Grundeigentum 1989, 781. 24 LG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2017 – 2-13 S 6/15, ZMR 2018, 430. 25 LG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2017 – 2-13 S 6/15, ZMR 2018, 430.

180

Köhler

Bedeutung und Inhalt

Rz. 5.22 Teil 5

Im Ergebnis müssen die Wirtschaftsplanansätze aufgrund der Lasten und Kosten, die in der Vergangenheit entstanden sind, geschätzt werden,26 wobei allerdings auch die allgemeine Preisentwicklung, z.B. bei den kommunalen Gebühren und Abgaben oder den Öl- oder Gaspreisen, sorgfältig beobachtet und im Wirtschaftsplan berücksichtigt werden muss. Der Wirtschaftsplan soll die geschätzten Einnahmen und Ausgaben des Wirtschaftsjahres möglichst vollständig enthalten;27 zinspflichtige Kreditaufnahmen zu Lasten der Gemeinschaft sollen durch die Planansätze verhindert werden.28 In den Wirtschaftsplan kann auch eine Forderung, die gegen die Gemeinschaft erhoben wird, eingestellt werden, wenn deren Realisierung zwar nicht sicher, aber ernsthaft zu erwarten ist.29 Es sollen Liquiditätsengpässe während des Wirtschaftsjahres oder hohe Nachforderungen/Guthabenauszahlungen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres vermieden werden.

5.20

Stellt ein Verwalter stillschweigend eine höhere Verwaltervergütung in den Wirtschaftsplan ein, wird hierdurch keine wirksame Änderung seiner vertraglichen Vergütungsansprüche herbeigeführt, selbst wenn die Eigentümergemeinschaft den Wirtschaftsplan beschließt.30

5.21

Die Ansicht des BayObLG,31 ein Wirtschaftsplan verstoße nur dann gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er zu wesentlich überhöhten oder zu erheblichen Nachzahlungspflichten führe, teile ich nicht. Es gibt nach meiner Auffassung keinen generellen weiten Ermessensspielraum für eine Eigentümergemeinschaft, Wirtschaftsplanansätze knapp oder reichlich bemessen anzusetzen;32 einen solchen Ermessensspielraum kann es nur bei der Instandhaltungsrücklage33 und nicht etwa bei den sonstigen Lasten- und Kostenpositionen, insbesondere nicht bei Hausmeisterkosten34 geben. Auch hinsichtlich der Festlegung der Höhe der Hausgeldvorschüsse hat die Eigentümerversammlung keinen weiten Ermessensspielraum,35 da mit den Hausgeldvorschüssen lediglich die notwendigen und im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Lasten und Kosten zu finanzieren sind. Ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht ein Wirtschaftsplan schon dann nicht, wenn die Planansätze nicht ordnungsgemäß kalkuliert und prognostiziert sind. Eine Bandbreite von +/– 5 % Abweichung zwischen den

5.22

26 Schätzung ist grundsätzlich zulässig: OLG Celle, Beschl. v. 17.11.1997 – 4 W 198/97, OLGReport Celle 1998, 46 = NZM 1998, 822 = NJW-RR 1998, 1706; ein prognostisches Element ist Wirtschaftsplänen immanent: BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = WuM 2012, 521 = ZWE 2012, 371. 27 BayObLG, Beschl. v. 23.8.1990 – 1b Z 32/89, n.v. 28 AG Waiblingen, Beschl. v. 14.12.1995 – 1 GR I 76/95, WuM 1996, 115 = DWE 1996, 40. 29 BayObLG, Beschl. v. 20.1.2005 – 2Z BR 117/04, BayObLGR 2005, 691 = ZMR 2005, 563. 30 Vgl. LG Mainz, Beschl. v. 29.6.2004 – 3 T 180/03, ZMR 2005, 153 = NZM 2004, 712; hierzu Vogl, Die Erhöhung der Vergütung eines Wohnungseigentumsverwalters durch Einstellen des höheren Betrages in den Wirtschaftsplan, ZMR 2006, 101. 31 BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 40/88, WuM 1988, 329 = DWE 1988, 142; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 23.8.1990 – 1b Z 32/89, n.v. 32 A.A. aber BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 = ZWE 2012, 125 = ZMR 2012, 380 (dort entschieden für Sonderumlagen; gleiches muss dann aber auch für Wirtschaftspläne gelten, weil Sonderumlagen lediglich Ergänzungen zu Wirtschaftsplänen darstellen); vgl. auch KG, Beschl. v. 11.2.1991 – 24 W 4560/90, OLGZ 1991, 299 = ZMR 1991, 188 = NJW-RR 1991, 725 = WuM 1991, 224; differenziert: Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.5.a). 33 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.6.2002 – 3 Wx 123/02, NZM 2002, 959. 34 So aber BayObLG, Beschl. v. 20.3.2001 – 2Z BR 101/00, ZWE 2001, 432 = ZMR 2001, 815 = NZM 2001, 754 = WuM 2001, 413. 35 A.A. BayObLG, Beschl. v. 25.5.1998 – 2Z BR 22/98, NZM 1999, 34 = WE 1999, 35.

Köhler

181

Teil 5 Rz. 5.22

Wirtschaftsplan

bei ordnungsgemäßer Ermittlung anzusetzenden Lasten und Kosten und den tatsächlich vom Verwalter im Wirtschaftsplan angesetzten Beträgen kann dabei allerdings akzeptiert werden.

5.23 Ich halte die Ansicht des BayObLG36 für falsch, welches meint, ein Wirtschaftsplanbeschluss könne nicht für ungültig erklärt werden, wenn der Wirtschaftsplan zu einer bestimmten Position keinen Kostenansatz enthält, obwohl der Anfall von Kosten zu erwarten ist. Der Beschluss über einen solchen Wirtschaftsplan entspricht nach meiner Auffassung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und muss für ungültig erklärt werden. Werden zu erwartende Lasten und Kosten nicht im Wirtschaftsplan angesetzt, können (größere oder kleinere) Finanzierungslücken auftreten, was keinesfalls ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.

5.24 Zu beachten ist allerdings: Wird ein Versammlungsbeschluss wegen eines solchen Fehlers im Wirtschaftsplan angegriffen, müsste der anfechtende Wohnungseigentümer auch beantragen, den Wirtschaftsplan vom Gericht höher festsetzen zu lassen, um ein Rechtsschutzbedürfnis für die gleichzeitige Ungültigkeitserklärung des Wirtschaftsplan-Beschlusses zu haben. Richtig ist auch heute noch die Entscheidung des KG vom 11.2.1991,37 dass eine Ungültigkeitserklärung eines Wirtschaftsplan-Beschlusses wegen zu geringer Wirtschaftsplanansätze nur dann in Betracht kommt, wenn zugleich ein Wirtschaftsplan mit höheren (also ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden) Ansätzen gerichtlich festgesetzt wird.

5.25 Berücksichtigt der Verwalter zu finanzierende Lasten und Kosten nicht oder nicht ausreichend im Wirtschaftsplan, kann das zur Verweigerung seiner Entlastung führen (falls eine solche überhaupt als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung angesehen werden kann); bei groben Verstößen gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung könnte auch an eine Abberufung des Verwalters gedacht werden.38

5.26 Auch wenn die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung bei der Aufstellung eines Wirtschaftsplanes eingehalten werden, könnten neben dem Wirtschaftsplan einmalige Zahlungen (Sonderumlagen) zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen beschlossen werden. Die Sonderumlage ist, so der BGH, eine Ergänzung des geltenden Wirtschaftsplans und kann als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung dann beschlossen werden, wenn die Ansätze des Wirtschaftsplans unrichtig waren, durch neue Tatsachen überholt werden oder wenn der Plan aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden kann.39 Entstehen während des laufenden 36 BayObLG, Beschl. v. 9.8.1990 – 2 Z 83/90, DWE 1991, 164 (nur LS). 37 KG, Beschl. v. 11.2.1991 – 24 W 4560/90, OLGZ 1991, 299 = ZMR 1991, 188 = NJW-RR 1991, 725 = WuM 1991, 224. 38 Vgl. zu besonderen Fällen mit zusätzlichen Komponenten: LG Hamburg, Urt. v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465; BayObLG, Beschl. v. 16.11.1995 – 2Z BR 108/95, WuM 1996, 116 = DWE 1997, 34 = WE 1996, 237. 39 BGH, Urt. v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, MDR 2018, 586 = ZMR 2018, 527 = NJW 2018, 527; BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 = ZWE 2012, 125 = ZMR 2012, 380 (Vorentscheidung: LG Köln, Urt. v. 5.5.2011 – 29 S 222/10, Juris); BGH, Beschl. v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, BGHZ 108, 44 = MDR 1989, 898 = BJW 1989, 3018; vgl. auch LG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2013 – 25 S 78/13, juris (der dortige Beschluss wurde nicht als Sonderumlagen-Beschluss angesehen); KG, Beschl. v. 19.7.2004 – 24 W 305/02, KGR Berlin 2005, 91 = FGPrax 2004, 277 (ein Reparaturbedarf war nicht erkennbar); OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2001 – 16 Wx 131/00, ZMR 2001, 574 (kein Grund für Sonderumlage ersichtlich); KG, Beschl. v. 12.8.1994 – 24 W 2762/94, KGR Berlin 1994, 193 = ZMR 1994, 527 = NJW-RR 1995, 397 = WuM 1994, 721; KG, Beschl. v. 1.2.1994 – 2 Z BR 97/93, WuM 1994, 295 = WE 1995, 32 (es entstehen Kosten für ein gerichtliches Verfahren); LG München I, Urt. v. 24.10.2011 – 1 S 24966/10, ZWE 2012, 50 (kein sachlicher Grund für Sonderumlage ersichtlich); BayObLG, Beschl. v. 8.2.1990 – 1 b Z 8/90,

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Bedeutung und Inhalt

Rz. 5.29 Teil 5

Wirtschaftsjahres Tatsachen, die zuvor nicht erkennbar waren (z.B. eine plötzliche Instandsetzungsnotwendigkeit) oder liegen gewichtige „andere Gründe“ vor, ist dem Verwalter kein Vorwurf hinsichtlich der Aufstellung des Wirtschaftsplanes zu machen; stellt sich jedoch heraus, dass die Ansätze im Wirtschaftsplan schlicht „unrichtig“ waren, ist sehr häufig feststellbar, dass der Verwalter nicht sorgfältig und vorausschauend genug gearbeitet hat. Dass der Verwalter schlecht gearbeitet hat, berechtigt jedoch nicht zur Anfechtung des Sonderumlagen-Beschlusses, denn auch in einem solchen Fall muss die Finanzierung der gemeinschaftlichen Lasten und Kosten gesichert werden. Erkennt der Verwalter bis zur Durchführung der Eigentümerversammlung, in der ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen werden soll, einen zu erwartenden Liquiditätsengpass, kann (und muss) er die entsprechende Position im Wirtschaftsplan anpassen, notfalls die Eigentümer noch bei der Beratung des Wirtschaftsplanes in der Eigentümerversammlung über das Problem und/oder seinen Fehler aufklären und ordnungsgemäße Ergänzungen beschließen lassen. Problematisiert werden könnte die Frage der rechtzeitigen Ankündigung von Beschlussgegenständen gemäß § 23 Abs. 2 WEG; allerdings muss jeder Eigentümer bei einem Tagesordnungspunkt „Beschluss über den Wirtschaftsplan für das Jahr XY“ davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsplanansatz auch geändert werden kann. Generell sollte es selbstverständlich sein, dass der Verwalter, wenn er nach Beschluss über einen Wirtschaftsplan eine (größere) Liquiditätslücke entdeckt, unverzüglich dafür sorgen muss, dass eine Sonderumlage beschlossen wird. Zugreifen auf Beiträge zur Instandhaltungsrücklage darf der Verwalter nicht.

5.27

Unzulässig ist die Beschlussfassung über eine Sonderumlage, die anstelle einer Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan erfolgt.40 Eine Sonderumlage darf den Wirtschaftsplan nur ergänzen, ihn aber nicht ersetzen.41

5.28

Die Kostenverteilung, die bei einer Sonderumlage festgelegt wurde, ist keine endgültige Fest- 5.29 legung des Kostenverteilungsschlüssels. Die Sonderumlage hat als Ergänzung des Wirtschaftsplans lediglich vorläufigen Charakter und enthält deshalb – ebenso wie der Wirtschaftsplan selbst42 – nur eine vorläufige Kosten- und Verteilungsregelung, die unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung steht.43 Der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallende Anteil an der Sonderumlage muss grundsätzlich aus dem Beschluss – z.B. anhand eines dort festgelegten Verteilungsschlüssels – erkennbar werden.44 Vorsicht ist bei der Beurteilung von Sonderumlagen-Beschlüssen geboten. Es kann nämlich Beschlüsse geben,

40 41 42 43 44

NJW-RR 190, 720 = DWE 1990, 64 (Sonderumlage für Fassaden- und Treppenhausarbeiten, auch wenn Instandhaltungsrücklage ausreichend gewesen wäre); LG München I, Beschl. v. 17.5.2010 – 1 T 12364/09, ZMR 2011, 239 (Begründung einer wirksamen Kostenschuld durch Vertrag); LG Wuppertal, Beschl. v. 25.11.2002 – 6 T 781/99, ZMR 2003, 298 (Kosten für ein Gerichtsverfahren standen an); Einsiedler, Die Sonderumlage: Voraussetzungen, Abrechnung, Eigentümerwechsel, ZMR 2009, 573. BGH, Urt. v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, ZWE 2011, 981 = ZMR 2011, 981. LG München I, Urt. v. 21.6.2010 – 1 S 2763/10, ZMR 2010, 876 = ZWE 2011, 101. LG Lüneburg, Beschl. v. 28.7.2014 – 9 S 49/14, ZMR 2014, 1005. LG München I, Urt. v. 28.2.2011 – 1 S 19089/10, ZMR 2011, 504 = NZM 2011, 368 = ZWE 2011, 228; die Revisionsentscheidung des BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80 = ZfIR 2012, 95 = NJW 2012, 603 = ZWE 2012, 86, beschäftigt sich damit nicht. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 17.1.2005 – 2Z BR 200/04, n.v., m.w.N.; BayObLG, Beschl. v. 29.12.2004 – 2Z BR 112/04, BayObLGZ 2004, 374 = ZMR 2005, 384; AG Hannover, Beschl. v. 9.12.2003 – 71 II 288/03, ZMR 2005, 233.

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183

Teil 5 Rz. 5.29

Wirtschaftsplan

mit denen bereits bindend eine endgültige Verteilungsregelung getroffen werden soll; das ist im Einzelfall sehr genau zu prüfen.

5.30 Für die Höhe des Ansatzes einer Sonderumlage soll der Gemeinschaft ein weiter Ermessensspielraum zustehen.45 Dies halte ich grundsätzlich nicht für richtig, denn auch beim Ansatz einer Sonderumlage muss diese auf die notwendigen und absehbaren Lasten und Kosten begrenzt werden, die mit der Sonderumlage finanziert werden sollen.

5.31 Ist schon von vornherein abzusehen, dass einzelne Hausgeldausfälle entstehen, müssen diese im Wirtschaftsplan als „Liquiditätsposition für (bestimmte) Hausgeldausfälle“ berücksichtigt und benannt werden,46 statt nachträglich eine Sonderumlage beschließen zu lassen. Bei solchen Liquiditätspositionen muss allerdings eine Verteilung auf alle Eigentümer erfolgen, also auch auf die voraussichtlichen Hausgeldschuldner.47 Dies bedeutet, dass die „Liquiditätsposition“ so hoch anzusetzen ist, dass mathematisch eine Kostendeckung erreicht wird, auch wenn die erhöhte Umlage von den Hausgeldschuldnern nicht bezahlt wird. Beläuft sich z.B. der voraussichtliche Ausfallbetrag eines Wohnungseigentümers mit 500/10.000 Miteigentumsanteilen auf einen Betrag von 8.000 Euro, so muss die Liquiditätsumlage wie folgt berechnet werden: 8.000 (Ausfallbetrag) × 10.000 (GesamtMEA) 9.500 (MEA der restlichen WE) Die Liquiditätsposition beläuft sich also auf 8.421 Euro, die von allen Wohnungseigentümern finanziert werden muss (müsste), wobei dann allerdings wegen des Ausfalls des einzelnen Miteigentümers nur die 8.000 Euro der Gemeinschaft zufließen.48 Diese Berechnungsmethode kann generell bei Sonderumlagen verwendet werden, wenn Ausfälle durch zahlungsunfähige (oder zahlungsunwillige) Wohnungseigentümer eintreten, die kurzfristig nicht beigetrieben werden können.

III. Formaler Aufbau 5.32 Regelmäßig wird bei einer neu begründeten Eigentümergemeinschaft noch kein Wirtschaftsplan existieren. In den vom Bauträger entwickelten Gemeinschaftsordnungen finden sich häufig pauschale Hausgeldvorschüsse (x Euro je Miteigentumsanteil oder qm)49, die für das erste (Rumpf-)Geschäftsjahr, bis zum Beschluss über einen Wirtschaftsplan, angesetzt werden. In 45 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.4.2005 – 20 W 114/02, OLGReport Frankfurt 2006, 94 m. Anm. Michael Schmid, IBR 2005, 545; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.4.2005 – 20 W 270/03, OLGReport Frankfurt 2006, 93; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.8.2001 – 3 Wx 187/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 1 = ZMR 2002, 144 = ZWE 2002, 90 = WuM 2005, 104 = NJW-RR 2002, 302 (geschätzter Finanzbedarf sei anzusetzen, die anfallenden Kosten seien jedoch großzügig zu bemessen); gleiche Argumentation bei BayObLG, Beschl. v. 11.3.1989 – 2Z BR 12/98, BayObLGR 1998, 50 = WuM 1998, 305 = NJW-RR 1998, 1096 = WE 1999, 147 = NZM 1998, 337. 46 BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49. 47 Vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49; BGH, Beschl. v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, BGHZ 108, 44 = MDR 1989, 898 = NJW 1989, 3018 = DWE 1989, 130; KG, Beschl. v. 2.12.2002 – 24 W 92/02, KGR Berlin 2003, 120 = ZMR 2003, 292 = NJW-RR 2003, 443. 48 Vgl. zur Methode auch: KG, Beschl. v. 26.3.2002 – 24 W 177/02, KGR Berlin 2003, 198 = ZMR 2003, 603 = NJW-RR 2003, 1020 = NZM 2003, 484. 49 Abhängig selbstverständlich von dem jeweiligen Kostenverteilungsschlüssel.

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Formaler Aufbau

Rz. 5.35 Teil 5

einigen Gemeinschaftsordnungen werden allerdings auch schon genaue Erst-Wirtschaftspläne festgelegt. Nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres hat der Verwalter eine Jahresabrechnung mit einem bestimmten Aufbau anzufertigen. An dem Aufbau dieser Jahresabrechnung sollten sich dann auch spätere Wirtschaftspläne hinsichtlich der Kosten-/Lastenarten orientieren, um eine Kontinuität und Vergleichbarkeit der Kostenarten über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten. Die (erste) Jahresabrechnung bestimmt demnach in der Regel den formalen Aufbau des Wirtschaftsplanes,50 vorausgesetzt, der Aufbau und der gesamte Inhalt dieser Jahresabrechnung sind ordnungsgemäß. Im Wirtschaftsplan sind in jedem Fall die in der Gemeinschaftsordnung (bei den Kostenregelungen) ausdrücklich genannten Kostenpositionen aufzunehmen und als separate Wirtschaftsplan-Positionen auszuweisen; ein eventuell in der Gemeinschaftsordnung enthaltener formaler Aufbau sollte übernommen werden. Darüber hinaus sind solche Positionen aufzuführen, die in der Wohnungswirtschaft üblicherweise gesondert benannt werden. Im Hinblick auf § 16 Abs. 3 WEG, der auf § 556 BGB (und damit auf die mietrechtliche Betriebskosten-Verordnung) Bezug nimmt, sollte sich der Wirtschaftsplanaufbau an der BetrKV orientieren. Die Eigentümergemeinschaft kann zur besseren Kontrolle von einzelnen Kostenpositionen beschließen, die Darstellung von Kostenarten weiter zu untergliedern. Grundsatz ist: Je größer die Eigentümergemeinschaft und je höher das Plan-Volumen ist, desto detaillierter muss auch der Wirtschaftsplan die einzelnen Kostenarten darstellen.

5.33

1. Darstellung der prognostizierten Gesamt-Lasten und -Kosten (Gesamtwirtschaftsplan) Es muss aus dem Wirtschaftsplan ersichtlich sein, welche Lasten und Kosten im Wirtschaftsjahr insgesamt anfallen werden; sie müssen „in übersichtlicher und nachprüfbarer Weise nach Grund und Höhe aufgeführt sein“ – wie der BGH zu Recht ausführt.51 Der den Miteigentümern zur Verfügung zu stellende Wirtschaftsplan muss den Gesamtplan enthalten, in dem alle voraussichtlichen Lasten- und Kostenpositionen mit ihren Gesamtsummen aufgeführt sein müssen.52

5.34

2. Benennung der Verteilungsschlüssel Aus dem Gesamtwirtschaftsplan ist der Einzelwirtschaftsplan zu entwickeln. Im Wirtschaftsplan sind deshalb die nach Gesetz, nach der Gemeinschaftsordnung oder nach Beschlüssen gemäß § 16 Abs. 3 und 4 WEG für die einzelnen Kostenarten anzuwendenden Kostenverteilungsschlüssel zu benennen.53 Jedenfalls aus dem Einzel-Wirtschaftsplan für jedes Sondereigentum muss ersichtlich sein, welchen Hausgeldvorschuss der einzelne Wohnungseigentümer zu erbringen hat,54 weshalb es notwendig ist, die Verteilungskriterien aufzuführen. Eine

50 51 52 53

Falsch deshalb Strobel, DWE 1997, 49. BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49. BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49. BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = ZWE 2013, 367 = ZMR 2014, 49; BayObLG, Beschl. v. 18.3.2004 – 2Z BR 14/04, OLGReport München 2004, 283; AG Neukölln, Beschl. v. 27.12.2001 – 70 II 161/01 WEG, ZMR 2002, 474, mit Anm. Häublein, ZMR 2002, 475. 54 BayObLG, Beschl. v. 16.7.1990 – 1b Z 29/89, n.v.

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185

5.35

Teil 5 Rz. 5.35

Wirtschaftsplan

Errechenbarkeit des zu zahlenden Hausgeldvorschusses reicht nicht aus.55 Ein Einzel-Wirtschaftsplan, der nur die Einnahmen und Ausgaben enthält, aber den Verteilungsschlüssel und den auf das Sondereigentum entfallenden Hausgeldvorschuss (sowie den Beitrag zur Instandhaltungsrücklage) nicht nennt, darf nicht beschlossen werden; ein gleichwohl gefasster Beschluss ist, so das BayObLG (für die Rechtslage vor Reform des WEG), für ungültig zu erklären.56

5.36 Sind einzelne Kostenpositionen nach Verbrauch abzurechnen (z.B. Heizkosten), müssen diese Kostenpositionen nach den in der Vergangenheit entstandenen Einzelbelastungen der Wohnungseigentümer insgesamt geschätzt und auf die Wohnungseigentümer verteilt werden;57 sind beim Vergleich zwischen Verbrauchsprognose und einer Anwendung des Verteilungsschlüssels (gemäß Gesetz/Gemeinschaftsordnung/Beschlüssen) nur geringe Abweichungen zu erwarten, können auch diese Verteilungsschlüssel im Wirtschaftsplan verwendet werden. Die Verteilung der Heizkosten nach Miteigentumsanteilen in Wirtschaftsplänen wird von der Rechtsprechung anerkannt.58

5.37 Die Gemeinschaftsordnung kann vorsehen, was allerdings in der Praxis selten zu finden ist, dass ein Wirtschaftsplan nur die von den einzelnen Wohnungseigentümern zu entrichtenden Hausgeldvorschüsse benennen muss.59 Durch Mehrheitsbeschluss einer Eigentümerversammlung, dies zur Klarstellung, kann eine solche Vorgabe jedoch nicht gemacht werden;60 dies kann nur durch Vereinbarung geschehen.

5.38 Werden von einer Eigentümergemeinschaft die Kostenverteilungsschlüssel oder (wenn sich die Kostenverteilung nach diesen richtet) die Miteigentumsanteile durch notarielle Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung verändert, müssen die geänderten Kostenverteilungskriterien erst dann berücksichtigt werden, wenn die Änderung in den Grundbüchern eingetragen wurde.61 Im Falle einer Änderung gemäß § 16 Abs. 3 WEG gilt der im Beschluss genannte Änderungszeitpunkt; eine rückwirkende Änderung wird regelmäßig nicht zulässig sein, weil die Wohnungseigentümer sich nicht auf die Änderung einstellen konnten.62 55 A.A. (im Ausnahmefall): BayObLG, Beschl. v. 22.1.1998 – 2Z BR 114/97, WE 1998, 396; BayObLG, Beschl. v. 30.10.1996 – 2Z BR 103/96, WuM 1997, 61 = WE 1997, 269; BayObLG, Beschl. v. 10.10.1996 – 2Z BR 76/96, ZMR 1997, 42 = WE 1997, 265 = NJWE-MietR 1997, 36; BayObLG, Beschl. v. 11.1.1990 – 1b Z 5/89, NJW-RR 1990, 720 = DWE 1990, 64. 56 BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – 2 Z 49/91, WuM 1991, 443 = NJW-RR 1991, 1360. 57 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 7.11.1990 – 2 Z 116/90, n.v. 58 LG Köln, Urt. v. 9.12.2010 – 29 S 114/10 – juris; vgl. auch KG, Beschl. v. 7.1.2004 – 24 W 326/01, ZWE 2005, 100 = ZMR 2005, 221 (dort Verteilung nach 936/1 000 Miteigentumsanteilen statt 1 000/1 000 MEA akzeptiert). 59 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1999 – 2Z BR 36/99, BayObLGR 1999, 75 = ZMR 1999, 723 = NZM 1999, 1058. 60 A.A. BayObLG, Beschl. v. 21.5.1999 – 2Z BR 36/99, BayObLGR 1999, 75 = ZMR 1999, 723 = NZM 1999, 1058. 61 BayObLG, Beschl. v. 2.9.1999 – 2Z BR 60/99, NZM 2000, 287 = DNotZ 2000, 208. 62 Vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZfIR 2011, 490 = ZMR 2011, 652 = NJW 2011, 2202; BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, WuM 2010, 524 = NZM 2010, 622 = ZMR 2010, 775; LG Köln, Urt. v. 29.3.2012 – 29 S 209/11, n.v. „Vertrauensschutzgedanke“ verbiete rückwirkenden Eingriff in bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume; bei noch laufenden Abrechnungszeiträumen ist nur ausnahmsweise eine rückwirkende Änderung zulässig; kein „strenges Rückwirkungsverbot“: LG Hamburg, Urt. v. 2.2.2013 – 318 S 32/12, ZMR 2013, 465 = ZWE 2013, 453; Rückwirkung möglich, wenn sich noch kein „schutzwürdiges Vertrauen“ herausgebildet hat: LG Karlsruhe, Urt. v. 5.11.2015 – 11 S 120/14, ZWE 2016, 92 = NZM 2016, 558; ebenso: LG

186

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Formaler Aufbau

Rz. 5.42 Teil 5

Für eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels genügt nicht, dass der neue Schlüssel lediglich dem Wirtschaftsplan (oder der Jahresabrechnung) zu Grunde gelegt wird.63 Es reicht für die Annahme einer konkludenten Änderung der Kostenverteilungsschlüssel auch nicht aus, dass die falschen (von der gesetzlichen Regelung oder der Regelung in der Gemeinschaftsordnung abweichenden) Kostenverteilungsschlüssel lediglich stillschweigend über mehrere Jahre hingenommen werden;64 es muss sämtlichen Eigentümern bewusst sein, dass eine dauerhafte abweichende Festlegung der Kostenverteilungsschlüssel erfolgen soll.65 Ohne weiteres einleuchtend ist, dass ein im Wirtschaftsplan fehlerhaft angesetzter Verteilungsschlüssel keine Bindung für die Jahresabrechnung haben kann, was sich schon aus der Rechtsprechung des BGH vom 20.9.200066 ergibt. Ein Wirtschaftsplan, bei dem ein seit 30 Jahren praktizierter, aber niemals wirksam vereinbarter Verteilungsschlüssel verwendet wurde, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weshalb ein genehmigender Beschluss einer Eigentümerversammlung für unwirksam erklärt werden muss.67

5.39

Sind die richtigen Verteilungsschlüssel nicht bekannt – aufgrund eines Verwalterwechsels und weil der Vorverwalter die notwendigen Unterlagen beharrlich nicht herausgibt und somit die zulässigerweise durch Beschluss geänderten Verteilungsschlüssel unbekannt sind –, kann ein Notwirtschaftsplan in Betracht kommen,68 in dem die gesetzlichen oder in der Gemeinschaftsordnung ursprünglich vorgesehenen Verteilungsschlüssel verwendet werden. Ein solcher Fall dürfte allerdings nur sehr selten anzutreffen und auch noch äußerst kurios sein, weil die Eigentümer selbst Unterlagen (Protokolle, frühere Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen) vorliegen haben werden.

5.40

3. Geplante Zuführung zur Instandhaltungsrücklage/Behandlung von Teilleistungen Bei der Jahresabrechnung ist die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage keine Kostenposition. Beim Wirtschaftsplan ist jedoch eine andere Betrachtung notwendig. Dort ist geplante Zuführung zur Instandhaltungsrücklage als eine Kostenposition zu behandeln, die sich auf die Höhe der Zahlungspflicht der einzelnen Wohnungseigentümer auswirkt.

5.41

Allerdings sollten die von den einzelnen Eigentümern zu erbringenden Beitragsleistungen zur Instandhaltungsrücklage (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 WEG) betragsmäßig getrennt von den übrigen Vorschüssen für die Lasten und Kosten ausgewiesen werden, um bei Zahlungsrückständen der Wohnungseigentümer festlegen zu können, wie (und ggf. in welchem Verhältnis)

5.42

63 64 65 66 67 68

Berlin, Urt. v. 9.9.2015 – 53 S 26/15, ZWE 2017, 33; nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres rückwirkende Änderung unzulässig: LG Itzehoe, Urt. v. 15.4.2014 – 11 S 32/13, ZMR 2014, 909 = ZMR 2015, 51. BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, WuM 2010, 524 = ZMR 2010, 775 = NJW 2010, 2654 = NZM 2010, 622; LG Itzehoe, Urt. v. 15.4.2014 – 11 S 32/13, ZMR 2014, 909 = ZMR 2015, 51. LG Köln, Urt. v. 27.9.2012 – 29 S 61/12, ZMR 2013, 218. BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 195/17, MDR 2018, 1238 = NZM 2018, 905 = ZMR 2018, 1024; LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 29.10.2009 – 5 S 89/09, ZMR 2010, 471 = Grundeigentum 2010, 71. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 (keine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss). LG Lüneburg, Urt. v. 6.9.2011 – 9 S 30/11, ZMR 2012, 901; AG Schwabach, Urt. v. 18.6.2010 – 9 C 1355/09, DWE 2011, 39. Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 240/07, ZMR 2009, 58 = OLGReport Hamm 2008, 512 = DWE 2008, 60.

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Teil 5 Rz. 5.42

Wirtschaftsplan

Teilzahlungen von Wohnungseigentümern auf die Vorschüsse für die Lasten und Kosten und auf Beitragsleistungen für die Instandhaltungsrücklage verteilt werden müssen. Auch für die besondere Darstellung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung (Soll-/Ist-Beträge) ist dieser gesonderte Ausweis sinnvoll und notwendig.

5.43 Die Frage, wie Teilleistungen zu behandeln sind, die von Wohnungseigentümern auf die fälligen Hausgeldvorschüsse und die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage erbracht werden, ist äußerst umstritten. Wenn in der Gemeinschaftsordnung (oder einer sonstigen Vereinbarung) keine Regelung über die Anrechnung der Teilzahlungsbeträge auf die Vorschüsse zu den Lasten und Kosten und die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage zu finden ist, soll ein Beschluss über die Anrechnungsreihenfolge ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Der Verwalter kann nicht autonom eine Verrechnungsbestimmung treffen. Ich neige der Auffassung von Häublein im Staudinger (2018) zu, wonach zwar ein Beschluss gefasst, gleichwohl aber das Bestimmungsrecht des zahlenden Wohnungseigentümers nicht beseitigt werden kann; ein Beschluss kann auch nicht die vorrangige Verrechnung auf die Instandhaltungsrücklage vorsehen.69 4. Einzelwirtschaftspläne

5.44 Einzelwirtschaftspläne gehören zu den unabdingbaren Bestandteilen eines ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Wirtschaftsplanes,70 sodass stets Einzelwirtschaftspläne erstellt werden müssen. Werden keine Einzelwirtschaftspläne erstellt, ist – so u.a. die Auffassung des BGH – die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan auf Antrag für ungültig zu erklären.71 Ist der Gesamt-Wirtschaftsplan allerdings ordnungsgemäß, bringt seine Ungültigkeitserklärung dem einzelnen Wohnungseigentümer nichts, der eine ordnungsmäßige Verwaltung anstrebt und erreichen will, dass alle Wohnungseigentümer aufgrund von beschlossenen Einzelwirtschaftsplänen zur Zahlung verpflichtet werden. Die einzig sinnvolle Maßnahme wäre demnach, einen Verpflichtungsantrag bei Gericht zu stellen, mit dem der Verwalter gezwungen wird, auch noch die Einzel-Wirtschaftspläne zu erstellen und beschließen zu lassen. Einen solchen Antrag kann jeder Wohnungseigentümer stellen.72

5.45 Aus taktischen – und für den Rechtsanwalt sicherheitsorientierten – Gesichtspunkten kann es sinnvoll sein, den Beschluss über den Gesamt-Wirtschaftsplan namens des Wohnungseigentümers fristgerecht anzufechten und vorzutragen, dass ein solcher Beschluss ohne Erstreckung auf die für jeden Eigentümer vorzulegenden Einzel-Wirtschaftspläne nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Eine gleichzeitige Klage gegen den Verwalter, mit der der Verwalter verpflichtet werden soll, die Einzel-Wirtschaftspläne zu erstellen und einer – unverzüglich nach Rechtskraft der Entscheidung einzuberufenden – Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen, kann nur neben der Anfechtungsklage erhoben und nicht mit 69 Vgl. zu allem Vorstehenden insbesondere Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., Rz. 92 und 153; Staudinger/Häublein, 2018, § 28 WEG Rz. 255 ff. – insbesondere Rz. 261; außerdem LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 – 29 S 181/11, ZMR 2012, 662 = ZWE 2012, 280. 70 BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 71 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = ZMR 2005, 547 = NJW 2005, 2061 = WuM 2005, 530; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 29.12.2004 – 2Z BR 112/04, BayObLGZ 2004, 374 = ZMR 2005, 384 (Vorentscheidung zu BGH v. 17.8.2005); BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 72 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = ZMR 2005, 547 = NJW 2005, 2061 = WuM 2005, 530.

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Formaler Aufbau

Rz. 5.49 Teil 5

ihr verbunden werden. Verfahrensfördernd sollte darauf gedrängt werden, dass die beiden Verfahren in einer Abteilung des Amtsgerichts behandelt und am gleichen Terminstag behandelt werden. Es gibt – selten – Gemeinschaftsordnungen, die vorsehen, dass auf die Erstellung von Einzelwirtschaftsplänen verzichtet werden kann.73 Es erscheint sehr zweifelhaft, dass eine solche Bestimmung wirksam sein soll.

5.46

Der Bundesgerichtshof hatte sich bis zu seiner Entscheidung vom 17.10.201474 nicht mit der Beschlusskompetenz der Gemeinschaft bezüglich einer Aufnahme von Rechtsstreitkosten in einen Wirtschaftsplan befasst. In der Entscheidung vom 17.10.2014 hat er aber nunmehr klargestellt, dass die Eigentümer – jedenfalls, wenn noch kein konkretes Beschlussanfechtungsverfahren anhängig ist – berechtigt sind, Vorschüsse für potentiell zu erwartende Anfechtungsklagen75 in den Wirtschaftsplan aufzunehmen. Dem Verwalter müssten und dürften Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, um ihn in die Lage zu versetzen, seine Pflichten als Zustellungsvertreter und seine Rechte nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG (Führung eines Mitgliederprozesses, § 43 Nrn. 1 und 4 WEG sowie Beauftragung eines Rechtsanwalts) wahrnehmen zu können. Dabei sei hinzunehmen, dass auch ein (späterer) Anfechtungskläger vorübergehend in seinem Einzel-Wirtschaftsplan mit den Kosten belastet wird, denn länger als bis zur nächsten Jahresabrechnung, in der die erbrachten Vorschüsse stets zu verrechnen seien, würde der Anfechtungskläger an der Finanzierung nicht beteiligt.

5.47

Fast nebenbei – nämlich ganz am Ende seiner Entscheidung – beschäftigt sich der BGH auch 5.48 mit der besonderen Situation, dass in einem Wirtschaftsplan Kosten für ein bestimmtes schon anhängiges oder konkret zu erwartendes Beschlussanfechtungsverfahren eingestellt werden sollen. In dem Fall müssen die Parteirollen beachtet werden und der Anfechtungskläger darf nicht mit den Vorschüssen belastet werden. Beispiel zur Verdeutlichung: Eine außerordentliche Eigentümerversammlung beschließt im Dezember 2018 eine Instandsetzungsmaßnahme. Ein Eigentümer meint, der Beschluss entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und droht Anfechtungsklage an. Die ordentliche Eigentümerversammlung, in der auch der Wirtschaftsplan beschlossen werden soll, ist für Anfang März 2019 terminiert. Durch Rückfrage bei Gericht wird klar, dass der kritische Eigentümer eine Klage erhoben hat. Zugestellt ist die Klage im Januar noch nicht. Der vom Verwalter vorsorglich eingeschaltete Rechtsanwalt beziffert den vorläufigen Streitwert für die Anfechtungsklage mit 10.000 Euro; als möglichen Vorschuss benennt der Rechtsanwalt einen Betrag von 3.050 Euro (incl. Mehrvertretungsgebühr für mehr als 7 Mandanten). Nunmehr soll der Wirtschaftsplan erstellt und mit dem Beirat erörtert werden.

Der nach Zustellung der Klage und Bestellung des Rechtsanwalts anfallende mögliche Vorschussbetrag von 3.050 Euro kann zwar in den Wirtschaftsplan eingestellt werden, der Kläger darf aber nicht mit anteiligen Vorschuss-Kosten belastet werden. Es liegt nämlich ein konkretes Klageverfahren vor, in dem auch die Parteirollen (Kläger – übrige Eigentümer der Gemeinschaft als Beklagte) schon klar sind.

73 BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 74 BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, MDR 2015, 146 = NZM 2015, 135 = ZWE 2015, 91. 75 Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, für den Ansatz von Prozesskostenvorschüssen im Wirtschaftsplan sei notwendig, dass konkrete Anhaltspunkte für zu erwartende Anfechtungsklagen vorliegen müssen; liegen solche nicht vor, darf auch nichts angesetzt werden.

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5.49

Teil 5 Rz. 5.50

Wirtschaftsplan

5.50 Für Wirtschaftspläne ein eher selteneres Problem – Kostenverteilung bei baulichen Veränderungen: Lasten und Kosten, die im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen stehen, dürfen den Eigentümern, die nicht zugestimmt haben, nicht belastet werden.76 Gleiches wird nicht gelten können für die Kosten einer Maßnahme, die nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, weil sie vom Verwalter ohne Beschluss der Eigentümerversammlung oder schon vor der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan durchgeführt wurde, obwohl ein Beschluss, der den Verwalter zur Auftragsvergabe berechtigt hätte, notwendig gewesen wäre.77 Insoweit wird der Grundsatz aus der Jahresabrechnung gelten müssen, dass alle Zahlungen – auch die unberechtigten – in die Jahresabrechnung aufgenommen werden müssen. Für den Wirtschaftsplan bedeuten die bereits verauslagten Beträge, dass es sich um zukünftig (nämlich in der Jahresabrechnung) zu verteilende Kosten handelt und demnach auch in den Wirtschaftsplan aufgenommen werden müssen. 5. Vorschussliste

5.51 In der 3. Auflage dieses Handbuches hatte ich die Auffassung vertreten, dass eine Vorschussliste vorzulegen ist, aus der sich ergeben muss, welche Hausgeldvorschüsse jeder einzelne Wohnungseigentümer jährlich und monatlich zu zahlen hat. Meine Auffassung ist vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 7.6.2013 abgelehnt worden, weil § 28 Abs. 1 WEG keine konkrete Form der Gestaltung des Wirtschaftsplanes vorgibt.78

5.52 Der BGH führt aus: „Der Wirtschaftsplan dient der Ermittlung und Festsetzung der Beitragsverpflichtung der Wohnungseigentümer und damit der Aufbringung der für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Wohnungseigentümer erforderlichen finanziellen Mittel. Seine eigentliche Bedeutung liegt darin, dass er die Belastung der Wohnungseigentümer mit Vorschüssen nach § 28 Abs. 2 WEG verbindlich regelt und deren Zahlungsverpflichtung erst entstehen lässt. Daher kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass die aus dem Wirtschaftsplan ersichtliche Deckungslücke zwischen den voraussichtlichen Ausgaben und den sonstigen Vermögenszuflüssen der Gemeinschaft, die entweder ausdrücklich als Summe genannt wird oder sich durch Addition der einzelnen Posten ermitteln lässt, durch die Belastung der Wohnungseigentümer mit Hausgeldvorschüssen ausgeglichen werden soll. Für den einzelnen Wohnungseigentümer können – auch wenn dieser nur die Höhe des auf ihn entfallenden Hausgeldes erfährt – keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass nicht nur er, sondern auch die anderen Wohnungseigentümer nach den im Wirtschaftsplan erläuterten Verteilungsschlüsseln belastet werden und das Kostendeckungsprinzip gewahrt ist.“ Demgemäß sei es auch nicht erforderlich, allen Wohnungseigentümern die auf die anderen Miteigentümer entfallenden Hausgeldvorschüsse mitzuteilen.

76 Vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2011, 80 = NJW 2012, 603. Zu beachten ist aber § 16 Abs. 6 S. 2 WEG; ist ein Beschluss gemäß § 16 Abs. 4 WEG gefasst worden, haben auch die Eigentümer, die nicht für die Maßnahme gestimmt haben, die Kosten zu tragen; vgl. dazu Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 16 Rz. 154 ff.; sowie Staudinger/Kreuzer, 2018, § 16 Rz. 100 ff. 77 Vgl. hierzu auch KG, Beschl. v. 26.9.2005 – 24 W 123/04, ZMR 2006, 63 = NZM 2006, 108 = NJW-RR 2006, 383 = KGR Berlin 2006, 45; KG, Beschl. v. 5.10.2005 – 24 W 6/05, ZMR 2006, 224 = MDR 2006, 744 = KGR Berlin 2006, 85; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 11.4.2007 – 2 Wx 2/07, ZMR 2007, 550; vgl. aber zu „ordnungsgemäßer Instandhaltung“ und einer Kostentragung BGH, Urt. v. 13.5.2011 – V ZR 202/10, ZfIR 2011, 567 = NJW 2011, 2660 = ZMR 2011, 732. 78 BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = NZM 2013, 650 = ZWE 2013, 367.

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Verhältnis Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung

Rz. 5.55 Teil 5

6. Einnahmen-Ausweis Konsequenz der Entscheidung des BGH vom 7.6.201379 ist, dass zwar im Wirtschaftsplan sämtliche sonstigen Einnahmen – wie z.B. Einnahmen aus gemeinschaftlichem Vermögen (Zinsen aus der Instandhaltungsrücklage),80 aus der Vermietung von gemeinschaftlichen Flächen (Einstellplätze, Plakatwände, Zigarettenautomaten) oder Räumen (Lagerräume o.ä.) – auszuweisen sind, es aber nicht notwendig ist, die Hausgeldeinnahmen auszuweisen.

5.53

IV. Verhältnis Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung Die Entscheidung des BGH vom 23.9.1999 hat das Verhältnis zwischen Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung deutlicher herausgearbeitet.81 Vom BGH wurde klargestellt, dass mit der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung keine Novation des Wirtschaftsplanbeschlusses verbunden ist,82 was in der Entscheidung vom 1.6.2012 noch einmal bekräftigt wurde.83 Der V. Senat hat dabei die Rechtsprechung des IX. Senats und seine eigene Rechtsprechung aufgegriffen.84 Mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung wird also nicht etwa der frühere Beschluss über den Wirtschaftsplan im Sinne einer Schuldumschaffung ersetzt, sondern der Jahresabrechnungsbeschluss hat lediglich bestätigende oder rechtsverstärkende Wirkung hinsichtlich der offenen Vorschussforderung. Nur hinsichtlich des die Vorschüsse übersteigenden Spitzenbetrages der Jahresabrechnung begründet der Jahresabrechnungsbeschluss einen neuen (originären) Anspruchsgrund.85 Der BGH hat sich auch auf eine Entscheidung des BayObLG bezogen, in der bezüglich der Zwangsverwaltung ausgeführt wurde, der Zwangsverwalter habe nur den Teil des Spitzenbetrages aus der Jahresabrechnung zu leisten, der nicht aus den früher fällig gewordenen (und vom Wohnungseigentümer nicht gezahlten) Hausgeldvorschüssen des Wirtschaftsplans resultiere.86

5.54

Die Entscheidungen des BGH sind richtig. Die frühere Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan wird nicht ersetzt durch den Jahresabrechnungsbeschluss.87 Die einmal durch Be-

5.55

79 BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = NZM 2013, 650 = ZWE 2013, 367. 80 Sofern nicht für die Zinsen eine andere Behandlung beschlossen wurde. 81 Vgl. dazu auch Bub, Überblick über die Abrechnung im Finanzsystem der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ZWE 2018, 297; Becker, Auswirkungen des Abrechnungsbeschlusses auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, ZWE 2018, 193. 82 BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, ZMR 1999, 835 = NJW 1999, 3713 = NZM 1999, 1101 = DWE 1999, 164 = WuM 2000, 28 = ZWE 2000, 29. 83 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373. 84 BGH, Urt. v. 10.3.1994 – IX ZR 98/93, ZMR 1994, 256 = WuM 1994, 346 = NJW 1994, 1866 = DWE 1994, 104 = MDR 1994, 1113 = WE 1994, 210; BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = NJW 1996, 725 = DWE 1996, 27 = ZMR 1996, 215 = WuM 1996, 237 = WE 1996, 144 = MDR 1996, 897. 85 So auch noch einmal BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373. 86 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2Z BR 33/99, BayObLGZ 1999, 99 = ZMR 1999, 578 = NZM 1999, 715. 87 Zu der veralteten obergerichtliche Rechtsprechung, nach der bei erfolgter Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ein Zahlungsanspruch nicht mehr auf den Wirtschaftsplan gestützt werden konnte, sondern ein etwaiges gerichtliches Zahlungsverfahren auf den Jahresabrechnungsbetrag umgestellt werden musste, vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 27.6.1978 – 20 W 210/78, Rpfleger 1978, 383; BayObLG, Beschl. v. 30.4.1986 – 2 Z 72/85, BayObLGZ 1986, 128 = MDR 1986, 853; BayObLG, Beschl. v. 15.6.1987 – 2 Z 104/86, NJW-RR 1987, 331.

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Teil 5 Rz. 5.55

Wirtschaftsplan

schluss festgelegten Zahlungsverpflichtungen aus dem Wirtschaftsplan enden nicht dadurch, dass die Jahresabrechnung beschlossen wird.88 In diesem Zusammenhang hat das OLG Frankfurt zu Recht einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen für ausgebliebene Hausgeldvorschüsse bejaht, die auf einem Wirtschaftsplan beruhen, auch wenn zwischenzeitlich die Jahresabrechnung beschlossen wurde.89

5.56 Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (Abrechnungsspitze). Der Beschluss über die Jahresabrechnung führt nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsgrunds für rückständige Vorschüsse in dem Sinne, dass sie sowohl auf Grund des Beschlusses über den Wirtschaftsplan als auch auf Grund des Beschlusses über die Jahresabrechnung geschuldet werden.90 Ergibt sich aus der beschlossenen Jahresabrechnung ein (theoretischer) Überschuss zu Gunsten des Wohnungseigentümers (theoretische „positive Abrechnungsspitze“, weil weniger Kosten angefallen sind als Vorschüsse hätten geleistet werden müssen), begrenzt dieser theoretische „positive Betrag“ einen Anspruch aus dem Wirtschaftsplan.91 Nehmen wir an, ein Wohnungseigentümer ist auf Zahlung von Hausgeld- und Beitragsvorschüssen in Höhe von 1.200 Euro für das gesamte Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen worden und vor mündlicher Verhandlung wird die Jahresabrechnung beschlossen, die ausweist, dass lediglich 1.148,60 Euro an Lasten und Kosten und Beiträgen (für die Instandhaltungsrücklage) zu entrichten sind, begrenzt sich der Anspruch aus dem Wirtschaftsplan auf den Betrag von 1.148,60 Euro. Als Anspruchsverstärker kommt dann im Rechtsstreit der Beschluss über die Jahresabrechnung hinzu.

5.57 Etwas schwieriger wird es bei Veräußerungsfällen. Ist das Eigentum auf einen Erwerber übergegangen92 und wird dann die Jahresabrechnung beschlossen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf Ansprüche im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsplan hat. Rechtswirkungen kann der Beschluss über die Jahresabrechnung nur gegenüber dem Erwerber haben, nicht jedoch gegenüber dem Veräußerer. Deshalb haftet einerseits der Erwerber für die Abrechnungsspitze, andererseits hat der Veräußerer aber keinen Anspruch auf Auszahlung der positiven Abrechnungsspitze.93 Der Ausgleich zwischen Veräußerer und Erwerber findet nur in diesem internen Verhältnis statt und richtet sich nach den kaufvertraglichen Regelungen. Diese Regelungen – das nur zur Klarstellung – sind für die Eigentümergemeinschaft ohne Belang.

88 Vgl. auch BGH, Urt. v. 2.1.2011 – V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 = NJW-RR 2012, 217 = NZM 2012, 159. 89 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.5.2005 – 20 W 225/03, MietRB 2006, 71 m. Anm. Becker. 90 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373. 91 Vgl. Becker, Auswirkungen des Abrechnungsbeschlusses auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, ZWE 2018, 193; so schon OLG Köln, Beschl. v. 16.1.2004 – 16 Wx 185/03 = OLGReport Köln 2004, 143 (LS), welches ausgeführt hatte, dass der Anspruch aus dem Wirtschaftsplan der Höhe nach auf den Betrag begrenzt wird, der aus der Jahresabrechnung geschuldet wird; siehe nunmehr auch LG Köln, Urt. v. 5.9.2013 – 29 S 40/13, ZMR 2014, 84 = ZWE 2014, 135; LG Dortmund, Urt. v. 24.6.2014 – 1 S 18/13, ZWE 2014, 365 = ZMR 2015, 477. 92 Regelmäßig bei Umschreibung in der Abteilung I des Grundbuches bzw. Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren. 93 Vgl. Becker, Auswirkungen des Abrechnungsbeschlusses auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, ZWE 2018, 193, m.w.N.; Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 28 Rz. 68 ff.

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Verhältnis Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung

Rz. 5.60 Teil 5

Hat die Eigentümergemeinschaft gegenüber einem ausgeschiedenen Wohnungseigentümer 5.58 (vor oder nach dem Eigentumswechsel) eine Klage auf Zahlung von Wirtschaftsplan-Vorschüssen erhoben, tritt das Problem auf, ob ein Beschluss über die Jahresabrechnung anspruchsbegrenzende Wirkung hat. Die Abrechnungsbeschlussfassung erzeugt gegenüber dem ausgeschiedenen Wohnungseigentümer keine Wirkung. Deshalb entsteht auch keine Anspruchsbegrenzung gegenüber dem ehemaligen Eigentümer.94 Ein eventueller Ausgleich kann nur zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber erfolgen; die Wohnungseigentümergemeinschaft hat mit einem solchen Ausgleich nichts zu tun. Es stellt sich die weitere Frage, ob der Erwerber die Auszahlung des (theoretischen) Spitzenbetrages aus der Jahresabrechnung verlangen kann, wenn der Veräußerer seinen Vorschuss- und Beitragsverpflichtungen in dem betreffenden Wirtschaftsjahr nicht nachgekommen ist und hierdurch eine Unterdeckung der abgerechneten Lasten und Kosten eintritt. Becker vertritt die Auffassung, dass es der Treuepflicht widerspräche, wenn der Erwerber in einem solchen Fall eine Auszahlung fordere.95 Diese Auffassung teile ich nicht, sie ist in meinen Augen inkonsequent. Der Erwerber haftet – jedenfalls regelmäßig –96 nicht für die Rückstände seines Vorgängers und kann dann auch nicht über den Umweg der Beschlussfassung der Jahresabrechnung in die Haftung genommen werden. In die Jahresabrechnung für das Objekt des Erwerbers müssen die von dem Veräußerer zu leistenden Hausgeldvorschüsse fiktiv eingerechnet werden (siehe dazu den Teil „Jahresabrechnung“); wenn dann ein „Guthaben“ als Spitzenbetrag entsteht, steht dieses Guthaben dem Erwerber zu. Die Gemeinschaft muss sich wegen der nicht gezahlten Vorschüsse und Beiträge an den Veräußerer halten. Ein eventueller Ausgleich der Zahlungen für das abgerechnete Wirtschaftsjahr kann wiederum nur zwischen Veräußerer und Erwerber erfolgen, falls dazu aufgrund des Kaufvertrags oder aus sonstigen Gründen eine Notwendigkeit besteht. Die Entscheidung des BGH vom 1.6.2012 hat auch verjährungsrechtliche Konsequenzen. Der Beschluss über die Jahresabrechnung kann nämlich bei Berücksichtigung der vom BGH aufgestellten Grundsätze nicht zum Neubeginn der Verjährung für die Vorschussansprüche führen.97 Deshalb ist bei länger zurückliegenden Wirtschaftsplanbeschlüssen immer zu prüfen, ob schon Verjährung hinsichtlich des Vorschussanspruches eingetreten ist, was die gerichtliche Durchsetzung des Zahlungsanspruches im Interesse der Eigentümergemeinschaft verhindern könnte. Es gilt für die Hausgeldvorschüsse die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB.

5.59

Für den Verwalter einer Eigentümergemeinschaft besteht ein Haftungsrisiko, wenn er nicht rechtzeitig dafür sorgt, dass die Rückstände gerichtlich geltend gemacht werden. Für den rechtsanwaltlichen Vertreter der Eigentümergemeinschaft besteht ebenfalls ein Haftungsrisiko, wenn nicht rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen wegen der Hausgeldvorschüsse eingeleitet werden. Ist Verjährung eingetreten, gehört es zur Pflicht des rechtsanwaltlichen Vertreters eines Hausgeldschuldners, rechtzeitig eine Verjährungseinrede zu erheben.

5.60

94 Ebenso Becker, Auswirkungen des Abrechnungsbeschlusses auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, ZWE 2018, 193, 196 r. Spalte. 95 Becker, Auswirkungen des Abrechnungsbeschlusses auf Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, ZWE 2018, 193, 197 r. Spalte. 96 Besondere Haftungsregelungen in einer Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) bleiben hier unberücksichtigt, sind aber bei der rechtsanwaltlichen Prüfung zu beachten! 97 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373.

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Teil 5 Rz. 5.61

Wirtschaftsplan

V. Beschluss über den Wirtschaftsplan 5.61 Über den Wirtschaftsplan, und zwar über den Gesamtwirtschaftsplan und die Einzelwirtschaftspläne, ist Beschluss zu fassen.98 Erst mit dem Beschluss über den Wirtschaftsplan wird eine Verpflichtung der Eigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft begründet; durch den Beschluss erwirbt die Eigentümergemeinschaft gegenüber jedem einzelnen Wohnungseigentümer den Anspruch auf Zahlung der festgelegten Hausgeldvorschüsse.99 Versäumt die Eigentümergemeinschaft, einen Wirtschaftsplan mit Vorschussverpflichtungen der Wohnungseigentümer aufzustellen, kann sie einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer weder aufgrund einer nach seinem Ausscheiden beschlossenen Jahresabrechnung noch aus ungerechtfertigter Bereicherung für die Lasten und Kosten in Anspruch nehmen, die vor seinem Ausscheiden entstanden sind.100 Ein Beschluss über einen Wirtschaftsplan kann nur gegenüber demjenigen wirken, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war.101 Ein Einzel-Wirtschaftsplan, der auf den noch nicht im Grundbuch eingetragenen Erwerber des Wohnungseigentums ausgestellt ist, wirkt deshalb auch nur gegenüber dem wirklichen Eigentümer, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung (noch) im Grundbuch eingetragen ist.102

5.62 Grundsätzlich ist die Eigentümerversammlung dazu berufen, über den Wirtschaftsplan zu beschließen. Es gibt allerdings Gemeinschaftsordnungen – wenn auch nur ganz selten –, die vorsehen, dass der Beirat anstelle der Eigentümerversammlung über den Wirtschaftsplan beschließen darf.103 Siehe dazu unten im Abschnitt „Beiratsbeschluss (Kompetenzübertragung)“, Rz. 5.96 ff.

5.63 Ein Wirtschaftsplan, den der das Objekt aufteilende Eigentümer durch einen „Ein-Mann-Beschluss“ festgelegt hatte, bevor eine „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“ entstanden war (also insbesondere vor Eintragung einer Auflassungsvormerkung für einen Er98 Vgl. zur Anfechtungsmöglichkeit, wenn nur über einen Gesamtwirtschaftsplan und nicht über die Einzelwirtschaftspläne beschlossen wird, insbesondere BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = ZMR 2005, 547 = NJW 2005, 2061 = WuM 2005, 530; BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 99 Vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, ZMR 1999, 835 = NJW 1999, 3713 = NZM 1999, 1101 = DWE 1999, 164 = WuM 2000, 28 = ZWE 2000, 29; BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = ZMR 1996, 215 = NJW 1996, 725 = WuM 1996, 237 = DWE 1996, 27 = WE 1996, 144 = MDR 1996, 897; BGH, Urt. v. 20.11.1992 – V ZR 279/91, BGHZ 120, 261 = ZMR 1993, 176 = NJW 1993, 593 = MDR 1993, 342 = WuM 1993, 146; BayObLG, Beschl. v. 18.7.2002 – 2Z BR 148/01, NZM 2002, 874; BayObLG, Beschl. v. 7.8.2001 – 2Z BR 63/01, OLGReport München 2002, 21 = WuM 2002, 57. 100 OLG München, Beschl. v. 24.5.2007 – 34 Wx 27/07, OLGReport München 2007, 648 = MDR 2007, 1066 = ZMR 2007, 805 = NJW-RR 2007, 1607. 101 OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2005 – 8 W 39/05, OLGReport Stuttgart 2005, 738 = ZMR 2005, 578 = NZM 2005, 426 = NJW-RR 2005, 812; keine Beschlussfassung zu Lasten eines Rechtsvorgängers: BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 = NJW-RR 2012, 217 = ZMR 2012, 284. 102 LG Braunschweig, Beschl. v. 31.3.2005 – 6 T 726/04, ZMR 2005, 654; keine Haftung des Rechtsnachfolgers für Forderungen aus einem Wirtschaftsplan, der vor dem Eigentumserwerb (Eintragung in Abt. I des Grundbuches) beschlossen wurde: LG München I, Urt. v. 20.12.2010 – 1 S 4319/10, WuM 2011, 308 = ZWE 2011, 233 = DWE 2011, 78. 103 OLG Sachsen-Anhalt (Naumburg), Beschl. v. 10.1.2000 – 11 Wx 2/99, OLGR 2000, 329 = WuM 2001, 38; OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, OLGReport Hamm 2007, 615 = ZWE 2007, 350 = ZMR 2008, 63 = MietRB 2007, 239 m. Anm. Köhler.

194

Köhler

Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.68 Teil 5

werber und vor Besitzübergang auf den Erwerber),104 kann keine Hausgeldforderung begründen.105 Zulässig ist aber, einen ersten („Rumpf“)-Wirtschaftsplan in der Gemeinschaftsordnung festzulegen. Wird nur der Gesamt-Wirtschaftsplan in der Versammlung beschlossen, weil die Eigentümer Wirtschaftsplanansätze in der Versammlung kürzen, ist ein solcher Beschluss (selbstverständlich) nicht nichtig,106 bewirkt aber keine Fälligkeit der Hausgeldzahlungsverpflichtung.107

5.64

Falsch ist eine Entscheidung des OLG Düsseldorf.108 In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war über den Gesamtwirtschaftsplan beschlossen worden, jedoch nicht über die Einzelwirtschaftspläne. In der Gemeinschaftsordnung war die Weitergeltung des Wirtschaftsplans angeordnet. Das OLG Düsseldorf hat hier gemeint, dass auch bei einem Beschluss über den Gesamtwirtschaftsplan die Vorjahres-Einzelpläne weitergelten würden. Zu Recht hat Drasdo109 aber darauf hingewiesen, dass durch den Beschluss über den neuen Gesamtwirtschaftsplan der alte Wirtschaftsplan komplett außer Kraft gesetzt worden ist. Eine Geltung des neuen Gesamtwirtschaftsplans und eine Weitergeltung der alten Einzelpläne kann es nicht geben.

5.65

Lehnt die Eigentümerversammlung mit der Mehrheit der Stimmen einen Beschluss über den Wirtschaftsplan ab, obwohl der Wirtschaftsplan insgesamt (also hinsichtlich des GesamtWirtschaftsplanes und auch hinsichtlich der Verteilungskriterien der Einzel-Wirtschaftspläne) ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann ein einzelner Eigentümer die übrigen Eigentümer auf Zustimmung zu dem Beschlussantrag (Genehmigung des Wirtschaftsplanes) gerichtlich in Anspruch nehmen. Dazu sollte dann (vorsorglich) der ablehnende Beschluss angefochten und zusätzlich der Antrag auf Zustimmungsersetzung (Zustimmung zum Beschlussantrag aus der Eigentümerversammlung) gestellt werden.

5.66

Beklagte im Anfechtungsverfahren und im Zustimmungsersetzungsverfahren sind die übrigen Wohnungseigentümer, nicht der Verwalter. Der Verwalter war seiner Verpflichtung zur Erstellung eines Wirtschaftsplanes und zur Vorlage in der Eigentümerversammlung bereits nachgekommen. In dem Rechtsstreit geht es darum, ob der vorgelegte Wirtschaftsplan in allen Punkten ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Ist der Wirtschaftsplan fehlerhaft, mussten die übrigen Eigentümer dem Beschlussantrag nicht zustimmen.

5.67

Vor einer Eigentümerversammlung ist der Verwalter verpflichtet, den Wirtschaftsplan rechtzeitig zu übersenden,110 damit die Eigentümer sich auf die Versammlung vorbereiten können.

5.68

104 Zur „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“ vgl. die letzte Entscheidung des BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, MDR 2016, 264 = WuM 2016, 185 = ZWE 2016, 169, mit weiteren Nachweisen zur Entwicklung der BGH-Rechtsprechung. 105 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = NZM 2002, 788 = MDR 2002, 1427; OLG Köln, Beschl. v. 15.1.2008 – 16 Wx 141/07, ZWE 2008, 242 = ZMR 2008, 478 = OLGReport Köln 2008, 339; mit Anm. Schmidt, ZWE 2008, 245. 106 KG, Beschl. v. 17.5.1989 – 24 W 1407/89, Grundeigentum 1989, 781. 107 BayObLG, Beschl. v. 10.3.2004 – 2Z BR 268/03, ZMR 2005, 64 = NZM 2004, 789; vgl. auch Greiner, ZMR 2002, 647. 108 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2003 – 3 Wx 398/02, WuM 2003, 167, mit Anm. Drasdo. 109 Drasdo, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2003 – 3 Wx 398/02, WuM 2003, 167. 110 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 = ZWE 2012, 125 = ZMR 2012, 3080; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.3.2018 – 2-13 S 184/16, NJW-RR 2018, 1168; vgl. dazu auch Weber, Beschluss über Wirtschaftsplan nur nach vorheriger Übersendung des Plans, IMR 2018,

Köhler

195

Teil 5 Rz. 5.68

Wirtschaftsplan

Es reicht nicht aus, wenn der Wirtschaftsplan in und vor der Versammlung (ohne vorherige Übersendung) nur zur Ansicht ausliegt.111 Den Eigentümern müssen ausreichende und angemessene Möglichkeiten zur Prüfung des Wirtschaftsplanes einschließlich ihrer Einzelpläne gegeben werden.112 Eine frühere Meinung, dazu gehöre auch die Möglichkeit, die für alle Miteigentümer vorgesehenen Beitragsverpflichtungen zu prüfen,113 ist im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 7.6.2013114 überholt.

5.69 Ein Beschluss über einen Wirtschaftsplan, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorlag oder der noch geändert werden muss (antizipierte Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan), entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und kann angefochten werden, unabhängig davon, welche Punkte im Wirtschaftsplan geändert werden müssten. Es gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung, dass ein Wirtschaftsplan schriftlich in der Form vorgelegt wird, in der er genehmigt werden soll. Ein Wohnungseigentümer kann nur etwas billigen, was ihm auch (rechtzeitig) vorgelegen hat. Muss ein Wirtschaftsplan aufgrund von Wünschen in der Eigentümerversammlung oder aus anderen Gründen geändert werden, muss in der Versammlung über den neuen (geänderten) Wirtschaftsplan beschlossen werden. Dem Verwalter darf keine Befugnis zur nachträglichen Änderung des Wirtschaftsplans übertragen werden.115 Grundsätzlich darf aber die Gemeinschaft in einer Eigentümerversammlung den vorgelegten Wirtschaftsplan ändern und anders als vorgelegt beschließen.116

5.70 Bei der Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan genügt es, auf den vom Verwalter vorgelegten Wirtschaftsplan Bezug zu nehmen, wenn der Verwalter nur einen Wirtschaftsplan vorgelegt hat.117 Empfehlenswert ist jedoch in jedem Fall, das Datum des Wirtschaftsplanes, die Gesamtsumme der Einnahmen und Ausgaben zu nennen und, falls nicht schon in der Gemeinschaftsordnung bestimmt, auch die Fälligkeitszeitpunkte für die Hausgeldvorschüsse

111

112 113

114 115

116 117

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200; siehe auch LG Frankfurt/Main, Urt. v. 20.5.2016 – 2-13 S 1/13, DWE 2016, 128 = ZWE 2017, 48; LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186 0 = ZMR 2014, 480; nach richtiger Ansicht des LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95, ZMR 1997, 326 (LS), muss der Wirtschaftsplan mindestens zwei Wochen vor der Versammlung beim Eigentümer eintreffen; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 28.3.2012 – 318 S 17/11, ZMR 2012, 654 = ZWE 2012, 329. LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186 0 = ZMR 2014, 480; veraltet (Auslage in Versammlung und Möglichkeit der Einsichtnahme genüge als Mindestvoraussetzung): OLG Köln, Beschl. v. 30.12.1998 – 16 Wx 187/98, OLGReport Köln 1999, 120 = MDR 1999, 799 = ZMR 1999, 282 = WuM 1999, 297, mit Anm. Rau, ZMR 1999, 283. Vgl. hierzu auch BayObLG, Beschl. v. 30.6.2004 – 2Z BR 58/04, BayObLGR 2004, 423 = NJWRR 2004, 1602 = DWE 2005, 24. Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.12.1998 – 16 Wx 187/98, OLGReport Köln 1999, 120 = MDR 1999, 799 = ZMR 1999, 282 = WuM 1999, 297, mit Anm. Rau, ZMR 1999, 283; unrichtig war die Ansicht des OLG schon wegen der Aussage, es müssten bei dem Wirtschaftsplan auch die „einzelnen Guthaben“ geprüft werden können – „Guthaben“ gibt es in Wirtschaftsplänen nicht. BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = NZM 2013, 650 = ZWE 2013, 367. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 Wx 107/05, ZMR 2006, 544 = ZWE 2006, 246 (Gleiches gilt auch für den Beschluss über eine Jahresabrechnung); vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 27.4.1989 – 2 Z 28/89, WuM 1989, 531 = WE 1990, 138; sowie LG Köln, Beschl. v. 31.1.2001 – 29 T 191/00, n.v., zur antizipierten Beschlussfassung über eine Jahresabrechnung. OLG Celle, Beschl. v. 6.9.2004 – 4 W 143/04, OLGReport Celle 2004, 600 = NZM 2005, 308. BayObLG, Beschl. v. 21.10.1999 – 2Z BR 134/99, ZWE 2000, 264 = ZMR 2000, 112 = WuM 2000, 206 = NZM 2000, 683; vgl. auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.8.2004 – 20 W 225/02, OLGReport Frankfurt 2005, 21.

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Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.74 Teil 5

festzulegen.118 Wird im Versammlungsprotokoll ein falsches Wirtschaftsplan-Datum genannt, kommt es für eine wirksame Beschlussfassung (als Grundlage einer Zahlungsforderung) darauf an, ob es sich lediglich um eine Falschbezeichnung im Protokoll handelt.119 Hinsichtlich der Hausgeldfälligkeiten meint das KG,120 die Fälligkeiten für die Hausgeldzahlungen könnten auch durch einen mehrheitlich beschlossenen Verwaltervertrag festgelegt werden. Dies halte ich für falsch, weil der Verwaltervertrag nicht die Rechte und Pflichten der Eigentümer gegenüber dem Verband regelt, sondern nur die Rechtsbeziehung zwischen der Gemeinschaft (Verband) und dem Verwalter. Wird unter dem Tagesordnungspunkt „Wirtschaftsplan“ eine Erhöhung der Instandhaltungsrücklage beschlossen, so soll dieser Tagesordnungspunkt als Ankündigung im Sinne des § 23 Abs. 2 WEG ausreichend sein.121 Dies dürfte allerdings nur dann richtig sein, wenn schon in dem vor der Eigentümerversammlung übersandten Wirtschaftsplan die Erhöhung ausgewiesen worden ist.

5.71

Der Beschluss über einen Wirtschaftsplan setzt nicht voraus, dass zuvor eine Jahresabrechnung für das vergangene Wirtschaftsjahr vorgelegt worden ist, um die möglichen Lasten und Kosten des nächsten Wirtschaftsjahres glaubhaft zu machen.122

5.72

Die Wohnungseigentümerversammlung muss auch nicht stets die Hausgeldvorschüsse und die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage in neuer Höhe beschließen. Es reicht aus zu beschließen, dass die Hausgeldvorauszahlungen und Beiträge zur Instandhaltungsrücklage in den bisherigen monatlichen Höhen beibehalten werden.123 Die Eigentümergemeinschaft kann sich darauf beschränken, den Wirtschaftsplan und die Vorauszahlungen in der bisherigen Höhe auch für das weitere Geschäftsjahr für verbindlich zu erklären. Dieser Beschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die die zu erwartenden gemeinschaftlichen Lasten und Kosten durch die bisherigen Zahlungen angemessen gedeckt waren. Sind im anstehenden Wirtschaftsjahr konkrete und erhebliche Kostensteigerungen – oder umgekehrt Kostensenkungen – zu erwarten, wäre ein „Fortsetzungs“-Beschluss anfechtbar.

5.73

1. Vorlage des Wirtschaftsplanes und „rückwirkende Beschlussfassung“ Der Verwalter muss für jedes Wirtschaftsjahr einen Wirtschaftsplan aufstellen. Diese Pflicht bezieht sich auf den Verwalter, der zum Zeitpunkt des Entstehens der Leistungspflicht amtiert. Die Pflicht zur Erstellung eines Wirtschaftsplanes entsteht nach meiner Auffassung – falls nichts anderes in der Gemeinschaftsordnung geregelt wurde – mit dem ersten Tag eines Wirt-

118 Nach LG Dortmund, Urt. v. 30.6.2017 – 17 S 232/16, ZMR 2017, 758 = ZWE 2017, 455, reicht es aus, wenn im Protokoll „Wirtschaftsplan 20xx“ genannt wird, wenn sich aus den übersandten Unterlagen ergibt, welcher Wirtschaftsplan beschlossen werden sollte (der Kläger hat in diesem Fall nicht konkret vorgetragen, dass es verschiedene Wirtschaftsplan-Versionen gegeben hatte); dazu auch Anm. Hogenschurz, jurisPR-MietR 22/2017 Anm. 5. 119 Vgl. LG Frankfurt/Main, Urt. v. 30.11.2017 – 2-13 S 6/15, ZMR 2018, 430, m. Anm. Schultz, ZMR 2018, 432. 120 KG, Beschl. v. 15.9.2000 – 24 W 747/99, KGR Berlin 2001, 207 = ZWE 2000, 532 = ZMR 2000, 60 = NZM 2001, 238. 121 BayObLG, Beschl. v. 5.10.2000 – 2Z BR 59/00, ZWE 2001, 68 = ZMR 2000, 54 = NZM 2000, 1239 = NJW-RR 2001, 374. 122 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 6.9.2001 – 2Z BR 86/01, ZMR 2002, 68 = WuM 2002, 41. 123 BayObLG, Beschl. v. 2.8.1990 – 2 Z 40/90, WuM 1991, 312.

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5.74

Teil 5 Rz. 5.74

Wirtschaftsplan

schaftsjahres.124 Der am Anfang des Wirtschaftsjahres amtierende Verwalter ist demnach zur Erstellung verpflichtet. Ist die Pflicht zur Erstellung des Wirtschaftsplanes entstanden, besteht sie fort, auch wenn der Verwalter im Laufe des Wirtschaftsjahres aus dem Amt scheidet; sie geht nicht auf den neuen Verwalter über.125

5.75 Die Entscheidung des LG Münster,126 dass der im Laufe eines Jahres aus dem Amt ausscheidende Verwalter keinen Wirtschaftsplan mehr für dieses Jahr aufstellen müsse, ist demnach falsch.

5.76 Es ist – wenn in der Gemeinschaftsordnung nichts über den Vorlagezeitpunkt geregelt ist – eine Frage der Zweckmäßigkeit, wann ein Verwalter einen Wirtschaftsplan vorlegt. Das muss nicht unbedingt vor oder unmittelbar nach Beginn eines Wirtschaftsjahres erfolgen, sondern kann auch mit angemessenem Vorlauf vor der ordentlichen Eigentümerversammlung stattfinden. Wichtig ist, dass Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne rechtzeitig vor der Versammlung, in der der Wirtschaftsplan beschlossen werden soll, vom Verwalter an die Eigentümer versandt werden.127

5.77 Eine Vorlage vor Beginn des Wirtschaftsjahres erscheint nicht sinnvoll und eine Pflicht dazu besteht – wegen des Entstehungszeitpunktes der Vorlagepflicht – nach meiner Auffassung nicht.128 Eigentümerversammlungen finden regelmäßig nur einmal im Jahr statt, sodass eine Beschlussfassung vor Beginn des Wirtschaftsjahres für den Verwalter mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist.129 Es müssten also zwei Versammlungen im Wirtschaftsjahr stattfinden, was unnötig erscheint.

5.78 Ein Beschluss über den Wirtschaftsplan kann jedenfalls nicht in einem Beschlussanfechtungsverfahren mit dem Argument angegriffen werden, der Beschluss hätte vor Beginn des Wirtschaftsjahres erfolgen müssen.130

124 Vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469, der aber den Zeitpunkt der Entstehung der Pflicht zur Erstellung einer Jahresabrechnung offen lässt. 125 Das hat der BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469, zur Jahresabrechnung ausgeführt; das muss jedoch auch für Wirtschaftspläne gelten. 126 LG Münster, Beschl. v. 24.8.2001 – 3 T 62/01, NZM 2002, 459. 127 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 = ZWE 2012, 125 = ZMR 2012, 3080; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.3.2018 – 2-13 S 184/16, NJW-RR 2018, 1168; vgl. auch LG Frankfurt/Main, Urt. v. 20.5.2016 – 2-13 S 1/13, DWE 2016, 128 = ZWE 2017, 48; LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186 = ZMR 2014, 480; nach richtiger Ansicht des LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95, ZMR 1997, 326 (LS), muss der Wirtschaftsplan mindestens zwei Wochen vor der Versammlung beim Eigentümer eintreffen; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 28.3.2012 – 318 S 17/11, ZMR 2012, 654 = ZWE 2012, 329. 128 Nicht ganz klar ist, ob der BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = NZM 2002, 788 = MDR 2002, 1427, meint, auch ohne gesonderte Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, bestünde eine Vorlagepflicht vor Beginn des Wirtschaftsjahres. 129 Vgl. auch KG, Beschl. v. 27.2.2002 – 24 W 16/02, KGR Berlin 2002, 141 = ZWE 2002, 367 = ZMR 2002, 460 = NJW 2002, 3482. 130 Vgl. die a.A. AG Mannheim, Urt. v. 15.5.2009 – 4 C 18/09, juris; in der Entscheidung wird erwogen, dass ein solcher Beschluss anfechtbar sein könnte (worauf es in der Entscheidung allerdings nicht ankam).

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Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.82 Teil 5

Liegt der Zeitpunkt der Pflichtentstehung für die Erstellung des Wirtschaftsjahres im neuen Wirtschaftsjahr und wird – wie in der Verwalterpraxis üblich – der Wirtschaftsplan erst im Laufe der ersten Monate des Wirtschaftsjahres erarbeitet und den Eigentümern mit der Einladung zur nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung vorgelegt, tritt immer das Problem einer rückwirkenden Beschlussfassung auf. Dabei kann es sich um eine „einfache“ Rückwirkung handeln, also um eine Rückwirkung, die das noch laufende Wirtschaftsjahr betrifft – in ganz seltenen Fällen geht es aber auch um eine jahresübergreifende Rückwirkung, die sich auf das bereits abgelaufene Wirtschaftsjahr beziehen soll.

5.79

Eine „einfache“ Rückwirkung ist weitgehend problemlos.131 Im laufenden Wirtschaftsjahr kann beschlossen werden, dass der Wirtschaftsplan rückwirkend ab Beginn des Wirtschaftsjahres gelten soll. Dabei ist nur zu beachten, dass bei einem Beschluss über die Hausgeldfälligkeiten unterschieden werden muss zwischen den zukünftigen Hausgeldzahlungen und den Zahlungen für die bereits abgelaufenen Monate. Eine rückwirkende Fälligkeit für die bereits abgelaufenen Monate kann nicht beschlossen werden. Sind keine Fälligkeitszeitpunkte in der Gemeinschaftsordnung festgelegt, sollte deshalb beschlossen werden, dass die zukünftigen Hausgeldraten jeweils am 3. Werktag eines Monats fällig werden und die Fälligkeit der Hausgelder für die die bereits abgelaufenen Monate an einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Versammlungsdatum eintritt.

5.80

Mit der jahresübergreifenden Wirkung hatte sich der BGH in seiner Entscheidung vom 5.81 4.4.2014 beschäftigt.132 Er meinte, weil die Jahresabrechnung nicht an die Stelle des Wirtschaftsplans tritt, könne der Wirtschaftsplan – wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen – auch nach der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung in einem folgenden Wirtschaftsjahr durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden. Welchen Sinn das haben soll, erschließt sich mir nicht. Ist ein Wirtschaftsplan nicht „wirksam“, können auch keine Zahlungsansprüche daraus abgeleitet werden. Eine Zahlungsverpflichtung tritt erst ein, wenn ein wirksamer Beschluss über den Wirtschaftsplan gefasst wurde. Gegenüber einem bereits vor der neuen (wirksamen) Beschlussfassung aus der Gemeinschaft ausgeschiedenen Eigentümer kann dann aber gar keine Wirkung mehr eintreten und gegenüber den noch in der Gemeinschaft verbliebenen Eigentümern bestünden auch erst Verzinsungsansprüche ab der neuen Beschlussfassung. Richtig ist die kritische Frage von Häublein, warum in Anbetracht dieser Entscheidung immer noch die Auffassung vertreten wird, ein jahresübergreifender Beschluss sei nichtig.133 So soll nach dem OLG Schleswig ein Beschluss keine rechtliche Wirksamkeit haben (nichtig sein), der rückwirkend einen Wirtschaftsplan für ein schon abgelaufenes Wirtschaftsjahr in Kraft setzen will.134

131 Vgl. u.a. KG, Beschl. v. 22.10.1990 – 24 W 4800/90, OLGZ 1991, 180 = NJW-RR 1991, 463 = WuM 1990, 614 (eine Beschlussfassung im letzten Kalendermonat des Wirtschaftsjahres kann erfolgen und dadurch die gesamte Jahresschuld fällig werden). 132 BGH, Urt. v. 4.4.2014 – V ZR 168/13, MDR 2014, 705 = ZWE 2014, 261 = ZMR 2014, 808. 133 Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 160 und 236. 134 OLG Schleswig, Beschl. v. 13.6.2001 – 2 W 7/01, OLGReport Schleswig 2001, 366 = ZWE 2002, 141 = ZMR 2001, 855 = WuM 2001, 571; a.A. AG Saarbrücken, Beschl. v. 2.8.2004 – 1 WEG II 84/04, ZMR 2005, 319 (nur anfechtbar); demgegenüber „Wirtschaftsplan nach Ablauf des Wirtschaftsjahres sinnlos“: AG Saarbrücken, Beschl. v. 25.3.2004 – 1 II 26/01 WEG, ZMR 2005, 409; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.8.2004 – 20 W 225/02, OLGReport Frankfurt 2005, 21 (der letztmögliche Termin für die Erstellung eines Wirtschaftsplans ist das Ende des Wirtschaftsjahres); BayObLG, Beschl. v. 13.12.2001 – 2Z BR 93/01, ZWE 2002, 360 = ZMR 2002, 525 (ein Be-

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5.82

Teil 5 Rz. 5.83

Wirtschaftsplan

2. Festlegung des Wirtschaftsjahres

5.83 Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr, wenn nicht in der Gemeinschaftsordnung ein anderer Zeitraum bestimmt ist. Ein Mehrheitsbeschluss über die Festlegung des Wirtschaftsjahres, abweichend von der gesetzlichen Regelung oder von einer Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, ist nichtig.135 Eine (schuldrechtliche) Vereinbarung ist zulässig; ein allstimmiger Beschluss könnte als eine solche Vereinbarung gewertet werden.136 Hat die Eigentümergemeinschaft bisher für die Wirtschaftspläne und die Jahresabrechnung ein falsches Wirtschaftsjahr benutzt, kann durch Beschluss eine Umstellung des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr vorgenommen werden.137 Meines Erachtens könnte der Verwalter sogar ohne Beschluss den Abrechnungszeitraum ändern und zukünftig den richtigen Zeitraum bei der Aufstellung eines Wirtschaftsplans verwenden.

5.84 Das OLG Celle138 meint, wenn von der Eigentümergemeinschaft seit Jahren ein gesetzes- oder gemeinschaftsordnungswidriger Abrechnungszeitraum verwendet worden ist, müsse ein Eigentümer eine Anpassung an den richtigen Abrechnungs- und Wirtschaftsplanzeitraum rechtzeitig vor Erstellung des Wirtschaftsplanes verlangen. Eine ohne ein vorheriges Verlangen durchgeführte Beschlussanfechtung verstoße gegen Treu und Glauben.

5.85 Diese Ansicht kann nicht überzeugen; grundsätzlich ist nämlich der Verwalter für die ordnungsgemäße Erstellung eines Wirtschaftsplanes zuständig und ein Eigentümer wird in der Regel nicht die notwendigen Fachkenntnisse haben, um alle wohnungseigentumsrechtlichen Feinheiten erkennen und beurteilen zu können. Die jahrelange andere Handhabung ist keine schützenswerte Position der übrigen Eigentümer und erst recht nicht eines Berufsverwalters. Eine Bezugnahme auf „Treu und Glauben“ ist verfehlt.

135 136 137

138

200

schluss über den Wirtschaftsplan im Dezember und damit kurz vor Ablauf des Wirtschaftsjahres entspricht grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung). So auch Greiner, ZMR 2002, 647 (648); Wenzel, ZWE 2001, 226 (234). So jedenfalls LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2010 – 11 S 140/09, ZMR 2010, 640 (das LG spricht fälschlich von einem „einstimmigen“ Beschluss; gemeint sein kann nur ein allstimmiger Beschluss). So auch LG Berlin, Beschl. v. 9.11.2001 – 85 T 155/01, ZMR 2002, 385; vgl. auch AG Halle, Urt. v. 12.5.2009 – 120 C 358/09, juris, wonach die Abrechnung eines Zeitraumes von weniger als einem Jahr ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn dafür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt. OLG Celle, Beschl. v. 28.5.2002 – 4 W 60/02, GuT 2002, 188; dem hat sich das OLG München, Beschl. v. 17.2.2009 – 32 Wx 164/08, ZMR 2009, 630 = WuM 209, 422 = NJW-RR 2009, 1466, angeschlossen (Vorentscheidung LG München I, Beschl. v. 10.11.2008 – 1 T 4472/08, ZMR 2009, 398 = ZWE 2009, 218); vgl. aber auch LG Regensburg, Beschl. v. 1.10.2008 – 7 T 307/07, juris = ZWE 2009, 322 (Kurzwiedergabe): „Einem Wohnungseigentümer kann nicht die Berufung auf Fehler einzelner Positionen der Jahresabrechnung verweigert werden, weil die Eigentümergemeinschaft hinsichtlich anderer Bestandteile seit Jahren bewusst von der Teilungserklärung abweicht und nicht die technischen Voraussetzungen schafft, den dort normierten Verteilungsschlüssel umzusetzen. Der Rechtsstandpunkt des Amtsgerichts würde letztlich bedeuten, dass die Eigentümerversammlung durch Beibehaltung einer der Teilungserklärung widersprechenden Abrechnungsmethode im Hinblick auf einzelne Rechnungsposten die Unanfechtbarkeit aller künftigen Jahresabrechnungen in ihrer Gesamtheit bewirken könnte.“

Köhler

Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.89 Teil 5

Falsch ist nach meiner Auffassung auch eine Entscheidung des KG,139 die davon ausgeht, dass 5.86 für Beschlüsse, die vor der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 gefasst worden sind, ein Vertrauensschutz bestehen kann. In dem entschiedenen Fall ging es (u.a.) um einen Wirtschaftsplan, der für einen anderen Zeitraum als das Kalenderjahr aufgestellt worden war. Auf eine falsche Rechtsanwendung kann aber niemand vertrauen. 3. Beschluss durch Gesamtgemeinschaft Wenn nicht in der Gemeinschaftsordnung konkret etwas anderes bestimmt ist, muss stets die Gesamtgemeinschaft über einen Wirtschaftsplan Beschluss fassen, selbst wenn die Gemeinschaft aus mehreren Häusern oder Gebäudeteilen besteht. Ein gleichwohl von einer Teilgemeinschaft gefasster Beschluss ist nichtig. Die Gemeinschaftsordnung kann aber vorsehen, dass Untergemeinschaften zu bilden und diese getrennt abzurechnen sind.140

5.87

4. Beschlüsse bei Mehrhausanlagen/Untergemeinschaften Die Beschlusskompetenz bei Untergemeinschaften war lange Zeit umstritten. Das BayObLG vertrat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2000 die Auffassung, dass – selbst wenn in einer Gemeinschaftsordnung eine Mehrhausanlagen-Abrechnung vorgesehen ist – nicht über getrennte Wirtschaftspläne abgestimmt werden durfte.141 Das OLG Köln war im Jahre 1990 anderer Meinung.142 Die Ansicht des BayObLG hat sich als unrichtig herausgestellt. In der Entscheidung des BGH vom 20.7.2012 ist nämlich klargestellt worden,143 dass einem Teil der Eigentümer einer Eigentümergemeinschaft durchaus die Kompetenz zustehen kann, über Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen zu beschließen.144 Grundlage ist aber, dass eine Gemeinschaftsordnung geschaffen oder eine Vereinbarung getroffen wurde, die bestimmen, dass im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungszuständigkeit und selbständiger Beschlussfassungskompetenz ihrer Mitglieder gebildet werden.

5.88

Zulässig sind also auch vom Gesetz abweichende Stimmrechtsregelungen für die Beschlüsse über Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse, nach der allein die Mitglieder der Untergemeinschaft anstelle aller Wohnungseigentümer über die auf das jeweilige Haus (oder den Gebäudeteil) entfallenden Kostenpositionen entscheiden dürfen. Ist in der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich bestimmt, dass die Kosten und Lasten für die Untergemeinschaften nicht nur getrennt zu ermitteln und abzurechnen sind, sondern für jede Untergemeinschaft – soweit rechtlich zulässig – selbständig verwaltet werden sollen, hat der Verwalter hausbezogene (oder gebäudeteilbezogene) Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen und den Untergemeinschaften zur Beschlussfassung vorzulegen.

5.89

139 KG, Beschl. v. 27.2.2002 – 24 W 71/01, KGR Berlin 2002, 143 = ZMR 2002, 462 = NJW-RR 2002, 879 = WuM 2002, 394; vgl. auch AG Neukölln, Beschl. v. 18.7.2002 – 70 II 78/02, juris. 140 Vgl. LG Hamburg, Urt. v. 14.9.2011 – 318 S 77/10, ZMR 2012, 123 m.w.N.; nachfolgend: BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, WuM 2012, 575 = ZWE 2012, 494 = ZMR 2012, 979. 141 BayObLG, Beschl. v. 17.11.2000 – 2Z BR 107/00, ZWE 2001, 269 = ZMR 2001, 209 = NZM 2001, 771 = DWE 2001, 35. 142 OLG Köln, Beschl. v. 30.8.1990 – 16 Wx 81/90, WuM 1990, 613. 143 BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, WuM 2012, 575 = NJW-RR 2012, 1291 = ZWE 2012, 494. 144 Vgl. hierzu auch Rüscher, Besonderheiten der Vermögensverwaltung in Mehrhausanlagen, ZWE 2015, 237.

Köhler

201

Teil 5 Rz. 5.90

Wirtschaftsplan

5.90 Die gegen solche Beschlüsse der Untergemeinschaft erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind aber nach § 46 Abs. 1 S. 1 WEG gleichwohl gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten.145

5.91 Den Mitgliedern einer Untergemeinschaft kann – was ohne weiteres einleuchtet – nicht die Kompetenz zustehen, auch über Kostenpositionen zu entscheiden, die das Grundstück insgesamt, mehrere Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen.146

5.92 Die Lasten und Kosten, die in den Wirtschaftsplänen (und in den Jahresabrechnungen) aufgeführt werden (müssen), sind deshalb genau darauf zu untersuchen, wer darüber entscheiden darf. Handelt es sich inhaltlich um solche Angelegenheiten, die über die Angelegenheiten der einzelnen Untergemeinschaften hinausgehen, darf darüber nur die Gesamtgemeinschaft beschließen. Über solche gesamtgemeinschaftlichen Kostenpositionen dürfen die Mitglieder der Untergemeinschaft nicht allein entscheiden (auch nicht parallel in den einzelnen Versammlungen der Untergemeinschaften), eine Beschlussfassung aller Wohnungseigentümer ist erforderlich und auch nur zulässig.

5.93 Die Entscheidung des BGH bedeutet in der Verwalterpraxis, dass für die Untergemeinschaften Wirtschaftspläne erstellt werden müssen, in denen nur die Lasten und Kosten enthalten sein dürfen, die konkret den Untergemeinschaften anzulasten sind, und gleichzeitig muss auch für die Gesamtgemeinschaft ein Wirtschaftsplan vorgelegt werden, in der alle Lasten und Kosten, die nicht (allein) für die Untergemeinschaften entstehen (können), aufzuführen sind.

5.94 Wenn eine Gemeinschaftsordnung dies vorsieht, dürfen auch buchungstechnisch getrennte Instandhaltungsrücklagen für den Zweck der Instandhaltung der einzelnen Gebäude oder Gebäudekomplexe einer Mehrhausanlage gebildet werden.147 Die Zweckbindung ändert jedoch nichts daran, dass die getrennten Instandhaltungsrücklagen gemäß § 10 Abs. 7 S. 3 WEG im Verwaltungsvermögen des Verbandes verbleiben.148 Ist die Regelung in einer Gemeinschaftsordnung über die Bildung einer besonderen Instandhaltungsrücklage für Hobbyräume („Sonderfond“) nichtig, weil für die Hobbyräume keine gesondert und gemeinschaftlich von den Hobbyraumeigentümern zu tragenden Kosten anfallen können, hat die Gemeinschaft die Beschlusskompetenz zur Abschaffung dieser Instandhaltungsrücklage.149

5.95 Flankierend zu den vom BGH aufgestellten Grundsätzen ist vom BGH auch noch entschieden worden, dass durch eine Gemeinschaftsordnung den Mitgliedern der für einzelne Gebäude oder Gebäudekomplexe gebildeten Untergemeinschaften die Kompetenz eingeräumt werden kann, unter Ausschluss der anderen Eigentümer die Durchführung von Instandhaltungs-, In145 Vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, WuM 2012, 575 = ZWE 2012, 494 = ZMR 2012, 979; BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 45/11, MDR 2012, 81 = ZWE 2012, 88 = ZMR 2012, 285; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 145/11, ZWE 2012, 223 = NZM 2012, 767 = DWE 2013, 31; BGH, Urt. v. 2.3.2012 – V ZR 89/11, GuT 2012, 172; BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 45/11, MDR 2012, 81 = WuM 2012, 55 = NZM 2012, 200. 146 BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, WuM 2012, 575 = NJW-RR 2012, 1291 = ZWE 2012, 494; so schon OLG Köln, Beschl. v. 11.3.2005 – 16 Wx 24/05, NZM 2005, 550; vgl. auch Schmolke, Gilt der Spruch: Divide et impera (teile und herrsche) auch bei Untergemeinschaften in der WEG?, ZMR 2018, 150. 147 BGH, Urt. v. 17.4.2015 – V ZR 12/14, DWE 2015, 80 = WuM 2015, 453 = ZWE 2015, 335. 148 BGH, Urt. v. 17.4.2015 – V ZR 12/14, DWE 2015, 80 = WuM 2015, 453 = ZWE 2015, 335. 149 LG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2019 – 25 S 3/18, MDR 2019, 862 = MietRB 2019, 142.

202

Köhler

Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.97 Teil 5

standsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu beschließen. Voraussetzung: (1) Die Maßnahmen betreffen ein zu der jeweiligen Untergemeinschaft gehörendes Gebäude. (2) In der Gemeinschaftsordnung ist zugleich bestimmt worden, dass die durch die Maßnahmen verursachten Kosten im Innenverhältnis allein von den Mitgliedern der jeweiligen Untergemeinschaft zu tragen sind.150 Für die Mitglieder einer Untergemeinschaft bedeutet das allerdings auch, dass sie alleine haften und alleine gerichtlich in Anspruch genommen werden können, wenn sie Beschlussfassungen zu Instandhaltungen, Instandsetzungen oder Sanierungen verzögern, ablehnen oder durch Stimmrechts-Enthaltung unterlassen und hierdurch Schäden bei einem anderen Mitglied der Untergemeinschaft eintreten.151 5. Beiratsbeschluss (Kompetenzübertragung) Über den Wirtschaftsplan haben die Eigentümer zu beschließen, § 28 Abs. 5 WEG. Es gibt, wenn auch eher selten, Gemeinschaftsordnungen, die vorsehen, dass der Beirat anstelle der Eigentümerversammlung über den Wirtschaftsplan beschließen darf.152 Die Wirksamkeit einer solchen Bestimmung ist sehr fraglich. Sie greift m.E. in den Kernbereich der Selbstverwaltungsrechte der Wohnungseigentümer ein, wenn dem Beirat eine verdrängende Beschlusskompetenz übertragen und den Wohnungseigentümern damit das Recht entzogen wird, über essentielle gemeinschaftliche Fragen (Verwendung von Einnahmen, Festlegung von Lasten, Kosten und Beiträgen zur Instandhaltungsrücklage) zu befinden.153 Dass die Erstellung eines Wirtschaftsplanes durch eine Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) vollständig abbedungen werden kann, ändert daran nichts.154 Wird vollständig auf die Erstellung eines Wirtschaftsplanes verzichtet, werden den Eigentümern jedenfalls keine Zahlungsverpflichtungen durch Handlungen eines Beirats auferlegt.

5.96

Das OLG Hamburg hatte einen Fall zu entscheiden,155 in dem in der Gemeinschaftsordnung die Regelung enthalten war, dass der Beirat anstelle der Eigentümerversammlung über einen Wirtschaftsplan zu beschließen hat, gleichwohl war ein Wirtschaftsplan-Beschluss in einer Eigentümerversammlung gefasst worden. Die hiergegen gerichtete gerichtliche Anfechtung blieb erfolglos. Das OLG hat offen gelassen, ob die in der Gemeinschaftsordnung geregelte Beschlusskompetenz des Verwaltungsbeirats zulässig ist, obwohl § 28 Abs. 5 WEG die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit vorsieht. Immerhin, so das OLG, führe die vom Wohnungseigentumsgesetz insoweit abweichende Gemeinschaftsordnung mit der Verlagerung der Beschlusskompetenz von der Wohnungseigentümerversammlung auf

5.97

150 BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 184/16, WuM 2018, 100 = ZWE 2018, 124 = MDR 2017, 787. 151 Vgl. dazu LG Düsseldorf, Urt. v. 29.3.2017 – 25 S 55/16, ZMR 2017, 575 = ZWE 2017, 370; aber unbedingt auch (wegen teilweiser Rechtsprechungsänderung) BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, WuM 2018, 446 = MDR 2018, 859. 152 OLG Sachsen-Anhalt (Naumburg), Beschl. v. 10.1.2000 – 11 Wx 2/99, OLGR 2000, 329 = WuM 2001, 38; OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, OLGReport Hamm 2007, 615 = ZWE 2007, 350 = ZMR 2008, 63 = MietRB 2007, 239 m. Anm. Köhler. 153 Vgl. zum Problem auch Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 81; Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 29 WEG Rz. 101. 154 A.A. Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 29 Rz. 101; vgl. demgegenüber LG Berlin, Beschl. v. 8.8.1984 – 91 T 40/83, ZMR 1984, 424 (Vereinbarung, wonach ein Wirtschaftsplan allein aufgrund der Aufstellung durch den Verwalter ohne Beschluss einer Eigentümerversammlung wirksam wird, ist nichtig). 155 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.2003 – 2 Wx 134/99, ZMR 2003, 773 = OLGR Hamburg 2004, 81 = ZWE 2004, 177.

Köhler

203

Teil 5 Rz. 5.97

Wirtschaftsplan

den Verwaltungsbeirat zu einer erheblichen Einschränkung der Selbstverwaltungsbefugnisse der Wohnungseigentümer.

5.98 Das OLG Hamm hat die Auffassung vertreten, ein Beschluss des Beirats (ihm war durch Vereinbarung die Beschlusskompetenz übertragen worden) über den Wirtschaftsplan sei nicht anfechtbar; verstoße der Beschluss des Beirats aber gegen Verteilungsprinzipien in der Gemeinschaftsordnung, sei der Beiratsbeschluss nichtig.156

5.99 Es ist zwar richtig, dass ein Beiratsbeschluss nicht – wie die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung – gerichtlich anfechtbar ist, gleichwohl wird man den einzelnen Eigentümern jedenfalls (unabhängig von der Frage der Klausel-Wirksamkeit) ein Recht zubilligen müssen, jederzeit (also nicht fristgebunden) gerichtlich feststellen zu lassen, dass der Beschluss über einen Wirtschaftsplan aus konkret darzulegenden Gründen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.157

5.100 Nach Ansicht des OLG Köln158 soll ein Beschluss nicht nichtig sein, der die Aufstellung des Wirtschaftsplanes (gemeint war wohl die Beschlussfassung über den Plan und damit das Wirksamwerden des Planes) dem Verwaltungsbeirat übertragen hat. Ein solcher Beschluss ist m.E. aber nichtig, weil hier in die Kernrechte der Wohnungseigentümer eingegriffen wird und Beschlusskompetenzen durch Beschluss auf den Beirat übertragen wurden.159 Die Ansicht des OLG Köln ist spätestens seit der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000160 nicht mehr vertretbar.

5.101 Auch das OLG Naumburg hatte sich mit der Kompetenz des Beirates beschäftigt und angenommen,161 dass einer Eigentümerversammlung aufgrund einer vereinbarten Kompetenzübertragung auf den Beirat die Entscheidungskompetenz für die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan fehle. Die Formulierung in der Gemeinschaftsordnung, die das OLG Naumburg zu beurteilen hatte, lautete allerdings nur „Neben den in § 29 WEG festgelegten Aufgaben obliegt dem Verwaltungsbeirat insbesondere die Beschlussfassung über den vom Verwalter aufgestellten Wirtschaftsplan“. Diese Klausel regelt aber gerade nicht mit aller Klarheit, dass der Beirat an die Stelle der Versammlung treten sollte, sondern kann – insbesondere wegen des Bezuges auf § 29 WEG – auch dahingehend ausgelegt werden, dass die gesetzliche Regelung (Beschluss über den Wirtschaftsplan durch die Eigentümerversammlung) gilt, jedoch eine zusätzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Wirtschaftsplanes geschaffen werden sollte – nämlich die formelle Beschlussfassung des Gremiums Beirat vor der Eigentümerversammlung.

156 OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, OLGReport Hamm 2007, 615 = ZWE 2007, 350 = ZMR 2008, 63 = MietRB 2007, 239 m. Anm. Köhler. 157 Vgl. auch Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.2003 – 2 Wx 134/99, ZMR 2003, 773 = OLGR Hamburg 2004, 81 = ZWE 2004, 177 (nicht befristetes gerichtliches Feststellungsverfahren). 158 OLG Köln, Beschl. v. 17.12.1997 – 16 Wx 291/97, ZMR 1998, 374 = WuM 1998, 179 = WE 1998, 312 = ZfIR 1998, 157. 159 Wenzel, Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung und ihre Folgen, ZWE 2001, 226, 235, hält einen solchen Beschluss ebenfalls für nichtig. 160 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771. 161 OLG Sachsen-Anhalt (Naumburg), Beschl. v. 10.1.2000 – 11 Wx 2/99, OLGReport Naumburg 2000, 329 = WuM 2001, 38.

204

Köhler

Beschluss über den Wirtschaftsplan

Rz. 5.105 Teil 5

Anders gelagert war der Fall des OLG Hamm;162 dort war in der Gemeinschaftsordnung geregelt: „Der Verwalter hat jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen und nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung vorzulegen. Über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung beschließt der Verwaltungsbeirat durch Stimmenmehrheit.“

5.102

In beiden Entscheidungen sehe ich einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Selbstverwaltungsrechte durch die Wohnungseigentümer, weil die Gerichte dem Beirat eine verdrängende Beschlusskompetenz zugesprochen haben.

5.103

6. Beschluss- / Genehmigungsfiktion Bei der Beschluss- und Genehmigungsfiktion (in der Gemeinschaftsordnung ist enthalten, dass der Wirtschaftsplan als angenommen gilt, wenn ihm nicht innerhalb einer bestimmten Zeit vom Wohnungseigentümer widersprochen worden ist) kann auf die Ausführungen im Teil 6, Jahresabrechnung, verwiesen werden. Die dortigen Ausführungen zur Genehmigungsfiktion einer Jahresabrechnung gelten auch für die Genehmigungsfiktion eines Wirtschaftsplanes.

5.104

7. Ersetzung der Beschlussfassung durch das Gericht Kommt ein Wirtschaftsplanbeschluss nicht zu Stande, können die Gerichte einen angemessenen Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr festlegen und auch die Hausgeldvorschüsse sofort fällig stellen.163 Auf eine solche Festsetzung durch die Gerichte kann jeder einzelne Wohnungseigentümer klagen, auch wenn eine vorherige Abstimmung über einen Wirtschaftsplan in einer Eigentümerversammlung noch nicht stattgefunden hat.164 Die hier zitierten Entscheidungen sind ergangen, als im Wohnungseigentumsrecht noch das Amtsermittlungsprinzip galt; deshalb sind die Entscheidungen hinsichtlich der Darlegungslast kritisch zu betrachten. Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2007 wird der Kläger wohl einen konkreten Wirtschaftsplan erarbeiten und zum Gegenstand seines Klageantrages machen müssen, damit er eine positive gerichtliche Entscheidung erlangen kann. Auch hinsichtlich der Aussage, dass eine Eigentümerversammlung noch nicht über einen Wirtschaftsplan abgestimmt haben muss, ist Vorsicht geboten. Ein gerichtliches Verfahren wegen der Erstellung eines Wirtschaftsplanes wird regelmäßig erst dann zulässig sein, wenn der Eigentümer vergeblich versucht hat, die Eigentümer in einer Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung über einen (ordnungsgemäßen) Wirtschaftsplan zu bringen.165 162 OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, OLGReport Hamm 2007, 615 = ZWE 2007, 350 = ZMR 2008, 63 = MietRB 2007, 239, mit Anm. Köhler. 163 KG, Beschl. v. 22.10.1990 – 24 W 4800/90, OLGZ 1991, 180 = NJW-RR 1991, 463 = WuM 1990, 614. 164 KG, Beschl. v. 10.3.1992 – 24 W 1701/92, OLGZ 1994, 27 = WuM 1993, 303 = DWE 1993, 119. 165 Vgl. BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11, MDR 2012, 834 = ZWE 2012, 325 = ZMR 2012, 713; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, WuM 2010, 175 = ZWE 2010, 174 = ZMR 2010, 542; nur in Einzelfällen – z.B., wenn er sicher nachweisen kann, dass sein Begehren in einer Eigentümerversammlung abgelehnt worden wäre – kann dem Eigentümer die vorherigen Anrufung einer Eigentümerversammlung nicht zugemutet werden: LG Hamburg, Urt. v. 23.3.2011 – 318 S 72/10, juris, sowie die dazu ergangene Revisionsentscheidung des BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZWE 2010, 174.

Köhler

205

5.105

Teil 5 Rz. 5.106

Wirtschaftsplan

VI. Beschlussinhalt 5.106 In der heutigen Verwalterpraxis beschränken sich Wirtschaftsplanbeschlüsse regelmäßig nicht mehr auf die Festlegung des Wirtschaftsplans, sondern befassen sich auch mit weiteren „Nebenbestimmungen“. 1. Geltungsdauer eines Wirtschaftsplanes

5.107 Ein Wirtschaftsplan gilt grundsätzlich nur für das jeweilige Wirtschaftsjahr, für das er beschlossen wurde.166 Eine „konkludente“ Weitergeltung des Vorjahres-Wirtschaftsplanes im neuen Wirtschaftsjahr oder eine „ständige Übung“ innerhalb einer Eigentümergemeinschaft, von einer Weitergeltung auszugehen, gibt es nicht.167

5.108 Durch die Gemeinschaftsordnung (oder durch eine sonstige Vereinbarung im wohnungseigentumsrechtlichen Sinne) kann bestimmt werden, dass der Wirtschaftsplan über das Ende des Wirtschaftsjahres, für das er beschlossen wurde, hinaus Gültigkeit behält.168

5.109 Auch ein Beschluss einer Eigentümerversammlung kann bestimmen, dass der aktuell beschlossene Wirtschaftsplan über das Ende des Wirtschaftsjahres hinaus weiter gelten soll, bis im nächsten Wirtschaftsjahr ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen wird.169 Ein Weitergeltungsbeschluss ist grundsätzlich als ordnungsgemäß anzusehen und es besteht für die Eigentümerversammlung eine Beschlusskompetenz.170 Allerdings muss auch bei einem Weitergel166 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.6.2005 – 20 W 135/05, OLGReport Frankfurt 2006, 327; BayObLG, Beschl. v. 12.12.2002 – 2Z BR 117/02, ZMR 2003, 279; OLG Köln, Beschl. v. 30.8.1995 – 16 Wx 119/95, WuM 1995, 733 = WE 1996, 112. 167 Anders: Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 23.8.2002 – 2 Wx 4/99, WuM 2003, 105; OLG Köln, Beschl. v. 30.8.1995 – 16 Wx 119/95, WuM 1995, 733 = WE 1996, 112; zu OLG Köln vgl. Köhler, WE 1997, 134; offen gelassen von OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.6.2005 – 20 W 135/05, OLGReport Frankfurt 2006, 327; gegen OLG Hamburg: BayObLG, Beschl. v. 16.6.2004 – 2Z BR 85/04, BayObLGZ 2004, 146 = ZMR 2004, 842 = NZM 2004, 711 = DWE 2005, 26. 168 Vgl. jetzt auch BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = WuM 2019, 347 MietRB 2019, 210. 169 BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = WuM 2019, 347 MietRB 2019, 210, mit Anm. Häublein, jurisPR-MietR 11/2019 Anm. 2; BayObLG, Beschl. v. 16.6.2004 – 2Z BR 85/04, BayObLGZ 2004, 146 = ZMR 2004, 842 = NZM 2004, 711 = DWE 2005, 26; das Gericht führt ausdrücklich aus, dass jedenfalls ein Beschluss notwendig ist; vgl. im Übrigen BayObLG, Beschl. v. 18.8.2004 – 2Z BR 114/04, BayObLGR 2005, 3 = NZM 2005, 110 = DWE 2004, 138; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2003 – 3 Wx 398/02, WuM 2003, 167, mit kritischer Anm. Drasdo (dort weitere Hinweise auf den Streitstand); BayObLG, Beschl. v. 12.12.2002 – 2Z BR 117/02, ZMR 2003, 279; KG, Beschl. v. 27.2.2002 – 24 W 16/02, KGR Berlin 2002, 141 = ZWE 2002, 367 = ZMR 2002, 460 = NJW 2002, 3482; OLG Hamm, Beschl. v. 19.4.1995 – 15 W 26/95, DWE 1995, 125 = WE 1996, 33; KG, Beschl. v. 11.7.1990 – 24 W 3798/90, OLGZ 1990, 425 = MDR 1990, 924 = NJW-RR 1990, 1298 = WuM 1990, 367; OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.1989 – 15 W 209/89, MDR 1989, 915 = NJW-RR 1989, 1161; vgl. auch KG, Beschl. v. 27.2.2002 – 24 W 71/01, KGR Berlin 2002, 143 = ZMR 2002, 462 = NZM 2002, 447 = NJW-RR 2002, 879 = WuM 2002, 394; Wenzel, ZWE 2001, 226 (237), unter Hinweis auf KG, Beschl. v. 10.3.1993 – 24 W 1701/92, OLGZ 1994, 27 = WE 1993, 221 = WuM 1993, 303 = DWE 1993, 751, in diesem Fall hat das Gericht einen Wirtschaftsplan gerichtlich festgelegt; Greiner, ZMR 2002, 647; Briesemeister in Briesemeister/Drasdo, Beschlusskompetenz, S. 11. 170 LG Frankfurt/Main, Urt. v. 13.9.2018 – 2-13 S 92/17, ZMR 2019, 63; LG Berlin, Urt. v. 15.6.2018 – 55 S 81/17 WEG, NZM 2019, 101; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.1.2018 – 16 S 76/17, ZMR

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Beschlussinhalt

Rz. 5.111 Teil 5

tungsbeschluss auf die inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit des Beschlusses geachtet werden; ein Beschluss, mit dem „bereits genehmigte Wirtschaftspläne“ fortgelten sollen, entspricht nicht nur nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, sondern dürfte wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig sein.171 Ein Beschluss, der – losgelöst von dem aktuell zu beschließenden Wirtschaftsplan – beinhaltet, dass alle zukünftig beschlossenen Wirtschaftspläne weitergelten sollen, bis ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen wird, ist nichtig, jedenfalls entspricht er auch nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Eine solche (isolierte) Dauerregelung, dass Wirtschaftspläne stets über das Ende des laufenden Wirtschaftsjahres hinaus gelten sollen, kann nicht durch Beschluss getroffen werden.172 Die zukünftige Lasten- und Kostenentwicklung (Entwicklung der Kosten für Versorgungsleistungen oder Kosten für Instandsetzungen pp) bliebe bei nur weitergeltenden Wirtschaftsplänen völlig unberücksichtigt und die Eigentümer könnten nicht mehr gestaltend in den Festsetzungsprozess eingreifen.

5.110

Umstritten war bisher, ob ein Weitergeltungsbeschluss für einen Wirtschaftsplan „bis zum Be- 5.111 schluss eines neuen Wirtschaftsplanes“ – also im Grunde eine Weitergeltung ohne Gültigkeitsgrenze – noch ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht oder ein solcher Beschluss sogar nichtig ist. Diese Frage hat jetzt der BGH geklärt.173 Einem Fortgeltungsbeschluss komme nicht die Wirkung zu, den Verwalter von der Pflicht zu entbinden, für das folgende Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, über den die Wohnungseigentümer sodann zu beschließen haben. Erkennbarer objektiver Sinn und Zweck einer Fortgeltungsklausel sei die Vermeidung von Finanzierungslücken bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan, nicht aber der Verzicht auf einen solchen Wirtschaftsplan. Die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer würden auch nicht beschränkt. Jeder Wohnungseigentümer könnte von dem Verwalter die Aufstellung des neuen Wirtschaftsplans verlangen und diesen Anspruch im Verfahren des § 43 Nr. 3 WEG auch gerichtlich durchsetzen.

2018, 432 = ZWE 2018, 333, vgl. auch Kasper, Wirtschaftsplan mit zwei unterschiedlichen Beträgen für das Wohngeld: Nichtig? Kurzreferat, IMR 2018, 380; LG Hamburg, Urt. v. 22.2.2017 – 318 S 46/15, ZMR 2017, 427 = ZWE 2017, 323; LG Dortmund, Urt. v. 10.1.2017 – 1 S 199/16, ZWE 2017, 229. 171 Vgl. AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 24.8.2018 – 980b C 6/18 WEG, ZMR 2019, 76; zu einer Nichtigkeit bei inhaltlicher Beschlussunklarheit (dort abgelehnt) vgl. auch LG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.1.2018 – 16 S 76/17, ZMR 2018, 432 = ZWE 2018, 333. 172 Vgl. insoweit auch BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, BGHZ 156, 279 = ZMR 2003, 943 = NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946 = DWE 2004, 135, zu der (nichtigen) Beschlussfassung über eine Jahresfälligkeit, die auch für die Folgejahre gelten sollte. Auch das OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.6.2005 – 20 W 135/05, OLGReport Frankfurt 2006, 327, meldet unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH v. 20.9.2000 Zweifel an, ob der Beschluss einer Eigentümerversammlung ausreicht; AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 1.4.2015 – 539 C 26/14, ZMR 2017, 98. 173 Vgl. dazu nunmehr BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = WuM 2019, 347 MietRB 2019, 210, mit umfassender Darstellung des Streitstandes; Anm. Häublein, jurisPRMietR 11/2019 Anm. 2; vgl. im Übrigen auch LG Hamburg, Urt. v. 20.12.2017 – 318 S 15/17, ZMR 2018, 357 = ZWE 2018, 219 (Nichtigkeit verneinend), Anm. Vogel, IMR 2018, 63; LG Itzehoe, Urt. v. 17.9.2013 – 11 S 93/12, ZMR 2014, 144 = ZWE 2014, 133 (Nichtigkeit annehmend); ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2003 – 3 Wx 77/03, WuM 2003, 590 = ZMR 2003, 862; Jennißen in Jennißen, WEG, § 28 WEG Rz. 47; Sauren, Fortgeltung des Wirtschaftsplans über das Jahr hinaus, ZMR 2017, 622.

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Teil 5 Rz. 5.112

Wirtschaftsplan

5.112 Wird ein Weitergeltungsbeschluss gefasst, ist gleichwohl zur Streitvermeidung anzuraten, im Beschluss festzulegen, dass der Wirtschaftsplan nur bis zum Zeitpunkt der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung gilt, wenn die ordentlichen Eigentümerversammlungen regelmäßig in einem bestimmten Monat stattfinden, oder aber bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Beendigung des Wirtschaftsjahres.

5.113 Sollte ein Wirtschaftsplan in einer Eigentümerversammlung abgelehnt werden, berührt das nicht den bisherigen Wirtschaftsplan, für den eine Weitergeltung beschlossen worden war. Dieser Wirtschaftsplan gilt nur dann nicht weiter, wenn in dem ablehnenden Beschluss auch eine ausdrückliche Aufhebung der Weitergeltung enthalten ist174 oder wenn im früheren Beschluss eine zeitliche Begrenzung enthalten war.

5.114 Das Landgericht Saarbrücken175 hatte einen Beschluss, mit dem im Jahr 2010 festgelegt worden war, dass der Wirtschaftsplan 2008 rückwirkend fortgelten soll, als nicht nichtig angesehen, sondern als Grundlage für einen Zahlungsanspruch, der sich auch auf das Jahr 2009 bezogen hatte, akzeptiert. Das ist nur richtig, wenn kein Eigentumswechsel erfolgt ist. Eine Verzinsung der Hausgeldschuld kann außerdem frühestens ab Verzug des Schuldners verlangt werden; vor der Beschlussfassung (hier im Jahr 2010) kann ein solcher nicht eintreten.

5.115 Die Eigentümergemeinschaft kann durch Beschluss der Eigentümerversammlung, anstatt einen völlig neuen Wirtschaftsplan zu beschließen, festlegen, dass die bisherigen Hausgeldvorschüsse weiterhin verbindlich sind;176 dies setzt allerdings voraus, dass die bisherigen Hausgeldvorschüsse ausreichend waren und keine Deckungslücken entstanden sind und auch im neuen Wirtschaftsjahr nicht entstehen können. Nur dann entspricht ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung. 2. Fälligkeitsregelung

5.116 Die Eigentümerversammlung ist berechtigt, durch einen Mehrheitsbeschluss unterschiedlich hohe monatliche Hausgeld-Vorauszahlungen für die Sondereigentumseinheiten festzulegen,177 um die erfahrungsgemäß in den einzelnen Monaten zu erwartenden unterschiedlichen Zahlungsverpflichtungen abzudecken.178 Die Eigentümerversammlung kann durch Mehrheitsbeschluss auch die einzelnen Fälligkeitstermine (z.B. Fälligkeit für monatliche Vorauszahlungen jeweils der 3. Werktag eines Monats) festlegen, wenn dies nicht bereits in der Gemeinschaftsordnung erfolgt ist. Dass die Entscheidungsmacht der Eigentümergemeinschaft nicht durch § 28 Abs. 2 WEG (Abruf der Vorschüsse durch den Verwalter) begrenzt wird, hat der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 2.10.2003179 klargestellt, was (seit der Reform 2007) auch durch § 21 Abs. 7 WEG bekräftigt wird.

174 LG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2009 – 19 S 18/09, ZMR 2009, 319. 175 LG Saarbrücken, Urt. v. 21.6.2013 – 5 S 141/12, ZWE 2013, 379 = ZMR 204, 49 = NZM 2014, 480; ausdrücklich gegen OLG Schleswig, Beschl. v. 13.6.2001 – 2 W 7/01, ZMR 2001, 855 = WuM 2001, 571 = ZWE 2002, 141. 176 BayObLG, Beschl. v. 2.8.1990 – 2 Z 40/90, WuM 1991, 312; LG Berlin, Beschl. v. 9.11.2001 – 85 T 155/01, ZMR 2002, 385; LG Berlin, Beschl. v. 27.4.2001 – 85 T 384/00 WEG, ZMR 2001, 916. 177 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.3.1992 – 2/9 T 580/91, DWE 1992, 85. 178 So auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.6.e). 179 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, BGHZ 156, 279 = ZMR 2003, 943 = NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946 = DWE 2004, 135.

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Beschlussinhalt

Rz. 5.121 Teil 5

Selbst wenn in der Gemeinschaftsordnung etwas anderes geregelt ist, kann die Eigentümerversammlung aufgrund § 21 Abs. 7 WEG durch einen Mehrheitsbeschluss festlegen, dass die Hausgeldzahlung als Jahresschuld zu entrichten ist.180 Ein Tagesordnungspunkt „Festsetzung des Hausgeldes gemäß beiliegendem Wirtschaftsplan“ deckt allerdings nicht einen Beschluss über die „Fälligstellung“ des Jahresbetrages bei Verzug mit einer Monatsrate“ ab.

5.117

Eine Jahresfälligkeitsbestimmung kann nach der gesetzlichen Regelung in § 21 Abs. 7 WEG nicht der Verwalter vornehmen, weil den Eigentümern die Beschlussfassung übertragen ist.

5.118

Ist in der Gemeinschaftsordnung der jeweilige Fälligkeitstermin für Hausgeldvorschüsse benannt, kann hiervon auch durch Mehrheitsbeschluss abgewichen werden. So kann bei einer in der Gemeinschaftsordnung festgelegten monatlichen Hausgeldfälligkeit auch mehrheitlich darüber beschlossen werden, dass Hausgeldvorschüsse als Jahresschuld zu entrichten sind, die Zahlungen jedoch solange gestundet werden und eine monatliche Zahlungsmöglichkeit eingeräumt wird, solange der Eigentümer nicht mit zwei Monatsraten in Verzug geraten ist (Jahresfälligkeitsbeschluss mit Stundung).181

5.119

Das OLG Hamm182 und ihm folgend das OLG Zweibrücken183 hatten die Nichtigkeit des Jah- 5.120 resfälligkeitsbeschlusses mit Stundung auch dann angenommen, wenn in der Gemeinschaftsordnung zur Fälligkeit der Hausgeldzahlungen gar nichts geregelt ist. Diese Auffassung teilte der BGH jedoch nicht und nahm schon zur alten Rechtslage an, dass eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.184 Das OLG Hamm argumentierte, über einen solchen Gegenstand könne die Gemeinschaft schon ihrer Art nach nicht beschließen, und zog einen Vergleich zu dem Fall einer Beschlussfassung über den Verzugszins, den der BGH185 entschieden hatte. Das OLG Hamm meinte auch, an den Verzug knüpften sich vom Gesetz abweichende Schadensfolgen, nämlich die nur den säumigen Eigentümer treffende zusätzliche Zahlungspflicht und die Pflicht zur Einräumung eines zinslosen Kredits. Beide Ansichten dürften falsch sein. Die Gemeinschaft „verzichtet“ allen Wohnungseigentümern gegenüber auf die bestehende grundsätzliche Möglichkeit der Jahresvorauszahlung nur temporär, solange sie nämlich auf eine regelmäßige Zahlung des Eigentümers vertrauen kann. Es wird also keineswegs eine „zusätzliche“ Zahlungspflicht begründet, sondern die grundsätzlich schon vorhandene Bedingung einer Zahlungspflicht des Gesamtbetrages tritt ein.186 Dies ist vergleichbar mit Ratenzahlungsvereinbarungen, bei denen der Schuldner zur Zahlung des gesamten Restbetra180 LG Köln, Urt. v. 20.2.2013 – 29 S 181/13, ZMR 2014, 745 = ZWE 2014, 414, unter Hinweis auf LG München I, Beschl. v. 18.9.2012 – 1 T 9832/11, ZMR 2013, 136 = ZWE 2014, 24; AG Wilhelmshaven, Urt. v. 10.2.2016 – 6 C 448/15, ZMR 2016, 409 = ZWE 2016, 469; bejahend schon (unter Anwendung der alten Rechtslage) für eine Beschlussfassung von Jahr zu Jahr: AG Bonn, Beschl. v. 2.7.1999 – 28 II 28/99 WEG, WE 2000, 8. 181 LG Köln, Urt. v. 20.2.2014 – 29 S 181/13, ZMR 2014, 745 = ZWE 2014, 414; LG Lüneburg, Urt. v. 3.2.2015 – 9 S 77/14, ZWE 2016, 53. 182 OLG Hamm, Beschl. v. 19.4.1995 – 15 W 26/95, DWE 1995, 125 = WE 1996, 33. 183 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.6.2002 – 3 W 46/02, ZWE 2002, 543 = OLGReport Zweibrücken 2002, 422 = ZMR 2003, 135. 184 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, BGHZ 156, 279 = ZMR 2003, 943 = NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946 = DWE 2004, 135. 185 BGH, Beschl. v. 11.7.1991 – V ZB 24/90, BGHZ 115, 151 = MDR 1991, 864 = ZMR 1991, 398 = NJW 1991, 2637. 186 Ähnlich Greiner, ZMR 2002, 647 (651).

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5.121

Teil 5 Rz. 5.121

Wirtschaftsplan

ges verpflichtet ist, wenn er mit einer Rate in Verzug gerät. Der BGH spricht demgemäß auch von einer Stundung der Beitragsforderung und einer Verfallklausel.187

5.122 Die Rechtsfrage „Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses“ hat nichts mit der Frage zu tun, ob eine solche Fälligkeitsregelung überhaupt Sinn macht. Auf das Risiko der Gemeinschaft, Ansprüche aus dem laufenden Wirtschaftsjahr nicht gegenüber einem Rechtsnachfolger geltend machen zu können, wenn die Fälligkeit der Hausgelder schon vor dem Eigentumsübergang eingetreten ist, haben schon Häublein188 und Greiner189 hingewiesen. Ist nämlich einmal die Jahreshausgeldfälligkeit eingetreten, bevor der Hausgeldschuldner sein Eigentum veräußert hat (oder sein Eigentum zwangsversteigert worden ist!), kann nach dem Eigentümerwechsel keine erneute Fälligkeit der restlichen Hausgelder eintreten. Die Abweichung von der üblichen monatlichen Zahlungsfälligkeit beinhaltet demnach also durchaus Risiken. Dieses Risiko erwähnt auch der BGH in seiner Entscheidung vom 2.10.2003.190

5.123 Das Landgericht Köln hatte sich mit mehreren Beschlüssen einer Eigentümerversammlung zu befassen. Einer bezog sich auf die Jahresfälligkeit und eine Verfallklausel (der ausstehende Jahresbetrag wird sofort fällig, wenn ein Eigentümer mit mehr als zwei Hausgeldraten in Rückstand gerät), ein weiterer darauf, dass die Verfallklausel nicht gilt, „soweit im laufenden Wirtschaftsjahr hinsichtlich des betreffenden Wohnungseigentums Zwangsverwaltung angeordnet oder das Insolvenzverfahren eröffnet wird.“ Entsprechendes sollte gelten „bei Eintragung eines neuen rechtsgeschäftlichen Erwerbers im Grundbuch oder bei der Zwangsversteigerung“. Das Landgericht Köln hat diesen Beschluss als ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend angesehen.191 Das halte ich für falsch, weil weder bei der Zwangsverwaltung noch bei der Insolvenz rückständige, bereits entstandene Ansprüche aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung dem Zwangsverwalter oder dem Insolvenzverwalter angelastet werden können. Ein Beschluss, der nur scheinbar – und ohne rechtlichen Hintergrund – Ansprüche sichern will, kann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

5.124 Einige Eigentümergemeinschaften meinen, über die oben beschriebene Jahresfälligkeit hinaus auch noch durch Mehrheitsbeschluss festlegen zu müssen, dass ein Hausgeldschuldner bei Erreichen bestimmter Rückstände eine Sicherheitsleistung wegen Hausgeldrückständen oder eine „Kaution“ oder Ähnliches zu erbringen hat (in solchen Beschlüssen finden sich dann Beträge von drei Monatsraten bis zu einem kompletten Jahresbetrag der Hausgeldvorschüsse). Das AG Köln hat in einer Entscheidung vom 26.10.2001 (also zum alten Recht) unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 ausgeführt,192 dass ein Beschluss über eine solche Kaution nichtig ist, weil eine solche Sicherheitsleistung nur durch Vereinbarung festgelegt werden könnte. In dem vom AG Köln entschiedenen Fall hatte die Eigentümergemeinschaft im Jahr 1990 einen Beschluss gefasst, dass Wohnungseigentümer, bei denen ein Rückstand von mehr als zwei Hausgeldraten aufgelaufen ist, zusätzlich auch noch eine „Kaution“ von sechs Hausgeldraten zu zahlen haben. Unklar war dabei u.a., ob diese Kaution dauernd im 187 Vgl. auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.1.2005 – 20 W 30/04, OLGReport Frankfurt 2005, 736. 188 Häublein, Anm. zu LG Berlin v. 27.4.2001, ZMR 2002, 221. 189 Greiner, ZMR 2002, 647 (651). 190 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, BGHZ 156, 279 = ZMR 2003, 943 = NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946 = DWE 2004, 135. 191 LG Köln, Urt. v. 20.2.2014 – 29 S 181/13, ZMR 2014, 745 = ZWE 2014, 414. 192 AG Köln, Beschl. v. 26.10.2001 – 202 II 244/00, n.v.

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Rz. 5.127 Teil 5

Vermögen der Eigentümergemeinschaft verblieb oder ob sie irgendwann als Hausgeldguthaben in eine Jahresabrechnung eingestellt wird. Obwohl das WEG auch eine beschlussweise Regelung der „Folgen des Verzugs“ vorsieht, § 21 5.125 Abs. 7 WEG, entsprechen Beschlüsse über „Sicherheitsleistung“ oder „Kaution“ o.ä. nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und sind auch höchst problematisch und generell nicht zu empfehlen. Mit einem solchen Beschluss befände sich die Eigentümergemeinschaft sogleich in der Diskussion über die grundsätzliche Zulässigkeit von Vereinsstrafen193 (um „Vertragsstrafen“ im Sinne von §§ 339 BGB ff. handelt es sich bei Regelungen innerhalb der Eigentümergemeinschaften nicht).194 In der Begründung zur Gesetzesänderung ab 1.7.2007 ist zwar auch von einer „Vertragsstrafe“ die Rede,195 jedoch nicht bezogen auf die Einführung einer „Kautionsgestellung“ für den Fall des Verzuges, sondern auf Verstöße gegen Vermietungsbeschränkungen.196 Der Gesetzgeber hat im Übrigen auch nicht erkannt, dass es sich gar nicht um „Vertragsstrafen“ handeln kann, sondern um rechtlich anders zu behandelnde „Vereinsstrafen“. Die Diskussion bei solchen „Vereinsstrafen“ – die in Beschlussanfechtungsverfahren zu führen wäre – würde sich um die Fragen drehen, ob der Strafbeschluss gegen die guten Sitten verstößt, die Bestrafung offenbar unbillig ist, ob das rechtliche Gehör gewährt wurde und ob für die Verhängung ein Verschulden notwendig ist.197

5.126

Die Fragen, ob ein Verstoß gegen die „guten Sitten“ vorliegt und/oder Unbilligkeit vorliegt, können auch – fristungebunden – in späteren Zahlungsverfahren geltend gemacht werden. Eine Regelung, die ersichtlich dauerhaft streitanfällig ist, kann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

5.127

193 Vgl. nunmehr zu „Vertragsstrafen“ (im Zusammenhang mit Vermietungsbeschränkungen) BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, MDR 2019, 659 = ZWE 2019, 282 = ZMR 2019, 516 = MietRB 2019, 169; dazu auch Hogenschurz, IMR 2019, 244; zur Vorentscheidung (LG Köln, Urt. v. 26.4.2018 – 29 S 239/17, ZWE 2018, 327) Dötsch, IMR 2018, 338. 194 Vgl. grundsätzlich zu Vereinsstrafen bei Eigentümergemeinschaften und zur Abgrenzung zur „Vertragsstrafe“ BayObLG, Beschl. v. 24.11.1959 – 2 Z 164/59, BayObLGZ 1959, 457; BayObLG, Beschl. v. 10.10.1985 – 2 Z 2/85, BayObLGZ 1985, 345 = MDR 1986, 149 = ZMR 1985, 421 = NJW-RR 1986, 179; KG, Beschl. v. 21.12.1988 – 24 W 5948/88, OLGZ 1989, 174 = ZMR 1989, 188 = NJW-RR 1989, 329; siehe auch Schmid, Vertragsstrafen im Wohnungseigentumsrecht, ZWE 2011, 347. 195 Köhler, Das neue WEG, Rz. 296 ff. 196 Dazu jetzt BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, MDR 2019, 659 = ZWE 2019, 282 = ZMR 2019, 516 = MietRB 2019, 169. 197 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 24.11.1959 – 2 Z 164/59, BayObLGZ 1959, 457; BayObLG, Beschl. v. 10.10.1985 – 2 Z 2/85, BayObLGZ 1985, 345 = MDR 1986, 149 = ZMR 1985, 421 = NJW-RR 1986, 179; KG, Beschl. v. 21.12.1988 – 24 W 5948/88, OLGZ 1989, 174 = ZMR 1989, 188 = NJW-RR 1989, 329; sowie allgemein zu Vereinsstrafen: BGH, Beschl. v. 27.6.2017 – II ZR 5/16, MDR 2017, 1376; BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 1/02, BGHR 2003, 282 = MDR 2003, 402; BGH, Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 = NJW 2000, 1713; BGH, Urt. v. 26.2.1959 – II ZR 137/57, BGHZ 29, 352 = MDR 1959, 354 = NJW 1959, 982; BGH, Urt. v. 4.10.1956 – II ZR 121/55, BGHZ 21, 370.

Köhler

211

Teil 5 Rz. 5.128

Wirtschaftsplan

3. Lastschrifteinzugsermächtigung

5.128 Ist in der Gemeinschaftsordnung, was durchaus häufig festgestellt werden kann, vorgesehen, dass die Wohnungseigentümer dem Verwalter eine Vollmacht zur Einziehung der Hausgelder durch Lastschriftverfahren zu erteilen haben, ist eine solche Bestimmung wirksam. Die Teilnahme an einem solchen Lastschriftverfahren kann gerichtlich erzwungen werden. § 21 Abs. 7 WEG eröffnet generell die Möglichkeit, über die Art und Weise von Zahlungen einen Mehrheitsbeschluss zu fassen. Damit darf also auch ein Beschluss gefasst werden, der die Teilnahme am Lastschriftverfahren vorsieht.

5.129 Ist in der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich geregelt, dass der Eigentümer die Hausgeldvorschüsse auf seine Gefahr auf ein vom Verwalter bestimmtes Konto zu überweisen hat oder existiert eine ähnliche Regelung, ist damit inhaltlich der Zahlungsweg bestimmt. Es ist vom Eigentümer eine Überweisung vorzunehmen, Barzahlungen darf der Verwalter nicht akzeptieren. Zwar könnte nach § 21 Abs. 7 WEG ein Beschluss gefasst werden, dass auch eine Barzahlung erfolgen darf, das entspräche aber sicher nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil dem Verwalter wegen des Sicherheitsinteresses der Gemeinschaft keine Bargeld-Geschäfte übertragen werden dürfen.

VII. Beschlussanfechtung 5.130 Schon im „Vorspann“ wurde darauf hingewiesen, dass die praktische Bedeutung von Anfechtungen der Wirtschaftsplanbeschlüsse relativ gering ist.198 Die Anfechtung eines Wirtschaftsplanbeschlusses ist nur empfehlenswert, – wenn der Wirtschaftsplan derart gravierende Überbelastungen eines oder mehrerer Eigentümer ausweist, dass sie nicht hinnehmbar sind, und damit auch schon Verteidigungsstrategien in einem Zahlungsverfahren vorbereitet werden sollen,199 oder – wenn ein konkreter Anhaltspunkt dafür besteht, dass mit dem Beschluss über den Wirtschaftsplan dem Verwalter gleichzeitig auch Vollmacht für die Beauftragung bestimmter Maßnahmen erteilt werden soll und diese Maßnahmen als nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend angesehen werden können und/oder der Wohnungseigentümer auch nicht an den Kosten zu beteiligen ist, oder – wenn ein grundsätzliches Problem im Zusammenhang mit der Wirtschaftsplanaufstellung geklärt werden soll (sprich: der Verwalter und/oder die übrigen Eigentümer sollen zu einer ordnungsgemäßen Aufstellung eines Wirtschaftsplanes oder zu ordnungsgemäßen Beschlüssen gezwungen werden), oder – wenn absehbar ist, dass der Rat suchende Eigentümer aus der Eigentümergemeinschaft ausscheidet und durch eine baldige Ungültigkeitserklärung des Wirtschaftsplanbeschlusses (überhöhte) Zahlungen vermieden werden können.

198 Vgl. hierzu auch Müller, PiG 39, S. 44. 199 Allerdings können in Zahlungsverfahren Hinweise auf ein laufendes Beschlussanfechtungsverfahren nur selten zu einer Aussetzung des Verfahrens führen – aber es könnten Vergleiche geschlossen werden, dass (vorläufig, bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens) lediglich Teilzahlungen erbracht werden.

212

Köhler

Beschlussanfechtung

Rz. 5.135 Teil 5

Für die rechtsanwaltlichen Berater bedeutet dies auf der einen Seite, den Mandanten even- 5.131 tuell davon überzeugen zu müssen, eine Beschlussanfechtung zu unterlassen und ihn darauf zu verweisen, dass es Sinn macht, auf den Beschluss über die Jahresabrechnung zu warten. Auf der anderen Seite, wenn eine Beschlussanfechtung als sinnvoll angesehen wird, ist es notwendig, den Mandanten sehr genau über die rechtlichen, zeitlichen (Verfahrensdauer) und strategischen Komponenten und Möglichkeiten bei einer Beschlussanfechtung aufzuklären und – wenn ein Prozessmandat erteilt wird – die Argumente für die Fehlerhaftigkeit der Beschlussfassung in formeller und materieller Hinsicht deutlich und lückenlos herauszuarbeiten. Dass dies innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist, § 46 Abs. 1 S. 2 WEG, erfolgen muss, dürfte selbstverständlich sein.

5.132

Eine teilweise Aufhebung eines Beschlusses über den Wirtschaftsplan, wenn nur einzelne Positionen im Wirtschaftsplan fehlerhaft angesetzt oder verteilt wurden, wie es die Gericht hinsichtlich einer Jahresabrechnungs-Beschlussfassung häufig praktizieren,200 halte ich für nicht möglich.201 Streitgegenstand ist der Beschluss der Eigentümerversammlung über den Wirtschaftsplan, nicht der Wirtschaftsplan selbst. Ist auch nur eine Position im Wirtschaftsplan fehlerhaft, ist der Beschluss insgesamt fehlerhaft. Gleichwohl müssen Mandanten über diese Handhabung durch die Gerichte aufgeklärt werden und es muss – je nachdem, welche Mandanten-Interessen zu vertreten sind – in gerichtlichen Verfahren auch entsprechend argumentiert werden.

5.133

Entscheidend für die materielle Beurteilung der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan ist, wie bei der Jahresabrechnung, die Sachlage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung. So hat das BayObLG völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das Interesse eines anfechtenden Eigentümers an der Ungültigkeitserklärung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan nicht dadurch berührt wird, dass sich nachträglich Änderungen bei den umstrittenen Kostenpositionen ergeben.202 Dies ergibt sich schon daraus, dass der Beschluss über den Wirtschaftsplan Streitgegenstand des Beschlussanfechtungsverfahrens ist und die gerichtliche Prüfung darauf gerichtet sein muss, ob der Versammlungsbeschluss zum Zeitpunkt seiner Fassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach oder nicht.

5.134

Falsch ist die Ansicht des Hans. OLG Hamburg203 und des OLG Köln,204 dass mit der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan entfällt.205 Die Ansicht beider Gerichte widerspricht der grundlegenden Position des BGH, dass der Jahresabrechnungsbeschluss keine Novationswirkung hat.206

5.135

200 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = WuM 2012, 521 = ZWE 2012, 371; LG Hamburg, Urt. v. 22.6.2011 – 318 S 23/11, ZMR 2011, 996. 201 A.A. z.B. BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = WuM 2012, 521 = ZWE 2012, 371; LG Hamburg, Urt. v. 22.6.2011 – 318 S 23/11, ZMR 2011, 996. 202 BayObLG, Beschl. v. 8.8.2002 – 2Z BR 61/02, WuM 2002, 578. 203 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 11.4.2007 – 2 Wx 2/07, ZMR 2007, 550. 204 OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2004 – 16 Wx 110/04, OLGReport Köln 2005, 226 = ZMR 2005, 649. 205 Richtig deshalb LG Hamburg, Urt. v. 22.6.2011 – 318 S 23/11, ZMR 2011, 996, wonach das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung des Wirtschaftsplan-Beschlusses nicht durch den Beschluss über die Jahresabrechnung entfällt. 206 Vgl. oben Rn. 53 sowie BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, ZMR 1999, 835 = NJW 1999, 3713 = NZM 1999, 1101 = DWE 1999, 164 = WuM 2000, 28 = ZWE 2000, 29; BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373.

Köhler

213

Teil 5 Rz. 5.136

Wirtschaftsplan

5.136 Auch die Auffassung des OLG Hamm,207 dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Wirtschaftsplanbeschlusses entfällt, wenn die Jahresabrechnung bestandskräftig beschlossen wurde und der anfechtende Wohnungseigentümer seine Hausgeldvorschüsse in vollem Umfang gezahlt hat, widerspricht der Auffassung des BGH.208 Die Zahlung der Hausgeldvorschüsse kann kein Kriterium für oder gegen ein Rechtsschutzbedürfnis sein, weil eine Verpflichtung zu einer solchen Zahlung besteht, solange der Beschluss über den Wirtschaftsplan nicht rechtskräftig für ungültig erklärt wurde. Auch der Ablauf des Wirtschaftsjahres hat keine Auswirkung auf ein gegen den Wirtschaftsplanbeschluss gerichtetes Beschlussanfechtungsverfahren.209

5.137 Eine Anfechtung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan kann aber jedenfalls nicht darauf gestützt werden, dass der Verwaltungsbeirat die Wirtschaftsplanansätze nicht vor der Beschlussfassung geprüft hat.210

VIII. Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung eines Wirtschaftsplanes 5.138 Legt der Verwalter nicht oder nicht rechtzeitig einen Wirtschaftsplan zur Beschlussfassung vor (eine solche zeitlich orientierte Verpflichtung kann sich auch aus der Gemeinschaftsordnung ergeben), kann jeder einzelne Wohnungseigentümer die Aufstellung eines Wirtschaftsplanes gerichtlich erzwingen211 und den Verwalter auf Erstellung und Vorlage eines Wirtschaftsplanes gerichtlich in Anspruch nehmen.212 Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat nämlich gegen den Verwalter einen Anspruch auf Erstellung eines Wirtschaftsplanes; mit der Aufforderung auch nur eines Wohnungseigentümers nach dem Eintritt der Fälligkeit kommt der Verwalter in Verzug.213 Die Fälligkeit für die Erstellung des Wirtschaftsplanes tritt – sofern in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes geregelt ist – spätestens mit dem Zeitpunkt ein, an dem ein neuer Wirtschaftsplan wirksam beschlossen werden muss, um die Finanzierungsmöglichkeit der Gemeinschaft für das Wirtschaftsjahr zu sichern. Häufig wird zur Fälligkeit die Meinung vertreten, dass diese innerhalb von drei bis sechs Monaten nach Ablauf des letzten Wirtschaftsjahres eintritt.214

207 OLG Hamm, Beschl. v. 18.5.2006 – 15 W 25/06, OLGReport Hamm 2006, 823 = ZMR 2006, 879 = ZWE 2007, 34 = DWE 2006, 144. 208 Richtig demgegenüber LG München I, Beschl. v. 11.1.2006 – 1 T 13749/05, ZMR 2006, 648 = WE 2006, 246, das ausführt, dass der Wirtschaftsplan durch die Jahresabrechnung nicht aufgehoben wird. 209 BayObLG, Beschl. v. 20.11.2003 – 2Z BR 168/03, BayObLGZ 2003, 318 = NZM 2004, 509 = NJW-RR 2004, 1090 = ZMR 2005, 134. 210 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.2.2006 – 20 W 231/01, OLGReport Frankfurt 2005, 783 m.w.N. 211 BGH, Beschl. v. 24.6.2005 – V ZR 350/03, MDR 2006, 85 = ZMR 2005, 884 = WuM 2005, 667; OLG Celle, Beschl. v. 6.9.2004 – 4 W 143/04, OLGReport Celle 2004, 600 = NZM 2005, 308; vgl. jetzt auch BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = WuM 2019, 347 MietRB 2019, 210. 212 BGH, Urt. v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = WuM 2019, 347 MietRB 2019, 210; BayObLG, Beschl. v. 15.3.1990 – 2 Z 18/90, MDR 1990, 634 = WuM 1990, 368 = NJW-RR 1990, 659 = DWE 1990, 67. 213 Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 28 WEG Rz. 13. 214 Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 28 WEG Rz. 13.

214

Köhler

Anspruch auf Erstellung eines Wirtschaftsplanes

Rz. 5.142 Teil 5

Der Wohnungseigentümer muss für die Geltendmachung des Anspruches gegenüber dem Verwalter nicht von der Gemeinschaft bevollmächtigt worden sein.215

5.139

Wird ein formell und materiell ordnungsgemäß erstellter und in die Eigentümerversamm- 5.140 lung eingebrachter Wirtschaftsplan dort abgelehnt, weil z.B. der Mehrheitseigentümer das Wirksamwerden eines Beschlusses über den Wirtschaftsplan (und damit die Fälligkeit von Hausgeldzahlungen) durch sein Abstimmverhalten verhindert, sollte dieser Negativbeschluss angefochten und zugleich Antrag auf Verpflichtung zur Zustimmung zum vorgelegten Wirtschaftsplan beantragt werden (kombiniertes Beschlussanfechtungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren). Stellt das Gericht fest, dass die Ablehnung des Beschlussantrages nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach und verpflichtet das Gericht zur Zustimmung, kann das auch für die Zukunft der Eigentümergemeinschaft von Bedeutung sein – selbst wenn bei der heutigen Dauer gerichtlicher Verfahren Entscheidung erst ergehen, wenn das Wirtschaftsjahr, für das der Wirtschaftsplan gedacht war, schon abgelaufen ist. Zum einen trifft die unterliegenden Eigentümer die Kostenlast des Rechtsstreits und sie könnten sich (eventuell) bei dem oder den Eigentümern, die die Zustimmung aus nicht tragfähigen Gründen verweigert haben, schadlos halten. Zum anderen könnte bei einer wiederholten Verweigerung einer Zustimmung zu einem ordnungsgemäßen Wirtschaftsplan – und damit einer Verletzung der gemeinschaftsinternen Treuepflicht – auch daran gedacht werden, eine Abmahnung auszusprechen und ein Entziehungsverfahren nach § 18 WEG gegen die Verweigerungspersonen einzuleiten.

5.141

Bei dem Beschlussanfechtungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren muss beachtet werden, dass die gesamte formelle und materielle Seite der Einladung zur Eigentümerversammlung, des Wirtschaftsplanes und der Eigentümerversammlung selbst von dem (oder den) Eigentümer(n), die sich der Beschlussfassung verweigert haben, auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Es muss deshalb vor Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens sehr genau untersucht werden,

5.142

– ob die Eigentümerversammlung ordnungsgemäß einberufen wurde, – ob die Eigentümerversammlung ordnungsgemäß durchgeführt und protokolliert wurde, – ob der zur Abstimmung vorgelegte Wirtschaftsplan formell ordnungsgemäß war und – ob der Wirtschaftsplan auch inhaltlich (materiell) korrekt war.

215 Vgl. hierzu auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, II.3.

Köhler

215

Teil 6 Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung I. Grundsätzliches/Inhalt einer Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . .

6.1

II. Die Gesamtabrechnung . . . . . . . .

6.18

1. Das Geldflussprinzip . . . . . . . . . .

6.18

2. Zeitraum der Jahresabrechnung . .

6.24

3. „Abgrenzungen“ . . . . . . . . . . . . . .

6.31

4. Durchbrechung des Geldflussprinzips(?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Instandhaltungsrücklage . . . . . . aa) Ist-Darstellung der Instandhaltungsrücklage . . . . bb) Ausweis der Rückstände . . cc) IR-Zuführungsbetrag keine „fiktive Ausgabe“ . . . . . . . . dd) Abflüsse vom Girokonto auf das IR-Konto keine Kostenposition . . . . . . . . . b) Heizkostenabrechnung . . . . . . . c) Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . d) Uneinbringliche Hausgeldforderungen . . . . . . . . . . . . . . . e) Auslagen eines Wohnungseigentümers für Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . 5. Grundsätze der Verteilung von Lasten und Kosten . . . . . . . . . . . . a) Verteilung auf alle Miteigentümer/alle Einheiten . . . . . . . . . b) Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . aa) Abwasserhebeanlage . . . . . bb) Fenster/Balkon- und Wohnungsabschlusstüren . . . . . cc) Folgekosten eines berechtigten Ausbaus . . . . . . . . . . dd) Glasschäden . . . . . . . . . . . . ee) Heizkosten/Warmwasserkosten . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Leer stehende/nicht fertig gestellte Wohnungen . . . . . gg) Thermostatventile/Heizkörper/Heizleitungen/ Heizungsventile . . . . . . . . . hh) Kaltwasser-Kosten . . . . . . .

6.46 6.47 6.49 6.52

ii) Doppelparkeranlagen/ Mehrfachparkeranlagen . . . jj) Sonderbelastung eines einzelnen Eigentümers . . . .

6.93 6.98

6. Mehrhausanlagen/Untergemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.103 7. Kosten von gerichtlichen Verfahren der Eigentümergemeinschaft . a) Rechtsstreitigkeiten mit gemeinschaftsfremden Dritten . . . b) Kosten eines Entziehungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.105 6.107 6.108 6.111

6.53

8. Aufteilung der Gesamtabrechnung in Kostenpositionen . . . . . . . 6.125

6.55 6.57

9. Umsatzsteuer-Ausweis in der Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.130 III. Die Einzelabrechnung . . . . . . . . . . 6.134

6.67

1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . 6.134

6.69

2. „Saldenliste“ und Übersendung der Abrechnungen vor der Eigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . 6.143

6.75 6.76 6.76 6.80 6.80 6.81

3. Vorjahressalden . . . . . . . . . . . . . . . 6.147 4. Ausweis der Hausgeldvorschüsse in der Einzelabrechnung . . . . . . . . a) Der Normalfall . . . . . . . . . . . . . b) Fehlerhafte Aufnahme von Hausgeldvorschüssen . . . . . . . . c) Aufrechnung/Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abrechnung Sonderumlage . . . .

6.153 6.153 6.155 6.157 6.161

6.84

5. Der Verteilungsschlüssel . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausweis in der Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten des Sondereigentums . . .

6.85

6. Heizkosten in der Einzelabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.178

6.82 6.83

6.89 6.90

6.166 6.166 6.172 6.173

IV. Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Rückstellung) . . . . 6.184 V. Die Girokontodarstellung/Kontoabstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.194

Köhler

217

Teil 6

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

VI. Prüfung der Jahresabrechnung durch den Verwaltungsbeirat . . . . 6.198 VII. Wirksamwerden einer Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.200 1. Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.200 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 6.200 b) Fehlerhafte „Ausweich“Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.202 2. Genehmigungsfiktion/Kompetenzübertragung auf den Beirat . . a) Genehmigungsfiktion in der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . b) Genehmigungsfiktion im Verwaltervertrag . . . . . . . . . . . . c) Kompetenzübertragung auf den Beirat . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.206 6.206 6.211 6.212

3. Zweitbeschluss über Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.213 4. Anfechtung des Jahresabrechnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . 6.215 5. Anfechtungsbefugnis/Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . 6.220 6. Anfechtung trotz Zustimmung (oder Nichtäußerung) in der Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.222 7. Ersetzung der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.223 VIII. Abrechnungsansprüche gegenüber dem amtierenden und dem ausgeschiedenen Verwalter . . . . . . 6.224 1. Typische Fallkonstellationen . . . . 6.224 2. Untersuchung von Bestellung und Ausscheiden des Verwalters . 6.225 3. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem amtierenden Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Primäranspruch . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlagen . . . . (1) Gesetzlicher Anspruch . . . . (2) Vertraglicher Anspruch . . . bb) Anspruchsinhaber (Aktivlegitimation) und Anspruchsgegner (Passivlegitimation) . . . . . . . . . . . cc) Anspruchsinhalt . . . . . . . . (1) Gegenstand des Hauptleistungsanspruchs . . . . . . . (2) Nebenrechte . . . . . . . . . . .

218

Köhler

6.226 6.226 6.226 6.226 6.227

6.228 6.229 6.229 6.230

(a) Einsichtsrechte . . . . . . . . . . (b) Auskunftsrechte . . . . . . . . . dd) Entstehung und Fälligkeit der Pflicht zur Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Nachbesserungspflicht . . . . ff) Verjährung . . . . . . . . . . . . . gg) Verfahrensrechtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . (1) Erkenntnisverfahren . . . . . . (2) Vollstreckungsverfahren . . . (a) Jahresabrechnung ohne vorherige Rechnungslegung über die Abrechnungsperiode . . . . . . . . . . . (b) Jahresabrechnung bei vorheriger Rechnungslegung über die Abrechnungsperiode . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren b) Sekundäransprüche . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlagen . . . . (1) Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlechtleistung . . . . . . . . . bb) Anspruchsinhaber (Aktivlegitimation) . . . . . . . . . . . cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . dd) Verfahrensrechtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . 4. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter . . . . . . . . . . . . . . a) Der Primäranspruch . . . . . . . . . aa) Passivlegitimation des ausgeschiedenen Verwalters . . . (1) Ausscheiden während des Wirtschaftsjahres . . . . . . . . (2) Ausscheiden zum Ende des Wirtschaftsjahres . . . . . bb) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . cc) Nachbesserungspflicht . . . . dd) Rechte des ausgeschiedenen Verwalters . . . . . . . . . . (1) Herausgabeanspruch . . . . . (2) Das Einsichtsrecht . . . . . . . ee) Verfahrensrechtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . b) Sekundäransprüche . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlagen . . . . bb) Anspruchsinhaber . . . . . . .

6.231 6.240 6.247 6.250 6.261 6.266 6.266 6.270

6.272

6.277 6.278 6.279 6.279 6.279 6.284 6.288 6.292 6.293

6.294 6.294 6.295 6.295 6.299 6.318 6.326 6.328 6.328 6.329 6.332 6.333 6.333 6.335

5. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem „Scheinverwalter“ . . 6.337

Grundsätzliches/Inhalt einer Jahresabrechnung

Rz. 6.2 Teil 6

I. Grundsätzliches/Inhalt einer Jahresabrechnung Jeder Rechtsanwalt, der wohnungseigentumsrechtliche Mandate übernimmt, wird schon mit der Frage konfrontiert worden sein, ob die Jahresabrechnung, die der Verwalter vorgelegt hat oder die der Verwalter der Eigentümergemeinschaft vorlegen will, ordnungsgemäß ist. Berät der Rechtsanwalt einen Verwalter, kann seine Aussage von erheblicher Bedeutung für diesen sein, gehört doch die Aufstellung der Jahresabrechnung zu den Hauptleistungspflichten eines Verwalters.1 Für den Verwalter und damit auch für den Rechtsanwalt sind mit der fehlerhaften Erstellung einer Jahresabrechnung erhebliche Risiken verbunden; erfüllt der Verwalter seine Pflicht nämlich nicht oder nicht in gehöriger Weise, muss er mit der Anfechtung der Versammlungsbeschlüsse über die Jahresabrechnung und über seine Entlastung rechnen.2 Für den Verwalter tritt zu dem „Gesichtsverlust“ noch ein wirtschaftliches Risiko hinzu. Bei Angriffen auf Beschlussfassungen konnten schon vor der Novellierung des WEG nach der Rechtsprechung des BGH dem Verwalter die Verfahrens- und außergerichtlichen Kosten auferlegt werden, wenn er das Beschlussanfechtungsverfahren verursacht hatte.3 Diese Rechtsprechung des BGH lag in einer Linie mit älteren Entscheidungen des BayObLG,4 wonach dem Verwalter Verfahrenskosten auferlegt werden konnten, wenn dieser im eigenen Interesse oder schuldhaft gehandelt hatte.5 Die Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 1.7.2007 hat das Risiko für den Verwalter schon im Gesetzeswortlaut deutlich gemacht. Nach § 49 Abs. 2 WEG können dem Verwalter Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.6 Unabhängig von § 49 Abs. 2 WEG könnte ein Verwalter Schadensersatzforderungen wegen eines Anfechtungsrechtsstreits ausgesetzt sein.7

6.1

Wer als professioneller Verwalter die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung nicht beherrscht, dem könnte ein Gericht schnell vorwerfen, die gerichtliche Tätigkeit veranlasst zu haben. In der Praxis ist allerdings feststellbar, dass die Gerichte bei vom Verwalter

6.2

1 OLG Karlsruhe (Senat in Freiburg), Beschl. v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, WE 1998, 189 = WuM 1998, 240 = DWE 1998, 189 = NZM 1998, 768; BayObLG, Beschl. v. 13.2.1997 – 2Z BR 132/96, WE 1997, 391 = WuM 1997, 345 = NJWE-MietR 1997, 162 = FGPrax 1997, 136; vgl. auch LG München I, Beschl. v. 24.9.2018 – 36 T 12113/16, ZMR 2019, 72 (Hauptleistungspflicht „Erstellung einer Jahresabrechnung“ als Bewertungskriterium für Streitwert). 2 Vgl. LG Frankfurt/M., Urt. v. 8.3.2016 – 2/9 S 99/14, ZWE 2016, 332; das OLG Köln, Beschl. v. 8.6.2005 – 16 Wx 53/05, OLGReport Köln 2005, 658, sah bei groben Mängeln in der Jahresabrechnung Veranlassung, „ernsthaft an der fachlichen Geeignetheit des Verwalters zu zweifeln“, sodass der Gemeinschaft eine weitere Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht zugemutet werden könne. 3 BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = MDR 1997, 919 = WuM 1997, 520 = ZMR 1997, 531 = NJW 1997, 2956; BGH, Beschl. v. 9.10.1997 – V ZB 3/97, MDR 1998, 29 = DWE 1997, 159 = ZMR 1998, 171 = NZM 1998, 78 = NJW 1998, 755 = WE 1998, 105; vgl. auch Drasdo, Die Haftung des Verwalters für die den Wohnungseigentümern entstandenen Verfahrenskosten, DWE 1998, 57. 4 BayObLG, Beschl. v. 1.7.1980 – 2 Z 23/79, ZMR 1980, 381. 5 So auch AG Köln, Beschl. v. 11.1.1989 – 202 II 175/88, n.v.; LG Köln, Beschl. v. 31.7.1989 – 30 T 31/89, n.v. 6 Instruktiv Hogenschurz, Die Kostentragungspflicht des Verwalters aus Beschlussanfechtung, ZMR 2018, 171. 7 Vgl. dazu jetzt BGH, Urt. v. 8.2.2019 – V ZR 153/18, MDR 2019, 860 = WuM 2019, 403 = MietRB 2019, 205, mit Anm. Schlimme, jurisPR-MietR 15/2019 Anm. 6 und Abramenko, IMR 2019, 285; Jacoby, Geltendmachung der Verwalterhaftung für Kosten eines Anfechtungsrechtsstreits, ZWE 2019, 120.

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Teil 6 Rz. 6.2

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

verursachten Fehlern in der Jahresabrechnung eher zurückhaltend mit dem § 49 Abs. 2 WEG umgehen. Ein grobes Verschulden kann sicherlich auch nicht bei der ersten fehlerhaft vorgelegten Jahresabrechnung angenommen werden. Die gerichtliche Entscheidung nach § 49 Abs. 2 WEG kann immer nur aufgrund einer Einzelfallbetrachtung erfolgen, sodass es auf alle Umstände des jeweiligen Falles ankommt. Gleichwohl müssen der Verwalter und der beauftragte Rechtsanwalt das Risiko sehen.

6.3 Der Verwalter sollte im Übrigen daran denken (und der rechtsanwaltliche Vertreter sollte ihn hieran auch erinnern), dass eine zügig und sorgfältig erstellte sowie einfach durchschaubare Jahresabrechnung auch ein Marketinginstrument für den Verwalter darstellen kann. Unabhängig von der rechtlichen Verpflichtung zur Erstellung einer Jahresabrechnung kann dieser nämlich mit einer übersichtlichen und offenen Abrechnung das Vertrauen der Eigentümer und Beiräte gewinnen (Datenschutz gibt es – jedenfalls bezüglich Jahresabrechnungen – in der Gemeinschaft nicht)8 – böswilligen Miteigentümern wird es dann auch nicht gelingen, Misstrauen gegenüber den Handlungen des Verwalters zu schüren. Andererseits wird ein erkennbares Unvermögen oder eine erkennbare mangelnde Bereitschaft eines Verwalters, eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung nach der üblichen und überwiegend von der Rechtsprechung und vom Schrifttum anerkannten Methode zu erstellen, zur Unzufriedenheit der Eigentümer führen und Grund für die Abberufung und Kündigung des Verwalters sein können.

6.4 Für den Rechtsanwalt, der Wohnungseigentümer vertritt, ist die Beschäftigung mit den formellen und materiellen Kriterien einer Jahresabrechnung gleichfalls bedeutsam, muss er doch die Grundprinzipien der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung erkennen, um zu erreichen, dass ein Versammlungsbeschluss über eine als fehlerhaft erkannte Jahresabrechnung gerichtlich für ungültig erklärt wird.

6.5 Der Verwalter muss die Jahresabrechnung erstellen und der Eigentümergemeinschaft zur Beschlussfassung vorlegen. Sind in der Gemeinschaftsordnung Abrechnungsvorschriften enthalten, so sind diese zu beachten.

6.6 In den letzten Jahren hat der Bundesgerichtshof mit seinen Entscheidungen einige Klarheit hergestellt, welche konkreten Bestandsteile eine Jahresabrechnung enthalten muss und welche nicht. Frühere, in der Rechtsprechung der Obergerichte vertretene Auffassungen zu den Bestandteilen einer Jahresabrechnung sind heute nur noch eingeschränkt nutzbar. Das BayObLG9 hatte sich in Entscheidungen aus den 1990er Jahren mit den Inhalten von Jahresabrechnungen beschäftigt und ausgeführt, wohnungseigentumsrechtliche Jahresabrechnungen müssten:

8 Zum Datenschutz siehe ausführlich Köhler, in diesem Handbuch, Teil 15. Wie sich die datenschutz- und wohnungseigentumsrechtliche Meinung nach dem Wirksamwerden der DS-GVO entwickeln wird, bleibt abzuwarten; vgl. Zur Rechtslage vor der DS-GVO OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.2.1984 – 20 W 866/83, OLGZ 1984, 258; Happ, Rechtsgrundsätze, DWE 1997, 93; Röll, Verwalter und Datenschutz, WEM 1981, Heft 3, S. 7 ff., m.w.N.; Gross, Verwalter und Datenschutz, WEM 1981, Heft 4, S. 6 ff. 9 BayObLG, Beschl. v. 10.3.1994 – 2Z BR 11/94, WuM 1994, 498 = DWE 1994, 156 = WE 1995, 91; BayObLG, Beschl. v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WuM 1994, 230 = DWE 1994, 154 = WE 1995, 30; ähnlichen Grundsätzen folgte die gesamte obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. z.B. OLG Köln, Beschl. v. 8.6.2005 – 16 Wx 53/05, OLGReport Köln 2005, 658.

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– alle Einnahmen und Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft im betreffenden Rechnungsjahr enthalten,10 – erkennen lassen, wofür die Ausgaben getätigt wurden,11 – den Stand der für die Gemeinschaft geführten Bankkonten am Anfang und Ende des Rechnungsjahres ausweisen, – die Entwicklung des Vermögens der Wohnungseigentümer (also insbesondere die Instandhaltungsrücklage)12 darstellen und – die Einzelabrechnung für jeden Wohnungseigentümer enthalten, in der nachvollziehbar dargestellt wird, ob und inwieweit die Hausgeldvorauszahlungen des betreffenden Wohnungseigentümers ausgereicht haben, seinen Anteil an den Gesamtausgaben zu decken, oder ob er eine Überzahlung geleistet hat.13 Teilweise wurden diese Grundsätze durch die spätere Rechtsprechung erweitert, aber auch verändert. Der Name des Abrechnungsverantwortlichen: Happ14 führte bereits 1997 aus, die Jahresabrechnung müsse den Namen des Abrechnungsverantwortlichen (also des Verwalters) enthalten, weil der Verwalter mit der Jahresabrechnung auch Rechenschaft über seine Verwaltung ablege. Weiter müsse auch der Name des jeweiligen Wohnungseigentümers, des Verwaltungsobjekts und der Abrechnungszeitraum ausgewiesen werden. Welche Konsequenz es hat, wenn diese Angaben nicht gemacht werden, lässt Happ allerdings offen. Nach meiner Ansicht sind dies formale Fehler, die – jedenfalls hinsichtlich des fehlenden Namens des Abrechnungsverantwortlichen und des Abrechnungszeitraums – die Ungültigkeitserklärung der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung rechtfertigen.15

6.7

Enthält die Abrechnung nicht den Namen des Verwalters oder sogar einen falschen Ausstel- 6.8 lernamen (was gelegentlich vorkommt), kann die Abrechnung (die gleichzeitig eine Rechnungslegung beinhaltet) nicht dem bestellten Verwalter zugeordnet werden. Der bestellte Verwalter hat mit einer anonymen oder namentlich falsch bezeichneten Abrechnung seine Pflicht zur Abrechnung und Rechnungslegung nicht erfüllt. Der (richtige) Verwalter muss die Abrechnung vorlegen und auch durch Namensnennung seine Verantwortung für den Inhalt übernehmen.16 Der Verwalter, der die Verwaltung im Abrechnungszeitraum geführt hat, muss 10 Auch bejaht von BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, NJW 2018, 942 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343. 11 Auch bejaht von BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, NJW 2018, 942 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343. 12 Auch bejaht von BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, NJW 2018, 942 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343 (ein Vermögensstatus ist jedoch nicht Gegenstand der Jahresabrechnung). 13 Dagegen aber jetzt BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, NJW 2018, 942 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343. 14 Happ, Rechtsgrundsätze, DWE 1997, 93. 15 Fehlerhaft deshalb m.E. KG, Beschl. v. 22.11.1995 – 24 W 1452/95, DWE 1996, 30 = ZMR 1996, 223 = NJW-RR 1996, 526, das (zu Recht) eine fehlende Unterschrift des Verwalters unter der Abrechnung nicht für schädlich hielt, weil „Unsicherheiten über den Ersteller der Abrechnung nicht auftreten konnten“, jedoch meint, ein Wohnungseigentümer könne sich bei einer Anfechtung nicht auf „formell unzureichende Beschlussentwürfe“ stützen. 16 Vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 = Rpfleger 1975, 255, welches richtig darauf hinweist, dass der Verwalter die Verantwortung für die auf-

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Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

den Wohnungseigentümern dafür einstehen, so jetzt auch der BGH, dass er die im Abrechnungszeitraum angefallenen Einnahmen und Ausgaben vollständig und richtig erfasst hat.17 Der Beschluss über eine Jahresabrechnung, in der der Verwalter nicht oder falsch bezeichnet ist, ist angreifbar; eine Ungültigkeitserklärung ist gerechtfertigt.

6.9 Bezeichnung des verwalteten Objekts: Fehlt die Objektbezeichnung, fehlt auch die Zuordnung zu dem Verwaltungsobjekt. Es muss aber objektbezogen abgerechnet werden und der Verwalter muss die Verantwortung für die Abrechnung des ihm anvertrauten Objekts übernehmen. Auch insoweit ist die Beschlussfassung angreifbar und eine Ungültigkeitserklärung gerechtfertigt.

6.10 Gleiches gilt, wenn der Verwalter den Abrechnungszeitraum, über den er abrechnen (und Rechnung legen) muss, nicht angibt.

6.11 Name des Wohnungseigentümers: Der Name des Sondereigentümers, in dessen Eigentum das Wohnungs- oder Teileigentum steht, muss m.E. nicht unbedingt in der Jahresabrechnung erscheinen, auch wenn das möglicher Weise praktische und steuerliche Probleme aufwerfen könnte. Eine wohnungseigentumsrechtliche Abrechnung ist immer objekt- und nicht personenbezogen. Unproblematisch ist deshalb auch, wenn die Einzelabrechnung nach einem Eigentumswechsel noch auf den Namen des ehemaligen Eigentümers ausgestellt wurde und der Name des neuen Eigentümers noch nicht erscheint.18 Weil eine Abrechnung objekt- und nicht namensbezogen ist, stellt der Name des Voreigentümers in der Jahresabrechnung lediglich „eine rechtlich unbeachtliche Falschbezeichnung“ dar.19

6.12 Nach meiner Auffassung muss zwar der Verwalter vor einer Eigentümerversammlung die Grundbücher überprüfen (wenn für Veräußerungen des Sondereigentums keine Verwalterzustimmung notwendig ist),20 durch die Versäumung dieser Pflicht wird aber weder die Jahresabrechnung noch die Beschlussfassung über die Abrechnung fehlerhaft.

6.13 Eine zeitanteilige Abrechnung, bei der zwei Abrechnungen erstellt werden (auf den Voreigentümer und auf den Eigentümer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung), widerspricht nicht

17 18

19 20

geführten Zahlen der Abrechnung übernehmen und die zur Abrechnung gehörenden Belege vorweisen muss. BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = ZMR 2018, 523; BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, WuM 2016, 586 = ZWE 2016, 422 = MDR 2016, 1442. BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290 = MDR 2000, 21 = ZWE 2000, 29 = ZMR 1999, 834 = NJW 1999, 3713 = NZM 1999, 1101; BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = MDR 1996, 897 = ZMR 1996, 216 = NJW 1996, 725 = DWE 1996, 27; KG, Beschl. v. 18.11.1998 – 24 W 5437/98, KGR Berlin 1999, 211 = ZMR 1999, 352 = NJW-RR 1999, 665 = DWE 1999, 86; KG, Beschl. v. 17.12.1997 – 24 W 2520/96, ZMR 1998, 503 = WuM 1998, 503. Vgl. auch LG Köln, Urt. v. 28.4.2011 – 29 S 112/10, ZMR 2011, 827. Ist nach der Teilungserklärung eine Verwalterzustimmung zur Veräußerung des Sondereigentums notwendig, erhält der Verwalter durch die Zustimmungsaufforderung des Notars Kenntnis von einem bevorstehenden Eigentumswechsel und kann die Eintragung in Abteilung I gezielt prüfen; bei Zwangsversteigerungen oder Insolvenzfällen ist die Gemeinschaft am jeweiligen Verfahren beteiligt. Ein Risiko, dass der Verwalter von der Veräußerung keine Kenntnis erlangt, besteht demnach bei nicht zustimmungspflichtigen Veräußerungen; deshalb ist eine Grundbucheinsicht vor der Eigentümerversammlung geboten.

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Rz. 6.15 Teil 6

ordnungsmäßiger Verwaltung.21 Verwalter sollten aber in Veräußerungsfällen unbedingt zeitanteilige Abrechnungen für Veräußerer und Erwerber vermeiden und sich nicht in die Angelegenheiten von Verkäufer und Käufer hineinziehen lassen. Die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung wirkt nicht gegenüber dem ausgeschiedenen Eigentümer, sondern nur gegenüber dem neuen im Grundbuch (Abteilung I) eingetragenen Eigentümer. Für das Abrechnungs-Verhältnis zwischen Verband (Wohnungseigentümergemeinschaft) und Eigentümer ist immer nur der Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung im Grundbuch entscheidend,22 während Verkäufer und Käufer in ihrem (für den Verband insoweit unbeachtlichen) Veräußerungsvertrag andere Regelung für die Lasten- und Kostentragung treffen können. Eine Aufteilung macht deshalb aus Sicht eines Verwalters keinen Sinn. Die Verteilung der Lasten und Kosten sowie der Beiträge zur Instandhaltungsrücklage bezüglich des Wirtschaftsjahres, in dem der Eigentumswechsel stattfand, ist eine interne Angelegenheit zwischen Verkäufer und Käufer. Vgl. zu weiteren Einzelheiten auch das Kapitel IV. „Verhältnis Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung“ im Teil 5 „Wirtschaftsplan“ (dort Rz. 5.54–5.60). Wird eine Jahresabrechnung ganz oder zum Teil nicht auf den Namen des aktuellen Sondereigentümer ausgestellt und bestandskräftig beschlossen, kann hieraus nicht – wie das Landgericht Köln fälschlich meinte23 – geschlossen werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den früheren Sondereigentümer in Anspruch nehmen wollte, denn ein Beschluss, der einen bereits ausgeschiedenen Wohnungseigentümer belasten soll, ist ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten eines Dritten.24

6.14

Für die Beurteilung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit einer Jahresabrechnung ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung maßgeblich. Nur diejenigen zu einer Jahresabrechnung gehörenden Unterlagen, die der Verwalter bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegt hat, können bei einer Prüfung, ob der Abrechnungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, berücksichtigt werden.25 Werden nach diesem Zeitpunkt Unterlagen nachgeschoben, die eine Abrechnung erst nachvollziehbar machen, sind diese unbeachtlich. Eine aus sich heraus verständliche Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben liegt nicht schon dann vor, wenn sich Einnahmeposten oder Ausgabeposten erst aus anderweitigen Unterlagen ergeben, die zur Einsicht bereitgehalten werden, so zu Recht das

6.15

21 LG Köln, Urt. v. 7.10.2010 – 29 S 57/10, ZMR 2011, 165 = ZWE 2011, 136; vgl. zum Problem auch Elzer, Abrechnung und Wechsel der Verfügungsmacht – auf die Entstehung kommt es an!, ZWE 2018, 153. 22 Abgesehen von den Sonderfällen „Erbfall“, „werdende Eigentümergemeinschaft“ und „Zwangsversteigerungs-Zuschlag“. 23 LG Köln, Urt. v. 28.4.2011 – 29 S 112/10, ZMR 2011, 827. 24 BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 113/11, NJW-RR 2012, 217 = ZWE 2012, 90 = ZMR 2012, 284 = NZM 2012, 159; der Senat hat die Entscheidung des LG Köln, Urt. v. 28.4.2011, insoweit aufgehoben. 25 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.11.2005 – 20 W 130/03, OLGReport Frankfurt 2006, 617 = ZWE 2006, 194; OLG Köln, Beschl. v. 23.9.1996 – 16 Wx 130/96, n.v.; OLG Köln, Beschl. v. 14.10.1985 – 16 Wx 77/85, n.v.; AG Köln, Beschl. v. 11.12.2001 – 202 II 37/01, n.v.; AG Köln, Beschl. v. 12.3.2001 – 202 II 149/00, n.v.; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 104/15, WuM 2016, 518 = ZMR 2016, 638 = MDR 2016, 1109: der BGH hat sich dort mit der Bezugnahme auf außerhalb des Protokolls befindliche Unterlagen und mit der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit von Beschlüssen befasst. Diese Rechtsgedanken können auch im Zusammenhang mit Jahresabrechnung angewendet werden.

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Teil 6 Rz. 6.15

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

BayObLG.26 Erstellt der Verwalter erst für ein Beschlussanfechtungsverfahren eine Girokontendarstellung oder legt er diese nur im Gerichtsverfahren vor, nachdem er sie vor der Eigentümerversammlung weder vorgelegt noch zur Einsicht angeboten hatte, kann dies den Beschluss über die Jahresabrechnung nicht mehr retten.27

6.16 Von Unterlagen, die zwingend zu einer Jahresabrechnung gehören, sind Belege zu unterscheiden, die die Richtigkeit des Rechenwerkes belegen. Legt also der Verwalter in einem Beschlussanfechtungsverfahren Rechnungen und Zahlungsbelege vor, die die Richtigkeit einer angesetzten Position nachweisen, müssen diese Belege selbstverständlich im Rahmen der richterlichen Prüfung beachtet werden.

6.17 Wichtig ist, dass die vom Verwalter vorgelegten Jahresabrechnungsunterlagen eine Prüfung auf Schlüssigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung zulassen.

II. Die Gesamtabrechnung 1. Das Geldflussprinzip

6.18 Die Gesamtabrechnung muss eine geordnete Darstellung der Einnahmen und Ausgaben sein, wobei es sich bei den Einnahmen und Ausgaben nur um solche handeln darf, die in dem betreffenden Wirtschaftsjahr zugeflossen oder abgeflossen sind (Geldflussprinzip).28 Zahlungen, die nicht in der Abrechnungsperiode vorgenommen worden sind, sondern die schon in einer früheren Periode erfolgten oder die erst im nächsten Abrechnungszeitraum erwartet werden, dürfen nicht in die Abrechnung aufgenommen werden.29 Die Jahresabrechnung einer Eigentümergemeinschaft ist gerade keine solche, die sich an einer kaufmännischen Bilanz ausrichtet.30 Die Jahresabrechnung hat nicht die Funktion, einen unternehmerischen Erfolg zu vermitteln.31

26 BayObLG, Beschl. v. 18.7.1989 – 2 Z 66/89, BayObLGZ 1989, 310 = ZMR 1990, 63 = NJW-RR 1989, 1163 = WuM 1989, 530 = DWE 1990, 62. 27 Fehlerhaft ist m.E. die Entscheidung des AG Hamburg, Urt. v. 15.2.2011 – 102D C 79/10, ZMR 2011, 758, wonach es für die Ordnungsmäßigkeit einer Beschlussfassung nicht auf den Zeitpunkt der Wohnungseigentümerversammlung, sondern auf den Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. 28 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, WuM 2013, 757 = ZWE 2014, 36 = MDR 2014, 143; BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, WuM 2012, 222 = MDR 2012, 510 = ZMR 2012, 372; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 178/03, n.v.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1998 – 3 Wx 397/97, WE 1999, 227; OLG Hamm, Beschl. v. 21.11.1996 – 15 W 107/96, ZMR 1997, 251 = DWE 1997, 36 = WE 1997, 194; BayObLG, Beschl. v. 10.3.1994 – 2Z BR 11/94, WuM 1994, 498 = DWE 1994, 156 = WE 1995, 91; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2016 – 25 S 63/13, ZMR 2017, 181 = ZWE 217, 271; LG Köln, Urt. v. 27.10.2016 – 29 S 91/16, ZMR 2017, 87 = ZWE 2017, 282; LG Düsseldorf, Urt. v. 2.7.2014 – 25 S 7/14, ZMR 2014, 903 = ZWE 2015, 95, dazu Anm. Hogenschurz, jurisPR-MietR 1/2015 Anm. 3; LG Köln, Urt. v. 19.1.2012 – 29 S 190/11, Juris = MietRB 2012, 78; AG Ratzeburg, Urt. v. 12.4.2017 – 11 C 6/16, ZMR 2017, 602; AG Bremen Urt. v. 13.12.2013 – 29 C 88/13, ZMR 2014, 316. 29 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZWE 2000, 136 = ZMR 2000, 238 = NJWRR 2000, 603 = NZM 2000, 280 = DWE 2000, 82. 30 So auch Dötsch, Sonstige Rücklagen und Rückstellungen in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung, ZWE 2018, 61. 31 LG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, ZMR 2011, 987.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.21 Teil 6

Andererseits beinhaltet das Geldflussprinzip den Zwang, auch solche Geldabflüsse oder Geldzuflüsse in die Jahresabrechnung aufzunehmen, die fehlerhaft vom Konto der Gemeinschaft abgeflossen oder diesem zugeflossen sind. Dies haben der BGH,32 das BayObLG33 und andere, früher ebenfalls für weitere Beschwerden in Wohnungseigentumssachen zuständige Obergerichte34 in mehreren Entscheidungen zu Recht ausgeführt. Dies bedeutet auch, dass Ausgaben, die der Verwalter unberechtigt tätigte, ebenfalls in die Jahresabrechnung aufzunehmen sind.35 Den Wohnungseigentümern soll eine einfache und leicht nachvollziehbare Überprüfung ermöglicht werden, welche Beträge im Abrechnungsjahr auf dem Konto der Gemeinschaft eingegangen und welche Ausgaben für welche Zwecke getätigt worden sind. Die Aufnahme auch solcher Geldabflüsse, die fehlerhaft erfolgten (z.B. Zahlungen, die keine gemeinschaftlichen Lasten und Kosten betreffen), ist notwendig, um überhaupt das Rechenwerk stimmig und überprüfbar zu machen. Das BayObLG führte aus,36 dass den Eigentümern erst bei der Aufnahme solcher Beträge ermöglicht wird zu entscheiden, ob sie die Ausgaben (unbeanstandet) billigen oder vom Verwalter eine Erstattung verlangen wollen. Die Genehmigung der Jahresabrechnungen durch die Wohnungseigentümerversammlung enthält allerdings für sich allein genommen keine konkludente Billigung der getätigten Ausgaben.37 Eine Billigung dieser Ausgaben erfolgt nur durch Beschluss über die Entlastung des Verwalters.

6.19

Falsch ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des OLG Köln,38 welches hinsichtlich ei- 6.20 ner möglicherweise fehlerhaften Bezahlung einer Reparaturrechnung (sie betraf eine Gegensprechanlage) ausgeführt hat, wenn die Reparatur Sondereigentum betroffen habe, hätten die entstandenen Kosten nicht in die Abrechnung eingestellt werden dürfen. Dem ist entgegenzuhalten, dass aufgrund des anerkannten Geldflussprinzips die entstandenen und vom Konto abgeflossenen Beträge sehr wohl in der Abrechnung aufgenommen werden mussten. Allerdings, so auch das OLG Köln, durfte dem Verwalter bei einer fehlerhaften Entnahme aus dem Gemeinschaftskonto keine Entlastung erteilt werden, eine Entlastung widersprach ordnungsmäßiger Verwaltung. In der Praxis greifen Kläger in Beschlussanfechtungsklagen immer wieder Ausgabenpositionen einer Jahresabrechnung mit der Behauptung an, die Position sei ganz oder teilweise 32 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZfIR 2011, 490 = WuM 2011, 381 = NJW 2011, 2202 = ZMR 2011, 652; BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = ZWE 2011, 256; BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = WuM 1997, 294 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72. 33 BayObLG, Beschl. v. 25.6.1992 – 2Z BR 25/92, BayObLGZ 1992, 210 = BayObLGR 1992, 42 = WuM 1992, 448 = NJW-RR 1992, 1431; BayObLG, Beschl. v. 25.5.2001 – 2Z BR 133/00, ZWE 2001, 487 = ZMR 2001, 907 = NZM 2001, 1040 = NJW-RR 2001, 1231. 34 Vgl. HansOLG Hamburg, Beschl. v. 21.10.2002 – 2 Wx 71/02, ZMR 2003, 129 = WuM 2003, 104; KG, Beschl. v. 26.6.2002 – 24 W 309/01, ZWE 2002, 409, 411 = ZMR 2002, 864; OLG Schleswig, Beschl. v. 23.1.2002 – 2 W 137/01, ZMR 2002, 382; OLG Köln, Beschl. v. 7.12.1998 – 16 Wx 177/98, OLGReport Köln 1999, 81 = WuM 1999, 306 = NZM 1998, 506; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.6.1991 – 3 Wx 182/91, WuM 1991, 619; vgl. auch Demharter, ZWE 2001, 585. 35 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = NJW 2011, 1346 = ZWE 2011, 256. 36 BayObLG, Beschl. v. 25.5.2001 – 2Z BR 133/00, ZWE 2001, 487 = ZMR 2001, 907 = NZM 2001, 1040 = NJW-RR 2001, 1231. 37 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = NJW 2011, 1346 = ZWE 2011, 256. 38 OLG Köln, Beschl. v. 24.9.1996 – 16 Wx 86/96, DWE 1997, 78 = WE 1997, 232 = WuM 1997, 62.

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225

6.21

Teil 6 Rz. 6.21

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

nicht in die Jahresabrechnung aufzunehmen, weil der Verwalter die Beträge nicht hätte verauslagen dürfen.39 Rechtsanwaltliche Vertreter sollten solche Argumente vermeiden, denn sie liegen wegen des Geldflussprinzips neben der Sache. Eine Aufnahme unberechtigter Ausgaben in die Jahresabrechnung (Gesamtabrechnung) rechtfertigt gerade nicht, den Beschluss über die Jahresabrechnung als nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend aufzuheben.40

6.22 Eine Beschlussfassung über die Jahresabrechnung entspricht allerdings dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die unberechtigten Ausgaben in „unverfänglichen“ Positionen versteckt werden. Dann ist die Beschlussfassung jedoch nicht wegen der Aufnahme unberechtigter Beträge angreifbar, sondern weil der Jahresabrechnung die notwendige Klarheit fehlt.

6.23 Die Aufnahme unberechtigter Ausgaben kann und sollte zum Anlass genommen werden, den Verwalter in Anspruch zu nehmen; er darf insbesondere nicht entlastet werden. Der gleichwohl ergangene Beschluss über eine Jahresabrechnung – ohne gleichzeitige Entlastung – kann Regressansprüche gegen den Verwalter nicht beseitigen.41 2. Zeitraum der Jahresabrechnung

6.24 Selten finden sich in der Gemeinschaftsordnung konkrete Bestimmungen über die Abrechnungsperiode (z.B.: „Das Wirtschaftsjahr läuft vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres“); gleichwohl wird in den Gemeinschaftsordnungen meist mittelbar der Zeitraum des Wirtschaftsjahres festgelegt. Eine solche mittelbare Bestimmung enthält eine Gemeinschaftsordnung, wenn sie vorgibt, der Verwalter müsse nach Ablauf eines Kalenderjahres die Jahresabrechnung erstellen. Nach den gesetzlichen Vorstellungen ist das Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr (vgl. § 28 Abs. 1 und 3 WEG)42 und ein Abrechnungsbeschluss ist für ungültig zu erklären, wenn ein anderer Abrechnungszeitraum verwendet wurde.43

6.25 Das Wirtschaftsjahr kann allerdings durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer anders festgelegt werden, z.B. auf den Zeitraum vom 1.7. des einen Jahres bis zum 30.6. des folgenden Jahres. Eine Beschlussfassung reicht für eine Veränderung des Abrechnungszeitraumes keinesfalls aus.44 Eine langjährige faktische Handhabung, die Abrechnung für einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum zu erstellen, genügt ebenfalls nicht.45 Falsch ist m.E. die Ent-

39 Vgl. z.B. LG Dortmund, Urt. v. 5.12.2017 – 1 S 28/17, ZMR 2018, 350 = ZWE 2018, 270; AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 7.6.2017 – 539 C 33/16, ZMR 2017, 675. 40 Vgl. z.B. OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2008 – 16 Wx 228/07, ZMR 2009, 311. 41 BGH, Urt. v. 13.5.2011 – V ZR 202/10, ZfIR 2011, 567 = ZMR 2011, 732 = WuM 2011, 440 = NZM 2011, 551; BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZfIR 2011, 490 = WuM 2011, 381 = ZMR 2011, 652 = NJW 2011, 2202. 42 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.3.2000 – 3 W 270/99, ZMR 2000, 868; LG Köln, Urt. v. 8.5.2014 – 29 S 241/13, ZMR 2014, 823 = ZWE 215, 43 = DWE 2015, 36. 43 AG Erfurt, Urt. v. 7.7.2015 – 2 C (WEG) 12/13, ZMR 2015, 811. 44 Nach meiner Auffassung grob fehlerhaft ist die Entscheidung des LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2010 – 11 S 140/09, ZMR 2010, 640. 45 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2000 – 3 Wx 378/00, ZWE 2001, 114 = OLGReport Düsseldorf 2001, 378 = ZMR 2001, 375 = DWE 2001, 151 = NZM 2001, 546; ebenso AG Köln, Beschl. v. 16.9.2004 – 202 II 170/04, n.v.; bestätigt durch LG Köln, Beschl. v. 23.6.2006 – 29 T 247/04, n.v.

226

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.30 Teil 6

scheidung des LG München I,46 dass ein Wohnungseigentümer sich nach Treu und Glauben nicht auf das fehlerhafte Abrechnungsjahr berufen könne, wenn eine langjährige Übung bezüglich des fehlerhaften Abrechnungszeitraumes bestehe. Der Eigentümer müsse erst eine Abänderung in einer Eigentümerversammlung verlangen. Unrichtig ist auch eine Entscheidung des LG Köln,47 wonach ein Anfechtungsrecht verwirkt, wenn ein Wohnungseigentümer über mehrere Jahre hinweg die Verwendung eines nicht mit der Gemeinschaftsordnung übereinstimmenden Kostenverteilungsschlüssels hinnimmt, ohne dagegen anzugehen. Ist in der Vergangenheit ein falscher Abrechnungszeitraum verwendet worden, muss einmalig ein Rumpfjahr abgerechnet werden, um wieder in den gesetzlichen oder vereinbarungsgemäßen Abrechnungszeitraum zu gelangen.48 Das LG Köln meint, bei einer Umstellung auf das Kalenderjahr könnten durchaus die Monate, die aufgrund der bisherigen fehlerhaften Abrechnungsmethode noch nicht abgerechnet worden sind, der nächsten Jahresabrechnung zugeschlagen werden, um in den Jahresrhythmus zu gelangen.49

6.26

Die Vorlage von vier Quartalsabrechnungen statt einer Abrechnung für das gesamte Wirtschaftsjahr durch einen Verwalter entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung,50 es sei denn, dies würde die Gemeinschaftsordnung vorsehen (was mir in der Praxis noch nicht begegnet ist).

6.27

Ein Verwalterwechsel im abzurechnenden Jahr könnte ein sachlicher Grund für eine Teilabrechnung sein,51 aber wohl nur, wenn von dem bisherigen Verwalter weder eine Rechnungslegung noch die Verwaltungsunterlagen erlangt werden können.52

6.28

Ist in der Gemeinschaftsordnung ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr festgelegt, muss der Verwalter die Jahresabrechnung diesem Zeitraum anpassen und die Eigentümer haben diese Abrechnungsperiode zu akzeptieren. Die Eigentümer besitzen keine Kompetenz, durch Mehrheitsbeschluss den Abrechnungszeitraum auf das Kalenderjahr umzustellen,53 es sei denn, in der Gemeinschaftsordnung ist eine Öffnungsklausel enthalten.

6.29

Die Auffassung des KG,54 die Eigentümergemeinschaft könne stets von Jahr zu Jahr den Zeitraum einer Jahresabrechnung abweichend von der gesetzlichen Regelung festlegen, teile ich deshalb nicht.

6.30

46 LG München I, Beschl. v. 10.11.2008 – 1 T 4472/08, ZMR 2009, 398 = ZWE 2009, 218; nachgehend (bestätigt) OLG München, Beschl. v. 17.2.2009 – 32 Wx 164/08, ZMR 2009, 630 = NJWRR 2009, 1466 = NZM 2009, 821. 47 LG Köln, Beschl. v. 1.9.2008 – 29 T 10/08, NZM 2008, 896. 48 AG Köln, Beschl. v. 16.9.2004 – 202 II 170/04, n.v.; Beispiel: falscher Abrechnungszeitraum jeweils 1.8. bis 31.7. des Folgejahres – Rumpfjahr 1.8. bis 31.12. des gleichen Jahres muss abgerechnet werden, sodann ist der Jahreszeitraum einzuhalten; vgl. hierzu auch LG München I, Urt. v. 4.5.2009 – 1 S 237/09, WuM 2009, 423 = NZM 2009, 822 = ZMR 2009, 947. 49 LG Köln, Urt. v. 8.5.2014 – 29 S 241/13, ZMR 2014, 823 = ZWE 215, 43 = DWE 2015, 36, in diesem Fall ging es um einen Monat „Überhang“. 50 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.9.2006 – 3 Wx 120/06, ZMR 2007, 128 = OLGR Düsseldorf 2007, 169 = NJW-RR 2007, 594; vgl. auch LG München I, Urt. v. 8.8.2011 – 1 S 4470/11, WuM 2011, 652 = ZWE 2012, 98 = DWE 2012, 87. 51 Vgl. hierzu AG Halle (Saale), Urt. v. 12.5.2009 – 120 C 358/09, n.v. 52 Vgl. hierzu OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 240/07, ZMR 2009, 58 = DWE 2008, 60. 53 So aber wohl LG Berlin, Beschl. v. 27.4.2001 – 85 T 384/00 WEG, ZMR 2001, 916, mit Anm. Häublein, ZMR 2002, 221; LG Berlin, Beschl. v. 9.11.2001 – 85 T 155/01, ZMR 2002, 385. 54 KG, Beschl. v. 27.2.2002 – 24 W 71/01, ZMR 2002, 462 = DWE 2002, 63 = NZM 2002, 447.

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Teil 6 Rz. 6.31

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

3. „Abgrenzungen“

6.31 In der Vergangenheit wurde intensiv über die Form und Ausgestaltung einer Jahresabrechnung gestritten. Feststellbar waren zwei grundsätzliche Positionen.

6.32 Eine Position war, dass in einer wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung Abgrenzungen vorgenommen werden dürften. Es wurde dabei nicht auf die tatsächlichen Zahlungsvorgänge abgestellt, sondern darauf, ob Leistungen, für die Rechnungen eingegangen sind, in dem abzurechnenden Wirtschaftsjahr erbracht wurden.

6.33 Das zweite Meinungslager vertrat die Auffassung, dass Abgrenzungen in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung nichts zu suchen haben, sondern in die Abrechnung nur solche Beträge aufgenommen werden dürfen, die tatsächlich in der jeweiligen Abrechnungsperiode zu- oder abgeflossen sind.

6.34 Die Vertreter der jeweiligen „Abgrenzungs-Lager“ habe ich mit den jeweiligen Veröffentlichungsnachweisen in der 3. Auflage dieses Handbuches genannt; mit der Meinung der Abgrenzungsbefürworter habe ich mich dort ebenfalls anhand der Gesetzgebungsgeschichte auseinander gesetzt. Falls notwendig, kann auf diese Ausführungen zurückgegriffen werden (dort Teil 7, Rz. 26 ff.).

6.35 Durch die Entscheidungen des BGH vom 4.12.200955 und 17.2.201256 hat sich der Streit über Abgrenzungen weitgehend erledigt. Der BGH hat sich der Meinung angeschlossen, dass grundsätzlich keine Abgrenzungen erfolgen dürfen, und ausgeführt, dass alle im Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) angefallenen tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben (und nur diese) in der Jahresabrechnung auszuweisen sind. Der BGH macht in seiner Entscheidung vom 17.2.2012 außerdem deutlich:57 „Die Abrechnung soll den Wohnungseigentümern aufzeigen, welche Ausgaben und welche Einnahmen die Wohnungseigentümergemeinschaft im Abrechnungszeitraum wirklich hatte. Deshalb dürfen in ihr nur tatsächlich erzielte Einnahmen und tatsächlich erfolgte Ausgaben gebucht werden.“

6.36 Gleichwohl wird die Diskussionen über Abgrenzungsfragen in der Literatur58 und vereinzelt auch in der Rechtsprechung59 in regelmäßigen Intervallen immer wieder neu eröffnet. Allerdings meine ich, dass die „Abgrenzungsdebatte“ lediglich eine Scheinproblematisierung darstellt und das Erfordernis von Abgrenzungen nicht wirklich nachweisen kann.

6.37 In einer wohnungseigentumsrechtlichen Jahresabrechnung haben Abgrenzungen im Sinne einer kaufmännischen Buchführung nichts zu suchen. Antizipative oder transitorische Posten, wie sie in einer kaufmännischen Bilanz auftauchen können (aktive und passive Ab55 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127. 56 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = GuT 2012, 61. 57 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = GuT 2012, 61. 58 Vgl. Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667. 59 LG München I, Beschl. v. 10.11.2008 – 1 T 4472/08, ZMR 2009, 398 = ZWE 2009, 218 (spricht „Abgrenzungen“ nur am Rande an).

228

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.42 Teil 6

grenzungen) sind in einer Jahresabrechnung für eine Wohnungseigentümergemeinschaft fehl am Platze. Ein Beispiel, das von Verwaltern häufig zum Anlass für eine „Abgrenzung“ genommen wird: 6.38 Ein Handwerker führt im Wirtschaftsjahr 1 eine Reparatur am Gemeinschaftseigentum durch und leitet die entsprechende Rechnung auch in diesem Wirtschaftsjahr dem WEG-Verwalter zu, der Verwalter bezahlt die Rechnung jedoch erst im Wirtschaftsjahr 2. Die Leistung des Handwerkers erfolgte zwar im Jahr 1 und auch die Forderung des Handwerkers entstand im Wirtschaftsjahr 1, der Rechnungsbetrag darf aber gleichwohl nicht in die Gesamtabrechnung des Wirtschaftsjahres 1 eingestellt werden, denn der Zahlungsvorgang (Zahlungsabfluss) lag nicht im Wirtschaftsjahr 1. Weil die Zahlung im Wirtschaftsjahr 2 erfolgte, ist der Zahlungsbetrag in die Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2 aufzunehmen. Es kommt allein auf den Geldfluss an und nicht auf die Leistung und eine Forderungsentstehung.

6.39

In diesem Zusammenhang führt das OLG Karlsruhe60 zu Recht aus, dass Ausgaben (für Handwerkerrechnungen), die zwar in dem betreffenden Wirtschaftsjahr fällig geworden sind, jedoch noch nicht beglichen wurden, nicht in die Abrechnung des betreffenden Wirtschaftsjahres eingestellt werden dürfen. Auch für Wasser-, Abwasser- und Stromkosten sowie für Hausmeister-Vergütungen und die damit verbundenen Zahlungsverpflichtungen hinsichtlich Sozialversicherung und Steuern ist allein der Zahlungsabfluss entscheidend.61

6.40

Versicherungsprämien sind auch oft Anlass für vom Verwalter vorgenommene Abgrenzungen, wenn die vom Versicherer auf der Versicherungsrechnung angegebene Versicherungsperiode sich über zwei Wirtschaftsjahre erstreckt. Aber auch insoweit gilt: Die im Wirtschaftsjahr erbrachte Zahlung ist in die Jahresabrechnung aufzunehmen; eine „periodengerechte“ Abgrenzung ist nicht zulässig.62 Der Geldabfluss für eine Prämienrechnung ist also auch dann in voller Höhe in die Jahresabrechnung des Zahlungsjahres einzustellen, wenn der Prämienzeitraum zwei verschiedene Wirtschaftsjahre betrifft.63

6.41

Das OLG Hamm und das LG Nürnberg-Fürth meinten, wenn überhaupt Abgrenzungen vorgenommen würden, dann müssten sie in der Jahresabrechnung offen ausgewiesen werden, sodass sie für jeden einzelnen Wohnungseigentümer erkennbar sind.64 Aber auch bei einem offenen Ausweis sind Abgrenzungen unzulässig.65 Der BGH lehnte die Meinung des OLG Hamm und des LG Nürnberg-Fürth ausdrücklich ab.66

6.42

60 OLG Karlsruhe (Senat in Freiburg), Beschl. v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, WE 1998, 189 = WuM 1998, 240 = DWE 1998, 189 = NZM 1998, 768. 61 Vgl. hierzu auch BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, ZWE 2000, 407 = DWE 2001, 32; AG Köln, Beschl. v. 28.7.1998 – 202 II 19/98, ZMR 1998, 724. 62 BayObLG, Beschl. v. 10.7.1998 – 2Z BR 49/98, ZMR 1998, 792 = WuM 1998, 750 = NZM 1999, 133. 63 So auch schon OLG Celle, Beschl. v. 20.5.1985 – 4 W 38/85, DWE 1987, 104. 64 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74; Abgrenzungen auch dann fehlerhaft, wenn sie offen gelegt wurden: BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, ZWE 2000, 407 = DWE 2001, 32. 65 So auch BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, ZWE 2000, 407 = DWE 2001, 32. 66 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = GuT 2012, 61.

Köhler

229

Teil 6 Rz. 6.43

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.43 Vom Geldflussprinzip (Abrechnung nach tatsächlichen Geldzuflüssen und Geldabflüssen) könnte die Eigentümergemeinschaft – trotz der Entscheidungen des BGH – abweichen, wenn eine wohnungseigentumsrechtliche Vereinbarung eine ausdrückliche andere Regelung enthält. Ein Mehrheitsbeschluss reicht für eine solche Abweichung jedoch nicht aus.67 Ein Versammlungsbeschluss, der beinhaltet, dass bei „wichtigen“ Abrechnungsposten Abgrenzungen vorgenommen werden dürfen, entspricht auf jeden Fall nicht ordnungsmäßiger Verwaltung;68 er dürfte sowohl im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 20.9.200069 als auch wegen fehlender Bestimmtheit sogar nichtig sein.70

6.44 Durch eine Vereinbarung könnte in der Gemeinschaftsordnung festgelegt werden, dass eine Jahresabrechnung offene Forderungen und Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungen und einen Vermögensstatus (Bestands- und Erfolgsrechnung nach HGB) enthalten soll. In einem vom LG Berlin71 entschiedenen Fall war tatsächlich vom aufteilenden Eigentümer in der Gemeinschaftsordnung bestimmt worden, dass neben einer Gesamt- und Einzelabrechnung auch eine Bilanz oder Bestandsrechnung Bestandteil der Jahresabrechnung sein müsse. Hierdurch, so das LG Berlin zu Recht, sei eine Bilanz oder Bestandsrechnung zu einem zusätzlichen Bestandteil der Jahresabrechnung erhoben worden, obwohl eine solche sonst nicht gefordert werde.

6.45 Ein aufmerksamer Blick in die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung ist für Verwalter und den beratenden Anwalt deshalb besonders wichtig. 4. Durchbrechung des Geldflussprinzips(?)

6.46 Es stellt sich die Frage, ob es Durchbrechungen des Geldflussprinzips gibt und ob insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 4.12.2009 (Instandhaltungsrücklagen-Entscheidung)72 und 17.2.2012 („Heizkosten-Entscheidung)73 von einer Durchbrechung des Prinzips gesprochen werden kann.

67 LG Berlin, Urt. v. 26.1.2010 – 55 S 112/09, Grundeigentum 2010, 493; so schon BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, ZWE 2000, 407 = DWE 2001, 32; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.11.1998 – 3 W 224/98, ZMR 1999, 66 = DWE 1999, 78; BayObLG, Beschl. v. 23.4.1993 – 2Z BR 113/92, BayObLGZ 1993, 185 = BayObLGR 1993, 50; a.A. Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667 (672). 68 BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, ZWE 2000, 407 = BayObLGR 2001, 2 = ZMR 2000, 687 = DWE 2001, 32 = NJW-RR 2000, 1466. 69 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771. 70 Vgl. zur Bestimmtheit auch Riecke, Der Bestimmtheitsgrundsatz im Wohnungseigentum, ZMR 2018, 173. 71 LG Berlin, Beschl. v. 4.7.1997, 85 T 66/96, n.v.; Entscheidung wurde durch KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 5613/97, n.v., bestätigt. 72 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127. 73 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = ZWE 2012, 216.

230

Köhler

Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.49 Teil 6

a) Instandhaltungsrücklage Die Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage gehört zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Mit der Instandhaltungsrücklage wird Vorsorge getroffen, dass die Mittel bereitstehen, um erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen zu finanzieren.

6.47

Die auf die Instandhaltungsrücklage bezogene Abrechnungs- und Darstellungsproblematik ist seit der „IR“-Entscheidung des BGH vom 4.12.2009 sehr viel klarer geworden,74 auch wenn immer wieder Auseinandersetzungen mit der neuen Darstellungsform erfolgen.75 Die bis zu dieser Entscheidung herrschende Abrechnungspraxis war tatsächlich inkonsequent. Bei der Instandhaltungsrücklage handelte es sich nach früher vertretener Meinung nicht um eine „Ausgabe im üblichen Sinne“, weil es nicht darum ging, tatsächlich angefallene Lasten und Kosten abzurechnen, sondern um die Bildung eines für einen besonderen Zweck bestimmten Vermögens der Gemeinschaft, so das BayObLG und weitere Obergerichte.76 Das BayObLG – und ihm folgend die wohnungseigentumsrechtliche Praxis – hatte es bei der Abrechnung und Darstellung der Instandhaltungsrücklage akzeptiert, dass in die Gesamtabrechnung der Sollbetrag der gemäß Wirtschaftsplan anzusammelnden Instandhaltungsrücklage eingestellt wurde, was bei der Darstellung des Bestandes der Instandhaltungsrücklage häufig zu einem Ausweis von Sollzahlen führte. Hintergrund war die Annahme, über die Jahresabrechnung müsse die Zahlungsverpflichtung – auch hinsichtlich der Beiträge zur Instandhaltungsrücklage – noch einmal „bestätigt“ werden. Statt auf den Wirtschaftsplan müssten Ansprüche nach Beschlussfassung über die Jahresabrechnung auf diese gestützt werden. Diese Ansicht ist aber durch die „Novations“-Entscheidung des BGH vom 30.11.199577 überholt. Es ist deshalb nicht mehr erforderlich und auch systemwidrig, Soll-Zahlen in die Jahresabrechnung aufzunehmen. Diese Erwägungen sind richtig, wie die Entscheidung des BGH vom 4.12.2009 bestätigt.78

6.48

aa) Ist-Darstellung der Instandhaltungsrücklage Der BGH hat klargestellt, dass die Darstellung der Instandhaltungsrücklage Ist-Beträge beinhalten muss, also die tatsächlichen Zuführungen (Zuflüsse zur Instandhaltungsrücklage) und die tatsächlich erfolgten Ausgaben (Abflüsse von der Instandhaltungsrücklage), was allerdings

74 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127. 75 Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667; Först, Darstellung der Rücklage für Instandhaltung und Instandsetzung, ZWE 2018, 302. 76 BayObLG, Beschl. v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZWE 2000, 135 = DWE 2000, 82; BayObLG, Beschl. v. 9.8.1990 – 2 Z 79/90, WuM 1990, 459 = NJW-RR 1991, 15; zustimmend: OLG Köln, Beschl. v. 5.4.2001 – 16 Wx 101/00, OLGReport 2001, 267; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1998 – 3 Wx 397/97, WE 1999, 227; vgl. auch schon BayObLG, Beschl. v. 6.3.1987 – 2 Z 26/86, BayObLGZ 1987, 86 = WuM 1988, 101 = NJW-RR 1988, 81 = WE 1987, 125. 77 BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = MDR 1996, 897 = ZMR 1996, 215 = NJW 1996, 725 = WuM 1996, 237; zur Novation siehe außerdem BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373; BGH, Beschl. v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290 = ZMR 1999, 834 = MDR 2000, 21; BGH, Urt. v. 10.3.1994 – IX ZR 98/93, ZMR 1994, 256 = WuM 1994, 346 = MDR 1994, 1113. 78 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127.

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231

6.49

Teil 6 Rz. 6.49

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

nicht sonderlich neu ist – diese Position ist schon vor der Entscheidung des BGH vertreten worden.79

6.50 Die Rücklagen-Darstellung soll nämlich den Wohnungseigentümern ermöglichen, die „Vermögenslage“ zu erkennen80 und „die Jahresabrechnung auf Plausibilität“ zu überprüfen. Dazu ist ein Wohnungseigentümer nur in der Lage, wenn die tatsächlich vorhandenen Instandhaltungsrücklagen in der Jahresabrechnung ausgewiesen werden – also die Ist-Beträge. Entgegen der Auffassung von Sauren81 stellt die Entscheidung des BGH vom 4.12.2009 keine „komplette Abkehr vom Kassenprinzip“ (Geldflussprinzip) dar; dieses Prinzip wird m.E. durch die BGHEntscheidung nicht berührt, weil keine „Lasten und Kosten“ abgerechnet werden. Es geht ausschließlich um eine reine Darstellungsproblematik bei dem Ausweis und Nachweis der Instandhaltungsrücklage.

6.51 Der BGH spricht von „tatsächlich erzielten Einnahmen“, die in der Darstellung der Instandhaltungsrücklage auszuweisen sind. Die „Einnahmen“ allein reichen für eine ordnungsmäßige Darstellung nicht aus. Die „Einnahmen“, die die Eigentümergemeinschaft durch die Zahlungen der Eigentümer auf die Position Instandhaltungsrücklage erzielt, müssen nicht mit den „Zuflüssen“ auf das gesonderte Konto der Instandhaltungsrücklage übereinstimmen. Es kann sein, dass die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ihre Hausgeldzahlungen (Vorschüsse zu den Lasten und Kosten sowie Beiträge zu der Instandhaltungsrücklage) in der beschlossenen Höhe erbracht haben, der Verwalter diese Beträge während des abzurechnenden Zeitraums aber (noch) nicht auf das gesonderte Rücklagen-Konto abgeführt hat. Das muss bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage berücksichtigt werden. bb) Ausweis der Rückstände

6.52 Neu (gegenüber früheren Darstellungsforderungen) ist allerdings, dass der BGH eine Darstellung verlangt, die auch die auf die Instandhaltungsrücklagen bezogenen Rückstände der Wohnungseigentümer (besser wohl: die Rückstände für die jeweiligen Sondereigentumseinheiten) ausweist. Es muss also zusätzlich zu den bisher schon als erforderlich angesehenen Angaben ausgewiesen werden, welche Eigentümer für welche Einheiten die beschlossenen und auf sie entfallenden Zuführungen zu der Instandhaltungsrücklage noch nicht geleistet haben. Diese Rückstände müssen dann in den späteren Abrechnungsjahren fortgeschrieben und in den jeweiligen Darstellungen der Instandhaltungsrücklage ebenso ausgewiesen werden, wie ein später erfolgter Zahlungsausgleich durch die Wohnungseigentümer. cc) IR-Zuführungsbetrag keine „fiktive Ausgabe“

6.53 Neu ist weiterhin die Position des BGH, dass in der Jahresabrechnung (konkret: in der Gesamtabrechnung und in der Einzelabrechnung) nicht mehr der von der Eigentümerversammlung beschlossene IR-Zuführungsbetrag als „fiktive Ausgabe“ eingestellt werden darf. Die tatsächlichen und geschuldeten Zahlungen der Wohnungseigentümer sind in der Jahres79 Vgl. Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.12.2005 – 5 W 166/05, NZM 2006, 228 = NJW-RR 2006, 731 = MietRB 2006, 169; LG Köln, Beschl. v. 9.8.2004 – 29 T 96/03, ZMR 2005, 150; BayObLG, Beschl. v. 5.8.1999 – 2Z BR 32/99, ZMR 1999, 778 = NZM 2000, 507 = NJW-RR 2000, 891 = DWE 2000, 121. 80 Vgl. zu steuerlichen Fragen: Drasdo, Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Beurteilungen, ZWE 2013, 297. 81 Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667 (669).

232

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.58 Teil 6

abrechnung weder als Ausgabe noch als sonstige Kosten aufzunehmen. Die tatsächlich erfolgten Zahlungen der Wohnungseigentümer, die für die Instandhaltungsrücklage bestimmt sind, stellen eine Einnahme der Gemeinschaft dar. Allerdings, dies erwähnt der BGH nicht explizit, stellen die tatsächlichen Zahlungen selbstverständlich keine Einnahmen dar, die auf die Wohnungseigentümer zu verteilen wären und ihre in der Jahresabrechnung ermittelten Spitzenbeträge (Nachzahlungs-/Auszahlungsbeträge) berühren. Nach dem Zweck der Instandhaltungsrücklage – Finanzierung von größeren Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen – handelt es sich bei den Zahlungen nur um „durchlaufende Posten“, die der Reservebildung für zukünftige Maßnahmen dienen. Allerdings muss aus der Gesamt- und Einzelabrechnung für den einzelnen Wohnungseigentümer auch deutlich werden, dass er noch Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage schuldet.

6.54

dd) Abflüsse vom Girokonto auf das IR-Konto keine Kostenposition Der BGH hat sehr deutlich gemacht: Gehen Zahlungen von Wohnungseigentümern auf dem normalen, für die Eigentümergemeinschaft geführten Girokonto ein, ändern die Überweisungen vom Girokonto auf das gesondert geführte Instandhaltungsrücklagen-Konto nichts daran, dass diese Abführungen keine Lasten- und Kostenbeträge darstellen, die in der Jahresabrechnung (Gesamt- und Einzelabrechnung) auszuweisen wären.

6.55

Deshalb sind Darstellungen in Jahresabrechnungen fehlerhaft, die die Abflüsse vom Girokon- 6.56 to auf das gesondert geführte IR-Konto (Geldanlagenkonto) als „Kostenposition“ aufführen und mit diesen Beträgen die einzelnen Eigentumseinheiten belasten. Die Abführungen sind – wie der BGH völlig zu Recht ausführt – lediglich interne Vorgänge, bei einer Ansammlung der Instandhaltungsrücklage auf dem Girokonto sogar nur interne Buchungsvorgänge. b) Heizkostenabrechnung Das Geldflussprinzip hat – jedenfalls bei der Gesamtabrechnung – eine Bestätigung durch die Entscheidung des BGH vom 17.2.2012 gefunden.82 Vor dieser Zeit war die praktische Handhabung sehr unterschiedlich und mitunter undurchsichtig. Es wurden die nach der Heizkosten-Verordnung errechneten Heizkosten in die Gesamtabrechnung eingestellt und die von der Abrechnungsfirma ermittelten Einzelkosten für das jeweilige Sondereigentum ausgewiesen. Diese Abrechnungsmethode führte dazu, dass die Jahresabrechnungen insgesamt schwierig nachzuvollziehen waren, weil die Referenzzahlen (Nachweis von tatsächlichen Geldabflüssen in einer Girokontodarstellung) meist fehlten oder von Verwaltern unlogisch – mitunter sogar unvollständig – dargestellt wurden.

6.57

Die Entscheidung des BGH vom 17.2.2012 ist ersichtlich von dem Gedanken getragen, mehr Transparenz für die Wohnungseigentümer zu schaffen.83 Der BGH betont in seiner Entscheidung erneut „Die Verwaltung hat eine geordnete und übersichtliche Einnahmen- und Ausgabenabrechnung vorzulegen, die für einen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich ist. Diesen Anforderungen genügt eine Abrechnung, wenn alle in dem betreffenden Wirtschaftsjahr tatsächlich erzielten Einnahmen und erfolgten Ausgaben eingestellt werden. Die Darstellung der tatsächlichen Geldflüsse ermöglicht durch einen

6.58

82 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = ZWE 2012, 216. 83 Zu Abrechnungsvorschlägen: Spielbauer, Heizkosten in der Jahresabrechnung, ZWE 201, 237.

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233

Teil 6 Rz. 6.58

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

Abgleich mit den Gesamtkontoständen ohne Weiteres die Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. Diese einfache Prüfung ließe sich im Falle der Vornahme von Abgrenzungen nicht oder nur erschwert durchführen.“ Deshalb hat der BGH der bisherigen „Abgrenzungspraxis“ bei den Heizkosten auch eine deutliche Absage erteilt.

6.59 Der BGH differenziert zwischen der Gesamtabrechnung und den Einzelabrechnungen. Bei der Gesamtabrechnung sind die tatsächlichen Zahlungsflüsse zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung von Brennstoffen stehen; der BGH erwähnt die Zahlungsflüsse, die im Zusammenhang mit „dem Verbrauch von Brennstoffen“ stehen; dies dürfte jedoch falsch sein, weil der Verbrauch keinen Zahlungsabfluss auslöst. Der BGH meint sicherlich Nebenkosten, wie Stromkosten, Heizungswartungskosten usw.; solche Kosten müssen – wie auch die Abrechnungskosten – in die Gesamtabrechnung aufgenommen werden.

6.60 In die Einzelabrechnungen sind die von den Heizkosten-Abrechnungsunternehmen nach der Heizkostenverordnung ermittelten Beträge für die jeweilige Sondereigentumseinheit einzustellen.

6.61 Gesamtabrechnung und Einzelabrechnung unterscheiden sich nach ihrer Zielrichtung. Die Gesamtabrechnung dient der Kontrolle des Verwalters, die Einzelabrechnungen dienen demgegenüber der Heizkostenverteilung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer. Der BGH weist darauf hin, dass die HeizkostenV eine Abrechnung nach dem Verbrauch vorschreibt,84 was zu einer Kollision mit dem Geldflussprinzip im Wohnungseigentumsrecht führt. Aber auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Heizkostenverordnung ist an dem im Wohnungseigentum herrschenden Einnahmen-/Ausgaben-Prinzip festzuhalten.

6.62 Wenn zwischen der Gesamtabrechnung und den Einzelabrechnungen zu unterscheiden ist, sind die Abweichungen zwischen Gesamt- und Einzelabrechnung erklärungsbedürftig. Der Verwalter, so der BGH, müsse deshalb die Abweichungen zwischen der Gesamtabrechnung (mit dem Ausweis der für die Anschaffung von Brennstoffen und aller weiteren tatsächlich aufgewandten Kosten, die im Zusammenhang mit den Heizkosten stehen) und den Einzelabrechnungen im Rahmen der Jahresabrechnung erläutern.

6.63 Werden vom Verwalter keine Erklärungen gegeben, entspricht der Beschluss über die Jahresabrechnung m.E. nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Verstößt der Verwalter gegen seine Hinweis- und Erklärungspflicht, darf ihm auch keine Entlastung erteilt werden.

6.64 Der BGH befasst sich auch mit dem Kostenverteilungsschlüssel für die aufgewandten Beträge zur Anschaffung von Brennstoffen. Diese Kosten (wie auch die weiteren „Neben“-Kosten) müssen nach dem gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssel (bzw. nach dem in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen allgemeinen Verteilungsschlüssel) verteilt werden.85

6.65 Dadurch entsteht aber in einer Übergangsphase eine temporäre Doppelbelastung bei den Heizkosten. Einerseits werden die Wohnungseigentümer mit den Anschaffungskosten belas-

84 Falsch (jedenfalls hinsichtlich der Verrechnung eines Heizölbestandes) und deshalb auch als „Lösungsvorschlag“ gefährlich: Schlüter, Zur BGH-Heizkosten-Entscheidung: Lösungsvorschlag, ZWE 2013, 101. 85 Der BGH nimmt hierzu Bezug auf Drasdo, Die Abrechnung der Heizkosten im Wohnungseigentum, NZM 2010, 681 (683).

234

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.67 Teil 6

tet (allgemeiner Kostenverteilungsschlüssel), andererseits mit den Kosten aus der Heizkostenabrechnung. Stellen die Verwalter ihre Jahresabrechnungen auf die Methode des BGH um und weisen ei- 6.66 nerseits in der Gesamtabrechnung die Kosten für die Anschaffung von Brennstoffen nebst Nebenkosten nach dem Geldflussprinzip aus, verteilen diese Kosten dann nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel in der Einzelabrechnung auf die Wohnungseigentümer, werden die Miteigentümer mit den abgeflossenen Beträgen belastet. Gleichzeitig werden sie aber in der Einzelabrechnung zusätzlich auch mit den nach der Heizkostenverordnung ermittelten Heizkosten belastet. Diese Doppelbelastung bei den Eigentümern führt dazu, dass die Eigentümergemeinschaft höhere Einnahmen aus den Spitzenbeträgen der Jahresabrechnungen erhält, die sie in dem nächsten Jahr ausgleichen muss,86 womit sich der BGH allerdings nicht beschäftigt hat.87 Diese höheren Einnahmen bestehen aus der Differenz zwischen den im Vorjahr verauslagten Kosten für den Bezug von Brennstoffen und den in der Heizkostenabrechnung schon abgerechneten Brennstoffkosten. Diese Differenz kann in den folgenden Jahren allerdings auch negativ sein, wenn nämlich der in der Heizkostenabrechnung abgerechnete Brennstoffverbrauch höher ist als der Kostenbetrag für den Erwerb von Brennstoffen.88 Drasdo89 meint, der Liquiditätsüberschuss stehe der Eigentümergemeinschaft „zur freien Verfügung“ und könne „im Vermögen der Eigentümergemeinschaft verbleiben“. Das dürfte jedoch nicht richtig sein. Die zusätzlichen liquiden Mittel stellen „Einnahmen“ der Eigentümergemeinschaft dar, die auch in der Geldflussrechnung der Eigentümergemeinschaft ausgewiesen werden müssen. In den folgenden Jahren gleichen sich die tatsächlichen Brennstoffzahlungen und die Beträge der Heizkostenabrechnung nach der HeizkVO jeweils aus. c) Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten Aus dem Geldflussprinzip folgt auch, dass in einer Jahresabrechnung der Ausweis von For- 6.67 derungen und Verbindlichkeiten fehl am Platze ist und solche Positionen in der Abrechnung nicht erscheinen dürfen90 – jedenfalls soweit diese Angaben nicht nur informatorische Bedeutung haben und von der eigentlichen Abrechnung deutlich getrennt worden sind. Der Wunsch der Eigentümer, in der Jahresabrechnung auch Forderungen und Verbindlichkeiten auszuweisen, kann nur durch Vereinbarung realisiert werden, nicht durch Beschluss.91 Ein gleichwohl erfolgender Beschluss wäre nichtig. Eine langjährige Hinnahme von Abrechnungen (und Ab86 Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667 (668), meint deshalb, es müsse eine Abgrenzung erfolgen. Das ist jedoch nicht richtig; in Wirklichkeit handelt es sich um eine Einnahmen-/AusgabenRechnung. 87 Vgl. Casser, Heizkosten in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung, ZWE 2018, 117. 88 Vgl. auch Drasdo, Die Abrechnung der Heizkosten im Wohnungseigentum, NZM 2010, 681. 89 Drasdo, Die Abrechnung der Heizkosten im Wohnungseigentum, NZM 2010, 681 (683). 90 BayObLG, Beschl. v. 28.2.2002 – 2Z BR 171/01, ZMR 2002, 684 = NZM 2002, 455; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1998 – 3 Wx 397/97, WE 1999, 227; OLG Hamm, Beschl. v. 21.11.1996 – 15 W 107/96, ZMR 1997, 251 = DWE 1997, 36 = WE 1997, 194; BayObLG, Beschl. v. 10.3.1994 – 2Z BR 11/94, WuM 1994, 498 = DWE 1994, 156 = WE 1995, 91; BayObLG, Beschl. v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WuM 1994, 230 = DWE 1994, 154; OLG Köln, Beschl. v. 23.9.1996 – 16 Wx 130/96, n.v.: Aufnahme von Sollbeträgen nicht statthaft, unbeglichene Verbindlichkeiten dürfen nicht aufgenommen werden; AG Köln, Beschl. v. 28.7.1998 – 202 II 19/98, ZMR 1998, 724. 91 Vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 178/03, juris, sonst n.v.; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, juris, sonst n.v.; BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, WuM 2000, 431 = NZM 2000, 873 = ZMR 2000, 687 = ZWE 2000, 407.

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Teil 6 Rz. 6.67

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

rechnungsbeschlüssen), die eine Abrechnungsform mit dem Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten beinhalteten, ist unerheblich.92

6.68 Ein Eigentümer hat aus diesem Grunde auch keinen Anspruch auf Ergänzung der Jahresabrechnung um einen Vermögensstatus,93 der die Forderungen und Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft ausweist. Eine solche Aufstellung gehört nicht zu den Bestandteilen einer Jahresabrechnung.94 d) Uneinbringliche Hausgeldforderungen

6.69 Ein nicht näher spezifizierter Einnahmeausfall des Vorjahres darf nicht in die Jahresabrechnung als Soll-Position (Kostenposition) aufgenommen werden, so das Kammergericht;95 Ausnahmeausfälle müssen genau definiert werden, damit die Eigentümer erkennen können, ob und weshalb die Einnahmen nicht mehr realisiert werden können. Einnahmeausfälle können auch nur dann auf die Eigentümer umgelegt werden, wenn sich herausstellt, dass die Forderungen nicht nur dubios werden, sondern endgültig uneinbringlich sind.

6.70 Dubiose Forderungen (auch „zweifelhafte Forderungen“ genannt) liegen vor, wenn der Zahlungseingang unsicher und ein vollständiger oder teilweiser Forderungsausfall zu erwarten ist. Das kann der Fall sein, wenn der Schuldner (Wohnungseigentümer) sich in Verzug befindet

92 Vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 178/03, juris, sonst n.v.; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, juris, sonst n.v. 93 In der wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung wird der Begriff des „Vermögensstatus“ nicht einheitlich verwendet, vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 178/03, juris, sonst n.v.; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, juris, sonst n.v., wo mit „Vermögensstatus“ wohl der Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten gemeint wird und auch die „Entwicklung der Instandhaltungsrücklage“ darunter gefasst wird. Vgl. im Übrigen: LG München I, Urt. v. 18.8.2010 – 1 S 1874/10, ZMR 2011, 64 und LG München I, Urt. v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZWE 2010, 138 = WuM 2010, 381 = ZMR 2010, 554 (Vermögensstatus = Rücklagen); OLG Hamm, Beschl. v. 16.4.2007 – 15 W 108/06, ZMR 2007, 984 = OLGReport Hamm 2007, 641 „Vermögensstatus“ = „Anfangs- und Endbestände“ (gemeint wohl der gemeinschaftlichen Konten); OLG Schleswig, Beschl. v. 23.1.2002 – 2 W 137/01, ZMR 2002, 382 (= Forderungen und Verbindlichkeiten); OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZMR 2001, 1001 = ZWE 2001, 446 („Vermögensstatus“ = Girokontodarstellung mit „Abgrenzungen“); BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, WuM 2000, 431 = NZM 2000, 873 = ZMR 2000, 687 = ZWE 2000, 407 (= Bestands- und Erfolgsrechnung im Sinne des HGB); ebenso OLG Celle, Beschl. v. 17.11.1999 – 4 W 263/99, OLGReport Celle 2000, 137; vgl. auch Drasdo, Die Pfändung von Wohngeldforderungen in der Jahresabrechnung, ZWE 2011, 251 und Niedenführ, Vermögensstatus in der Abrechnung, ZWE 2011, 65; Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667 (673) fordert einen „Vermögensstatus“. 94 BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, WuM 2018, 110 = NJW 2018, 942 = ZMR 2018, 343; BGH, Urt. v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, WuM 2013, 757 = ZWE 2014, 36 = MDR 2014, 143; hierzu Anm. Dötsch, jurisPR-MietR 25/2013 Anm. 5; ablehnend zur Entscheidung des BGH vom 11.10.2013: Lang, Keine neue „Jahrhundertentscheidung“ zur Jahresabrechnung nach § 28 WEG, ZMR 2014, 769; vgl. auch Dötsch, Anm. zu LG Stuttgart, Urt. v. 20.12.2017, jurisPR-MietR 9/2018 Anm. 2; BayObLG, Beschl. v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZWE 2000, 135 = ZMR 2000, 238 = NZM 2000, 280 = DWE 2000, 82. 95 KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 24 W 8413/99, ZWE 2001, 381 = KGR Berlin 2001, 209 = WuM 2001, 355 = DWE 2001, 117.

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Köhler

Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.75 Teil 6

und der Eingang der Zahlung ungewiss ist und/oder über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und voraussichtlich mit einem Ausfall zu rechnen ist. Uneinbringliche Forderungen liegen erst dann vor, wenn die Forderung verjährt ist (wenn also der Verwalter versäumt hat, die Forderungen rechtzeitig geltend zu machen), wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt wurde, wenn der Schuldner eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, aus der sich ergibt, dass der Anspruch auch in absehbarer Zeit nicht realisiert werden kann, oder wenn der Schuldner auch nach intensiven Ermittlungen unauffindbar bleibt und damit die Forderung nicht realisiert werden kann.96

6.71

Das BayObLG meinte in einer Entscheidung,97 uneinbringliche Hausgeld-Forderungen dürften nicht in die Jahresabrechnung aufgenommen werden. Stattdessen könnten diese Beträge als Sonderumlage auf die Eigentümer umgelegt werden. Das ist falsch, weil diese Sonderumlage eine Einnahme darstellt (die dann in der Jahresabrechnung als gezahlter Vorschuss auf die Lasten und Kosten behandelt werden muss),98 die uneinbringlichen Hausgeld-Forderungen durch ein solches Vorgehen auch nicht endgültig auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden. Bei tatsächlich uneinbringlichen Hausgeldschulden eines Eigentümers muss m.E. eine Ausnahme von dem Geldzufluss-/Geldabflussprinzip gemacht werden.

6.72

Wenn die uneinbringlichen Hausgeldforderungen als „Kostenposition“ in die Jahresabrechnung aufgenommen und auf die Eigentümer umgelegt worden sind, später aber doch noch der gesamte geschuldete Betrag oder ein Teil davon eingetrieben wurde, müssen die Beträge wieder als Einnahmen in der Abrechnung ausgewiesen und auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden.

6.73

Ist zwischen einer Eigentümergemeinschaft und einem säumigen Wohnungseigentümer ein 6.74 Vergleich geschlossen worden, über den auch ein bestandskräftiger Beschluss gefasst wurde, sind die durch den Vergleich ausfallenden Hausgelder in eine Jahresabrechnung einzustellen.99 e) Auslagen eines Wohnungseigentümers für Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft Das KG100 meint, obwohl eine Jahresabrechnung „grundsätzlich eine reine Einnahmen- und 6.75 Ausgabenaufstellung“ sei, könnten als Ausgaben auch solche Beträge aufgenommen werden, die als Auslagen eines Wohnungseigentümers für das Gemeinschaftseigentum anerkannt und mit dem von ihm geschuldeten Hausgeld verrechnet werden oder für die dem Wohnungseigentümer eine Gutschrift erteilt wird. Ich halte dies teilweise für fehlerhaft. Ein von der Gemeinschaft anerkannter Auslagenbetrag kann erst dann in die Gesamtabrechnung als Ausgabe eingestellt werden, wenn auch tatsächlich der Geldabfluss erfolgte. Nur, wenn der Wohnungseigentümer zu Recht101 eine Aufrechnung mit seinen Hausgeldvorauszahlungen vorgenom96 Der letzte Fall ist nur relevant, wenn auch nicht auf das Grundstück (Wohnungseigentum) des Schuldners zugegriffen werden kann. 97 BayObLG, Beschl. v. 10.4.2002 – 2Z BR 70/01, NZM 2002, 531. 98 Vgl. BGH, Beschl. v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, BGHZ 108, 44 = MDR 1989, 898 = NJW 1989, 3018 = DWE 1989, 130 = Rpfleger 1989, 472. 99 AG Tostedt, Urt. v. 22.7.2009 – 5 C 396/08, ZMR 2009, 963. 100 KG, Beschl. v. 24.5.1993 – 24 W 3698/92, WuM 1993, 429 = NJW-RR 1993, 1104 = DWE 1994, 83. 101 Z.B. weil er eine Notmaßnahme im gemeinschaftlichen Interesse finanziert hatte.

Köhler

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Teil 6 Rz. 6.75

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

men hat, kann dieser Aufrechnungsvorgang als Geldabfluss angesehen werden. Wird dagegen von der Eigentümergemeinschaft lediglich eine Auslage des Eigentümers anerkannt, kann der Betrag noch nicht in die Abrechnung aufgenommen werden.102 5. Grundsätze der Verteilung von Lasten und Kosten a) Verteilung auf alle Miteigentümer/alle Einheiten

6.76 Nach § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seiner im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile zu tragen.103 Selbst wenn der einzelne Wohnungseigentümer bestimmte Einrichtungen nicht nutzt, gilt für den Wohnungseigentümer die Verpflichtung zur Tragung der anfallenden Lasten- und Kosten, so der BGH.104 Der BGH nennt dabei beispielsweise Treppenhaus, Aufzug, Kinderspielplatz, Fahrradkeller, Waschmaschinen- und Tischtennisraum und führt aus, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gebe, wonach ein Wohnungseigentümer keine Kosten für solche Einrichtungen zu tragen habe, die ihm persönlich keinen Nutzen bringen. Der BGH hat deshalb die Verteilung der Aufzugskosten auf alle Miteigentümer als richtig angesehen, selbst wenn sich ein Aufzug nur in einem Haus (von mehreren) befindet. Diese Ansicht des BGH ist nunmehr auch einheitliche Meinung der Obergerichte.105 Das OLG Hamm106 führt richtigerweise aus, die Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass die Abwesenheit eines Wohnungseigentümers oder die Nichtnutzung des Wohnungseigentums nicht von der Tragung der Lasten und Kosten entbindet, verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Insbesondere, wenn gemeinschaftliche Ausgaben nicht für jede einzelne Wohnung aufgrund der Angaben von Messeinrichtungen, sondern pauschal nach einem Schlüsselverfahren abgerechnet werden, kann die Pflicht zur Tragung der Lasten nicht von der Benutzung oder Nichtbenutzung der Eigentumseinheit abhängig gemacht werden. Ist allerdings eine Regelung in einer Gemeinschaftsordnung enthalten, wonach nur die Nutzungsberechtigten die Lasten und Kosten für bestimmte Teile des Gemeinschaftseigentums tragen sollen, ist dies zu beachten.107

6.77 Bestimmungen in Gemeinschaftsordnungen, die die Verteilung der Lasten und Kosten abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln (sollen), müssen klar und eindeutig sein. Bleiben 102 Unklar ist die Entscheidung des OLG Hamm, Beschl. v. 4.3.1993 – 15 W 295/92, OLGReport 1994, 32 = DWE 1993, 112 = NJW-RR 1993, 845, in der ausgeführt wird, in der Gesamtabrechnung könnten Leistungen gegenüber Dritten berücksichtigt und den jeweiligen Einzelabrechnungen gutgebracht werden. 103 Vgl. hierzu auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, V., Rz. 153. 104 BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – VII ZB 15/83, BGHZ 92, 18 = MDR 1984, 928 = ZMR 1984, 420 = NJW 1984, 2576 = DWE 1984, 27. 105 OLG Celle, Beschl. v. 28.11.2006 – 4 W 241/06, OLGReport Celle 2007, 8 = NZM 2007, 217 (unter Hinweis auch auf eine mietrechtliche Entscheidung des BGH, Urt. v. 20.9.2006 – VIII ZR 103/06, MDR 2007, 329); OLG Köln, Beschl. v. 13.2.1995 – 16 Wx 6/95, OLGReport Köln 1995, 194 = WuM 1995, 446 = NJW-RR 1995, 973 = DWE 1995, 72; keine Unbilligkeit des Kostenverteilungsschlüssels, wenn ein Wohnungseigentümer eine gemeinschaftliche Einrichtung nicht nutzt: OLG Schleswig, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 W 89/97, OLGReport Schleswig 1997, 346 = NJWRR 1998, 15 = WuM 1997, 697 = DWE 1998, 142; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1985 – 3 W 317/85, NJW-RR 1986, 95 = DWE 1986, 28 (zu Aufzugskosten). 106 OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.1981 – 15 W 169/80, WEM 1981, Heft 4, 38, 43 f. 107 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 12.9.2002 – 2Z BR 64/02, NZM 2003, 29.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.80 Teil 6

Zweifel, sind die Lasten und Kosten nach der gesetzlichen Regelung zu verteilen.108 Regelt die Gemeinschaftsordnung, dass Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums nach Möglichkeit dem Verursacherprinzip entsprechend auf die Miteigentümer zu verteilen sind, gilt das nicht für den Fall, dass das Gemeinschaftseigentum bereits bei Bildung der Eigentümergemeinschaft mit Mängeln behaftet ist.109 Werden in der Teilungserklärung Gebäudebestandteile, die zwingend Gemeinschaftseigentum sind, dem Sondereigentum zugeordnet, ist die Zuordnung nichtig; enthält aber die Gemeinschaftsordnung eine Regelung, dass die Kosten der Instandsetzung des Sondereigentums von dem jeweiligen Sondereigentümer zu tragen sind, kann dies zu einer Kostentragungspflicht hinsichtlich der fehlerhaft zugeordneten Teile des Gemeinschaftseigentums führen.110 Bei der rechtsanwaltlichen Beratung sind die Entscheidungen des BGH vom 16.11.2012111 6.78 und vom 4.5.2018112 zu beachten. Der Entscheidung vom 16.11.2012 lag die Regelung in der Gemeinschaftsordnung zugrunde „Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), sind von ihm auf seine Kosten instand zu setzen und instand zu halten.“, bei der Entscheidung vom 4.5.2018 war in der Gemeinschaftsordnung fixiert: „Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia) sind von ihm auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen.“ Der BGH hat hieraus den Schluss gezogen, dass die Instandhaltungs- und Kostentragungspflicht des Wohnungseigentümers nicht auf das Sondereigentum beschränkt ist, sondern auch das damit zusammenhängende Gemeinschaftseigentum erfasst. Werden einem sondernutzungsberechtigten Wohnungseigentümer in der Gemeinschaftsordnung Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflichten für den Sondernutzungsbereich übertragen, bedeutet das im Zweifel, dass er auch die Kosten hierfür tragen muss.113 Andererseits, so der BGH: „Unterscheidet die Gemeinschaftsordnung begrifflich zwischen Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören, und weist sie nur die Pflicht zu deren Instandhaltung einem Sondereigentümer zu, ist die Instandsetzung im Zweifel Sache der Gemeinschaft“.114

6.79

Die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung sind deshalb sehr sorgfältig zu prüfen und intensiv mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzugleichen. b) Besonderheiten aa) Abwasserhebeanlage Befindet sich eine Abwasserhebeanlage in einem gemeinschaftlichen Kellerraum, dient sie gleichwohl aber nur der Wasserentsorgung eines einzelnen Wohnungseigentums, gehört sie 108 OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2001 – 16 Wx 221/01, OLGReport Köln 2002, 91 = ZMR 2002, 779. 109 OLG Köln, Beschl. v. 21.9.2001 – 16 Wx 153/01, ZMR 2002, 377. 110 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.5.2000 – 11 Wx 71/99, NZM 2002, 220. 111 BGH, Urt. v. 16.11.2012 – V ZR 9/12, WuM 2013, 57 = MDR 2013, 22 = ZWE 2013, 29. 112 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 163/17, WuM 2018, 529 = MDR 2018, 986 = ZMR 2018, 833. 113 BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, WuM 2017, 168 = ZMR 2017, 256 = MDR 2017, 567. 114 BGH, Urt. v. 9.12.2016 – V ZR 124/16, WuM 2017, 224 = MDR 2017, 449 = ZWE 2017, 216.

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6.80

Teil 6 Rz. 6.80

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

als „Gebäudebestandteil der Wohnung“ zum Sondereigentum. Die Kosten für den Betrieb, für die Instandhaltung und die Instandsetzung sind von dem jeweiligen Sondereigentümer allein zu tragen.115 bb) Fenster/Balkon- und Wohnungsabschlusstüren

6.81 Ist in der Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass Instandsetzungsarbeiten von dem betreffenden Wohnungseigentümer ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens zu veranlassen sind, ist zweifelhaft, ob auch die entsprechenden Kosten von dem Eigentümer zu tragen sind.116 In der Jahresabrechnung können die betreffenden Kosten nur allein auf den Wohnungseigentümer umgelegt werden, wenn die Gemeinschaftsordnung dies eindeutig und klar bestimmt. Zu einer erstmaligen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes ist der Wohnungseigentümer jedoch auch dann nicht verpflichtet.117 Ist in einer Gemeinschaftsordnung geregelt, dass die Fenster nicht von der Gemeinschaft, sondern von den einzelnen Eigentümern instandgehalten werden müssen, unterscheidet das LG Berlin zwischen der Verwaltungsbefugnis und der Kostentragungslast.118 Die Verwaltungsbefugnis bestimme, wer für die Arbeiten zuständig ist (Gemeinschaft/einzelner Eigentümer), die Kostentragungslast betreffe die Frage, wer die Kosten tragen müsse. Sind beide Fragen nicht klar und eindeutig in der Gemeinschaftsordnung geregelt, bleibe es bei der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung.119 Die hier angesprochene Problematik muss in jedem Einzelfall sehr genau mit den oben (unter Rz. 6.78) erwähnten BGH-Entscheidungen abgeglichen werden. cc) Folgekosten eines berechtigten Ausbaus

6.82 Hat ein Wohnungseigentümer Teile des Gebäudes berechtigt aufgrund einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung ausgebaut, hat er – falls in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes geregelt ist – sowohl die Kosten des Ausbaus als auch die daraus für die Gemeinschaft entstehenden Folgekosten zu tragen. Die Regelung des § 16 Abs. 2 WEG greift dann nicht ein.120 115 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2000 – 3 Wx 276/00, ZWE 2001, 223 = OLGReport Düsseldorf 2001, 199 = ZMR 2001, 216 = NZM 2001, 752 = DWE 2001, 28. 116 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.1998 – 3 Wx 376/98, ZMR 1999, 279 = NZM 1999, 277 = WuM 1999, 350 = DWE 1999, 37; diese Entscheidung wurde vom BGH, Urt. v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = WuM 2012, 395 = ZWE 2012, 267, ausdrücklich abgelehnt; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.1996 – 3 Wx 359/95, WuM 1996, 443 = OLGReport Düsseldorf 1996, 201 = ZMR 1997, 38 = DWE 1998, 46. 117 BayObLG, Beschl. v. 20.11.2002 – 2Z BR 45/02, WuM 2003, 163 = ZMR 2003, 366 = ZWE 2003, 187; BayObLG, Beschl. v. 18.7.1996 – 2Z BR 63/96, ZMR 1996, 574 = WE 1996, 400 = WuM 1997, 187 = DWE 1998, 29; LG Köln, Urt. v. 22.12.2016 – 29 S 145/16, ZMR 2017, 262 = ZWE 2017, 262; a.A. (aber wohl eher nicht zutreffend) LG Koblenz, Beschl. v. 3.7.2014 – 2 S 36/14, ZMR 2015, 57 = ZWE 2015, 269, und LG München I, Urt. v. 27.6.2011 – 1 S 1062/11, ZMR 2012, 44 = ZWE 2012, 47 (nachfolgend BGH, Urt. v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = WuM 2012, 395 = ZWE 2012, 267). 118 LG Berlin, Urt. v. 18.12.2018 – 55 S 86/18, Juris; vgl. zu einer fehlenden klaren und eindeutigen Regelung auch LG Köln, Urt. v. 11.10.2018 – 29 S 66/18, ZMR 2019, 71. 119 Vgl. dazu einerseits BGH, Urt. v. 22.11.2013 – V ZR 46/13, WuM 2014, 159 = ZWE 2014, 125 = ZMR 2014, 899, andererseits LG Hamburg, Urt. v. 9.4.2014 – 318 S 133/13, DWE 2014, 83 = ZMR 2014, 61 = ZWE 2014, 410. 120 BayObLG, Beschl. v. 16.3.2000 – 2Z BR 181/99, ZWE 2000, 526 = DWE 2000, 159 = ZfIR 2000, 378; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 27.4.2001 – 2Z BR 70/00, ZMR 2001, 829 = ZWE 2001, 424.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.86 Teil 6

dd) Glasschäden Ist nach der Gemeinschaftsordnung der einzelne Wohnungseigentümer verpflichtet, die Kosten für Glasschäden an Fenstern und Türen im Bereich seines Wohnungseigentums zu tragen, gehören dazu auch die Kosten für den Austausch blind gewordener Glasscheiben.121

6.83

ee) Heizkosten/Warmwasserkosten Für die Heiz- und Warmwasserkosten-Abrechnung kann auf Rz. 6.57–6.66 verwiesen werden, dort wurde auf die Differenzierungsnotwendigkeiten hingewiesen.

6.84

ff) Leer stehende/nicht fertig gestellte Wohnungen Bei leer stehenden Wohnungen/Teileigentumseinheiten besteht eine Verpflichtung der betref- 6.85 fenden Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlichen Lasten und Kosten anteilig zu tragen.122 Heizkosten für Wohnungen, die nicht an die zentrale Heizungsanlage angeschlossen und seit Jahren nicht bewohnt waren, dürfen überhaupt nicht geschätzt werden, meint das Kammergericht; es sei unbillig, den Eigentümer der leer stehenden Wohnungen auf der Grundlage von Schätzwerten vergleichbarer anderer Wohnungen an den verbrauchsabhängigen Energiekosten zu beteiligen.123 Das erscheint fragwürdig. Es liegt nämlich in der Entscheidungsmacht des einzelnen Eigen- 6.86 tümers, das Sondereigentum zu nutzen, zu vermieten, zu verkaufen oder leer stehen zu lassen, deshalb kann gegenüber der Eigentümergemeinschaft keine Kostenbefreiung in Betracht kommen, weder für die Heizkosten noch für die sonstigen Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums. Entscheidend ist nämlich nicht die tatsächliche Nutzung, sondern die Nutzungsmöglichkeit. Bei den Kostenpositionen, die durch den Kostenverteilungsschlüssel verbrauchsabhängig ausgestaltet worden sind, ergibt sich eine „automatische“ Reduzierung der Kosten wegen geringeren Verbrauchs. Alle anderen Kostenpositionen entstehen auch gegenüber dem Eigentümer, der sein Sondereigentum leer stehen lässt. Dies gilt auch für den Bauträger, dessen Sondereigentum jahrelang wegen Unverkäuflichkeit leer steht;124 in einem solchen Fall kann es auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, keine Kostenbefreiung geben. Treu und Glauben fordert nämlich auch die Berücksichtigung der Interessen aller anderen Miteigentümer und es ist nicht ersichtlich, warum diese Nachteile erleiden sollten, nur weil der Bauträger seine Objekte nicht verkaufen kann. Allerdings kann die Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergeben, dass für einen nicht ausgebauten Dachgeschoss121 BayObLG, Beschl. v. 3.8.2000 – 2Z BR 184/99, WuM 2000, 560 = NZM 2000, 1081; zu Glasschäden vgl. auch BGH, Urt. v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = WuM 2012, 395 = ZWE 2012, 267, sowie AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 8.11.2012 – 980b C 50/12, ZMR 2013, 488. 122 Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 28 WEG, Rz. 67; LG Dortmund, Urt. v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 640; OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.1981 – 15 W 169/80, OLGZ 1982, 20 = Rpfleger 1981, 440; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2003 – 15 W 342/03, Rpfleger 2004, 369 = ZMR 2004, 456 (allerdings nur eine Nebenbemerkung); AG Magdeburg, Beschl. v. 23.12.2005 – 180 UR II 57/05, ZMR 2006, 324 = WE 2006, 174. 123 KG, Beschl. v. 9.6.2009 – 24 W 357/08, ZWE 2010, 186 = ZMR 2010, 133; a.A. BayObLG, Beschl. v. 7.4.1988 – 2 Z 157/87, MDR 1988, 677 = WuM 1988, 334 = NJW-RR 1988, 1166. 124 So auch Röll, NJW 1976, 1473, unter IV.; a.A. Bub, Finanz- und Rechnungswesen, V., Rz. 156 m.w.N.; Zoebe, DWE 1976, 7, stellt lediglich auf eine Kostenverteilung nach „billigem Ermessen“ ab, ohne aber seine eigene Position klar darzulegen; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 28.9.1978 – 2 Z 21/77, BayObLGZ 1978, 270 = DWE 1980, 27 = Rpfleger 1978, 444 = DB 1979, 646; OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.1981 – 15 W 169/80, OLGZ 1982, 20 = Rpfleger 1981, 440.

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Teil 6 Rz. 6.86

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

raum keine Lasten- und Kostenbeteiligung erfolgen soll, solange der Raum nicht ausgebaut ist.125

6.87 Bei noch nicht errichteten Sondereigentumseinheiten126 wird der Grundsatz von Treu und Glauben nur dann erfordern, dass die Eigentümer der nicht errichteten Sondereigentumseinheiten von den Lasten und Kosten befreit werden, wenn die Einheiten endgültig nicht fertiggestellt werden sollen. Grundsätzlich haben nämlich die betroffenen Wohnungseigentümer (wie auch jeder andere Wohnungseigentümer) einen Anspruch auf Fertigstellung des stecken gebliebenen Baus, jedenfalls hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums.127

6.88 Besteht keine Bereitschaft, das Gemeinschaftseigentum fertig zu stellen, und wird dies auch nicht gerichtlich erzwungen, können die betroffenen Eigentümer der nicht fertig gestellten Einheiten von den anderen Miteigentümern eine Zustimmung zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels verlangen.128 Die Änderung bedurfte nach der bisherigen Rechtslage einer Vereinbarung, wie die Entscheidung des BGH vom 20.9.2000129 deutlich macht. Diese Vereinbarung konnte immer schon im Wege des gerichtlichen Vergleichs erfolgen,130 aufgrund dessen auch eine Grundbucheintragung bewirkt werden kann. Es konnte auch eine notarielle Beurkundung der Einigung aller Eigentümer erfolgen.131 Nach der Rechtslage ab dem 1.7.2007 kann eine Änderung durch Beschluss erfolgen (§ 16 Abs. 3 WEG), der eine Bindungswirkung für später eintretende Wohnungseigentümer hat. Sollen die nicht fertig gestellten Einheiten noch fertig gestellt werden oder ist dies unklar, sind die Eigentümer dieser Einheiten an den Lasten und Kosten zu beteiligen.132

125 Vgl. Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 29.7.2008 – 5 Wx 47/07, ZMR 2009, 857. 126 Vgl. hierzu auch Drasdo, Die Zahlungspflicht des Bauträgers für leerstehende und noch nicht errichtete oder vermietete Einheiten, BTR 2003, 73; Drasdo, Der Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der Kostenbefreiung für nicht erstellte, nicht verkaufte oder leerstehende Einheiten, BTR 2003, 119 (Rechtslage vor 2007!). 127 Vgl. Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 22 WEG, Rz. 287 ff.; OLG Dresden, Beschl. v. 5.6.2008 – 3 W 231/08, ZMR 2008, 812 = OLGR Dresden 2009, 278; OLG Celle, Beschl. v. 4.5.2005 – 4 W 77/05, ZInsO 2005, 818; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.11.1993 – 20 W 208/92, WuM 1994, 36; BayObLG, Beschl. v. 20.2.1992 – 2 Z 159/91, WuM 1992, 280; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.1991 – 20 W 114/90, OLGZ 1991, 293 = ZMR 1991, 272 = WuM 1994, 35 = DWE 1991, 160; OLG Köln, Beschl. v. 10.8.1989 – 16 Wx 113/88, ZMR 1989, 384 = DWE 1989, 180; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.3.1979 – 11 W 98/78, OLGZ 1979, 287 = NJW 1981, 466 = Justiz 1979, 336, mit Anm. Röll, NJW 1981, 467; LG Bonn, Beschl. v. 2.7.1984 – 5 T 46/84, ZMR 1985, 63. 128 Vgl. auch Müller, Praktische Fragen, S. 273 f. (dort Rz. 145 f.). 129 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771. 130 Im Rahmen eines gegen die übrigen Miteigentümer gerichteten Antrages auf Zustimmung zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels; eine Änderung der Miteigentumsanteile kann m.E. nicht verlangt werden. 131 Zum Stimmrecht bei nicht fertig gestellten Wohnungen: OLG Braunschweig, Beschl. v. 15.8.1994 – 3 W 6/94, OLGReport Braunschweig 1994, 257; die Entscheidung dürfte nicht richtig sein. 132 Vgl. zum Problem auch: BayObLG, Beschl. v. 19.2.1987 – 2 Z 114/86, BayObLGZ 1987, 66 = WuM 1988, 92 = NJW-RR 1987, 714; Bub, Finanz- und Rechnungswesen, V., Rz. 157.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.91 Teil 6

gg) Thermostatventile/Heizkörper/Heizleitungen/Heizungsventile Thermostatventile an den Heizkörpern in den Wohnungen, wie auch die Heizkörper selbst und die dazugehörenden Anschlussleitungen zur Zentralheizung, sind nicht zwingend Gemeinschaftseigentum, sondern können durch die Gemeinschaftsordnung dem Sondereigentum zugewiesen werden.133 Die Kosten für die Reparatur und einen Austausch der Ventile gehören dann zu den Kosten des Sondereigentums.134

6.89

hh) Kaltwasser-Kosten Äußerst umstritten war bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.9.2003, wie Wasserkosten verteilt werden müssen. Die Diskussion hierüber hat aber durch diese Entscheidung des BGH ihr Ende gefunden.135

6.90

Aus der Entscheidung des BGH, der die Rechtsprechung gefolgt ist,136 ergeben sich folgende Grundsätze:

6.91

– Die Kosten der Wasserversorgung von Sondereigentumseinheiten und die (damit verbundenen) Kosten der Abwasserentsorgung gehören nicht zu den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums. – Ergibt sich aus der Gemeinschaftsordnung keine konkrete Regelung, dass auch die Kosten für den Kaltwasserverbrauch im Sondereigentum nach den Kostenverteilungskriterien der Gemeinschaftsordnung zu behandeln sind, bedarf es zur Einführung einer verbrauchsabhängigen Wasserabrechnung keiner Vereinbarung. – Ein Beschluss über die verbrauchsabhängige Abrechnung entspricht im Allgemeinen ordnungsmäßiger Verwaltung (sie trägt dem Verursacherprinzip Rechnung und dient als Anreiz zur Sparsamkeit). Allerdings hat die Gemeinschaft aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts einen Ermessensspielraum; es können alle für und gegen eine verbrauchsabhängige

133 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = ZWE 2011, 394 = ZMR 2011, 971; vgl. Schultz, Die Zuordnung von Thermostatventilen und Heizkörpern zum Sondereigentum und deren Auswirkung bei der Anwendung der Energieeinsparungs- und Heizkostenverordnung, DWE 2012, 97; Schlüter, Gehören Thermostatventile zum Sondereigentum?, ZMR 2011, 935; Schmid, Heizkörper, Heizungsleitungen, Thermostatventile u.a. im Sondereigentum, DWE 2011, 128. 134 Der BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = ZWE 2011, 394 = ZMR 2011, 971, lehnt die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG Hamm, Beschl. v. 6.3.2001 – 15 W 320/00, ZWE 2001, 393 = OLGReport Hamm 2001, 323 = ZMR 2001, 839 = NJW-RR 2002, 156, und anderer Obergerichte ab. 135 BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 193 = MDR 2004, 86 = ZMR 2003, 937 = NJW 2003, 3476 = DWE 2004, 131 = ZWE 2004, 66; vgl. hierzu auch Fritsch, Die Abrechnung von Kaltwasserkosten im Wohnungseigentum – Praxisrelevante Folgeprobleme zur Rechtsprechung des BGH, WE 2005, 8; Bielefeld, Die verbrauchsabhängige Wasserkostenabrechnung, DWE 2003, 125; Greiner, Abfallgebühren als Kosten des Sondereigentums – oder – das Recht auf eine eigene Mülltonne, ZMR 2004, 319; Hauger, Einbau von Kaltwasserzählern keine bauliche Veränderung, sondern Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ZfIR 2003, 1046; Häublein, Erfassung und Verteilung von Kaltwasserkosten in der Wohnungseigentumsanlage, NJW 2003, 3529; Hogenschurz, Die Abrechnung von Kabelanschluss- und Abfallgebühren nach der Entscheidung des BGH, ZMR 2003, 910. 136 Z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 18.10.2005 – 15 W 424/04, ZMR 2006, 706 = ZWE 2006, 232, mit Anm. Hügel, ZWE 2006, 234; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.9.2004 – 2 Wx 1/04, OLGReport Hamburg 2005, 152 = ZMR 2004, 936, mit Anm. Ott, MietRB 2005, 156.

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Teil 6 Rz. 6.91

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

Abrechnung sprechenden Umstände abgewogen werden. Diese Umstände könnten u.a. sein: – (dafür) Einbau von Wasserzählern würde gesetzlich vorgeschrieben, – (dafür) jede andere Abrechnungsmethode (als die verbrauchsabhängige) erschiene grob unbillig, – (dafür) Verbrauchserfassungsgeräte wären schon (vollzählig und gebrauchsfähig) vorhanden, – (dagegen) die wirtschaftlichen Aufwendungen (für Nachrüstung, Wartung, Eichung, Ablesung, zusätzliche Abrechnungskosten) sind unverhältnismäßig hoch – hier kann ein 10-Jahres-Vergleich vorgenommen werden. – Ist allerdings in der Gemeinschaftsordnung eine konkrete Regelung bezogen auf den Verbrauch im Sondereigentum enthalten, besteht ein Änderungsanspruch (z.B. Wechsel von der bisherigen MEA-Verteilung zur verbrauchsorientierten Verteilung) nur, „wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an der Regelung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen“. Eine Erwartung, dass innerhalb von zehn Jahren eine deutliche Kostenersparnis zu erzielen sein könnte, reicht hierfür allein nicht aus. – Auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung für die Nachrüstung bestehender Gebäude mit Kaltwasserzählern besteht, sind die Eigentümer gleichwohl durch einen gefassten Beschluss über die verbrauchsabhängige Verteilung der Wasserkosten zur Nachrüstung verpflichtet. Ohne Nachrüstung könnte der Beschluss nicht vollzogen werden. – Ein Einbau von Kaltwasserzählern zum Zwecke der verbrauchsabhängigen Verteilung der Wasser- und Abwasserkosten kann dann eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen (und keine bauliche Veränderung).

6.92 Die Entscheidung des BGH griff der Deutsche Bundestag im Rahmen der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (2007) auf, weshalb bei Änderungswünschen, die sich auf Kaltwasser-Kosten und den Einbau von Kaltwasser-Zählern beziehen, auch stets § 16 Abs. 3 und 4 WEG zu berücksichtigen ist. ii) Doppelparkeranlagen/Mehrfachparkeranlagen

6.93 Die Abrechnung von Kosten für Doppelparkeranlagen wirft durchaus Probleme auf,137 weshalb hier eine genaue rechtsanwaltliche Prüfung notwendig ist. Eine Doppelparkeranlage (Mehrfachparkeranlage/Doppelstockgarage) kann im Sondereigentum stehen, wenn die Teilungserklärung dies vorsieht.138 Das Sondereigentum bezieht sich dann auch auf die Hebevorrichtung für die Doppelstockgarage, sofern sie nicht auch noch andere Doppelstock-

137 Vgl. auch Ott, Mehrfachparker – Instandhaltung, Instandsetzung und Kostentragung, ZWE 2013, 156. 138 BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = NJW-RR 2012, 85 = ZWE 2012, 81 = DWE 2012, 27; vgl. zu einem (vermeintlichen) Schadensersatzanspruch gegenüber einem Verwalter, der auf Regelungen in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vertraut hat: AG Dippoldiswalde, Urt. v. 25.4.2013 – 2 C 804/12, ZMR 2013, 837 = ZWE 2014, 285.

244

Köhler

Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.98 Teil 6

garagen betreibt.139 Werden mehrere Doppelstockgaragen von einer Hebeanlage betrieben, gehört diese zum Gemeinschaftseigentum.140 Innerhalb eines Sondereigentums kann Bruchteilseigentum bestehen. Für die Kostentragung 6.94 bedeutet das, alle Kosten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Instandsetzung der Doppelparkeranlage stehen, sind von dem oder den jeweiligen Eigentümer(n) zu tragen.141 Es handelt sich, wie bei jeder im Grundbuch (Abt. I) eingetragenen Eigentumseinheit, um eine (selbständige) Abrechnungseinheit. Besteht innerhalb dieses Sondereigentums Bruchteilseigentum, müssen die Bruchteilseigentümer deshalb den Kostenausgleich intern regeln. Mit dem internen Kostenausgleich der Bruchteilseigentümer hat der Verwalter nichts zu tun. Bruchteilseigentümer haften gesamtschuldnerisch gegenüber der Eigentümergemeinschaft.142 Ein Beschluss, wonach die Tiefgarageneigentümer Instandsetzungskosten für eine Hebeanlage tragen sollen, die mehrere Doppelstockgaragen betreibt, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und stellt keine nach § 16 Abs. 4 S. 1 WEG zulässige Regelung dar. Grundsätzlich hätten alle Eigentümer (wegen des Gemeinschaftseigentums an der Hebeanlage) die Kosten tragen müssen; eine anderweitige, durch Beschluss festgelegte Kostenverteilung hätte sich am Gebrauchsmaßstab orientieren und außerdem nach § 21 Abs. 3 WEG auch noch ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen müssen.143

6.95

Ist für eine Doppelparkeranlage lediglich ein Sondernutzungsrecht festgelegt worden, 6.96 kommt es auf die konkrete Regelung in der Gemeinschaftsordnung an, wie die Kosten zu verteilen sind.144 Wenn in der Gemeinschaftsordnung keine konkrete Regelung enthalten ist, wonach die Kostenlast auf den Sondernutzungsberechtigten übertragen wird, gilt die gesetzliche Kostenregelung (Kostenverteilung auf alle Eigentümer).145 Hat der Verwalter Beträge für die im Sondereigentum oder im Sondernutzungsrecht stehenden Doppelparker verauslagt, kommt es auf die Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung an, ob die Beträge in der Jahresabrechnung unmittelbar (ohne dass die übrigen Eigentümer belastet werden) auf den oder die betroffenen Eigentümer umgelegt werden dürfen (vgl. hierzu die folgenden Ausführungen).

6.97

jj) Sonderbelastung eines einzelnen Eigentümers Eigentümergemeinschaften können Zahlungs- oder Erstattungsansprüche gegen einzelne Eigentümer haben, sei es aus Maßnahmen, die von der Eigentümergemeinschaft im Sondereigentum ergriffen wurden (z.B. bei der Beseitigung von Wasserschäden im Sondereigen139 BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = NJW-RR 2012, 85 = ZWE 2012, 81 = DWE 2012, 27. 140 LG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2014 – 10 S 4/14, ZWE 2016, 44; differenzierend (aber wohl nicht ganz richtig): LG München I, Urt. v. 6.6.2013 – 36 S 16142/12, ZMR 2017, 429; Anm. Elzer, Info M 2013, 79; siehe auch LG München I, Urt. v. 5.11.2012 – 1 S 1504/12 WEG, DWE 2013, 42 = ZMR 2013, 308 = ZWE 2013, 165. 141 Vgl. hierzu auch Ott, Mehrfachparker – Instandhaltung, Instandsetzung und Kostentragung, ZWE 2013, 156. 142 LG Saarbrücken, Beschl. v. 13.4.2010 – 5 T 303/09, ZWE 2010, 416 m. w. N. 143 LG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2014 – 10 S 4/14, ZWE 2016, 44. 144 Siehe zu einer solchen Regelung: AG Syke, Urt. v. 20.12.2012 – 10 C 552/10, ZMR 2013, 670. 145 Vgl. KG, Beschl. v. 7.2.2005 – 24 W 81/03, ZMR 2005, 569 = ZWE 2005, 334 = DWE 2005, 33, mit Anm. Niedenführ, InfoM 2005, 255.

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6.98

Teil 6 Rz. 6.98

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

tum, wobei der Versicherer Kosten, die das Sondereigentum betreffen, nicht erstattet hat),146 sei es aus Schadensersatzansprüchen der Eigentümergemeinschaft für von dem Eigentümer verursachte Schäden.

6.99 Viele Verwalter – bestärkt auch noch durch Verwaltungsbeiräte – neigten in der Vergangenheit dazu, solche Kosten – wie auch Kosten für Mahnungen bei ausstehenden Hausgeldzahlungen o.ä. – in den Jahresabrechnungen unmittelbar den „betroffenen“ Wohnungseigentümern anzulasten und nicht auf die gesamte Gemeinschaft umzulegen. Dieser Praxis hat der BGH jedoch – völlig zu Recht – eine Absage erteilt.147

6.100 In die Jahresabrechnung müssen alle in dem betreffenden Wirtschaftsjahr von dem Konto der Gemeinschaft verauslagten Beträge eingestellt werden, unabhängig davon, ob die Verauslagung der Beträge von dem Verwalter zu Recht oder zu Unrecht erfolgte.148 Die eingestellten Lasten und Kosten sind nach dem für die Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen, auch wenn die Gemeinschaft, der Verwaltungsbeirat, einzelne Eigentümer oder der Verwalter der Auffassung sind, die Gemeinschaft habe gegen einen Eigentümer einen Erstattungs- oder Ersatzanspruch.149 Erst in einem zweiten, von der Abrechnung unabhängigen Schritt ist der einzelne Eigentümer auf Erstattung der Beträge in Anspruch zu nehmen. Das ist auch richtig, denn weder der Verwalter noch der Beirat noch die Eigentümergemeinschaft haben die Kompetenz, über die Berechtigung eines Erstattungsanspruchs zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist alleine den Gerichten vorbehalten.

6.101 Von diesem Verteilungsgrundsatz gibt es nur drei begrenzte Ausnahmen150: – Der betreffende Wohnungseigentümer hat den Anspruch anerkannt, – der Anspruch der Eigentümergemeinschaft ist schon tituliert,151 – die Gemeinschaftsordnung sieht ausdrücklich eine Kostentragungspflicht des Sondereigentümers für bestimmte Kosten vor (z.B. bei ausdrücklicher Anordnung in der Ge-

146 Vgl. zu Fragen der Versicherungen im Wohnungseigentum den Teil 18 in diesem Handbuch. 147 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = NZM 2011, 366 = ZWE 2011, 256. 148 Vgl. hierzu auch LG Berlin, Urt. v. 29.6.2018 – 55 S 96/17 WEG, ZWE 2019, 86; LG Dortmund, Urt. v. 5.12.2017 – 1 S 28/17, ZMR 2018, 350 = ZWE 2018, 270; LG Hamburg, Urt. v. 13.9.2017 – 318 S 66/13, ZMR 2018, 66 = ZWE 2018, 136. 149 Vgl. dazu auch LG Hamburg, Urt. v. 13.9.2017 – 318 S 66/16, ZMR 2018, 66 = ZWE 2018, 136, Anm. Fleßner, IMR 2018, 159. 150 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = NZM 2011, 366 = ZWE 2011, 256, unter II. 2. c); teilweise bedenklich ist die Auffassung von Schultzky, Ansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer als Kostenverteilungsschlüssel, ZWE 2018, 198. 151 Bei diesem Kriterium ist zu beachten, dass die Titulierung zeitlich vor der Eigentümerversammlung liegen muss, in der der Beschluss über die Jahresabrechnung des Wirtschaftsjahres erfolgt, in dem der Zahlungsfluss stattfand. Wenn die Titulierung zeitlich nach der Eigentümerversammlung erfolgte, in der über das Wirtschaftsjahr beschlossen wurde, darf der verauslagte Betrag nicht im nächsten Wirtschaftsjahr als Forderung gegenüber dem Eigentümer in die dann zu beschließende Jahresabrechnung eingestellt werden. Eine solche Vorgehensweise verstieße gegen das Geldzufluss- und Geldabflussprinzip.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.105 Teil 6

meinschaftsordnung, dass der Wohnungseigentümer Kosten für bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen – Austausch von Fenstern o. Ä. – zu tragen hat).152 Frage ist, ob der Beschluss, der eine Jahresabrechnung genehmigt, lediglich anfechtbar oder nichtig ist, wenn in der Jahresabrechnung eine Kostenbelastung erfolgte, die von den vorgenannten Ausnahmen nicht erfasst ist. Nach meiner Auffassung ist ein solcher Beschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig;153 die Gemeinschaft darf den einzelnen Wohnungseigentümer nicht – abweichend von der Kostenverteilungsregelung im Gesetz oder in der Gemeinschaftsordnung – mit Sonderkosten belasten. Die Gemeinschaft – die meint, Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer zu haben – ist darauf zu verweisen, ihre Ansprüche in einem geordneten (gerichtlichen) Verfahren geltend zu machen.

6.102

Der BGH hat die Frage nach der Nichtigkeit nicht explizit beantwortet, sondern den Beschluss in dem entschiedenen Fall nur für ungültig erklärt und nicht die Nichtigkeit festgestellt.154 6. Mehrhausanlagen/Untergemeinschaften Zu den grundsätzlichen Fragen des Komplexes „Mehrhausanlagen/Untergemeinschaften“ kann auf die Ausführungen im Teil „Wirtschaftsplan“ (Teil 5, Rz. 5.88–5.95) verwiesen werden.

6.103

Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass für Untergemeinschaften Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen zu erstellen sind, muss der Verwalter dies beachten. Es sind in diesem Fall die Lasten und Kosten, die allein die Untergemeinschaften betreffen, zu ermitteln und in der Jahresabrechnung nur auf die Sondereigentumseinheiten der jeweiligen Untergemeinschaften zu verteilen. Die Lasten und Kosten, die das Grundstück insgesamt, mehrere Gebäude (Untergemeinschaften) oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen, müssen demgegenüber aber in der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer verteilt werden.155

6.104

7. Kosten von gerichtlichen Verfahren der Eigentümergemeinschaft Kosten für einen Rechtsstreit werden von Verwaltern regelmäßig aus den gemeinschaftlichen Geldern (den Vorschüssen auf die Lasten und Kosten) entnommen. Theoretisch könnte ein Verwalter bei anstehenden Rechtsstreitigkeiten die beteiligten Wohnungseigentümer auch um einen separat zu zahlenden Vorschuss bitten; das ist aber in der Praxis unüblich und wegen der fast immer bestehenden Eilbedürftigkeit einer (aktiven oder passiven) Rechtsverfol-

152 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 163/17, WuM 2018, 529 = MDR 2018, 986 = ZMR 2018, 833; BGH, Urt. v. 16.11.2012 – V ZR 9/12, MDR 2013, 22 = WuM 2013, 57 = ZWE 2013, 29 = ZMR 2013, 290. 153 Wenn man der h.M. folgt, die eine teilweise Ungültigkeit eines Beschlusses akzeptiert (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2012 – V ZR 233/11, MDR 2013, 83 = ZWE 2013, 47 = ZMR 2013, 212; LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.2.2016 – 2-13 S 225/13, ZMR 2016, 559), wäre jedenfalls der Belastungsteil als nichtig anzusehen. 154 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = NZM 2011, 366 = ZWE 2011, 256. 155 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, WuM 2012, 575 = NJW-RR 2012, 1291 = ZWE 2012, 494.

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6.105

Teil 6 Rz. 6.105

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

gung auch nicht sinnvoll. Es tritt bei der Jahresabrechnung zwangsläufig die Frage auf, wie die Kosten zu verteilen sind.156

6.106 Wichtig ist, dass Rechtsstreitkosten in Jahresabrechnungen nachvollziehbar dargestellt werden – mit Hinweisen, für welche(s) konkrete(n) Verfahren die Kosten entstanden sind. Eine Jahresabrechnung, die eine solche Nachvollziehbarkeit vermissen lässt, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. a) Rechtsstreitigkeiten mit gemeinschaftsfremden Dritten

6.107 Kosten, die im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten gegen gemeinschaftsfremde Dritte (Handwerker, Lieferanten und auch ausgeschiedene Wohnungseigentümer) entstehen, sind Gemeinschaftskosten nach § 16 Abs. 2 WEG. Deshalb sind sie in die Jahresabrechnung aufzunehmen und dort nach dem für die Gemeinschaft geltenden Verteilungsschlüssel auf die Wohnungseigentümer zu verteilen. b) Kosten eines Entziehungsverfahrens

6.108 Die Kosten eines Entziehungsverfahrens nach § 18 WEG gehören nach § 16 Abs. 7 WEG auch zu den Kosten der Verwaltung i.S.d. § 16 Abs. 2 WEG.157 Sie sind deshalb ebenfalls in der Jahresabrechnung aufzunehmen und nach dem für die Gemeinschaft geltenden Verteilungsschlüssel auf die Wohnungseigentümer – auch auf den betroffenen Wohnungseigentümer158 – zu verteilen.

6.109 Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des obsiegenden Wohnungseigentümers, gegen den der Entziehungsprozess geführt wird, bleibt davon unberührt. Der obsiegende Wohnungseigentümer kann von der Eigentümergemeinschaft die Erstattung seiner entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung verlangen. Die dem Wohnungseigentümer erstatteten Kosten gehören zu den gemeinschaftlichen Kosten der Verwaltung und sind demnach auch auf den obsiegenden Miteigentümer anteilig zu verteilen.159 Von diesem Grundsatz kann nach meiner Auffassung auch nicht im Rahmen einer „Billigkeitswägung“ abgewichen werden; eine Kostenbefreiung des obsiegenden Miteigentümers kommt auch dann nicht in Betracht, wenn er keinerlei begründeten Anlass für die Einleitung des Entziehungsverfahrens gegeben hat.160 Diese Position wird durch § 18 Abs. 1 S. 2 WEG bestärkt, weil das Recht zur 156 Vgl. dazu auch Drasdo, Die Umlage der Verfahrenskosten mit besonderem Blick auf Beschlussanfechtungsverfahren, NZM 2015, 65. 157 Vgl. zu einem Entziehungsverfahren in einer Zweier-Gemeinschaft: BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – V ZR 281/12, WuM 2013, 706 = ZWE 2014, 101 = MDR 2014, 268. 158 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.1996 – 3 Wx 356/93, ZMR 1996, 571 = WuM 1996, 586 = NJW-RR 1997, 13 = WE 1996, 423; hierzu Drasdo, Zur Verteilung von Prozesskosten auf die Wohnungseigentümer in einem Entziehungsprozess, ZMR 1996, 573; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.1985 – 8 W 424/84, OLGZ 1986, 32 = NJW-RR 1986, 379 = WuM 1986, 152 = DWE 1986, 25; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.5.1983 – 11 W 128/82, Justiz 1983, 416 = WEM 1984, Heft 5, 17 (dort unvollständiges Aktenzeichen und falsches Datum); BayObLG, Beschl. v. 28.4.1983 – 2 Z 44/82, BayObLGZ 1983, 109 = JMBl BY 1983, 170 = WEM 1984, Heft 4, 29. 159 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.1996 – 3 Wx 356/93, ZMR 1996, 571 = WuM 1996, 586 = NJWRR 1997, 13 = WE 1996, 423; a.A. mit beachtlichen Gründen: Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 16 Rz. 164. 160 Wohl a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.1996 – 3 Wx 356/93, ZMR 1996, 571 = WuM 1996, 586 = NJW-RR 1997, 13 = WE 1996, 423.

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Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.115 Teil 6

Ausübung des Entziehungsrechts dem Verband (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) zusteht. Die Vorschrift des § 16 Abs. 7 WEG bezieht sich nur auf das Klageverfahren zur Veräußerung des Wohnungseigentums, nicht auf eine Beschlussanfechtungsklage, mit der der betroffene Wohnungseigentümer auf Ungültigkeitserklärung des Entziehungsbeschlusses klagt. Obsiegt der anfechtende Wohnungseigentümer im Beschlussanfechtungsverfahren, tragen die Beklagten (die übrigen Eigentümer der Gemeinschaft) die Kosten des Rechtsstreits; an diesen Kosten ist der Kläger nicht beteiligt.

6.110

c) Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG Die Behandlung von Vorschüssen für gerichtliche Verfahren in Wirtschaftsplänen wurde be- 6.111 reits im Teil 5, Rz. 5.47–5.49, erörtert und auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof aus 2014 hingewiesen. Auch für die Jahresabrechnung ist diese Entscheidung vom 17.10.2014 von Bedeutung.161 Ganz am Ende seiner Entscheidung beschäftigt sich der BGH nämlich mit der besonderen Situation, dass in einem Wirtschaftsplan Kosten für ein bestimmtes schon anhängiges oder konkret zu erwartendes Beschlussanfechtungsverfahren eingestellt werden sollen. In dem Fall müssen die Parteirollen beachtet werden und der Anfechtungskläger darf nicht mit den Vorschüssen belastet werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Jahresabrechnung. Ist ein Beschlussanfechtungsverfahren bereits anhängig und entstehen hierfür Kosten, dürfen die Kosten nicht auf den Anfechtungskläger verteilt werden. Bei einem konkret zu erwartenden Anfechtungsverfahren können in der Regel noch keine Kosten entstanden sein, so dass in der Jahresabrechnung auch keine Kosten verteilt werden können. Sind Vorschüsse für solche konkret zu erwartende Anfechtungsverfahren geleistet worden, müssen diese in der Jahresabrechnung gutgeschrieben werden.162

6.112

Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass aus der Jahresabrechnung hervorgehen muss, für welchen konkreten Rechtsstreit Kosten angefallen sind. Das gilt insbesondere für die Kosten von Beschlussanfechtungsverfahren, die in einer Jahresabrechnung auftauchen. Wird der Beschluss, mit dem die Jahresabrechnung genehmigt wird, gerichtlich angegriffen, müssen die verklagten Wohnungseigentümer darlegen, für welche Prozesse und in welcher Höhe die Kosten angefallen sind. Ist das den Beklagten nicht möglich, könnte der Genehmigungsbeschluss – selbst wenn die Abrechnung im Übrigen korrekt sein sollte – für ungültig erklären werden.163

6.113

Eherner Grundsatz ist auch bei der Verteilung von Rechtsstreitkosten, dass alle Kosten, die der 6.114 Verwalter im Wirtschaftsjahr aus den gemeinschaftlichen Geldern verauslagt hat, in die Jahresabrechnung aufgenommen werden müssen. Wie Kosten eines Rechtsstreits nach § 43 WEG zu verteilen sind, richtet sich erst einmal nach § 16 Abs. 8 WEG:

161 BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, MDR 2015, 146 = NZM 2015, 135 = ZWE 2015, 91. 162 Falls nicht etwas anderes, nämlich eine „verschobene“ Abrechnung nach tatsächlichem Anfall der Kosten konkret durch Beschluss festgelegt worden war. 163 LG Dortmund, Urt. v. 17.3.2011 – 11 S 251/10, ZMR 2011, 660.

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6.115

Teil 6 Rz. 6.115

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

„Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 43 gehören nur dann zu den Kosten der Verwaltung i.S.d. Absatzes 2, wenn es sich um Mehrkosten gegenüber der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts aufgrund einer Vereinbarung über die Vergütung (§ 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 6) handelt.“

6.116 Die Bestimmung des § 16 Abs. 8 WEG erfordert demnach in der Jahresabrechnung eine differenzierte Behandlung der Rechtsstreitkosten.164 Hat der Verwalter mit einem Rechtsanwalt eine Streitwertvereinbarung (§ 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 6 WEG) getroffen, sind die Mehrkosten gegenüber den gesetzlichen Kosten von allen Wohnungseigentümern zu tragen. Nehmen wir an, dass der „gesetzliche“ (und vom Gericht festgesetzte) Streitwert in einer Beschlussanfechtungsklage (ein Wohnungseigentümer gegen die übrigen Wohnungseigentümer) 2 000 Euro beträgt, der (ordnungsgemäß) vereinbarte Streitwert demgegenüber aber 8 000 Euro, sind die Gebühren in der Jahresabrechnung sowohl nach dem vereinbarten Streitwert (hierüber ergeht die Liquidation des Rechtsanwalts) als auch fiktiv nach dem niedrigeren gerichtlich festgesetzten Streitwert zu berechnen. Die aufgrund des gerichtlich festgesetzten Streitwerts errechneten Gebühren sind allein auf die im Beschlussanfechtungsverfahren beklagten „übrigen Eigentümer“ zu verteilen, die entstehenden Mehrkosten aufgrund der Streitwertvereinbarung sind aber auf alle Eigentümer, also auch auf den Kläger, zu verteilen.

6.117 Gewinnt der anfechtende Wohnungseigentümer die Beschlussanfechtungsklage, tragen die Beklagten die gesetzlichen und vom Gericht festgesetzten Kosten des Rechtsstreits – und zwar unter Ausschluss des Klägers. Die eigenen Kosten müssten die übrigen Eigentümer eigentlich ebenfalls alleine tragen. Aufgrund des § 16 Abs. 8 WEG ergibt sich aber die Besonderheit, dass der klagende Wohnungseigentümer auch an den Kosten der unterliegenden übrigen Eigentümer beteiligt ist, nämlich wenn eine Streitwertvereinbarung gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG vorliegt. Die durch die Vereinbarung entstehenden Mehrkosten (aber auch nur diese) sind in der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen.

6.118 Verliert der anfechtende Wohnungseigentümer die Beschlussanfechtungsklage, hat er auch die Kosten der übrigen Wohnungseigentümer zu tragen. Allerdings setzt das Gericht lediglich die Kosten fest, die bei dem gesetzlichen Streitwert entstehen. Der zwischen dem Verwalter und dem Rechtsanwalt vereinbarte Streitwert ist für das Gericht unerheblich und kann keine Grundlage für die Kostenfestsetzung sein. Das heißt, die übrigen Eigentümer bekommen vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht alle ihnen entstandenen Kosten erstattet. Das ist vom Gesetzgeber auch so gewollt.165 Die Mehrkosten aufgrund der Streitwertvereinbarung sind demnach in der Jahresabrechnung zu verteilen, und zwar wiederum auf alle Wohnungseigentümer.166

6.119 Die Vorschrift des § 16 Abs. 8 WEG bedeutet sowohl für den Verwalter als auch für den Rechtsvertreter einen zusätzlichen Aufwand. Ohne rechtsanwaltliche Hilfe kann der Verwalter regelmäßig die Mehrkosten gar nicht errechnen; die Berechnung muss also von dem Rechtsanwalt vorgenommen werden. Hierzu dürfte der Rechtsanwalt auch ohne zusätzliche Vergütung verpflichtet sein (Nebenpflicht aus dem Mandatsverhältnis mit den „übrigen Wohnungseigentümern“). 164 Vgl. hierzu und weiteren Kostenverteilungsfragen im Zusammenhang mit Hausgeldklagen: Niedenführ, Die Verteilung der Kosten von Hausgeldklagen im Innenverhältnis, ZMR 2018, 168. 165 Vgl. Köhler, Das neue WEG, Köln 2007, Rz. 237 (S. 72). 166 Vgl. auch Hügel, Die Verteilung der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens und erhöhter Gebührensätze für Rechtsanwälte in der Jahresabrechnung, ZWE 2008, 265.

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Köhler

Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.127 Teil 6

Wie die Kostenverteilung in der Jahresabrechnung vorzunehmen ist, muss allerdings der Ver- 6.120 walter wissen, so dass eine diesbezügliche rechtliche Beratung eine eigenständige vergütungspflichtige Tätigkeit darstellt, die mit dem ursprünglichen Mandat nichts zu hat. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass bei Abrechnungsfragen der Verwalter selbst beraten wird und nicht die „übrigen Eigentümer“ (oder im Fall des § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer). Nach welchem Kostenverteilungsschlüssel die Rechtsstreitkosten in der Jahresabrechnung zu verteilen sind, war lange Zeit umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diesen Streit entschieden und eine Stufenprüfung vorgenommen.167

6.121

Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft muss zuerst die Gemeinschaftsordnung darauf prüfen, ob in ihr besondere Kostenverteilungsvorschriften bezüglich Rechtsverfolgungskosten (z.B. mit der Bezeichnung „Verwaltungskosten“) enthalten sind (1. Stufe) und die Kosten entsprechend dieser Regelung verteilen.

6.122

Finden sich in der Gemeinschaftsordnung keine einschlägigen Vorschriften zu „Verwaltungskosten“, ist in einer 2. Stufe zu prüfen, ob die Gemeinschaftsordnung einen Kostenverteilungsschlüssel enthält, der die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 2 WEG generell verdrängt und die Kostenverteilung vorschreibt.

6.123

Findet sich in der Gemeinschaftsordnung überhaupt keine einschlägige Bestimmung, die für die Verteilung von Rechtskosten genutzt werden kann, ist die 3. Stufe erreicht. Die Rechtsverfolgungskosten werden in diesem Fall nach dem vom BGH erwähnten „natürlichen Maßstab“, nämlich der gesetzlichen Regelung, verteilt (Miteigentumsanteile).

6.124

8. Aufteilung der Gesamtabrechnung in Kostenpositionen In der Gesamtabrechnung sind sinnvolle Kostenpositionen zu bilden, sodass die Wohnungseigentümer erkennen können, wofür die aufgeführten Beträge verwendet wurden.168

6.125

Kostenpositionen, die in der Gemeinschaftsordnung konkret genannt werden, müssen sich auch in der Jahresabrechnung wiederfinden. Allerdings sind auch noch weitere Kostenpositionen aufzuführen, wenn dies der Verständlichkeit der Abrechnung dient. In der Gesamtabrechnung müssen für die einzelnen Kostenpositionen auch die Kostenverteilungsschlüssel, die durch die Gemeinschaftsordnung oder durch einen nicht angefochtenen (wirksamen) Versammlungsbeschluss festgelegt sind, ausgewiesen werden.

6.126

Die Positionen in der Abrechnung dürfen auch nicht zu global gefasst werden. Das LG Köln169 hat vor Jahren einen Beschluss über eine Jahresabrechnung u.a. deshalb aufgehoben, weil in der Abrechnung ohne weitere Unterteilungen oder Erklärungen Positionen als „Sonstige Versorgungskosten“, „Sonstige Verwaltungskosten“ und „Sonstige Aufwendungen“ deklariert wurden. Das Besondere dabei war, dass diese Positionen insgesamt einen Betrag von ca. 24 000 DM ausmachten (bei der Abrechnungssumme der angegriffenen Jahresabrechnung

6.127

167 BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 = BGHReport 2007, 543 = ZMR 2007, 623 = NZM 2007, 538 = NJW 2007, 1869 = ZWE 2007, 295. 168 So auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, III., Rz. 116 ff. 169 LG Köln, Beschl. v. 17.7.1997 – 29 T 86/97, n.v.

Köhler

251

Teil 6 Rz. 6.127

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

von 1,42 Mio. DM ein Anteil von 1,7 %). Diese Anforderungen sind etwas überzogen;170 gleichwohl müssen die Einnahmen- und Ausgaben-Positionen so aufgeschlüsselt werden, dass sie den Einnahmen- und Ausgabenzweck erkennen lassen.171 Der BGH hat ausgeführt, dass es den Wohnungseigentümer möglich sein muss nachzuvollziehen, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere ob sie entsprechend den Vorgaben des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind.172

6.128 Insbesondere, wenn einzelne Kostenpositionen aufgrund der Gemeinschaftsordnung nach bestimmten Schlüsseln zu verteilen sind, muss die Aufteilung in Kostenpositionen genau beachtet werden. Werden Kostenpositionen nämlich nicht nach dem richtigen Verteilungsschlüssel verteilt, ist der Jahresabrechnungsbeschluss auch dann im Beschlussanfechtungsverfahren für ungültig zu erklären, wenn die Verschiebung der anteiligen Kosten von der einen Kostenposition zur anderen für den einzelnen Wohnungseigentümer nur zu geringfügigen Änderungen führt.173

6.129 Es darf keine Saldierung zwischen Einnahmen und Ausgaben erfolgen,174 selbst wenn sie gleichartig wären, wie z.B. bei Einnahmen und Ausgaben für Saunabetrieb, bei Zinsbeträgen usw. Die Klarheit und Durchschaubarkeit der Jahresabrechnung leidet unter einer Saldierung.175 9. Umsatzsteuer-Ausweis in der Abrechnung

6.130 Das Thema Umsatzsteuer-Ausweis in der Abrechnung ist deutlich schwieriger (und weniger trivial) als viele Verwalter und auch Wohnungseigentümer annehmen.176 Nach § 4 Nr. 13 UStG sind Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften an die Wohnungs- und Teil170 Vgl. auch Dürr, ZMR 1985, 255 (256), der eine gesonderte Auflistung von Reparaturen für erforderlich hält, wenn diese etwa 20 % der Instandhaltungsrücklage oder der im Wirtschaftsplan angesetzten Reparaturkosten ausmachen (diese Grenze halte ich für zu hoch). 171 Schmid, Formelle Anforderungen an die Abrechnung nach dem WEG, DWE 2008, 78; Dürr, ZMR 1985, 255; AG Clausthal-Zellerfeld, Urt. v. 26.5.2014 – 4 C 4/13, ZMR 2015, 64 (intransparente Abrechnung, wenn Positionen zusammengefasst werden, die nach dem gleichen Schlüssel umzulegen sind); AG Düsseldorf, Beschl. v. 28.8.2002 – 292 II 94/02 WEG, n.v.; vgl. demgegenüber LG München I, Urt. v. 6.10.2014 – 1 S 21342/13 WEG, ZMR 2015, 147 = ZWE 2015, 423, das wenig überzeugend davon spricht, dass eine Zusammenfassung von Einzelpositionen „anerkannt“ sei; LG München I, Urt. v. 29.4.2010 – 36 S 9595/09, ZMR 2010, 797. 172 BGH, Urt. v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, WuM 2013, 757 = ZWE 2014, 36 = MDR 2014, 143. 173 KG, Beschl. v. 11.12.1995 – 24 W 4594/95, ZMR 1996, 335 = WuM 1996, 171 = WE 1996, 270 = NJWE-MietR 1996, 87 = DWE 1996, 185. 174 Vgl. LG Rostock, Urt. v. 30.6.2017 – 1 S 143/16, ZMR 2017, 835 (Vorinstanz AG Schwerin, Urt. v. 15.7.2016 – 14 C 436/15 WEG, ZMR 2016, 916); LG Dortmund, Urt. v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 640; LG Lüneburg, Urt. v. 29.1.2015 – 1 S 45/14, ZMR 2015, 486; AG Clausthal-Zellerfeld, Urt. v. 26.5.2014 – 4 C 4/13, ZMR 2015, 64; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.2.2012 – 11 S 46/11, ZWE 2013, 36 = WuM 2013, 634; LG Lübeck, Beschl. v. 26.1.2010 – 12 T 4/09, ZMR 2011, 747; OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446 = ZMR 2001, 1001. 175 Ebenso Bub, Finanz- und Rechnungswesen, III., Rz. 119. 176 Vgl. dazu auch Schirrmann, Umsatzsteuer und Wohnungseigentum, WE 1998, 212 (Teil 1), WE 1998, 248 (Teil 2), WE 1998, 292 (Teil 3), WE 1998, 331 (Teil 4); zur Wohnungseigentümergemeinschaft als mitunternehmerische Personenmehrheit (als Betreiberin eines Blockheizkraftwerks) vgl. BFH, Urt. v. 20.9.2018 – IV R 6/16, BFHE 262, 403 = NJW 2019, 387 = NZM 2019, 186.

252

Köhler

Die Gesamtabrechnung

Rz. 6.133 Teil 6

eigentümer umsatzsteuerfrei, soweit die Leistungen in der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie der Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen bestehen.177 Auf diese Steuerbefreiung kann die Eigentümergemeinschaft gemäß § 9 UStG verzichten.178 Ob zur Ausübung einer solchen Umsatzsteuer-Option ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft ausreicht,179 erscheint sehr zweifelhaft. Liegt zumindest ein solcher Beschluss nicht vor, darf die Umsatzsteuer nicht in der Abrechnung ausgewiesen werden.180 Ist in einer Abrechnung die Umsatzsteuer ausgewiesen, ohne dass die Eigentümergemeinschaft über die Umsatzsteuer-Option wirksam befunden hat, entspricht ein Versammlungsbeschluss über die Jahresabrechnung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Eigentümergemeinschaft muss nämlich nach § 14 Abs. 3 UStG den ausgewiesenen Betrag an das Finanzamt abführen, auch wenn sie nicht optiert hat. Der einzelne Wohnungseigentümer kann aber wegen der fehlenden Option den ausgewiesenen Betrag nicht als Vorsteuer geltend machen. Der Ausweis der Umsatzsteuer stellt sich demnach als unnütze Position dar.

6.131

Ein einzelner Eigentümer kann von der Eigentümergemeinschaft oder dem Verwalter nicht verlangen, dass Umsatzsteuer ausgewiesen wird, wenn keine Umsatzsteuer-Option beschlossen worden ist.

6.132

Teilweise wird angenommen, ein einzelner Wohnungseigentümer könne eine UmsatzsteuerOption von den übrigen Eigentümern verlangen, wenn er sich gegenüber diesen Eigentümern verpflichtet, alle zusätzlichen Kosten und Haftungsrisiken zu übernehmen.181 Das halte ich für falsch. Eine solche Kosten- und Haftungsübernahme ist – soweit nicht grundbuchlich abgesichert – wertlos, weil sie weder insolvenz- noch veräußerungsfest ist. Ein Widerruf der Umsatzsteuer-Option nach § 9 UStG wäre nämlich nur bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung möglich;182 wird der Wohnungseigentümer nach dem Zeitpunkt der Bestandskraft insolvent oder veräußert er sein Eigentum, blieben die übrigen Eigentümer für die Vergangenheit an die Option gebunden und würden auch die (vermeintlich abgesicherten) Kosten und Haftungsrisiken tragen.

6.133

177 Vgl. Umsatzsteuer-Anwendungserlass, BMF-Schreiben v. 14.12.2018 – III C 3 – S 7015/17/10002 (2018/0979679), BStBl I S. 1402. 178 Vgl. § 9 Abs. 1 UStG: „Der Unternehmer kann einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis g, Nr. 9 Buchstabe a, Nr. 12, 13 oder 19 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.“ 179 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 13.6.1996 – 2Z BR 28/96, ZMR 1996, 574 = WuM 1996, 656 = NJW-RR 1997, 79 = WE 1997, 79 = DWE 1998, 23; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.1992 – 15 W 33/92, OLGZ 1993, 57 = BB 1992, 1308 = DWE 1992, 119 = NJW-RR 1992, 1232; diese Entscheidungen sind sämtlich vor der Entscheidung des BGH v. 20.9.2000 erfolgt; es erscheint zweifelhaft, eine Beschlusskompetenz für einen auf die Umsatzsteuer-Option gerichteten Mehrheitsbeschluss annehmen zu können; unkritisch Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 28 Rz. 122, der lediglich einen Mehrheitsbeschluss als ausreichend ansieht. 180 Vgl. zum Umsatzsteuerausweis auch AG Clausthal- Zellerfeld, Urt. v. 26.5.2014 – 4 C 4/13, ZMR 2015, 64. 181 Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 28 Rz. 123. 182 Vgl. BFH, Urt. v. 10.12.2008 – XI R 1/08, BFHE 223, 528 = BStBl II 2009, 1026 = DB 2009, 601.

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253

Teil 6 Rz. 6.134

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

III. Die Einzelabrechnung 1. Grundsätzliches

6.134 Zu einer Jahresabrechnung gehört auch die Aufteilung der Ergebnisse der Gesamtabrechnung auf die einzelnen Wohnungseigentümer183 – damit schuldet der Verwalter auch die Erstellung von Einzelabrechnungen. Eine Jahresabrechnung, die ohne Einzelabrechnungen vorgelegt wird, ist unvollständig.184 Damit entspricht eine Jahresabrechnung ohne Einzelabrechnung nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Würde in einer Eigentümerversammlung nur die Gesamtabrechnung beschlossen, ohne dass die Einzelabrechnungen überhaupt vorliegen (und mitbeschlossen werden), muss dieser Beschluss über die Jahresabrechnung im Falle einer gerichtlichen Anfechtung wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung für ungültig erklärt werden.185

6.135 Werden andererseits nur Einzelabrechnungen ohne eine Gesamtabrechnung vorgelegt, entspricht auch dies nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.186 Ich halte die Ansicht, dass das Fehlen von Einzelabrechnungen nicht zur Ungültigkeitserklärung des Abrechnungsbeschlusses führen muss, sondern nur ein Ergänzungsanspruch besteht,187 für falsch.

6.136 Sollzahlen gehören keinesfalls in eine Gesamt- und Einzelabrechnung (die Darstellung der Instandhaltungsrücklage bleibt davon unberührt). Inkonsequent war deshalb das BayObLG, das es für unschädlich gehalten hat, dass die Gesamtabrechnung nach Sollzahlen erstellt wurde, die Einzelabrechnung dagegen nach Ist-Zahlen.188

6.137 Eine Selbstverständlichkeit stellt das BayObLG189 fest, wenn es ausführt, die Gesamt- und die Einzelabrechnung könne auf demselben Blatt enthalten sein. Einige Verwalter fertigen Jahresabrechnungen an, die auf einem oder mehreren Blättern sowohl die Gesamtabrechnungspositionen als auch die Einzelabrechnungen für alle Sondereigentumseinheiten enthalten. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.

6.138 Richtig ist aber auch eine Entscheidung des AG Bergisch Gladbach, dass sich Abrechnungen von Großanlagen nicht „auf einem Blatt Papier“ darstellen lassen und das Gesetz für die Erstellung von Abrechnungen keine bestimmte Darstellungsform vorschreibe. Allein maßgeblich 183 BayObLG, Beschl. v. 2.2.1979 – 2 Z 11/78, BayObLGZ 1979, 30 = ZMR 1979, 148 = DWE 1979, 123 = WEM 1979, 127; BayObLG, Beschl. v. 13.10.1980 – 2 Z 71/79, WEM 1981, 60 = DWE 1982, 35 (LS). 184 BayObLG, Beschl. v. 24.1.1978 – 2 Z 45/77, Rpfleger 1979, 66 = WEM 1979, 38. 185 Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = ZMR 2005, 547 = WuM 2005, 530 = MDR 2005, 1156; BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = ZM 2006, 62 (beide Entscheidungen zu fehlenden Einzel-Wirtschaftsplänen). 186 BayObLG, Beschl. v. 3.3.1994 – 2Z BR 129/93, WuM 1994, 568 = WE 1995, 89; zum Beschluss über eine Jahresgesamtabrechnung ohne Einzelabrechnungen vgl. BayObLG, Beschl. v. 27.7.1989 – 2 Z 54/89, DWE 1990, 62 = WuM 1989, 539. 187 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, MDR 2008, 620 = OLGReport München 2008, 362, mit Anm. Häublein, ZWE 2009, 33; BayObLG, Beschl. v. 12.11.1992 – 2Z BR 73/92, WuM 1993, 92; BayObLG, Beschl. v. 18.7.1989 – 2 Z 66/89, BayObLGZ 1989, 310 = ZMR 1990, 63 = NJW-RR 1989, 1163 = WuM 1989, 530 = DWE 1990, 62; vgl. auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, III., Rz. 176. 188 BayObLG, Beschl. v. 25.5.1999 – 2Z BR 38/99, DWE 1999, 120; dort war allerdings der Beschlussanfechtungsantrag auf die Einzelabrechnung des Eigentümers beschränkt worden. 189 BayObLG, Beschl. v. 28.3.2001 – 2Z BR 52/00, ZWE 2001, 375 = DWE 2001, 72.

254

Köhler

Die Einzelabrechnung

Rz. 6.143 Teil 6

sei, ob dem einzelnen Eigentümer „auf möglichst einfache Weise ein Überblick über Einnahmen und Ausgaben des betreffenden Wirtschaftsjahres sowie über den Vermögensstand am Ende des Wirtschaftsjahres gegeben“ werde.190 In die Einzelabrechnung dürfen keine Positionen eingestellt werden, die sich nicht aus der Gesamtabrechnung entwickeln lassen.191 Sind Positionen nicht in der Gesamtabrechnung enthalten, dürfen sie auch nicht in der Einzelabrechnung auftauchen.192 Die Einzelabrechnungen sind aus der Gesamtabrechnung dergestalt abzuleiten, dass der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallende Anteil an den Gesamtausgaben festgestellt und diesem die von ihm geleisteten Hausgeldvorauszahlungen gegenübergestellt werden.193

6.139

Die Schlüssel für die Verteilung der Lasten und Kosten müssen demgemäß auch in den Einzelabrechnungen genannt werden; werden die Verteilerschlüssel teilweise falsch angegeben, so muss der Beschluss der Eigentümerversammlung über die Einzelabrechnungen (und die Gesamtabrechnung) in einem gerichtlichen Beschlussanfechtungsverfahren für ungültig erklärt werden.194

6.140

Für falsch halte ich die Ansicht des BGH,195 die Ungültigkeitserklärung eines Beschlusses über eine Jahresabrechnung könnte auch bei einem fehlerhaften Verteilungsschlüssel wirksam auf einen Teil der Jahresabrechnung beschränkt werden. Eine unzutreffende Kostenverteilung wirke sich, so der BGH, nämlich in der Regel nicht auf die Gesamtabrechnung, sondern nur auf die Einzelabrechnungen aus, und dies auch nur in dem Umfang der betroffenen Positionen. Deshalb könne der Beschluss über die Jahresabrechnung auch nur teilweise für ungültig erklärt werden.

6.141

Selbstverständlich hat ein falscher Verteilungsschlüssel nichts mit der „Gesamtabrechnung“ zu tun, aber der falsche Schlüssel wirkt sich auf die Einzelabrechnungen aller Eigentümer aus, so dass sämtliche Einzelabrechnungen fehlerhaft sind. Im Übrigen ist bei einer Beschlussanfechtungsklage auf den Streitgegenstand abzustellen, der sich bei der Beschlussanfechtungsklage auf den gefassten Beschluss und nicht auf einzelne Positionen in der Jahresabrechnung bezieht (vgl. dazu auch den Abschnitt „Streitgegenstand“ unter Rz. 6.216–6.219).

6.142

2. „Saldenliste“ und Übersendung der Abrechnungen vor der Eigentümerversammlung Eine Übersicht über die Abrechnungsergebnisse aller Wohnungen und die den Abrechnungszeitraum betreffenden Hausgeldrückstände (d.h., eine Saldenliste) ist nicht notwendi190 AG Bergisch Gladbach, Beschl. v. 24.8.2006 – 35 II 153/05, juris = MietRB 2006, 324. 191 OLG Hamm, Beschl. v. 21.11.1996 – 15 W 107/96, ZMR 1997, 251 = DWE 1997, 36 = WE 1997, 194. 192 BayObLG, Beschl. v. 7.5.1992 – 2Z BR 26/92, WuM 1992, 395 = NJW-RR 1992, 1169 = DWE 1992, 128; BayObLG, Beschl. v. 23.5.1990 – 2 Z 44/90, NJW-RR 1990, 1107 = WuM 1990, 616. 193 BayObLG, Beschl. v. 18.2.1998 – 2Z BR 134/97, NZM 1998, 334 = WE 1998, 403 = NJW-RR 1998, 1624; BayObLG, Beschl. v. 10.10.1996 – 2Z BR 109/96, juris = BayObLGR 1996, 81 (LS); BayObLG, Beschl. v. 23.5.1990 – 2 Z 44/90, NJW-RR 1990, 1107 = WuM 1990, 616 = DWE 1991, 30. 194 BayObLG, Beschl. v. 3.3.1994 – 2Z BR 129/93, WuM 1994, 568 = WE 1995, 89. 195 BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 = BGHReport 2007, 543 = ZMR 2007, 623 = NZM 2007, 538 = NJW 2007, 1869 = ZWE 2007, 295.

Köhler

255

6.143

Teil 6 Rz. 6.143

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

ger Bestandteil der Jahresabrechnung im Sinne des § 28 Abs. 3 WEG, so der BGH.196 Die Anfertigung und Übersendung einer solchen Übersicht sei eine freiwillige Leistung des Verwalters und der Informationswert einer Übersicht der Abrechnungsergebnisse, die die Guthaben oder Nachzahlungsbeträge für alle Wohnungen ausweist, sei gering.

6.144 Die frühere Rechtsprechung der Gerichte, darunter des OLG Köln, ist deshalb überholt.197 6.145 Das LG Aachen hat in einer Entscheidung vom 15.2.1996198 zu Recht ausgeführt, dass allein die rechtzeitige Übersendung der Jahresabrechnung (und der Wirtschaftspläne) vor der Eigentümerversammlung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.199 Das Gericht hat deshalb dem gegen den Verwalter gerichteten Verpflichtungsantrag eines Wohnungseigentümers stattgegeben. Wenn die Unterlagen nicht mindestens 14 Tage vor dem Versammlungstermin zur Verfügung gestellt würden, könne der einzelne Wohnungseigentümer nicht wirklich prüfen und kontrollieren, ob der Verwalter seinen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen ist und ob die Jahresabrechnung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Gegenüberstellung aller tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Kalenderjahr und eine zutreffende Darlegung der Kontostände (Hausgeldkonto und Instandhaltungsrücklagenkonto) unter Angabe der Anfangs- und Endbestände enthalte. Es erscheine nahezu undurchführbar, so zu Recht das LG Aachen unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Köln vom 29.3.1995,200 den Wohnungseigentümern erstmalig in der Versammlung die Möglichkeit zur Einsichtnahme zu gewähren und dabei eine umgehende Billigung der Gesamt- wie auch der jeweiligen Einzelabrechnungen zu fordern. Dieser Meinung ist zu folgen, denn die Einhaltung einer 14-Tage-Frist dürfte schon aufgrund der gesetzliche Einladungsfrist von 2 Wochen (§ 24 Abs. 4 WEG) geboten sein.

6.146 Der BGH hat ausgeführt, dass eine ordnungsgemäße Beschlussfassung es erfordern kann, den Wohnungseigentümern unabhängig von der ausreichenden Bezeichnung des Gegenstands der Beschlussfassung in der Einladung eine Unterlage zur Verfügung zu stellen, um ihnen eine inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgegenstand zu ermöglichen. Das mag, so meint der BGH vorsichtig, etwa bei Beschlussfassungen über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan geboten sein.201 Deutlicher wurde das LG Itzehoe, das zu Recht einen Abrechnungsbeschluss für ungültig erklärte, weil die Jahresabrechnung nicht rechtzeitig vor der Versammlung übersandt und außerdem der anfechtenden Eigentümerin eine Einsicht in die

196 BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, WuM 2018, 110 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343. 197 Hierzu kann auf die 3. Auflage, Teil 7, Rz. 128 ff., verwiesen werden. 198 LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95 WEG, ZMR 1997, 326 (nur LS); ähnlich AG Pinneberg, Beschl. v. 23.4.2002 – 68 II 101/01, ZMR 2003, 461. 199 Vgl. auch LG Karlsruhe, Urt. v. 17.2.2009 – 11 S 13/07, ZWE 2009, 325; LG Itzehoe, Urt. v. 9.9.2008 – 11 S 6/08, ZMR 2009, 142, welches es ausreichen lässt, dass der Wohnungseigentümer lediglich die Gesamtabrechnung und seine Einzelabrechnung erhält; das Gericht weicht ausdrücklich von der Entscheidung des OLG Köln vom 24.8.2005 – 16 Wx 80/05, NJW-RR 2006, 19, ab. 200 OLG Köln, Beschl. v. 29.3.1995 – 16 Wx 36/95, ZMR 1995, 324 = NJW-RR 1995, 1295 = WuM 1995, 450 = WE 1995, 222 = DWE 1995, 74 = OLGReport Köln 1996, 55. 201 BGH, Urt. v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 = Grundeigentum 2012, 412 = ZWE 2012, 125 = ZMR 2012, 380.

256

Köhler

Die Einzelabrechnung

Rz. 6.149 Teil 6

Abrechnungsunterlagen verweigert worden war.202 Die Abrechnung müsse einem Wohnungseigentümer so rechtzeitig zugehen, so das Landgericht, dass er sie in zumutbarer Weise vor Beschlussfassung prüfen kann; ansonsten sei der Beschluss allein aus diesem Grunde anfechtbar. 3. Vorjahressalden Mitunter nehmen Verwalter auch jetzt noch Salden aus Vorjahren (offene Nachzahlungs- oder Auszahlungsbeträge) in die aktuelle Abrechnung auf. Das ist fehlerhaft, wenn die Angaben über die offen Forderungen oder Verbindlichkeiten nicht rein informatorisch gemacht werden,203 sondern der Ermittlung des Spitzenbetrages der (aktuellen) Jahresabrechnung dienen.

6.147

Offene (positive oder negative) Abrechnungs-Salden aus den Vorjahren sind keine für die Jahresgesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen relevanten Einnahmen oder Ausgaben des abzurechnenden Wirtschaftsjahres,204 sondern Forderungen205 oder Verbindlichkeiten, so dass sie in der Abrechnung nichts zu suchen haben.206 Die Aufnahme von Vorjahressalden würde dem bei einer Jahresabrechnung geltenden Geldflussprinzip widersprechen.207

6.148

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf208 ist damit die Einzelabrechnung unrichtig. Ein Beschluss über eine Jahresabrechnung, die einen nachgetragenen Saldo aus dem Vorjahr enthält, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung;209 ein fehlerhafter Beschluss erwächst aber nach Auffassung des OLG Düsseldorf bei Nichtanfechtung in Bestandskraft.210

6.149

202 LG Itzehoe, Urt. v. 17.9.2013 – 11 S 93/12, ZMR 2014, 144 = ZWE 2014, 133; kritisch dazu Drasdo, „Wenn Richter rechnen – Vom Leid mit der WEG-Jahresabrechnung“ NJW-Spezial 2014, 290; vgl. auch AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 2.4.2014 – 539 C 26/13, ZMR 2016, 312 (nachgehend LG Hamburg, Urt. v. 23.7.2014 – 318 S 19/14, ZMR 2015, 45 = ZWE 2015, 185); LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.3.2018 – 2-13 S 6/16, juris = MietRB 2019, 17; LG Frankfurt/M., Urt. v. 20.5.2016 – 2-13 S 1/13, DWE 2016, 128 = ZWE 2017, 48. 203 Vgl. zu informatorischen Angaben BGH, Urt. v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, WuM 2013, 757 = ZWE 2014, 36 = MDR 2014, 143; LG München I, Urt. v. 8.10.2015 – 36 16283/14 WEG, ZMR 2016, 62 = ZWE 2016, 182; Anm. Dötsch, jurisPR-MietR 9/2016 Anm. 6; AG Hannover, Urt. v. 24.5.2018 – 482 C 5701/17, ZMR 2018, 882. 204 BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, WuM 2018, 110 = NJW 2018, 942 = ZMR 2018, 343; LG Berlin, Urt. v. 22.6.2018 – 85 S 23/17 WEG, ZMR 2018, 843; BayObLG, Beschl. v. 7.5.1992 – 2Z BR 26/92, WuM 1992, 395 = DWE 1992, 128 = NJW-RR 1992, 1169; BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – 2 Z 70/91, WE 1991, 175 = DWE 1991, 127 (nur LS); BayObLG, Beschl. v. 23.5.1990 – 2 Z 44/90, NJW-RR 1990, 1107 = WuM 1990, 616 = DWE 1991, 30. 205 BayObLG, Beschl. v. 12.11.1992 – 2Z BR 73/92, WuM 1993, 92. 206 LG Dortmund, Urt. v. 5.12.2017, ZMR 2018, 350 = ZWE 2018, 270; BayObLG, Beschl. v. 3.5.2005 – 2Z BR 143/04, BayObLGR 2005, 567 = ZMR 2006, 139; BayObLG, Beschl. v. 7.5.1992 – 2Z BR 26/92, WuM 1992, 395 = DWE 1992, 128 = NJW-RR 1992, 1169; so auch LG Köln, Beschl. v. 17.7.1997 – 29 T 86/97, n.v.; AG Köln, Beschl. v. 28.7.1998 – 202 II 19/98, ZMR 1998, 724. 207 BayObLG, Beschl. v. 12.11.1992 – 2Z BR 73/92, WuM 1993, 92; vgl. auch AG Saarbrücken, Urt. v. 5.6.2008 – 1 WEG C 155/07, ZMR 2008, 925. 208 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.1991 – 3 Wx 3/91, WuM 1991, 623. 209 LG Lüneburg, Urt. v. 19.3.2009 – 9 S 67/08, ZMR 2009, 554; LG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.1993 – 19 T 360/93, WuM 1994, 399; AG Siegburg, Urt. v. 2.5.2008 – 150 C 68/07, ZMR 2009, 82. 210 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2004 – 3 Wx 65/04, ZMR 2005, 642 = DWE 2005, 42, zur Begründung von Zahlungsansprüchen.

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257

Teil 6 Rz. 6.150

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.150 Das ist falsch. Das LG Nürnberg-Fürth,211 hatte in seiner Entscheidung vom 30.11.2009 bereits zu Recht eine Beschlusskompetenz für eine Einbeziehung der Vorjahressalden verneint. Ein gleichwohl gefasster Beschluss ist damit nichtig. Diese Auffassung hat der BGH in seiner Entscheidung vom 9.3.2012 bestätigt.212 Beitragsrückstände sind kein zulässiger Bestandteil einer Jahresabrechnung. Mit der Jahresabrechnung werden nur die Lasten und Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahres unter Berücksichtigung der von den Eigentümern tatsächlich gezahlten Vorschüsse abgerechnet. Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt nur hinsichtlich der Abrechnungsspitze, nicht jedoch hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen aus früheren Wirtschaftsjahren und Jahresabrechnungen und ist insoweit nichtig.

6.151 Wechselt das Eigentum an der abzurechnenden Sondereigentumseinheit vor der beschlussfassenden Eigentümerversammlung, würde eine Belastung mit Rückständen des Voreigentümers für den neuen Eigentümer eine unzulässige Erwerberhaftung darstellen. Ein gleichwohl gefasster Beschluss ist nichtig. Die Vorjahressalden können allenfalls zur Information213 und Erinnerung des tatsächlichen Schuldners zusätzlich mitgeteilt werden.214

6.152 Auch hinsichtlich der vom BGH festgestellten (Teil-)Nichtigkeit stellt sich die Frage nach dem Streitgegenstand einer Beschlussanfechtungsklage, die sich gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung richtet (siehe dazu den Abschnitt „Streitgegenstand“ unter Rz. 6.216–6.219). Auch nach Ansicht des BayObLG215 sollen einzelne Mängel der Jahresabrechnung bei einer Anfechtung nur dazu führen, dass die Jahresabrechnung hinsichtlich der fehlerhaften Position für ungültig erklärt wird, insgesamt könne „die Abrechnung“ nicht für ungültig erklärt werden. Dies halte ich im Hinblick auf den Streitgegenstand für nicht richtig. Angegriffen wird der Beschluss der Eigentümerversammlung und nicht die Jahresabrechnung selbst; der Beschluss entspricht, wenn auch nur ein Teil der Jahresabrechnung fehlerhaft ist, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung oder ist – siehe BGH – sogar nichtig. 4. Ausweis der Hausgeldvorschüsse in der Einzelabrechnung a) Der Normalfall

6.153 Die von dem Wohnungseigentümer tatsächlich gezahlten Hausgeldvorschüsse müssen selbstverständlich in der Einzelabrechnung des Wohnungseigentümers ausgewiesen werden. Eine Einzelabrechnung darf sich nicht darauf beschränken, nur den Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers an den Gesamtkosten auszuweisen, sondern muss auch mit diesem Kostenanteil die von ihm gezahlten Hausgeldvorschüsse verrechnen, um das Guthaben oder die Nachzahlungspflicht des Wohnungseigentümers zu dokumentieren.216 In den Einzelabrechnungen ist deshalb nachvollziehbar darzustellen, ob und inwieweit die Hausgeldvorauszahlungen des betreffenden Wohnungseigentümers ausgereicht haben, seinen Anteil an den Ge-

211 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.11.2009 – 14 S 5724/09, ZWE 2010, 134 = ZMR 2010, 315 = NZM 2010, 791, m.w.N. 212 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 147/11, MDR 2012, 632 = ZfIR 2012, 365. 213 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 3.5.2005 – 2Z BR 143/04, BayObLGR 2005, 567 = ZMR 2006, 139. 214 BayObLG, Beschl. v. 4.7.2002 – 2Z BR 139/01, BayObLGR 2002, 369 = ZMR 2002, 946 = ZWE 2002, 578 = WuM 2002, 521. 215 BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – 2 Z 70/91, DWE 1991, 127 = WE 1991, 175. 216 BayObLG, Beschl. v. 22.6.1989 – 2 Z 5/89, WuM 1989, 538 = BayObLGZ 1989, 266 = DWE 1990, 38.

258

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Die Einzelabrechnung

Rz. 6.158 Teil 6

samtkosten zu decken, oder ob er eine zu niedrige Vorauszahlung oder eine Überzahlung geleistet hat.217 In der Einzelabrechnung des Wohnungseigentümers müssen alle Zahlungen des Wohnungseigentümers aufgeführt werden, unabhängig davon, ob sie gemäß § 366 BGB als Vorschüsse für dieses Jahr anzurechnen sind.218 Allerdings dürfen Zahlungen, die für die Spitzenbeträge von früheren Jahresabrechnungen bestimmt sind, nicht als Hausgeld-Zahlungen für das abzurechnende Wirtschaftsjahr ausgewiesen werden, weil sonst höhere Zahlungen vorgespiegelt werden als tatsächlich für das abgerechnete Jahr bestimmt waren.219

6.154

b) Fehlerhafte Aufnahme von Hausgeldvorschüssen In die Jahresabrechnung dürfen keine Sollzahlen aufgenommen werden. Dies bedeutet, dass die Hausgeldzahlungen in der tatsächlich geleisteten Höhe aufzunehmen sind und nicht die durch Beschluss festgelegten Hausgeldvorschüsse (die „vereinbarten Kostenvorschüsse“). Werden die tatsächlich geleisteten Hausgeldvorschüsse nur fehlerhaft als „vereinbarte Kostenvorschüsse“ bezeichnet, berührt das die Richtigkeit der Jahresabrechnung nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Hausgeldvorschüsse Aufnahme in der Abrechnung gefunden haben.220

6.155

Bei einer Pfändung von Hausgeldansprüchen (es werden durch einen Dritten Zahlungsansprüche, die dieser gegen die Eigentümergemeinschaft als Verband hat, durch Pfändungsund Überweisungsbeschluss bei einem Wohnungseigentümer realisiert) müssen die gepfändeten Beträge als Hausgeldvorschüsse dieses Eigentümers in der Jahresabrechnung eingestellt werden, der Pfändungsbetrag ist aber auch gleichzeitig in der Gesamtabrechnung als Lastenund Kostenposition einzustellen.221

6.156

c) Aufrechnung/Zurückbehaltungsrecht Kann der Wohnungseigentümer zu Recht gegen Ansprüche der Eigentümergemeinschaft auf Zahlung von Hausgeld die Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen erklären,222 ist der aufgerechnete Betrag als Hausgeld-„Zahlung“ (Vorschuss) in die Jahresabrechnung des Eigentümers einzustellen. Außerdem müssen die aufgerechneten Beträge in die Gesamtkosten aufgenommen werden, um sie auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen.

6.157

Ein Wohnungseigentümer – auch ein ausgeschiedener Wohnungseigentümer223 – kann gegen Hausgeldforderungen nur mit anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Gegenforde-

6.158

217 BayObLG, Beschl. v. 10.3.1994 – 2Z BR 11/94, WuM 1994, 498 = DWE 1994, 156 = WE 1995, 91; BayObLG, Beschl. v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WuM 1994, 230 = DWE 1994, 154 = WE 1995, 30. 218 BayObLG, Beschl. v. 4.7.2002 – 2Z BR 139/01, BayObLGR 2002, 369 = ZMR 2002, 946 = ZWE 2002, 578 = WuM 2002, 521. 219 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 6.2.1998 – 16 Wx 12/98, OLGReport Köln 1998, 354 = NZM 1998, 874 = WuM 1998, 505 = ZMR 1998, 460, mit Anm. Rau, ZMR 1998, 462. 220 BayObLG, Beschl. v. 26.2.2001 – 2Z BR 14/01, ZWE 2001, 492. 221 Vgl. zum Problem auch Drasdo, ZWE 2011, 251. 222 Vgl. zum Aufrechnungsproblem Bub, Überblick über die Abrechnung im Finanzsystem der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ZWE 2018, 297. 223 BayObLG, Beschl. v. 14.3.1996 – 2Z BR 138/95, WuM 1996, 298 = NJW-RR 1996, 1039.

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259

Teil 6 Rz. 6.158

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

rungen224 oder mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung225 aufrechnen.226 Eine Aufrechnung ist auch in einer Zweiergemeinschaft nur unter diesen Voraussetzungen zulässig.227

6.159 Auch ein Zurückbehaltungsrecht eines Wohnungseigentümers ist aufgrund der bestehenden Schutz- und Treuepflichten der Wohnungseigentümer ausgeschlossen, weil die pünktliche Zahlung von Hausgeldern und Sonderumlagen von existentieller Bedeutung für die Gemeinschaft ist.228 Gegenüber Hausgeldvorschüssen ist ein Zurückbehaltungsrecht völlig ausgeschlossen, weil „Vorschuss“ Vorleistungspflicht bedeutet.229 Gleiches gilt jedoch auch für Ansprüche aus einer Jahresabrechnung; auch dabei steht die Finanzierungsnotwendigkeit im Vordergrund. Der Wohnungseigentümer ist darauf zu verweisen, seinen (vermeintlich aus dem gleichen rechtlichen Verhältnis bestehenden) fälligen Gegenanspruch in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen.

6.160 Der Verwalter ist (selbstverständlich) nicht berechtigt, ohne Ermächtigung durch die Eigentümergemeinschaft Forderungen eines einzelnen Wohnungseigentümers anzuerkennen,230 er darf auch nicht auf Beitragsleistungen einzelner Eigentümer verzichten.231 Hierüber haben die Eigentümer (im Rahmen einer Eigentümerversammlung oder durch schriftliche Beschlussfassung nach § 23 Abs. 3 WEG) zu beschließen.

224 Vgl. hierzu BayObLG, Beschl. v. 7.6.2001 – 2Z BR 32/01, ZWE 2001, 419, dort auch zur Frage, wann durch eine Aufrechnung eine Erledigung eintritt (bei Eintritt der Aufrechnungslage oder zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung). 225 Auch dann, wenn der „Haftungsverband“ sich durch Eintritt neuer Eigentümer verändert hat: KG, Beschl. v. 29.4.2002 – 24 W 26/01, KGR Berlin 2002, 229 = ZWE 2002, 413 = ZMR 2002, 699 = NZM 2002, 745, in Abgrenzung zur „Haftungsverband“-Entscheidung des KG, Beschl. v. 29.3.1995 – 24 W 4812/94, KGR Berlin 1995, 158 = ZMR 1995, 264 = NJW-RR 1995, 975 = WuM 1995, 333; vgl. zur Aufrechnungsberechtigung, die auf eine Notgeschäftsführung im engeren Sinne des § 21 Abs. 2 WEG beschränkt ist: OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.2009 – 15 Wx 2978/08, WuM 2009, 603 = ZWE 2009, 369 = ZMR 2009, 937, mit Anm. Abramenko, InfoM 2009, 484. 226 BGH, Urt. v. 29.1.2016 – V ZR 97/15, WuM 2016, 311 = ZMR 2016, 472 = ZWE 2016, 272 = MDR 2016, 877; Anm. Dötsch, „Zur Frage der Aufrechnung gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft“, ZWE 2016, 274; BayObLG, Beschl. v. 22.5.1998 – 2Z BR 79/98, ZMR 1998, 646 = NZM 1998, 973; BayObLG, Beschl. v. 23.4.1998 – 2Z BR 162/97, NZM 1998, 918; BayObLG, Beschl. v. 11.9.1997 – 2Z BR 20/97, WE 1998, 316 = ZMR 1998, 179. 227 LG München I, Urt. v. 2.2.2009 – 1 S 10225/08, ZWE 2009, 131 = ZMR 2009, 637 = NJW-RR 2009, 1166; Anm. dazu Abramenko, InfoM 2009, 386 und Sauren, ZE 2009, 134. 228 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = WuM 2012, 524 = ZWE 2012, 373 = ZMR 2012, 976, m.w.N. 229 OLG München, Beschl. v. 12.12.2005 – 34 Wx 126/05, juris, sonst n.v.; AG Königswinter, Urt. v. 29.11.2007 – 31 C 2/07, n.v.; vgl. im Übrigen AG Lübeck, Beschl. v. 15.3.2006 – 2 II 6/06, ZMR 2006, 651; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.12.2002 – 20 W 428/02, n.v.; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.6.1979 – 20 W 262/79, OLGZ 1979, 391; BayObLG, Beschl. v. 27.10.1971 – 2 Z 85/70, MDR 1972, 145 = BayObLGZ 1971, 313. 230 BayObLG, Beschl. v. 6.9.2001 – 2Z BR 107/01, ZWE 2001, 593; BayObLG, Beschl. v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, ZMR 1997, 325 = WuM 1997, 398 = WE 1997, 434 = NJWE-MietR 1997, 163; BayObLG, Beschl. v. 13.12.1983 – 2 Z 119/82, DWE 1984, 61 (LS). 231 BayObLG, Beschl. v. 22.4.2004 – 2Z BR 113/03, ZMR 2004, 839; OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.1999 – 15 W 323/99, ZWE 2000, 540 = ZMR 2000, 246 = NZM 2000, 139 = DWE 2000, 123.

260

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Die Einzelabrechnung

Rz. 6.162 Teil 6

d) Abrechnung Sonderumlage Die Sonderumlage232 ergänzt den laufenden Wirtschaftsplan und die Zahlungen hierauf stellen Hausgeldvorschüsse dar.233 Somit müsste sie auch (unabhängig davon, ob der Zweck, für den sie eingefordert wurde, erfüllt ist oder nicht) mit dem jeweiligen Wirtschaftsjahr als Hausgeldzahlung des Eigentümers abgerechnet werden.

6.161

Um die Probleme aufzuzeigen, sollen folgende Fälle dargestellt werden:

6.162

– Die Sonderumlage wird im Wirtschaftsjahr 1 gezahlt und im selben Wirtschaftsjahr werden die Zahlungen an die Firmen, die die beschlossene Maßnahme durchführen, geleistet. Das ist unproblematisch; im Wirtschaftsjahr 1 können und müssen in der Jahresabrechnung sowohl die Kosten für die Maßnahme abgerechnet als auch die Sonderumlage als Hausgeldvorschuss eingestellt werden. – Die Sonderumlage wird im Wirtschaftsjahr 1 von den Wohnungseigentümern gezahlt, die Rechnungen für die durchgeführten Maßnahmen werden jedoch erst im Wirtschaftsjahr 2 ausgeglichen. Dies ist im Hinblick auf das Geldflussprinzip problematisch. Die Sonderumlage müsste im Wirtschaftsjahr 1 als Hausgeldzahlung eingestellt werden, womit jedenfalls ein höherer Auszahlungsanspruch (oder eine niedrigere Nachzahlungsverpflichtung) der Eigentümer entsteht; die Kosten für die Maßnahmen müssten im Wirtschaftsjahr 2 als Belastung in der Abrechnung auftauchen. – Die Sonderumlage wird im Wirtschaftsjahr 1 von den Wohnungseigentümern gezahlt, im selben Jahr wird ein Teil der Maßnahmen durchgeführt und hierfür werden Zahlungen erbracht. Die restliche Maßnahme wird im Wirtschaftsjahr 2 bezahlt. Auch dies ist problematisch. Im Wirtschaftsjahr 1 dürfen nur die Beträge in die Abrechnung aufgenommen werden, die tatsächlich abgeflossen sind; die Sonderumlage müsste jedoch insgesamt als Hausgeldzahlung in die Abrechnung des Wirtschaftsjahres 1 eingestellt werden. Die restlichen Kosten wären dann in der Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2 abzurechnen. Damit entstehen wiederum, wie bei Spiegelstrich 2, ungleichgewichtige Zahlungs- und Belastungsbeträge.

232 Vgl. zur Sonderumlage auch Dötsch, Sonstige Rücklagen und Rückstellungen in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung, ZWE 2018, 61; Bub, Überblick über die Abrechnung im Finanzsystem der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ZWE 2018. 297; Jennißen, Kosten baulicher Maßnahmen – Abrechnung und Kostenverteilungsmaßstab, ZWE 2017, 117; Elzer, Sonderumlage – Wie ist ihre Höhe zu bemessen?, Info M 2012, 174; Müller, Mehrjährige Sanierung – Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, ZWE 2011, 200; Wenderoth, Die Beschlussfassung der WEG über Instandsetzungsmaßnahmen, ZMR 2011, 851; Einsiedler, Die Sonderumlage: Voraussetzungen, Abrechnung, Eigentümerwechsel, ZMR 2009, 573; Mundt, Sonderumlagen: Grundlagen und Einzelfragen unter Berücksichtigung des neuen Wohnungseigentumsrechts, NZM 2007, 864. 233 BGH, Urt. v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, WuM 2018, 240 = MDR 2018, 586 = ZMR 2018, 527; BGH, Urt. v. 10.2.2017 – V ZR 166/16, MDR 2017, 695 = WuM 2017, 355 = ZWE 2017, 360; BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 244/14, BGHZ 207, 99 = MDR 2015, 1355 = ZMR 2016, 49; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, WuM 2014, 749 = MDR 2015, 146 = ZWE 2015, 91; BayObLG, Beschl. v. 20.11.2002 – 2Z BR 144/01, WuM 2003, 101; vgl. auch Bub, Finanzund Rechnungswesen, III., Rz. 78; ähnlich OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2001 – 16 Wx 131/00, ZMR 2001, 574: die Sonderumlage wird als Nachtrag zum Jahreswirtschaftsplan der Gemeinschaft bezeichnet.

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261

Teil 6 Rz. 6.163

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.163 Diese Abrechnungsprobleme können nur dadurch gesteuert werden, dass die Eigentümer nicht nur die durchzuführende Maßnahme und die dafür erforderliche Sonderumlage beschließen, sondern in dem Beschluss auch festlegen, dass die Sonderumlage als gesonderte und zweckgebundene Rücklage für die beschlossene Maßnahme gelten soll und demnach als Sonder-Rücklage erst nach Zahlung an den beauftragten Handwerker gemäß Baufortschritt in dem oder den Zahlungsjahr(en) abgerechnet wird.234

6.164 Selbstverständlich müsste sein, dass in dem Beschluss über die Sonderumlage auch der Zeitpunkt des Zahlungsabrufs durch den Verwalter und/oder die Fälligkeit der Sonderumlage (sofort/bestimmter zukünftiger Zeitpunkt/Ratenzahlungs-Zeitpunkte) bestimmt werden; falls das nicht geschehen ist, gilt § 28 Abs. 2 WEG (Abruf-Prinzip). Wechselt das Eigentum an einer Sondereigentumseinheit zwischen dem Sonderumlagen-Beschluss und der Fälligkeit, ist der neue Eigentümer zahlungspflichtig für die Sonderumlagen-Beträge, die nach seiner Eintragung im Grundbuch (Abteilung I) fällig geworden sind.235

6.165 Ebenso selbstverständlich dürfte sein, dass die als „Sonder-Rücklage“ zweckbestimmte Sonderumlage in der Darstellung der Instandhaltungsrücklagen erscheint. 5. Der Verteilungsschlüssel a) Allgemeines

6.166 Nach § 16 Abs. 2 WEG haben die Wohnungseigentümer die gemeinschaftlichen Lasten und Kosten nach dem im Grundbuch eingetragenen Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Die Gemeinschaftsordnung kann eine andere Kostenverteilung vorschreiben; erst seit der WEG-Novelle 2007 können – soweit nicht eine Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung frühere Beschlüsse erlaubte – die Verteilerschlüssel für die Betriebskosten, die Kosten der Verwaltung und (im Einzelfall)236 für die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung auch durch Beschluss geändert werden, § 16 Abs. 3 und 4 WEG.237 Bei einer rechtsanwaltlichen Prüfung sind deshalb stets die Gemeinschaftsordnung und die Beschlüsse (seit 2007 und zuvor, dann aber unter Berücksichtigung einer Öffnungsklausel) auf eine Festlegung der Verteilerschlüssel zu prüfen.

234 Vgl. dazu Dötsch, Sonstige Rücklagen und Rückstellungen in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung, ZWE 2018, 61; Lehmann-Richter, Zur Zulässigkeit von Sonderrücklagen im Wohnungseigentumsrecht, ZWE 2014, 105; Müller, Mehrjährige Sanierung – Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, ZWE 2011, 200; Wenderoth, Die Beschlussfassung der WEG über Instandsetzungsmaßnahmen, ZMR 2011, 851. 235 BGH, Urt. v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, WuM 2018, 240 = MDR 2018, 586 = ZMR 2018, 527. 236 Dauerregelung nichtig: LG Hamburg, Urt. v. 4.3.2016 – 318 S 109/15, ZMR 2016, 484 = ZWE 2016, 458; LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186 = ZMR 2014, 480. 237 Die Änderungsbeschlüsse müssen aber hinreichend deutlich sein und das Änderungsbewusstsein der Eigentümer dokumentieren: BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 195/17, MDR 2018, 1238 = NZM 2018, 1289 = ZMR 2018, 1024; Anm. Riecke, Zum notwendigen Bewusstsein der Wohnungseigentümer bei Änderung der bisherigen Kostenverteilung, ZWE 2018, 456; LG Frankfurt (Oder), Urt. v. 21.11.2016 – 16 S 85/16, ZWE 2017, 274 = ZMR 2017, 825; AG Oberhause, Urt. v. 21.2.2012 – 34 C 7/10, ZMR 2012, 487.

262

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Die Einzelabrechnung

Rz. 6.169 Teil 6

Sind die Miteigentumsanteile Grundlage der Kostenverteilung und ist dieser Verteilungsgrundsatz nicht durch die Gemeinschaftsordnung abgeändert, wird nicht selten von Miteigentümern Beschwerde darüber geführt, dass der Kostenverteilungsschlüssel unrichtig sei, weil die Miteigentumsanteile nicht nach der genauen Größe der Einheiten berechnet wurden und deshalb fehlerhaft seien. Daraus ergebe sich auch die Fehlerhaftigkeit der beschlossenen Jahresabrechnung.

6.167

Diese Argumentation kann nicht zum Erfolg führen. Es gibt nämlich zum einen kein zwingendes Verhältnis zwischen der Flächengröße einer Einheit und den festgelegten Miteigentumsanteilen;238 der Bauträger kann bei der Aufstellung der Teilungserklärung die Miteigentumsanteile relativ frei festlegen.239 Zum anderen müsste erst – vor einem Angriff auf die Jahresabrechnung – eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 10 Abs. 2 WEG gefordert werden.240 Die in § 10 Abs. 2 S. 3 WEG genannten Voraussetzungen müssen allerdings für ein erfolgreiches Verlangen vorliegen.241

6.168

In der Praxis wird häufig das nicht durchgreifende Argument „das haben wir schon immer so 6.169 gemacht“ vorgetragen, um eine (durchaus langjährige) fehlerhafte Kostenverteilung zu rechtfertigen. Eine langjährige Übung, die sich auf vom Gesetz oder von der Gemeinschaftsordnung abweichende Verteilungsschlüssel bezieht,242 oder die wiederholte Genehmigung von Jahresabrechnungen243 oder die Hinnahme von Jahresabrechnungen244 oder die Aufnahme 238 So schon die Materialien zum WEG, vgl. PiG Nr. 8; BGH, Beschl. v. 6.6.1986 – V ZR 264/84, MDR 1987, 41 = ZMR 1986, 365 = NJW 1986, 2759 = WuM 1986, 351; BGH, Beschl. v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, MDR 1977, 41 = ZMR 1977, 81 = NJW 1976, 1976; das hat nichts mit der Frage zu tun, ob ein werkvertraglicher „Fehler“ vorliegt, wenn die vertragliche von der tatsächlichen Wohnfläche abweicht, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 11.7.1997 – V ZR 246/96, MDR 1997, 1012 = ZMR 1997, 633 = NJW 1997, 2874 = WuM 1997, 625; BGH, Urt. v. 30.11.1990 – V ZR 91/89, MDR 1991, 515 = NJW 1991, 912 = BauR 1991, 230. 239 BayObLG, Beschl. v. 18.11.1991 – 2 Z 124/91, BayObLGZ 1991, 396 = MDR 1992, 673 = WuM 1992, 83 = NJW-RR 1992, 342; BayObLG, Beschl. v. 10.11.1994 – 2Z BR 100/94, WuM 1995, 217 = NJW-RR 1995, 529 = DWE 1995, 26 = WE 1995, 343; BayObLG, Beschl. v. 2.2.1995 – 2Z BR 131/94, BayObLGR 1995, 33 = WuM 1997, 61; BayObLG, Beschl. v. 27.9.1996 – 2Z BR 80/96, BayObLGR 1997, 10 = WE 1997, 158; BayObLG, Beschl. v. 12.8.1999 – 2Z BR 80/99, ZWE 2000, 171 = ZMR 1999, 834 = DWE 2000, 33 = NZM 2000, 301. 240 BGH, Urt. v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 = WuM 20101, 520 = ZWE 20101, 330; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.12.2010, DWE 2011, 24 = ZWE 2011, 170 = ZMR 2011, 485; die Rechtsprechung des BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 MDR 2004, 1403 = ZWE 2005, 72 = DWE 2004, 135, dürfte wegen § 10 Abs. 2 WEG i.d.R. wohl nicht mehr anwendbar sein. 241 Vgl. zur Kontrolle eines Wohnungseigentümerbeschlusses über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (Willkürverbot) BGH, Urt. v. 16.9.2011 – V ZR 3/11, NJW-RR 2011, 1646 = ZWE 2012, 30 = ZMR 2012, 116. 242 AG Passau, Urt. v. 30.12.2013 – 23 C 1068/13 WEG, ZMR 2014, 493 = ZWE 2015, 53 = ZWE 2015, 189. 243 AG Dortmund, Urt. v. 10.12.2015 – 514 C 108/14, ZMR 2016, 233; Durch wiederholte – unangefochtene – Beschlussfassungen über die Jahresabrechnungen kommt keine Vereinbarung über die Änderung der Kostenverteilungsschlüssel zustande: BayObLG, Beschl. v. 7.11.1985 – 2 Z 83/85, MDR 1986, 237 = WuM 1986, 26 = NJW 1986, 385 = DWE 1986, 57; vgl. auch die (allerdings veraltete) Entscheidung BayObLG, Beschl. v. 18.4.1974 – 2 Z 8/74, MDR 1974, 760 = BayObLGZ 1974, 172 = NJW 1974, 1910. 244 LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.5.2018 – 2-13 S 91/16, ZMR 2018, 789 = WuM 2018, 590; LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 29.10.2009 – 5 S 89/09, ZMR 2010, 471.

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263

Teil 6 Rz. 6.169

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

in die Einzelabrechnungen245 bewirken keine „stillschweigende“ (konkludente) Änderung der Verteilungsschlüssel.246 Ebenso wenig reicht für die Annahme einer Änderung aus, dass in der Jahresabrechnung lediglich ein neuer Verteilungsschlüssel zu Grunde gelegt wird.247 Alle diese Argumente sind durch die Rechtsprechung des BGH, der ein klares Änderungsbewusstsein fordert, und weitere ältere Rechtsprechung der Obergerichte schon seit langem widerlegt.248 Eine Verwirkung des Anfechtungsrechts wegen der jahrelangen Hinnahme eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels ist m.E. ausgeschlossen.249

6.170 Eine rückwirkende Änderung der Kostenverteilungsschlüssel, gestützt auf § 16 Abs. 3 WEG, entspricht regelmäßig nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn es sich um „abgeschlossene Vorgänge“ handelt.250 Versuche, vor einem Beschluss über eine Jahresabrechnung noch „schnell“ eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für das abgelaufene Wirtschaftsjahr durch Beschluss zu erreichen, sind damit zum Scheitern verurteilt.251

6.171 Aber anwaltliche Vorsicht ist angesagt:252 Soweit sich aus § 16 Abs. 3 WEG eine Beschlusskompetenz ergibt, würde ein nicht rechtzeitig angegriffener Beschluss über die rückwirkende Änderung in Bestandskraft erwachsen; der Beschluss ist lediglich anfechtbar und nicht nichtig.253

245 LG Itzehoe, Urt. v. 15.4.2014 – 11 S 32/13, ZMR 2014, 909 = ZMR 2015, 51. 246 Vgl. LG Hamburg, Beschl. v. 18.10.2016 – 318 T 39/16, ZMR 2017, 184 (kein Anspruch eines Eigentümers aus Treu und Glauben auf zukünftige weitere Anwendung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels); LG Köln, Urt. v. 27.9.2012 – 29 S 61/22, ZMR 2013, 218; BayObLG, Beschl. v. 16.7.1990 – 1b Z 29/89, WE 1991, 291; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 178/03, juris, sonst n.v.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, juris, sonst n.v. 247 BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/10, ZfIR 2012, 95 = MDR 2012, 80 = NZM 2012, 174 = ZMR 2012, 213 = ZWE 2012, 86; BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, WuM 2010, 524 = NJW 2010, 2654 = ZMR 2010, 775. 248 Vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 195/17, MDR 2018, 1238 = NZM 2018, 1289 = ZMR 2018, 1024; Anm. Riecke, Zum notwendigen Bewusstsein der Wohnungseigentümer bei Änderung der bisherigen Kostenverteilung, ZWE 2018, 456; BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80 = ZWE 2012, 86 = ZMR 2012, 213 = DWE 2012, 17; BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, WuM 2010, 524 = ZMR 2010, 775 = DWE 2010, 134. 249 A.A. LG Köln, Beschl. v. 1.9.2008 – 29 T 10/08, NZM 2008, 896 (die Entscheidung dürfte sich auch aufgrund der später ergangenen BGH-Rechtsprechung als falsch herausgestellt haben). 250 BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, WuM 2010, 524 = NJW 2010, 2654 = ZMR 2010, 775; LG Berlin, Urt. v. 9.9.2015 – 53 S 26/15 WEG, ZWE 2017, 33 (dort „nicht abgeschlossener Vorgang“); eine generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (hier: für Heizkosten, § 6 Abs. 4 HeizkVO) durch Beschluss vom November 2017 einschließlich des „nahezu bereits abgelaufenen Jahres 2017“ ist nichtig: AG Köln, Urt. v. 11.2.2019 – 202 C 69/18, n.v. 251 LG Itzehoe, Urt. v. 15.4.2014 – 11 S 32/13, ZMR 2014, 909 = ZMR 2015, 51. 252 Vgl. zu einem rechtsanwaltlichen Haftungsfall, bei dem eine Haftung aber verneint wurde, weil zum damaligen Zeitpunkt keine einschlägige Rechtsprechung zur Rückwirkung existierte: OLG München, Urt. v. 4.12.2013 – 15 U 4933/12 Rae, ZMR 2014, 735 = ZWE 2015, 25. 253 BGH, Urt. v. 22.6.2018 – V ZR 193/17, WuM 2018, 661 = MDR 2018, 1305 = ZMR 2018, 1022, m.w.N; BayObLG, Beschl. v. 28.6.2002 – 2Z BR 41/02, NJW-RR 2002, 1665; nur Anfechtbarkeit gilt auch bei Öffnungsklausel LG München I, Urt. v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZWE 2014, 186 = ZMR 2014, 480; vgl. auch LG München I, Beschl. v. 3.12.2007 – 1 T 14033/06, ZMR 2008, 915.

264

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Die Einzelabrechnung

Rz. 6.174 Teil 6

b) Ausweis in der Jahresabrechnung Die einschlägigen Kostenverteilungsschlüssel (aus dem Gesetz/aus der Gemeinschaftsord- 6.172 nung/aus einem wirksamen Beschluss)254 sind in der Einzelabrechnung auszuweisen.255 Andere Verteilungsschlüssel dürfen, selbst wenn diese nur zu geringfügigen Verschiebungen der anteiligen Lasten und Kosten führen, nicht verwendet werden; die Verwendung solcher Schlüssel wird einer Beschlussanfechtung zum Erfolg verhelfen.256 Die fehlerhafte Verteilung von Kosten wirkt sich auf die Abrechnungen aller Wohnungseigentümer aus, nämlich auch auf die beschlossenen Spitzenbeträge der Einzelabrechnungen; die Entscheidung des BGH vom 11.5.2012257 halte ich für falsch. c) Kosten des Sondereigentums Mit seiner „Kaltwasser“-Entscheidung vom 25.9.2005258 hat der BGH deutlich gemacht, dass 6.173 Kaltwasserkosten in erster Linie Kosten des Sondereigentums sind, zugleich hat er grundlegende neue Verteilungsgrundsätze für Kaltwasserkosten aufgestellt. Daraufhin wurden noch andere Kostenpositionen in den Jahresabrechnungen als „Nicht-Gemeinschaftskosten“ entdeckt, so z.B. Müllkosten, Schornsteinfegergebühren und Kabelanschlussgebühren.259 Zu den damit verbundenen Kostenverteilungsproblemen hat der BGH in einer weiteren Entscheidung Stellung bezogen260: Soweit die Eigentümergemeinschaft Kosten für die Versorgung oder den Gebrauch des Sondereigentums gegenüber einem Dritten zu tragen hat, sind derartige Kosten im Rahmen der Verteilung unter den Wohnungseigentümern früher ohne weiteres als nach § 16 Abs. 2 WEG zu verteilende Kosten des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums angesehen worden. Dem ist der Senat im Beschluss vom 25.9.2003261 entgegengetreten, weil es nicht von dem Verhalten außerhalb der Wohnungseigentümer stehender Dritter abhängig sein kann, ob in einer Wohnungseigentumsanlage anfallende Kosten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums oder der Nutzung des Sondereigentums zuzurechnen sind.

254 Vgl. allgemein Schmid, Verteilungsmaßstäbe für Betriebskosten im Wohnungseigentum, ZWE 2014, 248. 255 BayObLG, Beschl. v. 26.4.1990 – 1b Z 23/89, n.v. 256 AG Passau, Urt. v. 1.6.2017 – 23 C 1871/16 WEG, ZWE 2017, 380; vgl. aber BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 = BGHReport 2007, 543 = ZMR 2007, 623 = NZM 2007, 538 = NJW 2007, 1869 = ZWE 2007, 295. 257 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = NJW 2012, 2648. 258 BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 193 = MDR 2004, 86 = ZMR 2003, 937 = NJW 2003, 3476 = DWE 2004, 131 = ZWE 2004, 66. 259 Vgl. Niedenführ, Sonstige verbrauchsabhängige Posten in der Abrechnung, ZWE 2018, 68; Müller, Die Umlage für Schornsteinfegergebühren in Sondereigentum, ZWE 2014, 203; Greiner, Abfallgebühren als Kosten des Sondereigentums – oder – das Recht auf eine eigene Mülltonne, ZMR 2004, 319; Hogenschurz, Die Abrechnung von Kabelanschluss- und Abfallgebühren nach der Entscheidung des BGH, ZMR 2003, 901. 260 BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – V ZB 83/07, MDR 2007, 975 = ZMR 2007, 975 = NJW 2007, 3492 = WuM 2007, 644 = NZM 2007, 886 (Vorinstanzen: LG München I, Beschl. v. 1.2.2007 – 1 T 12109/06, ZMR 2007, 569; OLG München, Beschl. v. 11.7.2007 – 34 Wx 21/07, WuM 2007, 470 = DWE 207, 102 = ZMR 2007, 811). 261 BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192 = MDR 2004, 86 = ZMR 2003, 937 = ZWE 2004, 66.

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265

6.174

Teil 6 Rz. 6.174

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, nach welchem Schlüssel Kosten unter den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verteilen sind, die von der Eigentümergemeinschaft einem Dritten zu bezahlen sind, obwohl die Leistung des Dritten von den Wohnungseigentümern allein im Bereich des Sondereigentums genutzt werden kann. Soweit derartige Kosten nicht aufgrund von Messeinrichtungen, wie Wasser- oder Wärmeverbrauchszähler, individuell erfasst werden, kommen als Kriterien der Umlage die Anzahl der Wohnungen, die Anzahl der Nutzungsstellen, die Anzahl der Bewohner oder die Miteigentumsanteile an dem Grundstück in Betracht. Jeder dieser Schlüssel hat Vor- und Nachteile und kann zu einer Verteilung führen, die den tatsächlichen Vorteilen der Nutzung oder der Kostenverursachung innerhalb der Gemeinschaft nicht entspricht. Im Hinblick hierauf ist eine Verteilungsregelung in der Gemeinschaftsordnung sachgerecht. Fehlt in der Gemeinschaftsordnung eine solche Regelung, verbleibt es bei dem von § 16 Abs. 2 WEG allgemein vorgesehenen Schlüssel. Das Beteiligungsverhältnis an dem Grundstück bildet den natürlichen Maßstab für den Ausgleich unter den Miteigentümern, der für das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer grundsätzlich maßgebend ist. Das gilt auch für Kosten, die der Gemeinschaft für die Bereitstellung oder den Bezug von Leistungen im Bereich des Sondereigentums der Wohnungseigentümer von einem Dritten in Rechnung gestellt werden. Hiervon geht jetzt § 16 Abs. 3 WEG aus.

6.175 Lasten und Kosten des Sondereigentums, die Dritte der Eigentümergemeinschaft in Rechnung stellen, weil nur Vertragsbeziehungen zwischen den Dritten und der Eigentümergemeinschaft bestehen, sind nach der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Kostenverteilungsregelung zu verteilen. Ist in der Gemeinschaftsordnung keine Verteilungsregelung vorhanden, ist die gesetzliche Kostenverteilungsregelung heranzuziehen.262

6.176 Die Gemeinschaft kann für die Kabelanschlussgebühren eine „verbrauchsabhängige“ Abrechnung beschließen, die sich aber, so das Kammergericht zu Recht, an den benutzbaren Kabeldosen zu orientieren hat.263

6.177 Bei den Müllkosten dürfte es allerdings schwierig sein, einen sinnvollen Kostenverteilungsschlüssel festzulegen,264 der der die Belange aller Eigentümer berücksichtigt und keine Eigentümergruppe unbillig benachteiligt.265 Außerdem wird eine Trennung zwischen dem Müllaufkommen der Gemeinschaft und dem der Wohnungseigentümer kaum möglich sein.266 262 Das KG, Beschl. v. 6.4.2005 – 24 W 13/03, KGR Berlin 2005, 484 = WuM 2005, 354 = ZWE 2005, 340 = NZM 2005, 425 = NJW-RR 2005, 813 (zum Kabelanschlussvertrag), m. Anm. Röll, ZWE 2005, 344, weist zu Recht darauf hin, dass nach der gesetzlichen oder in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Regelung verteilt werden muss, solange ein anderer Verteilungsschlüssel nicht wirksam beschlossen wurde. Die Eigentümergemeinschaft hat durch den beschlossenen gemeinsamen Kabelvertrag und durch die Aufnahme der Kabelkosten in die mehrheitlich beschlossenen Jahresabrechnungen die Kabelnutzung zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit gemacht. 263 KG, Beschl. v. 6.4.2005 – 24 W 13/03, KGR Berlin 2005, 484 = WuM 2005, 354 = ZWE 2005, 340 = NZM 2005, 425 = NJW-RR 2005, 813, mit Anm. Röll, ZWE 2005, 344. 264 Das LG Hamburg, Urt. v. 22.2.2013 – 318 S 32/12, ZMR 2013, 465 = ZWE 2013, 453, hat eine beschlussweise Festlegung der Müllkosten-Verteilung nach Personenzahl akzeptiert. 265 Vgl. LG Itzehoe, Urt. v. 18.5.2018 – 11 S 17/17, ZMR 2018, 696. 266 Vgl. (alte Rechtslage vor 2007) OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2006 – 16 Wx 223/05, OLGReport Köln 2006, 631 = ZMR 2007, 68 = NJW-RR 2006, 1023 = NZM 2006, 467; vgl. auch AG Hannover, Beschl. v. 14.6.2006 – 71 II 207/06, ZMR 2007, 75 (Müllkosten müssten nach MEA verteilt werden, weil es sich nicht um Gebrauchskosten handele).

266

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Die Einzelabrechnung

Rz. 6.181 Teil 6

6. Heizkosten in der Einzelabrechnung Im Rahmen der Gesamtabrechnung ist die Entscheidung des BGH zur Heizkostenabrechnung erörtert worden (oben Rz. 6.57 ff.).267 In der Einzelabrechnung ist die nach der Heizkostenverordnung erstellte Heizkostenabrechnung für die jeweilige Wohnung einzustellen. Diese Heizkostenabrechnung folgt den allgemeinen Regeln nach der HeizkostenV. Die HeizkostenV ist zwingendes Recht268 und deren Regelungen gehen den Regelungen in der Gemeinschaftsordnung vor;269 die Regelungen der HeizkostenV haben unmittelbare Geltung (soweit sie die Einzelabrechnungen betreffen) und müssen nicht durch Vereinbarung oder Beschluss für Eigentümergemeinschaft eingeführt werden.270

6.178

§ 7 Abs. 1 S. 3 HeizkostenV ist auf die Wärmeverteilung bei überwiegend nicht gedämmten, aber nicht freiliegenden Heizungsrohrleitungen nicht analog anwendbar. Die genannte Vorschrift bestimmt „In Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, kann der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden.“ Die analoge Anwendung auf nicht freiliegende Rohrleitungen bei Heizkostenabrechnungen haben der BGH und das LG Köln zu Recht abgelehnt.271 Eine Heizkostenabrechnung, die gleichwohl nach der VDI-Richtlinie 2077 erstellt wurde, entspricht demnach nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

6.179

Die Heizkostenabrechnung – und damit die Jahresabrechnung – entspricht auch dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die der Heizkosten-Abrechnungsfirma mitgeteilten Heizöl-Stände am Anfang und Ende des Wirtschaftsjahres nicht genau ermittelt, sondern von dem Verwalter geschätzt werden. Die jeweiligen Stände müssen aufgrund von geeichten Ölstandsanzeigern genau ermittelt werden. Eine Schätzung des Energieverbrauchs (Ölverbrauch) auf der Grundlage des Verbrauchs in früheren Zeiträumen ist unzulässig.272

6.180

Die Kosten des Betriebsstroms der zentralen Heizungsanlage der Gemeinschaft müssen nach 6.181 der Heizkostenverordnung verteilt werden (verbrauchsorientiert, mindestens 50 %, höchstens 70 % nach Verbrauch), § 7 HeizkostenV. Das hat der BGH in seiner Entscheidung vom 3.6.2016 auch gesehen,273 weshalb er eine Jahresabrechnung für ungültig erklärt hat, in der die Stromkosten für die Heizungsanlage nicht über die Heizkostenabrechnung, sondern über die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen (Position „Allgemeinstrom“) auf die Eigen-

267 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = ZWE 2012, 216. 268 Vgl. BGH, Urt. v. 22.6.2018 – V ZR 193/17, WuM 2018, 661 = MDR 2018, 1305 = ZMR 2018, 1022; BayObLG, Beschl. v. 10.7.1998 – 2Z BR 49/98, ZfIR 1998, 545 = ZMR 1998, 793 = WuM 1998, 750 = NZM 1999, 133. 269 BayObLG, Beschl. v. 7.3.1996 – 2Z BR 136/95, BayObLGZ 1996, 58 = WuM 1996, 294 = NJW 1996, 2106 = MDR 1996, 789 = WE 1997, 34. 270 BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = WuM 2012, 222 = GuT 2012, 61. 271 BGH, Urt. v. 15.3.2017 – VIII ZR 5/16, ZMR 2017, 462 = WuM 2017, 320 = MDR 2017, 875; LG Köln, Urt. v. 25.1.2018 – 29 S 163/16, ZMR 2018, 441 = ZWE 2018, 322. 272 A.A. BayObLG, Beschl. v. 20.3.2001 – 2Z BR 101/00, ZWE 2001, 432 = ZMR 2001, 815 = NZM 2001, 754 = WuM 2001, 413, Schätzung sei zulässig. 273 BGH, Urt. v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, WuM 2016, 702 = MDR 2016, 1375 = ZWE 2017, 43.

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267

Teil 6 Rz. 6.181

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

tümer verteilt wurden. In diesem Rechtsstreit ist offensichtlich von keiner Seite und von keiner Instanz das MessEG (bzw. das frühere EichG) in den Blick genommen worden. Auch der BGH hat sich damit – und den daraus folgenden Konsequenzen – nicht beschäftigt. Er meint, wenn der Betriebsstrom nicht über einen Zwischenzähler erfasst werde, müsse geschätzt werden, welcher Anteil an dem Allgemeinstrom auf den Betrieb der Heizungsanlage entfällt. § 7 HeizkostenV lässt aber gar keine Schätzung der Stromkosten zu.

6.182 Das immerhin schon am 1.1.2015 in Kraft getretene „Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen“ (MessEG)274 schreibt in § 33 vor, dass „Werte für Messgrößen […] im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder bei Messungen im öffentlichen Interesse nur dann angegeben oder verwendet werden [dürfen], wenn zu ihrer Bestimmung ein Messgerät bestimmungsgemäß verwendet wurde und die Werte auf das jeweilige Messergebnis zurückzuführen sind.“ Dass solche Messgeräte nicht ohne Eichung verwendet werden dürfen, ergibt sich aus § 37 MessEG.275

6.183 Ein Schätzung, wie vom BGH vorgeschlagen, kann nicht im Einklang stehen mit dem MessEG oder dem früheren Eichgesetz;276 eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Eichrecht, Wohnungseigentumsrecht und Heizkostenverordnung fand leider nicht statt. Der als Bekräftigung der eigenen Position gemeinte Verweis des BGH auf die Entscheidung des VIII. Senats vom 20.2.2008277 ist nicht tragfähig. Bei dieser Entscheidung handelt es sich nicht um eine Entscheidung mit wohnungseigentums- oder eichrechtlich relevanter Begründung, sondern um eine Mietrechtsentscheidung. Der Beschluss über die Jahresabrechnung in dem vom BGH am 3.6.2016 entschiedenen Fall wurde im Juli 2013 gefasst, das erstinstanzliche Gericht entschied mit Urteil vom 10.7.2015. Zur Zeit des Versammlungsbeschlusses galt jedenfalls noch das Eichgesetz, das zum 1.1.2015 durch das MessEG ersetzt wurde; zum Zeitpunkt der Entscheidung war das EichG auch noch auf den Sachverhalt aus der Vergangenheit anzuwenden. Das Eichgesetz sah wie jetzt auch das MessEG vor, dass im geschäftlichen Verkehr Messgeräte verwendet werden müssen, die geeicht sind. Dass auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (und demnach auch im Verhältnis Verband – Wohnungseigentümer) ein „geschäftlicher Verkehr“ bei einer Energieabrechnung vorliegt, dürfte schon seit der Entscheidung des BayObLG vom 28.4.1982 bekannt sein.278 Öffentlich-rechtlich ist die Frage ebenfalls lange geklärt; das OVG Münster hat unmissverständlich geäußert, es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine Verrechnung des Energie- und Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler auch im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft einen geschäftli-

274 Siehe auch Jennißen/Kemm, Die Auswirkungen des neuen Mess- und Eichrechts auf die Jahresabrechnung von Wohnungseigentümergemeinschaften, ZWE 2017, 390; Lindner, Die Neuregelung im Mess- und Eichwesen und die Verwaltung von Wohnungseigentum, ZWE 2015, 442. 275 Vgl. dazu die weiteren Einzelheiten bei Felz, in diesem Handbuch, Teil 9. 276 Vgl. auch die Empfehlung von Casser, Heizkosten in der wohnungseigentumsrechtlichen Abrechnung, ZWE 2018, 117 (120), an die Verwalter, keine nicht geeichten Messgeräte zu verwenden. 277 BGH, Urt. v. 20.2.2008 – VIII ZR 27/07, WuM 2008, 285 = MDR 2008, 737 = ZMR 2008, 691. 278 BayObLG, Beschl. v. 28.4.1982 – 3 Ob OWi 8/82, BayObLGSt 1982. 54 = MDR 1982, 956 = BayVBl. 1982, 507.

268

Köhler

Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Rückstellung)

Rz. 6.186 Teil 6

chen Verkehr im Sinne von § 25 Abs. 1 Nr. 1 EichG a.F. darstelle.279 Zweifel hatte auch das BayObLG nicht, als es in mehreren Entscheidungen deutlich machte, die Verwendung von Wärme-, Energie- oder Wasserzählern in Wohnungseigentümergemeinschaften sei „geschäftlicher Verkehr“ im Sinne des EichG.280 Für die Jahresabrechnung hätte das bedeuten müssen, dass aufgrund der Nicht-Verwendung von geeichten Stromzählern die „allgemeinen Vorschriften“ des Wohnungseigentumsrechts hätten angewendet (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV) und die Stromkosten in der Jahresabrechnung nach den allgemeinen Verteilungskriterien (Gesetz/Gemeinschaftsordnung) hätten verteilet werden müssen. In Entscheidungen (mit allerdings anderen Rechtsfragen) hat der BGH eine Verteilung nach Miteigentumsanteilen – wenn nichts anderes in der Gemeinschaftsordnung geregelt wurde – als den „natürlichen Maßstab“ für den Ausgleich unter den Wohnungseigentümern angesehen.281

IV. Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Rückstellung) Ein wesentlicher Vermögensbestandteil der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist die im Laufe der Zeit angesammelte Instandhaltungsrücklage. Die Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung.

6.184

Die Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage darf in der Jahresabrechnung nicht fehlen und sie muss der Rechtsprechung des BGH entsprechen, der mit seiner grundlegenden Entscheidung vom 4.12.2009 den Darstellungsrahmen festgelegt hat.282 Auch bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage gilt die vom BGH aufgestellte Regel, dass die Darstellung der Jahresabrechnung die Wohnungseigentümer in die Lage versetzen muss, die Vermögenslage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfassen und auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Die Eigentümer müssen nachvollziehen können, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere, ob sie entsprechend den Vorgaben des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind.283

6.185

Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage erfordert eine Untergliederung, um der Forderung des BGH nachzukommen, die von den Wohnungseigentümern tatsächlich erbrachten Beitragsleistungen und die von den einzelnen Wohnungseigentümern noch geschuldeten Bei-

6.186

279 OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2016 – 4 A 1149/15, juris und OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2016 – 4 A 1150/15, ZWE 2016, 383 = ZMR 2016, 821 = NVwZ-RR 2016, 807; vgl. im Übrigen auch die Hinweise auf weitere Rechtsprechung in dem Teil 9 „Technische Sicherheit“. 280 BayObLG, Beschl. v. 23.3.2005 – 2Z BR 236/04, WuM 2005, 479 = ZMR 2005, 969; BayObLG, Beschl. v. 26.3.1998 – 2Z BR 154/97, BayObLGZ 1998, 97 = MDR 1998, 708 = WuM 1998, 371 = ZMR 1998, 508; BayObLG, Beschl. v. 8.6.1990 – 1 b Z 18/89, DWE 1990, 114 = WuM 1990, 621; grob falsch demgegenüber das AG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2008 – 302 OWi – 90 Js 4536/07 – 241/07, ZMR 2008, 741, das die Verwendung von Wasserzählern bei Eigentümergemeinschaften nicht als „geschäftlichen Verkehr“ im Sinne des EichG angesehen hat. 281 BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – V ZB 83/07, WuM 2007, 644 = MDR 2007, 1413 = ZMR 2007, 975; BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 = DWE 2007, 56 = ZMR 2007, 623 = WE 2008, 105. 282 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127; vgl. zur Darstellung bereits oben Rz. 6.47–6.56. 283 BGH, Urt. v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, WuM 2013, 757 = ZWE 2014, 36 = MDR 2014, 143.

Köhler

269

Teil 6 Rz. 6.186

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

träge zu der Instandhaltungsrücklage auszuweisen.284 Die Darstellung muss in sich schlüssig und auch für einen Laien nachvollziehbar sein.285

6.187 Vorschlag zur Darstellung der Instandhaltungsrücklage286 Angaben zum IR-Konto (Bank, Kontonummer) Ist-Darstellung der Instandhaltungsrücklage Anfangsbestand zum 1.1. des Wirtschaftsjahres

Betrag

Abflüsse vom IR-Konto: am … (für beschlossene Maßnahme 1)

Betrag

am … (für beschlossene Maßnahme 2)

Betrag

Zuführungen: am … für Wirtschaftsjahr × (abzurechnendes Wirtschaftsjahr)

Betrag

am … für Wirtschaftsjahr x-1

Betrag

am … für Wirtschaftsjahr x-2

Betrag

… Zinsen287 (Angaben über Zinshöhen) Bruttobetrag Zinsen

Betrag

./. ZASt pp

Betrag

Nettobetrag Zinsen

Betrag

Ist-Endstand am 31.12. des Wirtschaftsjahres

Betrag

Ausweis der offenen IR-Beträge Noch vom Girokonto auf IR-Konto abzuführen – für Wirtschaftsjahr × (abzurechnendes Wirtschaftsjahr)

Betrag

284 LG Dortmund, Urt. v. 24.6.2016 – 17 S 303/15, juris; AG Clausthal-Zellerfeld, Urt. v. 26.5.2014 – 4 C 4/13, ZMR 2015, 64 (nachfolgend: LG Braunschweig, Urt. v. 24.2.2015 – 6 S 293/14 (89), ZMR 2015, 473); LG Köln, Urt. v. 8.5.2014 – 29 S 241/13, ZMR 2014, 823 = ZWE 2015, 43 = DWE 2015, 36 (Unterscheidung zwischen Soll- und Ist-Rücklage); LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2013 – 11 S 39/12, ZMR 2014, 665; AG Hamburg-Altona, Urt. v. 30.3.2012 – 303a C 13/11, ZMR 2013, 70. 285 AG München, Urt. v. 25.11.2015 – 485 C 30059/14 WEG, ZMR 2016, 157; LG Hamburg, Urt. v. 19.12.2014 – 318 S 5/14, ZMR 2016, 223. 286 Vgl. dazu auch LG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZMR 2017, 181 = ZWE 2017, 271 (Vorinstanz: AG Wuppertal, Urt. v. 25.4.2016 – 95b C 161/15), in juris ist die Entscheidung des LG vollständig (mit Tabelle pp) dargestellt. 287 Sofern diese auf dem IR-Konto verbleiben und nicht (über die Einnahmen in der Jahresabrechnung) ausgezahlt werden sollen.

270

Köhler

Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Rückstellung)

– für Wirtschaftsjahr x-1

Betrag

– für Wirtschaftsjahr x-2

Betrag

Summe der noch vom Girokonto abzuführenden Beträge

Rz. 6.190 Teil 6

Betrag

Noch für Sondereigentumseinheiten zu zahlende Beträge – für das Wirtschaftsjahr × (abzurechnendes Wirtschaftsjahr) Einheit Nr. …/WE-Name

Betrag

Einheit Nr. …/WE-Name

Betrag

– für das Wirtschaftsjahr x-1 Einheit Nr. …/WE-Name usw.

Betrag

Insgesamt für SE-Einheiten noch zu zahlen

Betrag

Soll-Endbestand am 31.12. des Wirtschaftsjahres

Betrag

Es muss in der Jahresabrechnung angegeben werden, wo und wie die Instandhaltungsrücklage angelegt ist (Bankinstitut, Kontonummer, Zinssatz pp.);288 diese Angaben gehören zu einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung und Rechnungslegung. Die Wohnungseigentümer müssen eine Überprüfungsmöglichkeit haben, wie die als Rücklagen dienenden Gelder angelegt worden sind.289

6.188

Zulässig ist, die Instandhaltungsrücklage nicht auf einem gesonderten Konto anzusammeln, sondern die Gelder auf dem Girokonto der Gemeinschaft zu belassen.290 Ohne eine verbindliche Anlage-Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung oder eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft besteht keine Pflicht, die Instandhaltungsrücklage auf einem gesonderten Konto anzulegen.291

6.189

Gerade bei einer „Anlage“ auf dem Girokonto muss der Verwalter aber darauf achten, nicht über den „angesammelten“ Betrag der Instandhaltungsrücklage zu verfügen; sollte er unzulässiger Weise über die auf dem Girokonto angesammelte Instandhaltungsrücklage verfügt haben, um damit gemeinschaftliche Lasten und Kosten zu bestreiten, die nicht aus der Instandhaltungsrücklage entnommen werden sollen, muss er dies in seiner Darstellung auch deutlich machen. Er darf nicht so tun, als sei ein bestimmter Betrag an Instandhaltungsrücklage vor-

6.190

288 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 = Rpfleger 1975, 255. 289 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.2.1997 – 3 Wx 75/95, ZMR 1997, 323 = WuM 1997, 345 = DWE 1997, 76 = WE 1997, 313 = NJWE-MietR 1997, 252; wie wichtig eine genaue Kontrolle der Instandhaltungsrücklagen durch die Gemeinschaften ist, zeigen die Entscheidungen der 9. Großen Strafkammer des LG Bonn, Urt. v. 20.3.2018 – 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 2/18, juris, sowie LG Bonn, Urt. v. 5.6.2018 – 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 1/17, ZWE 2018, 421; vgl. auch Köhler, Risiko WEG-Verwalter – Risikomanagement einer Wohnungseigentümergemeinschaft, DWE 2017, 4. 290 OLG Köln, Beschl. v. 5.4.2001 – 16 Wx 101/00, OLGReport Köln 2001, 267; KG, Beschl. v. 13.4.1987 – 24 W 5174/86, MDR 1987, 938 = ZMR 1988, 108 = WuM 1988, 33 = NJW-RR 1987, 1160; a.A. scheint das OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446, zu sein. 291 LG Dortmund, Urt. v. 28.9.2018 – 17 S 53/18, juris; KG, Beschl. v. 13.4.1987 – 24 W 5174/86, MDR 1987, 938 = ZMR 1988, 108 = WuM 1988, 33 = NJW-RR 1987, 1160.

Köhler

271

Teil 6 Rz. 6.190

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

handen, obwohl sich aus dem ausgewiesenen niedrigeren Girokontostand ergibt, dass die Instandhaltungsrücklage nur auf dem Papier „existiert“.292

6.191 Zu den grundsätzlichen Fragen des Komplexes „Mehrhausanlagen/Untergemeinschaften“ kann auf die Ausführungen im Teil „Wirtschaftsplan“ (Teil 5, Rz. 5.88–5.95) verwiesen werden. Der BGH hat die buchhalterische Bildung getrennter Instandhaltungsrücklagen für Untergemeinschaften grundsätzlich als zulässig angesehen.293 Sind getrennte Instandhaltungsrücklagen nach der Gemeinschaftsordnung vorgesehen, erfordert dies eine weitere Differenzierung bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage.

6.192 Mitunter kann eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung über die getrennte Ansammlung von Instandhaltungsrücklagen nichtig sein, so z.B. in einem vom LG Düsseldorf entschiedenen Fall. Dort war die Regelung in der Gemeinschaftsordnung über die Bildung einer besonderen Instandhaltungsrücklage für Hobbyräume nichtig, weil für die Hobbyräume keine gesondert und gemeinschaftlich von den Hobbyraumeigentümern zu tragenden Kosten anfallen konnten; die Gemeinschaft hatte deshalb die Beschlusskompetenz zur Abschaffung dieser gesonderten Instandhaltungsrücklage.294

6.193 Zur Einführung von Instandhaltungsrücklagen für vermeintliche „Untergemeinschaften“ besteht keine Beschlusskompetenz, es sei denn, die Gemeinschaftsordnung enthielte eine Öffnungsklausel.295

V. Die Girokontodarstellung/Kontoabstimmung 6.194 Ein wichtiger Bestandteil einer Jahresabrechnung ist die Darstellung des oder der für die Gemeinschaft geführten Girokontos/Girokonten296 mit den Beständen zu Beginn297 und zum Ende des Abrechnungszeitraumes,298 weiter müssen aber auch die Zu- und Abgänge wäh292 Zu Schadensersatzansprüchen einer Gemeinschaft gegen einen Verwalter vgl. (in etwas anderem Zusammenhang) LG Berlin, Urt. v. 22.6.2018 – 85 S 23/17 WEG, ZMR 2018, 843. 293 BGH, Urt. v. 17.4.2015 – V ZR 12/14, DWE 2015, 80 = ZWE 2015, 335 = ZMR 2015, 726; BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 184/16, WuM 2018, 100 = ZWE 2018, 124 = MDR 2018, 787. 294 LG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2019 – 25 S 3/18, ZMR 2019, 862 = MietRB 2019, 142. 295 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1998 – 3 Wx 521/97, ZMR 1998, 308 = WE 1998, 487 = WuM 1998, 429; ähnlich OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1997 – 16 Wx 311/97, WuM 1998, 174 = WE 1998, 311 = DWE 1998, 190. 296 Bei mehreren Konten sind auch alle Konten zu nennen und darzustellen, um eine Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten: LG Lüneburg, Urt. v. 29.1.2015 – 1 S 45/14, ZMR 2015, 486. 297 Sind in der Abrechnung keine Anfangsbestände, sondern nur Endbestände der Konten angegeben, entspricht das nicht ordnungsmäßiger Verwaltung: AG Landsberg, Urt. v. 27.1.2015 – 1 C 373/14 WEG, ZMR 2015, 587 = ZWE 2016, 233. 298 LG Berlin, Urt. v. 22.6.2018 – 85 S 23/17 WEG, ZMR 2018, 843; LG Rostock, Urt. v. 30.6.2017 – 1 S 143/16, ZMR 2017, 835; LG Rostock, Urt. v. 10.7.2015 – 1 S 160/14, ZMR 2015, 883 = ZWE 2016, 183; AG Erfurt, Urt. v. 7.7.2015 – 2 C 12/13, ZMR 2015, 811; LG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, ZMR 2011, 987; vgl. im Übrigen OLG Köln, Beschl. v. 5.4.2001 – 16 Wx 101/00, OLGReport Köln 2001, 267; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2000 – 3 Wx 378/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 378 = ZWE 2001, 114 = ZMR 2001, 375 = NZM 2001, 546 = DWE 2001, 151; OLG Hamm, Beschl. v. 18.6.1998 – 15 W 357/97, ZMR 1998, 720 = NZM 1998, 875; OLG Köln, Beschl. v. 23.9.1996 – 16 Wx 130/96, n.v.; BayObLG, Beschl. v. 10.3.1994 – 2Z BR 11/94, WuM 1994, 498 = DWE 1994, 156 = WE 1995, 91; BayObLG, Beschl. v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WuM 1994, 230 = DWE 1994, 154 = WE 1995, 30; BayObLG, Beschl. v. 18.7.1989

272

Köhler

Die Girokontodarstellung/Kontoabstimmung

Rz. 6.197 Teil 6

rend des Abrechnungszeitraumes ausgewiesen werden,299 um die Entwicklung der gemeinschaftlichen Konten darzustellen und die rechnerische Richtigkeit (Schlüssigkeit) der Abrechnung nachzuweisen.300 Auch der Ausweis von durchlaufenden Posten301 ist in der Girokontodarstellung notwendig.

6.195

Werden die Anfangs- und Endbestände des Kontos genannt und ergeben sich die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben des Wirtschaftsjahres aus der Jahresabrechnung, kann die notwendige rechnerische Schlüssigkeit der Gesamt- und Einzelabrechnungen dargelegt werden.302

6.196

Für den Wohnungseigentümer muss die Jahresabrechnung auch ohne Hinzuziehung eines Buchprüfers oder eines sonstigen Sachverständigen verständlich sein, weshalb es auch unabdingbar ist, die Girokontodarstellung schlüssig darzustellen. Der Wohnungseigentümer darf weder auf anderweitige Unterlagen verwiesen werden, die zur Einsicht bereitgehalten werden,303 noch entspricht es den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung, wenn der Endbestand der Abrechnung mit dem Endbestand der Kontenentwicklung nur in Einklang zu bringen ist, indem man eine DIN-A4-Seite mit einem erklärenden Rechenweg zur Kenntnis nehmen und nachvollziehen muss.304

6.197

299

300

301 302 303 304

– 2 Z 66/89, BayObLGZ 1989, 310 = ZMR 1990, 63 = WuM 1989, 530 = NJW-RR 1989, 1163 = DWE 1990, 62; OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 = Rpfleger 1975, 255; LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95, ZMR 1997, 326 (nur LS). LG Dortmund, Urt. v. 19.2.2016 – 17 S 197/15, Juris; AG Köln, Beschl. v. 6.12.1996 – 202 II 173/96, n.v.; AG Köln, Beschl. v. 7.1.1997 – 202 II 201/96, n.v.; AG Köln, Beschl. v. 28.7.1998 – 202 II 19/98, ZMR 1998, 724; BayObLG, Beschl. v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZWE 2000, 135 = DWE 2000, 82. Aust, Die ordnungsgemäße Darstellung der Kostenentwicklung in der WEG-Jahresabrechnung, MietRB 2018, 61; LG Berlin, Urt. v. 29.6.2018 – 55 S 96/7 WEG, ZWE 2019, 86; LG Dortmund, Urt. v. 18.5.2018 – 17 S 116/17, ZMR 2018, 784 (Schadensersatzanspruch gegen Verwalter); LG München I, Urt. v. 14.12.2017 – 36 S 1863/17 WEG, ZMR 2018, 445; LG Dortmund, Beschl. v. 5.10.2016 – 1 S 205/16, DWE 2016, 167 = ZWE 2017, 183 = ZMR 2017, 423; LG Dortmund, Urt. v. 24.6.2016 – 17 S 303/15, juris; AG München, Urt. v. 24.8.2016 – 481 C 28359/15 WEG, ZMR 2017, 201; AG Erfurt, Urt. v. 13.4.2016 – 5 C (WEG) 29/12, juris; LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.1.2014 – 2-13 S 27/13, WuM 2014, 163 = ZWE 2014, 137; AG München, Urt. v. 1.10.2013 – 483 C 32654/12, ZMR 2014, 156; LG Berlin, Urt. v. 19.10.2012 – 55 S 346/11, ZWE 2013, 374. OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2007 – 2 W 216/06, OLGReport Schleswig 2007, 883 = ZWE 2008, 42, m. Anm. Demharter, ZWE 2008, 46, sowie Jennißen, MietRB 2008, 52. LG Düsseldorf, Urt. v. 2.7.2014 – 25 S 7/14, ZMR 2014, 903 = ZWE 2015, 95; OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446 = ZMR 2001, 1001. OLG Hamm, Beschl. v. 21.11.1996 – 15 W 107/96, ZMR 1997, 251 = DWE 1997, 36 = WE 1997, 194. LG Berlin, Urt. v. 28.2.2014 – 55 S 150/12 WEG, ZMR 2014, 658 = ZWE 2014, 450.

Köhler

273

Teil 6 Rz. 6.198

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

VI. Prüfung der Jahresabrechnung durch den Verwaltungsbeirat 6.198 Nach § 29 Abs. 3 WEG soll der Verwaltungsbeirat vor einem Beschluss einer Eigentümerversammlung über die Abrechnung diese prüfen und hierzu Stellung nehmen.305 Dieses Recht des Verwaltungsbeirates beschneidet jedoch nicht die Rechte der anderen Miteigentümer. Insbesondere wird dadurch nicht das Recht des einzelnen Wohnungseigentümers beseitigt, seine eigenen Prüfungsrechte geltend zu machen.306 Die häufig in Beschlussanfechtungsverfahren anzutreffende Argumentation, die Jahresabrechnung sei richtig, weil der Beirat diese geprüft habe, und der einzelne Wohnungseigentümer könne wegen der Prüfung des Beirates die Abrechnungsunterlagen nicht mehr selbst prüfen, entbehrt jeglicher Grundlage.

6.199 Lässt sich ein Miteigentümer zum Beirat bestellen, ergibt sich aus § 29 WEG für ihn auch eine Pflicht zur Kontrolle der Jahresabrechnung. Verletzt der Verwaltungsbeirat seine aus § 29 WEG gegenüber der Gemeinschaft bestehende Pflicht, haftet er bei schuldhaftem Verhalten hierfür auch;307 ein Schadensersatz-Anspruch kann jedoch nur von der Eigentümergemeinschaft, nicht von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.308 Bei einer fehlerhaften Jahresabrechnung darf dem Verwaltungsbeirat – wie auch dem Verwalter – keine Entlastung erteilt werden.309

VII. Wirksamwerden einer Jahresabrechnung 1. Beschlüsse a) Allgemeines

6.200 Die Jahresabrechnung wird in einer Eigentümerversammlung durch die Wohnungseigentümer beschlossen, um im gemeinschaftlichen Innenverhältnis und im Verhältnis Verband – Wohnungseigentümer Wirksamkeit zu erlangen. Der Beschluss bleibt wirksam, bis er (abgesehen von einer Nichtigkeit) durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt worden ist, § 23 Abs. 4 WEG.

6.201 Zur Beschlussfassung ist die Eigentümerversammlung des Verbandes berufen. Jahresabrechnungen einzelner selbständiger Eigentümergemeinschaften dürfen deshalb nicht in einer gemeinsamen „Eigentümerversammlung“ einer Dachgemeinschaft (Zusammenschluss meh305 Der Verwaltungsbeirat hat nur die Aufgabe, die Jahresabrechnung inhaltlich vor der Eigentümerversammlung zu prüfen, dem Beirat obliegt jedoch nicht, den Verwalter wegen Pflichtverletzungen im Vorfeld einer Eigentümerversammlung zu rügen; vgl. LG Aurich, Beschl. v. 28.3.2011 – 4 S 160/10, n.v. 306 Vgl. LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95 WEG, ZMR 1997, 326 (nur LS). 307 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = ZMR 1998, 104 = WuM 1998, 50 = NZM 1998, 36 = WE 1998, 265; vgl. auch die Besprechung von Drasdo, NZM 1998, 15; Drasdo, Der Verwaltungsbeirat, S. 75. 308 AG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2010 – 292a C 16167/09, n.v., unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – V ZB 9/88, BGHZ 106, 222 = MDR 1989, 436 = NJW 1989, 1091 = ZMR 1989, 182. 309 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = ZMR 2010, 300 = NZM 2010, 243; vgl. auch Schmid, Zur Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats, ZMR 2010, 667; LG Hamburg, Urt. v. 12.7.2017 – 318 S 1/17, ZMR 2017, 915; LG Köln, Urt. v. 21.4.2016 – 29 S 156/15, ZWE 2017, 282 = ZMR 2017, 1005; LG Rostock, Urt. v. 23.1.2015 – 1 S 24/14, ZMR 2015, 338 = ZWE 2015, 462.

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Wirksamwerden einer Jahresabrechnung

Rz. 6.204 Teil 6

rerer Eigentümergemeinschaften) beschlossen werden; solche Beschlüsse sind nichtig.310 Der Zusammenschluss von selbständigen Eigentümergemeinschaften zu einer gemeinsam verwalteten „Dachgemeinschaft“ ist nicht wirksam. Eine „Organisation“ außerhalb der eigentlichen Gemeinschaften der Wohnungseigentümer hat keinerlei Beschlusskompetenz für Angelegenheiten der einzelnen Gemeinschaften.Die Zusammensetzung einer Eigentümergemeinschaft ergibt sich aus den Eintragungen in den Grundbüchern (Beispiel für den Hinweis auf die an der WEG beteiligten Grundbücher im Bestandsverzeichnis: „Das Miteigentum ist beschränkt durch die zu den anderen Miteigentumsanteilen gehörenden Sondereigentumsrechte, eingetragen in den Blättern 17401 bis 17420, ausgenommen dieses Grundbuchblatt“), weshalb eine Kontrolle der Grundbücher durch den rechtsanwaltlichen Berater/Vertreter unbedingt erforderlich ist. b) Fehlerhafte „Ausweich“-Beschlüsse In Eigentümerversammlungen entstehen immer wieder Diskussionen, ob die vorgelegte Jah- 6.202 resabrechnung auch wirklich „richtig“ ist oder es werden Forderungen laut, die vorgelegte Abrechnung nachträglich zu ändern. Um zu vermeiden, erst eine aufwändige Prüfung durchführen oder eine neue Abrechnung erstellen zu müssen, beschreiten Verwalter häufig einen vermeintlich einfacheren Weg, der auch die Eigentümer davor bewahren soll, sich in einer neuen Versammlung erneut mit der Materie befassen zu müssen. Es werden „Ausweich“-Beschlüsse gefasst. Ein solcher „Ausweich“-Beschluss ist z.B. eine Beschlussfassung über die vom Verwalter erstellten Einzelabrechnungen, unter der Bedingung, dass diese richtig sind. Ein solcher Beschluss entspricht – wenn er nicht schon nichtig wäre – jedenfalls nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und ist für ungültig zu erklären.311 Eine nicht überprüfte Annahme, nämlich, ob die Jahresabrechnung richtig oder falsch ist, kann nicht zum Gegenstand einer Beschlussfassung gemacht werden. Ebenfalls nicht ordnungsgemäß ist ein Beschluss, wonach die Jahresabrechnung genehmigt wird, gleichzeitig aber „kurzfristig“ eine Überprüfung der Entnahmen erfolgen soll.312

6.203

Nach richtiger Auffassung mehrerer Gerichte ist auch ein weiterer „Ausweich“-Beschluss, 6.204 nämlich ein Beschluss über eine Jahresabrechnung, bei der ein „Korrekturvorbehalt“ gemacht wird,313 wonach die Kostenposition XY nach der Versammlung „berichtigt“ werden soll, inhaltlich unklar und unbestimmt.314 Es wird weder erkennbar, wie nach „Berichtigung“ die Jahresabrechnungen (Einzelabrechnungen) aussehen sollen, noch liegen der Eigentümer-

310 LG Stuttgart, Beschl. v. 23.10.2017 – 19 S 38/17, ZWE 2018, 457; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.2003 – 3 Wx 223/02, ZMR 2003, 765 = GuT 2003, 196 = OLGReport Düsseldorf 2003, 430; AG Mettmann, Urt. v. 3.8.2009 – 26 C 104/08, ZMR 2009, 959; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1999 – 16 Wx 78/99, ZMR 2000, 561 = NZM 1999, 1105 = OLGReport Köln 2000, 48; OLG Hamm, Beschl. v. 9.10.2003 – 15 W 14/02, ZMR 2005, 721 = OLGReport Hamm 2004, 201 = NZM 2004, 787; vgl. aber auch (Olympiadorf-Entscheidung) BGH, Urt. v. 9.2.2004 – II ZR 218/01, NZM 2004, 466 = NJW-RR 2004, 874 = ZMR 2004, 522. 311 BayObLG, Beschl. v. 27.4.1989 – 2 Z 28/89, WE 1990, 138 = WuM 1989, 531. 312 AG Tostedt, Urt. v. 26.8.2009 – 5 C 204/08, ZMR 2010, 326 = ZWE 2010, 290, unter Hinweis auf OLG Köln, Beschl. v. 22.9.2004 – 16 Wx 142/04, MDR 2005, 500 = ZMR 2005, 227 = OLGReport Köln 2005, 39. 313 Vgl. dazu auch Greiner, Fehlerhafte Abrechnungsbeschlüsse, ZWE 2018, 341. 314 Vgl. auch Riecke, Der Bestimmtheitsgrundsatz im Wohnungseigentum, ZMR 2018, 173.

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Teil 6 Rz. 6.204

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

versammlung irgendwelche konkreten Zahlen vor. Solche Beschlussfassungen sind nichtig.315 Dem Verwalter kann und darf auch nicht eine Befugnis zur nachträglichen Änderung der Jahresabrechnung übertragen werden;316 eine Bindungswirkung kann durch einen solchen Beschluss nicht erzeugt werden. Der Beschluss über eine Jahresabrechnung gehört zu den Kernrechten der Wohnungseigentümer, in die durch solche „Ausweich“-Beschlüsse nicht eingegriffen werden darf.

6.205 Ein Beschluss über eine Jahresabrechnung, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorlag (antizipierte Beschlussfassung über Jahresabrechnung), entspricht ebenfalls nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und kann angefochten werden. Entgegen dem LG Hamburg, das nur eine Anfechtbarkeit annimmt, ist von einer Nichtigkeit der Beschlussfassung auszugehen.317 Eine solche antizipierte Beschlussfassung widerspricht im Übrigen auch den Informationsinteressen der Wohnungseigentümer.318 2. Genehmigungsfiktion/Kompetenzübertragung auf den Beirat a) Genehmigungsfiktion in der Gemeinschaftsordnung

6.206 In einigen Gemeinschaftsordnungen finden sich Formulierungen, wie „Die Abrechnung gilt als anerkannt, wenn nicht innerhalb … Wochen nach Absendung dieser schriftlich widersprochen wird.“

Statt Absendung findet sich auch die Formulierung nach Übersendung. Es stellt sich die Frage, ob solche Klauseln wirksam sind.

6.207 Einigkeit besteht darüber, dass ein Verwalter sich nicht auf die Genehmigungsfiktion berufen kann, wenn die Jahresabrechnung trotz der Fiktion in der Gemeinschaftsordnung in einer Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung gestellt wird.319 In dem gegen die Beschlussfassung gerichteten gerichtlichen Anfechtungsverfahren werden die übrigen Eigentümer und der Verwalter nicht mehr damit gehört, der Verwalter habe die Abrechnung nicht vorlegen müssen und das Beschlussanfechtungsverfahren gehe wegen der Genehmigungsfiktion ins Leere. 315 AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 20.12.2017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266; AG Pinneberg, Urt. v. 6.6.2017 – 60 C 71/16, ZMR 2017, 771 = ZWE 2017, 464 (spricht nicht von Nichtigkeit); LG München I, Urt. v. 22.9.2016 – 36 S 22442/15 WEG, ZMR 2017, 89, mit Anm. Weber, IMR 2017, 249 und Schlimme, jurisPR-MietR 10/2017 Anm. 4; AG Leverkusen, Urt. v. 11.7.2013 – 23 C 2/13; LG Köln, Beschl. v. 28.11.2013 – 29 S 180/13, beide Entscheidungen n.v.; LG Hamburg, Urt. v. 23.3.2011 – 318 S 48/10, ZMR 2012, 121. 316 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 Wx 107/05, ZMR 2006, 544 = ZWE 2006, 246 (Gleiches gilt auch für den Beschluss über einen Wirtschaftsplan); vgl. auch LG Köln, Beschl. v. 31.1.2001 – 29 T 191/00, n.v.: „Einzelabrechnungen, die noch gar nicht erstellt und den Wohnungseigentümern zur Einsicht vorgelegt worden sind, können nicht gebilligt werden“. 317 LG Hamburg, Urt. v. 23.3.2011 – 318 S 48/10, ZMR 2012, 121; vgl. zu einem Sonderfall der Rechtskraft durch Zurücknahme der Berufung: LG Hamburg, Urt. v. 10.3.2010 – 318 S 84/09, ZMR 2010, 635 = DWE 2010, 100. 318 LG Köln, Beschl. v. 31.1.2001 – 29 T 191/00, n.v. 319 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = MDR 1991, 517 = ZMR 1991, 146 = NJW 1991, 979 = DWE 1991, 70; KG, Beschl. v. 24.4.1991 – 24 W 6358/90, OLGZ 1992, 61 = MDR 1991, 1171 = ZMR 1991, 405 = NJW-RR 1991, 1042; KG, Beschl. v. 6.9.1993 – 24 W 4142/92, OLGZ 1994, 141 = MDR 1993, 1203 = ZMR 1994, 29 = NJW-RR 1994, 83; LG Aachen, Beschl. v. 15.2.1996 – 2 T 162/95, ZMR 1997, 326 (nur LS).

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Wirksamwerden einer Jahresabrechnung

Rz. 6.210 Teil 6

Der BGH320 hat in einer auf Vorlage des Kammergerichts321 ergangenen Entscheidung offen gelassen, ob die oben zitierte „Absendungs“-Klausel dispositives Gesetzesrecht ändert und einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhält, weil es in diesem Fall seiner Ansicht nach um einen „Zweitbeschluss“ ging. Der BGH meinte damit wohl, dass durch die Genehmigungsfiktion der „Erstbeschluss“ zustande komme und der Versammlungsbeschluss der (zulässige) „Zweitbeschluss“ sei. Dieser sei anfechtbar. Der BGH hat die Klausel dabei als eine unwiderlegliche Zugangs- und Zustimmungsvermutung angesehen, die zur Verwaltungsvereinfachung die nach § 23 Abs. 3 WEG notwendige schriftliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer ersetzt. In einer Entscheidung folgt das BayObLG dieser Auffassung322 und meint ebenfalls, es liege eine Genehmigungsfiktion vor.323

6.208

Den Auffassungen des BGH und des BayObLG vermag ich nicht zu folgen. Zweifel, ob eine solche Genehmigungsfiktion wirksam ist, äußern auch das OLG Frankfurt324 und das OLG München,325 ohne jedoch endgültig hierüber zu entscheiden.326 Das AG Schwerin hält eine Genehmigungsfiktion in der Gemeinschaftsordnung für unwirksam.327 Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass eine solche Fiktionsklausel nicht wirksam sein kann.328 Schweigen kann nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung, nicht jedoch aufgrund einer Klausel in der Gemeinschaftsordnung als Zustimmung gewertet werden.329

6.209

Wäre eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Genehmigungsfiktion wirksam, müsste die Jahresabrechnung nach einem formellen Widerspruch durch einen Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung zur Abstimmung gestellt werden.330 Für die Praxis der Wohnungseigentumsverwaltung ist es nicht empfehlenswert, sich auf eine Genehmigungsfiktion bei der Jahresabrechnung zurückzuziehen; Verwalter sollten stets die Jahresabrechnungen zur Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung stellen.

6.210

320 BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = MDR 1991, 517 = ZMR 1991, 146 = NJW 1991, 979 = DWE 1991, 70; zustimmend Merle/Hausmann, JR 1991, 512. 321 KG, Beschl. v. 4.7.1990 – 24 W 1434/90, OLGZ 1990, 437 = ZMR 1990, 428 = WuM 1990, 407 = DWE 1990, 140. 322 BayObLG, Beschl. v. 20.3.2001 – 2Z BR 101/00, ZWE 2001, 432 = ZMR 2001, 815 = NZM 2001, 754 = WuM 2001, 413. 323 Zur Fiktion einer Genehmigung durch die in Rz. 6.206 genannte GO-Klausel vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.1981 – 15 W 169/80, OLGZ 1982, 20 = Rpfleger 1981, 440; AG Friedrichsdorf, Beschl. v. 2.4.1986 – 4 UR II 18/86 WEG, n.v. 324 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.3.2005 – 20 W 350/03, OLGReport Frankfurt 2006, 3, mit Verweis auf die Vorentscheidung des LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.8.2003 – 2/9 T 62/03. 325 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 W 46/07, MDR 2008, 620 = OLGReport München 2008, 362. 326 Ebenso offen gelassen: AG Kassel, Urt. v. 30.6.2016 – 800 C 4322/15, DWE 2016, 170. 327 AG Schwerin, Urt. v. 15.7.2016 – 14 C 436/15 WEG, ZMR 2016, 916 (die nachgehende Instanz LG Rostock, Urt. v. 3.6.2017 – 1 S 143/16, ZMR 2017, 835, hält wohl die Genehmigungsfiktion unter Hinweis auf BGH v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = MDR 1991, 517, für wirksam). 328 Vgl. hierzu auch BayObLG, Beschl. v. 28.10.1980 – 2 Z 63/80, BayObLGZ 1980, 331 = MDR 1981, 320 = DWE 1981, 55 = OLGZ 1981, 384, welches selbst meinte, § 23 Abs. 3 WEG könne nicht, auch nicht durch Vereinbarung, abbedungen werden; ebenso OLG Köln, Beschl. v. 21.8.1979 – 16 Wx 80/79, juris. 329 So auch AG Königstein, Beschl. v. 12.2.1979 – 7 UR II 16/78, MDR 1979, 760. 330 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 20.12.1994 – 2Z BR 106/94, NJW-RR 1995, 530 = WuM 1995, 341 = DWE 1995, 161.

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Teil 6 Rz. 6.211

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

b) Genehmigungsfiktion im Verwaltervertrag

6.211 Eine Klausel im Verwaltervertrag, wonach gegenüber dem Verwalter die von ihm erstellte Jahresabrechnung als genehmigt gilt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht innerhalb von vier Wochen nach Vorlage Einwendungen erhebt, ist unwirksam. Eine solche Klausel verstößt gegen die AGB-Regelungen des BGB.331 Regelungen im Verwaltervertrag können auch nicht die Rechte der einzelnen Eigentümer beschneiden – abgesehen davon dass der Verwaltervertrag zwischen Verband und Verwalter abgeschlossen wird. c) Kompetenzübertragung auf den Beirat

6.212 Im Teil „Wirtschaftsplan“ (Teil 5, Rz. 5.96–5.103) habe ich bereits auf Bestimmungen in Gemeinschaftsordnungen hingewiesen, wonach der Beirat die Jahresabrechnung wirksam genehmigen kann. Auf die dortigen Ausführungen kann verwiesen werden.332 3. Zweitbeschluss über Jahresabrechnung

6.213 Über eine schon beschlossene Jahresabrechnung soll nach herrschender Meinung noch einmal beschlossen werden können,333 wenn schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkung des Erstbeschlusses334 berücksichtigt werden,335 insbesondere wenn sich die Jahresabrechnung infolge eines Irrtums oder unrichtiger Buchführung als fehlerhaft erweist.336 Tatsächliche Vorteile aus dem Erstbeschluss müssten nicht, so das OLG Düsseldorf,337 erhalten bleiben.338 Zweitbeschlüsse über eine Jahresabrechnung sollen eine ersetzende und nicht nur eine bestätigende Wirkung haben.339

331 OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 118/08, NJW 2008, 3574 = NZM 2008, 894 = ZMR 2009, 137 = DNotZ 2009, 221 (Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.6.2008 – 14 T 1462/08, ZMR 2008, 831); vgl. zur AGB-Kontrolle: BGH, Urt. v. 13.10.2006 – V ZR 289/05, MDR 2007, 326 = NJW 2007, 213 (Verwaltervertrag); Pießkalla/Reichart, NZM 2009, 728. 332 Vgl. zusätzlich noch Schmidt, Anmerkung zu OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2008 – 15 W 340/06), ZWE 2007, 348; Strecker, ZWE 2004, 195. 333 LG Rostock, Urt. v. 3.6.2017 – 1 S 143/16, ZMR 2017, 835, unter Bezug auf BGH v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = MDR 1991, 517; LG München I, Urt. v. 16.11.2015 – 1 S 23501/14 WEG, ZMR 2016, 143. 334 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 113, 197 = MDR 1991, 517 = ZMR 1991, 146 = NJW 1991, 979 = WuM 1991, 216; LG Hamburg, Urt. v. 23.7.2014 – 318 S 43/14, ZMR 2015, 47 = ZWE 2015, 220. 335 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.3.2000 – 3 Wx 414/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 258 = ZWE 2000, 368 = ZMR 2000, 475 = NZM 2000, 875; LG München I, Urt. v. 22.9.2016 – 36 S 22442/15 WEG, ZMR 2017, 89 (Zweitbeschluss erfordert Rücksichtnahme auf schutzwürdige Belange). 336 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.1999 – 3 Wx 141/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 117 = ZWE 2000, 475 = ZMR 2000, 120 = DWE 2000, 40. 337 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.3.2000 – 3 Wx 414/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 258 = ZWE 2000, 368 = ZMR 2000, 475 = NZM 2000, 875. 338 Vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.10.1997 – 5 W 60/97, ZMR 1998, 50 = WuM 1998, 243 = WE 1998, 69; LG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2013 – 25 S 78/13, Juris. 339 KG, Beschl. v. 31.1.2000 – 24 W 7617/99, KGR Berlin 2001, 228 = ZWE 2000, 274 = NZM 2001, 241, mit Anm. Drabek, ZWE 2000, 257.

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Wirksamwerden einer Jahresabrechnung

Rz. 6.217 Teil 6

Wird ein Zweitbeschluss gefasst, muss dieser gerichtlich angegriffen werden, will man die Bestandskraft dieses Beschlusses verhindern.340 Wird der Erstbeschluss über die Jahresabrechnung angegriffen341 und während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens ein Zweitbeschluss gefasst, der ebenfalls gerichtlich angegriffen wird, muss jedenfalls das Erstbeschluss-Anfechtungsverfahren wegen Vorgreiflichkeit des Zweitbeschluss-Anfechtungsverfahrens ausgesetzt werden.342 Im Zweitbeschluss-Anfechtungsverfahren ist nämlich vorrangig zu prüfen, ob dieser formell richtig zustande gekommen ist, ob überhaupt ein Zweitbeschluss erfolgen durfte und ob der Zweitbeschluss auch materiell richtig ist. Eine Besonderheit ergibt sich, wenn der Erstbeschluss novatorisch durch den Zweitbeschluss ersetzt worden ist.343

6.214

4. Anfechtung des Jahresabrechnungsbeschlusses Wird in einer Eigentümerversammlung positiv über eine Jahresabrechnung beschlossen, die fehlerhaft ist, muss der Eigentümer, wenn er diese Mängel geltend machen will, den Beschluss innerhalb eines Monats anfechten, § 46 Abs. 1 S. 2 WEG.

6.215

Streitgegenstand des Beschlussanfechtungsverfahrens ist die Ungültigkeitserklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung und nicht die Jahresabrechnung selbst.344 Die Beschlussfassung ist fehlerhaft, wenn in der Jahresabrechnung Fehler enthalten sind. Daneben kann die Beschlussfassung aber auch aus formellen Gründen fehlerhaft sein (Einladungsfehler, Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit der Versammlung, nicht berechtigter Ausschluss vom Stimmrecht, inhaltliche Unklarheit des Beschlusses, Fehler bei der Protokollierung des Beschlusses usw.), die nichts mit der Jahresabrechnung und den darin enthaltenen einzelnen Positionen selbst zu tun haben. Dies zeigt schon, dass Gegenstand der Beschlussanfechtung nicht die Abrechnung sein kann, sie bildet lediglich die Grundlage der Beschlussfassung.

6.216

Nach ganz herrschender Meinung – der ich nicht folge – kann eine Beschlussanfechtungsklage gegen einzelne Positionen einer Jahresabrechnung gerichtet werden und es kann von dem angerufenen Gericht auch nur einzelne Positionen aus der Jahresabrechnung für ungültig erklärt werden.345 Allerdings wird gleichzeitig die Auffassung vertreten, dass ein Mehrheitsbeschluss

6.217

340 Vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.11.2012 – 20 W 12/08, ZMR 2013, 296 = ZWE 2013, 211; LG Berlin, Urt. v. 13.2.2013 – 85 S 64/12 WEG, juris = Grundeigentum 2013, 557 = MietRB 2013, 359 = Info M 2013, 341. 341 Wird der Erstbeschluss nicht angegriffen, besteht kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Durchführung eines Zweitbeschlusses, auch wenn die Jahresabrechnung, die im Erstbeschluss beschlossen wurde, fehlerhaft war: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2006 – 3 Wx 194/06, OLGReport Düsseldorf 2007, 33 = ZMR 2007, 379 = NJW-RR 2007, 960 = NZM 2007, 525. 342 Zur Erledigung der Hauptsache des Anfechtungsverfahrens gegen den Erstbeschluss vgl. LG Köln, Urt. v. 22.3.2012 – 29 S 170/11, ZMR 2013, 473. 343 Zur prozessualen Problematik: OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.11.2012 – 20 W 12/08, ZMR 2013, 296 = ZWE 2013, 211. 344 Jacoby, Gegenstand des Abrechnungsbeschlusses, ZWE 2018, 149 (zu verschiedenen inhaltlichen Aspekten einer Jahresabrechnung); Drasdo, Nochmals: Gegenstand des Beschlusses über die Jahresabrechnung, ZMR 2018, 135 (Auseinandersetzung mit der Frage, was Gegenstand des Beschlusses ist – Gesamtabrechnung, Einzelabrechnungen, Abrechnungsspitzen). 345 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = WuM 2012, 521 = ZWE 2012, 371; BGH, Beschl. v. 15.3.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 = ZMR 2007, 623 = ZWE 2007, 398 m.w.N; LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.2.2016 – 2-13 S 225/13, ZMR 2016, 559; LG München I, Urt. v. 13.5.2013 – 1 S 10826/12, juris; vgl. auch Greiner, Fehlerhafte Abrechnungsbeschlüsse, ZWE

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Teil 6 Rz. 6.217

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

in entsprechender Anwendung des § 139 BGB (nur) dann teilweise für ungültig zu erklären ist, wenn es sich bei den beanstandeten Teilregelungen um (rechnerisch) selbständige und abgrenzbare Teile handelt, der davon nicht betroffene Teil sinnvoller Weise Bestand haben kann und anzunehmen ist, dass ihn die Wohnungseigentümer so beschlossen hätten.346 Eine Teilanfechtung, die sich nur auf die Einzelabrechnung für die eigene Wohnung des anfechtenden Eigentümers bezieht, ist allerdings nicht zulässig,347 auch nicht die alleinige Anfechtung der Heizkostenabrechnung, wenn deren Fehler sich auf die Gesamtabrechnung auswirken können.348

6.218 Die Auffassung, dass nur einzelne Positionen angegriffen oder für ungültig erklärt werden können, wurde auch schon früher in der Rechtsprechung vertreten.349 Das KG350 und das OLG Frankfurt/M.351 meinten, es liege im Ermessen der Tatsacheninstanzen, ob sie bei festgestellten Fehlern der Jahresabrechnung, insbesondere wegen der Schwere oder der Vielzahl der sich auf das Endergebnis auswirkenden Abrechnungsfehler, den Abrechnungsbeschluss insgesamt für ungültig erklären oder eine Teilungültigkeit aussprechen. Eine Teilungültigkeit auszusprechen sei nur dann zwingend geboten, wenn ein Mangel vorliegt, der sich nicht auf die Festlegung der Gesamtkosten bezieht. Diese Auffassung hatte der BGH in der Entscheidung vom 4.12.2009 bestätigt352 und in seinem Urteil vom 11.5.2012353 u.a. auch auf diese Entscheidung Bezug genommen.

6.219 Eine Teilungültigkeit eines Jahresabrechnungs-Beschlusses mag zwar in der Praxis sinnvoll sein, gleichwohl teile ich diese Auffassung im Hinblick auf den Streitgegenstand einer Beschlussanfechtungsklage nicht. Der Beschluss über die Jahresabrechnung ist Streitgegen-

346 347

348 349

350 351 352

353

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2018, 341; auch die Revision soll auf einzelne Beschlussmängelpunkte beschränkt werden können: BGH, Urt. v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, WuM 2016, 702 = MDR 2016, 1375 = ZWE 2017, 43 = ZMR 2017, 76; BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 198/14, MDR 2015, 1056 = DWE 2015, 111 = ZMR 2015, 876. LG Karlsruhe, Urt. v. 5.11.2015 – 11 S 120/14, ZWE 2016, 92 = NZM 2016, 558; ähnlich LG Frankfurt/M., Urt. v. 23.7.2015 – 2-13 S 172/14, DWE 2015, 170 = ZMR 2015, 958. BGH, Urt. v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, WuM 2016, 702 = MDR 2016, 1375 = ZWE 2017, 43 = ZMR 2017, 76; AG Syke, Urt. v. 18.1.2013 – 10 C 748/12, ZMR 2013, 491 = ZWE 2013, 427; vgl. dazu aber auch BayObLG, Beschl. v. 25.5.1999 – 2Z BR 38/99, DWE 1999, 120, dort hatte das Gericht eine Beschränkung der Beschlussanfechtung auf die Einzelabrechnung des Wohnungseigentümers für zulässig angesehen und den Beschlussanfechtungsantrag zurückwies, weil Fehler nur in der Gesamtabrechnung (dort Abrechnung nach Sollbeträgen) vorlagen. BGH, Urt. v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, WuM 2016, 702 = MDR 2016, 1375 = ZWE 2017, 43 = ZMR 2017, 76. Vgl. (zur alten Rechtslage vor 2007) BayObLG, Beschl. v. 10.7.1998 – 2Z BR 49/98, ZMR 1998, 793 = WuM 1998, 750 = NZM 1999, 133 (kein Nachschieben von Anfechtungsgründen, die sich auf bisher nicht genannte Kostenpositionen beziehen); BayObLG, Beschl. v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, ZWE 2002, 33 = ZMR 2001, 996 = WuM 2001, 572 = DWE 2001, 143. KG, Beschl. v. 17.6.1998 – 24 W 9047/97, ZWE 2001, 334 = WuM 2001, 334. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 12.3.2003 – 20 W 283/01, ZMR 2003, 769 = WE 2004, 10. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = ZMR 2010, 300 = WuM 2010, 178 = ZWE 2010, 170 = NJW 2010, 2127; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = NJW 2012, 2648; vgl. zu den Instanzgerichten u.a.: LG Hamburg, Urt. v. 3.11.2010 – 318 S 110/10, ZMR 2011, 163 = ZWE 2011, 129; LG München I, Urt. v. 29.4.2010 – 36 S 9595/09, ZMR 2010, 797; LG München I, Urt. v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, Grundeigentum 2010, 211 = ZWE 2010, 138 = ZMR 2010, 554. BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, MDR 2012, 957 = WuM 2012, 521 = ZWE 2012, 371.

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Wirksamwerden einer Jahresabrechnung

Rz. 6.222 Teil 6

stand und nicht die Jahresabrechnung selbst. Daran kann m.E. auch eine Beschränkung auf einzelne Kostenpositionen im Klageantrag oder in der Begründung nichts ändern. 5. Anfechtungsbefugnis/Rechtsschutzbedürfnis Ein Anfechtungsrecht (eine Anfechtungsbefugnis) kann nur derjenige haben, der von dem Jahresabrechnungsbeschluss betroffen ist. Der ausgeschiedene Eigentümer hat kein Anfechtungsrecht, weil er von der mit der Beschlussfassung entstehenden Verpflichtung, den Spitzenbetrag der Jahresabrechnung zu tragen, nicht betroffen sein kann.354

6.220

Der Beschlussanfechtungsklage gegen den Beschluss über eine Jahresabrechnung fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Einwendungen des Klägers dazu führen, dass der Kläger bei einer Neuerstellung der Jahresabrechnung mit zusätzlichen Kosten belastet würde. Generell ist in einem Beschlussanfechtungsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis des anfechtenden Eigentümers im Regelfall nicht zu prüfen. Das Anfechtungsrecht dient nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Eigentümers oder dem Minderheitenschutz, sondern dem Interesse der gesamten Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Es reicht also aus, wenn der Kläger mit seiner Klage eine ordnungsmäßige Verwaltung erreichen will. Deshalb ist auch nicht erforderlich, dass der anfechtende Eigentümer durch den Beschluss persönlich betroffen ist oder sonst Nachteile erleidet.355

6.221

6. Anfechtung trotz Zustimmung (oder Nichtäußerung) in der Versammlung Das Anfechtungsrecht, bezogen auf den Beschluss über die Jahresabrechnung, dient nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Eigentümers oder dem Minderheitenschutz, sondern auch dem Interesse der Eigentümergemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Deshalb kann der zustimmende Eigentümer sich nach der Eigentümerversammlung eines anderen besinnen und den Jahresabrechnungsbeschluss, dem er zugestimmt hat, gleichwohl gerichtlich anfechten.356 Der Wohnungseigentümer wird, trotz einer ordnungsgemä354 BGH, Urt. v. 2.12.2012 – V ZR 113/11, ZMR 2012, 284 = ZWE 2012, 90 = NJW-RR 2012, 217. 355 BGH, Urt. v. 13.5.2011 – V ZR 202/10, WuM 2011, 440 = ZMR 2011, 732 = ZWE 2011, 319; BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = ZfIR 2003, 823 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NZM 2003, 764 m.w.N.; LG Köln, Urt. v. 1.2.2018 – 29 S 89/17, ZMR 2018, 440 = ZWE 2018, 360; LG Berlin, Urt. v. 23.1.2018 – 55 S 162/17 WEG, ZWE 2018, 271; LG Köln, Urt. v. 29.3.2012 – 29 S 209/11, n.v.; KG, Beschl. v. 12.7.1975 – 1 W 457/74, ZMR 1977, 343; vgl. auch BGH, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, MDR 2011, 781 = WuM 2011, 390 = NJW-RR 2011, 1026; Rechtsschutzbedürfnis verneinend, wenn die gerügten Fehler sich nur mit ganz geringen Beträgen auswirkt: LG Berlin, Urt. v. 13.2.2013 – 85 S 64/12 WEG, juris = Grundeigentum 2013, 557 (m.E. falsch). 356 AG Nürnberg, Urt. v. 23.10.2015 – 16 C 3675/15 WEG, juris; LG Köln, Urt. v. 22.3.2012 – 29 S 170/11, ZMR 2013, 473; LG Hamburg, Urt. v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388 = ZWE 2012, 285; BayObLG, Beschl. v. 15.4.2004 – 2Z BR 235/03, ZMR 2004, 688; BayObLG, Beschl. v. 20.3.2001 – 2Z BR 101/00, ZWE 2001, 432 = ZMR 2001, 815 = NZM 2001, 754 = WuM 2001, 413; BayObLG, Beschl. v. 15.10.1992 – 2Z BR 44/92, WE 1993, 344 = DWE 1993, 166 (LS); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.1988 – 3 Wx 68/88, DWE 1989, 28; BayObLG, Beschl. v. 7.4.1988 – 2 Z 156/87, WuM 1988, 331 = NJW-RR 1988, 1168 = DWE 1989, 27; OLG Celle, Beschl. v. 8.10.1984 – 4 W 181/84, MDR 1985, 145 = DWE 1984, 126 (LS); KG, Beschl. v. 4.11.1980 – 1 W 1559/80, MDR 1981, 407; Suilman, Beschlussmängel, S. 121 ff.; a.A.: OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1992 – 16 Wx 1/92, OLGReport Köln 1992, 221 = DWE 1992, 165, wo ohne Be-

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6.222

Teil 6 Rz. 6.222

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

ßen Ankündigung in der Einladung zur Eigentümerversammlung, nicht alle Aspekte einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung erkennen können; erkennt der Eigentümer erst nach der Versammlung (selbstständig oder nach fachkundiger Beratung) Fehler in der Jahresabrechnung oder in der Beschlussfassung, kann es ihm nicht verwehrt werden, den Beschluss anzufechten; an der vorherigen positiven Abstimmung kann er nicht festgehalten werden. Ein Wohnungseigentümer muss sich in einer Eigentümerversammlung nicht zu Beschlussvorschlägen äußern, um sein Recht auf Anfechtung „abzusichern“. Eine Nichtäußerung in einer Versammlung ist zwar taktisch unklug, jedoch nicht „anfechtungsschädlich“. Grob fehlerhaft und auch nicht ansatzweise vertretbar ist deshalb die Meinung des Amtsgerichts Wismar,357 eine Anfechtungsklage sei „treuwidrig“ und verstoße gegen das Rücksichtnahme-Gebot, wenn der Kläger die in der Anfechtungsklage vorgebrachten Einwendungen gegen eine Jahresabrechnung „bei sorgfältiger Prüfung“ bereits in der Versammlung hätte erheben können. Das Landgericht Rostock358 hat die Entscheidung „kurz und knackig“359 aufgehoben. Die Entscheidung des LG Rostock ist im Ergebnis richtig, die Begründung des Landgerichts lässt jedoch sehr zu wünschen übrig. 7. Ersetzung der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung durch das Gericht

6.223 Grundsätzlich könnten die Gerichte eine Beschlussfassung über eine Jahresabrechnung auf Antrag eines Miteigentümers ersetzen und eine Jahresabrechnung selbst zu kreieren (allerdings nur aufgrund eines konkreten und umfassenden Klageantrages, der die Einzelheiten der Jahresabrechnung benennt). Das erscheint deshalb nur eine theoretische Möglichkeit zu sein. Für einen solchen Antrag könnte durchaus ein Bedürfnis bestehen, wenn ein Mehrheitseigentümer eine ihn belastende Beschlussfassung verhindert, um die Spitzenbeträge aus der Jahresabrechnung nicht fällig werden zu lassen.360 Für eine solche gerichtliche Entscheidung ist Voraussetzung, dass der Inhalt der Jahresabrechnung in allen Punkten ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Wenn die (abgelehnte) Jahresabrechnung inhaltliche Mängel aufweist oder formale Fehler bei der Einladung zur Eigentümerversammlung (in der die Abrechnung beschlossen werden sollte) vorlagen, kann das Gericht die Beschlussfassung nicht ersetzen. Die gerichtliche Ersetzung von Entscheidungen, die eine Wohnungseigentümerversammlung zu treffen hat, kann immer nur subsidiär sein und die Eigentümer müssen stets im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles versuchen, um eine ordnungsgemäße Beschlussfassung der Eigentümerversammlung zu erreichen.361

357 358 359 360 361

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gründung ein Anfechtungsrecht verneint wird; zweifelnd, ob dem Zustimmenden ein Anfechtungsrecht zusteht, allerdings ohne Begründung: OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.6.1975 – 8 W 383/74, OLGZ 1976, 9; evtl. Verlust des Rechtsschutzbedürfnisses bei Zustimmung trotz Kenntnis eines Verfahrensmangels: LG Gera, Urt. v. 10.2.2015 – 5 S 23/14, ZMR 2015, 481. AG Wismar, Urt. v. 24.1.2017 – 2 C 386/15 WEG, ZMR 2017, 279, mit Anm. Riecke, ZMR 2017, 280, sowie Kebs, jurisPR-MietR 21/2017 Anm. 5. LG Rostock, Urt. v. 13.7.2018 – 1 S 82/17, ZMR 2018, 864. So Dötsch in seiner (kritischen) Anmerkung zur Entscheidung des LG, jurisPR-MietR 10/2019 Anm. 3. Vgl. aber OLG Köln, Beschl. v. 17.1.2003 – 16 Wx 112/02, ZMR 2003, 608. KG, Beschl. v. 3.3.1999 – 24 W 3566/98, KGR Berlin 1999, 267 = ZWE 2000, 40 = ZMR 1999, 509 = NZM 2000, 286.

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.225 Teil 6

VIII. Abrechnungsansprüche gegenüber dem amtierenden und dem ausgeschiedenen Verwalter 1. Typische Fallkonstellationen Eine rechtsanwaltliche Beauftragung im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabrechnungen erfolgt in der Praxis durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, einen einzelnen (oder auch mehrere) Wohnungseigentümer, den amtierenden, den ausgeschiedenen oder den „Schein“-Verwalter, weil

6.224

– der amtierende oder der ausgeschiedene Verwalter die Abrechnung tatsächlich oder vermeintlich) verzögert hat, – die von dem amtierenden oder dem ausgeschiedenen Verwalter vorgelegte Abrechnung angeblich nicht nachvollziehbar, falsch oder unvollständig ist, – der amtierende Verwalter die Vornahme der Jahresabrechnung mit der Begründung verweigert, diese sei noch von seinem Vorgänger geschuldet, und/oder der ausgeschiedene Verwalter oder der „Scheinverwalter“ keine Jahresabrechnung mehr erstellen will, weil er glaubt, hierzu nicht (mehr) verpflichtet zu sein, – der ausgeschiedene Verwalter behauptet, die Jahresabrechnung nicht mehr vornehmen zu können, da er bereits sämtliche Unterlagen übergeben hat, – die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer/ein einzelner Wohnungseigentümer den amtierenden, den ausgeschiedenen oder den „Schein“-Verwalter zur Abrechnung zwingen wollen, – die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer/ein einzelner Wohnungseigentümer von der in Anspruch genommenen Person einen Schaden ersetzt haben wollen. 2. Untersuchung von Bestellung und Ausscheiden des Verwalters Ist das rechtsanwaltliche Mandat – u.a. nach Prüfung einer eventuellen Interessenkollision362 – übernommen worden, muss als erstes die rechtliche Stellung des Mandanten und des Gegners betrachtet werden. Ist die Mandatierung von der Wohnungseigentümergemeinschaft oder von einzelnen oder mehreren Wohnungseigentümern erfolgt, hängt die erfolgreiche Geltendmachung eines Abrechnungsanspruchs davon ab, ob Anspruchsgegner der amtierende, der ausgeschiedene oder ein Verwalter ist, dessen Bestellung sich als unwirksam herausgestellt hat (sog. „Scheinverwalter“). Von einem sog. „Scheinverwalter“ – ein Verwalter, der zwar tätig geworden ist, dessen Bestellung aber von vornherein nichtig war oder dessen Bestellung vom Gericht rechtskräftig für ungültig erklärt wurde – kann nur Rechnungslegung, jedoch nicht die Erstellung einer Jahresabrechnung verlangt werden. Auch umgekehrt (Mandatierung im Verwalterinteresse) ist die rechtliche Stellung des Mandanten für den Erfolg einer rechtlichen Auseinandersetzung entscheidend.

362 Vgl. dazu auch Köhler, § 27 Abs. 2 Nr. WEG – der (all)tägliche Parteiverrat, MietRB 2013, 371.

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6.225

Teil 6 Rz. 6.226

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

3. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem amtierenden Verwalter a) Der Primäranspruch aa) Anspruchsgrundlagen (1) Gesetzlicher Anspruch

6.226 Gesetzliche Anspruchsgrundlage ist § 28 Abs. 3 WEG.363 Danach hat der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen. Durch Vereinbarung kann auch ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr bestimmt werden.364 (2) Vertraglicher Anspruch

6.227 Ein Abrechnungsanspruch kann – zusätzlich – aus dem Verwaltervertrag entnommen werden, wenn dort die Erstellung der Jahresabrechnung ausdrücklich vertraglich geregelt wurde. Teilweise wurde früher vertreten, eine vertragliche Abrechnungspflicht des Verwalters folge auch ohne ausdrückliche Regelung im Verwaltervertrag aus § 666 BGB.365 Der Wortlaut der Norm stützt diese Ansicht allerdings nicht.366 Eine vertragliche Erwähnung der Abrechnungspflicht kann den sich aus § 28 Abs. 3 WEG ergebenden Anspruch lediglich deklaratorisch bestätigen, ohne dass es hierauf ankommen kann.367 bb) Anspruchsinhaber (Aktivlegitimation) und Anspruchsgegner (Passivlegitimation)

6.228 Der Abrechnungsanspruch kann als Teil des Individualanspruchs auf ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) von jedem einzelnen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend gemacht werden.368 cc) Anspruchsinhalt (1) Gegenstand des Hauptleistungsanspruchs

6.229 Die Jahresabrechnung besteht, wie schon in den vorhergehenden Kapiteln dieses Teils dargelegt, aus einer Gesamtabrechnung, welche eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zu363 Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 103: Pflicht folgt ex lege unmittelbar aus dem Amt. 364 Vgl. zum Abrechnungszeitraum schon die Ausführungen unter 6.24 – 6.30. 365 BayObLG, Beschl. v. 13.2.1997 – 2Z BR 132/96, WuM 1997, 345 = WE 1997, 391 = NJW-MietR 1997, 161 (indirekt, indem die §§ 320 ff. BGB a.F. anwendet werden). 366 Aufgrund § 666 BGB hat der Verwalter den Wohnungseigentümern die erforderlichen Nachrichten zu geben (Informationspflicht). Daneben hat er auf Verlangen Auskunft zu erteilen (Auskunftspflicht), und nach Beendigung des Verwaltervertrages Rechenschaft abzulegen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Erstellung von Einzelabrechnungen (als Teile einer Jahresabrechnung) lässt sich dem Wortlaut der nicht speziell auf das Wohnungseigentum ausgerichteten Norm nicht entnehmen. Die erwähnte Verpflichtung lässt sich auch nicht aus der Rechenschaftspflicht durch einen „maiore ad minus“-Schluss herleiten, da sie umfassender ist. 367 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 141 hat die noch in der 12. Auflage vertretene Auffassung, § 666 BGB könnte Anspruchsgrundlage sein, aufgegeben. 368 OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, OLGZ 1993, 438 = NJW-RR 1993, 847 = WE 1993, 114; BayObLG, Beschl. v. 15.3.1990 – BReg. 2 Z 18/90, NJW-RR 1990, 659; meist wird in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung BGH, Beschl. v. 12.7.1984 – VII ZB 1/84, ZMR 1984, 422 = MDR 1984, 315 = NJW 1985, 912 hingewiesen, so auch bei Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 107; Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 141, weist jedoch zu Recht darauf hin, dass dem vom BGH entschiedenen Fall keine Klage gegen einen Verwalter zugrunde lag.

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.232 Teil 6

treffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betroffene Wirtschaftsjahr enthalten muss, sowie aus einer Einzelabrechnung für jeden Eigentümer, aus der sich die Beitragsverpflichtung des Wohnungseigentümers ergibt. Außerdem muss sie eine Darstellung der Instandhaltungsrücklage und der für die Gemeinschaft geführten Konten enthalten. Die Jahresabrechnung muss in allen Punkten ordnungsgemäß sein. (2) Nebenrechte Den Wohnungseigentümern stehen zur Kontrolle der Erfüllung ihres Hauptleistungsanspruchs auf Erstellung einer Jahresabrechnung verschiedene Nebenrechte zu.

6.230

(a) Einsichtsrechte Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat ein Recht auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen.369 Dies betrifft alle Einzelabrechnungen (also auch die Einzelabrechnungen der anderen Wohnungseigentümer) sowie sämtliche Abrechnungsunterlagen.370 Datenschutzregelungen (DS-GVO und BDSG) stehen dem nicht entgegen.371 Lediglich das Verbot des Rechtsmissbrauchs372 und das Schikaneverbot begrenzen das Einsichtsrecht. Der Wohnungseigentümer darf sich in den Räumen des Verwalters Kopien auf seine Kosten anfertigen oder gegen Kostenerstattung anfertigen lassen;373 ein Anspruch gegen den Verwalter auf Übersendung von Kopien besteht – auch wenn der Wohnungseigentümer Kostenerstattung anbietet – grundsätzlich nicht. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Treu und Glauben (dieses Rechtsprinzip ist aus Sicht des Wohnungseigentümers zu beurteilen) die Übersendung gebieten könnten.374

6.231

Auch spezielle Regelungen in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag (in dem der Verwalter die Übersendung von Kopien gegen Kostenerstattung zugesagt hat) können einen Übersendungsanspruch begründen. Deshalb ist stets geboten, den Vertrag zwischen Verwalter und Eigentümergemeinschaft auf diesbezügliche Regelungen zu prüfen; ist im Verwaltervertrag eine „Kostenregelung für Übersendung von Kopien aus den Verwalterakten“ zu finden, die mit keiner Einschränkung versehen ist, spricht dies für ein Angebot des Verwalters auf Übersendung von Kopien.

6.232

369 Dieses Recht soll auch ein ausgeschiedener Wohnungseigentümer haben, vgl. LG Dortmund, Beschl. v. 2.10.2014 – 1 T 92/14, ZMR 2015, 477, was zumindest zweifelhaft erscheint. 370 LG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2012 – 25 S 8/12, ZMR 2012, 850; OLG München, Beschl. v. 9.3.2007 – 32 Wx 177/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 215 = NJW-RR 2007, 1516; LG Karlsruhe, Urt. v. 17.2.2009 – 11 S 13/07, ZWE 2009, 325 (nur LS); KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, NJW-RR 1987, 462 (463); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.4.1976 – 3 W 8/76, MDR 1976, 758; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.12.1971 – 20 W 155/71, NJW 1972, 1376; Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 327. 371 OLG München, Beschl. v. 9.3.2007 – 32 Wx 177/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 215 = NJWRR 2007, 1516 (zum BDSG); Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 157; vgl. im Anwaltshandbuch jetzt umfassend die Ausführungen zum Datenschutz, Teil 15. 372 Ein Rechtsmissbrauch könnte auch darin liegen, dass sich ein Wohnungseigentümer über mehrere Tage in den Büroräumen des Verwalters zu einer Prüfung niederlassen will; Verstoß gegen Treu und Glauben bei mehrfachem Einsichtsverlangen: vgl. AG Bremen, Urt. v. 23.1.2013 – 28 C 67/12, ZMR 2013, 386. 373 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137. 374 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137.

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Teil 6 Rz. 6.233

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.233 Das Einsichtsrecht besteht grundsätzlich jederzeit, d.h. auch vor und nach Beschlussfassung gemäß § 28 Abs. 5 WEG und/oder Entlastung.375 Das Einsichtsrecht kann mehrfach ausgeübt werden und bedarf keines besonderen rechtlichen Interesses des Wohnungseigentümers.376 Der Wohnungseigentümers kann das Einsichtsrecht allein, zusammen mit einem Dritten ausüben oder durch einen Dritten (z.B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer = eine gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtete Person) ausüben lassen.377

6.234 Die Bestimmung des Leistungsorts für die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.2.2011 weitgehend unproblematisch. Der BGH hat ausgeführt: Wenn der Leistungsort weder bestimmt noch aus den Umständen entnommen werden kann, ist die Leistung (also auch die Einsichtnahme) am Wohnsitz des Schuldners oder am Ort seiner Niederlassung zu erbringen. Fehlt es an einer Vereinbarung über den Leistungsort, kann dieser nur dann der Ort der Wohnungseigentumsanlage sein, wenn sich dies aus den Umständen, insbesondere aus der Natur der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Verwalter und den Wohnungseigentümern, ergibt. Der Schwerpunkt der Verwaltertätigkeit liegt nicht am Ort der Wohnungseigentumsanlage. Dort sind lediglich die zur Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungseigentumsanlage erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, ausgeführte Arbeiten zu prüfen und abzunehmen. Außerdem sind am Ort der Wohnungseigentumsanlage zwar auch Verhandlungen mit örtlichen Handwerkern und Behörden zu führen und die Einhaltung der Hausordnung zu überwachen, die darüber hinausgehenden, weiteren Aufgaben des Verwalters, die in §§ 21 Abs. 5, 27 Abs. 1 bis 3 WEG aufgeführt sind, werden aber üblicherweise in den Geschäftsräumen des Verwalters erledigt. Sie bilden den Schwerpunkt der Verwaltung.378

6.235 Nach § 269 Abs. 1 BGB ist also ohne ausdrückliche und abweichende vertragliche Regelung der Wohnsitz/Geschäftssitz des Verwalters Leistungsort der vertraglichen oder gesetzlichen Nebenpflichten.379 Nur in extremen Sonderfällen lässt die Rechtsprechung aus Billigkeitserwägungen Ausnahmen zu, so z.B., wenn der Wohnungseigentümer damit rechnen muss, dass er im Büro des Verwalters tätlich angegriffen wird.380

6.236 In älterer Rechtsprechung wird bei überörtlich arbeitenden Verwaltungsgesellschaften zum Teil angenommen, dass sich i.S.d. § 269 Abs. 1 BGB aus den Umständen etwas anderes ergebe könnte, und verlangt, dass die Einsicht am Ort der jeweiligen Wohnanlage ermöglicht werden muss.381 Das ist jedoch nicht richtig; wird von einer Eigentümergemeinschaft ein ortsverschieden arbeitender Verwalter bestellt und ein Verwaltervertrag geschlossen, kann es auf die 375 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137; LG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2012 – 25 S 8/12, ZMR 2012, 850; BayObLG, Beschl. v. 13.6.2000 – 2Z BR 175/99, WuM 2000, 431 = NZM 2000, 873 = ZMR 2000, 687; BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2Z BR 45/96, WuM 1996, 661 = BayObLGR 1996, 74 = WE 1997, 117. 376 LG Hamburg, Urt. v. 5.10.2011 – 318 S 7/11, ZWE 2012, 283 = ZMR 2012, 292. 377 Vgl. LG Hamburg, Urt. v. 5.10.2011 – 318 S 7/11, ZWE 2012, 283 = ZMR 2012, 292; Drasdo, Einsichtnahme des Wohnungseigentümers in die Verwaltungsunterlagen, NJW-Spezial 2013, 289. 378 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137. 379 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 164. 380 So der Fall des OLG Hamm, Beschl. v. 12.2.1998 – 15 W 319/97, ZMR 1998, 587 = NZM 1998, 722 = NJW-RR 1999, 161; vgl. hierzu auch Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 328. 381 OLG Köln, Beschl. v. 28.2.2001 – 16 Wx 10/01, NZM 2002, 221 (der Entscheidung lag eine Entfernung zwischen Ort der Gemeinschaft und Verwaltungssitz von 700 km zugrunde); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.8.1969 – 3 W 47/69, NJW 1969, 1968 (das OLG Karlsruhe ist – missver-

286

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.241 Teil 6

Entfernung zwischen dem Ort der Eigentümergemeinschaft und dem Sitz der Verwaltung nicht ankommen. Es empfiehlt sich deshalb für Wohnungseigentümergemeinschaften, mit einem nicht am Ort der Gemeinschaft ansässigen Verwalter eine konkrete Vereinbarung über den Ort der Einsichtnahme zu treffen. Von dem Grundsatz „Leistungsort = Wohnsitz/Geschäftssitz des Verwalters“ wird man dann abweichen müssen, wenn der Verwalter nach seiner Bestellung sein Geschäftslokal wechselt und nunmehr außerhalb der politischen Gemeinde des gemeinschaftlichen Objektes residiert.382 In diesem Fall ergibt sich unmittelbar aus dem Vertrag zwischen Gemeinschaft und Verwalter, dass die Leistungserfüllung am Ort der Gemeinschaft erfolgen sollte.

6.237

Wenn regelmäßig der Geschäftssitz des Verwalters nach § 269 Abs. 1 BGB als Leistungsort anzusehen ist, darf der Verwalter einen Eigentümer nicht auf einen anderen Ort für die Einsichtnahme verweisen; er würde damit das Recht des Wohnungseigentümers auf Einsicht verletzen.383

6.238

Ein Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Herausgabe der Originalunterlagen gegen den Verwalter.384 Deshalb ein eher seltener und kurioser Fall: Der Verwalter gibt dem Drängen einer Wohnungseigentümerin (einer Rechtsanwältin) nach und überlässt dieser die Verwaltungsunterlagen zur Einsicht. Die Wohnungseigentümerin will die Unterlagen später nicht mehr herausgeben. Der Verwalter hat dann ein eigenes Recht, auf Herausgabe der Verwaltungsunterlagen zu klagen (der Verwalter bedarf also keiner Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft). Mit der Überlassung der Verwaltungsunterlagen kommt zwischen dem Verwalter und der Wohnungseigentümerin ein Leihvertrag zustande, aufgrund dessen der Verwalter Herausgabe verlangen kann. Unerheblich ist dabei, dass die Eigentümergemeinschaft Eigentümerin der Verwaltungsunterlagen ist.385

6.239

(b) Auskunftsrechte Bei dem Auskunftsrecht wird man unterscheiden müssen zwischen dem Recht der Wohnungseigentümergemeinschaft (unteilbares Recht aller Eigentümer), dem Recht des Beiratsgremiums und dem Recht eines einzelnen Wohnungseigentümers.386

6.240

Das unteilbare Auskunftsrecht aller Eigentümer: Der gegen den Verwalter gerichtete Anspruch auf Auskunft zu der Jahresabrechnung und zu dem Wirtschaftsplan (§ 28 Abs. 3 und 5 WEG) findet seine Grundlage in §§ 675, 666 BGB i.V.m. dem Verwaltervertrag und ist – im Gegensatz zum Einsichtsrecht – ein allen Wohnungseigentümern als unteilbare Leistung zustehender Anspruch.387 Deshalb kann auch nur die Eigentümergemeinschaft das Auskunftsrecht geltend machen.

6.241

382 383 384 385 386 387

ständlich – von einer Pflicht zur Rechnungslegung gegenüber jedem Wohnungseigentümer ausgegangen). Vgl. auch Schmid, MietRB 2011, 261. LG Itzehoe, Urt. v. 17.9.2013 – 11 S 93/12, ZMR 2014, 144 = ZWE 2014, 133. OLG München, Beschl. v. 9.3.2007 – 32 Wx 177/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 215 = NJWRR 2007, 1516; BayObLG, Beschl. v. 20.11.2003 – 2Z BR 168/03, BayObLGZ 2003, 318 = NZM 2004, 509 = NJW-RR 2004, 1090. BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = WuM 2012, 54 = NZM 2012, 20. Vgl. hierzu auch Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 336 ff. BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137 m.w.N.; vgl. auch KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, OLGZ 1987, 185 = ZMR 1987,

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Teil 6 Rz. 6.242

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.242 Der Anspruch des Beiratsgremiums: Das Beiratsgremium hat nach meiner Auffassung aufgrund der ihm zugewiesenen Prüfungsaufgaben (§ 29 Abs. 3 WEG) einen umfassenden Auskunftsanspruch gegenüber dem Verwalter.388 Der Verwaltungsbeirat kann seinen Aufgaben aus § 29 Abs. 3 WEG nur angemessen und im Sinne der Gemeinschaft der Eigentümer nachkommen, wenn er vom Verwalter alle Auskünfte im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung (und dem Wirtschaftsplan) verlangen und erhalten kann.

6.243 Der individuelle Anspruch einzelner Wohnungseigentümer: Der einzelne Eigentümer kann (grundsätzlich) nur eine Auskunft in der Wohnungseigentümerversammlung verlangen. Allerdings soll der einzelne Wohnungseigentümer dann einen individuellen Auskunftsanspruch haben, wenn die Wohnungseigentümer insgesamt (also durch Mehrheitsbeschluss) von ihrem Auskunftsrecht keinen Gebrauch machen.389

6.244 Warum das unteilbare Recht nunmehr auf den einzelnen Wohnungseigentümer übergehen soll, bleibt in der einschlägigen Rechtsprechung offen. Der richtige Weg kann wohl nur sein, dass der einzelne Eigentümer die Eigentümergemeinschaft durch gerichtliche Maßnahmen zwingt, die Auskünfte vom Verwalter einzuholen oder ihn (den einzelnen Wohnungseigentümer) zu ermächtigen, die Auskunft vom Verwalter zu verlangen.

6.245 Ein Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers besteht allerdings, wenn sich das Auskunftsverlangen auf Angelegenheiten bezieht, die ausschließlich ihn betreffen; in diesem Fall ist eine vorherige Befassung der Eigentümerversammlung oder eine Ermächtigung zum Auskunftsverlangen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht notwendig.390

6.246 Wenn der Verwalter Auskünfte zu geben hat, müssen diese vollständig und richtig sein; sollte es erforderlich sein, muss der Verwalter über die Richtigkeit seiner Auskunft auch eine eidesstattliche Versicherung abgeben. dd) Entstehung und Fälligkeit der Pflicht zur Abrechnung

6.247 Für die Frage des Abrechnungsanspruches gegenüber dem amtierenden Verwalter kommt es nicht auf die Unterscheidung zwischen Entstehung und Fälligkeit der Pflicht an; diese Unterscheidung bekommt erst Bedeutung, wenn ein Verwalter aus seinem Amt ausgeschieden ist.391

6.248 Wann der Anspruch der Wohnungseigentümer auf Aufstellung und Vorlage der Jahresabrechnung gegenüber dem amtierenden Verwalter fällig wird, regelt das WEG nicht. Die Fälligkeit

388 389

390

391

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100 = NJW-RR 1987, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597. Vgl. hierzu auch Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 339. BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137, m.w.N.; vgl. auch KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, OLGZ 1987, 185 = ZMR 1987, 100 = NJW-RR 1987, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597. BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = ZMR 2011, 489 = NJW 2011, 1137 m.w.N.; vgl. auch KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, OLGZ 1987, 185 = ZMR 1987, 100 = NJW-RR 1987, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597. Vgl. zu den Problemen in diesem Zusammenhang BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469.

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.252 Teil 6

kann in einer Vereinbarung geregelt werden;392 ist die Vereinbarung im Grundbuch eingetragen, bindet sie alle jeweils amtierenden Verwalter und kann auch nicht durch eine Regelung in einem Verwaltervertrag geändert werden.393 Ist keine Fälligkeitsbestimmung in der Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) enthalten, kann eine Regelung im Verwaltervertrag erfolgen. Fehlt eine konkrete Fälligkeitsbestimmung wird davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nach Ablauf einer angemessenen Frist von in der Regel drei bis höchstens sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres eintritt.394 Für die Angemessenheit der Frist sind im Einzelfall maßgebend: Umfang und Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Abrechnung, die Zeit, die zur Beschaffung der notwendigen Daten (z.B. von Heizkosten-Abrechnungsfirmen) erforderlich ist, usw.

6.249

Der Verwalter kommt mit Ablauf der in der Vereinbarung/Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag konkret bestimmten Frist in Verzug; gibt es keine solcherart bestimmte Frist, ist für den Eintritt des Verzuges eine Mahnung erforderlich, die von jedem einzelnen Wohnungseigentümer ausgesprochen werden kann.395 ee) Nachbesserungspflicht Nach h.M. ist der Anspruch auf Erstellung einer Jahresabrechnung erfüllt, wenn die Abrechnung den formalen Erfordernissen entspricht, also geordnet und übersichtlich Angaben über Einnahmen, Ausgaben, Rücklagen und Bankkonten der Gemeinschaft gibt.396 Damit habe der Verwalter seine sich aus § 28 Abs. 3 WEG ergebende Abrechnungspflicht zunächst erfüllt. Als nächsten Schritt hätten die Wohnungseigentümer hierüber einen Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG zu fassen. Eine Berichtigung der Abrechnung soll durch einen Wohnungseigentümer erst verlangt werden können, wenn die Abrechnung in einer Eigentümerversammlung abgelehnt oder der die Abrechnung bestätigende Eigentümerbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt wurde.397 Erst dann würde wieder der rechtliche Zustand eintreten, dass der Verwalter seiner Verpflichtung aus § 28 Abs. 3 WEG noch nicht nachgekommen ist.398

6.250

Die herrschende Meinung setzt demnach fehlerhaft voraus, dass eine Erfüllung der Abrechnungspflicht eintritt, wenn lediglich die formalen Kriterien einer Jahresabrechnung erfüllt sind. Erfüllung im Sinne des § 362 BGB liegt aber nur vor, wenn die geschuldete Leistung erbracht wird. Geschuldet wird vom Verwalter nicht nur eine Jahresabrechnung, die formalen Kriterien entspricht, sondern eine Jahresabrechnung, die in allen Punkten ordnungsgemäß und damit auch inhaltlich richtig und korrekt ist.

6.251

Eine Erfüllung der Leistungspflicht kann z.B. nicht darin gesehen werden, dass der Verwalter eine Jahresabrechnung vorlegt, in der zwar der Bestand und die Entwicklung der Instandhal-

6.252

392 393 394 395 396 397

Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 136. Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 105. Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 105a; Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 136. Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 136. Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 108. Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 108; Jennißen in Jennißen, § 28 WEG Rz. 182b; OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 – 34 Wx 55/06, OLGR München 2007, 110 = ZWE 2007, 147 = NZM 2007, 292; BayObLG, Beschl. v. 5.11.1987 – 2 Z 112/87, BayObLGZ 1987, 381 = MDR 1988, 322 = WuM 1988, 100; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.1998 – 15 W 357/97, NZM 1998, 875 = ZMR 1998, 720; das LG München I, Beschl. v. 11.8.2016 – 1 T 10569/16, ZWE 2017, 286, hat diese Rechtsfrage offen gelassen. 398 BayObLG, Beschl. v. 5.11.1987 – BReg 2 Z 112/87, BayObLGZ 1987, 381 = MDR 1988, 322 = WuM 1988, 100.

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Teil 6 Rz. 6.252

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

tungsrücklage formal ausgewiesen sind, das Vorhandensein einer Instandhaltungsrücklage aber vorgespiegelt wird, weil sie in der Wirklichkeit gar nicht oder nicht in der angegebenen Höhe existiert.399 Alle materiellen Fehler, die eine Jahresabrechnung aufweist, führen dazu, dass eine Erfüllung nicht eintritt.

6.253 Der Beschluss in der Eigentümerversammlung über die Jahresabrechnung könnte somit lediglich zum Ausdruck bringen, dass die vom Verwalter erbrachte Leistung als Erfüllung angenommen wird. Aber auch das ist nicht der Fall, denn der Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 5 WEG hat Bindungswirkung nur für die Wohnungseigentümer untereinander. Mit diesem Beschluss werden im Innenverhältnis Zahlungspflichten ausgelöst und es wird festgestellt, dass die Verteilung der Lasten und Kosten gemeinschaftsintern bindend ist. Kommt kein Beschluss zustande oder wird ein solcher für ungültig erklärt, so fehlt im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer die Rechtsgrundlage zur Einziehung von Abrechnungsfehlbeträgen oder Auszahlung von Abrechnungsguthaben.

6.254 Gegenüber den Leistungspflichten des Verwalters hat der Beschluss über die Jahresabrechnung deshalb keine Wirkung. Der gemeinschaftsinternen Wirkung eines Beschlusses kann nicht eine Wirkung gegenüber Dritten (dem Verwalter) beigemessen werden. Allerdings: Würde in dem Beschluss über die Jahresabrechnung auch ausdrücklich die „Anerkennung der Verwalterabrechnung“ erwähnt, ist die Leistung des Verwalters auch dem Verwalter gegenüber als erfüllt angenommen. Solche Formulierungen in Beschlussprotokollen finden sich in der Praxis recht häufig.

6.255 Wird in der Eigentümerversammlung neben der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung auch (positiv) über die Entlastung des Verwalters beschlossen, ist hierin – wenn die Entlastung auch konkret die Abrechnungstätigkeit für das vergangene Wirtschaftsjahr umfasst – ebenfalls eine Annahme als Erfüllung zu sehen.

6.256 Üblich ist in der Praxis aber eher die Formulierung „Dem Verwalter wird für seine Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 1.1.0000 bis 31.12.0000 Entlastung erteilt“. Die Entlastung bezieht sich dann auf das Wirtschaftsjahr vor der abgehaltenen Eigentümerversammlung, kann damit also keine Annahme der Leistungserfüllung hinsichtlich der erst im Folgejahr vom Verwalter erstellten und vorgelegten Jahresabrechnung darstellen. Anders, wenn formuliert wird: „Dem Verwalter wird Entlastung für die gesamte bisherige Tätigkeit erteilt“.

6.257 Rechtsanwaltliche Vertreter von Eigentümern sollten deshalb sehr genau den Inhalt und die Reichweite der Beschlussfassungen über die Jahresabrechnung und die Entlastung des Verwalters prüfen und – sofern erforderlich – dem Mandanten zu einer Beschlussanfechtung raten.

6.258 Sieht man den Nachbesserungsanspruch – zu Recht – als Erfüllungsanspruch an, so kann er bei der Jahresabrechnung von jedem einzelnen Eigentümer geltend gemacht werden. Nach der hier vertretenen Position könnte ein Wohnungseigentümer, trotz eines Beschlusses über die Jahresabrechnung und unabhängig davon gegenüber dem Verwalter die Aufstellung ei-

399 Vgl. dazu nur die (krassen) Untreueverfahren (§ 266 StGB) über die das LG Bonn, 9. Große Strafkammer, Urt. v. 20.3.2018 – 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 2/18, juris, sowie LG Bonn, Urt. v. 5.6.2018 – 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 1/17, ZWE 2018, 421, zu urteilen hatte. Dort entsprachen die Jahresabrechnungen zwar den formalen Kriterien, nicht aber der geschuldeten Leistungspflicht (Pflicht zur Wahrheit in einer Jahresabrechnung).

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.264 Teil 6

ner ordnungsgemäßen Jahresabrechnung verlangen und ihn darauf gerichtlich in Anspruch nehmen. Allerdings bestünden dabei praktische Probleme. Die Bindungswirkung hinsichtlich der Kostenverteilung und der Kostentragung zwischen den Wohnungseigentümern entfiele nur, wenn parallel dazu auch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung angegriffen würde. Die Wirkung einer Beschlussfassung, aus der eine Erfüllungsannahme hergeleitet werden könnte, kann nur durch den unmittelbaren Angriff (Beschlussanfechtungsklage) auf diesen Beschluss beseitigt werden.

6.259

Deshalb ist für die rechtsanwaltliche Praxis schon aus taktischen und Sicherheits-Aspekten400 zu empfehlen: Anfechtung der Beschlüsse über die Jahresabrechnung sowie die Entlastung und erst danach (oder wenn Verjährung droht, parallel zum Anfechtungsverfahren) Klage gegen den Verwalter auf Erstellung einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung.

6.260

ff) Verjährung Der Anspruch der Wohnungseigentümer aus § 28 Abs. 3 WEG sowie der diesbezügliche Nachbesserungsanspruch gegen den Verwalter verjähren nach § 195 BGB in drei Jahren. In der dritten Auflage des Anwaltshandbuches wurde vertreten, dass entgegen dem Wortlaut des § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung mit Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Dem Abstellen auf die Fälligkeit des Anspruchs kommt im Rahmen der Verjährung eine spezielle Bedeutung zu, wenn die Wohnungseigentümer ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vereinbart haben und der Fälligkeitszeitpunkt (besser: Fälligkeitszeitraum, s.o.) sich über das Ende eines Kalenderjahres hinaus verschiebt. Deshalb ist aus anwaltlicher Sicht die Abweichung zwischen Kalender- und Wirtschaftsjahr und seine Auswirkung auf die Verjährungsfrage stets konkret zu prüfen.

6.261

Im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,401 in der der Unterschied zwischen Fälligkeit und Entstehen der Pflicht zur Erstellung einer Jahresabrechnung geklärt wurde, wird man zukünftig auch für die Verjährung auf die „Entstehung“ der Abrechnungsverpflichtung abstellen müssen. Deshalb sollte für die Verjährung immer von der „Entstehung“ des Anspruchs gegenüber dem Verwalter ausgegangen werden und nicht von einer später eintretenden Fälligkeit.

6.262

Bei Beschlussanfechtungsklagen gegen Beschlüsse über Jahresabrechnung und Entlastung ist deshalb aus rechtsanwaltlicher Sicht im Auge zu behalten, wann Ansprüche gegenüber dem Verwalter verjähren könnten und es sind die notwendigen kanzleiinternen Weisungen zur Notierung der Frist zu erteilen.

6.263

Allein durch Erhebung einer Beschlussanfechtungsklage, die sich gegen die übrigen Wohnungseigentümer – und gerade nicht gegen den Verwalter – richtet, wird keine Verjährungshemmung gegenüber dem Verwalter erzeugt. Das bedeutet, dass gegen den Verwalter rechtzeitig (und notfalls parallel zum Anfechtungsverfahren) Klage auf Erstellung einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung erhoben werden muss.

6.264

400 Anwaltliche Vertreter müssen den Mandanten stets den sichersten Weg vorschlagen und beschreiten. 401 BGH, Urt. v. 16.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469.

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Teil 6 Rz. 6.265

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.265 Sollte ein Gericht meinen, das Anfechtungsverfahren sei vorgreiflich, kann eine Aussetzung des Klageverfahrens gegen den Verwalter in Betracht kommen und akzeptiert werden. gg) Verfahrensrechtliche Durchsetzung (1) Erkenntnisverfahren

6.266 Eine Klage der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter auf Erstellung einer Jahresabrechnung ist eine solche nach § 43 Nr. 3 WEG.402 Jeder einzelne Eigentümer kann eine solche Klage selbstständig erheben. Wollen die übrigen Eigentümer bei einem rechtshängigen Verfahren per Versammlungsbeschluss eine nicht ordnungsmäßige Abrechnungsmethode über einen angeblichen „Vergleich“ mit dem Verwalter genehmigen, entspricht ein solcher Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und ist auf Anfechtung für ungültig zu erklären.403

6.267 Legt der Verwalter im Laufe des Erkenntnisverfahrens eine formelle Abrechnung vor, welche sich jedoch inhaltlich als (offensichtlich) nicht ordnungsgemäß herausstellt, müsste, wenn man der herrschenden Meinung folgen würde, der klagende Wohnungseigentümer das Verfahren für erledigt erklären.404 Das würde bedeuten: über die nunmehr vorgelegte Abrechnung müsste zunächst ein Beschluss gefasst und die Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung mit einer Beschlussanfechtungsklage geklärt werden.

6.268 Nach der hier vertretenen Meinung kann das nicht richtig sein. Ein Erledigungsereignis kann nur angenommen werden, wenn eine Tatsache eintritt, welche einen ursprünglich zulässigen und begründeten Antrag nachträglich unzulässig oder unbegründet macht. Erfüllt wird der Anspruch aus § 28 Abs. 3 WEG – wie oben näher dargestellt – entweder mit der Vorlage einer in allen Punkten ordnungsgemäßen Jahresabrechnung oder mit einer sämtlichen Wohnungseigentümern zurechenbaren Erklärung, dass sie die vorgelegte Jahresabrechnung als für sich ordnungsgemäß anerkennen. Durch die Vorlage einer fehlerhaften Jahresabrechnung wird der Abrechnungsanspruch aus § 28 Abs. 3 WEG jedoch nicht erfüllt, sodass die Klage auf Erstellen einer (ordnungsgemäßen) Jahresabrechnung zulässig und begründet bleibt. Für eine Erledigungserklärung ist damit mangels des Eintritts eines erledigenden Ereignisses kein Raum, das Verfahren ist weiter zu betreiben.

6.269 Solange also kein Beschluss über die Jahresabrechnung (der, wie oben beschrieben, eine Anerkenntnis-Erklärung enthält) oder über eine Entlastung des Verwalters erfolgt ist, muss keine Erledigungserklärung abgegeben werden. (2) Vollstreckungsverfahren

6.270 Umstritten war bisher, ob das Urteil eines Gerichts, mit dem der Verwalter zur Abrechnung verpflichtet wird, nach § 45 Abs. 3 WEG i.V.m. § 887 ZPO oder gemäß § 45 Abs. 3 WEG 402 Ein solcher Antrag könnte etwa wie folgt aussehen: „Der Verwalter wird verpflichtet, eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung, die eine Gesamtabrechnung, Einzelabrechnungen für jede Sondereigentumseinheit, eine Darstellung der Instandhaltungsrücklage (mit den Bestandsveränderungen und den Ständen am Anfang und Ende des Wirtschaftsjahres) sowie eine Darstellung des für die Gemeinschaft geführten Girokontos (mit den Ständen am Anfang und Ende des Wirtschaftsjahres) enthält, für das Wirtschaftsjahr (vom … bis …) aufzustellen.“ Bei streitigen Positionen sollten diese im Antrag konkretisiert werden. 403 OLG Köln, Beschl. v. 27.9.2002 – 16 Wx 121/05, ZMR 2003, 387 = NZM 2003, 399. 404 So die wohl h.M. nach BayObLG, Beschl. v. 5.11.1987 – BReg 2 Z 112/87, BayObLGZ 1987, 381 = MDR 1988, 322 = WuM 1988, 100.

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Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.275 Teil 6

i.V.m. § 888 ZPO zu vollstrecken ist, mithin also, ob die Jahresabrechnung eine vertretbare oder eine unvertretbare Handlung darstellt. Diese Rechtsfrage ist seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.6.2016 weitgehend geklärt.405 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Erstellen einer Jahresabrechnung (für das Wirtschaftsjahr, in dem der auf Erstellung verklagte Verwalter die Verwaltung selbst geführt hat) keine vertretbare Handlung darstellt, sondern eine nicht vertretbare Handlung. Der Verwalter hat in diesem Fall für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Belege einzustehen; diese Pflicht kann allein er selbst (und kein Dritter) erfüllen. Die Gegenmeinung, die man durchaus als bisher vorwiegende Meinung bezeichnen konnte, hat der Bundesgerichtshof abgelehnt.406 Die Auffassung des Bundesgerichtshofs ist – wie schon in der 3. Auflage vertreten – richtig.

6.271

(a) Jahresabrechnung ohne vorherige Rechnungslegung über die Abrechnungsperiode Gleichwohl wird man noch eine Differenzierung vornehmen müssen. Hat der Verwalter bereits eine Rechnungslegung vorgelegt (also eine solche, die den in dem Teil „Rechnungslegung“ geschilderten Kriterien entspricht) wird man von einem anderen Ergebnis ausgehen müssen.

6.272

Auch hinsichtlich einer Rechnungslegung vertritt die überwiegende Meinung407 fälschlich die Auffassung, die Rechnungslegung stelle eine Leistung dar, die jedem möglich sei, der über die notwendigen Kenntnisse verfügt und dem die Gemeinschaftsordnung und die in dem betreffenden Jahr angefallenen Zahlungsbelege zugänglich sind. Es handele sich also um eine vertretbare Handlung i.S.d. § 887 ZPO.

6.273

Es ist allerdings auch hinsichtlich einer Rechnungslegung der Gegenauffassung zu folgen, wo- 6.274 nach die Verpflichtung zur Rechnungslegung, ebenso wie die zur Auskunftserteilung, regelmäßig als unvertretbare Handlung nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist.408 Die Erfüllung der Pflicht, über eine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, schließt die ausdrückliche oder konkludente Erklärung ein, dass die Angaben über Einnahmen und Ausgaben und ihre Verwendung vollständig und richtig sind. Diese Erklärung kann nur der Schuldner selbst, nicht aber ein vom Gläubiger beauftragter Dritter abgeben. Letzterer kann nur die vom Verwalter vorgelegten Belege auswerten, nicht aber etwa versichern, dass keine weiteren Einnahmen erzielt wurden oder dass die Ausgaben für die ausgewiesenen Zwecke erfolgten. Hat der Verwalter eine Rechnungslegung vorgelegt, so liegen drei Teile der geschuldeten Jahresabrechnung vor, nämlich die Gesamtdarstellung aller Lasten und Kosten (nach dem 405 BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = WuM 2016, 586 = NZM 2016, 770 = ZWE 2016, 422. 406 Vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = WuM 2016, 586 = NZM 2016, 770 = ZWE 2016, 422, unter III.1.d)aa). 407 BayObLG, Beschl. v. 15.11.1988 – BReg. 2 Z 142/87, WE 1989, 220; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.6.1984 – 2/9 T 586/83, ZMR 1985, 348; OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 (160); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.3.1999 – 3 Wx 33/99, WuM 1999, 359 f. 408 KG, Beschl. v. 30.6.1972 – 1 W 1386/71, NJW 1972, 2093; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.4.1973 – 2 W 14/73, Rpfleger 1973, 311; OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1998 – 2 W 201/97, WuM 1998, 375 (377); OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61 (62); BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2Z BR 9/02, NZM 2002, 489; Nies, NZM 1999, 832.

Köhler

293

6.275

Teil 6 Rz. 6.275

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

Geldflussprinzip) im Wirtschaftsjahr, die Darstellung der Instandhaltungsrücklage und des Girokontos. Mit der Vorlage der Rechnungslegung hat der Verwalter also auch verbindlich erklärt, dass die Rechnungslegung und die dort dargestellten Geldflüsse und Kontobewegungen vollständig und richtig sind.

6.276 Diese Rechnungslegung stellt damit eine unvertretbare Handlung dar. Hat der Verwalter keine Abrechnung – und damit auch keine Rechnungslegung – vorgelegt, ist die Pflicht des Verwalters immer nach § 888 ZPO zu vollstrecken. (b) Jahresabrechnung bei vorheriger Rechnungslegung über die Abrechnungsperiode

6.277 Wurde der Verwalter zur Erstellung einer Jahresabrechnung verurteilt, umfasst diese Pflicht auch die Erstellung der Einzelabrechnungen. Diese Pflicht kann aber – wenn der Verwalter eine Rechnungslegung vorgelegt, und damit die oben beschriebene konkrete oder konkludente Erklärung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der Geldflüsse und Kontobewegungen abgegeben hat – als vertretbare Handlung angesehen werden.409 Gleiches gilt, wenn der Verwalter seiner Rechnungslegungspflicht bereits nachgekommen ist, er also über den Abrechnungszeitraum Rechnung gelegt hat; auch dann handelt es sich bei der verbliebenen Pflicht, auf der Grundlage seiner Rechnungslegung noch die Einzelabrechnungen zu erstellen, um eine vertretbare Handlung. Eine Vollstreckung hat in beiden Fallkonstellationen gemäß § 45 Abs. 3 WEG i.V.m. § 887 ZPO zu erfolgen. (c) Der Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren

6.278 Wendet der Verwalter nach rechtskräftiger Titulierung im Vollstreckungsverfahren gegenüber dem nach § 888 ZPO anzuordnenden Zwangsmittel ein, er habe den Abrechnungsanspruch zwischenzeitlich erfüllt, so ist er mit diesem Einwand im Vollstreckungsverfahren zu hören.410 Im Falle der Erfüllung ist die Zwangsvollstreckung nicht mehr notwendig, der Vollstreckungsantrag der Wohnungseigentümer ist zurückzuweisen. b) Sekundäransprüche aa) Anspruchsgrundlagen (1) Verzug

6.279 Kommt der Verwalter seiner gesetzlichen Abrechnungspflicht nicht nach, kann er durch Mahnung in Verzug gesetzt und es kann unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB Ersatz des Verzögerungsschadens verlangt werden. Rechtsanwaltskosten könnten einen Verzugsschaden darstellen;411 allerdings: ohne eine Mahnung, die Verzug auslöst, kann die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden.412

409 Vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = WuM 2016, 586 = NZM 2016, 770 = ZWE 2016, 422, unter III. 1. e) bb) (3). 410 BGH, Beschl. v. 5.11.2004 – IX a ZB 32/04, BGHZ 161, 67 = MDR 2005, 351 = NJW 2005, 367; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = WuM 2016, 586 = NZM 2016, 770 = ZWE 2016, 422. 411 BayObLG, Beschl. v. 20.11.1997 – 2Z BR 122/97, NJW-RR 1998, 519. 412 LG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017 – 25 S 155/16, juris.

294

Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.283 Teil 6

Dass einem vermietenden Wohnungseigentümer durch eine verspätete Abrechnung des Ver- 6.280 walters ein Schaden entstehen kann, wird von der Rechtsprechung abgelehnt, die insbesondere auch darauf hinweist, dass ein Schadensersatzanspruch ohne Verzug nicht eintreten kann.413 Nach Auffassung des AG Singen kann der vermietende Wohnungseigentümer trotz Verstreichens der Zwölfmonatsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB noch gegenüber dem Mieter abrechnen und den Nachzahlungsbetrag verlangen, da er die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat.414 Hiergegen wird von Jennißen – zu Recht – eingewandt, der vermietende Wohnungseigentümer müsse bei verspäteter Abrechnung eigene Initiativen ergreifen, um eine Verspätung nicht zu verschulden. So müsse er etwa den WEG-Verwalter zur fristgemäßen Abrechnung auffordern und versuchen, durch Akteneinsicht anhand der Belege des Verwalters selbst eine Betriebskostenabrechnung fristgemäß zu erstellen.415 Auch vom Landgericht Frankfurt wird der Schadensersatzanspruch eines vermietenden Eigentümers abgelehnt, weil der Verwalter nicht Erfüllungsgehilfe für einen einzelnen Sondereigentümer bei dessen Erfüllung der Abrechnungsfrist gegenüber seinem Mieter sei; etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Verwalter sich in einer besonderen Vereinbarung zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Sondereigentümer verpflichtet habe.416 Gemäß §§ 280 Abs. 3, 281 BGB kann nach erfolgter Nachfristsetzung die Abrechnung von einem Dritten erstellt werden, wenn die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Allerdings erhalten die Eigentümer in diesem Fall nicht die Erklärung des Verwalters, dass die Jahresabrechnung (Rechnungslegung) vollständig ist und die richtigen Geldflüsse und Kontobewegungen beinhaltet. Die durch die Dritt-Erstellung entstandenen Kosten sind als Schadensersatz vom Verwalter zu ersetzen.417

6.281

Wie bei jedem Schadensersatzanspruch muss auch bei Sekundäransprüchen im Hinblick auf eine mangelhafte Jahresabrechnung ein Schaden tatsächlich eingetreten sein. Nicht ausreichend ist es insoweit, wenn vorgetragen wird, die Jahresabrechnung müsse von einem Dritten neugefertigt werden, was einen Aufwand in der Größenordnung von X Euro erfordere, ohne jedoch einen Auftrag zur Neuerstellung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt erteilt zu haben.418

6.282

Sind lediglich die Einzelabrechnungen noch nicht erstellt, kann nach § 281 Abs. 1 S. 2 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen werden, da die Wohnungseigentümer an der Teilleistung Rechnungslegung aufgrund der Pflicht des Verwalters zu wahrheitsgemäßen Angaben ein Interesse haben.

6.283

413 Vgl. zur Verzugsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch bei verspäteter Vorlage einer Jahresabrechnung auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2006 – 3 Wx 160/03, ZMR 2007, 287 = WE 2007, 225; Riecke, Verspätete Nebenkostenabrechnung einer vermieteten Eigentumswohnung, ZMR 2007, 289; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 T 16/06, juris. 414 AG Singen, Beschl. v. 24.2.2004 – 7 UR WEG 48/03, MietRB 2004, 295. 415 Jennißen, MietRB 2004, 295. 416 LG Frankfurt/M., Urt. v. 14.10.2011 – 2-09 S 2/11, Juris = DWE 2012, 132 (nur LS); vgl. auch Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.11.2006 – 13 Wx 4/06, NZM 2007, 773. 417 KG, Beschl. v. 16.9.1992 – 24 W 5725/91, WuM 1993, 142 = NJW-RR 1993, 529. 418 Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, Rz. 77 unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf – 3 Wx 325/2000 (n.v.).

Köhler

295

Teil 6 Rz. 6.284

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

(2) Schlechtleistung

6.284 Dass erhebliche Mängel der Jahresabrechnung zu Schadensersatzforderungen führen können, ist grundsätzlich anerkannt.419

6.285 Soweit die Abrechnung Fehler beinhaltet, ist ein Fall der Schlechterfüllung gegeben. Entsteht den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft durch die mangelhafte Abrechnung ein Schaden, besteht ein Ersatzanspruch gegen den Verwalter nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1 BGB (kleiner Schadensersatz). Voraussetzung ist dabei nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich ein erfolgloses Nacherfüllungsverlangen. Als Schadenspositionen sind hier insbesondere die Kosten des den Genehmigungsbeschluss betreffenden Anfechtungsverfahrens sowie die einer erneut erforderlichen, zusätzlichen Eigentümerversammlung oder entstandene Gutachterkosten denkbar.

6.286 Ist die erteilte Jahresabrechnung mit erheblichen Mängeln behaftet, kann die Abrechnung nach erfolglosem Nachbesserungsverlangen gemäß § 281 Abs. 1 S. 3 BGB auch von einem Dritten vorgenommen werden. Dessen Kosten sowie eventuell bereits aufgrund der fehlerhaften Abrechnung eingetretene Schäden sind als Schadensersatz statt der ganzen Leistung von dem Verwalter zu ersetzen (großer Schadensersatzanspruch).

6.287 Die Vornahme der gesamten geschuldeten Handlung durch einen Dritten stellt allerdings aufgrund der Einstandspflicht des Verwalters für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Einnahmen und Ausgaben keinen gleichwertigen Ersatz dar. Sind lediglich die Einzelabrechnungen fehlerhaft, kann nach § 281 Abs. 1 S. 2 BGB kein Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt werden, da die Wohnungseigentümer an der Teilleistung Rechnungslegung aufgrund der Pflicht des Verwalters zu wahrheitsgemäßen Angaben ein Interesse haben. bb) Anspruchsinhaber (Aktivlegitimation)

6.288 Obwohl jeder Wohnungseigentümer allein den Primäranspruch geltend machen kann, kann das nur eingeschränkt für die Durchsetzung der die Jahresabrechnung betreffenden Sekundäransprüche gelten.

6.289 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH420 kann ein einzelner Sondereigentümer grundsätzlich einen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehenden Anspruch nicht ohne einen entsprechenden Ermächtigungsbeschluss geltend machen. Das bedeutet, dass ein einzelner Eigentümer Sekundäransprüche allein – und ohne Ermächtigungsbeschluss der Wohnungseigentümer – gegen den Verwalter nur geltend machen kann, wenn sich aus dem Verzug oder der Schlechtleistung Schadensfolgen ergeben, die dem einzelnen Sondereigentümer allein zustehen (z.B. Schäden des Sondereigentümers als Vermieter). Der Bundesgerichtshof hat dies, in anderem Zusammenhang, bestätigt; nach dieser Entscheidung soll der einzelne Sondereigentümer (ausnahmsweise) eine Antragsbefugnis haben, wenn durch die Pflichtverletzung des Verwalters einzig und allein nur ihm ein Schaden entstanden ist.421

419 BayObLG, Beschl. v. 6.10.1975 – BReg 2 Z 67/75, MDR 1976, 225; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, Rz. 185 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1998 – 3 Wx 397/97, ZflR 1999, 380 = WuM 1999, 357. 420 BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – V ZB 9/88, BGHZ 106, 222 = MDR 1989, 436 = WuM 1989, 465; BGH, Beschl. v. 20.4.1990 – V ZB 1/90, BGHZ 111, 148 = MDR 1991, 138 = WuM 1990, 468; BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106. 421 BGH, Beschl. v. 2.10.1991 – V ZB 9/91, BGHZ 115, 253 = MDR 1992, 257 = ZMR 1992, 30.

296

Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.295 Teil 6

Ein Ermächtigungsbeschluss der Wohnungseigentümer, der den einzelnen Sondereigentümer zur Geltendmachung von Sekundäransprüchen berechtigen soll, muss im Hinblick auf Grund und Höhe des Anspruchs hinreichend konkretisiert sein.422

6.290

Ohne Ermächtigungsbeschluss muss der einzelne Wohnungseigentümer vor Geltendmachung eines gemeinschaftlichen Anspruchs gegen den Verwalter zunächst gegen die sich weigernden Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG vorgehen, um deren Zustimmung zur Geltendmachung des gemeinschaftlichen Anspruchs zu erlangen.423

6.291

cc) Verjährung Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre und beginnt mit Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Schaden für die Wohnungseigentümer eingetreten ist und sie von ihrem Ersatzanspruch Kenntnis erlangt haben, § 199 Abs. 1 BGB. Der Schaden ist dabei schon mit der Beauftragung des Dritten entstanden, da sich die Vermögenslage der Gemeinschaft bereits zu diesem Zeitpunkt dem Grunde nach verschlechtert hat.424

6.292

dd) Verfahrensrechtliche Durchsetzung Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter aufgrund dessen Verwaltertätigkeit sind im Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG geltend zu machen. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach §§ 803 ff. ZPO.

6.293

4. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter a) Der Primäranspruch Die Frage, ob ein ausgeschiedener Verwalter noch zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet ist, hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 16.2.2016 weitgehend geklärt.425 Neben der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann jedem Wohnungseigentümer ein Individualanspruch auf Vorlage der Jahresabrechnung gegen den bereits ausgeschiedenen Verwalter zustehen.426

6.294

aa) Passivlegitimation des ausgeschiedenen Verwalters (1) Ausscheiden während des Wirtschaftsjahres Findet ein Verwalterwechsel während des Wirtschaftsjahres statt, so bleibt der ehemalige Verwalter nach einhelliger Auffassung verpflichtet, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bereits fälligen Jahresabrechnungen vorangegangener Abrechnungsperioden seiner eigenen Amtszeit zu erstellen.427 Für das laufende Wirtschaftsjahr ist der Verwalter nur zur Rechnungslegung und nicht zur Erstellung einer vollständigen Jahresabrechnung verpflichtet.

422 KG, Beschl. v. 20.12.1989 – 24 W 2779/89, MDR 1990, 553 = WuM 1990, 180 = WE 1990, 89. 423 KG, Beschl. v. 19.4.2000 – 24 W 1184/00, WuM 2000, 374 = ZWE 2000, 360. 424 OLG Köln, Beschl. v. 6.2.1998 – 16 Wx 12/98, ZMR 1998, 460 = OLGR Köln 198, 354 = NZM 1998, 874 für die Honorarverpflichtung eines Rechtsanwalts durch Auftrag als Schaden; Ott/ Lüer/Heussen, Schuldrechtsreform, 2002, § 199 Rz. 34. 425 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469. 426 LG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2009 – 5 T 575/06, ZMR 2010, 318. 427 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469; Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 110.

Köhler

297

6.295

Teil 6 Rz. 6.295

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

Einzelabrechnungen muss der ausgeschiedene Verwalter neben der Rechnungslegung also nicht vorlegen.

6.296 Problematischer ist, ob der ausgeschiedene Verwalter auch noch Jahresabrechnungen für Wirtschaftsjahre erstellen muss, in denen ein Vorgänger-Verwalter amtierte. Insoweit wird für den Fall, dass der Verwalter sich hierzu ausdrücklich vertraglich verpflichtet hatte, vertreten, es handele sich um einen Erfüllungsanspruch, dem der ausgeschiedene Verwalter nicht mehr nachzukommen brauche. Dieser sei nur noch Schuldner von „Abwicklungsansprüchen“, nicht aber von „Herstellungsansprüchen“.428

6.297 Die Begriffe „Abwicklungsanspruch“ und „Herstellungsanspruch“ sind dem Gesetz fremd. Gesetzlich geregelt sind hingegen die Erfüllung entstandener Ansprüche (§§ 362 ff. BGB) sowie die Unmöglichkeit der Erfüllung (§ 275 BGB). Entscheidend muss daher immer sein, ob die Erfüllung eines bereits während seiner Amtszeit entstandenen Anspruchs dem ausgeschiedenen Verwalter noch tatsächlich und rechtlich möglich ist. Die Erfüllung von Abrechnungsansprüchen über fremde Abrechnungsperioden ist dem ausscheidenden Verwalter bei Vorhandensein der notwendigen Unterlagen genauso möglich wie die Erfüllung der Abrechnungsansprüche, welche die eigene Amtszeit betreffen. Auch bei letzterem Anspruch handelt es sich um einen Erfüllungsanspruch auf Herstellung der Jahresabrechnung. Die Begriffe „Abwicklungsanspruch“ und „Herstellungsanspruch“ sind überflüssig. Bei einer vertraglichen Verpflichtung des ausgeschiedenen Verwalters zur Erstellung von Vorgänger-Abrechnungen bleibt der ausgeschiedene Verwalter also weiterhin verpflichtet. Allerdings kann der Verwalter für die von ihm erstellten Jahresabrechnungen dann keine Richtigkeitsgewähr (im Sinne der oben beschriebenen Rechnungslegung) übernehmen; er hat nur dafür einzustehen, dass die Jahresabrechnung ordnungsgemäß auf der Grundlage der ihm überlassenen Unterlagen aus der Zeit seines Vorgängers erstellt wurde.

6.298 Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob der ausscheidende Verwalter überhaupt Schuldner des Abrechnungsanspruchs der Wohnungseigentümer geworden ist. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung trifft die gesetzliche Abrechnungspflicht aus § 28 Abs. 3 WEG nur den im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs amtierenden Verwalter.429 Soweit der Verwalter im Zeitpunkt der Entstehung des Abrechnungsanspruchs sein Amt noch nicht innehatte, ist er daher auch nach § 28 Abs. 3 WEG nicht verpflichtet, Jahresabrechnungen über fremde Abrechnungsperioden zu erstellen. Diese Pflicht trifft dann regelmäßig seinen Vorgänger. Nachstehend werden jedoch die Besonderheiten geschildert, die sich u.a. aus der Entscheidung des BGH vom 16.2.2018430 ergeben. (2) Ausscheiden zum Ende des Wirtschaftsjahres

6.299 Die Frage, welcher Verwalter (Ex-Verwalter oder Ist-Verwalter) für die Erstellung einer Jahresabrechnung zuständig und hierzu verpflichtet ist, wenn ein Verwalterwechsel zum Ende oder nach dem Ende eines Wirtschaftsjahres431 eintritt, war in der Vergangenheit äußerst umstritten. Eine endgültige Klärung hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.2.2018 zwar nicht gebracht, jedoch umstrittene Rechtsfragen gleichwohl beantwortet.432 Der Streit in 428 429 430 431

LG Münster, Beschl. v. 24.8.2001 – 3 T 62/01, NZM 2002, 459. Reichert, ZWE 2001, 92 (93). BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469. Üblicher Weise ist das Kalenderjahr das Wirtschaftsjahr; durch Teilungserklärung kann das Wirtschaftsjahr auf einen anderen Zeitraum festgelegt werden. 432 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469.

298

Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.305 Teil 6

Rechtsprechung und Literatur ging vor allem darum, ob die Pflicht zur Erstellung einer Jahresabrechnung von der „Entstehung“ oder der „Fälligkeit“ der Pflicht abhängt.433 Die ganz herrschende Meinung vertrat die Meinung, dass es auf die „Entstehung“ der Pflicht ankomme. Die Mindermeinung stellte demgegenüber auf die „Fälligkeit“ der Abrechnungspflicht ab. Diesen Streit hat der BGH nunmehr entschieden und ausgeführt, dass es auf die „Entstehung“ der Pflicht ankomme. Die Fälligkeit bestimme nur den Zeitpunkt, wann der Gläubiger die Leistung verlangen kann und sage nichts darüber aus, wer die Leistung schuldet. Das Fälligkeitskriterium sei auch praktisch unbrauchbar, weil es mit Unsicherheiten seiner Bestimmung behaftet sei.

6.300

Bei der herrschenden Meinung gibt es, wie der BGH auch ausführlich nachweist, wiederum unterschiedliche Meinungen zur Frage des Zeitpunkts der Entstehung. Eine Mindermeinung der „Entstehens-Meinung“ vertritt die Ansicht, die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung entstehe am letzten Tag des Wirtschaftsjahres, während wiederum die herrschende „Entstehens-Meinung“ davon ausgeht, die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung entstehe am 1. Tag des folgenden Wirtschaftsjahres.

6.301

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Abrechnungsverpflichtung für das Wirtschaftsjahr 2014 eines Verwalters, der im Januar 2015 fristlos von seinem Verwalteramt abberufen worden war. Der Bundesgerichtshof musste sich deshalb nicht näher mit der Frage des Entstehens-Zeitpunkts befassen, weil er zu Recht darauf hinwies, dass – unabhängig von dem Problem „letzter Tag des Wirtschaftsjahres“ oder „erster Tag des nächsten Wirtschaftsjahres“ – der abberufene Verwalter in jedem Fall für die Abrechnung 2014 zuständig und zu ihrer Erstellung verpflichtet war.

6.302

Der BGH hat insoweit klargestellt, dass die Pflicht zur Jahresabrechnung weiter fortbesteht, wenn einmal die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung entstanden ist, selbst wenn der Verwalter im Laufe des Wirtschaftsjahres (und vor möglicher Fälligkeit des Anspruches) aus seinem Verwalteramt ausscheidet. Die einmal entstandene Pflicht geht nicht auf den neuen Verwalter über.

6.303

Auch wenn der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.2.2018 offen gelassen hat, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Abrechnungspflicht entsteht (und ob Ex- oder Ist-Verwalter zuständig ist), hat er darauf hingewiesen, dass § 28 Abs. 3 WEG hinsichtlich des Zeitpunkts der Entstehung nicht eindeutig sei. Der Bundesgerichtshof hat aber Argumente aufgeführt, die für die eine oder andere der oben erwähnten Meinungsrichtungen sprechen könnten.

6.304

Entstehung am letzten Tag des Wirtschaftsjahres: Entsteht die Pflicht am letzten Tage des Wirtschaftsjahres, ist der Ex-Verwalter zur Erstellung verpflichtet. Für die Abrechnungspflicht des Ex-Verwalters könnte das Interesse der Wohnungseigentümer sprechen. Der ExVerwalter müsse dafür einstehen, dass er Einnahmen und Ausgaben vollständig und richtig erfasst hat. Die Jahresabrechnung könnte auch als Rechenschaftsbericht des Ex-Verwalters angesehen werden.

6.305

433 Vgl. zu den folgenden Ausführungen die umfangreichen Rechtsprechungs- und Literaturhinweise in der Entscheidung des BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469.

Köhler

299

Teil 6 Rz. 6.306

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.306 Entstehung am 1. Tag des nächsten Wirtschaftsjahres: In diesem Fall ist der Ist-Verwalter für die Abrechnungserstellung zuständig. Für die Abrechnungspflicht des Ist-Verwalters könnte sprechen, dass die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG nach Ablauf des Wirtschafsjahres entsteht. Die Abrechnung fiele demnach in die Amtszeit des Ist-Verwalters. Die Jahresabrechnung könne durch einen Dritten erstellt werden, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft Rechnungslegung verlangen und der Ist-Verwalter auf dieser Grundlage eine Abrechnung erstellen könne.

6.307 In der Rz. 6.271, wurde schon auf die Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Zwangsvollstreckung hingewiesen, wonach die Erstellung einer Jahresabrechnung keine vertretbare, sondern eine nicht vertretbare Handlung darstellt.434 Der Verwalter habe für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Belege einzustehen, weshalb diese Pflicht allein er selbst erfüllen könnte und kein Dritter.

6.308 Wenn man diesen vollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkt und die vom BGH in seiner Entscheidung vom 16.2.2018 aufgezählten Argumente für einen möglichen Entstehenszeitpunkt miteinander verbindet, kommt man zu einer durchaus sinnvollen, wenn auch differenzierten Lösung.

6.309 Die Wohnungseigentümer haben ein hohes Interesse daran, dass der Ex-Verwalter für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Belege sowie der Einnahmen und Ausgaben einsteht. Eine solche Richtigkeits- und Vollständigkeits-Erklärung, an der sich der Ex-Verwalter auch festhalten lassen muss, ist schon mit der Rechnungslegung verbunden. Betrachtet man die vier Bestandteile einer Jahresabrechnung 1. Darstellung aller im Wirtschaftsjahr nach dem Geldflussprinzip geflossenen Lasten und Kosten und Einnahmen, 2. Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Istbeträge, Entwicklung der Rücklage und Sollbeträge), 3. Darstellung des für die Gemeinschaft geführten Girokontos (mit Anfangs- und Endbestand und den jeweiligen Veränderungen), 4. Einzelabrechnungen für jede Sondereigentumseinheit stellen die drei ersten Bestandteile die Rechnungslegung dar.

6.310 Dem Interesse der Wohnungseigentümer ist Genüge getan, wenn von dem Ex-Verwalter eine Rechnungslegung verlangt wird, die auch nur er vorlegen kann. Daraus ist zu folgern, dass für die ersten drei Bestandteile einer Jahresabrechnung (= Rechnungslegung) der Anspruch am letzten Tag des Wirtschaftsjahres entsteht.

6.311 Andererseits wird man, auch unter Berücksichtigung der vollstreckungsrechtlichen Aspekte, die der 1. Senat des BGH in der Entscheidung vom 23.6.2016 aufgestellt hat, folgern müssen, dass jeder Dritte auf der Grundlage der Rechnungslegung des Ex-Verwalters den Rest der Jahresabrechnung (die Einzelabrechnungen) erstellen kann. Die Einzelabrechnungen sind nicht mehr mit einer Erklärung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Belege sowie der Einnahmen und Ausgaben verbunden, denn diese Erklärung ist schon mit den ersten drei Bestandteilen (= Rechnungslegung) verbunden. 434 BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = WuM 2016, 586 = NZM 2016, 770 = ZWE 2016, 422.

300

Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.320 Teil 6

Demnach wird man insoweit schlussfolgern können, dass die Pflicht zur Erstellung der Einzelabrechnungen am 1. Tag des neuen Wirtschaftsjahres entsteht und somit der Ist-Verwalter zur Erstellung dieser Abrechnungen verpflichtet ist. Der Ist-Verwalter muss nur noch die Erklärungen und Zahlen des Ex-Verwalters in Einzelabrechnungen umsetzen.

6.312

Die in § 28 Abs. 3 WEG festgeschriebene Pflicht, eine „Jahresabrechnung“ zu erstellen, wird 6.313 man restriktiv und sinnvoll differenziert im Hinblick auf das Interesse der Wohnungseigentümer auslegen können und müssen.

6.314

Im Ergebnis können also Abrechnungsfälle wie folgt unterteilt und gelöst werden: 1. Fall: Das Wirtschaftsjahr ist abgelaufen und der Verwalter scheidet im Laufe des nächsten Wirtschaftsjahres aus dem Amt aus.435 Dieser Fall ist unproblematisch, denn der Verwalter scheidet jedenfalls nach dem Entstehen des Anspruches auf Erstellung der Jahresabrechnung aus und ist somit zur Erstellung der kompletten Jahresabrechnung mit allen Bestandteilen verpflichtet. 2. Fall: Das Wirtschaftsjahr läuft aus und der Verwalter scheidet zum Zeitpunkt des Auslaufens des Wirtschaftsjahres aus dem Amt aus. Notwendige und sinnvolle Differenzierung: Der Ex-Verwalter ist zur Vorlage der Rechnungslegung (wie oben beschrieben), nicht jedoch zur Erstellung der Einzelabrechnungen verpflichtet.

6.315

Der Ist-Verwalter ist für die Erstellung der Einzelabrechnungen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr auf der Grundlage der Rechnungslegung des Ex-Verwalters verpflichtet. Nebenbemerkung: Sollten noch Jahresabrechnungen aus früheren Wirtschaftsjahren offen stehen, ist der Ex-Verwalter zur Erstellung der diese Wirtschaftsjahre betreffenden kompletten Jahresabrechnungen (einschließlich Einzelabrechnungen) verpflichtet – unter der Voraussetzung, dass der Ex-Verwalter in den jeweiligen früheren Wirtschaftsjahren im Amt war.

6.316

Die Differenzierungsgrundsätze (Differenzierung zwischen Rechnungslegung/Einzelabrechnungen) gelten – wenn der Ex-Verwalter seinerseits mit Beginn eines neuen Wirtschaftsjahres in Amt gekommen ist – selbstverständlich auch hinsichtlich der Abrechnungen für dieses alte Wirtschaftsjahr vor seinem Amtsantritt.

6.317

bb) Anspruchsinhalt Der Gegenstand des Hauptleistungsanspruchs ist mit dem Anspruch gegen einen amtierenden Verwalter nur identisch, wenn der Verwalter im Laufe eines Wirtschaftsjahres aus dem Amt scheidet.

6.318

Scheidet der Verwalter zum Ende eines Wirtschaftsjahres aus dem Amt, sind die Anspruchsinhalte differenziert zu betrachten. Gegen den Ex-Verwalter besteht nach der hier vertretenen Auffassung Anspruch auf Erstellung einer Rechnungslegung, gegen den neuen Verwalter (IstVerwalter) bestehen Ansprüche auf Erstellung der Einzelabrechnungen.

6.319

Einen Anspruch auf Rechnungslegung kann ein einzelner Eigentümer nach der herrschenden Meinung nicht geltend machen, weil dieser Anspruch ein gemeinschaftsbezogener ist.436

6.320

435 Fall des BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469. 436 Vgl. Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 187.

Köhler

301

Teil 6 Rz. 6.321

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

6.321 Das wird man wohl für den Fall des Ausscheidens des Verwalters zum Ende des Wirtschaftsjahres anders sehen müssen. Bei einem Ausscheiden des Verwalters zu diesem Zeitpunkt besteht ein besonderes Interesse der einzelnen Sondereigentümer an einer Abrechnung, die in diesem Fall aus zweigeteilten Ansprüchen besteht (gegen den ausgeschiedenen und den neuen Verwalter). Deshalb wird man hier ausnahmsweise einen Anspruch der einzelnen Sondereigentümer auf Rechnungslegung gegen den ehemaligen Verwalter bejahen können. Bei einem Verlangen einzelner Sondereigentümer auf Rechnungslegung wird es sich in diesem Fall wohl – weil mit der Rechnungslegung gleichzeitig Interessen des Verbandes berührt sind – um eine actio pro socio handeln,437 so dass auf Leistung an die Gemeinschaft geklagt werden muss.

6.322 Gegen den neuen Verwalter besteht – sobald der ehemalige Verwalter Rechnung gelegt hat – ein individueller Anspruch auf Erstellung der Einzelabrechnungen.

6.323 Unabhängig davon kann der einzelne Eigentümer auch von den übrigen Eigentümern verlangen, dass diese beschließen, vom dem Ex-Verwalter eine Rechnungslegung zu verlangen, um nach der Vorlage der Rechnungslegung von dem neuen Verwalter Einzelabrechnungen einzufordern.

6.324 Das Einsichtsrecht in die Abrechnungsunterlagen soll als Nebenrecht auch dem neu bestellten Verwalter zustehen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.438 Dieses Einsichtsrecht ist aber kein eigenes Recht des amtierenden Verwalters, sondern hat seinen Rechtsgrund in dem Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem ausgeschiedenen Verwalter.

6.325 Das Einsichtsrecht des neuen Verwalters ist eher theoretischer Natur, denn der neue Verwalter kann – schon um seinen Aufgaben überhaupt ordnungsgemäß nachkommen zu können – von der Eigentümergemeinschaft jedenfalls verlangen, dass der Ex-Verwalter zur Herausgabe verpflichtet wird. Dem (theoretischen) Einsichtsrecht kommt im Übrigen nur solange Bedeutung zu, als und soweit der ausgeschiedene Verwalter die Verwaltungsunterlagen noch nicht den Wohnungseigentümern oder seinem Nachfolger übergeben hat. Wurden die Verwaltungsunterlagen bereits übergeben, hat nunmehr der ausgeschiedene Verwalter ein Einsichtsrecht als Nebenrecht zur Erfüllung seiner Abrechnungspflicht.439 cc) Nachbesserungspflicht

6.326 Nach der Rechtsprechung soll der ausgeschiedene Verwalter verpflichtet sein, eine in seinen Verwaltungszeitraum fallende Jahresabrechnung zu korrigieren, falls nach seinem Ausscheiden der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung im Beschlussmängelverfahren für ungültig erklärt wurde.440 Hier wird man besonders berücksichtigen müssen, ob dem Ver437 Vgl. hierzu auch Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 298. 438 BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2Z BR 45/96, WuM 1996, 661 = BayObLGR 1996, 74 = WE 1997, 117. 439 BayObLG, Beschl. v. 18.8.1969 – 2 Z 3/69, BayObLGZ 1969, 209 (215); BayObLG, Beschl. v. 5.8.1992 – 2Z BR 55/92, WuM 1992, 644 = WE 1993, 288; BayObLG, Beschl. v. 13.9.1993 – 2 Z 66/93, WE 1994, 280 (Rechnungslegung); OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.1975 – 15 W 183/73, OLGZ 1975, 157 (161); OLG Hamburg, Beschl. v. 18.11.1986 – 2 W 61/86, OLGZ 1987, 188; OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, OLGZ 1993, 438 = DWE 1993, 114 = NJW-RR 1993, 847. 440 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61 (62) m. Anm. Arnoul; Merle, ZWE 2000, 9 (10).

302

Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.331 Teil 6

walter bereits Entlastung erteilt wurde und er somit für eine korrigierende Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr zuständig sein könnte. Ist dem Verwalter Entlastung erteilt, hat die Aufhebung eines Beschlusses nach § 28 Abs. 5 WEG für den Verwalter zunächst keine Bedeutung. Die Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung der Abrechnungspflicht durch den Verwalter ist – gesondert vom Beschlussanfechtungsverfahren – in einem Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG (gerichtet gegen den Verwalter) zu klären.

6.327

dd) Rechte des ausgeschiedenen Verwalters (1) Herausgabeanspruch Der ausgeschiedene Verwalter hat im Hinblick auf die von ihm für die Abrechnung benötigten Unterlagen keinen Herausgabeanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder seinen Nachfolger im Amt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der amtierende Verwalter benötigen die Originalunterlagen für die laufende Verwaltung.

6.328

(2) Das Einsichtsrecht Hat der ausgeschiedene Verwalter alle Unterlagen übergeben, besteht ein berechtigtes Interes- 6.329 se von ihm an einer Einsicht in die herausgegebenen Unterlagen,441 wenn eine solche Einsicht erforderlich ist, um den Anspruch der Wohnungseigentümer auf Rechnungslegung und Auskunftserteilung, Abrechnung oder sonstige für eine Entlastung maßgebliche Pflichten zu erfüllen. Ein Einsichtsrecht besteht auch, um Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer abwehren zu können. Dem ausgeschiedenen Verwalter wird man im Übrigen zubilligen müssen, sich Kopien von den notwendigen Verwaltungsunterlagen auf eigene Kosten anzufertigen oder gegen Kostenerstattung anfertigen zu lassen.442 Schuldner des Einsichtsanspruchs kann gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein. Eigentümer der Verwaltungsunterlagen ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der amtierende Verwalter ist nur derjenige, der die Verwaltungsunterlagen aufgrund seines Verwaltervertrages für die Gemeinschaft aufbewahrt.443 Das Einsichtsrecht des Verwalters ist ein Nebenrecht zur Erfüllung einer anderen Hauptpflicht oder zur Verwirklichung eines anderen Hauptrechts, weshalb Rechtsbeziehungen nur zwischen der Gemeinschaft und dem ausgeschiedenen Verwalter sowie zwischen der Gemeinschaft und dem amtierenden Verwalter, nicht aber zwischen dem amtierenden und dem ausgeschiedenen Verwalter bestehen.

6.330

Verweigert die Gemeinschaft dem ausgeschiedenen Verwalter die Einsichtnahme in bereits 6.331 herausgegebene, aber zur Abrechnung benötigte Verwaltungsunterlagen und besteht sie 441 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469, m.w.N.; BayObLG, Beschl. v. 18.8.1969 – 2 Z 3/69, BayObLGZ 1969, 209 (215); OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, OLGZ 1993, 438 (440); Seuß, WE 1990, 127; Sauren, PiG 30, S. 69 (83). 442 So für das Einsichtsrecht der Wohnungseigentümer OLG Hamm, Beschl. v. 9.2.1998 – 15 W 124/97, NZM 1998, 724 = ZMR 1998, 586 = DWE 1998, 134; OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1984 – 4 W 87/84, DWE 1985, 24; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.4.1976 – 3 W 8/76, MDR 1976, 758. 443 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = NJW-RR 2011, 1578.

Köhler

303

Teil 6 Rz. 6.331

Erstellung/Prüfung einer Jahresabrechnung

gleichzeitig auf Erstellung der Jahresabrechnung oder Rechnungslegung durch diesen, wird der ausgeschiedene Verwalter die Einwendung widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB (venire contra factum proprium) gegen den Abrechnungsanspruch erheben können. Einer gerichtlichen Durchsetzung des Einsichtsgewährungsrechts durch den ausgeschiedenen Verwalter bedarf es nicht, es sei denn, der ausgeschiedene Verwalter hätte ein besonderes Interesse daran, eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung/Rechnungslegung vorzulegen, z.B. zur Wahrung seines Rufes in der Verwalter-Branche. ee) Verfahrensrechtliche Durchsetzung

6.332 Im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Abrechnungsanspruchs gegen den ausgeschiedenen Verwalter gibt es keine Besonderheiten, sodass, unter Berücksichtigung der hier dargestellten Besonderheiten bei einem Ausscheiden zum Ende des Wirtschaftsjahres, auf die diesbezüglichen Ausführungen gegen einen amtierenden Verwalter verwiesen werden kann. b) Sekundäransprüche aa) Anspruchsgrundlagen

6.333 Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft gegen einen ausgeschiedenen Verwalter fallen unter § 43 Nr. 3 WEG.444

6.334 Die Erfüllung der Abrechnungspflicht ist dem ausgeschiedenen Verwalter auch nach Herausgabe der Verwaltungsunterlagen aufgrund seines Einsichtsrechts nicht unmöglich geworden.445 Im Übrigen ergeben sich keine Besonderheiten zu den Sekundäransprüchen gegen den amtierenden Verwalter, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann. bb) Anspruchsinhaber

6.335 Anspruchsinhaber ist nach § 10 Abs. 7 S. 1, 3 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

6.336 Entscheidend für die Beurteilung, ob die Geltendmachung der Schadensersatzforderung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann bei dem ausgeschiedenen Verwalter als Anspruchsgegner nicht die Aufrechterhaltung und Förderung einer guten Arbeitsbeziehung für die Zukunft, sondern allein die Angemessenheit des einzugehenden Verfahrensrisikos für die Gemeinschaft sein.446 Der Beschluss, auf die gerichtliche Geltendmachung offensichtlicher und schlüssig dargelegter Schadensersatzansprüche gegen den ausgeschiedenen Verwalter zu verzichten, widerspricht regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung und ist auf Anfechtung für ungültig zu erklären.447 Allerdings kann die Mehrheit der Eigentümer im Rahmen ihres so genannten Verzeihungsermessens die der Verwaltung vorgeworfenen Handlungen als

444 BayObLG, Beschl. v. 18.10.1990 – 2 Z 86/90, WE 1992, 23; das ist nunmehr rechtlich nicht mehr umstritten. 445 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 = NZM 2018, 469. 446 Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 1. Aufl., Rz. 319. 447 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.1999 – 3 Wx 270/99, NJW-RR 2000, 381 = ZMR 2000, 243 = NZM 2000, 347.

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Köhler

Abrechnungsansprüche gegenüber Verwalter

Rz. 6.339 Teil 6

nicht pflichtwidrig ansehen, sondern billigen.448 Das wird wohl auch für einen ausgeschiedenen Verwalter gelten müssen. 5. Der Abrechnungsanspruch gegenüber dem „Scheinverwalter“ Ein Verwalter, dessen Bestellung unwirksam ist oder wird, ist als „Scheinverwalter“449 nicht zur Abrechnung, sondern nach §§ 677, 681, 666 BGB nur zur Rechnungslegung verpflichtet.450 Der Anspruch gründet nicht auf § 28 Abs. 4 WEG, sondern auf die soeben genannte Anspruchskette.451

6.337

§ 28 Abs. 3 WEG verlangt einen im Zeitpunkt der Entstehung des Abrechnungsanspruchs 6.338 amtierenden Verwalter. Der „Scheinverwalter“ hat aber regelmäßig aufgrund der Rückwirkung der gerichtlichen Ungültigkeitserklärung des Bestellungsbeschlusses oder seiner Nichtigkeit zu keinem Zeitpunkt wirksam amtiert. Gleichwohl hat er über Gelder oder Vermögen der Eigentümergemeinschaft verfügt und muss somit auch als tatsächlich Handelnder über die Geld- und Vermögensverwendung Rechenschaft ablegen.452 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob dem Scheinverwalter ein Vergütungsanspruch für seine bisherige Tätigkeit zusteht.453 Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein über die Rechnungslegung hinausgehender Anspruch auf Erstellung von Einzelabrechnungen besteht.

448 LG Hamburg, Urt. v. 25.5.2011 – 318 S 208/09, ZMR 2012, 290 = ZWE 2012, 189. 449 Zu den möglichen anderen Begriffen neben „Scheinverwalter“, wie „fehlerhafter Verwalter“ oder „faktischer Verwalter“ vgl. Staudinger/Jakoby, 2018, § 26 Rz. 121 ff. 450 Vgl. Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 28 WEG Rz. 90, unter Berufung auf Staudinger/Bub, 2015, § 28 WEG Rz. 466. 451 Becker in Bärmann, WEG, § 28 Rz. 186; vgl. aber Staudinger/Häublein, 2018, § 28 Rz. 295, der darauf hinweist, dass § 28 Abs. 4 WEG entsprechend herangezogen werden könnte. Das kann in Betracht kommen, wenn die Eigentümer einen Beschluss über eine Rechnungslegungspflicht vor tatsächlicher Beendigung der Tätigkeit eines Scheinverwalters fassen. 452 Staudinger/Häublein, 2018, § 28 Rz. 295: „Die Pflicht, die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren, trifft auch denjenigen, der ohne Auftrag tätig war“. 453 Vgl. Becker in Bärmann, WEG, § 26 Rz. 174; Staudinger/Jacoby, § 26 Rz. 122; AG Berlin-Mitte, Urt. v. 31.8.2017 – 29 C 14/17, ZMR 2018, 631.

Köhler

305

6.339

Teil 7 Rechnungslegung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1

II. Inhalt der Rechnungslegung . . . . .

7.6

VI. Fälligkeit der Rechnungslegung . . . 7.43

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.6

VII. Ort der Rechnungslegung . . . . . . . . 7.46

2. Erfüllung der Rechnungslegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.12

VIII. Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches . . . . . . . . . . . . . 7.49

III. Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . 7.24

IX. Konsequenz einer Weigerung, Rechnung zu legen/fehlerhafte Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . 7.56

IV. Beschluss über die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.28

V. Schuldner der Rechnungslegung . . 7.38

X. Streitwert/Beschwer . . . . . . . . . . . . 7.58

I. Allgemeines Für die Gemeinschaft der Eigentümer und den Verwalter existieren drei Vorschriften, die die Rechnungslegung berühren. Es sind dies die §§ 666, 259 BGB, 28 Abs. 4 WEG.

7.1

Die Vorschriften des Auftragsrechts sind für das Verhältnis zwischen Verwalter und dem Verband (Gemeinschaft der Eigentümer) maßgebend,1 da es sich bei dem Verwaltervertrag um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt.2

7.2

Nach § 28 Abs. 4 WEG kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (der Verband) durch Beschluss jederzeit von dem Verwalter eine Rechnungslegung verlangen. Diese Bestimmung modifiziert den sich aus §§ 675, 666, 259 BGB ergebenden Anspruch der Gemeinschaft der Eigentümer.3 Nach § 666 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Gemäß § 259 Abs. 1 BGB hat der Rechenschaftsverpflichtete dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen. Diese Vorschrift bezeichnet damit die eigentliche Rechnungslegung, die bei der Verwaltung von Einnahmen und Ausgaben zu erstellen ist und deshalb für das Verhältnis zwischen dem Verwalter und der Gemeinschaft der Eigentümer entscheidende Bedeutung hat. Rechnungslegung ist eine besondere Form der Rechenschaftslegung; Rechenschaftslegung ist der umfassendere Begriff.4

7.3

1 Vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 3.2.2000 – 2Z BR 123/99, ZWE 2000, 187 = ZMR 2000, 325. 2 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72 = WuM 1997, 294 („auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag“). Vgl. auch Staudinger/Jacoby (2018), § 26 WEG Rz. 24 (Amtswalterrechtsverhältnis). 3 Vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72 = WuM 1997, 294; nach KG, Beschl. v. 9.12.1980 – 1 W 4193/80, OLGZ 1981, 304 = MDR 1981, 407 = DWE 1981, 132, hat § 28 Abs. 4 WEG eine Klarstellungsfunktion. 4 Berger in Erman, § 666 BGB Rz. 15.

Köhler

307

Teil 7 Rz. 7.4

Rechnungslegung

7.4 Aus § 666 BGB ergibt sich, dass die Rechnungslegung grundsätzlich erst nach der Ausführung des Auftrages fällig wird, es sei denn, es ist vertraglich5 im Geschäftsbesorgungsvertrag anderes geregelt.

7.5 Gegenüber § 666 BGB wird in § 28 Abs. 4 WEG der Anspruch der Gemeinschaft der Eigentümer erweitert. Es kann nämlich danach jederzeit Rechnungslegung verlangt werden. § 28 Abs. 4 WEG hat in zwei Richtungen Bedeutung: auch ein „überraschend“ erfolgendes Verlangen nach Rechnungslegung ist gegenüber dem Verwalter rechtmäßig und ein solches Verlangen entspricht auch gemeinschaftsintern regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Vorschrift des § 28 Abs. 4 WEG kann durch eine Gemeinschaftsordnung nur modifiziert, nicht jedoch vollständig abbedungen werden;6 erst recht kann dies nicht durch Verwaltervertrag erfolgen.

II. Inhalt der Rechnungslegung 1. Allgemeines

7.6 Bei der Rechnungslegung hat der Verpflichtete über den gesamten Ablauf und die Ergebnisse seiner Geschäftsführung zu informieren, so dass der Auftraggeber einen Überblick über seine Rechtsstellung erhält, um daraus die notwendigen Folgerungen (Weisungen/Kündigung usw.) ziehen zu können.7 Bei der Rechnungslegung geht es um die Vermittlung von Wissen als Grundlage für die Willensbildung des Auftraggebers.8

7.7 Die Rechnungslegung eines Wohnungseigentumsverwalters ist vom Inhalt her mit drei Bestandteilen der Jahresabrechnung identisch,9 sie muss nämlich die Darstellung der Gesamtkosten und Gesamteinnahmen (= Identität mit der Gesamtabrechnung) enthalten, die Darstellung des Girokontos und die Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Ist- und SollBeträge)10.Ungenau ist die Aussage des Landgerichts Frankfurt/Main, die Jahresabrechnung stelle eine Rechnungslegung dar;11 richtig ist, dass drei Bestandteile einer Jahresabrechnung mit einer Rechnungslegung identisch sind. Eine „Rechnungslegung“ in Form von Einzelabrechnungen – also eine Verteilung der Gesamt-Lasten und -Kosten (sowie eventueller Einnahmen) auf die Eigentümer gemäß ihren zu tragenden Anteilen – gehört dagegen nicht zu einer Rechnungslegung. Die Verpflichtung zur außerordentlichen Rechnungslegung beinhaltet ebenfalls keine Pflicht zur Erstellung von Einzelabrechnungen,12 weil hierfür kein Bedürfnis 5 Vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1984 – IVa ZR 106/82, MDR 1985, 31 = WM 1984, 1164. 6 So auch LG Berlin, Beschl. v. 8.8.1984 – 91 T 40/83, ZMR 1984, 424; Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 293: formularvertraglicher Ausschluss (in der Gemeinschaftsordnung) verstößt gegen § 307 Abs. 2 BGB. 7 Berger in Erman, § 666 BGB Rz. 1. 8 Berger in Erman, § 666 BGB Rz. 1. 9 Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 290: Rechnungslegung in der Jahresabrechnung enthalten; Wicke in Palandt, § 28 WEG Rz. 14. 10 Zu der Darstellung der Soll-Beträge (= von den Eigentümern noch geschuldete IR-Beiträge) vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = DWE 2010, 20. Auch bei der Rechnungslegung sind die Soll-Beträge auszuweisen; der Verwalter muss Rechenschaft darüber ablegen, welche Beträge von ihm noch nicht eingezogen wurden. 11 LG Frankfurt/Main, Urt. v. 13.9.2018 – 2-13 S 92/17, Juris. 12 KG, Beschl. v. 9.12.1980 – 1 W 4193/80, OLGZ 1981, 304 = MDR 1981, 407 = DWE 1981, 132; vgl. dazu auch Otto, Umfang der außerordentlichen Rechnungslegung durch Wohnungsverwalter,

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Köhler

Inhalt der Rechnungslegung

Rz. 7.10 Teil 7

besteht. Auch die Rechnungslegung, die vom ausgeschiedenen Verwalter verlangt wird, muss keine Einzelabrechnungen enthalten.13 Unberührt bleibt davon allerdings die Verpflichtung des Verwalters, Jahresabrechnungen vorzulegen, wenn die Pflicht zur Erstellung in seiner Verwaltungszeit entstanden ist. Ein neu bestellter Verwalter ist nicht verpflichtet, eine nachvollziehbare Auflistung der Instandhaltungsrücklagen der vergangenen Jahre zu erstellen.14 Das hat mit einer Rechnungslegung nichts zu tun, selbst wenn der neue Verwalter sich hierzu verpflichtet hätte.

7.8

Hat der Verwalter eine Rechnungslegung zu erbringen, muss er eine Rechnung vorlegen, aus der insbesondere die Einnahmen und Ausgaben des Rechnungslegungszeitraumes zu ersehen sind; dabei sind die Ausgaben nach Kostenarten aufzugliedern und die Kontenstände der Bankkonten aufzuführen.15 Die Rechnungslegung muss ohne Hinzuziehung von sachkundigen Dritten für jeden Eigentümer nachvollziehbar sein. Nach Auffassung des OLG München16 müssen darüber hinaus auch noch die bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten aufgeführt werden.17 Das habe ich in der 3. Auflage dieses Handbuches für falsch gehalten. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.12.2009 halte ich meine Meinung nicht mehr in vollem Umfang aufrecht.18 Bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage sind neben den Ist-Beträgen auch die Soll-Beträge auszuweisen. Im Übrigen müssen in einer Rechnungslegung nach meiner Auffassung lediglich die tatsächlichen Zahlungsbewegungen belegt werden; nicht darzustellen sind noch ausstehende oder noch zu zahlende Beträge. Über sonstige Vorgänge kann die Gemeinschaft vom Verwalter Auskunft verlangen.

7.9

Insbesondere hinsichtlich des für die Gemeinschaft der Eigentümer geführten Kontos muss der Verwalter durch seine Rechnungslegung nachweisen, welche Verfügungen er vorgenommen hat und ob die Verfügungen über das Konto ordnungsgemäß, nämlich nur für gemeinschaftliche Zwecke und im Rahmen der Verwalterbefugnisse, erfolgten.19 Der Verwalter muss

7.10

13 14 15

16

17 18 19

DWE 1982, 127; BayObLG, Beschl. v. 2.2.1979 – 2 Z 11/78, BayObLGZ 1979, 30 = ZMR 1979, 148 = DWE 1979, 123 = WEM 1979, 127. KG, Beschl. v. 9.12.1980 – 1 W 4193/80, OLGZ 1981, 304 = MDR 1981, 407 = DWE 1981, 132; vgl. zu den Abrechnungs- und Rechnungslegungsverpflichtungen eines ausgeschiedenen Verwalters Teil 6, Rz. 331 ff. OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1999 – 16 Wx 180/99, OLGReport Köln 2000, 246 = ZWE 2000, 489. LG Frankfurt/Main, Urt. v. 8.3.3.2016 – 2-09 S 99/14, ZWE 2016, 332; KG, Beschl. v. 13.11.1987 – 24 W 5670/86, MDR 1988, 234 = ZMR 1988, 70 = WuM 1988, 189 = WE 1988, 17; KG, Beschl. v. 9.12.1980 – 1 W 4193/80, OLGZ 1981, 304 = MDR 1981, 407 = DWE 1981, 132; AG HamburgBlankenese, Beschl. v. 2.6.1988 – 506 II 11/88, DWE 1989, 73. OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 92/07, OLGReport München 2007, 786 = ZMR 2007, 814 = ZWE 2007, 509 = NJW-RR 2008, 322 = WuM 2007, 539; vgl. hierzu auch Sauren, ZWE 2007, 511; das LG Köln, Urt. v. 15.4.2010 – 29 S 175/09, ZMR 2010, 642, hat sich ohne nähere Begründung der Meinung des OLG München angeschlossen (Vorentscheidung zur LG-Entscheidung: AG Bonn, Urt. v. 8.9.2009 – 27 C 73/09, ZMR 2011, 66); die Auffassung des OLG München unterstützt auch Berger in Erman, § 666 Rz. 15. So nun auch das AG München, Urt. V. 18.8.2017 – 481 C 26687/16, ZMR 2018, 275, das sich ausdrücklich der Entscheidung des OLG München vom 20.7.2007 anschließt. Vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = DWE 2010, 20. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 3106 = WuM 1997, 294; BGH, Urt. v. 4.2.1991 – II ZR 246/89, MDR 1991, 1095 = NZM 1991, 1884; BGH, Urt. v. 13.12.1990 – III ZR 336/89, NJW-RR 1991, 575 = WM 1991, 514; BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 1/88, WE 1989, 63 = WuM 1988, 323; BayObLG, Beschl. v. 14.2.1985 – 2 Z 97/84, BayObLGZ 1985, 63 = ZMR 1985, 212.

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309

Teil 7 Rz. 7.10

Rechnungslegung

über jede Geldbewegung auf den Konten der Gemeinschaft20 einen Nachweis führen.21 Unberechtigt verauslagte Beträge hat der Verwalter an die Gemeinschaft zurückzuführen; lässt sich nicht mehr ermitteln, ob die Beträge berechtigterweise verauslagt wurden, geht dies zu Lasten des Verwalters.22 Nicht nur im Wohnungseigentumsrecht, sondern ganz allgemein im Recht der Geschäftsbesorgung haftet der Geschäftsbesorger für die von ihm unberechtigt verauslagten Beträge.23

7.11 Häufig findet man in der Praxis Verwalterkombinationen vor, nämlich eine Verquickung von WEG-Verwalter und Mietpool-Verwalter. Es wirft mitunter erhebliche Probleme auf, wenn hier keine strikte Trennung der beiden Verwaltungsbereiche vorgenommen wird. Im Hinblick auf eine Rechnungslegung ist darauf hinzuweisen, dass auch bei einer Vermischung von Mietpool- und Wohnungseigentums-Verwaltung der Verwalter die Verpflichtung hat, eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben nur für die Eigentümergemeinschaft vorzulegen.24 Auch das OLG Frankfurt bestätigte in einer Entscheidung vom 25.2.2016 zu einem Mietpool-Fall, ein Wohnungseigentümer habe „einen Anspruch nach §§ 675, 666 BGB auf Auskunft und Rechnungslegung und nach §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe von Gegenständen und Unterlagen, die der Verwalter durch die Mietverwaltung erlangt hat“.25 Das OLG führte zusätzlich aus, der (Herausgabe-)Anspruch sei auch nicht auf solche Unterlagen beschränkt, die der Wohnungseigentümer zur Prüfung seiner Ansprüche benötige, vielmehr erfassten die Ansprüche sämtliche Unterlagen und Konten, in denen Vorgänge betreffend die Wohnungseigentumsanlage enthalten bzw. gebucht sind. 2. Erfüllung der Rechnungslegungspflicht

7.12 Problematisch ist, wann die Rechnungslegungspflicht erfüllt ist. Nach dem BayObLG sollen materielle Mängel der Rechnung die Erfüllung unberührt lassen, anders jedoch, wenn die Rechnungslegung erkennbar unvollständig ist.26 Bei einer unvollständigen Rechnungslegung habe die Gemeinschaft einen Anspruch auf Ergänzung und könne diese Ergänzung im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO verlangen.27

20 Dabei ist es unerheblich, ob das Konto als Eigenkonto des Verbandes geführt wird oder (unzulässiger Weise!) als Treuhandkonto auf den Namen des Verwalters (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, ZMR 2008, 399 = ZWE 2008, 193 = WuM 2008, 572). 21 AG Hamburg-Blankenese, Beschl. v. 2.6.1988 – 506 II 11/88, DWE 1989, 73; OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.10.2007 – 6 W 28/07, ZMR 2008, 238 = WE 2008, 174. 22 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 3.2.2000 – 2Z BR 123/99, ZWE 2000, 187 = ZMR 2000, 325; BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 1/88, WuM 1988, 323 = Grundeigentum 1988, 751 = WE 1989, 63. 23 BGH, Urt. v. 30.10.2003 – III ZR 344/02, MDR 2004, 345 = BGHReport 2004, 92 = NJW-RR 2004, 121 = VersR 2005, 560; BGH, Urt. v. 6.6.2002 – III ZR 206/01, NJW 2002, 2459 = BGHReport 2002, 825 = VersR 2002, 1432; vgl. aber auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.8.2003 – 20 W 525/00, n.v. (kein Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft bei zweckwidriger Verwendung von Geldern durch den Verwalter, wenn die Gemeinschaft von einer anderen Verbindlichkeit befreit wird und der Gemeinschaft dadurch kein Schaden entsteht). 24 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.11.2002 – 3 Wx 194/02, ZMR 2002, 230 = WuM 2003, 112. 25 OLG Frankfurt, Urt. v. 25.2.2016 – 22 U 23/15, NZM 2016, 556 (bei Juris ist die Entscheidung mit dem richtigen Aktenzeichen veröffentlicht, aber auch noch zusätzlich mit dem falschen Aktenzeichen „23 U 23/16“). 26 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2Z BR 9/02, ZMR 2002, 841 = NZM 2002, 489 m.w.N. 27 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2Z BR 9/02, ZMR 2002, 841 = NZM 2002, 489 m.w.N.; OLG Celle, Beschl. v. 1.4.2003 – 6 W 25/03, OLGReport Celle 2003, 294.

310

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Inhalt der Rechnungslegung

Rz. 7.16 Teil 7

Übliche Formulierungen in Kommentaren zur „Erfüllung“: Die Rechnungslegung müsse vollständig sein und eine Vollständigkeit läge dann noch vor, wenn die Abrechnung zwar lückenhaft sei, jedoch durch die beigefügten Belege vervollständigt werden könne.28 Der zur Rechnungslegung Verpflichtete erfülle seine Pflicht auch, wenn er fehlende Belege durch anderweitige Unterlagen, Rückfragen bei Dritten oder aus der eigenen Erinnerung ergänzt.29

7.13

Ich teile nicht die Auffassung, dass auch eine mangelbehaftete Rechnungslegung zu einer 7.14 Erfüllung führt. Der Verwalter ist der Gemeinschaft der Eigentümer gegenüber verpflichtet, eine Rechnungslegung vorzulegen, aufgrund derer der Verband in der Lage ist, seine Prüfungsbefugnis selbst auszuüben.30 Dazu muss die Rechnungslegung für jeden Wohnungseigentümer ohne Hilfe Dritter nachvollziehbar sein. Die Rechnungslegung muss demnach eine so geordnete Gegenüberstellung aller Einnahmen und Ausgaben sein, dass Fachleute zur Prüfung nicht herangezogen werden müssen. Sind langwierige, durch sachkundige Personen vorzunehmende Prüfungen notwendig, liegt keine vertrags- oder gesetzmäßige Leistung des Verwalters vor.31 Ordnungsgemäß ist eine Rechnungslegung auch nur, wenn bei jedem einzelnen Abrechnungsposten die jeweiligen Rechnungsdaten angegeben sind.32 Die Vorlage von Beleg-Sammlungen oder das Anerbieten, die Belege mündlich zu erläutern, stellt keine Rechnungslegung dar;33 die Rechnungslegung hat schriftlich zu erfolgen.34 Für unzutreffend halte ich deshalb die Aussage des LG München I in seiner Entscheidung vom 14.12.2017,35 dass ein ehemaliger Verwalter schon durch die Aushändigung der Kontoauszüge für die Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft seiner nachvertraglichen Pflicht zur Rechnungslegung nachgekommen ist. Allein die Übergabe von Kontoauszügen (= „Beleg-Sammlung“) kann keinesfalls eine Rechnungslegung darstellen.

7.15

Das OLG Düsseldorf36 hat in einem Rechnungslegungsstreitfall (es ging um die Vermischung zwischen WEG- und Mietpool-Verwaltung) eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, in der diese ausgeführt hatte, eine Rechnungslegung müsse alle Einnahmen und Ausgaben im Rechnungslegungszeitraum enthalten und erkennen lassen, wofür die Ausgaben getätigt wurden, die Bankkontostände (Anfangs- und Endbestand) benennen und die Entwicklung der Instandhaltungsrücklage darstellen. Auch das OLG Düsseldorf bestätigt, dass die Rechnungslegung für einen Eigentümer37 ohne Hinzuziehung eines Buchprüfers oder sonstigen Sachverständigen verständlich sein müsse. Die Bereiche Mietpool- und WEG-Verwaltung

7.16

28 Vgl. Berger in Erman, 15. Aufl., § 666 BGB Rz. 15 m.w.N. 29 Berger in Erman, § 666 Rn 15, unter Verweis auf BGH, Urt. v. 31.1.1963 – VII ZR 284/61, BGHZ 39, 87 = MDR 1963, 403. 30 BayObLG, Beschl. v. 6.10.1975 – 2 Z 67/75, BayObLGZ 1975, 369 = ZMR 1977, 381 = MDR 1976, 225. 31 BayObLG, Beschl. v. 6.10.1975 – 2 Z 67/75, BayObLGZ 1975, 369 = ZMR 1977, 381 = MDR 1976, 225; vgl. auch die Ausführungen in Teil 6 dieses Handbuches, Rz. 294 ff. 32 LG Berlin, Urt. v. 14.3.1997 – 64 S 530/96, ZMR 1997, 299 = GE 1997, 616. 33 OLG Köln, Beschl. v. 30.11.1988 – 2 W 228/88, NJW-RR 1989, 568. 34 Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 309. 35 LG München I, Urt. v. 14.12.2017 – 36 S 1863/17 WEG, ZMR 2018, 445. 36 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.11.2002 – 3 Wx 194/02, ZMR 2002, 230 = WuM 2003, 112. 37 Aufgrund der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft muss hier davon ausgegangen werden, dass die Rechnungslegung für den Verband verständlich sein muss.

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311

Teil 7 Rz. 7.16

Rechnungslegung

müssten getrennt werden, weil der WEG-Verwalter nur über die Einnahmen und Ausgaben in Bezug auf die WEG-Verwaltung Rechnung legen müsse und dürfe.38

7.17 Erfüllung kann deshalb nur dann eingetreten sein, wenn bei der Rechnungslegung sämtliche vorgenannten Bedingungen eingehalten sind und der Verband (die Gemeinschaft der Eigentümer), vertreten durch den Verwalter, sowie die einzelnen Eigentümer ohne fremde Hilfe das Rechenwerk nachvollziehen und erkennen können, welche Beträge für die gemeinschaftliche Verwaltung verausgabt oder eingenommen worden sind.

7.18 Checkliste Für eine wohnungseigentumsrechtlich ordnungsgemäße Rechnungslegung sind folgende Punkte wichtig: l der Bestand des Girokontos (mit Bezeichnung der Bank und der Kontonummer) am Anfang des Rechnungslegungszeitraumes, l bei Zahlungen, die der Verwalter vorgenommen hat,39 l die Kosten- und Lastenarten (gemäß der Strukturierung in der Gemeinschaftsordnung bzw. in den früheren Gesamtabrechnungen), l die Zahlungsdaten und -beträge, l identifizierbare Belege (Rechnungs- oder Quittungsaussteller, Inhalt der Rechnung bzw. der Leistung, Ausführungsort bei eventuellen Reparaturen oder Instandhaltungen), l die Zahlungsempfänger, l bei den Zahlungen, die der Verwalter entgegengenommen hat.40 l die Einnahmen, aufgeschlüsselt nach Hausgeldeinnahmen (Vorschüsse auf die Lasten und Kosten, Zahlungen für Beiträge zu den Instandhaltungsrücklagen, Zahlungen auf Jahresabrechnungen) und sonstigen Einnahmen (Mieten für gemeinschaftliche Flächen o.ä.), l für jeden Eigentümer aufgeschlüsselt die Zahlungen mit Einzelbeträgen, Zahlungsdaten und Gesamtsumme (getrennt nach Hausgeldvorschüssen, Instandhaltungsrücklagen-Beiträgen und Zahlungen auf Jahresabrechnungsbeträge), l für gemeinschaftsfremde Zahler die Namen, den Zweck der Zahlung und die Zahlungsdaten, l bei Überträgen vom Girokonto auf das Instandhaltungsrücklagenkonto oder umgekehrt die Zahlungsdaten und die Beträge sowie der Zweck der Geldbewegung,41 38 Vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, ZWE 2008, 193 = ZMR 2008, 399 = MietRB 2008, 144, wonach der abberufene Verwalter vor der Herausgabe von Unterlagen Teile der Kontounterlagen schwärzen darf, wenn über das Konto auch andere als gemeinschaftliche Gelder geflossen sind. 39 Die Darlegung der Ausgaben gehört zur Rechnungslegung, vgl. OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 92/07, OLGReport München 2007, 786 = ZMR 2007, 814 = ZWE 2007, 509 = NJW-RR 2008, 322 = WuM 2007, 539. 40 Vgl. OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 92/07, OLGReport München 2007, 786 = ZMR 2007, 814 = ZWE 2007, 509 = NJW-RR 2008, 322 = WuM 2007, 539. 41 M.E. falsch ist die Ansicht von Elzer in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 4. Auflage, 2018, § 11 Rz. 70, dass die Entwicklung der Instandhaltungsrücklage nicht dargestellt werden

312

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Inhalt der Rechnungslegung

Rz. 7.20 Teil 7

l der Bestand des Girokontos am Ende des Rechnungslegungszeitraumes,42 l eine Darstellung des Instandhaltungsrücklagenkontos, aus der sich ergibt l der Festlegungsort (Bank, Konto-Nr.), l der Anfangsbestand, l die Zugänge (vom Girokonto usw.) mit Datum, Betrag und Herkunft, l die Zinsgutschriften und die Zinsbelastung (sowie die Zinssätze), l die Abgänge mit Verwendungszweck, Datum und Betrag, l der Endbestand, l sowie die Soll-Beträge (Zahlungsrückstände, also die für Sondereigentumseinheiten noch zu entrichtenden Beiträge). Der BGH43 hatte bezüglich der Darstellung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung ausgeführt, dass sie sowohl die Ist- als auch die Soll-Beträge der anzusammelnden Instandhaltungsrücklage enthalten müsse; im Hinblick hierauf wird man auch bei der Rechnungslegung die Angaben der Soll- und Istbeträge fordern können (jedenfalls als Auskunft im Zusammenhang mit der Rechnungslegung). Bei Aufstellung der Rechnungslegung dürfen keine ungeklärten Positionen übrig bleiben; die Rechnungslegung muss sich aus sich selbst (und aus den beigefügten notwendigen Belegen) erklären können. Erfüllt die Rechnungslegung diese Anforderungen nicht, kann eine neue Rechnungslegung (evtl. im Wege der Zwangsvollstreckung) verlangt werden. Eine Ergänzung muss nur dann gefordert werden, wenn die fehlenden Teile für die Gesamtbeurteilung, ob eine Rechnungslegung ordnungsgemäß ist oder nicht, unbedeutend sind. Bedeutende Mängel liegen jedenfalls vor, wenn Beträge entweder gar nicht genannt wurden oder wenn Beträge nicht mit Wissens-Erklärungen über den Verwendungszweck oder den Empfänger verbunden werden. Mit der „Wissens-Erklärung“ ist eine Erklärung zur Vollständigkeit und Richtigkeit der während der Verwaltung angefallenen Unterlagen und Zahlungsvorgänge verbunden.44

7.19

Erfüllung gegenüber der Eigentümergemeinschaft: Besteht die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung gegenüber mehreren Gläubigern, so kommt § 432 BGB zur Anwendung.45 Dies ist jedoch bei der Eigentümergemeinschaft wegen ihrer Teilrechtsfähigkeit nicht einschlägig. Vertragspartner des Verwalters ist die Gemeinschaft als Verband, sodass nur der Verband (und

7.20

42 43 44 45

muss. Wie wichtig diese Darstellung ist, kann unschwer aus dem Sachverhalt der Entscheidung der 9. Großen Strafkammer des Landgerichts Bonn, Urt. v. 5.6.2018, 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 1/17, ZWE 2018, 421, entnommen werden (vgl. auch die Entscheidung der gleichen Kammer, Urt. v. 20.3.2018, 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 2/18, Juris); siehe auch Köhler, Risiko WEG-Verwalter – Risikomanagement einer Wohnungseigentümergemeinschaft, DWE 2017, 4 ff. OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 92/07, OLGReport München 2007, 786 = ZMR 2007, 814 = ZWE 2007, 509 = NJW-RR 2008, 322 = WuM 2007, 539. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZfIR 2010, 247 = WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = NJW 2010, 2127. Vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = ZMR 2016, 972 = WuM 2016, 586. BGH, Urt. v. 7.12.1995 – III ZR 81/95, MDR 1996, 321 = NJW 1996, 656 = ZMR 1996, 134 = WuM 1996, 225 = WE 1996, 160; dort auch Sonderfall eines Individualanspruches eines Grundstücks-Miteigentümers.

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Teil 7 Rz. 7.20

Rechnungslegung

damit ein Einzelgläubiger) den Anspruch hat. Vor der Entscheidung des BGH vom 2.6.2005 zur Teilrechtsfähigkeit46 und vor der Neuregelung des WEG zum 1.7.2007 wurde im Hinblick auf § 432 BGB diskutiert, ob sich die Pflicht, gegenüber jedem Eigentümer als Gläubiger Rechenschaft zu legen, u.U. daraus ergeben könnte, dass die Vervielfältigung der Unterlagen keine ernstliche Beschwer darstellt. Jedenfalls wurde teilweise vertreten, dass der zur Rechnungslegung Verpflichtete allen Wohnungseigentümern die Rechnungslegungsunterlagen (Belege) zur Einsichtnahme zugänglich machen müsse.47

7.21 Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 2.6.2005 und § 27 Abs. 3 S. 2 WEG ist nunmehr die Anspruchserfüllung gegenüber dem Verband unproblematisch. Wegen der Einzelgläubigerschaft des Verbandes kann die Anspruchserfüllung durch den ausgeschiedenen Verwalter dadurch erfolgen, dass er die Rechnungslegung dem neuen Verwalter zustellt (vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 1 WEG).

7.22 Bei dem amtierenden Verwalter genügt nicht die Übergabe der Rechnungslegung an einen Wohnungseigentümer.48 Der amtierende Verwalter muss die Rechnungslegung in einer Eigentümerversammlung vorlegen49 und die Rechnungslegungsunterlagen (zur sinnvollen Vorbereitung) zuvor den Wohnungseigentümern mit der Einladung zur Eigentümerversammlung zustellen.

7.23 Die Eigentümergemeinschaft wird durch Beschluss in einer Eigentümerversammlung über die Rechnungslegung – und damit über die Erfüllung des Anspruches – befinden müssen.50 Dies eröffnet den einzelnen Wohnungseigentümern auch die Möglichkeit, den Beschluss mit der Behauptung anzufechten, die Rechnungslegung sei unvollständig oder fehlerhaft.

III. Anspruchsinhaber 7.24 Weil Anspruchsinhaber für den Rechnungslegungsanspruch die Wohnungseigentümergemeinschaft51 als Verband52 ist, kann ein einzelner Wohnungseigentümer nur in seltenen Ausnahmefällen einen Anspruch gegenüber dem amtierenden Verwalter allein durchsetzen.53 Dies ist anders als bei dem Anspruch auf Erstellung einer Jahresabrechnung; diesen Anspruch kann jeder einzelne Wohnungseigentümer geltend machen.

46 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = ZMR 2005, 547. 47 OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597 = DNotZ 1988, 320. 48 Die von Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 313 geäußerte Kritik an meiner in der 3. Auflage vertretenen Meinung (dort Rz. 21), es genüge die Übergabe der Rechnungslegung an einen Wohnungseigentümer, ist berechtigt. 49 Palandt/Wicke, § 28 Rz. 14 (allerdings mit zweifelhafter Verweisung auf BGH vom 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = NJW 2011, 1137). 50 Becker in Bärmann, § 28 Rz. 192; a.A. Elzer in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 4. Auflage, 2018, § 11 Rz. 73. 51 BayObLG, Beschl. v. 26.7.1988 – 1b Z 16/88, WE 1989, 145 = WuM 1988, 419. 52 Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. 53 BayObLG, Beschl. v. 26.7.1988 – 1b Z 16/88, DWE 1989, 79 = WuM 1988, 419 = WE 1989, 145; anders wohl noch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.8.1969 – 3 W 47/69, NJW 1969, 1968 mit Anm. Diester; vgl. zum Sonderfall (Ausscheiden eines Verwalters zum Ende des Wirtschaftsjahres) Teil 6 Rz. 6.299 ff.

314

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Beschluss über die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs

Rz. 7.29 Teil 7

Rechnungslegungspflicht des Verwalters besteht primär gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband); Individualansprüche einzelner Eigentümer sind deshalb nur gegeben, soweit der Verband von seinen Rechten keinen Gebrauch macht54 oder der Sonderfall „Ausscheiden des Verwalters zum Ende des Wirtschaftsjahres“ (siehe dazu bereits Teil 6, Rz. 6.321) vorliegt.

7.25

Ein einzelner Eigentümer kann (außerhalb der genannten Sonderfälle) auch dann keinen An- 7.26 spruch auf Rechnungslegung geltend machen, wenn er zum Rechnungsprüfer bestellt wurde, weil die Befugnis, die Rechnungen zu prüfen, ebenso wenig zur Geltendmachung von Rechnungslegungsansprüchen berechtigt wie die Prüfungsbefugnis des Beirats nach § 29 WEG. Ein Wohnungseigentümer ist im Übrigen nicht berechtigt, aus der Zeit vor seinem Eintritt in die Eigentümergemeinschaft Ansprüche auf Rechnungslegung geltend zu machen und die Gemeinschaft der Eigentümer zu verpflichten, eine Rechnungslegung für einen Zeitraum zu verlangen, für den bereits die Jahresabrechnung beschlossen wurde.55

7.27

IV. Beschluss über die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs Nach herrschender Meinung soll eine Rechnungslegung, auch wenn das rechenschaftspflich- 7.28 tige Verhältnis beendet ist und somit der Anspruch nach § 666 BGB besteht, nur auf Verlangen erstellt werden müssen.56 Dies halte ich für nicht richtig. Ich meine, das „auf Verlangen“ im § 666 BGB bezieht sich nur auf den Auskunftsanspruch, stellt jedoch keine Voraussetzung für die Rechnungslegungsverpflichtung nach Beendigung der Verwaltertätigkeit dar.57 Nach meiner Auffassung wird die Verpflichtung zur Rechnungslegung sofort und ohne Verlangen mit der Beendigung des Verwaltervertragsverhältnisses fällig. Die herrschende Meinung ist auch inkonsequent. Teilweise wird nämlich vertreten, dass das Verlangen nicht ausdrücklich ausgesprochen werden müsse und ein solches „ohne weiteres anzunehmen“ sei, „wenn die Geschäftsführung mit Einnahmen und/oder Ausgaben verbunden war oder Vermögensinteressen des Auftraggebers berührt“ seien.58 Bei Eigentümergemeinschaften werden stets Vermögensinteressen berührt. Die Eigentümer müssen deshalb nicht durch Mehrheitsbeschluss über ein Verlangen gegenüber dem ehemaligen Verwalter befinden.59 Um Risiken zu vermeiden – und eventuell ent-

54 OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597 = DNotZ 1988, 320 m.w.N.; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 3.5.1972 – 2 Z 7/72, BayObLGZ 1972, 161 = MDR 1972, 691 = ZMR 1972, 315 = NJW 1972, 1377 (zu Auskunftsanspruch gegenüber dem Beirat); KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, OLGZ 1987, 185 = ZMR 1987, 100 = NJW-RR 1987, 462 = WuM 1987, 100; mit beachtlichen Gründen gegen einen Individualanspruch: Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 298 und Rz. 303. 55 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.1.2004 – 2 Wx 107/01, OLGReport Hamburg 2004, 459 = ZMR 2004, 367. 56 Vgl. Berger in Erman, § 666 BGB Rz. 16. 57 Ebenso in Ehmannin Erman, 12. Aufl., § 666 BGB Rz. 27 (jetzt aber Berger in Erman, 15. Aufl., § 666 BGB Rz. 16: Verlangen könne auch „stillschweigend“ zum Ausdruck gebracht werden); vgl. auch RG, Urt. v. 28.10.1903 – Rep. V. 180/03, RGZ 56, 116. 58 Vgl. Berger in Erman, § 666 BGB Rz. 16 (Verlangen könne auch stillschweigend zum Ausdruck gebracht werden). 59 Vgl. dazu auch Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 299.

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315

7.29

Teil 7 Rz. 7.29

Rechnungslegung

gegenstehenden Meinungen von Gerichten auszuweichen – ist ein Mehrheitsbeschluss aus rechtsanwaltlicher Sicht empfehlenswert.

7.30 Nach teilweise vertretener Meinung konnte der Anspruch aus § 666 BGB vor der Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft gegen den ausgeschiedenen Verwalter von jedem einzelnen Eigentümer geltend gemacht werden, wenn auch nur gemäß § 432 BGB mit Leistung an alle Eigentümer.60 Im Hinblick auf die Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft steht grundsätzlich allein dem Verband der Anspruch zu, weshalb er auch nur durch den Verband geltend gemacht werden kann.61

7.31 Den gegen den amtierenden Verwalter gerichteten Anspruch aus § 28 Abs. 4 WEG („jederzeitiges Rechnungslegungsverlangen“) muss der Verband geltend machen. Dem Verwalter muss das Verlangen zugehen.

7.32 Bei Eigentümergemeinschaften werden die Willensbildungen in Eigentümerversammlungen vollzogen,62 sodass eine Beschlussfassung (Mehrheitsbeschluss)63 über das Verlangen einer Rechnungslegung notwendig ist. Die Eigentümer können jederzeit über dieses Verlangen nach Rechnungslegung entscheiden. Dieser Mehrheitsbeschluss muss keine besonderen (gemeinschaftsinternen) Voraussetzungen erfüllen, ein Grund für das Rechnungslegungsverlangen muss aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht vorliegen. Ist der Verwalter in der Versammlung anwesend, ist dem Verwalter mit der Beschlussfassung das Rechnungslegungsverlangen zugegangen. Machen alle Wohnungseigentümer gemeinsam den Anspruch geltend, bedarf es keiner Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung,64 es muss nur erkennbar sein, dass die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich als Verband handeln wollen.

7.33 M 5 Beschlussvorschlag Rechnungslegung aktueller Verwalter): Der Verwalter wird aufgefordert, über den Zeitraum vom … bis … Rechnung zu legen, und zwar bis zum65 … durch Vorlage und Übergabe der Rechnungslegungsschriftstücke an den/die Vorsitzende(n) des Verwaltungsbeirats. Für den Fall, dass der Verwalter die Rechnungslegung nicht fristgemäß zur Verfügung stellt, wird Herr/Frau … [Beiratsvorsitzende(r)] beauftragt und bevollmächtigt, Rechtsanwalt/Rechtsanwältin XYZ mit der gerichtlichen Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches namens und auf Kosten der Eigentümergemeinschaft zu beauftragen.

60 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 18.11.1986 – 2 W 61/86, OLGZ 1987, 188; AG Hamburg-Blankenese, Beschl. v. 2.6.1988 – 506 II 11/88, DWE 1989, 73. 61 Zu den Ausnahmen siehe bereits weiter oben (Rz. 7.25). 62 Ausnahme: Beschlussfassung im Umlaufverfahren; dann allerdings Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich. 63 OLG Celle, Beschl. v. 13.6.1984 – 4 W 89/84, DWE 1984, 126. 64 BayObLG, Beschl. v. 26.2.2004 – 2Z BR 255/03, ZMR 2004, 761 = NZM 2004, 621. 65 Anzusetzen ist eine im Hinblick auf den Umfang der Rechnungslegung angemessene Frist.

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Köhler

Beschluss über die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs

Rz. 7.36 Teil 7

M 6 Beschlussvorschlag Rechnungslegung ehemaliger Verwalter

7.34

Der ehemalige Verwalter XY wird aufgefordert, über den Zeitraum vom … bis … Rechnung zu legen, und zwar bis zum66 … Der jetzige Verwalter ABC ist bevollmächtigt, die Rechnungslegungsschriftstücke entgegenzunehmen. Der Verwalter ABC wird beauftragt und bevollmächtigt, dieses Verlangen dem ehemaligen Verwalter namens der Eigentümergemeinschaft unter Androhung rechtlicher Konsequenzen für den Fall der Nichterfüllung mitzuteilen und ihn aufzufordern, die Rechnungslegung bis zum vorgenannten Termin vorzunehmen. Für den Fall, dass der ehemalige Verwalter die Rechnungslegung nicht fristgemäß zur Verfügung stellt, wird der Verwalter ABC beauftragt und bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin mit der gerichtlichen Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches namens und auf Kosten der Eigentümergemeinschaft zu beauftragen.

Rechnungslegungsverlangen könnten gegenüber dem Verwalter gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder das Schikaneverbot (§ 226 BGB) verstoßen oder es könnte eine unzulässige Rechtsausübung vorliegen,67 wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Anspruch nicht oder nicht mehr geltend gemacht werden darf oder er zur Unzeit geltend gemacht wird. Abzustellen ist auf den Einzelfall. Wenn sich die Anspruchsstellung gegenüber dem Verwalter als im vorstehenden Sinne unzulässig herausstellt, hat dies nur dann Auswirkung auf die gemeinschaftsinterne Frage, ob der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn aufgrund eines in eine der drei genannten Kategorien („Treu und Glauben“ pp) fallenden Beschlusses das Vertrauensverhältnis zwischen Gemeinschaft und Verwalter erschüttert werden könnte. Eine solche „Erschütterung“ allein durch ein Rechnungslegungsverlangen ist in der Praxis die absolute Ausnahme; regelmäßig besteht durchaus Anlass für ein Rechnungslegungsverlangen, was jedoch häufig von einem Teil der Eigentümer verdrängt wird.68 Im Übrigen hat die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben usw. vorliegt, nur im Vertragsverhältnis zwischen der Verband und dem Verwalter Bedeutung.

7.35

Selbstständig, also ohne Beschluss einer Eigentümerversammlung, kann ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Rechnungslegung nach § 28 Abs. 4 WEG gegen den Verwalter nicht geltend machen;69 ein einzelner Wohnungseigentümer könnte jedoch einen Beschluss über die Rechnungslegungsverpflichtung erzwingen, wenn es möglich erscheint, dass der Verwalter über gemeinschaftliche Gelder bestimmungswidrig verfügt hat. Allerdings kann ein Wohnungseigentümer nicht gerichtlich gegen die übrigen Wohnungseigentümer vorgehen, um eine Rechnungslegung zu erreichen, wenn er nicht zuvor eine Wohnungseigentümerversammlung mit seinem Begehren befasst hat (Vorbefassungsgebot).70

7.36

66 Fristsetzung ist grundsätzlich nicht notwendig, da Anspruch aus § 666 BGB sofort mit Beendigung des Vertragsverhältnisses fällig wird. 67 Vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1984 – IVa ZR 106/82, MDR 1985, 31 = WM 1984, 1164. 68 Vgl. zu der leichtfertigen Gutgläubigkeit vieler Eigentümer – auch Beiräte – Köhler, Risiko WEGVerwalter – Risikomanagement einer Wohnungseigentümergemeinschaft“, DWE 2017, 4 ff. 69 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 28.3.2001 – 2Z BR 52/00, ZWE 2001, 375; BayObLG, Beschl. v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZWE 2000, 135 = DWE 2000, 82; zu den Ausnahmen bei dem zum Ende des Wirtschaftsjahres ausgeschiedenen Verwalters siehe oben. 70 BGH, Beschl. v. 14.3.2018 – V ZB 131/17, MDR 2018, 1113 = WuM 2018, 310 = NJW 2018, 1749; BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11, MDR 2012, 397 = NZM 2012, 508 = ZWE 2012, 325; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZWE 20101, 174; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.7.1993 – 2 Wx 74/91, OLGZ 1994, 147 = ZMR 1993, 536 = WuM 1993, 705 = NJW-RR 1994, 783 = WE 1994, 110.

Köhler

317

Teil 7 Rz. 7.37

Rechnungslegung

7.37 Hat ein einzelner Eigentümer in einer Eigentümerversammlung, in der der Tagesordnungspunkt behandelt werden konnte (vgl. § 23 Abs. 2 WEG), den Antrag gestellt, Rechnungslegung vom Verwalter zu verlangen, und ist dieser Antrag abgelehnt worden, kann der Eigentümer diesen Beschluss anfechten und zusätzlich bei Gericht beantragen, die anderen Eigentümer zu verpflichten, dem Antrag auf Rechnungslegungsverlangen zuzustimmen. Im Rahmen dieses Klageverfahrens ist dann zu prüfen, ob der beantragte Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte. Die für den antragstellenden Eigentümer positive rechtskräftige Entscheidung hat die Wirkung gemäß § 894 ZPO (nach der Neufassung des WEG ist die ZPO unmittelbar anwendbar).

V. Schuldner der Rechnungslegung 7.38 Schuldner der Rechnungslegung ist der amtierende Verwalter oder der ausgeschiedene Verwalter,71 je nachdem, welcher Verwaltungszeitraum betroffen ist.72 Häublein hat zu Recht die Frage aufgeworfen, warum sich die Informationsrechte der Eigentümer nicht auch gegen die rechtsfähige Gemeinschaft richten können.73 Richtig ist, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer wahrnimmt und zu diesem Zweck die Zahlungen der Eigentümer oder aber auch Dritter entgegennimmt.74 Deshalb kann man durchaus auch einen Anspruch einzelner Eigentümer gegen die Gemeinschaft annehmen,75 allerdings wohl nur subsidiär nach dem Anspruch gegen den Verwalter – als tatsächlich handelnde Person. Primär wird man weiterhin von einem Anspruch gegen den Verwalter ausgehen müssen.

7.39 Im Falle eines Verwalterwechsels im laufenden Wirtschaftsjahr beschränkt sich die Rechnungslegungspflicht des ausscheidenden Verwalters auf das laufende Wirtschaftsjahr bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens.76 Eine Pflicht zur Erstellung einer Jahresabrechnung ist dann noch nicht entstanden.77 Ist Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr, muss der zum Ende des Kalenderjahres ausscheidende Verwalter nur noch die Rechnungslegung, nicht jedoch die Jahresabrechnung erstellen.78 71 72 73 74

75

76 77 78

BayObLG, Beschl. v. 13.9.1993 – 2Z BR 66/93, WuM 1994, 44 = WE 1994, 280. Vgl. auch Reichert, Rechte und Pflichten des ausgeschiedenen Verwalters, ZWE 2005, 173. Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 296. Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 296 mit weiteren Literatur- und Rechtsprechungshinweisen, insbesondere auch auf BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = ZWE 2017, 30 = NJW-RR 2017, 4: zwischen der Gemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern besteht ein Treuhandverhältnis. Vgl. dazu die von Häublein zitierte Entscheidung des BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 = MDR 1997, 757 = NJW 1997, 1985, sowie die Entscheidungen OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.2.1984 – 15 W 42/83, GmbHR 1985, 59 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.4.2013 – 21 W 90/12, Juris (alle zum GmbHG). KG, Beschl. v. 13.11.1987 – 24 W 5670/86, ZMR 1988, 70 = MDR 1988, 234 = WuM 1988, 189 = Grundeigentum 1988, 91; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 11.5.2007 – 3 W 153/06, OLGReport Zweibrücken 2007, 608 = MDR 2007, 1067 = ZMR 2007, 887. Vgl. zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruches auf Erstellung der Jahresabrechnung BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469, sowie die Ausführungen in Teil 6, Rz. 6.247 ff. und 6.294 ff. BayObLG, Beschl. v. 3.2.2000 – 2Z BR 123/99, ZWE 2000, 187 = ZMR 2000, 325; OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, OLGZ 1993, 438 = NJW-RR 1993, 847 = WE 1993, 248; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 18.11.1986 – 2 W 61/86, OLGZ 1987, 188; vgl. zu der Rechtslage

318

Köhler

Fälligkeit der Rechnungslegung

Rz. 7.43 Teil 7

Ein ausgeschiedener Verwalter kann sich nicht darauf berufen, er sei nicht in der Lage, eine Rechnungslegung vorzunehmen, weil er die Unterlagen schon an die Gemeinschaft übergeben habe.79 Er kann von den Eigentümern verlangen, dass diese ihm Einsicht in die Unterlagen gewähren,80 oder Kopien der Unterlagen zur Verfügung stellen, die ihn in die Lage versetzen, der Rechnungslegungspflicht nachzukommen.81 Einer erneuten Überlassung der Unterlagen wird wohl stets entgegenstehen, dass die Gemeinschaft und der (neue) Verwalter die Originalunterlagen für das weitere Betreiben der Verwaltung benötigen. Im Übrigen wird ein besonderer Grund für eine Herausgabeverweigerung auch vorliegen, wenn der Verwalter wegen unberechtigter Entnahmen oder wegen des konkreten Verdachts auf Unterschlagung von Geldern abberufen wurde. Die Kosten der Anfertigung von Kopien hat der ehemalige Verwalter zu tragen. Er hätte schon während seiner Amtszeit und bis zum letzten Tag der Tätigkeit eine Rechnungslegung ordnungsgemäß vorbereiten können, so dass er nach seinem Ausscheiden keine Kopien verlangen müsste.

7.40

Auch der nicht ordnungsgemäß bestellte Verwalter („Scheinverwalter“) ist zur Rechnungslegung verpflichtet, § 681 S. 2 BGB;82 selbstverständlich gründet sich dann der Anspruch nicht auf § 28 WEG,83 sondern auf § 666 BGB.

7.41

Der Anspruch auf Rechnungslegung, der gemäß § 259 BGB die Vorlage von Belegen mit umfasst, wird nicht alleine dadurch eingeschränkt, dass der Verwalter die (Original-)Belege an Dritte weggegeben oder in sonstiger Weise verloren hat. Vielmehr muss der Verwalter in diesen Fällen von den Empfängern der Belege Kopien anfordern oder sich um den Ersatz derselben bemühen.84

7.42

VI. Fälligkeit der Rechnungslegung Die Verpflichtung zur Rechnungslegung wird fällig, wenn dem Verwalter das Rechnungslegungsverlangen zugeht, § 271 BGB,85 und nicht, wie Bub86 meint, „innerhalb angemessener Zeit ab Zugang des hierauf gerichteten Mehrheitsbeschlusses beim Verwalter“. Aus dem Gesetz,

79 80 81 82

83

84 85 86

nach der Entscheidung des BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469, die sich mit der Verpflichtung zur Erstellung einer Jahresabrechnung befasste, Teil 6, Rz. 6.299 ff. BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469. Vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.8.2003 – 20 W 525/00, n.v. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2003 – 3 Wx 217/02, OLGReport Düsseldorf 2004, 61 = ZMR 2004, 692 = NZM 2004, 110. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 13.9.1993 – 2Z BR 66/93, WuM 1994, 44 = WE 1994, 280; vgl. zu einem Fall, in dem ein Verwalter „rückwirkend“ bestellt wurde, und der damit verbundenen konkludenten Beauftragung, für den vergangenen Zeitraum eine Jahresabrechnung vorzulegen: OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, OLGZ 1993, 438 = NJW-RR 1993, 847 = WE 1993, 248. Vgl. aber Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 295, der darauf hinweist, dass § 28 Abs. 4 WEG entsprechend herangezogen werden könnte. Das kann in Betracht kommen, wenn die Eigentümer einen Beschluss über eine Rechnungslegungspflicht vor tatsächlicher Beendigung der Tätigkeit eines Scheinverwalters fassen. OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, MietRB 2008, 144 = OLGReport Hamm 2008, 342 = ZMR 2008, 399 = DWE 2008, 58 = ZWE 2008, 193. So auch Häublein in Staudinger (2018), § 28 WEG Rz. 309. Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen, S. 194.

Köhler

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7.43

Teil 7 Rz. 7.43

Rechnungslegung

§ 271 BGB, ergibt sich nicht, dass erst nach angemessener Zeit die Fälligkeit eintritt. Eine ganz andere Frage ist, wann der Verwalter in Verzug gerät; dazu ist § 286 BGB heranzuziehen.

7.44 Gegen den Rechnungslegungsanspruch kann der Verwalter aus keinem Grund ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend machen.87

7.45 Er kann sich auch nicht deshalb weigern, eine Rechnungslegung zu erstellen, weil er hierfür keine zusätzliche Vergütung oder Kostenerstattung erhält. Die Rechnungslegung, gleichgültig, ob während oder nach Beendigung der Verwaltertätigkeit, gehört zu den gesetzlichen und vertraglichen Aufgaben des Verwalters. Zu Recht führt das OLG Celle88 aus, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Gemeinschaft und Verwalter auch die Pflicht umfasst, über den Stand der ihm übertragenen Tätigkeit Auskunft zu erteilen und nach Ausführung über seine Verwaltertätigkeit Rechenschaft abzulegen. Für Tätigkeiten, die zum üblichen Geschäftsumfang gehören, kann der Verwalter keine zusätzliche Vergütung verlangen.89 Diese kann er nur aufgrund gesonderter (und wirksamer) Vertragsregelung fordern;90 allerdings entspräche eine Vertragsklausel über eine gesonderte Vergütung für eine Rechnungslegung (gemeinschaftsintern) nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und ein Beschluss über einen Verwaltervertrag, der eine solche Klausel enthält, wäre von Wohnungseigentümern anfechtbar. Mit dem Ende der Verwalterstellung enden die noch nicht erfüllten Pflichten des Verwalters (nachwirkende Pflichten, wie die Pflicht zur Rechnungslegung, Auskunftserteilung usw.) nicht.91

VII. Ort der Rechnungslegung 7.46 Der Ort, an dem die Rechnungslegung vorzulegen (zu übergeben) ist, bestimmt sich nach § 269 BGB. Wenn in dem Verwaltervertrag oder in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes ausdrücklich geregelt wurde, ist die Rechnungslegung am Sitz der Verwalterin vorzulegen und zu übergeben. Die hauptsächlichen Tätigkeiten eines Verwalters werden nämlich nicht am Objekt selbst, sondern in den Büroräumen des Verwalters ausgeübt, weshalb der „Ort für die Leistung“ der Verwaltersitz ist.92 Die Leistungsortbestimmung erlangt in der Praxis nur besondere Bedeutung, wenn die Rechnungslegung von einem ausgeschiedenen Verwalter oder einem Scheinverwalter zu erbringen ist. Diese Verwalter werden wenig Interesse haben, die Rechnungslegung in einer Wohnungseigentümerversammlung zu übergeben und zu präsentieren. Dies bedeutet, dass die Berechtigten die Rechnungslegungsunterlagen am Sitz der Verwaltung abholen müssen. Der noch amtierende Verwalter wird stets die Rechnungslegung in 87 BGH, Urt. v. 10.6.1976 – II ZR 175/74, WM 1976, 868 = BB 1976, 1192; Berger in Erman, § 666 Rz. 1. 88 OLG Celle, Beschl. v. 2.2.1983 – 4 W 196/82, OLGZ 1983, 177. 89 OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, MietRB 2008, 144 = OLGReport Hamm 2008, 342 = ZMR 2008, 399 = DWE 2008, 58 = ZWE 2008, 193; vgl. zu möglichen Ausnahmefälle jedoch Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 305. 90 Unentschieden: OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.5.1977 – 8 W 366/76, Justiz 1980, 278. 91 BGH, Urt. v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, MDR 2018, 515 = WuM 2018, 244 = NZM 2018, 469, mit weiteren umfassenden Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur. 92 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, ZfIR 2011, 279 = MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = ZWE 2011, 212; a.A. noch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.8.1969 – 3 W 47/69, NJW 1969, 1968, mit Anm. Diester; vgl. wegen Einsicht in Verwaltungsunterlagen: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.4.1976 – 3 W 8/76, MDR 1976, 758, das meint, Einsicht könne nur am Aufbewahrungsort erfolgen; vgl. im Übrigen auch Teil 6, Rz. 6.279 ff.

320

Köhler

Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches

Rz. 7.50 Teil 7

einer Eigentümerversammlung präsentieren und die notwendigen Unterlagen zuvor an die Eigentümer (zur Vorbereitung der Versammlung) versenden. Einen Streit mit Eigentümern oder dem Beirat der Gemeinschaft über den Leistungsort wird dieser Verwalter – auch bei großer Entfernung zwischen Gemeinschaftsort und Verwaltungssitz – kaum riskieren, um seine mögliche Wiederwahl nicht zu gefährden. Es empfiehlt sich gleichwohl für eine Eigentümergemeinschaft, im Verwaltervertrag eine Regelung über den Leistungsort zu treffen und ausdrücklich den Ort der Gemeinschaft zu bestimmen.

7.47

Das OLG Köln93 hat zwar einen Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen am Sitz der Eigentumsanlage zugebilligt, wenn der Sitz des Verwalters weit entfernt liegt. Das OLG Köln kam jedoch nur zu seiner Entscheidung, weil es sich um eine Entfernung von 700 km handelte. Was „weit entfernt“ ist, kann ganz unterschiedlich beurteilt werden und ist kein objektives Kriterium. Wenn man den Maßstab für „weit entfernt“ festlegen wollte, könnte ein Vergleich mit ähnlichen Problemlagen sinnvoll sein. Im BetrVG gibt es den § 4 Abs. 1 Nr. 1, der einen selbstständigen Betrieb annimmt, wenn der Betriebsteil „räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt“ liegt. Die Literatur und Rechtsprechung stellt dabei nicht ausschließlich auf die räumliche Distanz, sondern auch auf die Verkehrsverbindung zwischen den Orten ab. Selbst bei günstigsten Verkehrsverbindungen kann eine Entfernung von mehr als 200 km als „räumlich weit entfernt“ angesehen werden; sind die Verkehrsverbindungen schlecht, sind schon geringere Distanzen dazu angetan, die Orte als „räumlich weit entfernt“ anzusehen.94 Teilweise werden Entfernungen von unter 30 km schon als „weit“ betrachtet. Das macht deutlich, dass „weit entfernt“ kein sinnvolles und objektiv zu bemessendes Kriterium sein kann. Deshalb kann die Entscheidung des OLG Köln auch nicht richtig sein.

7.48

VIII. Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches Wie ein Titel, der auf Rechnungslegung lautet, vollstreckt wird, war bisher umstritten, dürfte aber durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Vollstreckung einer Verurteilung zur Erstellung einer Jahresabrechnung wohl geklärt sein.95 Der BGH hat die Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung einer Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG für Kalenderjahre, in denen er die Verwaltung geführt hat, als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 ZPO angesehen. Teilweise wurde die Erstellung einer Rechnungslegung als vertretbare Handlung angesehen,96 sodass aus dem Titel, der auf Rechnungslegung lautet, die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO erfolgen müsste.

7.49

Diese Meinung habe ich bereits in der 3. Auflage für falsch gehalten. Die Rechnungslegung enthält stets einen Teil „Wissens“-Erklärung. Da ist zum einen die Darstellung des Girokontos mit den Geldbewegungen, von deren Zwecken und Bestimmungen nur der verfügende

7.50

93 OLG Köln, Beschl. v. 28.2.2001 – 16 Wx 10/01, OLGReport Köln 2001, 220 = ZMR 2001, 851 = NZM 2002, 221. 94 Vgl. hierzu BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175; BAG, Beschl. v. 19.2.2002 – 1 ABR 26/01, NZA 2002, 1300. 95 Vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = ZMR 2016, 972 = WuM 2016, 586. 96 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.3.1999 – 3 Wx 33/99, OLGReport Düsseldorf, 2000, 5 = ZMR 1999, 425 = NZM 1999, 824 = WuM 1999, 359; Staudinger/Bub (2015), § 28 WEG Rz. 472.

Köhler

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Teil 7 Rz. 7.50

Rechnungslegung

Verwalter zuverlässige Kenntnis hat, auch wenn Belege dazu vorliegen. Da ist weiterhin die Instandhaltungsrücklage, die regelmäßig auf einem vom Girokonto gesonderten Konto angelegt ist, über das der Verwalter verfügen kann; konkretes Wissen über die Verwendung von ausgezahlten Beträgen hat nur der Verwalter. Weiter ist auch die notwendige Darstellung aller Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, bei der der Verwalter sein „Wissen“ erklären muss, dass alle Zahlungsvorgänge (z.B. auch Barzahlungen) in der Rechnungslegung aufgenommen worden sind. Das Wissen über die Ausführung des betriebenen Geschäfts kann nur der Verwalter selbst haben und kein Dritter.

7.51 Das OLG Düsseldorf,97 dessen Meinung der BGH verworfen hat, bezog sich zur Begründung auf den zum Ende eines Wirtschaftsjahres erfolgenden Verwalterwechsel. Es meinte, aus der Tatsache, dass der neue Verwalter die Jahresabrechnung erstellen müsse, ergebe sich, dass die Erstellung der Jahresabrechnung eine vertretbare Handlung sei.

7.52 Es wurde dabei vom OLG Düsseldorf verkannt, dass die „Jahresabrechnung“, die der neue Verwalter erstellen muss, nur die Einzelabrechnungen sind, die auf der Grundlage der vom Vorverwalter zu erstellenden Rechnungslegung entwickelt werden. Auch das Argument des OLG Düsseldorf, die in der Rechnungslegung enthaltene „Erklärung der Richtigkeit und Vollständigkeit“ beziehe sich nur auf den möglicherweise entstehenden Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, geht am Problem vorbei. Es geht nämlich nicht um die erwähnte Erklärung, sondern um die Frage, ob der Ersteller der Rechnungslegung etwas über die hinter den Zahlungsbeträgen stehenden Vorgänge wissen kann.98 Ob er dann die richtige Erklärung abgibt, ist eine ganz andere Frage.

7.53 Zu Recht sah schon das BayObLG99 die Rechnungslegung als nicht vertretbare Handlung an, die nach § 888 ZPO vollstreckt werden muss.100 Dem folgt nunmehr der Bundesgerichtshof und führt – auch unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BayObLG – aus, dass der Verwalter nicht nur im Falle der Rechnungslegung, sondern auch im Falle der Jahresabrechnung verpflichtet ist, über seine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen. „Die Wohnungseigentümer können … vom früheren Verwalter nach § 28 Abs. 4 WEG die Rechnungslegung bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens und damit eine Erklärung zur Vollständigkeit und Richtigkeit der während seiner Verwaltung angefallenen Unterlagen verlangen. Ein entsprechender Titel gegen den früheren Verwalter betrifft eine nicht vertretbare Handlung und ist nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vollstrecken“.101

7.54 Im gerichtlichen Klageverfahren auf Rechnungslegung ist es nicht mehr notwendig, eine Androhung von Zwangsmitteln zu beantragen, § 888 Abs. 2 ZPO.

7.55 Ein gerichtlicher Klageantrag (er ist, auch wenn er sich gegen einen ausgeschiedenen Verwalter richtet, bei dem zuständigen Gericht, § 43 Nr. 3 WEG, einzureichen)102, muss deshalb nur da97 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.3.1999 – 3 Wx 33/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 5 = ZMR 1999, 425 = NZM 1999, 824 = WuM 1999, 359. 98 Ebenso Nies, NZM 1999, 832. 99 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2Z BR 9/02, BayObLGZ 2002, 115 = BayObLGR 2002, 279 = ZMR 2002, 841 = NZM 2002, 489 m.w.N. 100 So auch OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1998 – 2 W 201/97, ZMR 1998, 517 = WuM 1998, 375, mit umfassender Darstellung des Streitstandes; KG, Beschl. v. 30.6.1972 – 1 W 1386/71, MDR 1973, 145 = NJW 1972, 2093. 101 BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, MDR 2016, 1442 = ZMR 2016, 972 = WuM 2016, 586. 102 Staudinger/Häublein (2018) § 28 Rz. 314, m.w.N.

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Köhler

Streitwert/Beschwer

Rz. 7.58 Teil 7

rauf gerichtet werden, den Beklagten zu verurteilen, Rechnung zu legen über den Zeitraum vom … bis … hinsichtlich seiner Tätigkeit als Verwalter der Eigentümergemeinschaft XYStraße …

IX. Konsequenz einer Weigerung, Rechnung zu legen/fehlerhafte Rechnungslegung Weigert sich der amtierende Verwalter, Rechnung zu legen, stellt dies regelmäßig einen Grund dar für die fristlose Abberufung des Verwalters und für eine fristlose Kündigung seines Vertrages.103

7.56

Legt der Verwalter fehlerhaft Rechnung, hat er der Eigentümergemeinschaft den Schaden zu ersetzen, den sie durch die nicht ordnungsgemäß erfolgte Rechnungslegung erlitten hat.104 Dazu können auch die Kosten gehören, die die Eigentümergemeinschaft für eine Aufarbeitung der Unterlagen an einen Dritten gezahlt hat. Unabhängig davon muss der Verwalter die Beträge an die Gemeinschaft zurückzahlen, deren ordnungsgemäße Verwendung für gemeinschaftliche Zwecke er nicht nachweisen kann. Ein Schadensersatzanspruch kann jedoch nicht daraus abgeleitet werden, dass aus der Rechnungslegung nicht konkret hervorgeht, welche Forderungen gegenüber Dritten erhoben werden könnten.105 Das muss hinsichtlich der notwendigen Darstellung der Sollbeträge bei der Instandhaltungsrücklage eingeschränkt werden, weil insofern auch Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern ausgewiesen werden müssen.106

7.57

X. Streitwert/Beschwer Für einen Anspruch auf Rechnungslegung ist der Streitwert nach § 49a GKG festzusetzen. Dabei muss zuerst davon ausgegangen werden, welches Interesse die Klägerin (der Verband) – oder im besonderen Einzelfall ein Wohnungseigentümer, der Rechnungslegung begehrt107 – an der Entscheidung hat. Dieses Interesse muss glaubhaft gemacht werden. Bei dem Anspruch gegen den Verwalter kann sich die Glaubhaftmachung darauf richten, dass die Gemeinschaft anhand bestimmter Anhaltspunkte meint, nach erfolgter Rechnungslegung noch Zahlungsansprüche und/oder Erstattungsansprüche in bestimmter Höhe gegen den ehemaligen Verwalter zu haben (z.B. Auszahlung des Guthaben des Girokontos oder des Rücklagenkontos beim ausgeschiedenen Verwalter; Erstattung unberechtigt verauslagter Beträge beim amtierenden Verwalter). Weiterhin muss berücksichtigt werden, welchen Aufwand der Verwalter betreiben muss, um die Rechnungslegung zu erstellen. Diese Werte sind zusammenzurechnen und davon 50 % als Streitwert anzunehmen.

103 104 105 106

LG Freiburg, Beschl. v. 25.11.1966 – 4 T 129/65, NJW 1968, 1973 = ZMR 1968, 337. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.11.2002 – 3 Wx 194/02, ZMR 2003, 230 = WuM 2003, 112. Vgl. dazu AG München, Urt. v. 18.8.2017 – 481 C 26687/16, ZMR 2018, 275. Vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, WuM 2010, 178 = ZMR 2010, 300 = DWE 2010, 20. 107 Bei einem Eigentümer, der ausnahmsweise wegen der zeitgleichen Beendigung der Verwalterbestellung und des Wirtschaftsjahres Rechnungslegung verlangen kann, wird man als Streitwert von der für den Eigentümer zu erwartenden Abrechnungssumme ausgehen können.

Köhler

323

7.58

Teil 7 Rz. 7.59

Rechnungslegung

7.59 Für die Berufungsbeschwer ist zu unterscheiden zwischen der Klägerin (Gemeinschaft)108 und dem beklagten Verwalter. Für die Klägerin (Eigentümergemeinschaft)109 richtet sich die Beschwer nach ihrem oben bezeichneten Interesse.

7.60 Bei dem beklagten Verwalter ist die Beschwer danach zu bewerten, was er ersparen würde, wenn er keine Rechnung legen müsste (oder was er für eine Rechnungslegung aufwenden müsste).110 Das können die Aufwendungen für die eigene Arbeitszeit sein, aber auch das anteilige Gehalt eines mit der Rechnungslegung befassten Angestellten, zu verwendende Materialien usw. sowie die Kosten für einen bei der Rechnungslegung helfenden Dritten.111

108 Oder im Einzelfall klagender Eigentümer. 109 Oder im Einzelfall klagender Eigentümer. 110 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2008 – X ZR 136/07, WuM 2008, 106; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, NJW 1995, 664 = WM 1995, 1000 = WRP 1995, 297 = FamRZ 1995, 349 = ZIP 1995, 506; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, OLGReport Köln 2007, 770 = JurBüro 2007, 488; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.7.1997 – 20 U 34/97, OLGReport Stuttgart 1997, 31; OLG Köln, Urt. v. 16.1.1997 – 1 U 63/96, OLGReport Köln 1998, 189 = JurBüro 1998, 261. 111 BGH, Beschl. v. 5.2.2001 – II ZB 7/00, MDR 2001, 709 = NJW 2001, 1284 = WM 2001, 826; vgl. auch BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – III ZB 55/11, ZEV 2012, 270.

324

Köhler

Teil 8 Instandhaltung, Instandsetzung und bauliche Veränderungen, Modernisierung und Anpassung an den Stand der Technik I. Terminologie, Funktion, Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

1. Erstmalige Herstellung des ordnungs- bzw. plangemäßen Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

2. Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . .

8.29

3. Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . .

8.48

4. Modernisierende Instandsetzung . . a) Herstellung eines zeitgemäßen Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllung geänderter öffentlichrechtlicher Anforderungen . . . . .

8.54

8.73

5. Abgrenzung zur baulichen Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.78

8.65

II. Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.127 1. Rechte und Pflichten der Eigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 8.129 2. Ansprüche der Gemeinschaft gegen den einzelnen Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Duldungsanspruch . . . . . . . . . . . aa) Einwirkung auf das Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . bb) Einwirkung auf das Sondereigentum . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzierung der Maßnahme . . . aa) Vorschusszahlungen . . . . . . . bb) Sonderumlage . . . . . . . . . . . c) Abwälzen der Instandhaltungsbzw. Instandsetzungspflicht auf die Miteigentümer . . . . . . . . . . . . aa) Alternativen der Abwälzung . bb) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . .

8.142 8.147 8.150 8.162 8.170 8.172 8.185 8.195 8.197 8.204

3. Rechte und Pflichten des einzelnen Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.211 4. Ansprüche des Wohnungseigentümers auf Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung . . . . . 8.223 a) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums . . . . . . . . 8.224

aa) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung durch die Gemeinschaft . . . . bb) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung durch den Verwalter . . . . . . . cc) Die Vorgaben der Energieeinsparverordnung . . . . . . . . dd) Die Vorgaben der Trinkwasserverordnung . . . . . . . . . b) Anspruch auf Duldung . . . . . . . . c) Anspruch auf Schadensersatz in Geld oder durch Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlagen . . . . . . bb) Zuordnung des Schadensersatzanspruchs zum jeweiligen Miteigentum . . . . . . . . cc) Ansprüche gegen Nichteigentümer, insbesondere Bauträger . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ansprüche gegen die Gemeinschaft oder einzelne Miteigentümer . . . . . . . . . . . (1) Schuldhafte Rechtsverletzung durch die Miteigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schuldhafte Rechtsverletzung des Verwalters . . . . . . . ee) Ansprüche gegen den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ansprüche gegen den Verwaltungsbeirat . . . . . . . . . d) Vereinbarungen zum Haftungsausschluss und zur Freistellung . .

8.225 8.259 8.265 8.283 8.302 8.305 8.306 8.312 8.316 8.319 8.319 8.336 8.338 8.367 8.373

III. Ordentliche Durchführung von Maßnahmen zur Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.382 1. Der Verwalter als ausführendes Organ der Gemeinschaft . . . . . . . . . 8.382 a) Ausführungskompetenz des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.385 b) Pflicht zur technischen Überwachung des Objektes . . . . . . . . . 8.386

Peter

325

Teil 8

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

c) Finanzielle Planung und wirtschaftliches Controlling der konkreten Maßnahme . . . . . . . . . 8.397 2. Vorbereitung der Beschlussfassung durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des mangelhaften Zustandes und des konkreten Handlungsbedarfs . . . . . . . . . . . . b) Abstimmen des weiteren Vorgehens mit dem Beirat . . . . . . . . . c) Darlegung von alternativen Handlungsmöglichkeiten . . . . . . d) Erstellen der Kostenprognose . . . e) Prüfung aller gemeinschaftsinternen Grundlagen der anstehenden Beschlussfassung . . . . . . . f) Formulierung eines Antrages zur Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . g) Formulierung eines Antrages zur Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung der Versammlung . . a) Erörterung der Beschlussvorschläge unter Einbeziehung der Vorschläge der Eigentümer . . . . . b) Beschlussfassung über die Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussfassung über die Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussfassung über die Auftragserteilung . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussfassung über ein Sonderhonorar des Verwalters . . . . . . f) Anweisung für den Fall einer Beschlussanfechtung . . . . . . . . . . g) Feststellung und Bekanntgabe der Beschlussergebnisse . . . . . . . .

8.404 8.407 8.415 8.416 8.422 8.428 8.433 8.439 8.450 8.450 8.455 8.460 8.465 8.470 8.477 8.485

4. Umsetzung der Beschlüsse . . . . . . . 8.486 a) Festlegung der Zeitschiene für die Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . 8.487 b) Bereitstellung der finanziellen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.492 5. Vergabe des Auftrages . . . . . . . . . . . 8.497 6. Durchführung des Auftrages . . . . . . 8.507 7. Technische Kontrolle der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.508 8. Abnahme der Werkleistung . . . . . . . 8.512

1. Eilmaßnahmen durch die Verwaltung in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen zur sofortigen Beseitigung akuter Gefahren- und Schadenslagen – § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktive Rechtsverfolgung und Abwendung von Rechtnachteilen durch Wahrung von Fristen – § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG . . . . . . . . . c) Vertretung der Gemeinschaft bei Passivprozessen – § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eilmaßnahmen durch den einzelnen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen zur Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens – § 21 Abs. 2 WEG . . . . aa) Notlage . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwendung des drohenden Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ansprüche auf Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsführung ohne Auftrag . . aa) Voraussetzungen für ein Handeln des Eigentümers – allgemein . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen für ein Handeln des Eigentümers – im Pflichtenkreis des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ersatz der Aufwendungen – bei irrtümlich oder fehlerhaft angenommenem „Notfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung des handelnden Miteigentümers . . . . . . . . . . . . . .

8.541

8.541

8.554 8.563 8.566 8.572 8.572 8.577 8.582 8.584 8.584

8.585

8.588 8.596

3. Überschreitung der Notgeschäftsführung durch Verwalter und Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.599 V. Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . 8.604 1. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . 8.604 2. Eingriffsvoraussetzungen . . . . . . . . 8.612

9. Bauabzugssteuer . . . . . . . . . . . . . . . 8.521

3. Duldungspflichten des Sondereigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.618

IV. Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung der Verwaltung und einzelner Eigentümer . . . 8.533

4. Mitwirkungspflichten des betroffenen Eigentümers . . . . . . . . . 8.623

326

Peter

Terminologie, Funktion, Problemstellung

5. Durchsetzung der Duldungs- und Mitwirkungsansprüche durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.624 6. Wiederherstellungs-, Ausgleichsund Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinschaft . . . . . . . . . . 8.628 7. Durchsetzung von Ansprüchen . . . . 8.638 a) Ansprüche des Eigentümers gegen die Gemeinschaft . . . . . . . . 8.642 b) Ansprüche der Gemeinschaft gegen einen Eigentümer . . . . . . . 8.647 VI. Veränderungen bei der Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.649

Rz. 8.6 Teil 8

1. Anwendungsbereich des § 16 Abs. 4 WEG . . . . . . . . . . . . . . . 8.650 2. Materieller Prüfungsmaßstab der abweichenden Kostenregelung . . . . 8.657 3. Qualifizierte Mehrheit als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.662 4. Risiken und Gefahren . . . . . . . . . . . a) Formale Fehler und ihre Folgen . . b) Zweitbeschlussproblematik . . . . . c) Qualifizierte Mehrheit – keine Voraussetzung für Wirksamkeit des nicht angefochtenen Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.665 8.665 8.669

8.677

I. Terminologie, Funktion, Problemstellung 1. Erstmalige Herstellung des ordnungs- bzw. plangemäßen Zustandes Die erstmalige Herstellung, die Instandhaltung, die Instandsetzung sowie die Modernisierung des Wohnungseigentums dienen letztlich der Schaffung wirtschaftlicher Werte, die in der Wohnungseigentumsanlage verkörpert sind sowie der Erhaltung oder Wiederherstellung eben dieser Werte im Falle der Abnutzung oder eines Schadensereignisses.

8.1

Dabei stellt die erstmalige Herstellung der Wohnungseigentumsanlage bzw. des durch die Pläne, die Teilungserklärung, die Gemeinschaftsordnung und das Grundbuch definierten Gemeinschafts- und Sondereigentums, welches zunächst nur als nicht verkörpertes Planvorhaben existiert, nichts anderes als die Herstellung der tatsächlich nutzbaren wirtschaftlichen Werte dar. Mit der erstmaligen Herstellung der Wohnungseigentumsanlage wird aus den Plänen der konkrete Baukörper, welcher die wirtschaftlichen Werte der Wohnanlage verkörpert. Der Anspruch auf erstmalige Herstellung hat somit die Funktion gegenständlich verkörperte Werte zu erschaffen. Der Instandhaltung und Instandsetzung kommt die Funktion zu, diese Werte zu erhalten – im Falle der Instandhaltung- und wiederherzustellen- im Falle der Instandsetzung.

8.2

Der Anspruch des jeweiligen Miteigentümers der entstehenden Gemeinschaft auf erstmalige Herstellung des Zustandes gemäß Aufteilungsplan oder Baubeschreibung ist somit darauf gerichtet, dass das geplante Objekt auch in der Weise und mit dem wirtschaftlichen Wert errichtet wird, wie dies vorgesehen ist.

8.3

Er wird von Bedeutung, wenn das Bauvorhaben nicht oder nicht vollständig oder anders als geplant durchgeführt wird oder wenn Mängel der Werkleistungen bei Errichtung der Anlage auftreten, die der Bauunternehmer zu beseitigen hat.

8.4

Gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG kann jeder Eigentümer von den übrigen Eigentümern die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsgemäßen Zustandes verlangen. Diese Mitwirkung kann auch auf die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Bauunternehmer/Bauträger gerichtet sein.

8.5

Zu unterscheiden ist dieser Anspruch vom Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes beispielsweise nach Zerstörung des Gemeinschaftseigentums oder nach ei-

8.6

Peter

327

Teil 8 Rz. 8.6

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

ner baulichen Veränderung, der bereits denklogisch die vorherige ordnungsgemäße Erstherstellung der Wohnanlage voraussetzt. Es liegt in der Natur der Sache, dass nur wiederhergestellt werden kann, was vorher existierte. Zwar ist in beiden Fällen Inhalt des Anspruchs, das was in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vereinbart wurde. Der Unterschied ist gleichwohl bedeutend, weil sich andere Anspruchsgegner ergeben können:

8.7 Der Anspruch auf erstmalige Erstellung richtet sich gegen den Verband, der Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gegen den Störer.

8.8 Auch wenn der Anspruch auf erstmalige Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes sich gegen den Verband richtet, der nach § 10 Abs. 6 S. 2 und Abs. 7 S. 2 WEG diese Verbindlichkeiten zu erfüllen hat, empfiehlt es sich, eine Klage auf erstmalige Herstellung des ordnungsmäßigen Zustandes gegen die übrigen Eigentümer zu richten.1 Die Kosten der Maßnahme sind von der Gemeinschaft zu tragen.2 Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Verband alleine nicht handlungsfähig ist, Art, Zeit und Umfang der Leistung erst festgelegt werden müssen und dabei meist auch Ermessensentscheidungen zu treffen sind.

8.9 Vor einer Klage müssen die übrigen Eigentümer die Möglichkeit bekommen, die erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen (Vorbefassung der Miteigentümer). Erst dann ist der Rechtsweg über § 21 Abs. 8 WEG für eine ersetzende Entscheidung des Gerichts gegeben.3

8.10 Der Anspruch auf erstmalige Herstellung unterliegt nicht der Verjährung. Der Einwand der Verjährung kann vom Verband nicht erhoben werden, wenn er aufgefordert wird, solche Leistungen zu erbringen, da die erstmalige Herstellung Teil der ordnungsmäßigen Verwaltung ist und der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung nach der Rechtsprechung des BGH unverjährbar ist.4

8.11 Beschließen die Eigentümer eine Maßnahme zur erstmaligen Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands, kann entgegen früher in Rechtsprechung5 und Literatur6 vertretener Auffassung auch nicht durch einen Eigentümer Anfechtungsklage mit der Begründung erhoben werden, der Beschluss entspreche nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, weil der unterstellte Anspruch verjährt sei. Mit der Beschlussfassung wird der Anspruch auf erstmalige Herstellung nicht begründet. Dies kann schon mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft nicht der Fall sein. Vielmehr beruht der Anspruch auf § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG.

8.12 Der Verband muss die erforderlichen Kosten aufbringen.7 8.13 Da es sich bei den Maßnahmen zur erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung um Verwaltungsmaßnahmen i.S.v. § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG handelt, besteht hinsichtlich des „Wie“, das heißt bezüglich der Mittel, mit denen der plangemäßen Zustand zu erreichen ist, nicht jedoch hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme eine Beschlusskompetenz der Gemein1 2 3 4 5 6 7

OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 082/09, ZMR 2010, 395 = WuM 2010, 380. LG Berlin, Urt. v. 30.11.2010 – 55 S 119/10 WEG, Grundeigentum 2011, 137. BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129. BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11; MDR 2012, 834. LG Köln, Urt. v. 30.6.2011 – 29 S 263/10, MietRB 2011, 323. Drabek in Köhler, Anwaltshandbuch WEG, 3. Auflage, Teil 9, Rz. 26a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.1999 – 3 Wx 126/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 43 = ZMR 2000, 54 = FGPrax 2000, 7 = WE 2000, 82 = NZM 2000, 390.

328

Peter

Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.17 Teil 8

schaft nach § 21 Abs. 3 WEG. Es reicht regelmäßig ein einfacher Mehrheitsbeschluss, um die zur ordnungsmäßigen Verwaltung durchzuführenden Maßnahmen zu beschließen. Die Beschlusskompetenz der Eigentümer schränkt die Rechte des einzelnen Eigentümers nicht ein. Macht ein Eigentümer primäre Gewährleistungsansprüche (z.B. Nacherfüllung) gemäß § 635 BGB gegenüber dem Bauträger/Verkäufer geltend, ist er durch die Beschlusszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft in seiner Aktivlegitimation grundsätzlich nicht eingeschränkt.8 Gleichartige Ansprüche können sich gegen unterschiedliche Personen richten. Haben einzelne Eigentümer Gewährleistungsansprüche am gemeinschaftlichen Eigentum gegen den Bauträger durch Zeitablauf verloren, können eventuelle spätere Eigentümer/Käufer diese gegen den Verkäufer noch verfolgen. Dem Eigentümer ohne Gewährleistungsansprüche bleibt nur ein Anspruch auf erstmalige Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Diese wiederum kann noch bestehende primäre Gewährleistungsansprüche späterer Käufer – weil gemeinschaftsbezogen – nach § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alternative WEG ausüben, wenn die Eigentümer dies zuvor beschlossen und die Ausübung so übertragen haben.

8.14

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten zur Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen wird verwiesen auf Teil 19, Rz. 19.163 ff. Ein gänzlicher Anspruchsverzicht auf die erstmalige ordnungsgemäße Herstellung durch 8.15 Mehrheitsbeschluss ist nur möglich, wenn eine Vereinbarung dies erlaubt. Das BayObLG9 hat die Beschlusszuständigkeit einer Eigentümergemeinschaft noch bestätigt und einen Mehrheitsbeschluss als rechtmäßig angesehen, dass ein im Aufteilungsplan vorgesehener, aber tatsächlich nicht ausgeführter Versorgungsweg nicht in seiner vollen Länge hergestellt werden soll. Ein solcher Beschluss mit dem Inhalt eines generellen Verzichts ist aber nach der Entscheidung des BGH vom 20.9.200010 als nichtig anzusehen. Bei der Veränderung einer Vereinbarung, wozu der Aufteilungsplan gehört, müssen alle Eigentümer mitwirken. Ob dies anders ist, wenn in der Teilungserklärung ausdrücklich die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses für diesen Fall vereinbart worden ist, erscheint fraglich. Liegt eine solche „Öffnungsklausel“ nicht vor, fehlt der Eigentümergemeinschaft jedenfalls die Beschlusskompetenz für vereinbarungsverändernde Maßnahmen. So wie die Eigentümer einen Anspruch oder eine Forderung durch Beschluss ohne vereinbarte Grundlage nicht beliebig begründen können,11 kann auf einen Anspruch durch Beschluss auch nicht beliebig verzichtet werden.

8.16

Dagegen kann ein Beschluss mit dem Inhalt, kurzfristig auf die Durchführung solcher Maß- 8.17 nahmen zu verzichten, weil die finanziellen Mittel aktuell fehlen, ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und mit Beschlusskompetenz herbeigeführt werden. Ein solcher Beschluss wäre allenfalls vereinbarungswidrig, jedoch nicht nichtig, und kann bestandskräftig werden, wenn er nicht angefochten wird. Selbst bei einer Beschlussanfechtung nach § 46 WEG kann ein Gericht nach Prüfung ggf. ordnungsgemäßes Verhalten bestätigen. Ein solcher Beschluss 8 OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17.5.1999 – 11 Wx 19/98, NZM 2000, 194. 9 BayObLG, Beschl. v. 4.3.1999 – 2Z BR 20/99, BayObLGZ 1999, 66 = NJW-RR 1999, 887. 10 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518. 11 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 193/09, MDR 2010, 1108 = NZM 2010, 625 = ZWE 2010, 359 = ZMR 2010, 777.

Peter

329

Teil 8 Rz. 8.17

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

kann jedoch in jedem Fall nur eine kurzfristige Zurückstellung der Maßnahme und keineswegs einen endgültigen Verzicht legitimieren. Denn zum einen entspricht nur die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel – gegebenenfalls im Wege der Sonderumlage- ordnungsmäßiger Verwaltung. Zum anderen ließe sich ansonsten der Anspruch des einzelnen Eigentümers dauerhaft vereiteln.

8.18 Weicht der tatsächliche bauliche Zustand im Bereich eines Sondereigentums vom Aufteilungsplan oder den sonstigen Rechtsgrundlagen ab und wurden die Veränderungen bereits vor der Aufteilung in Wohnungseigentum herbeigeführt, besteht kein Anspruch gegen diesen Sondereigentümer, den Zustand gemäß Plan herzustellen.12 Allerdings muss dieser die erforderlichen Maßnahmen dulden.13 So kann der beeinträchtigte Eigentümer vom Nachbarn verlangen, die Beseitigung einer Abtrennung zwischen zwei Dachterrassen hinzunehmen, wenn sie dem Zustand gemäß Aufteilungsplan widerspricht. Ebenso kann er die Herausgabe der betroffenen Fläche verlangen.

8.19 Ob Verjährungsvorschriften entgegenstehen können, insbesondere § 199 Abs. 4 BGB,14 erschien schon früher fraglich15 und dürfte nach der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2012,16 nach der der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung nicht verjähren kann, ausgeschlossen sein. Die erstmalige Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands schuldet immer die Eigentümergemeinschaft, also der Verband. Er kann sich dem Anspruch nicht durch die Einrede der Verjährung entziehen. Zudem entsteht nach der Rechtsprechung des BGH17 die Pflicht, auch bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen, ständig neu, was sich mit der permanenten Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erklärt.18

8.20 Auch der Einwand der Verwirkung dürfte in Hinblick auf die Ersterstellung des Gemeinschafts- und auch des Sondereigentums vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH nur in äußerst engen Grenzen denkbar sein. Dass ein Anspruch über mehr als 20 Jahre nicht verfolgt wurde, reicht hierzu alleine nicht aus.

8.21 Ansprüche auf Herstellung einer DIN-gemäßen Schallisolierung können nur dann gegen den Verkäufer oder gegen die Eigentümergemeinschaft geltend gemacht werden, wenn der Isolierungsmangel bereits bei der Aufteilung in Wohnungseigentum vorhanden war. Ein Beseitigungsanspruch gegen den Sondereigentümer oder ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Sondereigentums gegen den Sondereigentümer bis zur Beseitigung des Mangels besteht nicht.19

8.22 Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass Kosten der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums, dessen Nutzung ausschließlich einzelnen Eigentümern zusteht, von diesen zu tragen sind, gilt dies nicht für die ordnungsgemäße Erstherstellung nach Feuchtigkeitsschäden der Dachterrasse aufgrund von Planungs- und Ausführungsfehlern. Vielmehr steht dem einzelnen Sondereigentümer gegen die übrigen Eigentümer ein Anspruch auf erstmalige Her12 13 14 15 16 17 18

Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.2001 – 3 W 226/01, ZWE 2002, 378. BayObLG, Beschl. v. 28.12.2001 – 2Z BR 163/01, WuM 2002, 165. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.2.2006 – 11 Wx 72/05, Info M 2006, 298. So aber OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2010 – 3 W 1/10, ZMR 2010, 626 = ZWE 2010, 422. BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11; MDR 2012, 834 = ZWE 2012, 325. BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, MDR 2010, 433 = ZWE 2010, 133 = NJW 2010, 933. Drabek in AnwaltsZertifikatOnline – Miet- und Wohungseigentumsrecht, juris, 21/2011, Aufsatz 2. 19 OLG Köln, Beschl. v. 18.5.2001 – 16 Wx 68/01, OLGReport Köln 2001, 285 = ZMR 2002, 77.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.31 Teil 8

stellung eines ordnungsgemäßem Zustandes zu (§ 21 Abs. 2 WEG), deren Kosten von der Gemeinschaft zu tragen sind.20 Eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, welche die Instandhaltung und Instandsetzung der Außenfenster dem Sondereigentümer auferlegt, belässt im Zweifel auch eine erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes in der Pflicht der Gemeinschaft.21

8.23

Nach § 21 Abs. 4 WEG kann auch ein Anspruch auf die erstmalige Herstellung einer kompletten gesonderten Zentralheizung für die Wohnung bestehen. Diesen Anspruch kann der Eigentümer nicht eigenmächtig umsetzen, da die Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands der Wohnungseigentumsanlage eine Verwaltungsmaßnahme ist, die den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht.22

8.24

Der Anspruch auf Beseitigung von Wärmebrücken richtet sich gegen die übrigen Eigentümer.23

8.25

Insofern kann beispielsweise die Pflasterung einer gemeinschaftlich genutzten Hoffläche keine bauliche Veränderung i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG darstellen, wenn durch diese Maßnahme erstmals ein mangelfreier und ordnungsgemäßer Zustand hergestellt wurde.

8.26

Zur Abgrenzung der beiden Begriffe Erstherstellung und Wiederherstellung vgl. im Übrigen das AG Halle.24

8.27

Der Anspruch auf erstmalige Herstellung einer Zaunanlage richtet sich auch auf die Errichtung eines nur in der Baubeschreibung vorgesehenen Zaunes.25

8.28

2. Instandhaltung Mit der Instandhaltung wird durch Pflege und Wartung der ordnungsmäßige Zustand erhalten; die Instandsetzung ist die erneute Herstellung eines zuvor nicht mehr ordnungsmäßigen Zustandes.

8.29

Dient die erstmalige Herstellung der Wohnungseigentumsanlage der Umsetzung der Pläne und Vorgaben der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung und damit der tatsächlichen körperlichen Entstehung des Baukörpers, dienen Instandhaltung und Instandsetzung dem Zweck, den Bestand, die Funktionalität und letztlich den Wert des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums zu erhalten. Das gemeinschaftliche Eigentum und das Sondereigentum werden in ihrem Wert perpetuiert.

8.30

Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung können zu erheblichen Kosten führen, sind aber wesentliche Pflichten der Gemeinschaft und werden vom Gesetz beispielhaft in § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG als Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung aufgezählt. Die Bedeutung

8.31

20 21 22 23 24 25

LG Berlin, Urt. v. 30.11.2010 – 55 S 119/10 WEG, Grundeigentum 2011, 137. BGH, Urt. v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = ZWE 2012, 267 = NZM 2012, 419. LG Aurich, Urt. v. 29.1.2010 – 4 S 261/09, juris. OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 87/09, ZMR 2010, 395. AG Halle, Urt. v. 15.2.2011 – 120 C 3573/10, juris. OLG Hamm, Beschl. v. 26.3.2007 – 15 W 131/06, OLGReport Hamm 2008, 6 = ZWE 2007, 491.

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Teil 8 Rz. 8.31

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

wird unterstrichen durch die Aufnahme in den unverzichtbaren Aufgabenkatalog des Verwalters, § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und Abs. 4 WEG.

8.32 Problematische Sach- und Rechtslagen können sich ergeben, – wenn der aktuelle Bestand Mängel aufweist, – wenn es zu Schäden am Gemeinschafts- oder Sondereigentum gekommen ist, – wenn der derzeitige Bestand als veraltet anzusehen ist und modernisiert werden muss, – wenn abweichend vom bisherigen Bestand etwas Neues errichtet werden soll.

8.33 Das von der Eigentümergemeinschaft in einem ordnungsmäßigen Zustand gehaltene gemeinschaftliche Eigentum schafft den Rahmen und die Bestandsgrundlage für das jeweilige Sondereigentum. Dieses hat grundsätzlich jeder Eigentümer selbst gemäß § 14 Nr. 1 WEG instand zu halten und instand zu setzen.

8.34 Instandhaltung und Instandsetzung gehören nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG zu einer dem Interesse aller Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung. Hierauf hat jeder Eigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch. Die Eigentümer haben das Erforderliche gemäß § 21 Abs. 3 WEG durch Stimmenmehrheit zu beschließen.26

8.35 Der Unterscheidung zwischen Instandhaltung und Instandsetzung wird in der Praxis dann kaum Bedeutung beigemessen, wenn die Rechtsfolgen identisch sind.27 Allerdings kann ihr im Fall der Zerstörung von Teilen oder der gesamten Wohnungseigentumsanlage beispielsweise durch Brand oder Naturkatastrophen wie Sturm, Überschwemmung und Erdrutsch erhebliche Bedeutung zukommen. So wird der instandsetzende Wiederaufbau in § 22 Abs. 4 WEG besonders geregelt. Zudem gibt es Vereinbarungen, die hier genau unterscheiden und Maßnahmen der Instandhaltung, wie Reparaturen und Anstricharbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum, abweichend von den gesetzlichen Vorgaben in die Pflicht des Sondereigentümers verweisen, während Maßnahmen der Instandsetzung, wie etwa die Erneuerung von Fenstern und Türen, in der Verantwortung der Gemeinschaft bleiben. In diesen Fällen wird die Unterscheidung bedeutsam und ist zu beachten.

8.36 Bei der Instandhaltung und Instandsetzung kann grundsätzlich nur der ursprüngliche Zustand nach Erstherstellung konserviert, also der ursprüngliche Bestand erhalten werden. Dabei besteht die Gefahr, dass die technischen Einrichtungen oder die Optik eines Anwesens den Anschluss an die veränderten Vorstellungen und Bedürfnisse der Bewohner und Eigentümer verlieren. Deswegen gehört es mit zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung gemäß § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG, über die Konservierung hinauszugehen, wenn dadurch den technischen Entwicklungen oder den Anforderungen geänderter Vorschriften Rechnung getragen wird.28 Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 3 WEG, wonach auch modernisierende Instandsetzungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können.

8.37 Wurde nichts Abweichendes vereinbart, können Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung durch einfache Stimmenmehrheit beschlossen werden. Die Beschlüsse werden 26 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, WE 1999, 68 = NZM 1999, 131 = FGPrax 1999, 16 = ZMR 1999, 207. 27 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NJW 1999, 2108 = ZWE 2000, 23. 28 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 123.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.38 Teil 8

nach Ablauf der Anfechtungsfrist von einem Monat gemäß § 46 WEG bestandskräftig. Wurde ein solcher Beschluss angefochten, ist er solange gültig und vom Verwalter im Zweifel durchzuführen,29 bis er durch Urteil für ungültig erklärt wird, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Um dennoch Vorhaltungen einzelner Eigentümer zu entgehen, kann sich der Verwalter mit der Beschlussfassung ausdrücklich anweisen lassen, den Beschluss trotz einer gerichtlichen Anfechtung sofort zu vollziehen oder dessen Bestandskraft (ohne Anfechtung) oder dessen Rechtskraft (nach Anfechtung) abzuwarten.30 Typische Konfliktfelder im Bereich der Instandhaltung oder Instandsetzung oder der modernisierende Instandsetzung sind ausweislich der Rechtsprechung: – Energetische Sanierungsmaßnahmen,31 – Gesundheitsgefährdung bei der Fassadensanierung durch Verwendung von Chemie,32 – Dämmung der kompletten Hausfassade zur Vermeidung weiterer Feuchtigkeitsschäden,33 Umfang einer Fassadensanierung,34 Erneuerung einer Fassadenverkleidung,35 – Dachsanierung,36 Beseitigung von Dachschäden,37 – Erneuerung von Fenstern,38 – Austausch einer Ölheizung gegen Fernwärme,39 – Sanierung von Feuchtigkeitsschäden,40 – Veränderung von Dachterrassen41 und Feuchtigkeitsschäden an Dachterrassen aufgrund von Planungs- und Ausführungsfehlern,42

29 LG Frankfurt, Urt. v. 17.3.2010 – 2/13 S 32/09, ZMR 2010, 787 = NJW-RR 2010, 1528 = NZM 2010, 870. 30 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 21. 31 LG Köln, Beschl. v. 12.4.2010 – 29 T 72/09, ZMR 2010, 793 = ZWE 2011, 50. 32 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2007 – 2 Wx 75/06, ZMR 2007, 476 = WE 2007, 272. 33 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2010 – 20 W 138/08, NZM 2011, 37 = NJW-RR 2011, 160. 34 LG Berlin, Urt. v. 16.6.2017 – 55 S 76/15 WEG = BeckRS 2017, 135332; OLG München, Beschl. v. 27.9.2006 – 34 Wx 059/06, ZMR 2007, 557. 35 BayObLG, Beschl. v. 25.9.2001 – 2Z BR 95/01, NZM 2002, 75 = ZMR 2002, 209; OLG Hamm, Beschl. v. 18.9.2006 – 15 W 88/06, OLGReport Hamm 2007, 430 = ZMR 2007, 131; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.2007 – 3 Wx 54/07, NJW-RR 2008, 169 = NZM 2007, 930. 36 OLG München, Beschl. v. 28.11.2008 – 34 Wx 78/07, NZM 2009, 132 = ZMR 2009, 312. 37 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NJW 1999, 2108 = WM 1999, 1717 = BauR 1999, 1032 = ZWE 2000, 23. 38 OLG Köln, Beschl. v. 14.4.1997 – 16 Wx 89/97, WuM 1997, 455 = ZMR 1998, 49. 39 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.10.1997 – 3 Wx 352/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 95 = WuM 1998, 114 = ZMR 1998, 185 = FGPrax 1998, 49 = WE 1998, 188; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2005 – 2 Wx 18/04, OLGReport Hamburg 2005, 633 = ZMR 2005, 803 = NZM 2006, 27. 40 BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = ZWE 2001, 366. 41 BGH, Urt. v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696 = WuM 2017, 298 = NJW 2017, 2184; AG Kassel, Urt. v. 15.11.2018 – 800 C 3071/18, ZMR 2019, 305 = BeckRS 2018, 31355. 42 LG Berlin, Urt. v. 30.11.2010 – 55 S 119/10 WEG, Grundeigentum 2011, 137.

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8.38

Teil 8 Rz. 8.38

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

– Sanierung von Balkonschäden,43 – Veränderung der Schallisolierung eines Sondereigentums,44 – Betrieb eines Klimagerätes,45 – Fällen von Bäumen,46 – Beschneiden von Hausbewuchs (Weinlaub),47

8.39 Die Kosten für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung sind nach § 16 Abs. 2 WEG auf die Miteigentümer umzulegen, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Eine von § 16 Abs. 2 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Beschlussfassung ist nach § 16 Abs. 4 WEG seit der WEG-Novelle unter besonderen Voraussetzungen möglich. Vorher war ein solcher Beschluss stets nichtig, wenn damit beabsichtigt wurde, für die Zukunft in allgemein verbindlicher Form (normativ) die Kostenverteilung zu regeln. Dies gilt grundsätzlich weiter, wenn eine allgemeine Kostenregelung für solche Maßnahmen gesucht wird, weil die Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 4 WEG nur gestattet, im Einzelfall eine Kostenregelung herbeizuführen.

8.40 Ein Mehrheitsbeschluss im Einzelfall bedarf der Zustimmung von 3/4 aller stimmberechtigten Eigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Eine Kostenregelung durch einfachen Mehrheitsbeschluss für eine einzelne Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung, die von den gesetzlichen Vorgaben oder von der vereinbarten Kostenregelung abweicht, ist rechtswidrig, sie wird aber bestandskräftig, wenn der Beschluss nicht innerhalb eines Monats gemäß § 46 WEG einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt wird.48 Die Beschlusskompetenz wurde den Eigentümern zugewiesen. Ein Fehler bei der Beschlussfassung macht den Mehrheitsbeschluss anfechtbar, aber nicht nichtig.49

8.41 Eine bereits in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Verlagerung der Instandhaltungspflichten und der damit verbundenen Kosten für Teile des gemeinschaftlichen Eigentums auf die jeweiligen Sondereigentümer, die das gemeinschaftliche Eigentum ausschließlich nutzen,

43 KG, Beschl. v. 15.11.2000 – 24 W 6514/99, KGR Berlin 2001, 195 = FGPrax 2001, 100 = ZWE 2001, 331; OLG München, Beschl. v. 30.1.2007 – 34 Wx 116/06, OLGReport München 2007, 331 = NZM 2007, 369. 44 BGH, Urt. v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657 = WuM 2018, 384 = NJW 2018, 2123; KG Berlin, Beschl. v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, KGR Berlin 2007, 669 = ZMR 2007, 639 = NZM 2007, 845. 45 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2009 – 3 Wx 179/09, ZWE 2010, 92 = ZMR 2010, 385. 46 BayObLG, Beschl. v. 21.2.2001 – 2Z BR 142/00, BayObLGR 2001, 35 = Grundeigentum 2001, 703 = WuM 2001, 299 = ZMR 2001, 565; G Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 3.5.2007 – 2 W 25/07, OLGReport Schleswig 2007, 881 = WuM 2007, 587. 47 Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.10.1997 – 5 W 60/97, ZMR 1998, 50 = WE 1998, 69 = FGPrax 1998, 18. 48 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = WM 2000, 2350 = ZWE 2000, 518. 49 Hügel, Das neue WEG-Recht, § 5 Rz. 78; Elzer in Riecke/Schmid, § 16 WEG Rz. 109 ff. Allerdings wendet sich dort in Rz. 110 gegen die zitierte h.M. und geht im Ergebnis wohl von der Nichtigkeit einer solchen Beschlussfeststellung aus.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.45 Teil 8

ist nicht selten und zulässig,50 z.B. für Fenster, einschließlich deren Verglasung.51 Nach § 16 Abs. 4 WEG kann sowohl ein vereinbarter wie auch der gesetzliche Verteilungsschlüssel im Einzelfall verändert werden. Dies hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 5 WEG vorgesehen. Wurde die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung in der Gemeinschaftsordnung auf einzelne Wohnungseigentümer übertragen, bedeutet dies im Zweifel auch, dass die Kostentragung abgewälzt wurde.52 Allerdings wurde der Anwendungsbereich durch den BGH53 außerhalb der Gemeinschaftsordnung stark eingeschränkt. Ein Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG muss den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügen. Daran fehlt es, wenn die für den Einzelfall beschlossene Änderung des Kostenverteilungsschlüssels einen Anspruch der betroffenen Eigentümer auf Gleichbehandlung in künftigen Fällen auslöst und so den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unterläuft. Ein solcher Verstoß führt zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses.

8.42

Kostenverlagerungen werden häufig versucht. Teilweise werden Teile des gemeinschaftlichen Eigentums dem Sondereigentum nur deswegen zugeordnet, damit die Kosten daran dieser Zuordnung folgen. Diese Zuordnung zum Sondereigentum und damit wohl auch die Regelung zur Tragung der Kosten ist unzulässig, soweit es sich nach § 5 Abs. 2 WEG um zwingende Bestandteile des Gemeinschaftseigentums handelt. Misslingt diese Zuordnung, weil die Bauteile zwingend zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, lässt zwar ein Teil der Rechtsprechung die Auslegung zu, dass zwar die Zuordnung zum Sondereigentum gescheitert ist, aber die gewollte Kostenzuordnung gelten soll,54 dies erscheint jedoch zweifelhaft.55

8.43

Ein vereinbarter oder ein beschlossener Kostenverteilungsschlüssel muss eindeutig sein. Die häufiger in Gemeinschaftsordnungen vorzufindende Formulierung, dass „die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die Betriebskosten von den Hausteilen, Anlagen und Einrichtungen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, deren Nutzung jedoch nur einem oder einer bestimmten Anzahl von Wohnungseigentümern zusteht, den Nutzungsberechtigten obliegt“, verpflichtet nur die Sondernutzungsberechtigten, nicht aber auch Sondereigentümer,56 da diese nicht ausdrücklich erwähnt werden.

8.44

Bei Mehrhausanlagen unterscheiden sich die Instandhaltungspflichten grundsätzlich nicht von den Anlagen mit nur einem Gebäude. Wird allerdings in einer Vereinbarung (z.B. Gemeinschaftsordnung) die Pflicht zur Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums blockweise zugeordnet, wird hierdurch vom gesetzlichen Kostenverteilungsmodell abgewichen. Die Beschlusskompetenz für derartige Maßnahmen liegt dann nur noch bei den Eigentümern des betroffenen Gebäudes. Davon abweichende Beschlüsse, wenn also auch Eigentümer von anderen Blöcken einen Mehrheitsbeschluss herbeigeführt haben, sind anfechtbar,

8.45

50 BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = ZWE 2017, 180 = BeckRS 2016, 115082. 51 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.5.2000 – 3 Wx 80/00, ZMR 2001, 214. 52 BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = ZWE 2017, 180 = BeckRS 2016, 115082. 53 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = NJW 2010, 2513 = NZM 2010, 584 = ZMR 2010, 866. 54 BayObLG, Beschl. v. 4.9.2003 – 2 Z BR 145/03, ZfIR 2004, 23. 55 einschränkend: AG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2003 – 102a II 287/03 WEG, ZMR 2004, 221; ablehnend wohl: OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2008 – 16 Wx 289/07, ZMR 2008, 815. 56 BayObLG, Beschl. v. 16.10.1997 – 2Z BR 106/97, WE 1998, 355.

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Teil 8 Rz. 8.45

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

nicht nichtig. Ein solcher bestandskräftiger Beschluss erzeugt gemäß § 10 Abs. 5 WEG Bindungswirkung für alle Miteigentümer. Haben z.B. alle Eigentümer über den Abschluss eines Wartungsvertrages für einen Aufzug in nur einem Gebäude mehrheitlich abgestimmt und wurde dieser Beschluss bestandskräftig und vollzogen, sind auch alle Eigentümer in die Pflichten dieses Wartungsvertrages eingebunden. Der Vertrag kann deshalb nur von allen Eigentümern wieder gekündigt werden.57 In einer Mehrhausanlage können auch durch einen Beschluss mit doppelt qualifizierter Mehrheit nach § 16 Abs. 4 WEG den Eigentümern eines Blockes Kosten nicht zugewiesen werden, die im Einzelfall dort für eine Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung entstehen. Die für den Einzelfall beschlossene Änderung des Kostenverteilungsschlüssels könnte einen Anspruch der betroffenen Eigentümer auf Gleichbehandlung in künftigen Fällen auslösen und so den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unterlaufen. Der Beschluss ist anfechtbar.58

8.46 Bei Instandhaltungen in der Mehrhausanlage ergeben sich andere Probleme und typische Gefahren, die es zu bewältigen gilt: Gerade dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung die einzelnen Häuser – soweit möglich – eigenständige Wirtschaftseinheiten sein sollen und wenn die dortigen Eigentümer eigenständig entscheiden, dass, ob und wann eine Maßnahme durchgeführt werden soll, muss bei der Durchführung des Beschlusses sichergestellt werden, dass die Kosten auch nur von den Eigentümern dieses Hauses getragen werden.

8.47 Grundsätze: – Abstimmen dürfen nur die Eigentümer dieser Teilgemeinschaft, es haben aber alle Eigentümer ein Anwesenheits- und Rederecht.59 Diese haben auch ein Anfechtungsrecht gegen alle übrigen Eigentümer,60 weil die Auswirkungen alle Eigentümer betreffen können. Deswegen sind auch alle Eigentümer einzuladen. – Der Beschluss ist nach § 27 Abs. 4 und Abs. 1 WEG (zwingend) vom Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums durchzuführen. – Auftraggeber ist der Verband. Dieser wird Vertragspartner des Unternehmers und Schuldner der Rechnung. – Der Verwalter muss bei der Beschlussfassung dafür sorgen, dass eine Haftung des Verbandes, z.B. aus den Rücklagen, unterbleibt. Auch darf es nicht zu einer anteiligen Haftung der übrigen Eigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG kommen. Dies kann z.B. dadurch gesichert werden, dass in den Beschluss der Teileigentümergemeinschaft aufgenommen wird, den Beschluss erst zu vollziehen, wenn alle Eigentümer dieser Teilgemeinschaft ihren finanziellen Anteil eingezahlt haben. – Über eine Delegiertenversammlung mit „Abgeordneten“ aus allen Gemeinschaften kann keine wirksame Beschlussfassung erfolgen, selbst wenn dies in der Gemeinschaftsordnung

57 BayObLG, Beschl. v. 25.5.2000 – 2Z BR 16/00, NZM 2000, 1021 = ZWE 2000, 523. 58 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = NJW 2010, 2513 = NZM 2010, 584 = ZMR 2010, 866 = MietRB 2010, 266. 59 AG Heidelberg, Urt. v. 9.4.2009 – 45 C 73/08, ZWE 2009, 266 = ZMR 2011, 72; a.A. LG Köln, Urt. v. 26.9.2011 – 29 S 63/09, ZWE 2010, 278. 60 Zu weitgehend und missverständlich: LG München, Urt. v. 20.12.2010 – 1 S 8436/10, NJW-RR 2011, 448 = ZWE 2011, 184 = ZMR 2011, 413, das eine Beschlussanfechtung nur gegen die Eigentümer der Untergemeinschaft zulässt. Zutreffend: LG München, Urt. v. 31.1.2011 – 1 S 15378/10, ZfIR 2011, 364 = ZMR 2011, 511 = ZWE 2011, 277 ff.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.51 Teil 8

so vereinbart wurde, weil damit die Ausübung wesentlicher Rechte der übrigen Eigentümer verhindert wird.61 3. Instandsetzung Wie ausgeführt versteht man unter der Instandsetzung die erneute Herstellung eines zuvor 8.48 nicht mehr ordnungsmäßigen Zustandes. Instandsetzung heißt grundsätzlich nur Reproduktion.62 Der wohl gravierendste Fall der Instandsetzung ist der des Wiederaufbaus nach der vollständi- 8.49 gen Zerstörung der Wohnungseigentumsanlage. Hier sieht § 22 Abs. 4 WEG eine Verpflichtung der Gemeinschaft zum Wiederaufbau der Anlage vor. § 22 Abs. 4 WEG gewährt wiederum einen individuellen Anspruch der Eigentümer gegen den Verband. Dieser ist im Interesse der Eigentümer am Fortbestand ihrer Investitionen in die Wohnungseigentumsanlage begründet. Der einzelne Eigentümer soll sich gerade im Fall der größten Krise der Wohnungseigentümergemeinschaft auf deren Fortbestand und den Neuaufbau verlassen können. Dieser Gedanke ist auch Ausfluss der Regelung des § 11 WEG, wonach die Gemeinschaft grundsätzlich unauflösbar sein soll. Gleichwohl sieht das Gesetz in § 22 Abs. 4 WEG für den Fall, dass das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört wurde und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in sonstiger Weise gedeckt ist, eine Grenze des Wiederaufbaus und damit des Fortführungsprinzips vor. In einem solchen Fall kann nämlich der Wiederaufbau weder gemäß § 21 Abs. 3 WEG beschlossen noch gemäß § 21 Abs. 4 verlangt werden. Zur Bewertung des Umfangs der Zerstörung ist der Gebäudewert einschließlich der Nebengebäude vor und nach dem Schadensereignis gegenüberzustellen.63 Hierzu bedarf es regelmäßig der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8.50

Selbst bei einer Zerstörung der Wohnanlage von mehr als der Hälfte besteht die Verpflichtung zum Wiederaufbau, wenn die Kosten hierfür durch eine Versicherung oder auf andere Weise gedeckt sind, § 22 Abs. 4 WEG. Ersatzansprüche, die tatsächlich nicht realisiert werden können, bleiben hierbei außer Betracht. Kommt ein Wiederaufbau danach nicht in Betracht, ist die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 WEG aufzuheben. Da es ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ein Objekt hinreichend zu versichern und beide Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 WEG kumulativ vorliegen müssen, dürfte der Regelung des § 22 Abs. 4 WEG in diesem Punkt meist lediglich hypothetische Bedeutung zukommen. Abgesehen vom Fall der vollständigen oder weitgehenden Zerstörung der WEG im Sinne des § 22 Abs. 4 WEG umfasst die Instandsetzung alle anderen Fälle der Wiederherstellung eines (zuvor nicht mehr) ordnungsmäßigen Zustandes. Maßnahmen der Instandsetzung führen oft zu hohen Kosten, sind aber wie Maßnahmen der Instandhaltung wesentliche Pflichten der Gemeinschaft und werden vom Gesetz daher ebenfalls in § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG als Maßnah61 LG München, Urt. v. 9.12.2010 – 36 S 1362/10, NJW-RR 2011, 375 = NZM 2011, 249 = ZMR 2011, 415. 62 AG Charlottenburg, Urt. v. 23.10.2013 – 73 C 72/13, IMR 2014, 2390. 63 KG, Beschluss v. 20.6.1997 – 24 W 9042/96, ZMR 1997, 534; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss v. 6.8.1997 – 2 W 89/97, NJW-RR 1998, 15.

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8.51

Teil 8 Rz. 8.51

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

men ordnungsmäßiger Verwaltung aufgezählt. Die Bedeutung wird wiederrum unterstrichen durch die Aufnahme in den unverzichtbaren Aufgabenkatalog des Verwalters, § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und Abs. 4 WEG.

8.52 Wie der Anspruch auf Erstherstellung kann auch der Anspruch auf Instandsetzung als Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht verjähren.64 Eine Opfergrenze aus § 275 Abs. 2 BGB kann nicht eingewandt werden.65 Allenfalls kann diese aus § 242 BGB resultieren.66

8.53 Aufgrund der ansonsten weitgehend gleichgelagerten Rechtslage bei Instandhaltungsmaßnahmen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen unter Rz. 8.29 ff. verwiesen werden. 4. Modernisierende Instandsetzung

8.54 Von einer modernisierenden Instandsetzung spricht man, wenn im Zuge einer notwendigen Instandsetzung anstelle einer veralteten Einrichtung eine technisch verbesserte Einrichtung eingebaut wird. Eine eindeutige Definition gibt weder das Gesetz noch die Rechtsprechung,67 die ursprünglich den Begriff geschaffen und den das Gesetz später in § 22 Abs. 3 WEG klarstellend übernommen hat. Beschrieben wurden damit durch die Rechtsprechung Maßnahmen, die eigentlich bauliche Veränderungen darstellen.

8.55 Sie sollten ermöglicht werden, ohne dass eine Minderheit sie verhindern kann, weil sie nämlich keinen Nachteil erzeugen. Das BayObLG hat im Einbau von „Rauchgasklappen“ keinen Nachteil für die nicht zustimmenden Eigentümer gesehen und zugleich wegen der Energieeinsparung einen Vorteil aller Eigentümer68 bejaht. Deswegen wurde statt einer baulichen Veränderung eine besondere Art der Instandhaltung und Instandsetzung angenommen, die mehrheitlich beschlossen werden kann. Eine solche Maßnahme setzt voraus, dass sie wirtschaftlich sinnvoll ist69 und der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen steht.70 Die modernisierende Instandsetzung erfordert Handlungsbedarf. Teilweise wird ein schwerwiegender Mangel im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums als notwendig angesehen.71

8.56 Der Anwendungsbereich ist erst eröffnet, wenn im Einzelfall etwas getan werden muss, um einen mangelhaft gewordenen Zustand in Ordnung zu bringen oder einen drohenden Ausfall zu vermeiden. Dann kann auch der technische Fortschritt mit einbezogen werden. Dies hat teilweise erhebliche Konsequenzen, wie bei der Umstellung einer altersschwachen Ölheizung auf andere Energieträger.72 64 65 66 67 68 69 70 71 72

BGH, Urt. v. 27.4.2012 – 177/11, MDR 2012, 834 = ZWE 2012, 325 = ZMR 2012, 713. BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 = MDR 2015, 16 = ZWE 2015, 88. BGH, Urt. v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 = NJW 2016, 132. Rechtsprechungsbeispiele bei Merle in Bärmann, § 21 Rz. 125. BayObLG, Beschl. v. 11.12.1980 – 2 Z 74/79, ZMR 1981, 285 = NJW 1981, 690 = Wohnungseigentümer 1981, 93. LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.2007 – 3 Wx 54/07, NJW-RR 2008, 169 = NZM 2007, 930. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 8.12.2006 – 2 W 111/06, OLGReport Schleswig 2007, 393 = ZMR 2007, 562 = NJW-RR 2007, 1093. Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2005 – 2 Wx 18/04, OLGReport Hamburg 2005, 633 = ZMR 2005, 803 = NZM 2006, 27.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.62 Teil 8

Entspricht der bauliche Zustand nicht dem heutigen baulichen Standard, aber dem zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnanlage, besteht kein Anspruch auf modernisierende Instandsetzung, wenn Nachteile ohne die Maßnahme nicht vorhanden sind oder wenn wirtschaftliche Gründe dagegen sprechen.73 Entscheidungen hierzu ergingen zum Zustand einer Hausfassade, haben aber trotz Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung (EnEV)74 und der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) noch Gültigkeit.75

8.57

Auch im Bereich des Schallschutzes kann eine technische Nachrüstung nur im Einzelfall eingefordert werden.76 Die modernisierende Instandsetzung wird gemäß § 22 Abs. 3 WEG wie eine Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung behandelt. Zu unterscheiden ist die modernisierende Instandsetzung von der „Modernisierung“ und der „Anpassung an den Stand der Technik“. Solche Maßnahmen sind „bauliche Veränderungen“ besonderer Art. Sie setzen keinen Handlungsbedarf voraus.

8.58

Bauliche Veränderungen können nach § 22 Abs. 1 WEG verlangt und beschlossen werden. 8.59 Dann ist auch die Zustimmung der nachteilig betroffenen Eigentümer nötig.77 Alternativ können die Eigentümer zu Maßnahmen der Modernisierung oder Anpassung an den Stand der Technik nach § 22 Abs. 2 WEG einen doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschluss herbeiführen und so die Blockade einer Minderheit überwinden, die nicht zustimmen will. Führt eine „modernisierende Instandsetzung“ zu einer deutlichen Veränderung im Aussehen oder in der Funktionalität, kann eine „bauliche Veränderung“ gemäß § 22 Abs. 1 WEG vorliegen. Diese kann zwar auch verlangt und mehrheitlich beschlossen werden, bedarf aber zusätzlich der Zustimmung aller Eigentümer, die durch die Maßnahme nachteilig betroffen werden.

8.60

Nach dem Abriss baufälliger Balkone sind um 83 % größere, neue Balkone keine modernisierende Instandsetzung mehr, sondern eine bauliche Veränderung.78 Beschlüsse hierüber werden bestandskräftig, wenn sie nicht rechtzeitig gerichtlich gemäß § 46 und § 43 Nr. 4 WEG mit dem Ziel angefochten werden, sie für ungültig erklären zu lassen.79 Eine fehlende Zustimmung wird (nach h.M.) durch die Bestandskraft eines Beschlusses ersetzt.80

8.61

Durch die Regelung in § 22 Abs. 3 WEG ist die Zuordnungsproblematik nicht vollständig aufgehoben worden. Dort wird nur klargestellt, wie Maßnahmen der „modernisierenden Instandsetzung“ zu behandeln sind. Es bleibt offen, welche Maßnahmen zu § 21 Abs. 4 und wel-

8.62

73 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1998 – 2 Wx 61/95, WuM 1999, 55 = WE 1999, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.2007 – 3 Wx 54/07, NJW-RR 2008, 169 = NZM 2007, 930. 74 Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden v. 24.7.2007, BGBl. I, S. 954. 75 BayObLG, Beschl. v. 11.2.2005 – 2Z BR 177/04, BayObLGR 2005, 266. 76 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 21.12.1998 – 2 W 100/98, WuM 1999, 180 = ZfIR 1999, 378. 77 Armbrüster, ZWE 2008, 61 ff. 78 AG Düsseldorf, Beschl. v. 29.5.2007 – ZMR 2008, 249. 79 OLG Köln, Beschl. v. 12.1.2001 – 16 Wx 156/00, OLGReport Köln 2001, 341 = NZM 2001, 293 = NJW-RR 2001, 1096 = ZMR 2001, 474. 80 Hogenschurz in Jennißen, § 22 WEG Rz. 16; OLG München, Beschl. v. 16.11.2007 – 32 Wx 111/07, ZMR 2008, 234.

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Teil 8 Rz. 8.62

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

che zu § 22 Abs. 1 und 2 WEG gehören. Häufig wird umstritten bleiben, ob eine Maßnahme eindeutig noch in den Bereich der Instandhaltung oder Instandsetzung, der modernisierenden Instandsetzung oder schon in den Bereich der baulichen Veränderung gehört. Bei derartigen Maßnahmen entsteht ein für Wohnungseigentum typisches Spannungsfeld zwischen „Wollen“ und „Dürfen“.81

8.63 Um die Vielzahl der Möglichkeiten einigermaßen zu erfassen, wurden in der Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die in der Art eines Fragenkataloges für eine bestimmte Maßnahme abgearbeitet werden können. Werden alle Fragestellungen positiv beantwortet, ist davon auszugehen, dass eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG vorliegt und keine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG.

8.64 Fragenkatalog: – Sind der grundsätzliche Bestand und die Benutzbarkeit in der bisherigen Form sichergestellt? – Ist die Maßnahme erforderlich, um einen Mangel zu beseitigen, durch den ordnungsgemäße Nutzung oder Gebrauch des Sondereigentums oder des gemeinschaftlichen Eigentums beeinträchtigt werden? – Steht der wirtschaftliche Aufwand in vertretbarem Verhältnis zum Erfolg und ist die Finanzierung gesichert? – Werden mit der Maßnahme bestehende oder erkennbar kommende gesetzliche oder behördliche Auflagen eingehalten oder erfüllt? – Ist eine dauerhafte störende Einwirkung der Maßnahme auf das Gemeinschaftseigentum, auf das Sondereigentum und auf die Gesundheit der Miteigentümer ausgeschlossen? a) Herstellung eines zeitgemäßen Zustands

8.65 Durch die Weiterentwicklung des technischen Fortschritts und ein geändertes ästhetische Empfinden geschieht es im Laufe der Zeit, dass technische Einrichtungen und äußeres Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage nicht mehr zeitgemäß und damit auch unattraktiv erscheinen. Hier stellt sich dann die Frage, inwieweit die Eigentümergemeinschaft in der Lage ist, die technischen Einrichtungen und das äußere Erscheinungsbild der Anlage in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen. Dies gilt gerade dann, wenn kein Reparaturbedarf besteht.

8.66 Neben der „Modernisierung“ bezeichnet § 22 Abs. 2 WEG deswegen auch die Anpassung an den „Stand der Technik“ als eine besondere Art der baulichen Veränderung, die mit Zustimmung der betroffenen Eigentümer nach § 22 Abs. 1 WEG oder ohne deren Zustimmung, aber mit besonders qualifiziertem Beschluss nach § 22 Abs. 2 WEG geregelt werden kann.

8.67 Der Ersatz einer älteren und reparaturbedürftigen Gemeinschaftsantennenanlage durch einen Anschluss an das Breitbandkabelnetz ist ein Beispiel typischer modernisierender Instandset-

81 Drabek, ZWE 2000, 470.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.72 Teil 8

zung, über die Wohnungseigentümer durch einfachen Mehrheitsbeschluss entscheiden können.82 Wenn eine noch funktionierende technische Einrichtung beibehalten aber ergänzt oder erwei- 8.68 tert werden soll, kann dies über die Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen. Es liegt dann eine bauliche Veränderung vor, die aber – je nach Aufstellungsort- nicht unbedingt eine Beeinträchtigung der anderen Miteigentümer darstellen muss. Es ist denkbar, dass die Rechte der anderen Miteigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.83 Dann ist wegen § 22 Abs. 1 S. 2 WEG gar keine Zustimmung nötig. Liegt eine (z.B. optische) Beeinträchtigung vor, führt ein Beschluss nach § 22 Abs. 1 WEG und die Zustimmung der Eigentümer zur erforderlichen Rechtssicherheit. Alternativ bietet § 22 Abs. 2 WEG einen Weg zum gleichen Ziel mittels eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses. Beide Wege sind alles andere als unproblematisch, was durchaus der Intention des Gesetzgebers entspricht, weil das individuelle Vertrauen eines jeden Eigentümers auf den Bestand über § 11 WEG gesetzlich abgesichert ist und nicht verloren gehen soll. Zur modernisierenden Instandsetzung einer maroden Anlage kann der Einbau von Dachflächenfenstern84 oder die Erneuerung85 oder Umstellung einer Heizung von Öl auf Gas86 gehören, ebenso eine Balkonsanierung nach aktuellem Standard.87 Gerade bei erheblichen Abweichungen vom Stand der Technik besteht ein individueller Anspruch der Miteigentümer, neue Techniken und Erkenntnisse einzusetzen, solange nicht deutliche Amortisationsgesichtspunkte entgegenstehen.88

8.69

Geforderte modernisierende Instandsetzungsmaßnahmen können jedoch aus wirtschaftlichen Gründen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen,89 wenn sie zwar dem aktuellen Stand der Technik entsprächen wirtschaftlich jedoch keinen relevanten Nutzen versprechen. Entschieden wurde dies beispielsweise für eine Giebelnordwand die dem im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen baulichen Standard entsprach, bei der eine heutigen DIN-Vorschriften entsprechende Wärmedämmung jedoch unwirtschaftlich wäre. Anders wäre dies, wenn ein konkreter, auf ungenügender Wärmedämmung beruhender Nachteil des jetzigen Zustandes für einen einzelnen Wohnungseigentümer nachweisbar wäre.

8.70

Werden technische Einrichtungen völlig neu angeschafft, stellt dies oft bauliche Veränderungen dar. So beim Fensteraustausch in einer Wohnungseigentumsanlage, bei der erstmals Außenjalousien angebracht werden. Diese sind keine modernisierende Instandsetzung i.S.d. § 22 Abs. 3 WEG, sondern eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG, der alle Eigentümer zustimmen müssen.90

8.71

Die Streitfragen, was noch im Rahmen des § 21 Abs. 4 und 5 WEG beschlossen werden 8.72 kann und was als bauliche Veränderung der Zustimmung aller betroffener Eigentümer be82 83 84 85 86 87 88

LG Berlin, Beschl. v. 13.7.2001 – 85 T 42/01 WEG, ZMR 2002, 160. AG Nürnberg, Beschl. v. 14.12.2000 – 1 UR II 243/00 WEG, ZMR 2001, 749. LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, ZWE 2011, 394 = NZM 2011, 750. LG Köln, Urt. v. 26.11.2009 – 29 S 63/09, ZWE 2010, 278. BayObLG, Beschl. v. 17.6.1999 – 2Z BR 19/99, NZM 1999, 910. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 21.12.1998 – 2 W 100/98, WuM 1999, 180 = FGPrax 1999, 51 = ZfIR 1999, 378. 89 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1998 – 2 Wx 61/95, WuM 1999, 55 = WE 1999, 109. 90 LG Bamberg, Urt. v. 11.11.2009 – 2 S 3/09 WEG, InfoM 2010, 392.

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Teil 8 Rz. 8.72

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

darf, sind über § 22 Abs. 2 WEG regelbar. Auch wenn der aktuelle Handlungsbedarf deutlich überschritten werden soll, kann diese Anpassung „an den Stand der Technik“, was einem mittleren Niveau entspricht, beschlossen werden. Allerdings nur, wenn drei Viertel aller stimmberechtigten Eigentümer und mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile zustimmen. b) Erfüllung geänderter öffentlich-rechtlicher Anforderungen

8.73 Nahezu unablässig werden vom Gesetz- und Verordnungsgeber neue technische Anforderungen in Bezug auf Umweltschutz, Energieeinsparung, Wasser- und Brandschutz etc. definiert und eingeführt.

8.74 Soweit baurechtliche Vorschriften aufgrund bestehenden Bestandschutzes keine Umsetzung der neuen Standards verlangen, ist der Handlungsdruck der Eigentümergemeinschaft überschaubar. Sind öffentlich-rechtliche Anforderungen jedoch zwingend umzusetzen, muss dies in jedem Fall geschehen.

8.75 Die in Betracht kommenden Themenbereiche können an dieser Stelle nicht abschließend, sondern nur exemplarisch beleuchtet werden. Hierzu gehören unter anderem folgende Bereiche:

8.76 Beispiele: – die erhöhte Isolierung im Bereich der Fassaden und der Fenster nach der (früheren) Wärmeschutzverordnung, ersetzt durch die Energieeinsparungsverordnung (EnEV), mit aktuellen Fassungen und Erweiterungen – Steuerungen durch Außenfühler, Thermostatventile, Messgeräte zur Kostenverteilung der anfallenden Wärme nach der (früheren) Heizungsanlagenverordnung, ersetzt durch die Energieeinsparungsverordnung (EnEV) – die Einhaltung der Vorgaben der Trinkwasserverordnung (TrinkwV), geltend seit 1.11.2011 in aktueller Fassung – Einhaltung der herabgesetzten Werte nach der KleinfeuerungsanlagenVO – Zusatzeinrichtungen wie gedämmte Rohrleitungen – die Einrichtung von behördlich vorgegebenen Brandschutzmaßnahmen91 – Sicherheitstüren nach der Aufzugsverordnung – der Einbau von Kaltwasserzählern, soweit landesrechtlich vorgeschrieben

8.77 Soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften bauliche Maßnahmen durchgeführt werden müssen, können diese nicht als „bauliche Veränderung“ i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG angesehen werden.92 Es handelt sich vielmehr um Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung, die von jedem Eigentümer gemäß § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG verlangt und gemäß § 21 Abs. 3 WEG mehrheitlich beschlossen werden können. Die Eigentümer sind verpflichtet, die Kosten anteilig gemäß § 16 Abs. 2 WEG oder nach dem für solche Maßnahmen vereinbarten oder nach § 16 Abs. 3 WEG generell beschlossenen oder einem nach § 16 Abs. 4 WEG für den Einzelfall beschlossenen Kostenschlüssel zu tragen.

91 OLG Köln, Beschl. v. 6.8.2004 – 16 Wx 81/04, ZMR 2005, 403. 92 LG Wuppertal, Beschl. v. 3.3.2006 – 10 T 113/04, 10 T 121/04, ZMR 2006, 725; OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2004 – 15 W 107/04, OLGReport Hamm 2005, 463 = ZMR 2005, 806.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.82 Teil 8

5. Abgrenzung zur baulichen Veränderung Während die Ersterstellung die Errichtung der Wohnungseigentumsanlage entsprechend der Pläne, die Instandhaltung, die Aufrechterhaltung des Status quo und die Instandsetzung die Beseitigung von Schäden zur Wiederherstellung eben dieses Status garantiert, hat die bauliche Veränderung wie ihr Name bereits sagt, die Veränderung des bisher plangemäßen Zustandes zum Ziel.

8.78

Bauliche Veränderungen i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG überschreiten den Rahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung und zielen auf eine Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ab. Beispiele hierfür sind die Errichtung von Absperrbügeln auf Stellplätzen,93 das Anbringung von Markisen,94 die Erweiterung der Terrasse,95 die Errichtung eines Dachgartens,96 das Entfernen einer fundamentierten Teppichklopfstange, einer Asphaltdecke und einer Hecke,97 die vom Aufteilungsplan abweichende Bauausführung als bauliche Veränderung mit Anspruch auf Beseitigung oder Duldung des Rückbaus,98 der Einbau einer Videoanlage im Klingeltableau,99 das Aufstellung eines Klimaaußengerätes.100

8.79

Nicht alles, was baulich verändert wird, unterfällt dabei dem Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WEG. Soweit Veränderungen zur Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich sind, handelt es sich um Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG. Typische Beispiele sind notwendige Veränderungen und modernisierende Instandsetzungen nach § 22 Abs. 3 WEG, wie etwa eine Fassadenveränderung wegen einer notwendigen Wärmedämmung oder die Erhöhung eines Schornsteins, um einen ausreichenden Abluftzug einer neuen Heizungsanlage zu sichern, oder das Befestigen eines Weges oder Hanggeländes aus Gründen der Sicherheit. Solche Maßnahmen können außergerichtlich oder gerichtlich als Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangt und beschlossen werden.

8.80

Bauliche Veränderungen, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, ändern das vorherige Aussehen und berühren den Anspruch jedes Eigentümers auf Erhalt des ursprünglichen Bestandes. Deswegen dürfen solche Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 und 2, § 14 Nr. 1 WEG nur vorgenommen werden, wenn die Wohnungseigentümer zustimmen, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

8.81

Der Gesetzgeber hat versucht, die streitige Frage zu klären, ob modernisierende Instandsetzungen nach den Regeln in § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG oder denen in § 22 Abs. 1 und 2 WEG zu behandeln sind. Zur Klarstellung wurde in § 22 Abs. 3 WEG die Geltung der Regeln für die Instandhaltung und Instandsetzung normiert. In der Praxis besteht die Schwierigkeit darin, Ab-

8.82

93 LG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2000 – 318 T 92/00, ZMR 2001, 394. 94 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2000 – 3 Wx 318/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 173 = ZMR 2001, 130 = FGPrax 2001, 17 = NZM 2001, 243 = ZWE 2001, 34. 95 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, ZWE 2007, 461. 96 OLG München, Beschl. v. 28.3.2007 – 34 Wx 119/06, OLGReport München 2007, 419 = MDR 2007, 827. 97 LG Karlsruhe, Urt. v. 21.4.2009 – 11 S 85/08, ZWE 2009, 327. 98 LG Hamburg, Beschl. v. 16.10.2009 – 318 T 64/07, ZMR 2010, 146. 99 BGH, Urt. v. 8.4.2011 – V ZR 210/10, MDR 2011, 778 = NJW-RR 2011, 949 = NZM 2011, 512 = ZMR 2011, 734. 100 LG Braunschweig, Urt. v. 8.4.2011 – 6 S 521/10, Info M 2011, 232.

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Teil 8 Rz. 8.82

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

grenzungskriterien zu finden, was noch zur „modernisierenden Instandsetzung“ oder schon zur „baulichen Veränderung“ gehört. In der Tat sind die Auswirkungen bedeutend, weil nach diesen gesetzlichen Vorgaben modernisierende Instandsetzungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können und nicht der Zustimmung aller Eigentümer bedürfen, die nachteilig betroffen sind.

8.83 Die bisher in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung baulicher Veränderungen von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung gelten unverändert weiter. Es kann auf die umfangreiche Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Die modernisierende Instandsetzung setzt einen ohnehin vorhandenen Handlungs-/Renovierungsbedarf voraus, der mit modernen Methoden bewältigt wird.

8.84 § 22 Abs. 1 WEG grenzt bestimmte Maßnahmen vom Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG ab. „Bauliche Veränderungen“ und „Aufwendungen“, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können – nach dem Wortlaut des Gesetzes – verlangt und mehrheitlich beschlossen werden. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 WEG. Der Wortlaut des Gesetzes stellt klar, dass die Eigentümer Beschlusskompetenz haben.101 Ob ein Beschluss im Einzelfall den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, hat nach Anfechtung das Gericht zu klären. Ohne Anfechtung werden Beschlüsse zu baulichen Veränderungen bestandskräftig.

8.85 Die Beschlussfassung zu einer baulichen Veränderung erzeugt insoweit Rechtssicherheit, dass ein Rechtsnachfolger wie sein Vorgänger an einen Beschluss gebunden wird, was aus § 10 Abs. 4 WEG folgt. Zudem ist die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich, die durch den Beschluss nachteilig betroffen werden. Der subjektive Nachteil eines Eigentümers muss über die Nachteile hinausgehen, die § 14 Nr. 1 WEG ohnehin beschreibt. Den Umkehrschluss zieht das Gesetz selbst in § 22 Abs. 1 S. 2 WEG. Bauliche Veränderungen bedürfen keiner Zustimmung der Miteigentümer, wenn durch die Veränderung die Rechte anderer Miteigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus nicht beeinträchtigt werden. Wie beim Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums (§§ 13–15 WEG) verfolgt das Gesetz die Absicht, einzelnen Eigentümern eine weitgehende Nutzung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums zu ermöglichen.

8.86 Die Grenzen sind dort gesetzt, wo durch eine Maßnahme die Rechte der anderen Miteigentümer eingeschränkt werden.

8.87 Ob die Zustimmung in einer Eigentümerversammlung erteilt werden muss oder auch formfrei eingeholt werden kann, ist noch immer streitig. Weil der Gesetzgeber erkennbar insoweit nichts verändern wollte, erscheint es frei von Bedenken,102 wie bisher auch außerhalb einer Beschlussfassung die Zustimmung erklären oder erholen zu können.103 Allerdings spricht für die Gegenmeinung,104 dass die Zustimmung per Beschluss wegen § 10 Abs. 4 WEG größere

101 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518. 102 A.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 7 Rz. 15. 103 OLG München, Beschl. v. 16.11.2007 – 32 Wx 111/07, ZMR 2008, 234; Jennißen/Hogenschurz, WEG, 6. Aufl., § 22 WEG Rz. 13; Armbrüster, ZWE 2008, 61 ff. 104 AG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2011 – 14 C 5298/11 WEG.

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Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.90 Teil 8

Rechtssicherheit erzeugt, weniger Anfechtungsgefahr beinhaltet und deshalb angestrebt werden sollte.105 Der Beschluss kann außergerichtlich und gerichtlich eingefordert werden. Als Voraussetzung des Anspruchs wird die Zustimmung nachteilig betroffener Eigentümer vorliegen müssen.106 Es gilt auch hier der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 WEG formulierte Grundsatz, dass nicht beeinträchtigte Eigentümer den Anspruch nicht bestreiten und die Durchführung nicht verhindern können.

8.88

Zu unterscheiden ist deswegen der Anspruch auf Beschlussfassung vom Anspruch auf Erteilung der Zustimmung durch beeinträchtigte Eigentümer. Ein Anspruch auf Beschlussfassung besteht. Ein Anspruch auf Zustimmung durch die beeinträchtigen Wohnungseigentümer besteht dagegen aber grundsätzlich nicht. Nur nicht beeinträchtigte Eigentümer sind verpflichtet, einem Beschluss auf Vornahme einer baulichen Veränderung zuzustimmen, insbesondere wenn sogar die Zustimmung der Beeinträchtigten vorliegt. Nach § 10 Abs. 2 WEG können die Eigentümer durch eine Vereinbarung das Rechtsverhältnis untereinander auch in Abweichung von gesetzlichen Vorgaben regeln und diese sogar gänzlich abbedingen.107 In der Gemeinschaftsordnung kann wirksam vereinbart worden sein, dass abweichend von § 22 Abs. 1 S. 1 WEG bauliche Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden können. Wenn die Teilungserklärung eine einfache Mehrheitsentscheidung bei baulichen Veränderungen vorsieht, genügt diese auch. Eine unbillige Benachteiligung der Minderheit tritt hierdurch nicht ein. Es handelt sich dabei nur um eine Regelung des Mitgebrauchs; ein Sondernutzungsrecht wird dadurch nicht begründet.108 Nach der gesetzlichen Regelung in § 22 Abs. 1 WEG ist es einem einzelnen, nachteilig betroffenen Eigentümer möglich, durch Verweigerung der Zustimmung eine Maßnahme zu verhindern. Somit erweitert eine Vereinbarung, die in § 22 Abs. 1 WEG geforderte Zustimmung der betroffenen Eigentümer wegfallen zu lassen, die Möglichkeiten für Eigentümer, bauliche Veränderungen durchzuführen. Zugleich wird allerdings der Minderheitenschutz reduziert.

8.89

Wenn Eigentümer, die von einer Maßnahme nachteilig betroffen sind, jede bauliche Veränderung durch Verweigerung der Zustimmung verhindern können, besteht für die Gemeinschaft die Gefahr, dass sie den Anschluss an die technische Entwicklung verliert. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen, dass die Eigentümer ihre Wohnanlage in der jeweiligen örtlichen Umgebung konkurrenzfähig halten können. Maßnahmen zur Modernisierung oder zur Anpassung an den Stand der Technik können auch gegen den Willen einer kleinen Minderheit realisiert werden. Die fehlende Zustimmung einzelner Eigentümer kann in diesen Fällen durch einen doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschluss ersetzt werden, § 22 Abs. 2 WEG. Die Hürden wurden vom Gesetz hoch gesetzt. (a) Es müssen drei Viertel aller stimmberechtigten Eigentümer zustimmen. Die Stimmkraft eines Eigentümers berechnet sich dabei nach dem „Kopfprinzip“, wie in § 25 Abs. 2 WEG für den Regelfall gesetzlich vorgegeben: Jeder Eigentümer hat eine Stimme. (b) Außerdem müssen die zustimmenden Eigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile haben. Mit einer derartigen besonderen Mehrheit können die Eigentümer den Widerstand einzelner Eigentümer überwinden (vgl. Rz. 3.103 ff.).

8.90

105 106 107 108

Insoweit a.A. Armbrüster, ZWE 2008, 61 ff. Vgl. Merle in Bärmann, § 22 Rz. 158. BayObLG, Beschl. v. 23.1.2001 – 2Z BR 116/00, ZfIR 2001, 484 = ZMR 2001, 472. Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.3.2001 – 2 Wx 103/98, ZMR 2001, 651.

Peter

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Teil 8 Rz. 8.91

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.91 Das Gesetz beschränkt die Möglichkeiten für eine solche doppelt qualifizierte Beschlussfassung auf Maßnahmen der „Modernisierung“ und „Anpassung an den Stand der Technik“. Um eine Legaldefinition im WEG zu vermeiden, wird auf § 559 Abs. 1 BGB verwiesen. Die Maßnahme muss entweder der Erhöhung des Gebrauchswertes oder der dauerhaften Verbesserung der Wohnverhältnisse oder der Einsparung von Energie und Wasser dienen. Diese Kriterien genügen allerdings nicht, um eine Modernisierung i.S.v. § 22 Abs. 2 WEG in jedem Fall anzunehmen, wenngleich die Rechtsprechung neuerdings durchaus Tendenzen zur großzügigen Handhabung zeigt.109 Die Maßnahme muss zudem eine bauliche Veränderung sein, also über die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Abzugrenzen ist zudem von erforderlichen Maßnahmen, die der weiteren Nutzbarkeit dienen. Soll nach einem altersbedingten Ausfall einer Heizung ein völlig neues Heizungssystem eingebaut werden, welches auch die Kriterien des § 559 Abs. 1 BGB erfüllt, bleibt eine solche Maßnahme mit einfachem Mehrheitsbeschluss regelbar, weil es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme handelt, die allenfalls modernisierenden Charakter hat, § 22 Abs. 3 und § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.

8.92 Soweit das Gesetz den Eigentümern die Möglichkeit gibt, eine Anpassung an den „Stand der Technik“ mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen, wird damit das Niveau der Anforderungen beschrieben. Die anerkannten „Regeln der Technik“ wären ein niedrigeres Anforderungsniveau. Der „Stand von Wissenschaft und Technik“ beschreibt ein deutlich höher gestecktes Ziel. Mit dieser Vorgabe will der Gesetzgeber sein Ziel absichern, die Wohnanlagen technisch hinreichend modern auszustatten.

8.93 Der Minderheitenschutz gebietet es, unzumutbaren Maßnahmen Grenzen zu setzen. Mit der doppelt qualifizierten Mehrheit in § 22 Abs. 2 WEG darf die Eigenart der Wohnanlage nicht geändert und kein Eigentümer gegenüber den anderen unbillig beeinträchtigt werden. Kommt ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss zu Stande, kann jeder Eigentümer, der sich dadurch in seinen Rechten verletzt sieht, Anfechtungsklage nach § 46 WEG erheben. Das Gericht hat dann zu prüfen, ob die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen durch den Beschluss überschritten wurden.

8.94 Dem Gesetzgeber war die Entwicklungsmöglichkeit der Eigentümer wichtig. Das Recht der Eigentümer, eine Maßnahme der Modernisierung oder Anpassung an den Stand der Technik mit doppelt qualifizierter Mehrheit zu beschließen, kann weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Bereits bestehende Vereinbarungen sind kein Hinderungsgrund, einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss nach § 22 Abs. 3 WEG herbeizuführen. Erleichterungen sind möglich. Die hohen Anforderungen des Gesetzes könnten durch eine Vereinbarung z.B. auf eine Zustimmung von nur zwei Drittel der stimmberechtigten Eigentümer und einen geringeren Prozentsatz an Miteigentumsanteilen reduziert werden. (vgl. Teil 3, Rz. 3.103 ff.)

8.95 Die Unterscheidung, ob eine Maßnahme noch ordnungsmäßiger Verwaltung i.S.v. § 21 WEG entspricht also eine Instandhaltung oder Instandsetzung bzw. modernisierende Instandsetzung oder bereits eine darüber hinausgehende bauliche Veränderung nach § 22 WEG darstellt und der Zustimmung der übrigen Eigentümer bedarf, ist letztlich nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen zu treffen.110 Innerhalb der Fallgruppen ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob alle Eigentümer zustimmen müssen oder nur ein Teil nachteilig betroffen wird.

109 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, MDR 2011, 475 = ZMR 2011, 490 = NJW 2011, 1221. 110 Drabek, ZWE 2001, 470 ff.

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Peter

Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.100 Teil 8

Zu baulichen Veränderungen, die auch im gemeinschaftlichen Interesse erfolgen, gibt es eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen. Die nachstehende Auflistung ist ein kleiner Ausschnitt aus der Rechtsprechung:

8.96

– Antennen Die Ergänzung der herkömmlichen Gemeinschaftsantennenanlage um eine zusätzliche Ge- 8.97 meinschafts-Parabolantenne kann verlangt werden, wenn die Veränderung im Erscheinungsbild der Wohnanlage durch die zusätzliche Installation der Parabolantenne nicht allzu groß ist. Dann müssen nicht alle Eigentümer zustimmen. Ein Mehrheitsbeschluss ist möglich.111 Die Umstellung einer gemeinschaftlichen Kabelempfangsanlage auf eine Satellitenempfang ist modernisierende Instandsetzung. Ein Mehrheitsbeschluss ist möglich.112 Einem Wohnungseigentümer ausländischer Herkunft ist es zumutbar, die Kabelanlage statt einer Satellitenempfangsanlage zu nutzen, wenn Zugang zu mehreren Programmen in der Sprache seines Herkunftslandes besteht. Errichtung einer Parabolantenne stellt – unabhängig von einem Eingriff in die Gebäudesubstanz – eine bauliche Veränderung dar.113 Die Informationsfreiheit für eine angemessene Anzahl ausländischer Programme ist abzuwägen gegen das Eigentumsrecht der Eigentümer. Die Abwägung obliegt den Tatgerichten.114 Die Eigentümer können durch Vereinbarung Voraussetzungen bestimmen und Anbringen von Parabolantennen generell verbieten. Bei der Auswahl zwischen geeigneten Standorten steht den übrigen Eigentümern ein Mitbestimmungsrecht zu. Mehrere Eigentümer, die je eine Parabolantenne anbringen wollen, können auf die Installation einer Gemeinschaftsparabolantenne verwiesen werden, wenn das Gemeinschaftseigentum hierdurch weniger beeinträchtigt wird.115

8.98

– Aufstockung Der Anbau, die Aufstockung oder Abriss von Gebäudeteilen stellt eine bauliche Veränderung dar, da hierdurch die Eigenart des Gebäudes nachteilig verändert wird. Wegen des uneinheitlichen Gesamteindrucks ist die Zustimmung der übrigen Eigentümer nötig.116

8.99

– Aufzug Der Bau eines Aufzuges für die behinderte Enkelin eines Eigentümers kann durch einen Individualanspruch auf Abschluss einer Vereinbarung begründet sein. Eine Modernisierung

111 AG Nürnberg, Beschl. v. 14.12.2000 – 1 UR II 243/00 WEG, ZMR 2001, 749. 112 LG Stade, Beschl. v. 22.12.2004 – 9 T 299/04, ZMR 2005, 655. 113 OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2006 – 4 W 89/06, OLGReport Celle 2006, 698 = ZfIR 2006, 739 = WE 2006, 272. 114 OLG München, Beschl. v. 9.1.2006 – 34 Wx 101/05, OLGReport München 2006, 253 = Wohnungseigentümer 2006, 33 = ZMR 2006, 309. 115 BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = Wohnungseigentümer 2004, 20 = MDR 2004, 563 = ZMR 2004, 438. 116 AG Konstanz, Urt. v. 13.3.2008 – 12 C 17/07, ZMR 2008, 494; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.2.2006 – 20 W 291/03, ZWE 2006, 392; OLG Köln, Beschl. v. 30.5.2005 – 16 Wx 52/05, OLGReport Köln 2005, 625.

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8.100

Teil 8 Rz. 8.100

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

mit Gebrauchswerterhöhung liegt zwar unter Umständen vor, bedarf zur Durchführung jedoch des Quorums gemäß § 22 Abs. 2 WEG.117 Eine Beschlussfassung über die Errichtung von Außenaufzügen ist nach Anfechtung für unwirksam zu erklären. Die Umsetzung führt zu einer nachteiligen baulichen Veränderung i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG, die zwar eine Modernisierungsmaßnahme i.S.v. § 22 Abs. 2 WEG zum Inhalt hat, jedoch die Eigenart der Anlage ändert.118 Einbau von Teleskoptüren mit Infrarotsensoren in einen 29 Jahre alten Fahrstuhl mit störungsanfälligen Falttüren ist eine Maßnahme modernisierender Instandsetzung und keine unnötige bauliche Veränderung („Komfortmaßnahme“). Mehrheitsbeschluss ist möglich.119 – Balkon

8.101 Die Errichtung einer Trennwand auf dem Balkon ist eine bauliche Veränderung. Sie beeinträchtigt die Rechte des benachbarten Eigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus. Der zuvor offene und weiträumige Charakter des Balkons wird verändert und eine Atmosphäre der Abgeschlossenheit geschaffen.120 Eine Balkonaufstockung ist eine unbillige Beeinträchtigung. Sie bedarf der Zustimmung aller Eigentümer. Ohne Zustimmung ist ein Beschluss für unwirksam zu erklären.121 Auch die deutliche Vergrößerung der Balkone ist eine bauliche Veränderung.122 – Baum

8.102 Die Beseitigung eines kranken Baumes, der zudem Gemeinschaftseigentum beschädigt, kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.123 – Dunstabzug

8.103 Der Einbau einer Entlüftungsanlage in eine Gaststätte ist eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller Eigentümer bedarf. Auch wenn die Eigentümer über Jahre den Betrieb einer Gaststätte ohne Dunstabzug gestattet hatten, gibt dies dem Betreiber, der im Interesse der Wirtschaftlichkeit seinen Betrieb erweitern möchte, keinen Anspruch gegen die anderen Eigentümer, der Installation der nun erforderlichen Entlüftungsanlage zuzustimmen.124 – Fassade

8.104 Das Anbringen einer Wärmedämmung im Rahmen einer Fassadensanierung stellt dann eine Maßnahme der modernisierenden Instandsetzung dar, wenn im Rahmen der Schadensbeseitigung eine technisch und wirtschaftlich sinnvollere Lösung als die der schlichten Wiederherstellung gewählt wird.125 117 BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324 = ZMR 2016, 888 = ZWE 2016, 453. 118 AG Konstanz, Urt. v. 13.3.2008 – 12 C 17/07, ZMR 2008, 494; KG, Beschl. v. 19.7.2004 – 24 W 318/02, KGR Berlin 2004, 566 = ZMR 2005, 75. 119 AG Nürnberg, Beschl. v. 12.12.2003 – 1 UR II 330/03 WEG, ZMR 2004, 384 = WE 2004, 152. 120 LG Itzehoe, Beschl. v. 21.1.2008 – 1 S (W) 1/07, Info M 2008, 232. 121 AG Konstanz, Urt. v. 25.10.2007 – 12 C 10/07, NZM 2007, 888 = NJW 2007, 3728. 122 LG Hamburg, Beschl. v. 10.8.2010 – 318 T 4/08, ZMR 2011, 410. 123 LG Berlin, Urt. v. 24.6.2011 – 55 S 419/10, Grundeigentum 2011, 1631. 124 OLG Köln, Beschl. v. 28.1.2000 – 16 Wx 189/99, ZWE 2000, 428. 125 LG Berlin, Urt. v. 16.6.2017 – 55 S 76/15 WEG = BeckRS 2017, 135332; so auch schon OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2010 – 20 W 138/08, NZM 2011, 37 = NJW-RR 2011, 160.

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Peter

Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.110 Teil 8

Eine Instandsetzungsmaßnahme kann auch dann vorliegen, wenn die Fassadenverkleidung unter Anbringung eines zusätzlichen Wärmeschutzes im Bereich der Kellerdecke erneuert wird. Die Eigentümer handeln im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens, wenn sie bei der Beschlussfassung über die Anbringung wärmedämmender Maßnahmen an der Außenfassade die Anbringung einer bislang fehlenden Dämmung der Kellerdecken einschließen.126

8.105

Entspricht die Fassadendämmung eines Gebäudes den zum Zeitpunkt seiner Errichtung geltenden DIN-Vorschriften, zeigen sich Jahre später – nach (eigenmächtigem) Einbau von Isolierglasfenstern – im Schlafzimmer der Wohnung erstmals Feuchtigkeitsschäden (Schimmel, Stockflecken) und stellt der Sachverständige einen zu hohen Taupunkt des Mauerwerks fest, kann der betreffende Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft eine bauphysikalische Anpassung der Fassade weder als Beseitigung einer Störung seines Sondereigentums noch aus dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Verwaltung als erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustandes oder als modernisierende Instandsetzung bzw. als Modernisierung verlangen.127

8.106

Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass Veränderungen an der Wohnanlage an der äußeren Gestalt sowie an der Farbe des Hauses, An- und Einbauten der schriftlichen Einwilligung des anderen Eigentümers bedürfen, soweit das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers gestört wird, so ist die Schwelle einer relevanten Beeinträchtigung gegenüber dem „Nachteil“ (§ 14 Nr. 1 WEG) im Sinne einer Stärkung der Rechte des Störungsadressaten gesenkt.128

8.107

Gleichzeitig kann eine Fassadensanierung eine bauliche Veränderung darstellen, wenn kei- 8.108 nerlei technischer Instandsetzungsbedarf besteht. Zwar stellt Erneuerung einer Fassadenverkleidung mit zusätzlichem Wärmeschutz zur Schadensbeseitigung modernisierende Instandsetzungsmaßnahme dar, ist die Fassade aber nur verschmutzt und nicht undicht, besteht kein Renovierungsbedarf. Daran ändert sich nichts, wenn die Wärmedämmung dem Stand von vor 30 Jahren entspricht. Hier liegt nur der Wunsch der Eigentümer vor, ihre Anlage optisch aufzuwerten und durch eine bessere Wärmedämmung Energiekosten einzusparen. In diesem Fall wird die Grenze zur baulichen Veränderung überschritten, wenn eine Amortisation der Sanierungskosten erst nach Jahrzehnten eintritt.129 – Fenster und Außenjalousien Wenn im Rahmen des Fensteraustauschs in einer Wohnungseigentumsanlage auch erstmals Außenjalousien angebracht werden, ist dies eine bauliche Veränderung.130

8.109

– Garten Die Zulässigkeit einer sachlich nicht gebotenen Umgestaltung eines Gartens richtet sich nach § 22 Abs. 1 WEG, wenn eine vorhandene Bepflanzung radikal beseitigt und durch die 126 OLG Hamm, Beschl. v. 18.9.2006 – 15 W 88/06, ZMR 2007, 131 = FGPrax 2007, 69 = OLGReport Hamm 2007, 430. 127 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.2007 – I-3 Wx 54/07, NZM 2007, 930 = NJW-RR 2008, 169 = ZMR 2008, 142 = OLGReport Düsseldorf 2008, 133. 128 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.5.2007 – I-3 Wx 21/07, NZM 2007, 528 = OLGReport Düsseldorf 2007, 609. 129 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 8.12.2006 – 2 W 111/06, MDR 2007, 829 = ZMR 2007, 562 = NJW-RR 2007, 1093 = NZM 2007, 650. 130 LG Bamberg, Urt. v. 11.11.2009 – 2 S 3/09 WEG, Info M 2010, 392.

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8.110

Teil 8 Rz. 8.110

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Neuanlage eine nach Charakter, Erscheinungsbild und Funktion völlig andere Gartenanlage geschaffen wird. Erfolgt die Beseitigung der Bäume auf Grund eines nicht angefochtenen Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer, ist die auf Grund des Beschlusses durchführte Maßnahme rechtmäßig. Nach der rechtmäßigen Beseitigung ist eine Neubepflanzung grundsätzlich zulässig.131 Die Beurteilung, ob die Fällung eines Baumes eine bauliche Maßnahme ist, die einen Eigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, obliegt dem Tatrichter und ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen.132

8.111 Die Ersetzung von Holzpalisaden durch Betonpflanztröge auf einem Teil des gemeinschaftseigenen Vorgartens ist eine bauliche Veränderung. Eine Beseitigungspflicht entfällt, wenn mit dieser Maßnahme ein Zustand geschaffen wird, der dem entspricht, was auch die übrigen Eigentümer erklärtermaßen erreichen wollen.133

8.112 Die Errichtung einer Pergola stellt in der Regel eine bauliche Veränderung dar.134 Der erstmalige Einbau eines Gartentors am straßenseitigen Zugang zu einem Mehrfamilienhaus ist in der Regel eine bauliche Veränderung. Das unvermeidliche Maß eines damit verbundenen Nachteils kann im Einzelfall nicht überschritten und eine Zustimmung des betroffenen Wohnungseigentümers entbehrlich sein, wenn der Einbau des (nicht verschließbaren) Tores bei dem sonst umzäunten Grundstück dazu dient, die Voraussetzungen eines befriedeten Besitztums und damit des strafbewehrten Schutzes nach § 123 StGB zu schaffen.135 – Heckenschnitt

8.113 Der eigenmächtige Rückschnitt einer im Gemeinschaftseigentum stehenden „mannshohen“ Hecke auf weniger als die Hälfte der bisherigen Höhe stellt eine bauliche Veränderung dar, wenn durch den Rückschnitt die Sichtschutzfunktion der Hecke beseitigt und eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage herbeigeführt wird.136 Ein Rückschnitt der Hecke von ca. 160 cm auf 80 cm und Belassung in dieser Höhe ist eine bauliche Veränderung. Sie bewirkt eine gegenständliche Veränderung. Sie ist weder Pflegemaßnahme im Rahmen einer Maßnahme ordnungsmäßiger Instandhaltung noch eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 3 WEG zur Herstellung eines optisch einheitlichen Bildes.137

131 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 3.5.2007 – 2 W 25/07, WuM 2007, 587 = OLGReport Schleswig 2007, 881. 132 OLG München, Beschl. v. 5.4.2006 – 32 Wx 004/06, OLGReport München 2006, 501 = ZMR 2006, 799. 133 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.2007 – I-3 Wx 186/06, OLGReport Düsseldorf 2007, 241 = NZM 2007, 446 = NJW-RR 2007, 1024 = ZMR 2007, 710. 134 OLG München, Beschl. v. 10.7.2006 – 34 Wx 033/06, ZMR 2006, 800 = OLGReport München 2006, 774. 135 OLG München, Beschl. v. 25.7.2005 – 34 Wx 059/05, OLGReport München 2005, 690 = MDR 2005, 1400. 136 LG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 318 S 105/09, ZMR 2010, 983. 137 OLG München, Beschl. v. 12.9.2005 – 34 Wx 054/05, NJW-RR 2006, 88 = ZMR 2006, 67 = NZM 2006, 828.

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Peter

Terminologie, Funktion, Problemstellung

Rz. 8.119 Teil 8

– Heizung Ein Mehrheitsbeschluss, wonach zur Verbesserung der Erwärmung kalter Außenwände ohne hinreichende Wärmedämmung in Wände Heizschlangen eingebaut werden sollen, die an die Heizkörper angebunden werden, ist auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären. Ein solcher Beschluss hat eine bauliche Veränderung zum Gegenstand, die die Eigentümer nur einstimmig beschließen können.138

8.114

Die Ersetzung einer altersbedingt erneuerungsbedürftigen Ölzentralheizung durch den Anschluss an das Fernwärmenetz stellt eine durch Mehrheitsentscheidung zu beschließende modernisierende Instandsetzung und keine nur einstimmig mögliche bauliche Veränderung dar, wenn bei einem Vergleich zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg, den künftigen Kosten, der langfristigen Sicherung des Energiebedarfs und der Umweltverträglichkeit die Fernwärmeversorgung gegenüber der Erneuerung der Ölheizung deutlich günstiger ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Teil der Wohnungseigentumsanlage bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen ist, so dass die Abrechnung der Betriebskosten auch bezüglich der Zentralheizungswärme vereinheitlicht und vereinfacht werden kann.139

8.115

Für die Verlegung einer unterirdischen Gasleitung über den gemeinschaftlichen Zugangsweg zur Versorgung des Rückgebäudes einer Wohnanlage kann im Einzelfall die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer mangels Beeinträchtigung ihrer Rechte über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus entbehrlich sein.140

8.116

Die Einhaltung der DIN-Normen für den Schallschutz im Hochbau schließt regelmäßig eine auf Lärmbelästigung gestützte erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG durch eine bauliche Veränderung (hier Unterputzverlegung von Heizungsrohren) aus.141

8.117

Die Abtrennung der die Wohnung mit Wasser und Heizwärme versorgenden Leitungen zur Durchführung der Versorgungssperre ist keine bauliche Veränderung, sondern eine Maßnahme zur Ermöglichung der Ausübung des den Wohnungseigentümern zustehenden Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB. Die Zustimmung des betroffenen Eigentümers ist nicht erforderlich, da sich die Rechtsbeeinträchtigung im Rahmen des § 14 WEG hält, denn er ist zur Duldung der Absperrmaßnahmen verpflichtet.142

8.118

– Kaltwasserzähler Bei dem Einbau von Kaltwasserzählern handelt es sich nicht um eine bauliche Veränderung. 8.119 Es ist eine notwendige Folgemaßnahme bei der Einführung der verbrauchsabhängigen Abrechnung. Die Einführung der verbrauchsabhängigen Abrechnung der Wasser- und Abwasserkosten steht aber nicht mehr in Einklang mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Aufwendungen die Einsparungen übersteigen, die sich über zehn Jahre hinweg voraussichtlich erzielen lassen.143 138 AG Hamburg-Wandsbek v. 5.1.2006 – 715 II 46/03, ZMR 2006, 483. 139 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2005 – 2 Wx 18/04, ZMR 2005, 803 = WuM 2005, 665 = OLGReport Hamburg 2005, 633. 140 OLG München, Beschl. v. 6.9.2007 – 34 Wx 33/07, OLGReport München 2007, 926. 141 OLG München, Beschl. v. 27.3.2006 – 20 W 204/03, OLGReport Frankfurt 2006, 806 = NZM 2006, 903. 142 BayObLG, Beschl. v. 31.3.2004 – 2 Z BR 224/03, WuM 2004, 363 = NZM 2004, 556 = NJW-RR 2004, 1382. 143 LG Hamburg, Urt. v. 29.12.2010 – 318 S 101/10, ZMR 2011, 495 = NZM 2011, 859.

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Teil 8 Rz. 8.120

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

– Mobilfunkanlage

8.120 Die derzeitige Ungewissheit, ob und wie von Mobilfunkantennen, die für den künftigen UMTS-Betrieb ausgelegt sind, gesundheitliche Gefahren für Menschen ausgehen, reicht für die Annahme einer Benachteiligung gemäß § 14 Nr. 1 WEG aus, die ein Eigentümer nicht hinnehmen muss.144 Eine Mobilfunkanlage auf dem Dach eines Gebäudes einer Mehrhausanlage betrifft in der Regel alle Eigentümer, die zustimmen müssen. Eine in der Teilungserklärung enthaltene Berechtigung der Miteigentümer eines Gebäudes einer Mehrhausanlage, Entscheidungen über das gemeinschaftliche Eigentum in ihrem Gebäude ohne die Mitwirkung der Miteigentümer der anderen Gebäude zu regeln, umfasst nicht die Genehmigung einer Mobilfunkanlage auf dem Dach ihres Gebäudes.145 – Mülltonne

8.121 Das Erscheinungsbild der Wohnanlage deutlich verändernde Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der übrigen Eigentümer. Individuelle Beeinträchtigungen liegen bei der Verlegung des Mülltonnenplatzes vor, wenn weitere Wege vom Wohngebäude aus zurückgelegt werden müssen.146 – Provisorium

8.122 Auch provisorische Instandsetzungsmaßnahmen, die nicht die Ursache eines Mangels beheben, können sich im Rahmen des Verwaltungsermessens der Eigentümergemeinschaft bewegen; jedenfalls handelt es sich beim Provisorium nicht um eine bauliche Veränderung.147 – Rampe

8.123 Die Anbringung einer behindertengerechten Rampe ist zwar eine bauliche Veränderung. Diese bedarf aber nicht der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Sie beeinträchtigt die Eigentümer nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus.148 – Sonnenkollektoren

8.124 Die erstmalige Errichtung einer Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung ist im Allgemeinen eine bauliche Veränderung.149 Das Aufstellen von breitflächigen Sonnenkollektoren mit einem Neigungswinkel von 45 Grad auf dem Flachdach eines Hauses stellt eine bauliche Veränderung dar. Der Anspruch auf Beseitigung von eigenmächtig aufgestellten Sonnenkollektoren auf dem Dach eines Hauses ent-

144 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2002 – 15 W 287/01, OLGReport Hamm 2002, 317 = NJW 2002, 1730 = NZM 2002, 456 = FGPrax 2002, 103 = MDR 2002, 754 = ZWE 2002, 319 = ZMR 2002, 622. 145 OLG München, Beschl. v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, OLGReport München 2007, 73 = FGPrax 2007, 74 = ZMR 2007, 391 = MDR 2007, 711. 146 OLG München, Beschl. v. 19.9.2005 – 34 Wx 76/05, 34 Wx 076/05, NZM 2005, 825 = OLGReport München 2005, 829 = ZMR 2006, 68; BayObLG, Beschl. v. 14.2.2002 – 2Z BR 138/01, ZWE 2002, 213 = ZMR 2002, 535 = Grundeigentum 2002, 807 = NZM 2003, 114. 147 LG Bremen, Urt. v. 25.3.2011 – 4 S 75/10, ZMR 2011, 657. 148 AG Bonn, Urt. v. 28.2.2011 – 27 C 202/10, ZWE 2011, 291. 149 BayObLG, Beschl. v. 23.2.2005 – 2Z BR 167/04, FGPrax 2005, 108.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.130 Teil 8

fällt nicht, weil es sich bei Sonnenkollektoren um ein umweltfreundliches Mittel zur Gewinnung von Energie handelt.150 – Überwachung Ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Installation einer Videoüberwachungsanlage im Hauseingangs- und Fahrstuhlbereich ist keine bauliche Veränderung, sondern entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Es handelt sich um eine Regelung des Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums.151

8.125

– Videokamera in Klingelanlage Der nachträgliche Einbau einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau ist regelmäßig als bauliche Änderung und nicht als Modernisierung zu betrachten.152 Er kann gemäß § 22 Abs. 1 WEG verlangt werden, wenn die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert wird, eine Bildübertragung allein in die Wohnung erfolgt, bei der geklingelt wurde, die Bildübertragung nach spätestens einer Minute unterbrochen wird und die Anlage nicht das dauerhafte Aufzeichnen von Bildern ermöglicht. Die theoretische Möglichkeit einer manipulativen Veränderung der Anlage rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Beeinträchtigung. Ein Nachteil liegt erst vor, wenn eine Manipulation aufgrund der konkreten Umstände hinreichend wahrscheinlich ist.153

8.126

II. Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters Wie bereits dargelegt begründen die erstmalige Herstellung, die Instandhaltung, die Instandsetzung und die modernisierende Instandhaltung ein Spektrum von Handlungspflichten und Handlungsmöglichkeiten, welches vom einklagbaren Anspruch bis hin zur nur einvernehmlich durchzuführenden Maßnahme reicht.

8.127

Hiermit sind weitreichende Handlungs- und Duldungspflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und der Verwaltung verbunden.

8.128

1. Rechte und Pflichten der Eigentümergemeinschaft Die gesetzlichen Grundlagen, die die Rechtsstellung und die Pflichten der Eigentümergemeinschaft regeln, stellen sich wie folgt dar:

8.129

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer -der Verband- kann im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen, § 10 Abs. 6 S. 1 WEG. Der Verband ist nach § 10 Abs. 6 S. 2 WEG Inhaber der gesetzlichen Rechte und Pflichten. Dort werden die originären Rechte und Pflichten des Verbandes beschrieben.

8.130

150 BayObLG, Beschl. v. 30.3.2000 – 2Z BR 2/00, ZMR 2000, 471 = NJW-RR 2000, 1179 = WuM 2001, 89 = ZWE 2000, 308. 151 AG Bergisch Gladbach, Beschl. v. 29.5.2006 – 35 II 88/05, MietRB 2006, 297. 152 LG Köln, Urt. v. 20.8.2015 – 29 S 253/14, n.v. und 25.8.2016 – 29 S 236/15, n.v.; anders wohl noch bei unverzüglicher Abschaltung der Kamera nach Klingeln OLG Köln, Beschl. v. 9.5.2007 – 16 Wx 13/07, ZMR 2008, 559, das nur bei längerem Laufen der Kamera von einer baulichen Änderung ausgegangen ist. 153 BGH, Urt. v. 8.4.2011 – V ZR 210/10, MDR 2011, 778 = NZM 2011, 512 = ZMR 2011, 734.

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Teil 8 Rz. 8.131

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.131 Der Verband nimmt die gemeinschaftsbezogenen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Das Recht zur Ausübung muss ihm nicht gesondert übertragen werden, § 10 Abs. 6 S. 3, 1. Alt. WEG. Er nimmt zudem die sonstigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, soweit diese gemeinschaftlich zu erfüllen sind. Dieses Recht zur Ausübung muss ihm gesondert übertragen werden, § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alt. WEG.

8.132 Die Eigentümer entscheiden regelmäßig mehrheitlich, mit qualifizierter Mehrheit oder durch eine Vereinbarung über die erforderliche Maßnahme und über die Verteilung der dabei anfallenden Kosten.

8.133 Dies bedeutet, dass Auftraggeber beschlossener Maßnahmen regelmäßig der Verband wird. 8.134 Ausführendes Organ für Beschlüsse und Vereinbarungen des Verbandes ist der Verwalter. 8.135 Gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG kann jeder Eigentümer von den übrigen Eigentümern die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsgemäßen Zustandes Verlangen. Der Anspruch ist als Ausfluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht der Verjährung unterworfen.

8.136 Nach Fertigstellung der Wohnungseigentumsanlage profitieren alle Eigentümer von einer konsequenten Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, weil nur so dessen wirtschaftlicher Wert, wie auch der des Sondereigentums gesichert wird. Auch Instandhaltung und Instandsetzung gehören daher entsprechend § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG zu einer dem Interesse aller Wohnungseigentümer entsprechenden ordnungsmäßigen Verwaltung. Hierauf hat jeder Eigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch. Die Eigentümer haben das Erforderliche gemäß § 21 Abs. 3 WEG durch Stimmenmehrheit zu beschließen.154 Die außerordentliche Bedeutung der Instandhaltung und Instandsetzung für den Bestand der Anlage und den Werterhalt des Gemeinschafts- und Sondereigentum wird in besonderem Maße betont durch die Aufnahme in den unverzichtbaren Aufgabenkatalog des Verwalters, § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und Abs. 4 WEG.

8.137 Dies gilt für das Gemeinschaftseigentum, grundsätzlich aber nicht für das Sondereigentum. 8.138 Für die Instandhaltung und Instandsetzung des jeweiligen Sondereigentums ist der jeweilige Sondereigentümer gemäß § 14 Nr. 1 WEG selbst verantwortlich ist. Setzt die zweckkonforme Nutzung des Sondereigentums eine Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums voraus, ist sie von der Eigentümergemeinschaft sofort durchzuführen. Die Eigentümer müssen ihr Stimmrecht dann auch entsprechend ausüben.155

8.139 Maßnahmen müssen von den Eigentümern so durchgeführt werden, dass andere Eigentümer davon und von dem Ergebnis nicht nachteilig betroffen werden.

8.140 Bei Modernisierungsmaßnahmen im Sondereigentum -beispielsweise dem Austausch des Fußbodenbelages- können individuelle Rechte benachbarter Sondereigentümer und Ansprüche aus dem gemeinschaftlichen Eigentum miteinander kollidieren. Die Generalklausel des § 14 Nr. 1 WEG gibt hier Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Aus154 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, WE 1999, 68 = NZM 1999, 131 = FGPrax 1999, 16 = ZMR 1999, 207. 155 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = NJW 2018, 3238.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.145 Teil 8

legung. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten, namentlich aus Art. 14 GG, ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich. Ob ein unvermeidbarer Nachteil vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei sind sowohl die örtlichen Gegebenheiten als auch Lage und Charakter des Gebäudes zu berücksichtigen.156 Die maßgeblichen Umstände müssen im geltenden ZPO-Verfahren von den Parteien vorgetragen werden. Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die dem 8.141 Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Dazu gehört in Hinblick auf die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG auch, dass die Kostentragung geregelt wird.157 § 16 Abs. 4 WEG erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten der Eigentümer für eine individuelle Kostenregelung im Einzelfall. Der BGH hat sie jedoch abgesehen von Regelungen in der Gemeinschaftsordnung wieder stark eingeschränkt.158 2. Ansprüche der Gemeinschaft gegen den einzelnen Wohnungseigentümer Die Ersterstellung der Wohnungseigentumsanlage entsprechend der Pläne, die Instandhaltung und die Instandsetzung sowie die modernisierende Instandsetzung und die Anpassung an den Stand der Technik hat wie dargelegt primär das Gemeinschaftseigentum zum Gegenstand. Die Instandhaltung und die Instandsetzung des Sondereigentums ist dagegen grundsätzlich Sache des einzelnen Sondereigentümers.

8.142

Die Instandhaltung und die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sind im Interesse 8.143 aller Eigentümer. Sie obliegt der Gemeinschaft, dem Verband. In seiner Entscheidung vom 2.6.2005159 zur Teilrechtsfähigkeit einer Gemeinschaft hat der BGH die besonderen Verpflichtungen der einzelnen Eigentümer gegenüber dem Verband herausgearbeitet. In § 10 Abs. 6 WEG hat der Gesetzgeber die Überlegungen der Rechtsprechung weitergeführt. Der Verband handelt für und im Interesse der Eigentümer. Diese müssen den Verband handlungsfähig machen. Sie müssen die erforderlichen Beschlüsse fassen und die Gelder bereitstellen, damit die Verbindlichkeiten bezahlt werden können. Nach § 10 Abs. 6 S. 1–3 WEG kann der Verband im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur gegenüber Dritten, sondern auch gegenüber den Eigentümern selbst Rechte erwerben und Verpflichtungen eingehen. Der Verband ist Inhaber der gesetzlich oder rechtsgeschäftlich entstandenen Rechte und Pflichten. Er nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Eigentümer wahr. Die Eigentümer haben die Existenz des Verbandes zu respektieren und sie profitieren auch davon, insbesondere wegen dessen Haftung für gesetzliche oder vereinbarte Verbindlichkeiten und der damit einhergehenden nur anteiligen Haftung der Eigentümer nach § 10 Abs. 8 WEG.

8.144

Aus diesem Grund müssen die Eigentümer den Verband finanziell ausreichend ausstatten. Darüber hinaus müssen sie notwendige Abläufe organisieren (Verwaltungsmaßnahmen), damit

8.145

156 OLG München, Beschl. v. 9.1.2008 – 34 Wx 114/07, NJW 2008, 592. 157 BayObLG, Beschl. v. 8.2.1996 – 2 Z BR 122/95, BayObLGR 1996, 42 = WuM 1996, 239 = WE 1996, 476. 158 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = NJW 2010, 2513 = NZM 2010, 584. 159 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = ZMR 2005, 547.

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Teil 8 Rz. 8.145

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

der Verband die ihm obliegenden Verpflichtungen gegenüber den Miteigentümern, das heißt im Innenverhältnis, in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglichst störungsfrei erfüllen kann.

8.146 Auch im Außenverhältnis muss der Verband stets handlungsfähig sein. Zweifel Dritter an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und am Leistungswillen des Verbands dürfen gar nicht erst aufkommen. Auch eine Haftung der einzelnen Eigentümer darf gar nicht erst entstehen. Dies erfordert im Innenverhältnis der Eigentümer zueinander einen nötigenfalls einklagbaren Anspruch gegen Miteigentümer, notwendige Beschlüsse herbeizuführen und umzusetzen und die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen. Notwendig sind alle Maßnahmen, die den dauerhaften Bestand des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums und die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit sichern. Dabei wird den Eigentümern teils Leistung, teils Duldung abverlangt. a) Duldungsanspruch

8.147 § 14 Nr. 3 und 4 WEG schaffen einen Duldungsanspruch der Gemeinschaft gegenüber den Eigentümern, Einwirkungen auf die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden sowie erforderliche Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung im Sondereigentum zu gestatten. Als Ausgleich für die Aufopferung individueller Rechte ist die Gemeinschaft dem Eigentümer zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet.

8.148 Umgekehrt formuliert § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG einen Duldungsanspruch des Sondereigentümers gegen die Gemeinschaft, Maßnahmen wie beispielsweise die zur Installation von Fernsprecheinrichtungen, Rundfunkempfangsanlagen und Energieversorgungsanschlüssen im Gemeinschaftseigentum zur Versorgung eines Sondereigentums hinzunehmen. Ersatzpflichtig ist in diesen Fällen nach § 21 Abs. 6 WEG der durch die Maßnahme „versorgte“ Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft.

8.149 Besteht ein Duldungsanspruch, kann wegen § 1004 Abs. 2 BGB keine Beseitigung oder Unterlassung verlangt werden. Regelmäßig kann die Beseitigung einer Störung nur vom sog. „Handlungsstörer“ verlangt werden, der durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen die Störung adäquat verursacht hat.160 Dagegen kann vom „Zustandsstörer“ nur verlangt werden, dass er die Beseitigung duldet. Eine Störungsbeseitigung kann vom Zustandsstörer dann verlangt werden, wenn die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird.161 aa) Einwirkung auf das Gemeinschaftseigentum

8.150 Unter dem Gemeinschaftseigentum versteht man Teile eines Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Eigentümer dienen: Sie sind zwingend gemeinschaftliches Eigentum. § 5 Abs. 2 WEG. Abweichende Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam.

160 BGH, Urt. v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, MDR 207, 578 = ZMR 2007, 188 = NJW 2007, 432. 161 BGH, Beschl. v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, MDR 2010, 688 = NZM 2010, 365 = NJW-RR 2010, 807.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.154 Teil 8

Jeder Eigentümer ist zum Mitgebrauch dieses gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt, soweit die Vorgaben in § 14 und § 15 WEG nicht entgegenstehen. Vom gemeinschaftlichen Eigentum darf jeder Eigentümer nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem anderen Eigentümer ein Nachteil entsteht, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, § 14 Nr. 1 WEG. Unter einem Nachteil i.S. des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen gelten als ein solcher Nachteil. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.162

8.151

Die Eigentümer können im Wege einer Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss festlegen, welche Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum und auf das Erscheinungsbild der Anlage alle Eigentümer dulden müssen, um einzelnen Eigentümern die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. Dies gilt beispielsweise für das Recht aus Art. 5 GG, eine umfassende Information zu ermöglichen. So können sie z.B. die Installation einer Parabolantenne genehmigen.163 Jeder Eigentümer und der Verband haben einen Anspruch darauf, dass ungenehmigte bauli- 8.152 che Veränderungen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums unterbleiben. Insofern besteht kein Duldungsanspruch und folglich auch keine Duldungspflicht. Schon der Einbau von Gittern vor den Fenstern verändert die Optik der Fassade und geht über die Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung hinaus. Es liegt eine bauliche Veränderung vor, § 22 Abs. 1 WEG. Der Verband kann den Rückbau verlangen. Wenn aber eine konkrete Einbruchsgefahr festgestellt wurde, kann einem einzelnen Eigentümer gegen die Gemeinschaft der Anspruch auf Duldung bzw. Gestattung zustehen, dass er auf eigene Kosten bisher nicht vorhandene Sicherungsvorrichtungen (Gitter) vor den Fenstern seiner Wohnung anbringt.164 Die Rechtsprechung darüber, was nicht mehr den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist vielfältig. Sie ist von einer Vielzahl von Einzelfallgestaltungen geprägt und deswegen kaum auf andere Fälle übertragbar. Kommt ein Beschluss über eine Instandhaltung und die Instandsetzung oder eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 WEG zustande, haben alle Eigentümer die beschlossenen Veränderungen zu dulden. Die Kosten einer Maßnahme der Instandhaltung und die Instandsetzung sind entsprechend der allgemeinen Regelungen zu tragen.

8.153

Stimmt ein Wohnungseigentümer einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG nicht zu, kann ein Beschluss dennoch bestandskräftig werden. Die Bestandskraft des Beschlusses hat keine Auswirkungen auf die Kostenverteilung. Die Bestandskraft reicht nicht weiter als der Inhalt des Beschlusses; sie bewirkt nur, dass ein nicht rechtzeitig angefochtener Beschluss gültig ist, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Folge ist eine Duldungspflicht, aber keine Fiktion der Zustimmung, weshalb der nicht Zustimmende nicht mitbezahlen muss, aber auch nicht nutzen darf, wenn nicht eine von § 16 Abs. 6 WEG abweichende Regelung für den Einzelfall nach § 16 Abs. 4 WEG getroffen wurde.165

8.154

162 KG Berlin, Beschl. v. 10.1.1994 – 24 W 3851/93, KGR Berlin 1994, 73 = ZMR 1994, 274 = WE 1994, 336. 163 AG Neukölln, Beschl. v. 12.11.2002 – 70 II 100/02, WEG, ZMR 2004, 949. 164 KG, Beschl. v. 17.6.2000 – 24 W 8114/99, KGR Berlin 2001, 3 = ZMR 2000, 58 = ZWE 2000, 534. 165 BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80 = NZM 2012, 174 = ZMR 2012, 213.

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Teil 8 Rz. 8.155

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.155 Hat ein Eigentümer einen Baumangel ohne vorigen Mehrheitsbeschluss auf eigene Kosten behoben und verlangt ein anderer Eigentümer die Beseitigung dieser Baumaßnahme, so ist zuerst den Beteiligten Gelegenheit zu geben, einen Mehrheitsbeschluss über die Konzeption der Behebung des Baumangels herbeizuführen.166 Nur wenn die Wohnungseigentümer eine andere Lösung beschlossen haben, kann über den Beseitigungsanspruch endgültig entschieden werden. Solange ist die ursprüngliche Maßnahme zu dulden.167

8.156 Die beabsichtigte Instandhaltung und Instandsetzung der Hausfassade durch Einsatz chemischer Mittel (Hydrophobierung) kann nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Einwirkungen auf die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gemäß § 14 Nr. 3 WEG sind zu dulden. Bestehen gesundheitliche Risiken einzelner Eigentümer, ist eine Abwägung zu treffen. Im Einzelfall kann einem Eigentümer zugemutet werden, für die Dauer der Sanierung die Wohnung zu verlassen, selbst wenn ihm dieses aufgrund seiner Krankheit nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Denn ein Unterlassen der zur dauerhaften Erhaltung der Bausubstanz der Fassade erforderlichen Hydrophobierung würde das (Mit-)Eigentum der übrigen Eigentümer ebenfalls in ganz erheblicher Weise beeinträchtigen.168

8.157 Hat der Rechtsvorgänger rechtswidrig bauliche Veränderungen vorgenommen, haftet der Rechtsnachfolger nur auf Duldung ihrer Beseitigung. Die Beseitigungspflicht trifft die Gemeinschaft, muss aber von den Eigentümern beschlossen werden, weshalb der Anspruch auch ggf. gegen die Miteigentümer zu richten ist. Der Verband kann ggf. beim Rechtsvorgänger Regress nehmen.169 Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge haftet aber der Rechtsnachfolger, z.B. der Erbe, für einen gegen den Rechtsvorgänger als Handlungsstörer gerichteten Wiederherstellungsanspruch.170

8.158 Eine Parabolantenne, angebracht im sichtbaren Außenbereich des Sondereigentums, kann eine Störung im Bereich der Optik der Fassade bewirken. Ergibt sich daraus ein nachvollziehbarer Nachteil, kann die Beseitigung verlangt werden. Der Anspruch steht jedem Eigentümer zu, der sich in seinen Rechten gestört oder verletzt fühlt. Diese individuellen Ansprüche nachteilig betroffener Eigentümer auf Beseitigung sind „sonstige Rechte“ gemäß § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alternative WEG. Der Verband kann den Anspruch auf Durchsetzung der Unterlassung/Beseitigung der Parabolantenne durch Beschluss der Eigentümer an sich ziehen und geltend machen.

8.159 Eine Durchsetzung wird jedoch scheitern, wenn die Grundrechte der Bewohner auf Informationsfreiheit ohne die Parabolantenne beeinträchtigt werden. Dazu kann ein ausreichender Fernsehempfang auch über eine Parabolantenne gehören. Deren Installation ist von den Eigentümern wie auch vom Verband zu dulden, wenn nicht auf Antrag wenigstens ein Aufstellort für eine Parabolantenne von den Eigentümern bestimmt wurde, was durch einfachen Be-

166 KG, Beschl. v. 10.5.1991 – 24 W 154/91, NJW-RR 1991, 1299 = WuM 1991, 708. 167 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.7.2000 – 11 Wx 42/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 1 = NZM 2001, 758 = WuM 2000, 500. 168 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2007 – 2 Wx 75/06, ZMR 2007, 476 = WE 2007, 272. 169 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 20.3.2000 – 2 W 140/99, OLGReport Schleswig 2000, 191 = MDR 2000, 634 = WuM 2000, 322 = NZM 2000, 674. 170 BayObLG, Beschl. v. 9.5.1996 – 2Z BR 18/96, BayObLGR 1996, 49 = WuM 1996, 491 = NJWEMietR 1996, 248 = WE 1997, 73.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.163 Teil 8

schluss erfolgen kann171 und das Informationsinteresse nicht auf andere Weise.-z.B. Kabeloder Internetfernsehen- erfüllt werden kann. Die Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die Anbringung einer Parabolantenne an dem gemeinschaftlichen Haus zu dulden, ist nicht von der Staatsbürgerschaft des Miteigentümers abhängig, der die Antenne angebracht hat. Voraussetzung, eine Antenne anbringen lassen zu dürfen, ist die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dieser steht das Recht zu, den Ort der Anbringung zu bestimmen. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen nicht zu duldende vermeintliche Maßnahmen der Instandhaltung und die Instandsetzung sowie bauliche Veränderungen vorzugehen, insbesondere, wenn Letztere ohne die erforderliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfolgen. Eingriffe in das gemeinschaftliche Eigentum sind abzuwehren. Die Handlungspflicht des Verwalters ist darauf beschränkt, dass er eine Entscheidung der Wohnungseigentümer darüber herbeiführt, ob sie beabsichtigen, gegen die bauliche Veränderung vorzugehen oder diese zu dulden.172

8.160

Ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegt der Verjährung. Er ist kein Anspruch aus eingetragenem Recht i.S.d. § 902 BGB, der von der Verjährung ausgenommen ist. Anderes gilt für die Verjährung eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser entsteht mit jeder neuen Störungshandlung erneut und unterliegt sodann jeweils einer eigenständigen (neuen) Verjährung.173

8.161

bb) Einwirkung auf das Sondereigentum Unmittelbare oder mittelbare Eingriffe in das Sondereigentum oder in ein Sondernutzungsrecht, die zu spürbaren und dauerhaften Gebrauchsbeeinträchtigungen führen, können nicht mehrheitlich beschlossen werden und sind deshalb auch nicht zu dulden.174 Es wäre ein Eingriff in den Kernbereich dieser Rechte. Sofern diese aber nicht wesentlich beeinträchtigt werden, was im Einzelfall zu prüfen ist, kann die Eigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss entscheiden.175 Für die Verlegung einer unterirdischen Gasleitung über den gemeinschaftlichen Zugangsweg zur Versorgung des Rückgebäudes einer Wohnanlage sind im Einzelfall Beeinträchtigungen während der Bauzeit nach § 14 Nr. 3 WEG zu dulden.176

8.162

Ein Eigentümer muss zwar das Betreten und die Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Er ist aber nicht verpflichtet, hierzu Arbeiten mit erheblichem Zeitaufwand auf seine Kosten vorzunehmen, wie das Versetzen von Blumentrögen.177

8.163

171 BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 10/09, MDR 2010, 200 = ZMR 2010, 299 = NJW 2010, 438 = NZM 2010, 85. 172 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.5.1999 – 3 Wx 102/99, ZMR 1999, 849 = ZWE 2000, 277. 173 LG Hamburg, Urt. v. 22.12.2010 – 318 S 207/09, ZMR 2011, 583. 174 BayObLG, Beschl. v. 23.6.2004 – 2Z BR 020/04, BayObLGR 2004, 388 = ZMR 2005, 383. 175 KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, KGR Berlin 2002, 65 = WuM 2002, 106. 176 OLG München, Beschl. v. 6.9.2007 – 34 Wx 33/07, OLGReport München 2007, 926. 177 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2Z BR 66/95, WuM 1995, 728 = WE 1996, 152 = NJWEMietR 1996, 36.

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Teil 8 Rz. 8.164

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.164 Erst nach Abwägung der Umstände im Einzelfall kann entschieden werden, ob ein Eigentümer das Betreten seiner Wohnung zur Sanierung von Gemeinschaftseigentum gestatten muss, um der Gemeinschaft die Kosten für die Aufstellung eines Gerüstes zu ersparen.178

8.165 Der Anspruch auf Duldung gemäß § 14 Nr. 4 WEG richtet sich gegen den Sondereigentümer, nicht gegen den Besitzer, z.B. einen Mieter. Weigert sich dieser, kann ein Eigentümer, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt oder die Gemeinschaft nach einem überleitenden Beschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alt. WEG, gegen den vermietenden Eigentümer vorgehen und versuchen, den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Dafür ist das Wohnungseigentumsgericht nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zuständig. Ein Duldungsanspruch, der sich aus dem Mietvertrag etwa über eine als Hausmeisterwohnung vorgesehene Eigentumswohnung ergeben könnte, begründet keine Wohnungseigentumssache, sodass vor dem Wohnungseigentumsgericht darüber nicht entschieden werden kann.179 Ziel ist in diesen Fällen, den Eigentümer zu verpflichten, seinen Mieter außergerichtlich oder gerichtlich zu einem die Maßnahme ermöglichenden Verhalten zu veranlassen.

8.166 Ein Anspruch auf Duldung einer Parabolantenne hängt nicht davon ab, wo und wie sie aufgestellt wurde. Entscheidend ist nur, ob der Gebrauch des Sondereigentums oder des gemeinschaftlichen Eigentums zu einem Nachteil führt, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, § 14 Nr. 1 WEG. Ist dies nicht der Fall, dann haben die übrigen Wohnungseigentümer die Aufstellung einer Parabolantenne nach § 14 Nr. 3 WEG, § 1004 Abs. 2 BGB auch dann zu dulden, wenn sie als bauliche Veränderung zu qualifizieren ist.180

8.167 Gibt aber ein bestandskräftiger Mehrheitsbeschluss vor, wo genau Parabolantennen ausschließlich aufgestellt werden dürfen, kann der auf Beseitigung in Anspruch genommene Wohnungseigentümer nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, dieser Aufstellort sei im Einzelfall ungeeignet.181

8.168 Kommt es bei Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung durch die berechtigte Inanspruchnahme des Sondereigentums zu Schäden sind diese gegebenenfalls auch als ein von Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch nach § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG zu ersetzen. Dies gilt beispielsweise für einen entstehenden Mietausfallschadens sowie vergeblicher Aufwendungen für Gas und Strom, die denkbar sind.

8.169 Es ist jeder Schaden zu ersetzen, der adäquat dadurch verursacht wird, dass das Sondereigentum bei der Benutzung im Zuge der Instandsetzungsarbeiten in einen nachteiligen Zustand versetzt und beim (vorläufigen oder endgültigen) Abschluss der Instandsetzungsarbeiten in diesem Zustand belassen wird. Maßgeblich ist einzig die Kausalität. Ursächlich für einen etwaigen Schaden können auch zeitlich verzögerte oder gar vollständig unterbliebene Maßnahmen im Bereich des Gemeinschaftseigentums sein, ohne die das Sondereigentum nicht benutzbar war. Dass sich Mängel des Gemeinschaftseigentums vorrangig auf die Benutzbarkeit eines im Erdgeschoss gelegenen Sondereigentums auswirken, eröffnet aber allein noch nicht den Anwendungsbereich des § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG. Erwogen wurde früher im Verhältnis 178 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2Z BR 66/95, WuM 1995, 728 = WE 1996, 152 = NJWEMietR 1996, 36. 179 BayObLG, Beschl. v. 28.2.1991 – 2 Z 151/90, WuM 1991, 300. 180 OLG München, Beschl. v. 6.11.2007 – 32 Wx 146/07, OLGReport München 2008, 1 = NJW 2008, 235. 181 LG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2010 – 20 W 122/07, ZWE 2011, 407.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.174 Teil 8

der Wohnungseigentümer untereinander ein verschuldensunabhängiger, nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog, sofern etwa Umbaumaßnahmen in den Obergeschossen erst dazu geführt hätten, dass eine Deckenkonstruktion gerade über dem Sondereigentum der Antragsteller statisch ungenügend geworden wäre.182 Der BGH hat die Anwendbarkeit des § 906 Abs. 2 BGB jedoch weitgehend verneint. Wird die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt, so steht dem Sondereigentümer danach kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu.183 Die Gemeinschaft ist jedoch zur sofortigen Schadensbeseitigung verpflichtet.184 b) Finanzierung der Maßnahme Die Durchführung von Maßnahmen, die die erstmalige Herstellung, die Instandhaltung, die Instandsetzung und die modernisierende Instandhaltung des Wohnungseigentums zum Gegenstand haben, setzt stets voraus, dass auch die finanziellen Mittel zur Bedienung hiermit verbundener Kosten gesichert sind. Hierzu gewährt das Wohnungseigentumsgesetzt dem Verband Ansprüche gegen die einzelnen Eigentümer auf Vorschusszahlung, Erhebung einer Sonderumlage und Abrechnung der schlussendlich zu beziffernden Gesamtkosten, vgl. § 16 Abs. 2 WEG.

8.170

Nach § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Eigentümer den anderen gegenüber verpflichtet, die Lasten 8.171 des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen. Dies bedeutet noch nicht, dass der einzelne Eigentümer bereits mit der Entstehung der Lasten und Kosten zu Zahlungen verpflichtet ist. Erforderlich ist vielmehr ein mehrheitlich gefasster Beschluss der Eigentümerversammlung, § 28 Abs. 5 WEG. Erst dieser begründet die Verpflichtung des einzelnen Eigentümers zur Leistung. Ohne Beschluss besteht im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer keine Zahlungsverpflichtung. aa) Vorschusszahlungen Grundlage von Zahlungsansprüchen gegen den einzelnen Wohnungseigentümer ist grundsätzlich der in der Eigentümerversammlung beschlossene Wirtschaftsplan, § 28 Abs. 1, 2 und 5 WEG. Eine anstehende Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung sollte daher frühzeitig angegangen und zum Gegenstand der Finanzplanung gemacht werden.

8.172

Vorschüsse sollten bereits im Wirtschaftsplan eingefordert und mit diesem beschlossen werden.

8.173

Erst nach Beschlussfassung kommt eine gerichtliche Geltendmachung durch den Verwalter oder einen Eigentümer185 beim Wohnungseigentumsgericht gemäß § 43 Nr. 2 WEG in Betracht. Die Beschlussfassung darf aber nicht erst im Folgejahr oder kurz vor Ablauf des Ge-

8.174

182 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305. 183 BGH, Urt. v. 21.5.2010 – V ZR 10/10, BGHZ 184, 371 = MDR 2010, 1252 = ZMR 2010, 783 = NZM 2010, 556 = ZWE 2010, 327. 184 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = NJW 2018, 3238; Bartholome, NJW 2018, 2137. 185 BGH, Beschl. v. 12.7.1984 – VII ZB 1/84, MDR 1985, 315 = ZMR 1984, 422 = NJW 1985, 912.

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Teil 8 Rz. 8.174

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

schäftsjahres erfolgen.186 Kommt ein solcher Beschluss nicht zu Stande, kann der Wirtschaftsplan vom Gericht auf Antrag erstellt werden.187 In § 21 Abs. 8 WEG wurden die rechtlichen Voraussetzungen für einen Gestaltungsantrag und ein Gestaltungsurteil geschaffen.

8.175 In der Gemeinschaftsordnung kann geregelt sein, dass die Kosten für bestimmte Teile des Gebäudes (z.B. die Tiefgarage), soweit sie ausscheidbar sind, allein von den Eigentümern dieses Gebäudeteils getragen werden müssen.

8.176 Für den Fall einer solchen Blockbildung galt der Grundsatz, dass nur die Eigentümer über eine Maßnahme zu entscheiden haben, die letztlich die Kosten tragen. Konsequent sind wiederum alle Eigentümer in eine Beschlussfassung einzubeziehen, wenn die Maßnahme Kosten auslöst, die auch die anderen Eigentümer mittragen müssen.

8.177 Seit der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist dieser Grundsatz als problematisch angesehen worden. Vereinbarte, eigenständige Wirtschaftseinheiten seien lediglich Teil des Verbandes. Diese könnten – so die vertretene Sichtweise – nicht selbst rechtsfähig sein.

8.178 Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 10.11.2017188 jedenfalls für die Konstellation der Untergemeinschaft endgültig für Klarheit gesorgt. Nach Auffassung des BGH können die Mitglieder einer Mehrhausanlage sehr wohl in der Gemeinschaftsordnung einzelnen Sondereigentümern, die eine Untergemeinschaft bilden, das alleinige Stimmrecht bzgl. durchzuführender Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zuweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass ihnen auch die alleinige Kostenlast in der Gemeinschaftsordnung übertragen wird. Einer Entscheidung des gesamten Verbandes bedarf es dann nicht.

8.179 Ob dies auch außerhalb bestehender Untergemeinschaften in Bezug auf einzelne Wohnungseigentümer der Fall ist, bleibt weiter fraglich. Auftraggeber einer Maßnahme bleibt hier wohl der gesamte Verband, auch wenn nur für eine eigenständige wirtschaftliche Einheit eine Maßnahme vergeben wird. Somit haften alle Eigentümer nach außen gemäß § 10 Abs. 8 WEG anteilig für Kosten dieses Auftrags. Auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsprechung ist jedoch möglicherweise davon auszugehen, dass die Eigentümer einer Wirtschaftseinheit dann allein über Maßnahmen abstimmen können, solange sichergestellt ist, dass sie auch die Kosten aufbringen. Diese Kostensicherung kann möglicherweise dadurch erfolgen, dass die Maßnahme erst beauftragt wird, wenn diese Eigentümer die erforderlichen Mittel bereitgestellt haben. Ist abzusehen, dass die Eigentümer einer selbstständigen Wirtschaftseinheit finanziell nicht in der Lage sind, nötige und nicht aufschiebbare Maßnahmen durchzuführen, ist der gesamte Verband gefordert. Für diesen Fall sind auch alle Eigentümer abstimmungsbefugt, zumindest haben die übrigen Eigentümer ein Anwesenheitsrecht und ein Rederecht, um auf eine ordnungsgemäße Verwaltung hinwirken zu können.

8.180 Über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung stimmen grundsätzlich alle Eigentümer ab,189 soweit nichts anderes vereinbart worden ist. 186 BayObLG, Beschl. v. 13.12.2001 – 2Z BR 93/01, WuM 2002, 173. 187 KG, Beschl. v. 22.10.1990 – 24 W 4800/90, OLGZ 1991, 180 = WuM 1990, 614 = NJW-RR 1991, 463. 188 BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 184/16, MDR 2018, 787 = WuM 2018, 100 = ZWE 2018, 124 = BeckRS 2017, 139453. 189 BayObLG, Beschl. v. 17.11.2000 – 2Z BR 107/00, ZMR 2001, 209 = WuM 2001, 149 = NZM 2001, 771 = ZWE 2001, 269.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.185 Teil 8

Der ausgeschiedene Eigentümer haftet auch nach seinem Ausscheiden und nach beschlossener Jahresabrechnung den anderen Wohnungseigentümern weiter aus dem Wirtschaftsplan für die Wohngeldvorschüsse, die während des Zeitraums, als er noch Eigentümer war, fällig geworden sind.190

8.181

Die voraussichtlichen (laufenden) Bewirtschaftungs- und Verwaltungskosten sind ebenso in den Wirtschaftsplan aufzunehmen wie die erkennbaren (einmaligen) Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung.

8.182

Ein Teil der beschlossenen Zahlungen kann für die Instandhaltungsrücklage vorgesehen sein, entweder um allgemein für einen noch nicht bekannten Bedarfsfall eine finanzielle Rücklage zu haben oder um eine bereits bekannte und erforderliche Instandhaltungsmaßnahme durch zielstrebiges Ansparen finanzierbar zu machen. Vergessene Kostenansätze machen den Wirtschaftsplan nicht ungültig.191 Beim Kostenansatz im Wirtschaftsplan steht den Eigentümern regelmäßig ein weiter Ermessensspielraum zu,192.193

8.183

Auch nach dem Beschluss über die Jahresabrechnung können offene Wohngeldansprüche weiterhin auf den Wirtschaftsplan für das gleiche Jahr gestützt werden.194

8.184

Die Bezeichnung in der Einladung des Beschlussgegenstands „Wirtschaftsplan“ zur Eigentümerversammlung ermöglicht auch die Beschlussfassung über eine Erhöhung der Zahlungen zur Instandhaltungsrücklage.195 bb) Sonderumlage Um Kosten einer Maßnahme der erstmaligen Herstellung, der Instandhaltung, der Instandsetzung und der modernisierende Instandhaltung zu finanzieren, kann die Gemeinschaft gemäß § 16 Abs. 2 WEG eine Sonderumlage erheben. Hierzu ist eine explizite Beschlussfassung erforderlich. Ohne einen Beschluss der Eigentümer gibt es auch keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderumlage.196 Die Sonderumlage ist ein Nachtrag zum Jahreswirtschaftsplan der Gemeinschaft, der von den Wohnungseigentümern im Laufe eines Wirtschaftsjahres dann beschlossen werden kann, wenn die Ansätze des Wirtschaftsplanes unrichtig waren, durch neue Tatsachen überholt sind oder der Plan aus anderen Gründen zum Teil undurchführbar geworden ist.197 Eine Sonderumlage macht den Wirtschaftsplan nicht entbehrlich.198

190 BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, BGHZ 131, 228 = MDR 1996, 897 = NJW 1996, 725 = ZMR 1996, 215 = WE 1996, 144. 191 BayObLG, Beschl. v. 9.8.1990 – 2 Z 83/90, Wohnungseigentümer 1991, 164. 192 BayObLG, Beschl. v. 20.3.2001 – 2Z BR 101/00, NZM 2001, 754 = WuM 2001, 413 = ZMR 2001, 815 = ZWE 2001, 432. 193 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, ZMR 2011, 652 = ZWE 2011, 323. 194 BayObLG, Beschl. v. 21.10.1999 – 2Z BR 93/99, ZMR 2000, 111 = NZM 2000, 298 = ZWE 2000, 470. 195 BayObLG, Beschl. v. 5.10.2000 – 2Z BR 59/00, NZM 2000, 1239 = WuM 2000, 688 = ZMR 2000, 54 = NJW-RR 2001, 374 = ZWE 2001, 68. 196 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2007 – I-3 Wx 84/07, 3 Wx 84/07, OLGReport Düsseldorf 2008, 42 = ZWE 2007, 452 = NJW-RR 2008, 171. 197 OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2001 – 16 Wx 131/00, ZMR 2001, 574. 198 LG München, Urt. v. 21.6.2010 – 1 S 2763/10, ZMR 2010, 876 = ZWE 2011, 101.

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8.185

Teil 8 Rz. 8.186

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.186 Im Bereich der Instandhaltung und Instandsetzung können innerhalb des Geschäftsjahres Maßnahmen erforderlich werden, deren Kosten bei Erstellung des Wirtschaftsplans nicht vorhersehbar waren. Besonders in diesen Fällen kann über eine Sonderumlage die sonst entstehende Finanzlücke geschlossen werden.

8.187 Ob Reparaturarbeiten auch aus der eigentlich ausreichenden Instandhaltungsrücklage gezahlt werden oder ob eine Sonderumlage erhoben werden soll, um einen Abbau der Rücklage zu verhindern, hat die Gemeinschaft nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Es besteht kein Anspruch, immer zuerst die Instandhaltungsrücklage auszuschöpfen.199

8.188 Ein Mehrheitsbeschluss, der innerhalb des Wirtschaftsplanes oder neben diesem zusätzlich zu den monatlichen Wohngeldzahlungen eine einmalige Zahlung zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen vorsieht, verstößt nicht gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.200

8.189 Wird ein Sonderumlagebeschluss für ungültig erklärt, hängt die Rückerstattung bereits gezahlter Beträge nach zwischenzeitlichen Abrechnungsbeschlüssen davon ab, dass die Eigentümer über die Folgenbeseitigung der misslungenen Umlage erneut mehrheitlich beschließen, was notfalls gerichtlich erzwingbar ist.201 Voraussetzungen für einen durchsetzbaren Anspruch auf eine Sonderumlage sind:

8.190 – Ein Eigentümerbeschluss über den Gesamtbetrag der Umlage.202 – Ein Beschluss über den vom einzelnen Eigentümer aufzubringenden Betrag. Es genügt aber, wenn sich der vom einzelnen Eigentümer aufzubringende Betrag ohne weiteres errechnen lässt.203 Umgekehrt gilt: Lässt sich aus dem Beschluss der vom einzelnen Eigentümer zu zahlende Betrag nicht ohne weiteres errechnen, ist der Beschluss nach gerichtlicher Anfechtung für ungültig zu erklären, möglicherweise sogar für nichtig.204 – Ein Beschluss über die Fälligkeit des zu zahlenden Beitrags.205

8.191 Der Beschluss über eine bauliche Maßnahme, z.B. eine Balkonsanierung, mit dem die Arbeiten an einen Unternehmer vergeben werden, aber nur ein ungefährer Kostenrahmen bestimmt wird, ist zu unbestimmt und bildet grundsätzlich keine ausreichende Anspruchsgrundlage.206

8.192 Beschließen die Eigentümer eine Sanierungsmaßnahme, aber nicht ausdrücklich deren Finanzierung, so ist damit noch keine Sonderumlage beschlossen worden, auch dann nicht, wenn eine Instandhaltungsrücklage nicht vorhanden ist. Ein Sanierungsbeschluss allein ist

199 OLG Köln, Beschl. v. 30.4.1998 – 16 Wx 43/98, NZM 1998, 878. 200 KG, Beschl. v. 12.8.1994 – 24 W 2762/94, KGR Berlin 1994, 193 = ZMR 1994, 527 = WE 1995, 59 = NJW-RR 1995, 397. 201 KG, Beschl. v. 28.1.1998 – 24 W 7648/96, KGR Berlin 1998, 178 = ZMR 1998, 370 = WE 1998, 377 = NJW-RR 1999, 92. 202 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2007 – I-3 Wx 84/07, 3 Wx 84/07, OLGReport Düsseldorf 2008, 42 = ZWE 2007, 452 = NJW-RR 2008, 171. 203 OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.5.2006 – 3 W 9/06, OLGReport Braunschweig 2007, 722 = ZMR 2006, 787. 204 LG München, Beschl. v. 11.1.2006 – 1 T 13749/05, ZMR 2006, 648 = WE 2006, 246. 205 LG München, Beschl. v. 29.3.2010 – 1 T 5340/10, ZMR 2010, 799 = ZWE 2010, 415. 206 BayObLG, Beschl. v. 23.4.1998 – 2Z BR 162/97, NZM 1998, 918 = Grundeigentum 1999, 195 = WE 1999, 234.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.196 Teil 8

keine Rechtsgrundlage dafür, einen anteiligen Finanzierungsbeitrag gegen einzelne Eigentümer einzuklagen.207 Ermächtigt der Verwaltervertrag den Verwalter, Wohngeldforderungen ohne Zustimmung der Wohnungseigentümerversammlung gerichtlich geltend zu machen, liegt darin auch eine Ermächtigung für die Durchsetzung von Sonderumlagen im Außenverhältnis und sogar die Einschaltung eines Rechtsanwalts. Jedenfalls schränkt der Verwaltervertrag die Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis nicht ein, sondern begrenzt lediglich dessen Befugnis im Innenverhältnis. Folge wäre (nur) eine eventuelle Schadensersatzpflicht des Verwalters gegenüber der Gemeinschaft, wenn im Einzelfall die erteilte Vollmacht überschritten wird.208 Das Vertretungsrecht des Verwalters im Außenverhältnis ist deswegen nicht mehr in Frage zu stellen, weil der Anspruch auf Durchsetzung einer beschlossenen Sonderumlage dem Verband zusteht, § 10 Abs. 7 und § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG.209

8.193

Ein Eigentümer ist nicht berechtigt, behauptete eigene Ansprüche mit Forderungen aus einem Sonderumlagenbeschluss aufzurechnen. Es gilt auch hier das grundsätzliche Aufrechnungsverbot. Gegenüber Ansprüchen auf Wohngeld oder Sonderumlage kann nach gefestigter Rechtsprechung nur mit gemeinschaftsbezogenen Gegenforderungen nach § 21 Abs. 2 WEG (Notmaßnahmen) oder §§ 680, 683 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) aufgerechnet werden, es sei denn, die Gegenforderung ist anerkannt oder rechtskräftig festgestellt. Das Verbot der Aufrechnung und der Zurückbehaltung ist gerechtfertigt, weil eine ordnungsmäßige Verwaltung nur dann gewährleistet ist, wenn alle Wohnungseigentümer ihren Zahlungspflichten nachkommen. Nur dann ist die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft gesichert. Diese darf nicht durch eine Auseinandersetzung über Gegenansprüche gefährdet werden.210

8.194

c) Abwälzen der Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungspflicht auf die Miteigentümer Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums ist Aufgabe der Gemeinschaft. Regelmäßig obliegt die Entscheidung über solche Maßnahmen den Eigentümern, § 21 Abs. 3 und Abs. 5 Nr. 2 WEG. Die Durchführung obliegt ausschließlich und unabdingbar dem Verwalter, nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 als Pflicht im Innenverhältnis gegenüber Eigentümern und Verband. Nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG ist der Verwalter Vertreter des Verbands. Jeder Eigentümer ist den anderen Eigentümern gegenüber verpflichtet, die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach seinem Verhältnis zu tragen, § 16 Abs. 2 WEG. Die Verantwortlichkeit der Gemeinschaft für das gemeinschaftliche Eigentum grenzt sich ab von der Verantwortlichkeit des Sondereigentümers für das Sondereigentum nach § 14 Nr. 1 WEG. Hierfür ist der Sondereigentümer grundsätzlich selbst verantwortlich.

8.195

Unter bestimmten Umständen besteht jedoch die Möglichkeit die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht oder auch nur die Kostentragung auf einzelne Wohnungseigentümer oder Gruppen zu übertragen.

8.196

207 OLG Köln, Beschl. v. 27.2.1998 – 16 Wx 30/98, OLGReport Köln 1998, 335 = ZMR 1998, 463 = WE 1998, 313. 208 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.2007 – 3 Wx 58/07, ZMR 2008, 313. 209 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2007 – 2 Wx 110/02, ZMR 2008, 152. 210 OLG München, Beschl. v. 30.1.2007 – 34 Wx 128/06, OLGReport München 2007, 374 = NZM 2007, 335 = ZMR 2007, 397 f.

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Teil 8 Rz. 8.197

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

aa) Alternativen der Abwälzung

8.197 Zunächst kann dies im Rahmen der Gemeinschaftsordnung geschehen. 8.198 Wenn die Gemeinschaftsordnung eine Übertragung der Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung für bestimmte Teile des gemeinschaftlichen Eigentums auf die jeweiligen Eigentümer regelt, was häufig vorkommt, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen das zwingende Verbot des § 27 Abs. 4 WEG. Eine solche Vereinbarung ist nicht nichtig, wenn sie die Verantwortung des Verwalters nicht ausschaltet, sondern nur verändert.

8.199 Nach ausdrücklicher Verlagerung der Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf einzelne Eigentümer muss der Verwalter weiterhin gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG beobachten, Handlungsbedarf am gemeinschaftlichen Eigentum ermitteln und dann dafür sorgen, dass der einzelne Eigentümer die Pflichten erfüllt. Gegebenenfalls muss er sich gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG ermächtigen lassen, den Anspruch der Gemeinschaft auf Instandhaltung und Instandsetzung gegen den untätigen Miteigentümer durchzusetzen.

8.200 Die Übertragung der Instandhaltungspflicht kann auch so erfolgt sein (Auslegungs- oder Formulierungsfrage), dass die Entscheidung bei den Eigentümern bleibt, ob, wann und wie eine Instandhaltung und Instandsetzung durchgeführt wird. Vom Verwalter wird der Beschluss umgesetzt, vom einzelnen Eigentümer aber muss die Maßnahme, regelmäßig im Bereich seines Sondereigentums, allein bezahlt werden.

8.201 Will ein Eigentümer oder ein Sondernutzungsberechtigter im Bereich seiner Rechtssphäre bauliche Veränderungen vornehmen, (z.B. Errichtung einer Dachterrasse), können erteilte Zustimmungen dahin auszulegen sein, dass er auch die Folgekosten dieser Maßnahme zu tragen hat.211 Dies ist problematisch, weil die Übertragung von Kosten auf einen Eigentümer nach § 16 Abs. 4 WEG zwar möglich ist, aber einer besonderen Mehrheit bedarf. Zudem kann nach dieser Vorschrift nur im Einzelfall eine Kostenverlagerung erfolgen, was zwangsläufig zur Frage führt, ob die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung überhaupt Folgekosten erfassen kann. Wenn dies in der Willensbildung der Eigentümer ausreichend deutlich zum Ausdruck kommt, lässt die Rechtsprechung eine Übertragung auch der Folgekosten zu und sieht die Baumaßnahme als Einzelfall, nicht dadurch ausgelöste künftige Kosten.212

8.202 Verpflichtet ein Eigentümerbeschluss einzelne Wohnungseigentümer zur fachkundigen Feststellung von Balkonschäden und zur Schadensbeseitigung, gibt es aber eine unklare Regelung, wie weit die dem einzelnen Wohnungseigentümer übertragene Instandsetzungspflicht geht, kann noch nicht von der Instandsetzungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers ausgegangen werden. Dieser hat aber zunächst die fachkundige Feststellung der zu beseitigenden Balkonschäden herbeizuführen. Verweigert ein Wohnungseigentümer diese Schadensfeststellung, ist sie eine Verwaltungsangelegenheit. Erst nach der Feststellung, ob die Mängelbeseitigung ggf. wirksam auf den einzelnen Eigentümer überbürdet ist, kann von diesem die Mängelbeseitigung und auch die Übernahme der Kosten der Schadensfeststellung verlangt werden.213

211 BayObLG, Beschl. v. 27.4.2001 – 2Z BR 70/00, ZMR 2001, 829 = NZM 2001, 1138 = ZWE 2001, 424. 212 LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. 213 KG, Beschl. v. 15.11.2000 – 24 W 6514/99, KGR Berlin 2001, 195 = WuM 2001, 298 = ZWE 2001, 331.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.206 Teil 8

Wird in der Gemeinschaftsordnung die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht hinsichtlich des Balkongeländers als Teil des gemeinschaftlichen Eigentums dem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt, umfasst dies nicht die Verpflichtung, das Geländer an der Bodenplatte aus Beton zu befestigen, wenn dieser Zustand erstmalig ordnungsmäßig hergestellt werden muss.214

8.203

bb) Grenzen Zur Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören pflegende, erhaltende und vorsorgende Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung des ursprünglichen Zustandes dienen. Zu den Instandhaltungskosten gehören deshalb auch die Kosten, die durch die Reinigung der gemeinschaftlichen Gebäudeteile entstehen.215

8.204

Turnusmäßige Reinigungsarbeiten (Treppenhaus) als Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung können nach Auffassung des BayObLG216 grundsätzlich auch durch Mehrheitsbeschluss oder durch eine vom Verwalter aufgestellte Hausordnung den Wohnungseigentümern zur unmittelbaren Erledigung übertragen werden217 (Hand- und Spanndienste). Diese Meinung ist allerdings sehr umstritten.218, 219 Nach der anderen Auffassung können einzelne Wohnungseigentümer nicht zur Gartenpflege oder zu Reinigungsdiensten, sondern nur zur Kostenübernahme hierfür verpflichtet werden.220 Verweigern einzelne Eigentümer Naturaldienste (Gartenpflege), ist eine Fremdvergabe aller Gartenpflegemaßnahmen mit der allgemeinen Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 WEG angezeigt.221 Häufig sind Beschlussfassungen zur tätigen Mithilfe auch nicht konkret genug, was zur Aufhebung nach gerichtlicher Anfechtung führt.222

8.205

Folgt man den Überlegungen des BGH, können Leistungspflichten nicht durch Beschluss auf Eigentümer verlagert werden. Aus der Kompetenz, den Gebrauch (§ 15 WEG), die Verwaltung (§ 21 WEG) und die Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) durch Mehrheitsbeschluss zu regeln, folge nicht die Befugnis, den Eigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.223 Räum- und Streupflichten können nur vereinbart, nicht beschlossen werden.224

8.206

214 BayObLG, Beschl. v. 18.7.1996 – 2Z BR 63/96, ZMR 1996, 574 = WE 1996, 400 = NJWE-MietR 1996, 231 = WuM 1997, 187. 215 KG, Beschl. v. 14.6.1993 – 24 W 5328/92, ZMR 1993, 478 = WuM 1993, 562 = WE 1994, 144. 216 BayObLG, Beschl. v. 24.3.1994 – 2Z BR 28/94, WuM 1994, 403 = ZMR 1994, 430 = WE 1994, 316. 217 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1991 – 2 Z 154/91, BayObLGZ 1991, 421 = WuM 1992, 157 = MDR 1992, 373 = NJW-RR 1992, 343. 218 KG, Beschl. v. 15.4.1977 – 1 W 1151/77, OLGZ 1978, 146 = MDR 1978, 406 = Rpfleger 1978, 146 = NJW 1978, 1439. 219 OLG Hamm, Beschl. v. 31.8.1981 – 15 W 38/81, MDR 1982, 150 = WuM 1985, 299. 220 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.10.2003 – I-3 Wx 225/03, Wohnungseigentümer 2004, 66 = ZMR 2004, 694 = NZM 2004, 554. 221 KG, Beschl. v. 12.11.1993 – 24 W 3064/93, KGR Berlin 1994, 15 = OLGZ 1994, 273 = ZMR 1994, 70 = NJW-RR 1994, 207 = WE 1994, 213. 222 OLG Köln, Beschl. v. 12.11.2004 – 16 Wx 151/04, OLGReport Köln 2005, 75 = ZMR 2005, 229 = NZM 2005, 261 = NJW-RR 2005, 529, mit weiteren kritischen Anmerkungen zur tätigen Mithilfe. 223 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 193/09, ZWE 2010, 359 = ZMR 2010, 777. 224 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 201, 701 = WuM 201, 398 = NJW 2012, 1724.

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Teil 8 Rz. 8.207

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.207 Laufende Instandhaltungsarbeiten (Wartungsarbeiten) führen gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu gemeinschaftlichen Kosten und sind danach umzulegen. Außergewöhnliche Reinigungs- oder Gartenarbeiten können nach Beschluss der Eigentümer aus dem Geschäftskonto des Verbands oder aus der Instandhaltungsrücklage oder durch Sonderumlage finanziert werden. Durch Mehrheitsbeschluss kann keine Hausordnung festgelegt werden, die eine persönliche Einbindung der Eigentümer vorsieht, die über übliche leichte Arbeiten hinausgeht. Umgekehrt ist es zulässig, derartige Tätigkeiten gegen Entgelt an eine Hausmeisterfirma zu vergeben.225

8.208 Die mehrheitliche Zuweisung von solchen Arbeiten an einzelne Eigentümer führt i.d.R. zu einer Änderung des vereinbarten oder gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssels. Das Gesetz steht insoweit einem Beschluss nicht entgegen. Betriebskosten und Verwaltungskosten können nach § 16 Abs. 3 WEG durch einfachen Mehrheitsbeschluss abweichend von gesetzlichen oder vereinbarten Vorgaben verteilt werden. Die Vorschrift gibt dafür eine nicht abdingbare gesetzliche Beschlusskompetenz. Ob Wartungsarbeiten noch Betriebskosten sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Handelt es sich um Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung, haben die Eigentümer ebenfalls die Beschlusskompetenz. Nach § 16 Abs. 4 WEG können konkrete Maßnahmen mehrheitlich beschlossen werden. Zwar fordert das Gesetz eine doppelt qualifizierte Mehrheit. Kommt diese nicht zu Stande und wird dennoch ein Mehrheitsbeschluss verkündet, wird dieser bestandskräftig, wenn keine Anfechtungsklage erhoben wird. Die fehlende Qualifikation ist ein Fehler auf dem Weg zum Beschluss. Der Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Er ist deswegen anfechtbar, aber nicht nichtig.226 Im Falle der Beschlussanfechtung wird ein solcher Beschluss für ungültig zu erklären sein, weil er die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt.

8.209 Es wäre denkbar, dass vom Gericht in einem solchen Fall § 49 Abs. 2 WEG angewendet wird und der Verwalter die Kosten des Rechtsstreites auferlegt bekommt, obwohl er nicht Partei eines gerichtlichen Beschlussanfechtungsverfahrens ist. Deswegen kann dem Verwalter nicht geraten werden, einen Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG zu verkünden, wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht vorliegen. Bestehen die Eigentümer darauf, kann er einen Geschäftsordnungsbeschluss herbeiführen, dass eine Beschlussfassung nach § 16 Abs. 4 WEG herbeigeführt werden soll und wie sich der Verwalter zu verhalten hat, wenn die doppelt qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wurde. Gibt es keine Beschlussvorgaben zum Verhalten des Verwalters, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er feststellt, dass der versuchte qualifizierte Beschluss nicht zu Stande kam. Auch ein solcher Negativbeschluss kann von einem Eigentümer gerichtlich angefochten werden.227

8.210 Die früher vertretene Meinung,228 ein in der Versammlung der Wohnungseigentümer gefasster Mehrheitsbeschluss zur Übertragung der Instandsetzungspflicht der Fenster als Teil des gemeinschaftlichen Eigentums auf die einzelnen Wohnungseigentümer sei nur anfechtbar, aber nicht nichtig und führe lediglich zu einer Entlastung des Verwalters von dieser Aufgabe, kann nach dem Beschluss des BGH vom 20.9.2000229 nur noch gelten, wenn der Beschluss auf 225 AG Halle, Urt. v. 12.5.2009 – 120 C 556/09, juris. 226 LG München, Urt. v. 20.9.2010 – 36 S 12740/10 WEG, ZWE 2011, 102 = ZMR 2011, 322. 227 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = WuM 2001, 572 = NJW 2001, 3339. 228 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 10.1.1989 – 2 W 25/88, OLGZ 1989, 164. 229 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.215 Teil 8

einen einzelnen Sanierungsvorgang ausgerichtet ist. Wenn er normativen Charakter hat, also auch für die Zukunft gelten soll, ist ein solcher Beschluss gesetzesverändernd und deshalb nichtig. Diese Grundsätze gelten weiter. Die Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG gilt nur für den Einzelfall. Ein Beschluss, der versuchen würde, auf der Basis dieser Vorschrift generell für die Zukunft zu regeln, wie die Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung zu verteilen sind, wäre nichtig. Insoweit führt die WEG-Novelle die vom BGH entwickelte Denkweise fort. Es wird nur die Ordnungsmäßigkeit des Vorgehens geprüft, wenn mit einer bestimmten qualifizierten Mehrheit die Kostenverteilung im Einzelfall verändert wird. 3. Rechte und Pflichten des einzelnen Eigentümers Ist der Verband zur erstmaligen Herstellung, zur Instandhaltung und Instandsetzung sowie zum Wiederaufbau im Fall der Zerstörung gesetzlich verpflichtet, begründet dies im Gegenzug entsprechende individuelle Ansprüche des einzelnen Eigentümers. Nur wenn bei Handlungsbedarf gehandelt wird, liegt ein Fall der ordnungsmäßigen Verwaltung vor. Dies gilt auch für die Regelung der Kosten, die mit einer Maßnahme zur erstmaligen Herstellung, Instandhaltung und Instandsetzung erforderlich ist.

8.211

Aus dem Anspruch des Eigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung resultieren wiederum Mitwirkungs- und Duldungspflichten der Eigentümer und des Verbandes im Rahmen der durchzuführenden Maßnahme. Die Frage der Mitwirkungspflicht hängt teilweise von einer Interessenabwägung ab. Entspricht die Wärmedämmung einer Giebelwand nicht dem heutigen baulichen Standard, aber dem im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes, müssen die Eigentümer einer modernisierenden Instandsetzung nur zustimmen, wenn ein erheblicher Nachteil in der Nutzung einer Wohnung dargelegt wird.230 Bei Reparaturbedürftigkeit eines Altbaus schulden die Eigentümer nur ein schrittweises Vorgehen bei der Sanierung nach Prüfung eines Sachverständigen.231

8.212

Die Eigentümer müssen also ebenso mitwirken wie der Verwalter.

8.213

Das Verlangen einer Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums bedarf grundsätzlich zunächst der Beschlussfassung der Eigentümer.232 Der Versuch, einen Beschluss herbeizuführen, kann ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn wegen der Stimmrechtsverhältnisse nicht mit einer Beschlussfassung zu rechnen und davon auszugehen ist, dass der antragstellende Wohnungseigentümer ohnehin keine Mehrheit in der Versammlung finden wird.

8.214

Nach vergeblichem Antrag eines Eigentümers und hiergegen gerichteter Klage, ist es einem Gericht möglich, den Verwalter zu verpflichten, einen entsprechenden Tagesordnungspunkt in die nächste Versammlung zu nehmen, um die Eigentümer entscheiden zu lassen. Beklagter eines solchen Verfahrens ist der Verwalter. Es ist dem Gericht bei entsprechendem Klageantrag nach § 21 Abs. 8 WEG auch möglich, eine von der Gemeinschaft geschuldete, aber verweigerte Beschlussfassung durch Urteil gestaltend zu ersetzen. Dabei kann die Eigentümergemeinschaft verpflichtet werden, innerhalb einer angemessenen Zeit, z.B. von 6 Monaten

8.215

230 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.10.2007 – I-3 Wx 54/07, 3 Wx 54/07, NJW-RR 2008, 169 = ZMR 2008, 142. 231 KG, Urt. v. 24.1.2001 – 24 U 340/00, KGR Berlin 2001, 173 = ZMR 2001, 657 = NZM 2001, 759 = ZWE 2001, 613. 232 BayObLG, Beschl. v. 18.1.2001 – 2Z BR 65/00, ZMR 2001, 469.

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Teil 8 Rz. 8.215

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

nach Rechtskraft des Urteils, bestimmte geforderte Instandsetzungsmaßnahmen fachgerecht durchzuführen.

8.216 Ist die Maßnahme erforderlich, kann die Durchsetzung des Anspruchs auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden, wenn es dadurch zu einer hohen finanziellen Belastung der Wohnungseigentümer kommt. Eine Verschiebung der nötigen Sanierungsmaßnahmen bewirkt eine weitere Verschlechterung des Bauzustands der Anlage. Die finanzielle Situation wird schwieriger, je länger mit der Renovierung zugewartet wird.233 Muss der Verband zur Durchführung notwendiger Maßnahmen gegen einen Eigentümer Beitragsforderungen gerichtlich geltend machen, kann ihm Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn weder die Gemeinschaft noch sämtliche Mitglieder die Kosten aufbringen können. Die Rechtsverfolgung liegt im allgemeinen Interesse.234

8.217 Wird die zur Erfüllung des gesetzlichen Anspruches erforderliche Mitwirkung verweigert, stellt sich die Frage nach der konkreten Passivlegitimation.

8.218 Der Anspruch auf ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung richtet sich gegen die Miteigentümer, die ihrer Selbstverwaltungspflicht nach § 21 WEG nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind. Diese sind passiv legitimiert. Zwar werden nach § 10 Abs. 6 S. 1 und S. 3 WEG diese Pflichten vom Verband wahrgenommen. Dieser kann jedoch erst nach Beschlussfassung der Eigentümer handeln. Deswegen ist eine Klage auf Durchführung einer Maßnahme zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung nicht gegen den Verband geltend zu machen und ihm gegenüber durchzusetzen,235 sondern gegen die übrigen Eigentümer zu richten. Nach § 21 Abs. 1 WEG besteht für jeden einzelnen Eigentümer die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Dieser Pflicht kommt er durch Beschlussfassung gemäß § 21 Abs. 3 WEG nach, worauf jeder Eigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch hat.236 Es handelt sich danach um einen Streit nach § 43 Nr. 1 WEG.237

8.219 Beschließen die Eigentümer eine Maßnahme, sind Beklagte einer gegen den Beschluss gerichteten Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 WEG die übrigen Eigentümer. Es handelt sich dann um ein Verfahren nach § 43 Nr. 4 WEG.

8.220 Gleiches gilt, wenn die Eigentümer über eine erforderliche Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung mit dem Ziel einer Beschlussfassung abstimmen und die Mehrheit eine solche Maßnahme verweigert. Der Verwalter hat dann die Ablehnung des Beschlusses zu verkünden. Dieser „Negativbeschluss“ kann mit der Anfechtungsklage nach § 46 WEG angegriffen werden. Die Beschlussanfechtung ist aber nicht zwingend erforderlich. Er erzeugt keine Sperrwirkung. Auch ohne Anfechtung kann eine verweigerte Leistung, wenn sie geschuldet war, direkt gegen die übrigen Eigentümer nach § 21 Abs. 8 WEG gerichtlich eingefordert werden.238 Soweit in Hinblick auf den Negativbeschluss mangels Vollstreckbarkeit die Frage nach 233 BayObLG, Beschl. v. 8.2.1996 – 2Z BR 122/95, BayObLGR 1996, 42 = WuM 1996, 239 = WE 1996, 476. 234 BGH, Beschluss v. 17.6.2010 – V ZB 26/10, MDR 2010, 1076 = ZMR 2010, 780 = ZWE 2010, 332 = NJW 2010, 2814. 235 A.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 13 Rz. 45. 236 OLG München, Beschl. v. 28.11.2008 – 34 Wx 24/07, NZM 2009, 130. 237 OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 082/09, ZMR 2010, 395 = WuM 2010, 380; ähnlich: AG München, Urt. v. 27.1.2011 – 483 C 1077/10, ZMR 2011, 677. 238 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = ZWE 2010, 174 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.224 Teil 8

dem konkreten Rechtsschutzbedürfnis diskutiert werden kann, stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Anfechtungsklage hiergegen zu erheben, statt die Klage sofort auf die Vornahme der Maßnahme zu richten. Die reine Anfechtungsklage führt alleine jedenfalls nicht zum Erfolg. Die Aktivlegitimation für die Einforderung einer geschuldeten Leistung hat jeder Eigentümer aus § 21 Abs. 4 WEG, wobei es zur Vermeidung von Nachteilen im gerichtlichen Verfahren nötig ist, den verlangten Anspruch erst in eine Beschlussfassung zu bringen. Wird der Beschluss abgelehnt, kann versucht werden, ihn durch das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG herbeizuführen.239 Richtet sich der Mitwirkungsanpruch gegen einen oder einzelne Eigentümer, können die übrigen Eigentümer die Durchsetzung ihrer persönlichen Eigentumsrechte durch einfachen Mehrheitsbeschluss zur Ausübung an den Verband übertragen.240

8.221

Weigert sich der Verwalter, über eine erforderliche Maßnahme abstimmen zu lassen, ist auch er gegebenenfalls Beklagter einer entsprechenden Leistungsklage in einem wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG. Kommt der Verwalter einer Aufforderung eines Eigentümers nicht nach, eine erforderliche Eigentümerversammlung einzuberufen, kann das Wohnungseigentumsgericht den Eigentümer auf Antrag zur Einberufung einer solchen Versammlung ermächtigen. Eine derartige Ermächtigung kommt aber erst dann in Betracht, wenn der Verwalter die Einberufung verweigert oder aber sein Ermessen hinsichtlich des Einberufungszeitpunkts überschreitet.241

8.222

4. Ansprüche des Wohnungseigentümers auf Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung Die Wohnungseigentümer tätigen beim Kauf des Sondereigentums eine nicht unerhebliche Investition und haben deshalb ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Interesse am Bestand und dauerhaften Erhalt des Wertes der Anlage. Insoweit unterscheidet sich die Denkweise des Wohnungseigentümers grundsätzlich von der eines Mieters, der nur am ordnungsgemäßen Zustand des angemieteten Gebäudeteils zum vertragsgemäßen Gebrauch während der Dauer des Mietvertrages interessiert sein kann.

8.223

a) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums Unabhängig vom wirtschaftlichen Interesse an der Instandhaltung und am Bestand der Anlage kann die Sichtweise der einzelnen Eigentümer bzgl. der Erforderlichkeit und der Priorität von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung sehr unterschiedlich sein. Sie ist unter anderem davon geprägt, welche Ziele der Eigentümer nah- oder mittelfristig verfolgt. Wer in absehbarer Zeit verkaufen will, den interessiert besonders eine vorzeigbare Optik des Gebäudes und der Anlage, die Interessenten anspricht und einen guten Preis für das Sondereigentum erwarten lässt.

239 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = ZWE 2010, 174 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129. 240 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, MDR 2010, 433 = ZWE 2010, 173 = NZM 2010, 204 = NJW 2010, 933. 241 LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 1.4.2010 – 6a T 50/09, ZWE 2011, 128.

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8.224

Teil 8 Rz. 8.224

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Wer dauerhaft in der Anlage lebt, den interessieren zweckmäßige Einrichtungen, die möglicherweise auf den ersten Blick kaum zu sehen sind, aber die subjektiv empfundene Lebensqualität verbessern, wie z.B. Waschmaschinen- und Wäschetrocknerraum, gut ausgeleuchtete Flure, Kellerräume und Tiefgaragen, Aufzüge, Kabelfernsehen oder schnelle Internetanschlüsse. Aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der Eigentümer kommen verschiedene, teilweise sogar gegensätzliche Vorstellungen und Forderungen auf die Miteigentümer und auf den Verwalter zu. aa) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung durch die Gemeinschaft

8.225 Jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 21 Abs. 4 WEG eine ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen. Dazu gehört insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Diese obliegt den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich, § 21 Abs. 1 WEG. Für sein Sondereigentum ist jeder Eigentümer selbst nach § 14 Nr. 1 WEG verantwortlich.

8.226 Die Abgrenzung und Zuordnung eines Gebäudeteils zum gemeinschaftlichen Eigentum oder zum Sondereigentum ist für die Eigentümer und für den Verwalter von großer Bedeutung. Beschlüsse der Eigentümer können nur zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gefasst werden. Werden Beschlüsse für eine Maßnahme am Sondereigentum gefasst, fehlt den Eigentümern die Beschlusskompetenz. Der Beschluss ist nichtig.242

8.227 Das Sondereigentum lässt sich anhand allgemeiner Kriterien vom zwingenden Gemeinschaftseigentum unterscheiden. Insofern wird auf Teil 11, die dortige Checkliste und die dortigen näheren Einzelheiten zur Unterscheidung verwiesen (s. II.1.c.aa).

8.228 Zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören nach § 5 Abs. 2 WEG die Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, wie etwa der Abdichtungsanschluss zwischen Dachterrasse und Gebäude,243 eine Abwasser-Hebeanlage, wenn es nicht nur einem Sondereigentum dient,244 ein Blockheizkraftwerk, das alle Wohnungen der Anlage versorgt, auch wenn es zugleich Strom produziert,245 ein Durchgang in einem Hinterhaus, der zum Erreichen des dahintergelegenen in Gemeinschaftseigentum stehenden Gartengeländes benutzt werden muss,246 Dachflächen und eingebaute Dachflächenfenster.247 Ordnet die Teilungserklärung die Balkone insgesamt dem Sondereigentum der jeweiligen Wohnungseigentümer zu, gehören die Balkonbrüstungen dennoch als konstruktive bzw. der Sicherheit dienende Bestandteile zwingend zum Gemeinschaftseigentum. Auch die Innenseite der Balkonbrüstung ist Teil des Gemeinschaftseigentums, wenn der Aufbau bzw. das Material des Brüstungselements (z.B. Faserzementplatte) eine gesonderte dingliche Zuordnung dieses Bereiches nicht ermöglicht. Zähler für die Erfassung des gemeinschaftlichen Verbrauchs von Gas, Wasser und Strom sind zwingendes Gemeinschaftseigentum.248 Das heißt aber nicht, dass sich das Ge242 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, ZWE 2011 = NZM 2011, 750 = MietRB 2011, 319. 243 BayObLG, Beschl. v. 27.4.2000 – 2Z BR 7/00, BayObLGR 2000, 65 = NZM 2000, 867 = NJW-RR 2001, 305 = ZWE 2001, 31. 244 LG Itzehoe, Urt. v. 20.9.2011 – 11 S 66/10, ZWE 2012, 181. 245 LG Itzehoe, Urt. v. 12.4.2011 – 11 S 31/10, ZWE 2012, 182. 246 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.4.2011 – 20 W 75/08, ZWE 2011, 414. 247 AG Wennigsen, Urt. v. 30.12.2009 – 21 C 30/08, ZMR 2010, 489. 248 LG Hamburg, Beschl. v. 16.6.2009 – 321 T 24/09, Rpfleger 2009, 563 = ZWE 2010, 141.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.234 Teil 8

meinschaftseigentum zwingend auch auf die Räume, in denen die Zähler angebracht sind, erstreckt, wie das Landgericht Hamburg in der vorstehenden Entscheidung fälschlich angenommen hat. Heizkörper und dazugehörige Leitungen zum Anschluss an eine Zentralheizung sind dann Sondereigentum, wenn sich darin befinden. Dies gilt vorbehaltlich ausdrücklicher anderweitiger Regelung in der Teilungserklärung auch für Heizungs- und Thermostatventile.249

8.229

Ebenso kann ausnahmsweise eine Doppelstockgarage und die dazugehörige Hebeanlage zum Sondereigentum gehören, wenn dies so vereinbart wurde und wenn durch diese keine weitere Garageneinheit betrieben wird.250

8.230

Bereits aus der Überschrift des § 21 WEG, der von der „Verwaltung durch die Wohnungseigentümer“ spricht, und aus § 21 Abs. 1 WEG geht hervor, dass jeder Eigentümer einen Anspruch auf Mitwirkung gegen die übrigen Eigentümer bei der Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungseigentumsanlage hat. Er kann auf die erforderlichen Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Verwaltung Einfluss nehmen. Denn grundsätzlich steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Eigentümern gemeinschaftlich zu.

8.231

Die Mitwirkungshandlung wird regelmäßig darin bestehen, dass ein entsprechender Mehrheitsbeschluss für eine Maßnahme herbeigeführt wird. Aus § 21 WEG kann keine Pflicht gegen einen einzelnen Eigentümer abgeleitet werden, an einer Beschlussfassung persönlich teilzunehmen. Davon zu unterscheiden ist das von der Rechtsprechung geforderte Gebot, an Maßnahmen zur Herstellung ordnungsmäßiger Verwaltung mitzuwirken,251 z.B. an Beschlüssen zur Sicherung der Liquidität.

8.232

Wenn sich die Gemeinschaft als solches weigert, überhaupt einen erforderlichen Beschluss für eine Maßnahme herbeizuführen, kann die Maßnahme unter Berufung auf einen entsprechenden Leistungsanspruch gemäß § 43 Nr. 1 WEG vor dem Wohnungseigentumsgericht gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt werden. Wenn eine Abstimmung durchgeführt und die Maßnahme mehrheitlich abgelehnt wird (Negativbeschluss), kann der Beschluss durch eine Anfechtungsklage nach § 43 Nr. 4 und § 46 Abs. 1 WEG einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt und zugleich die angestrebte Maßnahme verlangt werden.

8.233

Der Anspruch nach § 21 Abs. 4 WEG auf Beschlussfassung zum „Ob“ und „Wie“ einer erfor- 8.234 derlichen Sanierungsmaßnahme richtet sich gegen die Wohnungseigentümer und nicht gegen den Verband.252 Ob daneben auch ein Anspruch gegen den Verband auf Durchführung von Sanierungsmaßnahmen oder Beseitigung von Mängeln besteht, ist eher fraglich, da der Verband allein nicht handeln kann, sondern der mitwirkenden Beschlussfassung der Eigentümer bedarf. Deswegen ist die Klage direkt gegen die Eigentümer vorzuziehen, nachdem diese vergeblich mit einer Forderung zur Beschlussfassung konfrontiert wurden.253 Ist das Ermessen

249 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, ZWE 2011 = NZM 2011, 750 = MietRB 2011, 319. 250 BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = ZWE 2012, 81 = ZMR 2012, 377 = NJW-RR 2012, 85. 251 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = NZM 2005, 543 = ZWE 2005, 422 = ZMR 2005, 547. 252 OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 082/09, ZMR 2010, 395 = WuM 2010, 380. 253 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129.

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Teil 8 Rz. 8.234

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

der Eigentümer auf null reduziert, werden die Eigentümer nicht zur Beschlussfassung verurteilt, sondern das Gericht ersetzt nach § 21 Abs. 8 WEG die Beschlussfassung.254

8.235 Das Gesetz hat den Bestand der Wohn- oder Teileigentumsanlage in § 11 WEG unter besonderen Schutz gestellt. Daraus erwächst eine Wiederherstellungspflicht für die Eigentümer, wenn Schäden entstanden sind. In diesem Fall kann jeder Eigentümer von der Gemeinschaft die Zustimmung zu einem Eigentümerbeschluss über die Beseitigung der Schäden und deren Ursachen am Gemeinschaftseigentum und der Aufteilung der entstehenden Kosten nach dem geltenden Schlüssel verlangen, wenn nicht die Instandhaltung und Instandsetzung des betroffenen Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung ganz oder teilweise einem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt wurde.255

8.236 Nur ausnahmsweise entfällt ein Anspruch auf Beseitigung des Schadens. Eine weitgehende Zerstörung wesentlicher Gebäudeteile kann in engen Grenzen zum Wegfall der Instandsetzungspflicht führen, § 22 Abs. 4 WEG.

8.237 Eine Tiefgarage ist bei einer Wohnungseigentumsanlage z.B. nur Nebenraum. Deren überwiegende Zerstörung allein, wenn das Wohngebäude nicht vom Schaden betroffen ist, lässt die Wiederherstellungspflicht nicht entfallen. Dies gilt auch dann, wenn das Garagengebäude von der Wohnanlage getrennt steht. Der Zerstörungsgrad bemisst sich nach dem gemeinsamen Wert256 aller Baukörper.

8.238 Streitanfällig sind bei Fragen der laufenden Instandhaltung, von wem und was ggf. wiederkehrend getan werden muss, um den geschuldeten Zustand zu erhalten oder zu verbessern. Sicherheitserwägungen spielen dabei eine wesentliche Rolle, da der Bestand und die Sicherheit des Bauwerks und des Grundstücks gemäß § 5 Abs. 2 WEG immer Belange des gemeinschaftlichen Eigentums sind.257

8.239 Gefahrenquellen auf dem Grundstück oder solche, die von außen den Bewohnern drohen, müssen, soweit nötig und möglich, erfasst und abgestellt werden. Dazu kann gehören, dass von den Wohnungseigentümern zu dem an der Grundstücksgrenze auf dem Nachbargrundstück verlaufenden Bach ein solcher Zaun errichtet wird, der kleine Kinder daran hindert, diesen ohne weiteres zu überwinden.258

8.240 Bei einer Zufahrtstraße zu der Wohnanlage besteht aber dann kein Anspruch auf Errichtung eines Zauns, wenn die für Kinder von der Straße ausgehenden Gefahren nicht das Maß an Gefahren übersteigen, denen Kinder unvermeidbar durch die Teilnahme am Straßenverkehr ausgesetzt sind.259

254 OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 082/09, ZMR 2010, 395 = WuM 2010, 380. 255 BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = ZWE 2001, 366. 256 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 W 89/97, OLGReport Schleswig 1997, 346 = FGPrax 1997, 219 = NJW-RR 1998, 15 = WuM 1997, 697. 257 BGH, Urt. v. 25.1.2001 – VII ZR 193/99, NZM 2001, 435 = BauR 2001, 798 = NJW-RR 2001, 800. 258 BayObLG, Beschl. v. 17.2.2000 – 2Z BR 180/99, BayObLGZ 2000, 43 = ZMR 2000, 394 = NJWRR 2000, 968 = ZWE 2000, 350. 259 BayObLG, Beschl. v. 17.2.2000 – 2Z BR 180/99, BayObLGZ 2000, 43 = ZMR 2000, 394 = NJWRR 2000, 968 = ZWE 2000, 350.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.246 Teil 8

Vorkehrungen am Bauwerk selbst, wie der Einbau von Rückstausicherungen,260 Fragen der Statik bei Umbaumaßnahmen oder Dachgeschossausbauten,261 unterfallen ebenfalls diesem Anspruch auf Sicherheit.

8.241

Wenn die Gemeinschaft die Instandhaltungspflicht hat, ist sie auch verpflichtet, eine Überprüfung auf die Notwendigkeit der Instandhaltung und Instandsetzung durchzuführen. Durch Mehrheitsbeschluss soll diese Überprüfungspflicht zusammen mit den dadurch entstehenden Kosten auf einzelne Miteigentümer übertragbar sein.262

8.242

Die Überprüfung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums zur Feststellung, ob Handlungsbedarf besteht, erzeugt Kosten, die nach dem in der Gemeinschaft geltenden Verteilungsschlüssel zuzuordnen sind. Wenn durch einen Mehrheitsbeschluss gemeinschaftliche Kosten nur auf einen Teil der Miteigentümer übertragen werden, ist ein solcher Mehrheitsbeschluss dann nichtig, wenn er das Ziel verfolgt, diese Regelung dauerhaft einzuführen. Er greift dann verändernd in das Rechtsverhältnis der Eigentümer untereinander ein und bedarf zu seiner Wirksamkeit einer Vereinbarung.

8.243

Ein solcher Beschluss kann aber dann bestandskräftig werden, falls er nur eine Überprüfung für einen Einzelfall durch bestimmte Miteigentümer auf deren Kosten festlegt. Wird dieser Beschluss mit doppelt qualifizierter Mehrheit nach § 16 Abs. 4 WEG herbeigeführt, kann er ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Wird die erforderliche Qualifizierung bei der Beschlussfassung verfehlt und der Beschluss dennoch verkündet, kann der Beschluss bestandskräftig werden, weil § 16 Abs. 4 WEG eine gesetzliche Beschlusskompetenz enthält. Nach Anfechtungsklage gemäß § 46 Abs. 1 WEG ist ein solcher Beschluss allerdings für ungültig zu erklären.

8.244

Nach Feuchtigkeitsschäden263 kann jeder Wohnungseigentümer von den anderen Wohnungseigentümern die Zustimmung zu einem Eigentümerbeschluss über die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden sowie deren Ursachen am Gemeinschaftseigentum und der Aufteilung der entstehenden Kosten nach dem geltenden Schlüssel verlangen, sofern nicht die Instandhaltung und Instandsetzung des betroffenen Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung ganz oder teilweise einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt wurde.

8.245

Bei solchen Feuchtigkeitsschäden ist nach der Rechtsprechung des BGH sofort zu handeln.264 Weiter kann jeder Eigentümer die Zustimmung im Wege der Beschlussfassung von den anderen Eigentümern verlangen, dass der Verwalter einen Sachverständigen mit der Feststellung der Ursachen und der Darstellung der Reparaturmaßnahmen und Kostenermittlung beauftragt.265 260 OLG Köln, Beschl. v. 19.12.1997 – 16 Wx 293/97, WuM 1998, 308 = WE 1998, 313 = Wohnungseigentümer 1998, 166. 261 BayObLG, Beschl. v. 8.7.1997 – 2 Z BR 70/97, BayObLGR 1997, 82 = WuM 1997, 526 = WE 1998, 120. 262 KG, Beschl. v. 15.11.2000 – 24 W 6514/99, KGR Berlin 2001, 195 = WuM 2001, 298 = ZWE 2001, 331. 263 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 532 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = BeckRS 2018, 8235. 264 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 532 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = BeckRS 2018, 8235. 265 BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = Wohnungseigentümer 2001, 112 = ZWE 2001, 366.

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8.246

Teil 8 Rz. 8.247

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.247 Bei Reparaturen am Altbau schuldet die Gemeinschaft nur ein schrittweises Vorgehen bei der Sanierung nach Prüfung durch einen Sachverständigen.266 Dies gilt nicht bei akuten Schäden, die sofortiges Handeln verlangen.267

8.248 Wenn eine konkrete Einbruchsgefahr besteht, kann einem Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Anspruch zustehen, dass er auf eigene Kosten und bis zur Schaffung anderweitiger Sicherungsmaßnahmen bisher nicht vorhandene Einbruchssicherungen vor den Fenstern seiner Wohnung anbringen darf.268

8.249 Die Bauwerksabdichtung gehört zum gemeinschaftlichen Eigentum, so auch der Abdichtungsanschluss zwischen Dachterrasse und Gebäude. Selbst wenn ein Käufer vor dem Erwerb den Mangel erkennt, entfällt damit der Anspruch gegen die Gemeinschaft nicht.269 Erhält der Käufer vom Verkäufer für den Mangel am gemeinschaftlichen Eigentum einen (erheblichen) Nachlass, betrifft dies nur die rechtlichen Beziehungen aus dem Kaufvertrag. Das Rechtsverhältnis zur Gemeinschaft wird dadurch nicht berührt. Darin liegt eine besondere Gefahr für Verkäufer und Bauträger, möglicherweise doppelt in Anspruch genommen zu werden.

8.250 Bei erheblicher Abweichung vom Stand der Technik, z.B. Geräuschentwicklung einer Heizungsanlage, besteht dann ein Anspruch der Miteigentümer auf entsprechende modernisierende Instandsetzung, wenn nicht Amortisationsgesichtspunkte entgegenstehen.270

8.251 Die erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands entsprechend den Plänen kann ausnahmsweise dann nicht verlangt werden, wenn dies den übrigen Eigentümern unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist.271 Allein der rechnerische Vergleich von Aufwand und finanziellem Nutzen reicht nicht aus. Erst wenn der Aufwand den Nutzen deutlich übersteigt, ist die Durchsetzung eines grundsätzlich gegebenen Anspruchs auf erstmalige Herstellung rechtsmissbräuchlich.272

8.252 Gibt es Trittschallübertragungen im Treppenhaus und beschließen die Eigentümer dennoch, von der Beseitigung der Mängel abzusehen, soll der Anspruch auf erstmalige Herstellung des ordnungsmäßigen Zustands nach der Rechtsprechung des Bayrischen Obersten Landgerichts aus dem Jahr 1998 verloren gehen, wenn der Mehrheitsbeschluss bestandskräftig wird.273 Ob hiervon heute noch ausgegangen werden kann, erscheint jedoch zweifelhaft, nachdem der BGH 2012 festgestellt hat, dass die erstmalige Herstellung Bestandteil der ordnungs-

266 KG, Beschl. v. 24.1.2001 – 24 U 340/00, KGR Berlin 2001, 173 = ZMR 2001, 657 = NZM 2001, 759 = ZWE 2001, 613. 267 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 532 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = BeckRS 2018, 8235. 268 KG, Beschl. v. 17.7.2000 – 24 W 2406/00, KGR Berlin 2001, 3 = ZMR 2000, 58 = NZM 2001, 341 = ZfIR 2001, 303 = ZWE 2000, 534. 269 BayObLG, Beschl. v. 27.4.2000 – 2Z BR 7/00, BayObLGR 2000, 65 = NZM 2000, 867 = NJW-RR 2001, 305 = ZWE 2001, 31. 270 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 21.12.1998 – 2 W 100/98, WuM 1999, 180 = FGPrax 1999, 51 = ZfIR 1999, 378. 271 BayObLG, Beschl. v. 18.1.2001 – 2Z BR 65/00, ZMR 2001, 469 = Wohnungseigentümer 2001, 110. 272 BayObLG, Beschl. v. 18.9.2002 – 2Z BR 39/02, ZMR 2002, 954 = WuM 2002, 620 = ZfIR 2003, 25. 273 BayObLG, Beschl. v. 25.11.1998 – 2Z BR 98/98, NZM 1999, 262 = ZMR 1999, 267 = WE 1999, 159.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.258 Teil 8

gemäßen Verwaltung ist und nicht der Verjährung unterliegt274 und zudem eine Beschlusskompetenz der Gemeinschaft, Maßnahmen der erstmaligen Herstellung zu unterlassen vom BGH bereits 2000 verneint wurde.275 Um den Anspruch auf Mitwirkung bei der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßigen 8.253 Zustands durch einen Eigentümer gerichtlich geltend machen zu können, bedarf es der vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung.276 Dies kann nur dann unterbleiben, wenn der Wohnungseigentümer mit großer Wahrscheinlichkeit keine Mehrheit in der Versammlung finden wird.277 Den Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen einen Miteigentümer kann der einzelne Wohnungseigentümer ohne Ermächtigung278 durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen.279

8.254

Auch sollen einzelne Miteigentümer ohne entsprechenden Gemeinschaftsbeschluss zur Verfolgung von Ansprüchen nach § 1004 BGB aus Instandhaltungs- und/oder Veränderungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum gegen die Verwaltung berechtigt sein.280

8.255

Die Auswahl des Anspruchsgegners orientiert sich an dem Ziel, das ein Eigentümer verfolgt. Der Anspruch auf Abstimmung bzw. Zustimmung in der Eigentümerversammlung durch Mehrheitsbeschluss richtet sich gegen die übrigen Eigentümer. Es handelt sich dann gegebenenfalls um einen Streit nach § 43 Nr. 1 WEG. Dabei sind die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander zu klären.

8.256

Der Anspruch auf Instandhaltung oder Instandsetzung selbst richtet sich eigentlich gemäß § 10 Abs. 6 S. 2 WEG gegen den Verband. Dieser nimmt auch gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.

8.257

Der Eigentümer kann versuchen, seinen Anspruch gegen den Verband zu richten. Setzt er sich 8.258 gerichtlich durch und wird der Verband verpflichtet, eine Maßnahme durchzuführen, wird damit die sonst vorzuschaltende Beschlussfassung der Eigentümer ersetzt. Voraussetzungen für ein Vorgehen gegen den Verband ist, dass ergebnislos versucht wurde, die Eigentümer zu einer entsprechenden Beschlussfassung zu bewegen.281 Eine gerichtliche Durchsetzung gegen den Verband ist rechtlich aber noch nicht abgesichert, weshalb es derzeitig empfehlenswert ist, gegen die Miteigentümer einen Beschluss nach § 21 Abs. 8 WEG einzuklagen, nachdem zuvor eine Beschlussfassung vergeblich versucht wurde. 274 BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11; MDR 2012, 834 = WuM 2012, 397 = ZWE 2012, 325. 275 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518. 276 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZWE 2010, 174 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129. 277 BayObLG, Beschl. v. 18.1.2001 – 2Z BR 65/00, ZMR 2001, 469 = Wohnungseigentümer 2001, 110. 278 BGH, Beschl. v. 11.12.1992 – V ZR 118/91, BGHZ 121, 22 = MDR 1993, 445 = NJW 1993, 727 = WuM 1993, 143 = ZMR 1993, 173. 279 BGH, Beschl. v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167. 280 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 5.1.1998 – 2 W 109/97, SchlHA 1998, 161 = WuM 1998, 308 = ZfIR 1998, 425. 281 BayObLG, Beschl. v. 18.1.2001 – 2Z BR 65/00, ZMR 2001, 469 = Wohnungseigentümer 2001, 110.

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Teil 8 Rz. 8.259

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

bb) Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung durch den Verwalter

8.259 Während § 21 WEG die Eigentümer verpflichtet, die nötigen Entscheidungen zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu treffen, veranlasst der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen.

8.260 Zu den Aufgaben des Verwalters in Bezug auf Instandhaltung und Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG zählen282 insbesondere: – Die Ermittlung des Handlungsbedarfs, der Handlungsmöglichkeiten und des Kostenbedarfs. – Die Eigentümer zu informieren. – Den Eigentümern die Möglichkeit zu bieten, eine Entscheidung durch einen Mehrheitsbeschluss in einer Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 WEG oder durch eine schriftliche Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 3 WEG herbeizuführen. – Die Durchführung der beschlossenen und hinreichend genau beschriebenen Maßnahme. – Die Verpflichtung des Verbandes nach Außen durch Abschluss von Verträgen. – Die Zahlung der entstandenen Verbindlichkeiten des Verbands und die Abnahme der Leistung als dessen gesetzlicher Vertreter. – Die Vermeidung einer Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer in Bezug auf die anteilige Haftung für die entstehende Verbindlichkeit nach § 10 Abs. 8 WEG, soweit dies möglich ist.

8.261 Soweit es Aufgabe des Verwalters ist, die Maßnahme durch eine Beschlussfassung der Eigentümer vorzubereiten, sollte der Inhalt der Beschlussfassung die Fragen, – ob die Gemeinschaft überhaupt handeln will, – welche der vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden sollen, – welche Dritten – Sachverständige, Architekten, Handwerker, Bauunternehmer etc. – eingeschaltet werden sollen, – wann die Maßnahme durchgeführt werden soll, – wer die Aufträge erteilt, überwacht und abnimmt, – wie die Maßnahme finanziert wird, – ob der Verwalter bei einer Anfechtungsklage mit dem Vollzug des Beschlusses bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung warten soll oder ob der Beschluss durchgeführt wird, vorbehaltlich einer anderen Anordnung durch das Gericht, beantworten.

8.262 Aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 schuldet der Verwalter im Innenverhältnis den Eigentümern, das gemeinschaftliche Eigentum regelmäßig darauf zu kontrollieren, ob Maßnahmen erforderlich 282 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.268 Teil 8

sind. Siehe dazu näheres unten. Weil der Verwalter nicht den Erfolg schuldet, hat er die Entscheidung der Eigentümer hinzunehmen, wenn diese durch Beschluss entscheiden, dass kein Handlungsbedarf besteht oder dass derzeitig nichts unternommen werden soll. Auch der Umgang mit Gewährleistungsrechten und deren Fristen gehört zum Aufgabenbereich des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Der Verwalter ist dann verpflichtet, eine sachgerechte Entscheidung der Wohnungseigentümer zur Mängelbeseitigung durch Hinwirken auf eine Klärung der Mängelursache vorzubereiten und anzuregen.283 Der Verwalter muss sich selbst dann organisatorisch um die Beseitigung von Baumängeln kümmern, wenn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf den Verwaltungsbeirat übertragen wurde.284

8.263

Zur Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören auch die pflegenden, erhaltenden und vorsorgenden Maßnahmen, die der Erhaltung des ursprünglichen Zustands dienen. Bei Instandsetzungsmaßnahmen ist der erforderliche Umfang notfalls durch Sachverständige festzustellen. Schwerer ist dies für vorbeugende Pflegemaßnahmen und erst recht für regelmäßige Wartungsarbeiten, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen bestehen, wie etwa für Heizungsanlagen. Ob ein entsprechender Wartungsvertrag abgeschlossen wird, haben die Wohnungseigentümer und nicht der Verwalter zu entscheiden. Letzterer hat jedoch die Wohnungseigentümer auf die Möglichkeit und gegebenenfalls die Notwendigkeit eines solchen Wartungsvertrags hinzuweisen.285

8.264

cc) Die Vorgaben der Energieeinsparverordnung Die Energieeinsparverordnung (EnEV) vom 24.7.2007 hat für Eigentümer und Verwalter einen nicht unerheblichen Informations- und Handlungsbedarf zur Folge gehabt. Sie dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 92/42/EWG des Rates vom 21.5.1992, der Richtlinie 2002/ 91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2002 sowie der Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.2005. Zuletzt wurde sie am 24.10.2015 geändert.

8.265

Ziel der Energieeinsparverordnung (EnEV) ist es Energie in Gebäuden einzusparen, um so bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen (vgl. § 1 EnEV).

8.266

Im Wesentlichen soll dies dadurch erreicht werden, dass im Rahmen der Bestandssicherung Heizkessel ggf. erneuert und Leitungen für Heizung und Warmwasser in unbeheizten Räumen gedämmt werden. Elektrische Speicherheizsysteme sind ggf. nach dem EnEV-Zeitplan außer Betrieb zu nehmen. Nicht gedämmte, oberste Geschossdecken über beheizten Räumen oder das Dach sind nach EnEV zu dämmen. Soll ein Bestandsgebäude energetisch verbessert werden, ist eine Analyse im Rahmen einer Energieberatung mit einem Bericht über wirtschaftliche Modernisierungsoptionen ratsam. Für die Energieberatung und für die energetische Sanierung sind staatliche Fördergelder nutzbar.

8.267

Für den Fall, dass Eigentümer ihr Sondereigentum verkaufen oder vermieten wollen, muss ein Energieausweis erstellt werden. Bei Inseraten ist der Energieausweis bereits abzubilden. Wenn Käufer oder Neumieter den Energieausweis verlangen, muss dieser vorgelegt werden können.

8.268

283 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = ZMR 2007, 56 = NZM 2007, 137 = ZWE 2007, 92. 284 LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2000 – 19 T 442/00, ZWE 2001, 501. 285 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 84.

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Teil 8 Rz. 8.268

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Ohne den Nachweis des Energieverbrauchs handelt der Eigentümer ordnungswidrig. Ein Energieausweis kann nach dem fiktiv berechneten Energiebedarf oder nach dem tatsächlich erfassten Energieverbrauch erstellt werden. Für kleine Anlagen mit höchstens vier Wohnungen muss seit dem 1.10.2008 ein Bedarfsausweis erstellt werden, wenn das Haus die Wärmeschutzverordnung (WSchVO 1977) nicht erfüllt.

8.269 Die EnEV betrifft im Wesentlichen alle beheizten und gekühlten Gebäude. Für alle gelten die Regeln über die Inbetriebnahme und Wartung der Heizung und die Inspektionspflicht für Klimaanlagen. Soll die Heizungs-, Warmwasser-, Lüftungs- und Klimatisierungstechnik neu eingebaut oder wesentlich erneuert werden, greifen auch hier die Anforderungen der EnEV. Übersteigt die Nennleistung für den Kältebedarf der Klimaanlage 12 Kilowatt, muss die Anlage regelmäßig nach dem Zeitplan der EnEV von Fachleuten inspiziert werden. Der Inspektionsturnus hängt vom jeweiligen Alter der Anlage ab.

8.270 Erneuerte Fenster müssen den Wärmeschutz-Anforderungen der EnEV entsprechen. Das gilt nicht für Häuser, in denen höchstens ein Zehntel der gesamten Fensterfläche des Gebäudes erneuert wird. Dort ist die geltende Norm für den Mindestwärmeschutz in Gebäuden einzuhalten. Zudem dürfen die erneuerten Fenster energetisch nicht schlechter sein als die alten Fenster.

8.271 Beim schlichten Streichen der Außenwand muss die EnEV nicht beachtet werden. Maßgeblich ist nicht nur die Fläche, sondern auch die Art und Weise, wie eine Außenwand ggf. verändert wird. Wird sie ersetzt, erstmals eingebaut, zusätzlich gedämmt oder mit Platten oder Mauerwerksvorsatzschalen bekleidet, muss die EnEV eingehalten werden. Diese bestimmt für die Bauteile der Gebäudehülle (Außenwand, Dach, Fenster und Decke), bei welchen Veränderungen die Verordnung greift.

8.272 Es muss auch nur ein neuer oder ausgebauter Gebäudeteil die Wärmeschutzanforderungen der EnEV für Neubauten erfüllen. Ist der Anbau oder Ausbau 15 bis 50 m2 groß, müssen neue oder sanierte Bauteile der Gebäudehülle nur den Wärmeschutzanforderungen der EnEV für die Altbausanierung entsprechen.

8.273 In großen Häusern mit mindestens sechs Wohnungen ist es untersagt, elektrische Speicherheizungen zu betreiben. Es gibt einen (deteilierten) Zeitplan für die Umrüstung. Bei Nichtwohnbauten greift diese Pflicht nur, wenn die elektrische Speicherheizung über 500 Quadratmeter der Nutzfläche ihres Gebäudes beheizt. Wer trotz staatlicher Fördergelder seine Heizung nicht wirtschaftlich vertretbar umrüsten kann, muss dieser Pflicht nicht unbedingt nachkommen.

8.274 Die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung erfordern die Einhaltung der Vorgaben der EnEV. Deswegen sind die Eigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG gefordert, die erforderlichen Maßnahmen als solche der Instandhaltung und Instandsetzung zu beschließen, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Zugleich ist der Verwalter gefordert, der die Eigentümer nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG anhalten und anleiten muss, den erkennbaren Handlungsbedarf zu erledigen. Weil es sich hier um spezielle technische Vorschriften handelt, die der kaufmännisch ausgebildete Verwalter selten ausreichend beherrscht, sollte der Verwalter einen Eigentümerbeschluss vorbereiten und herbeiführen, mit dem er beauftragt und ermächtigt wird, als Fachmann einen Architekten oder Energieberater einzuschalten, der die Wohnanlage auf die Erfordernisse der EnEV untersucht und den Eigentümern Empfehlungen erarbeitet.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.281 Teil 8

Soweit sich Handlungsbedarfe für die Gemeinschaft ergeben, die nach den Vorgaben der 8.275 EnEV abgearbeitet werden müssen, gehen die erforderlichen Maßnahmen nicht über die Instandhaltung und Instandsetzung hinaus und sind keine bauliche Veränderungen gemäß § 22 Abs. 1 WEG. Es sind Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung, die mit einfachem Mehrheitsbeschluss geregelt werden können. Wird ein solcher Beschluss von den Eigentümern verweigert, kann jeder einzelne Eigentümer diesen Negativbeschluss nach § 46 Abs. 1 WEG gerichtlich anfechten und gleichzeitig verlangen, dass die Maßnahme durchgeführt wird. Werden zusammen mit den nach der EnEV unbedingt erforderlichen Maßnahmen auch andere Veränderungen beschlossen, die nicht zwingend erforderlich sind, bedarf es insoweit der Zustimmung der nachteilig betroffenen Eigentümer nach § 22 Abs. 1 WEG oder eines doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschlusses nach § 22 Abs. 2 WEG. Letzteres geht nur, wenn eine Modernisierung oder Anpassung an den Stand der Technik vorliegt, die an Stelle der Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 WEG mit einer besonderen Mehrheit geregelt werden dürfen. Bestimmte Pflichtverstöße werden in der EnEV als Ordnungswidrigkeit qualifiziert und kön- 8.276 nen mit einem Bußgeld belegt werden. Als Verantwortlicher nach der Verordnung wird der „Bauherr“ bezeichnet. Der Verwalter wird nicht ausdrücklich genannt. Betroffener einer Ordnungswidrigkeit kann somit auch der Sondereigentümer sein, wenn er einen Energieausweis nicht oder nicht rechtzeitig zugänglich macht. Will sich der Verwalter von einer Haftung freihalten, muss er den Eigentümern die Möglichkeit verschaffen, die erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen. Werden diese von den Eigentümern z.B. aus Kostengründen verweigert, sollte der Verwalter noch auf die Gefahr des Bußgeldes hinweisen. Obwohl der Verwalter hierzu berechtigt wäre, ist er nicht verpflichtet, einen Negativbeschluss der Eigentümer gerichtlich anzufechten, um die Eigentümer zu einem ordnungsgemäßen Verhalten zu zwingen. Würde dem Verwalter eine solche Pflicht auferlegt, geriete er mit seiner Neutralitätspflicht in eine Interessenkollision. Es bleibt vielmehr die Eigenverantwortung jedes einzelnen Eigentümers, die Verweigerungshaltung der Mehrheit gegebenenfalls durch eine Anfechtungsklage zu überwinden.

8.277

Der Handlungsbedarf nach den Vorgaben der EnEV ist für die Eigentümer wie auch für den 8.278 Verwalter schwierig einzuschätzen. Das benötigte sachverständige Wissen eines Architekten oder Energieberaters verursacht Kosten, weshalb der Verwalter zunächst eines Auftrags durch die Eigentümer bedarf. In der Einladung für die Eigentümerversammlung sollte zumindest dieser Tagesordnungspunkt vorgesehen werden: – Beschlussfassung zur Prüfung des Handlungsbedarfs der Gemeinschaft nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV).

8.279

Vor der Versammlung sollte der Verwalter Informationen darüber einholen,

8.280

– welche Personen als Fachleute in Betracht kommen, – welche Kosten bei einer Beauftragung voraussichtlich anfallen werden, – ob und welche Mitwirkungspflichten die Fachleute bei den Ermittlungen von den Eigentümern/Bewohnern erwarten. Die anfallenden Kosten werden von allen Eigentümern anteilig in dem Verhältnis getragen, wie sich in dieser Gemeinschaft die Kosten für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung verteilen. Auch darüber sollten die Eigentümer bereits vor der Beschlussfassung informiert werden. Im Einzelfall kann nach § 16 Abs. 4 WEG hiervon abgewichen werden. Peter

381

8.281

Teil 8 Rz. 8.282

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.282 Der Beschlussvorschlag in der Versammlung könnte lauten: … Die Eigentümer beschließen die Beauftragung von (… Fachmann), um – den Handlungsbedarf der Gemeinschaft nach den Vorgaben der EnEV festzustellen, – notwendige Maßnahmen aufzulisten, – eine Kostenprognose für die Maßnahmen zu erstellen, – die Zeitvorgaben zur Erledigung nach der EnEV mitzuteilen. Die Kosten der Beauftragung werden aus der Rücklage bezahlt. Der Verwalter hat den Eigentümern über das Ergebnis unverzüglich zu berichten und die weitere Vorgehensweise beschließen zu lassen …! dd) Die Vorgaben der Trinkwasserverordnung

8.283 Bereits am 1.11.2011 ist die Trinkwasserverordnung zur Umsetzung der Richtlinie 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch in Kraft getreten. Am 6.10.2015 wurde die Richtlinie (EU) 2015/1787 zur Änderung der Anhänge II und III der Richtlinie 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch erlassen. Diese machte wiederum die Neufassung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vom 1.11.2011 erforderlich. Die Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften – die insbesondere in Artikel 1 die Änderung der Trinkwasserverordnung umfasst – ist am 8.1.2018 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2018 Teil I Nr. 2, S. 99 ff.) verkündet worden. Die neue Trinkwasserverordnung ist somit am 9.1.2018 in Kraft getreten.

8.284 Die durch Artikel 1 der vorliegenden Verordnung vorgenommene Änderung der Trinkwasserverordnung dient der nationalen Umsetzung der Änderungsrichtlinie, u.a. der Anpassung der Überwachung des Trinkwassers durch Wasserversorger an europäische Vorgaben. Daneben wurden in der neuen Trinkwasserverordnung zahlreiche Klarstellungen und Aktualisierungen umgesetzt (z.B. die klarere Abgrenzung zwischen Trinkwasserverordnung und Lebensmittelrecht).

8.285 Die Trinkwasserverordnung bringt für den Verwalter Anzeige-, Dokumentations-, Informations- und Untersuchungspflichten.

8.286 Eines der Hauptziele der Trinkwasserverordnung ist die Verbesserung der Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch und hier insbesondere die Bekämpfung von Legionellen. Diese können die meldepflichtige sog. „Legionärskrankheit“ auslösen. Sie soll aber auch davor schützen, dass durch verbautes Material – Rohrleitungen etc. – oder in sonstiger Weise Stoffe in das Trinkwasser gelangen.

8.287 Durch den neuen § 17 Abs. 7 der aktuellen Trinkwasserverordnung wird daher ein Einbringungsverbot für Gegenstände und Verfahren in bestimmte Trinkwasseranlagen normiert. Dort heißt es: „Bei der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser dürfen nur Stoffe oder Gegenstände im Kontakt mit dem Roh- oder Trinkwasser verwendet und nur physikalische oder chemische Verfahren angewendet werden, die bestimmungsgemäß der Trinkwasserversorgung dienen. Bereits eingebrachte Stoffe oder Gegenstände, die bestimmungsgemäß nicht der Trinkwasserversorgung dienen, müssen bis zum 9. Januar 2020 aus dem Roh- oder Trinkwasser entfernt werden. § 17 Abs. 7 Satz 2 der neuen Trinkwasserverordnung

382

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.296 Teil 8

gilt entsprechend für bereits eingesetzte Verfahren, die bestimmungsgemäß nicht der Trinkwasserversorgung dienen“. Regelmäßige Trinkwasseranalysen sind danach zwingend erforderlich, wenn Trinkwasser im Rahmen gewerblicher oder öffentlicher Tätigkeit abgegeben wird. Dies trifft für eine reine Wohnanlage (Eigentümergemeinschaft) regelmäßig nicht zu.

8.288

Für Inhaber von sogenannten „c-Anlagen“ (Kleinanlagen für den Eigenbedarf), die definitionsgemäß kein Trinkwasser an dritte Personen abgeben, können die bisher mindestens alle drei Jahre notwendigen Untersuchungen in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt auf ein Untersuchungsintervall von maximal fünf Jahren (vorher: drei Jahre) gestreckt werden (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 5 der neuen TrinkwV). Für die Inhaber von c-Anlagen wird im § 14 Abs. 2 Satz 6 TrinkwV eine Pflicht zur regelmäßigen unaufgeforderten Untersuchung des Trinkwassers auf bestimmte Parameter eingeführt.

8.289

Auch bei Großanlagen sind besondere Anzeigepflichten zu beachten. Eine solche Anlage liegt vor, wenn mehr als 400 l Wasser gespeichert werden oder mehr als 3 l Wasser in der Leitung zwischen der Erwärmungsquelle und der Entnahmestelle vorhanden sind.

8.290

Für ab dem 9.1.2018 neu in Betrieb genommene und von § 14 b der neuen TrinkwV betroffene Wasserversorgungsanlagen normiert § 14 b Abs. 6 TrinkwV, dass „die erste Untersuchung nach § 14 b Abs. 1 TrinkwV … bei einer ab dem 9. Januar 2018 neu in Betrieb genommenen Wasserversorgungsanlage innerhalb von drei bis zwölf Monaten nach der Inbetriebnahme durchzuführen“.

8.291

Werden dem Trinkwasser Stoffe zugesetzt, müssen die Eigentümer und übrigen Nutzer des Hauses von Anfang an informiert werden.

8.292

Im Rahmen gewerblicher oder öffentlicher Tätigkeit, bei der auch Trinkwasser abgegeben wird, müssen Aufbereitungsstoffe und deren Konzentration mindestens wöchentlich aufgezeichnet werden. Die Ergebnisse sind mindestens sechs Wochen aufzubewahren und müssen für Verbraucher zugänglich sein. Zentral zuständige Behörde ist das örtliche Gesundheitsamt. Auf dessen Verlangen sind ggf. technische Pläne der Wasserversorgungsanlage vorzulegen.

8.293

Gibt es Anhaltspunkte, dass Trinkwasser eine veränderte, insbesondere verschlechterte Qualität aufweist, sind unverzüglich alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und Untersuchungen einzuleiten. Das Gesundheitsamt muss informiert werden. Mit der Abhilfe dürfen nur anerkannte Fachunternehmen beauftragt werden.

8.294

Soweit die Voraussetzungen in größeren Wohnanlagen vorliegen, hat eine wiederkehrende Untersuchung des Trinkwassers auf Legionellen zu erfolgen. Es muss an mehreren repräsentativen Stellen untersucht werden. Die Ergebnisse sind aufzuzeichnen und 10 Jahre verfügbar zu halten. Das Gesundheitsamt ist jeweils innerhalb von zwei Wochen über das Ergebnis zu informieren.

8.295

Darüber hinaus wurden die Verbraucherrechte in § 21 der neuen Trinkwasserverordnung gestärkt; u. a. haben „der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage den betroffenen Verbrauchern mindestens jährlich geeignetes und aktuelles Informationsmaterial über die Qualität des bereitgestellten Trinkwassers zu übermitteln, wenn es sich um eine der folgenden Wasserversorgungsanlagen handelt:

8.296

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Teil 8 Rz. 8.296

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

1. eine Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) TrinkwV oder 2. eine Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nummer 2 Buchstabe d) oder Buchstabe e) TrinkwV, sofern die Anlage im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit betrieben wird“.

8.297 Zudem haben „Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) TrinkwV oder, sofern die Anlage im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit betrieben wird, nach § 3 Nur. 2 Buchstabe e) der neuen TrinkwV die betroffenen Verbraucher zu informieren, wenn Trinkwasserleitungen aus dem Werkstoff Blei in der von ihnen betriebenen Anlage vorhanden sind, sobald 1. sie hiervon Kenntnis erlangen oder 2. ein entsprechender Verdacht besteht, insbesondere aufgrund vorliegender Trinkwasseranalysendaten, die durch eine Untersuchungsstelle nach § 15 Abs. 4 Satz 1 der neuen TrinkwV erhoben wurden“.

8.298 Jeder Miteigentümer in einer Wohnanlage ist als Mitinhaber einer Wasserversorgungsanlage auch mit verantwortlich. Es kann von ihm erwartet werden, dass er mitwirkt, die erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen.

8.299 Auch der Verwalter wird durch die Trinkwasserverordnung verstärkt in die Pflicht genommen. Die Herstellung eines hygienisch einwandfreien Zustandes des Trinkwassers entsprechend den Vorgaben der Trinkwasserverordnung gehört zu den Aufgaben der technischen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, eine der unabdingbaren Kardinalaufgaben des Verwalters.

8.300 Weil die Eigentümer oder der Verwalter kaum rechtlich und technisch in der Lage sind, die Trinkwasserverordnung im Einzelfall richtig anzuwenden, ist es empfehlenswert, die Eigentümer beschließen zu lassen, dass ein Fachmann eingeschaltet wird. Dieser soll nach den Vorgaben der Trinkwasserverordnung eine Wohnanlage prüfen, welcher Handlungsbedarf besteht. Nach Vorlage des Prüfberichts ist der Handlungsbedarf bekannt. Durch weitere Beschlüsse kann ein Maßnahmenkatalog festgelegt werden, der vom Verwalter abzuarbeiten ist.

8.301 Hinsichtlich der Aufnahme in die Tagesordnung und zum Inhalt und der Struktur der Beschlüsse, die gefasst werden sollten, wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Energieeinsparverordnung verwiesen, die entsprechend anwendbar sind. b) Anspruch auf Duldung

8.302 Den Duldungsansprüchen der Eigentümergemeinschaft (s. Rz. 8.147) stehen individuelle Ansprüche einzelner Eigentümer auf Duldung eines bestimmten Handelns gegenüber. Jeder Eigentümer kann sein Sondereigentum nach § 13 Abs. 1 WEG grundsätzlich so nutzen wie er sich dies vorstellt, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Er kann mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren. Nur exemplarisch werden im Gesetz Nutzungsmöglichkeiten genannt, wie das Bewohnen, das Vermieten, das Verpachten. Soweit der Eigentümer davon Gebrauch macht, müssen die anderen Eigentümer dies dulden.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.307 Teil 8

Schwierig wird es bei der Ausübung des Gebrauchs von Sondereigentum, wenn damit zwangsläufig in Rechte anderer Eigentümer oder Nutzer eingegriffen wird. Wer sich erkennbar eine Parabolantenne286 auf den Balkon stellt, kann damit für einen anderen Eigentümer eine optische Beeinträchtigung schaffen.

8.303

In diesen Fällen ist abzuwägen, ob der individuelle Anspruch auf Duldung nach § 13 Abs. 1 WEG oder der Abwehranspruch aus Verletzung des Miteigentumsrechts nach § 1004 BGB Vorrang hat. Siehe hierzu Teil 11, Rz. 11.358

8.304

c) Anspruch auf Schadensersatz in Geld oder durch Naturalrestitution Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beinhaltet die Pflicht, den Handlungsbedarf zur Sicherung des Bestands und zur vorgesehenen Nutzbarkeit des Sondereigentums festzustellen und Mängel zu beseitigen. Eigentümer schulden sich dies gegenseitig nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG. Der Verwalter schuldet dies den Eigentümern nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Dritte können vertraglich hinzugezogen werden. Ersatzansprüche können deshalb innerhalb der Gemeinschaft (Eigentümer gegen einen einzelnen Miteigentümer oder gegen den Verband) aber auch aus einem Rechtsverhältnis der Gemeinschaft zum Verwalter oder zu Dritten entstehen. Sie resultieren regelmäßig aus der schuldhaften Verletzung einer konkreten Verpflichtung. Gegen Miteigentümer und den Verband kann sich eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht aus einem Mehrheitsbeschluss, der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung, dem Wohnungseigentumsgesetz oder aus allgemeinen gesetzlichen Vorgaben ableiten; gegen Dritte in der Regel aus der Verletzung vertraglich übernommener Pflichten. Bei Ersatzansprüchen sind solche nach Verschulden von denen ohne Verschulden und die aus Leistungsstörungen von denen nach Deliktsrecht zu unterscheiden, weil die Anspruchsvoraussetzungen unterschiedlich sind.

8.305

aa) Anspruchsgrundlagen § 280 BGB erlaubt es, einen Leistungsanspruch nach Fälligkeit durch Fristsetzung in einen Schadensersatzanspruch umzuwandeln. Eine Ausnahme macht § 281 Abs. 1 S. 2 BGB; nach einer bereits erbrachten Teilleistung kann Schadensersatz nur verlangt werden, wenn an der Teilleistung kein Interesse mehr vorhanden ist. Eine Ablehnungsandrohung ist nicht erforderlich. Sobald der Schuldner eine Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat oder wenn eine Leistung nicht mehr nachgeholt werden kann, ist gemäß § 281 Abs. 2 BGB eine Fristsetzung entbehrlich. Nach § 284 BGB kann an Stelle des Schadensersatzes Ersatz der Aufwendungen verlangt werden, die im Vertrauen auf die Vertragserfüllung getätigt wurden, im Ergebnis aber unnötig waren. Zu erwägen ist im Einzelfall auch der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander anwendbare, ebenfalls verschuldensunabhängige, nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch287 aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.288 Auch kommen Ersatzansprüche nach Deliktrecht gemäß §§ 823 ff. in Betracht.

8.306

Eine Haftung des Wohnungseigentümers nach § 280 Abs. 1 BGB kann bereits gegeben sein, wenn er trotz entsprechender Verpflichtung einem Instandsetzungsbeschluss nicht zu-

8.307

286 LG Hamburg, Urt. v. 15.7.2009 – 318 S 151/0, ZMR 2010, 61. 287 OLG Stuttgart, Urt. v. 27.10.2005 – 7 U 135/05, OLGReport Stuttgart 2006, 216 = VersR 2006, 539 = ZWE 2006, 149 = ZMR 2006, 391 = NJW 2006, 1744. 288 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305 = FGPrax 2007, 260.

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Teil 8 Rz. 8.307

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

stimmt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Eigentümer bei der Einberufung der Versammlung deutlich auf den Instandsetzungsbedarf hingewiesen worden sei, da es sonst am Verschulden fehle.289

8.308 § 14 Nr. 4 WEG schafft einen Sonderanspruch auf speziellen Schadensersatz ohne Verschulden, wenn zur Sanierung von gemeinschaftlichem Eigentum Sondereigentum beschädigt werden muss. Dazu können auch die Kosten für eine Ersatzwohnung gehören.290 Damit wird ein Ausgleich für die zugleich geschaffene Duldungspflicht des Eigentümers (Aufopferung des Sondereigentums) für solche Maßnahmen hergestellt.

8.309 Gemeinschaftsbezogene Ansprüche gehören den Eigentümern, werden aber nach § 10 Abs. 6 S. 2 und 3 WEG gegen den Verband geltend gemacht oder vom Verband verfolgt. Versäumt es der Verband oder weigert er sich, einen Anspruch durchzusetzen, fällt dieses Ausübungsrecht nicht dem einzelnen Eigentümer zu.291 Dieser kann einen Ersatzanspruch nicht ersatzweise selbst geltend machen. Er muss den Verband außergerichtlich und gerichtlich in Anspruch nehmen und ggf. gerichtlich erzwingen, dass er die Rechte wahrnimmt. Das Handeln des Verbands wird immer durch einen Beschluss der Eigentümer eingeleitet. Wenn die Eigentümer einen Beschluss zu Unrecht verweigern und deswegen der Verband nicht tätig wird, können die übrigen Eigentümer auf Beschlussfassung in die Pflicht genommen werden.292 Denkbar ist allerdings, dass der Verband einen Eigentümer ermächtigt, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.

8.310 Im Haftungsfall ist Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB zu leisten, weshalb regelmäßig ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder -wahlweise- der dafür erforderliche Geldbetrag verlangt werden kann. Wird im Zuge einer Sanierungsmaßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum Sondereigentum zerstört, wie z.B. der Fliesenbelag auf dem Balkon, muss sich der betroffene Sondereigentümer nicht unter dem Gesichtspunkt „neu für alt“ an den Kosten der Wiederherstellung des Fliesenbelages beteiligen;293 diese Ersatzpflicht aus § 14 Nr. 4 WEG trifft den Verband in vollem Umfang.294 Voraussetzung für eine Kostenbeteiligungspflicht wäre, dass durch die neuen Fliesen eine messbare Vermögensmehrung eintrat. Haftet der Verwalter, weil er ohne ermächtigende Beschlussfassung der Eigentümer und ohne dass eine Notgeschäftsführung gegeben war, Handwerkerleistungen beauftragt, muss sich die Gemeinschaft im Wege des Vorteilsausgleichs die ihr durch die vom Verwalter veranlassten Maßnahmen entstandenen Vorteile anrechnen lassen, etwa den Fassadenneuanstrich bei Sanierung der Hausfassade, Pflasterarbeiten und Abschluss eines Leasingvertrages über eine Videoüberwachungsanlage.295

8.311 Wenn ein von einem Sondereigentümer zu vertretender Schaden über den Verwalter im Zuge ordnungsmäßiger Verwaltung beseitigt wird, hat die Gemeinschaft die dadurch entstandenen Kosten zunächst zu tragen, kann sie jedoch vom Verursacher erstattet verlangen. Gläubiger dieses Anspruchs ist der Verband. Soweit ein Eigentümer dulden muss, dass sein Sondereigentum oder sein Sondernutzungsrecht wegen der Sanierung des gemeinschaftli289 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = ZWE 2018, 316 = ZMR 2018, 1015. 290 AG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 102B C 20/09, ZMR 2011, 249. 291 Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 Rz. 168. 292 OLG München, Beschl. v. 22.12.2009 – 32 Wx 082/09, ZMR 2010 = WuM 2010, 380. 293 AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 11.12.2009 – 72 II 73/07 WEG, juris. 294 BayObLG, Beschl. v. 19.3.1998 – 2Z BR 18/98, WuM 1998, 369 = WE 1999, 25. 295 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 1.12.2010 – 14 S 828/10 WEG, ZMR 2011, 327.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.316 Teil 8

ches Eigentums eine gewisse Zeit nicht genutzt werden kann, entsteht nach § 14 Nr. 4 WEG ein Ersatzanspruch für die Dauer der entgangenen Nutzung.296 bb) Zuordnung des Schadensersatzanspruchs zum jeweiligen Miteigentum Der Schadensersatzanspruch ist im Ergebnis als „zweites Verwaltungsvermögen“ zu verbuchen und darf nicht mit dem übrigen Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft, das nach § 10 Abs. 7 WEG dem Verband gehört, vermischt werden. Die Unterscheidung ist erforderlich, weil der Schadensersatzanspruch den Eigentümern gehört und nur vom Verband geltend gemacht wird.297 Die Einvernahme solcher Gelder durch den Verband kann vereinbart, aber nicht beschlossen werden.

8.312

Die Bildung eines derartigen Sondervermögens ist zwar vom Gesetz nicht ausdrücklich vor- 8.313 gesehen und passt auch nicht in das gängige Abrechnungsschema nach § 28 WEG. Fraglich ist, ob solche Ansprüche oder Gelder überhaupt in die Verantwortlichkeit des Verwalters (von gemeinschaftlichem Eigentum) gehören. Geht man davon aus, muss der Verwalter in der Jahresabrechnung solche Ersatzansprüche als anteilige Forderung oder auf dieser Grundlage eingebrachte Gelder anteilig als Guthaben der Eigentümer ausweisen. Forderungen sind nach derzeitigem Verständnis einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht aufzunehmen. Werden gezahlte Ersatzansprüche anteilig ausgewiesen, entstehen Guthaben für die Eigentümer, die ausgezahlt oder mit Nachforderungen aus der Jahresabrechnung verrechnet werden.298 Die vom Verband eingenommenen Gelder sind solche, die der Verband aus den ihm zustehenden Rechten eingenommen hat. Auswirkungen: Der Schaden bleibt danach bei der Gemeinschaft, der Schadensersatz geht an die Eigentümer. Diese sind verpflichtet, durch Beschlussfassung über die erforderlichen Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum zu beseitigen und die dafür notwendigen Geldmittel bereitzustellen. Auf diesem Weg könnten die ausgezahlten Gelder/Guthaben wieder an die Gemeinschaft zurückfließen, soweit sie vorher beim Eigentümer nicht verbraucht wurden.

8.314

Nach einer Beschlussfassung über eine Sonderumlage zur Mangelbeseitigung wird eine Forderung des Verbands gegen die Eigentümer begründet. Ist zuvor eine Ersatzleistung ohne Rechtsgrund an den Verband gelangt, kann der Verband den Auszahlungsanspruch eines Eigentümers mit der Forderung aus der Sonderumlage verrechnen. Die auf diesem Umweg eingenommenen Gelder gehören nach § 10 Abs. 7 WEG zum Verwaltungsvermögen. Das allgemeine Verbot im WEG einer Aufrechnung oder Zurückbehaltung durch den Eigentümer greift hier nicht ein, weil bei einer Verrechnung durch den Verband die Liquidität des Verbandes geschützt und nicht gefährdet wird.

8.315

cc) Ansprüche gegen Nichteigentümer, insbesondere Bauträger Das örtliche Wohnungseigentumsgericht ist nach § 43 WEG für die Entscheidung über Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis zuständig, die gegen einen oder von einem Wohnungseigentümer geltend gemacht werden, der bereits vor Rechtshängigkeit der Wohnungseigentumssache aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden ist. Der BGH

296 AG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 77 C 233/08 WEG, ZMR 2011, 249. 297 Elzer in Riecke/Schmid, § 10 WEG Rz. 418. 298 Elzer in Riecke/Schmid, § 10 WEG Rz. 465 ff.

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8.316

Teil 8 Rz. 8.316

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

hat seine diesbezügliche gegenteilige Auffassung299 ausdrücklich aufgegeben.300 Die frühere, klare Abgrenzung, dass die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nur gegeben ist, wenn die Parteien im Grundbuch eingetragene Eigentümer oder zumindest durch eine Vormerkung gesichert sind, gilt nicht mehr. Dies kommt im Gesetz selbst zum Ausdruck, wenn nach § 43 Nr. 5 WEG sogar Dritte vor dem Wohnungseigentumsgericht WEG-bezogene Ansprüche verfolgen können.

8.317 Die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nach § 43 WEG kann sich auch auf den Bauträger erstrecken. Hat er alle Wohnungen verkauft und ist deswegen nicht mehr Eigentümer, können dort gegen ihn Ansprüche aus dem (früheren) Gemeinschaftsverhältnis geltend gemacht werden. Macht deswegen der Bauträger Ansprüche gegen den Verband geltend, richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 43 Nr. 1 WEG und § 23 Nr. 2c GVG nicht nach der Höhe des Streitwerts. § 43 WEG ist nicht einschlägig, wenn Ansprüche eines Eigentümers aus dem Bauträgervertrag durchgesetzt werden sollen.

8.318 Nur der Verband hat die Befugnis, Schadensersatzansprüche wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums zu verfolgen. Der Anspruch kann sich gegen Miteigentümer richten oder gegen Dritte. Als Anspruchsgegner kommen Nichteigentümer in Betracht, wie Nachbarn, Handwerker, Lieferanten, Mieter, Besucher, der Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums oder eines Sondereigentums. Ohne einen entsprechenden Ermächtigungsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft ist der einzelne Wohnungseigentümer nicht befugt, Ansprüche der Gemeinschaft gegenüber einem Dritten geltend zu machen.301 Dies ergibt sich inzwischen unmittelbar aus § 10 Abs. 6 S. 2 und 3 WEG. Nur der Verband übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte aus. Der den Verband vertretende Verwalter bedarf zur Durchsetzung gemeinschaftlicher Ansprüche einer Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG. dd) Ansprüche gegen die Gemeinschaft oder einzelne Miteigentümer (1) Schuldhafte Rechtsverletzung durch die Miteigentümer

8.319 Jeder Eigentümer ist berechtigt, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Rechte an seinem Sondereigentum allein geltend zu machen. Einer Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf es hierfür nicht.302

8.320 Ersatzansprüche wegen Schäden am Sondereigentum gegen die übrigen Wohnungseigentümer können dann geltend gemacht werden, wenn diese es unterlassen, rechtzeitig Schäden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen und dies ursächlich zu Schäden am Sondereigentum führt, die bei rechtzeitiger Beseitigung nicht entstehen würden.303 Eine verschuldensunabhängige Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft für Mängel am Gemeinschaftseigentum besteht nicht.304 Nach § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG gehört zur ordnungsgemäßen In-

299 BGH, Beschl. v. 24.11.1988 – V ZB 11/88, BGHZ 106, 34 = MDR 1989, 342 = NJW 1989, 714 = Rpfleger 1989, 100. 300 BGH, Beschl. v. 26.9.2002 – V ZB 24/02, BGHZ 152, 136 = MDR 2003, 43 = ZMR 2002, 941 = NJW 2002, 3709. 301 LG Berlin, Urt. v. 3.5.2001 – 31 O 57/01, ZMR 2002, 159. 302 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NZM 1999, 562 = NJW 1999, 2108 = ZMR 1999, 647. 303 AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 12.8.2009 – 539 C 50/08, ZMR 2011, 331. 304 LG München, Urt. v. 14.12.2009 – 1 S 9716/09, ZMR 2011, 62.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.325 Teil 8

standhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums auch eine die Instandsetzung ermöglichende Beschlussfassung innerhalb angemessener Zeit. Schadensersatzpflichtig können Eigentümer sein, die eine Beschlussfassung zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums unterlassen oder verzögern oder an einer Mängelbeseitigung nicht oder erst nach schuldhaften Verzögerungen mitwirken, z.B. ihr nicht zustimmen.305 Eine Verzögerung kann auch eintreten, wenn Eigentümer die geschuldeten Beiträge für Mängelbeseitigungskosten nicht leisten.

8.321

Der BGH hat hierzu in seiner Grundsatzentscheidung vom 23.2.2018306 festgestellt, dass eine 8.322 Haftung des Wohnungseigentümers nach § 280 Abs. 1 BGB gegeben ist, wenn er trotz entsprechender Verpflichtung einem Instandsetzungsbeschluss nicht zustimmt. Voraussetzung sei jedoch, dass er bei der Einberufung der Versammlung deutlich auf den Instandsetzungsbedarf hingewiesen worden sei. Sonst bestehe kein Verschulden. Ändere der Wohnungseigentümer sein Abstimmungsverhalten und stimme er für die Instandsetzungsmaßnahme und komme der Beschluss gleichwohl nicht zustande, hafte der Eigentümer nur noch für Schäden, die kausal durch sein zunächst pflichtwidriges Verhalten verursacht seien.307 Die Beweislast dafür, dass er später mitgewirkt habe, liegt nach dem BGH beim zunächst pflichtwidrig handelnden Eigentümer.308 Erhebt ein Wohnungseigentümer gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung über die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum keine Anfechtungsklage, kann er später keinen Schadensersatz wegen Mietausfall verlangen und behaupten, die Eigentümer hätten ihren Pflichten zur ordnungsmäßigen Verwaltung nicht oder nur verzögert genügt.309

8.323

Eine Beschlussfassung, nach dem Auftreten von Mängeln zunächst einen Sachverständigen einzuschalten, um Ursache und Handlungsbedarf festzustellen, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung und beinhaltet keine Pflichtverletzung, wenn kein dringlicher Handlungsbedarf besteht. Auch kann im Einzelfall ein Abwarten zunächst sachgerecht sein, um festzustellen, ob sich Mauerwerksrisse erweitern oder stabilisieren.310 Insofern wurde auch entschieden, dass die Gemeinschaft für einen Minderverkaufserlös wegen einer zunächst zurückgestellten Instandsetzung gegenüber dem verkaufenden Wohnungseigentümer nicht einzustehen hat.

8.324

Die Pflicht der Wohnungseigentümer, zur ordnungsmäßigen Instandsetzung zusammenzuwirken, beschränkt sich nicht auf eine die Instandsetzung ermöglichende Beschlussfassung, sondern schließt die tatsächlichen Maßnahmen unter Heranziehung von Fachkräften

8.325

305 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305 = FGPrax 2007, 260. Ebenso AG Hannover, Urt. v. 14.7.2009 – 483 C 1434/09, ZMR 2010, 324. 306 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = ZWE 2018, 316 = ZMR 2018, 1015. 307 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = ZWE 2018, 316 = ZMR 2018, 1015. 308 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = ZWE 2018, 316 = ZMR 2018, 1015. 309 OLG Hamm, Beschl. v. 11.1.2005 – 15 W 402/04, OLGReport Hamm 2005, 462 = ZMR 2005, 808 = Wohnungseigentümer 2006, 64. 310 KG, Urt. v. 24.1.2001 – 24 U 340/00, KGR Berlin 2001, 173 = ZMR 2001, 657 = NZM 2001, 759 = ZWE 2001, 613.

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Teil 8 Rz. 8.325

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

ein, die eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Eigentums erfordert.311

8.326 Die Eigentümer können nach Verschuldensgrundsätzen haften, wenn sie nicht rechtzeitig durch Beschlussfassung und Forderungseinzug für eine Instandhaltungsrücklage sorgen312 und die notwendige Mängelbeseitigung veranlassen,313 obwohl sie durch Sachverständigengutachten darüber unterrichtet waren, dass Wohnungseigentümer durch Feuchtigkeitsschäden infolge Undichtigkeit der Außenwand in der Nutzung des Sondereigentums beeinträchtigt werden. Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verzögerung können sich aus dem Versammlungsprotokoll und dem Sachverständigengutachten ergeben.314

8.327 Der Verband ist zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums als einer Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung verpflichtet. Die Eigentümer müssen die dafür nötigen Beschlüsse fassen. Diese Pflicht besteht jedem einzelnen Eigentümer gegenüber, der ihre Erfüllung verlangen kann und dem bei einer Verletzung der Verpflichtung Schadensersatzansprüche zustehen. In Ausübung des Beschlusses bedient sich der Verband zur Erfüllung seiner Verpflichtung in aller Regel Dritten, insbesondere Fachfirmen, die mit den notwendigen Instandsetzungsarbeiten beauftragt werden. Damit sind die Voraussetzungen des § 278 BGB erfüllt. Der Verband, nicht die Eigentümer und nicht der Verwalter haften für eine eingeschaltete Fachfirma;315 deren Handeln ist über § 278 BGB dem Verband zurechenbar.316

8.328 Die Eigentümer entscheiden, ob und wie ein Recht ausgeübt wird. Die Ausübung selbst erfolgt im Rahmen des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG durch den Verband. Der Verwalter führt nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG Beschlüsse für die Eigentümer und für den Verband aus.

8.329 Es ist deswegen zu unterscheiden: Sind von den Eigentümern die erforderlichen Vorgaben beschlossen worden und fehlt es an der erforderlichen Durchführung, kann der Verband ersatzpflichtig werden, wenn Verzug vorliegt und hieraus ein Schaden entsteht. In diesen Fällen liegt eine fehlerhafte Pflichterfüllung des Verbandes vor. Neben einer Haftung des Verbandes kommt bei Verschulden des Verwalters auch dessen Haftung in Betracht. Die Durchführungspflicht nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG schuldet der Verwalter dem Verband und den Eigentümern. Ansprüche gegen den Verwalter aus einer diesbezüglichen Pflichtverletzung können vom Verband und von den Eigentümern geltend gemacht werden.

8.330 Weigert sich die Eigentümergemeinschaft, einen Beschluss herbeizuführen und entsteht dadurch ein Schaden, ist eine Haftung des Verbandes denkbar, wenn die Eigentümer im Ergebnis zu Unrecht eine Beschlussfassung verweigert haben. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat dann die ihr zugewiesenen gesetzlichen Pflichten, etwa zur Instandhaltung, nicht erfüllt. Denkbar wäre in diesen Fällen nur, die verweigernden Eigentümer als ersatzpflichtig anzusehen, weil sie es unterlassen haben, für den Verband die erforderlichen Pflichten zu begründen. Der Haftungsmaßstab ergibt sich aus § 10 Abs. 8 S. 4 WEG. Unabhängig vom 311 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NZM 1999, 562 = NJW 1999, 2108 = ZMR 1999, 647. 312 OLG Koblenz, Beschl. v. 6.1.2010 – 2 U 781/09, MietRB 2010, 955 = BauR 2010, 235. 313 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = ZMR 1992, 352 = WuM 1992, 389 = NJW-RR 1992, 1102. 314 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.3.2000 – 2 Wx 56/96, ZMR 2000, 480. 315 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.2010 – 2 U 781/09, MietRB 2010, 955 = BauR 2010, 955. 316 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = ZMR 1992, 352 = WuM 1992, 389 = NJW-RR 1992, 1102.

390

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.334 Teil 8

Ersatz des eingetretenen Schaden kann die fehlende Leistung nach § 21 Abs. 8 WEG gerichtlich eingefordert werden.317 Entsteht einem Sondereigentümer durch Verschulden des vom Verband mit der Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beauftragten Unternehmens ein Schaden, so haftet der Verband dafür dem geschädigten Wohnungseigentümer.318 Da der Entschädigungsbetrag aus dem Verwaltungsvermögen zu erbringen ist und nach dem Verteilungsschlüssel in der betreffenden Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer und damit auch auf den Anspruchsteller umgelegt wird, muss sich dieser seinen eigenen Kostenanteil nicht anrechnen lassen.319 Liegt ein Verschulden des Verbandes vor, der die gemeinschaftsbezogenen Pflichten zu erfüllen hat, haftet dieser voll. Die Höhe des Miteigentumsanteiles spielt nur noch im Rahmen der Schadensregulierung nach § 10 Abs. 8 WEG eine Rolle.

8.331

Vom Verschulden der Gemeinschaft ist das Verschulden eines Miteigentümers zu unterscheiden, wenn der Eigentümer nach den Vorgaben in der Gemeinschaftsordnung Instandhaltungspflichten an Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums zu erfüllen hat. Wird Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum, dessen Instandhaltung einem Sondereigentümer obliegt, infolge mangelhafter Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums beschädigt, haften die übrigen Wohnungseigentümer dem Geschädigten nur für ein Eigenverschulden, etwa Organisationsmängel, unterlassene Mängelanzeigen oder fehlende Mitwirkung bei der Schadensbeseitigung.320 Im Allgemeinen genügt der Handlungspflichtige seiner Sorgfaltspflicht, wenn er zuverlässige Fachkräfte mit Instandhaltungsarbeiten betraut und diese ausreichend überprüft. Die Haftung eines Miteigentümers setzt immer individuelles Verschulden voraus, wenn nicht etwas anderes unter den Eigentümern vereinbart wurde.

8.332

Ansprüche auf Schadensersatz gegen einen Miteigentümer können sich ergeben, wenn dieser ihm zugewiesene Verkehrssicherungspflichten schuldhaft nicht erfüllt hat. Fraglich ist, ob einen Miteigentümer auch die Haftung treffen kann, wenn sich der Verband hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten nicht ausreichend organisiert. Zwar fällt grundsätzlich die Wahrung der Verkehrssicherungspflicht in den Verantwortungsbereich des Verbandes.321 Die originäre Verkehrssicherungspflicht trifft jedoch jeden Grundstückseigentümer.322 Dies sind nach § 1 Abs. 5 WEG die Eigentümer als Bruchteilsberechtigte. Es wird deswegen teilweise die Auffassung vertreten, es bestehe eine gemeinsame Verkehrssicherungspflicht der Wohnungseigentümer und des Verbandes nebeneinander.323

8.333

Entspricht es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG, einen Beschluss herbeizuführen, und verweigern dies die Eigentümer pflichtwidrig, kann hieraus ein Schaden entstehen. Eine Maßnahme kann dann nicht durchgeführt oder eine Rechnung

8.334

317 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = ZWE 2010, 174 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129. 318 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NZM 1999, 562 = NJW 1999, 2108. 319 AG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 102B C 20/09, ZMR 2011, 249. 320 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1994 – 3 Wx 619/94, WuM 1995, 230 = ZMR 1995, 177 = NJW-RR 1995, 587. 321 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = ZWE 2012, 268 = ZMR 2012, 646 = NJW 2012, 1724; OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, OLGReport München 2006, 37 = NZM 2006, 110 = FGPrax 2006, 14 = ZWE 2006, 41 = ZMR 2006, 226. 322 LG München, Urt. v. 2.8.2010 – 1 S 4042/10, ZWE 2010, 399 = ZMR 2010, 991. 323 Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 Rz. 51.

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391

Teil 8 Rz. 8.334

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

nicht bezahlt werden. Hieraus kann ein Ersatzanspruch des Verbandes gegen die Eigentümer entstehen.

8.335 Es liegt dann eine Pflichtverletzung aus dem Gemeinschaftsverhältnis vor. Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch, der sich gegen die (störenden) Eigentümer richtet, ist dann § 280 Abs. 1 BGB.324 Dass ein solcher Anspruch grundsätzlich möglich ist, ergibt sich aus § 10 Abs. 8 S. 4 WEG, wonach sich die Haftung eines Eigentümers wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung auch gegenüber dem Verband an seinem Miteigentumsanteil orientiert. (2) Schuldhafte Rechtsverletzung des Verwalters

8.336 Eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Verwalter führt grundsätzlich zu dessen Haftung gegenüber dem Geschädigten. Eine Ersatzhaftung oder Eintrittspflicht der Eigentümergemeinschaft kann nicht angenommen werden, da es an einer Zurechnungsnorm für das Verschulden des Verwalters im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer fehlt.325

8.337 Erleidet ein Eigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum, so haften die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft grundsätzlich nicht für ein den Schaden verursachendes Versäumnis des Verwalters.326 Dieser ist weder Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB, noch Verrichtungsgehilfe, § 831 BGB, der Gemeinschaft.327 Beauftragt der Verwalter in Erfüllung seiner Pflicht nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG einen Fachmann, so haftet dieser auch den einzelnen Eigentümern.328 Sein Verschulden für einen Schaden ist über § 278 BGB nicht dem Verwalter zuzurechnen,329 sondern ggf. dem Verband als Auftraggeber.330 ee) Ansprüche gegen den Verwalter

8.338 Vom Verwalter kann die Sorgfalt verlangt werden, die ein Eigentümer bei der Instandhaltung seiner eigenen Liegenschaft verwenden würde.

8.339 Es ist mit die Pflicht der Wohnungseigentümer, für die Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum Sorge zu tragen. Deswegen beschränkt sich die Pflicht des Verwalters darauf, Mängel festzustellen, die Wohnungseigentümer zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, die erforderlichen Beschlüsse zu fassen.331 Ist ein Auftrag zur Sanierung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum aber erteilt, so gehört die Betreuung dieser Arbeiten zum Kreis der vertraglichen Pflichten des Verwalters. Er ist dabei in aller Regel kein Bauleiter. Die Bauüberwachung gehört regelmäßig nicht zu seinen Pflichten. Er steht aber für die Eigentümer und den Verband und nimmt deren Interesse gegenüber den ausführenden Firmen und dem bauleitenden Architekten oder Ingenieur, wenn es ihn gibt, gleichsam wie ein Bauherr wahr. Deshalb hat sich der Verwalter so zu verhalten, wie sich ein Eigentümer zu verhalten hätte, wenn er selbst den Auftrag für solche Sanierungsarbeiten erteilt hätte und die „Bau-

324 325 326 327 328 329 330 331

392

Elzer in Riecke/Schmid, § 10 WEG Rz. 511. LG Berlin, Beschl. v. 9.2.2001 – 85 T 352/00, ZMR 2001, 669. Abramenko in Riecke/Schmid, § 26 WEG Rz. 54. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1999 – 3 Wx 369/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 326 = NZM 1999, 573 = ZMR 1999, 423 = WuM 1999, 355. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.2010 – 2 U 781/09, MietRB 2010, 955 = BauR 2010, 955. LG München, Urt. v. 14.12.2009 – 1 S 9716/09, ZMR 2011, 62. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/98, OLGReport Düsseldorf 1998, 380 = NZM 1998, 721 = ZfIR 1998, 547 = ZMR 1998, 654. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.2009 – 20 W 115/06, ZMR 2009, 861 = NJW-RR 2010, 161.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.343 Teil 8

herrenüberwachung“ selbst vornehmen würde.332 Der Verwalter hat also wie ein sonstiger Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind. Dies gilt grundsätzlich auch für den, der ohne als Verwalter der Eigentümergemeinschaft bestellt zu sein (Scheinverwalter) tatsächlich Aufgaben der gemeinschaftlichen Verwaltung wahrnimmt, insbesondere über gemeinschaftliche Geldmittel verfügt. Er haftet der Gemeinschaft nach Grundsätzen des Auftragsrechts, ohne sich auf eine Haftungsbeschränkung berufen zu können.333 Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass bei unentgeltlichen Vertragsverhältnissen der Schuldner nur die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt anzuwenden braucht.334

8.340

Das schuldhafte Fehlverhalten eines Mitarbeiters der Verwaltung ist der Verwaltung zuzurechnen.335 Dieser ist Erfüllungsgehilfe des Verwalters.336

8.341

In Betracht kommen Haftungsansprüche nach § 280 BGB wie auch Ansprüche nach Deliktrecht, §§ 823 ff. BGB. Aus § 838 BGB kann der Verwalter neben den Eigentümern als zum Gebäudeunterhalt Verpflichteter unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn ihm ein schuldhaftes Versäumnis zur Last fällt.337 Danach trifft ihn die Einstandspflicht für den durch die Ablösung von Teilen des verwalteten Gebäudes verursachten Schaden nach Maßgabe des § 836 BGB. Er muss alle zumutbaren Maßnahmen für die Sicherheit eines Gebäudes treffen, die aus technischer Sicht geboten und geeignet sind, die Gefahr z.B. einer Ablösung von Dachteilen, sei es auch nur bei starkem Sturm, nach Möglichkeit rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen; dies gilt umso mehr, je älter das Gebäude und seine Dachkonstruktion ist.338 Hält ein Gebäudeteil einem sehr starken Sturm nicht stand, so rechtfertigt dies nach der Lebenserfahrung, auf die sich der Anscheinsbeweis gründet, den Schluss, dass das Gebäude oder der Gebäudeteil nicht ordnungsgemäß, d.h. nicht den für den Widerstand gegenüber Witterungseinflüssen gebotenen Anforderungen entsprechend errichtet und/oder unterhalten worden ist. Der Anscheinsbeweis kann in Fällen außerordentlicher Naturereignisse, mit denen erfahrungsgemäß nicht zu rechnen ist, erschüttert werden. Im Allgemeinen reichen dazu jedoch selbst ungewöhnlich starke Sturmböen der Windstärke 12 bis 13 Beaufort nicht aus.339

8.342

Wenn für die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen die finanziellen Mittel fehlen und keine Instandhaltungsrücklage vorhanden ist, scheidet eine Haftung des Verwalters für Mietzinsausfälle wegen Unvermietbarkeit von Sondereigentumseinheiten unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Verletzung des Verwaltervertrages aus.340 Kommt er seinen Pflichten

8.343

332 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209. 333 OLG Hamm, Beschl. v. 25.10.2007 – 15 W 180/07, WuM 2008, 46 = NZM 2008, 89 = ZMR 2008, 161 = NJW-RR 2008, 250. 334 OLG Hamm, Beschl. v. 25.10.2007 – 15 W 180/07, WuM 2008, 46 = NZM 2008, 89 = ZMR 2008, 161 = NJW-RR 2008, 250. 335 AG München, Urt. v. 25.3.2010 – 483 C 2/10, ZMR 2011, 760. 336 OLG München, Beschl. v. 24.7.2006 – 32 Wx 77/06, 32 Wx 077/06, OLGReport München 2006, 687 = ZMR 2006, 883 = MDR 2007, 81. 337 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1994 – 3 Wx 619/94, WuM 1995, 230 = ZMR 1995, 177 = NJW-RR 1995, 587. 338 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, MDR 1994, 45 = ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782. 339 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 29.1.2002 – 3 W 11/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 239 = NJWRR 2002, 749 = NZM 2002, 570 = ZMR 2002, 783. 340 LG Berlin, Beschl. v. 9.2.2001 – 85 T 352/00, ZMR 2001, 669.

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Teil 8 Rz. 8.343

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

auf Instandhaltung und Instandsetzung nur verzögert nach, macht er sich gegenüber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ersatzpflichtig, der dadurch einen Schaden im Bereich seines Sondereigentums erleidet, z.B. Mietausfall.341

8.344 Der Verwalter haftet den Wohnungseigentümern auf Schadensersatz nach § 280 BGB, wenn er es schuldhaft unterlässt, die Wohnungseigentümer auf den drohenden Ablauf von Gewährleistungsfristen hinzuweisen,342 und ihnen so die Möglichkeit nimmt, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen.343 Zur Instandsetzung gehört auch die Behebung von Baumängeln. Es gehört zum Selbstverwaltungsrecht und zur Pflicht der Wohnungseigentümer, für die Behebung der Baumängel zu sorgen (§ 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG). Deswegen beschränkt sich die Verpflichtung des Verwalters darauf, Baumängel festzustellen, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Für eine Schadensersatzpflicht des Verwalters kommt es auf die Feststellung der Ursächlichkeit einer konkreten Pflichtverletzung und nicht auf hypothetische Erwägungen an.344

8.345 Kommt der Verwalter seiner Pflicht zur Beschlussvorbereitung nicht nach und erfolgt die Instandsetzung daher verspätet, kann der Verwalter sich gegenüber dem geschädigten Eigentümer nicht darauf berufen, die Wohnungseigentümer hätten hiervon Kenntnis gehabt und hätten ihm entsprechende Hinweise erteilen müssen.345 Dies gilt auch, wenn es sich beim betroffenen Wohnungseigentümer um ein Mitglied des Verwaltungsbeirats handelt.346

8.346 Hat der Verwalter in Bezug auf seine Instandhaltungspflicht versäumt, eine verjährungsunterbrechende Maßnahme von den Eigentümern beschließen zu lassen, kommt eine Mithaftung der Eigentümer aus Mitverschulden in Betracht, wenn sie die Umstände kannten oder hätten erkennen können, die zum Ende der Gewährleistungsfrist geführt haben.347 Ansonsten ergibt sich keine Verpflichtung für die geschädigten Eigentümer, gemäß § 254 BGB zur Schadensabwendung oder Schadensminderung z.B. auf Vergleichsverhandlungen einzugehen, die vom Schädiger vorgeschlagen werden.

8.347 Veranlasst der Verwalter nicht genehmigte Kosten zu Lasten der Instandhaltungsrücklage, indem er Fachleute eigenmächtig beauftragt, und wird die Überweisung der Rechnung von einem Prüfer vor Überweisung gegengezeichnet, ergibt sich daraus kein Mitverschulden der Eigentümergemeinschaft. Im Wissen eines einzelnen Miteigentümers kann keine mehr-

341 OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1996 – 16 Wx 29/96, WuM 1997, 68 = WE 1997, 198 = Wohnungseigentümer 1998, 34. 342 OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895 = NJW-RR 2008, 1701. 343 BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = ZMR 2001, 558 = ZWE 2001, 263. 344 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/98, OLGReport Düsseldorf 1998, 380 = NZM 1998, 721 = ZMR 1998, 654 = WE 1999, 23. 345 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 = BeckRS 2018, 10999. 346 BGH, Urt. v. 23.2.2018 V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 = BeckRS 2018, 10999. 347 BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = ZMR 2001, 558 = ZWE 2001, 263.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.351 Teil 8

heitliche Zustimmung liegen. Außerdem wurde die Verbindlichkeit bereits bei Beauftragung begründet, nicht bei der Zahlung.348 Der Verwalter hat gegenüber den Eigentümern Informationspflichten. Er ist gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG verpflichtet, die Wohnungseigentümer bei der Umstellung der Energieversorgung von Öl auf Gas über Fördermittel durch den örtlichen Energieversorger zu unterrichten. Ein Unterlassen kann zu einem Schadensersatzanspruch der Wohnungseigentümer führen. Dieser Anspruch ist wegen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB (um 50 %) zu mindern, wenn es ihnen zumutbar gewesen wäre, sich selbst über die Fördermöglichkeit zu informieren.349

8.348

Verletzt der Verwalter bei der Durchführung eines Eigentümerbeschlusses gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG schuldhaft seine Pflichten und erleiden dadurch die Wohnungseigentümer einen Schaden, haftet ihnen der Verwalter wegen Verletzung des Verwaltervertrages. Den im Beschluss enthaltenen Handlungsspielraum kann der Verwalter aber ausschöpfen, soweit ihm nicht eindeutige Schranken gesetzt wurden. Wird der Verwalter durch Mehrheitsbeschluss beauftragt, wegen erkannter Verkehrssicherungspflicht ein Geländer neben einer kleinen Treppe installieren zu lassen, und verzögert er über ein halbes Jahr die Ausführung, haftet er für einen in der Zwischenzeit eingetretenen Schaden aus unerlaubter Handlung wegen schuldhafter Verletzung der dem Verwalter obliegenden Verkehrssicherungspflicht, weshalb auch Ansprüche auf Schmerzensgeld in Betracht kommen.350

8.349

Für Beratungsfehler hat der Verwalter einzustehen. Teilt er einem Wohnungseigentümer zu Unrecht mit, eine von diesem beabsichtigte Baumaßnahme bedürfe nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, muss er die einem anderen Wohnungseigentümer bei der Abwehr der hierdurch veranlassten Baumaßnahme entstandenen Rechtsverfolgungskosten ersetzen.351 Maßstab ist dabei die Sorgfalt, die ein durchschnittlicher und gewissenhafter Verwalter unter den Umständen des konkreten Vertragsverhältnisses aufgewandt hätte. Dabei werden die Verwalterpflichten so weit gefasst, dass der Verwalter diejenigen Erwägungen anstellen muss, die auch ein Hauseigentümer, der sein Eigentum selbst verwaltet, anstellen würde.352

8.350

Wurde dem Verwalter nach der Erläuterung und Genehmigung einer Abrechnung Entlastung erteilt, so bedeutet dies keine endgültige und umfassende Freistellung von allen erdenklichen Verbindlichkeiten. Die Wirkung der Entlastung des Verwalters353 beschränkt sich auf das Verwalterhandeln, das in der Abrechnung seinen Niederschlag gefunden hat, und erfasst nur solche Vorgänge, die bei der Beschlussfassung darüber bekannt waren oder bei zumutbarer Sorgfalt erkannt werden konnten. Dabei kommt es auf den Kenntnisstand aller Wohnungseigentümer an.354

8.351

348 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, OLGReport Celle 2001, 129 = ZMR 2001, 642 = NJW-RR 2002, 303 = NZM 2002, 169. 349 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.9.2006 – 5 T 51/06, ZMR 2007, 402 = NZM 2007, 416. 350 BayObLG, Beschl. v. 4.1.1996 – 2Z BR 120/95, NJW-RR 1996, 657 = WE 1996, 315. 351 BGH, Beschl. v. 2.10.1991 – V ZB 9/91, BGHZ 115, 253 = ZMR 1992, 30 = WM 1991, 2164 = NJW 1992, 182. 352 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 29.9.2006 – 5 T 51/06, ZMR 2007, 402 = NZM 2007, 416. 353 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = NZM 2003, 764 = ZfIR 2003, 823 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124. 354 BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = ZMR 2001, 558 = ZWE 2001, 263.

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Teil 8 Rz. 8.352

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.352 Für Haftungsbeschränkungen im Verwaltervertrag wird bei formularmäßigen Verwalterverträgen nach § 309 Nr. 7 BGB zu beachten sein, dass jeder Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit355 sowie bei grobem Verschulden die Regelung unwirksam macht.356 Es widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verwaltungsbeirat mit dem Verwalter Vereinbarungen über eine Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie eine zeitliche Haftungsbeschränkung auf zwei Jahre trifft.357

8.353 Haftet der Verwalter nach eigenmächtigem Handeln dem Grunde nach, kann er nur auf die durch sein Eingreifen oder Unterlassen verursachten Mehrkosten in Anspruch genommen werden.358 Soweit von den Wohnungseigentümern nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung ebenfalls Maßnahmen geschuldet waren, wären u.U. auch (Sowieso-)Kosten angefallen, für die der Verwalter dann nicht aufzukommen hat.359 Die möglichen Einwendungen des Verwalters gegen Ansprüche der Eigentümer sind begrenzt.360

8.354 Ansprüche gegen den Verwalter können grundsätzlich nur von der Gemeinschaft insgesamt oder mit deren Ermächtigung von einem einzelnen Wohnungseigentümer gegen den Verwalter geltend gemacht werden.361 Dies gilt für Ansprüche auf die Durchführung einer Maßnahme wie für Ersatzansprüche.362 Führt jedoch eine vom Verwalter ohne Eigentümerbeschluss angeordnete Instandsetzungsmaßnahme zu einer spezifischen Beeinträchtigung eines Sondereigentümers, hat dieser gegen den Verwalter auch allein einen Anspruch auf Beseitigung der Störung,363 denn der einzelne Wohnungseigentümer bedarf zur Durchsetzung eines ihm als Einzelgläubiger gegen den Verwalter zustehenden Schadensersatzanspruchs nicht der Ermächtigung durch die Gemeinschaft.364

8.355 Seit Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist davon auszugehen, dass Vertragspartner des Verwalters weitgehend nicht die einzelnen Wohnungseigentümer sind, sondern der Verband. Die aus dem Vertrag erwachsenden Erfüllungs- und Mängelansprüche und die rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten sind solche des Verbands.365 Für die am Vertrag nicht unmittelbar beteiligten Wohnungseigentümer ergeben sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung jedoch Schutzwirkungen (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter), was zur Folge hat, dass der Anspruch auf die Hauptleistung zwar grundsätzlich dem Verband zusteht, die Wohnungseigentümer jedoch in der Weise 355 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, 3 Wx 51/06, ZMR 2006, 870 = ZWE 2006, 396 = NJW 2006, 3645 = NZM 2006, 936. 356 OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 93/07, OLGReport München 2007, 786 = FGPrax 2007, 218 = ZMR 2007, 814 = ZWE 2007, 509 = NJW-RR 2008, 322. 357 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = NJW-RR 2001, 226 = ZMR 2001, 138 = ZWE 2001, 81. 358 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.11.2000 – 3 Wx 184/00, ZMR 2001, 217. 359 KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, KGR Berlin 2002, 65 = WuM 2002, 106. 360 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209. 361 KG, Beschl. v. 19.4.2000 – 24 W 1184/00, KGR Berlin 2000, 208 = NZM 2000, 677 = ZMR 2000, 557 = NJW-RR 2000, 1325 = ZWE 2000, 360. 362 KG, Beschl. v. 12.5.2003 – 24 W 279/02, KGR Berlin 2003, 265 = NZM 2003, 683 = NJW-RR 2003, 1168 = WuM 2003, 594. 363 KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, KGR Berlin 2002, 65 = WuM 2002, 106. 364 BGH, Beschl. v. 2.10.1991 – V ZB 9/91, BGHZ 115, 253 MDR 1992, 36 = ZMR 1992, 30 = WM 1991, 2164 = NJW 1992, 182. 365 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = ZMR 2007, 56 = NZM 2007, 137 = ZWE 2007, 92.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.360 Teil 8

in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen sind, dass sie bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen können.366 Ein verschuldensabhängiger Anspruch auf Schadensersatz aus der Verletzung von Pflichten zur Mitwirkung bei Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 1 und Abs. 3 WEG, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB kann im Einzelfall auch gegen den Verwalter in Betracht kommen.367

8.356

Der Verwalter haftet für schuldhafte Pflichtverletzungen im Rahmen von Instandhaltungsund Instandsetzungsmaßnahmen nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Treten am gemeinschaftlichen Eigentum Mängel oder Schäden auf, so ist die Instandsetzung oder Schadensbeseitigung zwar in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer. Den Verwalter treffen dabei aber Überwachungs-, Kontroll- und Hinweispflichten. Diese erstrecken sich auch darauf, Mängel und Schäden am Gemeinschaftseigentum zu ermitteln sowie nach Ursache und Umfang festzustellen. Die Verpflichtung betrifft gerade solche Schäden, die im Sondereigentum auftreten, deren Ursachen aber im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums liegen. Tritt in einer Wohnung ein Wasserschaden auf, dessen Ursache im gemeinschaftlichen Eigentum liegen kann, so hat der Verwalter unverzüglich das Erforderliche zu unternehmen, um die Schadensursache festzustellen. Bei einer schuldhaften Verletzung dieser Pflicht haftet er für den Schaden des betroffenen Wohnungseigentümers auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Schadensursache ausschließlich im Sondereigentum liegt.368

8.357

Das Wissen des Beirats oder dessen Möglichkeit, Kenntnis zu haben, kann den Eigentümern zuzurechnen sein und zu einem Haftungsanteil nach Mitverschulden führen.369

8.358

Ist nach der Gemeinschaftsordnung die Zustimmung des Verwalters zum Dachgeschossausbau nötig, handelt er nicht pflichtwidrig, wenn er im Zweifel eine eigene Entscheidung ablehnt und sich nach einem Mehrheitsbeschluss richtet. Der ausbauwillige Eigentümer trägt dann das Verzögerungsrisiko, wenn die Zustimmung des Verwalters oder der Eigentümergemeinschaft zum Dachausbau erst in einem gerichtlichen Verfahren ersetzt wird.370 Der Verwalter hat die Eigentümer über die aufgetretenen tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen umfassend aufzuklären. Hat er die Rechtsfrage mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft, ist es ihm nicht anzulasten, wenn er gleichwohl einem Rechtsirrtum unterliegt.371

8.359

Wenn die Beschlussfassung nicht die Einschaltung eines Ingenieurbüros vorsah, verletzt der Verwalter durch die Einschaltung eines Sonderfachmanns schuldhaft seine Verwalterpflichten. Er haftet der Gemeinschaft dann auf Schadensersatz in Höhe der Kosten des Ingenieurbüros.372 Generell muss der Verwalter die Vorgaben der Eigentümer einhalten oder diese ein-

8.360

366 Wenzel, NZM 2006, 321. 367 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305 = FGPrax 2007, 260. 368 OLG München, Beschl. v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, OLGReport München 2006, 654 = ZMR 2006, 716 = WE 2007, 8 = ZWE 2007, 100. 369 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 111 = ZWE 2002, 82 = NZM 2002, 264 = ZMR 2002, 294. 370 KG, Beschl. v. 26.11.1993 – 24 W 4675/93, KGR Berlin 1994, 26 = ZMR 1994, 124. 371 BGH, Beschl. v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347 = MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1216 = ZMR 1996, 274. 372 AG Hannover, Beschl. v. 16.1.2006 – 71 II 501/05, ZMR 2006, 487.

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Teil 8 Rz. 8.360

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

holen,373 soweit dies möglich ist. Voreilige und zu umfassende vermeintliche Notgeschäftsführungen können ganz oder teilweise zu Lasten des Verwalters gehen.374 Das Notgeschäftsführungsrecht berechtigt den Verwalter nur zu den Maßnahmen, welche die Gefahrenlage beseitigen, jedoch nicht zur Beauftragung solcher Arbeiten, die einer dauerhaften Beseitigung der Schadensursache dienen.375

8.361 Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist der Verwalter zur Durchführung von Beschlüssen der Eigentümer verpflichtet. Schwierig kann dies werden, wenn die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses zweifelhaft ist. Ein nichtiger Beschluss darf nicht vollzogen werden. Entgegengesetztes Handeln kann zur Schadensersatzpflicht führen. Im Zweifel kann der Verwalter seine Durchführungspflicht in einem gerichtlichen Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG prüfen lassen. Stellt das Gericht die Nichtigkeit des Beschlusses fest, entfällt gesichert die Ausführungspflicht. Einen anfechtbaren Beschluss hat der Verwalter nach h.M. trotz des Risikos auszuführen, dass der Beschluss später durch das Gericht für ungültig erklärt wird und ein Rückbau droht.376

8.362 Die Wohnungseigentümer haften nach zurechenbarem Eigenverschulden wie unterlassene Mängelanzeigen oder unzureichende Organisation.377 Wenn Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum in Folge mangelhafter Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Schaden erleidet, weil Instandhaltungsversäumnisse vorliegen, kann sich der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter richten, sofern dieser seine Instandhaltungsverpflichtung aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG schuldhaft verletzt hat. Weil der Verwalter insoweit eine eigene ihm vom Gesetz zugewiesene Aufgabe wahrnimmt und dabei im Übrigen für die gesamte Gemeinschaft tätig wird, tritt er im Verhältnis zum geschädigten Wohnungseigentümer nicht als Erfüllungsgehilfe der übrigen Wohnungseigentümer auf.378

8.363 Wenn der Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur den Schaden am Gemeinschaftseigentum, sondern auch den am Sondereigentum entstandenen Schaden mit dem Gebäudeversicherer abwickelt, muss er dafür sorgen, dass der Entschädigungsbetrag an den Geschädigten geht. Veranlasst er die Auszahlung direkt an Handwerksfirmen, macht er sich ersatzpflichtig. Der Grundsatz bleibt unangetastet, dass im Verhältnis eines Eigentümers zur Gemeinschaft eine Zurechnung des Verhaltens des Verwalters nach § 278 BGB bei Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Verwaltung ausgeschlossen ist. Anderes kann bei der Verletzung eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses gelten, das sich aus der Mitversicherung des Sondereigentums ergibt und neben das Gemeinschaftsverhältnis tritt. Die Gemeinschaft ist nicht verpflichtet, gegenüber einem Versicherer den Anspruch auf Ersatz der am Sondereigentum entstandenen Schäden geltend zu machen, sondern kann der eigenständigen Geltendmachung dieses Anspruchs durch den einzelnen Wohnungseigentümer zustimmen.379

8.364 Ein Mitverschulden des Verwalters wird anzunehmen sein, wenn er fehlerhaftes Verhalten eines Eigentümers kennt und nichts unternimmt, was den sich abzeichnenden Schaden hät373 374 375 376 377

AG München, Urt. v. 25.3.2010 – 483 C 2/10, ZMR 2011, 760. OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, WuM 2011, 594 = ZWE 2011, 415. BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209. Riecke/Schmid/Abramenko, 3. Aufl., § 27 WEG Rz. 13 ff. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1994 – 3 Wx 619/94, WuM 1995, 230 = ZMR 1995, 177 = NJW-RR 1995, 587. 378 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1999 – 3 Wx 369/98, ZMR 1999, 423 = WuM 1999, 355. 379 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.369 Teil 8

te verhindern können. Daran ist zu denken, wenn z.B. der Eigentümer dem Verwalter ankündigt, eine Wand entfernen zu wollen und vom Verwalter ungeprüft bleibt, ob dies die Statik erlaubt, ebenso wenn erkennbar das Dach teilweise geöffnet und ein Antennenmast installiert wurde, ohne anschließend abzusichern, dass der Mast und die Dachplatten absturzsicher montiert wurden. Der vom Verwalter eingeschaltete Fachmann wird nicht im Pflichtenkreis des Verwalters als dessen Erfüllungsgehilfe tätig, sondern er ist Erfüllungsgehilfe der Miteigentümer.380

8.365

Ein etwaiges Handlungs- oder Unterlassungsverschulden eines Architekten ist dem Verwalter 8.366 nicht gemäß § 278 BGB zurechenbar.381 Die Eigentümer haften für ein fehlerhaftes Handeln eines von ihnen beauftragten Handwerkers nach § 278 BGB.382 Es kommt dabei nicht darauf an, ob alle Eigentümer den Auftrag erteilten oder nur einer. Auch für das Handeln des vom Verwalter beauftragten Handwerkers haben die Eigentümer, nicht der Verwalter, nach § 278 BGB einzustehen.383 ff) Ansprüche gegen den Verwaltungsbeirat Beiräte sind nach § 29 WEG regelmäßig Eigentümer. Insoweit gelten die Ausführungen für Ansprüche gegen Miteigentümer. Werden dem Beirat besondere Aufgaben durch Beschluss oder Vereinbarung zugewiesen und delegieren damit die Eigentümer eigenständige Verantwortlichkeiten, darf in den Kernbereich der Entscheidungsbefugnisse der Eigentümer nicht eingegriffen werden. Es ist grob fahrlässig, einem Verwalter entgegen der ausdrücklichen Weisung der Eigentümerversammlung uneingeschränkte Verfügungsmacht über ein Rücklagenkonto von erheblicher Höhe einzuräumen. Ebenfalls als grob fahrlässige Pflichtverletzung ist es anzusehen, wenn bei der Prüfung der Jahresabrechnung auf die Kontrolle der Kontenbelege verzichtet wird.384

8.367

Erleidet ein Eigentümer einen Schaden am Sondereigentum, so haften die übrigen Mitglieder 8.368 der Gemeinschaft grundsätzlich nicht für ein den Schaden verursachendes Versäumnis des Beirats. Dieser ist weder Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB, noch Verrichtungsgehilfe, § 831 BGB, der Gemeinschaft.385 Die Kenntnis von einzelnen Mitgliedern des Verwaltungsbeirates über Versäumnisse des Verwalters bei der Instandhaltung und Instandsetzung begründet keine Haftung dieser Mitglieder und kann ihnen vom Verwalter nicht als Mitverschulden entgegengehalten werden.386

380 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.10.2004 – 3 Wx 228/04, ZMR 2005, 466. 381 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/98, OLGReport Düsseldorf 1998, 380 = NZM 1998, 721 = ZMR 1998, 654 = WE 1999, 23. 382 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NZM 1999, 562 = NJW 1999, 2108 = ZMR 1999, 647. 383 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = ZMR 1992, 352 = WuM 1992, 389 = NJW-RR 1992, 1102. 384 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = ZfIR 1998, 37 = ZMR 1998, 104. 385 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1999 – 3 Wx 369/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 326 = NZM 1999, 573 = ZMR 1999, 423 = WuM 1999, 355. 386 BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 = BeckRS 2018, 10999.

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8.369

Teil 8 Rz. 8.370

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.370 Die Kenntnis des Verwaltungsbeirats, dem die Rechnungs- und Belegprüfung hinsichtlich der Abrechnungsunterlagen des Verwalters obliegt und der damit Informationspflichten gegenüber den Wohnungseigentümern hat, ist aber den Wohnungseigentümern zuzurechnen, wenn dem Beirat Tatsachen bekannt werden, die eine Abberufung des Verwalters rechtfertigen.387 Verschweigt der Beirat relevante Informationen, kommt seine eigenständige Haftung in Betracht.

8.371 Der Beirat hat im Bereich der Instandhaltung und Instandsetzung keine eigenständige Aufgabenstellung, die mit der des Verwalters vergleichbar wäre. Die Mitglieder des Beirats sind insoweit (schlichte) Eigentümer und werden deshalb auch so zu behandeln sein.388 Erhält der Beirat besondere Aufgaben zugewiesen und übernimmt er sie z.B. in der Form eines Bauausschusses, ist er „Auftragnehmer“;389 seine dabei gemachten Fehler, z.B. bei der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses o.Ä., sind dem Verband gemäß § 278 BGB wie die Fehler einer Fremdfirma zuzurechnen. Unerheblich ist dann, ob der Beirat insgesamt oder durch einzelne Mitglieder handelt.

8.372 Im Fall der wirksamen Delegation der Instandsetzungspflicht auf den Verwaltungsbeirat, kann eine Haftung des Verwalters und damit auch Schadensersatzansprüche gegen diesen wegfallen.390 d) Vereinbarungen zum Haftungsausschluss und zur Freistellung

8.373 Wer eine verantwortliche Tätigkeit für andere Personen ausübt, hat Interesse, seine Haftung zu begrenzen. Dies gilt für den Eigentümer ebenso, der für die Gemeinschaft tätig wird, wie für den Beirat oder den Verwalter. Zu unterscheiden ist der Haftungsausschluss, der die Entstehung eines Anspruchs verhindert soll, von der Haftungsbegrenzung, die den Umfang der Haftung beschränkt.

8.374 Sowohl die Ansprüche nach §§ 280 ff. BGB wie auch deliktische Ansprüche können Gegenstand von Ausschlussklauseln sein. Standardisierte Verwalterverträge unterfallen regelmäßig der Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit den Prüfungskriterien insbesondere nach § 307 und § 309 Nr. 7 BGB. Dort wird eine Freizeichnung für körperliche Schäden und für grobes Verschulden völlig untersagt.

8.375 Die Haftung für einfache Fahrlässigkeit kann gemäß § 307 BGB bei den Tätigkeiten und Pflichten nicht ausgeschlossen werden, für die der Verwalter eine besondere Vertrauensstellung einnimmt, innerhalb der ihm somit Kardinalpflichten zuwachsen. Dies trifft auf den Verwalter in seinen Aufgabenkreisen gemäß § 27 Abs. 1 bis Abs. 3 WEG zu. Diese Aufgaben sind gemäß § 27 Abs. 4 WEG nicht abdingbar und können deswegen auch nicht von einem Haftungsausschluss erfasst werden; ebenso wenig ist es gemäß § 307 BGB denkbar, dass dort Haftungsbegrenzungen greifen. 387 KG, Beschl. v. 31.3.2009 – 24 W 183/07, Grundeigentum 2009, 1053 = KGR Berlin 2009, 893 = MietRB 2009, 326. 388 BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = WuM 2018, 446 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 = BeckRS 2018, 10999; KG, Beschl. v. 28.1.2004 – 24 W 3/02, KGR Berlin 2004, 204 = ZMR 2004, 458 = FGPrax 2004, 107. 389 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = ZfIR 1998, 37 = ZMR 1998, 104. 390 AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 27.5.2016 – 883 C 11/14, IMRRS 2016, 1795.

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Pflichten der Gemeinschaft, des einzelnen Eigentümers und des Verwalters

Rz. 8.381 Teil 8

Zulässige Haftungsbefreiungen des Verwalters müssten individuell, außerhalb eines Verwaltervertrages, vereinbart oder beschlossen werden, etwa für eine einzelne, bestimmte und abgrenzbare Baumaßnahme. Gleiches gilt für eine Haftungserleichterung für einzelne beauftragte Eigentümer. Soweit zulässig ergibt sich die Beschlusskompetenz für eine solche Regelung aus § 21 Abs. 3 WEG.

8.376

Das Freistellungsverbot gilt auch für einen Beirat in dessen Aufgaben- und Pflichtenkreis gemäß § 29 Abs. 3 WEG, soweit dort überhaupt ein formularmäßiger Vertrag verwendet wird. Außerhalb dieser Grenzen lässt die Vertragsfreiheit individuelle Verträge mit haftungsausschließendem oder haftungsbegrenzendem Inhalt zu.

8.377

Ein Beschluss über die Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen durch die Aufnahme von Fremddarlehen wurde vor der WEG-Novelle als eine Maßnahme eingestuft, die nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies sollte auch gelten, wenn die Eigentümer von der individuellen Haftung freigestellt waren, weil diese letztlich für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft doch aufzukommen hatten.391 Diese Einwände sind durch die neue Gesetzeslage entfallen. Grundsätzlich haftet der Verband (in voller Höhe) für die bestehenden Verbindlichkeiten. Daneben besteht eine nur beschränkte Haftung der einzelnen Eigentümer nach § 10 Abs. 8 WEG. Finanziert die Eigentümergemeinschaft eine Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung durch einen Kredit, hat ein einzelner Eigentümer keinen Anspruch, von den Folgen des Kreditvertrages freigestellt zu werden, auch wenn er die Zahlung seines Anteils am Sanierungsaufwand aus eigenen Mitteln anbietet.392

8.378

Die Freistellung von der Haftung durch die Eigentümer ist für den Verwalter auch in Hinblick auf Prozesskosten von Bedeutung. Nach § 49 Abs. 2 WEG kann das Gericht in einem Verfahren nach § 43 WEG dem Verwalter Prozesskosten auferlegen, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch den Verwalter veranlasst wurde und diesen ein grobes Verschulden trifft. Dies gilt auch, wenn der Verwalter nicht Partei des Rechtsstreits ist, wie bei einer Anfechtungsklage.

8.379

Mit dieser Regelung kann ein materieller Anspruch auf Schadensersatz für die angefallenen 8.380 Prozesskosten gegen den Verwalter aus Gründen der Prozessökonomie mit erledigt werden. Umso wichtiger ist es für den Verwalter, die Eigentümer über erkennbare Risiken einer Beschlussfassung vorher aufzuklären und die Hinweise in die Einladung zur Versammlung oder in das Protokoll aufzunehmen, um später einen Entlastungsbeweis führen zu können. Wird trotz vorheriger Hinweise ein riskanter Mehrheitsbeschluss gefasst, ist das Verhalten des Verwalters nicht mehr für das Zustandekommen des Beschlussergebnisses kausal, zumindest nicht grob schuldhaft verursacht worden. Der Verwalter wird auch von der Haftung freigestellt, wenn er sich von den Eigentümern mehrheitlich anweisen lässt, wie er sich im Einzelfall verhalten soll, etwa bei einer vereinbarten Verwalterzustimmung nach § 12 WEG oder einer vereinbarten Vorgabe, dass die Ausübung eines Gewerbes in der Wohnung von der Zustimmung des Verwalters abhängt. Hat er sich entsprechend den mehrheitlichen Beschlussvorgaben der Eigentümer verhalten, kann sein Handeln nicht mehr kausal für einen späteren Schaden angesehen werden.393 Nach einer Anweisung der Eigentümer an den Verwalter, wie dieser an Stelle der Eigentümer handeln soll, 391 BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 392 AG Ettlingen, Urt. v. 23.4.2010 – 4 C 17/09, ZMR 2010, 808. 393 KG, Beschl. v. 3.2.2004 – 1 W 244/03, KGR Berlin 2004, 202 = NZM 2004, 588 = NJW-RR 2004, 1161.

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8.381

Teil 8 Rz. 8.381

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

sind die Eigentümer passiv legitimiert, wenn eine verweigerte Leistung eingefordert wird.394 Solange vereinbarte Regelungen dem Verwalter keine originäre eigene Kompetenz verschaffen, die nur er allein wahrnehmen kann, wird der Verwalter als Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter der Eigentümer tätig. Diese können sich die Entscheidungskompetenz zurückholen.

III. Ordentliche Durchführung von Maßnahmen zur Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung 1. Der Verwalter als ausführendes Organ der Gemeinschaft

8.382 Die Aufgabe über das „Ob“ und das „Wie“ von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu entscheiden kommt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, also dem Verband, zu.395 Die Aus- oder Durchführung solcher Maßnahmen obliegt dann dem Verwalter als ausführendem Organ der Gemeinschaft.

8.383 Die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums ist dagegen Sache des einzelnen Wohnungseigentümers. Führt der Eigentümer (irrtümlich) auf seine Kosten Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung am Gemeinschaftseigentum durch, da er irrig davon ausgeht, es sei sein Sondereigentum bzw. er sei hierzu aufgrund der Teilungserklärung verpflichtet, besteht selbst dann weder einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Bereicherung, wenn die Durchführung der Maßnahme objektiv erforderlich ist.396 Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ist dann durch § 21 Abs. 4 WEG ausgeschlossen.397

8.384 Die bisherige entgegengesetzte Rechtsprechung des BGH,398 wonach jedenfalls bei zwingend erforderlichen Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung, bei denen das Ermessen der Eigentümer, die Instandhaltung und Instandsetzung zu beschließen, auf null reduziert sein sollte, Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag etc. bestehen sollten, ist obsolet. Sie hält der BGH ausdrücklich nicht aufrecht.399 a) Ausführungskompetenz des Verwalters

8.385 Allein nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG könnte der Verwalter auch ohne vorausgegangenen Beschluss der Eigentümer Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung ergreifen. Diese scheinbar sehr weit gehende Ermächtigung ist jedoch verständlicherweise vom Gesetzgeber nicht gewollt und findet ihre Grenzen im Selbstverwaltungsrecht der Eigentümer gemäß § 21 WEG. Das Zusammenspiel der beiden Vorschriften zeigt die Absicht des Gesetzgebers auf: Regelmäßig haben die Eigentümer darüber zu bestimmen, ob, wann und wie eine Maßnahme durchgeführt wird, während dem Verwalter die Ausführung nach den Vorgaben der Eigentümer bleibt. Damit die Eigentümer in die Lage versetzt werden, die notwendigen Mehrheitsentscheidungen herbeizuführen, bedarf es der Wachsamkeit 394 395 396 397 398

BGH, Urt. v. 13.5.2011 – V ZR 166/10, ZMR 2011, 813 = NJW-RR 2011, 1453. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris. BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = MDR 2016, 318 = WuM 2016, 111 = ZWE 2016, 136; BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 = MDR 2015, 16 = ZWE 2015, 88; BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 = ZMR 2018, 835 = NZM 2018, 611. 399 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.390 Teil 8

des Verwalters, Handlungsbedarf aufzudecken und die notwendigen Maßnahmen vorzubereiten. Nur wenn vor der Einleitung dringender Maßnahmen eine Entscheidung der Eigentümer nicht herbeigeführt werden kann, wurde dem Verwalter in § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ausnahmsweise unmittelbares Handlungsrecht gegeben. b) Pflicht zur technischen Überwachung des Objektes Der Verwalter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Eigentümer die Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung beschließen können. Ihm allein wird in § 27 Abs. 4 WEG die nicht abdingbare Pflicht übertragen, sich um die in § 27 Abs. 1–3 WEG beschriebenen Aufgaben und Befugnisse zu kümmern. Ein Beschluss, die Befugnisse des Verwalters hinsichtlich der Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Einzelfall dem Verwaltungsbeirat zu übertragen, kann für ungültig zu erklären sein.400 Soll dem Verwalter durch Beschluss generell diese Befugnis entzogen und einem Anderen übertragen werden, ist der Beschluss seit der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000401 wegen fehlender Beschlusskompetenz als nichtig anzusehen. Der Beschluss ist auch ohne gerichtliches Urteil unwirksam und als nicht existent zu behandeln.

8.386

Der Verwalter hat Entscheidungsabläufe im Kompetenzwechsel zwischen sich und den Eigentümern stets zu beachten.

8.387

Aufgabenstellung aus Sicht des Verwalters:

8.388

– Er muss eigene oder beauftragte Kontrollen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums durchführen und den Handlungsbedarf erkunden. – Die Eigentümer sind von ihm über seine Feststellungen zu unterrichten. – Deren Entscheidungen über die zu treffenden Maßnahmen sind vorzubereiten. – Den Eigentümern ist die Möglichkeit zu geben, Beschlüsse herbeizuführen. – Beschlüsse der Eigentümer sind von ihm umzusetzen. Nur so erfüllt der Verwalter die ihm auferlegten Pflichten und nur durch konsequente Kontrollen kann er einer Haftung entgehen. Der Verwalter haftet wie ein Gebäudeunterhaltungspflichtiger nach § 838 BGB und wie ein Grundstücksbesitzer nach § 836 BGB.402

8.389

Verletzt der Verwalter schuldhaft diese Pflicht, die ihm durch das Gesetz in § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 WEG übertragen wurde, ohne die Möglichkeit einer Einschränkung durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer, ist er zum Schadensersatz verpflichtet.403 Rechtsgrundlage ist § 280 BGB. Darüber hinaus kann der Verwalter aber auch für die einem

8.390

400 AG Hannover, Beschl. v. 19.5.1999 – 71 II 84/99, WE 2001, 10. 401 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518. 402 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, WuM 1993, 273 = ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782 = MDR 1994, 45. 403 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840.

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Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

einzelnen Wohnungseigentümer, insbesondere an dessen Sondereigentum, entstandenen Schäden haften.404

8.391 Durch eine konsequente Anfangskontrolle und deren Dokumentation wird ein neuer Verwalter den Nachweis führen können, dass Handlungsdefizite nicht von ihm, sondern vom Verwaltungsvorgänger zu verantworten sind. Dazu muss ein Verwalter unmittelbar nach Übernahme einer Wohnanlage eine örtliche Besichtigung durchführen, wobei besonderes Augenmerk auf die kritischen Stellen eines Bauwerkes zu richten ist.

8.392 Den ersten Verwalter einer neu errichteten Wohnanlage trifft gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG auch die Pflicht, die Gewährleistungsansprüche am gemeinschaftlichen Eigentum zu überwachen bzw. den Eigentümern die Möglichkeit zu geben, diese zu verfolgen.405 Dies gilt sogar dann, wenn der Beirat von den Eigentümern ermächtigt und verpflichtet wurde, das gemeinschaftliche Eigentum vom Verkäufer abzunehmen.406

8.393 Die Verpflichtungen des Verwalters bei der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums schließen die Pflicht ein, das gemeinschaftliche Eigentum regelmäßig daraufhin zu kontrollieren, ob laufende Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind. Dabei ist der Verwalter grundsätzlich nicht verpflichtet, erforderliche Kontrollen in eigener Person durchzuführen. Vielmehr wird damit oft im Rahmen eines Wartungsvertrags ein Fachunternehmen zu beauftragen sein. Ob ein entsprechender Wartungsvertrag abgeschlossen wird, haben die Wohnungseigentümer und nicht der Verwalter zu entscheiden. Letzterer hat jedoch die Wohnungseigentümer auf die Möglichkeit und gegebenenfalls die Notwendigkeit eines solchen Wartungsvertrags hinzuweisen.407 Deshalb muss der Verwalter nicht von sich aus regelmäßige Wartungsarbeiten für die Regenwasser-Fallrohre in Auftrag geben.408 Auch ist er nicht verpflichtet, Dachbegehungen zu Kontrollzwecken persönlich durchzuführen oder einen Wartungsvertrag mit einer Fachfirma abzuschließen, wenn ein Eigentümerbeschluss dafür nicht existiert.409

8.394 Weil der Verwalter für die Gebäudesicherung gemäß § 836 und § 838 BGB verantwortlich ist, treffen ihn hohe Anforderungen hinsichtlich des Nachweises, diesen Pflichten nachgekommen zu sein.410 Zwar muss er nicht alle Gefahren, wie sie in § 836 BGB beschrieben sind, vollständig und absolut sicher ausschließen. Es ist auf die Sicherungserwartungen des Verkehrs abzustellen.411 Dies bedeutet, dass alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen sind, die aus technischer Sicht geboten und geeignet erscheinen. Im Einzelfall kann es erforderlich werden, dass der Verwalter als Haftpflichtiger gemäß § 836 BGB und § 838 BGB einen zuverlässigen Fach-

404 BayObLG, Beschl. v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, ZMR 1998, 356 = WE 1998, 357 = NJW-RR 1999, 305; LG München, Urt. v. 16.5.2011 – 1 S 5166/11, ZWE 2011, 377 = ZMR 2011, 839. 405 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = ZMR 2007, 56. 406 LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2000 – 19 T 442/00, ZWE 2001, 501. 407 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840. 408 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, KGR Berlin 1999, 122 = WE 1999, 68 = NZM 1999, 131 = ZMR 1999, 207. 409 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 14.6.1991 – 3 W 203/90, NJW-RR 1991, 1301. 410 BGH, Urt. v. 12.3.1985 – VI ZR 215/83, NJW 1985, 2588 = MDR 1986, 44 = VersR 1985, 666. 411 BGH, Urt. v. 19.6.1990 – VI ZR 197/89, VersR 1990, 1280 = NJW-RR 1990, 1423 = MDR 1991, 233.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

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kundigen mit der regelmäßigen Nachprüfung im gebotenen Umfang betraut.412 Der Verwalter muss Sturmstärken in seine Betrachtung einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Teile des Gebäudes oder Werkes treffen. Da ein Gebäude mit sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten muss, beweist die Loslösung von Teilen infolge einer Witterungseinwirkung im Allgemeinen nach der Lebenserfahrung, dass die Anlage fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war. Dies gilt nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Werk nicht standzuhalten vermag. Für eine mangelhafte Instandhaltung soll ein Anscheinsbeweis streiten, der in der Regel nicht dadurch erschüttert werden kann, dass das Schadensereignis durch eine schlichte Sturmböe verursacht worden sein soll.413 Im Rahmen der laufenden Maßnahmen der erforderlichen ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG hat der Verwalter ggf. auch für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten durch die Eigentümer zu sorgen.414 Versagt z.B. der Räum- und Streudienst, kann der Verwalter zur Vermeidung von Schäden für die erforderlichen Ersatzmaßnahmen sorgen, indem er im Namen des Verbands und zu dessen Lasten mit gesetzlicher Legitimation einen (anderen) Unternehmer beauftragt. Räum- und Streupflichten können nur im Wege der Vereinbarung auf Eigentümer abgewälzt werden.415

8.395

Tritt in einer Wohnung ein Wasserschaden auf, dessen Ursache im gemeinschaftlichen Eigentum liegen kann, so hat der Verwalter unverzüglich das Erforderliche zu unternehmen, um die Schadensursache festzustellen;416 er darf nicht über Monate zuwarten, bis feststeht, in wessen Verantwortungsbereich die Ursache für den erkennbaren Wasserschaden liegt. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, so haftet er für den Schaden des betroffenen Eigentümers oder Mieters auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Schadensursache ausschließlich im Sondereigentum liegt.417

8.396

c) Finanzielle Planung und wirtschaftliches Controlling der konkreten Maßnahme Die Vorbereitung und die Durchführung einer Maßnahme der Instandhaltung und Instand- 8.397 setzung genügen nur dann den Anforderungen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn sie finanziert werden kann. Das Verwaltungsvermögen gehört dem Verband; § 10 Abs. 7 WEG. Zum Verwaltungsvermögen gehören auch die Verbindlichkeiten. Inhaber der gemeinsamen Verbindlichkeiten ist der Verband nach § 10 Abs. 7 S. 2 WEG. Dieser wird vom Verwalter im Umfang des § 27 Abs. 3 S. 1 WEG vertreten. Deswegen gehört es zu seinen nach § 27 Abs. 4 WEG unveränderbaren Pflichten, nur in dem Umfang Aufträge zu erteilen, wie es die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft erlaubt. Diese Pflicht ergibt sich auch aus einem

412 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, WuM 1993, 273 = ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782 = MDR 1994, 45. 413 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.2.2004 – 12 U 11/03, OLGReport Koblenz 2004, 367 = VersR 2005, 982. 414 OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2008 – 14 U 107/07, NJW-RR 2009, 882 = NZM 2009, 452. 415 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268. 416 OLG München, Beschl. v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, OLGReport München 2006, 654 = ZMR 2006, 716. 417 BayObLG, Beschl. v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, ZMR 1998, 356 = WE 1998, 357 = NJW-RR 1999, 305.

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Teil 8 Rz. 8.397

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Fürsorgeverhältnis gegenüber den Eigentümern.418 Kann der Verband eingegangene Verbindlichkeiten nicht bezahlen, wird ein Gläubiger von der Möglichkeit Gebrauch machen, die einzelnen Eigentümer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen nach § 10 Abs. 8 WEG in die Haftung zu nehmen. Diese Individualhaftung der Eigentümer gilt es, wie der BGH am 2.6.2005 deutlich gemacht hat, zu vermeiden.

8.398 Die laufende kaufmännische Kontrolle ist geprägt von dem vergleichenden Denken zwischen Bestand und Bedarf und den daraus resultierenden Überlegungen, welche Maßnahmen erforderlich und gegebenenfalls mit welchen Mitteln finanzierbar sind.

8.399 Finanzielle Probleme sind nicht Probleme der Verwaltung, sondern solche der Eigentümer, weshalb es erforderlich ist, dass der Verwalter diese rechtzeitig und ausreichend informiert, um finanzielle Engpässe auszuschließen.419 Hierzu können Sonderumlagen erhoben werden.420 Ein Sonderumlagebeschluss ist jedoch nichtig, wenn er nicht als Ergänzung eines Wirtschaftsplans, sondern unabhängig von Wirtschaftsplänen oder Jahresabrechnungen für einen vom Verwalter noch zu berechnenden Erstattungsbetrag beschlossen wurde.421

8.400 Das kaufmännische Controlling konkreter Maßnahmen obliegt regelmäßig allein dem Verwalter, während die technische Kontrolle häufig von Sonderfachleuten begleitet wird. Entsprechend groß ist die Verantwortung des Verwalters in diesem Bereich. Dazu kommt die Klärung rechtlicher Fragen, etwa bei Vertragsgestaltungen und Vertragsabwicklungen. Verträge, die der Verwalter für die Gemeinschaft abschließt, schaffen Verpflichtungen für den Verband. Die einzelnen Eigentümer haften sekundär gemäß § 10 Abs. 8 WEG einem Vertragspartner nur in Höhe ihres Miteigentumsanteils. Im Innenverhältnis besteht eine Nachschusspflicht für den Fall, dass einzelne Eigentümer ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen. Der Verwalter kann die Eigentümer im Außenverhältnis nicht als gesamtschuldnerisch haftende Vertragspartner verpflichten. Wenn ausnahmsweise die gesamtschuldnerische Haftung aller Eigentümer im Außenverhältnis gewollt ist, kann dies nicht durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine Vereinbarung bewirkt werden.422

8.401 Es ist Aufgabe des Verwalters, dafür Sorge zu tragen, dass 8.402 – für Maßnahmen die erforderlichen Beschlüsse sachgerecht vorbereitet und herbeigeführt werden, – die Finanzierung der Maßnahme durch Beschluss geregelt und die Anspruchsgrundlage für einen Zahlungsanspruch gegenüber den Wohnungseigentümern, etwa durch einen Sonderumlagenbeschluss, geschaffen wird, – bei Einzelfall-Maßnahmen eine Regelung nach § 16 Abs. 4 WEG herbeigeführt wird, um eine individuelle Kostenverteilungsregelung zu ermöglichen, 418 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 = WuM 2005, 530 = ZWE 2005, 422. 419 BayObLG, Beschl. v. 10.10.1996 – 2Z BR 76/96, ZMR 1997, 42 = NJWE-MietR 1997, 36 = WE 1997, 265. 420 BGH, Beschl. v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, BGHZ 108, 44 = MDR 1989, 898 = DWE 1989, 130 = NJW 1989, 3018. 421 BGH, Urt. v. 22.7.2001 – V ZR 245/09, NJW-RR 2011, 1383 = ZWE 2011, 403 = ZMR 2011, 981 = MietRB 2012, 16. 422 BGH, Urt. v. 20.1.2010 – VIII ZR 329/08, MDR 2010, 620 = WuM 20201, 173 = ZMR 2011, 142.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.407 Teil 8

– der Verwalter von den Eigentümern bei der Beschlussfassung über die Maßnahme eine Vorgabe erhält, wie er sich bei der Auftragsvergabe verhalten soll, wenn die erforderlichen Gelder nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, – der Verwalter von den Eigentümern angewiesen wird, ob die beschlossene Maßnahme durchzuführen ist, auch wenn eine Anfechtungsklage wegen des Beschlusses erhoben wird, – bei Auftragserteilung die Zahlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft sichergestellt ist, – Zahlungen nur im geschuldeten Umfang an die beauftragten Firmen erfolgen, – gegebenenfalls Zurückbehaltungsrechte oder sonstige Gewährleistungsansprüche gegen den Unternehmer rechtzeitig und ausreichend wahrgenommen werden.423 Ziel des Handelns des Verwalters ist, den Bestand und die Gebrauchstauglichkeit des gemeinschaftlichen Eigentums zu sichern und sachlichen und finanziellen Schaden von den Eigentümern und vom Verband fernzuhalten. Erfüllt der Verwalter diese Pflichten nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig.

8.403

2. Vorbereitung der Beschlussfassung durch den Verwalter Die Durchführung notwendiger Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung obliegt nach § 10 Abs. 6 S. 1 dem Verband. Dieser handelt durch den Verwalter, der in § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG vom Gesetz mit dem Vertretungsrecht nach außen ausgestattet wurde. Die Entscheidung darüber, ob, wann und welche Maßnahme durchgeführt wird, bleibt den Eigentümern überlassen, die in der Regel durch Mehrheitsbeschluss entscheiden.

8.404

Gibt es keinen Verwalter oder ist dieser zur Vertretung der Eigentümer nicht berechtigt, so wird die Gemeinschaft von allen Eigentümern vertreten, § 27 Abs. 3 S. 2 WEG. Die Eigentümer können einen oder mehrere Eigentümer zur Vertretung ermächtigen und damit die Handhabung erleichtern, § 27 Abs. 3 S. 3 WEG.

8.405

Der Verwalter ist verpflichtet, alle Vorkehrungen zu treffen, um eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung sicherzustellen, mit allen Anforderungen, wie vom Gesetz und der jeweils gültigen Gemeinschaftsordnung vorgesehen. Im Folgenden geht es speziell um die Vorbereitung und Durchführung der Versammlung im Hinblick auf Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung.

8.406

a) Ermittlung des mangelhaften Zustandes und des konkreten Handlungsbedarfs Infolge der Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG 8.407 wird vom Verwalter erwartet,424 dass er die Wohnanlage überwacht, sie etwa regelmäßig begeht, um einen bestehenden Handlungsbedarf feststellen zu können.425 Die Beauftragung von Fachleuten, die Kosten verursacht, setzt eine Ermächtigung durch die Eigentümer vo-

423 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.3.1997 – 3 Wx 186/95, OLGReport Düsseldorf 1997, 220 = ZMR 1997, 380 = WE 1997, 345. 424 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.11.2010 – 20 W 309/07, ZWE 2011, 361. 425 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840.

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Teil 8 Rz. 8.407

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

raus, sei es durch einen Mehrheitsbeschluss oder bereits im Verwaltervertrag. Der Verband selbst kann aus eigenem Recht im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten Pflichten eingehen. Die gemeinschaftsbezogenen fremden Pflichten der Eigentümer nimmt der Verband wahr und wird dabei vom Verwalter nach § 27 Abs. 3 S. 1 WEG vertreten. Trotz des Vertretungsrechtes im Außenverhältnis ist es die Aufgabe des Verwalters, sich von den Eigentümern im Innenverhältnis die Rechtfertigung für sein Handeln geben zu lassen.

8.408 Werden akute Störungen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums festgestellt oder gemeldet, ergeben sich Handlungspflicht und Befugnis des Verwalters aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG. Primär muss der Verwalter die Eigentümer informieren und deren Entscheidung einholen.

8.409 Das Notgeschäftsführungsrecht berechtigt den Verwalter nur zu den Maßnahmen, welche die akute Gefahrenlage eindämmen und beseitigen,426 jedoch nicht zur Beauftragung solcher Arbeiten, die einer dauerhaften Beseitigung der Schadensursache dienen.427 Folgen können deshalb sein: Vorläufige Sicherungsmaßnahmen oder endgültiger Reparaturauftrag, wenn die Maßnahmen nicht aufschiebbar sind, also ein echter Notfall eingetreten ist, oder wenn die Handlungsvorgaben der Eigentümer an den Verwalter die Maßnahme abdecken. Ansonsten mündet die Erkenntnis über einen Handlungsbedarf in die Vorbereitung einer Entscheidung der Eigentümer durch den Verwalter, also der Vorbereitung einer Eigentümerversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung.

8.410 Steht ein Handlungsbedarf fest, ist vor größeren Maßnahmen zur Beseitigung baulicher Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum bzw. vom Gemeinschaftseigentum ausgehender störender Einwirkungen auf das Sondereigentum zunächst die Ursache des Mangels festzustellen und sodann der Instandsetzungsbedarf oder sonstige Handlungsbedarf zu ermitteln. Vor einer Auftragsvergabe sind Alternativ- oder Konkurrenzangebote einzuholen,428 wobei hinsichtlich der Anzahl der Angebote dem Verwalter ein gewisser Gestaltungsspielraum zukommt.429

8.411 Auf bloße Empfehlungen von Fachleuten darf der Verwalter sich nicht verlassen;430 die Beauftragung eines Fachmannes kann sogar erzwungen werden.431 Der durch die Störung betroffene Sondereigentümer kann nicht sogleich allein die Durchführung einer ganz bestimmten, von ihm durch Privatgutachten ermittelten Maßnahme verlangen.432 Gibt es Alternativen, sind diese zu ermitteln, und darüber haben die Eigentümer zu entscheiden.

8.412 Die Zustimmung zur Beauftragung des Verwalters mit der sofortigen Durchführung von Sanierungsmaßnahmen kann erst verlangt werden, wenn diese hinreichend bestimmt sind.

426 AG München, Urt. v. 25.3.2010 – 483 C 2/10, ZMR 2011, 760. 427 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011 = ZWE 2011, 209. 428 OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2000 – 16 Wx 13/00, ZMR 2000, 862 = ZWE 2000, 321; AG Velbert, Urt. v. 20.2.2009 – 18a C 88/08, ZMR 2009, 565. 429 OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2003 – 16 Wx 50/03, OLGReport Köln 2003, 242 = ZMR 2004, 148. 430 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, OLGReport Celle 2001, 129 = ZMR 2001, 642 = NJW-RR 2002, 303 = NZM 2002, 169. 431 BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = ZWE 2001, 366. 432 OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2000 – 16 Wx 13/00, ZMR 2000, 862 = ZWE 2000, 321.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.414 Teil 8

Auch über deren Finanzierung kann erst entschieden werden, wenn die Höhe der zu erwartenden Kosten abschätzbar bekannt wurden.433 Wenn es die Ermittlung von alternativen Möglichkeiten nötig macht, Fachleute wie Architekten oder Sachverständige einzuschalten, die Kosten verursachen, bedarf es einer vorherigen Beschlussfassung der Eigentümer darüber,

8.413

– ob ein Fachmann eingeschaltet wird, – wer beauftragt werden soll, – mit welchen Aufgabenstellungen, – zu welchem Preis, – wie die Kosten des Fachmanns bezahlt werden sollen, – wer den Auftrag vergeben soll, – wie mit dem Ergebnis umzugehen ist. Insbesondere ist zu klären, ob danach von den Eigentümern das Ergebnis neu beraten werden 8.414 muss/soll oder ob unter definierten Voraussetzungen ein Auftrag erteilt werden kann und durch wen.

M 7 Beschlussvorschlag Sachverständigenauftrag bei Sanierungsmaßnahmen … Die Eigentümer beschließen, zur Vorbereitung der Beseitigung der (… z.B. Fassadenschäden – möglichst zweifelsfreie Beschreibung und Eingrenzung) einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu beauftragen. Die Kosten des Sachverständigen trägt die Gemeinschaft aus der Instandhaltungsrücklage. Der Beirat und der Verwalter wählen einen geeigneten Sachverständigen aus der Sachverständigenliste der örtlichen IHK aus und führen mit ihm die Verhandlungen über die Kosten seiner Tätigkeit. Der ausgewählte Sachverständige wird danach vom Verwalter beauftragt. Er soll den erforderlichen Sanierungsumfang feststellen, ein Leistungsverzeichnis der notwendigen Arbeiten errichten, auf dessen Grundlage mindestens drei Angebote von Fachfirmen einholen, diese Angebote auswerten und mit einer Empfehlung zur Vergabe des Auftrags dem Verwalter bis spätestens (… z.B. in sechs Monaten) vorlegen. Die Empfehlung soll auch einen Hinweis enthalten, ob eine fachmännische Bauleitung/Bauüberwachung sinnvoll oder sogar notwendig ist, ob der Sachverständige diese Tätigkeit zu übernehmen bereit wäre und welche Kosten dafür anfallen werden. Der Verwalter soll die Eigentümer unverzüglich zu einer außerordentlichen Versammlung einladen und dem Einladungsschreiben die Sachverständigen-Ergebnisse samt Empfehlung als Vorabinformation beifügen. Die Eigentümer werden in der gesonderten Versammlung über eine Auftragsvergabe entscheiden. …

433 BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = ZWE 2001, 366.

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Teil 8 Rz. 8.415

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

b) Abstimmen des weiteren Vorgehens mit dem Beirat

8.415 Dem Beirat obliegt es nach § 29 Abs. 2 WEG, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen. In dieser Funktion hat er an der Vorbereitung und Beratung von Verwaltungsmaßnahmen sowie in diesem Zusammenhang an der Vorbereitung der Eigentümerversammlungen mitzuwirken. Diese Aufgabe setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Beirat und dem Verwalter voraus, insbesondere, dass der Verwalter dem Beirat die erforderlichen sachlichen Informationen erteilt, die er für seine Aufgabe benötigt. Der Beirat hat zwar die gesetzliche Aufgabe, an der Vorbereitung weiterer Beschlüsse der Eigentümerversammlung mitzuwirken, um Alternativen für eine sachgerechte Beschlussfassung erarbeiten und der Versammlung vorschlagen zu können.434 Er kann zur Mitarbeit aber nicht gezwungen werden. Weil der Verwaltungsbeirat nicht Vertreter der Eigentümer oder der Gemeinschaft gegenüber dem Verwalter ist, kann er – ohne ausdrückliche Ermächtigung – nicht an deren Stelle Anweisungen erteilen oder gar Beschlüsse der Eigentümer ersetzen.435 c) Darlegung von alternativen Handlungsmöglichkeiten

8.416 Es muss jeweils geklärt werden, ob und mit welchem Kostenaufwand eine Maßnahme durchgeführt werden soll,436 damit die Eigentümergemeinschaft nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung und nach Prüfung unterschiedlicher Möglichkeiten eine bestimmte technische Lösung wählen kann.437

8.417 Kommen mehrere, gleichermaßen erfolgversprechende, Sanierungsmaßnahmen in Betracht, steht den Miteigentümern ein Ermessensspielraum bei der Beschlussfassung zu. Vertretbare Mehrheitsentscheidungen in diesem Rahmen sind von der überstimmten Minderheit grundsätzlich hinzunehmen. Die Wohnungseigentümer können sich für das ihnen am meisten zusagende Angebot entscheiden, sofern dieses nicht in Bezug auf Preis und Qualität der Ausführung negativ aus dem Rahmen fällt.438

8.418 Ist die Durchführung einer Maßnahme zwingend erforderlich, um die der Teilungserklärung entsprechende Nutzung des Sondereigentums zu gewährleisten, ist nur die sofortige Durchführung der Maßnahme zulässig. Das Ermessen reduziert sich somit in diesem Punkt auf null.439

8.419 Ein Eigentümerbeschluss, der die Auftragserteilung bzgl. einer Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung zum Gegenstand hat, ist nicht allein deshalb ungültig, weil nicht mehrere Angebote eingeholt wurden. Hinzukommen muss, dass tatsächlich überhöhte Preise gezahlt wurden.440 Kommt ein Eigentümerbeschluss jedoch ohne vorherige Einholung von Vergleichsangeboten zu Stande, entspricht dies in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwal-

434 435 436 437

OLG Hamm, Beschl. v. 2.7.2001 – 15 W 56/01, WuM 2001, 461. AG Trier, Beschl. v. 21.6.1999 – 8 UR II 12/99 WEG, WuM 1999, 482. KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, WuM 2002, 106 = KGR Berlin 2002, 65. BayObLG, Beschl. v. 23.5.2001 – 2Z BR 99/00, BayObLGR 2001, 83 = ZMR 2001, 832 = ZWE 2001, 366. 438 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.4.2000 – 3 Wx 81/00, OLGReport Düsseldorf 2000, 442 = NZM 2000, 1067 = ZWE 2001, 37. 439 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 = WuM 2018, 532 = ZMR 2018, 835 = BeckRS 2018, 8235. 440 LG Karlsruhe, Urt. v. 16.6.2009 – 11 S 25/09, Juris.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.424 Teil 8

tung;441 nach Beschlussanfechtung gemäß § 46 Abs. 1 WEG ist ein solcher Beschluss für ungültig zu erklären. Weil die Beschlusskompetenz grundsätzlich für Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung vorliegt, wäre ein solcher Beschluss aber nicht nichtig. Der Ermessensspielraum der Eigentümer bei der Beschlussfassung über Sanierungsmaßnah- 8.420 men macht es sinnvoll, sich an Art und Umfang der Sanierungsmethode vor einer Auftragsvergabe heranzutasten und sich bereits dabei von einem Architekten oder Sachverständigen beraten zu lassen. Dazu können auch mehrere Versammlungen nötig werden, um unterschiedliche Alternativen zu erörtern. Der Ermessensspielraum darf nicht kleinlich bemessen werden. Kommen mehrere Verwaltungsmaßnahmen oder Sanierungsschritte in Betracht, treffen die Eigentümer durch Beschluss die Auswahl. Das zulässige Ermessen ist überschritten, wenn eine Maßnahme beschlossen wird, gegen die sich jeder vernünftige und wirtschaftlich denkende Wohnungseigentümer entschieden hätte.442 Das Ermessen der Eigentümer ist dagegen noch nicht überschritten, wenn mehrheitlich über die Mindestsanierung hinaus Arbeiten vergeben werden, deren Ausführung derzeit nicht zwingend notwendig, jedoch vertretbar ist.443 Folglich können auch für diese Arbeiten zumindest alternativ Kostenvoranschläge eingeholt werden.

8.421

d) Erstellen der Kostenprognose Weil die Eigentümer wissen müssen, worüber sie verantwortlich abstimmen, ist es bei einer Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme erforderlich, die finanziellen Auswirkungen und Belastungen für den einzelnen Eigentümer zu kennen.

8.422

Die Ermittlung der erforderlichen Kosten ist im Wege einer Prognose zu ermitteln. Dabei ist eine großzügige Handhabung zulässig. Erst wenn die benötigten Gelder erheblich zu niedrig oder erheblich zu hoch angesetzt werden, sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verletzt.444 Der Verwalter hat auf eine baulich und fachlich einwandfreie Lösung ebenso zu achten wie auf die Wirtschaftlichkeit.

8.423

Daraus folgt nach der Rechtsprechung grundsätzlich, dass der Verwalter vor Durchführung größerer Maßnahmen drei Angebote von Fachfirmen einholen muss.445 Dem Verwalter steht insoweit ein Gestaltungsspielraum zu, der nur eingeschränkt gerichtlich prüfbar ist.446

8.424

441 BayObLG, Beschl. v. 9.9.1999 – 2Z BR 54/99, ZMR 2000, 39 = WE 2000, 81 = NZM 2000, 512 = ZWE 2000, 37. 442 LG Bremen, Urt. v. 25.3.2011 – 4 S 75/10, ZMR 2011, 657. Ebenso LG Itzehoe, Urt. v. 20.9.2011 – 11 S 66/10, Juris. 443 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.1.1999 – 3 Wx 394/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 394 = WuM 1999, 352 = NZM 1999, 766. 444 BayObLG, Beschl. v. 11.3.1998 – 2Z BR 12/98, BayObLGR 1998, 50 = WuM 1998, 305 = NZM 1998, 337 = NJW-RR 1998, 1096 = WE 1999, 147. 445 LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 19.4.2017 – 2-13 S 2/17, ZWE 2017, 321 = WuM 2017, 353/ZMR 217, 579 = IMR 2017, 287; LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 21.11.2016 – 16 S 85/16, ZWE 2017, 274 = ZMR 2017, 825; LG Itzehoe, Urt. v. 5.1.2018 – 11 S 1/17, ZWE 2018, 178 = ZMR 2018, 626 = NZM 2018, 574 = BeckRS 2018, 1166. 446 OLG Köln, Beschl. v. 22.5.1997 – 16 Wx 114/97, OLGReport Köln 1997, 251 = ZMR 1998, 109 = NZM 1998, 820.

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Teil 8 Rz. 8.424

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Die Vergleichsangebote müssen alle wesentlichen Kostenpositionen erfassen, um den Eigentümern als ausreichende Entscheidungsgrundlage dienen zu können.447

8.425 Durch die Einholung von Alternativ- oder Konkurrenzangeboten wird gewährleistet, dass einerseits technische Lösungen gewählt werden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden versprechen, und dass andererseits auf die Wirtschaftlichkeit geachtet wird und keine überteuerten Aufträge erteilt werden. Nicht notwendig das billigste Angebot hat Vorrang.448

8.426 Nur die Kosten einfacher Maßnahmen können ohne Hinzuziehung von Fachleuten, etwa allein durch Kostenangebote von Handwerksfirmen, ermittelt werden. Es widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Eigentümer größere oder schwierige Maßnahmen nur auf der Grundlage von Kostenvoranschlägen von Firmen an eine Anbieterfirma vergeben, ohne einen Fachmann mit der Ausschreibung eines Leistungsverzeichnisses und mit der Prüfung und Auswertung eingeholter Angebote auf Vollständigkeit und Vergleichbarkeit zu beauftragen. Je weniger Fachkompetenz bei den Eigentümern selbst vorhanden ist, umso eher wird Bedarf nach Koordinierung der Arbeiten durch Fachleute anzunehmen sein. Ein Eigentümer kann in der Regel nicht verpflichtet werden, der Vergabe von Sanierungsarbeiten zuzustimmen, wenn entsprechende Angebote erst noch eingeholt werden sollen. Über die Vergabe der Arbeiten kann erst entschieden werden, wenn die Angebote vorliegen.449

8.427 Kostenvoranschläge müssen in der Eigentümerversammlung, in der der Beschluss über die Beauftragung gefasst werden soll, vorliegen.450 Es entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Verwaltung zur Einholung weiterer günstiger Angebote verpflichtet wird und dem „günstigsten Anbieter“ der Auftrag erteilt werden soll, ohne dass die Gemeinschaft noch einmal befasst wird.451 e) Prüfung aller gemeinschaftsinternen Grundlagen der anstehenden Beschlussfassung

8.428 Zur Vorbereitung einer Beschlussfassung der Eigentümer gehört zwingend die Prüfung der Frage, ob die Eigentümer dafür überhaupt die Beschlusskompetenz besitzen.452 Instandhaltung und Instandsetzung sind Maßnahmen der Verwaltung des 3. Abschnitts im WEG, für die Beschlusskompetenz der Eigentümer grundsätzlich besteht, solange nicht das Ziel verfolgt wird, durch einen Beschluss gesetzliche Regelungen oder eine bestehende Vereinbarung für die Zukunft zu verändern. Dafür fehlt die Beschlusskompetenz. Solche gesetzes- oder vereinbarungsändernden Beschlüsse wären nichtig.

8.429 Soweit nicht durch das WEG oder durch eine Vereinbarung der Eigentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigen447 LG Itzehoe, Urt. v. 5.1.2018 – 11 S 1/17, ZWE 2018, 178 = ZMR 2018, 626 = NZM 2018, 574 = BeckRS 2018, 1166. 448 BayObLG, Beschl. v. 26.1.1999 – 2Z BR 130/98, NZM 1999, 767 = Wohnungseigentümer 1999, 167. 449 AG Wedding, Urt. v. 16.10.2009 – 7 C 229/07, uris. 450 LG München I, Urt. v. 6.7.2015, – 1 S 12587/14, IMR 2015, 375. 451 LG München I, Urt. v. 6.7.2015, – 1 S 12587/14, IMR 2015, 375. 452 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = WuM 2000, 620 = ZWE 2000, 518.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.433 Teil 8

tümern gemeinschaftlich zu, § 21 Abs. 1 WEG. Vor einem Mehrheitsbeschluss ist deswegen zu prüfen, ob die gesamte Eigentümergemeinschaft oder nur ein Teil der Eigentümer für eine Beschlussfassung zuständig ist. Es wäre denkbar, dass die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung enthält, wonach bei einer Mehrhausanlage die Kosten blockweise zugeordnet sind und Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung jeweils nur von den Eigentümern dieses einen Blocks entschieden werden dürfen. Ebenso ist es denkbar, dass allein die Eigentümer der Stellplätze einer Tiefgarage für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung dieses Baukörpers verantwortlich sind und dann auch nur allein über solche Maßnahmen zu entscheiden haben. Bei einem Verstoß gegen eine solche Vereinbarung, wenn also bewusst oder in Unkenntnis der Rechtslage eine Einzelmaßnahme von allen Eigentümern entschieden wird, wäre ein solcher Beschluss nach Anfechtung für unwirksam zu erklären. Von der Nichtigkeit eines solchen Beschlusses kann nicht ausgegangen werden, wenn er nur eine bestimmte Instandhaltungsmaßnahme regelt und die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Vereinbarung über eine blockweise Abrechnung nicht grundsätzlich und nicht mit Wirkung für die Zukunft verändert.

8.430

Bei einer Regelung nur im Einzelfall liegt auch kein Verstoß gegen § 21 Abs. 3 WEG vor, obwohl diese Vorschrift davon ausgeht, dass nur dann Beschlüsse gefasst werden dürfen, wenn ein Thema aus dem Bereich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht bereits durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist.

8.431

Ein neuer Beschluss ist möglich, er darf aber nicht schutzwürdiges Vertrauen verletzen.453 § 21 Abs. 3 WEG regelt nicht nur die Beschlusskompetenz der Eigentümer, sondern auch die Frage des Vertrauensschutzes. Eigentümer und deren Rechtsnachfolger können und müssen sich auf die Bestandskraft von Vereinbarungen und Beschlüssen verlassen können, denn sie werden gemäß § 10 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 WEG in die dort geschaffenen Rechte und Pflichten eingebunden. Von der Möglichkeit eines erneuten und abändernden Beschlusses (Zweitbeschluss) ist die Verpflichtung zu dessen Erlass zu unterscheiden.454 Wenn Eigentümer bestehende Beschlüsse durch neue, im Inhalt geänderte Beschlüsse ersetzen,455 hat das Gericht in einer Anfechtungsklage zu prüfen, ob der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG entspricht. Dabei muss abgewogen werden, ob das Vertrauen eines Eigentümers auf Erhalt des früheren Beschlusses so überwiegt, dass der neue Beschluss als fehlerhaft einzustufen ist und nicht mehr ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Die Abwägung erfolgt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB. Soweit möglich, sollte eine neue Beschlussfassung die berechtigten Interessen der vertrauenden Miteigentümer bereits ausreichend berücksichtigen.

8.432

f) Formulierung eines Antrages zur Beschlussfassung Die Beschlussfassung ist gemäß § 21 Abs. 3 WEG eine Angelegenheit der Selbstverwaltung der Eigentümer. Der Verwalter schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Eigentümer einen 453 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.4.2007 – I-3 Wx 127/06, OLGReport Düsseldorf 2007, 500 = NZM 2007, 569 = ZWE 2007, 308. 454 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.9.2004 – 20 W 34/02, OLGReport Frankfurt 2005, 334. 455 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809 = NZM 2001, 961 = WuM 2001, 572 = ZWE 2001, 530.

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8.433

Teil 8 Rz. 8.433

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Beschluss überhaupt in einer Eigentümerversammlung mehrheitlich herbeiführen können.456 Die Formulierung eines Beschlussvorschlages ist nicht zwingend die Aufgabe des Verwalters. Sie kann auch aus dem Kreis der Eigentümer heraus erfolgen.

8.434 Weil der Verwalter die Voraussetzungen für eine ordentliche Versammlung herzustellen hat und nach § 23 Abs. 2 WEG der Beschlussgegenstand bei der Einberufung zu „bezeichnen“ ist,457 muss der Verwalter bereits bei der Einladung zur Versammlung ausreichend deutlich machen, zu welchem Thema welcher Beschluss gefasst werden soll oder gefasst werden könnte.458 Die vorbereitenden Überlegungen des Verwalters in der Einladung zur Eigentümerversammlung können bereits einen Vorschlag zur Formulierung eines Beschlusses beinhalten, ohne dass die Eigentümer daran gebunden wären. Dies hat den Vorteil, dass die Eigentümer Inhalt, Absicht und Folgen eines Beschlusses als Ergebnis der Vorüberlegungen leichter nachvollziehen können, nachdem sie bei den Vorbereitungen durch den Verwalter unmittelbar nicht beteiligt waren.

8.435 Zum Inhalt der Beschlussformulierung muss sich der Verwalter klar werden, welche Schritte zum Erreichen eines geplanten Ziels erforderlich sind, welche Bedingungen ggf. formuliert werden müssen und welche Möglichkeiten die Eigentümer entsprechend seinen Vorarbeiten überhaupt haben, den anstehenden Handlungsbedarf zu erledigen.

8.436 Dem Erfordernis, dass der Wortlaut einer Beschlussformulierung vor der Beschlussfassung klar und nachvollziehbar sein muss, kommt trotz der BGH-Entscheidung vom 23.8.2001459 große Bedeutung zu. Dort hat der BGH auf die konstitutive Wirkung des vom Verwalter festgestellten und verkündeten Beschlussergebnisses abgestellt. Es kommt seither auf die Klarheit und die eindeutige Festlegung des Beschlussergebnisses durch den Verwalter an. Weil eine Beschlussanfechtung auf die Behauptung gestützt werden kann, die Formulierung eines Beschlussvorschlages vor der Abstimmung sei missverständlich gewesen, bleibt es weiter Grundpflicht des Verwalters, für klare Beschlussvorgaben zu sorgen.460 Später ist der verkündete Beschluss im Wortlaut in die Beschluss-Sammlung einzutragen, § 24 Abs. 7 WEG.

8.437 Fasst ein gewerbsmäßiger Verwalter die Tagesordnung einer Wohnungseigentümerversammlung zu ungenau und wird in der Wohnungseigentümerversammlung ein Beschluss gefasst, der nicht von der Tagesordnung gedeckt ist, so können Prozesskosten einer hierauf gestützten Beschlussanfechtungsklage dem Wohnungseigentumsverwalter auferlegt werden.461

8.438 Zur Vermeidung von Verständnisproblemen bei der Stimmenabgabe sollte eine positive Formulierung eines Beschlusswortlautes erfolgen. Bei einem negativ formulierten Beschlussvorschlag wie z.B. „die Heizung wird nicht erneuert“, und der anschließenden Fragestellung, wer für diesen Beschluss ist, besteht die Gefahr und große Wahrscheinlichkeit, dass abgegebene JaStimmen fälschlicherweise als Abstimmung für eine Heizungserneuerung und Nein-Stimmen fälschlicherweise als Ablehnung einer Heizungserneuerung abgegeben oder gewertet werden.

456 457 458 459

AG Bremen, Beschl. v. 15.9.1998 – 111a II 47/98 WEG, WuM 1999, 592. BayObLG, Beschl. v. 13.12.1984 – 2 Z 5/83, WuM 1985, 100 = MDR 1985, 412. OLG Celle, Beschl. v. 10.10.1996 – 4 W 220/96, OLGReport Celle 1996, 265. BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809 = NZM 2001, 961 = WuM 2001, 572 = ZWE 2001, 530. 460 KG, Beschl. v. 17.10.2001 – 24 W 9876/00, KGR Berlin 2001, 391 = NZM 2001, 1085 = NJW-RR 2002, 11 = WuM 2001, 622 = ZWE 2002, 37 = ZMR 2002, 149. 461 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 17.2.2011 – 14 T 359/11, ZWE 2011, 227.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.443 Teil 8

g) Formulierung eines Antrages zur Finanzierung Die Beschlussfassung über die Finanzierung bezweckt Mehrfaches:

8.439

– Die Eigentümer müssen sich Klarheit darüber verschaffen, ob sie die prognostizierten Ausgaben aufwenden wollen.

8.440

– Der Verwalter wird ermächtigt und in die Lage versetzt, Aufträge zu erteilen und sie aus den von den Eigentümern vorgesehenen Mitteln zu bezahlen. – Der Mehrheitsbeschluss dient als Anspruchsgrundlage, die noch nicht in der Verfügungsgewalt des Verwalters vorhandenen Gelder einzuziehen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Rechtsanwalts, des Gerichtes und des Gerichtsvollziehers. – Die Eigentümer können eine von den gesetzlichen oder von den vereinbarten Vorgaben abweichende Kostenverteilung nach § 16 Abs. 4 WEG für den Einzelfall beschließen. – Bei einer Beschlussfassung über bauliche Veränderungen vermeidet eine individuelle Kostenverteilungsregelung den Kostendruck und Nutzungsausschluss des § 16 Abs. 6 S. 1 WEG, wonach nur die Eigentümer Kosten zu übernehmen haben, die der Maßnahme zustimmen, und auch nur diese Eigentümer die Maßnahmen nutzen können.462 – Eine gesicherte Finanzierung durch den Verband schützt die Eigentümer vor einer anteiligen persönlichen Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG. Ist von Anfang an erkennbar, dass einzelne Eigentümer den beschlossenen Finanzierungsbetrag nicht bereitstellen können, muss Vorsorge getroffen werden, dass die übrigen Eigentümer dessen Anteil mit übernehmen, ohne die Zahlungspflicht des derzeitig nicht leistungsfähigen Miteigentümers endgültig auszuschließen.

8.441

Dies gilt auch bei einem Miteigentümer, der insolvent geworden ist.463 Ein Wohnungseigentümer kann nämlich von seiner in § 16 Abs. 2 WEG normierten Verpflichtung gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums mitzutragen, durch Unvermögen nicht frei werden. Unvermögen zur Leistung ist hier wie auch sonst kein hinreichender Grund dafür, den Schuldner aus seiner Verpflichtung zu entlassen.

8.442

Insoweit ist eine zweistufige Beschlussfassung erforderlich, wonach zunächst alle Eigentü- 8.443 mer entsprechend dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel zur Zahlung des erforderlichen Betrages verpflichtet werden. Durch diesen Beschluss wird auch der nicht zahlungsfähige Miteigentümer Schuldner der Forderung. In einem zweiten Beschluss ist der Anteil des voraussichtlich ausfallenden Miteigentümers auf die restlichen Eigentümer zu verteilen und als Zahlungspflicht zu bestimmen. Durch diesen zweiten Beschluss werden die übrigen Miteigentümer Mitgläubiger464 gemäß § 432 BGB in Höhe der von ihnen übernommenen Teilforderung gegen den ausgefallenen Miteigentümer. Die gleiche Wirkung erzeugt ein Mehrheitsbeschluss, in dem von einem entsprechend erhöhten Finanzbedarf ausgegangen wird. 462 BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80 = ZWE 2012, 86 = NZM 2012, 174 = ZMR 2012, 213. 463 BayObLG, Beschl. v. 10.8.1989 – 2 Z 81/89, WuM 1990, 89. 464 OLG Köln, Beschl. v. 9.8.2000 – 16 Wx 67/00, OLGReport Köln 2001, 43 = NJW-RR 2001, 159 = WuM 2001, 42 = NZM 2001, 429.

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Teil 8 Rz. 8.443

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

M 8 Sonderumlage bei Zahlungsunfähigkeit (a) … Die Kosten der (… z.B. Dachsanierung) i.H.v. voraussichtlich 100.000 Euro werden i.H.v. 80.000 Euro durch eine Sonderumlage bereitgestellt, der erforderliche Restbetrag wird der Instandhaltungsrücklage entnommen. Die Sonderumlage errechnet sich für jeden Eigentümer (… z.B. nach den Miteigentumsanteilen) und ist vom Verwalter bei den Eigentümern so rechtzeitig anzufordern, dass die Umlagesumme bei Auftragsvergabe auf dem Gemeinschaftskonto zur Verfügung steht. Der vollständige Eingang der Sonderumlage ist (alternativ: ist nicht) Voraussetzung für eine Auftragserteilung. (b) Der Verwalter wird ermächtigt, die errechneten Sonderumlagenanteile des Miteigentümers C und der Miteigentümerin M, die derzeit nicht zahlungsfähig sind, als erforderlichen Mehraufwand nach dem gleichen Maßstab zusätzlich auf die restlichen Miteigentümer umzulegen, um den Eingang der vollständigen Sonderumlage zu sichern. Die schuldbegründende Wirkung des Sonderumlagebeschlusses (a) gegen die Miteigentümer C und M wird durch diese zusätzliche Umlage nicht berührt. …

8.444 Die Liquiditätsbeschaffung wird i.d.R. über den Zugriff auf die Instandhaltungsrücklage oder durch einen Mehrheitsbeschluss für eine Sonderumlage erfolgen. Denkbar ist auch ein Mehrheitsbeschluss, wonach die Eigentümer über den Verband einen Bankkredit aufnehmen und diesen samt Zinsen als gemeinschaftliche Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG zurückbezahlen wollen. Eine solche Beschlussfassung ist jetzt wohl grundsätzlich möglich,465 wenn der Verband Vertragspartner der Bank wird und keine Gefahr der gesamtschuldnerischen Haftung eines Eigentümers entsteht. Diese müsste vereinbart werden.

8.445 Auch wenn der Verband die Beschlusskompetenz hat, einen Kredit zur Bewältigung gemeinschaftlicher Verpflichtungen aufzunehmen, bleibt es der Prüfung im Einzelfall nach gerichtlicher Anfechtung überlassen, ob der Beschluss noch als ordnungsmäßig oder schon als ordnungswidrig einzustufen ist.466

8.446 Die Kreditaufnahme durch die Eigentümergemeinschaft, meist vertreten durch den Verwalter, sollte nur ausnahmsweise erfolgen.467 In der Rechtsprechung wurde schon vor der WEG-Novelle 2007 eine Kreditaufnahme als zulässig erachtet,468 die die Summe der Hausgeldzahlungen aller Wohnungseigentümer für drei Monate nicht übersteigt und die zur Überbrückung eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses dient.469

8.447 Teilweise wird in der Rechtsprechung gefordert, dass Sonderumlagen für den einzelnen Eigentümer in der jeweiligen anteiligen Höhe vor der Beschlussfassung betragsmäßig berechnet und bekannt gegeben werden.470 Bei der Auslegung eines Eigentümerbeschlusses können aber 465 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80 = ZWE 2012, 86 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209. 466 LG Bielefeld, Beschl. v. 15.6.2011 – 23 T 442/10, ZWE 2011, 422 = ZMR 2011, 894 mit Anm. Abramenko, ZMR 2011, 897. 467 KG, Beschl. v. 28.1.1994 – 24 W 1145/93, KGR Berlin 1994, 87 = WuM 1994, 400 = Grundeigentum 1994, 875 = NJW-RR 1994, 1105 = WE 1994, 271. 468 BGH, Urt. v. 28.4.1993 – VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227 = DWE 1994, 25. 469 Noch ablehnend: BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, FGPrax 2005, 245 = NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62. 470 BayObLG, Beschl. v. 18.3.2004 – 2Z BR 249/03, NJW-RR 2004, 1378 = ZMR 2005, 377.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.450 Teil 8

auch Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ohne weiteres für jedermann erkennbar sind. Für einen Sonderumlagebeschluss bedeutet dies, dass die betragsmäßige Bezeichnung des von einem einzelnen Eigentümer geschuldeten Anteils ausnahmsweise dann fehlen kann, wenn sich der geschuldete Betrag einfach errechnen lässt. Dies gilt zum einen, wenn der Verteilungsmaßstab in dem Beschluss angegeben ist, aber auch bei Fehlen dieser Angabe, wenn für die Wohnanlage ein allgemein geltender Verteilungsschlüssel festgelegt ist, der herangezogen werden kann.471 Wenn lediglich der Verteilungsmaßstab im Beschluss angegeben wird, muss dieser hinreichend deutlich gemacht werden, weil die Eigentümer den gesetzlichen oder auch den vereinbarten Verteilerschlüssel nach § 16 Abs. 3 oder Abs. 4 WEG immer wieder abweichend durch Mehrheitsbeschluss regeln können. Ein Beschluss über die Finanzierung einer Maßnahme muss das Ziel verfolgen, bei Auftragsvergabe die Sicherheit zu haben, zahlen zu können, entweder aus dem Verbandsvermögen (Rückstellung) direkt, oder es zahlt im Voraus jeder einzelne Miteigentümer seinen zugewiesenen Kostenanteil. Bei individuellen Zahlungspflichten bleibt es den Eigentümern überlassen, wie sie den von ihnen geschuldeten Geldanteil beschaffen und rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des Verbands bringen, der die Maßnahme durchzuführen hat.

8.448

Um Beschlüsse zur Zahlung einer Sonderumlage gegebenenfalls auch durchsetzen zu können, bedarf es der Ermächtigung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG, die auch vorab und allgemein bereits im Verwaltervertrag erteilt sein kann. Der Verwalter ist im Innenverhältnis gegenüber den Eigentümern und gegenüber dem Verband nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, Beschlüsse durchzuführen, und er hat gleichzeitig nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 die gesetzliche Berechtigung, die laufenden Maßnahmen der erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen zu treffen. Auch ist er nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG ermächtigt, Kostenbeiträge anzufordern und entgegenzunehmen. Eine ausdrückliche Ermächtigung des Verwalters durch die Eigentümer ist dringend zu empfehlen und schafft Rechtssicherheit.

8.449

M 9 Vollstreckungsbeschluss für Sonderumlage … Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, die beschlossene Sonderumlage i.H.v. … von den einzelnen Eigentümern nach Fälligkeit außergerichtlich einzuziehen und die Forderung im Falle des Verzugs gerichtlich unter Einschaltung eines Rechtsanwalts geltend zu machen und aus dem Titel nötigenfalls zu vollstrecken. …

3. Durchführung der Versammlung a) Erörterung der Beschlussvorschläge unter Einbeziehung der Vorschläge der Eigentümer Jeder Wohnungseigentümer muss die Möglichkeit haben, bei einzelnen Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen durch eigene Wortbeiträge in der Wohnungseigentümerversammlung auf die Willensbildung der Gesamtheit der Eigentümer Einfluss zu nehmen. Im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung kann er von der Mehrheit überstimmt werden. Ihm bleibt die Möglichkeit, den gefassten Beschluss innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 471 OLG München, Beschl. v. 12.10.2006 – 32 Wx 124/06, OLGReport München 2007, 37 = FGPrax 2007, 20 = Rpfleger 2007, 158 = ZMR 2007, 216.

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8.450

Teil 8 Rz. 8.450

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

WEG anzufechten und gerichtlich prüfen zu lassen, ob er ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.472

8.451 Vorschläge des Verwalters oder des Beirats für Beschlussformulierungen können in der Versammlung geändert und auch völlig verworfen werden. Sie haben ihren Sinn erfüllt, indem die Ergebnisse des vorausschauenden Denkens formuliert wurden und so für die Eigentümer im besonderen Maß die Möglichkeit bestand, sich mit dem Thema kritisch auseinanderzusetzen. Es ist die verantwortliche Aufgabe des Versammlungsleiters, während der Versammlung flexibel auf Vorschläge aus den Reihen der Eigentümer zu reagieren und ggf. die Beschlussvorschläge neu zu formulieren.

8.452 Allerdings wird bei der Neuformulierung eines Beschlussvorschlags darauf zu achten sein, dass das Thema, zu dem eingeladen wurde, als solches nicht verlassen wird, andernfalls könnte der Vorwurf entstehen, es sei gegen § 23 Abs. 2 WEG verstoßen und zum Beschlussgegenstand nicht ausreichend deutlich eingeladen worden. Ein Gericht hätte dann, nach Erhebung der Anfechtungsklage, wegen des Mangels den Beschluss für ungültig zu erklären. An die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes im Einladungstext nach § 23 Abs. 2 WEG dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Es genügt eine stichwortartige Bezeichnung, ohne dass der Eigentümer sämtliche Einzelheiten übersehen und die Auswirkungen eines Beschlusses in jeder Hinsicht erkennen können muss. Ein Antragsteller für einen Tagesordnungspunkt, die Kostenverteilung und auch die Verantwortlichkeit für spätere Schäden müssen nicht erkennbar sein.473

8.453 Bei nicht vorhergesehenen Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen, die noch nicht als Notmaßnahmen i.S.d. §§ 21 Abs. 2, 27 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG anzusehen sind, kann es im Interesse der Wohnungseigentümer liegen, zur Vermeidung erhöhter Verwaltungskosten und eines umständlichen Beteiligungsverfahrens der Eigentümer den Verwalter zu solchen Maßnahmen im Voraus zu ermächtigen. Der Ausgleich zum Schutzzweck der gesetzlichen Vorgaben, dass die Eigentümer über die Maßnahmen zu entscheiden haben, ist nur dann gewahrt, wenn diese Ermächtigung zu einem lediglich eng begrenzten finanziellen Risiko jedes Eigentümers führt und die grundsätzliche Verantwortlichkeit für den Beschluss solcher Maßnahmen bei der Eigentümerversammlung bleibt. Deshalb muss die Höhe der Ausgaben delegierter Aufgaben streng begrenzt werden.474 Instanzgerichte475 haben eine solche Delegation der Entscheidung bei Baumaßnahmen wiederholt für unzulässig erachtet, was für den Verwalter mit erheblichen Kostenfolgen verbunden sein kann.

8.454 Der Verwalter soll nicht schrankenlos über das Verbandsvermögen verfügen können. Das Selbstverwaltungsrecht der Eigentümer gehört zum Kernbereich des WEG und hat Vorrang. Ausgeübt wird dieses durch das Stimmrecht der Eigentümer. Dieses gehört zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Ge-

472 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, OLGReport Düsseldorf 1997, 297 = ZMR 1997, 605 = ZfIR 1997, 667 = WuM 1997, 639 = NJW-RR 1998, 13 = WE 1998, 37. 473 LG Itzehoe, Urt. v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. 474 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, OLGReport Düsseldorf 1997, 297 = ZMR 1997, 605 = ZfIR 1997, 667 = WuM 1997, 639 = NJW-RR 1998, 13 = WE 1998, 37. 475 LG Berlin, Urt. v. 20.1.2015 – 55 S 130/14, ZWE 2016, 140 = IMR 2015, 374; LG Hamburg, Urt. v. 12.11.2014 – 318 S 74/14, ZMR 2015, 143 = NZM 2015, 496.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.457 Teil 8

meinschaftsangelegenheiten bildet, darf es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden.476 b) Beschlussfassung über die Maßnahme Die Gemeinschaft hat und braucht bei der Beschlussfassung einen Beurteilungsspielraum zwischen mehreren möglichen Maßnahmen sowie bei der Auswahl der zu beauftragenden Firmen; nicht der billigste Bieter muss den Zuschlag erhalten.477 Vertretbare Mehrheitsbeschlüsse zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung sind von der überstimmten Minderheit hinzunehmen.

8.455

Beschlüsse, die ohne Beschlusskompetenz herbeigeführt werden, sind nichtig. Dies gilt z.B. dann, wenn der Beschlussgegenstand nicht das gemeinschaftliche Eigentum betrifft.478 Wurden die Heizkörper in der Gemeinschaftsordnung dem Sondereigentum zugeordnet, können die Eigentümer deren Austausch nicht beschließen, weil die Beschlusskompetenz für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung im Sondereigentum nicht besteht.479

8.456

Es ist ratsam, im jeweils nötigen Umfang aus Gründen der Klarheit, Trennbarkeit und Durchführbarkeit überschaubare, kleinere Einzelbeschlüsse herbeizuführen. Typische Beschlussthemen bei Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung sind,

8.457

– ob eine Maßnahme durchgeführt wird, – welche von mehreren Maßnahmen ausgewählt wird, – durch welche Firma/Firmen die Arbeiten erledigt werden sollen, – durch wen der Auftrag erteilt wird, – wann der Auftrag erteilt werden soll/darf und wann nicht, – wie finanziert wird, – von wem fehlende Gelder beigetrieben werden sollen, – wie nach einer Beschlussanfechtung reagiert werden soll, – wann ggf. eine außerordentliche Versammlung einberufen werden muss, – wer die Baumaßnahmen überwacht, – wer abnimmt, – wer Rechnungen prüft und zur Zahlung freigibt, – wer die Gewährleistungsansprüche überwacht, – ob und ggf. welches Sonderhonorar der Verwalter erhält.

476 BGH, Urt. v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, BGHZ 191, 198 = MDR 2011, 1465 = ZWE 2012, 32 = NJW 2012, 72. 477 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2000 – 2 Wx 27/98, ZMR 2000, 478 = WE 2001, 12. 478 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2000 – 16 Wx 121/00, OLGReport Köln 2001, 161 = NZM 2001, 541 = ZMR 2001, 568 = ZfIR 2001, 749. 479 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, ZWE 2011, 394 = NZM 2011, 750 = ZMR 2011, 971.

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419

Teil 8 Rz. 8.458

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.458 Die Behandlung dieser Themen kann zwar auch in nur einem Beschlussvorgang erfolgen. Es wird dann schwieriger, nur Teile des Beschlusses anzugreifen. Wird ein klar abtrennbarer Teil des Beschlusses angefochten, ist nur dieser Gegenstand des Verfahrens; der Rest wird bestandskräftig. Die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses kann auf einen abtrennbaren Teil des Beschlusses beschränkt werden. Erfüllt die Beschränkung diese Voraussetzung aber nicht, so ist der Antrag grundsätzlich als Anfechtung des ganzen Eigentümerbeschlusses auszulegen.480

8.459 Nur die Eigentümer sind befugt, über das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ einer Maßnahme zu entscheiden. Die Delegation dieser Entscheidungen auf einen Dritten (z.B. auf den Verwalter) oder auf ein Gremium ist allenfalls ausnahmsweise möglich und muss durch Vorgaben der Eigentümer ausreichend begrenzt worden sein. So ist eine Übertragung des „Wie“ einer Sanierung, also die Vergabe und Durchführung des Sanierungsauftrags, auf die Hausverwaltung delegierbar, wenn die Eigentümer die maßgeblichen Eckpunkte der Sanierung hinreichend deutlich vorbestimmen.481 c) Beschlussfassung über die Finanzierung

8.460 Ein Mehrheitsbeschluss über die Finanzierung einer Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung, entgegen dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel alle oder einzelne Eigentümer mit einer einmaligen Sonderumlage wegen besonderer Kosten zu belasten, ist als lediglich vereinbarungswidriger Beschluss nicht nichtig.482 Ein solcher Beschluss wird in der Regel nach Anfechtung für ungültig erklärt.

8.461 Rechtssicher kann eine Abweichung von bestehenden Kostenverteilungsregeln durch Beschluss im Einzelfall über § 16 Abs. 4 WEG erfolgen. Unter den dort genannten Voraussetzungen können kleinere, blockierende Minderheiten überwunden werden. Das Fehlen der dort geforderten doppelten Qualifizierung führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, nicht zu dessen Nichtigkeit.483 § 16 Abs. 4 WEG weist den Eigentümern aber nicht die Kompetenz zu, den Verteilungsschlüssel für die Ansammlung von Instandhaltungsrücklagen zu ändern.484 Ein Beschluss über die abweichende Verteilung der Kosten einer einzelnen Instandsetzungsmaßnahme ist nicht schon dann von § 16 Abs. 4 WEG gedeckt, wenn er dem dort vorgeschriebenen Gebrauchsmaßstab entspricht und die in § 16 Abs. 4 S. 2 WEG bestimmte Mehrheit findet. Er muss auch sonst den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Diesen Grundsätzen genügt ein Beschluss nicht, wenn er auf eine verdeckte dauernde Änderung der Teilungsklärung hinausläuft, die § 16 Abs. 4 WEG nicht ermöglichen will.485 Zur Durchsetzung einer Kostenzuweisung nach § 16 Abs. 4 WEG hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt.486

8.462 Eine Maßnahme entspricht hinsichtlich der Kostenplanung nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn den Wohnungseigentümern vor der Beschlussfassung objektiv zutreffende 480 BayObLG, Beschl. v. 20.4.2000 – 2Z BR 171/99, BayObLGZ 2000, 49 = NZM 2000, 679 = ZMR 2000, 547 = NJW-RR 2001, 10 = WuM 2001, 206 = ZWE 2000, 309. 481 AG Wedding, Urt. v. 16.10.2009 – 7 C 229/07, Juris. 482 BayObLG, Beschl. v. 4.4.2001 – 2Z BR 13/01, NZM 2001, 535 = NJW-RR 2001, 1020 = Wohnungseigentümer 2001, 65 = ZMR 2001, 822 = ZWE 2001, 370. 483 Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 7 Rz. 41. 484 BGH, Urt. v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, NZM 2010, 622 = ZMR 2010, 775 = WuM 2010, 524. 485 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, NJW 2010, 2513 = NZM 2010, 584 = ZMR 2010, 866. 486 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129 = WuM 2010, 524.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.467 Teil 8

Angaben über die Finanzierungsmöglichkeiten, z.B. unter Berücksichtigung öffentlicher Zuschüsse, gemacht worden sind.487 Nach der Rechtsprechung des BGH488 haben die Eigentümer grundsätzlich einen Ermessens- 8.463 spielraum, ob sie einen Finanzbedarf durch Inanspruchnahme der Rücklage oder Erhebung einer Sonderumlage oder durch Aufnahme eines Darlehens durch den Verband decken wollen. Dabei kann auch die Aufnahme eines langfristigen Kredites, der über die bloße kurzfristige Liquiditätsbeschaffung hinausgeht, ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.489 Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.490

8.464

d) Beschlussfassung über die Auftragserteilung Auch wenn § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG dem Verwalter die Pflicht zuweist, Beschlüsse auszuführen, und wenn dieser nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG die erforderlichen Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung zu treffen hat, können die Eigentümer einen Dritten ermächtigen, die Aufträge zu erteilen bzw. die erforderlichen Verträge abzuschließen. Insofern haben die Eigentümer sehr wohl die Möglichkeit einen Architekten mit der Auftragsvergabe zu beauftragen. Allerdings muss dieses Handeln den Verwalter mit einbeziehen. Er darf wegen § 27 Abs. 4 WEG von dieser Aufgabenstellung nicht völlig ausgeschlossen werden. Ansonsten wäre der Beschluss wegen Verstoß gegen eine zwingende gesetzliche Vorgabe nichtig.491

8.465

Treffen die Eigentümer zur Auftragserteilung keine gesonderte Regelung, ergibt sich die Ausführungspflicht des Verwalters unmittelbar aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG.492 Im Interesse des Verwalters selbst kann er sich Vorgaben von den Eigentümern dazu machen lassen, wie er auf verschiedene Eventualitäten reagieren soll.

8.466

Aus der Handlungspflicht des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ergibt sich, dass Beschlüsse ohne schuldhafte Verzögerung, also unverzüglich, auszuführen sind. Dies ist dann bedenklich, wenn ein Miteigentümer eine Beschlussanfechtung angekündigt hat und tatsächlich realisiert. In diesen Fällen ist es tunlich, von den Eigentümern bereits entscheiden zu lassen, ob trotz der Beschlussanfechtung der beschlossene Auftrag vergeben werden soll, mit dem Risiko, dass die begonnenen Arbeiten möglicherweise im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens durch eine einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) gestoppt werden oder dass am Ende des Rechtszuges durch mehrere Instanzen als Ergebnis festgestellt wird, dass es sich nicht um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung gehandelt hat und ein Rückbau durchzuführen ist. Gibt es keine Vorgabe der Eigentümer, kann dem Verwalter wegen seiner

8.467

487 KG, Beschl. v. 2.2.1996 – 24 W 7880/95, KGR Berlin 1996, 194 = ZMR 1996, 282 = WuM 1996, 300 = FGPrax 1996, 95 = Grundeigentum 1996, 991. 488 BGH, Urt. v. 28.9.2012 – V ZR 251/11, BGHZ 192, 22 = MDR 2012, 1398 = ZWE 2013, 27 = ZMR 2013, 127. 489 BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 244/14, BGHZ 207,99 = MDR 2015, 1355 = ZWE 2015, 453 = ZMR 2016, 49. 490 BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 244/14, BGHZ 207,99 = MDR 2015, 1355 = ZWE 2015, 453 = ZMR 2016, 49. 491 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = WuM 2000, 620 = ZWE 2000, 518. 492 LG Frankfurt, Urt. v. 17.3.2010 – 2/13 S 32/09, ZMR 2010, 787 = NJW-RR 2010, 1528.

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Teil 8 Rz. 8.467

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Pflicht zu Handeln493 kein Vorwurf gemacht werden, wenn er in Kenntnis einer angekündigten Beschlussanfechtung den Beschluss durchführt und den Auftrag erteilt.494

8.468 Die Frage, wann der Auftrag erteilt werden soll oder darf, ist auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit der für die Maßnahmen erforderlichen Kosten von Bedeutung. Zur Vermeidung einer anteiligen individuellen Haftung der Eigentümer nach § 10 Abs. 8 WEG darf der Verwalter erst dann einen Auftrag als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung erteilen, wenn er die dadurch anfallenden Kosten gesichert vom Verbandsvermögen aus den geplanten Mitteln zahlen kann. Ist zu vermuten, dass einzelne Eigentümer eine beschlossene Sonderumlage zur Finanzierung der Maßnahme nicht bezahlen werden, sollte vorsorglich eine Handlungsvorgabe für den Verwalter beschlossen werden, unter welchen Voraussetzungen er von der Auftragsverteilung abzusehen hat bzw. wann er dennoch Auftrag erteilen soll und wie er dann mit den fehlenden Kosten umzugehen hat. Hierzu gehört eine Beschlussfassung, die den Verwalter nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG ermächtigt, ggf. ausstehende Gelder außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich geltend zu machen, dafür anwaltliche Hilfe einzuschalten495 und die dadurch entstehenden Kosten mit Mitteln des Verbands wie gemeinschaftliche Kosten vorzufinanzieren, mit dem Ziel, soweit möglich Kostenerstattung vom Verursacher dieser Kosten zu erlangen.

8.469 Sieht die Gemeinschaft davon ab, Kostenvoranschläge einzuholen und selbst zu entscheiden, entspricht ein Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verwalter ermächtigt wird, Aufträge bis zu einem bestimmten Betrag zu Lasten der Eigentümer allein zu erteilen, wenn die Gesamtsumme der Ausgaben nicht festgelegt wird.496 e) Beschlussfassung über ein Sonderhonorar des Verwalters

8.470 Die Tätigkeit des Verwalters ist regelmäßig durch die vereinbarte oder durch die übliche Vergütung gemäß §§ 675, 612 BGB abgegolten. Dies gilt insbesondere im Bereich der dem Verwalter gesetzlich zugewiesenen Rechte und Aufgaben. Mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung ist es nicht zu vereinbaren, dem Verwalter für Tätigkeiten, die zu seinem Pflichtenkreis gehören, eine Sondervergütung zuzubilligen.497 So ist für eine außerordentliche Versammlung nur dann ein Sonderhonorar geschuldet, wenn dies zuvor vereinbart wurde.498

8.471 Auch dann, wenn es nach dem Verwaltervertrag grundsätzlich zur Aufgabe des Verwalters gehört, Baumaßnahmen zu überwachen, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Eigentümergemeinschaft ihm für eine besonders aufwendige Bauüberwachung eine zusätzliche Sondervergütung bewilligt.499 Der von den Eigentümern allgemein zum Abschluss eines

493 494 495 496

Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 12 ff. Wenzel, WE 1998, 455. LG Itzehoe, Beschl. v. 6.3.2001 – 1 T 110/00, ZMR 2001, 919. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, ZMR 2001, 303 = NZM 2001, 390 = NJWRR 2001, 660 = ZWE 2001, 219. 497 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.6.1998 – 3 Wx 107/98, ZfIR 1998, 483 = ZMR 1998, 653 = NZM 1998, 770 = WE 1998, 488. 498 LG Itzehoe, Beschl. v. 6.3.2001 – 1 T 110/00, ZMR 2001, 919. 499 OLG Köln, Beschl. v. 19.3.2001 – 16 Wx 35/01, OLGReport Köln 2001, 233 = NZM 2001, 470.

422

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.475 Teil 8

Verwaltervertrags ermächtigte Beirat500 soll Sondervergütungen vereinbaren können.501 Dies erscheint allerdings fraglich und allenfalls in engen Grenzen zulässig. Die Entscheidung über die Durchführung einer Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung obliegt als Kernkompetenz der Gemeinschaft. Dies umfasst auch die Entscheidung über die Kosten einer konkreten Maßnahme. Die mehrheitliche Entscheidung der Eigentümer, einem Verwalter ein Sonderhonorar für 8.472 eine konkrete Maßnahme zuzugestehen, die dem Verwalter mehr Arbeit und/oder höhere Verantwortung zuweist, liegt dementsprechend grundsätzlich innerhalb der Beschlusskompetenz der Eigentümer und ist nicht nichtig.502 Dagegen entsprechen Klauseln in einem Verwaltervertrag nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, die vorsehen, dass der Verwalter neben der Pauschalvergütung, für die Vergabe von Aufträgen eine Sondervergütung je Auftrag zwischen 4,5 % und 8 % der Rechnungsendsumme erhält.503 Hat die Eigentümergemeinschaft beschlossen, einen Architekten mit der Einholung von Angeboten für geplante Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu beauftragen, ist der Beschluss nach Anfechtungsklage für ungültig zu erklären. Es widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn für originäre Aufgaben des Verwalters Sonderfachleute mit entsprechenden Honoraransprüchen eingeschaltet werden.504 Dies bedeutet aber nicht, dass zur Festlegung dessen, welche Arbeiten im Rahmen der beabsichtigten Maßnahme überhaupt durchzuführen sind, kein Architekt beauftragt werden kann. Insbesondere bei technisch anspruchsvollen Maßnahmen wird die Hinzuziehung eines Architekten angezeigt sein. Ob die vorstehende Rechtsprechung, die sich vor dem Hintergrund der bisher zwingenden Gebühren der HOAI erklärt, nach dem Urteil des EUGH vom 4.7.2019505 zur EU-Rechtswidrigkeit der Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI Fortbestand haben wird, erscheint zweifelhaft und bleibt abzuwarten.

8.473

Sollen nach dem Verwaltervertrag über die normale Verwaltertätigkeit hinausgehende Leistungen gesondert honoriert werden, sind Leistungen des Verwalters in Erfüllung der ihm nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG obliegenden Pflicht, die Instandsetzungsarbeiten wie ein Bauherr zu überwachen, normale Verwaltertätigkeit und nicht besonders zu honorieren.506

8.474

Hat sich der Verwalter wegen einer Sondermaßnahme eigenmächtig ein Sonderhonorar ausgezahlt und wird die Abrechnung von den Eigentümern mehrheitlich angenommen, in der die Ausgabe enthalten war, kann darin eine Genehmigung liegen. Hatte nämlich der Verwaltungsbeirat Gelegenheit, seine Kontrollen nach § 29 Abs. 3 WEG durchzuführen, und tat er dies nicht oder nur unzureichend, müssen sich die Eigentümer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als hätten sie selbst vor einer Beschlussfassung Kenntnis von den un-

8.475

500 OLG Köln, Beschl. v. 9.7.1990 – 16 Wx 173/89, Wohnungseigentümer 1990, 109 = WuM 1990, 462 = NJW 1991, 1302. 501 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = NJW-RR 2001, 226 = ZMR 2001, 138 = ZWE 2001, 81. 502 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 111 = ZWE 2002, 82 = NZM 2002, 264 = WuM 2002, 168 = ZMR 2002, 294. 503 BayObLG, Beschl. v. 26.9.2003 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736. 504 AG Hannover, Urt. v. 2.9.2008 – 483 C 9794/07, ZMR 2009, 151. 505 EuGH, Urt. v. 4.7.2019 – C-377/17, Juris. 506 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209.

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Teil 8 Rz. 8.475

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

geprüft gebliebenen Vorgängen gehabt und die Jahresabrechnung mit diesem Kenntnisstand gebilligt.507

8.476 Eine Sondervergütung muss sich der Höhe nach in angemessenem Rahmen halten und den zusätzlichen besonderen Zeit- und Arbeitsaufwand im Einzelfall berücksichtigen. Lässt sich dieser bei einer Beschlussfassung noch nicht endgültig absehen, kann auch eine pauschale Sondervergütung beschlossen werden. Dadurch wird dem Verwalter der im Einzelfall aufwendig zu führende Nachweis seiner Zeit- und Arbeitsaufwendungen erspart.508 f) Anweisung für den Fall einer Beschlussanfechtung

8.477 Ein von den Eigentümern gefasster Beschluss muss gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG vom Verwalter durchgeführt werden. Insoweit hat der Verwalter die Stellung eines Vollzugsorgans.509 Es genügt, wenn der Verwalter seine eventuellen Bedenken über die Rechtmäßigkeit vor der Beschlussfassung den Eigentümern mitteilt. Er kann, muss aber nicht von sich aus einen Beschluss anfechten und so darauf hinwirken, dass dieser für ungültig erklärt wird, wenn er glaubt, dass er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Existiert der Beschluss, ist er solange gültig, bis ihn ein Gericht für ungültig erklärt hat, § 23 Abs. 4 WEG. Deswegen besteht für den Verwalter Vollzugspflicht, will er sich nicht möglichen Ersatzansprüchen aussetzen.510

8.478 Dennoch gibt es Gründe, den Vollzug eines Beschlusses aufzuschieben. Wird der Beschluss vollzogen und später für ungültig erklärt, kann den Verwalter zwar nicht der Vorwurf treffen, fehlerhaft verwaltet zu haben. Allerdings kann z.B. ein Rückbau den Eigentümern sehr hohe Kosten verursachen. Bestehen Zweifel, ob ein Beschluss wirksam oder (nur) fehlerhaft oder (sogar) nichtig ist, befindet sich der Verwalter in einer äußerst kritischen und haftungsträchtigen Situation. Wirksame oder fehlerhafte Beschlüsse kann bzw. muss er vollziehen, nichtige Beschlüsse darf er nicht durchführen.511 Die rechtliche Beurteilung ist für den Verwalter oft äußerst schwierig.

8.479 Der Verwalter kann zur eigenen Entlastung die Eigentümer um eine Weisung ersuchen, wie er sich für den Fall einer Beschlussanfechtung verhalten soll. Damit wird nicht gegen die zwingende Vorgabe des § 27 Abs. 4 WEG verstoßen, weil eine Weisung der Eigentümer nicht originäre Rechte des Verwalters einschränkt, sondern als Bestandteil eines Beschlusses nur den Weg zur Ausführung vorgibt. Das Vollzugsorgan ordnet sich insoweit dem Selbstverwaltungsrecht der Eigentümer unter. Ein dieses Problem entschärfender Beschluss kann lauten:

507 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 111 = ZWE 2002, 82 = NZM 2002, 264 = WuM 2002, 168 = ZMR 2002, 294. 508 BGH, Beschl. v. 6.5.1993 – V ZB 9/92, BGHZ 122, 327 = NJW 1993, 1924 = MDR 1993, 865 = ZMR 1993, 421 = AnwBl 1994, 254. 509 BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – V ZB 9/88, BGHZ 106, 222 = NJW 1989, 1091 = ZMR 1989, 182 = MDR 1989, 436 = WuM 1989, 465. 510 Wenzel, WE 1998, 455. 511 BGH, Beschl. v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347 = MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1216 = WuM 1996, 240 = ZMR 1996, 274.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.483 Teil 8

M 10 Beschlussvorschlag: … Die Eigentümer beschließen (… die Maßnahme) … Der Verwalter wird angewiesen, den Beschluss erst zu vollziehen, wenn der Beschluss bestandskräftig oder nach erfolgloser Anfechtung rechtskräftig wurde. …

Bei dieser Formulierung lassen es die Eigentümer auf eine gerichtliche Entscheidung ihrer Beschlussfassung bewusst ankommen.

8.480

Liegt allerdings ein nichtiger Beschluss vor, führt der vorstehende Beschluss bei einer nicht sofort erfolgenden Klage kaum zu einer abschließenden Gewissheit. Für nichtige Beschlüsse gilt die Frist der Anfechtungsklage nicht. Sie können unter Umständen auch Jahre später noch für nichtig erklärt werden. Als Grenzen sind hier allenfalls Gesichtspunkte der Treuwidrigkeit in Erwägung zu ziehen.

8.481

Wenn die Eigentümer eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG mehrheitlich und ohne alle erforderlichen Zustimmungen im Wissen beschließen, dass dieser Beschluss nur Bestandskraft erlangt, wenn er nicht gerichtlich angefochten wird, und dass er bei Anfechtung für ungültig erklärt wird, kann auch daran gedacht werden, die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens zu vermeiden. Eine Formulierung im Beschluss dazu könnte lauten:

8.482

… Falls gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben wird, darf der Verwalter den Beschluss nicht vollziehen; er ist berechtigt, dem Gericht die Nichtdurchführung des Beschlusses bekannt zu geben (evtl: … und hat das Thema in der nächsten Versammlung erneut zur Beschlussfassung vorzulegen). …

Nach dieser Vorgabe darf der Verwalter den Beschluss erst nach dessen Bestandskraft durchführen. Erledigung eines Rechtsstreits tritt ein, wenn der Antrag des Klägers nach der Verfahrenseinleitung durch ein tatsächliches Ereignis gegenstandslos wird und die Fortführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hat.512 Zugleich entfällt das Rechtsschutzinteresse des Klägers. Bei der vorgeschlagenen Formulierung wird zwar ein Beschlussgegner zunächst zur gerichtlichen Anfechtung gezwungen und der Beschluss wird als solcher nicht beseitigt; er erzeugt aber auch keine Folgen hinsichtlich des Beschlussgegenstands. Das Verfahren erledigt sich nach der Einleitung, wenn der Verwalter wegen der Weisung der Eigentümer bestätigt, den Beschluss nicht zu vollziehen. Die im Beschluss enthaltene Bedingung513 erfüllt sich durch die Beschlussanfechtung. Das erledigende Ereignis liegt in der Beschlussanfechtung und in der Bestätigung des Verwalters, tatsächlich den Beschluss nicht zu vollziehen. Erledigung tritt nicht ein, das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung bleibt bestehen und es gibt möglicherweise sogar Anlass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wenn der Verwalter trotz Beschlussanfechtung erkennbar den Beschluss vollzieht.

512 BayObLG, Beschl. v. 7.6.2001 – 2Z BR 32/01, NZM 2001, 1043 = ZMR 2001, 986 = ZWE 2001, 419 = NJW-RR 2002, 373. 513 BayObLG, Beschl. v. 14.8.1996 – 2Z BR 77/96, WuM 1996, 722 = ZMR 1996, 680 = NJWEMietR 1997, 15 = WE 1997, 153.

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8.483

Teil 8 Rz. 8.484

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.484 Weil die Eigentümer in diesem Fall den Miteigentümer erst zur Anfechtungsklage zwingen, wird ein Gericht nach § 91a ZPO den Beklagten (die übrigen Eigentümer) die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten auferlegen.514 Dies wird häufig immer noch preiswerter sein, als ein späterer gerichtlich angeordneter Rückbau. g) Feststellung und Bekanntgabe der Beschlussergebnisse

8.485 Das Beschlussergebnis ist durch den Versammlungsleiter hinreichend deutlich festzustellen und zu verkünden, um dem vom BGH geschaffenen Formerfordernis zu genügen. Der Beschluss entsteht erst mit der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses und mit dem vom Versammlungsleiter verkündeten Inhalt.515 Die für das Entstehen eines Eigentümerbeschlusses erforderliche Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses müssen zwar nicht in das Versammlungsprotokoll aufgenommen werden und können auch konkludent erfolgen. Weil ein Beschluss aber auch für Sondernachfolger gilt, sind für eine erforderliche Auslegung nur Umstände zu berücksichtigen, die für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, sich insbesondere aus dem Protokoll ergeben. Für die Annahme einer konkludenten Feststellung genügt in der Regel die Wiedergabe des für sich genommen eindeutigen Abstimmungsergebnisses in der Niederschrift. Das Fehlen der Beschlussfeststellung rechtfertigt in der Regel noch nicht die Annahme, ein Beschluss sei nicht zu Stande gekommen. Bei einem protokollierten klaren Abstimmungsergebnis ist von einer konkludenten Beschlussfeststellung auszugehen.516 4. Umsetzung der Beschlüsse

8.486 Die Pflicht zur Durchführung eines Beschlusses, der Maßnahmen der Instandsetzung oder Instandhaltung zum Gegenstand hat, liegt beim Verwalter.517 Der Verband ist nicht zur Umsetzung von Beschlüssen verpflichtet.518 Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Umsetzung von Beschlüssen begründen keinen Schadensersatzanspruch einzelner Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft. Seine diesbezügliche bisherige gegenteilige Rechtsprechung519 hat der BGH aufgegeben. a) Festlegung der Zeitschiene für die Maßnahmen

8.487 Maßgebend für die Durchführung eines Beschlusses durch den Verwalter ist der Wille der Eigentümer, wie er sich für ihn aus den zur Vorbereitung der Beschlussfassung vorgelegten Unterlagen, dem Beschlussprotokoll und dem Inhalt des Beschlusses ergibt.520 Die ordnungsgemäße Durchführung insbesondere einer größeren Maßnahme erfordert eine Zeitplanung, um alle nötigen Gewerke in der richtigen Reihenfolge mit ausreichend Zeit aufeinander ab514 Noch zum FGG-Verfahren: AG Neukölln, Beschl. v. 22.5.1992 – 70 II (WEG) 79/91, Grundeigentum 1993, 51. 515 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335–351 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809 = NZM 2001, 961 = MDR 2001, 1283 = ZWE 2001. 530. 516 OLG München, Beschl. v. 9.8.2011 – 34 Wx 248/11, ZWE 2011, 418. 517 BGH, Urt. v. 8.6.2018 V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 518 BGH, Urt. v. 8.6.2018 V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 519 BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = MDR 2016, 318 = ZMR 2016, 210 = ZWE 2016, 136. 520 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.490 Teil 8

zustimmen. Dann kann auch den Eigentümern rechtzeitig ein Überblick gegeben werden, wann sie an welchen Bauteilen mit welchen Gebrauchsbeeinträchtigungen rechnen müssen. Benötigt wird eine Verwaltungsplanung und eine Ausführungsplanung. Die Verwaltungsplanung ist unabdingbare Aufgabe des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 und § 27 Abs. 4 WEG.

8.488

Dabei hat er seine Aufgaben zeitlich zu koordinieren. Dazu gehört die Klärung der Fragen:

8.489

– Wer plant die Ausführungsabläufe? – Welche Verträge müssen abgeschlossen, wer muss dazu eingeschaltet werden (Beirat)? – Bis wann müssen Aufträge vergeben sein? – Wann müssen die Eigentümer (worüber) informiert werden? – Wann müssen Sonderumlagen erhoben werden? – Zu welchem Termin müssen festgelegte Rücklagen der Eigentümer gekündigt werden? – Wie werden die laufenden Gewährleistungsfristen festgestellt und sicher notiert? Die Ausführungsplanung muss nicht vom Verwalter erfolgen, sie kann auch vergeben werden. 8.490 Soweit möglich wird der Verwalter gut daran tun, diese Planungsarbeiten einem fachkundigen Spezialisten, z.B. einem Architekten, zu übertragen, der wegen seiner fachlichen Kompetenz in der Lage ist, die Abläufe in die richtige Reihenfolge zu bringen. Die Einschaltung eines solchen fachkundigen Dritten bedarf dann eines gesonderten Beschlusses. Durch die Zeitplanung werden die Handlungsabläufe komplettiert. Die Gefahr wird verringert, etwas Wesentliches zu vergessen. Zeitliche Zielvorgaben und tatsächlicher Stand der Ausführungen werden anschaulich. Störfaktoren können schneller erkannt und abgestellt werden. Finanzielle Mehraufwendungen werden vermieden. Zur Ausführungsplanung gehört die Klärung der Fragen: – Wer erstellt ein Leistungsverzeichnis? – Bis wann muss das Leistungsverzeichnis vorliegen? – Wer entscheidet bis wann, welche Firmen aufgefordert werden, ein Angebot abzugeben? – Wer schreibt die Firmen an und bis wann müssen die Schreiben abgesandt werden? – Bis wann müssen Angebote vorliegen? – Wer wertet die Angebote bis wann aus? – Wer erstellt den Zeitplan für die Handwerker? – Wer führt Vertragsverhandlungen und wer entscheidet bis wann über die Vergabe? – Wer erteilt Aufträge? – Wer übernimmt die Bauüberwachung? – Wer nimmt die Arbeiten ab? – Muss die Fertigstellung den Eigentümern gemeldet werden, ggf. bis wann? – Feststellung, wann die Gewährleistungsfristen angelaufen sind und wann diese enden.

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Teil 8 Rz. 8.491

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.491 Ohne eine Ausführungsplanung wird eine Maßnahme improvisiert, die Fehlerquote steigt und damit erhöht sich auch die Haftungsgefahr. b) Bereitstellung der finanziellen Mittel

8.492 Die Höhe der bereitzustellenden Geldmittel müssen die Eigentümer ausreichend präzise vorher beschließen, was entsprechende Vorermittlungen des Verwalters voraussetzt. Dabei genügt es, dass sich dieser Betrag ohne weiteres errechnen lässt.521 Weil der Kostenverteilungsschlüssel durch Beschluss nach § 16 Abs. 3 und Abs. 4 WEG verändert werden kann, muss der gültige Verteilerschlüssel bekannt sein, wenn für den einzelnen Eigentümer die Höhe seines anteiligen Beitrags bei der Beschlussfassung nicht als Betrag ausgewiesen wird. Unsicherheiten, welcher Verteilungsschlüssel gelten soll, werden dazu führen, dass sich der Betrag einer Sonderumlage nicht mehr „ohne weiteres“ errechnen lässt. Ein solcher Beschluss wird im Zweifel wegen seiner Ungenauigkeit sogar als nichtig anzusehen sein.522 Die betragsmäßige Bezifferung des Betrages, den der einzelne Eigentümer aufzubringen hat, ist deswegen empfehlenswert.

8.493 Die Eigentümer können sich einer Maßnahme der Instandsetzung nicht mit dem Argument entziehen, sie seien nicht zahlungsfähig und erhielten aufgrund ihres Alters keinen Kredit mehr. Eine Opfergrenze existiert bei notwenigen Instandsetzungen des Gebäudes nicht.523

8.494 Schuldner einer Sonderumlage ist der Eigentümer, der bei Fälligkeit524 der Forderung Eigentümer ist.525 Wann diese fällig wird, kann sich aus der Teilungserklärung oder einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG ergeben. Wenn dort nichts zur Fälligkeit geregelt wurde, können die Eigentümer nach § 21 Abs. 7, § 28 Abs. 5 WEG die Fälligkeit der Vorschusszahlungen im Beschluss bestimmen. Die Eigentümergemeinschaft kann regeln, dass die Vorschussforderungen in zeitlich festgelegten Teilleistungen erbracht werden können, solange die Eigentümer nicht mit mindestens zwei Teilbeträgen in Rückstand geraten. Ist die Fälligkeit weder ausdrücklich noch konkludent geregelt, werden die Wohngelder gemäß § 28 Abs. 2 WEG auf den jederzeit möglichen Abruf des Verwalters hin fällig.526 Soweit der Verwalter Gelder aus der Rücklage für eine Maßnahme verwenden soll, muss er angelegte Gelder rechtzeitig kündigen, um Vorschusszinsen zu vermeiden.

8.495 Ein Auftrag soll vom Verwalter nur erteilt werden, wenn die Bezahlung sichergestellt ist. Nur dann handelt er innerhalb ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG. Er ist zugleich nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung verpflichtet. In dieser Vorgabe liegt ein mehrschichtiger Interessenskonflikt:

521 BayObLG, Beschl. v. 23.4.1998 – 2Z BR 162/97, NZM 1998, 918 = Grundeigentum 1999, 195 = WE 1999, 234. 522 OLG München, Beschl. v. 23.8.2006 – 34 Wx 90/06, 34 Wx 090/06, OLGReport München 2006, 729 = ZMR 2006, 952 = ZWE 2007, 157. 523 BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 = MDR 2015, 16 = NZM 2015, 53 = ZWE 2015, 88. 524 OLG München, Beschl. v. 12.3.2007 – 34 Wx 114/06, OLGReport München 2007, 465 = NJWRR 2007, 1025 = ZfIR 2007, 647 = ZMR 2007, 721. 525 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.11.2000 – 9 U 88/00, NZM 2001, 198 = WuM 2001, 200 = ZMR 2001, 372. 526 BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, MDR 2011, 1160 = ZWE 2013,43 = NJW 2011, 3098 = NZM 2011, 712.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.497 Teil 8

– Die Eigentümer wollen regelmäßig eine Sonderumlage erst dann zahlen, wenn die Maßnahme unmittelbar bevorsteht oder bereits durchgeführt wird. – Die Anforderung einer Sonderumlage erst mit Beginn einer Instandhaltungsmaßnahme beinhaltet die Gefahr, dass ein oder mehrere Eigentümer nicht zahlen und bei Eingang der Rechnung eine Zahlungslücke entsteht. – Wartet der Verwalter mit der Auftragsvergabe ab, bis er nötigenfalls durch Titulierung und Vollstreckung alle Sonderumlagen erhalten hat, können Monate oder Jahre vergehen. Die Angebote sind inzwischen möglicherweise wegen einer zeitlichen Befristung durch den Anbieter ungültig geworden. Der Beschluss der Eigentümer über die Maßnahme hat dann seine Grundlage verloren und darf nicht mehr ausgeführt werden. Die Vorbereitung der Maßnahme mit neuen Angeboten und einer neuen Mehrheitsentscheidung der Gemeinschaft muss in die Wege geleitet werden. Die zahlungswilligen Eigentümer müssen ihre früheren Zahlungen wegen der Teuerungen aufstocken. Die Forderungen gegen die zahlungsunwilligen Eigentümer müssen ggf. erneut gerichtlich und durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden, was erneut zu Verzögerungen in der Auftragsvergabe führt. Der Verwalter kann und sollte sich daher von den Eigentümern Handlungsanweisungen geben lassen, z.B. wie folgt:

8.496

… Die Bezahlung der unter Top … beschlossenen Maßnahme erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage i.H.v. 50.000 Euro; der voraussichtliche Restbedarf v. 100.000 Euro wird durch eine Sonderumlage aufgebracht. Der Verwalter wird angewiesen, die Maßnahme erst in Auftrag zu geben, wenn die Sonderumlagen zu 100 % auf dem Geschäftskonto der Gemeinschaft eingegangen sind. …

Der Beschluss kann durch Veränderung der Prozentzahl in der Zahlungshöhe modifiziert werden. Die für die Gemeinschaft riskantere Vorgabe würde lauten: … Der Verwalter wird angewiesen, die Maßnahme unverzüglich in Auftrag zu geben und zugleich die Sonderumlagen auf das Geschäftskonto der Gemeinschaft einzuziehen. …

5. Vergabe des Auftrages Die Vergabe von Aufträgen für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung gehört (im Innenverhältnis der Eigentümer zum Verwalter) zu den nicht abdingbaren Aufgaben des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und § 27 Abs. 4 WEG. Dabei wird der Verwalter nach Beschlussvorgaben der Eigentümer die Aufträge (unverzüglich) zu vergeben haben,527 auch auf die Gefahr hin, dass ein Beschluss später für ungültig erklärt wird.528 Nötigenfalls muss er sogar kurzfristig provisorische Maßnahmen529 ergreifen, wenn es um die Gefahrenabwehr geht.530

527 BayObLG, Beschl. v. 24.11.2004 – 2Z BR 156/04, BayObLGR 2005, 184 = ZMR 2005, 639 = Wohnungseigentümer 2005, 28 = ZWE 2005, 230. 528 Wenzel, WE 1998, 455. 529 OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, ZWE 2011, 415. 530 BayObLG, Beschl. v. 4.1.1996 – 2Z BR 120/95, NJW-RR 1996, 657 = Wohnungseigentümer 1996, 74 = WuM 1996, 497.

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8.497

Teil 8 Rz. 8.498

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.498 Die Vergabe des Auftrages an einen Miteigentümer kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn fachgerechte und mangelfreie Arbeit zu erwarten ist.531 Der Verwalter kann, bei entsprechender Ermächtigung durch die Eigentümer, auch einen Dritten, etwa einen Ingenieur, Architekten oder Rechtsanwalt mit der Auftragserteilung betrauen. Weil die Durchführung des Beschlusses nach § 27 Abs. 4 WEG zu den unverzichtbaren Aufgaben des Verwalters gehört, bleiben beim Verwalter auch in diesem Fall Überwachungspflichten. Er hat für die Einhaltung der Beschlussvorgaben zu sorgen.

8.499 Auftraggeber für den Unternehmer wird der Verband. Zahlungspflichtig werden nach § 10 Abs. 8 WEG der Verband und subsidiär die Eigentümer nach Anteil.

8.500 Der Verwalter ist als gesetzlicher Vertreter der Eigentümer und des Verbandes im Rahmen von § 27 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 WEG befähigt, diese auch dann (im Außenverhältnis) zu verpflichten, wenn ihm im Innenverhältnis die Deckung fehlt. Dies kann jedoch zur Haftung des Verwalters führen. Er kann sich entweder ausdrücklich im Beschluss ermächtigen lassen, für die Eigentümer oder für den Verband tätig zu werden und so ein Deckungsverhältnis herstellen. Hilfsweise kann die Auslegung eines Beschlusses zu einer Maßnahme ergeben, dass darin die Ermächtigung des Verwalters liegt, diese Maßnahme auch zu beauftragen.532 Zu einem Handeln des Verwalters ohne Vertretungsmacht sollte es deswegen kaum noch kommen. Ausgeschlossen ist dies aber nicht.

8.501 Der Verwalter verpflichtet sich bei Vertragsabschluss mit einem Dritten selbst, wenn nicht erkennbar wird, dass er für eine Wohnungseigentümergemeinschaft handelt und er sich nicht selbst verpflichten will.533 Ist der Verwalter im eigenen Namen tätig geworden, kann ihm ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 oder §§ 683, 670, 257 BGB zustehen.534 Wesentlich wird es auf die Sicht des Vertragspartners der Gemeinschaft ankommen. Konnte er eindeutig erkennen, einen Vertrag mit einer Gemeinschaft abzuschließen, wird auch (nur) diese verpflichtet.535

8.502 Gibt der Verwalter ohne ermächtigende Beschlussfassung der Eigentümerversammlung und ohne dass die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung gegeben sind, bauliche Maßnahmen und/oder Handwerkerleistungen in Auftrag, so ist er wegen positiver Verletzung des Verwaltervertrages zum Schadensersatz verpflichtet, wobei sich die Gemeinschaft im Wege des Vorteilsausgleichs die ihr durch die vom Verwalter veranlassten Maßnahmen entstandenen Vorteile unter Umständen anrechnen lassen muss.536

8.503 Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, in dem der Verwalter allgemein ermächtigt wird, Instandsetzungsaufträge bis ca. 2.500 Euro ohne Beteiligung der Wohnungseigentümergemein-

531 BayObLG, Beschl. v. 28.8.1997 – 2Z BR 75/97, Grundeigentum 1997, 1405 = WE 1998, 154. 532 OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, OLGReport Hamm 1997, 141 = ZMR 1997, 377. 533 Jennißen/Heinemann, WEG, 6. Aufl., § 27 WEG Rz. 14 ff. 534 BayObLG, Beschl. v. 4.11.1999 – 2Z BR 106/99, ZMR 2000, 187 = NZM 2000, 299 = ZfIR 2000, 379 = WE 2000, 271. 535 BGH, Urt. v. 8.1.2004 – VII ZR 12/03, MDR 2004, 743 = BauR 2004, 843 = NJW-RR 2004, 1017. 536 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 1.12.2010 – 14 S 828/10 WEG, ZMR 2011, 327.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.507 Teil 8

schaft zu vergeben, ist auf Anfechtung für unwirksam zu erklären, wenn nicht die Obergrenze der Gesamtausgaben für mehrere Aufträge festgelegt wurde.537 Die Entscheidung, ob ein Werkvertrag nach BGB oder ein Bauvertrag nach VOB/B abgeschlossen wird, trifft der Verwalter allein und nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen, wenn er keine Vorgabe der Eigentümer bekam. Die Fähigkeit des Verwalters, mit den vereinbarten Regeln umzugehen, wird vorausgesetzt. Andernfalls muss der Verwalter die Eigentümer über seine rechtliche Unkenntnis unterrichten, damit von ihm, im Auftrag der Eigentümer, ein Fachmann eingeschaltet werden kann.

8.504

Ein Vertrag nach VOB/B setzt immer voraus, dass der Verwalter diese besonderen Normen 8.505 kennt und damit umgehen kann oder ein entsprechender fachkundiger Dritter beteiligt wird, damit die Interessen der Eigentümer ausreichend gewahrt werden. Die VOB/B regelt zwar detailliert die Interessen der an einem Bau beteiligten Personen. Es handelt sich aber um kein Gesetz, sondern um ein Regelwerk, das abweichend vom Werkvertrag des BGB für die Beteiligten sowohl Rechtserweiterungen (z.B. Hemmung der Gewährleistung nach schriftlicher Rüge) wie auch Rechtsbeschränkungen (z.B. Verjährungsfristen) bringt. Diese vom Gesetz abweichenden Regeln müssen gesondert vereinbart werden. Verträge zwischen der Gemeinschaft und Bauunternehmern, Handwerkern und Architekten begründen in Bezug auf das Sondereigentum Schutzwirkung gegenüber den Sondereigentümern538- Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Kommt es zum Schadensfall in Bezug auf das Sondereigentum, haftet in der Regel nicht die Gemeinschaft, sondern der schädigende Unternehmer, Handwerker oder Architekt. Dieser ist kein Erfüllungsgehilfe der Gemeinschaft.539

8.506

6. Durchführung des Auftrages Die Durchführung des Auftrages obliegt dem Auftragnehmer auf der Grundlage des Vertrages. Den Verwalter, der keine ausdrücklichen Pflichten bei der Durchführung übernimmt, trifft jedoch zumindest die Pflicht, zu überwachen, dass die Mittelverwendung gemäß den im „Ablaufplan“ vorgesehenen Arbeiten erfolgt.540 Zahlt er überhöhte Rechnungen, entsteht für die Eigentümer ein Ersatzanspruch.541 Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Regressanspruch beim Unternehmer scheitert.542

537 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, ZMR 2001, 303 = NZM 2001, 390 = NJWRR 2001, 660 = ZWE 2001, 219. 538 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 539 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 540 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.2.2002 – 2 Wx 103/01, OLGReport Hamburg 2002, 411 = ZMR 2002, 453 = ZWE 2002, 479. 541 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.3.1997 – 3 Wx 186/95, OLGReport Düsseldorf 1997, 220 = ZMR 1997, 380 = ZfIR 1997, 345. 542 KG, Beschl. v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, OLGZ 1994, 35 = WuM 1993, 306 = Wohnungseigentümer 1993, 118.

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8.507

Teil 8 Rz. 8.508

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

7. Technische Kontrolle der Maßnahme

8.508 Konkrete Maßnahmen sind über die routinemäßigen Kontrollen hinaus zu überwachen. Schadensbilder und negative Auffälligkeiten sind gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG aufzuklären.543 In einem Notfall i.S.v. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG kann der Verwalter einen Fachmann hinzuziehen und dadurch Kosten auslösen. Liegt kein Notfall vor und bleibt die Zeit, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, kann ein Sonderfachmann oder Sachverständiger nur beauftragt werden, soweit dafür ein Beschluss der Eigentümer eingeholt wurde.544 Auf bloße Empfehlungen von Fachleuten darf der Verwalter sich nicht verlassen.545

8.509 Weil die Pflichten gemäß § 27 Abs. 1–3 WEG nicht abdingbar sind, bleibt eine Restverantwortung beim Verwalter selbst dann, wenn Architekten, Ingenieure etc. hinzugezogen wurden. In diesem Fall bleibt beim Verwalter die Pflicht, die Fachleute wie ein Bauherr zu überwachen.546 Sehr fraglich ist aber, ob der Verwalter, statt der Eigentümer, von einer Behörde als Störer unmittelbar in Anspruch genommen werden kann, wie dies teilweise von der Verwaltungsrechtsprechung angenommen wird.547 Aus § 27 WEG lässt sich nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit des Verwalters für das Gemeinschaftseigentum herleiten. Nur im Eilfall kann der Verwalter gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1 Nr. 4 WEG auch ohne Beschluss der Eigentümer zur Gefahrenabwehr auf das Gemeinschaftseigentum einwirken. Bei angeordneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ist der Verwalter allenfalls Empfänger einer entsprechenden Anordnung der Behörde. Sonst sind die Eigentümer über den Verband als Zustandsstörer heranzuziehen. Dann ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG erforderliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen.

8.510 Werden sachkundige Dritte nicht eingeschaltet, können sich die Eigentümer darauf verlassen, dass der Verwalter die Pflichten wahrnimmt, die einen Bauherrn regelmäßig treffen.548 Dazu gehört die örtliche persönliche Anwesenheit des Verwalters bei der durchzuführenden Maßnahme, soweit erforderlich, wobei ausreichend sachkundige Mitarbeiter der Verwaltung ebenfalls eingesetzt werden können.549

8.511 Typische Aufgaben sind dann: – Die Aufforderung zur Beseitigung erkennbarer Mängel. – Die Prüfung der Abrechnungen. – Die Berichterstattung an die Eigentümer. – Empfehlung, wie mit Mängeln umzugehen ist, ggf. gerichtliche Maßnahmen einzuleiten. – Übernahme und Abnahme von Leistungen. 543 Sehr großzügig zur Befugnis des Verwalters, eigenmächtig Fachleute einzuschalten: LG Köln, Urt. v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502 = ZWE 2011, 375. 544 LG München, Urt. v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42. 545 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, OLGReport Celle 2001, 129 = ZMR 2001, 642 = NJW-RR 2002, 303. 546 KG Berlin, Beschl. v. 10.9.2003 – 24 W 141/02, KGR Berlin 2003, 379 = WuM 2004 = ZMR 2004, 622. 547 OVG Münster, Beschl. v. 28.1.2011 – 2 B 1495/10, ZMR 2011, 425, m. Anm. Becker, ZfIR 2011, 205 und Briesemeister, ZWE 2011, 163. 548 Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.7.2010 – 5 Wx 27/09, Juris. 549 LG Flensburg, Beschl. v. 18.3.1998 – 5 T 341/97, NZM 1998, 776 = NJW-RR 1999, 596.

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.515 Teil 8

– Dokumentation des Laufs der Gewährleistungsfristen. – Führung eines Fristenkalenders zur Überwachung von Fristen.550 8. Abnahme der Werkleistung Wurde kein Architekt oder sonstiger fachkundiger Dritter für die Bauaufsicht eingeschaltet, hat der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG die Überwachungs- und auch Abnahmepflichten des Bauherren.551 Hierbei gehört die Betreuung beauftragter Arbeiten zum Kreis der vertraglichen Pflichten des Verwalters. Hierzu zählt die bauleitende Überwachung regelmäßig nicht. Der Verwalter nimmt aber anstelle der Wohnungseigentümer deren Interesse gegenüber den ausführenden Unternehmen gleichsam wie ein Bauherr wahr.552 Pflichten zur Bauüberwachung und dementsprechend zu Kontrollen treffen den Verwalter aber dann, wenn er zusätzlich zu seiner Verwaltertätigkeit als Bauleiter verpflichtet wurde.553

8.512

Unter der Abnahme des Gewerkes ist die Billigung des Werkes als zumindest in der Hauptsache vertragsgemäß zu verstehen.554

8.513

Zum üblichen Pflichtenkreis des Verwalters gehört gerade auch die Abnahme der Instandsetzungsarbeiten. Bei schwierigen und aufwändigen Arbeiten kann auch hierfür die Einschaltung eines Fachmannes erforderlich werden.555 Der Verwalter bedurfte nach altem Recht zur Abgabe der Willenserklärung für die Eigentümer deren Ermächtigung. Nach der WEG-Novelle ist er im Außenverhältnis gesetzlicher Vertreter: Für die Eigentümer im Rahmen des § 27 Abs. 2 WEG; für den Verband im Rahmen des § 27 Abs. 3 S. 1 WEG. Als gesetzlicher Vertreter des Verbands kann er nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG für die laufenden Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung nach außen die erforderlichen Erklärungen abgeben. Laufende Maßnahmen sind solche, die wiederkehrend oder nach typischer Abnutzung erfolgen müssen.556 Für weitergehende Maßnahmen bedarf er der gesonderten Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG. Für die Deckung seines Handelns im Innenverhältnis kann er durch Beschlussfassung sorgen lassen.

8.514

Will der Verwalter eine Pflichtenübernahme vermeiden, muss er vor der Beschlussfassung z.B. seine fehlende Zeit oder Befähigung einwenden, damit die Eigentümer in der Lage sind, ihre Rechte anderweitig, etwa durch einen neu gewählten Verwalter oder durch einen beauftragten fachkundigen Dritten, wahrnehmen zu lassen. Mit einem solchen Hinweis und mit der Schaffung einer Entscheidungsmöglichkeit durch die Eigentümer hat der Verwalter seinen Pflichten gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG genügt, denn er hat den Eigentümern die erforderliche Organisationschance verschafft. Versäumt er dies und kümmert er sich auch nicht um die erforderliche Bauaufsicht, kommt eine Haftung gegenüber den Eigentümern aus der

8.515

550 BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NJW-RR 2001, 731 = ZWE 2001, 263 = ZMR 2001, 558. 551 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.2009 – 20 W 356/07, ZMR 2009, 620. 552 OLG Frankfurt., Beschl. v. 10.2.2009 – 20 W 356/07, ZMR 2009, 620. 553 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, KGR Berlin 1999, 122 = WE 1999, 68 = NZM 1999, 131 = ZMR 1999, 207 = WuM 1999, 184. 554 BGH, Urt. v. 25.3.1993 – X ZR 17/92, MDR 1994, 35 = CR 1993, 759 = NJW 1993, 1972 = BauR 1993, 469. 555 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.11.2010 – 20 W 309/07, ZWE 2011, 361. 556 Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 20.

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Teil 8 Rz. 8.515

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

Pflichtverletzung gemäß § 280 BGB hinsichtlich der unabdingbaren Verwalterpflichten oder aus dem Verwaltervertrag in Betracht.557

8.516 Eine Ersatzpflicht des Verwalters setzt jedoch stets eine konkrete Pflichtverletzung und ein dadurch ursächliches Verschulden des Verwalters voraus.558 Die dem Verwalter abzuverlangende Sorgfalt entspricht grundsätzlich derjenigen, die ein Eigentümer bei der Instandhaltung seiner eigenen Liegenschaft anwenden würde. Schadensersatzpflichtig macht sich der Verwalter nur, wenn er erkennbar erforderliche Untersuchungen sowie die Unterrichtung der Wohnungseigentümer oder/und die Ausführung der von ihnen gefassten Beschlüsse unterlässt.559

8.517 Von der Pflicht zur Abnahme durch den Verwalter ist dessen Recht zur Abnahme zu unterscheiden. Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und Abs. 1 Nr. 5 WEG ist der Verwalter berechtigt, Leistungen entgegenzunehmen, die mit der laufenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenhängen. Dazu gehört die Abnahme einer Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung.560 Diese unterscheidet sich von der Erstabnahme des gemeinschaftlichen Eigentums, etwa der Abnahme vom Bauträger, die von jedem Erwerber auf der Grundlage des Erwerbsvertrages (Kauf- oder Werkvertrag) selbst durchzuführen ist,561 solange dazu nichts anderes vereinbart wurde. Aus der bloßen Tatsache der Abnahme des Sondereigentums kann nicht auf eine Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums durch den jeweiligen Erwerber geschlossen werden.562

8.518 Ob der Verband das Recht der einzelnen Eigentümer zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums an sich ziehen und durch einen Beschluss regeln kann, ist streitig.563 Auch wenn man diese Abnahme zu den sonstigen Rechten und Pflichten der Eigentümer i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alternative WEG zählt, die der Verband an sich ziehen kann, ist ungesichert,564 ob die Eigentümer die Beschlusskompetenz dafür haben. Soweit sonstige Rechte und Pflichten der Eigentümer überhaupt nach § 10 Abs. 6 S. 3, 2. Alternative WEG gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind, ist die Beschlusskompetenz der Eigentümer zur Überleitung an den Verband anzunehmen. Das Recht und die Pflicht zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums zählen dazu. Es wäre nicht konsequent, dem Verband das Recht zuzubilligen, durch einen Mehrheitsbeschluss die primären Gewährleistungsansprüche an sich zu ziehen, ihm jedoch das Recht zu verweigern, durch Abnahme die Voraussetzungen dafür zu schaffen, Gewährleistungsansprüche zu verfolgen.

8.519 In einem zweiten Schritt ist von den Eigentümern zu entscheiden, ob die übergeleiteten Ansprüche durch den Verband dann auch durchgesetzt werden sollen.

557 BayObLG, Beschl. v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, BayObLGR 1999, 57 = ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840. 558 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/98, OLGReport Düsseldorf 1998, 380 = NZM 1998, 721 = ZfIR 1998, 547 = ZMR 1998, 654. 559 AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 12.8.2009 – 539 C 50/08, ZMR 2011, 331. 560 Bärmann/Becker, WEG. 14. Aufl. § 27 WEG Rz. 235. 561 BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 72/84, MDR 1986, 46 = DWE 1986, 92 = BauR 1985, 314 = NJW 1985, 1551. 562 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 27.8.2009 – 5 U 49/08, BauR 2011, 1215. 563 Befürwortend: BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2Z BR 153/98, NZM 1999, 862 = NJW-RR 2000, 13. 564 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, Rz. 554 ff.

434

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Ordentliche Durchführung von Maßnahmen

Rz. 8.524 Teil 8

Eine solche Vorgehensweise – mit dem Ziel einer einheitlichen Abnahme – fördert die Interessen des Bauträgers und Verkäufers. Für die Eigentümer kann sie nachteilig sein. Eine sukzessive Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums verlängert der Gemeinschaft die Chance, Gewährleistungsansprüche durch den späteren Erwerber auch dann noch zu verfolgen, wenn möglicherweise die Gewährleistungsrechte der Ersterwerber durch Zeitablauf bereits erloschen sind. Nach der Abnahme folgt die Pflicht des Verwalters, die Gewährleistungsfristen sicher zu notieren bzw. zu dokumentieren,565 damit die Eigentümer die Rechte auch rechtzeitig wahrnehmen können.566

8.520

9. Bauabzugssteuer Seit dem 1.1.2002 ist der Auftraggeber von Bauleistungen, wenn er Unternehmer gemäß § 2 UStG ist, dazu verpflichtet, vom Rechnungsbruttobetrag (einschließlich Umsatzsteuer) einen Abzug in Höhe von 15 Prozent gemäß den §§ 48 bis 48d EStG vorzunehmen und an das zuständige Finanzamt des Auftragnehmers zu melden und weiterzuleiten. Insoweit gilt auch die Eigentümergemeinschaft als „Unternehmer“, woraus sich die Verpflichtung des Verwalters aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ergibt, diese Bauabzugssteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

8.521

Diese Verpflichtung zum Steuerabzug entfällt nur dann,

8.522

– wenn der Auftragnehmer eine gültige Freistellungsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes vorlegt oder – Bauleistungen an private Vermieter mit ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 12 UStG von jährlich nicht mehr als 15.000 Euro ausgeführt werden oder – wenn höchstens zwei Wohnungen vermietet werden oder – wenn die an den jeweiligen Auftragnehmer geschuldete Gegenleistung im Kalenderjahr die Bagatellgrenze von voraussichtlich 5.000 Euro nicht übersteigt. Bauleistungen sind solche Arbeiten, die der Herstellung, der Instandhaltung und Instandsetzung, der Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

8.523

Die Definition von Bauleistungen und welche Leistungen davon ausgenommen werden ergibt sich im Wesentlichen aus § 48 EStG. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit seinem Schreiben zum Umsatzsteuer-Anwendererlass vom 10.8.2016 (UStAE-Download unter www.bundesfinanzministerium.de) eine genaue Definition des Begriffs der Bauleistung vorgenommen:

8.524

– Die Bauleistung muss sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, d. h., es muss eine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, Substanzbeseitigung oder Substanzerhaltung bewirkt werden. Hierzu zählen auch Erhaltungsaufwendungen/Reparaturleistungen (vgl. Abschnitt 13b.2 Abs. 3 UstAE). 565 OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.1996 – 15 W 212/96, OLGReport Hamm 1997, 143 = Wohnungseigentümer 1997, 84 = NJW-RR 1997, 908 = WE 1997, 354. 566 BayObLG, Beschl. v. 30.8.1989 – 2 Z 40/89, ZMR 1990, 65 = MDR 1990, 157 = WuM 1990, 178.

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Teil 8 Rz. 8.524

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

– Die Bauleistung kann auch dann vorliegen, wenn Baumaschinen samt Personal für unmittelbare Substanzveränderungen an Grundstücken vermietet werden (vgl. Abschnitt 13b.2 Abs. 7, Nr. 5 UstAE). – Unter Umständen gehören zu den Bauleistungen auch Werklieferungen oder der Einbau von Ausstattungsgegenständen oder Maschinenanlagen, sofern diese sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, beispielsweise wenn diese auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind, nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern (vgl. Abschnitt 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UstAE). – Die Errichtung von Photovoltaikanlagen, die auf oder an einem Gebäude oder Bauwerk (z. B. Auf-Dach-Anlagen) installiert oder mit dem Grund und Boden auf Dauer fest verbunden werden (z. B. Freiland-Photovoltaikanlagen), stellt ebenfalls eine Bauleistung dar.

8.525 Der Begriff der Bauleistung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung in Bezug auf das Bauwerk weit auszulegen. Hierzu sind auch Straßen, Brunnen oder Kanäle zu zählen. Werden im Rahmen eines einheitlichen Vertrages mehrere Leistungen erbracht, bei denen es sich nur teilweise um Bauleistungen handelt, so ist auf die Leistung abzustellen, die dem Vertrag überwiegend das Gepräge gibt. Wenn die Bauleistung die Hauptleistung ist, so fällt die Leistung insgesamt unter die Bauabzugssteuer. Die Nebenleistung teilt das Schicksal der Hauptleistung. Eine Aufteilung der Gesamtleistung käme nur dann infrage, wenn darin mehrere wirtschaftlich selbständige und voneinander unabhängige Einzelleistungen zusammengefasst werden

8.526 Keine Bauleistungen sind planerische Leistungen (etwa eines Architekten), die bloßen Reinigungsarbeiten von Räumlichkeiten oder Wartungsarbeiten an Bauwerken oder Bauteilen. Ebenso wenig gehört zu den Bauleistungen eine reine Materiallieferung durch einen Baustoffhändler.

8.527 Eigentümergemeinschaften sind dann nicht als Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften einzustufen, wenn alle Wohnungen von den jeweiligen Eigentümern zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Private Vermieter müssen keine Bauabzugsteuer einbehalten, wenn sie nicht mehr als zwei Wohnungen vermieten.

8.528 Der Unternehmer ist verpflichtet, als Leistungsempfänger die Freistellungsbescheinigung, die ihm vom Auftragnehmer vorgelegt wird, auf inhaltliche Richtigkeit zumindest plausibel zu überprüfen, wobei die Lesbarkeit, das Dienstsiegel und eine Sicherheitsnummer des Finanzamtes erkennbar sein müssen. Eine zusätzliche Überprüfungsmöglichkeit besteht durch eine elektronische Abfrage beim Bundesamt für Finanzen (Internet: https://www.bzst.de/DE/ Unternehmen/Bauleistungen/bauleistungen.html). Im Zweifel kann und sollte sich der Verwalter bei dem Finanzamt vorsorglich erkundigen, das die Freistellungsbescheinigung ausgestellt hat. Eine solche zusätzliche Überprüfungspflicht besteht nicht bei jeder vorgelegten Freistellungsbescheinigung, sondern nur dann, wenn Unklarheiten bleiben.

8.529 Die Bauabzugsteuer kann nicht dadurch umgangen werden, dass Abschlagszahlungen unterhalb der Bagatellgrenze vereinbart und geleistet werden. Wenn die Gesamtleistung über der Bagatellgrenze liegt, muss bereits vor der ersten Abschlagszahlung die gültige Freistellungsbescheinigung vorliegen. Liegt keine Freistellungsbescheinigung vor, entsteht die Pflicht zum Steuerabzug, wenn die Gegenleistung (Zahlung) erbracht wird, § 11 EStG. Der Unternehmer hat dann innerhalb eines Kalendermonats bis zum 10. Tag des Folgemonats den einbehalte-

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.535 Teil 8

nen Betrag an das Finanzamt des Leistenden abzuführen und innerhalb des gleichen Zeitraums eine Anmeldung (amtlicher Vordruck) an dieses Finanzamt abzuliefern. Wurde der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt, haften die Leistungsempfänger für den nicht oder zu niedrig abgeführten Betrag gemäß § 48a Abs. 3 S. 1 EStG. Haftungsschuldner für das Finanzamt ist die Gemeinschaft der Eigentümer, wobei die einzelnen Eigentümer anteilig in Anspruch genommen werden können. Diese haben einen Regressanspruch gegen den Verwalter wegen Verletzung der Verwalterpflichten, wenn die Bauabzugsteuer schuldhaft nicht einbehalten und nicht an das Finanzamt abgeführt wurde.

8.530

Da auch gegen den die Umsatzsteuer nicht abführenden Unternehmer ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung des nicht einbehaltenen Steuerbetrages besteht, ist jedoch ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter nur dann der Höhe nach gegeben, wenn der Anspruch gegen den Unternehmer nicht durchsetzbar ist. Der Verwalter trägt somit letztlich insbesondere das Insolvenzrisiko des Unternehmers, wenn er die Bauabzugssteuer nicht beachtet.

8.531

Grundsätzlich sollte der Verwalter daher nur solche Unternehmen mit der Durchführung von Bauleistungen beauftragen, die eine (aktuelle) Freistellungsbescheinigung vorlegen können.

8.532

IV. Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung der Verwaltung und einzelner Eigentümer § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG begründen den Anspruch der Eigentümer auf ordnungs- 8.533 gemäße Verwaltung, einschließlich der Instandhaltung und Instandsetzung. Damit soll der regelmäßige Handlungsbedarf abgedeckt und die Gefahr eines Schadensfalls durch Wartungsmängel reduziert werden. Weil durch äußere Einwirkungen wie z.B. Unwetter, menschliches oder technisches Versagen oder mutwillige Beschädigungen akut auftretende Schäden nicht ausgeschlossen werden können, sieht das Gesetz Handlungsbefugnisse vor, aus denen durch Auslegung z.T. auch Handlungspflichten abgeleitet werden.567 Getragen werden diese Vorschriften von dem Grundgedanken des Bestandsschutzes; das gemeinschaftliche Eigentum als schützende Umgebung für das Sondereigentum muss intakt bleiben und im Schadensfall schnellstens wiederhergestellt werden. Von besonderer Bedeutung zur Vermeidung eines Schadens oder der Vertiefung eines bereits 8.534 eingetretenen Schadens sind diese Handlungsrechte und Pflichten im Notfall. Dieser macht ein sofortiges Handeln und die Einleitung außerordentlicher Maßnahmen erforderlich. Handlungsrechte wegen bereits entstandener oder drohender materieller Schäden oder Gefahren erwachsen den Eigentümern aus § 21 Abs. 2 WEG und dem Verwalter aus § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG, der dort sogar als „berechtigt und verpflichtet“ bezeichnet wird. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen der Eigentümer besitzt der Verwalter ein Handlungs- und Vertretungsrecht in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Die Rechte des Verbands nimmt der Verwalter als gesetzlicher Vertreter gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 7 WEG wahr, wobei er im letztgenannten Fall gesondert ermächtigt werden muss.

567 Bärmann/Becker, 14. Aufl., § 27 WEG Rz. 65.

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8.535

Teil 8 Rz. 8.536

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.536 Die gesetzlichen Handlungsrechte und -pflichten nach einem Notfall finden nur dann Anwendung, wenn nicht bereits ein „Totalverlust“ i.S.v. § 22 Abs. 4 WEG eingetreten ist.

8.537 Um einen Notfall i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG handelt es sich, wenn die Maßnahme zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums so eilbedürftig ist, dass eine vorherige Einberufung der Eigentümerversammlung nicht möglich ist. Ob ein dringender Fall vorliegt, ist stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wie sie sich aufgrund der vorliegenden Informationen zum Zeitpunkt der Auftragserteilung darstellen. Die Beurteilung, eine Maßnahme sei im Wege der Notgeschäftsführung erforderlich, ist mit der Sorgfalt vorzunehmen, die von einem sorgfältigen und erfahrenen Verwalter erwartet werden kann.568

8.538 Eigenmächtiges Handeln eines Eigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum ist nicht immer durch einen „Notfall“ bedingt, sondern kann eigennützige Motive haben, mit der Folge, dass die Pflicht zur Kostenerstattung durch die Gemeinschaft entfällt.

8.539 Das Wohnungseigentumsgesetz sieht ein bestimmtes Prozedere zur Schadensbeseitigung vor: – Der Verwalter beobachtet und erkundet den Handlungsbedarf, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. – Die Eigentümer entscheiden, ob, wann, was, wie erledigt wird, § 21 Abs. 1 und 3 WEG. – Der Verwalter führt den Beschluss der Eigentümer als Vertreter des Verbands aus, § 10 Abs. 6 S. 1 bis 3, § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG.

8.540 Handelt ein Eigentümer eigenmächtig, missachtet er dieses Prozedere zunächst einmal. Ohne echte Notlage ist eine Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen. Auch Ansprüche auf Aufwendungsersatz bestehen dann nicht.569 1. Eilmaßnahmen durch die Verwaltung in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum a) Maßnahmen zur sofortigen Beseitigung akuter Gefahren- und Schadenslagen – § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG

8.541 Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG knüpft an die Instandhaltungspflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG an und geht darüber hinaus. Während der Verwalter gemäß Nr. 2 vorausschauend den Eigentümern den Handlungsbedarf darzulegen hat, um deren Entscheidung einzuholen, was wann getan werden soll, schafft § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG für den Verwalter Handlungspflicht für die Eigentümer und den Verband. In dringenden Fällen muss er selbst unmittelbar solche Maßnahmen einleiten, die erforderlich sind, um das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten. Ein Schaden muss noch nicht unmittelbar drohen. Deswegen setzt die Handlungspflicht für den Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG früher ein als die Berechtigung des Sondereigentümers zum Handeln gemäß § 21 Abs. 2 WEG.

8.542 Tritt in einer Wohnung ein Wasserschaden auf, dessen Ursache im gemeinschaftlichen Eigentum liegen kann, so hat der Verwalter unverzüglich das Erforderliche zu unternehmen, um die Schadensursache festzustellen.570 Bei einer schuldhaften Verletzung dieser Pflicht haftet er

568 OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, ZWE 2011, 415. 569 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris. 570 BayObLG, Beschl. v. 7.3.2005 – 2Z BR 182/04, ZWE 2005, 326 = ZMR 2006, 137.

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.547 Teil 8

für den Schaden des betroffenen Wohnungseigentümers auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Schadensursache ausschließlich im Sondereigentum liegt.571 Dringende Fälle i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG sind Notgeschäfte, die wegen ihrer Eilbedürftigkeit eine vorherige Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht zulassen.572 Eine Maßnahme ist „erforderlich“, wenn die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet wäre, würde nicht umgehend gehandelt werden. Ein Zeitraum von ca. 4 Monaten ab Erkennen des Bedarfs bis zum Handeln rechtfertigt ein Notgeschäft nicht; in dieser Zeit hätte eine Eigentümerversammlung einberufen werden können.573

8.543

Es geht dabei um die Verwalterpflicht zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, nicht des Sondereigentums. Auch wenn die Feuerversicherung außer dem Gemeinschaftseigentum auch das Sondereigentum umfasst, erweitert sich der Pflichtenkreis des Verwalters nicht auf das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer, wenn dort Brandschäden eintreten. Der Verwalter hat den brandgeschädigten Wohnungseigentümer nur bei der Verfolgung der Versicherungsansprüche zu unterstützen, ihm z.B. die Versicherungsgesellschaft und Versicherungsnummer mitzuteilen.574

8.544

Jedoch erstreckt sich das Handlungsrecht auch auf das Sondereigentum, wenn sonst das gemeinschaftliche Eigentum nicht erhalten werden kann.575 Das Notgeschäftsführungsrecht aus § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG knüpft zwar daran an, dass das Gemeinschaftseigentum gefährdet ist, wenn nicht umgehend gehandelt wird. Hieran kann es fehlen, wenn die Gefahrenlage „nur“ Sondereigentum betrifft. Eine Maßnahme zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums ist aber nur dann ordnungsgemäß, wenn sie so durchgeführt wird, dass – soweit möglich – auch Schäden am Sondereigentum vermieden werden. Der Verwalter ist – über die in § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG bestimmte Befugnis hinausgehend – nach §§ 683 S. 1, 680 BGB zum Schutz des von ihm verwalteten Vermögens und in Wahrung der Interessen der Eigentümer berechtigt, die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr eines durch Arbeiten am Gemeinschaftseigentum unmittelbar drohenden Schadens am Sondereigentum notwendig sind.576

8.545

Die Kompetenz des Verwalters zur Notgeschäftsführung nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG umfasst nicht die Vergabe eines Auftrags zu einer umfassenden Sanierung der Fassade. Diese kann regelmäßig vorbereitet und von der Eigentümerversammlung beschlossen werden.577

8.546

Dringende Fälle ergeben sich meist durch Unglücksfälle oder höhere Gewalt. Diese führen nicht selten zu massiven Schäden an Gebäudeteilen (z.B. an der Dacheindeckung nach Hagelschlag) mit der Gefahr kostenintensiver Folgeschäden, wenn nicht unverzüglich gehandelt wird.

8.547

571 OLG München, Beschl. v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, ZMR 2006, 716 = OLGReport München 2006, 654. 572 BayObLG, Beschl. v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, ZMR 1997, 325 = NJWE-MietR 1997, 163 = WuM 1997, 398 = WE 1997, 434. 573 KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, KGR Berlin 2002, 65 = WuM 2002, 106 = ZWE 2002, 226 = Grundeigentum 2002, 601 = ZMR 2002, 546 = Wohnungseigentümer 2002, 65. 574 KG, Beschl. v. 9.10.1991 – 24 W 1484/91, OLGZ 1992, 318 = ZMR 1992, 34 = WuM 1991, 707 = NJW-RR 1992, 150. 575 Bärmann/Becker, § 27 WEG Rz. 69. 576 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311. 577 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, OLGReport Celle 2001, 129 = ZMR 2001, 642 = NJW-RR 2002, 303 = NZM 2002, 169.

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Teil 8 Rz. 8.548

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.548 Der Verwalter hat gemäß §§ 836, 838 BGB insbesondere im akuten Schadensfall für den durch die Ablösung von Teilen des verwalteten Gebäudes verursachten Schaden einzustehen. Weil der Verwalter für die Sicherheit des Gebäudes verantwortlich ist, hat er vorausschauend im Rahmen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die aus technischer Sicht geboten und geeignet sind, die Gefahr einer Ablösung von Dachteilen, rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen.578

8.549 Ein Heizöleinkauf des Verwalters zur Sicherung des Heizungsbetriebs bei nahezu leeren Tanks kann eine nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG erforderliche Notmaßnahme darstellen.579 In Anbetracht der drohenden Gefahr und der Kosten, die durch geplatzte Wasserrohre nach Frosteinwirkung entstehen können, ist der Öleinkauf sogar unter dem Aspekt der Instandhaltung und Instandsetzung von Bedeutung. Allerdings muss sich der Verwalter kritisch fragen lassen, warum ein Heizölkauf nicht innerhalb der Pflichten nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG geplant und durch Aufnahme des Geldbedarfs in den Wirtschaftsplan gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 WEG vorbereitet werden konnte.

8.550 Die Reparatur einer im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Abwasserhebeanlage kann bei Ausfall zu Lasten der Eigentümergemeinschaft als Notgeschäft vom Verwalter veranlasst werden.580 Wird gelegentlich bei einem mehr als 40 Jahre alten Gebäude im Außenbereich festgestellt, dass einzelne Tonrohre der Drainage gebrochen sind und eine Außenisolierung des Kellermauerwerks fehlt, ist eine sofortige Auftragserteilung zur umfassenden Sanierung durch die Notgeschäftsführungsbefugnis des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG nicht gedeckt.581

8.551 Wenn der Verwalter in einem dringenden Fall gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG Aufträge vergibt und die dadurch entstandenen Kosten bezahlt, die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich waren, hat er den Verband ohne vorherige Beschlussfassung verpflichtet. Hierbei kann er sich auf die gesetzliche Vertretungsmacht nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 WEG berufen. Die interne Rechtfertigung des Verwalters, für den Verband tätig zu werden, die sonst ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümer herbeiführt, wird durch die zwingende gesetzliche Handlungsvorgabe in § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ersetzt.

8.552 Der Verwalter kann Aufwendungsersatz für Kreditverbindlichkeiten nicht verlangen, wenn er keine Befugnis zur Kreditaufnahme hatte. Im Rahmen der Besorgung seiner Geschäfte steht dem Verwalter nach § 27 Abs. 1 WEG eine Kreditaufnahme für den Verband nicht zu; hierfür bedarf es eines ermächtigenden oder genehmigenden Beschlusses der Eigentümer.582

8.553 Auch wenn der Verwalter zugleich Bauträger ist oder diesem „nahe steht“ und gegen den Bauträger Gewährleistungsansprüche wegen Baumängeln in Betracht kommen, soll der Verwalter befugt sein, in dringenden Instandsetzungsfällen die Wohnungseigentümer ohne vorherige Beschlussfassung durch eine entsprechende Auftragsvergabe zu verpflichten.583 Dieses

578 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782 = MDR 1994, 45 = Wohnungseigentümer 1993, 66 = WM 1993, 1341. 579 KG, Beschl. v. 11.11.1994 – 21 U 3090/90, KGR Berlin 1994, 242. 580 LG Itzehoe, Urt. v. 28.6.2011 – 11 S 41/10, Juris. 581 OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, ZWE 2011, 415. 582 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311. 583 OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.1988 – 15 W 119/86, OLGZ 1989, 54 = NJW-RR 1989, 331 = DNotZ 1989, 441 = Wohnungseigentümer 1989, 141.

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.559 Teil 8

Handeln kann zu einer Beweisnot der Eigentümer führen, wird aber im Hinblick auf die Notwendigkeit, das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten, in Kauf genommen. b) Aktive Rechtsverfolgung und Abwendung von Rechtnachteilen durch Wahrung von Fristen – § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG § 27 Abs. 2 WEG regelt das Vertretungsrecht des Verwalters für die Eigentümer.

8.554

Nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist der Verwalter berechtigt, im Namen aller Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind.

8.555

Die Ausgangslage für den Verwalter ist die gleiche wie bei Notgeschäften gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG: Es bleibt keine Zeit für eine Beschlussfassung der Eigentümer in einer Versammlung,584 die Maßnahme ist aber erforderlich, um einen Fristablauf zu vermeiden oder ein Recht zu erhalten. Eine Maßnahme ist auch hier nur „erforderlich“, wenn Rechtsnachteile einträten, würde nicht umgehend gehandelt werden. Der Unterschied zu § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ist, dass für die Aufgaben in § 27 Abs. 1 im S. 1 WEG eine Berechtigung und eine Verpflichtung, für die Aufgaben in § 27 Abs. 2 im S. 1 WEG nur eine gesetzliche Vertretungsberechtigung verankert wurde.

8.556

Neben einer Klageerhebung oder der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens585 zur Hemmung von Gewährleistungsfristen gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 oder Nr. 7 BGB, wenn ausnahmsweise nicht die Zeit verfügbar bleibt, einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümer herbeizuführen, bildet der drohende Ablauf von Rechtsmitteln den Hauptanwendungsbereich von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Anfechtungsfristen gemäß § 121 oder § 124 BGB können vom Verwalter in Vertretung der Eigentümer gewahrt, schriftliche Mängelrügen nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B ausgesprochen oder vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO586 beantragt werden. Auch zur fristwahrenden Inanspruchnahme eines Gewährleistungsbürgen ist der Verwalter berechtigt.587 Der Verwalter kann für die Eigentümer nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Bescheid beantragen.588 Dies wird nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG auch für den Verband möglich sein, wenn der Bescheid auf diesen lautet. Der neue Verwalter kann vom Vorverwalter im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe von Unterlagen sowie Überweisung von Geldern auf Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen.589

8.557

Die Einlegung des Rechtsmittels ist durch die gesetzliche Notgeschäftsführung ebenso gedeckt wie die passive weitere Vertretung in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 WEG. Dies gilt auch für ein Vollstreckungsverfahren.

8.558

Welche konkreten Rechte und Pflichten der Verwalter in einem gerichtlichen Verfahrens für die Eigentümer hat, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Weil keine Einschränkungen vorgesehen sind, kann der Verwalter selbst auftreten, Schriftsätze einreichen, Anträge formulie-

8.559

584 Saarländisches OLG, Beschl. v. 12.1.1998 – 5 W 9/97 – 8, 5 W 9/97, ZMR 1998, 310. 585 BayObLG, Beschl. v. 27.7.1976 – 2 Z 21/76, ZMR 1977, 345. 586 Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urt. v. 2.10.1987 – 4 D 144/86, NVwZ 1988, 1157 = NJW-RR 1988, 845. 587 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.12.1991 – 22 U 114/91, NJW-RR 1993, 470. 588 VG München, Beschl. v. 12.2.2008 – M 8 SN 08 211, Juris. 589 AG Wiesloch, Urt. v. 25.3.2011 – 5 C 4/11 WEG, ZWE 2011, 290 = NJW-RR 2011, 1581.

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Teil 8 Rz. 8.559

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

ren und Rechtsmittel ergreifen. Zweifelhaft dürfte es sein, dem Verwalter Gestaltungsrechte zuzuordnen, wozu auch gehören würde, einen Vergleich zu schließen. Der Verwalter hat nach außen die Vertretungsmacht und kann die Eigentümer verpflichten. Er muss für die interne Deckung versuchen, die von ihm vertretenen Eigentümer in die Entscheidung einzubinden. Vergleiche können widerruflich geschlossen und den beklagten Eigentümern zur Genehmigung vorgelegt werden.

8.560 Weil es nicht zum regelmäßigen Aufgabenbereich des Verwalters gehört, gerichtliche Verfahren für einen Dritten selbst zu führen, kann aus der gesetzlichen Regelung das Recht abgeleitet werden, dass er im Namen und in Vollmacht der beklagten Eigentümer, insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren, auch ohne ausdrücklichen Beschluss einen Rechtsanwalt beauftragen kann.590 Diese Vermutung wird durch § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG verstärkt, wonach der Verwalter berechtigt ist, ohne Rücksprache oder Beschlussfassung der Eigentümer eine Gebührenvereinbarung mit einem Rechtsanwalt herbeizuführen. Außerdem ist ab der zweiten Instanz ein Rechtsanwalt zwingend erforderlich, § 78 ZPO. Beauftragt der Verwalter einen Rechtsanwalt, vertritt dieser die übrigen Eigentümer, nicht den Verwalter, wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG enthält eine gesetzliche Vermutung, dass die Führung von Passivprozessen nach § 43 Nr. 1, 4 und 5 WEG eine objektiv erforderliche Maßnahme zur Nachteilsabwehr darstellt.591

8.561 Ungeachtet der gesetzlichen Vertretungsmöglichkeit durch den Verwalter ist jeder einzelne beklagte Eigentümer berechtigt, selbst bei Gericht in erster Instanz aufzutreten oder sich durch einen Rechtsanwalt dort vertreten zu lassen, was jedoch Auswirkungen auf den Anspruch auf Kostenerstattung haben kann, wenn die Beauftragung eines eigenen Anwalts rechtlich und wirtschaftlich nicht geboten erscheint. Die Vertretung der Beklagten durch den Verwalter wird sich dann auf die übrigen, nicht selbst oder durch einen Anwalt vertretenen Eigentümer beschränken. Das Vertretungsrecht des Verwalters endet mit seinem Amt.592

8.562 Nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG kommt es nur darauf an, ob die Maßnahme zur Abwendung von Nachteilen objektiv erforderlich ist. Es müssen nicht alle Eigentümer betroffen sein. Es genügt, wenn es um die Abwendung von Rechtsnachteilen für einzelne oder für eine unbestimmte Anzahl von Eigentümern geht, sofern nur die Maßnahme dem Aufgabenbereich des Verwalters überhaupt zuzuordnen ist. Selbst wenn eine Interessenkollision vorliegt, greift die Vorschrift und ermächtigt den Verwalter zum Handeln. Eine Einschränkung würde dem Zweck der Vorschrift widersprechen, der die Eigentümer in Fällen schützen soll, in denen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit eine Willensbildung durch eine Eigentümerversammlung nicht herbeigeführt werden kann. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn der Verwalter im Einzelfall gezwungen wäre, trotz drohenden Schadens von notwendigen Eilmaßnahmen abzusehen.593 c) Vertretung der Gemeinschaft bei Passivprozessen – § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG

8.563 § 27 Abs. 3 S. 1 WEG regelt das Vertretungsrecht des Verwalters für den Verband in Passivprozessen, der ohne entsprechende gesetzliche Vertretung rechtliche Nachteile erfahren 590 591 592 593

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AG Heidelberg, Urt. v. 9.4.2009 – 45 C 73/08, ZWE 2009, 266 = ZMR 2011, 72. LG Karlsruhe, Urt. v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZMR 2011, 588. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 11 Rz. 66. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717 = Wohnungseigentümer 1994, 142 = WE 1995, 375.

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.569 Teil 8

könnte. Die Vorschrift berechtigt nicht zur eigenmächtigen Führung von Aktivprozessen, sondern dient dem abwehrenden Schutz und der Verteidigung. Wenn der Verwalter Rechtsstreitigkeiten für den Verband führen kann, wird er gesetzlicher Prozessbevollmächtigter. In dieser Eigenschaft nimmt er unmittelbar Rechte für den Verband wahr und mittelbar für die Wohnungseigentümer, soweit der Verband als Prozessstandschafter der Eigentümer nach § 10 Abs. 3 WEG handelt. Das Recht für eine Notgeschäftsführung ergibt sich für den Verwalter immer dann, wenn nicht mehr genügend Zeit bleibt, eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Die Einhaltung gerichtlicher Rechtsmittelfristen kann ebenso bedeutsam werden, wie die Notwendigkeit zur Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens, um den Ablauf einer Frist zu verhindern.

8.564

Weil § 27 Abs. 3 S. 1 WEG den Verwalter nur berechtigt, den Verband zu vertreten, ist es im Eigeninteresse des Verwalters, durch eine (spätere) Beschlussfassung im Wege der Notgeschäftsführung ergriffene Maßnahmen genehmigen zu lassen.

8.565

2. Eilmaßnahmen durch den einzelnen Eigentümer Durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Notgeschäftsführung des Verwalters ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer jederzeit, auch dann, wenn die Einberufung einer Eigentümerversammlung zu langwierig wäre, selbst im akuten Schadensfall handlungsfähig. Für die Notgeschäftsführung einzelner Eigentümer besteht danach grundsätzlich kein Grund. Dies kann allerdings dann anders sein, wenn aus welchen Gründen auch immer der Verwalter nicht zu einem sofortigen Handeln in der Lage ist.

8.566

Die Pflichten des Verwalters in § 27 Abs. 1 bis 3 WEG sind gemäß § 27 Abs. 4 WEG als nicht abdingbar gesetzlich geregelt worden. Handelt ein Eigentümer statt des Verwalters, stellt sich nicht nur die Frage nach der Zurechenbarkeit und der Wirksamkeit des Handelns gegenüber den Miteigentümern.

8.567

Im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 2 WEG handelt ein Eigentümer zwangsläufig im Pflichtenkreis des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 WEG. Es besteht eine konkurrierende gesetzliche Ermächtigung, um eiligen Handlungsbedarf sicher abzudecken. Der Verband wird unmittelbar nicht verpflichtet.

8.568

Der handelnde Eigentümer hat nach § 21 Abs. 2 WEG Handlungsbefugnis, da der Verwalter tatsächlich nicht handlungsfähig ist.594 Die Vorschrift vermittelt kein Vertretungsrecht. Der Eigentümer wird gegenüber einem Unternehmer aus dem erteilten Auftrag selbst Vertragspartner und zahlungspflichtig. Deswegen stellt sich anschließend die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten durch den Verband. Ein Handeln des Verwalters verpflichtet den Verband dagegen direkt nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG.

8.569

Gerade wenn man in § 21 Abs. 2 WEG auch eine Pflicht zum Handeln sieht, entstehen durch die Erstattung von verauslagten Kosten an einen Eigentümer gemeinschaftliche Kosten, die nach § 16 Abs. 2 WEG bzw. nach dem vereinbarten Kostenschlüssel auf die Eigentümer umzulegen sind.

594 Bärmann/Becker, § 27 WEG Rz. 65.

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443

Teil 8 Rz. 8.570

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.570 Nachdem der BGH zunehmend die Entscheidungskompetenz der Gemeinschaft durch die Beschlussfassung betont,595 läuft der einzelne Eigentümer, der dieser aufgrund einer vermeintlichen Notlage zuwiderhandelt, Gefahr, die Kosten für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums nicht erstattet zu erhalten, sollte eine Notlage im Nachhinein vom Gericht verneint werden. Es bestehen dann weder Ansprüche auf Aufwendungsersatz noch solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag.596 Das Prognoserisiko liegt voll beim handelnden Eigentümer.597

8.571 Dies gilt auch dann, wenn Teile des Gemeinschaftseigentums irrtümlich als Sondereigentum angesehen werden und deshalb fälschlich eine Instandhaltungspflicht des einzelnen Eigentümers angenommen wird.598 a) Maßnahmen zur Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens – § 21 Abs. 2 WEG aa) Notlage

8.572 Für einen Notfall nach § 21 Abs. 2 WEG muss ein Schaden unmittelbar drohen und es muss zusätzlich einem Eigentümer unzumutbar sein, das Tätigwerden des Verwalters oder die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer abzuwarten.599

8.573 Umgekehrt bedeutet dies: Besteht eine Gefahr schon einige Zeit und ist die Situation dem Verwalter bereits bekannt oder haben die Wohnungseigentümer bereits darüber diskutiert, fehlt die nötige Eilbedürftigkeit und damit die Voraussetzung für eine Notgeschäftsführung.600 Deswegen hat der Notgeschäftsführer darzulegen, dass die Gefahrenbeseitigung dringend und unaufschiebbar geworden ist.601

8.574 Ist ein Schaden eingetreten und droht durch ein Zuwarten keine Verschlechterung, bleibt die Handlungsbefugnis allein bei den Eigentümern und dem Verwalter.602 Auch wenn der Verwalter eine Sanierung spontan abgelehnt hat, ist ein Eigentümer nicht befugt, die Sanierung in eigener Regie, rechtlich verpflichtend für die übrigen Eigentümer, in die Wege zu leiten. Vielmehr ist es nötig, unter Ausschöpfung der Instrumentarien des Wohnungseigentumsgesetzes Ansprüche durchzusetzen. Es kann ggf. mit gerichtlicher Hilfe gemäß § 21 Abs. 4 und § 43 Nr. 1 WEG eine außerordentliche Eigentümerversammlung erzwungen werden, wenn nicht erkennbar feststeht, dass eine Eigentümerversammlung sinnlos ist.603 Muss eine Sanierungsmaßnahme am Gemeinschaftseigentum erfolgen, ist das Ermessen der Eigentümer auf null reduziert. Droht dem gemeinschaftlichen Eigentum aber noch kein unmittelbarer Schaden, darf der einzelne Eigentümer noch nicht selbst tätig werden. Er muss bei Untätigkeit der Gemeinschaft und der übrigen Eigentümer deren Leistung gerichtlich einfordern.

595 596 597 598 599 600 601 602 603

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BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. BayObLG, Beschl. v. 28.8.2001 – 2Z BR 50/01, WuM 2002, 105 = ZWE 2002, 129. OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2001 – 4 W 286/01, OLGReport Celle 2002, 94 = ZWE 2002, 369. BayObLG, Beschl. v. 11.6.2001 – 2Z BR 128/00, ZWE 2001, 418. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris. AG Hannover, Beschl. v. 20.6.2005 – 71 II 88/05, ZMR 2006, 483.

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.582 Teil 8

Die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens stellt keine Notgeschäftsführung eines Eigentümers zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens i.S.v. § 21 Abs. 2 WEG dar, weil dieses Verfahren der vorsorglichen Beweiserhebung vor Beginn eines möglichen Prozesses dient, nicht aber der Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens.604 Jedoch ist der Verwalter zu Eilmaßnahmen im Rahmen des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG für die Eigentümer und des § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG für den Verband zur Beantragung eines Beweisverfahrens gesetzlich ermächtigt.605

8.575

Droht eine unmittelbare Gefahr, kann er ausnahmsweise die notwendigen Arbeiten durch eine Fachfirma ausführen lassen und von der Gemeinschaft Erstattung der angefallenen Kosten verlangen.606

8.576

bb) Abwendung des drohenden Schadens Im Rahmen der Notgeschäftsführung dürfen vom Eigentümer nur solche Maßnahmen veranlasst werden, die aufgrund der absoluten Eilbedürftigkeit unverzichtbar zur Vermeidung des Eintritts oder der Vertiefung eines bereits eingetretenen Schadens erforderlich sind. Es dürfen in der Regel nur solche Maßnahmen veranlasst werden, die den Eintritt des unmittelbar drohenden Schadens verhindern und die Gefahrenlage beseitigen.607

8.577

Die umfassende Schadenssanierung muss der Gemeinschaft überlassen bleiben, wenn die akute Gefahr mit vorläufigen Mitteln beseitigt werden kann. Ihr und dem Verwalter obliegt es, für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen.608

8.578

Veranlasst der Eigentümer die vollständige Schadensbeseitigung trotz der Möglichkeit provisorischer Maßnahmen, handelt er jedenfalls nicht im Rahmen der Notgeschäftsführung.

8.579

Wenn ein Wasserschaden droht und für das Dach sogar Einsturzgefahr besteht, ist eine in Auftrag gegebene Dachsanierung unter Umständen noch von der Notgeschäftsführung umfasst. Sie entsprach auch dann dem mutmaßlichen Willen der übrigen Wohnungseigentümer nach §§ 683, 670 BGB, wenn zuvor der Versuch einer schriftlichen Beschlussfassung gescheitert war.609

8.580

Keine Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG liegt vor, wenn zuvor ein Sachverständiger nachvollziehbar ausgeführt hat, dass die veranlassten Sanierungsarbeiten nicht zur Beseitigung von Durchfeuchtungen notwendig sind, sondern nur zu einer Verbesserung des Wärmedämmwertes führen.610

8.581

cc) Ansprüche auf Aufwendungsersatz Wurde eine drohende Gefahr durch Notgeschäftsführung abgewendet, hat der Eigentümer dadurch eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung durch-

604 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2Z BR 66/95, WuM 1995, 728 = WE 1996, 152 = NJWEMietR 1996, 36. 605 BayObLG, Beschl. v. 27.7.1976 – 2 Z 21/76, ZMR 1977, 345. 606 AG Hamburg, Urt. v. 21.9.2010 – 102D C 126/09, ZMR 2011, 168. 607 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311. 608 OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, WuM 2008, 110. 609 OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, WuM 2008, 110. 610 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 15.7.2009 – 2 W 28/09, ZMR 2010, 710.

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8.582

Teil 8 Rz. 8.582

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

geführt, wodurch gemeinschaftliche Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG entstanden sind.611 Diese Kosten trägt der Verband. Gegen diesen besteht ein Erstattungsanspruch.612

8.583 Eine anteilige Haftung der übrigen Eigentümer aus § 10 Abs. 8 S. 1 WEG ist nicht möglich, weil diese Vorschrift nur die Haftung der Wohnungseigentümer gegenüber Dritten betrifft.613 Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht zwingend, dass die anteilige Haftung nur gegenüber Außengläubigern gelten soll. Im dortigen S. 4 wird ausdrücklich die Innenhaftung angesprochen und auch auf den Miteigentumsanteil beschränkt, ohne den sonstigen internen Kostenverteilungsschlüssel zu beachten. Dennoch können als Gläubiger nur Personen angesehen werden, die nicht zugleich Miteigentümer sind.614 Sonst wird neben die differenzierten Regelungen zur internen Kostenverteilung zwischen den einzelnen Eigentümern im Wege von Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Sonderumlagen und entsprechender Beschlüsse ein paralleles Instrument zur internen Kostenverteilung geschaffen, das eventuell sogar die Kostenverteilung nach §§ 16, 21 WEG verhindert. Dies ist nicht Sinn der Regelung von § 10 Abs. 8 WEG.615 b) Geschäftsführung ohne Auftrag aa) Voraussetzungen für ein Handeln des Eigentümers – allgemein

8.584 Der einzelne Eigentümer ist nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich nur im Rahmen des § 21 Abs. 2 WEG berechtigt, Arbeiten im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums durchzuführen oder zu veranlassen. Ein Handlungsrecht als Ausnahme schafft § 22 Abs. 1 S. 2 WEG, solange die berechtigten Interessen der anderen Eigentümer nicht berührt werden. Schließlich können Arbeiten an Eigentümer delegiert werden, etwa die Überlagerung von Pflichten zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung an die Sondereigentümer, wie z.B. Erhaltungsmaßnahmen an Fenstern und Türen oder Hausreinigungsarbeiten, Räum- und Streupflichten. Im Übrigen ist es Aufgabe des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WEG, das Notwendige vorzubereiten, damit die Eigentümer geeignete Maßnahmen beschließen können, die er dann auszuführen hat, oder im Notfall selbst zu handeln. bb) Voraussetzungen für ein Handeln des Eigentümers – im Pflichtenkreis des Verwalters

8.585 Handelte ein Eigentümer in der Annahme, eine Notgeschäftsführung zu tätigen, lag objektiv eine solche aber nicht vor oder war die Maßnahme nicht geeignet, ist eine differenzierte Betrachtung nötig. Nur Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung dürfen nach § 21 Abs. 2 WEG veranlasst werden. Deshalb fallen bauliche Veränderungen regelmäßig nicht in diesen Anwendungsbereich. Wenn die Voraussetzungen der Notgeschäftsführung fehlen, entsteht auch kein Erstattungsanspruch gegen den Verband. Der tätige Eigentümer hat dann als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB gehandelt und bedarf der Genehmigung der Miteigentümer. Ansonsten findet eine Kostenerstattung nicht statt.616 611 OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.8.1996 – 5 W 112/96, OLGReport Oldenburg 1997, 51. 612 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311; OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, WuM 2008, 110. 613 OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, WuM 2008, 110. 614 OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, ZMR 2008, 321 = NJW-RR 2008, 534. 615 AG Charlottenburg, Urt. v. 30.4.2009 – 74 C 11/09, ZMR 2009, 954. 616 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624.

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Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.591 Teil 8

Ein einseitig durchsetzbarer Anspruch auf Kostenerstattung besteht selbst bei konkret gegebenem Handlungsbedarf nicht. Der BGH verneint eine Ermessensreduzierung der Gemeinschaft auf null und verneint eine Genehmigungspflicht selbst dann, wenn die Gemeinschaft ohnehin Handlungsbedarf hatte und dieser durch das Handeln des Miteigentümers erledigt wurde.617

8.586

Danach muss sich die Gemeinschaft nicht am Hergestellten festhalten lassen. Denn es ist zu vermuten, dass die Wohnungseigentümer dann, wenn kein Notfall vorliegt, selbst über den Handlungsbedarf entscheiden wollten. Deswegen entspricht die von einem einzelnen Eigentümer getroffene Maßnahme im Zweifel nicht dem mutmaßlichen Willen der anderen Wohnungseigentümer.618

8.587

cc) Ersatz der Aufwendungen – bei irrtümlich oder fehlerhaft angenommenem „Notfall“ Arbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum sind Aufgaben der Gemeinschaft, durchzuführen vom Verband, dieser vertreten durch den Verwalter. Erledigt ein einzelner Eigentümer diese Arbeiten in der Annahme, er müsse handeln, um eine drohende Gefahr oder einen Schadensfall zu verhindern, und liegt eine Handlungspflicht oder eine Gefahrenlage objektiv nicht vor, stellt sich die Frage nach der Erstattung entstandener Kosten.

8.588

Ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sollte nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich619 neben denkbaren Ansprüchen aufgrund einer Notgeschäftsführung bestehen und sollte nicht ausgeschlossen sein, wenn keine Notgeschäftsführung vorliegt.620 Dies sollte nur bei einem Handeln des Eigentümers trotz eines bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses, den seine Maßnahme missachtete, anders sein. Dann sollte kein Anspruch auf Ersatz bestehen.621

8.589

Sanierte ein Eigentümer sein Badezimmer im Sondereigentum und reparierte er dabei auch die Wasserleitungen im Gemeinschaftseigentum, konnten bei gleichzeitiger Durchführung beider Maßnahmen Erstattungsansprüche gegen den Verband aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB entstehen.622 Gleiches sollte gelten, wenn die Eigentümer die Maßnahme später durch Mehrheitsbeschluss genehmigten.623

8.590

Mit seiner Entscheidung vom 14.6.2019624 hat der BGH eine weitreichende Rechtsprechungsänderung vollzogen und vertritt nun die Auffassung, dass der Eigentümer, der (irrtümlich) auf seine Kosten das Gemeinschaftseigentum instand setzt, da er irrig davon ausgeht, er sei hierzu aufgrund der Teilungserklärung verpflichtet, selbst dann weder einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Aufwendungsersatz geltend machen kann, wenn

8.591

617 618 619 620 621 622 623 624

BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2001 – 4 W 286/01, OLGReport Celle 2002, 94 = ZWE 2002, 369. OLG München, Beschl. v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, WuM 2008, 110. BayObLG, Beschl. v. 4.11.1999 – 2Z BR 106/99, ZMR 2000, 187 = NZM 2000, 299 = ZfIR 2000, 379 = WE 2000, 271. BayObLG, Beschl. v. 1.8.2002 – 2Z BR 132/01, WuM 2002, 577. Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2000 – 2 Wx 62/95, WE 2000, 153. BayObLG, Beschl. v. 16.10.1997 – 2Z BR 106/97, BayObLGR 1998, 18 = Wohnungseigentümer 1998, 355 = WE 1998, 355. BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624.

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Teil 8 Rz. 8.591

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

die Durchführung der Maßnahme objektiv erforderlich ist. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften sei durch § 21 Abs. 4 WEG ausgeschlossen.625

8.592 Die entgegengesetzte Rechtsprechung des BGH,626 wonach dies jedenfalls bei zwingend erforderlichen Maßnahmen der Instandhaltung, bei denen das Ermessen der Eigentümer, die Instandsetzung zu beschließen, auf null reduziert sei, anders sein sollte, hält der BGH ausdrücklich nicht aufrecht.627

8.593 Einzig bei echter Notgeschäftsführung sollen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag etc. gemäß § 21 Abs. 2 WEG weiter denkbar sein.628

8.594 Ein Anspruch gegen den Verband auf Kostenerstattung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bestand schon zuvor nicht, wenn ein Eigentümer zur Sicherung eigener Gewährleistungsansprüche gegen den Bauträger ein Gerichtsverfahren wegen Mängeln am Dach einleitet, der Anspruch aber nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann. Dies galt auch dann, wenn die Miteigentümer im Erfolgsfall einen Vorteil von dem Verfahren gehabt hätten.629

8.595 Wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG nicht vorliegen, kann demnach nicht mehr auf die allgemeine Regelung in §§ 683 S. 1, 670 BGB zurückgegriffen werden. Kostenerstattungsansprüche des Eigentümers bei irrtümlicher Notgeschäftsführung bestehen nicht. Sie sind ausgeschlossen. c) Haftung des handelnden Miteigentümers

8.596 Für Schäden am Sondereigentum eines Wohnungseigentümers, die ihre Ursache im Gemeinschaftseigentum haben, haftet der Verband nur dann, wenn ihn am Auftreten der schadensursächlichen Mängel ein aktives Verschulden trifft oder es schuldhaft unterlassen wurde, für die rechtzeitige Beseitigung der Mängel Sorge zu tragen.630 Beauftragt der Verband durch den Verwalter einen Handwerker, haftet der Verband für einen Handwerkerfehler nicht wie für einen Erfüllungsgehilfen.631 Die bisherige gegenteilige Rechtsprechung632 ist überholt. Der BGH ist ihr nicht gefolgt.633 625 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. 626 BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = MDR 2016, 38 = ZMR 2016, 210 = ZWE 2016, 136; BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 = MDR 2015, 16 = NZM 2015, 53 = ZWE 2015, 88; BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 = ZMR 2018, 835 = NZM 2018, 611. 627 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. 628 BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = MDR 2016, 38 = ZMR 2016, 210 = ZWE 2016, 136; BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris = MDR 2019, 1120 = NZM 2019, 624. 629 LG Stuttgart, Urt. v. 18.11.1999 – 6 S 130/99, NZM 2000, 669. 630 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.3.2000 – 2 Wx 56/96, ZMR 2000, 480. 631 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = WuM 2018, 524 = ZMR 2018, 777 = BeckRS 2018, 15036. 632 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = ZMR 1992, 352 = WuM 1992, 389 = NJW-RR 1992, 1102. Ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 13.7.2006 – 2 W 32/06, NZM 2007, 46 = MDR 2007, 266 = NJW-RR 2007, 448 und Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2004 – 2 Wx 132/01, WuM 2005, 355 = ZMR 2005, 392 = OLGReport Hamburg 2005, 339. 633 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = WuM 2018, 524 = ZMR 2018, 777 = BeckRS 2018, 15036.

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Peter

Außerordentliche Maßnahmen und Notgeschäftsführung

Rz. 8.601 Teil 8

Der Verband haftet demnach auch nicht, wenn ein Eigentümer allein in berechtigter Notgeschäftsführung einen Dritten mit der Beseitigung der Gefahrenlage beauftragt und wenn der Dritte einen Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum oder am Sondereigentum verursacht.

8.597

Ein Wohnungseigentümer, der den über seinem Sondereigentum gelegenen Teil des Daches reparieren lässt, ohne dass eine Notgeschäftsführung veranlasst war, hat für ein Verschulden des von ihm beauftragten Werkunternehmers einzustehen, wenn hierdurch an dem Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers ein Schaden entstanden ist. Der geschädigte Wohnungseigentümer muss sich aber ein Verschulden des Werkunternehmers in der Regel selbst zu einem Bruchteil als Mitverschulden anrechnen lassen.634

8.598

3. Überschreitung der Notgeschäftsführung durch Verwalter und Eigentümer Sowohl der Verwalter als auch einzelne Eigentümer können irrtümlich oder absichtlich die Grenzen der Notgeschäftsführung überschreiten.

8.599

Der Verwalter macht sich in diesem Fall gegenüber der Gemeinschaft regresspflichtig. Er verletzt den Verwaltervertrag. Führt die Maßnahme zu einer individuellen Beeinträchtigung eines Sondereigentümers oder Sondernutzungsberechtigten, hat dieser gegen den Verwalter einen Individualanspruch auf Beseitigung der Störung, z.B. wenn durch eine neue Rohrführung ein Pkw-Stellplatz verkleinert wurde.635 Der Ersatzanspruch beschränkt sich aber auf die tatsächlichen Mehrkosten; er erfasst nicht Aufwendungen, die eine anderweitige Art der Maßnahme ohnehin verursacht hätte und auch von den Wohnungseigentümern nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung hätte festgelegt werden müssen.

8.600

Die Dringlichkeitsregel nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG umfasst nicht das Recht des Verwalters zur eigenmächtigen Vergabe eines Auftrags über Planung und Einleitung einer umfassenden Sanierung der Gebäudefassade. Dadurch entstandene Kosten sind vom Verwalter zu ersetzen, wenn die Eigentümer später eine andere Maßnahme beschließen.636 Hat der Verwalter derartig eigenmächtig gehandelt, ohne dass es erforderlich war, und dadurch Kosten erzeugt, die auch der Wirtschaftsplan nicht vorsah, kann aber eine nachträgliche Genehmigung der Verwaltertätigkeit angenommen werden, wenn die Gemeinschaft die Jahresabrechnung bestandskräftig beschließt, die diese Ausgaben enthält.637 Allerdings müssen die Ausgaben als solche in der Abrechnung erkennbar dargestellt gewesen sein, weil sich der Beschlusswille nur auf das Wahrgenommene bzw. Wahrnehmbare erstrecken kann. Abzustellen ist auf den Kenntnisstand der Eigentümer.638 Die angefallenen Kosten für nicht genehmigte Arbeiten können auch beim Verwalter bleiben.639

8.601

634 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = NZM 1999, 562 = NJW 1999, 2108 = ZWE 2000, 23. 635 KG, Beschl. v. 26.11.2001 – 24 W 20/01, KGR Berlin 2002, 65 ff. = ZWE 2002, 226 = Grundeigentum 2002, 601 = ZMR 2002, 546. 636 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, OLGReport Celle 2001, 129 = ZMR 2001, 642 = NJW-RR 2002, 303 = NZM 2002, 169. 637 OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, OLGReport Hamm 1997, 141 = ZMR 1997, 377 = ZfIR 1997, 347 = WE 1997, 314. 638 BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = WuM 2001, 301 = ZMR 2001, 558 = NZBau 2001, 320 = ZWE 2001, 263. 639 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311.

Peter

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Teil 8 Rz. 8.602

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.602 Das Handeln eines Eigentümers gegen den erklärten Willen der Miteigentümer, z.B. gegen einen bestandskräftigen Eigentümerbeschluss, ohne dass eine Notlage vorliegt führt zum Verlust des Anspruchs auf Ersatz der Auslagen, unabhängig davon ob die Voraussetzungen des § 679 BGB erfüllt sind oder nicht.640 Jede Notmaßnahme eines einzelnen Miteigentümers kann objektiv auf den jeweiligen Bedarf geprüft werden. Eigenmächtige Eingriffe ins Gemeinschaftseigentum erzeugen weder einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag noch nach denen einer ungerechtfertigten Bereicherung.641

8.603 Wer ohne Mehrheitsbeschluss der übrigen Eigentümer und ohne Zustimmung des Verwalters neue Fenster in seiner Wohnung einbaut, hat gegen die Gemeinschaft keinen Anspruch auf Ersatz der Einbaukosten, wenn durch ein Gutachten nachgewiesen wird, dass die „alten“ Fenster mit einem preisgünstigen Spezialfarbanstrich noch 6–8 Jahre dem gängigen Standard an Wärmeschutz entsprochen hätten.642

V. Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums 1. Abgrenzungsfragen

8.604 Sondereigentum ist in gemeinschaftliches Eigentum eingebettet. Es gibt kein Sondereigentum ohne gemeinschaftliches Eigentum, § 6 Abs. 1 WEG. Eingriffe in gemeinschaftliche Bauteile sind häufig nur bei völliger oder teilweiser Zerstörung von Teilen des Sondereigentums möglich, etwa die Herausnahme des Fliesenbelages auf dem Balkon, um zu der darunter befindlichen sanierungsbedürftigen Balkonplatte zu gelangen, oder der Ausbau des Parkettbodens, um einen Defekt an der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Fußbodenheizung zugänglich zu machen. § 14 Nr. 3 und Nr. 4 WEG schaffen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen sachgerechten Interessensausgleich.

8.605 Die Pflicht für die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums liegt gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG bei der Gemeinschaft. Der Verband übt nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG deren Rechte aus. Die anfallenden Kosten sind gemäß § 10 Abs. 7 S. 2 WEG vom Verband zu tragen. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Sondereigentümer verpflichtet ist, die in Bezug auf sein Sondereigentum anfallenden Kosten selbst zu übernehmen. Die Frage, ob der Verband, vertreten durch den Verwalter, handeln muss oder ob die Handlungspflicht beim einzelnen Eigentümer liegt, lässt sich nur beantworten, wenn im Einzelfall eine Zuordnung der betroffenen Bauteile zum Sondereigentum oder gemeinschaftlichen Eigentum erfolgt.

8.606 Die gesetzliche Abgrenzung von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum erfolgt in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WEG. Alle Teile eines Gebäudes,

640 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, Juris; anders noch BayObLG, Beschl. v. 1.8.2002 – 2Z BR 132/01, WuM 2002, 577, wenn die Voraussetzungen des § 679 BGB erfüllt sind. 641 BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17. Juris; AG München, Beschl. v. 9.7.1994 – UR II 6/92 WEG, Wohnungseigentümer 1995, 37. 642 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1995 – 16 Wx 192/94, OLGReport Köln 1995, 125 = WE 1995, 240 = ZMR 1995, 497.

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Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung

Rz. 8.612 Teil 8

– die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, – sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, können nicht Gegenstand des Sondereigentums sein, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden.

8.607

Die übrigen Gebäudeteile können dem Sondereigentum zugeordnet werden, wenn sie – räumlich eindeutig abgegrenzt

sind,643

§ 3 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 WEG und

– bei Begründung von Wohnungseigentum von den Bruchteilseigentümern gemäß § 3 Abs. 1 – oder vom aufteilenden Alleineigentümer nach § 8 Abs. 1 WEG – oder bei bestehender Gemeinschaft durch die Eigentümer zum Sondereigentum erklärt wurden, was nur durch Vereinbarung erfolgen kann. Die Zuordnung bedarf zur Wirksamkeit der Eintragung im Grundbuch, § 4 Abs. 1 WEG. Nach § 5 Abs. 1 WEG dürfen Sondereigentum nur solche Bestandteile des Gebäudes sein, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können,

8.608

– ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum verändert – oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt – oder die äußere Gestalt des Gebäudes verändert wird. Die in Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen häufig anzutreffende Aufzählung, welche Gebäudeteile zum Gemeinschaftseigentum oder zum Sondereigentum gehören sollen, ist nur insoweit gültig, wie sie den gesetzlichen Gestaltungsspielraum nach § 5 Abs. 1 und 2 bzw. § 3 Abs. 2 WEG nicht verlässt.

8.609

Bei der Abgrenzung von gemeinschaftlichem Eigentum und Sondereigentum kommt es nur auf die durch Bezugnahme zum Grundbuchinhalt gewordene Teilungserklärung mit Aufteilungsplan an.644 Wird ein Raum im Aufteilungsplan als Sondereigentum ausgewiesen, nicht aber in der Teilungserklärung, hat die Teilungserklärung den Vorrang.645

8.610

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Teil 11 verwiesen.

8.611

2. Eingriffsvoraussetzungen Die Verpflichtung eines Eigentümers, das Betreten seiner Wohnung zu gestatten, um erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen durchführen zu lassen, berührt den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Bei der Anwen643 BGH, Beschl. v. 14.2.1991 – V ZB 12/90, MDR 1991, 632 = ZMR 1991, 185 = BauR 1991, 359 = NJW 1991, 1611. 644 BayObLG, Beschl. v. 15.10.1991 – 2 Z 122/91, ZMR 1992, 65 = Wohnungseigentümer 1992, 74. 645 BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – 2 Z 36/91, WuM 1991, 609.

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8.612

Teil 8 Rz. 8.612

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

dung von § 14 Nr. 4 WEG ist die Bedeutung und die Tragweite des Grundrechts zu berücksichtigen.646

8.613 Um diesem massiven Eingriff gerecht zu werden, kann der duldungspflichtige Eigentümer die Gestattung eines Eingriffs von einer vorherigen Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn dadurch erhebliche Beschädigungen im Bereich des Sondereigentums zu erwarten sind.647 Dies wird aber nur gelten können, wenn die Gemeinschaft über keine oder keine ausreichende Instandhaltungsrücklage verfügt oder wenn in die Beschlussfassung zur Finanzierung einer Maßnahme kein hinreichender Betrag für den Ausgleich der Ersatzansprüche nach § 14 Nr. 4 WEG vorgesehen wird.

8.614 Nur soweit dies zur Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist, verpflichtet § 14 Nr. 4 WEG den Wohnungseigentümer, das Betreten der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten. Die Erforderlichkeit ist deswegen ggf. zu dokumentieren und von dem zu beweisen, der sich darauf beruft.

8.615 Auch wenn nur prüfend festgestellt werden soll, ob und welche Maßnahmen der Instandsetzung oder Instandhaltung nötig sind, ist ein Eigentümer verpflichtet, das Betreten seiner Wohnung zu gestatten. Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ausreichende Anhaltspunkte für die Notwendigkeit solcher Maßnahmen vorliegen.648

8.616 Davon ist z.B. auszugehen, wenn ein Sachverständiger aufgrund der in einer anderen Wohnung aufgetretenen Korrosionsschäden an Heizungsrohren zu dem Ergebnis gelangt, in der streitigen Wohnung würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls Korrosionsvorgänge ablaufen, die zu einem Wasserschaden führen werden.649 Weil der Verwalter verpflichtet ist, nach einem Schadensfall allen nach der Sachlage in Frage kommenden Schadensursachen nachzugehen, ist ein Eigentümer verpflichtet, dem Verwalter nach Ankündigung das Betreten seines Sondereigentums zu gestatten, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies zur Erforschung der Schadensursache erforderlich ist, etwa um den Zustand der wasserführenden Leitungsrohre in einer Wohnung zu prüfen, der möglicherweise zu den Feuchtigkeitsschäden geführt hat.650

8.617 § 14 Nr. 4 WEG setzt eine konkrete Erforderlichkeit voraus.651 Deswegen gibt die Vorschrift den übrigen Eigentümern noch kein Recht, den Zugang zu einer Wohnung Tag und Nacht zu verlangen, in der Gemeinschaftseinrichtungen, wie etwa eine Störmeldeanlage, für eine große Wohnanlage installiert sind. Auch mit den Treuepflichten aus der Gemeinschaft der Eigentümer lässt sich ein solcher abstrakter Anspruch nicht begründen.652 Die bloße Absicht, vorsorgliche Kontrollen durchzuführen, ob Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnah646 BayObLG, Beschl. v. 27.6.1996 – 2Z BR 16/96, BayObLGZ 1996, 146 = WuM 1996, 584 = MDR 1996, 1006 = FGPrax 1996, 179 = NJWE-MietR 1996, 229. 647 KG, Beschl. v. 10.2.1986 – 24 W 4146/85, ZMR 1986, 210 = NJW-RR 1986, 696 = = WuM 1987, 93; a.A. BayObLG, Beschl. v. 26.9.2003 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736. 648 BayObLG, Beschl. v. 27.6.1996 – 2Z BR 16/96, BayObLGZ 1996, 146 = WuM 1996, 584 = MDR 1996, 1006 = FGPrax 1996, 179 = NJWE-MietR 1996, 229. 649 BayObLG, Beschl. v. 21.1.1999 – 2Z BR 156/98, Grundeigentum 1999, 779 = ZfIR 1999, 927 = Wohnungseigentümer 2000, 74. 650 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.3.2000 – 2 Wx 31/98, ZMR 2000, 479 = WE 2000, 225. 651 OLG München, Beschl. v. 22.2.2006 – 34 Wx 133/05, OLGReport München 2006, 286 = ZMR 2006, 388 = NJW-RR 2006, 1022 = NZM 2006, 635. 652 BayObLG, Beschl. v. 28.2.1991 – 2Z 151/90, WuM 1991, 300.

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Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung

Rz. 8.621 Teil 8

men erforderlich sind, stellt keinen sachlichen Grund für ein Betretungsrecht des Verwalters dar.653 3. Duldungspflichten des Sondereigentümers Ein Eigentümer muss übermäßigen Zugriff auf sein Sondereigentum nicht dulden. Auch Vereinbarungen binden nicht immer. Eine Regelung ist nichtig, die dem Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage gestattet, ohne sachlichen Grund eine Wohnung zu betreten. Sie ist selbst dann mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung unvereinbar, wenn das Betretungsrecht zeitlich auf zwei Termine pro Jahr beschränkt ist.654

8.618

Ob ein Eigentümer verpflichtet ist, seine Wohnung zugänglich zu halten, um Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum zu ermöglichen, damit der Gemeinschaft aufwendige Gerüstaufbauten an der Außenseite des Gebäudes erspart werden, hängt vom Einzelfall ab. Ein Zugang ist wohl geschuldet, um z.B. Malerarbeiten am Balkon einer Wohnung durchzuführen. Wenn aber Schmutz und Schutt im Außenbereich, z.B. auf einer Terrasse oder an der Fassade, entstehen, wird es einem Eigentümer nicht zumutbar sein, für die Sanierungsarbeiten den Durchgang in seiner Wohnung zu gestatten.655

8.619

Immer ist ein Eigentümer verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums zu dulden, wenn von der Eigentümergemeinschaft bestandskräftig beschlossene Instandsetzungsmaßnahmen, etwa ein Fensteraustausch, durchgeführt werden sollen.656 Auch einem Sachverständigen, der in Ausführung eines gerichtlichen Beweisbeschlusses tätig wird, ist das Betreten des Sondereigentums zu gestatten. Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer selbst nicht Partei des Zivilrechtsstreits ist.657 Ein Eigentümer kann verpflichtet sein, einen auf Wartung/Kontrolle bzw. Notfälle beschränkten Zugang zu einem im Sondereigentum eines anderen Eigentümers stehenden Tankraum durch sein Sondereigentum zu dulden.658

8.620

Das Gesetz regelt nicht, wem der Zugang zu gestatten ist. Die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums ist gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG Pflicht der Wohnungseigentümer. Auch die Anordnung, dass und welche Maßnahmen durchzuführen sind, ist grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer. Zur Aufgabe des Verwalters gehört es festzustellen, ob und welche Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich sind und die Wohnungseigentümer über notwendige Maßnahmen zu unterrichten und deren Entscheidung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Er ist gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG nur in dringenden Fällen befugt, von sich aus tätig zu werden.659

8.621

653 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 24.11.2000 – 3 W 184/00, OLGReport Zweibrücken 2001, 193 = NZM 2001, 289 = ZMR 2001, 308 = FGPrax 2001, 62 = NJW-RR 2001, 730. 654 Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.11.2000 – 3 W 184/00, OLGReport Zweibrücken 2001, 193 = NZM 2001, 289 = ZMR 2001, 308 = FGPrax 2001, 62 = NJW-RR 2001, 730. 655 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2Z BR 66/95, WuM 1995, 728 = WE 1996, 152 = NJWEMietR 1996, 36. 656 OLG Celle, Beschl. v. 4.12.2001 – 4 W 313/01, ZMR 2002, 293. 657 Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.9.2001 – 2 Wx 82/01, OLGReport Hamburg 2002, 185 = ZMR 2002, 71 = ZWE 2002, 375. 658 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.9.2004 – 20 W 111/2004, 20 W 111/04, OLGReport Frankfurt 2005, 199. 659 BayObLG, Beschl. v. 14.6.1995 – 2Z BR 20/95, BayObLGR 1995, 65 = WuM 1995, 677 = WE 1996, 193 = NJWE-MietR 1996, 38.

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Teil 8 Rz. 8.622

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.622 Letztlich haben danach alle Beteiligten ein Zugangsrecht, deren persönliche Einsicht nötig ist, um die dargestellten Entscheidungswege zu fördern. Dazu gehören insbesondere der Verwalter, Sachverständige und Handwerker, aber auch Eigentümer, die ein berechtigtes Interesse haben, weil sie in der Entscheidungs- oder Durchführungsphase aktiv mitwirken, wie etwa Beiratsmitglieder, die von der Gemeinschaft beauftragt wurden, mit dem Verwalter zusammen Entscheidungen vorzubereiten oder Leistungen Dritter entgegen- oder abzunehmen. 4. Mitwirkungspflichten des betroffenen Eigentümers

8.623 Ein Zugangsrecht der Miteigentümer zum Sondereigentum verschafft auch § 14 Nr. 3 WEG für Fälle des zulässigen Gebrauchs. Insoweit regelt § 14 Nr. 4 WEG lediglich einen ergänzenden Sonderfall dieser Nr. 3.660 Beide Vorschriften schaffen eine Duldungspflicht, aber keine Handlungspflicht. Ein Eigentümer muss das Betreten und die Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Er ist aber nicht verpflichtet, dafür selbst Arbeiten mit erheblichem Zeitaufwand auf seine Kosten zu veranlassen oder vorzunehmen.661 Wenn ein Mieter dem Klempner den erforderlichen Zutritt zur Terrasse verweigert, hat er eine Pflicht zur Mitwirkung verletzt, was dem vermietenden Eigentümer gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist.662 Die Verletzung von Pflichten zur Mitwirkung können auch zusätzlich verschuldensabhängige Ersatzansprüche auslösen, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.663 5. Durchsetzung der Duldungs- und Mitwirkungsansprüche durch den Verwalter

8.624 Es gelten die allgemeinen Ablauf- und Kompetenzregeln, wonach der Verwalter wegen seiner nicht abdingbaren Verpflichtung nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG für die Instandhaltung zu sorgen hat, somit Handlungsbedarf erkennen, notfalls ermitteln muss. Bereits hier wird er in unmittelbare Konfrontation zu den betroffenen Eigentümern gestellt und hat die dargestellten Grenzen der Duldungspflichten der Sondereigentümer zu beachten und soll dennoch in Erfahrung bringen, welche Abhilfemaßnahmen nötig und möglich sind. Wenn die Eigentümer in der vom Verwalter einberufenen Versammlung beschlossen haben, wie mit den festgestellten Problemen umzugehen ist, hat der Verwalter die Beschlüsse auszuführen.

8.625 Hat der Verwalter eine (vermeintlich) unrechtmäßige Verweigerungshaltung eines Sondereigentümers festgestellt, muss er dies bei einer vorbereitenden Beschlussfassung berücksichtigen, weil nur dadurch die nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG erforderliche Ermächtigung herbeigeführt werden kann, Rechte ggf. auch aktiv für den Verband durchzusetzen. Ohne diese ausdrückliche Ermächtigung durch Beschluss der Eigentümer kann er allenfalls vorbereitend durch Fristsetzung eine Verzugslage herbeiführen.

660 BayObLG, Beschl. v. 14.2.2001 – 2Z BR 3/01, BayObLGZ 2001, 25 = NZM 2001, 384 = NJW-RR 2001, 801 = WuM 2001, 292 = ZMR 2001, 562. 661 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1995 – 2Z BR 66/95, WuM 1995, 728 = WE 1996, 152 = NJWEMietR 1996, 36. 662 AG Hamburg-Wandsbek, Beschl. v. 1.12.2005 – 715 II 128/04, ZMR 2006, 237. 663 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305 = FGPrax 2007, 260.

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Peter

Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung

Rz. 8.629 Teil 8

M 11 Verwalterermächtigung zur Durchsetzung von Duldungspflichten … Die Eigentümer beschließen folgende Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung. … Diese soll wie folgt finanziert werden. … Bei der Finanzierung wurden Kosten für mögliche Erstattungsansprüche nach § 14 Nr. 4 WEG i.H.v. … Euro eingeplant. Den Erstattungsbetrag kann der Verwalter im Einvernehmen mit dem Beirat und dem betroffenen Sondereigentümer bis höchstens … Euro festlegen. Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, den für die Maßnahme erforderlichen Zugang zum Sondereigentum … außergerichtlich, notfalls auch gerichtlich für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchzusetzen. Vorsorglich wird er auch ermächtigt, nach nutzloser Fristsetzung einen Rechtsanwalt auf Kosten der Gemeinschaft zu beauftragen. …

Der Verwalter hat dafür zu sorgen, dass der Zeitablauf der vorbereitenden und durchzuführenden Arbeiten zwischen den beteiligten Firmen und dem Sondereigentümer koordiniert wird. Nach Durchführung der Arbeiten sind von ihm die fälligen Zahlungen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG zu leisten, wozu auch die Schadensersatzleistungen nach § 14 Nr. 4 WEG gehören.

8.626

Kommt bei Anwendung des Beschlussvorschlages zwischen Verwalter und dem Beirat keine Einigung zu Stande, wie viel Schadensersatz zu zahlen ist, oder erklärt sich der Sondereigentümer mit der angebotenen Höhe nicht einverstanden, kann der Verwalter zur Klaglosstellung den Teil ausbezahlen, auf den man sich geeinigt hat. Der Eigentümer kann die Zahlung unter dem Vorbehalt, noch eine Restforderung zu haben, entgegennehmen. Hinsichtlich der streitigen Resthöhe wäre erneut in der Gemeinschaft spätestens in der nächsten Versammlung eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen, die der Verwalter entsprechend vorbereitet. Verweigern die Miteigentümer weitere Zahlungen, müsste der betroffene Eigentümer seine vermeintlichen Ansprüche ggf. gerichtlich gegen die Gemeinschaft nach § 43 ff. WEG geltend machen.

8.627

6. Wiederherstellungs-, Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinschaft Ein Eigentümer kann die ordnungsmäßige Wiederherstellung seines Sondereigentums vom 8.628 Verband verlangen.664 Zu ersetzen sind Substanz und Folgeschäden.665 A.A. ist wohl das OLG Frankfurt, wonach Schadensersatz- und Aufopferungsansprüche des Wohnungseigentümers im Rahmen von § 14 Nr. 4 WEG nur bei Beschädigung des Sondereigentums entstehen.666 Nach einem Mietausfall, weil Baumaßnahmen innerhalb seines Sondereigentums ausgeführt werden, die zur Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum erforderlich sind, kann Erstattung nach § 14 Nr. 4 WEG verlangt werden.

664 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 13.7.2006 – 2 W 32/06, OLGReport Schleswig 2006, 697 = NZM 2007, 46 = MDR 2007, 266 = NJW-RR 2007, 448. 665 OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 144/06, OLGReport München 2007, 829 = MDR 2007, 1305 = FGPrax 2007, 260. 666 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.7.1989 – 20 W 411/88, OLGZ 1989, 422 = Wohnungseigentümer 1989, 178.

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8.629

Teil 8 Rz. 8.630

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.630 Nach den Vorstellungen des BGH667 kann es einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn der Eigentümer ein von ihm selbst bewohntes Haus infolge eines direkten Eingriffs in das Eigentum vorübergehend nicht benutzen kann, auch ohne dass ihm hierdurch zusätzliche Kosten entstehen oder Einnahmen entgehen. Das BayObLG668 hat die Grundsätze dieser Rechtsprechung auf eine Terrasse einer Dachwohnung und auf den Anspruch eines Eigentümers nach § 14 Nr. 4 WEG übertragen und die vom BGH entwickelten Voraussetzungen für den Ersatz eines solchen Schadens, der im Grenzbereich von Vermögens- und Nichtvermögensschaden liegt, übernommen. Der Ersatz komme nur in Frage,

8.631 – wo es um die Nutzung von Wirtschaftsgütern von zentraler Bedeutung für die eigene Lebenshaltung geht; – wenn es sich um Sachen handelt, auf deren ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für seine Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist; – wenn der Ersatz für Verluste des eigenen Gebrauchs grundsätzlich den Fällen vorbehalten bleibt, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.

8.632 Diese Voraussetzungen können auch bei Terrassen und Vorgärten einer Wohnung, insbesondere auch bei der Terrasse einer Dachterrassenwohnung gegeben sein. Bei Terrassen und Gärten vor Räumen, die freiberuflich oder gewerblich genutzt werden, treffen sie nach Auffassung des BayObLG aber nicht zu.669

8.633 Wenn das Sondereigentum bei der Benutzung gemäß § 14 Nr. 4 WEG für Instandsetzungsarbeiten des gemeinschaftlichen Eigentums in einen nachteiligen Zustand versetzt und nach Abschluss der Arbeiten in diesem Zustand belassen wird, sind die Kosten zur Beseitigung dieses Zustandes zu ersetzen.670

8.634 Ein Schadensersatzanspruch besteht, wenn Fliesen671 auf der Balkonoberfläche zerstört werden müssen,672 um die Balkonplatte darunter zu sanieren.673 Werden durch ein Baugerüst für Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum Pflanzen des Sondernutzungsberechtigten beschädigt oder zerstört, so besteht ein Anspruch auf Entschädigung entsprechend § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG.674

8.635 Kein Ersatzanspruch soll bestehen, wenn zuvor der Eigentümer eigenmächtig und ohne Zustimmung der Gemeinschaft Fliesen auf einem Balkon verlegt, also eine bauliche Veränderung vorgenommen hat.675 Diese Meinung kann dann nicht überzeugen, wenn der Balkon gemäß 667 BGH, Urt. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 = MDR 1987, 109 = VersR 1986, 1103 = NJW 1987, 50. 668 BayObLG, Beschl. v. 6.2.1987 – 2Z 93/86, BayObLGZ 1987, 50 = Wohnungseigentümer 1987, 58 = ZMR 1987, 227. 669 BayObLG, Beschl. v. 19.5.1994 – 2Z BR 135/93, BayObLGZ 1994, 140 = ZMR 1994, 420 = NJWRR 1994, 1104 = Grundeigentum 1994, 1185 = Wohnungseigentümer 1994, 114. 670 BayObLG, Beschl. v. 6.2.1987 – 2 Z 93/86, BayObLGZ 1987, 50 = Wohnungseigentümer 1987, 58 = ZMR 1987, 227. 671 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 30.3.2006 – 2 W 191/05, ZMR 2006, 963. 672 LG Frankfurt, Beschl. v. 16.11.1987 – 2/9 T 846/87, ZMR 1989, 271. 673 LG Köln, Beschl. v. 7.2.1997 – 29 T 176/94, NJWE-MietR 1997, 280. 674 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2005 – 3 Wx 140/05, OLGReport Düsseldorf 2006, 220 = ZMR 2006, 459 = FGPrax 2006, 104. 675 LG Köln, Beschl. v. 20.2.2001 – 29 T 190/00, ZMR 2001, 921.

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Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung

Rz. 8.642 Teil 8

Vorgabe in der Teilungserklärung im Sondereigentum steht. Dann kann keine bauliche Veränderung i.S.v. § 22 WEG stattgefunden haben, weil diese Norm nur Maßnahmen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums erfasst. Der Sondereigentümer kann mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, also auch fliesen, § 13 Abs. 1 WEG. Der Ersatzanspruch nach § 14 Nr. 4 WEG knüpft an die Beschädigung des Sondereigentums an. Verdienstausfall des betroffenen Eigentümers ist als Schaden nur dann zu erstatten, wenn der Wohnungseigentümer nicht durch andere unentgeltliche oder Kosten sparende Maßnahmen ausreichende Vorsorge zur Bewachung seines Eigentums treffen konnte.676

8.636

Vorübergehende Nutzungsbeeinträchtigungen einer Wohnung, die sich ergeben, weil ein anderer Eigentümer in erlaubter Weise das Dachgeschoss ausbaut, stellen regelmäßig keinen nach § 14 Nr. 4 WEG erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.677

8.637

7. Durchsetzung von Ansprüchen Die Durchsetzung von Ansprüchen aus § 14 Nr. 4 WEG richtet sich entweder

8.638

– gegen den Verband (Beklagter), wenn Schadensersatz vom Eigentümer (Kläger) nach Beschädigung des Sondereigentums geltend gemacht wird,

8.639

– oder gegen einen (oder mehrere) Eigentümer (Beklagter), wenn der Verband (Kläger) die Duldung bestimmter Maßnahmen innerhalb des Sondereigentums verlangt. Im Vorfeld solcher Streitigkeiten kann es Anfechtungsklagen nach § 46 WEG geben, mit dem Ziel, mehrheitlich beschlossene Maßnahmen gerichtlich für ungültig erklären zu lassen, deren Vollzug also zu verhindern.

8.640

Werden diese Ansprüche rechtshängig, gehören sie zur Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nach § 43 Nr. 1, 2 oder 4 WEG. Aus einem dort erstrittenen Urteil kann die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage der ZPO betrieben werden.

8.641

a) Ansprüche des Eigentümers gegen die Gemeinschaft Damit der Eigentümer Ersatzansprüche gerichtlich geltend machen kann, muss ein Anspruch und ein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden sein, soll eine ungünstige Kostenregelung vermieden werden. Regelmäßig wird dies durch Herbeiführung einer Verzugslage geschaffen. Die Aufforderung zur Zahlung an den Verband erfolgt gegenüber dem Verwalter, der zur Entgegennahme der Aufforderung und zur Zahlung gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 4 WEG vom Gesetz ermächtigt ist und dabei als Vertreter des Verbandes handelt.678 Zahlt der Verwalter für den Verband innerhalb einer angemessenen Frist eine geschuldete Entschädigung nicht, gerät der Verband in Verzug. Hierbei ist § 286 Abs. 4 BGB zu beachten. Auch wenn der Verwalter nach außen zur Vertretung des Verbands ermächtigt ist und zahlen kann, ist noch nicht geklärt, ob er mit Willen der Eigentümer zahlen darf. Ein Verzug des Verbands durch zurechen-

676 KG, Beschl. v. 28.7.1999 – 24 W 9125/97, KGR Berlin 2000, 115 = WuM 2000, 85 = NZM 2000, 284 = ZMR 2000, 335 = ZWE 2000, 273. 677 KG, Beschl. v. 21.1.1998 – 24 W 5061/97, KGR Berlin 1998, 142 = ZfIR 1998, 308 = Grundeigentum 1998, 555 = ZMR 1998, 369 = WuM 1998, 430 = WE 1998, 377. 678 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 71 ff.

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8.642

Teil 8 Rz. 8.642

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

bares Verhalten des Verwalters wird nicht vorliegen, wenn dieser sich baldmöglichst durch Beschluss der Eigentümer anweisen lässt.

8.643 Wenn mangelhaftes Gemeinschaftseigentum nicht oder nicht schnell genug repariert wurde, kann kein Schadensersatz nach § 14 Nr. 4 WEG verlangt werden. Voraussetzung dieses Ersatzanspruchs ist, dass die Schäden durch oder in Verbindung mit den Arbeiten am Gemeinschaftseigentum entstanden sein müssen.679 Die durch einen unverschuldeten Wassereinbruch entstandenen Folgeschäden sind nicht nach § 14 Nr. 4 WEG zu erstatten. Der verschuldensunabhängige Anspruch wurde nur für einzelne, bestimmte Mangelfolgeschäden durch gewollten Eingriff geschaffen, das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten. Hätte der Gesetzgeber darüber hinausgehend auch für sonstige Mangelfolgeschäden eine solch verschuldensunabhängige Haftung statuieren wollen, hätte es nahe gelegen, § 14 Nr. 4 2. Hs. WEG weiter zu fassen. Das gilt umso mehr, als die Norm im Rahmen der Reform des WEG unverändert blieb.680 Kann ein Eigentümer wegen Sanierung des Gemeinschaftseigentums sein Sondereigentum nicht nutzen und muss deswegen eine Ersatzwohnung anmieten, so ist die Eigentümergemeinschaft zur Erstattung des Mietzinses für die Ersatzwohnung verpflichtet. Dies gilt auch, wenn Sanierungsarbeiten ruhen und das ausführende Sanierungsunternehmen insolvent geworden ist. Wird das gesamte Sondereigentum zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums benötigt, so fängt die „Benutzung“ des Sondereigentums i.S.d. § 14 Nr. 4 WEG nicht erst mit Beginn der Sanierungsarbeiten an, sondern bereits zum Zeitpunkt vorausgehender Vorbereitungen. Da der Entschädigungsbetrag aus dem Verwaltungsvermögen zu erbringen ist und nach dem Verteilungsschlüssel in der betreffenden Jahresabrechnung auf alle Eigentümer und damit auch auf den Anspruchsteller umgelegt wird, muss sich dieser seinen eigenen Kostenanteil nicht anrechnen lassen.681

8.644 Verweigern die Eigentümer mehrheitlich einen geforderten Ersatzanspruch ganz oder teilweise, kann der Eigentümer die zurückgewiesene Forderung nach § 21 Abs. 8 WEG gegen den Verband direkt gerichtlich einfordern. Der Negativbeschluss der Eigentümer kann, muss aber nicht zugleich gerichtlich angefochten werden. Die kurzen Fristen nach § 46 WEG müssen deswegen nicht eingehalten werden.682 Das Wohnungseigentumsgericht ist berechtigt, den angemessenen Schadensersatz in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO zu schätzen.683

8.645 Eine Forderung eines Eigentümers aus § 14 Nr. 4 WEG kann in aller Regel nicht mit Forderungen des Verbands aufgerechnet werden. Auch hat der Eigentümer kein Zurückbehaltungsrecht. Dies gilt selbst dann, wenn die Gemeinschaftsforderung ihren Rechtsgrund in einem Sonderumlagebeschluss gerade für die Maßnahme hat, aus der ein Eigentümer seinen Schadensersatzanspruch gemäß § 14 Nr. 4 WEG herleitet.684

8.646 Von den vorstehenden Anspruchskonstellationen zu unterscheiden ist der Fall, dass durch beauftragte Dritte -Bauunternehmer, Handwerker oder Architekten etc.- ein Schaden am

679 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.9.2008 – 20 W 347/05, ZWE 2009, 123 = ZMR 2009, 382. 680 LG München, Urt. v. 14.12.2009 – 1 S 9716/09, ZMR 2011, 62. Ebenso LG Itzehoe, Urt. v. 1.6.2010 – 11 S 70/09, ZWE 2010, 329 = ZMR 2010, 792. 681 AG Hamburg, Urt. v. 30.6.2010 – 102B C 20/09, ZMR 2011, 249. 682 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129. 683 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2005 – 3 Wx 140/05, OLGReport Düsseldorf 2006, 220 = ZMR 2006, 459 = FGPrax 2006, 104. 684 OLG München, Beschl. v. 30.1.2007 – 34 Wx 128/06, NZM 2007, 335 = ZMR 2007, 397 = OLGReport München 2007, 374 = NJW-RR 2007, 735.

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Eingriff in das Sondereigentum zur Instandsetzung

Rz. 8.648 Teil 8

Sondereigentum verursacht wird. Hier ist die Gemeinschaft nicht schadensersatzpflichtig.685 Ansprüche bestehen aus dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nur gegen den Bauunternehmer, Handwerker oder Architekten.686 b) Ansprüche der Gemeinschaft gegen einen Eigentümer Ein Eigentümer hat Sanierungsmaßnahmen aufgrund eines Beschlusses der Eigentümerversammlung zu dulden. Stört der duldungspflichtige Eigentümer dennoch die Arbeiten, so kommt grundsätzlich eine Regelung durch einstweilige Verfügung in Betracht. Gegenanträge sind im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig, soweit durch sie die Hauptsache vorweggenommen würde.687

8.647

Der Duldungsanspruch nach § 14 Nr. 4 WEG steht dem Verband zu und kann nicht ohne Ermächtigung von einem einzelnen Eigentümer gegen einen anderen Eigentümer verfolgt werden.688 Auch der Verwalter kann solche Ansprüche im Namen des Verbands oder im eigenen Namen nur dann gerichtlich geltend machen, wenn er hierzu von den Wohnungseigentümern durch Eigentümerbeschluss ermächtigt ist.689

8.648

Ein Klageantrag an das Gericht,690 gerichtet auf die Ermittlung einer Schadensursache könnte wie folgt lauten:

M 12 Klageantrag auf Zutrittsduldung zur Schadensuntersuchung … Der Beklagte hat bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu … Euro und für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu … Wochen zu dulden, dass nach rechtzeitiger Ankündigung seine Wohnung … von der Verwaltung oder einem sonst von dieser schriftlich bevollmächtigten Vertreter sowie dem Hausmeister und dem beauftragten Handwerker … werktags in der Zeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr oder von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr betreten wird, damit a) … durch geeignete Untersuchungsmethoden festgestellt werden kann, ob das durch sein Sondereigentum verlaufende (z.B. gemeinschaftliche Rohr …) instandsetzungsbedürftig ist, und gegebenenfalls b) … dieses (… Rohr) instand gesetzt werden kann. Der mit dem Handwerker vereinbarte und so für diese Arbeiten vorgesehene Termin ist dem Beklagten spätestens 1 Woche vorher schriftlich anzukündigen. …

685 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 686 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = WuM 2018, 524 = BeckRS 2018, 15036. 687 LG Berlin, Urt. v. 15.6.2010 – 85 S 74/09 WEG, ZMR 2010, 978 = ZWE 2011, 181. 688 KG, Beschl. v. 10.2.1986 – 24 W 4146/85, ZMR 1986, 210 = NJW-RR 1986, 696 = Grundeigentum 1986, 799 = WuM 1987, 93. 689 BayObLG, Beschl. v. 14.6.1995 – 2Z BR 20/95, BayObLGR 1995, 65 = WuM 1995, 677 = WE 1996, 193 = NJWE-MietR 1996, 38. 690 BayObLG, Beschl. v. 21.1.1999 – 2Z BR 156/98, Grundeigentum 1999, 779 = ZfIR 1999, 927 = Wohnungseigentümer 2000, 74.

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Teil 8 Rz. 8.649

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

VI. Veränderungen bei der Kostenverteilung 8.649 Es entspricht dem generellen Gerechtigkeitsempfinden der Eigentümer, anfallende Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums dem zuzuweisen, der die Kosten überwiegend verursacht oder das Ergebnis nutzt. Die strenge Vorgabe in § 16 Abs. 2 WEG a.F. hat Abweichungen von dem Grundsatz der Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen nur zugelassen, wenn diese vereinbart waren. Der Gesetzgeber hat den Eigentümern inzwischen größere Flexibilität zugestanden. Sie können nach § 16 Abs. 4 WEG im Einzelfall für Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung und für bauliche Veränderungen durch einen doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschluss die Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 und Abs. 6 WEG regeln. Der Beschluss entspricht dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der neue, von der gesetzlichen Vorgabe oder von einer Vereinbarung abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Eigentümer Rechnung trägt. Zugleich sollte durch eine doppelte Hürde in Form besonderer Mehrheiten sichergestellt werden, dass die Abweichungen von den gesetzlichen Kostenverteilungsvorgaben nicht so leicht unterlaufen werden. 1. Anwendungsbereich des § 16 Abs. 4 WEG

8.650 Dauerhafte Veränderungen bzgl. der Kostentragung von Maßnahmen der Instandsetzung und Instandhaltung bedürfen der Vereinbarung. Oft sind sie in der Gemeinschaftsordnung geregelt.

8.651 Sieht eine solche Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung die Übertragung der Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht auf den Sondereigentümer vor, bedeutet dies im Zweifel auch, dass er die Kosten hierfür zu tragen hat.691

8.652 Unterscheidet die Vereinbarung zwischen Instandsetzung und Instandhaltung und weist sie nur die Pflicht zu Letzterer dem Sondereigentümer zu, hat er auch nur die Kosten hierfür, nicht jedoch die der Instandsetzung zu tragen. Die diesbezüglichen Kosten sind dann von „allen Eigentümern“ zu tragen.692

8.653 Entsprechende Vereinbarungen müssen klar und eindeutig sein, sonst verbleibt es bei den gesetzlichen Regelungen.693

8.654 Die Möglichkeit einer besonderen Kostenverteilung durch qualifizierte Mehrheit eröffnet sich für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung, für bauliche Veränderungen oder Aufwendungen i.S.v. § 22 Abs. 1 und 2 WEG.

8.655 § 16 Abs. 4 WEG will jedoch allenfalls die Änderung der Kostenverteilung im Einzelfall ermöglichen. Generelle Änderungen können nicht mehrheitlich, auch nicht durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss geregelt werden. Derartige Beschlüsse wären nichtig. Der Wortlaut des § 16 Abs. 4 WEG lässt wiederkehrende neue Einzelfallregelungen durch entsprechend qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse zu, die Rechtsprechung zieht jedoch enge Grenzen. 691 BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = ZMR 2017, 256 = DWE 2017, 30 = NZM 2017, 602 = BeckRS 2016, 115082. 692 BGH, Urt. v.- 9.12.2016 – V ZR 124/16, MDR 2017, 449 = WuM 2017, 224 = ZWE 2017, 216 = ZMR 2017, 412 = BeckRS 2016, 116509. 693 LG München I, Urt. v. 6.7.2017 – 36 S 17680/16, ZMR 2017, 923.

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Veränderungen bei der Kostenverteilung

Rz. 8.660 Teil 8

So wurde der Anwendungsspielraum des § 16 Abs. 4 WEG insbesondere durch den BGH dergestalt eingeschränkt,694 dass die Eigentümer bei der Bestimmung eines Kostenverteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 4 WEG zwar ein nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen haben dieses jedoch bereits überschritten ist, wenn der Kostenverteilungsschlüssel nicht durch den in der Vorschrift genannten Gebrauchsmaßstab, sondern von anderen Gesichtspunkten bestimmt wird. Ein Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG entspricht zudem nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die für den Einzelfall beschlossene Änderung des Kostenverteilungsschlüssels einen Anspruch der betroffenen Wohnungseigentümer auf Gleichbehandlung in künftigen Fällen auslöst und so den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unterläuft. Ein solcher Verstoß führt aber nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses.

8.656

2. Materieller Prüfungsmaßstab der abweichenden Kostenregelung Jeder Beschluss der Eigentümer muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bei einer Regelung im Einzelfall nach § 16 Abs. 4 WEG der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Eigentümer Rechnung trägt. Der von den Eigentümern ausgewählte neue Kostenverteilungsschlüssel darf nicht beliebig ausgewählt werden. Er darf insbesondere nicht auf sachfremden oder gar rechtswidrigen Erwägungen beruhen Ziel der Regelung ist eine gerechte und billige Kostenverteilung und der Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 GG.

8.657

Die Sonderregelung des § 16 Abs. 4 WEG ermöglicht somit eine dritte Variante der gesetzlichen Kostenverteilung:

8.658

– § 16 Abs. 2 WEG geht davon aus, dass jeder Eigentümer das gemeinschaftliche Eigentum nutzen kann. Dafür soll er anteilige Kosten tragen. – § 16 Abs. 6 S. 1 WEG ordnet an, dass nur der Kosten einer baulichen Veränderung tragen muss, der zugestimmt hat. Ohne Zustimmung ist er nicht zahlungspflichtig.695 – § 16 Abs. 4 WEG ermöglicht es, die Kosten an das Maß der Nutzung anzupassen. Soweit die Eigentümer den neuen Kostenverteilungsschlüssel am Gebrauch oder an der Möglichkeit des Gebrauchs orientieren, haben sie bei der Festlegung der Einzelheiten einen Ermessensspielraum. Eine Pauschalierung ist ebenso möglich wie eine ins Detail gehende Kostenabstufung. Traditionelle rechtlich fehlerhafte Kostenzuweisungen können legitimiert werden.

8.659

Eine Kostenverteilung nach § 16 Abs. 4 WEG entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der abgeänderte Kostenverteilungsschlüssel dem Gebrauch gerecht wird. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nicht nur nach dem tatsächlichen Gebrauch der von der Instandsetzung oder Instandhaltung betroffenen Teile, Anlagen und Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Eigentümer, sondern auch nach der Gebrauchsmöglichkeit. Damit soll zum einen Verteilungsgerechtigkeit erreicht und zum anderen der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung konkretisiert werden.696

8.660

694 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = ZWE 2010, 362 = ZMR 2010, 866. 695 BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 95 = WuM 2012, 218 = NZM 2012, 174 = ZMR 2012, 213. 696 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887, S. 24.

Peter

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Teil 8 Rz. 8.661

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

8.661 Als Maßstäbe kommen z.B. die tatsächliche Gebrauchshäufigkeit und die Gebrauchsmöglichkeit sowie die Anzahl der davon profitierenden Personen in Betracht. So können die Eigentümer beschließen, dass Kosten für die Instandsetzung der gemeinschaftlichen Balkone nur und in dem Umfang auf Sondereigentümer verteilt werden, wie diese Balkone bzw. Balkonflächen haben.697 3. Qualifizierte Mehrheit als Voraussetzung

8.662 Die doppelt qualifizierte Mehrheit nach § 16 Abs. 4 WEG erfordert besondere Mehrheiten in zwei Richtungen:

8.663 1. Die Stimmen von drei Viertel aller stimmberechtigten Eigentümer gemäß § 25 Abs. 2 WEG. Es sind nicht nur die in der Versammlung anwesenden Eigentümer zu berücksichtigen. Die erforderliche Mehrheit von drei Viertel errechnet sich aus allen Eigentümern. Das Gesetz gibt auch vor, mit welcher Stimmkraft jeder Eigentümer ausgestattet ist. Er hat eine Stimme, unabhängig davon, wie viele Sondereigentumseinheiten ihm gehören. Ist ein Eigentümer gemäß § 25 Abs. 5 WEG oder nach vereinbarten Vorgaben nicht stimmberechtigt, darf er bei der Beschlussfassung nicht berücksichtigt werden. Dadurch kann sich ein zusätzliches Erschwernis ergeben, die erforderliche Mehrheit zu erreichen.

8.664 2. Die zustimmenden Eigentümer müssen mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile haben. Dadurch wird verhindert, dass ein Eigentümer, dem der größere Teil des gemeinschaftlichen Eigentums zusteht, durch einige wenige Eigentümer zur Kostentragung verpflichtet werden kann. Beispiel: Hält der Bauträger von zwölf Einheiten noch neun, könnte er wegen des Kopfteilprinzips – ohne Erfordernis einer bestimmten Anzahl der Miteigentumsanteile – von den übrigen drei Eigentümern zu einer Kostentragung verpflichtet werden. 4. Risiken und Gefahren a) Formale Fehler und ihre Folgen

8.665 Die Gefahr, dass bei der Abstimmung zum doppelt qualifizierten Mehrheitsbeschluss formale Fehler gemacht werden, ist groß. Nach gerichtlicher Anfechtung führt ein solcher Fehler zur Aufhebung des Beschlusses, wenn er sich als kausal für das Abstimmungsergebnis erweist. Sind nicht drei Viertel aller Stimmen für den Beschluss abgegeben worden oder wurden von den zustimmenden Eigentümern nur die Hälfte der Miteigentumsanteile oder weniger gehalten, sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein Beschluss hätte nicht als zu Stande gekommen verkündet werden dürfen. Er entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Mangel ist dann kausal für das Ergebnis.

8.666 Dies bietet Chancen für den Eigentümer, der anfechten will. Zugleich entstehen Risiken für die Eigentümer, die auf das verkündete Abstimmungsergebnis vertrauen, und für den Verwalter, dem die Kosten einer Anfechtungsklage nach § 49 Abs. 2 WEG auferlegt werden können, wenn der Fehler ein grobes Verschulden darstellt. Deswegen muss sich der Verwalter vorbereiten, wenn er als Versammlungsleiter eine solche Abstimmung organisiert. Er muss wissen:

697 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZMR 2010, 542 = NJW 2010, 2129.

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Peter

Veränderungen bei der Kostenverteilung

Rz. 8.673 Teil 8

8.667

– Wie viele Stimmen sind erforderlich? – Wie viele Eigentümer sind persönlich oder durch Vollmacht anwesend? – Welcher Eigentümer ist vom Stimmrecht ausgeschlossen? – Wie viele Miteigentumsanteile hat ein Eigentümer, der an der Abstimmung teilnimmt oder eine Vollmacht erteilt hat? – Es muss eine namentliche oder durch Stimmzettel entsprechend vorbereitete Abstimmung erfolgen, damit eindeutig die Anzahl der Stimmen und die Höhe der Miteigentumsanteile erfasst werden. Um später einem Vorwurf der falschen Auswertung zu entgehen und Beweis führen zu können, sollte der Versammlungsleiter die notierten Zählergebnisse zumindest solange aufbewahren, bis die gesetzliche Frist von einem Monat gemäß § 46 WEG für eine Anfechtungsklage abgelaufen ist. Wird ein fehlerhafter Beschluss nicht gerichtlich angefochten, wird er bestandskräftig und wirksam.698 Er ist nicht nichtig.

8.668

b) Zweitbeschlussproblematik Grundsätzlich können die Eigentümer einen Beschluss durch einen neuen Mehrheitsbeschluss verändern. Diese Möglichkeit entfällt, wenn infolge der Durchführung des Beschlusses Vertrauen auf die Fortgeltung des Beschlusses entstanden ist und durch Eigentümer entsprechende Dispositionen getroffen wurden. Von großem Interesse ist, ob diese von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben zur Zulässigkeit eines Zweitbeschlusses auch bei der Änderung der Kostenverteilung Anwendung finden.

8.669

Die teilweise diskutierte Fragestellung, ob ein Eigentümer, der auf der Basis des beschlossenen neuen Kostenverteilungsschlüssels das Sondereigentum vermietet hat, Vertrauensschutz genießt, wenn er mit dem Mieter diese Art der Kostenverteilung und Kostenübernahme vereinbart habe, ist letztlich ohne Relevanz, da § 16 Abs. 4 WEG nur eine besondere Kostenverteilung für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung, für bauliche Veränderungen oder Aufwendungen i.S.v. § 22 Abs. 1 und 2 WEG eröffnet. Solche Kosten sind jedoch grundsätzlich keine Betriebskosten und daher nicht durch eine generelle vertragliche Regelung auf den Mieter abzuwälzen. Hier können nur tatsächlich anfallende Kosten mittels der gesetzlich normierten Mieterhöhungsbegehren eingefordert werden, wobei auch nur tatsächlich anfallende Kosten herangezogen werden können.

8.670

Das Argument dem vermietenden Eigentümer sei es unter Umständen weitgehend möglich, die Abrechnung der Gemeinschaft für die Abrechnung mit dem Mieter zu verwenden, der Abrechnungsaufwand sei für den vermietenden Eigentümer erheblich vermindert, liegt danach neben der Sache.

8.671

Es spricht daher einiges dafür, dass sich der vermietende Eigentümer in Zukunft bei Änderung des Verteilerschlüssels auf kein besonderes Vertrauen berufen können wird.

8.672

Eine weitere Alternative der Zweitbeschluss-Problematik hat der BGH zu Lasten der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 4 WEG geklärt. Da die Kosten für Maßnahmen der Instandhal-

8.673

698 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = WuM 2010, 522 = ZWE 2010, 362 = ZMR 2010, 866.

Peter

463

Teil 8 Rz. 8.673

Instandhaltung, Instandsetzung, bauliche Veränderungen und Modernisierung

tung oder Instandsetzung und für bauliche Veränderungen oder Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 und 2 WEG nur für den Einzelfall geregelt werden dürfen, war zu erwarten, dass die Eigentümer für jeden Einzelfall im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung beschließen und die Kosten abweichend von § 16 Abs. 2 WEG neu regeln können. Um willkürliche Entscheidungen auszuschließen, wäre denkbar gewesen, entsprechend dem Vertrauensschutz nach einem Erstbeschluss zu fordern, dass die Eigentümer die eingeschlagene Linie beibehalten müssen.

8.674 Weisen beispielsweise die Eigentümer einer Wohnanlage mit 3 Häusern die Kosten für die erforderliche Sanierung eines Daches nur den Eigentümern zu, die dort Sondereigentum haben, könnte eine Bindung eintreten. Bei der nötigen Sanierung eines anderen Daches kann verlangt werden, in gleicher Weise zu verfahren. Es müssen immer den Eigentümern des Hauses die Kosten zugewiesen werden, dessen Dach saniert wird.

8.675 Der BGH sieht dies anders.699 Ein Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG soll gar nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn die für den Einzelfall beschlossene Änderung des Kostenverteilungsschlüssels einen Anspruch der betroffenen Wohnungseigentümer auf Gleichbehandlung in künftigen Fällen auslöst und so den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unterläuft.

8.676 Hieraus folgt nach anfänglicher Euphorie über die neuen Möglichkeiten, eine weitreichende Verunsicherung bei Verwaltern und Eigentümern, in welchen Fällen § 16 Abs. 4 WEG derzeitig überhaupt noch angewendet werden kann. Wenn es einem anderen Eigentümer gelingt, einen Anspruch auf Gleichbehandlung zu konstruieren, muss geraten werden, keine Kostenregelung für den Einzelfall herbeizuführen, um ein Anfechtungsrisiko zu vermeiden. c) Qualifizierte Mehrheit – keine Voraussetzung für Wirksamkeit des nicht angefochtenen Beschlusses

8.677 Kommt die vom Gesetz geforderte doppelte qualifizierte Mehrheit nicht zu Stande und wird dennoch vom Versammlungsleiter ein Mehrheitsbeschluss verkündet, wird dieser bestandskräftig, wenn keine Anfechtungsklage erhoben wird.700 Die fehlende Qualifikation ist ein Fehler auf dem Weg zum Beschluss. Der Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Er ist deswegen anfechtbar, aber nicht nichtig,701 weil die Beschlusskompetenz gesetzlich geschaffen wurde. Nach einer Anfechtungsklage wird ein solcher Beschluss für ungültig zu erklären sein.

699 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = WuM 2010, 522 = ZWE 2010, 362 = ZMR 2010, 866. 700 BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 164/09, BGHZ 186, 51 = WuM 2010, 522 = ZWE 2010, 362 = ZMR 2010, 866. 701 LG München, Urt. v. 20.9.2010 – 36 S 12740/10 WEG, ZWE 2011, 102 = ZMR 2011, 322.

464

Peter

Teil 9 Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

II. Entscheidungstabelle . . . . . . . . . . .

9.3

4. Verantwortlichkeiten und Aufgabenübertragung im Arbeitsschutzrecht . 9.56

III. Die unübersichtliche Rechtslage . .

9.4

5. „Vorgreifender“ Arbeitsschutz . . . . . 9.57

IV. Das System des technischen Sicherheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . .

9.6

V. Überwachungsbedürftige Anlagen und überprüfungs- sowie eichpflichtige Anlagen und Geräte . . . .

9.8

VIII. Duales Arbeitsschutzsystem in Deutschland: Staatliches Recht und Recht der Unfallversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.61

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

VII. Normen und Standards . . . . . . . . . . 9.58

1. Grundsätze zu überwachungsbedürftigen Anlagen . . . . . . . . . . . . . 9.8 a) Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen . . . . . . . . . . 9.9 b) Zur Prüfung befähigte Person . . . 9.11 c) Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS) . . . . . . . . . . . . . . . 9.15 d) Ordnungswidrigkeiten und Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . 9.16 2. Aufzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich BetrSichV . . b) Prüfung und „besondere Verpflichtungen“ . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 3. Kehr- und überprüfungspflichtige Feuerungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfungen und Prüfperson . . . . . c) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . d) Ordnungswidrigkeiten und Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . .

1. Unfallversicherungsträger . . . . . . . . . 9.61 2. Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger . . . . . . . . . 9.63 3. Arbeitsschutz lohnt sich . . . . . . . . . . 9.64 IX. Verkehrssicherungspflichten (Eröffnung von Verkehr, Überwachung von Gefahrenquellen) . . . 9.65 1. Grundlagen der Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . 9.65

9.19 9.20

2. Geschützter Personenkreis . . . . . . . . 9.67

9.21 9.24

3. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 9.68 4. Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . 9.69

9.28 9.29 9.30 9.32

5. Umfang der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.70

9.34 9.35

7. Einzelne Entscheidungen zu Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . a) Reinigungsarbeiten . . . . . . . . . . . b) Streu- und Kehrpflichten . . . . . . c) Rolltore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Elektroleitungen . . . . . . . . . . . . .

4. Trinkwasserversorgung . . . . . . . . . . 9.36 5. Eichpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.42 VI. Eröffnung des Anwendungsbereichs des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsschutzverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.48 1. Grundpflichten im Arbeitsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.49 2. Konkretisierungen des Arbeitsschutzgesetzes durch Verordnungen und Technische Regeln . . . . . . . . . . . 9.51 3. Konkretisierung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten durch die Gefährdungsbeurteilung . . . . . . . . . 9.54

6. Träger der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.71 9.76 9.76 9.77 9.78 9.80

X. Informationsmöglichkeiten über „Stand der Technik“, Technische Regeln, UVT-Vorschriften und Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.81 1. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin . . . . . . . . . . . . . 9.82 2. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung sowie Sozialversicherung für Gartenbau, Landwirtschaft und Forsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.83 3. Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.84

Felz

465

Teil 9 Rz. 9.1

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

4. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik . . . . . . . . . . . 9.85

XI. Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. . . . . 9.87

5. Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.86

XII. Verzeichnis besonderer Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.88

I. Einleitung 9.1 Rechtliche Pflichten im Bereich der technischen Sicherheit von Arbeitsstätten, Maschinen, Betriebsmitteln oder Anlagen können sich für die Wohnungseigentümergemeinschaft und den Verwalter durch drei Tatbestände ergeben: – Betreiben einer überwachungsbedürftigen Anlage (z.B. eines Aufzugs) oder von sonstigen überprüfungspflichtigen Anlagen (z.B. Heizungsanlagen); – Anstellung eines Beschäftigten (z.B. Hausmeister); – Verkehrssicherung des Gebäudes und baulicher Anlagen.1

9.2 Es ist eine spannende, aber noch nicht endgültig geklärte Frage, wer bei einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Pflichten, die bestimmte Handlungsweisen vorschreiben, konkret von den Behörden und Gerichten in Anspruch genommen werden kann. Die in der folgenden Tabelle dargestellten gerichtlichen Entscheidungen zeigen, dass alle an einer Eigentümergemeinschaft Beteiligten von Behörden und Gerichten mit Maßnahmen überzogen werden könnten. Einzelne Entscheidungen sind durchaus als rechtlich „problematisch“ zu bewerten und lassen teilweise auch ein wohnungseigentumsrechtliches Grundverständnis vermissen. Gerade deshalb müssen aber alle Organe und Beteiligten des Wohnungseigentums damit rechnen, im Fokus der Behörden zu stehen. Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft, die Eigentümergemeinschaft selbst, die einzelnen Eigentümer und die Eigentümer in ihrer Gesamtheit sollten sich hierauf einstellen.

II. Entscheidungstabelle 9.3 Die Entscheidungen zur Verantwortlichkeit des Verwalters, der Wohnungseigentümergemeinschaft oder des einzelnen Eigentümers sind chronologisch geordnet. Die Entscheidungen mit den laufenden Nummern 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 11, 14, 16, 17 und 20 beschäftigen sich mit der Verantwortlichkeit des Verwalters, die Entscheidungen 4, 8, 15, 18, 19, 21 und 22 mit der Verantwortlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und die Entscheidungen mit den Nummern 6, 12, 13, 23 und 24 mit der Verantwortlichkeit des einzelnen Eigentümers.

1 Irsigler, Rechtssicherheit für Gebäudebetreiber. Wiederkehrende Prüfungen, Berlin 2013; Gsell, Die Bedeutung technischer Normen, des Stands der Technik und des verkehrsüblichen Zustands bei der Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen, WuM 2011, 491 ff.; Schmid, Technische Regeln, Verkehrssicherungspflicht und Kostentragung, VersR 2013, 293 ff.

466

Felz

Entscheidungstabelle

Laufende Nr. 1

Gerichte

Rz. 9.3 Teil 9

Inhalte

Das AG hatte den Verwalter einer Eigentümergemeinschaft wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Eichgesetz) zu einer Geldbuße verurteilt. Der Verwalter sei Bayerisches Oberstes Landes- dafür verantwortlich, dass nicht geeichte Zähler gericht (München) in der Eigentümergemeinschaft verwendet worBayObLG, Beschl. v. 28.4.1982 – den seien. In der WEG waren Rohrleitungen 3 Ob OWi 8/82 vorhanden, die von dem gemeinschaftlichen Heizöltank in die Wohnungen führten, um BayObLGSt 1982, 54 deren Heizanlagen mit Heizöl zu versorgen. MDR 1982, 956 Das BayObLG hat die Rechtsbeschwerde des BayVBl 1982, 507 Verwalters zurückgewiesen. Es liege ein Verstoß GewArch 1983, 38 gegen das Eichgesetz vor, weil die (Öl-)Leitungen, für die keine geeichten Zähler verwendet worden seien, innerhalb der Eigentümergemeinschaft zu geschäftlichen Zwecken verwendet worden seien. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht komme es bei einer solchen Verendung nicht an. Amtsgericht München

AG München, Urt. v. 18.9.1981 – 71 OWi 334 Js 11938/81

2

Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 3.3.1994 – 11 B 2566/93 Juris

Es ging um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Zwangsgeldfestsetzung). Die der Zwangsgeldfestsetzungsverfügung zugrunde liegenden Ordnungsverfügung war bestandskräftig geworden. Nachdem gegen den Verwalter ein Zwangsgeld festgesetzt worden war, versuchte dieser mit dem Argument, die Ordnungsverfügung sei nichtig, die Zwangsgeldverfügung anzugreifen. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb ohne Erfolg. OVG: Rechtlich nicht unbedenklich sei die Ordnungsverfügung der Behörde insoweit, als sie von dem Verwalter fordere, ein Gutachten über die Standfestigkeit der Fassade des Objekts der Eigentümergemeinschaft einzuholen, damit die Behörde prüfen könne, ob ein Einschreiten notwendig sei und welche Maßnahmen erforderlich und geeignet seien, um wieder ordnungsgemäße Zustände zu bewirken. Das OBG NW und die BauO NW ermächtigten die Bauaufsichtsbehörden zwar, Maßnahmen zur Beseitigung oder zum Abstellen baurechtswidriger Zustände zu treffen, nicht jedoch, dem Bauherrn aufzugeben, ein Gutachten darüber erstellen zu lassen, ob sein Vorhaben noch standsicher ist oder nicht. Dieser – mögliche – Mangel der Ordnungsverfügung sei jedoch weder besonders schwerwie-

Felz

467

Teil 9 Rz. 9.3 Laufende Nr.

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gerichte

Inhalte gend noch offenkundig, so dass er nicht die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge habe. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG (a.F.) verleiht dem Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage ein eigenes, selbständiges Recht, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, zur Beseitigung der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, erforderlichen Maßnahme zu treffen. Dazu gehören auch außergewöhnliche Reparaturen größeren Umfangs. Er kann sie im eigenen Namen vergeben und aus der Instandsetzungsrücklage bezahlen. Notfalls kann er eine außerordentliche Umlage erheben. Aus dem Umstand, dass der Verwalter ein eigenes, selbständiges Recht hat, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ergibt sich auch, dass er aufgrund dieser Handlungsbefugnis als Störer in Anspruch genommen werden kann.

3

In der vor dem Amtsgericht verhandelten StrafAG Mettmann, Urt. v. 17.5.1994 sache war ein Verwalter einer Eigentümergemeinschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung – 8 Ls 8 Js 1355/91, (durch Unterlassung) angeklagt, weil das GaraDWE 1995, 167 genrolltor nicht mehr dem letzten technischen (Anm. Drasdo, DWE 1995, 167) Stand entsprach und ein Kind beim Spielen in dieses Rolltor geraten war. AG Mettmann

Der Verwalter wurde freigesprochen, weil – so das Gericht – gesetzliche Regelungen, die die Strafbarkeit begründen könnten, nicht existierten. 4

Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 21.2.2008 – 7 B 107/08 Juris

Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage) ging es um die feuerpolizeiliche Anordnung eines provisorischen zweiten Rettungsweges in Form von Gerüsttürmen; diese Anordnung war gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft ergangen. OVG: Angesichts der konkreten Gefahren für die Bewohner im Falle eines Brandes besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, die Gefahrensituation unmittelbar zu beseitigen. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn in einem Fall, in dem die Brandsicherheit einer baulichen Anlage – insbesondere die sichere Möglichkeit, bei einem Brand die Rettung von Menschen zu ermöglichen – in Frage steht und deshalb Gegenstand einer Ordnungsverfügung

468

Felz

Entscheidungstabelle

Laufende Nr.

Gerichte

Rz. 9.3 Teil 9

Inhalte ist, die Behörde die Brandsicherheit schon für die Dauer des anhängigen Hauptsacheverfahrens ohne Eingehung von Kompromissen durch geeignete Maßnahmen durchsetzt. Maßgeblich für diese Einschätzung ist die Erkenntnis, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss und dass demzufolge der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, nur einen Glücksfall darstellt, dessen Ende jederzeit möglich ist.

5

AG Düsseldorf AG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2008 – 302 OWi – 90 Js 4536/07 – 241/07 ZMR 2008, 741

Durch Bußgeldbescheid war dem Verwalter einer Eigentümergemeinschaft ein Verstoß gegen das Eichgesetz zur Last gelegt worden: Es waren für eine Wohnungseigentümergemeinschaft Wasserzähler verwendet worden, die nicht mehr geeicht waren. Das AG hat es dahinstehen lassen, ob es zu den in § 27 WEG festgelegten Aufgaben und Befugnissen des Verwalters gehört, auf eine Eichung von Wasserzählern hinzuwirken. Es brauche auch nicht erörtert werden, ob der Verwalter eine Pflicht zur Beschlussanfechtung hatte, als die Eigentümerversammlung den ausdrücklichen Beschluss gefasst hatte, die vom Verwalter vorgeschlagene Maßnahme (Austausch der vorhandenen nichtgeeichten Wasserzähler) ablehnte. Das AG hatte am Bestehen solcher Verpflichtungen „bereits erhebliche Zweifel“, stellte darüber hinaus jedoch fest, „dass vorliegend schon gar kein ordnungswidriges Handeln im Sinne des Eichgesetzes vorliegt“. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EichG [a.F.] verbiete lediglich, ungeeichte Messgeräte im geschäftlichen Verkehr zu verwenden oder bereitzuhalten. Bei der Verwendung und Bereithaltung von Wasserzählern im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft und „der darauf fußenden Abrechnung innerhalb der Eigentümergemeinschaft handelt es sich aber gerade nicht um geschäftlichen Verkehr im Sinne der Vorschrift“. Wenn es die Eigentümerversammlung für ausreichend erachte, „auf der Basis ungeeichter Wasserzähler den Gesamtverbrauch bzw. die darauf fußende Verteilung nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel abzurechnen, handelt es sich um eine Maßnahme ohne Außenwirkung“.

Felz

469

Teil 9 Rz. 9.3 Laufende Nr. 6

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gerichte

Inhalte

Mit Ordnungsverfügung verpflichtete die Behörde eine Wohnungseigentümerin, das Wasser des zur Eigentümergemeinschaft gehörenden OVG Münster, Urt. v. 16.9.2008 Schwimmbades monatlich durch ein Fachlabor – 13 A 2489/06 auf bestimmte, im Einzelnen genannte ParameZMR 2009, 242 ter untersuchen zu lassen und die Untersuchungsbefunde an die Behörde zu übersenden. Zugleich wurde ein Zwangsgeld angedroht. Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster)

Diese Verfügung wurde aufgehoben. Das Schwimmbecken sei kein Schwimm- oder Badebecken im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG. Erfasst würden von dieser Vorschrift Schwimmund Badebeckenwasser in Gewerbebetrieben, in öffentlichen Bädern sowie in sonstigen nicht ausschließlich privat genutzten Einrichtungen. Dass es sich bei dem Schwimmbecken der Klägerin nicht um ein Becken in einem Gewerbebetrieb oder in einem öffentlichen Bad handelt, liege auf der Hand. Nach Auffassung des Senats stelle das Schwimmbad aber auch keine „nicht ausschließlich privat genutzte Einrichtung“ im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG dar. 7

Verwaltungsgericht Düsseldorf Der Kläger ist Miteigentümer und zugleich VerVG Düsseldorf, Urt. v. 13.2.2009 walter einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Er erhielt von der Behörde in seiner – 25 K 7918/08 (Juris) Funktion als Verwalter eine Ordnungsverfügung, wonach ihm aufgegeben wurde, sämtliche Brandlasten aus dem Treppenhaus zu entfernen, wie u.a. im Erdgeschoss Teppiche und Heizung, im ersten Obergeschoss Kleiderbügel, Holztruhe, Schuhschrank, Schirmständer, Gardine, Blumengestell und die Teppiche, im Dachgeschoss Teppiche, Bilderrahmen und die Deko auf dem Fensterbrett, sowie die aufgebrachten Beläge aus Teppich auf den Treppenstufen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde dem Verwalter ein Zwangsgeld angedroht. Die Klage blieb vor dem VG erfolglos. Der Kläger ist zu Recht als Störer in Anspruch genommen worden, meint das VG. Der WEGVerwalter ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG berechtigt, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen; hiernach ist er befugt, brandschutzrechtliche Anforderungen zu erfüllen. Wegen dieses eigenen Rechts und aufgrund der Handlungsbefugnis kann er als Störer in Anspruch genommen werden.

470

Felz

Entscheidungstabelle

Laufende Nr.

Gerichte

Rz. 9.3 Teil 9

Inhalte Als Störer wären auch die beiden übrigen Wohnungseigentümer zusammen mit dem Verwalter in seiner Eigenschaft als Wohnungseigentümer, ebenso auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche in Betracht gekommen. Die Behörde habe sich dafür entscheiden können, den Verwalter in Anspruch zu nehmen, da er auf die Anhörung als erster geantwortet und sich in seiner Eigenschaft als Verwalter gemeldet hatte. Ein Vorgehen gegen die drei Eigentümer mit drei selbständigen Ordnungsverfügungen und selbständigen Vollstreckungsverfahren zur Gefahrenabwehr wäre nicht effizienter gewesen.

8

Verwaltungsgericht Köln VG Köln, Urt. v. 27.1.2009 – 2 K 245/08 (Juris)

Die Eigentümergemeinschaft streitet mit der Kreisbehörde über die Notwendigkeit der Einrichtung eines Sicherheitstreppenraums in dem achtgeschossigen Teil des Gebäudes der Wohnungseigentümergemeinschaft. VG: Die in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene Anordnung, das vorhandene Treppenhaus zu einem Sicherheitstreppenraum auszubauen und damit den fehlenden baulichen zweiten Rettungsweg für die Wohnungen oberhalb des Erdgeschosses zu ersetzen, hat ihre Rechtsgrundlage in § 87 Abs. 1 BauO NRW. Sollten die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vorliegen, ist die Ordnungsverfügung jedenfalls auf der Grundlage des § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 BauO NRW rechtmäßig.

9

Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 15.4.2009 – 10 B 304/09 WuM 2009, 428 NJW 2009, 3528 ZMR 2010, 78

Die Inanspruchnahme des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Sicherstellung des Brandschutzes im Bereich des Gemeinschaftseigentums durch eine Ordnungsverfügung (hier: Freihalten des Treppenhauses) ist nicht zu beanstanden, hat das OVG im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden. Der wohnungseigentumsrechtliche Begriff der Instandhaltung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG) umfasst auch die Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Die aus Gründen des Brandschutzes geforderte Beseitigung von Gegenständen aus dem Bereich eines notwendigen Rettungsweges kann nicht nur mit der Brennbarkeit der Gegenstände begründet werden, sondern auch damit, dass sie im Brandfall den Durchgang für Retter und Bewohner des Hauses erschweren. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die nutzbare Breite des Rettungsweges unter Berücksichtigung der vor-

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Teil 9 Rz. 9.3 Laufende Nr.

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gerichte

Inhalte handenen Gegenstände die Anforderungen der §§ 36 Abs. 5, 38 Abs. 2 BauO NRW (2006) erfüllt.

10

Verwaltungsgericht Düsseldorf Mit Ordnungsverfügung gab eine Behörde der VG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2010 Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft unter Anordnung der sofortigen – 25 K 3682/10 Vollziehung auf, sämtliche Garagentore in der ZWE 2011, 29 Tiefgarage dauerhaft in geöffneter Position festzusetzen, die in den Einstellboxen gelagerten GeZMR 2011, 338 genstände und Materialien mit Ausnahme derer, die an ein Kraftfahrzeug montiert werden können, zu entfernen und die Boxen zukünftig dauerhaft von unzulässig gelagerten Gegenständen und Materialien freizuhalten. Für den Fall der Nichtbefolgung wurden ein Zwangsgeld von t 500 je verschlossenes Garagentor und ein Zwangsgeld von t 500 je Tiefgaragenstellplatz (bei Lagerung unzulässiger Gegenstände) angedroht. VG: Die Verwalterin ist zu Recht als Störerin in Anspruch genommen worden. Eine WEG-Verwalterin hat aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ein eigenes, selbständiges Recht, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zur Beseitigung der Störung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, und kann aufgrund dieser Handlungsbefugnis auch als Störer in Anspruch genommen werden. Auch wenn die Garagenboxen (und die Garagentore) jeweils im Sondereigentum stehen, ändere sich daran nichts. Denn nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ist der Verwalter auch berechtigt, in dringenden Fällen sonstige zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Maßnahmen zu treffen; § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WEG gibt ihm diese Berechtigung auch im Außenverhältnis. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG sind erfüllt, denn die geforderten Maßnahmen, die insgesamt wirksame Löscharbeiten sicherstellen sollen, dienen mittelbar der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Dies folgt zum einen daraus, dass schon die Tiefgarage selbst zum wesentlichen Teil in Gemeinschaftseigentum steht, und zum anderen – wesentlich – daraus, dass drei der Wohnhäuser der WEG unmittelbar an die Tiefgarage angrenzen und im Brandfall gefährdet sind.

472

Felz

Entscheidungstabelle

Laufende Nr. 11

Rz. 9.3 Teil 9

Gerichte

Inhalte

Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster)

Erfolgloser Antrag eines Verwalters einer Eigentümergemeinschaft im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage).

OVG Münster, Beschl. v. 28.1.2011 – 2 B 1495/10

OVG: der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft sei selbst ordnungspflichtig, NVwZ-RR 2011, 351 sofern die Gefahr von einem im GemeinschaftsZMR 2011, 425 eigentum stehenden Gebäudeteil (hier: GaraVgl. auch OVG Münster, Beschl. gentore vor den im Sondereigentum stehenden Pkw-Stellplätzen in einer Tiefgarage) ausgeht. v. 28.1.2011 – 2 B 1232/10 Die aus Gründen des Brandschutzes von der (Juris) Bauaufsichtsbehörde angeordnete Maßnahme stelle eine Maßnahme der laufenden Instandhaltung bzw. Instandsetzung dar. Die Behörde könne sich im Rahmen ihres Ermessens dafür entscheiden, den Verwalter und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche als Störer in Anspruch zu nehmen. ZWE 2011, 166

12

Die Klägerin ist Miteigentümerin in einer Eigentümergemeinschaft. Aufgrund von BeVG Arnsberg, Urt. v. 13.12.2011 schwerden eines anderen Miteigentümers gab – 4 K 2981/10 die Behörde durch Ordnungsverfügung der KläZWE 2012, 293 gerin auf, bis spätestens eine Woche nach ZuOberverwaltungsgericht für stellung der Verfügung die in dem Treppenhaus im 2. Obergeschoss vor der Wohnung abgestellte das Land NRW (Münster Möblierung wie (Schuh-)Schränke und SitzbänOVG Münster, Beschl. v. ke mit Polstern aus dem Treppenhaus zu entfer20.2.2013 – 2 A 239/12 nen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ein BauR 2013, 1261 Zwangsgeld in Höhe von t 250 angedroht. NVwZ-RR 2013, 678 Das VG meinte, die Entfernung solcher GegenVerwaltungsgericht Arnsberg

DVBl 2013, 936

stände könne aus Gründen des Brandschutzes gefordert werden, wenn sie die Sicherheit eines notwendigen Rettungsweges beeinträchtigen und damit zu einer Gefahr für eine bauliche Anlage werden. Das kann nicht nur mit der Brennbarkeit der Gegenstände, sondern auch damit begründet werden, dass sie im Brandfall den Durchgang für Retter und Bewohner des Hauses erschweren. Dabei ist im Hinblick auf die Vermeidung von Brandlasten nicht allein das Material und die Frage maßgeblich, ob der Gegenstand ein an anderer Stelle entstandenes Feuer aufnehmen, verstärken und weiterleiten oder bei Fehlfunktionen selbst einen Brand auslösen kann. Denn es liegt auf der Hand, dass auch ein nicht brennbarer Gegenstand aufgrund der in ihm gelagerten Textilien o.ä. Auslöser eines Brandes sein kann. Das VG hob die Ordnungsverfügung gleichwohl auf. Die Behörde hatte bei ihrer Ordnungsver-

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473

Teil 9 Rz. 9.3 Laufende Nr.

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gerichte

Inhalte fügung allein darauf abgestellt, dass die Gegenstände brennbar waren; sie hatte nicht konkret geprüft, ob und in welchem Umfang diese Möbel tatsächlich die Sicherheit des Rettungsweges beeinträchtigen. Bei der Forderung, Einrichtungsgegenstände zu entfernen, sei jedoch unabhängig von ihrem Material entscheidend, ob die Möglichkeit, sich in einem Rettungsweg ungehindert zu bewegen – etwa dadurch, dass Betroffene sich schnellstmöglich an den Wänden eines Treppenhauses entlang zum Ausgang begeben – durch Hindernisse eingeschränkt wird. Dies hätte von der Behörde geprüft und begründet werden müssen. Der Senat des OVG entschied jedoch nach Berufung der Behörde zu ihren Gunsten durch Beschluss nach § 130 a VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet hielt.

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Verwaltungsgericht Bayreuth VG Bayreuth, Urt. v. 7.11.2013 – 2 K 13.700 ZMR 2014, 329 ZWE 2015, 233

In dem bauaufsichtsrechtlichen Verfahren ging es darum, dass die Behörde Kenntnis von einer bevorstehenden Außerbetriebnahme einer Brandmeldeanlage erlangte, woraufhin sie durch Bescheid allen Wohnungseigentümern (nicht der Wohnungseigentümergemeinschaft) aufgab, eine Bescheinigung eines Prüfsachverständigen über die Wirksamkeit und Betriebssicherheit der Brandmeldeanlage vorzulegen. Das VG stellte fest, dass die Behörde eine fehlerhafte Störerauswahl getroffen hatte; zwar könnten auch die einzelnen Wohnungseigentümer – statt der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst – in Anspruch genommen werden, was aber einer „nachprüfbaren Begründung“ bedürfte. VG: In dem gerichtlich zu entscheidenden Fall manifestiert sich die rechtliche Störung nicht im Zustand einer baulichen Anlage, sondern in der Nichterfüllung von bestehenden Prüfpflichten als reinen Handlungspflichten, und sie betrifft mit den sicherheitstechnischen Anlagen im Gebäude nicht Sondereigentum eines einzelnen Wohnungseigentümers, sondern ausschließlich Einrichtungen, die im Gemeinschaftseigentum aller Wohnungseigentümer stehen. Nach dem WEG gibt es bei Wohnungseigentum aber für das Gemeinschaftseigentum differenzierte Verantwortlichkeiten, die die einzelnen Wohnungseigentümer, die Wohnungseigentümergemeinschaft oder eine etwa bestehende Verwaltung betreffen können. Besteht eine Ver-

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Rz. 9.3 Teil 9

Inhalte waltung, fällt die Erfüllung von Prüfpflichten für sicherheitstechnische Einrichtungen, die im Gemeinschaftseigentum stehen, nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG in den Verantwortungsbereich des Verwalters und dieser ist sowohl den Wohnungseigentümern als auch gegenüber der rechtlich verselbständigten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Wahrnehmung dieser Aufgabe berechtigt und verpflichtet. Folglich kann er als selbständig Verantwortlicher auch selbst Adressat einer bauaufsichtlichen Anordnung sein. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Kompetenzverteilung innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage im Rahmen einer sicherheitsrechtlichen Störerauswahl verbindlich zu beachten wäre, denn Vorrang hat im Vollzug des Sicherheitsrechts in erster Linie der Aspekt einer effektiven Gefahrenabwehr. Wird aber im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr bei der Bestimmung des Adressaten von einer rechtlich verankerten Kompetenzverteilung nach dem WEG abgewichen, so bedarf dies als Ausübung des bestehenden Auswahlermessens einer nachvollziehbaren und gerichtlich prüfbaren Begründung.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Saarlouis) OVG Saarlouis, Beschl. v. 3.9.2014 – 2 B 318/14 NZM 2014, 913 NJW-RR 2015, 10 ZMR 2015, 501 und Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Saarlouis) OVG Saarlouis, Beschl. v. 3.9.2014 – 2 B 319/14 ZWE 2014, 468

In den beiden vom OVG entschiedenen Fällen ging es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen der Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die von einer Behörde auf Herstellung eines zweiten Rettungsweges in Anspruch genommen worden war. Es spricht vieles dafür, so das OVG, dass durch die Aufforderung der Bauaufsichtsbehörde zur Herstellung eines zweiten Rettungswegs bei einem sechsgeschossigen Gebäude aus Gründen des Brandschutzes (§ 33 LBO 2004) der Rahmen der eigenständigen Befugnisse der Verwalterin einer Eigentumswohnanlage überschritten und daher ihre alleinige ordnungsrechtliche Inanspruchnahme für die Durchführung dieser Maßnahmen ohne eine verbindliche Inanspruchnahme der aufgrund ihrer dinglichen Berechtigung ordnungspflichtigen Wohnungseigentümer rechtlich nicht zulässig ist. Aus dem die Befugnisse des Verwalters gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer umschreibenden § 27 WEG lässt sich keine die grundsätzliche Verpflichtung der Woh-

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Inhalte nungseigentümer suspendierende Berechtigung der Antragstellerin (= Verwalterin) zur Vornahme der teilweise weit reichenden baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums ohne Zustimmung oder gar gegen den Willen der Wohnungseigentümergemeinschaft herleiten. Hinsichtlich des Gebots einer Sofortmaßnahme zur vorübergehenden Herstellung von Nottreppenräumen (im Wege des Gerüstbaus) spricht vieles dafür, dass es sich bei dieser Maßnahme um eine von der selbständigen Befugnis des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG und damit auch um eine dem eigenen Verantwortungsbereich des Verwalters zuzurechnende Instandhaltung beziehungsweise Instandsetzung handelt. Für Maßnahmen, die über die Befugnisse eines Verwalters hinausgehen, durfte die Behörde die Verwalterin nicht in Anspruch nehmen. Insoweit stellte das OVG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her. Dagegen meinte das OVG, dass vorläufige Maßnahmen zur vorübergehenden Gefahrenabwehr sehr wohl in den unmittelbaren Aufgabenbereich eines Verwalters gehören können und wies den Antrag auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zurück.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (München) OVG München, Beschl. v. 29.9.2014 – 20 CS 14.1663 NZM 2015, 171 NJW-RR 2014, 331 ZWE 2015, 144 DWE 215, 28 Vorinstanz: VG Würzburg, Beschl. v. 14.7.2014 – 6 S 14.485 ZWE 2015, 287 [Das VG setzte den Streitwert auf t 549.750,00 fest (!).]

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Es ging im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage) um den Vollzug des IfSG und der TrinkwV 2001. In zwei Wohnungen einer Eigentümergemeinschaft wurde Legionellenbefall festgestellt. Von der Behörde wurde gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft angeordnet, dass die Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, erneuert werden müssen. BayVGH: Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann Adressatin belastender Bescheide in Vollzug der TrinkwV sein, weil sie als Inhaberin einer Wasserversorgungsanlage im Sinn der TrinkwV anzusehen ist.

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Inhalte

Vgl. hierzu auch die Entscheidung des VG Würzburg, Urt. v. 25.11.2015 – W 6 K 14.324, die den gleichen Vorgang betrifft (nur veröffentlicht in Bayern.Recht)

Allerdings kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Wasserarmaturen in den Wohneinheiten nicht im Gemeinschaftseigentum, sondern im Sondereigentum befinden. Öffentlich-rechtlich gehören zur Wasserversorgungsanlage (Trinkwasserinstallation) die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage an den Nutzer und den Punkt der Entnahme von Trinkwasser befinden. Treten im Sinn der TrinkwV relevante Störungen in der Trinkwasserinstallation auf, kann (auch) der Inhaber dieser Anlage sicherheits- und gesundheitsrechtlich in Anspruch genommen werden, weil eine rechtliche Pflicht zum Handeln besteht, und zwar auch in den Fällen, bei denen Störungen von Teilen der Anlage ausgehen können, die sich im Sondereigentum befinden, nämlich die Armaturen zur Wasserentnahme in den jeweiligen Wohnungen. Denn nur Versorgungsleitungen, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind, stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum, soweit sie im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums verlaufen. Dies gilt auch dann, wenn ein einzelner Leitungsstrang ausschließlich eine einzelne Wohnung versorgt. Der VGH ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage wieder herzustellen, hatte jedoch nur Erfolg, weil sich die Anordnung „Erneuerung der Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist“, als unbestimmt und als nicht vollziehbar darstellt. Es erschließe sich nämlich nicht, warum in allen Wohnungen Armaturen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, schon deswegen erneuert werden müssen. Es können nämlich auch Armaturen in Gebrauch sein, welche ohne Prüfzeichen den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinn der TrinkwV entsprechen.

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Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann, auch wenn er sein Amt niedergelegt hat, als Störer in Anspruch genommen OVG Münster, Beschl. v. 10.10.2014 – 7 A 2010/13 (Juris) werden. Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster)

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Inhalte Dass der Verwalter sein Amt niedergelegt hat, ist unerheblich, wenn dies im Widerspruch zum Verhalten des Verwalters steht (er hatte die Einladung zu Eigentümerversammlungen versandt und angeboten, ihn für diese Versammlungen zu bevollmächtigen; außerdem hatte er weiter Verwaltertätigkeiten ausgeübt).

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Verwaltungsgericht Köln VG Köln, Beschl. v. 26.11.2014 – 1 L 1593/14 NJW-Spezial 2015, 195 (nur LS) NZM 2015, 600 (nur LS) und VG Köln, Beschl. v. 26.11.2014 – 1 L 1594/14 sowie VG Köln, Beschl. v. 26.11.2014 – 1 L 1595/14 (Juris)

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Es ging um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Klagen. Das VG wies Anträge des Verwalters einer Eigentümergemeinschaft zurück. Ordnungswidrig handelt nach dem Eichgesetz, wer vorsätzlich oder fahrlässig nicht geeichte Messgeräte verwendet. Auch die Verrechnung des Energie- und Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft stellt geschäftlichen Verkehr im Sinne des Eichgesetzes dar. Einem Hausverwalter, in dessen Aufgabenbereich nach §§ 27, 28 WEG die Erstellung einer Jahresabrechnung gehört, kann – um einen Verstoß gegen eichrechtliche Bestimmungen zu verhindern – untersagt werden, die Messwerte im Rahmen der von ihm durchzuführenden Jahresabrechnung zu verwenden.

Es ging um die Wiederherstellung der aufschieVG Köln Beschl. v. 10.12.2014 – benden Wirkung einer Klage gegen eine eichrechtliche Ordnungsverfügung und um eine 1 L 1666/14 Zwangsgeldandrohung. ZWE 2015, 292 Die Ordnungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ergingen gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Objekt nicht geeichte Wärme- und Kaltwasserzähler installiert waren, und beinhaltete das Verwendungsverbot der Ableseergebnisse bei der Jahresabrechnung. Verwaltungsgericht Köln

Die Anträge der Eigentümergemeinschaft wurden vom VG zurückgewiesen: Werden bei einer (Jahres-)Abrechnung die Messwerte der installierten nicht den eichrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Messgeräte verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Eichgesetz (jetzt MessEG) dar, wonach die Verwendung ungeeichter Messgeräte und der auf solche Geräte zurückzuführenden Werte im geschäftlichen Verkehr verboten ist. Die Verrechnung des Energie- und

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Inhalte Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft stellt einen geschäftlichen Verkehr im Sinne des Eichgesetzes dar.

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Verwaltungsgericht Düsseldorf Einstweiliger Rechtsschutz: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage. VG Düsseldorf, Beschl. v. 18.3.2015 – 23 L 66/15 ZWE 2016, 54 Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 25.6.2015 – 13 B 452/15 WuM 2015, 581 ZWE 2015, 380 NJW 2015, 3528 DWE 2015, 171

Ein Mieter einer Wohneinheit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft erkrankte an einer durch Legionellen verursachten Lungenentzündung mit schwerem Krankheitsverlauf. In der Folge wurden Ordnungsverfügungen gegenüber der Eigentümergemeinschaft ausgesprochen. Die Argumentation der WEG: Die von der Behörde adressierte „Eigentümergemeinschaft“ existiere nicht, es existiere nur eine „Wohnungseigentümergemeinschaft“. Die Ordnungsverfügung habe auch nicht gegen sie gerichtet werden dürfen, da die Leitungen im Bereich der Wohnung, in denen der erhöhte Legionellengehalt festgestellt worden war, dem Eigentümer dieser Wohnung gehörten und demnach dieser, nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, Lieferant von Trinkwasser im Sinne der TrinkwV und damit auch Störer sei. Von der zentralen Trinkwassererwärmungsanlage gehe keine Gefahr aus, da der erhöhte Legionellengehalt nur eine einzige Wohnung betroffen habe. Der Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde vom VG zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das OVG ebenfalls zurück: Es ist zulässig und ermessensfehlerfrei, die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Installation von Probeentnahmestellen heranzuziehen, weil die Gemeinschaft das Gemeinschaftseigentum verwaltet und die Wasserversorgungsanlage fast ausschließlich im Gemeinschaftseigentum steht. Zur Ausführung des weiteren Ordnungsverfügungsteils (Beauftragung eines akkreditierten Labors mit der Probenahme und Untersuchung von Warmwasserproben auf Legionellen einschließlich Bestimmung des Serotyps) sind keine Einwirkungen auf Teile der Wasserversorgung, die eventuell zum Sondereigentum gehören, erforderlich. Lediglich ist es notwendig, in die im Sondereigentum stehenden Wohnungen zu gelangen, um dort die Proben zu entnehmen. Die Erfüllung dieses Verfügungsteils ist der Gemeinschaft trotz der aus dem Sondereigentum fol-

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Inhalte genden Rechte der jeweiligen Wohnungseigentümer möglich. Die Wohnungseigentümer sind nach § 14 Ziff. 4 WEG dazu verpflichtet, das Betreten ihrer Wohnungen zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Eine Probenentnahme ist damit vergleichbar. Soweit Nutzer vorhanden sind, die nicht zu den Wohnungseigentümern gehören, sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, die ihnen zustehenden Rechte aus dem Nutzungsverhältnis zur Betretung geltend zu machen und so dem beauftragten Labor die Probenahme zu ermöglichen.

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Verwaltungsgericht Köln Urt. v. 26.3.2015 – 1 K 4535/14 ZWE 2016, 101 nachfolgend Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2016 – 4 A 1150/15 ZWE 2016, 383 ZMR 2016, 821 NVwZ-RR 2016, 807

Die Verwalterin einer Eigentümergemeinschaft verwendete für die Jahresabrechnung Messwerte von nicht geeichten oder fehlerhaft eingebauten Wärmezählern. Das Eichamt führte aufgrund von Beschwerden Kontrollen durch und stellte die Mängel fest. Die Mängel wurden nicht abgestellt, weshalb das Eichamt eine Ordnungsverfügung erließ, die der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Verwendung der Mess- und Verbrauchswerte für die Kostenermittlung in der Jahresabrechnung untersagte. Hiergegen klagte die Verwalterin erfolglos vor dem VG. Den Antrag auf Zulassung der Berufung wies das OVG zurück. VG: Das im Eichgesetz (jetzt MessEG) enthaltene Merkmal des Verwendens und Bereithaltens im geschäftlichen Verkehr ist auch bei einer Eigentümergemeinschaft gegeben. Das ergebe sich schon daraus, dass eine Verwalterin bestellt worden sei; außerdem sei ein geschäftlicher Verkehr bereits dann gegeben, wenn eine Ablesung der Geltendmachung einer Forderung dienen solle, die gerichtlich durchgesetzt werden könne, was bei der Erstellung der Abrechnung zuträfe. Das OVG wies den Antrag auf Zulassung der Berufung zurück. Der Vortrag der gegen die Ordnungsverfügung klagenden Verwalterin, sie sei als Verwalterin nicht richtige Adressatin der Ordnungsverfügung, da sie lediglich als Organ der Eigentümergemeinschaft handele und damit die streitigen Zähler weder selbst bereithalte noch verwende, gehe fehl. Der Verwalterin werde gerade die Verwendung der Messwerte im Rahmen der von ihr durchzuführenden Jahresabrechnung untersagt, um damit einen Verstoß gegen

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Inhalte das Eichgesetz zu verhindern. Als Verwalterin, in deren Aufgabenbereich nach §§ 27, 28 WEG die Erstellung einer Jahresabrechnung gehört, ist sie der richtige Adressat für die Untersagung der Verwendung der Messwerte.

Vgl. auch die Parallelentscheidungen (dort war die Wohnungseigentümergemeinschaft Klägerin) VG Köln, Urt. v. 26.3.2015 – 1 K 4824/14 Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2016 – 4 A 1149/15 (Juris)

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Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (Münster) Beschl. v. 31.8.2015 – 13 B 874/15 Juris

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Verwaltungsgericht Würzburg Urt. v. 25.11.2015 – W 6 K 14.324 ZMR 2016, 241 Berufungsentscheidung Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (München) Urt. v. 6.3.2018 – 20 B 17.1378 ZMR 2018, 815 BeckRS 2018, 2835

OVG Münster: „Insbesondere ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich zweifelhaft, die Verrechnung des Energie- und Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft stelle geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 25 Abs. 1 Nr. 1 EichG (a. F.) dar. Die Begründung hierfür, auch in diesen Fällen werde die rein private Sphäre verlassen, und es entstehe eine gerichtlich durchsetzbare Forderung, nämlich die der insoweit teilrechtsfähigen Eigentümergemeinschaft gegenüber dem einzelnen Eigentümer, wird durch die Zulassungsbegründung nicht schlüssig in Frage gestellt.“ Die Beschwerde gegen die Festsetzung von zwei Zwangsgeldbeträgen (t 100 und t 4.000) wegen Nichterfüllung einer Ordnungsverfügung im Zusammenhang mit Legionellen (Trinkwasserüberprüfung) blieb erfolglos. Die Ordnungsverfügung, aufgrund der die Zwangsgelder festgesetzt wurden, richtete sich gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft und enthielt eine Anordnung, einen aussagekräftigen Beleg vorzulegen über die Installation von Probeentnahmestellen am Warmwasservorlauf bzw. Zirkulationsrücklauf des Speicherbehälters für Warmwasser. Die Verfügung war dem Verwalter der Gemeinschaft zugestellt worden; sie war jedoch nicht befolgt worden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wendete sich gegen Anordnungen des Landratsamts zur Sanierung ihrer Trinkwasseranlage nach dem IfSG und der TrinkwV 2001. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte dem Landratsamt nach einer von der Behörde angeordneten Prüfung eine Gefährdungsanalyse einer Fachfirma vorgelegt. Darin wurden mehrere Sanierungsmaßnahmen zur Abwehr einer möglichen Legionellengefahr empfohlen, nach deren Umsetzung die Trinkwasserinstallation den anerkannten Regeln der Technik entspre-

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Inhalte

In einem weiteren Beschlussverfahren ging es lediglich um Beiladung und Erledigungserklärung

che, ausgenommen die mit Epoxidharz beschichteten Steigstränge. Bei weiteren Probeentnahmen, die erneut eine Belastung mit Legionellen, Bisphenol A in einer Konzentration von 0,047 lg/l und Epichlorhydrin in einer Konzentration von kleiner als 0,05 lg/l feststellten, erließ das Landratsamt einen Bescheid. Darin wurde u.a. angeordnet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als mittelfristige Maßnahme die Sanierung aller mit Epoxidharz beschichteten Leitungsabschnitte vorzunehmen habe. Daneben sei das Trinkwasser bis zum Abschluss aller Sanierungsmaßnahmen vierteljährlich durch ein zugelassenes Labor auf Bisphenol A und Epichlorhydrin zu untersuchen. Des Weiteren seien diese Stoffe jeweils nach thermischer und chemischer Desinfektion im Warmwasser zu bestimmen. Die Befunde seien dem Landratsamt unverzüglich und unaufgefordert vorzulegen.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (München) Beschl. v. 29.6.2016 – 20 AS 16.1010 Juris BeckRS 2016, 49254

Das VG wies die Klage der Eigentümergemeinschaft zurück. Der BayVGH hat die Berufung jedoch auf Antrag der Beigeladenen (einem bundesweit tätigen Installationsunternehmen, das die Trinkwasseranlage in den Wohngebäuden der Wohnungseigentümergemeinschaft saniert hatte) zugelassen und sodann entschieden, dass die Berufung der Beigeladenen begründet sei. Weder das IfSG noch die TrinkwV enthalte eine Befugnisnorm für die von der Behörde getroffene Anordnung. Der VGH setzte den Streitwert auf t 1.020.000 fest. 23

Verwaltungsgericht Hannover Urt. v. 14.5.2018 – 4 A 8334/17 ZWE 2018, 380

Ein Bezirksschornsteinfegermeister forderte die Verwaltung einer Eigentümergemeinschaft auf, die Abgasleitung des Heizungsraums zu erhöhen, und setzte eine Frist. Nach erfolglosem Ablauf der Frist und erneuter Mahnung schaltete sich die Behörde ein und erließ sowohl Ordnungsverfügungen als auch Kostenbescheide gegenüber allen Wohnungseigentümern. VG: Die gegen die Wohnungseigentümer gerichteten Mängelbeseitigungsaufforderungen sind nicht rechtmäßig, weil die einzelnen Wohnungseigentümer für die Mängelbeseitigung nicht verantwortlich sind. Grundsätzlich ist zwar jeder Miteigentümer zusammen mit den anderen Wohnungseigentümern auch für das ganze Haus verantwortlich. Adressat einer Mängelbeseitigungsanordnung

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Inhalte können die einzelnen Miteigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch nur dann sein, wenn sie auch rechtlich zur Mängelbeseitigung in der Lage sind. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die beklagte Behörde konnte die Mängelbeseitigung nur von dem Verwalter oder allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich verlangen. Beides ist nicht geschehen. Trotz der Zustandsverantwortlichkeit jedes Eigentümers (nach § 56 NBauO) bestand im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft für einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht die Möglichkeit, die von der Behörde geforderten Mängelbeseitigungen an der Heizungsanlage – die im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer steht – vorzunehmen. Gemäß § 21 Abs. 2 WEG sind dem einzelnen Wohnungseigentümer Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum nur zur Abwehr eines unmittelbar drohenden Schadens möglich. Im Übrigen hat der einzelne Wohnungseigentümer nur Rechte und Pflichten am Sondereigentum. Das gemeinschaftliche Eigentum unterliegt ausschließlich der gemeinschaftlichen Verwaltung der Wohnungseigentümer, § 21 Abs. 1 WEG. Die Verwaltung kann, da die mangelbehaftete Zentralheizung/Abgasleitung im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer stand, Adressat einer bauaufsichtsrechtlichen Anordnung sein. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG obliegt die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gerade nicht den Wohnungseigentümern, sondern der Verwaltung. Die Verwaltung ist daher von Gesetzes wegen berechtigt und verpflichtet, die für die Instandsetzung und Instandhaltung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Entsprechend hat der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft die erforderlichen Maßnahmen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG zu treffen. Die dem Verwalter nach § 27 Abs. 1 und 3 WEG zustehenden Aufgaben und Befugnisse nach Abs. 4 dieser Norm können weder durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer untereinander noch durch den Verwaltervertrag eingeschränkt werden. Der Verwalter hat deshalb das eigene selbstständige Recht, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung notwendigen Maßnah-

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Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

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Inhalte men zu treffen, und – gewissermaßen spiegelbildlich – hat die Behörde die ordnungsrechtliche Möglichkeit, den Verwalter aufgrund dieser Handlungsbefugnis als Störer in Anspruch zu nehmen.

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Gegen eine Miteigentümerin einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde eine OrdUrt. v. 27.11.2018 – 6 K 3749/16 nungsverfügung erlassen, weil nach Ansicht der Behörde durch Schäden am Dach zu befürchten Juris war, dass jederzeit Teile des Dachstuhles herabstürzen und das Leben und die Gesundheit von Benutzern des Gebäudes oder von Passanten gefährden. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

VG: Eine solche Ordnungsverfügung auf Instandsetzung des Daches einer Eigentümergemeinschaft sei rechtmäßig. § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW, der bei einer von einer Sache ausgehenden Gefahr auch eine Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers vorsehe, trage diese Verfügung, denn Eigentümer im Sinne dieser Vorschrift sei auch ein Eigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Deshalb stehe einer Inanspruchnahme der Wohnungseigentümerin auch nicht entgegen, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern grundsätzlich nur gemeinschaftlich zusteht. Jeder Wohnungseigentümer sei ausnahmsweise berechtigt, auch ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer solche Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sind. Nicht zu beanstanden sei auch, dass die Behörde von einer Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft, die wegen der Regelung in § 10 Abs. 6 WEG grundsätzlich ebenfalls als ordnungspflichtiger Adressat in Betracht kommen könnte, abgesehen hat. Denn auf Grundlage der Schilderungen der in Anspruch genommenen Wohnungseigentümerin, dass bereits im Vorfeld mehrfach erfolglos versucht worden sei, eine Einigung zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft zu erzielen und der Angabe, dass für die Gemeinschaft kein Verwalter bestellt worden sei, konnte von einer entsprechenden Inanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr abgesehen werden.

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Das System des technischen Sicherheitsrechts

Rz. 9.6 Teil 9

III. Die unübersichtliche Rechtslage Die Rechtslage ist also – wie die Entscheidungen zeigen – unübersichtlich. Jetzt liegt auch 9.4 noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.6.2018 vor,2 deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann (wie Häublein in seiner kritischen Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung betont).3 Der BGH hat dort entschieden, dass für die Durchführung von Beschlüssen, die die Eigentümerversammlung gefasst hat, allein der Verwalter zuständig ist; er habe insoweit eine originäre Pflicht, die ihm auch nicht entzogen werden darf. Hat die Eigentümerversammlung Beschlüsse für die ordnungsmäßige Verwaltung gefasst, haftet später nicht die Gemeinschaft, sondern nur der Verwalter, wenn der Verwalter die Beschlüsse nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Für die in diesem Teil des Anwaltshandbuches angesprochene Problematik kann diese Entscheidung ebenfalls Bedeutung haben.

9.5

Liegen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung vor, muss der Verwalter sie umsetzen und ist dann auch im Innenverhältnis (vgl. dazu auch § 27 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 WEG) verantwortlich; ein Schluss vom Innenverhältnis auf das Außenverhältnis liegt auch öffentlich-rechtlich sehr nahe und wird zu einer Inanspruchnahme des Verwalters führen. Liegen keine Beschlüsse vor, handelt es sich aber um Maßnahmen, die vom Verwalter im Rahmen der laufenden Verwaltung4 ergriffen werden müssen oder können, ist der Verwalter ebenfalls in erster Linie derjenige, der von Behörden in Anspruch genommen werden kann. Weigern sich die Wohnungseigentümer, einen ordnungsgemäßen Beschluss zu fassen, können entweder die einzelnen Eigentümer, die Eigentümer in ihrer Gesamtheit oder der Verband in Anspruch genommen werden. Für die hier vorliegende Thematik kann dahinstehen, wer (strafrechtlich oder ordnungsbehördlich) in Anspruch genommen werden kann, denn in jedem Fall müssen sowohl der Verwalter – dieser schon im eigenen Interesse – als auch die einzelnen Miteigentümer der Gemeinschaft auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben hinwirken, um sich vor ordnungsbehördlichen, strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Maßnahmen und Folgen zu schützen. Dies ist bei den öffentlich-rechtlichen Vorgaben stets im Auge zu behalten.

IV. Das System des technischen Sicherheitsrechts Im Folgenden soll das System des technischen Sicherheitsrechts im Rahmen von Produktsicherheit, Arbeitsschutzrecht und allgemeinem Vertrags- und Haftungsrecht dargestellt werden. – Welche Sicherheits- und Prüfvorschriften müssen die Wohnungseigentümergemeinschaft und/oder der von der Eigentümergemeinschaft bestellte Verwalter beachten, um die tech-

2 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, WuM 2018, 524 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777 = NJW 2018, 3305. 3 Häublein, Die Rolle der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im sog. Innenverhältnis – Rechtsprechungswende durch Grundsatzurteil des BGH vom 8.6.2018 – V ZR 125/17), ZWE 2019, 25 ff. 4 Dieser Begriff ist äußerst umstritten, vgl. Jacoby, Die Stellung des Verwalters, ZWE 2019, 20 ff.

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9.6

Teil 9 Rz. 9.6

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

nische Sicherheit für die Wohnungseigentümer, die Wohnungseigentümergemeinschaft, die Arbeitnehmer der WEG und den Verwalter zu gewährleisten? – Wer hat die jeweiligen Maßnahmen zu ergreifen und wen treffen die gesetzlichen Strafund Bußgeldandrohungen bei einem Versäumnis? – Wo sind die Sicherheits- und Prüfvorschriften festgelegt? – Welche Pflichten müssen einmalig und welche in bestimmten Intervallen erfüllt werden?

9.7 Erst in Umrissen zeigt sich das „Technische Sicherheitsrecht 4.0“. Ähnlich wie in der Arbeitswelt („Industrie 4.0“)5 werden in der Zukunft auch Häuser und Wohnungen zunehmend über „intelligente Zähler“ und andere Einrichtungen und Geräte mit dem Internet verbunden sein. Hier entwickeln sich neue Chancen, aber auch Risiken. Es wird nicht ohne Auswirkungen auf die Verantwortlichkeiten bleiben, wenn das Wohnungseigentum „smart“ oder sogar „autonom“ wird. Die technische und rechtliche Entwicklung bleibt abzuwarten.6

V. Überwachungsbedürftige Anlagen und überprüfungs- sowie eichpflichtige Anlagen und Geräte 1. Grundsätze zu überwachungsbedürftigen Anlagen

9.8 Überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 2 Nr. 30 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) sind u.a.: Dampfkesselanlagen, Druckbehälteranlagen oder Aufzugsanlagen. Dampfkesselanlagen und Druckbehälteranlagen sind in Wohnungseigentümergemeinschaften entweder nicht oder nur in Ausnahmefällen vorhanden, so dass das Hauptaugenmerk von Eigentümergemeinschaften und deren Verwaltern auf die Aufzugsanlagen zu richten ist. a) Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen

9.9 Zwei Rechtsvorschriften regeln in Deutschland das Errichten und den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen, und zwar der Abschnitt 9 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG),7 sowie der Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen sind verpflichtet, die Sicherheit ihrer Anlagen unter Einhaltung von Prüffristen durch regelmäßige Prüfungen von anerkannten Prüfstellen nachzuweisen.8 Diese Prüfungen sind in den §§ 15, 16 BetrSichV geregelt und werden im Anhang 2 der Verordnung konkretisiert.

5 Bräutigam/Klindt, Industrie 4.0, das Internet der Dinge und das Recht, NJW 2015, 1137. 6 Cimiano/Herlitz, „Smart Wohnen“. Die „intelligente“ Wohnung und die rechtserheblichen Erklärungen über „Mieterportale“, NZM 2016, 409 ff.; Jacoby, Die WEG und ihre Verwaltung: Rechtliche Hemmnisse der Digitalisierung, 2017, http://www.jura.uni-bielefeld.de/institute/fir/materia lien/Jacoby_30.3.2017_Weimar.pdf. 7 ProdSG/Klindt/Klindt, 2015, § 34 ff. 8 Bekanntmachung des BMAS vom 5.12.2006 – IIIb3-35306-6 (BAnz. Nr. 8 S. 399), zuletzt geändert durch Bekanntmachung der BAuA im Auftrag des BMAS vom 2.1.2019 – IIIb3-35306-6 (GMBl. Nr. 2/3 S. 21).

486

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Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.12 Teil 9

Gemäß den Vorgaben der BetrSichV sind zur Prüfung befähigte Personen und ZÜS für nachstehende Aufgaben vorgesehen:

9.10

– Überprüfung von Arbeitsmitteln; – Erstellen einer gutachterlichen Äußerung für die überwachungsbedürftigen Anlagen, für die bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis beantragt werden muss; – Prüfungen vor Inbetriebnahme von bestimmten überwachungsbedürftigen Anlagen; – Wiederkehrende Prüfungen von bestimmten überwachungsbedürftigen Anlagen; – Überprüfung der vom Betreiber ermittelten Prüffrist, sofern die wiederkehrende Prüfung durch zugelassene Stellen durchzuführen ist; – Anzeigepflicht: Der zuständigen Behörde sind Mängel anzuzeigen, durch die Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können (in Wohnungseigentümergemeinschaften also Arbeitnehmer, Wohnungseigentümer selbst, Mieter oder Besucher des Hauses); – Sicherheitstechnische Beurteilung bei einem Unfall bzw. Schadensfall. Grundsätzlich sind Prüfungen von Aufzugsanlagen durch eine ZÜS vorzunehmen (§ 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 4 BetrSichV). Einige Prüfungen an überwachungsbedürftigen Anlagen können auch durch zur Prüfung befähigte Personen vorgenommen werden. Diese Fälle werden von § 15 Abs. 3, § 16 Abs. 4 sowie im Anhang 2 Abschnitt 2, 3 oder 4 geregelt. Die Qualifikationsanforderungen für die zur Prüfung befähigte Person sind ebenfalls in Anhang 2 Abschnitt 2, 3 und 4 vorgegeben.9 Prüfungen nach prüfpflichtigen Änderungen, die nicht die Bauart oder die Betriebsweise einer solchen Anlage verändern, können immer von einer zur Prüfung befähigten Person vorgenommen werden (§ 15 Abs. 3 S. 3 BetrSichV). b) Zur Prüfung befähigte Person Gemäß § 2 Abs. 6 BetrSichV müssen zur Prüfung befähigte Personen (im Folgenden: befähigte Personen) für die nach der BetrSichV geforderten Prüfungen über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen.10 Diese werden erworben durch Berufsausbildung, Berufserfahrung und zeitnahe berufliche Tätigkeit.11

9.11

Die befähigte Person muss eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, die es ermöglicht, ihre beruflichen Kenntnisse nachvollziehbar festzustellen. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch ein abgeschlossenes Studium. Die Feststellung soll auf Berufsabschlüssen oder vergleichbaren Qualifikationsnachweisen beruhen. Berufserfahrung setzt voraus, dass die befähigte Person eine nachgewiesene Zeit im Berufsleben praktisch mit den zu prüfenden vergleichbaren Arbeitsmitteln umgegangen ist und deren Funktions- und Betriebsweise im notwendigen Umfang kennt. Dabei hat sie genügend Anlässe kennen gelernt, die Prüfungen auslösen, z.B. nach einer prüfpflichten Veränderung der überwachungsbedürftigen An-

9.12

9 Raths/Klein, Betriebssicherheitsverordnung. Textausgabe mit Einführung und Erläuterungen, Landsberg am Lech 2018, 18. 10 Vgl. auch TRBS 1203 „Befähigte Person“. 11 Wilrich, Verantwortlichkeit und Pflichtenverteilung gemäß Betriebssicherheitsverordnung, NZA 2015, 1433 ff., 1435.

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Teil 9 Rz. 9.12

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

lage, die nicht die Bauart oder die Betriebsweise berührt. Durch Teilnahme an Prüfungen von Arbeitsmitteln hat sie Erfahrungen über die Durchführung der anstehenden Prüfung oder vergleichbarer Prüfungen gesammelt und die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit Prüfmitteln sowie hinsichtlich der Bewertung von Prüfergebnissen erworben. Berufserfahrung schließt ein, beurteilen zu können, ob ein vorgeschlagenes Prüfverfahren für die durchzuführende Prüfung des Arbeitsmittels geeignet ist. Hierzu gehört auch, dass die Gefährdungen durch die Prüftätigkeit und das zu prüfende Arbeitsmittel erkannt werden können.

9.13 Eine zeitnahe berufliche Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 6 BetrSichV umfasst eine Tätigkeit im Umfeld der anstehenden Prüfung des Prüfgegenstandes sowie eine angemessene Weiterbildung. Zur zeitnahen beruflichen Tätigkeit gehört die Durchführung von mehreren Prüfungen pro Jahr (Erhalt der Prüfpraxis). Bei längerer Unterbrechung der Prüftätigkeit müssen durch die Teilnahme an Prüfungen Dritter erneut Erfahrungen mit Prüfungen gesammelt und die notwendigen fachlichen Kenntnisse erneuert werden. Die befähigte Person muss über Kenntnisse zum Stand der Technik hinsichtlich des zu prüfenden Arbeitsmittels und der zu betrachtenden Gefährdungen verfügen und diese aufrechterhalten. Sie muss mit der Betriebssicherheitsverordnung und deren technischem Regelwerk sowie mit weiteren staatlichen Arbeitsschutzvorschriften für den betrieblichen Arbeitsschutz (z.B. ArbSchG, GefStoffV) und deren technischen Regelwerken sowie Vorschriften mit Anforderungen an die Beschaffenheit (z.B. ProdSG, einschlägige ProdSV), mit Regelungen der Unfallversicherungsträger und anderen Regelungen (z.B. Normen, anerkannte Prüfgrundsätze) soweit vertraut sein, dass sie den sicheren Zustand des Arbeitsmittels beurteilen kann

9.14 Weitere Einzelheiten regelt die Technische Regel für Betriebssicherheit 1203 „Befähigte Person“, insbesondere zu Qualifikationen für „befähigte Personen“ im Bereich Brandschutz, Gefährdungen durch Druck und elektrische Gefährdungen. Als Beispiel ist der Monteur einer Aufzugsfirma zu nennen, der eine Lehre als Betriebsschlosser absolviert hat, Berufserfahrungen mit dem zu prüfenden Aufzugstyp nachweisen kann und diese Tätigkeit zeitnah ausgeübt hat. c) Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS)

9.15 ZÜS sind unabhängige und privatrechtliche Prüforganisationen, die aufgrund eines Vertrages mit dem Betreiber/Arbeitgeber Prüfungen durchführen.12 Sie müssen nach § 2 Abs. 14 i. V. m. Anhang 2 Abschnitt 1 BetrSichV i. V. m. § 37 ProdSG von der zuständigen Landesbehörde als Prüfstelle dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales benannt und im gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht werden.13 Auf der Internet-Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin finden sich die benannten Stellen, z.B. Lloyd’s Register, TÜV, DEKRA, GTÜ und SGS. Weitere Informationen enthält die Homepage der BAuA.14

12 Wiebauer, Einführung BetrSichV, in Landmann/Rohmer, GewO, 79. EL Juni 2018, Rz. 33. 13 http://www.zls-muenchen.de/zues/antragsunterlagen/dokumente/zls-vd-025_anerkennungsregeln_ 160905.pdf. 14 https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Gesetzliche-und-hoheitliche-Aufgaben/Produktsicherheitsge setz/pdf/Pruefstellen-01.pdf?__blob=publicationFile&v=5.

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Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.20 Teil 9

d) Ordnungswidrigkeiten und Strafvorschriften § 22 Abs. 1 BetrSichV enthält 33 bußgeldbewehrte Tatbestände. § 22 Abs. 2 BetrSichV enthält weitere 11 Tatbestände in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Nr. 7 a ProdSG, die Ordnungswidrigkeiten sanktionieren.

9.16

Befindet sich z.B. die überwachungsbedürftige Anlage in einem Zustand, von dem Gefahren für Leib und Leben ausgehen, riskiert der „Verantwortliche“ für die Instandhaltung (das wird in erster Linie der Verwalter der Gemeinschaft sein, möglicherweise sind das aber auch die einzelnen Eigentümer, die Maßnahmen verweigern) nach § 23 Abs. 1 BetrSichV in Verbindung mit § 26 Nr. 2 ArbSchG eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Zwar muss es sich um eine vorsätzliche Pflichtverletzung handeln. Ausreichend kann es aber sein, dass z.B. der Verwalter von einer mängelbehafteten Aufzugsanlage Kenntnis hat und nichts dagegen unternimmt – also keine Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung initiiert. Dann kann es sein, dass er billigend in Kauf nimmt, dass Dritte zu Schaden kommen können. Dieser Eventualvorsatz genügt zur Tatbestandsverwirklichung.

9.17

Gleiches kann auch angenommen werden, wenn Wohnungseigentümer es in einer Eigentümerversammlung ablehnen, notwendige Maßnahmen zur Instandsetzung einer Aufzugsanlage zu beschließen. Beide Sachverhaltsvarianten können zu Maßnahmen der Behörden führen – auch aufgrund einer Anzeige/Beschwerde aus dem Kreis der Eigentümer oder Mieter.15

9.18

Im Folgenden werden einzelne Anlagen und Einrichtungen detaillierter in Bezug auf ihre sicherheitstechnischen Prüfpflichten sowie weitere Anforderungen beschrieben, wie sie insbesondere in der Rechtsprechung ausgeformt worden sind. 2. Aufzüge Aufzüge gehören zu den verbreitetsten technischen Anlagen, die von großen Teilen der Bevölkerung täglich selbstständig genutzt werden. Nach Berechnungen des VdTÜV gibt es in Deutschland über 600.000 Aufzüge.16

9.19

a) Anwendungsbereich BetrSichV Die BetrSichV ist direkt anwendbar, wenn ein Arbeitgeber (§ 2 Abs. 3 ArbSchG) den Aufzug verwendet oder ein Betreiber, ohne Arbeitgeber zu sein, gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 BetrSichV den Aufzug zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken verwendet. Ein wirtschaftlicher Zweck liegt schon vor, wenn in einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Wohnung an einen Dritten (Nichteigentümer) vermietet ist. Nicht abschließend geklärt ist, ob ein Aufzug in einem Wohngebäude, das nur von selbstnutzenden Eigentümern bewohnt wird, einem wirtschaftlichen Zweck dient. Allerdings dürfte diese Konstellation selten vorkommen, denn Wohnungseigentümergemeinschaften ohne Fremdnutzer (Mieter pp) gibt es kaum.

15 Vgl. dazu die laufende Nr. 12 in der Entscheidungstabelle oben Rz. 9.3. 16 VdTÜV, Anlagensicherheitsreport 2019, 60.

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9.20

Teil 9 Rz. 9.20

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

In mehreren Entscheidungen zum Eichgesetz hat das Bayerische Oberste Landesgericht eine ähnliche Problematik angesprochen und die Verrechnung des Energie- oder Wasserverbrauchs durch Zwischenzähler, auch wenn „nur“ Wohnungseigentümer Adressaten von Jahresabrechnungen waren, als geschäftlichen Verkehr eingestuft.17 Insofern kann „wirtschaftlicher Zweck“ durchaus mit „geschäftlichem Verkehr“ verglichen werden. Die Frage bezüglich der „ausschließlich selbstnutzenden Eigentümer“ kann allerdings in der Regel dahinstehen, denn viele Landesbauordnungen verweisen auf die BetrSichV bezüglich der Prüffristen, auch wenn die Aufzugsanlage keinen gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dient.18 b) Prüfung und „besondere Verpflichtungen“

9.21 Aufzüge sind gemäß § 2 Abs. 13 BetrSichV in Verbindung mit §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 30 lit. e und 34 Abs. 1 ProdSG in Verbindung mit § 1 12. ProdSV (Aufzugsverordnung) überwachungsbedürftige Anlagen. Daraus ergeben sich Verkehrssicherungspflichten.19 Besondere Vorschriften für Aufzugsanlagen finden sich in Anhang 1 Ziffer 4 BetrSichV, z.B. die Verpflichtung ein Zweiwege-Kommunikationssystem einzurichten, einen Notfallplan zu erstellen bzw. einen Notdienst einzurichten (vgl. zu Übergangsvorschriften § 24 BetrSichV). Hier sind wiederum die Verwalter angesprochen. Sie sollten die einschlägigen Bestimmungen kennen und die erforderlichen Maßnahmen – gerade bezüglich Kommunikationssystem, Notfallplan und Notdienst – auch den Eigentümerversammlungen vorschlagen und durch Beschluss regeln lassen.

9.22 Gemäß § 15 BetrSichV sind überwachungsbedürftige Anlagen vor erstmaliger Inbetriebnahme sowie nach Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichten Änderungen zu prüfen. Des Weiteren müssen Aufzüge aufgrund der in Anhang 2 zur BetrSichV genannten Fristen wiederkehrend auf ihren sicheren Zustand hinsichtlich des Betriebs geprüft werden. Dies muss spätestens alle zwei Jahre geschehen. Zwischen zwei Hauptprüfungen ist eine Zwischenprüfung durch eine ZÜS durchzuführen. Die Prüfung umfasst Sicht- und einfache Funktionsprüfungen sicherheitstechnischer Einrichtungen und die Prüfung ausgewählter sicherheitsrelevanter Bauteile (Anhang 2, Abschnitt 2, Nr. 4.3 BetrSichV). Die erste Zwischenprüfung findet nicht zwischen der Inbetriebnahme und der ersten Hauptprüfung statt, sondern zwischen der ersten und zweiten Hauptprüfung. Für Aufzugsanlagen, welche als Arbeitsmittel gemäß § 2 Abs. 1 BetrSichV verwendet werden (§ 2 Abs. 2 BetrSichV), muss eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 BetrSichV gemacht werden (vgl. unten 7.c)). Ein solches Arbeitsmittel ist z.B. ein Aufzug für den Transport von Müllbehältern aus dem Keller ins Erdgeschoss bzw. auf die Straße, damit die Müllbehälter von den Müllabfuhrbetrieben geleert werden können.20

17 BayObLG, Beschl. v. 8.6.1990 – 1 b Z 18/89, DWE 1990, 114 = WuM 1990, 621; BayObLG, Beschl. v. 26.3.1998 – 2Z BR 154/97, BayObLGZ 1998, 97 = MDR 198, 708 = WuM 1998, 371 = ZMR 1998, 508 = NJW-RR 1998, 1626; BayObLG, Beschl. v. 23.3.2005 – 2Z BR 236/04, WuM 2005, 479 = ZMR 2005, 969 = WE 2006, 9. 18 VDMA, Aufzugsrelevante Forderungen in Bauordnungen, Sonderbauverordnungen, Richtlinien und Erlassen der Bundesländer und Stadtstaaten, aktualisiert Februar 2019. 19 Wellner in Geigel, Haftpflichtprozess. 14. Kapitel. Anwendungsfälle des § 823 Abs. 1 BGB, 27. Auflage 2015, Rz. 111. 20 Zur Umlagefähigkeit dieser Kosten: Langebein/Zehelein, Betriebs- und Heizkostenrecht, 9. Aufl. 2019, Rz. 92-103.

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Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.24 Teil 9

Die BetrSichV sieht vor, dass der Verwender einer überwachungsbedürftigen Anlage einem Arbeitgeber gleichgestellt wird, wenn er zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken eine überwachungsbedürftige Anlage betreibt (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BetrSichV).21 Hier wird man bei Wohnungseigentümergemeinschaften davon ausgehen müssen, dass „gewerbliche oder wirtschaftliche Zwecke“ vorliegen, wenn auch nur eine Fremdvermietung erfolgt ist.

9.23

Das Ergebnis von Prüfungen ist schriftlich niederzulegen (§ 17 Abs. 1 BetrSichV i. V. m. Nr. 4 TRBS 1201-4). In der Kabine von Aufzugsanlagen muss eine Prüfplakette deutlich sichtbar und dauerhaft angebracht werden. Diese Plakette muss erkennen lassen, in welchem Monat eines Jahres die nächste wiederkehrende Prüfung durchgeführt werden muss. Ebenso muss die Prüfstelle aus dieser Plakette hervorgehen (§ 17 Abs. 2 BetrSichV).22 Diese formale Vorgabe, die leicht zu erfüllen ist, muss vom Verwalter der Eigentümergemeinschaft auch im Innenverhältnis zur Eigentümergemeinschaft beachtet werden; er muss dafür sorgen, dass Prüfungen ordnungsgemäß stattfinden und (auch durch Anbringen einer Plakette) dokumentiert werden. Des Weiteren haben vor jeder Verwendung Sichtkontrollen sowie Funktionskontrollen zu erfolgen, deren Intervall vom Einzelfall abhängig ist (vgl. § 4 Abs. 5 S. 2 BetrSichV). Sie sollten aber eine Woche nicht überschreiten.23 Bei der Modernisierung eines Aufzugs verlangt die BetrSichV seit 2015 nicht mehr, dass der Aufzug dem aktuellen Stand der Technik entspricht, sondern dass die „sichere Verwendung“ des Aufzugs gesichert ist. Die Handlungsspielräume werden dadurch für den Betreiber vergrößert.24 Die Pflichten aus der BetrSichV bzw. die Verkehrssicherungspflichten des Verwenders werden konkretisiert durch das Technische Regelwerk zur BetrSichV.25 c) Rechtsprechung Die Rechtsprechung stellt klar, dass die Schädigung einer Person (Körper- oder Sachschäden) alleine nicht für einen Schadensersatzanspruch ausreicht. Es muss sich um eine schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht handeln.26 Da ein Verwender, der aufgrund der technischen Komplexität einer Aufzugsanlage die ordnungsmäßige Instandhaltung und Kontrolle der Anlage in der Regel nicht selbst übernehmen kann, benötigt er die Unterstützung einer zur Prüfung befähigten Person (§ 2 Abs. 6 BetrSichV) bzw. einer ZÜS (§ 15 Abs. 3 BetrSichV i. V. m. Anhang 2 Abschnitt 1). „Verwender“ ist hier die Eigentümergemeinschaft, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten eines Verwalters bedient.

21 22 23 24

VG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2018 – 3 K 3008/17, Juris. Wiebauer, Einführung BetrSichV, in: Landmann/Rohmer, GewO, 79. EL Juni 2018, Rz. 34. OLG München, Beschl. v. 25.8.2011 – 1 U 1798/11, Juris, Rz. 11. Roas, Mehr Entscheidungsspielraum bei der Modernisierung, Sicherheitsingenieur 12/2018, 34 ff. 25 Die TRBS 1121 informiert über „Änderungen und wesentliche Veränderungen von Aufzugsanlagen“, die TRBS 1201 Teil 4 informiert über „Prüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen – Prüfung von Aufzugsanlagen“, die TRBS 3121 behandelt den „Betrieb von Aufzugsanlagen“. 26 OLG München, Beschl. v. 25.8.2011 – 1 U 1798/11, Juris, Rz. 5.

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9.24

Teil 9 Rz. 9.24

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Wenn der Verwender die Aufzugsanlage in angemessenen Intervallen prüfen und ggf. warten lässt, genügt er in der Regel seiner Verkehrssicherungspflicht. Die Prüffristen ergeben sich aus §§ 3 Abs. 6, 15, 16 BetrSichV in Verbindung mit Anhang 2 Abschnitt 1. Der Verwender muss die Prüffristen so festlegen, dass eine sichere Verwendung bis zur nächsten Prüfung garantiert ist. Insgesamt darf die Prüffrist zwei Jahre nicht überschreiten.

9.25 Delegiert der Verwender seine Verkehrssicherungspflicht auf Dritte, verbleiben bei ihm Überwachungs- und Kontrollpflichten. Das bedeutet zum einen, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt, wenn dem Verwender bekannt ist und bekannt sein müsste, dass die zur Prüfung befähigte Person bzw. die ZÜS nicht hinreichend prüft.27 Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft kommt hinzu, dass sie auch den Verwalter überwachen muss. Sie muss nämlich überwachen und prüfen, ob der Verwalter auch die notwendigen Maßnahmen ergreift, die im Sinne der BetrSichV notwendig sind – also zur Prüfung befähigte Personen oder eine ZÜS namens der Eigentümergemeinschaft beauftragt. Das Überwachungsorgan ist die Eigentümerversammlung, nicht aber der Verwaltungsbeirat.28 Dieser hätte nur eine Überwachungsfunktion, sofern er aufgrund einer Beauftragung durch die Versammlung diese Aufgabe übernommen hätte (eine solche Aufgabe geht über den gesetzlichen Rahmen des § 29 WEG hinaus). Es entsteht dabei eine mehrstufige Überwachungsverpflichtung: Versammlung – Beirat – Verwalter.

9.26 Ein einmaliger technischer Defekt einer seit 30 Jahren unfallfrei laufenden Aufzugsanlage begründet keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Verkehrssicherungspflicht fordert auch nicht, eine solche Aufzugsanlage auszubauen und durch neuere, technische weiterentwickelte Anlagen zu ersetzen.29 Der Verwender muss die technische Sicherheit garantieren, die zum Zeitpunkt des Einbaus gefordert wurden, es sei denn, gesetzliche Vorgaben fordern auch für ältere Modelle neue Sicherheitsstandards.30 Welche Sicherheit und welcher Gefahrenschutz im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten sind, richtet sich nicht ausschließlich nach den modernsten Erkenntnissen und nach dem neuesten Stand der Technik.31 Unerheblich ist dabei, ob für neu zu errichtenden Anlagen schärfere Sicherheitsstandards gelten. Der Verkehrssicherungspflichtige hat den Sicherheitsstandard zu bieten, der bei Ausnutzung der vorhandenen technischen Einrichtungen in einwandfrei funktionierenden Zustand geboten werden kann.32 Es kommt vielmehr maßgeblich auch auf die Art der Gefahrenquelle an. Je größer die Gefahr und je schwerwiegender die im Falle ihrer Verwirklichung drohenden Folgen sind, umso eher wird eine Anpassung an neueste Sicherheitsstandards geboten sein. Soweit es sich um Gefahren handelt, die nicht so schwerwiegend und für den Verkehr im Allgemeinen erkennbar und mit zumutbarer Sorgfalt und Vorsicht beherrschbar sind, kann dem Verkehrs27 OLG München, Beschl. v. 25.8.2011 – 1 U 1798/11, Juris, Rz. 6. 28 Vgl. Lehmann-Richter in Staudinger (2018) § 29 WEG Rz. 61 (keine allgemeine Pflicht, den Verwalter zu kontrollieren). 29 Vgl. auch BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 223/09, MDR 2010, 625 = VersR 2010, 544 = NJW 2010, 1967, zur (fehlenden) Nachrüstungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen für bestehende technischen Anlagen im Falle einer Verschärfung einer DIN-Norm; dazu auch Molitoris/Klindt, Die Entwicklung im Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht, NJW 2012, 1489-1495 (1495). 30 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.10.2000 – 14 U 131/99, VersR 2002, 249; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2013 – 3 U 169/12, MDR 2013, 592. 31 BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 223/09, MDR 2010, 625 = VersR 2010, 544 = NJW 2010, 1967. 32 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2016 – I-24 U 144/15, VersR 2017, 306 = NJW-RR 2017, 403 = Juris Rz. 27.

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Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.29 Teil 9

sicherungspflichtigen im Einzelfall jedenfalls eine angemessene Übergangsfrist zuzubilligen sein.33 Zur Sicherstellung der Verkehrssicherungspflicht gehört auch, dass Gefahren durch eine fehlende Bündigkeit des Aufzuges mit der Ebene des Etagenbodens unverzüglich beseitigt werden müssen.34 Der Fahrstuhl muss dann bis zur Beseitigung der Fehlbündigkeit stillgelegt werden. Das mehrmalige Auftreten einer solchen Fehlpositionierung des Fahrstuhls kann zu einer Hinweispflicht des Fahrstuhlbetreibers führen.35 Diese Hinweispflicht obliegt dem Verwalter, der für die Eigentümergemeinschaft handeln muss. Der Verwalter sollte Haftungsrisiken für die Eigentümergemeinschaft und für sich möglichst ausschließen und (selbst wenn es sich nur um eine Gefahrenquelle handelt, die eine sofortige Stilllegung nicht rechtfertigt) ein Hinweisschild auf Störungen und die konkreten Gefahrenquellen anbringen.

9.27

3. Kehr- und überprüfungspflichtige Feuerungsanlagen Eigentümer sind verpflichtet, ihre kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen fristgerecht kehren, überprüfen sowie die (nach der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) vorgeschriebenen Messungen durchführen zu lassen.

9.28

Hier ist auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gefordert, die ihre Pflichten zwar (schon mit der Verwalterbestellung) auf den Verwalter übertragen hat, ihn aber gleichwohl überwachen muss. Der Verwalter muss (soweit ein Wahlrecht bei den nicht hoheitlichen Aufgaben besteht) einen Schornsteinfeger aussuchen und durch Beschluss einer Eigentümerversammlung beauftragen lassen. Kehr- oder überprüfungspflichtig sind folgende Anlagen: Abgasanlagen, Heizgaswege der Feuerstätten, Räucheranlagen und notwendige Verbrennungsluft- und Abluftanlagen gemäß § 1 Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO). a) Grundlagen Gemäß § 1 Abs. 1 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG) hat jeder Eigentümer eines Grundstücks36 oder eines Raums fristgerecht zu veranlassen, dass kehr- und prüfungspflichtige Anlagen überprüft und gereinigt werden sowie die Schornsteinfegerarbeiten, die für kleine und mittlere Feuerungsanlagen durch Rechtsverordnung nach § 23 Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgeschrieben sind, durchgeführt werden.37

33 BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 223/09, MDR 2010, 625 = VersR 2010, 544 = NJW 2010, 1967. 34 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.10.2000 – 14 U 131/99, VersR 2002, 249 = Juris, Rz. 32 f. (dort ging es um zwei Zentimeter zwischen Fußboden und Aufzugsboden). 35 Noch vereint: OLG Frankfurt, Urt. v. 17.10.2000 – 14 U 131/99, VersR 2002, 249 = Juris, Rz. 36; in Erwägung gezogen: OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2013 – 3 U 169/12, MDR 2013, 592 (vgl. dazu auch den Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO: OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.12.2012 – 3 U 169/12, NJW-RR 2013, 973. 36 Wohnungseigentumsrechtlich sind das alle Wohnungseigentümer gemeinsam. 37 Opolony, Das neue Schornsteinfegerhandwerksgesetz – Entwicklung und Analyse, GewArch 2018, 129–133; Muncke/Wedekind, Das Schornsteinfegerrecht – eine schwarze Materie?, NwVZ 2016, 1688-1692.

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9.29

Teil 9 Rz. 9.29

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Bei dieser Rechtsverordnung handelt es sich um die erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Die KÜO regelt in § 1 die Begriffsbestimmungen von kehr- und überprüfungspflichten Anlagen. § 1 Abs. 4 SchfHwG schreibt in Verbindung mit Anlage 1 die Anzahl der Kehrungen und Überprüfungen vor. Gemäß § 24 SchfHwG können bei Zuwiderhandlungen gegen die Kehr- und Prüfpflichten Geldbußen verhängt werden (vgl. Rz. 9.34 ff.). b) Prüfungen und Prüfperson

9.30 Seit dem 1.1.2013 können sich die Eigentümer für viele Schornsteinfegerarbeiten, vor allem die regelmäßigen Kehr- und Überprüfungsarbeiten, ihren Schornsteinfeger aussuchen. Wer in Deutschland Schornsteinfegertätigkeiten ausführen darf, ist in einem beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geführten Schornsteinfegerregister eingetragen, das im Internet veröffentlicht ist.38 Für die hoheitlichen Tätigkeiten ist der Bezirksschornsteinfeger zuständig.39 Hierzu zählen die Feuerstättenschau aller Feuerstätten und Schornsteine, die Überprüfung der Betriebs- und Brandsicherheit, die Bauabnahmen neuer Feuerstätten und Schornsteine, die Durchführung von behördlich angeordneten Ersatzvornahmen und die Erstellung des sogenannten Feuerstättenbescheides.

9.31 Jeder bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger ist Beliehener und übt hoheitliche Aufgaben aus. Gemäß § 14 Abs. 1 SchfHwG hat er in seinem siebenjährigen Bestellungszeitraum sämtliche Anlagen in seinem Bezirk zweimal zu besichtigen. Dabei prüft er die Betriebs- und Brandsicherheit der Anlage. Diese Feuerstättenschau kann frühestens nach drei und muss spätestens nach fünf Jahren nach der letzten Feuerstättenschau erfolgen. Stellt der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger bei der Feuerstättenschau fest, dass eine Anlage nicht betriebs- oder brandsicher ist, und ist Gefahr im Verzug, so trifft er die erforderlichen vorläufigen Sicherungsmaßnahmen,40 so schreibt es § 14 Abs. 3 SchfHwG vor. Als vorläufige Sicherungsmaßnahme ist auch die vorläufige Stilllegung einer Anlage zulässig. Bei Maßnahmen, die ein Bezirksschornsteinfeger veranlasst, kann wohl nur in Ausnahmefällen der einzelne Eigentümer in Anspruch genommen werden; Adressat einer Ordnungsverfügung soll bei Gemeinschaftseigentum die Eigentümergemeinschaft sein.41 c) Dokumentation

9.32 Der nach der Feuerstättenbeschau ergehende Feuerstättenbescheid (§ 14a Abs. 1 SchfHwG) enthält u.a. die Anzahl der Schornsteinfegerarbeiten im Kalenderjahr und den Fristbeginn und das Fristende für die Durchführung der jeweiligen Arbeiten.

38 https://elan1.bafa.bund.de/bafa-portal/sf-suche. 39 Wer Schornsteinfeger ist, bestimmt sich nach § 2 SchfHwG, vgl. Muncke/Wedekind, Das Schornsteinfegerrecht – eine schwarze Materie?, NVwZ 2016, 1688-1692. 40 Vgl. hierzu auch VG Hannover, Urt. v. 14.5.2018 – 4 A 8334/17, ZWE 2018, 380. 41 VG Hannover, Urt. v. 14.5.2018 – 4 A 8334/17, ZWE 2018, 380.

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Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.34 Teil 9

In das Kehrbuch, einer Art „Chronik“ aller Feuerstättenbeschauen, sind gemäß § 19 Abs. 1 SchfHwG die wichtigsten Daten einzutragen, so bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft die persönlichen Daten – des nach dem WEG bestellte Verwalter mit Namen und Anschrift, – falls kein Verwalter bestellt ist sämtlicher Wohnungseigentümer mit Namen und Anschrift, – wenn die Anlage zum Sondereigentum gehört Vor- und Familienname des Eigentümers mit Anschrift (oder abweichend davon des Besitzers – Mieter o.ä.). Außerdem sind Art, Brennstoff, Nennwärmeleistung und Alter der Anlage sowie Angaben über ihren Betrieb, Standort und ihre Zuweisung zur Abgasanlage und das Datum und das Ergebnis der letzten beiden Feuerstättenschauen einzutragen.

9.33

Gemäß § 19a SchfHwG, der auf das Wohnungseigentum abstellt, hat der WEG-Verwalter, wenn die „Feuerstätte“ zum Sondereigentum gehört, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger auf Anforderung unverzüglich Namen und Anschrift des Besitzers der Feuerstätte im Sinne des § 19 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b mitzuteilen. Der Wohnungseigentümer wiederum hat, wenn die Feuerstätte in seinem Sondereigentum steht, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Namen und Anschrift des Besitzers im Sinne des § 19 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c (also z.B. des Mieters) auf Anforderung unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 20 SchfHwG sind die Kosten für Tätigkeiten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers nach § 14 Absatz 1 bis 3, § 14a, § 15 Satz 1, § 16 und § 26 Gebühren von den Grundstückseigentümern, im Fall von Wohnungseigentum von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder, falls die Anlage zum Sondereigentum gehört, von dem Wohnungseigentümer zu entrichten.42 d) Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Bei Verstößen gegen bestimmte Pflichten aus dem SchfHwG drohen gemäß § 24 SchfHwG Bußgelder zwischen 5.000 und 50.000 Euro. Dazu zählen Meldungspflichten, z.B. bei Änderung der Anlage oder bei Eigentümerwechsel (was bei einer gemeinschaftlichen Anlage der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht einschlägig ist), Benutzung unsicherer Anlagen und die Verweigerung des Zugangs der berechtigten Prüfperson zu überprüfungspflichten Anlagen. Diese Meldungspflichten hat der Verwalter für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erfüllen. Versäumt er diese, und wird die Eigentümergemeinschaft in Anspruch genommen, haftet er gegenüber der Eigentümergemeinschaft. Auch den Besitzer, der nicht Eigentümer ist, trifft eine Zugangsverschaffungsverpflichtung (§ 1 Abs. 3 S. 2 SchfHwG); damit trifft diese Pflicht auch einen Mieter, der in einer Wohnung mit einer eigenständigen (Sondereigentums-)Heizung wohnt.

42 Vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 18.3.1994 – 8 C 15/93, NJW-RR 1994, 972 = DWE 1995, 39 = WE 1995, 369; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 13.11.1990 – 4 K 705/90, WuM 1991, 126; Müller, Die Umlage für Schornsteinfegergebühren im Sondereigentum, ZWE 2014, 203-205; Becker, Die Haftung der Wohnungseigentümer für Schornsteinfegergebühren, DWE 1994, 52-61.

Felz

495

9.34

Teil 9 Rz. 9.35

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

e) Rechtsprechung

9.35 Einen Vermieter trifft mietrechtlich keine Überprüfungspflicht von Kohleöfen in der Wohnung des Mieters ohne besonderen Anlass, wie der BGH ausgeführt hat.43 In dem vom BGH am 1.6.2011 entschiedenen Fall lockerten sich die Wandanschlüsse des Ofens, es trat Ruß aus und verbreitete sich in der Wohnung. Der Mieter verlangte daher Schadensersatz vom Vermieter. Der BGH lehnte dies ab. Der Vermieter sei im Rahmen seiner Instandhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, ordnungsgemäß installierte Öfen beziehungsweise deren Wandanschlüsse ohne besonderen Anlass auf Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit zu kontrollieren. Es reiche in der Regel aus, wenn auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich von einem Fachmann abgestellt würden. Kohleöfen wird es in Eigentümergemeinschaften nur noch in den seltensten Fällen geben, die Entscheidung des BGH ist gleichwohl auch für moderne (Sondereigentums-)Heizungsanlagen von Bedeutung. Auch bei solchen Heizungsanlagen kann eine Eingriffsnotwendigkeit für den vermietenden Sondereigentümer in der Regel erst entstehen, wenn der Mieter auf Mängel hinweist (vorausgesetzt, die Anlage war ordnungsgemäß installiert). Ein Wartungsvertrag mit der Herstellerfirma, der eine jährliche Reinigung und Überprüfung beinhaltet, kann die gesetzlich festgelegten Überprüfungsarbeiten allerdings nicht ersetzen.44 4. Trinkwasserversorgung

9.36 Am 9.1.2018 ist die neugefasste „Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften“ vom 3.1.2018 (TrinkwV) in Kraft getreten.45 § 4 Abs. 1 TrinkwV fordert, dass Trinkwasser rein von Krankheitserregern und genussstauglich sein muss. Diese Anforderung wird dadurch erfüllt, dass bei der Wasseraufbereitung und Wasserverteilung mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Die Trinkwasserverordnung enthält deshalb z.B. Regelungen in Bezug auf Legionellenuntersuchungen in Wasserversorgungsanlagen46 der Trinkwasser-Installation, § 14b TrinkwV. Von der nach § 14b TrinkwV vorgeschriebenen Untersuchungspflicht auf Legionellen wird „der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage“ erfasst, wenn – aus der Wasserversorgungsanlage Trinkwasser im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit abgegeben wird, – sich in der Wasserversorgungsanlage eine Großanlage zur Trinkwassererwärmung befindet und – die Wasserversorgungsanlage Duschen oder andere Einrichtungen enthält, in denen es zu einer Vernebelung des Trinkwassers kommt.

43 BGH, Urt. v. 1.6.2011 – VIII ZR 310/10, WuM 2011, 465 = ZMR 2011, 938. 44 VG Augsburg, Beschl. v. 24.10.2014 – Au 5 S 14.1379, Juris. 45 BGBl. I Nr. 2/2018, 99; ausführlich: Pfeifer in BeckOK MietR, 14. Ed. 1.12.2018, TrinkwV § 1 Rz. 1-46. 46 Zum hier einschlägigen Begriff vgl. § 3 Nr. 2 Buchst. e) TrinkwV.

496

Felz

Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.39 Teil 9

Eine gewerbliche Tätigkeit ist gemäß der Definition in § 3 Abs. 1 Nr. 10 TrinkwV „die unmittelbare oder mittelbare, zielgerichtete Trinkwasserbereitstellung im Rahmen einer Vermietung oder einer sonstigen selbstständigen, regelmäßigen und in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit“.

9.37

Werden alle Einheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft von den jeweiligen Eigentümern selbst genutzt, liegt keine gewerbliche Nutzung im Sinne der TrinkwV vor; eine solche liegt jedoch vor, wenn mindestens eine Eigentumswohnung vermietet wird. Das Kriterium „öffentliche Tätigkeit“ ist bei Eigentümergemeinschaften nicht erfüllt, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6.3.2018 ausgeführt hat.47 Eine „öffentliche Tätigkeit“ ist, so der BayVGH, „definiert als die Trinkwasserbereitstellung für einen unbestimmten, wechselnden und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis. Die Gesetzesbegründung48 nennt als Unterscheidungsmerkmal, dass die im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit betriebenen Einrichtungen der Allgemeinheit Leistungen anbieten, die von einem wechselnden Personenkreis in Anspruch genommen werden. Im Gegensatz dazu gibt es hier [bei der streitbefangenen Eigentümergemeinschaft] einen genau bestimmten Personenkreis, bestehend aus den Eigentümern bzw. den Mietern der Wohneinheiten und deren Besuchern bzw. Gästen.“

9.38

Eine Großanlage zur Trinkwassererwärmung ist definiert (§ 3 Nr. 12 TrinkwV) als eine Anlage mit einem Speicher-Trinkwassererwärmer oder zentralem Durchfluss-Trinkwassererwärmer von (jeweils) mehr als 400 Litern oder einem Inhalt von mehr als 3 Litern in mindestens einer Rohrleitung zwischen dem Abgang des Trinkwassererwärmers und der Entnahmestelle.49 Die hier beschriebenen, im Interesse des Gesundheitsschutzes50 streng gefassten Voraussetzungen für eine Pflicht zur systematischen Untersuchung werden wohl alle Wohnungseigentümergemeinschaften (bis auf seltene Ausnahmen) erfüllen. Untersuchungen der Wasserversorgungsanlage dürfen nur durch zugelassene Untersuchungsstellen vorgenommen werden (§§ 14b Abs. 2, 15 Abs. 4 TrinkwV). Die zugelassenen Untersuchungsstellen können über die jeweiligen „Landeslisten“ der Bundesländer oder über die örtlichen Gesundheitsämter ermittelt werden;51 am einfachsten ist je-

47 48 49 50

Vgl. dazu die Angaben in der Nr. 22 der Entscheidungstabelle. In der Entscheidung noch bezogen auf BR-DrS 530/10, Seite 63. Zirkulationsleitung wird nicht berücksichtigt. 2012 sind 5.852 Menschen an Legionellose erkrankt gewesen (Deutsches Ärzteblatt vom 27.3.2014 „Zahl der Legionellenerkrankungen in Europa stabil“ – www.aerzteblatt.de); „Bei der Legionärskrankheit handelt es sich um eine schwere und in etwa 5 bis 15 % tödlich verlaufende Lungenentzündung, die durch Bakterien der Gattung Legionella ausgelöst wird.“ „Eine potenzielle Gefahrenquelle für den Menschen sind in Wassersystemen siedelnde Legionellen, die sich bei einer Wassertemperatur zwischen 25 °C und 45 °C stark vermehren können. Die Vermehrung erfolgt dabei nicht frei im Wasser sondern vielmehr Biofilm-assoziiert in einzelligen Protozoen.“ (Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin vom 30.3.2015, Nr. 13). 51 Z.B. Baden-Württemberg: „Verbraucherportal-bw.de“, Bayern: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Berlin: Landesamt für Gesundheit und Soziales, NRW: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).

Felz

497

9.39

Teil 9 Rz. 9.39

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

doch der Zugriff über die Internetseite des Landesjustizministeriums Brandenburg,52 dort sind auch alle Untersuchungsstellen der Bundesländer („Länderlisten“) zu finden. Neu ist nunmehr die Meldepflicht der Untersuchungsstelle nach § 15a Abs. 1 TrinkwV neben der (aus § 16 TrinkwV resultierenden) Pflicht des Inhabers der Wasserversorgungsanlage. Sie ist nämlich jetzt ebenfalls verpflichtet, dem zuständigen Gesundheitsamt eine von ihr festgestellte Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes53 unverzüglich anzuzeigen. § 16 Abs. 7 TrinkwV legt dem Inhaber einer Wasserversorgungsanlage noch eine besondere Handlungspflicht auf. Wird dem Inhaber (also hier der Wohnungseigentümergemeinschaft oder dem Organ der Gemeinschaft, dem Verwalter) anlässlich einer (Pflicht-)Untersuchung oder aufgrund anderer Tatsachen bekannt, das der technische Maßnahmewert für Legionellen überschritten wird, sind unverzüglich – Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen durchzuführen, – eine Gefährdungsanalyse (vgl. § 3 Nr. 13 TrinkwV) zu erstellen, – die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlichen Gesundheitsschutz-Maßnahmen durchzuführen. Ein Verstoß gegen diese besonderen Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.

9.40 Der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft sollte deshalb im Interesse der Wohnungseigentümer und deren Mieter und auch im eigenen Interesse streng darauf achten, dass die Vorgaben der Trinkwasserverordnung eingehalten werden. Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben können nicht nur öffentlich-rechtliche Konsequenzen für den Verwalter haben, sondern auch wohnungseigentumsrechtliche. Eine Nichtbeachtung der Trinkwasserverordnung entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und kann auch einen Ersatzanspruch der Gemeinschaft oder einzelner Eigentümer gegenüber dem Verwalter auslösen, wenn ein Schaden entstanden ist, der auf das Versäumnis des Verwalters zurückgeführt werden kann. Die systematische Untersuchung auf Legionellen ist einmal im Jahr durchzuführen. Eine Verlängerung auf eine Untersuchung alle drei Jahre durch das Gesundheitsamt ist möglich (§ 14b Abs. 5 TrinkwV), wenn die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“54 eingehalten werden. Des Weiteren müssen die Untersuchungsergebnisse der letzten drei jährlich durchgeführten Probeentnahmen ohne Befund sein. Alle drei Jahre ist das Trinkwasser aus Großanlagen der Trinkwassererwärmung zu untersuchen, wenn Wasser im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (also bei einer Vermietung) bereitgestellt wird. Der BGH hat in einer mietrechtlichen Entscheidung bestätigt, dass eine Pflichtverletzung des Wasseranlagen-Inhabers (Verletzung der Verkehrssicherungspflicht) gegeben ist, wenn keine Untersuchung des Trinkwassers auf Legionellen durchgeführt wird.55

52 https://mdjev.brandenburg.de/verbraucherschutz/wasserhygiene/trinkwasser/trinkwasseruntersu chung.html. 53 Anlage 3 Teil II legt als Technischen Maßnahmewert für „Legionella spec.“ einen Wert von 100/100 ml fest; also 100 Legionellen pro 100 ml Wasser. 54 Vgl. dazu im Rahmen der Vertragsgestaltung bei Planung, Bau und Wartung von Trinkwasseranlagen: BeckOK MietR/Pfeifer, 11. Ed. 15.5.2016, TrinkwV 2001 § 17 Rz. 3–6. 55 BGH, Urt. v. 6.5.2015 – VIII ZR 161/14, MDR 2015, 880 = WuM 2015, 412 = ZMR 2015, 702.

498

Felz

Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.43 Teil 9

Dazu gehört auch, dass der Betreiber einer Trinkwasseranlage (hier: Eigentümergemeinschaft) für die Einhaltung der technischen Voraussetzungen zu sorgen hat, die in verschiedenen Normen niedergelegt sind. Inspektions- und Dokumentationsarbeiten gehören ebenfalls zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht beim Betrieb einer Wasserversorgungsanlage und schützen u.U. auch vor dem Vorwurf, nicht regelmäßig Pflichten erfüllt zu haben. Neben dieser Inspektionspflicht, der jeder Verkehrssicherungspflichtige (Eigentümergemeinschaft, und nach den Vorgaben des öffentlichen Rechts auch Verwalter)56 nachzukommen hat, müssen die Ergebnisse dieser Gefährdungsanalyse dokumentiert und 10 Jahre aufbewahrt werden. Dies schreibt § 15 Abs. 3 TrinkvW detailliert vor.

9.41

§§ 24, 25 TrinkwV enthalten i. V. m. §§ 73 bis 75 Infektionsschutzgesetzes Sanktionen für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.57 Das Umweltbundesamt hat eine Empfehlung zur Untersuchung von Trinkwasser auf Legionellen veröffentlicht, die auch für die Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften aufschlussreich ist.58 5. Eichpflicht Ab 201559 gibt es neue Pflichten nach dem MessEG in Verbindung mit der MessEV.60 Sie lösen das bisher geltende Eichrecht – insbesondere das Eichgesetz (EichG) und die Eichordnung (EichO) – ab.61 Die einzelnen eichpflichtigen Messgeräte finden sich in § 8 MessEV.

9.42

Unter § 8 Mess- und Eichverordnung (MessEV) fallen (u.a.):

9.43

– Wasserzähler, die für die Volumenmessung von sauberem Kalt- oder Warmwasser bestimmt sind und im Haushalt, im Gewerbe […] verwendet werden, – Gaszähler, – „Mengenumwerter“ für Gas;62

56 OVG NRW, Beschl. vom 15.4.2009 – 10 B 304/09, NJW 2009, 3528 = NZM 2009, 912. 57 Weitere Hinweise zur Rechtsprechung: Damm, Hardt, Verkehrssicherungspflichten in der Immobilienwirtschaft. Wohnbau, Gewerbe, öffentlicher Hochbau, 3. Aufl., 63 ff. 58 Empfehlung des Umweltbundesamtes: Systemische Untersuchungen von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung – Probennahme, Untersuchungsgang und Angabe des Ergebnisses (Stand Dezember 2018). https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/ files/medien/421/dokumente/twk_08_1-0-18_endfassung_uba-empfehlung_systemische_untersu chung_legionellen.pdf. 59 Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz – MessEG) vom 25.7.2013, BGBl. I 2013, 2722, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.4.2016 (BGBl. I Seite 718); Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung – MessEV) vom 11.12.2014, BGBl. I 2014, 2010, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30.3.2019 (BGBl. I S. 579). 60 Weitere Informationen: https://www.lbme.nrw.de/servicecenter/. 61 Lindner, Die Neuregelungen im Mess- und Eichwesen und die Verwaltung von Wohnungseigentum, ZWE 2015, 442–446. 62 Es handelt sich dabei um ein Messgerät, mit dem der Gas-Volumenstrom gemessen wird.

Felz

499

Teil 9 Rz. 9.43

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

– Elektrizitätszähler für den Wirkverbrauch, die zur Verwendung im Haushalt oder im Gewerbe bestimmt sind, – Wärmezähler, die zur Verwendung im Haushalt oder im Gewerbe bestimmt sind, einschließlich der Teilgeräte Rechenwerk, Durchflusssensor, Temperaturfühlerpaar; – Messanlagen für die kontinuierliche und dynamische Messung von Mengen von Flüssigkeiten außer Wasser; die Messanlage umfasst den Zähler und alle Einrichtungen, die erforderlich sind, um eine korrekte Messung zu gewährleisten, oder die dazu dienen, die Messvorgänge zu erleichtern.

9.44 Nach § 37 MessEG dürfen solche Messgeräte nicht ungeeicht verwendet werden und nach § 31 MessEG hat der Verwender eines Messgerätes sicherzustellen, dass das Messgerät nicht ungeeicht verwendet wird. Mit dem neuen Mess- und Eichrecht bezieht der Gesetzgeber auch erstmals Verwender von Messwerten (neben den Verwendern von Messgeräten) in den Kreis der eichrechtlich Verpflichteten ein (§ 1 Nr. 4 MessEG). Neu ist die Verpflichtung für den Messwerteverwender, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zu vergewissern, dass die Messgeräte, mit denen Messwerte bestimmt wurden, den gesetzlichen Anforderungen genügen, und sich vom Messgeräteverwender die Erfüllung der eichgesetzlichen Anforderungen bei der Verwendung von Messgeräten bestätigen zu lassen (§ 33 Abs. 2 MessEG). Das MessEG muss von allen Verwendern von Messgeräten beachtet werden, die Messgeräte im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder Messgeräte im öffentlichen Interesse verwenden. Der Verwender ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Kontrolle über die Funktionen des Messgerätes (Funktionsherrschaft) hat.

9.45 „Verwenden“ bedeutet sowohl Betreiben als auch das Bereithalten eines Messgeräts. Unter „geschäftlichem Verkehr“ ist jede Tätigkeit zu verstehen, die nicht rein privater oder innerbetrieblicher Natur ist. „Geschäftlicher Verkehr“ ist also zumindest immer dann anzunehmen, wenn Messwerte für Abrechnungszwecke gegenüber Wohnungseigentümern und Dritten verwendet werden.63 Benutzt der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft ungeeignete Messgeräte, um mit diesen (gesetzwidrigen) Messwerten die Jahresabrechnung zu erstellen, ist der Verwalter richtiger Adressat der (nach § 60 Abs. 1 Nr. 19 MessEG möglicherweise bußgeldbewehrten) Ordnungsverfügung, mit dem ihm dieses Verhalten untersagt werden soll.64 Wer ein Messgerät verwendet, muss darauf achten, wie schon oben kurz erwähnt, dass gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 MessEG das Gerät nicht ungeeicht im Sinne des § 37 Abs. 1 MessEG verwendet wird. § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG bestimmt, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach

63 Vgl. dazu die Entscheidungstabelle bei Rz. 9.3: Nrn. 1, 17, 18 und 20; abwegig die Entscheidung Nr. 5. 64 OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2016 – 4 A 1150/15 = NVwZ-RR 2016, 807; dazu: Lammel, jurisPRMietR 18/2016 Anm. 1; Linder, Die Neuregelungen im Mess- und Eichwesen und die Verwaltung von Wohnungseigentum, ZWE 2015, 445–446.

500

Felz

Überwachungsbedürftige und überprüfungspflichtige Anlagen

Rz. 9.47 Teil 9

§ 41 Nummer 6 MessEG i. V. m. 34 MessEV bestimmten Eichfrist, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden. Schließlich ist darauf zu achten, dass nach § 32 Abs. 1 MessEG neue oder erneuerte Messgeräte der nach Landesrecht zuständigen Behörde spätestens sechs Wochen nach Inbetriebnahme anzuzeigen sind. Anzugeben sind die Geräteart, der Hersteller, die Typbezeichnung, das Jahr der Kennzeichnung des Messgeräts sowie die Anschrift desjenigen, der das Messgerät verwendet. Auf beides – Eichfristen und Anzeigepflicht – muss der Verwalter der Eigentümergemeinschaft achten und das Überwachungs- und Beschlussorgan, die Eigentümerversammlung, muss den Verwalter seinerseits überwachen und notfalls zu einem ordnungsgemäßen Verhalten verpflichten.

9.46

Die Eichfrist beträgt in der Regel zwei Jahre (§ 34 Abs. 1 MessEV), sofern nicht durch die Anlage 7 zur MessEV abweichende Eichfristen festgelegt werden.65 Die wichtigsten Eichfristen nach Anlage 7 der MessEV betreffen: – Gaszähler: alle acht Jahre – Kaltwasserzähler: alle sechs Jahre – Stromzähler: alle 16 Jahre – Wärmezähler: alle fünf Jahre – Warmwasserzähler: alle fünf Jahre. Die bisherige Rechtsprechung behandelte den Ablauf der Eichfrist nicht als das entscheidende Kriterium für die Verwendbarkeit der abgelesenen Verbrauchswerte. Zwar spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Verbrauchswerte bei einem geeichten Messgerät den tatsächlichen Verbrauch richtig wiedergeben, aber auch bei einem nicht (mehr) geeichten Messgerät könne der Verwender (Vermieter oder Wohnungseigentümergemeinschaft/Verwalter) im Prozess die Richtigkeit der abgelesenen Werte zur Überzeugung des Tatrichters nachweisen.66 Diese Rechtsprechung wird im Lichte des neuen MessEG nicht mehr haltbar sein. Prüfstellen: Gemäß § 40 MessEG bestimmt das Landesrecht die zuständige Stelle für Eichung und Prüfung. Wie Prüfstellen anerkannt werden, regelt § 42 MessEV. Bei Verstößen gegen das MessEG und die MessEV drohen Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten; die einschlägigen Bestimmungen finden sich in § 60 MessEG und § 57 MessEV. Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft kann kein Interesse daran haben, dass gegen ihn ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat eröffnet wird.67 Deshalb sollte er in Eigentümerversammlungen auf die Einhaltung der Eichbestimmungen drängen – und auch ordnungsgemäße Beschlüsse zur Abstimmung stellen, die hierauf ausgerichtet sind.

65 Zu einer befristeten Ausnahmeregelung siehe § 34 Abs. 1 Nr. 2 MessEV. 66 BGH, Urt. v. 17.11.2010 – VIII ZR 112/10, MDR 2011, 92 = WuM 2011, 21 = ZMR 2011, 362 (zum Mietrecht); und anschließend: OLG München, Beschl. v. 13.1.2011 – 32 Wx 32/10, WuM 2011, 130 = DWE 2011, 30 = ZWE 2011, 126 (Wohnungseigentumsrecht). 67 Vgl. dazu in der Entscheidungstabelle die Nr. 1.

Felz

501

9.47

Teil 9 Rz. 9.48

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

VI. Eröffnung des Anwendungsbereichs des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsschutzverordnungen 9.48 Wenn die Gemeinschaft einen Arbeitnehmer anstellt, so handelt es sich dabei um einen Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Die Gemeinschaft wird damit Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbSchG.68 Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft einen Hausmeister beschäftigt, gelten für sie nicht nur die Regelungen des Arbeitsrechts,69 sondern auch die Regelungen des Arbeitsschutzrechts. 1. Grundpflichten im Arbeitsschutzrecht

9.49 Zu den Grundpflichten eines Arbeitgebers im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbSchG gehören gemäß § 3 ArbSchG: – dass der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten treffen muss, – dass er eine fortlaufende Kontrolle der getroffenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit durchführen muss, und – er eine geeignete Organisation schaffen und die erforderlichen Mittel zur Arbeitsdurchführung bereitstellen muss. Das ArbSchG gilt ab einem Beschäftigten, ist also in jedem Fall für Eigentümergemeinschaften, die einen Hausmeister oder auch nur eine Reinigungskraft beschäftigen, einschlägig. Die Aufgaben nach dem ArbSchG sind von dem Verwalter als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen. Auch hier hat die Eigentümerversammlung eine Überwachungspflicht, wie mehrfach angesprochen. Wichtigstes Instrumentarium für die Erfüllung der genannten Aufgaben ist die „Gefährdungsbeurteilung“, also die Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 5 ArbSchG.70 Die Gefährdungsbeurteilung soll sich an der im Einzelfall „vorliegenden Betriebsart und der Betriebsgröße“ und den jeweils auftretenden Gefährdungsfaktoren orientieren. § 5 Abs. 3 Nr. 5 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber ausdrücklich auch dazu, psychische Belastungsfaktoren mit zu berücksichtigen.71 Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften haben also diese abstrakten Anforderungen zu berücksichtigen und eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, die insbesondere die folgenden vier Schritte beinhaltet: 1. Gefährdungen ermitteln, 2. Risikohöhe beurteilen, 3. Schutzmaßnahmen festlegen, a) technische Schutzmaßnahmen, 68 BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289. 69 Vgl. dazu in diesem Handbuch den Teil 17. 70 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht 2018/2019, Nürnberg 2018, 828 f. 71 Praxisbezogene Handlungsanleitungen für die Gefährdungsbeurteilung bietet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter www.gefaehrdungsbeurteilung.de an.

502

Felz

Anwendungsbereich von Arbeitsschutzvorschriften

Rz. 9.52 Teil 9

b) organisatorische Schutzmaßnahmen, c) persönliche Schutzmaßnahmen, 4. Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen überprüfen. Manche, im Arbeitsschutz vorgesehene „technische Schutzmaßnahmen“ (z.B. Einbau eines Notausschalters an einer Maschine) passen auf die Arbeitsverhältnisse bei Eigentümergemeinschaften nicht. Gleichwohl hat der Verwalter die Beschäftigten der Eigentümergemeinschaft während ihrer Arbeitszeit über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen, § 12 ArbSchG, und zwar so, dass sie Gesundheitsgefährdungen als solche erkennen und darauf sachgerecht reagieren können.72 Das kann z.B. beim Hausmeister die Unterweisung sein, während bestimmter Arbeiten Schutzhandschuhe, eine Schutzmaske oder einen Gehörschutz zu tragen.

9.50

§ 4 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ schreibt eine Dokumentation der Unterweisung vor.73 Die Unterweisung ist einmal jährlich zu wiederholen. 2. Konkretisierungen des Arbeitsschutzgesetzes durch Verordnungen und Technische Regeln Das Arbeitsschutzgesetz wird durch eine Reihe von Arbeitsschutzverordnungen konkretisiert, die z.B. Maßnahmen für eine sichere Arbeitsstätten- und Arbeitsplatzgestaltung, einen sicheren Arbeitsmitteleinsatz, für Lärmschutz, zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, zur Lastenhandhabung oder für den Umgang mit Gefahr- oder Biostoffen enthalten.

9.51

Zu diesen Verordnungen zählen zum Beispiel: – Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) – Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)74 – Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) – PSA – Benutzungsverordnung (PSA – BV) – die Biostoffverordnung (BioStoffV) – Baustellenverordnung (BaustellV) – Arbeitsschutzverordnung zur künstlichen optischen Strahlung (OStrV) – Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (LärmVibrations-ArbSchV). Diese Arbeitsschutzverordnungen werden konkretisiert durch Technischen Regeln, die von 9.52 den Arbeitsschutzausschüssen erarbeitet werden (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 ArbSchG), Sie beschreiben die einzelnen Anforderungen der Arbeitsschutzverordnungen für die betriebliche Praxis.

72 Hk-ArbSchR/Feldhoff, § 12, 2. Aufl. 2018. 73 Wiebauer, Die Novelle der Arbeitsstättenverordnung, NZA 2017, 220–224 (222). 74 Vgl. Raths/Klein, Betriebssicherheitsverordnung. Textausgabe mit Einführung und Erläuterungen, Landsberg am Lech 2018.

Felz

503

Teil 9 Rz. 9.52

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Technische Regeln sind kein zwingendes Recht, sie entfalten aber Vermutungswirkung.75 Das bedeutet, dass Arbeitgeber, die ihre Arbeitsschutzmaßnahmen an den Technischen Regeln orientieren, davon ausgehen können, dass sie damit die Anforderungen der jeweiligen Verordnung rechtssicher erfüllen. Weicht der Arbeitgeber hiervon ab, hat er im Wege der Gefährdungsbeurteilung festzustellen, ob die von ihm gewählten Maßnahmen das gleiche Schutzniveau gewährleisten.76 Für Eigentümergemeinschaften und deren Verwalter ist es deshalb wichtig, sich an diesen Arbeitsschutzverordnungen und auch an den Technischen Regeln zu orientieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, z.B. bei einem Arbeitsunfall eine Vermutung gegen sich zu haben, dass die Beschreibung der Handlungsweise in diesen Regelungen und Regeln die (einzig) sinnvolle gewesen wäre. Die TRBS 1001 erläutert die „Struktur und die Anwendung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit“. Diese konkretisieren aus technischer und arbeitsschutzrechtlicher Sicht die in der Betriebssicherheitsverordnung umschriebenen Handlungsweisen. Die Betriebssicherheitsverordnung enthält Arbeitsschutzanforderungen für die Benutzung von Arbeitsmitteln und für den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen. Sie beinhaltet ein umfassendes Schutzkonzept, das auf alle von Arbeitsmitteln ausgehenden Gefährdungen anwendbar ist.

9.53 Schließlich ist noch auf die Regelungen der Arbeitsmedizin hinzuweisen. Die betrieblichen Organisationspflichten werden mit dem „Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG) festgelegt. Das ASiG wird durch die DGUV Vorschrift 2 konkretisiert. Das ASiG ist nur dann nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer im Haushalt beschäftigt wird. Aufgrund sozialgerichtlicher Entscheidungen dürfte klar sein,77 dass bei einer Beschäftigung von Arbeitnehmern durch die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Beschäftigung im „Haushalt“ vorliegt. Des Weiteren ist die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zu nennen. Weitere Informationen finden sich auf den Seiten des LASI, der DGUV und des BMAS.78 Um den Pflichten aus diesem Bereich (gegenüber Hausmeister und sonstigen Beschäftigten) nachzukommen, können sich Wohnungseigentümergemeinschaften auch an die Verwaltungs-BG wenden. Diese bietet dafür Kompetenz-Zentren an.79

75 Faber in HK-ArbSchR, §§ 18, 19, Rz. 36 ff. 76 Vgl. das standardisierte Vorwort zu jeder Technischen Regel. 77 BSG, Urt. v. 29.8.2012 – B 12 R 4/10 R, SozR 4-2400 § 8a Nr 1 = USK 2012 – 147 = NZA 2013, 1408; dem BSG folgt auch das Hess. LSG, Urt. v. 5.12.2013 – L 1 KR 180/12, ZWE 2014, 144 = ZInsO 2014, 1508; vgl. auch Wilhelmy, Mini-Jobs in Wohnungseigentümergemeinschaften, DWE 2013, 101. 78 https://lasi-info.com/uploads/media/LV_64_Vollzug_ASIG__25042019.pdf; https://www.dguv.de/ de/praevention/vorschriften_regeln/dguv-vorschrift_2/index.jsp; https://www.bmas.de/DE/Themen/ Arbeitsschutz/Arbeitsmedizinische-Vorsorge/arbeitsmedizinische-vorsorge.html. 79 http://www.vbg.de/DE/3_Praevention_und_Arbeitshilfen/2_Themen/2_Arbeitsschutz_in_Kleinbe trieben/arbeitsschutz_in_kleinbetrieben_node.html.

504

Felz

Anwendungsbereich von Arbeitsschutzvorschriften

Rz. 9.56 Teil 9

3. Konkretisierung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten durch die Gefährdungsbeurteilung Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die sich sicher verwenden lassen (§ 5 BetrSichV). Das gilt selbstverständlich auch für Eigentümergemeinschaften; sie bzw. der Verwalter dürfen nicht zulassen, dass Arbeitsmittel (Werkzeuge, Leitern, usw.) unsicher sind oder nicht die (evtl.) erforderlichen Prüfzeichen haben.

9.54

Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung am Arbeitsmittel entbindet nicht von der Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 3 Abs. 1 S. 2 BetrSichV). Arbeitsmittel dürfen erst verwendet werden, wenn die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt, der „Stand der Technik“ als wesentlicher Sicherheitsmaßstab für die ermittelten Schutzmaßnahmen beachtet und die Feststellung getroffen worden ist, dass die Verwendung der Arbeitsmittel nach dem Stand der Technik sicher ist (§ 4 Abs. 1 BetrSichV). Hierauf muss der Verwalter der Eigentümergemeinschaft achten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft und auch der Verwalter handeln (zumindest) fahrlässig, wenn sie den Arbeitnehmern der Eigentümergemeinschaft für die Verrichtung der Arbeit keine geeignete persönliche Schutzausrüstung, z.B. Schutzhelm, Schutzhandschuhe, Arbeitsschuhe etc. zur Verfügung stellen oder nicht dafür sorgen, dass die persönliche Schutzausrüstung auch getragen wird. Kommt es zu einem Arbeitsunfall und es stellt sich heraus, dass der verletzte Arbeitnehmer keine geeignete Schutzausrüstung getragen hat, kann die Eigentümergemeinschaft für die Übernahme der Behandlungskosten haftbar gemacht werden (§ 110 SGB VII). Der Verwalter könnte von der Gemeinschaft in Regress genommen werden, wenn ihm ein persönliches Verschulden angelastet werden kann.

9.55

Schutz vor diesen Risiken bieten schriftliche Unterweisungen an die Arbeitnehmer der Gemeinschaft im Umgang und Tragen ihrer Arbeitsschutzbekleidung (was der Verwalter zu besorgen hat) und regelmäßige Kontrolle durch den Verwalter. Der Arbeitgeber (die Eigentümergemeinschaft) hat gemäß § 3 Abs. 8, § 14 Abs. 7 BetrSichV und gemäß § 17 BetrSichV die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung, der Prüfung der Arbeitsmittel vor der erstmaligen Verwendung sowie die Prüfungen vor Inbetriebnahme, Wiederinbetriebnahme bzw. die wiederkehrenden Prüfungen von überwachungsbedürftigen Anlagen zu dokumentieren. 4. Verantwortlichkeiten und Aufgabenübertragung im Arbeitsschutzrecht Gemäß § 13 Abs. 1 ArbSchG ist zunächst der Arbeitgeber, hier also die Wohnungseigentümergemeinschaft, für die Einhaltung der Arbeitsschutzpflichten verantwortlich. Daneben tritt als Organ der Eigentümergemeinschaft der Verwalter gemäß 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. der Verwalter könnten gemäß § 13 Abs. 2 eine zuverlässige und fachkundige Person damit beauftragen, die ihnen obliegenden Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Das erscheint jedoch bei dem (normalen) Umfang der für eine Eigentümergemeinschaft zu verrichtenden Arbeitsaufgaben nicht sachgerecht zu sein; ein qualifizierter Verwalter einer Eigentümergemeinschaft (und nur die Bestellung eines solchen entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung) muss in der Lage sein, solche Aufgaben zu erfüllen.

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505

9.56

Teil 9 Rz. 9.56

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Selbst wenn ein „sachkundiger Dritter“ beauftragt würde, kann die Verantwortlichkeit nicht völlig „abgewälzt“ werden, sie wandelt sich zu einer Kontrollpflicht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. der Verwalter müssten überprüfen, ob die beauftragte Person, die übertragenen Pflichten gewissenhaft erfüllt. 5. „Vorgreifender“ Arbeitsschutz

9.57 Sicheres Arbeiten kann nur mit sicheren Arbeitsmitteln erfolgen.80 Aus diesem Grunde müssen z.B. Maschinen, elektrische Betriebsmittel oder persönliche Schutzausrüstungen Sicherheitsstandards genügen. Es handelt sich dabei um Vorgaben aus dem europäischen Recht. Die technische Sicherheit von Geräten, Produkten und Anlagen, die auf dem Markt bereitgestellt werden, ist Gegenstand des Produktsicherheitsgesetzes. Aufgrund des ProdSG sind neun Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSV) erlassen worden, welche Regelungen für die Sicherheit von elektrischen Betriebsmitteln, PSA oder Druckbehälter enthalten.81 Mit der CE-Kennzeichnung bescheinigt der Hersteller, dass sein Produkt alle einschlägigen Binnenmarktrichtlinien einhält. Ein freiwilliges Gütesiegel ist das GS-Zeichen (Abschnitt 5 des ProdSG). Es bescheinigt, dass das Produkt alle Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen des ProdSG sowie ggf. weiterer einschlägiger Rechtsvorschriften erfüllt. Die Marktüberwachung im Bereich der Produktsicherheit wird durch die Länder durchgeführt.82

VII. Normen und Standards 9.58 Normen sind das Ergebnis von privatrechtlich organisierten Organisationen auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene.83 An der Ausschussarbeit können sich alle an der Normenerstellung interessierten Kreise beteiligen, beispielsweise Hersteller, Verbraucher, Handel, Hochschulen, Forschungsinstitute, Behörden oder Prüfinstitute. Normen entstehen im Konsens. Sie sind nicht bindend (vgl. § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 ProdSG). Bei Normen handelt es sich vielmehr um Empfehlungen, z.B. der Normausschüsse des Deutschen Instituts für Normung e.V., die auf eine freiwillige Befolgung ausgerichtet sind.84 Häufig werden sie aber von der Rechtsprechung als „Stand der Technik“ anerkannt. Sie richten sich in erster Linie an Hersteller.85 Bei Beachtung von harmonisierten Normen lösen sie al-

80 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht 2018/2019, Nürnberg 2018, 805. 81 Vgl. jetzt aber die unmittelbare geltende Verordnung (EU) 2016/425 über PSA und das deutsche PSA-Durchführungsgesetz, das am 26.4.2019 (BGBl. I 2019, S. 473) in Kraft getreten ist. 82 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht 2018/2019, Nürnberg 2018, 953 ff. 83 Vgl. zur Normungsarbeit die DIN-Normen der 820er-Reihe. 84 So zuletzt: OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.2017 – I-15 U 68/16; Juris. 85 KAN-Studie 12/2016, Rechtsprechung zu technischen Normen und normenähnlichen Dokumenten hinsichtlich ihrer Bedeutung für Sicherheit und Gesundheitsschutz 2017, online: https://

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Normen und Standards

Rz. 9.60 Teil 9

lerdings für den verantwortlichen Wirtschaftsakteur (z.B. Hersteller) die Vermutungswirkung aus, dass die Sicherheitsanforderungen des § 4 Abs. 1 ProdSG eingehalten worden sind. Art. 2 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 1025/201286 definiert den Begriff „Norm“ als „eine von einer anerkannten Normungsorganisation angenommene technische Spezifikation zur wiederholten oder ständigen Anwendung, deren Einhaltung nicht zwingend ist und die unter eine der nachstehenden Kategorien fällt“.

9.59

Eine internationale Norm wird z.B. als „ISO EN DIN“ geführt; eine europäische Norm als „EN DIN“ und eine nationale Norm als „DIN“. Seit April 2009 wird eine Reihe von Produkten des DIN unter dem Oberbegriff DIN SPEC (DIN SPEC (PAS): Publicly Available Specifications, DIN SPEC (CWA): CEN Workshop Agreements, DIN SPEC (Vornorm) oder DIN SPEC (Fachbericht) zusammengefasst. Diese entstehen in Verfahren, die nicht zwingend den vollständigen Konsens aller interessierten Kreise erfordern und deren Erarbeitungszeit dadurch kürzer ist als die von Normen.87 Weitere wichtige Standards setzt der „Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.“ (VDE). Wichtigste Organisation ist hier „Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE“ (DKE), die als Organ von VDE und DIN für die Erarbeitung von Normen und Sicherheitsbestimmungen in dem Bereich der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik in Deutschland zuständig ist. Ebenfalls ein großer Normsetzer ist der „Verband deutscher Ingenieure“ (VDI), der den „Stand der Technik“ durch VDI-Richtlinien wiedergibt. Einschlägig ist hier insbesondere die Richtlinienreihe VDI 3810 „Betreiben und Instandhalten von gebäudetechnischen Anlagen“. Im Bereich von Gas und Wasser ist das Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. zu beachten.88 Für die Rechtsprechung sind Normen geeignet zur Konkretisierung des „Standes der Technik“. Das Oberlandesgericht Köln äußerte sich dazu wie folgt: Die „Bestimmungen“ des „Fachverbandes“ DVGW „genießen hohes Ansehen und gelten (ähnlich wie DIN-Normen) als eine schriftliche Fixierung der anerkannten Regeln der Bautechnik, so lange nicht das Gegenteil sachverständigerseits festgestellt wird“.89 Normen sind deshalb auch im Wohnungseigentumsrecht und bei der Verwaltung von Wohnungseigentum zu beachten. Im Bereich des Wohnungseigentumsrechts wird z.B. immer wieder um die Anforderungen an den Trittschallschutz aus der bei der Errichtung jeweils einschlägigen DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) bzw. VDI 4100 (Schallschutz im Hochbau) gestritten.90 Der BGH hat entschieden, dass bei Sanierungsmaßnahmen nur das Niveau bei Errichtung der Anlage einzuhalten ist.

86 87 88 89 90

www.kan.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/KAN-Studie/de/2016_KAN-Studie_Rechtsprechung .pdf. VO (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur europäischen Normung (ABl. 2012 L. 316, 12). Brühne, Alle Spezifikationen des DIN unter einem Hut, KAN-Brief 2/09, 18. https://www.dvgw-regelwerk.de/. OLG Köln, Urt. v. 14.2.2008 – 12 U 121/03, Juris; Wilrich/Mattiuzzo, Für Richter sind Normen und Standards sehr „informativ“, KAN-Brief 4/2016, 9. Schmidt-Räntsch, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum WEG, ZWE 2019, 3 ff. (15 f.); Burchard v. Behr, Pause, Vogel, Schallschutz in Wohngebäuden. Eine Bestandsaufnahme in Technik und

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507

9.60

Teil 9 Rz. 9.60

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Wie die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst nicht zur Verbesserung des Schallschutzniveaus der Wohnanlage verpflichtet ist, ist es auch der einzelne Wohnungseigentümer nicht, der einen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum vorgenommen hat (oder der auf Beseitigung in Anspruch genommen wird). Anders liegt es bei grundlegenden Um- oder Ausbauten wie etwa einem Dachgeschossausbau; dabei sind die aktuellen technischen Anforderungen zu beachten.91

VIII. Duales Arbeitsschutzsystem in Deutschland: Staatliches Recht und Recht der Unfallversicherungsträger 1. Unfallversicherungsträger

9.61 Das deutsche Arbeitsschutzsystem ist durch eine duale Struktur gekennzeichnet. Neben dem staatlichen Arbeitsschutz (Bund und Länder) gibt es die selbstverwalteten Unfallversicherungsträger. Die gesetzlichen Grundlagen für die Unfallversicherungsträger sind seit 1997 im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt. Die Unfallversicherungsträger sind die Berufsgenossenschaften und die Unfallkassen sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Die Aufsicht und die Beratung der Betriebe erfolgt durch die Aufsichtspersonen der zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden (Länder), also meist durch die Gewerbeaufsicht und durch den Unfallversicherungsträger (§§ 18 ff. SGB VII).

9.62 Die zuständige Berufsgenossenschaft für Hausmeister oder sonstige Arbeitnehmer (Reinigungskräfte, Gärtner) einer Eigentümergemeinschaft ist die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Diese veröffentlicht auf ihrer Internetseite u.a. Arbeitshilfen für beschäftigte Hausmeister („Unterweisungshilfe Hausbesorgung“) sowie eine Vielzahl von Arbeitsblättern, die sich z.B. mit Arbeiten an Klimaanlagen, mit Gartenhäckslern und Motorsägen, mit Rasenmähern und Vertikutierern beschäftigen oder auch Checklisten für den Winterdienst usw. Die Kosten für die Behandlung von Arbeitsunfällen oder Erkrankungen von Mitarbeitern durch die Arbeit und evtl. Folgekosten werden von den zuständigen Berufsgenossenschaften, also der VBG, für die Wohnungseigentümergemeinschaft getragen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft setzt – wie auch die übrigen Berufsgenossenschaften – jährlich die Beiträge für alle ihr angeschlossenen Unternehmen (also auch für die Eigentümergemeinschaft) fest und zieht die Beiträge ein. Die Berufsgenossenschaften prüfen die Ursachen der Arbeitsunfälle oder der Erkrankung der Versicherten. Sollte bei dieser Prüfung festgestellt werden, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen (§ 3 ArbSchG), kann er für die Behandlungskosten und für die Übernahme von Folgekosten (z.B. Rente) haftbar gemacht werden (§ 110 SGB VII). Auch für die Eigentümergemeinschaft und den Verwalter (aufgrund eventueller Regressforderungen der Gemeinschaft) kann das gefährlich sein und teuer werden.

Recht, NJW 2009, 1385-1390; BGH, Urt. v. 6.7.2018 – V ZR 221/17, MDR 2018, 1432 = WuM 2018, 802 = ZWE 2019, 139. 91 BGH, Urt. v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657 = WuM 2018, 384 = NJW 2018, 2123.

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Duales Arbeitsschutzsystem in Deutschland

Rz. 9.64 Teil 9

2. Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger Gemäß § 15 Abs. 1 SGB VII können die Unfallversicherungsträger (UVT) als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften (UVV), insbesondere als Maßnahme zur Verhütung von Arbeitsunfällen, erlassen, welche den Unternehmer im Sinne des § 136 Abs. 3 SGB VII und die Versicherten binden.92

9.63

„Unternehmer“ in diesem Sinne ist auch die (teil-)rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft.93 Die UVV werden als „Stand der Technik“ auch von der Rechtsprechung zur Konkretisierung rechtlicher (Verkehrssicherungs-)Pflichten herangezogen. Das autonome Satzungsrecht der Berufsgenossenschaften regelt Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren oder für eine wirksame Erste Hilfe. Soweit die Subsidiarität zum staatlichen Arbeitsschutzrecht beachtet wird, können insbesondere Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Unfällen, arbeitsbedingten Krankheiten und Gesundheitsgefahren zu treffen haben sowie die Form der Übertragung dieser Aufgaben auf andere Personen geregelt werden. Außerdem kann das Verhalten der Versicherten in diesen Bereichen durch UVV vorgeschrieben werden. Daneben veröffentlicht die DGUV94 Regeln, Informationen und Grundsätze. Diese Publikationen sind rechtlich nicht bindend. Ein wichtiges Feld der Regelsetzung der UVT sind branchenbezogene Regeln. Kernfunktion dieser sog. Branchenregeln ist es, die in staatlichen Regeln getroffenen gefährdungsbezogenen Anforderungen für Betriebe einer bestimmten Branche zusammenzustellen.95 3. Arbeitsschutz lohnt sich Für Wohnungseigentümergemeinschaften und deren Verwalter wird die Ausarbeitung eines „Arbeitssicherheitskonzepts“, wie es in anderen Wirtschaftszweigen üblich ist, sicherlich nicht zwingend sein; ein qualifizierter Verwalter wird jedoch im Interesse der Eigentümer und im eigenen Interesse die Arbeitssicherheit im Blick behalten und ein generelles Sicherheitsmanagement für alle seine Eigentumsverwaltungen entwickeln. Nach solchen Konzepten sollten Eigentümer die Bewerber für die Verwaltertätigkeit auch vor einer Bestellung fragen und sich die Konzepte erläutern lassen. Sinnvolle Sicherheitskonzepte ersparen der Wohnungseigentümergemeinschaft und den Verwaltern Zeit und Mühe. Ein verhinderter Unfall verursacht keine Kosten und erspart einen (bei Arbeitsunfällen zwingend vorgeschriebenen) Unfallbericht an die Berufsgenossenschaft. Nebenbei wird auch die Sicherheit der Eigentümer, Mieter und Besucher erhöht, wenn der Verwalter Gefahrenpunkte systematisch ermittelt und Gefahrenstellen beseitigen lässt.

92 Felz, Die Unfallverhütungsvorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und ihre rechtlichen Auswirkungen im Straßenverkehr, NZV 2017, 117 ff. 93 Vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. 94 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), Berlin; dies ist der Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherungen. 95 Felz/Hussing, Zwischen Tradition und Innovation. Die Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz aus Sicht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) NZS 2017, 577 ff.

Felz

509

9.64

Teil 9 Rz. 9.64

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Kosten für die Verwaltungs- und Berufsgenossenschaft sind mietrechtlich umlagefähig, da es sich um direkte Personalkosten (§ 2 Nr. 14 BetrKV) handelt, deren Kosten der Arbeitgeber von Gesetzes wegen zu tragen hat.96

IX. Verkehrssicherungspflichten (Eröffnung von Verkehr, Überwachung von Gefahrenquellen) 1. Grundlagen der Verkehrssicherungspflichten

9.65 Für die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. deren Verwalter können sich aus verschiedenen Rechtsquellen Pflichten zur Vermeidung von Schäden an Rechtsgütern anderer Personen ergeben.97 Die Haftung des Verwalters kann sich aus dem Verwaltervertrag in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1 BGB, 241 BGB (vgl. TeilBLOCKIEREN) oder aus „unerlaubter Handlung“ (Delikt) gemäß § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Deliktisch geschützte Rechtsgüter sind u.a. Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Weitere Verpflichtungen des Verwalters können aber auch in der Gemeinschaftsordnung festgelegt worden sein. Möglich ist andererseits aber auch, eine Haftungsbegrenzung des Verwalters in Bezug auf vertragliche Pflichten im Verwaltervertrag zu vereinbaren.98 Eine Haftungsbegrenzung für deliktische Haftung ist nicht möglich. Körper- und Sachschäden infolge einer „unerlaubten Handlung“ bergen ein erhebliches Haftungspotenzial. Eine deliktische Handlung kann insbesondere aus der Verletzung einer sogenannten Verkehrssicherungspflicht resultieren oder einem Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, z.B. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung).99

9.66 Weiterhin spielt die Haftung des Verwalters als Gebäudeunterhaltsverpflichteter gemäß § 838 BGB in Verbindung mit § 836 BGB eine erhebliche Rolle.100 Eine Pflicht zur Verkehrssicherung kann sich aus der Öffnung des Zugangs zu einem Grundstück oder einem Haus für die Öffentlichkeit ergeben.101 Sie gilt aber auch für bewegliche Sachen. Abstrakt gesprochen gilt es, Gefahrenquellen in zumutbarem Maße zu sichern. Im Folgenden sollen mögliche Pflichtverletzungen sowie entsprechende Maßnahmen zum gesetzund pflichtgemäßen Verhalten aufgezeigt werden. Des Weiteren können sich strafrechtliche Verpflichtungen aus § 222 (fahrlässige Körperverletzung), § 229 (fahrlässige Körperverletzung) oder § 306d StGB (fahrlässige Brandstiftung) ergeben.

96 97 98 99

LG Kassel, Urt. v. 14.7.2016 – 1 S 352/15, WuM 2016, 740. Damm/Hardt, Verkehrssicherungspflichten, 13 ff. Vogel, Haftungsbegrenzungsklauseln im Verwaltervertrag, ZWE 2015, 15 ff. Greiner, Dötsch, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, ZWE 2014, 343–349; Gottschalg, Verkehrssicherungspflichten des Wohnungseigentumsverwalters, NZM 2002, 590–594. 100 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/91, NJW 1993, 1782 = WuM 1993, 273 = MDR 1994, 45; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.12.1994 – 3 Wx 619/94, WuM 1995, 230 = ZMR 1995, 177 = NJWRR 1995, 587; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.6.1992 – 10 U 178/91, OLGZ 1993, 107 = NJW-RR 1992, 1244 = MDR 1993, 27. 101 Wagner in MüKO-BGB, § 823 BGB Rz. 405.

510

Felz

Verkehrssicherungspflichten

Rz. 9.68 Teil 9

2. Geschützter Personenkreis Eine Haftung aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kommt nicht nur gegenüber den Wohnungseigentümern, sondern auch gegenüber dritten Personen in Betracht. Grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflicht hat der Verkehrssicherungspflichtige gegenüber Personen, die unbefugt in den Rechtskreis der Wohnungseigentümergemeinschaft treten und sich dabei in den Gefahrenbereich begeben, insbesondere, wenn sich eine untypische Gefahr realisiert, die bei einem Befugten nicht aufgetreten wäre. Anders kann es bei Personen aussehen, die besonders schutzbedürftig sind, wie z.B. Minderjährige, oder wenn erfahrungsgemäß mit einem Fehlverhalten externer Personen zu rechnen ist.102

9.67

Eine erhebliche und wahrscheinliche Gefahrenquelle ist umso stärker abzusichern, je höher ihr Schadenspotenzial ist. Das Schutzniveau ist in Bezug auf den schützenden Personenkreis, die Erkennbarkeit der Gefahr sowie dem Aufwand der Sicherungsbemühungen zu modifizieren.103 3. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht wird häufig nicht durch aktives Handeln, sondern durch Unterlassen verwirklicht. Das Unterlassen einer Handlung wird genauso behandelt wie eine aktiv begangene Pflichtverletzung, wenn eine Rechtspflicht zur Abwendung des Schadenseintritts bestand.104 Im Bereich der WEG-Gebäudeverwaltung gibt es eine Vielzahl von speziellen gebäude- und grundstücksbezogenen Verkehrssicherungspflichten. Diese können sich z.B. im öffentlichen Recht finden. Genannt seien an dieser Stelle die Landesbauordnungen, die (für Arbeitgeber oder Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen mit wirtschaftlichem Zweck einschlägige) BetrSichV oder die TrinkwV. Die BetrSichV oder die DGUV-Vorschriften werden durch (rechtlich nicht bindenden) Technische Regeln und DGUV-Regeln konkretisiert. Die BetrSichV oder die DGUV-Vorschriften sind von der Wohnungseigentümergemeinschaft (und vom Verwalter) zu beachten, wenn die Gemeinschaft einen Arbeitnehmer, z.B. einen Hausmeister, angestellt hat (vgl. dazu oben 7.a)). Sie können zur Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten auch außerhalb des unmittelbaren Geltungsbereichs als Maßstab für verkehrsgerechtes Verhalten von den Gerichten heranzogen werden, auch wenn kein Beschäftigter im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes betroffen ist.105 Eine Voraussetzung für die Haftung des Verwalters ist, dass die Pflichtverletzung des Verwalters den Schaden verursacht hat. Das pflichtwidrige Handeln oder Unterlassen des Verwalters muss also dazu geführt haben, dass der Schaden eingetreten ist. Des Weiteren müssen die Pflichtverletzungen des Verwalters schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig (§ 276 Abs. 1 und Abs. 2 BGB), begangen worden sein.

102 103 104 105

Gottschlag, NZM 2002, 590. Fritsch, Die Verkehrssicherungspflichten im Wohnungseigentum, ZWE 2005, 384, 385. Fritsch, ZWE 2005, 384, 385. BGH, Urt. v. 20.6.1978 – VI ZR 18/77, MDR 1979, 45 = VersR 1979, 869; BGH, Urt. v. 3.2.2004 – VI ZR 95/03, MDR 2004, 748 = VersR 2004, 657 = NJW 2004, 1449.

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511

9.68

Teil 9 Rz. 9.69

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

4. Verschuldensmaßstab

9.69 Bei der Ausübung seiner Tätigkeit hat der Verwalter seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten mit der Sorgfalt zu erfüllen, die ein durchschnittlicher und gewissenhafter Verwalter unter den Umständen des konkreten Vertragsverhältnisses aufwenden würde. Ist der Verwalter Kaufmann, hat er seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen (§§ 343 bis § 345, 347 HGB). Für einen Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft, welcher unentgeltlich die Verwaltung als Beauftragter übernimmt (§§ 662 ff. BGB), gilt ein abgeschwächter Maßstab der Sorgfaltspflichten.106 Hat der Verwalter besondere zusätzliche Kenntnisse, die über die Kenntnisse eines „normalen“ Verwalters hinausgehen, so bestimmen auch diese den Haftungsmaßstab. Hat der Verwalter als Bauträger das Gebäude errichtet und übernimmt später die Tätigkeit als Verwalter, ist bei dem anzulegenden Sorgfaltsmaßstab (§§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu berücksichtigen, dass der Verwalter als Bauträger tätig geworden ist und über eine eigene Bauabteilung verfügt, also besondere Fach- und Sachkenntnisse hat.107 5. Umfang der Verkehrssicherungspflicht

9.70 Der für die Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zuständige VI. Zivilsenat des BGH formuliert die rechtlichen Voraussetzungen in ständiger Rechtsprechung folgendermaßen: „Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art, etwa durch Verkehrseröffnung – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.“108 6. Träger der Verkehrssicherungspflicht

9.71 Bei den Verkehrssicherungspflichten sind originäre und abgeleitete Pflichtenstellungen zu unterscheiden. Dieser Unterschied ist wichtig. So kann eine originäre Pflichtenstellung nicht vollständig auf andere Personen übertragen werden, denn die Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung verbleibt. Abgesehen von dieser Verpflichtung kann sich der ori106 BGH, Beschl. v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347 = MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1216. 107 BayObLG, Beschl. v. 30.8.1989 – BReg 2 Z 40/89, MDR 1990, 157 = ZMR 1990, 65 = BeckRS 1989, 05884. 108 Vgl. u.a. BGH, Urt. v. 25.2.2014 – VI ZR 299/13, MDR 2014, 716 = VersR 2014, 642 = NZM 2014, 604; BGH, Urt. v. 6.2.2007 – VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 = MDR 2007, 777 = NJW 2007, 1683; im Übrigen: Wellner, in Geigel, Haftpflichtprozess. 14. Kapitel. Anwendungsfälle des § 823 Abs. 1 BGB, 27. Auflage 2015, Rz. 28.

512

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Verkehrssicherungspflichten

Rz. 9.74 Teil 9

ginär Pflichtige aber von der Haftung freizeichnen. Bei der Übertragung auf einen Dritten, kann dieser jedoch eine Haftungsbegrenzung mit dem Originär-Verkehrssicherungspflichtigen vereinbaren. Zunächst ist die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Pflicht. Gemäß § 21 Absatz 1, Absatz 5 Nr. 2 WEG ist es Sache der Eigentümer selbst, für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen. Jeder Wohnungseigentümer kann die Gemeinschaft auf Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht verklagen (§ 21 Abs. 4 WEG).

9.72

Unter Umständen hat jeder Wohnungseigentümer das Recht, als Notgeschäftsführer Verkehrssicherungspflichten nachzukommen.109 Ob daraus auch eine Handlungs-Pflicht erwächst, erscheint zweifelhaft. Die Handlungspflicht des Verwalters beschränkt sich zunächst darauf, Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum festzustellen, die Wohnungseigentümer davon zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümer über das weitere Vorgehen herbeizuführen.110

9.73

Haben die Wohnungseigentümer, um ihrer Instandsetzungspflicht zu genügen, den Verwalter beauftragt, Instandsetzungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum durchführen zu lassen, so hat der Verwalter für die unverzügliche Ausführung der Arbeiten Sorge zu tragen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach und erleidet ein Wohnungseigentümer dadurch einen Schaden, so kann ein Ersatzanspruch gegen den Verwalter wegen Verletzung des Verwaltervertrages gegeben sein.111 Außerdem können Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 ff. BGB wegen schuldhafter Verletzung der dem Verwalter obliegenden Verkehrssicherungspflicht bestehen. Der BGH geht davon aus, dass neben der Wohnungseigentümergemeinschaft auch den Verwalter eine originäre Verkehrssicherungspflicht trifft, was aber in der Literatur abgelehnt wird.112 Des Weiteren kann die Verkehrssicherungspflicht auf einen bzw. mehrere Wohnungseigentümer, oder Dritte (z.B. einen Hausmeister) übertragen werden. Wenn sich der Dritte zur Erfüllung seiner vertraglichen bzw. gesetzlichen Pflichten (also auch der Verkehrssicherungspflicht) weiterer Personen bedient, richtet sich die Haftung nach § 278 BGB bzw. § 831 BGB. Mit der Bestellung des Verwalters werden auf diesen die Verkehrssicherungspflichten delegiert, die an sich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegen.

109 Fritzsch, ZWE 2005, 387. 110 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/91, BayObLGZ 1992, 146, 148 = NJW-RR 1992, 1102 = DWE 1992, 116. 111 BayObLG, Beschl. v. 29.12.1987 – 2 Z 153/87, NJW-RR 1988, 599. 112 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782 = MDR 1994, 45; Pfälzichses OLG, Beschl. v. 4.8.1994 – 3 W 89/94, WE 1995, 26; Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 27 Rz. 355b; Wenzel, Die Wohnungseigentümergemeinschaft – ein janusköpfiges Gebilde aus Rechtssubjekt und Miteigentümergemeinschaft, NZM 2006, 321-324 (323); Wenzel, Die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht durch Wohnungseigentumsverwalter, ZWE 2009, 57, 59; Demharter, Der Beschluss des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ZWE 2005, 357-361; Dötsch/Greiner, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, ZWE 2014, 343, 347.

Felz

513

9.74

Teil 9 Rz. 9.74

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Der „Klassiker“ eines solchen Falles ist die Streupflicht bei Glatteis auf den Wegen der Wohnanlage.113 Sofern der Verwalter im Rahmen seiner Verwaltungsstätigkeit neue Gefahrenquellen eröffnet, dann trifft ihn die Verkehrssicherungspflicht aus Ingerenz, also wegen vorwerfbaren Tuns.

9.75 Muss der Verwalter Schadensersatz leisten, hat er grundsätzlich den Zustand herzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung des Verwaltervertrags oder ohne Deliktsverwirklichung bestünde (Naturalrestitution). Bei Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 BGB. Darüber hinaus können verletzte Personen auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Verwalter haben, § 253 Abs. 2 BGB. Bestehen gegen den Verwalter Schadensersatzansprüche aus Delikt, muss er im allerungünstigen Fall nach § 844 BGB (Ersatzansprüche Dritter bei Tötung) oder § 845 BGB (Ersatzanspruch wegen entgangener Dienste, etwa keine Haushaltsführung) haften. Angesichts der zahlreichen Haftungsrisiken empfiehlt sich auch für den nicht gewerblichen WEG-Verwalter der Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, auch wenn beim nicht gewerblich tätigen Verwalter etwas geringere Haftungsmaßstäbe angesetzt werden können.114 Für gewerbliche WEG-Verwalter ist der Abschluss einer entsprechenden Versicherung gemäß § 34 c Abs. 2 Nr. 3 GewO nunmehr Pflicht.115 Diese Versicherung schützt den Verwalter vor der Inanspruchnahme auf Vermögensschäden durch die Gemeinschaft oder einzelne Eigentümer; hinsichtlich sonstiger Haftpflichtschäden ist der Verwalter über den Versicherungsvertrag der Eigentümergemeinschaft für Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht abgesichert.116 7. Einzelne Entscheidungen zu Verkehrssicherungspflichten a) Reinigungsarbeiten

9.76 Ein fehlendes Warnschild nach feuchtem Wischen eines Treppenhauses ist dann unschädlich, wenn durch das Glänzen des Bodenbelags und aufgrund des Geruchs des Reinigungsmittels insbesondere für einen mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Benutzers die Rutschgefahr visuell und olfaktorisch bemerkbar war. Das Nicht-Aufstellen eines Warnschildes ist dann nicht schadensursächlich, da der Verunfallte aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungen gewarnt war.117

113 Vgl. z.B. BGH, Urt. v. 12.6.2012 – VI ZR 138/11, MDR 2012, 910 = VersR 2012, 1050 = NJW 2012, 2727; BGH, Urt. v. 14.2.2017 – VI ZR 254/16, MDR 2017, 454 = VersR 2017, 563 = NZV 2017, 337 (mit Anm. Felz); BGH, Urt. v. 3.6.2008 – VI ZR 223/07, MDR 2008, 971 = VersR 2008, 1083 = NJW 2008, 3775; Zehelein in BeckOK BGB, 46. Ed. 1.5.2018, BGB § 535, Rz. 480. 114 Klimke, Haftung des Verwalters für den baulichen Zustand – welche Versicherung ist die richtige?, ZWE 2017, 297-301; Armbrüster, Weiterbildungspflicht und Pflicht-Haftpflichtversicherung für den Wohnimmobilienverwalter, ZWE 2018, 105–116. 115 Vgl. zur Begründung: BT-Drucksache 18/10190, S. 10 ff. 116 Vgl. zu den Einzelheiten Teil 18 in diesem Handbuch. 117 OLG München, Urt. v. 25.1.2013 – 10 U 2974/12 NZM 2013, 702 = NJW-RR 2013, 1360.

514

Felz

Verkehrssicherungspflichten

Rz. 9.79 Teil 9

b) Streu- und Kehrpflichten Weder einen Vermieter noch einen Grundstückseigentümer treffen (Neben-)Pflichten aus dem Mietvertrag (§§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter), Teile des öffentlichen Gehwegs (über die Grundstücksgrenze hinaus) zu räumen oder zu streuen, wenn nicht die Gemeinde dem Anlieger die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat. Eine deliktische Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGG scheidet (ohne Anlieger-Übertragung) ebenfalls aus.118

9.77

c) Rolltore Rolltore (z.B. als Zugang einer Tiefgarage) müssen insbesondere beim Schließen und Öffnen verkehrssicher funktionieren, wenn die Tiefgarage für den allgemeinen Verkehr eröffnet ist. Dazu gehören z.B. Maßnahmen, die verhindern, dass das Rolltor sich senkt, wenn sich ein Fahrzeug in der Einfahrt befindet (z.B. durch den Einbau einer Lichtschranke) oder das Aufstellen von Warntafeln mit Hinweisen auf schnell schließende Tore.119 Unter Umständen müssen, z.B. bei Bauarbeiten, nicht nur im Einfahrtbereich, sondern auch in der Tiefgarage selbst Warnschilder angebracht werden.120

9.78

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung stellt es auch da, wenn tagsüber das Rolltor zur Hälfte heruntergelassen wird, um dahinter Reparaturarbeiten verrichten zu können, während die Ampel über der Einfahrt noch „grün“ zeigt.121 Wenn die Tiefgarage nur den Wohnungseigentümern eröffnet ist (was im Hinblick auf die Vermietungspraxis nur selten vorkommen wird), dann werden nur Verkehrssicherungspflichten gegenüber diesem speziellen Personenkreis ausgelöst. Dann ist das Anbringen von Hinweisschildern oder akustischen und/oder optischen Warnsignalen im Regelfall nicht erforderlich, da der betroffene Personenkreis sich anderweitig über die Öffnungs- und Schließmodalität des Tiefgaragentores informieren kann.122 Die Verkehrssicherungspflicht der WEG kann die Aufstellung eines Warnschildes begründen, wenn sich beim Überfahren einer Schiene – hier: drei cm hohe Führungsschiene eines Rolltores – bereits mehrfach Unfälle durch Aufsetzen des Fahrzeugbodens ereignet haben.123 Es kann notwendig sein, ein Garagentor, dass nur über eine Sicherungsvorrichtung verfügt, nachzurüsten, wenn die einschlägige Norm zwei Sicherheitseinrichtungen fordert, der Aufwand für die Nachrüstung vertretbar ist und die Norm über zehn Jahre gilt.124 Es gehört zu den Pflichten der Betreiber, Notausschalter und ähnliche Vorrichtungen auf ihre Funktionsfähigkeit zu untersuchen. Wenn eine solche Schaltung einen Defekt hatte, genügt es nicht, einen Fachbetrieb mit der Reparatur zu beauftragen. Die Betreiber müssten vor erneuter Inbetriebnahme des Tores die Reparaturarbeiten abnehmen, um tatsächlich sicher sein zu 118 BGH, Urt. v. 21.2.2018 – VIII ZR 255/16 = MDR 2018, 669 = VersR 2018, 756 = NJW-RR 2018, 726 = BeckRS 2018, 5602. 119 OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.1999 – 22 U 80/99, NZV 2000, 292 = OLGR Düsseldorf 2000, 122; LG Mönchengladbach, Urt. v. 13.1.1981 – 5 S 159/80, VersR 1981, 1140. 120 LG Stuttgart, Urt. v. 30.8.1995 – 13 S 135/95, DAR 1996, 28. 121 OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.6.2017 – 9 U 194/15, VersR 2018, 244. 122 LG Köln, Urt. v. 12.1.2012 – 29 S 57/11, Juris = MietRB 2012, 113. 123 LG Lübeck, Urt. v. 27.11.2002 – 5 O 261/00, Juris (nur LS). 124 AG Kempten, Urt. v. 5.3.2017 – 5 C 1232, BeckRS 2017, 119731 und LG Kempten, Beschl. v. 17.7.2017 – 51 S 664/17, BeckRS 2017, 119730; dazu: Wilrich, Das voreilige Garagentor des nachlässigen Vermieters, DIN-Mitteilungen 2017, 133.

Felz

515

9.79

Teil 9 Rz. 9.79

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

können, dass der Fehler behoben worden ist. Diese selbstverständliche Kontrolltätigkeit eines jeden Auftraggebers/Bestellers zu unterlassen, würde eine deutliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bedeuten.125 Für den Verwalter einer Eigentümergemeinschaft bedeuten diese Pflichten einen – allerdings selbstverständlichen – erhöhten Aufwand. d) Elektroleitungen

9.80 Die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. der Verwalter sind nicht verpflichtet, ohne besonderen Anlass eine regelmäßige Generalinspektion der Elektroleitungen und Elektrogeräte durchzuführen. Der BGH hat in einer Mietrechtsstreitigkeit festgestellt, dass der Eigentümer bzw. Vermieter einer Mietwohnung gesetzlich nicht verpflichtet ist, im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht Elektroinstallationen und -geräte regelmäßig einer Überprüfung zu unterziehen, sofern dafür nicht ein Anlass besteht.126 Diese Linie des BGH stimmt mit weiterer Rechtsprechung überein.127 Gleichwohl sollten die elektrischen Anlagen im eigenen und Dritt-Interesse in geeigneten Zeitabständen geprüft werden. Anlässe für konkrete Prüfungen sollten im Übrigen z.B. Störfälle sein, wie etwa wiederholtes Auslösen (Herausspringen) von Sicherungen; auch bei Umbau- oder Sanierungsarbeiten oder einem Mieterwechsel sollte von der Gemeinschaft/dem Verwalter bzw. dem Sondereigentümer an einen E-Check (Überprüfung der Anlagen und Geräte im Sinne der jeweils geltenden VDE-Bestimmungen) gedacht werden. Anders sieht es für Arbeitgeber bzw. Unternehmer aus, die Prüfpflichten aus der DGUV Vorschrift 3 bzw. der BetrSichV unterliegen.128 Diese Pflichten müssen eingehalten werden. 125 OLG Hamm, Urt. v. 5.10.1995 – 27 U 92/95, OLGR Hamm 1995, 269 = Schaden-Praxis 1996, 241. 126 BGH, Urt. v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07 –, MDR 2009, 75 = WuM 2008, 719 = NJW 2009, 143 (keine regelmäßige Generalinspektion der Elektroleitungen notwendig). 127 Vgl. dazu auch OLG Koblenz, Urt. v. 2.4.2014 – 5 U 1024/13, DWW 2005, 345 = Juris (Klage gegen Nießbraucher, siehe die nächste OLG-Entscheidung; hier keine Pflicht, ohne konkreten Anlass die Elektroinstallation zu überprüfen); OLG Koblenz, Urt. v. 2.4.2014 – 5 U 311/12, Juris [Wesentlicher SV: Nießbraucher bat den Bekl., eine Außenlampe an einem von ihm bewohnten Haus auszutauschen. Der Bekl. tauschte daraufhin (als Gefälligkeit in Nachbarschaftshilfe) die Außenlampe und die Verkabelung bis zur Unterverteilung aus. Durch einen Metallnagel wurde die Schutzleitung des Kabels durchtrennt und dadurch eine Verbindung zum Phasenkabel hergestellt, so dass das Lampengehäuse unbemerkt ständig unter Strom stand. Der Eigentümer des Hauses ließ Putzarbeiten durchführen, bei dem der Kläger einen Stromschlag erhielt und nunmehr schwerstbehindert ist. Entscheidung: Der Stromschutzschalter, der die Störung der Schutzleitung verhindern soll, entsprach nicht den aktuellen Bestimmungen; eine Pflicht zur Anpassung an die Anforderungen neuerer Vorschriften setze aber voraus, dass dies zur Abwehr einer konkreten Gefahr notwendig ist. Eine solche Gefahr sei nicht ersichtlich gewesen. Gleichwohl Verurteilung des Bekl., weil auch bei unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe Schadensersatzansprüche bestehen können, wenn der Geschädigte in den Schutzbereich der Absprache zwischen den Nachbarn einbezogen ist.]; nachfolgend Aufhebung und Zurückverweisung: BGH, Urt. v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, MDR 2017, 73 = NZM 2017, 299 = VersR 2017, 839 (aufgrund eines „unzutreffenden Verständnisses“ und einer Überdehnung „des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte“ habe das OLG den Kläger zu Unrecht in den Schutzbereich einbezogen). 128 Vgl. unten in der „tabellarischen Übersicht“ das Stichwort „elektrische Betriebsmittel“.

516

Felz

Informationsmöglichkeiten zu technischen Rechtsfragen

Rz. 9.84 Teil 9

X. Informationsmöglichkeiten über „Stand der Technik“, Technische Regeln, UVT-Vorschriften und Normen Der „Stand der Technik“ verändert sich laufend – das liegt in der Natur des technischen Fortschritts.129

9.81

Folgende Internetangebote bieten die Möglichkeit, immer auf der „Höhe der Zeit“ zu sein. 1. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Die Geschäftsführung der oben beschriebenen Arbeitsschutzausschüsse wird durch die BAuA durchgeführt.

9.82

https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/Geschaeftsfuehrungvon-Ausschuessen_node.html Auf den Seiten der dort aufgeführten Ausschüsse finden sich die jeweiligen Technischen Regeln, welche die Ausschüsse erarbeitet haben. 2. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung sowie Sozialversicherung für Gartenbau, Landwirtschaft und Forsten Das Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger besteht aus rechtsverbindlichen130 DGUV Vorschriften bzw. Unfallverhütungsvorschriften sowie rechtsunverbindlichen Regeln, Informationen und Grundsätzen.

9.83

https://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?MMRSV=1 Das Vorschriften- und Regelwerk der SVLFG kann hier abgerufen werden: https://www.svlfg.de/30-praevention/prv1400-gesetze-und-vorschriften/index.html 3. Normen

9.84

Eine Übersicht über Normen bietet der Beuth-Verlag: https://www.beuth.de/de Neben dem entgeltlichen Erwerb von (durchaus teuren) Normen ist es auch möglich, Normen an „Normen-Infopoints“ einzusehen. In allen Normen-Auslegestellen kann man nach Normen und technischen Regeln recherchieren und das vollständige Deutsche Normenwerk kostenfrei einsehen. In vielen Standorten können sowohl die DIN als auch die VDI-Richtlinien eingesehen werden. Die Normen sind zumeist auch in elektronischer Form am Bildschirm zugänglich. Weitere Informationen zu den Standorten der „Normen-Infopoints“ gibt es hier: https:// www.beuth.de/de/regelwerke/auslegestellen. 129 Vgl. zu diesem Begriff: BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 = DÖV 1979, 49 = NJW 1979, 176; Blume/Faber in HK-ArbSchR, § 4 ArbSchG, Rz. 80 ff. 130 Unternehmer (§ 136 Abs. 3 SGB VII) und Versicherte werden rechtlich gebunden.

Felz

517

Teil 9 Rz. 9.85

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

4. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik

9.85 Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) nimmt als ein der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales (kurz: Arbeits- und Sozialministerkonferenz – ASMK) zugeordnetes Gremium Koordinierungsaufgaben wahr. Er bearbeitet grundlegende Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes in der Arbeitswelt, einschließlich Fragen der Marktüberwachung auf der Grundlage des ProdSG. Angefangen von betrieblicher Gesundheitsförderung über die Baustellenverordnung bis hin zu Arbeitszeitmodellen enthält die Homepage des LASI eine ganze Bandbreite von Informationen zu diesen Themengebieten. Insbesondere hervorzuheben sind die Leitlinien und Leitfäden zu bestimmten Sachgebieten (z.B. zur BetrSichV): https://lasi-info.com/publikationen/lasi-veroeffentlichungen/?no_cache=1 5. Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg

9.86 Die Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg stellt in 24 Sachgebieten von „A“ wie Abfallrecht bis „W“ wie Wasserrecht ca. 1.100 Vorschriften (Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Technische Regeln usw.) in der jeweils aktuellen Fassung aus den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsschutz und Produktsicherheit zur Verfügung: http://gaa.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16032

XI. Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. 9.87 Nachstehend eine tabellarische Übersicht über die Anlagen, Geräte und sicherheitstechnischen Einrichtungen, die regelmäßig geprüft werden müssen. Werden die Prüffristen in Gesetzen, Verordnungen, Technischen Regeln und Normen eingehalten, kann grundsätzlich auch davon ausgegangen werden, dass diese Handlungsweise auch wohnungseigentumsrechtlich ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung Aufzugsanlage

Rechtsgrundlagen Normen §§ 34 ff. ProdSG

Prüffrist

Prüfer

– erstmalige InbeZÜS triebnahme – Wiederinbetrieb§§ 15, 16, 17 Anhang 2, nahme Abschnitt 2 BetrSichV – Wiederkehrenden Prüfungen alle TRBS 1201-4 „Prüfung zwei Jahre von Aufzugsanlagen“ – Innerhalb der zwei TRBS 3121 „Betrieb von Jahre: ZwischenAufzügen“ prüfung

Dokumentation131 Dokumentation

12. ProdSV

131 Vgl. Ziff. 4. 2 TRBS 1201 „Prüfungen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“ empfiehlt folgende Angabe: Datum der Prüfung, Art der Prüfung, Prüfungsgrundlagen, einzelne Prüfschritte, Ergebnis der Prüfung, Bewertung festgestellter Mängel und Aussagen zum Weiterbetrieb sowie Name des Prüfers.

518

Felz

Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

§§ 34 ff. ProdSG

– Nach prüfpflichten Zur Prüfung Änderungen, wenn befähigten keine BeeinflusPerson sung von Bauart und Betriebsweise

Dokumentation

– Regelmäßig nach Herstellerangaben

Sachkundiger

Prüfbuch

Sachkundiger

Prüfbuch

12. ProdSV § 15 Abs. 3 S. 3 BetrSichV

Prüfer

Rz. 9.87 Teil 9 Dokumentation

TRBS 1201-4 „Prüfung von Aufzugsanlagen“ Automatische § 4 Abs. 3 ArbStättV (Gas-)Löschanlagen

Nr. 7.5.1 Abs. 1 ASR 2.2 – Einmal im Jahr „Maßnahmen gegen Brände“ Nr. 7 DGUV Information 205-026 „Sicherheit und Gesundheitsschutz beim Einsatz von Feuerlöschanlagen mit Löschgasen“ Vgl. oben

– Alle 2 Jahre

Sachverständiger

Prüfbericht

Blitzschutz132

Für Privathaushalte freiwillig, ansonsten Normenreihe DIN EN 62305 „Blitzschutz“

– Sichtprüfung: 2 Jahre; – Umfassende Prüfung: 4 Jahre; – nach wesentlichen Änderungen; – Blitzeinschlag

Sachkundiger

Bericht, ggf. Prüfbuch, Aufbewahrung beim Eigentümer/Betreiber

Blitzschutz bei Sonderbauten/Hochhäusern (höher als 22 m, § 50 Abs. 2 BauO NW)133

§ 109 Abs. 2 Sonderbauverordnung – SBauVO NW134

– Sichtprüfung: Sachkundige 2 Jahre; Person – Umfassende Prüfung: 4 Jahre; VdS 2010 – Risikoorien- – Nach wesentlichen tierter Blitz- und ÜberÄnderungen; Blitzspannungsschutz135 einschlag VdS 2019 – Überspannungsschutz in Wohngebäuden136

Bericht, ggf. Prüfbuch, Aufbewahrung beim Eigentümer/Betreiber

Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deut-

132 https://www.vde.com/de/blitzschutz/infos/blitzschutzsystem. 133 BauO NW ist als Beispiel aufgeführt; vgl. zu den entsprechenden Regelungen die jeweiligen Bauordnungen der anderen Bundesländer. 134 Die SBauVO NW ist als Beispiel aufgeführt; vgl. zu den entsprechenden Regelungen die jeweiligen Sonderbauverordnungen der anderen Bundesländer. 135 Unter diesem Titel kann die unverbindliche Richtlinie VdS 2010 im Internet gefunden werden. 136 Unter diesem Titel kann die unverbindliche Richtlinie VdS 2019 im Internet gefunden werden.

Felz

519

Teil 9 Rz. 9.87

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Prüfer

– Vierteljährlich Sichtprüfung

Zur Prüfung befähigte Person

Dokumentation

schen Feuerwehrverbandes, Blitzschutz-Risikoanalyse, 03/2018 Brandmelde- und Alarmierungsanlagen (Gefahrmeldeanlagen) – BMA

Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und wiederkehrende Prüfungen von Sonderbauten (Prüfverordnung – PrüfVO NRW) Ziff. 7.5 ASR A 2.2 „Maßnahmen gegen Brände“ DIN EN 50173-1:2018-10; VDE 0800-173-1; DIN VDE 0833 Teil 1 und Teil 2 „Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall“, DIN 14675 „Brandmeldeanlagen – Teil 1: Aufbau und Betrieb“ und der Reihe DIN EN 54 „Brandmeldeanlagen“ entsprechen. Vgl. oben

– Regelmäßige SachverstänInstandhaltung diger und Prüfung auf Funktionsfähigkeit unter Beachtung der Herstellerangaben

Dokumentation

Brandschutztüren, Brandschutztore

Ziff. 10.2 Abs. 3 ASR A1.7 „Türen und Tore“

– Einmal monatlich

Betreiber

Dokumentation

Brandschutztüren, Brandschutztore (Forts.)

Vgl. oben

– Einmal jährlich

Sachkundiger

Dokumentation

CO-Warnanlagen137

DIN EN 50291 „Elektri- – Nach HerstellerEigentümer/ sche Geräte für die Deangabe, insbeson- Mieter, Sachtektion von Kohlenmodere regelmäßiges kundiger noxid in Wohnhäusern Betätigen der Prüf– Teil 1: Prüfverfahren taste und Anforderungen an das Betriebsverhalten“

Aufzeichnung empfohlen

137 https://www.vis.bayern.de/produktsicherheit/praevention/sicherheitstechnik/co_melder.htm.

520

Felz

Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. Prüfer

Rz. 9.87 Teil 9

Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Dokumentation

Dach

§§ 836, 838 BGB

Sachverständi– Abhängig vom Alter des Daches ge Person (z.B. kann eine jährliche Dachdecker) Inspektion angezeigt sein.138

Aufzeichnung empfohlen

Druckgeräte (Betrieb), Druckbehälter, Rohrleitungen, Dampfkessel, Füllanlagen, Druckanlagen

§§ 15–18 BetrSichV; Anhang 2 Abschnitt 4 BetrSichV

– Vor InbetriebZÜS nahme – nach prüfpflichtigen Änderungen – wiederkehrende Prüfungen – äußere Prüfung – innere Prüfung – Festigkeitsprüfung

Dokumentation

Mindestens alle 10 Jahre Vgl. oben

Druckerhöhungsanlagen (Wasserdruck-Erhöhung)

– Voraussetzungen Befähigte in Anhang 2 Person Abschnitt 4 Nr. 4.1 BetrSichV

§ 15 BetrSichV

Nach Herstellerangabe DIN EN 806-5 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 5: Betrieb und Wartung“

Dokumentation

Befähigte Person

Aufzeichnung empfohlen

Elektrische Anlagen §§ 10, 14 BetrSichV und ortsfeste BeTRBS 1201 Anlage 2 triebsmittel Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“

4 Jahre

Befähigte Person

Prüfbuch

Elektrische Arbeitsmittel (ortsveränderlich – soweit benutzt) z.B.: Verlängerungs- und Geräteanschlussleitung, Hochdruckreiniger, Motorsägen, Laubbläser

§§ 10, 14 BetrSichV

Befähigte Alle 6 Monate Prüfung nach den gelten- Person den elektrotechnischen Regeln

Plakette, Prüfbuch

Fenster, Türen und Tore, kraftbetätigt

Ziff. 10.2 Abs. 1 ASR A1.7 „Türen und Tore“

TRBS 1201 Anlage 2 Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“ § 5 DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“

Ziff. 10.2 Abs. 1 S. 3 ASR A1.7 „Türen und Tore“

Bei Fehlerquote , 2 %: in allen Betriebsstätten außerhalb von Büros: 1-mal pro Jahr In Büros: alle 2 Jahre – Erste InbetriebSachkundiger nahme, – Nach wesentlichen Änderungen,

Aufzeichnung

138 Vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1992 – VI ZR 176/92, VersR 1993, 759 = ZMR 1993, 322 = MDR 1994, 45.

Felz

521

Teil 9 Rz. 9.87

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Prüfer

Dokumentation

Weitere Informationen:

– Sowie wiederkehrend (einmal jährlich).

– 2 Jahre

Fachkundiger

Dokumentation, Nachweis der Mängelfreiheit durch Anbringen eines Instandhaltungsnachweises auf der Feuerlöscheinrichtung

BetrSich (Druckprüfung) Anhang 2, Abschnitt 4, Nr. 6 sowie Tabelle 12 Nr. 10

– 5 Jahren (innere Prüfung) – 10 Jahre (Festigkeitsprüfung)

ZÜS

Dokumentation

Vgl. oben

– 10 Jahre

Befähigte Person

Dokumentation

– Nach Herstellerangabe

Befähigte Person

Prüfbuch, Instandhaltungsnachweis auf Anlage

DGUV Information 208-014 „Glastüren, Glaswände“ DGUV Information 208-022 „Türen und Tore“ DGUV Information 208-026 „Sicherheit von kraftbetätigten Karusselltüren“ DGUV Information 208-044 „Automatische Tore im Fluchtweg“ Feuerlöscher (tragbar)

7.5.2 ASR A.2.2 „Maßnahmen gegen Brände“ DIN 14406 – 4:2009-09 „Tragbare Feuerlöscher – Teil 4: Instandhaltung“139

Feuerlöschanlagen Nr. 7.5.1 ASR A 2.2 ortsfest (Wasser-, „Maßnahmen gegen Schaum-, Gas-, Brände“ Pulveranlagen u.a.), selbstständige (Sprinkleranlagen) und nicht selbsttätige (Wandhydranten) Feuerungsanlagen (Abluft/gasanlage, Feuerstätte)

SchfHwG KÜO 1. BImschV Feuerungsverordnung NRW

– Anlage 1 zu § 1 BezirksschornAbs. 4 KÜO: steinfeger – Feuerstättenschau: Alle drei bis fünf Jahre

Feuerstättenbescheid, Kehrbuch

139 Vgl auch: bvfa – Merkblatt „Arbeitsschritte bei der Instandhaltung von tragbaren Feuerlöschern“, Ausgabe 2016 – 09: https://www.bvfa.de/181/presse-medien/publikationen/merkblaet ter-positionspapiere-informationen.

522

Felz

Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw.

Rz. 9.87 Teil 9

Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Prüfer

Dokumentation

Handwerkzeuge, wie Axt, Hammer, Hacke, Handsäge, Handschere oder Spaten

§ 14 BetrSichV

– Sichtprüfung vor Arbeitsaufnahme

Nutzer

keine

TRBS 1201

Hebebühnen

BetrSichV

– 1-mal pro Jahr

Befähigte Person

Dokumentation

TRBS 1201 Anlage 2 Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“ Hochdruckreiniger (wenn zulässiger Betriebsüberdruck 25 bar (2,5 Megapascal) und mehr beträgt oder bei denen das Druckförderprodukt die Zahl 10 000 erreicht oder übersteigt.)

DGUV Regel 100–500, Kapitel 2.37, Nr. 4 „Betreiben von Arbeitsmitteln“

– 1-mal pro Jahr

Befähigte Person

Prüfbuch

Hubarbeitsbühnen und Teleskoplader/ -stapler (Telehandler)

§ 14 BetrSichV

– 1 mal pro Jahr

Befähigte Person

Aufzeichnung

Kinderspielplatz

DIN EN 1176-1 „Spiel- – Sichtkontrollen platzgeräte und Spiel(wöchentlich) platzböden – Teil 1: All- – Operative Inspektion (einmal im gemeine sicherheitstechMonat) nische Anforderungen – Hauptinspektion und Prüfverfahren“ (einmal pro Jahr)

Qualifizierter Prüfbericht Spielplatzprüfer nach DIN 79161-1 „Spielplatzprüfung – Qualifizierung von Spielplatzprüfern – Teil 1: Ausbildung und Schulung“

Kompressoren (ohne Druckbehälter)

BetrSichV

– 1-mal pro Jahr

Befähigte Person

Aufzeichnung

– Regelmäßig

Unterwiesene Beschäftigten

Aufzeichnung

Leitern

TRBS 1201 Anlage 2 Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“

TRBS 1201 Anlage 2 Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“ BetrSichV TRBS 2121 Teil 2 „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“

Felz

523

Teil 9 Rz. 9.87

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Prüfer

Dokumentation

– Schadensereignis – Wesentliche Veränderungen

Befähigte Personen

Aufzeichnung

DGUV Regel 112–189 – Sichtprüfung vor „Benutzung von Schutzjeder Benutzung kleidung“

Benutzer

Keine Dokumentation

DGUV Information 208-016 „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritte“ Vgl. oben

Persönliche Schutzausrüstung für Hausmeister (zum Beispiel Schnittschutzhose, Schnittschutzschuhe, Gehörschutz)

DGUV Regel 112–191 „Benutzung von Fußund Knieschutz“ DGUV Regel 112–192 „Benutzung von Augenund Gesichtsschutz“ DGUV Regel 112–193 „Benutzung von Kopfschutz“ DGUV Regel 112–194 „Benutzung von Gehörschutz“

Rauchwarnmelder140

§ 49 Abs. 7 BauO NRW DIN EN 14604 „Rauchwarnmelder“ DIN 14676-1 „Rauchwarnmelder für Wohnhäuser, Wohnungen und Räume mit wohnungsähnlicher Nutzung – Teil 1: Planung, Einbau, Betrieb und Instandhaltung“141

– Rauchwarnmelder Fachkraft für ohne Fernwartung Rauchwarn– Alle 15 Monate melder – Kontrolle der Energieversorgung, – Kontrolle der Rauchsensorik – Überwachung der vorgesehenen Betriebsdauer – Kontrolle auf Demontage – Kontrolle, ob eine funktionsrelevante Beschädigung vorliegt – Alle 12 Monate, spätestens alle 36 Monate

Aufzeichnung

140 Vgl. Serwe, Rauchwarnmelder – Neuerungen bzgl. der DIN 14676 und der Landesbauordnungen in Hessen und Nordrhein-Westfalen ZMR 2019, 6–9; Gemeinschaft darf einheitliche Rauchwarnmelder anbringen, selbst wenn beim Mieter ein Modell schon vorhanden ist: BGH, Urt. v. 7.12.2018 – V ZR 273/17; MDR 2019, 216 = NZM 2019, 214 = NJW 2019, 401. 141 Serwe, ZMR 2019, 6.

524

Felz

Tabellarische Übersicht über zu prüfende Anlagen, Geräte usw. Anlage, Gerät, sicherheitstechnische Einrichtung

Rechtsgrundlagen Normen

Prüffrist

Rz. 9.87 Teil 9

Prüfer

Dokumentation

Befähigte Person

Dokumentation

Befähigte Person

Aufzeichnung

Sachkundiger

Aufzeichnung

Hausmeister

Keine Dokumentation

– Kontrolle der Funktion des Warnsignals – Kontrolle, ob Raucheindringungsöffnungen frei sind – Alle 12, spätestens alle 30 Monate – Umfeldprüfung (keine Hindernisse um den Rauchmelder 50 cm) Sicherheitsbeleuchtung und Sicherheitsstromversorgung, Notstromaggregat

ASR 1.3 „Sicherheits– Regelmäßig nach und GesundheitsschutzHerstellerangaben kennzeichnung“ und Gefährdungsbeurteilung Ziff. 8 ASR 2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ Ziff. 7.2 ASR 3.4 „Beleuchtung“

Schweiß- und Schneidgeräte: Sicherheitseinrichtungen mit Mehrfachfunktion, z.B. Gebrauchsstellenvorlagen Steigleitung

§ 14 BetrSichV

– 1-mal pro Jahr

TRBS 1201 Anlage 2 Tabelle „Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen“ DIN 14461 „Feuerlösch- – Steigleitungen Schlauchanschlussein„trocken“: alle richtungen – Teil 1: 2 Jahre Wandhydrant mit form- – Steigleitungen „nass“: jedes Jahr stabilem Schlauch“ DIN 14462 „Löschwassereinrichtungen – Planung, Einbau, Betrieb und Instandhaltung von Wandhydrantenanlagen sowie Anlagen mit Über- und Unterflurhydranten“

Verbandskasten

§ 25 DGUV Vorschrift 1 – Regelmäßige „Grundsätze der Überprüfung des Prävention“ Verfallsdatums Ziff. 4.7 DGUV Regel 100-001 „Grundsätze der Prävention“

Felz

525

Teil 9 Rz. 9.88

Technische Sicherheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft

XII. Verzeichnis besonderer Abkürzungen 9.88 Gesetze: ArbSchG ASiG ProdSG

Arbeitsschutzgesetz Arbeitssicherheitsgesetz Produktsicherheitsgesetz

9.89 Verordnungen: ArbMedVV ArbStättV BetrSichV BiostoffV LärmVibrationsArbSchV LasthandhabV OStrV 1. ProdSV 6. ProdSV 9. ProdSV 11. ProdSV 12. ProdSV 13. ProdSV 14. ProdSV PSA PSA-BV

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Arbeitsstättenverordnung Betriebssicherheitsverordnung Biostoffverordnung Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung Lastenhandhabungsverordnung Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung Verordnung über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel auf dem Markt Verordnung über die Bereitstellung von einfachen Druckbehältern auf dem Markt Maschinenverordnung Explosionsschutzverordnung Aufzugsverordnung Aerosolpackungsverordnung Druckgeräteverordnung Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit PSA-Benutzungsverordnung

9.90 Technische Regeln: AMR ASR TRBA TRBS TRGS

Arbeitsmedizinische Regeln Technische Regeln für Arbeitsstätten Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe Technische Regeln für Betriebssicherheit Technische Regeln für Gefahrstoffe

9.91 Autonomes Recht und Regelwerk der Unfallversicherungsträger: BG UK DGUV Vorschrift DGUV Regel DGUV Grundsatz DGUV Information UV-Träger

526

Felz

Berufsgenossenschaft Unfallkasse Unfallverhütungsvorschrift

Unfallversicherungsträger

Verzeichnis besonderer Abkürzungen

Rz. 9.93 Teil 9

9.92

Normen: DIN SPEC EN

Nicht konsensbasierte Vornorm Europäische Normen

9.93

Organisationen: BauA DIN DVGW DGUV DKE ISO LASI VDMA VDE VdTÜV

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund Deutsches Institut für Normung, Berlin Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Bonn Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Berlin und St. Augustin Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE, Frankfurt/M International Organization for Standardization, Genf Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, Wiesbaden Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Frankfurt/M Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, Frankfurt/M Verband der Technischen Überwachungsvereine, Berlin und Brüssel

Felz

527

Teil 10 Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer I. Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer . . . . .

10.1

1. Objekte baulicher Veränderungen: Gemeinschaftseigentum/Sondereigentum/Sondernutzungsrecht . .

10.6

2. Bauliche Veränderungen . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßnahmen am Sondereigentum . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erstherstellung und Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . cc) Instandhaltung und Instandsetzung, § 22 Abs. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Modernisierung, § 22 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Notgeschäftsführung, § 21 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . ff) Gebrauchsregelungen . . . . . gg) Annexkompetenz zur Entscheidung über den Kostenverteilungsschlüssel, § 16 Abs. 3 WEG . . . . . . . . . . . . c) Zustimmungserfordernis . . . . . . aa) Zustimmung in der Form eines Eigentümerbeschlusses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkungen eines bestandskräftig gewordenen Eigentümerbeschlusses . . . . . . . . cc) Voraussetzungen für die Feststellung eines Eigentümerbeschlusses . . . . . . . . dd) Regelungen über Errichtungs- und Folgekosten . . . ee) Strategische Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . (1) Aus der Sicht des bauwilligen Wohnungseigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aus der Sicht der übrigen Wohnungseigentümer und des Verwalters . . . . . . . . . . .

10.16 10.16 10.20 10.21 10.23 10.37 10.39 10.40 10.42

10.43 10.44 10.46 10.51 10.52 10.61 10.66 10.67 10.70

ff) Zustimmungsfreiheit bei geringfügigen Änderungen wegen fehlender Nachteiligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . (2) Insbesondere: Veränderungen der äußeren Gestaltung . gg) Zustimmung unter Auflagen und Bedingungen . . . . hh) Exkurs: Keine Zustimmungsersetzung durch Baugenehmigung . . . . . . . . ii) Genehmigungsfreiheit aufgrund Drittwirkung von Grundrechten . . . . . . . . . . . jj) Änderung der gesetzlichen Regelung durch Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erleichterungen . . . . . . . . . . (2) Erschwerungen . . . . . . . . . . (3) Erfordernis der Verwalterzustimmung . . . . . . . . . . . . kk) Reformüberlegungen . . . . . . 3. Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes . . . . a) Anspruchsgrundlagen/ Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . c) Anspruchsverpflichtete . . . . . . . . d) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . g) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . 4. Ansprüche aufgrund unzulässiger sowie genehmigter Umbauarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beachtung der allgemeinen Baunormen und Regeln der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beachtung der Auflagen und Bedingungen sowie Einhaltung der Grenzen der Zustimmung . . c) Schadensersatzansprüche . . . . . .

10.77 10.79 10.90 10.94 10.106 10.109 10.116 10.120 10.126 10.129 10.134 10.136 10.137 10.146 10.157 10.169 10.179 10.183 10.189

10.191 10.192 10.194 10.196

5. Durchsetzung des Rückbauverlangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.200

Hogenschurz

529

Teil 10 Rz. 10.1

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

a) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsformulierung . . . . . . . . . c) Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . aa) Grundzüge . . . . . . . . . . . . . bb) Vollstreckung in der (unter-)vermieteten oder verkauften Wohnung . . . . .

10.201 10.209 10.213 10.214

cc) Erforderliche behördliche Genehmigungen . . . . . . . . . 10.220 d) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . 10.222 6. Veränderungs-ABC . . . . . . . . . . . . . 10.224

10.217

I. Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer 10.1 Der Nachbarstreit ist für den Juristen gewöhnlich schon deshalb mit großer Mühe verbunden, weil er nicht (nur) in sachlichen Gründen wurzelt. Gerade in einer Wohnungseigentümergemeinschaft führen die besondere Nähe und wirtschaftliche Verbundenheit, die rechtlichen Konstruktionsbedingungen der Wohnungseigentümergemeinschaft sowie die unterschiedliche Interessenlage von selbst nutzenden und vermietenden Wohnungseigentümern oder von Eigentümern von Gewerbeeinheiten und Wohnungen zu besonderem Konfliktpotenzial bei Störungen im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Dabei gehen Wohnungseigentümer1 häufig von der irrigen Vorstellung aus, sie dürften in ihren vier Wänden nach Belieben schalten und walten. Daneben treten in der „Hausgemeinschaft“ menschliche Schwächen wie Neid und Überheblichkeit.

10.2 Über die rechtlichen Erörterungen von Störungen durch bauliche Veränderungen und Gebrauch sowie deren Rechtsfolgen hinaus bleibt für den Berater die Aufgabe, die unsachlichen Beweggründe und Motive zu berücksichtigen und zunächst eine Streitschlichtung zu versuchen, die im gerichtlichen Verfahren zwar angestrebt werden soll, § 278 Abs. 1 ZPO, aber doch – schon weil die Akten die „wahren“ Beweggründe nicht immer erkennen lassen – nur schwer zu leisten ist. Die Streitenden müssen nämlich regelmäßig auch in Zukunft noch unter einem Dach zusammenleben oder in der Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden bleiben. Für den Verwalter besteht beim Streit der Wohnungseigentümer das Risiko, zwischen die Fronten zu geraten. Fortdauernde Fehden zermürben schließlich nicht nur die Beteiligten, sondern auch ihre professionell distanzierten Rechtsberater.

10.3 Bauliche Veränderungen sind gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG von der Beschlussfassung durch Stimmenmehrheit, § 21 Abs. 3, und dem Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung, § 21 Abs. 4 WEG, ausgenommen, sofern sie über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder – gemäß § 22 Abs. 3 WEG auch modernisierenden – Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Damit soll der einzelne Wohnungseigentümer grundsätzlich die Gewissheit haben, dass die Wohnungseigentumsanlage, in der er Wohnungseigentümer geworden ist, nicht gegen seinen Willen in wesentlichen Bereichen geändert werden kann und er vor den finanziellen Risiken einer nicht vorhersehbaren Maßnahme geschützt wird, der er sich nicht durch Austritt aus der Gemeinschaft entziehen kann.2 Folgerichtig ist die Zustimmung des Wohnungseigentümers gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 WEG nicht erforderlich, dessen Rechte durch die Veränderung nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinausgehend beeinträchtig werden. Wesentliche Änderungen sind nur unter den strengen Anforderungen des § 22 Abs. 2 WEG zulässig, der eine doppelt qualifizierte Mehrheit for1 Soweit im folgenden Text die Begriffe Wohnungseigentum bzw. Wohnungseigentümer benutzt werden, sind auch Teileigentum bzw. Teileigentümer gemeint. 2 KG v. 2.10.1981 – 1 W 4877/70, MDR 1982, 149 = ZMR 1982, 61.

530

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.4 Teil 10

dert und Maßnahmen verhindert, die die Eigenart der Wohnanlage ändern oder einen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen unbillig benachteiligen. Die folgende Checkliste bietet einen ersten Überblick bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer baulichen Veränderung. Bei der Beratung von Mandanten und der Vorbereitung der Befassung der Eigentümerversammlung über Maßnahmen, die als bauliche Veränderungen anzusehen sein können, sowie ebenso bei der Prüfung von Eigentümerbeschlüssen oder Baumaßnahmen ist regelmäßig zu bedenken: Checkliste: l Handelt es sich um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums? Oder liegt eine andere Maßnahme, insbesondere eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung, § 22 Abs. 3 WEG, oder eine Modernisierung, § 22 Abs. 2 WEG, vor? Oder geht es um Maßnahmen am Sondereigentum? l Wurde die beabsichtigte bauliche Veränderung bereits genehmigt? Durch Vereinbarung (Ausbaurecht, Sondernutzungsrecht usw.) oder durch (bestandskräftigen) Eigentümerbeschluss? Welchen Inhalt hat die Genehmigung (Bezugnahme auf Pläne und Kostenvoranschläge)? Wurden ohne vorherige Ankündigung oder durch Abweichung von der Genehmigung „vollendete“ Tatsachen geschaffen? l Welche Auflagen, Bedingungen und Regelungen zur Zustimmung sind sinnvoll (Kostenverteilung, Finanzierung und Bauabnahme)? l Wer soll die Kosten und Folgekosten für die Umbaumaßnahme tragen, die mit der baulichen Veränderung verbunden sind? l Ist die bauliche Veränderung (ausnahmsweise) nicht zustimmungspflichtig, § 22 Abs. 1 S. 1 WEG, oder als nicht nachteilig i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG zustimmungsfrei, § 22 Abs. 1 S. 2 WEG? Welche Wohnungseigentümer müssen zustimmen? l Ergeben sich Besonderheiten aus der Teilungserklärung, insbesondere: Reicht ein (qualifizierter) Mehrheitsbeschluss aus (sog. Öffnungsklausel)? Müssen neben den Wohnungseigentümern auch Verwalter und/oder Verwaltungsbeirat zustimmen? l Wie soll die bauliche Veränderung genehmigt werden? Durch Einholung der Zustimmung aller (benachteiligten) Wohnungseigentümer oder Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die durchzuführende Maßnahme? Ist bei einem Mehrheitsbeschluss ein (protokollierter) Hinweis des Verwalters auf die Anfechtbarkeit mangels der erforderlichen Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer erforderlich? l Bei einem Mehrheitsbeschluss: Ist die erforderliche Mehrheit zustande gekommen? Welcher Wohnungseigentümer hat nicht zugestimmt? l Soll bei einem Mehrheitsbeschluss der Ablauf der Anfechtungsfrist bis zur Beschlussausführung abgewartet werden? l Ist die bauliche Veränderung entsprechend der Zustimmung durchgeführt worden (Abnahme der baulichen Veränderung nach Durchführung)?

Hogenschurz

531

10.4

Teil 10 Rz. 10.4

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

l Welche Ansprüche bestehen bei rechtswidrigen baulichen Veränderungen? l Welche Ansprüche bestehen bei rechtsmäßigen baulichen Veränderungen? l Wie kann die Durchführung der Baumaßnahme noch verhindert oder die Beseitigung der baulichen Veränderung durchgesetzt werden?

10.5 Hinweis: Die unzureichende oder falsche Beratung über diese Gesichtspunkte kann einen Regressfall auslösen, z.B., wenn der Anwalt vom fehlerhaft beratenen Mandanten nach dessen Verurteilung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Umbaus auf Erstattung der vergeblich aufgewendeten Baukosten und der Beseitigungs- und Wiederherstellungskosten in Anspruch genommen wird.3

1. Objekte baulicher Veränderungen: Gemeinschaftseigentum/ Sondereigentum/Sondernutzungsrecht

10.6 Die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum lässt sich zutreffend nur erfassen und anwenden, wenn man Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum als Objekt einer baulichen Veränderung richtig abgrenzt sowie die Bedeutung von Sondernutzungsrechten berücksichtigt.

10.7 Zum Gemeinschaftseigentum gehören gemäß § 1 Abs. 5 WEG das Grundstück und die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Das gesamte bebaute oder unbebaute Grundstück ist zwingend Gemeinschaftseigentum. Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer an Garten- oder Hofflächen sowie an Parkplätzen im Freien kann nicht bestehen, wohl aber Sondernutzungsrechte.

10.8 Im Sondereigentum stehen gemäß §§ 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 WEG die durch Vertrag der Wohnungseigentümer dazu bestimmten Wohnungen und Räume4 sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das Gemeinschaftseigentum oder anderes Sondereigentum über das gemäß § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. Selbst wenn die Gebäudeteile sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden, gehören die Teile des Gebäudes zwingend zum Gemeinschaftseigentum, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind; das Gleiche gilt für Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen. Gemeinschaftseigentum sind daher innerhalb im Sondereigentum stehender Räume insbesondere den Raum umschließende tragende Wände und Außenwände, die Fenster, die Fußbodenund Deckenkonstruktion, Versorgungsleitungen und die Außenfassade.

10.9 Alle die Teile, Anlagen und Einrichtungen, die nicht ausdrücklich zum Sondereigentum erklärt worden sind, gehören zum Gemeinschaftseigentum.5 Sondereigentumsfähige Bestandteile des Gebäudes können umgekehrt durch die Teilungserklärung zu Bestandteilen des Gemeinschaftseigentums erklärt werden, § 5 Abs. 3 WEG.

3 Vgl. etwa LG Hamburg v. 6.7.1998 – 317 O 137/97, zitiert nach Riecke/Schütt, MDR 1999, 837. 4 Als (abgeschlossene) Räume gelten auch Garagenstellplätze (im Gebäude), wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen (Pflasternägel, nicht aufgemalte Linien) ersichtlich sind, § 3 Abs. 2 S. 2 WEG. 5 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/95, BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851.

532

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.12 Teil 10

Die gesetzliche Bestimmung, was zum Gemeinschaftseigentum gehört, ist zwingend. Abweichende Regelungen in der Teilungserklärung,6 in Vereinbarungen und in Beschlüssen sind nichtig.7 Eine Vereinbarung, nach der bestimmte Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, insbesondere Fenster, im Sondereigentum stehen sollen, kann aber im Einzelfall in eine Kostentragungspflicht des Sondereigentümers unabhängig von der dinglichen Eigentumsordnung umgedeutet werden.8

10.10

Die besondere Bedeutung der Zuordnung zu Gemeinschafts- oder Sondereigentum wird deutlich am Beispiel der Heizungsanlage, bei der im Regelfall die Heizkörper nebst den dazugehörigen Leitungen bis zum ersten Absperrventil in der Wohnung sowie die Heizungsund Thermostatventilen zum Sondereigentum gehören, demgegenüber der Wärmeerzeuger und die Versorgungsleitungen zur Versorgung der ganzen Anlage zum Gemeinschaftseigentum.9 Dies hat zur Folge, dass der Austausch von Heizkörpern nur das Sondereigentum betrifft und ohne auch nur eine Unterrichtung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder des Verwalters zulässig ist.10 Die Frage nach der Zuordnung zum Gemeinschafts- oder Sondereigentum stellt sich auch für Abwasserhebeanlagen11 oder die Hebeanlage von Doppelstockparkern, die dann zum Sondereigentum gehört, wenn durch diese keine weitere Garageneinheit betrieben wird.12

10.11

An Flächen, etwa Garten oder Stellplatz im Freien, und Räumen, etwa Keller oder Speicher, des Gemeinschaftseigentums kann schließlich – unabhängig von der Sondereigentumsfähigkeit – ein Sondernutzungsrecht13 eingeräumt werden, also das Recht, diese unter Ausschluss aller übrigen Wohnungseigentümer – ausschließlich – zu nutzen. Die Einräumung eines Sondernutzungsrechts hat keine Auswirkung auf deren Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum. Entsprechend den allgemeinen Regelungen zur Kostenverteilung sind dementsprechend die Wohnungseigentümergemeinschaft und damit die sie finanzierende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kostentragung an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen verpflichtet, auch wenn an ihnen ein Sondernutzungsrecht besteht, vorbehaltlich einer

10.12

6 Soweit im folgenden Text der Begriff Teilungserklärung verwendet wird, sind damit sowohl die Erklärungen zur Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG oder § 8 WEG gemeint als auch alle Vereinbarungen gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 WEG, insbesondere die meist bei der Teilungserklärung mitbeurkundete Gemeinschaftsordnung. 7 Vgl. OLG Düsseldorf v. 8.5.1996 – 3 Wx 389/95, OLGReport Düsseldorf 1996, 189; OLG Köln v. 29.4.1997 – 16 Wx 76/97, WuM 1997, 461; OLG Köln v. 23.12.1998 – 16 Wx 211/98, NZM 1999, 424, jeweils zur Nichtigkeit unangefochtener Mehrheitsbeschlüsse. 8 BGH v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = NJW 2012, 1722; OLG Karlsruhe v. 5.5.2000 – 11 Wx 71/99, NZM 2002, 220; s.a. OLG München v. 27.9.2006 – 34 Wx 59/06, ZMR 2007, 557; LG Köln v. 11.10.2018 – 29 S 66/18, ZMR 2019, 71. 9 Armbrüster, ZWE 2011, 392; M.J. Schmid, MDR 2011, 1081; offen gelassen in BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, Rz. 15, NJW 2011, 2958 = ZfIR 2011, 833 mit abl. Anm. Rüscher = ZMR 2011, 971 mit abl. Anm. Jennißen; s.a. Schlüter, ZMR 2011, 935 zu Thermostatventilen; a.A. Riecke/v. Rechenberg, MDR 2012, 1, 4. 10 Bei einer Gesamtsanierung der Heizungsanlage, die Gemeinschafts- und Sondereigentum betrifft, ist die Wohnungseigentümergemeinschaft nur für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums zuständig; für das Sondereigentum fehlt ihr die Beschlusskompetenz. Soweit Arbeiten am Gemeinschafts- und am Sondereigentum zusammen vergeben werden sollen, kann das hinsichtlich des Sondereigentums nur mit Zustimmung der jeweiligen Sondereigentümer erfolgen. 11 Vgl. LG Itzehoe v. 28.6.2011 – 11 S 41/10, juris. 12 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, Rz. 7, MDR 2012, 17 = NJW-RR 2012, 85. 13 Dazu ausführlich Hogenschurz, Das Sondernutzungsrecht im Wohnungseigentumsrecht, München 2008.

Hogenschurz

533

Teil 10 Rz. 10.12

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

abweichenden Regelung, die etwa die Kostentragungspflicht des Sondernutzungsberechtigten vorsehen mag.14

10.13 Im Zusammenhang mit den baulichen Veränderungen ist die Einräumung von Sondernutzungsrechten deshalb von Bedeutung, weil sie – ausdrücklich oder aus der Natur der Sache – in einem beschränkten Umfang die Zustimmung zu baulichen Veränderungen beinhalten kann, etwa bei einem Sondernutzungsrecht an einem Waldstück dessen Bepflanzung mit üblichen Bäumen. Die Zuweisung zur Sondernutzung enthält die Zustimmung für bauliche Veränderungen, soweit sie in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts Eingang gefunden haben oder wenn sie nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen.15

10.14 Hinweis: Schon für die Beantwortung der Frage, ob eine bauliche Veränderung das Gemeinschaftseigentum betrifft, und zur Beurteilung ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen muss man wissen, ob und welche vom Gesetz abweichenden Regelungen im Einzelfall bestehen. Wie für die Bearbeitung jedes wohnungseigentumsrechtlichen Mandats ist daher auch im Bereich der baulichen Veränderungen die Kenntnis der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans zwingend notwendig. Sie können und sollten bei Zweifeln aus den Grundbuchakten ersehen werden, soweit sie nicht in einer verlässlichen Abschrift vorliegen.

10.15 Die Kenntnis früherer Eigentümerbeschlüsse, die nur für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Reform des Wohnungseigentumsrechts zum 1.7.2007 zuverlässig aus der BeschlussSammlung, § 24 Abs. 7 WEG, ersehen werden können, ist etwa für die Frage einer Genehmigung der baulichen Veränderung durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss erforderlich. Die Protokolle früherer Eigentümerversammlungen mit den älteren Eigentümerbeschlüssen sollten sich in den Verwaltungsunterlagen finden oder auch in den Unterlagen langjähriger Wohnungseigentümer. Wer sich auf das Bestehen von Eigentümerbeschlüssen beruft, muss deren Existenz beweisen; dazu genügt das Vorzeigen alter Protokolle von Eigentümerversammlungen dann nicht, wenn deren Echtheit bestritten wird. 2. Bauliche Veränderungen a) Begriff

10.16 Bauliche Veränderungen sind – auf Dauer16 angelegte (also nicht nur provisorische)17 gegenständliche Eingriffe in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums, die einen neuen Zustand schaffen, also über 14 Diese Grundsätze gelten entsprechend, soweit (ausnahmsweise) ein Sondernutzungsrecht am Sondereigentum begründet ist. Die Kosten muss also grundsätzlich der betroffene Sondereigentümer tragen. 15 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, Tz. 8, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676; BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, ZMR 2012, 883; st. Rspr. 16 „Auf Dauer“, nicht nur vorübergehend ist eine zeitliche Komponente, die nichts mit Eingriffen in die Bausubstanz zu tun hat; vgl. OLG Köln v. 5.11.2004 – 16 Wx 207/04, NZM 2005, 223 = ZMR 2005, 228 für das Aufstellen einer mobilen Parabolantenne; OLG Köln v. 31.5.1999 – 16 Wx 77/99, OLGReport Köln 1999, 325 für das Aufstellen eines Schranks in einer Balkonnische; zutreffend gegen eine bauliche Veränderung BayObLG v. 28.3.2002 – 2 Z BR 182/01, BayObLGReport 2002, 227 für das saisonale Aufstellen von Biertischen. 17 LG Bremen v. 25.3.2011 – 4 S 75/10, ZMR 2011, 657.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.18 Teil 10

die Pflege und Erhaltung des gegenwärtigen Zustands oder seine erstmalige Herstellung hinausgehen, oder – Veränderungen, die auf die äußere Gestaltung des Gemeinschaftseigentums nachhaltig einwirken (vgl. § 5 Abs. 1 WEG).18 Veränderungen der äußeren Gestaltung des Gemeinschaftseigentums, die nicht in die Sub- 10.17 stanz des gemeinschaftlichen Eigentums eingreifen, sind nach dieser bisher kaum hinterfragten Definition19 als bauliche Veränderungen zu bewerten. Wenn diese Definition etwa von Elzer20 in Frage gestellt worden ist und die bauliche Veränderung nicht schon bei einer Veränderung der äußeren Gestaltung des Gemeinschaftseigentums, sondern nur bei Vorliegen eines Eingriffs in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums angenommen worden ist, so ist damit allerdings zu Recht die Frage danach angesprochen, wie die bauliche Veränderung mit den strengen Voraussetzungen des § 22 WEG von der Nutzung des Gemeinschaftseigentums, §§ 13–15 WEG, abzugrenzen ist. Die Einordnung führt zu unterschiedlichen Anforderungen insbesondere bei Maßnahmen einzelner Wohnungseigentümer. Dies wird deutlich am Beispiel der Nutzung einer Parabolantenne durch einen Wohnungseigentümer bei Anbringung an der Balkonabgrenzung, die je nach Art der durch die bauliche Ausgestaltung der Brüstung vorgegebenen Anbringung – Festschrauben oder nur Festklemmen -unterschiedlich zu bewerten sein könnten. Eine bauliche Veränderung (durch Festschrauben) kann jeder Wohnungseigentümer als Betroffener i.S.v. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG verhindern, die Beseitigung verlangen und eine Genehmigung durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer gegen seinen Willen verhindern. Als Nutzung des Gemeinschaftseigentums (durch Festklemmen) kann die Anbringung durch Mehrheitsbeschluss gegen den Willen i.S.d. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG betroffener Wohnungseigentümer gemäß § 15 Abs. 2 WEG beschlossen werden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse sprechen gerade vor dem Hintergrund der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 WEG, der sogar für die grundlegende sachenrechtliche Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum darauf abstellt, ob die äußere Gestaltung des Gebäudes betroffen wird. Es erscheint als sinnvoll, diese Wertung wie bisher auch für den Begriff der baulichen Veränderung zu übernehmen, denn die Betroffenheit durch die Veränderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes ist in beiden Fällen gleich. Nach dem hier vertretenen Standpunkt kommt es also nicht auf die Mittel an, sondern allein auf das erzielte Ergebnis.21 Dies bedeutet etwa, dass eine bauliche Veränderung auch ohne Substanzeingriff durch eine nachteilige Veränderung der äußeren Gestaltung des Gemeinschaftseigentums bei nächtlichen Lichtprojektionen vorliegt, zum Beispiel einer modernen Laserwerbung oder der Illumination mit Weihnachtsbeleuchtung zur „Verschönerung“ des Gebäudes. Zum Nachteil vgl. Rz. 10.79. Bauliche Veränderungen erfordern keine bauliche Maßnahme; ausreichend ist vielmehr, dass der bauliche Zustand und die Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums ver-

18 So OLG Köln v. 29.4.1997 – 16 Wx 76/97, WuM 1997, 461; OLG Köln v. 31.5.1999 – 16 Wx 77/99, OLGReport Köln 1999, 325; OLG Köln v. 17.12.2001 – 16 Wx 276/01, OLGReport Köln 2002, 90; OLG Hamburg v. 17.1.2005 – 2 Wx 103/04, ZMR 2005, 394; Schuschke, ZWE 2000, 146, 147. 19 Vgl. BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 396 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978; BGH v. 14.11.2011 – V ZR 56/11, Rz. 14, MDR 2011, 1465 = NJW 2012, 72. 20 Hügel/Elzer, 2. Aufl. 2018, § 22 WEG Rz. 5, 17. 21 OLG Hamburg v. 17.1.2005 – 2 Wx 103/04, MDR 2005, 1160 = ZMR 2005, 394; s.a. BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = MDR 2004, 563 = NJW 2004, 937.

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10.18

Teil 10 Rz. 10.18

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

ändert werden sollen.22 Ob es sich um Maßnahmen der Mehrheit der Wohnungseigentümer handelt oder um das eigenmächtige Vorgehen einzelner Wohnungseigentümer, ist ohne Bedeutung. Weil § 22 Abs. 1 WEG nicht voraussetzt, dass aus der Wohnungseigentümergemeinschaft in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen wird, regelt er auch die Zustimmung zur Bebauung eines Nachbargrundstücks, die in das Gemeinschaftseigentum eingreift, etwa zum An- oder Aufbau an der Grenzwand23 oder die Unterschreitung des öffentlich-rechtlichen Bauwichs.24

10.19 Vergleichszustand für die Feststellung des Vorliegens einer Veränderung ist der Errichtungszustand und der hieraus durch Vornahme einer baulichen Veränderung hervorgegangene Zustand, soweit diese bauliche Veränderung zulässig erfolgt ist.25 Unberechtigte Veränderungen bestimmen den Vergleichsmaßstab nicht. Es kann keine „faktische Genehmigungswirkung“ von eigenmächtigen baulichen Veränderungen geben.26 Auch wenn (fast) alle Miteigentümer eigenmächtig Markisen angebracht haben, folgt daraus kein „Gewohnheitsrecht“ der Übrigen; unberechtigt bleiben auch solche Veränderungen, bei denen der Rückbauanspruch wegen Verjährung oder Verwirkung nicht mehr durchsetzbar ist, denn Verjährung und Verwirkung vermitteln keinen Bestandsschutz.27 b) Abgrenzungen

10.20 Soweit schon begrifflich keine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG vorliegt, besteht das Erfordernis der Zustimmung aller Wohnungseigentümer nicht. Bei den folgenden Fallgruppen ist daher zu berücksichtigen, dass ihre Weite den Anwendungsbereich der Regelung des § 22 Abs. 1 WEG und damit das Erfordernis der Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer festlegt. aa) Maßnahmen am Sondereigentum

10.21 Keiner Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG als bauliche Veränderungen bedürfen Maßnahmen am Sondereigentum, die die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums oder das äußere Gestaltungsbild der Anlage nicht verändern (vgl. Rz. 10.16), sondern für die anderen Wohnungseigentümer nur sonstige nicht unerhebliche Nachteile mit sich bringen, etwa das Laufgeräusch von Rollladenmotoren oder die Abluft einer Klimaanlage.

10.22 Die Regelungen im 3. Abschnitt des Wohnungseigentumsgesetzes beziehen sich nur auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, § 20 Abs. 1 WEG, und gelten deshalb nur für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum selbst oder mit Auswirkungen auf dieses. Für Sondereigentum ergibt sich aus § 13 Abs. 1 WEG, dass jeder Wohnungseigentümer mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren darf, soweit nicht 22 OLG Frankfurt v. 5.11.1979 – 20 W 279/79, OLGZ 1980, 78 = RPfleger 1980, 112; s.a. OLG Köln v. 9.3.2006 – 16 Wx 27/06, OLGReport Köln 2006, 593 (LS) = MietRB 2006, 195: Bei einer spürbaren Veränderung des optischen Gesamteindrucks liegt auch ohne Substanzeingriff eine bauliche Veränderung vor. 23 OLG Köln v. 7.6.1995 – 16 Wx 56/95, ZMR 1995, 552. 24 BGH v. 6.11.2009 – V ZR 73/09, MDR 2010, 98, 99. 25 OLG Köln v. 29.9.2000 – 16 Wx 132/00, OLGReport Köln 2001, 22. 26 Unklar insoweit BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696 = ZfIR 2017, 409 mit Anm. Hogenschurz, ZfIR 2017, 413, 414. 27 OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – I-3 Wx 217/07, NZM 2998, 442; LG Frankfurt/M. v. 21.8.2014 – 2-9 S 27/13, ZWE 2015, 217; AG Rosenheim v. 20.3.2012 – 12 C 1082/11, ZMR 2012, 589.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.23 Teil 10

das Gesetz28 oder Rechte Dritte entgegenstehen. Er darf also Schränke einbauen, mobile Trennwände einziehen usw., solange er nicht in das Gemeinschaftseigentum eingreift oder die äußere Gestaltung des Gemeinschaftseigentums nicht nachhaltig verändert. Zutreffend ist es daher, bei Maßnahmen am Sondereigentum keine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG anzunehmen, sondern einen Fall der die Grenzen des Zulässigen gemäß § 14 Nr. 1 und 2 WEG überschreitenden Nutzung des Sondereigentums,29 deren Unterlassung die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 15 Abs. 3 WEG verlangen können. bb) Erstherstellung und Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben Die erstmalige30 ordnungsgemäße Herstellung, d.h. vollständige Errichtung und Ausstattung des Gemeinschaftseigentums durch Baumaßnahmen, die sich aus der Zweckbestimmung des Hauses oder der Teilungserklärung ergeben oder erkennbar sind, ist keine bauliche Veränderung.31 Damit ist die Frage gestellt, welchen Zustand des Gemeinschaftseigentum die Wohnungseigentümer einander schulden. Manchmal stellt sich erst nach einiger Zeit heraus, dass die Wohnungseigentumsanlage tatsächlich nicht entsprechend der dem Aufteilungsplan oder den der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Unterlagen entsprechend errichtet worden ist. Dazu z.B. der nachträgliche Einbau einer im Aufteilungsplan zwar vorgesehenen, aber noch fehlenden Wohnungsabschlusstüre, die erstmalige Anlage der Gartenanlage, einer Wand mit Türe in der Wohnung32 oder von Stellplätzen,33 auch die dem Stand der Technik entsprechende Herstellung einer ausreichenden Kellerisolierung bei nachträglich in Wohnungseigentum aufgeteiltem Altbestand.34 Denn jeder Wohnungseigentümer kann von den übrigen Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustandes der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan in den Grenzen des § 242 BGB verlangen.35 Nicht verlangen kann er eine von diesen Vorgaben abweichende „Erstherstellung“.36 Privilegiert sind nicht nur Baumaßnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern auch die Fertigstellung des Sondereigentums durch den Wohnungs- oder Teileigentümer.37

28 Vgl. etwa § 14 Nr. 1 und 3 WEG. 29 Vgl. BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151, 152; a.A.: OLG Köln v. 30.8.2000 – 16 Wx 115/00, OLGReport Köln 2001, 23, 24; OLG Köln v. 9.10.2000 – 16 Wx 102/00, WuM 2001, 37. 30 Nicht aber die Wiederherstellung des Errichtungszustands, vgl. OLG Köln v. 29.9.2000 – 16 Wx 132/00, OLGReport Köln 2001, 22. 31 BayObLG v. 27.7.1989 – BReg 2 Z 68/98, NJW-RR 1989, 1293; BayObLG v. 24.11.1994 – 2 Z BR 110/94, ZMR 1995, 87; BayObLG v. 24.6.1999 – 2 Z BR 48/99, ZMR 2000, 38; BayObLG v. 26.8.1999 – 2 Z BR 66/99, NZM 2000, 515 = ZMR 1999, 846; BayObLG v. 27.4.2000 – 2 Z BR 34/00, ZMR 2000, 626; KG v. 10.2.1986 – 24 W 4146/85, OLGZ 1986, 174 = ZMR 1986, 210; OLG Frankfurt v. 19.4.2005 – 20 W 270/03, OLGReport Frankfurt 2006, 93; OLG Frankfurt v. 14.4.2005 – 20 W 114/02, OLGReport Frankfurt 2006, 94 (97); OLG Köln v. 7.4.2000 – 16 Wx 32/00, ZMR 2000, 861. 32 BayObLG v. 4.12.2002 – 2 Z BR 40/02, DNotZ 2003, 539. 33 BayObLG v. 6.6.2002 – 2 Z BR 124/01, NZM 2002, 875. 34 OLG Düsseldorf v. 14.5.2004 – 3 Wx 95/04, NZM 2005, 184. 35 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 20, ZfIR 2015, 359; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 7, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 11, MDR 2018, 1366; BayObLG v. 20.3.2002 – 2 Z BR 178/01, ZMR 2002, 685; s.a. OLG Düsseldorf v. 30.11.2007 – 3 Wx 158/07, OLGReport Düsseldorf 2008, 304. 36 OLG Hamburg v. 25.2.2002 – 2 Wx 94/01, NZM 2003, 109. 37 OLG Hamm v. 3.2.1987 – 15 W 456/85, OLGZ 1987, 389 = Rpfleger 1987, 304.

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537

10.23

Teil 10 Rz. 10.24

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.24 Fallen der tatsächliche Zustand und „die Vereinbarungen“ auseinander, müssen der Widerspruch zwischen Rechtslage und tatsächlichem Zustand aufgelöst werden. Denkbar sind dabei zwei Möglichkeiten: Die Rechtslage wird dem tatsächlichen Zustand angepasst. Oder der tatsächliche Zustand wird der Rechtslage angepasst. Die hier zu prüfenden Gesichtspunkte sind in der Rechtsprechung des BGH durch mehrere Entscheidungen präzisiert und für die Praxis geklärt worden. Bei der Bestimmung der im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer geltenden „Vereinbarungen“ und auch bei der Bestimmung der Grenzen des Anspruchs nach Treu und Glauben muss zwischen dem Inhalt der Teilungserklärung38 mit dem Aufteilungsplan, der öffentlich-rechtlichen Baugenehmigung und der Baubeschreibung unterschieden werden.

10.25 Weicht die Bauausführung von Teilungserklärung und Aufteilungsplan ab, muss der ordnungsmäßige Anfangszustands des Gemeinschaftseigentums in erster Linie aus Teilungsvertrag, § 3 WEG, bzw. Teilungserklärung, § 8 WEG, in Verbindung mit dem gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG in Bezug genommenen Aufteilungsplan ermittelt werden.39 Wenn die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan abweicht, muss die eindeutige sachenrechtliche Abgrenzung des Sondereigentums hergestellt werden. Dabei ist es gleich, ob es sich um die Aufteilung eines bestehenden Gebäudes oder die Errichtung von Bauwerken handelt; der Aufteilungsplan ist selbst dann maßgeblich, wenn er einen bereits vorhandenen Bestand aufgrund eines Versehens unzutreffend erfasst.40 Die Übereinstimmung von Plan und Wirklichkeit muss vorrangig so erfolgen, dass die Bauausführung an den Aufteilungsplan angeglichen wird, also nur ausnahmsweise, falls die nicht zumutbar ist, durch eine Änderung des Aufteilungsplans. Auf die eine oder auf die andere Weise können und müssen Bauausführung und Aufteilungsplan zur Übereinstimmung gebracht werden.41 Der tatsächliche Besitzstand kann bei der Auslegung der Eintragung ebenso wie eine abweichende tatsächliche Bauausführung unabhängig von ihrem Ausmaß keine Bedeutung haben, weil beide als Umstand außerhalb des Grundbuchs nicht für jedermann erkennbar sind.42 In welchem Ausmaß die tatsächliche Bauausführung von dem Aufteilungsplan abweicht, ist für das Bestehen des Anspruchs – nicht die Frage seiner Durchsetzbarkeit – ohne Bedeutung.43

10.26 Hiervon zu trennen ist die Frage, ob auch geringfügige Abweichungen einen Anspruch einzelner Wohnungseigentümer auf Herstellung eines plangerechten Zustands bzw. auf Anpassung der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans begründen können.44 Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums kann bei einer vom Aufteilungsplan abweichenden Errichtung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, ausgeschlossen sein, wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht, etwa weil die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk oder Kosten erfordert, die auch unter Be38 Zur Abgrenzung von Bezeichnungen, wie „Laden“ oder „Keller“ als Zweckbestimmung oder bloße räumliche Beschreibung vgl. etwa BGH v. 8.3.2019 – V ZR 330/17 – Rz. 19, MDR 2019, 543. 39 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 10, ZMR 2016, 553; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 12, MDR 2018, 1366. 40 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 14, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 41 BGH v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, Rz. 19, ZfIR 2018, 553; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 10, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276; BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 20, ZfIR 2015, 359; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 12, MDR 2018, 1366. 42 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 10 ff., BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 43 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 11, 13, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 44 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 11, 13, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.28 Teil 10

rücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig sind, wie bei der Versetzung einer tragenden Wand um wenige Zentimeter.45 Das Gewicht der berechtigten Belange der unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer bestimmt sich nach dem Ausmaß der Abweichung und der damit verbundenen Beeinträchtigung. In diesem Fall sind die Wohnungseigentümer im Grundsatz verpflichtet, Teilungserklärung und Aufteilungsplan so zu ändern, dass diese der tatsächlichen Bauausführung entsprechen.46 Müssen gravierende Abweichungen zu Lasten von Sondereigentum hingenommen werden, kann eine Ausgleichszahlung geboten sein.47 Bei geringfügigen Abweichungen können sich schließlich selbst die mit einer Anpassung des Aufteilungsplans verbundenen Kosten als unverhältnismäßig erweisen, so dass es im Ergebnis bei den bestehenden Verhältnissen bleiben muss.48 Demgegenüber kommt eine Verwirkung des Anspruchs regelmäßig nicht in Betracht,49 weil kein Wohnungseigentümer darauf vertrauen darf, dass der fortwährende Widerspruch zwischen tatsächlicher Bauausführung und Grundbuchinhalt auch in der Zukunft von allen Seiten hingenommen wird, sondern es seinerseits in der Vergangenheit in der Hand gehabt hätte, die Situation durch eine einvernehmliche Anpassung des Aufteilungsplans an die tatsächlichen Verhältnisse zu beheben.50 Schließlich ist der Anspruch grundsätzlich verzichtbar,51 Auch die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben gehört zur ordnungsmäßigen Herstellung des Gemeinschaftseigentums,52 gleich ob sie bereits bei Errichtung der Wohnungseigentumsanlage bestanden oder erst nachträglich erfolgt sind.53 Für den Anspruch eines Wohnungseigentümers auf erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums ist es dabei ohne Bedeutung, ob er neben der Gesamtheit der Wohnungseigentümer allein als öffentlich-rechtlicher Zustandsstörer anzusehen ist, weil die öffentlich-rechtliche Störerhaftung der Einhaltung von im allgemeinen Interesse bestehenden Rechtsvorschriften und zur Begründung von Eingriffsmöglichkeiten dient, deshalb aber keine Auswirkungen auf das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer hat.54

10.27

Beispiel: Wenn nach öffentlichem Recht die Herstellung eines zweiten Rettungswegs zur ordnungsgemäßen Nutzbarkeit erforderlich ist, kann jeder einzelne Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4 WEG dessen Errichtung verlangen.55 Ebenso ist die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis Aufgabe aller Wohnungseigentümer und wird von dem Anspruch auf erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums erfasst, wenn der Bauträger bei der Errichtung der Wohnanlage und der Teilung nach § 8 WEG von den der Baugenehmigung zugrun-

10.28

45 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 21, ZfIR 2015, 359; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 22, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 46 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 21, ZfIR 2015, 359; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 22, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 47 BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, ZMR 2004, 206; BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 21. ZfIR 2015, 359. 48 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 22, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 49 Vgl. BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 30, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 50 Vgl. BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, Rz. 30, BGHZ 208, 29 = ZfIR 2016, 276. 51 Für eine Bindung an den Verzicht des Rechtsvorgängers AG Recklinghausen v. 15.2.2019 – 91 C 21/18, Juris. 52 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 14, ZMR 2016, 553; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 13, MDR 2018, 1366. 53 BGH v. 19.9.2002 – V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 74 f.; BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 10, ZMR 2016, 553. 54 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 15, ZMR 2016, 553. 55 BGH v. 23.6.2017 – V ZR 102/16, Rz. 8, ZMR 207, 818.

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539

Teil 10 Rz. 10.28

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

deliegenden Plänen abgewichen ist und dadurch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen.56

10.29 Wenn das Miteigentum als Wohneigentum oder nach der Zweckbestimmung des Teileigentums für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt ist, müssen die öffentlichrechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sein.57 Grundsätzlich muss das gemeinschaftliche Eigentum in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann.58 Das bedeutet nebenbei auch, dass im Bereich des Gemeinschaftseigentums vorhandene gravierende bauliche Mängel, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, wie etwa massive Durchfeuchtungen der Wände, zwingend sofort, auch bei einem Altbau nach den aktuellen technischen Standards instandgesetzt werden müssen, ohne dass es hier – anders als bei der Anpassung an den Aufteilungsplan – eine finanzielle Opfergrenze gäbe.59 Geringere Anforderungen an den Zustand des Gemeinschaftseigentums in der Baugenehmigung können dem Anspruch auf Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden Zustands nicht entgegengehalten werden.60

10.30 Bei Vorgaben der Baugenehmigung muss beachtet werden, dass nicht alle Angaben zwingende öffentlich-rechtliche Vorgaben beinhalten.61 Denn wenn ein in dem Bauantrag nebst Anlagen näher beschriebenes Bauvorhaben genehmigt wird, bedeutet dies zunächst nur, dass ein auf dieser Grundlage errichteter Bau erlaubt ist und die Bauordnungsbehörden deshalb, solange die Baugenehmigung besteht, grundsätzlich nicht mehr gegen die Baumaßnahme vorgehen können, auch wenn die Genehmigung möglicherweise unter Missachtung öffentlichrechtlicher Vorschriften erteilt worden ist. Umgekehrt widerspricht aber ein Bauvorhaben nicht bereits deshalb dem materiellen öffentlichen Baurecht, weil ein in den Anlagen zu dem Bauantrag aufgeführtes Ausstattungsmerkmal nicht ausgeführt worden ist, sondern nur dann, wenn das Ausstattungsmerkmal nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich ist oder wenn bezogen auf ein bestimmtes Ausstattungsmerkmal in der Baugenehmigung eine entsprechende Auflage enthalten ist.62 Der Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung darf also nicht als Anspruch auf eine Errichtung entsprechen der Baugenehmigung missverstanden werden.

10.31 Ein Anspruch auf Erstellung des Gemeinschaftseigentums entsprechend der Baubeschreibung in den Erwerberverträgen kann im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nicht bestehen, denn deren Inhalt ist aus dem Grundbuch nicht für jedermann ersichtlich.63 Diese Aussage lässt sich umkehren: Wenn eine Baubeschreibung in die Teilungserklärung aufgenommen worden ist, so gilt sie gemäß §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 2 S. 2 WEG als Vereinbarung im Verhältnis der Wohnungseigentümer, deren Einhaltung nach § 21 Abs. 4 WEG be56 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 11 ff., ZMR 2016, 553; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 13, MDR 2018, 1366. 57 BGH v. 23.6.2017 – V ZR 102/16, Rz. 8, ZMR 207, 818; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 13, MDR 2018, 1366. 58 BGH v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, ZfIR 2018, 553. 59 BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, ZfIR 2015, 19; BGH v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, ZfIR 2018, 553. 60 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 12, ZMR 2016, 553. 61 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 14, MDR 2018, 1366. 62 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 15, MDR 2018, 1366. 63 So J.-H. Schmidt, ZfIR 2018, 699, 700.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.33 Teil 10

ansprucht werden kann. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung einer Baubeschreibung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher weitgehend offengelassen worden, welche Bedeutung die Baubeschreibungen in den Bauträgerverträgen für den Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung haben.64 Geklärt ist: Den für die Erstherstellung maßgeblichen Bauplänen und der Baubeschreibung kann nur Bedeutung zukommen, soweit der Aufteilungsplan keine Aussage trifft.65 Offengeblieben ist bisher, ob und unter welchen – auch zeitlichen – Voraussetzungen die Wohnungseigentümer untereinander über die der in der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan vorgesehenen Abgrenzung des Gemeinschaftseigentums von dem Sondereigentum und der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum hinausgehend die Herstellung bestimmter Ausstattungsmerkmale des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können. Dabei mag man aus dieser Formulierung des BGH mit der Parenthese „auch zeitlichen“ die Andeutung entnehmen, die Frage könnte für die gemeinsame Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum anders zu beantworten sein, als für den Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung im gegenseitigen Verhältnis der Wohnungseigentümer. Viele Stimmen in Rechtsprechung Literatur nehmen bisher an, dass zu dem Bereich der erstmaligen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Gemeinschaftseigentums auch diejenigen Ausstattungsmerkmale gehören, die in den Baubeschreibungen der schuldrechtlichen Erwerbsverträge zwischen den Wohnungseigentumserwerbern und dem teilenden Eigentümer enthalten sind.66 Dem widersprechen andere67 mit Recht. Für die Grenzen der Nutzung des Sondereigentums, nämlich die Frage des Schallschutzniveaus bei der Sanierung des Sondereigentums, hat der BGH bereits festgehalten, dass es auf ein besonderes Gepräge der Wohnanlage, wie es sich anders als eine spätere Zufallsausstattung aus dem Zustand bei Errichtung ergeben kann, nicht ankommen kann.68 Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass ein Rückgriff auf die bei der Gebäudeerrichtung erstellte Baubeschreibung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil diese keine Wirkungen im Verhältnis der Wohnungseigentümer und deren Sonderrechtsnachfolgern untereinander entfalte, sondern deren Vertragsverhältnis zu dem Bauträger betreffe. Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Grenzen der Nutzung des Sondereigentums, sondern in gleicher Weise für den Inhalt der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Dem entspricht es bei der Frage der zulässigen Nutzung, dass der „Charakter der Anlage“ oder „der Charakter der Anlage“ deshalb keine Bedeutung haben.69

10.32

Bei mehreren Möglichkeiten zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands können die Wohnungseigentümer grundsätzlich über die durchzuführende Fertigstellung mit Mehrheit entscheiden, soweit die gewählte Möglichkeit dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.70 Die Wohnungseigentümer können die Erst-

10.33

64 65 66 67

Zuletzt BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, Rz. 16, MDR 2018, 1366. BGH v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, Rz. 12, ZMR 2016, 553. OLG Hamm, ZWE 2007, 491; MüKo-BGB/Engelhardt, 7. Aufl., WEG § 21 Rz. 32. Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 21 WEG Rz. 161; siehe zum Meinungsstand auch J.-H. Schmidt, ZWE 2017, 238, 241. 68 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, ZfIR 2015, 391. 69 BGH v. 8.3.2019 – V ZR 330/17 – Rz. 23 f., MDR 2019, 543. 70 BayObLG v. 28.3.1996 – 2 Z BR 4/96, WuM 1996, 299, 300.

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Teil 10 Rz. 10.33

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

herstellung mangels Beschlusskompetenz nicht ablehnen, wo die Teilungserklärung die Errichtung vorsieht.71

10.34 Den Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf erstmalige ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums72 müssen die Wohnungseigentümer auch bei den Entscheidungen über die Geltendmachung und Durchsetzung von Gewährleistungsrechten gegen den Bauträger bedenken, wenn die Einigung mit dem Bauträger die Ansprüche im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer unberührt lässt. Hat zum Beispiel der Bauträger nicht genügend Stellplätze errichtet, bleiben die Wohnungseigentümer einander zu Herstellung der restlichen Stellplätze verpflichtet, auch wenn sie hierfür eine – unzureichende – Zahlung des Bauträgers in die Instandhaltungsrücklage akzeptiert haben.

10.35 Eine ursprünglich planwidrige Errichtung durch den Bauträger stellt keine bauliche Veränderung dar. „Veränderungen“ i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG liegen erst bei einem Abweichen vom Zustand zum Zeitpunkt des Entstehens der zumindest werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft vor.73 Selbst wenn die abweichende Herstellung durch den Bauträger auf Veranlassung eines Erwerbers erfolgt ist, besteht kein Beseitigungsanspruch gegen ihn, sondern bestenfalls ein Anspruch auf planmäßige Herstellung gegenüber der Gesamtheit der Wohnungseigentümer.74

10.36 Maßnahmen zur erstmaligen Herstellung einer Fernsprechteilnehmereinrichtung, Rundfunkund Fernsehempfangsanlage oder eines Energieversorgungsanschlusses können gemäß § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 6 WEG im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mit Mehrheit beschlossen werden. Soweit ein Fall des § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 6 WEG vorliegt, kommt es auf eine Benachteiligung i.S.d. §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG nicht an. Der korrespondierende Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers ist nur auf Anschluss an eine bestehende Antennenleitung innerhalb des Hauses gerichtet.75 Zur E-Mobilität vgl. Rz. 10.231. cc) Instandhaltung und Instandsetzung, § 22 Abs. 3 WEG

10.37 Maßnahmen ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums entsprechend dem derzeitigen Stand der Technik, also die so genannte modernisierende Instandsetzung,76 sind keine baulichen Veränderungen, wie durch § 22 Abs. 3 WEG klargestellt ist. Eine modernisierende Instandsetzung liegt bei bestehendem oder absehbarem Sa71 BayObLG v. 1.12.2004 – 2 Z BR 166/04, BayObLGReport 2005, 183 für Besucherparkplätze. 72 Zur Wiederaufbaupflicht nach (teilweiser) Zerstörung gemäß § 22 Abs. 4 WEG vgl. Dötsch, ZfIR 2018, 577. 73 BayObLG v. 27.3.1986 – 2 Z 109/85, NJW-RR 1986, 954; BayObLG v. 24.9.1986 – 2 Z 74/85, WuM 1987, 164; BayObLG v. 20.11.1987 – 2 Z 91/87, NJW-RR 1988, 587; BayObLG v. 9.6.1989 – 1b Z 11/88, WuM 1989, 539; BayObLG v. 5.11.1993 – 2 Z BR 83/93, NJW-RR 1994, 276 = ZMR 1994, 126; BayObLG v. 29.5.1998 – 2 Z BR 57/98, NZM 1999, 286; OLG Frankfurt v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, NZM 2008, 322; OLG Hamm v. 21.7.1997 – 15 W 482/96, NZM 1998, 199; OLG Köln v. 27.8.1997 – 16 Wx 86/97, NZM 1998, 199; Pfälzisches OLG v. 23.11.2001 – 3 W 226/01, NZM 2002, 253 = ZMR 2002, 469; zutreffend abweichend BayObLG v. 29.5.1998 – 2 Z BR 57/98, NZM 1999, 286 für den Fall der Errichtung durch mehrere Bauherren, die schon zu Beginn der Bauarbeiten Wohnungseigentümer geworden sind. 74 OLG Frankfurt v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, NZM 2008, 322. 75 BayObLG v. 12.8.1991 – BREG 2 Z 86/91, BayObLGZ 1991, 296, 298 = MDR 1992, 48 = ZMR 1991, 487. 76 Vgl. nur OLG Schleswig v. 8.12.2006 – 2 W 111/06, WuM 2007, 213; s.a. Drabek, ZWE 2001, 470; Köhler, MietRB 2007, 249.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.40 Teil 10

nierungsbedarf dann vor, wenn ein verantwortungsbewusster, wirtschaftlich denkender Hauseigentümer vernünftigerweise ebenso sanieren würde, der wirtschaftliche Aufwand für eine technische Neuerung also in einem vertretbaren Verhältnis zum Erfolg steht und sich in absehbarer Zeit bezogen auf die Lebensdauer der Maßnahme amortisiert. Zu Instandsetzungsmaßnahmen zählen auch solche Vorhaben, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben vorgeschrieben sind,77 etwa die Anlage eines Kinderspielplatzes oder von Feuerwehrzufahrten, der Einbau landesrechtlich vorgeschriebener Kaltwasserzähler78 oder Rauchmelder,79 von Verbrauchserfassungsgeräten nach der Heizkostenverordnung,80 Energieeinsparmaßnahmen (Nachrüstungsverpflichtungen nach der EnEV,81 dem EEWärmeG, dem EnEG oder der Trinkwasserverordnung 2011)82 sowie ordnungsbehördlich angeordnete Maßnahmen.83 Solche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen des Gemeinschaftseigentums obliegen grundsätzlich der Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft und sind durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden, §§ 21 Abs. 3 und 5 Nr. 2 WEG.84 Soweit Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung einzelnen Wohnungseigentümern übertragen sind, etwa die Instandhaltung der Fenster, kommt ihm die gleiche Entscheidungsfreiheit zu wie der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst.

10.38

dd) Modernisierung, § 22 Abs. 2 WEG Die bloße, auch wirtschaftlich sinnvolle Verbesserung macht aus der baulichen Veränderung 10.39 noch keine der Verwaltung mit Mehrheit zugängliche Maßnahme der Instandsetzung oder Instandhaltung. Wo ein Instandsetzungsbedarf nicht absehbar ist oder bereits vorliegt, kann eine Maßnahme der Modernisierung unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG erfolgen; einen Anspruch hierauf gemäß § 21 Abs. 4 WEG hat der einzelne Wohnungseigentümer nicht. ee) Notgeschäftsführung, § 21 Abs. 2 WEG Wird eine eigentlich als bauliche Veränderung anzusprechende Baumaßnahme ausnahmswei- 10.40 se im Rahmen der Notgeschäftsführung erforderlich, hält sie sich nach der gesetzlichen Systematik immer im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung und ist daher nicht gemäß § 22 Abs. 1 WEG zu beurteilen.85 Gleiches gilt für die Beseitigung von Gefahrenquellen.86 Eine Notgeschäftsführung setzt aber voraus, dass die Dringlichkeit der Gefahrenlage eine vorherige 77 BayObLG v. 11.12.1980 – 2 Z 74/79, NJW 1981, 690 = ZMR 1981, 265; BayObLG v. 25.6.1998 – 2 Z BR 10/98, NZM 1998, 817 = ZMR 1998, 647. 78 BGH v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192 (201) = NJW 2003, 3476; OLG Hamburg v. 29.9.2004 – 2 Wx 1/04, ZMR 2004, 937 (938); LG Hamburg v. 29.12.2010 – 318 S 101/10, NZM 2011, 859 = ZMR 2011, 495, 496. 79 BGH v. 8.2.2013 – V ZR 238/11, MDR 2013, 835; BGH v. 7.12.2018 – V ZR 273/17, MDR 2019, 216. 80 OLG Düsseldorf v. 23.6.2008 – 3 Wx 77/08, MDR 2009, 197 = NZM 2009, 162 für Warmwasserzähler; M.J. Schmid, DWE 2011, 44. 81 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 15, MDR 2018, 1366, zu Verschattungsanlagen; OLG Hamm v. 18.11.2008 – 15 Wx 139/08, WuM 2009, 252 zum Zwang der Fassadenerneuerung unabhängig von der Amortisation. 82 Vgl. Pfeifer, MietRB 2012, 392, 395 zum Austausch von Bleirohren. 83 OLG Köln v. 6.8.2004 – 16 Wx 81/04, OLGReport 2005, 2. 84 OLG Frankfurt v. 4.9.2008 – 20 W 347/05, ZMR 2009, 382. 85 Zu Aufwendungsersatzansprüchen gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft OLG München v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, NZM 2008, 215. 86 BayObLG v. 17.2.2000 – 2 Z BR 180/99, NZM 2000, 513.

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Teil 10 Rz. 10.40

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Einschaltung des Verwalters durch den Wohnungseigentümer bzw. – bei Überschreitung der Kompetenzen des Verwalters zur laufenden Unterhaltung87 – der übrigen Wohnungseigentümer nicht zulässt.88 Dies gilt für Eilmaßnahmen einzelner Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 2 WEG, die aber nur zur Abwehr eines unmittelbar drohenden Schadens zulässig sind. Dies gilt auch für Eilmaßnahmen des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG, die nur dann in Betracht kommen, wenn eine Willensbildung der Wohnungseigentümer durch kurzfristige Einberufung einer Eigentümerversammlung unter Abkürzung der Ladungsfrist gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 WEG nicht möglich ist. Der entstandene Aufwand ist durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zu ersetzen; die einzelnen Wohnungseigentümer haften nicht anteilig gemäß § 10 Abs. 8 S. 1 WEG direkt.89

10.41 Besondere Handlungspflichten können sich aber aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Verantwortlichkeit des Verwalters bei der Abwehr von Gefahren in der Wohnungseigentümergemeinschaft, z.B. von Brandgefahren in der Tiefgarage, ergeben.90 Die Verwaltungsgerichte und Ordnungsbehörden halten sich mit dem wohnungseigentumsrechtlich engeren Verständnis von den Aufgaben des Verwalters nicht auf, sondern setzten bei der Effektivität der Gefahrenabwehr an. Mit der im Wohnungseigentumsrecht allgemein angenommenen Aufgabenverteilung zwischen Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwalter kaum zu vereinbaren ist die Annahme der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung,91 der Verwalter könne aufgrund seiner Notkompetenz gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG als Störer zur Abwehr jedweder vom Gemeinschaftseigentum ausgehenden Gefahr in Anspruch genommen werden; mag vor Entdeckung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Schaffung des § 10 Abs. 6 WEG eine effektive Gefahrenabwehr bei der Inanspruchnahme der einzelnen Wohnungseigentümer nur mit Aufwand möglich gewesen sein, kann dieser Gedanke danach nicht mehr überzeugen: Richtiger Adressat ist die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter.92 Deren Inanspruchnahme als Störer ist zulässig,93 auch soweit zugleich das Sondereigentum betroffen ist.94 Sofern für die Umsetzung der Ordnungsverfügung auch das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers betroffen ist, steht die der Rechtsmäßigkeit einer Anordnung an die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht entgegen; vor der Vollstreckung bedarf es aber einer Duldungsverfügung gegen den be-

87 Zu den Grenzen vgl. OLG Schleswig v. 31.5.2018 – 7 U 40/18, ZMR 2018, 693. 88 Zu Aufwendungsersatzansprüchen gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft OLG München v. 15.1.2008 – 32 Wx 129/07, NZM 2008, 215. 89 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 279/17, WuM 2019, 269. 90 Vgl. Rüdiger, ZfIR 2019, 469. 91 VGH Baden-Württemberg v. 8.8.1973 – VI 879/72, NJW 1974, 74; OVG NRW v. 3.3.1994 – 11 B 2566/93, WuM 1994, 507; OVG NRW v. 15.4.2009 – 10 B 304/09, NJW 2009, 3528; OVG NRW v. 28.1.2011 – 2 B 1495/10, ZMR 2011, 425; VG Düsseldorf v. 20.8.2010 – 25 K 3682/10, ZMR 2011, 338; differenzierend aber OVG des Saarlandes 3.9.2014 – 2 B 318/14, ZMR 2015, 501; OVG des Saarlandes v. 3.9.2014 – 2 B 319/14, ZWE 2014, 468. 92 Becker, ZfIR 2011, 205; Briesemeister, ZWE 2011, 25; Briesemeister, ZWE 2011, 163; LehmannRichter, ZWE 2011, 439; Lehmann-Richter, ZWE 2012, 105. 93 OVG des Saarlandes v. 3.9.2014 – 2 B 318/14, ZMR 2015, 501; OVG des Saarlandes v. 3.9.2014 – 2 B 319/14, ZWE 2014, 468. 94 BayVGH v. 29.9.2014 – 20 CS 14.1663, NZM 2015, 171; OVG NRW v. 25.6.2015 – 13 B 452/15, NJW 2015, 3528 jeweils für eine Ordnungsverfügung im Zusammenhang mit Legionellen (Trinkwasserüberprüfung in den Wohnungen); zur internen Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht der einzelnen vermietenden Wohnungseigentümer vgl. LG Saarbrücken v. 18.12.2015 – 5 S 17/15, ZWE 2016, 187.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.45 Teil 10

troffenen Sondereigentümer.95 Wenn die Gefahrenabwehr nur das Unterlassen einer konkreten Nutzung erfordert, ist auch wohnungseigentumsrechtlich die Inanspruchnahme des Verantwortlichen oder Betreibers nicht zu beanstanden,96 denn er kann den Verstoß in eigener Entscheidungskompetenz beseitigen. ff) Gebrauchsregelungen Bei Veränderungen an unbebauten Grundstücksteilen gilt es bauliche Veränderungen von 10.42 Gebrauchsregelungen i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG abzugrenzen, die einer Regelung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich sind. Eine Abgrenzung über das Merkmal des Substanzeingriffs ist sinnvoll nicht möglich (vgl. Rz. 10.17). Maßgeblich für die Abgrenzung ist vielmehr die Zweckbestimmung des Grundstücksteils, die sich aus der Teilungserklärung oder einer Vereinbarung, § 15 Abs. 1 WEG, ergeben kann.97 Beispiel: Wenn ein Teil des Grundstücks nach der Teilungserklärung als Kfz-Abstellfläche ausgewiesenen ist, dient die Anbringung von Markierungsstreifen zur Herstellung einer Parkordnung einer Gebrauchsregelung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG und ist an deren Voraussetzungen, nicht an § 22 WEG zu messen.98

gg) Annexkompetenz zur Entscheidung über den Kostenverteilungsschlüssel, § 16 Abs. 3 WEG Schließlich sind die Maßnahmen, die der Umsetzung einer abweichenden Regelung über die Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 3 WEG dienen, insbesondere der Einbau von Verbrauchserfassungsgeräten, allein an den dort genannten Voraussetzungen zu messen,99 ohne dass es auf die Einordnung in die Systematik des § 22 WEG ankäme und die sich daraus ergebenden Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Dies ist von Bedeutung nur dann, wenn nicht ohnehin eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Verbrauchserfassung besteht (vgl. Rz. 10.27).

10.43

c) Zustimmungserfordernis Eine bauliche Veränderung bedarf gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung 10.44 der Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, nicht aber dinglich berechtigter Dritter. Die Neufassung des § 22 WEG bei der Reform des Wohnungseigentumsrechts 2007 wird weitgehend als „maximal“ misslungen bewertet und die Gefahr der „Versteinerung“ von Wohnungseigentumsanlagen beschworen.100 Diese Ausgangslage bedeutet für eine Darstellung, die auf eine praktische Bewältigung der bestehenden Rechtslage zielen soll, die Aufgabe, die Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts (nach dem Verständnis der sogenannten herrschenden 95 OVG MV v. 2.3.2016 – 3 M 440/15, ZWE 2016, 294. 96 Vgl. zur Inanspruchnahme des Verantwortlichen für den im Hinblick auf Brandschutzfragen problematischen Betrieb einer Intensiv-Pflege-Wohngemeinschaft OVG NRW v. 1.4.2016 – 2 B 83/16, juris. 97 BayObLG v. 12.6.1981 – BReg 2 Z 49/80, MDR 1981, 937. 98 BayObLG v. 14.8.1987 – BReg 2 Z 77/87, NJW-RR 1987, 1490 = WuM 1988, 97; OLG Karlsruhe v. 19.12.1977 – 3 W 6/77, MDR 1978, 495; OLG Köln v. 2.5.1978 – 16 Wx 10/78, OLGZ 1978, 287. 99 Zum alten Recht BGH v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192 = NJW 2003, 3476. 100 Statt aller Elzer, ZRP 2018, 148, 149.

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545

10.45

Teil 10 Rz. 10.45

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Meinung) als Grundlage für den sichersten Weg aufzuzeigen. Deren Bewältigung durch eine Neufassung des § 22 WEG liegt außerhalb des Zwecks der Darstellung. Deshalb beschränkt sich die Darstellung auf die praktische Beantwortung der zentralen Streitstände zum aktuellen Recht: Erfordert die Zustimmung immer die Form eines Eigentümerbeschlusses? Welche Wirkungen hat ein bestandskräftig gewordener Eigentümerbeschluss? Darf der Versammlungsleiter das Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses feststellen, auch wenn nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst? Wie können bei Maßnahmen im Interesse eines einzelnen Wohnungseigentümers die Kosten der Errichtung und die Folgekosten allein dem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt werden (§ 16 Abs. 4 WEG, § 16 Abs. 6 S. 1 WEG)? Wann liegt kein Nachteil im Sinne von §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG vor, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht? Beispiel: Alle diese Fragen können Bedeutung gewinnen in dem alltäglichen Fall, dass ein Wohnungseigentümer an seinem Balkon eine Markise anbringen möchte. Besondere Regelungen in der Teilungserklärung zur Gemeinschaftsordnung bestehen nicht. Alle übrigen Wohnungseigentümer sind einverstanden, wenn sie mit den Kosten der Errichtung und etwaigen Folgekosten – etwa die Kosten der Demontage und Neubefestigung bei einer Fassadensanierung – keinesfalls belastet werden. Der Verwalter nimmt die Genehmigung als Tagesordnungspunkt in die nächste Eigentümerversammlung. Alle anwesenden Wohnungseigentümer stimmen einem Genehmigungsbeschluss zu, in dem die Errichtungs- und Folgekosten dem Wohnungseigentümer auferlegt werden. Allerdings ist ein Wohnungseigentümer im Urlaub. Der Verwalter möchte den Zustimmungsbeschluss als beschlossen verkünden.

aa) Zustimmung in der Form eines Eigentümerbeschlusses?

10.46 Vor der Reform des Wohnungseigentumsrechts101 wurde die Zustimmung von der herrschenden Meinung102 als ein eigenständiges Regelungsinstrument der Wohnungseigentümergemeinschaft neben Vereinbarung und Beschluss verstanden. Sie wurde als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Bauwilligen103 verstanden, auf das die

101 Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 370) in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 13.4.2007 (BGBl. I S. 509); in Kraft getreten zum 1.7.2007. 102 Schon bisher wurde eine grundlegend abweichende Konzeption des Verhältnisses von Beschluss und Vereinbarung als einzigen Regelungsinstrumenten der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Schmack/Kümmel, ZWE 2000, 433 vertreten. Danach sollte die Zustimmung nur als einstimmiger Beschluss erfolgen können. Diese Ansicht widersprach in ihren grundsätzlichen Annahmen der Entscheidung BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367 = ZMR 2000, 771, so dass eine vertiefte Auseinandersetzung für die Praxis nicht geboten war, vgl. zu Einzelheiten Ott, ZWE 2002, 61, 62 f. 103 OLG Karlsruhe v. 2.12.1998 – 4 W 42/97, NJW-RR 1998, 1468.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.46 Teil 10

§§ 182 ff. BGB entsprechend Anwendung finden.104 Die nicht formgebundene105 Zustimmung konnte auch mündlich oder konkludent106 erfolgen, sofern nur Erklärungsbewusstsein vorlag107 oder wenn der Handelnde bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst wird.108 Die Zustimmung musste also nicht gleichzeitig oder in der Form eines Eigentümerbeschlusses erfolgen,109 sondern war auch sukzessiv oder im Umlaufverfahren möglich. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung durch einen bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung wurde nach früherer Rechtslage auch dann als ausreichende Rechtsgrundlage angesehen, wenn nicht alle Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, zugestimmt hatten. Die somit angenommene Zulässigkeit von „Zitterbeschlüssen“ stand auch nach dem ersten „Jahrhundertbeschluss“ des BGH110 außer Frage.111 Daraus ergaben sich die Thesen: Die Wohnungseigentümer können über eine bauliche Veränderung mit Stimmenmehrheit als Maßnahme der Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG beschließen, selbst wenn sie es gemäß § 22 Abs. 1 WEG nicht dürfen. Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses ist aus Gründen der Rechtssicherheit nach dem Gesetz nicht kompetenzbegründend. Es handelt sich um einen zulässigen vereinbarungsersetzenden Beschluss.112 Eine Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses über bauliche Veränderungen wurde nicht wegen Fehlens einer Beschlusskompetenz, sondern nur aus anderen Gründen für möglich gehalten, etwa wenn in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen wird, weil der Beschluss in das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer eingreift.113 In der Praxis von größerer Bedeutung war (und ist) der 104 BayObLG v. 6.9.2001 – 2 Z BR 86/01, ZMR 2002, 68 = WuM 2002, 41; OLG Düsseldorf v. 10.3.2006 – 3 Wx 16/06, ZWE 2006, 251. 105 BayObLG v. 9.4.1998 – 2 Z BR 164/97, NZM 1998, 1014; BayObLG v. 2.6.1999 – 2 Z BR 15/99, NZM 1999, 1009; BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640; OLG Köln v. 24.10.2003 – 16 Wx 196/03, OLGReport Köln 2004, 116. 106 BayObLG v. 7.4.1993 – 2 Z BR 9/93, NJW-RR 1993, 1165, 1166; BayObLG v. 21.5.1999 – 2 Z BR 188/98, NZM 1999, 809; BayObLG v. 11.7.2002 – 2 Z BR 55/02, ZMR 2003, 48; Pfälzisches OLG v. 23.12.1999 – 3 W 198/99, ZMR 2000, 256; zum Unterlassen der Anfechtung eines Zustimmungsbeschlusses vgl. BayObLG v. 15.10.1992 – 2 Z BR 75/92, BayObLGZ 1992, 288 = WuM 1992, 709; OLG Köln v. 30.6.2004 – 16 Wx 135/04, NZM 2005, 108 = ZMR 2004, 939; Pfälzisches OLG v. 23.12.1999 – 3 W 198/99, ZMR 2000, 256; anders BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640. 107 OLG Bremen v. 20.2.1998 – 3 W 26/97, NZM 1998, 871; OLG Köln v. 12.1.2000 – 16 Wx 149/99, ZMR 2000, 638. 108 BayObLG v. 11.7.2002 – 2 Z BR 55/02, ZMR 2003, 48; OLG München v. 22.5.2006 – 34 Wx 183/05, juris, Rz. 12. 109 BayObLG v. 7.9.1994 – 2 Z BR 65/94, NJW-RR 1995, 653 = WuM 1994, 640; BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640; Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1106; Röll, ZWE 2001, 55, 56; Schuschke, NZM 2001, 497; a.A. Schmack/Kümmel, ZWE 2000, 433, 439. 110 BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367. 111 BayObLG v. 30.11.2000 – 2 Z BR 81/00, NZM 2001, 133; BayObLG v. 17.9.2003 – 2 Z BR 179/03, BayObLGReport 2004, 1 für Gestattung eines Balkonanbaus; BayObLG v. 15.1.2004 – 2 Z BR 227/03, BTR 2004, 137; OLG Düsseldorf v. 2.11.2004 – 3 Wx 234/04, ZMR 2005, 143; OLG Köln v. 12.1.2001 – 16 Wx 156/00, NZM 2001, 293; OLG Köln v. 1.2.2002 – 16 Wx 10/02, NZM 2002, 454; Abramenko, ZMR 2003, 468, 469; Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1109; Ott, ZWE 2002, 61, 65; s. aus der früheren Rechtsprechung nur OLG Köln v. 29.4.1997 – 16 Wx 76/97, WuM 1997, 461. 112 BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367. 113 OLG Düsseldorf v. 27.2.2002 – 3 Wx 348/01, NZM 2002, 443 für einen Beschluss betreffend die Verlegung eines durch die Teilungserklärung dem Sondereigentum zugewiesenen, lose ver-

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Teil 10 Rz. 10.46

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Gesichtspunkt der Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit des Beschlussinhalts. Mit der Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit114 war die Frage verbunden, inwieweit ein solcher Eigentümerbeschluss die konkret durchgeführten Baumaßnahmen legitimieren kann. Die Baumaßnahmen sind jedenfalls legitimiert, auch wenn der die Baumaßnahmen nicht im Detail beschreibende Mehrheitsbeschluss gefasst wurde, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung die wesentlichen Arbeiten bereits durchgeführt oder doch für jedermann ersichtlich angefangen waren.115

10.47 Nach geltendem Recht versteht die herrschende Meinung116 § 22 Abs. 1 WEG nicht nur als eine echte Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer im Hinblick auf eine Zustimmung zu einer beabsichtigten baulichen Maßnahme, sondern eine abschließende Regelung. Soweit also in § 22 Abs. 1 WEG der Begriff „Zustimmung“ verwendet wird, ist damit nicht mehr die formfreie, außerhalb einer Eigentümerversammlung mögliche Erklärung gemeint, sondern nur noch die Zustimmung bei der Beschlussfassung. Daran schließt sich die Frage an, ob die Zustimmung aller Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis begründet.

10.48 Einige Autoren117 gehen weiter davon aus, dass eine Änderung der bisherigen Rechtslage nicht eingetreten sei. Diese Auffassung dürfte die besseren Argumente und die praktischen Ergebnisse für sich haben.

10.49 Die Praxis wird von folgenden Aussagen des Bundesgerichtshofs118 mit seiner das Einverständnis als materiell-rechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung einordnenden Sicht119 ausgehen: Der vorstehende Meinungsstreit ist in nunmehr gefestigter Rechtsprechung wenig praxisrelevant, wenn man bauliche Veränderungen durch einzelne Wohnungseigentümer danach einteilt, ob sie ohne erheblichen Nachteil und deshalb zustimmungsfrei sind, oder aber für den Fall des erheblichen Nachteils in der Annahme, dass ohnehin regelmäßig alle übrigen Wohnungseigentümer erheblich benachteiligt sind, deren Zustimmung fordert. Bei dieser Zweiteilung kommt es auf die Frage nach dem Erfordernis einer Zustimmung gerade in der Form des Eigentümerbeschlusses nicht an. Das wird gerade dadurch deutlich, dass der Wohnungseigentümer bei Fehlen besonderer Gründe an der einmal erteilten Zustimmung unabhängig von deren Form und dem Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses festgehal-

114

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legten Balkonbodenbelags; OLG Köln v. 5.12.2000 – 16 Wx 121/00, NZM 2001, 541; vgl. auch Deckert, NZM 2002, 414, 414 f.; zum Kernbereich vgl. M.J. Schmid, NJW 2011, 1841. S.a. OLG Düsseldorf v. 23.9.2008 – 3 Wx 272/07, OLGReport Düsseldorf 2009, 194; OLG Hamm v. 23.9.2004 – 15 W 129/04, ZMR 2005, 306; OLG München v. 30.11.2005 – 34 Wx 56/05, ZMR 2006, 230; AG Hamburg-Blankenese v. 7.8.2019 – 539 C 6/19, Juris; vgl. auch Hogenschurz, NZM 2010, 500; Hogenschurz, ZMR 2011, 928 m.w.N. OLG Düsseldorf v. 2.11.2004 – 3 Wx 234/04, ZMR 2005, 143. LG Berlin v. 29.10.2010 – 55 S 155/10 WEG, ZWE 2011, 181; LG Köln v. 30.6.2011 – 29 S 246/10, ZWE 2012, 277; Derleder, WuM 2008, 444, 447 f.; Hügel/Elzer, Das neue WEG, § 7 Rz. 15 f.; Hügel in FS Merle, 2010, 167; Kümmel, ZMR 2007, 932, 933; Merle, ZWE 2007, 374, 375; Moosheimer, ZMR 2009, 809, 811. Abramenko, Das neue WEG, S. 144 ff.; Abramenko, ZMR 2009, 97; Häublein, ZMR 2007, 409; Häublein, NZM 2007, 752; Köhler, Das neue WEG, Rz. 387 f.; Niedenführ, NJW 2007, 1841, 1842; J.-H. Schmidt, ZMR 2007, 913, 917. BGH v. 21.10.2011 – V ZR 265/10 – Rz. 6, NZM 2012, 239; BGH v. 14.12.2012 – V ZR 224/11 – Rz. 10, MDR 2014, 453; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 27, MDR 2018, 1366. So ausdrücklich BGH v. 6.7.2018 – V ZR 221/17 – Rz. 19, MDR 2018, 1432.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.51 Teil 10

ten wird unter Hinweis auf ein gegen Treu und Glauben verstoßendes widersprüchliches Verhalten und einen Vertrauenstatbestand.120 Diese Aussagen erlauben die Bewältigung der praktischen Streitfragen ohne Entscheidung des vorgenannten Meinungsstreits, denn fehlt es an einem erheblichen Nachteil, fordert niemand die förmliche Zustimmung durch Eigentümerbeschluss. Ist die bauliche Veränderung mit einem erheblichen Nachteil verbunden, liegt entweder ein bestandskräftiger Mehrheitsbeschluss als ausreichende Grundlage vor oder aber es fehlt in der Regel die Zustimmung zumindest eines erheblich benachteiligten Wohnungseigentümers in welcher Form auch immer. Liegen ausnahmsweise die Zustimmungen aller erheblich benachteiligter Wohnungseigentümer vor und fehlt es nur an der Zustimmung der übrigen, nicht erheblich benachteiligter Wohnungseigentümer sowie an einem förmlichen Eigentümerbeschluss, erscheint die Forderung nach der förmlichen Zustimmung durch Eigentümerbeschluss als rechtsmissbräuchlich.121 Dem entspricht die Aussage, dass die Anfechtung der Ablehnung einer nachträglichen Genehmigung der Baumaßnahme eines einzelnen Wohnungseigentümers ohne Erfolg bleiben muss, weil es mangels erheblichen Nachteils keines Genehmigungsbeschlusses bedarf oder umgekehrt die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich wäre.122 – Der Streit um die Form der Zustimmung erscheint danach als in der Praxis regelmäßig nicht entscheidungserheblich; der Tatrichter darf nicht mit dem formalen Argument, es fehle ja schon der Eigentümerbeschluss, auf die regelmäßig nicht schwierige Feststellung von möglichen Nachteilen verzichten. Die Anfechtungsklage gegen einen Eigentümerbeschluss, der eine bauliche Veränderung genehmigt, wird wegen der Ausschlusswirkung des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG nicht nur das Fehlen einer Genehmigung in der Form des Eigentümerbeschlusses geltend machen, sondern auch alle in Betracht kommenden Nachteile vortragen müssen. Stimmt ein Wohnungseigentümer einer baulichen Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 WEG nicht zu, ist er gemäß § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG von den damit verbundenen Kosten befreit; es kommt nicht darauf an, ob seine Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich war oder nicht. Er kann die Kostenfreistellung auch nach Bestandskraft des Beschlusses über die Durchführung der baulichen Maßnahme verlangen, sofern der Beschluss die Kostenverteilung nicht abschließend regelt.123

10.50

bb) Wirkungen eines bestandskräftig gewordenen Eigentümerbeschlusses Wird ein Eigentümerbeschluss über eine bauliche Veränderung bestandskräftig, ist jeder Wohnungseigentümer zur Duldung verpflichtet, auch wenn nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, die von der Maßnahme nachteilig i.S.d. § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG betroffen sind.124 Der Eigentümerbeschluss ist nämlich bei Fehlens der Zustimmung eines der Wohnungseigentümer, die von der Maßnahme nachteilig i.S.d. § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG betroffen sind, nur anfechtbar, also nicht nichtig. Vielmehr ist der Beschluss („Zitterbeschluss“) gültig, obwohl die Zustimmung (nach wie vor) fehlt. Folge ist also eine Duldungspflicht, nicht aber eine Fiktion der Zustimmung.

120 BGH v. 6.7.2018 – V ZR 221/17 – Rz. 19 ff., MDR 2018, 1432. 121 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 265/10 – Rz. 6, NZM 2012, 239; BGH v. 14.12.2012 – V ZR 224/11 – Rz. 10, MDR 2014, 453; Niedenführ, ZWE 2012, 476 f. 122 AG Charlottenburg v. 12.1.2018 – 73 C 70/17, ZMR 2018, 538; s.a. AG Düsseldorf v. 19.11.2018 – 290a C 162/17, ZMR 2018, 538. 123 BGH v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, NJW 2012, 603. 124 BGH v. 11.11.2011 – V ZR 65/11 – Rz. 8, NJW 2012, 603; BGH v. 28.10.2016 – V ZR 91/16 – Rz. 14, NJW 2017, 1167; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 19 f., MDR 2018, 1366.

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10.51

Teil 10 Rz. 10.52

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

cc) Voraussetzungen für die Feststellung eines Eigentümerbeschlusses

10.52 An die vorstehenden Erwägungen schließt sich die Aussage an, dass der Versammlungsleiter das Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses über die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung feststellen kann, gleich ob alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, die von der Maßnahme nachteilig i.S.d. § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG betroffen sind. Kontrovers diskutiert wurde bereits vor der Neufassung des § 22 Abs. 1 WEG und wird bis heute die Frage, ob der Versammlungsleiter das Zustandekommens eines Mehrheitsbeschlusses feststellen darf, wenn nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Daran schließt sich die Frage an, ob der Versammlungsleiter pflichtwidrig handelt und sich schadensersatzpflichtig macht, insbesondere auf die Kosten eines erfolgreichen Beschlussanfechtungsverfahrens haftet, wenn er dem Wunsch der Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden Wohnungseigentümer folgend den Genehmigungsbeschluss verkündet. Daran schließt sich die Frage, ob und in welcher Weise sich der Versammlungsleiter von dieser Haftung freizeichnen kann.

10.53 Die Feststellung des Zustandekommens eines Mehrheitsbeschlusses über die Genehmigung einer baulichen Veränderung in der Eigentümerversammlung obliegt dem Versammlungsleiter.125 Dies ist regelmäßig gemäß § 24 Abs. 5 WEG der Verwalter. Dabei obliegt es dem Versammlungsleiter auch festzustellen, ob nach der Teilungserklärung oder dem Gesetz erforderliche qualifizierte oder absolute Mehrheiten erreicht sind.126 Die Frage, ob gerade die Zustimmung aller Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis darstellt, war umstritten. Nach Kümmel/von Seldeneck127 bedarf eine bauliche Veränderung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Das gesetzliche Zustimmungsquorum für eine bauliche Veränderung, die nicht als bloße Instandhaltung oder Instandsetzung angesehen werden könne, sei also, auch wenn die Zustimmung in Form einer Beschlussfassung erfolgt, nur dann gewahrt, wenn alle im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG erheblich benachteiligten Wohnungseigentümer zustimmen. Ein Verwalter dürfe dann zwar nach der Rechtsprechung des BGH128 wegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten bei der Bewertung des Abstimmungsergebnisses die Feststellung eines Beschlussergebnisses ablehnen und die Wohnungseigentümer auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Beschlussfeststellung129 verweisen, die allerdings nur bei Zustimmung aller Wohnungseigentümer, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, erfolgreich wäre.

125 BGH v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339 = MDR 2001, 1283; KG v. 17.4.2002 – 24 W 9387/00, NZM 2002, 613 = ZMR 2002, 697. 126 KG v. 17.4.2002 – 24 W 9387/00, NZM 2002, 613, 614 = ZMR 2002, 697, 698. 127 Vgl. Kümmel/von Seldeneck, Grundeigentum 2002, 382; so i.E. auch Briesemeister, ZWE 2004, 303, 305. 128 BGH v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339 = MDR 2001, 1283. 129 Streitig war, ob das Gericht nicht allein das Vorliegen der formellen Voraussetzungen, sondern sogleich auch die Rechtmäßigkeit des Eigentümerbeschlusses prüfen musste; dafür Becker, ZWE 2006, 157, 160; Abramenko, ZMR 2004, 789, 790; Suilmann, ZWE 2003, 73, 74; dagegen Müller, NZM 2003, 222, 225; F. Schmidt, ZWE 2006, 164, 171, die die materielle Überprüfung einer gesonderten Beschlussanfechtung des gerichtlich festgestellten Eigentümerbeschlusses vorbehalten wollten.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.56 Teil 10

Demgegenüber hat Häublein130 zutreffend aufgezeigt, dass nach dem Gesetz die Anfechtungslast bei Maßnahmen der Verwaltung – zu denen bauliche Veränderungen gehören – dem Wohnungseigentümer auferlegt ist, der mit einer Verwaltungsmaßnahme nicht einverstanden ist. Bei der Beschlussfeststellung sei nicht darüber zu entscheiden, ob eine Verwaltungsmaßnahme ordnungsgemäß ist. Vielmehr müsse auch bei Zweifeln an der Ordnungsgemäßheit der Mehrheitswille als Beschluss festgestellt werden. Für die bauliche Veränderung bedeute dies, dass man das Erfordernis der Zustimmung aller über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus benachteiligten Wohnungseigentümer nicht als besonderes gesetzliches Stimmrechtsquorum verstehen dürfe. Im Gegensatz zu Vereinbarungen, die Mehrheitsbeschlüsse über bauliche Veränderungen mit einem bestimmten Mehrheitsverhältnis zulassen (zur Öffnungsklausel vgl. Teil 10, Rz. 10.121 ff.), gehe es nämlich insoweit nicht um die Begründung einer Mehrheitsmacht. Die Ordnungsgemäßheit sei also von vereinbarten Mehrheitserfordernissen zu unterscheiden: Sieht die Teilungsvereinbarung die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen über bauliche Veränderungen bei Erreichen eines bestimmten Stimmquorums vor, muss der Verwalter vor der Beschlussfeststellung prüfen, ob diese geforderte Stimmenmehrheit erreicht worden ist. Aus § 22 Abs. 1 WEG ergebe sich demgegenüber kein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für eine Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung gemäß § 21 Abs. 3 WEG in dem Sinne, dass die Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer zu dem Eigentümerbeschluss erforderlich wäre. Der Verwalter wäre zudem mit der Bewertung, die Zustimmung welcher Wohnungseigentümer erforderlich ist, häufig überfordert.

10.54

Die Streitfrage ist durch obergerichtliche Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. Zwar halten viele Stimmen131 eine Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter für zulässig und geboten, lehnen also eine Pflichtwidrigkeit im Anschluss an Häublein ab. Nur wenn der Verwalter bereits mit der Einladung ankündigt, er werde den angestrebten Beschluss nicht verkünden, dürfen die nicht erscheinenden Wohnungseigentümer darauf vertrauen.132 Gewichtige Stimmen, gerade auch einige Landgerichte,133 lehnen eine Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter in diesen Fällen aber ab und haben eine Kostenhaftung des Verwalters im Falle einer erfolgreichen Beschlussanfechtung gemäß § 49 Abs. 2 WEG angenommen.134

10.55

Der Verwalter als Versammlungsleiter muss also auf die ungeklärte Rechtslage eine praktische Antwort für Zitterbeschlüsse über eine bauliche Veränderung finden. Dabei sieht er sich häufig genug einerseits der Erwartung der Mehrheit der – in der Eigentümerversammlung anwesenden – Wohnungseigentümer ausgesetzt, dem Beschluss über die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nicht im Wege zu stehen. Andererseits ist ihm die Übernahme des damit verbundenen Haftungsrisikos im Falle der (notwendig) erfolgreichen Anfechtungsklage

10.56

130 Häublein, NJW 2005, 1466; s.a. Häublein, NZM 2007, 752, 755; dagegen Kümmel, ZWE 2006, 278, 282. 131 AG Oberhausen v. 22.12.2009 – 34 C 55/09, ZMR 2011, 76; AG Hamburg-Blankenese v. 23.3.2016 – 539 C 15/15, ZMR 2016, 999, 1001; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2017, § 7 Rz. 137; Häublein, NJW 2005, 1466; Deckert, ZMR 2008, 585, 592; H. Müller, ZWE 2015, 303, 306; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 22 WEG Rz. 20; J.-H. Schmidt, ZWE 2010, 310, 312 f.; Tank, MietRB 2015, 156. 132 LG Hamburg v. 15.4.2015 – 318 S 125/14, ZMR 2015, 572, 574. 133 LG Karlsruhe v. 15.9.2011 – 11 T 302/11, ZWE 2012, 184; LG München I v. 27.4.2009 – 1 S 19129/08, WuM 2009, 426; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 22 Rz. 27; Sommer, ZWE 2017, 75, 79. 134 LG Bamberg v. 16.4.2015 – 11 T 8/15, ZMR 2015, 395; AG Würzburg v. 22.1.2015 – 30 C 1212/14, ZMR 2015, 420; dagegen LG Karlsruhe v. 15.9.2011 – 11 T 302/11, ZWE 2012, 184.

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Teil 10 Rz. 10.56

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

nicht zuzumuten. Die in der Praxis deshalb häufig empfohlene Haftungsfreistellung des Verwalters wegen etwaiger Ansprüche aus der pflichtwidrigen Beschlussfeststellung begegnet Bedenken.

10.57 Greiner135 schlägt vor, der Verwalter solle die Eigentümerversammlung zunächst über das Anfechtungsrisiko bei Fehlen der Zustimmung auch nur eines erheblich beeinträchtigten Wohnungseigentümers unterrichten und sich durch einen Geschäftsordnungsbeschluss eine Anweisung zur Beschlussfeststellung bei Erreichen der einfachen Mehrheit erteilen lassen. Im Falle einer Beschlussanfechtung fehle es dann jedenfalls an einem groben Verschulden des Verwalters im Sinne von § 49 Abs. 2 WEG; er handele nicht einmal pflichtwidrig. – Die Bedenken gegen diese Annahme auf der Grundlage der Rechtsprechung der Landgerichte, die die positive Beschlussfeststellung in diesen Fällen als pflichtwidrig ansehen, liegen auf der Hand: Die Mehrheit der Wohnungseigentümer kann nicht durch einen Geschäftsordnungsbeschluss die gesetzlichen Anforderungen einer Zustimmung gemäß §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG abändern, denn insoweit besteht keine Beschlusskompetenz. Versteht man den Geschäftsordnungsbeschluss nach dessen Sinn und Zweck als vorab erteilte Haftungsfreistellung gegenüber dem Verwalter, so widerspricht ein solcher Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung und hätte im Falle einer Beschlussanfechtung keinen Bestand; daraus ergibt sich der Hinweis für den mit dem beschriebenen Vorgehen nicht einverstandenen Wohnungseigentümer, auch den Geschäftsordnungsbeschluss vorsorglich ausdrücklich anzufechten. Schließlich räumt der Verwalter bei diesem Vorgehen ein, dass er weiß, warum er einen Eigentümerbeschluss „eigentlich“ nicht feststellen darf, und gleichwohl so handeln will, so dass ihm ein vorsätzliches Verhalten unterstellt werden könnte, für das ihm eine Haftung gemäß § 287 Abs. 3 BGB nicht wirksam im Voraus erlassen werden könnte. Jedenfalls bestehen danach bei dem von Greiner vorgeschlagenen Vorgehen erhebliche Haftungsrisiken.

10.58 Jan-Hendrik Schmidt136 hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass sich der Verwalter rechtmäßig verhalte, wenn er bei Vorliegen formeller oder materieller Anfechtungsgründe vor der Beschlussergebnisverkündung auf alle für einen gewerblichen Verwalter erkennbare Mangel und das damit verbundene Anfechtungsrisiko hinweise, die Mehrheit von ihm aber dennoch die Verkündung der Annahme des Beschlussantrags verlange und er dieser Weisung folge. Nach Erteilung eines (vergeblichen) Hinweises sei der Verwalter verpflichtet, das rechtswidrige, aber mehrheitlich gewollte Beschlussergebnis zu verkünden, und dürfe die Beschlussfeststellung nicht ablehnen. Könne eine beabsichtigte Baumaßnahme als Modernisierung als Modernisierung, § 22 Abs. 2 WEG, beschlossen werde, sei aber die erforderliche qualifizierte Mehrheit verfehlt worden, könne der Verwalter die Maßnahme erneut und diesmal als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG zur Abstimmung stellen („umswitchen“) und sei unter den vorgenannten Voraussetzungen verpflichtet, dass den entsprechenden Eigentümerbeschluss als zustande gekommen zu verkünden. – Die Bedenken gegen diesen Ansatz bleiben, wenn man mit der Rechtsprechung der Landgerichte die positive Beschlussfeststellung in diesen Fällen als pflichtwidrig ansehen möchte. Allerdings ist umgekehrt anerkannt, dass unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG eine bauliche Veränderung durch einen Einzelnen Wohnungseigentümer mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit gebilligt werden kann.137

135 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2017, § 4 Rz. 167. 136 Schmidt, ZWE 2016, 385, 389. 137 BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16 – Rz. 26, MDR 2017, 696 = NJW 2017, 2184; BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 29, MDR 2018, 1366.

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Rz. 10.62 Teil 10

Soweit in der Praxis verbreitet angenommen wird, der Verwalter könne dann nicht für die Verkündung eines Eigentümerbeschlusses über die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung trotz Fehlens der Zustimmung aller im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG erheblich beeinträchtigten Wohnungseigentümer haften, wenn zu diesem Tagesordnungspunkt die Versammlungsleitung auf einen Dritten – also keinen Mitarbeiter oder Repräsentanten des Verwalters – übertragen worden ist, was durch Geschäftsordnungsbeschluss gemäß § 24 Abs. 5 WEG jederzeit möglich ist, erscheint selbst diese Bewertung als nicht frei von Bedenken. Der Verwalter schuldet nach dem Verwaltervertrag regelmäßig die Versammlungsleitung, so dass er für die aus der Nichterfüllung dieser Pflicht entstehenden Schäden bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.

10.59

Als Fazit zum sichersten Weg bleibt unter Beachtung der – nach dem hier geteilten Standpunkt allerdings unzutreffenden – Annahme einiger Landgerichte,138 ohne Zustimmung aller Wohnungseigentümer dürfe eine positive Beschlussfeststellung nicht erfolgen, nur der Rat, dass der Verwalter nach geltendem Recht keinen positiven Eigentümerbeschluss über die Genehmigung einer baulichen Veränderung ohne Zustimmung aller im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG benachteiligten Wohnungseigentümer positiv verkünden sollte, sondern im Gegenteil einen Negativbeschluss. Der Negativbeschluss ist keinesfalls erfolgreich anfechtbar.

10.60

dd) Regelungen über Errichtungs- und Folgekosten Die Frage nach der Genehmigung einer baulichen Veränderung ist eng verknüpft mit der Fra- 10.61 ge danach, wer für deren Errichtungs- und Folgekosten aufkommen sollen muss. Ausgangspunkt ist § 16 Abs. 6 S. 1 WEG. Aus § 16 Abs. 6 2. Halbssatz WEG mit der Aussage, dass ein Wohnungseigentümer, der einer baulichen Veränderung i.S.v. § 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG nicht zugestimmt hat, nicht verpflichtet ist, Kosten zu tragen, die durch eine solche Maßnahme verursacht sind, ergibt sich der naheliegende sicherste Weg der eigenen Kostenfreiheit: Nicht zustimmen! Diese im Gesetz vorgesehene Möglichkeit ist ein gewichtiges Argument für die hier vertretenen Auffassungen, dass nicht in jedem Fall eine Zustimmung gerade in der Form eines Eigentümerbeschlusses erfolgen muss und der Versammlungsleiter das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses auch dann feststellen kann und muss, auch wenn nicht alle über das durch § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligten Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung zugestimmt haben. Ein Problem bleibt: Gerade wenn ein einzelner Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum umbauen möchte, etwa eine Markise anbringen oder ein zusätzliches Dachfenster einbauen möchte, haben häufig alle übrigen Wohnungseigentümer „eigentlich“ nichts dagegen, würden also zustimmen, wenn sie für die entstehenden Kosten der Errichtung und der weiteren Unterhaltung einschließlich der Verkehrssicherung keinesfalls aufkommen müssen. Eine praktische Lösung ist die Annahme, dass eine Zustimmung unter Kostenvorbehalt möglich sein muss.139 Dies ist jedenfalls hinsichtlich der Herstellungskosten der auf den Sondernutzungsflächen im Eigeninteresse der jeweils Berechtigten geplanten baulichen Maßnahmen durch den BGH gebilligt worden.140 Im Übrigen besteht ein nicht geringes Risiko der zukünftigen Kostenbeteiligung, soweit die Zustimmung unter Kostenvorbehalt erklärt wird. 138 LG Karlsruhe v. 15.9.2011 – 11 T 302/11, ZWE 2012, 184; LG München I v. 27.4.2009 – 1 S 19129/08, WuM 2009, 426; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 22 Rz. 27; Sommer, ZWE 2017, 75, 79. 139 Vgl. dazu Armbrüster, ZWE 2008, 61, 67 f.; zustimmend etwa BeckOGK/Falkner, Stand: 1.8.2019, § 16 WEG Rz. 261. 140 BGH v. 28.10.2016 – V ZR 91/16 – Rz. 17, MDR 2017, 567.

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10.62

Teil 10 Rz. 10.62

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Denn demgegenüber wird eingewandt, die Frage einer abweichenden Vereinbarung sei durch § 16 Abs. 4 WEG abschließend geregelt; insbesondere dürften dessen Reichweite (Folgekosten?) und besonderen Voraussetzungen (qualifizierte Mehrheit) nicht umgangen werden.141

10.63 Hinweis: Die Anwendung von § 16 Abs. 6 S. 2 WEG erfordert die Dokumentation, welcher Wohnungseigentümer einer baulichen Veränderung zugestimmt hat, eingeschränkt unter dem Vorbehalt der Kostenlast zugestimmt hat oder nicht zugestimmt hat. Dies mag in der Praxis durch eine namentliche, schriftliche Abstimmung erfolgen.

10.64 § 16 Abs. 6 S. 2 WEG eröffnet den Vorbehalt einer abweichenden Kostentragungsregelung durch Eigentümerbeschluss gemäß § 16 Abs. 4 WEG. Bei § 16 Abs. 4 WEG interessieren im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen im Wesentlichen zwei Fragen, nämlich: Erlaubt die Kostenregelung eines Einzelfalls im Sinne von § 16 Abs. 4 WEG auch, einem einzelnen Wohnungseigentümer die Folgekosten aufzuerlegen? Welche Auswirkung hat die erfolgreiche Anfechtung eines Beschlusses über die Verteilung der Kosten einer baulichen Veränderung gemäß § 16 Abs. 4 WEG auf die Genehmigung der baulichen Veränderung?

10.65 Soweit einem Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss die Errichtung einer baulichen Veränderung im eigenen Interesse gestattet wird, können ihm und seinen Rechtsnachfolgern nach richtiger, aber nicht herrschender Auffassung142 wirksam alle Kosten der Errichtung und nach zutreffender Auffassung auch alle Folgekosten auferlegt werden, ohne dass es einer Vereinbarung oder wegen § 10 Abs. 3 WEG einer Grundbucheintragung bedürfen würde. Zum gleichen Ergebnis gelangt, wer die Zustimmung unter Verwahrung gegen die Kostenlast und die Verkehrssicherungspflicht als eine zulässige, bedingte Zustimmung bewertet,143 also erst gar nicht auf § 16 Abs. 4 WEG abstellt; diese auflösende Bedingung hat aber den Nachteil, dass nicht die Kostentragung erzwungen werden kann, sondern sobald die „freiwillige“ Kostentragung in der Folge unterbleibt nur die bauliche Veränderung unzulässig wird und deren Rückbau nach allgemeinen Regeln verlangt werden kann. Allerdings sind diese Auffassungen stark bestritten: Wer einen Eigentümerbeschluss mit qualifizierter Mehrheit gemäß § 16 Abs. 4 WEG hinsichtlich der Folgekosten wegen des dort geforderten „Einzelfalls“ für nicht möglich ansieht,144 eine gesetzliche Beschlusskompetenz für eine Regelung der Folgekosten verneint und deshalb die Nichtigkeit der Kostenregelung annimmt, wird folgerichtig gemäß § 139 BGB den gesamten Genehmigungsbeschluss einschließlich der Genehmigung der baulichen Veränderung für nichtig erachten.145 Gangbare 141 Elzer, ZfIR 2012, 97, 99; zustimmend Sommer, ZWE 2017, 75, 80. 142 LG Itzehoe v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219; AG Schöneberg v. 1.12.2016 – 772 C 91/15, ZMR 2017, 593; Armbrüster, ZWE 2008, 61, 67; Becker, ZWE 2017, 386, 389; Bub, ZWE 2008, 205, 215; Häublein, NZM 2007, 752, 761; H. Müller, ZWE 2015, 303, 307; Schmidt, ZWE 2016, 385, 396; Tank, MietRB 2015, 156. 143 OLG Düsseldorf v. 4.11.2005 – I-3 Wx 92/05, NZM 2006, 109 für eine Zustimmung bei „Selbstfinanzierung“; Häublein, ZWE 2008, 368; dagegen unzutreffend Sommer, MietRB 2015, 56, und Sommer, ZWE 2016, 154, 157, der die Zulässigkeit von Potestativbedingungen nicht bedenkt, und als Ausweg nur eine – praktisch selten zu erreichende – Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Vereinbarung oder die Eintragung einer Unterhaltungskosten-Reallast sieht. 144 Zu den Risiken der ungeklärten Rechtslage vgl. Zschieschack, ZWE 2019, 238, 241. 145 LG München I v. 23.6.2014 – 1 S 13821/13, ZMR 2014, 923; LG Hamburg v. 4.3.2016 – 318 S 109/15, ZMR 2016, 484; AG Nürtingen v. 8.10.2012 – 19 C 972/12 WEG, ZWE 2013, 184; zustimmend Sommer, MietRB 2015, 56; Sommer, ZWE 2016, 154, 155.

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Rz. 10.68 Teil 10

Alternativlösungen gibt es nicht,146 weil nur ein Eigentümerbeschluss ohne weiteres, insbesondere ohne Eintragung in den Wohnungsgrundbüchern, gegen alle Rechtsnachfolger gemäß § 10 Abs. 4 WEG fortwirkt.147 – Schon aus diesem Grund sollte bei einer angedachten Reform des Wohnungseigentumsrechts das weite Verständnis des § 16 Abs. 4 WEG und seine Anwendbarkeit auf Folgekosten durch den Gesetzgeber abgesichert werden.148 ee) Strategische Zwischenbetrachtung Auf der Grundlage dieser Rechtslage lassen sich in der Praxis – abgesehen von Fällen der Zu- 10.66 stimmungsfreiheit aus besonderen Gründen (Barrierefreiheit usw.); vgl. Rz. 10.109 – vordringlich folgende Perspektiven für die Beratung einzelner, bauwilliger Wohnungseigentümer (a) einerseits und der anderen Wohnungseigentümer und des Verwalters andererseits (b) unterschieden: (1) Aus der Sicht des bauwilligen Wohnungseigentümers Der einzelne Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung im eigenen Interesse beabsichtigt, fragt sich, ob er die Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung oder die formlose Zustimmung der betroffenen Nachbarn anstreben soll. In der Praxis wird man nach dem Gewicht und Umfang der Baumaßnahme und der Situation in der konkreten Wohnungseigentumsanlage unterscheiden müssen. Dem sichersten Weg entspricht ist, in jedem Fall einen bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss anzustreben, für alle Beteiligten Rechtssicherheit schafft. Ein Genehmigungsbeschluss ist aber praktisch nicht zu erreichen, wenn wie häufig – etwa bei der sichtbaren Anbringung einer großen Parabolantenne vor dem Balkon – alle Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt sind, ihre Zustimmung zu einem Genehmigungsbeschluss aber – schon mit Blick auf die Kostenfrage – nicht zu erreichen ist und der Versammlungsleiter zur Vermeidung einer eigenen Haftung oder auch nur eines Streits über die eigene Haftung die positive Beschlussfeststellung bei Fehlen der Zustimmung auch nur eines Wohnungseigentümers unterlässt. Wenn nicht ausnahmsweise ein Nachteil fehlt (geringfügige optische Veränderung, vgl. Rz. 10.90; Barrierefreiheit usw., vgl. Rz. 10.109) muss der bauwillige Wohnungseigentümer angesichts dieses Befundes sorgfältig die Chancen eine erfolgreichen Befassung der Eigentümerversammlung bewerten und dabei die konkrete Situation und Größe der Wohnungseigentumsanlage bedenken, auch ob in der Vergangenheit ohnehin nur Streitigkeiten bestanden haben, ob es einzelne Querulanten gibt oder ob das bisher bestehende gute Verhältnis in der Vergangenheit sachgerechte Lösungen im Konsens aller Beteiligten ermöglicht hat.

10.67

Auf dieser Grundlage wird er die Erfolgsaussichten für eine Zustimmung durch die Eigentümerversammlung bewerten und entscheiden müssen, ob er eine Entscheidung der Eigentümerversammlung anstreben will oder zumindest eine Zustimmung der i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG benachteiligten Wohnungseigentümer, soweit deren Kreis überschaubar ist.149 Auch bei der

10.68

146 Ausführlich Becker, ZWE 2017, 386, 389; Zschieschack, ZWE 2019, 238, 242 „aburde Situationen“; Häublein, ZWE 2019, 341, 345, 346. 147 Zum Entfallen schuldrechtlicher Vereinbarungen etwa OLG München v. 6.2.2019 – 32 Wx 147/18 WEG, ZMR 2019, 524. 148 Häublein, Berliner Anwaltsblatt 2018, 334, 336; Lehmann-Richter, ZMR 2016, 845. 149 Haben die gemäß § 14 Nr. 1 WEG benachteiligten Wohnungseigentümer zugestimmt, ohne dass ein Eigentümerbeschluss gefasst worden wäre, liegt auf der Grundlage der Auffassung, nach der zwingend ein Eigentümerbeschluss erforderlich ist, bei einem Beseitigungsverlangen die Anwendung des § 242 BGB nahe, vgl. Häublein, NZM 2007, 752, 754; Armbrüster, ZWE 2008, 61, 63.

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Teil 10 Rz. 10.68

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

„formlosen“ Zustimmung (vgl. zur Bedeutung Rz. 10.46) ist dann die Dokumentation der Zustimmung schon im Hinblick auf spätere Beweisschwierigkeiten im Streitfall dringend geboten. Die schriftliche Zustimmung stellt hier eine kostengünstige Möglichkeit dar. Ein besonderes Verfahren ist bei der Schriftform nicht zu beachten.

10.69 Wenn eine Zustimmung aller über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus benachteiligten Wohnungseigentümer nicht zu erreichen ist, bleibt dem bauwilligen Wohnungseigentümer immer noch die Möglichkeit, die bauliche Veränderung auf eigenes Risiko ohne Zustimmung vorzunehmen, etwa eine Markise aufhängen oder seine Terrasse um einige Quadratmeter zu vergrößern. Er mag darauf hoffen, dass bei kleineren Maßnahmen niemand Beseitigung von ihm verlangen wird. Diese Vorgehensweise entspricht nicht anwaltlicher Vorsicht. (2) Aus der Sicht der übrigen Wohnungseigentümer und des Verwalters

10.70 Der Verwalter muss im Hinblick auf die Kostenfolge des § 16 Abs. 6 S. 1 WEG auf eine Dokumentation hinwirken, welcher Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung zugestimmt hat, nur unter dem Vorbehalt der Kostenfreiheit zugestimmt hat oder keine Zustimmung erklärt hat.

10.71 Zur Frage der Beschlussfeststellung, also des Vorliegens der notwendigen Mehrheit, fehlt höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. ausführlich Rz. 10.52). Deshalb muss sich der Verwalter der Risiken einer Beschlussfeststellung bewusst sein, denn nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG kann ein Beschluss nur gefasst und festgestellt werden, wenn alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Ob er durch Hinweise auf die Anfechtbarkeit und Einholung einer Weisung der Mehrheit durch einen Geschäftsordnungsbeschloss der Gefahr seiner eigenen Haftung entgehen kann, muss als zweifelhaft angesehen werden (Rz. 10.53).

10.72 Aus Sicht der übrigen Wohnungseigentümer stellt sich die Frage, welchen Mindestanforderungen der zustimmende Eigentümerbeschluss über bauliche Veränderungen im Interesse eines einzelnen Wohnungseigentümers genügen muss. Die weiter gültige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes150 zur Beschlusskompetenz gebietet, den Beschlussinhalt auf die Genehmigung des konkret anstehenden Einzelfalls zu beschränken und keine grundsätzliche Regelung für alle zukünftigen (vergleichbaren) Fälle schaffen zu wollen, also den Beschluss auf die Genehmigung der Markise in einer bestimmten Wohnung zu beschränken, nicht gleich vereinbarungsersetzend und nichtig die Anbringung von Markisen insgesamt regeln oder die Zustimmung zukünftig dem Beirat oder Verwalter übertragen zu wollen.151 Die beliebte Formulierung, die die konkrete Ausführung solle „in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat“ erfolgen, begegnet Bedenken im Hinblick auf ihre Bestimmtheit. Denn sie lässt nicht erkennen, welche Entscheidungskompetenz er bei der Auftragsvergabe haben soll, ob er nur angehört werden muss oder seine Zustimmung erforderlich ist, wenn ja, ob die Zustimmung einstimmig oder mehrheitlich erfolgen muss.152 Für die weiteren Anforderungen und nützli-

150 BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367. 151 Vgl. KG v. 17.10.2001 – 24 W 9876/00, NZM 2001, 1085 = ZMR 2002, 149 für Pergola; BayObLG v. 26.8.2004 – 2 Z BR 88/04, NZM 2005, 109. 152 Vgl. AG Hamburg-Blankenese, Teilurt. v. 24.2.2010 – 539 C 43/09, ZMR 2010, 563, das für einen Fall der fristwahrend erfolgten und begründeten Beschlussanfechtung (jedenfalls) Anfechtbarkeit annimmt.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.78 Teil 10

chen Bedingungen, insbesondere die notwendige Bestimmtheit des Beschlussinhaltes siehe Rz. 10.94. Der Zustimmende wird darauf achten müssen, dass er für ihn wesentliche Details der Bauausführung in seiner Zustimmung festschreibt und nicht die Zustimmung zu einer baulichen Maßnahme im Grundsatz bei späterem Streit über die konkrete Bauausführung zu Schwierigkeiten führt und vor Gericht als unwesentliches Detail bewertet wird.153

10.73

Wenn eine bauliche Veränderung, beabsichtigt oder schon durchgeführt, durch Mehrheitsbeschluss genehmigt worden ist, muss ein Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung trotz eines zustimmenden Eigentümerbeschlusses verhindern möchte, Anfechtungsklage erheben. Mit Eintreten der Bestandskraft, also bei nicht rechtzeitiger Anfechtung, bietet der Eigentümerbeschluss eine ausreichende Rechtsgrundlage für die bauliche Veränderung, es sei denn, er wäre ausnahmsweise nichtig.

10.74

Der wiederholte Beschluss über eine bauliche Veränderung bedarf in jedem Fall der Anfechtung – auch wenn ein Beschluss, der grundlos inhaltsgleich154 einen früheren Eigentümerbeschluss, der bereits angefochten ist, wiederholt, ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.155 Wenn erst die bauliche Veränderung bestandskräftig durch einen Mehrheitsbeschluss genehmigt ist, sind Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen die Grundlagen entzogen und Anfechtungen früherer Genehmigungsbeschlüsse überholt (zur Problematik des inhaltsgleichen Zweitbeschlusses vgl. Rz. 4.286 ff.).

10.75

Hinweis: Verbreitet wird ein Wohnungseigentümer allein mit der Anfechtung eines die bauliche Veränderung billigenden Mehrheitsbeschlusses betraut und ihm im Innenverhältnis die Kostenübernahme durch die übrigen Wohnungseigentümer zugesagt. Dies birgt aber das Risiko, dass die übrigen Wohnungseigentümer die Bestandskraft des Beschlusses und damit die bauliche Veränderung hinnehmen müssen, wenn der Urheber der baulichen Veränderung den Anfechtenden zur Rücknahme der Beschlussanfechtung bestimmen kann.

10.76

ff) Zustimmungsfreiheit bei geringfügigen Änderungen wegen fehlender Nachteiligkeit Nicht erforderlich ist die Zustimmung eines Wohnungsinhabers, dessen Rechten durch die Veränderung kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst, §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG. Bei geringfügigen baulichen Änderungen besteht also eine Ausnahme vom Grundsatz der Zustimmung aller Wohnungseigentümer: Die Zustimmung nicht nachteilig betroffener Wohnungseigentümer ist nicht erforderlich,156 ebenso wenig die in diesem Fall bloß formale Befassung der Wohnungseigentümerversammlung zur Herbeiführung eines Eigentümerbeschlusses.

10.77

Jeder Wohnungseigentümer kann also bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer und Befassung der Wohnungseigentümerversammlung vornehmen, wenn deren Rechte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Denn ein Wohnungseigentümer, dessen Rechte durch eine bauliche Veränderung ohnehin nicht be-

10.78

153 Vgl. OLG Köln v. 24.10.2003 – 16 Wx 196/03, OLGReport Köln 2004, 116. 154 Geringfügige Abänderungen in der Detailplanung – als Kompromissangebot verbrämt – dürften der Inhaltsgleichheit nicht entgegenstehen. 155 KG v. 20.7.1994 – 24 W 4748/93, MDR 1994, 1206. 156 Vgl. BGH v. 18.1.1979 – VII ZB 19/78, BGHZ 73, 196, 199 = MDR 1979, 392 = NJW 1979, 817, 818; BayObLG v. 7.9.1994 – 2 Z BR 65/94, NJW-RR 1995, 653 = WuM 1994, 640.

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Teil 10 Rz. 10.78

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

einträchtigt werden, bedarf nicht des Schutzes des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG.157 Hierunter fallen etwa das Andübeln von Lampen in die Decke, die Befestigung von Bildern, Regalen usw. an tragenden Wänden innerhalb der Wohnung oder der nachträgliche Einbau eines Türspions in die Wohnungseingangstüre. (1) Grundlagen

10.79 Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung,158 also eine Rechtsbeeinträchtigung, die nicht bloß völlig belanglosen oder bagatellartigen Charakter hat,159 bezogen auf das Gemeinschaftseigentum oder die äußere Gestaltung des Gebäudes (vgl. Rz. 10.90).

10.80 Immer ist beim Nachteilsbegriff die Frage, wann es sich um eine nur geringfügige Änderung handelt, für den konkreten Einzelfall tatrichterlich anhand eines objektiven Maßstabs zu würdigen, also nach der sog. Verkehrsanschauung.160 Die Entscheidung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände der betroffenen Wohnanlage,161 ihrer individuellen Rechtsgrundlagen162 und personellen Zusammensetzung163 entschieden werden. Zu den individuellen Rechtsgrundlagen gehören insbesondere bestandskräftige Eigentümerbeschlüsse, die den Begriff des Nachteils für die Wohnungseigentümergemeinschaft verbindlich festlegen.164 Maßgeblich für die Unerheblichkeit des Nachteils ist ein objektiver Maßstab, nicht die subjektive Mehrheitsmeinung der Wohnungseigentümer (oder gar eines Wohnungseigentümers)165. Zu fragen ist also, ob sich ein Wohnungseigentümer in entsprechender Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.166 Bei der Auslegung der somit vorgegebenen Generalklausel sind als Ausprügung der Drittwirkung der Grundrechte die gegenüberstehenden durch Grundrechte geschützten Interessen abzuwägen. Dabei ist es wegen Art. 14 Abs. 1 GG geboten, die 157 BGH v. 18.1.1979 – VII ZB 19/78, BGHZ 73, 196, 199 = MDR 1979, 392 = NJW 1979, 817, 818; BayObLG v. 7.9.1994 – 2 Z BR 65/94, NJW-RR 1995, 653 = WuM 1994, 640. 158 Vgl. nur BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 (396) = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167; BayObLG v. 3.12.1992 – 2 Z BR 104/92, BayObLGZ 1992, 358 = MDR 1993, 342 = ZMR 1993, 123; KG v. 17.2.1993 – 24 W 3563/92, OLGZ 1993, 427 = ZMR 1993, 289; Pfälzisches OLG v. 12.1.1999 – 3 W 193/98, ZMR 1999, 429; OLG München v. 6.9.2007 – 34 Wx 33/07, OLGReport München 2007, 926. 159 OLG Düsseldorf v. 14.6.1993 – 3 Wx 129/92, NJW-RR 1994, 277. 160 BayObLG v. 5.12.1996 – 2 Z BR 82/96, ZMR 1997, 152; BayObLG v. 10.7.1998 – 2 Z BR 89/98, NZM 1998, 980; BayObLG v. 20.9.2001 – 2 Z BR 118/01, ZWE 2002, 75 (LS); BayObLG v. 17.10.2001 – 2 Z BR 147/01, NZM 2002, 74 = MDR 2002, 148 = WuM 2002, 165; BayObLG v. 26.8.2004 – 2 Z BR 88/04, NZM 2005, 109; OLG Karlsruhe v. 28.8.1997 – 11 Wx 94/96, OLGReport Karlsruhe 1998, 158. 161 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 -Rz. 28, MDR 2018, 1366. 162 Vgl. OLG Köln v. 14.11.1997 – 16 Wx 275/97, NZM 1998, 673 = WuM 1998, 238 zu abweichenden Vereinbarungen eines weitergehenden Maßstabs; BayObLG v. 5.4.2005 – 32 Wx 19/05, ZMR 2005, 726 zur Abdingung von § 14 Nr. 1 WEG. 163 Vgl. zur Anwendung des § 1618a BGB als Grundlage weiterer Duldungspflichten zwischen Eltern und Kindern Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 22 WEG Rz. 179. 164 OLG Düsseldorf v. 9.2.2005 – 3 Wx 314/04, NZM 2005, 426 = WuM 2005, 795: Verbot von Kunststofffenstern anstelle von Holzfenstern. 165 OLG Hamburg v. 27.12.2004 – 2 Wx 19/04, ZMR 2005, 305; OLG München v. 6.9.2007 – 34 Wx 33/07, OLGReport München 2007, 926. 166 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167; BayObLG v. 1.6.1995 – 2 Z BR 34/95, NJW-RR 1996, 266 = ZMR 1995, 420; KG v. 11.1.1995 – 24 W 7039/94, ZMR 1995, 169; OLG Hamburg v. 4.3.2003 – 2 Wx 102/99, ZMR 2003, 524; OLG Hamburg v. 26.11.2004 – 2 Wx 85/01, ZMR 2005, 391.

558

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.82 Teil 10

Schwelle für die Erheblichkeit eines Nachteils insgesamt eher niedrig anzusetzen.167 Nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht.168 Immer noch kann die ältere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte herangezogen werden, soweit es um die durch die Reform des Wohnungseigentumsrechts nicht berührte Frage geht, ob ein erheblicher Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG vorliegt. Eine bewusste Neuorientierung in der Rechtsprechung des BGH und der Landgerichte ist hier bisher nicht erfolgt; allerdings gibt es Anhaltspunkte, dass der BGH tendenziell dem einzelnen Wohnungeigentümer eine Selbstverwirklichung in größerem Umfang ermöglichen will.169 Zur Beurteilung durch das Gericht bedarf es bei ausreichend vorgelegten Lichtbildern nicht unbedingt einer Inaugenscheinnahme, soweit sie einen ausreichenden Gesamteindruck von den tatsächlichen Gegebenheiten vermitteln.170 Bei der Bewertung darf eine nach der Verkehrsanschauung zusammenhängende Maßnahme nicht in einzelne Teilmaßnahmen aufgespalten werden, um diese isoliert auf die Erheblichkeit zu untersuchen.171

10.81

Checkliste Nachteile baulicher Veränderungen:

10.82

Als mögliche nachteilige Folgen einer baulichen Veränderung gilt es in der Regel zu bedenken: l die Beeinträchtigung der konstruktiven Stabilität und Sicherheit der gemeinschaftlichen Gebäudeteile, Anlagen und Einrichtungen, l nachteilige Veränderungen des architektonischen Aussehens der Anlage im Inneren wie im Äußeren (vgl. Rz. 10.90), l Einschränkungen oder Entzug der Möglichkeit des Gebrauchs der im Gemeinschaftseigentum stehenden Räume, Anlagen und Einrichtungen,172 l die Möglichkeit intensiverer Nutzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Räume, Anlagen und Einrichtungen, l Änderungen der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums,

167 BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634. 168 BayObLG v. 1.7.1980 – 2 Z 23/79, ZMR 1980, 381; BayObLG v. 29.9.1999 – 2 Z BR 75/99, NZM 2000, 292 = ZMR 2000, 53; OLG Hamm v. 15.2.1980 – 15 W 131/79, OLGZ 1980, 274. 169 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, MDR 2011, 475 = NJW 2011, 1221 zu § 22 Abs. 2 WEG; BGH v. 8.4.2010 – V ZR 210/10, MDR 2011, 778 = ZMR 2011, 734 zur Videokamera im Klingelbrett; BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 zur Zuordnung von Teilen der Heizungsanlage zum Sondereigentum; BGH v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, NZM 2012, 239 = WuM 2012, 48 zu den Grenzen der Videoüberwachung; s.a. BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 = MDR 2010, 499, und BGH v. 12.11.2010 – V ZR 78/10, ZMR 2011, 396 zur Vermietung an wechselnde Feriengäste als zulässige Wohnnutzung. 170 BayObLG v. 17.10.2001 – 2 Z BR 147/01, MDR 2002, 148 = NZM 2002, 74; BayObLG v. 23.12.2003 – 2 Z BR 239/03, BayObLGReport 2004, 65 (LS); OLG Hamburg v. 10.3.2004 – 2 Wx 144/01, ZMR 2004, 615; OLG Hamm v. 21.10.1994 – 15 W 275/94, WuM 1995, 220; OLG Hamm v. 15.2.2000 – 15 W 426/99, NZM 2000, 910; Pfälzisches OLG v. 21.9.1999 – 3 W 141/99, ZMR 1999, 855. 171 BayObLG v. 29.10.1991 – BReg 2 Z 130/91, NJW-RR 1992, 272 = ZMR1992, 32; LG München v. 20.6.2011 – 1 S 23256/10, ZWE 2011, 423. 172 BGH v. 18.1.1979 – VII ZB 19/78, BGHZ 73, 196, 199 = MDR 1979, 392 = NJW 1979, 817, 818; BayObLG v. 7.9.1994 – 2 Z BR 65/94, NJW-RR 1995, 653 = WuM 1994, 640.

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Teil 10 Rz. 10.82

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

l zusätzliche finanzielle Belastungen, etwa durch Erhöhung der Wartungs- und Reparaturanfälligkeit, l die Gefährdung einzelner Wohnungseigentümer, l lästige Immissionen i.S.d. § 906 BGB, l die Möglichkeit künftiger Streitigkeiten der Wohnungseigentümer, etwa weil Ursachen für Schäden am Gemeinschaftseigentum auf die bauliche Veränderung zurückgeführt werden könnten, l Schaffung eines gegen drittschützende Normen verstoßenden öffentlich-rechtlich ordnungswidrigen Zustandes,173 l schließlich die Beeinträchtigung von Grundrechten.

10.83 Die Möglichkeiten der nachteiligen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums sind im Stichwortlexikon (Rz. 10.224) beispielhaft erläutert. Für alle diese Fälle wie auch für die nachteilige Veränderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes gilt, dass der die bauliche Veränderung vornehmende Wohnungseigentümer die Voraussetzungen der §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG beweisen muss, wenn er ohne Zustimmung bauen möchte, also dass mit der baulichen Veränderung erhebliche Nachteile für die übrigen Wohnungseigentümer nicht verbunden sind. Diese Beweislastverteilung ergibt sich aus der Systematik des § 22 Abs. 1 WEG, die eine Regel-Ausnahme-Situation beschreibt. Die Frage der Erheblichkeit wird regelmäßig bei der Geltendmachung des Rückbauverlangens geprüft (Rz. 10.137). In Ausnahmefällen kommt eine Klage auf Feststellung in Betracht, dass eine bauliche Veränderung keine erheblichen Nachteile zur Folge hat.174

10.84 Bei der Bewertung, ob ein Nachteil im Sinne der §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG vorliegt, sind folgende weitere Gesichtspunkte zu beachten:

10.85 Die Frage, ob einem Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst und ob dieser Nachteil ihn über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehend beeinträchtigt, ist nach herkömmlicher Auffassung unabhängig von jeder Abwägung. Hier ist danach kein Raum für die Überlegung, ob die Maßnahme für die Gemeinschaft zwingend erforderlich ist,175 ebenso wenig für die Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen der Veränderung.176 Allerdings sind bei der Prüfung der Frage, ob der durch die Maßnahme entstehende Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht,

173 BayObLG v. 23.11.1995 – 2 Z BR 116/95, BayObLGZ 1995, 392 = NJW-RR 1996, 463 für Art. 48 und 50 BayBO (Aufenthaltsräume in Kellern) verneint; BayObLG v. 24.6.1999 – 2 Z BR 48/99, NZM 1999, 1060; BayObLG v. 23.1.2001, ZMR 2001, 472 für Abstandsflächen bejaht; BayObLG v. 21.2.2001 – 2 Z BR 104/00, BayObLGZ 2001, 41 = NZM 2001, 815 für Abstandsflächen bejaht; BayObLG v. 14.2.2002 – 2 Z BR 138/01, ZWE 2002, 213 = ZMR 2002, 535 für Verlegung Mülltonnenanlage verneint. Ein effektiver Schutz der übrigen Wohnungseigentümer ist hinsichtlich des durch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften beabsichtigten Nachbarschutzes durch eine weite Auslegung der Nachteilsklausel in § 14 Nr. 1 WEG zu gewährleisten; vgl. BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634. 174 AG Hamburg-Blankenese v. 4.4.2012 – 539 C 24/11, ZMR 2012, 405. 175 BayObLG v. 14.5.1975 – BReg 2 Z 23/75, BayObLGZ 1975, 177 = MDR 1975, 844. 176 BayObLG v. 23.7.1993 – 2 Z BR 22/92, NJW-RR 1993, 337 = ZMR 1992, 551; OLG Düsseldorf v. 20.12.1996 – 3 Wx 9/96, WuM 1997, 187.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.88 Teil 10

auch die baulichen Besonderheiten der Wohnanlage im Einzelfall zu berücksichtigen.177 Nachteile infolge der Umbaumaßnahmen sind auch nicht allein schon deswegen unvermeidlich i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG, weil der Umbau erforderlich ist, um die betroffene Sondereigentumseinheit wirtschaftlich rentabel nutzen zu können.178 Diese Überlegungen werden bedeutsam erst bei der Frage, ob ausnahmsweise ein Anspruch auf Zustimmung besteht. Für die Feststellung eines erheblichen Nachteils bleibt außer Betracht, dass nach dem Hin- 10.86 zutreten weiterer Umstände in der Zukunft ein Nachteil entstehen kann.179 Die Erheblichkeit ergibt sich auch nicht bereits aus der abstrakten Möglichkeit, mit Kosten für die Durchführung der baulichen Maßnahme am Gemeinschaftseigentum belastet zu werden, falls der die bauliche Veränderung durchführende Wohnungseigentümer zahlungsunfähig werden sollte.180 Überhaupt ist die bloße Möglichkeit, durch bauliche Veränderungen zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgesetzt zu werden, wegen § 16 Abs. 6 S. 1 WEG kein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG,181 weil nach dieser Regelung der nicht zustimmende Wohnungseigentümer von den Herstellungs- und allen Folgekosten freigestellt ist(Rz. 10.61); dies gilt unabhängig davon, ob die Zustimmung gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG überhaupt erforderlich war.182 Auch die negative Vorbildfunktion für andere Wohnungseigentümer allein genügt nicht.183

10.87

Von den möglichen Folgen einer baulichen Veränderung ist der mögliche bestimmungswidrige oder missbräuchliche Gebrauch der baulich veränderten Anlagen und Einrichtungen nicht zu berücksichtigen, sondern es ist auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch abzustellen;184 der bestimmungsgemäße Gebrauch kann zu einer nachteiligen Beeinträchtigung der Gebrauchsrechte der übrigen Eigentümer dadurch führen, dass er eine intensivere Nutzung der umgebauten Räume, Einrichtungen und Anlagen ermöglicht.185 Dies bedeutet wie bei den Grenzen der zulässigen Nutzung gemäß § 14 Nr. 1 WEG, dass die Möglichkeit eines bestimmungswidrigen Gebrauchs nicht die Zustimmungsbedürftigkeit auslöst, sondern der bestimmungswidrige Gebrauch im Einzelfall durch den Anspruch auf Unterlassung des störenden

10.88

177 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 28, MDR 2018, 1366. 178 LG München v. 20.6.2011 – 1 S 23256/10, ZWE 2011, 423; anders vielleicht BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 28, MDR 2018, 1366. 179 OLG Hamburg v. 31.8.1998 – 2 Wx 109/97, ZMR 1998, 797. 180 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978. 181 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167; BayObLG v. 1.6.1995 – 2 Z BR 34/95, NJW-RR 1996, 266 = ZMR 1995, 420; BayObLG v. 9.6.1988 – 2 Z 54/88, WuM 1988, 319 m.w.N. zur früheren anders lautenden Auffassung; BayObLG v. 27.1.2005 – 2 Z BR 207/04, BayObLGReport 2005, 494; s.a. BGH v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80. 182 BGH v. 11.11.2011 – V ZR 65/11, MDR 2012, 80. 183 BayObLG v. 12.8.1999 – 2 Z BR 39/99, NZM 1999, 1146 = ZMR 1999, 838; s.a. OLG Düsseldorf v. 2.12.1992 – 3 Wx 159/92, MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1274 = ZMR 1993, 119; OLG Hamburg v. 4.3.2003 – 2 Wx 102/99, ZMR 2003, 524; OLG Hamburg Beschl. v. 27.12.2004 – 2 Wx 19/04, ZMR 2005, 305; anders Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1108. Allerdings ist kaum ein Fall denkbar, in dem der einzige Nachteil einer baulichen Veränderung in einer negativen Vorbildfunktion liegt. 184 OLG Karlsruhe v. 28.8.1997 – 11 Wx 94/96, OLGReport Karlsruhe 1998, 158. 185 BayObLG v. 17.7.1996 – 2 Z BR 58/96, ZMR 1996, 618; BayObLG v. 9.3.2004 – 2 Z BR 213/03, NZM 2004, 836; OLG Karlsruhe v. 17.7.2000 – 11 Wx 42/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 1; OLG Köln v. 28.12.2000 – 16 Wx 163/00, ZMR 2001, 570.

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Teil 10 Rz. 10.88

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Einzelgebrauchs, etwa von Türenschlagen oder Müllwegwerfen im Treppenhaus, abgewehrt werden muss.186

10.89 Ein erheblicher Nachteil ist nicht denknotwendig bereits dann gegeben, wenn dem betroffenen Wohnungseigentümer in vermeidbarer Weise ein Nachteil entsteht, sofern den Rechten des Wohnungseigentümers durch die Veränderung kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. Es kann durchaus verschiedene Möglichkeiten geben, die alle unterhalb der Relevanzschwelle liegen. Dem Gesetz lässt sich für diesen Fall nicht die Notwendigkeit entnehmen, den Eingriff so gering wie möglich zu gestalten.187 (2) Insbesondere: Veränderungen der äußeren Gestaltung

10.90 Eine erhebliche Veränderung und juristische Präzisierung des Nachteilsbegriffs hat sich durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den aus der Veränderung der äußeren Gestaltung abgeleiteten Nachteil ergeben. Die ohnehin ungenaue Faustregel: „Was man von der Straße sehen kann, muss weg!“, d.h. die Bewertung jeder nicht ganz unerhebliche Veränderung der äußeren Gestaltung als Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG,188 in der älteren Rechtsprechung können keine Geltung mehr beanspruchen.189 Aus der Rechtsprechungsänderung ergeben sich wichtige Folgerungen für die Anforderungen an den Parteivortrag im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

10.91 Erhebliche Nachteile durch die Veränderung der äußeren Gestaltung der Wohnungseigentumsanlage liegen nicht bereits vor, weil die bauliche Veränderung überhaupt sichtbar ist.190 Auch hier ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann, und der entstehende Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen muss, wobei im Einzelfall auch bauliche Besonderheiten der Wohnanlage zu berücksichtigen sein können.191 Ein Nachteil erfordert vielmehr, dass die bauliche Veränderung das äußere Bild des Gebäudes192 wesentlich verändert,193 wie etwa die Errichtung einer Dachgaube,194 setzt also nicht voraus, dass sie das Gebäude in seinem ästheti-

186 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = NJW 2010, 3093 = ZMR 2010, 378; BGH v. 12.11.2010 – V ZR 78/10, ZMR 2011, 396; a.A. noch KG v. 31.5.2007 – 24 W 276/06, ZMR 2008, 406; KG v. 2.7.2007 – 24 W 34/07, ZMR 2007, 803. 187 Anders Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1107. 188 Vgl. auch Pfälzisches OLG v. 23.11.1988 – 3 W 136/88, OLGZ 1989, 181 = ZMR 1989, 228; anders nunmehr Pfälzisches OLG v. 21.9.1999 – 3 W 141/99, NZM 2000, 294 = ZMR 1999, 855. 189 Vgl. Zschieschack, ZWE 2019, 238. 190 So aber KG v. 10.1.1994 – 24 W 3851/93, OLGZ 1994, 393 = NJW-RR 1994, 526; vgl. auch KG v. 10.2.1992 – 24 W 402/91, MDR 1992, 1055. 191 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 28, MDR 2018, 1366. 192 Zur Anwendbarkeit auch bei einem Garageneigentum vgl. AG Hamburg-Blankenese v. 4.4.2012 – 539 C 24/11, ZMR 2012, 405. 193 BGH v. 14.12.2012 – V ZR 224/11 – Rz. 5, BGHZ 196, 45 = MDR 2013, 263; OLG Celle v. 15.2.1995 – 4 W 295/94, WuM 1995, 338, 341; OLG Köln v. 12.1.2000 – 16 Wx 149/99, MDR 2000, 760; LG Frankfurt/Main v. 12.6.2014 – 2-9 S 79/13, ZMR 2015, 623; a.A. noch LG Hamburg v. 1.6.2012 – 318 S 115/11, ZMR 2013, 60 mit Verneinung eines Nachteils bei einer ohnehin schon uneinheitlichen Fassade. 194 BGH v. 6.7.2018 – V ZR 221/17 – Rz. 14, MDR 2018, 1432.

562

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.91 Teil 10

schen Erscheinen beeinträchtigt, verschlechtert oder verunstaltet.195 Die Feststellung eines nach § 14 Nr. 1 WEG nicht hinzunehmenden Nachteils bei der Veränderung des äußeren optischen Gesamteindrucks eines Gebäudes196 erfordert einen Vorher-Nachher-Vergleich, bei dem in wertender Betrachtung gegenüberzustellen sind der optische Gesamteindruck des Gebäudes vor der Maßnahme und danach; dabei gibt die wertende Betrachtung Gelegenheit, die Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen, etwa alle bis dahin (rechtmäßig?)197 vorgenommenen baulichen Veränderungen oder den Gesichtspunkt, dass die optische Veränderung Folge einer zulässigen Instandsetzungsmaßnahme ist.198 Bei der dazu anzustellenden wertenden Betrachtung ist festzustellen, welche Bedeutung das veränderte, hinzugefügte oder entfernte Bauteil für den optischen Gesamteindruck des Gebäudes hat, ob durch die bauliche Maßnahme Elemente verändert werden, die diesen Eindruck prägen, ob sich das Bauteil trotz der Veränderungen in Gestalt, Form und Farbgebung in das Gesamtbild einfügt und hier auch, welche konstruktiv-gestalterische Möglichkeiten der gebotenen Erneuerung nach der Dachsanierung überhaupt bestehen. Bei der Ersetzung betagter Bauteile ist ferner zu bedenken, dass sich solche Bauteile nicht immer (mit vertretbarem Aufwand) originalgetreu ersetzen lassen. Bereits eine erhebliche optische Veränderung des gesamten Gebäudes führt regelmäßig199 zur Annahme eines Nachteils, der die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich macht; auf eine Bewertung der erheblichen Veränderung als Vor- oder Nachteil kann es nicht ankommen, denn diese Frage können auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht.200 Deshalb darf etwa eine Veränderung der Farbgestaltung der Außenfassade bei einem Neuanstrich nicht mehrheitlich beschlossen werden201 und auch nicht die Entlackung

195 So aber noch BayObLG v. 9.6.1988 – 2Z 54/88, WuM 1988, 319; v. 14.3.1991 – 2Z 168/90, DWE 1991, 155 = WE 1992, 138; v. 23.7.1993 – 2Z BR 22/92, NJW-RR 1993, 337 = ZMR 1992, 551; v. 5.12.1996 – 2Z BR 82/96, NJWE-MietR 1997, 112 = WE 1997, 273; v. 26.8.2004 – 2Z BR 088/04, NZM 2005, 109; OLG Düsseldorf v. 14.6.1993 – 3 Wx 129/92, DWE 1994, 35 = NJW-RR 1994, 277; OLG Hamm v. 15.2.1980 – 15 W 131/79, OLGZ 1980, 274; v. 23.1.1987 – 15 429+434/86, DWE 1987, 54; OLG Köln v. 30.7.1980 – 16 Wx 67/80, NJW 1981, 585; v. 7.6.1995 – 16 Wx 78/95, DWE 1997, 32; OLG Schleswig v. 27.1.1999 – 2 W 90/98, MDR 1999, 607; LG Hamburg v. 10.4.2013 – 318 S 81/12, ZMR 2013, 739. 196 Deshalb genügt die Vorlage von Detailfotos nur eines Fassadenausschnitts nicht, vgl. LG Köln v. 5.10.2017 – 29 S 96/17, ZMR 2018, 262. 197 Zu dieser Präzisierung der Formulierung vgl. BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696 = ZfIR 2017, 409 mit Anm. Hogenschurz, ZfIR 2017, 413, 414: Unberechtigte Veränderungen bestimmen den Vergleichsmaßstab nicht. Es kann keine „faktische Genehmigungswirkung“ von eigenmächtigen baulichen Veränderungen, d.h. auch wenn (fast) alle Miteigentümer eigenmächtig Markisen angebracht haben, folgt daraus kein „Gewohnheitsrecht“ der Übrigen. Unberechtigt bleiben auch solche Veränderungen, bei denen der Rückbauanspruch wegen Verjährung oder Verwirkung nicht mehr durchsetzbar ist, denn Verjährung und Verwirkung vermitteln keinen Bestandsschutz; vgl. OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – I-3 Wx 217/07, NZM 2998, 442; LG Frankfurt/M. v. 21.8.2014 – 2-9 S 27/13, ZWE 2015, 217; AG Rosenheim v. 20.3.2012 – 12 C 1082/11, ZMR 2012, 589. 198 BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696, für Veränderungen an einem Penthaus als Folge der Neuabdichtung der Flachdachterrasse. 199 Zur Genehmigung durch Eigentümerbeschluss unter den Voraussetzungen von §§ 22 Abs. 2 oder 3 WEG vgl. BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696, Rz. 18. 200 BGH v. 14.12.2012 – V ZR 224/11 – Rz. 5, BGHZ 196, 45 = MDR 2013, 263. 201 LG München I v. 20.9.2012 – 36 S 1982/12, ZMR 2013, 137.

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Teil 10 Rz. 10.91

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

der Haus- und Hoftüren.202 Die bauliche Veränderung muss von außen wahrnehmbar sein;203 nicht erforderlich ist es, dass die Veränderung für den einzelnen Wohnungseigentümer aus seiner Wohnung sichtbar ist.204 Bei Mehrhausanlagen sind bei nachteiligen Veränderungen des optischen Gesamteindrucks grundsätzlich alle Wohnungseigentümer der Mehrhausanlage betroffen,205 wenn nicht abweichende Vereinbarungen getroffen sind.206

10.92 Um die danach erforderliche Bewertung im Einzelfall im Rechtsstreit erst möglich zu machen, bedarf es der Vorlage von aussagekräftigen Lichtbildern der Gesamtanlage, nicht nur von Detailfotos.207 Die Gefahr, bei der gebotenen Bewertung mit Leerformeln zu argumentieren, ist groß. Immer bleibt das Problem, dass sich über Geschmack – auch vor Gericht – nicht streiten lässt.

10.93 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich eine erhebliche Änderung gegenüber der Rechtsprechung vor der WEG-Reform 2007: Die gerichtliche Praxis der Oberlandesgerichte nahm vor der Reform des Wohnungseigentumsrechts abgesehen von Bagatellfällen regelmäßig nur in seltenen Ausnahmefällen die Unerheblichkeit der Veränderung des optischen Gesamteindrucks an. gg) Zustimmung unter Auflagen und Bedingungen

10.94 Weil ein Anspruch auf Zustimmung nicht besteht, kann die Zustimmung von Wünschen der Zustimmenden abhängig gemacht werden. Die Zustimmung deckt grundsätzlich nur die konkret genehmigte bauliche Veränderung, die durch eine sorgfältige Auslegung der Regelung nach Wortlaut und Sinn aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung und denn für jedermann nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls ohne weiteres erkennbaren Umständen als nächstliegende Bedeutung ergibt,208 nicht aber eine abweichende Ausführung, die wie eine nicht genehmigte zu behandeln ist,209 auch nicht spätere Änderungen.210 Um sich nicht dem Vorwurf der Unbestimmtheit der Genehmigung211 oder der Abweichung von der 202 AG Schöneberg v. 4.5.2018 – 771 C 91/17, ZWE 2018, 374; zur Erhaltung der lichten Breite vgl. LG München I v. 24.10.2016 – 36 S 6557/16 WEG, ZMR 2017, 187. 203 BGH v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, MDR 2011, 1465; Pfälzisches OLG v. 21.11.2002 – 3 W 179/02, ZMR 2004, 61. 204 OLG Celle v. 15.2.1995 – 4 W 295/94, WuM 1995, 338, 341; OLG Hamm v. 21.10.1994 – 15 W 275/94, WuM 1995, 220. 205 OLG Schleswig v. 8.3.2000 – 2 W 57/99, NZM 2000, 385; LG Berlin v. 28.1.2000 – 85 T 91/00, ZMR 2001, 575; AG München v. 14.2.2017 – 482 C 12322/16 WEG, ZMR 2017, 932; vgl. auch OLG Köln v. 17.12.2001 – 16 Wx 276/01, OLGR Köln 2002, 90. Es mag aber im Einzelfall anderes gelten, etwa bei der als Wohnungseigentümergemeinschaft konstruierten Reihenhaussiedlung, bei der unvernünftiger Weise in der Teilungserklärung nicht die Anwendung allgemeinen (Nachbar-)Rechts geregelt ist: Wie in einem solchen Fall etwa ein Carport vor dem Haus den nicht benachbarten Wohnungseigentümer beeinträchtigen soll, ist nicht einsichtig. 206 OLG München v. 20.2.2008 – 32 Wx 2/08, ZMR 2008, 566, für die Regelung: „Die einzelnen Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten sollen wirtschaftlich soweit wie möglich gestellt werden, als ob sie Alleineigentümer der betreffenden Grundstücks- und Gebäudeeinheiten seien“. Zu Gestaltungsmöglichkeiten ausführlich Elzer in: Bayer/Koch, Offene Fragen des Wohnungseigentumsrechts und deren Bedeutung für die notarielle Praxis, 2018, S. 133, 137. 207 LG Köln v. 5.10.2017 – 29 S 96/17, ZMR 2018, 262. 208 Zuletzt etwa BGH v. 8.3.2019 – V ZR 330/17 – Rz. 18, MDR 2019, 543. 209 OLG Düsseldorf v. 11.8.1997 – 3 Wx 227/97, NZM 1998, 79. 210 Pfälzisches OLG v. 23.12.1999 – 3 W 198/99, NZM 2000, 293. 211 OLG München v. 30.11.2005 – 34 Wx 56/05, OLGReport München 2006, 130.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.98 Teil 10

Genehmigung auszusetzen, liegt es daher auch im Interesse des Umbauwilligen, seine konkrete Planung zum Gegenstand der Genehmigung zu machen. Eine Täuschung der übrigen Miteigentümer wird schnell zum „Eigentor“. Besondere Sorgfalt bei der Formulierung ist in jedem Fall angezeigt, denn Folge der Unbestimmtheit und Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses über eine Baumaßnahme ist, dass ein vollständiger Rückbau und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erfolgen müssen.212 Es reicht auch nicht aus, sich eine Baumaßnahme „grundsätzlich“ oder „generell“ durch die übrigen Wohnungseigentümer genehmigen zu lassen, um die Einzelheiten der Durchführung – mit wesentlich geringerem Aufwand – mit dem Verwalter zu klären, denn der Verwalter ist auch bei genereller Zustimmung der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht befugt, die konkrete Bauausführung zu billigen.213 Die Zustimmung soll allerdings auch „ganz allgemein“ ohne Kenntnis der beabsichtigten Maßnahmen im Detail erteilt werden können,214 doch droht die Gefahr der Unbestimmtheit des Beschlussinhalts; dass dieses Vorgehen auch aus Sicht des Zustimmenden erhebliche Risiken birgt, braucht nicht weiter erläutert werden.

10.95

Dabei ist es grundsätzlich möglich, dass die einzelnen benachteiligten Wohnungseigentümer, deren Zustimmung erforderlich ist, unterschiedliche Forderungen stellen, also ein besonders betroffener Wohnungseigentümer etwa eine Entschädigungszahlung für seine Zustimmung fordert.

10.96

Hinweis: Die Möglichkeit von Auflagen zur Zustimmung eröffnet Gestaltungsfreiheit; diese Gestaltungsfreiheit bei der Zustimmung bedeutet damit aber auch, dass der Inhalt der Zustimmung sorgsam bedacht werden sollte. In der Praxis sind immer noch Beschlussprotokolle oder schriftliche Einverständniserklärungen zu finden, in denen eine noch durchzuführende bauliche Veränderung ohne nähere Angaben gestattet wird, etwa in der Weise: „Familie Schmitz darf eine Markise anbringen.“ Schlimmstenfalls hat man sich dabei überhaupt keine Gedanken gemacht, wie die Ausführung im Einzelnen aussehen soll, so dass man angesichts des nicht dezenten Stoffs verwundert (zu spät) „wach“ wird. Schon erfahrener sind die Eigentümer, die Einzelheiten der Ausführung durchaus besprechen („aber nur genauso wie bei den Müllers im Erdgeschoss“), diese aber nicht zum Inhalt der Zustimmung machen im Vertrauen darauf, dass es keine Überraschungen geben wird. Die Praxis zeigt mitunter anderes und man sieht sich der (Beweis-)Frage gegenüber, was denn nun Inhalt der Absprache war.215 Geschickter ist es schon, auf Pläne und Angebote Bezug zu nehmen, doch sollen Handwerker auch schon inhaltlich unterschiedliche Angebote unter gleichem Datum und gleicher Auftragsnummer abgegeben haben, etwa Neufassungen oder Aktualisierungen nicht kenntlich gemacht haben. Dem sichersten Weg entspricht es daher, die in den Einzelheiten genehmigte Ausführung zum Inhalt der Zustimmung zu machen und die in Bezug genommenen Pläne, Angebote und Unterlagen beizuheften.

10.97

Drei Gesichtspunkte sollten stets eindeutig geregelt werden, nämlich die Zuständigkeit für den Unterhalt, die Folgekosten der baulichen Veränderung und die Verkehrssicherungspflicht. Folgekosten umfassen erhöhte laufende Betriebskosten, erhöhte Instandhaltungskos-

10.98

212 Vgl. LG Landshut v. 19.2.2009 – 64 T 970/08, ZMR 2009, 481: kein Anspruch auf Umbau nach eigenen Wünschen. 213 OLG Hamburg v. 22.2.2005 – 2 Wx 123/04, ZMR 2005, 565; OLG Düsseldorf v. 2.11.2004 – 3 Wx 234/04, NZM 2005, 791. 214 OLG Karlsruhe v. 13.2.1998 – 4 W 42/97, NZM 1998, 526; Pfäzisches OLG v. 23.12.1999 – 3 W 198/99, NZM 2000, 293 = ZMR 2000, 256; OLG Düsseldorf v. 10.3.2006 – 3 Wx 16/06, OLGReport Düsseldorf 2006, 674, 675. 215 Vgl. etwa OLG Hamburg v. 1.4.1998 – 2 Wx 104/97, WE 1998, 470 mit Anm. Ott, WE 1998, 472.

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Teil 10 Rz. 10.98

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

ten bei mangelfreier Errichtung und Folgekosten aufgrund mangelhafter Errichtung, etwa auch die Kosten der notwendigen Neuvermessung der Wohnflächen.

10.99 Eine Vereinbarung über die Kostentragung ist gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger nur bei Eintragung im Grundbuch, § 10 Abs. 3 WEG, oder schuldrechtlicher Übernahme216 wirksam; sonst haftet der Rechtsnachfolger auch nicht dafür, dass der Wohnungseigentümer bei seinem Umbau technisch notwendige Folgemaßnahmen am Gemeinschaftseigentum unterlassen hat.217

10.100 Die Verkehrssicherungspflicht obliegt für das Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband, der bei ihrer Verletzung auch haftet.218 Denn die Verkehrssicherungspflicht folgt der Unterhaltungspflicht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zuständig, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Bauliche Veränderungen durch einzelne Wohnungseigentümer, die wegen der zwingenden Zuordnung des § 5 Abs. 2 WEG Gemeinschaftseigentum bleiben, etwa die Schaffung zusätzlicher Dachfenster für eine Dachgeschosswohnung, fallen in den nur durch Vereinbarung übertragbaren Aufgabenbereich der Wohnungseigentümergemeinschaft. Eigentümerbeschlüsse, die dem einzelnen Wohnungseigentümer die Instandhaltung sowie Instandsetzung und damit die Verkehrssicherungspflicht übertragen, sind nichtig. Möglich ist es nur, die Gestattung der baulichen Veränderung von der Haftungsfreistellung und Kostentragung im Innenverhältnis abhängig zu machen. Möglich ist es auch nach allgemeinen Regeln, die Verkehrssicherungspflicht auf den bauwilligen Wohnungseigentümer zu delegieren; dann verbleibt bei der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Rest-Verkehrssicherungspflicht, die insbesondere die Überwachung ihrer Wahrnehmung beinhaltet.

10.101 Möglich, vielleicht aber im Ergebnis unbillig, ist es auch, den Ausbauenden durch eine klare und eindeutige Regelung mit den Kosten für Sanierungen von Gemeinschaftseigentum zu belasten, deren Notwendigkeit anlässlich der Baumaßnahme zu Tage tritt, etwa der Hausschwammsanierung, die beim Dachausbau als notwendig erkannt wird.219

10.102 Checkliste: Folgende Regelungen erscheinen angepasst an den Einzelfall als sinnvoll: l Zunächst ist eine eindeutige Regelung der Kostenfrage, hinsichtlich Erstellung und aller Folgekosten, notwendig. l Der Inhalt der Zustimmung muss möglichst eindeutig festgeschrieben werden. Aus der Sicht des Zustimmenden ist es je nach Art und Umfang der baulichen Veränderung im Einzelfall ratsam, sich die Baugenehmigung und entsprechende Pläne von Fachplanern vorlegen zu lassen, sowie die Zustimmung so zu dokumentieren, dass ein Bezug zu den kon-

216 Zu den Grenzen OLG München v. 6.2.2019 – 32 Wx 147/18 WEG, ZMR 2019, 524; ausführlich Hügel in FS Wenzel (2005), S. 219 ff. 217 OLG Hamm v. 23.9.2004 – 15 W 129/04, ZMR 2005, 306 für unterlassene Verstärkung der Deckenkonstruktion bei Dachausbau. 218 Vgl. nur LG München v. 2.8.2010 – 1 S 4042/10, ZMR 2010, 991; OLG München v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, MDR 2006, 807 = NZM 2006, 110 zum alten Recht; Wenzel, NZM 2006, 321, 323; Wenzel, ZWE 2009, 57 58. 219 Vgl. von Rechenberg in FS Deckert, S. 309, 341 f.; vgl. auch KG v. 28.2.2000 – 24 W 8820/98 und 24 W 2976/99, NZM 2000, 1012 = ZMR 2000, 635.

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Rz. 10.102 Teil 10

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

kreten Plänen gewährleistet ist, um späterem Streit darüber vorzubeugen, es hätten etwa ganz andere Pläne vorgelegen. l Die dem vorgelegten Plan und den Regeln der Technik entsprechende sach- und fachgerechte Bauausführung ist festzuschreiben, etwa die Einhaltung des Stands der Technik,220 die Durchführung durch eine Fachfirma, jedenfalls bei größerem Umbauumfang die Stellung einer Fertigstellungsbürgschaft des Errichters und einer Gewährleistungsbürgschaft der Baufirma. l Nachzuweisen ist die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der baulichen Veränderung durch Beibringung einer Baugenehmigung oder eines Negativattestes der Baubehörde. Sonst besteht die Gefahr, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als verantwortlicher Zustandsstörer nach öffentlichem Recht zur Beseitigung verpflichtet werden kann. l Ratsam ist auch ein Bauzeitenplan, jedenfalls einer maximalen Bauzeit, zumindest hinsichtlich der Lärm verursachenden Arbeiten oder der Aufstellung eines Gerüsts, um unnötige Belastungen durch Verzögerungen zu verhindern. l Bei umfangreichen Baumaßnahmen sollte vor Beginn und nach Beendigung eine Beweissicherung auf Kosten des Ausbauberechtigten vorgesehen werden. Darüber hinaus kann verlangt werden l die Verwendung bestimmter, etwa besonderen biologischen Anforderungen genügenden Materialien, l die Einhaltung bestimmter Arbeitszeiten und der Hausordnung (Mittagsruhe usw.), l die Durchführung zusätzlicher Reinigungen des Treppenhauses und Hauseingangsbereichs seitens des Bauwilligen während der Bauzeit, l die Erreichung bestimmter (über den Stand der Technik hinausgehender) Lärmschutzwerte nach Durchführung der baulichen Veränderung oder l die Zahlung eines bestimmten Betrages in die Instandhaltungsrücklage. l Durch eine Befristung der Zustimmung kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass die Zustimmung zu einer baulichen Vereinbarung auf Vorrat eingeholt wird. Dabei sollte klar zum Ausdruck kommen, bis zu welchem Zeitpunkt mit der Bauausführung begonnen und bis wann sie beendet werden muss.221 l Schließlich erscheint im Einzelfall auch die Sicherung des Rückbaus durch eine Kaution ratsam, etwa bei Parabolantenne, Treppenlift oder Leuchtreklame, wenn die Zustimmung nur für den Zeitraum der Nutzung des Anspruchsberechtigten erfolgen muss. 220 Die Einhaltung der aktuellen technischen Regelwerke genügt nicht immer, denn diese entsprechen nicht notwendig dem Stand der Technik, vgl. zur DIN 4109 etwa OLG Karlsruhe v. 29.12.2005 – 9 U 51/05, BauR 2007, 557; OLG Stuttgart v. 21.5.2007 – 5 U 201/06, NZM 2007, 846; s.a. Locher/Weiss, BauR 2005, 17. 221 Vgl. von Rechenberg in FS Deckert, S. 309, 324 f. Schwierigkeiten mögen entstehen, wenn mit der Bauausführung zwar begonnen, die Fertigstellung aber verzögert wird; gegen ein „Steckenbleiben“ schützt die Fertigstellungsbürgschaft und die Vereinbarung eines Bauzeitenplans nur teilweise. Eine Frist zur Beendigung der Bauarbeiten aufzugeben, birgt für den bauwilligen Wohnungseigentümer das Risiko, dass sich die Fertigstellung wegen unvorhersehbarer Einflüsse verzögern kann (etwa die Insolvenz des Generalunternehmers usw.).

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Teil 10 Rz. 10.102

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

l Übernimmt der Umbauende die Gefahr für alle Folgen der Bauarbeiten gestellt, haftet der Veränderer ohne Verschulden.222 Im Hinblick auf mögliche spätere Beweisprobleme ist die Begründung einer verschuldensunabhängigen Haftung des umbauwilligen Wohnungseigentümers etwa mit der Formulierung „wird unter der Bedingung gestattet, dass der Wohnungseigentümer X die verschuldensunabhängige Haftung hinsichtlich aller Kosten und Schäden anlässlich der Baumaßnahme übernimmt“223 denkbar.224 Für diese Ansprüche sollten Sicherheiten, etwa eine Bauschadensversicherung, verlangt werden. Auch ohne diese Haftungserweiterung können die übrigen Wohnungseigentümer vom Ausbauenden die Herstellung des Zustands verlangen, der bei ordnungsgemäßem Ausbau erreicht worden wäre und damit die Beseitigung aller unmittelbaren und mittelbaren Nachteile, und zwar unabhängig davon, dass die Gewährleistungsrechte des ausbauenden Wohnungseigentümers gegen den von ihm beauftragten Handwerker verjährt sind.225

10.103 Soll durch die bauliche Veränderung eine wesentliche Umgestaltung der tatsächlichen Verhältnisse oder des Charakters der Wohnungseigentumsanlage erfolgen, muss im Zuge einer im Grundbuch einzutragenden Vereinbarung eine umfassende Regelung erfolgen, die insbesondere eine Anpassung der Miteigentumsanteile und Kostenverteilungsschlüssel beinhaltet. Die Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels aufzuschieben, erscheint mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, eine Änderung gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG durchzusetzen,226 nicht tunlich.

10.104 Die Klarheit der Regelung ist das oberste Gebot, um späteren Streit über die Grenzen der erlaubten baulichen Veränderung zu vermeiden und frustrierte Umbauaufwendungen. Dabei besteht allerdings manchmal ein Konflikt zwischen einer klaren und einfachen Regelung und einer umfassenden, alle Unwägbarkeiten bedenkenden Gestaltung.

10.105 Von Auflagen und Bedingungen zu unterscheiden ist die Absichtserklärung, wenn ein Wohnungseigentümer oder auch alle Wohnungseigentümer die grundsätzliche Bereitschaft zur Erteilung einer Zustimmung erklären, nach dem Willen der Beteiligten aber zunächst noch eine nähere Regelung über die baulichen Einzelheiten getroffen werden soll; eine solche Erklärung ohne rechtlichen Bindungswillen begründet noch keinen Anspruch auf Zustimmung.227 hh) Exkurs: Keine Zustimmungsersetzung durch Baugenehmigung

10.106 Die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer wird durch die Baugenehmigung nicht ersetzt. Die Baugenehmigung hat eine Prüfung des Rechtsverhältnisses der Wohnungseigentümer untereinander nicht zum Inhalt. Die Baubehörde prüft die öffentlich-rechtliche, nämlich bauplanerische und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens. Dieser unterschiedliche Prüfungsmaßstab ergibt, dass die Baugenehmigung, die „unbeschadet pri-

222 KG v. 30.11.1992 – 24 W 4734/92, WuM 1993, 209 für die Klausel: „auf eigene Kosten und Gefahr“. 223 In der Durchführung der baulichen Veränderung dürfte dann die konkludente Annahme einer entsprechenden Haftungsregelung durch den umbauwilligen Wohnungseigentümer zu erblicken sein. 224 Riecke/Schütt, MDR 1999, 837, 839. 225 OLG Düsseldorf v. 15.10.2004 – 3 Wx 228/04, ZMR 2005, 466. 226 Zur Anwendung von § 10 Abs. 2 S. 3 WEG auf sog. Geburtsfehler vgl. BGH v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, MDR 2019, 928. 227 OLG Hamm v. 18.11.2003 – 15 W 395/03, ZMR 2005, 220.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.110 Teil 10

vater Rechte Dritter“ erteilt wird, nicht die nach dem Wohnungseigentumsgesetz erforderliche Zustimmung ersetzt.228 Umgekehrt widerspricht die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu einem trotz 10.107 Erfordernis nicht genehmigten „Schwarzbau“ ordnungsgemäßer Verwaltung und macht dahingehende Mehrheitsbeschlüsse anfechtbar. Es empfiehlt sich vielmehr, die Zustimmung zu einer umfangreichen baulichen Veränderung unter der Bedingung der Vorlage einer Baugenehmigung oder eines Negativattestes der Baubehörde zu erteilen. Das Fehlen einer Baugenehmigung begründet jedoch nicht an sich bereits einen Nachteil, sondern erst dann, wenn den übrigen Wohnungseigentümern die Inanspruchnahme durch die Baubehörde droht.229 Soweit einem Wohnungseigentümer oder auch der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Baugenehmigung für eine beabsichtigte bauliche Veränderung erteilt ist, besteht grundsätzlich kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz (Drittwiderspruch, Drittanfechtungsklage). Es fehlt bei solchen grundstücksinternen Klagen an der Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO.230

10.108

ii) Genehmigungsfreiheit aufgrund Drittwirkung von Grundrechten Ein Anspruch auf Zustimmung zu einer baulichen Veränderung besteht grundsätzlich nicht,231 insbesondere nicht aus § 23 Abs. 4 WEG. Kein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung ergibt sich aus einer Absichtserklärung, mit der ein Wohnungseigentümer oder auch alle Wohnungseigentümer die grundsätzliche Bereitschaft zur Erteilung einer Zustimmung erklären, nach dem Willen der Beteiligten aber zunächst noch eine nähere Regelung über die baulichen Einzelheiten getroffen werden soll.232 Aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann sich im Einzelfall ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung ergeben, aus der dann nach Durchführung der Änderung der Anspruch auf Durchführung baulicher Veränderungen folgt.

10.109

Keines Anspruchs auf Zustimmung bedarf es, wenn im Lichte der Drittwirkung der Grund- 10.110 rechte schon ein erheblicher Nachteil gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG fehlt (vgl. Rz. 10.109): Der Schutz des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 GG, vor Einbrüchen mag im Einzelfall wegen besonders häufiger Einbrüche in der Nachbarschaft und soweit keine geeigneten anderen Maßnahmen möglich sind, gegebenenfalls auch nur bis zu einer endgültigen Lösung, die Anbringung von Gittern vor den Fenstern notwendig machen,233 die Berufs(ausübungs)freiheit, Art. 12 GG, das Anbringen eines Hinweisschildes an der Außenwand des Hauses rechtfertigen, Art. 2 Abs. 1 GG die Wahrung der kulturellen Identität verbürgen und wie auch Art. 5

228 BayObLG v. 21.2.1985 – 2 Z 112/84, ZMR 1985, 239; OLG Köln v. 21.1.1998 – 16 Wx 299/97, OLGReport Köln 1998, 137; OLG Köln v. 31.1.2000 – 16 Wx 10/00, NZM 2000, 296, 297. 229 BayObLG v. 14.2.2002 – 2 Z BR 138/01, NZM 2003, 114; BayObLG v. 26.8.2004 – 2 Z BR 88/04, NZM 2005, 109. 230 BVerwG v. 4.5.1988 – 4 C 20/85, BauR 1988, 837 = NJW 1988, 3279; BVerwG v. 14.10.1988 – 4 C 1/86, BauR 1989, 75 = NVwZ 1989, 250; OVG Rheinland-Pfalz v. 10.7.2007 – 8 A 10279/07, NZM 2007, 776; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 17.4.2001 – 4 K 5274/00, NVwZ 2002, 116; VG Hamburg v. 5.4.2011 – 11 K 1866/10, ZWE 2012, 147. 231 BayObLG v. 22.5.1998 – 2 Z BR 38/98, NZM 1999, 282 = WuM 1998, 679; BayObLG v. 9.4.1998 – 2 Z BR 164/97, NZM 1998, 1014. 232 OLG Hamm v. 18.11.2003 – 15 W 395/03, ZMR 2005, 220. 233 KG v. 15.12.1993 – 24 Wx 2014/93, NJW-RR 1994, 401.

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Teil 10 Rz. 10.110

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

GG (Meinungsfreiheit), Art. 12 GG (Beraufsausübungsfreiheit) oder Art. 4 GG (Religionsfreiheit) damit ein Recht auf Anbringung einer Satellitenantenne234 geben, schließlich für einen behinderten Wohnungseigentümer nach Abwägung der Grundrechtspositionen aus Artt. 3 Abs. 3 S. 2, 6 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Barrierefreiheit235 bestehen.

10.111 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch, soweit die Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Mieters eines Wohnungseigentums gegeben sind.236

10.112 Weil die gebotene Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen – für die übrigen Wohnungseigentümer streitet Art. 14 GG – und die anzustellende Verhältnismäßigkeitsprüfung einen Anspruch nur auf das jeweilig Notwendige geben, d.h. das mildeste zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignete Mittel, folgt aus § 22 Abs. 1 S. 1 WEG als Minus zum Zustimmungserfordernis ein Unterrichtungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer, vorab über die beabsichtigten Maßnahmen unterrichtet und nicht durch den Berechtigten vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Kommen mehrere Lösungsmöglichkeiten in Betracht, brauchen die übrigen Wohnungseigentümer nur die Lösung hinzunehmen, die ihre Belange (nach ihrer Ansicht) so wenig wie möglich beeinträchtigt.237

10.113 Ein Anspruch auf Zustimmung besteht nicht schon allein deshalb gegen ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, dem eine entsprechende bauliche Veränderung bereits früher gestattet worden ist. Selbst wenn das betreffende Mitglied früher selbst eine unzulässige bauliche Veränderung vorgenommen hat, deren Beseitigung wegen Verwirkung nicht mehr verlangt werden kann, verstößt seine Verweigerung der Zustimmung nicht gegen Treu und Glauben.

10.114 Ist der Anspruch auf Zustimmung verwirkt, ist dies für einen Sonderrechtsnachfolger auch dann bindend, wenn die Verwirkung nicht aus dem Grundbuch ersichtlich ist.238

10.115 Hinweis: Schon mit Rücksicht darauf, dass eine gütliche Einigung im Interesse aller Beteiligten liegt, sollte zunächst ein Informationsgespräch erfolgen. Es gibt regelmäßig eine Vielzahl von Ausführungs- und Einigungsmöglichkeiten, z.B. mag die Gemeinschaft gegen Zahlung eines Zuschusses zur Instandhaltungsrücklage bereit sein, statt des üblichen Praxisschilds eine Neonreklame hinzunehmen. Zu bedenken und durch eine Kaution abzusichern ist der Rückbauanspruch der Gemeinschaft, wenn die besonderen Gründe für den Duldungsanspruch entfallen sind, etwa der ausländische Mieter ausgezogen, der Behinderte verstorben oder die Gewerberäume verlegt sind.

jj) Änderung der gesetzlichen Regelung durch Vereinbarung

10.116 Die Regelung des § 22 Abs. 1 WEG ist nicht zwingend und nicht Bestandteil des unabänderlichen Kernbestands des Wohnungseigentumsrechts. In der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung können vereinfachende Regelungen ebenso erfolgen wie weitergehende Siche-

234 BVerfG v. 30.6.1994 – 1 BvR 1478/93, NJW-RR 1994, 1232; BVerfG v. 13.3.1995 – 1 BvR 1107/92, NJW 1995, 1665 = ZMR 1995, 241; s. zu den Einzelheiten Teil 10, Rz. 10.296. 235 BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 – Rz. 20, MDR 2017, 511; zu den Einzelheiten Teil 10, Rz. 10.328 ff. 236 OLG Celle v. 19.5.1994 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; OLG Frankfurt/M. v. 12.10.1981 – 20 W 151/81, RPfleger 1982, 64. 237 BayObLG v. 13.3.1997 – 2 Z BR 8/97, ZMR 1997, 317. 238 OLG Celle v. 22.8.2006 – 4 W 101/06, NZM 2007, 840.

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Rz. 10.119 Teil 10

rungen.239 Solche Regelungen können das Streitpotential aus dem Zusammentreffen mehrerer Sondereigentümer auf einem Grundstück begrenzen helfen,240 oder ihrerseits Ursache für Streit über das richtige Verständnis sein. Gerade die Ausgestaltung von Sondernutzungsrechten hat vielfach auch die Gestattung von bestimmten baulichen Veränderungen zum Inhalt.241 Die Zuweisung zur Sondernutzung enthält die Zustimmung für bauliche Veränderungen, soweit sie in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts Eingang gefunden haben oder wenn sie nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen.242 Nachträgliche Änderungen der Teilungserklärung können nur im Wege der Abänderung der Teilungserklärung durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erfolgen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs243 nicht aber durch einen Mehrheitsbeschluss, der mangels Beschlusskompetenz nichtig ist.244 Die Vereinbarung ist zur Absicherung der Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern gemäß § 10 Abs. 3 WEG im Grundbuch einzutragen.245

10.117

Bestehen Unklarheiten, weil die abweichende Regelung in der Teilungserklärung nicht eindeutig auszulegen ist, verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.246 Deshalb führt die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene „weitest mögliche wirtschaftliche Trennung der Einheiten“ nicht zu einer Abänderung des § 22 Abs. 1 WEG.247 Eine unklare Regelung der Teilungserklärung kann nicht durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer verbindlich ausgelegt werden, denn eine Beschlusskompetenz für eine solche Mehrheitsentscheidung fehlt; auch die Beschlusskompetenz aus § 21 Abs. 7 WEG erlaubt es nicht, Verstöße zu pönalisieren.248

10.118

Die Regelungen der §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG können insgesamt abbedungen werden („faktische Realteilung“), so dass die Vorschriften des privaten und öffentlichen Nachbarrechts

10.119

239 BGH, MDR 1970, 753; BayObLG v. 3.6.1987 – 2 Z 34/87, NJW-RR 1987, 1357 = WuM 1987, 327; BayObLG v. 25.11.1995 – 2 Z BR 63/95, WuM 1996, 487; BayObLG v. 9.12.1999 – 2 Z BR 101/99, ZMR 2000, 23; OLG Köln v. 14.11.1997 – 16 Wx 275/97, NZM 1998, 673 = WuM 1998, 238 zur abweichenden Vereinbarung eines weitergehenden Maßstabs; OLG Köln v. 29.9.2003 – 16 Wx 182/03, OLGReport Köln 2003, 368. 240 Zu Gestaltungsmöglichkeiten Rapp, ZfIR 2019, 361. 241 Vgl. BayObLG v. 18.3.2005 – 2 Z BR 233/04, NZM 2005, 744 für die Anlage eines Teichs durch den Sondernutzungsberechtigten einer Gartenfläche. 242 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, Tz. 8, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676; BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, ZMR 2012, 883; s.a. LG Hamburg v. 10.9.2010 – 318 S 24/09, NZM 211, 589 = ZMR 2011, 226 zur üblichen gärtnerischen Nutzung. 243 BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367. 244 BayObLG v. 26.8.2004 – 2 Z BR 88/04, NZM 2005, 109; OLG Karlsruhe v. 31.5.2000 – 11 Wx 96/99, OLGReport Karlsruhe 2000, 395; OLG Stuttgart v. 9.2.2001 – 8 W 54/98, NZM 2001, 532. 245 OLG Hamburg v. 20.9.2001 – 2 Wx 35/98, ZMR 2002, 216; OLG Köln v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, OLGReport Köln 2001, 302. 246 OLG Oldenburg v. 17.9.1997 – 5 W 104/97, NZM 1998, 39; vgl. auch OLG Celle v. 31.5.2001 – 4 W 134/01, ZMR 2001, 834; OLG München v. 31.5.2007 – 34 Wx 112/06, ZMR 2007, 643; vgl. zur Auslegung allgemein etwa BGH v. 22.3.2019 – V ZR 145/18, Tz. 7, WuM 2019, 539. 247 OLG München v. 31.5.2007 – 34 Wx 112/06, ZMR 2007, 643; OLG München v. 20.2.2008 – 32 Wx 2/08, ZMR 2008, 566; a.A. LG Itzehoe v. 19.4.2011 – 11 S 26/10, juris, Rz. 13 f. 248 BGH v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, MDR 2019, 659.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

anwendbar sind.249 Die Einhaltung der Vorschriften des privaten Nachbarrechts, etwa § 906 BGB,250 und der des öffentlichen Nachbarrechts, soweit sie drittschützenden Charakter haben, kann dann auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander geltend gemacht werden.251 (1) Erleichterungen

10.120 An erleichternden Regelungen verbreitet ist etwa das Erfordernis der Zustimmung nur der Mitglieder einer Untergemeinschaft bei Mehrhausanlagen,252 ein Quorum von (mehr als) drei Vierteln253 oder zwei Dritteln der Wohnungseigentümer für die Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss, Mehrheitsentscheidungen über bestimmte bauliche Veränderungen, etwa die Anbringung von Markisen oder von Umbauten bei Aufteilung eines Altbaus. Werden bestimmte Maßnahmen erlaubt, sind die Grenzen des Zulässigen durch Auslegung zu bestimmen.254 Dabei muss sich die Vereinbarung nicht ausdrücklich gerade auf bauliche Veränderungen beziehen, sondern kann auch für alle Entscheidungen getroffen werden.255 Soweit die Teilungserklärung die Entscheidung über bauliche Veränderungen der Eigentümerversammlung ohne weitere Vorgaben, etwa zur Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss, zuweist, so gibt diese in der Vereinbarung enthaltene Öffnungsklausel der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz, die Frage, unter welchen Voraussetzungen bauliche Veränderungen zulässig sein sollen, durch Mehrheitsbeschluss zu regeln.256 Der Mehrheitsbeschluss ersetzt die Zustimmung aller Wohnungseigentümer, nicht nur der an der Abstimmung teilnehmenden.257

10.121 Soweit die Teilungserklärung die Entscheidung über bauliche Veränderungen der Eigentümerversammlung ohne weitere Vorgaben, etwa zur Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss, zu-

249 BGH v. 21.5.1970 – VII ZB 3/70, BGHZ 54, 65, 69 = NJW 1970, 1316 = MDR 1970, 753; BayObLG v. 16.4.1993 – 2 Z BR 10/93, WuM 1993, 565, 566 zu einer Teilungserklärung, nach der die Zustimmung zur Errichtung eines Zaunes unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einer Realteilung notwendig ist; BayObLG v. 9.12.1999 – 2 Z BR 101/99, ZMR 2000, 23; BayObLG v. 23.1.2001 – 2 Z BR 116/00, ZMR 2001, 472; BayObLG v. 21.2.2001 – 2 Z BR 104/00, BayObLGZ 2001, 41 = ZMR 2001, 563 (kein Anspruch auf Einhaltung von Grenzabstand innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft); BayObLG v. 21.2.2002 – 2 Z BR 145/01, ZWE 407, 408 f.; KG v. 21.12.1998 – 24 W 5948/88, OLGZ 1989, 174 = ZMR 1989, 188; OLG Frankfurt/M. v. 18.11.1983 – 20 W 461/84, OLGZ 1984, 60; OLG Frankfurt v. 30.6.2008 – 20 W 222/06, juris; OLG München v. 20.2.2008 – 32 Wx 2/08, OLG Report München 2008, 473 = DNotZ 2008, 614. 250 BayObLG v. 12.8.2004 – 2 Z BR 148/04, NZM 2005, 69. 251 Vgl. a. BayObLG v. 12.9.1996 – 2 Z BR 52/96, ZMR 1997, 41; BayObLG v. 19.5.2004 – 2 Z BR 67/04, ZMR 2005, 212 für öffentliches Nachbarrecht; BayObLG v. 9.12.1999 – 2 Z BR 101/99, ZMR 2000, 23 für privates Nachbarrecht. 252 OLG Düsseldorf v. 26.8.2005 – 3 Wx 64/05, ZMR 2006, 142. 253 Zur unterschiedlichen Bedeutung der Formulierungen „mit drei Vierteln“ und „mit mehr als drei Vierteln“ vgl. BT-Drucks. 16/3843, S. 25. 254 Für die Erlaubnis von Um- und Ausbauten auch unter Eingriff in das Gemeinschaftseigentum vgl. LG Hamburg v. 29.2.2012 – 318 S 236/10, ZMR 2012, 887, Rz. 28; s.a. LG Hamburg v. 29.2.2012 – 318 S 16/11, ZMR 2012, 574 zur Abgrenzung von Balkon und Loggia. 255 LG Izehoe v. 19.4.2011 – 11 S 26/10, juris. 256 KG v. 17.7.2000 – 24 W 8114/99 und 2406/00, NZM 2001, 341 = ZMR 2001, 58. 257 BayObLG v. 21.11.1989 – BReg 2Z 123/89, NJW-RR 1990, 209; KG v. 21.5.2003 – 24 W 253/02, NZM 2003, 642.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.121 Teil 10

weist, so gibt diese in der Vereinbarung enthaltene Öffnungsklausel258 der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz, die Frage, unter welchen Voraussetzungen bauliche Veränderungen zulässig sein sollen, durch Mehrheitsbeschluss zu regeln.259 Für die Grenzen der Mehrheitsmacht ist die frühere Rechtsprechung260 überholt: Wie für die gesetzlichen Öffnungsklauseln in § 16 Abs. 3 und 4 WEG261 ist bei der Frage nach der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung darauf abzustellen, dass sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen; es besteht also ein weiter Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer.262 Eine weiterreichende Kontrolle erfolgt aber bei Beschlussgegenständen, die unverzichtbare oder unentziehbare, aber verzichtbare, also mehrheitsfeste Rechte der Sondereigentümer betreffen, wie etwa die Änderung der Zweckbestimmung eines Sondereigentums.263 Unzulässig bleibt als Ausfluss des Belastungsverbots ohne Zustimmung des Betroffenen die Aufbürdung neuer, originärer Leistungspflichten, die nicht bereits in der Öffnungsklausel ausdrücklich angelegt sind.264 Willkür lässt sich für das „Ob“ und das „Wie“ nur annehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt.265 Versteht man Willkür nunmehr also als Ausnahme, ergibt sich daraus zutreffend eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, die folgerichtig den Anfechtenden trifft.266 Allerdings dürfen deren Auswirkungen für die Praxis nicht überschützt werden, denn das Fehlen eines sachlichen Grundes ist eine negative Tatsache, so dass nach allgemeinen Regeln eine sekundäre Darlegungslast der der übrigen, den Eigentümerbeschluss mehrheitlich tragenden Wohnungseigentümer besteht, die Gründe für ih258 Zum dann zu beachtenden Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer Leistungspflichten schützt, vgl. BGH v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, MDR 2015, 79; BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, MDR 2019, 657. Zu Gestaltungsmöglichkeiten Lieder in: Bayer/Koch, Offene Fragen des Wohnungseigentumsrechts und deren Bedeutung für die notarielle Praxis, 2018, S. 39. 259 KG v. 17.7.2000 – 24 W 8114/99 und 2406/00, NZM 2001, 341. Beim Streit, ob die in der Öffnungsklausel genannten Voraussetzungen der Beschlussfassung an Form, Mehrheiten oder Inhalt kompetenzbegründend sind (Folge bei Verletzung: Beschlussnichtigkeit; so etwa AG Lichtenberg v. 14.5.2012 – 12 C 33/11 ZWE 2012, 321; Elzer, ZWE 2013, 323) oder nur die Grenzen der ordnungsgemäßen Verwaltung bestimmen (Folge bei Verstößen: Anfechtbarkeit); so etwa LG München I v. 3.11.2010 – 36 S 12740/10 WEG, ZWE 2010, 140; v. 20.9.2010 – 36 S 12740/10 WEG, ZMR 2011, 322; LG Berlin v. 19.4.2013 – 55 S 170/12, ZMR 2013, 735 m. krit. Anm. Elzer, ZWE 2013, 335; Becker, ZWE 2012, 297, 298, spricht – soweit die Vereinbarung keine ausdrückliche Regelung enthält – viel dafür, formelle im Gegensatz zu inhaltlichen Beschlussanforderungen nicht als kompetenzbegründend anzusehen (vgl. Armbrüster, ZWE 2013, 242, 245; vgl. für die vereinbarte Eintragung im Beschlussbuch LG Saarbrücken v. 27.10.2010 – 5 S 7/10, NZM 2010, 909; für Mehrheitserfordernisse LG München I v. 13.1.2014 – 1 S 1817/13 WEG, ZMR 2014, 480). 260 BayObLG v. 21.11.1989 – BReg.2 Z 123/89, BayObLGZ 1989, 437 = NJW-RR 1990, 209; BayObLG v. 27.4.2001 – 2Z BR 70/00, ZMR 2001, 829; KG v. 21.12.1998 – 24 W 5948/88, OLGZ 1989, 174 = NJW-RR 1989, 329 = ZMR 1989, 188; KG v. 28.7.1999 – 24 W 1542/99, NZM 2000, 348 = ZMR 1999, 850; OLG Düsseldorf v. 27.3.2000 – 3 Wx 53/00, NZM 2001, 392; OLG Hamburg v. 14.3.2001 – 2 Wx 103/98, ZMR 2001, 651 f. 261 BGH v. 1.4.2011 – V ZR 162/10 – Rz. 8 f., MDR 2011, 781; v. 10.6.2011 – V ZR 2/10, MDR 2011, 971; v. 16.9.2011 – V ZR 3/11 – Rz. 8, NJW-RR 2011, 1646. 262 Armbrüster, ZWE 2013, 242 ff. 263 BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, MDR 2019, 657. 264 BGH v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, MDR 2015, 79; LG Karlsruhe v. 21.3.2017 – 11 S 88/16, ZWE 283, 284. 265 Vgl. grundlegend BVerfG v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 52 = NJW 1951, 877 ff. 266 Armbrüster, ZWE 2013, 242 ff.; Bonifacio, MietRB 2012, 26, 28.

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Teil 10 Rz. 10.121

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

re Entscheidung anzugeben;267 nur diese Gründe muss der Anfechtungskläger ausräumen und nicht die unmögliche Pflicht erfüllen, alle denkbaren Gründe auszuräumen.268

10.122 Die Mehrheitsmacht darf aber nicht schrankenlos verstanden werden: Wenn die äußere Gestaltung der Wohnanlage mit Mehrheit geregelt werden darf, sind dennoch verunstaltende bauliche Maßnahmen, also solche, die auch beim in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Betrachter nachhaltigen Protest auslösen, nicht zulässig.269 Dagegen kann es für die Beurteilung der Mehrheitsentscheidung nicht darauf ankommen, dass kein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG vorliegt oder eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, § 21 Abs. 3, 4 WEG.270 Bedürfen bauliche Veränderungen nach der Teilungserklärung eines Mehrheitsbeschlusses, so ist über den Mehrheitsbeschluss hinaus nicht auch noch die Mitwirkung aller benachteiligten Wohnungseigentümer erforderlich.

10.123 Sieht bereits die Teilungserklärung ein „Ausbaurecht“ vor, brauchen die übrigen Wohnungseigentümer nur solche Beeinträchtigungen zu dulden, die zur Verwirklichung notwendig sind; weitergehende Maßnahmen sind als bauliche Veränderungen zustimmungsbedürftig.271 Auch für ein Ausbaurecht gilt, dass der berechtigte Wohnungseigentümer das ihm eingeräumte Recht nur schonend ausüben darf, auf die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer soweit wie möglich Rücksicht nehmen muss und bei verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung die Lösung wählen muss, die die Belange der übrigen Wohnungseigentümer am wenigsten beeinträchtigt.272 Bei der Einräumung eines Ausbaurechts273 als Zustimmungserklärung kommt es auf die Formulierung im Einzelfall an, welche Rechte eingeräumt sind,274 insbesondere ob es noch einer Genehmigung der konkreten Bauausführung durch Mehrheitsbeschluss bedarf.275 Regelmäßig besteht kein Recht, die baulichen Maßnahmen bereits während der Herstellungsphase begleitend zu kontrollieren und deshalb die Herausgabe aller notwendigen Unterlagen zu verlangen, um einen Sachverständigen mit der Prüfung zu beauftragen.276 Wenn auch keine Unbedenklichkeitsbescheinigung gefordert werden kann, so ist der umbauende Wohnungseigentümer doch zur Auskunft und Umfang der durchgeführten Maßnahmen verpflichtet.277 267 Für die Beschlussfassung maßgeblich können nur die zuvor erörterten Gründe in Betracht kommen; anders als im Verwaltungsrecht (§ 114 S. VwGO) kann sich die Mehrheit eine Begründung nicht erst nachträglich im Beschlussanfechtungsverfahren überlegen; vgl. AG Hamburg-Blankenese v. 24.6.2015 – 539 C 31/14, ZMR 2015, 813. 268 A.A. wohl Armbrüster, ZWE 2013, 242 (244). 269 OLG Düsseldorf v. 26.8.2005 – I-3 Wx 64/05, ZMR 2006, 142. 270 BayObLG v. 21.11.1989 – BReg 2 Z 123/89, BayObLGZ 1989, 437 = WuM 1990, 90. 271 BayObLG v. 16.4.1998 – 2 Z BR 61/98, NZM 1999, 132; KG v. 16.1.1984 – 24 W 4224/83, ZMR 1986, 189; vgl. auch OLG München v. 27.3.2007 – 32 Wx 179/06, ZMR 2007, 993 zum Einbau von Dachfenstern bei Gestattung des Dachgeschossausbaus. 272 OLG Köln v. 17.8.2005 – 16 Wx 119/05, NZM 2005, 911. 273 Dazu Lehmann-Richter, ZWE 2017, 193. 274 Vgl. LG Hamburg v. 1.2.2017 – 318 S 76/15, ZMR 2017, 761; LG Frankfurt v. 20.1.2017 – 2-13 S 14/16, ZMR 2017, 425. 275 So LG Berlin v. 16.7.2013 – 55 S 171/12 WEG, Grundeigentum 2013, 1287 für einen Einzelfall, der einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist; ebenso AG Schöneberg v. 29.6.2018 – 771 C 102/17, ZMR 2018, 959. 276 BGH v. 26.2.2016 – V ZR 131/15 – Rz. 15, NZM 2016, 473, für den Fall einer kompletten Neuerstellung des Dachstuhls im Zuge eines Dachausbaus; a.A. AG Aachen v. 8.1.2014 – 118 C 13/13, ZMR 2015, 400. 277 LG München I v. 8.5.2014 – 36 S 20940/12, ZMR 2014, 916.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.126 Teil 10

Die bloße Einräumung von Sondernutzungsrechten berechtigt aber grundsätzlich nicht zur Durchführung baulicher Veränderungen, weil einem Sondernutzungsberechtigten keine weitergehenden Rechte als einem Sondereigentümer zustehen können.278 Vielmehr enthält die Zuweisung zur Sondernutzung die Zustimmung für bauliche Veränderungen nur, soweit sie in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts Eingang gefunden haben oder wenn sie nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen.279 Insoweit kann das Sondernutzungsrecht bauliche Veränderungen in einem bestimmten Umfang umfassen, etwa bei dem Sondernutzungsrecht an Gartenflächen bzw. wenn die bauliche Veränderung bei der Regelung des Sondernutzungsrechts ausdrücklich gestattet wird.280

10.124

In Fällen, in denen einem Wohnungseigentümer eine bestimmte gewerbliche Nutzung seines 10.125 Teileigentums ermöglicht wird, ist die Gestattung regelmäßig dahin auszulegen, dass damit zugleich den baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums zugestimmt wird, die mit dieser Nutzungsart zwangsläufig verbunden sind. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine in der Teilungserklärung festgeschriebene Nutzung handelt281 oder um eine aufgrund einer Öffnungsklausel in der Teilungserklärung durch Mehrheitsbeschluss genehmigte.282 (2) Erschwerungen Als gegenüber §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG erschwerende Regelung der Teilungserklärung ist es auch möglich, die Zustimmung aller Wohnungseigentümer auch für geringfügige und für niemanden nachteilige bauliche Veränderungen oder Veränderungen des äußeren Gestaltungsbildes zu verlangen283 oder einen einstimmigen Eigentümerbeschluss zur Genehmigung aller baulichen Veränderungen zu verlangen.284 Das besondere Zustimmungserfordernis kann auch auf bestimmte Arten baulicher Veränderungen beschränkt werden, etwa Veränderungen am Erscheinungsbild der Wohnanlage stets der allseitigen Zustimmung unterworfen werden.285 Zulässig ist auch eine Regelung, nach der die Sondereigentümer die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Räume und das Grundstück nicht eigenmächtig verändern dürfen.286 Um einen Streit darüber zu verhindern, ob der Eingriff in für den Bestand oder die Sicherheit erforderliche Gebäudeteile andere Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 278 BayObLG v. 21.5.1992 – 2 Z BR 38/92, WuM 1992, 392; BayObLG v. 8.7.1993 – 2 Z BR 51/93, ZMR 1993, 476; KG v. 10.1.1994 – 24 W 3851/93, OLGZ 1994, 393 = ZMR 1994, 274; OLG Karlsruhe v. 23.1.1987 – 11 W 133/86, WuM 1987, 236; OLG Köln v. 19.6.1995 – 16 Wx 46/95, ZMR 1995, 606; OLG Köln v. 18.1.2002 – 16 Wx 247/01, NZM 2002, 458. 279 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, Tz. 8, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676; BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, ZMR 2012, 883; s.a. LG Hamburg v. 10.9.2010 – 318 S 24/09, NZM 2011, 589 = ZMR 2011, 226 zur üblichen gärtnerischen Nutzung. 280 Vgl. BayObLG v. 18.3.2005 – 2 Z BR 233/04, NZM 2005, 744 für die Anlage eines Teichs. 281 BayObLG v. 13.3.1997 – 2 Z BR 8/97, ZMR 1997, 317; BayObLG v. 6.10.2000 – 2 Z BR 74/00, NZM 2000, 1236 = ZMR 2001, 123. 282 OLG Köln v. 15.5.2002 – 16 Wx 85/02, n.v. 283 BayObLG v. 25.9.1997 – 2 Z BR 79/97, WuM 1997, 700; BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640 für Zulässigkeit äußerer Veränderungen nur mit allseitiger Zustimmung; Pfälzisches OLG v. 23.11.2001 – 3 W 226/01, = ZMR 2002, 469. 284 BayObLG v. 5.5.2004 – 2 Z BR 265/03, WuM 2004, 495; BayObLG v. 5.4.2005 – 32 Wx 19/05, ZMR 2005, 726. 285 OLG Frankfurt v. 15.3.2005 – 20 W 471/02, NZM 2005, 947 (948); OLG Düsseldorf v. 23.5.2007 – 3 Wx 21/07, ZMR 2008, 221. 286 OLG München v. 31.3.2006 – 34 Wx 111/05, ZMR 2006, 797.

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575

10.126

Teil 10 Rz. 10.126

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

WEG festgelegte Maß hinaus nicht wesentlich beeinträchtigt, erscheint es sinnvoll, solche Maßnahmen unabhängig von der gesetzlichen Regelung durch Vereinbarung in jedem Fall der Zustimmungspflicht zu unterwerfen.287

10.127 Wenn auch noch Maßnahmen der Verwaltung, etwa Instandhaltung und Instandsetzung, von der Zustimmung aller Wohnungseigentümer abhängig gemacht werden, wie das in den kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften manchmal anzutreffen ist, tritt schnell selbst bei anfänglichet Harmonie eine tief greifende Blockade ein, die den wirtschaftlichen Wert des Wohnungseigentums beeinträchtigen kann.

10.128 Soweit eine Teilungserklärung die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit unterwirft, wird man dies – neben der schon erläuterten Erleichterung – nicht in jedem Fall zugleich als Erschwerung dahin verstehen müssen, dass ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss immer und unabhängig davon erforderlich sein soll, ob andere Wohnungseigentümer überhaupt über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.288 (3) Erfordernis der Verwalterzustimmung

10.129 Der Auslegung bedarf eine Regelung, dass vor einer baulichen Veränderung die (schriftliche) Zustimmung des Verwalters und/oder des Verwaltungsbeirats einzuholen sei. Dies wird auch von Juristen leicht dahin missverstanden, dass eine Erleichterung gegenüber der Zustimmung aller Wohnungseigentümer geregelt sei. Die unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Wohnungseigentumsgemeinschaft auszulegende289 Regelung ist aber nur bei eindeutigem Wortlaut290 dahin zu verstehen, dass die Verwalterzustimmung die Zustimmung der über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus benachteiligten Wohnungseigentümer ersetzen soll. Etwa bei sehr großen Anlagen mag ausnahmsweise eine völlige Übertragung der Zustimmungskompetenz gemeint sein, wenn sich in der Teilungserklärung Anhaltspunkte für eine derartige Übertragung eigener Rechte der Wohnungseigentümer finden. Grundsätzlich stellt entsprechend der Interessenlage, ein eigenmächtiges Bauen unter Hinweis auf mangels eines Nachteils nicht erforderliche Zustimmungen anderer Wohnungseigentümer zu verhindern,291 die dem Verwalter in der Teilungserklärung zugewiesene Zustimmungsbefugnis aber nur ein zusätzliches Erfordernis (Vorschalterfordernis) neben der Zustimmung der nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer dar.292 Die Zustimmung kann analog § 185 Abs. 2 BGB auch 287 Vgl. zur Zulässigkeit und Auslegung OLG Düsseldorf v. 7.1.2005 – 3Wx 306/04, DNotZ 2005, 686. 288 LG Hamburg v. 26.6.2019 – 318 S 112/18, ZWE 2019, 378; a.A. für den Einzelfall BayObLG v. 19.3.1998 – 2 Z BR 131/97, WuM 1998, 563 = ZMR 1998, 503. 289 KG v. 1.7.1991 – 24 W 2051/91, OLGZ 1992, 188 = ZMR 1991, 445; OLG Düsseldorf v. 10.3.1997 – 3 Wx 159/95, NJW-RR 1997, 1103. 290 KG v. 1.7.1991 – 24 W 2051/91, OLGZ 1992, 188 = ZMR 1991, 445; KG v. 18.3.1998 – 24 W 2334/97, NZM 1998, 771 = ZMR 1998, 657; OLG Düsseldorf v. 10.3.1997 – 3 Wx 159/95, NJWRR 1997, 1103; Pfälzisches OLG v. 29.6.1992 – 3 W 30/92, MDR 1992, 1054 = NJW 1992, 2899; LG München v. 20.6.2011 – 1 S 23256/10, ZWE 2011, 423. 291 Nach OLG Schleswig v. 12.2.2003 – 2 W 217/02, NZM 2003, 558; OLG Schleswig v. 2.9.2004 – 2 W 93/04, OLGReport Schleswig 2005, 383, stellt allein die eigenmächtige Errichtung ohne Einholung der Verwalterzustimmung keine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 862 BGB dar, weil es sich dann um einen Streit über die Grenzen des Mitbesitzes i.S.v. § 866 BGB handelt. 292 BayObLG v. 2.3.2000 – 2 Z BR 152/99, NZM 2000, 876; OLG Frankfurt v. 24.4.2006 – 20 W 294/03, ZWE 2006, 409 (LS); OLG Köln v. 7.6.1995 – 16 Wx 78/95, DWE 1997, 32; OLG Köln v. 15.10.2003 – 16 Wx 97/03, OLGReport Köln 2004, 70; a.A. Bub, WE 1998, 16, 19.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.133 Teil 10

noch nachträglich erfolgen und gemäß § 183 BGB widerrufen293 werden. Dieses zusätzliche Erfordernis einer (schriftlichen) Verwalterzustimmung schützt die Wohnungseigentümer davor, dass der Umbauwillige eigenmächtig Veränderungen vornimmt unter Berufung darauf, die anderen Wohnungseigentümer seien nicht nachteilig beeinträchtigt und müssten deshalb nicht zustimmen.294 Soweit dann weiter vorgesehen ist, dass bei Verweigerung der Zustimmung durch den Verwalter die Wohnungseigentümergemeinschaft angerufen werden kann, bedarf es, soweit nicht ausdrücklich eine andere Regelung vereinbart ist, einer den Anforderungen des § 22 Abs. 1 WEG genügenden Entscheidung, also der Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer.295 Bei unberechtigter Verweigerung, wenn ein Anspruch auf Zustimmung zur baulichen Veränderung besteht, ist die Klage auf Verpflichtung zur Zustimmung gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu erheben. Nur wenn der Verwalter ausnahmsweise allein entscheidungsbefugt ist, muss er auf Erteilung der Zustimmung in Anspruch genommen werden.

10.130

Prozessual ergeben sich aus dieser materiellen Rechtslage gegenüber der Verwalterzustimmung gemäß § 12 WEG296 abweichende Konsequenzen: Wenn die Verwalterzustimmung zur baulichen Veränderung wie im Regelfall nur als zusätzliches formales Erfordernis von baulichen Veränderungen ausgestaltet worden ist, gilt für den Wohnungseigentümer, der die Genehmigung für eine eigene bauliche Veränderung erhalten will, dass es nur um deren Zulässigkeit in der Sache gehen kann. Wenn die bauliche Veränderung materiell zulässig ist, tritt die gerichtliche Klärung im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern an die Stelle der Verwalterzustimmung, die danach in jedem Fall zu erteilen wäre; einer gesonderten Inanspruchnahme des Verwalters bedarf es in diesem Fall nicht. Wird dem Verwalter dagegen ausnahmsweise eine originäre eigene Kompetenz eingeräumt, ist er selbst dann auf ihre Erteilung in Anspruch zu nehmen, wenn er seine Versagung inhaltlich an den Wünschen der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgerichtet hat.297

10.131

Hinweis: Der Verwalter sollte sich bei der ihm durch die Teilungserklärung eingeräumten Zustimmungsmöglichkeit zurückhalten. Einmal wird er kaum einmal wirklich nach der Teilungserklärung alleine zur Entscheidung befugt sein. Zum anderen kann er immer eine Meinungsbildung in der Eigentümerversammlung herbeiführen. Soweit nach der Teilungserklärung die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf, kann der Verwalter in Zweifelsfällen die Weisung der Eigentümerversammlung einholen.298

10.132

Es gehört schon gar nicht zu den Aufgaben des Verwalters, bei Bauanträgen einzelner Wohnungseigentümer die Zustimmung „als Grundeigentümer“ oder deren Bevollmächtigter zu erteilen.299 Solches Tun kann schadensersatzpflichtig machen, ebenso die unzutreffende

10.133

293 BayObLG v. 31.8.2000 – 2 Z BR 39/00, NZM 2001, 138 = ZMR 2001, 41. 294 BayObLG v. 2.3.2000 – 2 Z BR 152/99, ZWE 2000, 217; OLG Düsseldorf v. 10.3.1997 – 3 Wx 159/95, NJW-RR 1997, 1103; Pfälzisches OLG v. 29.6.1992 – 3 W 30/92, MDR 1992, 1054 = NJW 1992, 2899. 295 Pfälzisches OLG v. 29.6.1992 – 3 W 30/92, MDR 1992, 1054 = NJW 1992, 2899. 296 Vgl. BGH v. 13.5.2011 – V ZR 166/10, MDR 2011, 911 = ZfIR 2011, 615 mit Anm. Hogenschurz. 297 Vgl. zu § 12 WEG BGH v. 13.5.2011 – V ZR 166/10, Tz. 8, MDR 2011, 911 unter Hinweis auf Bub, NZM 2001, 502, 503. 298 Vgl. BGH v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1216; OLG Frankfurt v. 18.11.1983 – 20 W 461/84, OLGZ 1984, 60. 299 LG Hamburg v. 20.7.1989 – 20 T 94/88, Wohnungseigentümer 1990, 32.

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Teil 10 Rz. 10.133

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Mitteilung an den Bauwilligen, die beabsichtigte Veränderung sei nicht zustimmungsbedürftig.300 Die Unterschrift unter Bauanträge kann als Zustimmung zur baulichen Veränderung (miss-)verstanden werden.301 Eine Zustimmung des Verwalters, die Vorgaben bestandskräftiger Mehrheitsbeschlüsse missachtet, ist unwirksam.302 kk) Reformüberlegungen

10.134 Schon der ausführlich vorgestellte Streit zu zentralen Fragen der baulichen Veränderung (vgl. Rz. 10.46) begründet die Notwendigkeit des gesetzgeberischen Eingreifens, denn die bestehende Rechtsunsicherheit und die daraus abzuleitenden Haftungsrisiken weder dem ausbauwilligen Wohnungseigentümer noch den übrigen Wohnungseigentümern und schließlich dem Verwalter nicht zuzumuten. Da hilft es wenig, dass man bei „richtigem Verständnis“ der bisherigen gesetzlichen Regelungen zu praktikablen Lösungen käme und durch eine Neuinterpretation des Nachteilsbegriffs, bei der nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben, über den Begriff des unvermeidlichen Maßes in § 14 Nr. 1 WEG eine Abwägung zwischen Eingriffsintensität und Nutzen nach den bauliche Besonderheiten der Wohnanlage berücksichtigen könnte.303

10.135 Erforderlich und wünschenswert wären für den Bereich der baulichen Veränderung Klarstellungen, dass eine Zustimmung zu einer baulichen Veränderung unter Verwahrung gegen die Kostenlast einschließlich der Folgekosten erfolgen kann, also eine Neufassung von § 16 Abs. 6 S. 1 WEG und eine Klarstellung zum Begriff des Einzelfalls in § 16 Abs. 4 WEG. Ob daneben durch eine Neufassung des § 22 Abs. 2 WEG die Möglichkeiten der Modernisierung ausgeweitet und die Anforderungen an die qualifizierten Mehrheiten abgesenkt werden sollten, liegt außerhalb der des Gegenstandes dieses Abschnitts; die modernisierende Instandsetzung sollte dabei jedenfalls keinesfalls beschränkt werden. Sieht man die Fragen der Barrierefreiheit durch die Rechtsprechung des BGH (vgl. Rz. 10.328) als zufriedenstellend gelöst an und die Ausstattung von Gebäuden mit Ladestationen für Elektromobile wie die Ausstattung mit Rauchwarnmeldern als Regelungsgegenstand der Landesbauordnungen, bedarf es eines „Gesetz zur Förderung von Barrierefreiheit und Elektromobilität im Miet- und Wohnungseigentumsrecht“ aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht nicht. 3. Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes

10.136 Steht fest, dass die bauliche Veränderung nicht rechtmäßig erfolgt ist, stellt sich die Frage, – aus welchen Anspruchsgrundlagen – durch welchen Anspruchsberechtigten – von welchem Anspruchsverpflichteten – wie lange nach Vornahme der Veränderung Beseitigung und Rückbau verlangt werden können. 300 Vgl. BGH v. 2.10.1991 – V ZB 9/91, BGHZ 115, 253 = MDR 1992, 257 = NJW 1992, 182. 301 Zweifelnd BayObLG v. 2.9.1993 – 2 Z BR 73/93, NJW-RR 1994, 82; KG v. 18.3.1998 – 24 W 2334/97, NZM 1998, 771 = ZMR 1998, 657; OLG Karlsruhe v. 13.2.1998 – 4 W 42/97, NZM 1998, 526. 302 OLG Frankfurt v. 2.12.2004 – 20 W 186/03, NZM 2005, 427. 303 In diese Richtung jetzt, wenn auch keineswegs eindeutig BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17 – Rz. 28, MDR 2018, 1366.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.142 Teil 10

a) Anspruchsgrundlagen/Anspruchsinhalt Zunächst besteht nach allgemeiner Meinung ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB und aus § 15 Abs. 3 WEG auf Beseitigung der unzulässigen baulichen Veränderung und Wiederherstellung des früheren Zustands gegen den Wohnungseigentümer, der sie veranlasst hat. Der Anspruch ist auf die Herbeiführung eines bestimmten Zustandes (Erfolges), nämlich die Widerherstellung des früheren Zustandes, gerichtet; eine konkrete Maßnahme kann nur verlangt werden, wenn allein diese Maßnahme zur Herbeiführung dieses Zustandes vernünftigerweise in Betracht gezogen werden kann.304 Daneben gibt § 985 BGB einen Anspruch auf Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum, soweit die bauliche Veränderung auch ein Vorenthalten des Besitzes oder eine andere Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt,305 und dem Sondernutzungsberechtigten einen Anspruch auf Einräumung von Alleinbesitz.306

10.137

Bei schuldhafter Verletzung des Gemeinschaftseigentums oder fremden Sondereigentums besteht daneben ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB,307 der auf Schadensersatz gemäß §§ 249 ff. BGB gerichtet ist.

10.138

Schließlich kommt ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung in Betracht,308 §§ 280, 241 Abs. 2 BGB. Ein solcher Anspruch kann bei einer Verletzung der Pflichten aus dem Verwaltervertrag durch den Verwalter bestehen oder bei einer Verletzung der Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis zum Beispiel durch die Überschreitung der Grenzen einer nach einer Vereinbarung zulässigen baulichen Veränderung. Dieser Anspruch eröffnet die Anwendung des § 278 BGB.309

10.139

Mangels Bedeutung für das maßgebliche Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander steht die zwischenzeitliche Genehmigung der Baumaßnahme durch die Bauaufsichtsbehörde dem Beseitigungsanspruch nicht entgegen.310

10.140

Soweit die begründete Besorgnis eines künftigen Eingriffs besteht, geht der Anspruch auf Unterlassung und kann mit der vorbeugenden Unterlassungsklage, nicht der Feststellungsklage, durchgesetzt werden.311

10.141

Zur Vorbereitung eines Beseitigungsanspruchs kann ein Anspruch gegen den umbauenden Miteigentümer auf Auskunft bestehen, weil im Zweifel nur dieser als möglicher Störer die zur Beurteilung eines Anspruchs erforderlichen Einzelheiten kennt, und zwar aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Treuepflicht selbst dann noch, wenn das Wohnungseigentum während des anhängigen Verfahrens veräußert wird.312

10.142

304 BGH v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 = MDR 2004, 503. 305 OLG München v. 16.11.2007 – 32 Wx 111/07, ZMR 2008, 234; s.a. OLG München v. 18.11.2008 – 32 Wx 132/08, NZM 2009, 33; LG München I v. 14.11.2018 – 36 S 12013/17 WEG, ZMR 2019, 446. 306 LG München I v. 29.3.2010 – 1 S 17989/09, ZMR 2010, 794. 307 OLG Hamm v. 12.3.1991 – 15 W 41/90, OLGZ 1991, 418 = MDR 1991, 1171. 308 BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 = MDR 2001, 497 = NJW 2001, 1212. 309 LG Berlin v. 18.8.2000 – 85 T 62/00 WEG, ZMR 2001, 576. 310 OLG Köln v. 21.1.1998 – 16 Wx 299/97, OLGReport Köln 1998, 137. 311 LG Hamburg v. 20.10.2010 – 318 S 42/10, ZMR 2011, 161; zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch allgemein BGH v. 9.5.2019 – III ZR 388/17, Tz. 13, MDR 2019, 990. 312 OLG Düsseldorf v. 25.11.1996 – 3 Wx 516/94, ZMR 1997, 149.

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Teil 10 Rz. 10.143

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.143 Ein Mehrheitsbeschluss, der anspruchsbegründend die Pflicht zur Beseitigung (und Widerherstellung) festsetzten soll, ist mangels Beschlusskompetenz313 nichtig. Eine Kompetenz, contra legem Ansprüche zu schaffen, ist der Wohnungseigentümergemeinschaft weder durch Gesetz noch (vorbehaltlich einer besonderen, ausdrücklichen Vereinbarung) in der Teilungserklärung verliehen. Ein solcher Eigentümerbeschluss widerspricht also nicht bloß ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn er kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist für den gesetzlichen Beseitigungsanspruch gefasst wird und zum Nachteil des betroffenen Wohnungseigentümers zu einer Verdoppelung der Verjährungsfrist führen würde.314 Ebenso fehlt der Wohnungseigentümergemeinschaft die Beschlusskompetenz dafür, durch Beschluss die Erfüllung eines für einen einzelnen Wohnungseigentümer titulierten Beseitigungsanspruchs festzustellen.315

10.144 Abzugrenzen sind durch Auslegung zulässige Beschlüsse über die Vergemeinschaftung und Durchsetzung von Individualansprüchen. Wenn durch einen Mehrheitsbeschluss der Verwalter zur Geltendmachung von Rückbauansprüchen und Beauftragung eines Rechtsanwalts ermächtigt wird, soll dieser Eigentümerbeschluss regelmäßig keinen Anspruch begründen, gleich ob es sich um eine Meinungskundgebung der Mehrheit oder um eine Abmahnung im Sinne von § 18 WEG handelt.316

10.145 Soweit die Wohnungseigentümergemeinschaft über die Inanspruchnahme eines Wohnungseigentümers auf Rückbau entscheiden will, ist also nur eine Willensbildung der übrigen Wohnungseigentümer über ihr weiteres Vorgehen möglich; dabei sind die allgemeinen Voraussetzungen bei der Ermessenentscheidung über die Vergemeinschaftung317 zu beachten. b) Anspruchsberechtigte

10.146 Dem einzelnen Wohnungseigentümer steht ein ursprünglicher, nicht von der Wohnungseigentümergemeinschaft oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeleiteter Anspruch auf Beseitigung der baulichen Veränderung und Wiederherstellung des früheren Zustands aus § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG zu, soweit er durch die bauliche Veränderung erheblich benachteiligt ist und weder er noch sein Rechtsvorgänger der Maßnahme zugestimmt haben.318 Daneben gibt § 985 BGB dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum, soweit die bauliche Veränderung ein Vorenthalten des Besitzes oder eine andere Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt.319 Der Wohnungseigentümer bedarf zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht einer Ermächtigung der Wohnungseigentümer-

313 BGH v. 18.6.2010 – V ZR 193/09, MDR 2010, 1108 = NJW 2010, 2801; grundlegend zu den Grenzen der Beschlusskompetenz BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367. 314 So noch OLG Hamm v. 29.5.2007 – 15 W 16/07, NZM 2007, 839 = ZMR 2007, 880. 315 OLG Hamm v. 24.1.2001 – 15 W 405/00, NZM 2001, 543 = ZMR 2001, 654. 316 Vgl. LG Frankfurt a.M. v. 26.11.2018 – 2-09 S 88/17, WuM 2019, 99; AG Bonn v. 17.1.2019 – 27 C 111/18, ZMR 2019, 300. 317 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, WuM 2019, 102. 318 BayObLG v. 1.2.2001 – 2 Z BR 68/00, Grundeigentum 2001, 775; BayObLG v. 26.4.2001 – 2 Z BR 4/01, ZMR 2001, 827; KG v. 8.9.1993 – 24 W 5753/93 und 24 W 2301/93, WuM 1994, 38; OLG Celle v. 24.2.2012 – 4 W 1/12, ZMR 2012, 569. 319 OLG München v. 16.11.2007 – 32 Wx 111/07, ZMR 2008, 234; LG München I v. 14.11.2018 – 36 S 12013/17 WEG, ZMR 2019, 446.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.149 Teil 10

gemeinschaft.320 Gleiches gilt für die Ansprüche aus §§ 280, 241 BGB wegen Verletzung der Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Der Wohnungseigentümer kann grundsätzlich auch seinen Mieter zur gerichtlichen Geltendmachung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft ermächtigen. Denkbar ist auch, dass sich ein veräußernder Wohnungseigentümer gegenüber seinem Erwerber zur Geltendmachung und Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs verpflichtet. Gehört das Wohnungseigentum mehreren Wohnungseigentümern gemeinschaftlich in Bruchteilsgemeinschaft, darf jeder von ihnen allein gemäß § 1011 BGB geltend machen.321

10.147

Die Wohnungseigentümergemeinschaft, der selbst grundsätzlich keine eigenen Abwehransprüche zustehen,322 kann die Ausübung des Individualanspruchs gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 2. Hs. WEG durch Eigentümerbeschluss an sich ziehen,323 weil es sich um einen gemeinschaftsbezogenen Anspruch handelt, der gemeinschaftlich durch mehrere Wohnungseigentümer geltend gemacht werden kann. Eine Pflicht zur Vergemeinschaftung besteht nicht und deren Ablehnung beinhaltet keine Genehmigung der baulichen Veränderung.324 Bei Vorliegen eines Eigentümerbeschlusses, nach dem die Beseitigungsansprüche durch den Verband ausgeübt werden sollen, ist die Geltendmachung durch den einzelnen Wohnungseigentümer ausgeschlossen, wenn der Eigentümerbeschluss nicht ganz ausnahmsweise wegen Rechtsmissbräuchlichkeit (Verhinderung der Anspruchsdurchsetzung durch einzelne Wohnungseigentümer usw.) nichtig ist.325 Deshalb besteht nach der Vergemeinschaftung eine Pflicht zur effektiven Durchsetzung des Anspruchs; es ist aber nicht erforderlich, sogleich mit der Vergemeinschaftung die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen.326 Sobald Maßnahmen zur Durchsetzung beschlossen sind, muss der Verwalter diese durchsetzen und jeder Wohnungseigentümer kann dies von ihm verlangen und diesen Anspruch wenn notwendig im Klagewege durchsetzen.327

10.148

Prozessual ist zu beachten, dass vor der Bestandskraft des Eigentümerbeschlusses über die 10.149 Vergemeinschaftung die Beseitigungsklage eines einzelnen Wohnungseigentümers nicht wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden darf, sondern dieses Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Anfechtungsklage gegen den Beseitigungsbeschluss entspre320 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167. 321 Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft, vgl. BGH v. 23.1.1981 – V ZR 146/79, BGHZ 79, 247 = NJW 1981, 1097 = MDR 1981, 481; BGH v. 28.6.1985 – V ZR 43/84, NJW 1985, 2825 = MDR 1986, 486. 322 Vgl. OLG München v. 27.7.2005 – 34 Wx 69/05, NJW 2005, 3006: OLG München v. 12.12.2005 – 34 Wx 83/05, NZM 2006, 345; OLG München v. 14.12.2005 – 34 Wx 100/05, ZWE 2006, 439; OLG Köln v. 3.7.2008 – 16 Wx 51/08, OLGReport Köln 2008, 780; Jennißen, NZM 2006, 203, 205; a.A. noch OLG München v. 17.11.2005 – 32 Wx 77/05, ZWE 2006, 135 mit Anm. F. Schmidt, ZWE 2006, 133. Eigene Individualansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen allenfalls dann, wenn sie selbst Wohnungseigentümerin ist (vgl. dazu OLG Celle v. 26.2.2008 – 4 W 213/07, NJW 2008, 1537), worauf Abramenko, ZMR 2006, 409, 411, zu Recht hinweist. 323 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284; BGH v. 4.7.2019 – V ZR 149/18, Tz. 5, Juris. 324 AG München v. 2.4.2018 – 484 C 6040/17 WEG, ZMR 2018, 712; AG Tostedt v. 5.7.2018 – 5 C 117/17, ZMR 2018, 966. 325 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 326 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 327 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, MDR 2018, 1111.

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581

Teil 10 Rz. 10.149

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

chend § 148 ZPO regelmäßig ausgesetzt werden muss.328 Sobald der Vergemeinschafttungsbeschluss bestandskräftig bzw. rechtskräftig ist, muss im Individualprozess die Erledigung erklärt werden, weil die Aktivlegitimation verloren gegangen ist.

10.150 Der Verwalter selbst ist nicht anspruchsberechtigt. Als ausführendes Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft ist er vielmehr gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 7 WEG berechtigt und verpflichtet, den Beseitigungsanspruch nach einem entsprechenden Eigentümerbeschluss durchzusetzen. Für die vor Entdeckung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft verbreitete Geltendmachung der Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer oder der Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter in gewillkürter Prozessstandschaft fehlt danach regelmäßig das Rechtsschutzinteresse, denn aufgrund der Möglichkeit der Vergemeinschaftung kann das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse nicht mehr aus der sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz ergebenden Rechts- und Pflichtenstellung des Verwalters hergeleitet werden.329

10.151 Hinweis: Neben Zweckmäßigkeitserwägungen muss bei der Entscheidung, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft Individualansprüche geltend machen soll, zwei Gesichtspunkten Beachtung geschenkt werden: Die Entscheidung, dass Individualansprüche durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden sollen, unterliegt der Grenze ordnungsgemäßer Verwaltung, § 21 Abs. 4 WEG.330 Dabei sollte dem Eigentümerbeschluss mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, welche Ansprüche geltend gemacht331 und wie der Anspruch effektiv durchgesetzt werden soll. Die Beschlussfassung ist grundsätzlich zwar auch stillschweigend möglich, etwa durch den Beschluss, einen Anwalt mit der Anspruchsdurchsetzung auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu beauftragen,332 doch sollte Klarheit oberstes Gebot sein. Dazu gehört, dass die Beschlussfassung auf die Vergemeinschaftung beschränkt wird und keine unzulässige Untersagung in der Sache selbst bzw. Anspruchsbegründung (vgl. Rz. 10.137) selbst erfolgt.333 Weil der einzelne Wohnungseigentümer seine Ansprüche aber regelmäßig eigenständig geltend machen und durchsetzen kann, ist eine Vergemeinschaftung kaum einmal geboten.334 Ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht die Vergemeinschaftung, um den einzelnen Wohnungseigentümern die Verfolgung ihrer Ansprüche faktisch unmöglich zu machen; im Einzelfall kann dieser Rechtsmissbrauch sogar zur Nichtigkeit führen.335

10.152 Sollen die Ansprüche nur in bestimmten Fallkonstellationen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeübt werden, so ist auf eine hinreichend bestimmte Formulierung zu achten, damit der Ausübungsbeschluss nicht wegen Unbestimmtheit nichtig ist. Sollen die Beseitigungsansprüche nur gegen einen Wohnungseigentümer durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden, nicht aber gegen andere Wohnungseigentümer, die in 328 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284; a.A. noch LG Stuttgart v. 28.3.2013 – 2 S 36/12, ZMR 2013, 564 mit abl. Anm. Drabek. 329 Vgl. BGH v. 28.1.2011 – V ZR 145/10, MDR 2011, 534 = NJW 2011, 1361. 330 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 331 So zum alten Recht OLG München v. 20.6.2006 – 32 Wx 125/05, OLGReport München 2006, 614. 332 Dötsch, ZMR 2010, 573, 576; enger OLG Dresden v. 31.3.2010 – 1 U 1446/09, ZMR 2011, 312. 333 Bei der Anfechtung eines unklaren Eigentümerbeschlusses darf das Gericht sein Verständnis des Beschlussinhaltes mit Blick auf die Rechtskraftwirkungen nicht offen lassen, vgl. BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = NJW 2010, 3093. 334 Gegen eine Pflicht, Individualansprüche durch den Verband geltend machen zu lassen, LG Lüneburg v. 13.3.2019 – 3 S 3/19, ZMR 2019, 632; AG München v. 19.9.2007 – 231 C 21669/06, ZMR 2008, 164. 335 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.156 Teil 10

Art und Umfang vergleichbare bauliche Veränderungen vorgenommen haben, ergibt sich ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.336 Denn ein vergleichbarer Sachverhalt darf nicht ohne guten Grund (z.B. „Pilotverfahren“) unterschiedlich behandelt werden (vgl. ausführlich zum Rechtsmissbrauch Rz. 10.183).

10.153

Formulierungsvorschlag: Eigentümerbeschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wegen … gegen … gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG auszuüben. Die Ansprüche sollen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Hilfe eines vom Verwalter zu bestimmenden Rechtsanwalts auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht und gerichtlich durchgesetzt werden.

Die Ausübung von Ansprüchen wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB steht nicht ohne weiteres der Wohnungseigentümergemeinschaft zu, nämlich dann nicht, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stehen;337 eine besondere Entscheidung über die Ausübung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist deshalb auch insoweit erforderlich. Über die Geltendmachung des Anspruchs durch den Verband entscheidet die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Eigentümerbeschluss.

10.154

Soweit die bauliche Veränderung durch den Verwalter eigenmächtig – also ohne entspre- 10.155 chende Rechtsgrundlage im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft – erfolgt ist, fällt die Ausübung des Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruchs hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums in die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft für Verwaltungshandeln, § 21 Abs. 1 WEG. Es handelt sich nicht um eine „geborene“ Ausübungsbefugnis338 i.S.d. § 10 Abs. 6 S. 3 1. Hs. WEG, sondern um einen originär der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehenden Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 6 S. 2 WEG, denn sie ist Vertragspartner des Verwalters. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann einen einzelnen Wohnungseigentümer allerdings zur Geltendmachung von Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüchen ermächtigen.339 – Sobald ein Anspruch gegen den Verwalter schlüssig dargelegt ist und begründet erscheint, besteht eine Pflicht zur Geltebndmachung.340 Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft Wohnungseigentum erworben341 und nimmt dann „als Wohnungseigentümer“ bauliche Veränderungen ausgehend von „ihrer“ Wohnung vor, kann ein betroffener Wohnungseigentümer den baulichen Maßnahmen zugrunde liegende Eigentümerbeschlüsse anfechten. Für den Fall, dass der Verwalter ohne Rechtsgrundlage eigenmächtig baut, vgl. Rz. 10.143. 336 Vgl. allgemein M.J. Schmidt, ZWE 2011, 70. 337 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 338 Abramenko, ZMR 2007, 841 f.; Rühlicke, ZWE 2007, 261, 268 f.; so zum alten Recht schon BGH v. 15.12.1998 – V ZB 9/88, BGHZ 106, 222, 226 f. = MDR 1989, 436 = NJW 1989, 1091. 339 LG Hamburg v. 3.2.2010 – 318 S 84/08, ZMR 2010, 551; zum alten Recht vgl. OLG Schleswig v. 5.1.1998 – 2 W 109/97, WuM 1998, 308; s.a. LG Frankfurt v. 9.6.2011 – 2-13 S 33/10, IMR 2011, 392. 340 LG Koblenz v. 30.4.2018 – 2 S 67/16 WEG, ZMR 2018, 795. 341 Vgl. OLG Celle v. 26.2.2008 – 4 W 213/07, NJW 2008, 1537; OLG Hamm v. 20.10.2009 – 15 Wx 81/09, NJW 2010, 1464; OLG Hamm v. 4.5.2010 – 15 W 382/09, ZMR 2010, 785; Schneider, Rpfleger 2008, 291; Basty, ZWE 2009, 253; Abramenko, ZMR 2010, 193.

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10.156

Teil 10 Rz. 10.157

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

c) Anspruchsverpflichtete

10.157 Gegen wen diese Ansprüche gerichtet sind, ist für die verschiedenen Anspruchsgrundlagen unterschiedlich zu beantworten. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den „störenden“ Wohnungseigentümer vorgehen muss oder auch gegen dessen Mieter oder sonstigen Nutzer vorgehen kann.

10.158 Die dargestellten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG richten sich gegen den Wohnungseigentümer und beim Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Störer, der die bauliche Veränderung durchgeführt hat, hat durchführen lassen oder die Durchführung durch andere geduldet hat.342 Dies gilt nicht, soweit es um Sonderwünsche geht, die der Bauträger vor Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft übernommen hat: Der Erwerber einer Eigentumswohnung, der mit dem teilenden Eigentümer eine von dem Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart, ist hinsichtlich der sich daraus ergebenden Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nicht Störer und daher gegenüber anderen Wohnungseigentümern nicht zur Beseitigung des planwidrigen Zustands verpflichtet.343 Das leuchtet ein, soweit planwidrige Baumaßnahmen vor dem Entstehen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt worden sind, denn dann fehlt es an der von § 1004 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Eigentumsbeeinträchtigung.344 Warum es dann bei wertender Betrachtung folgerichtig ist, Ansprüche gegen den Wohnungseigentümer, der mit dem teilenden Eigentümer eine von dem Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart, auch dann zu verneinen, wenn diese Abweichung nach Entstehen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt oder fertiggestellt wird, ergibt sich unter anderem auch daraus, dass die erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes nicht einem einzelnen Wohnungseigentümer obliegt, sondern Sache aller Wohnungseigentümer ist.345 Diese Sonderwünsche, soweit sie das Gemeinschaftseigentum betreffen, zu beseitigen und den ordnungsgemäßen Anfangszustand herzustellen und öffentlich-rechtliche Vorgaben zu erfüllen, ist auf Aufgabe aller Wohnungseigentümer und die Maßnahmen sind auf Kosten der Gemeinschaft durchzuführen.346

10.159 Der Wohnungseigentümer ist Handlungsstörer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, denn er hat die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten – positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen – adäquat verursacht.347 Seine Verpflichtung geht auf seine Universalrechtsnachfolger, etwa im Wege der Erbschaft348 oder nach dem Umwandlungsgesetz, über. Die Handlungs-

342 Zur Frage der Zurechnung „zufälliger“ Einwirkungen, die wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzes zurückgehen, vgl. Wenzel, NJW 2005, 241 f. 343 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 9, ZfIR 2015, 359. 344 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 10, ZfIR 2015, 359. 345 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 11 ff., ZfIR 2015, 359; so schon LG München I v. 14.6.2010 – 1 S 25652/09, ZWE 2010, 411, 412 = ZMR 2010, 800. 346 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rz. 21, ZfIR 2015, 359. 347 Vgl. zum Handlungsstörerbegriff BGH v. 7.4.2000 – V ZR 39/99, BGHZ 144, 200, 203 = NJW 2000, 2901 = MDR 2000, 1069; BGH v. 22.9.2000 – V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232; BGH Urt. v. 4.2.2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368; BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578. 348 BayObLG v. 9.5.1996 – 2 Z BR 18/96, WuM 1996, 491, 493; OLG Frankfurt. v. 28.6.2004 – 20 W 95/01, NZM 2005, 68.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.160 Teil 10

störereigenschaft endet, wenn das Recht, die verkaufte Eigentumswohnung zu nutzen, auf den Käufer übergegangen ist, auch wenn der Verkäufer noch Wohnungseigentümer ist.349 Der Sonderrechtsnachfolger, der das Wohnungseigentum etwa aufgrund Kauf oder Ver- 10.160 mächtnis erworben hat, ist bei baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich selbst nicht Handlungsstörer350 und auch nicht Zustandsstörer,351 soweit es um Veränderungen des Gemeinschaftseigentums geht. Er kann allerdings auf Duldung von Beseitigungsmaßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft in Anspruch genommen werden.352 Prozessual sind Beseitigungs- und Duldungsanspruch verschiedene Gegenstände.353 Ist Sonderrechtsnachfolge hinsichtlich der Wohnung des Wohnungseigentümers eingetreten, der die bauliche Veränderung vorgenommen hat, besteht grundsätzlich nur ein Anspruch des anderen Wohnungseigentümers auf Beseitigung oder Wiederherstellung gegen die Gemeinschaft, über den im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung durch Mehrheit zu beschließen ist; die Kosten der Beseitigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft sind entsprechend § 16 Abs. 2 WEG, dem vereinbarten oder dem gemäß § 16 Abs. 4 WEG beschlossenen Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen.354

349 BGH v. 10.7.1998 – V ZR 60/97, MDR 1998, 1279 = NJW 1998, 3273. 350 BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151; OLG Düsseldorf v. 4.7.2001 – 3 Wx 120/01, NZM 2001, 958 = ZMR 2002, 69; OLG Hamburg v. 24.1.2006 – 2 Wx 10/05, ZMR 2006, 377; KG v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, NZM 2007, 845; OLG Düsseldorf v. 9.4.2008 – 3 Wx 3/08, WuM 2008, 373. 351 Notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung der Zustandsstörereigenschaft ist die Sachherrschaft über die störende Sache und die Möglichkeit, die Störung zu beenden, BGH v. 9.7.1958 – V ZR 5/57, BGHZ 28, 110, 112 = MDR 1958, 759; BGH v. 2.3.1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 260 = MDR 1984, 745; BGH v. 18.4.1991 – III ZR 1/90, BGHZ 114, 183 = MDR 1991, 869; BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578. Darüber hinaus erforderlich ist, dass durch den maßgebenden Willen desjenigen, der die Beeinträchtigung mit verursacht hat, der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird, BGH v. 22.3.1966 – ZR 126/63, NJW 1966, 1360, 1361; BGH v. 22.9.2000 – V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232; BGH v. 24.1.2003 – V ZR 175/02, NJW-RR 2003, 953; BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578, er also die Quelle der Störung beherrscht und ihm die Beeinträchtigung bei wertender Betrachtung aus Sachgründen zurechenbar ist, weil die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. 352 BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578; BayObLG v. 4.12.1997 – 2 Z BR 123/97, WuM 1998, 117; BayObLG v. 28.12.2001 – 2 Z BR 163/01, NZM 2002, 351 = WuM 2002, 165; KG v. 10.7.1991 – 24 W 6574/90, OLGZ 1992, 55 = WuM 1991, 516; BayObLG v. 15.9.2004 – 2 Z BR 120/04, WuM 2004, 728; KG v. 27.3.1996 – 24 W 6750/95, ZMR 1996, 389; KG v. 10.2.1997 – 2 W 6582/96, ZMR 1997, 315; KG v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, NZM 2007, 845 = ZMR 2007, 639; OLG Celle v. 24.9.2003 – 4 W 138/03, ZMR 2004, 689; OLG Frankfurt/M. v. 19.7.2005 – 20 W 234/03, MietRB 2006, 129; OLG Hamburg v. 24.1.2006 – 2 Wx 10/05, ZMR 2006, 377, 378 f.; OLG Hamm v. 23.9.2004 – 15 W 129/04, ZMR 2005, 306; OLG Köln v. 21.1.1998 – 16 Wx 299/97, OLGReport Köln 1998, 137; OLG Köln v. 7.4.2003 – 16 Wx 44/03, NZM 2004, 389; OLG Schleswig v. 20.3.2000 – 2 W 140/99, MDR 2000, 634 = NZM 2000, 674. 353 BayObLG v. 27.3.2003 – 2 Z BR 122/02, WuM 2003, 481 (LS). 354 Zum alten Recht vgl. BayObLG v. 4.12.1997 – 2 Z BR 123/97, WuM 1998, 117; KG Berlin v. 23.12.1998 – 24 W 4996/98, KGReport Berlin 1999, 173; KG v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, NZM 2007, 845 = ZMR 2007, 639; OLG Köln v. 22.1.1998 – 16 Wx 299/97, OLGReport Köln 1998, 137; OLG Schleswig v. 20.3.2000 – 2 W 140/99, MDR 2000, 634 = NZM 2000, 674.

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585

Teil 10 Rz. 10.161

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.161 Der Erwerber kann ausnahmsweise selbst als Handlungsstörer auf Beseitigung in Anspruch genommen werden, wenn er die bauliche Veränderung vor dem Eigentumserwerb im Rahmen einer früheren Nutzungsberechtigung selbst, etwa als Mieter oder sonst im Rahmen einer früheren Nutzungsberechtigung, verantwortlich mit hervorgerufen hat.355 Zudem kann der Erwerber auch als Zustandsstörer ausnahmsweise selbst zur Beseitigung verpflichtet sein: Eine eigene Verpflichtung des Sonderrechtsnachfolgers, die bauliche Veränderung seines Rechtsvorgängers zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen, ist vor allem denkbar, soweit das betroffene Sondereigentum dem Wohnungseigentümer zur Sondernutzung zugewiesen ist.356 Der BGH357 stellt hier auf seine allgemeinen Erwägungen zur Haftung des Zustandsstörers ab: Auch der Zustandsstörer kann zur Beseitigung einer Störung und nicht bloß zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet sein. Dies ist dann der Fall, wenn er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung im Einzelfall durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird. Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Teilungserklärung anordnet, dass die Wohnungseigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden, oder wenn alle Wohnungseigentümer ihr Einverständnis durch ein Rückbauverlangen zum Ausdruck gebracht haben.358

10.162 Nicht der Einzelrechtsnachfolger des Eingreifenden ist zur Wiederherstellung des alten Zustandes verpflichtet, sondern der Eingreifende und die Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn der Eingreifende mit Billigung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder aller übrigen Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen an fremdem Sondereigentum zum Nutzen seines eigenen Wohnungseigentums vorgenommen hat; der Rechtsnachfolger kann nur Unterlassung der Nutzung seines Sondereigentums und Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangen.359

10.163 Der vermietende Wohnungseigentümer, der seinem Mieter eigenmächtig beeinträchtigende bauliche Veränderungen gestattet, ist nicht nur Zustandsstörer, sondern als mittelbarer Handlungsstörer zur Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verpflichtet.360 Voraussetzung dafür, den Wohnungseigentümer als mittelbaren Handlungsstörer für Störungshandlungen seines Mieters verantwortlich zu machen, ist aber, dass er dem Mieter den Gebrauch seiner Sache mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hat oder er es unterlässt, den Mieter von dem nach dem Mietvertrag unerlaubten, fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch der Mietsache abzuhalten.361 Denn der Wohnungseigentümer hat dafür Sorge zu tragen, dass von demjenigen, dem er sein 355 BayObLG v. 2.3.2000 – 2 Z BR 152/99, NZM 2000, 876; OLG München v. 31.5.2007 – 34 Wx 112/06, ZMR 2007, 643. 356 Dafür der Vorlagebeschluss OLG München v. 3.8.2009 – 32 Wx 8/09, NZM 2009, 707; dagegen KG v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, NZM 2007, 845. 357 BGH v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, MDR 2010, 688 = ZMR 2010, 622, auf den Vorlagebeschluss OLG München v. 3.8.2009 – 32 Wx 8/09, NZM 2009, 707; enger LG München I v. 14.6.2010 – 1 S 25652/09, ZMR 2010, 800. 358 BGH v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, MDR 2010, 688 = ZMR 2010, 622. 359 OLG Köln v. 7.4.2003 – 16 Wx 44/2003, OLGReport Köln 2003, 254 für Kellerraum. 360 BayObLG v. 29.8.1996 – 2 Z BR 51/95, ZMR 1996, 623; OLG Düsseldorf v. 6.12.2000 – 3 Wx 400/00, NZM 2001, 136 = ZMR 2001, 374; OLG Frankfurt v. 6.1.2006 – 20 W 202/04, OLGReport Frankfurt 2006, 666 (LS); OLG Hamm v. 8.3.1993 – 15 W 244/92, OLGZ 1993, 422 = NJWRR 1993, 786. 361 BGH v. 7.4.2000 – V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 (204) = NJW 2000, 2901; BGH v. 27.1.2006 – V ZR 26/05, NJW 2006, 992, 993; OLG Düsseldorf v. 13.2.2006 – 3 Wx 181/05, NZM 2006,

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.165 Teil 10

Sondereigentum zur Nutzung überlassen hat, keine nachteiligen Veränderungen am Sondereigentum ausgehen, § 14 Nr. 2 WEG. Auch jeder Nutzer,362 der die bauliche Veränderung vornimmt oder vernehmen lässt, also insbesondere der Mieter oder Pächter, ist selbst Handlungsstörer bzw. Schädiger und damit selbst der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Rückbau verpflichtet.363 Seine Rechte können nicht weiter gehen als die des Wohnungseigentümers, von dem er seine Rechtsposition ableitet.364 Er kann Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die kurze Verjährung des § 558 BGB entgegenhalten.365 Ist die bauliche Veränderung durch den (vermietenden) Wohnungseigentümer erfolgt und beeinträchtigt der Zustand der Wohnung das Eigentum eines anderen Wohnungseigentümers, so ist der Mieter der Wohnung zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet.366

10.164

Hinweis: Ob in dem Fall, dass die bauliche Veränderung durch den Mieter erfolgt ist, gegen den vermietenden Wohnungs- oder Teileigentümer oder gegen den Mieter selbst vorgegangen werden sollte, ist im Einzelfall367 zu erwägen; dabei stellt sich für bauliche Veränderungen anders als für den Gebrauch des Wohnungseigentums nicht die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter an Gebrauchsregelungen im Verhältnis der Wohnungseigentümer gebunden ist. Die direkte Inanspruchnahme des Mieters auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ist gegenüber der des vermietenden Wohnungseigentümers als mittelbarem Störer nicht vorrangig.368 Wenn ein Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den vermietenden Wohnungseigentümer vorgeht, wird sie über dessen Solvenz in der Regel mehr wissen, als beim Mieter. Ein Titel gegen den vermietenden Wohnungseigentümer behält zudem seinen Wert, auch wenn das Mietverhältnis beendet wird; demgegenüber ist dem Mieter ohne Zustimmung des vermietenden Wohnungseigentümers ein Rückbau nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr möglich. Allerdings ist für die Geltendmachung erforderlich, dass Name und Adresse des Mieters bekannt sind; ein Auskunftsanspruch gegen den vermietenden Wohnungseigentümer besteht nicht.369 Problematisch ist allerdings die Vollstreckung gegen den vermietenden Wohnungseigentümer: Die Vollstreckung gegen den vermietenden Wohnungseigentümer gemäß § 888 ZPO370 (zu Einzelheiten vgl. Rz. 10.217) kann allerdings zu Schwierigkeiten führen. Denn ob der vermietende Wohnungseigentümer alles Notwendige unternommen hat, um dem gegen ihn titulierten Anspruch nachzukommen,

10.165

362 363

364 365 366 367 368 369 370

782 = ZMR 2006, 461; Saarländisches OLG v. 4.4.2007 – 5 W 2/07, NZM 2007, 774 = ZMR 2007, 886; LG Braunschweig v. 2.3.2012 – 6 S 360/11, ZMR 2012, 570. KG v. 10.2.1997 – 2 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713 = ZMR 1997, 315. BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715 = ZMR 1995, 480; BGH v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715 = ZMR 1995, 480; OLG Frankfurt v. 18.3.1993 – 2 U 124/92, NJW-RR 1993, 981; OLG Karlsruhe v. 22.9.1993 – 6 U 49/93, MDR 1994, 59 = NJW-RR 1994, 146; zum Spannungsverhältnis von Gemeinschaftsordnung und Miete s.a. Armbrüster, ZWE 2004, 217; Armbrüster, ZMR 2007, 321; Armbrüster/M. Müller in FS Seuß (2007), S. 3 ff.; Kümmel, ZWE 2008, 273, 276 ff. Vgl. Dötsch, MietRB 2012, 211. LG Stuttgart v. 28.11.2007 – 13 S 136/07, NZM 2009, 36; a.A. LG Essen v. 11.12.1997, NZM 1998, 377. BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578. Für die Inanspruchnahme des Mieters etwa H. Müller, ZMR 2001, 506, 510; Armbrüster/M. Müller, ZMR 2007, 321; skeptischer Kirchhoff, ZMR 1989, 323 (326). OLG Köln v. 15.1.1997 – 16 Wx 275/96, OLGReport Köln 1997, 141; OLG Köln v. 14.4.2000 – 16 Wx 58/00, OLGReport Köln 2000, 438. Vgl. für einen mit Müll vollgestellten Stellplatz BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, NZM 2009, 202; s.a. M.J. Schmid, ZWE 2011, 443. Vgl. Müller/Hogenschurz, Beck’sches Prozessformularbuch Wohnungseigentumsrecht, M.II.2.

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Teil 10 Rz. 10.165

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

wird im Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO geprüft.371 Dabei kann der vermietende Wohnungs- oder Teileigentümer seinem Mieter nicht kündigen, soweit der sich innerhalb des mietvertraglich Erlaubten hält.372 Der Mieter ist auch seinem Vermieter gegenüber nicht mietvertraglich zur Duldung der Beseitigung verpflichtet, wenn der Vermieter als Wohnungseigentümer rechtskräftig zur Beseitigung verurteilt wurde.373

10.166 Für eine Inanspruchnahme des Mieters spricht dagegen, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft oder anderen Wohnungseigentümern mangels mietvertraglicher Bindung weitergehende Rechte zustehen können, als dem vermietenden Wohnungseigentümer gegen seinen Mieter. Denn der Mieter kann aus seinem Mietvertrag gegenüber dinglichen Ansprüchen der anderen Wohnungseigentümer keine Rechte herleiten.374 Bei einem solventen, langfristig mietvertraglich gebundenen Mieter spart die unmittelbare Inanspruchnahme zudem Zeit. Die direkte Inanspruchnahme des Mieters führt zur unmittelbaren Auseinandersetzung der Betroffenen und zur schnellen Klärung des Streits, ohne dass noch eine Klage des zur Unterlassung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichteten vermietenden Wohnungseigentümers gegen seinen Mieter erforderlich wäre.375

10.167 Schließlich können der vermietende Wohnungseigentümer und sein Mieter gemeinsam vor dem gemäß § 43 Nr. 1 WEG zuständigen Amtsgericht verklagt werden. Wo es an einer gemeinsamen örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit gegen beide fehlt, kann diese im Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Antrag bestimmt werden.376 In diesem Fall bestimmt sich die Berufungszuständigkeit einheitlich gemäß § 72 Abs. 2 GVG.377

10.168 Bei den übrigen Ansprüchen erfolgt die Zurechnung fremden Handelns nach allgemeinen Vorschriften. Der vermietende Eigentümer haftet also für bauliche Veränderungen des Mieters nach §§ 280, 241, 278 BGB und unter den Voraussetzungen des § 831 BGB oder gemäß §§ 31, 89 BGB nach § 823 BGB. d) Verjährung

10.169 Die Verjährung möglicher Ansprüche wegen einer unberechtigten baulichen Veränderung richtet sich nach allgemeinen Vorschriften, §§ 195 ff. BGB.378 Insbesondere Unterlassungs371 BayObLG v. 10.6.1998 – 2 Z BR 15/98, NZM 1998, 773. 372 BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, NJW 1996, 714, sowie Armbrüster, ZWE 2004, 217, 220; zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Mietverhältnis bei der Gestattung einer Parabolantenne AG Frankfurt v. 27.7.2011 – 33 C 1957/11, InfoM 2012, 222. 373 AG München v. 24.10.2011 – 424 C 12307/11, ZMR 2012, 110. 374 BGH v. 1.12.2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 26 = MDR 2007, 578; Armbrüster, ZMR 2007, 321, 322 auch zu den Folgen zweckwidrigen Gebrauchs, s.a. Armbrüster/M. Müller in FS Seuß (2007), S. 3 ff. 375 Hannemann, NZM 2004, 531, 533 hält es für erwägenswert, dem vermietenden Eigentümer das Recht zur Geltendmachung der Ansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen seinen Mieter im eigenen Namen durch Zession zu übertragen. Dieses Vorgehen stärkt die Position des vermietenden Eigentümers gegenüber seinem Mieter, wenn er sich denn überhaupt um die Durchsetzung der Ansprüche kümmern will. 376 OLG München v. 20.2.2008 – 31 AR 18/08, OLGReport München 2008, 345; OLG München v. 24.6.2008 – 31 AR 74/08, OLGReport München 2008, 630. 377 BGH v. 9.12.2010 – V ZB 190/10, WuM 2011, 185; LG Duisburg v. 8.6.2010 – 7 S 10/10, ZMR 2010, 980. 378 Auch wenn die Anwendung der nachbarrechtlichen Regeln vereinbart ist, finden die landesrechtlichen Verjährungsvorschriften oder Ausschlusstatbestände auf Ansprüche aus § 1004

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.173 Teil 10

und Beseitigungsansprüche verjähren also grundsätzlich in drei Jahren. Wenn die bauliche Veränderung durch Mehrheitsbeschluss genehmigt war und dieser später für ungültig erklärt worden ist, ist der Zeitraum, in welchem der Genehmigungsbeschluss gemäß § 23 Abs. 4 WEG gültig war, in den Verjährungszeitraum nicht einzuberechnen.379 Zu beachten sind nur wenige Besonderheiten. Ebenso wie für die Begründung von Beseitigungsansprüchen besteht für die Dauer der Verjährung keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer: Eigentümerbeschlüsse, die auf eine Verlängerung der Verjährung hinauslaufen, sind nichtig.380 Ansprüche auf Beseitigung und Wiederherstellung sowie Schadensersatzansprüche verjähren in drei Jahren, § 195 BGB. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten unterfallen, anders als der unverjährbare Anspruch auf Einräumung von Mitbesitz am Gemeinschaftseigentum aus § 985 BGB,381 nicht der Sonderregelung des § 197 BGB.382

10.170

Die Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Ein Rechtsirrtum hindert den Verjährungsbeginn grundsätzlich nicht. Grob fahrlässige Unkenntnis ist anzunehmen, wenn sich der Schuldner die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und Kosten beschaffen kann, sich einer sich aufdrängenden Kenntnis missbräuchlich verschließt oder auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnützt. Eine Pflicht der Wohnungseigentümer, ihr Wohnungseigentum auf Beeinträchtigungen durch bauliche Veränderungen zu kontrollieren, oder auch die Niederschriften der Eigentümerversammlungen zu lesen, besteht aber nicht und kann nicht zur Begründung einer groben Fahrlässigkeit i.S.d. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB herangezogen werden.

10.171

Bei der Berechnung verdient insbesondere die Anrechnung der während der Besitzzeit des Rechtsvorgängers verstrichenen Verjährungszeit auch beim Rechtsnachfolger Beachtung (§ 198 BGB).

10.172

Das Wissen des Verwalters wird der Wohnungseigentümergemeinschaft ab dem Zeitpunkt der Vergemeinschaftung des Rückbauanspruchs gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Fall 2 WEG zugerechnet, allerdings auch bei dessen früherer Kenntnis erst ab diesem Zeitpunkt.383 Den einzelnen Wohnungseigentümern wird das Wissen des Verwalters zugerechnet, soweit er sie vertreten darf.384 Soweit für den Beginn der Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis abgestellt wird, so lässt sich grobe Fahrlässigkeit nicht aus einer Unter-

10.173

379 380 381 382 383 384

Abs. 1 BGB keine Anwendung, vgl. BGH v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, Rz. 23, MDR 2010, 688 = ZMR 2010, 622. LG Frankfurt a.M. v. 28.6.2017 – 2-13 S 191/14, ZMR 2017, 912; LG Frankfurt a.M. v. 2.5.2019 – 2-13 S 59/18, ZMR 2019, 432. A.A. OLG Hamm v. 4.12.2008 – 15 Wx 198/09, NZM 2009, 624 = ZMR 2009, 386. LG München I v. 14.11.2018 – 36 S 12013/17 WEG, ZMR 2019, 446. OLG Hamm v. 4.12.2008 – 15 Wx 198/08, NZM 2009, 624 = ZMR 2009, 386 mit Anm. M. Schmid, NZM 2009, 605; OLG Köln v. 24.6.2006 – 16 Wx 35/06, OLGReport Köln 2006, 752; LG Hamburg v. 1.12.2010 – 318 S 182/10, ZMR 2011, 234. BGH v. 4.7.2014 – V ZR 183/13, MDR 2014, 1134. Elzer, MietRB 2014, 312, 314.

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Teil 10 Rz. 10.173

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

suchungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers ableiten.385 Unkenntnis vom Inhalt der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ist aber grob fahrlässig.386 Allerdings kann – etwa bei Verzicht auf die Verjährungseinrede – auch gegenüber einem verjährten Anspruch der von Amts wegen zu berücksichtigende Einwand der Verwirkung durchgreifen.387 Die Wiederholung oder Vertiefung der Störung löst allerdings erneut einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus,388 so dass die ursprüngliche Verjährung im Falle späterer Sanierungen die Rechtsposition des Störers nicht sichert.389

10.174 Die Wiederholung oder Vertiefung der Störung einen neuen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch,390 weil die ursprüngliche Verjährung im Falle späterer Sanierungen die Rechtsposition des Störers nicht sichert.391

10.175 Soweit Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nicht vorliegen, verjähren die Ansprüche spätestens in zehn Jahren nach ihrer Entstehung oder ohne Rücksicht auf ihre Entstehung in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an, wobei die früher endende Frist maßgeblich ist, § 199 Abs. 3 BGB.392 Ansprüche aus § 1004 BGB verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis spätestens in zehn Jahren von ihrer Entstehung an, § 199 Abs. 4 BGB.

10.176 Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche gemäß § 280 BGB, die gegen einen anderen Wohnungseigentümer wegen Verletzung des Gemeinschftsverhältnisses und gegen den Verwalter wegen Verletzung des Verwaltervertrags in Betracht kommen. Für die Ansprüche auf Beseitigung und Rückbau der baulichen Veränderung aus dem Gemeinschaftsverhältnis dürfte nichts anderes gelten, als für den Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung393: Der Anspruch auf Beseitigung und Rückbau der baulichen Veränderung entsteht während der Dauer des Gemeinschaftsverhältnisses ständig neu, auch soweit er darauf gerichtet ist, schon aufgetretene Störungen zu beseitigen; eine vertragliche Dauerverpflichtung kann deshalb – anders als Ansprüche gemäß § 1004 BGB wegen einer in der Vergangenheit liegenden einmaligen Verletzungshandlung394 – während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren.

10.177 Der Anspruch auf Unterlassung einer unzulässigen Nutzung aus § 1004 Abs. 1 WEG und aus § 15 Abs. 3 WEG, der im Einzelfall neben dem Anspruch auf Beseitigung und Rückbau 385 OLG München v. 4.3.2008 – 32 Wx 15/08, juris. 386 LG Hamburg v. 6.11.2013 – 318 S 130/12, ZMR 2014, 308; LG Hamburg v. 5.8.2015 – 318 S 55/14, ZMR 2016, 129, 130. 387 OLG Frankfurt v. 25.3.1980 – 5 U 142/79, MDR 1980, 755. 388 Vgl. BGH v. 21.10.2005 – V ZR 169/04, MDR 2006, 504. 389 Vgl. für Sanierungsbedürftigkeit der baulichen Veränderung vgl. OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – I-3 Wx 217/07, NZM 2009, 442; LG Frankfurt/Main v. 21.8.2014 – 2-9 S 27/13, ZWE 2015, 217. 390 Vgl. BGH v. 21.10.2005 – V ZR 169/04, MDR 2006, 504 = NZM 2006, 192. 391 Vgl. für Sanierungsbedürftigkeit der baulichen Veränderung OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – I-3 Wx 217/07, NZM 2009, 442. 392 Für durch eine bauliche Veränderung ausgelöste Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit gilt die längere Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 2 BGB n.F. 393 Vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253 = MDR 2010, 562 = NJW 2010, 1292. 394 Vgl. BGH v. 23.2.1973 – V ZR 109/71, BGHZ 60, 235 = NJW 1973, 703 für die Anpflanzung einer Birke an der Grundstücksgrenze.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.180 Teil 10

in Betracht kommt, entsteht mit deren Aufrechterhaltung immer wieder neu und setzt die Verjährung neu in Gang;395 hat also ein Wohnungseigentümer eigenmächtig auf einer ihm zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenfläche einen Stellplatz angelegt, kann der Anspruch auf dessen Beseitigung und Rückbau aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verjährt sein, während für den Anspruch auf Unterlassung der Stellplatznutzung keine Verjährung eingetreten ist.396 Beschädigt der Mieter das Gemeinschaftseigentum, findet auf die Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Mieter die kurze Verjährung gemäß § 548 Abs. 1 BGB keine Anwendung.397

10.178

e) Verwirkung Die Verwirkung aufgrund Zeitablaufs bedeutet faktisch eine auf Treu und Glauben gestützte Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen. Sie kann etwa bei einem Verzicht auf die Verjährungseinrede durchgreifen.398 Von größerer Bedeutung sind die Fälle des Rechtsmissbrauchs aus anderen Gesichtspunkten. Der Beseitigungs- und auch der Wiederherstellungsanspruch können grundsätzlich verwirkt werden, § 242 BGB. Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte sein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment).399 Hinzu kommt in tatsächlicher Hinsicht im gerichtlichen Verfahren die Schwierigkeit, die Voraussetzungen der Verwirkung zu beweisen. Der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung vorgenommen hat, trägt die Beweislast dafür, dass der Berechtigte längere Zeit hindurch die bauliche Veränderung hingenommen hat, so dass er sich auf die Nichtinanspruchnahme eingerichtet hat. Die Nichterweislichkeit eines solchen Sachverhalts geht also zu Lasten des Wohnungseigentümers, der die bauliche Veränderung vorgenommen hat. Um die Schwierigkeiten in der gerichtlichen Praxis bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts anzudeuten, seien nur zwei immer wiederkehrende Streitpunkte in diesem Zusammenhang genannt, nämlich die Frage, ob die bauliche Veränderung auf früheren Eigentümerversammlungen besprochen oder an deren Rande angesprochen worden ist und mit welchem Ergebnis – das Versammlungsprotokoll gibt dafür regelmäßig nichts her –, und die Frage, ob schon vor Jahren Abmahnungsschreiben verschickt worden und zugegangen sind.

10.179

Maßgeblich ist eine Bewertung alles Gesichtspunkte des Einzelfalls.400 Als Faustregel gilt: Je deutlicher ein Wohnungseigentümer zu erkennen gegeben hat, dass er eine bauliche Ver-

10.180

395 Rau, ZMR 2011, 676 m.w.N. 396 Ebenso M.J. Schmid, WuM 2010, 654, 656; unklar Abramenko, ZMR 2010, 737, 738. 397 BGH v. 29.6.2011 – VIII ZR 349/10, MDR 2011, 971 = NJW 2011, 2717 = ZfIR 2011, 756 mit Anm. Tank. 398 OLG Frankfurt v. 25.3.1980 – 5 U 142/79, MDR 1980, 755. 399 BGH v. 25.3.1965 – V BLw 25/64, BGHZ 43, 289, 292 = MDR 1965, 564 = NJW 1965, 1532; BGH v. 16.6.1982 – IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280 = NJW 1982, 1999 = MDR 1982, 835; BGH v. 6.12.1988 – XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818; BGH v. 20.10.1988 – VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, 298 = MDR 1989, 246 = NJW 1989, 836; OLG München v. 9.4.2008 – 32 Wx 1/08, OLGReport München 2008, 434. 400 Vgl. etwa BayObLG v. 15.2.1984 – 2 Z 111/83, WuM 1985, 35; BayObLG v. 6.8.1987 – 2 Z 51/87, NJW-RR 1987, 1492; BayObLG v. 21.5.1992 – 2 Z BR 38/92, WuM 1992, 392; BayObLG v. 23.7.1992 – 2 Z BR 22/92, NJW-RR 1993, 337 = ZMR 1992, 551 (15 Jahre); BayObLG v.

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Teil 10 Rz. 10.180

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

änderung hinzunehmen bereit ist, und je erkennbarer sich der Umbauende darauf eingerichtet hat, nach desto kürzerer Zeit dürfte Verwirkung anzunehmen sein.

10.181 Für die Annahme der Verwirkung reicht es aber in keinem Fall aus, dass der Beseitigungsanspruch über viele Jahre nicht geltend gemacht worden ist.401 Der Anspruchsberechtigte muss die Änderung des baulichen Zustands kennen oder aus grober Fahrlässigkeit nicht kennen402 und durch sein Verhalten aus der Sicht eines objektiven Betrachters erkennen lassen, dass er sie hinnimmt. Der Anspruchsverpflichtete muss sich dementsprechend auf die Duldung eingerichtet haben, etwa durch Renovierung der baulichen Veränderung.403 Das Vertrauen allein, die Duldung werde fortbestehen, reicht also nicht aus, sondern der Verpflichtete muss sich auf den Verbleib durch Vermögensdispositionen eingerichtet haben.404

10.182 Dabei muss der Rechtsnachfolger des ursprünglichen Anspruchsinhabers die Einrede der Verwirkung gegen sich gelten lassen.405 Soweit der Anspruch beim Rechtsvorgänger aber noch nicht verwirkt war, ist für den Erwerber die Verwirkung selbständig (nur) nach dessen Verhalten zu beurteilen, weil sich der umbauende Wohnungseigentümer nicht darauf einrichten darf, dass der Erwerber die bauliche Veränderung ebenfalls dulden werde.406 f) Rechtsmissbrauch

10.183 Neben der Verwirkung als Sonderfall des Rechtsmissbruchs aus dem Gesichtspunkt der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung kann dem Beseitigungsverlangen im Einzelfall der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach Treu und Glauben, § 242 BGB, entgegenstehen.407 Auch hier ist wegen der Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen nur eine Veranschaulichung durch

401 402 403 404 405

406 407

592

28.7.2004 – 2 Z BR 33/04, NZM 2004, 747, 748 = ZMR 2005, 66 (20 Jahre bei einigen Treppenstufen in einer Böschung); KG v. 10.2.1997 – 24 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713 = ZMR 1997, 315 (6 Jahre); OLG Hamburg v. 25.2.2002 – 2 Wx 51/98, ZMR 2002, 451 (20 Jahre); OLG Hamburg v. 11.1.2006 – 2 Wx 28/04, ZMR 2006, 465 (466) (10 Jahre); OLG Hamm v. 14.11.1989 – 15 W 347/89, OLGZ 1990, 159 (10 Jahre); OLG Karlsruhe v. 18.11.1998 – 4 W 158/97, WuM 1999, 594 (10 Jahre); OLG Köln v. 22.1.1997 – 16 Wx 238/96, OLGReport Köln 1997, 125 (5 Jahre); OLG Oldenburg v. 11.3.1997 – 5 W 18/97, WuM 1997, 391 (8 Jahre); Schleswig-Holsteinisches OLG v. 25.5.2005 – 2 W 52/04, ZMR 2005, 737 (8 Jahre). OLG Köln v. 20.5.1998 – 16 Wx 80/98, NZM 1999, 263 (10 Jahre); vgl. auch OLG München v. 9.4.2008 – 32 Wx 1/08, NZM 2008, 848 = ZMR 2008, 663; OLG Frankfurt v. 10.7.2009 – 20 W 243/07, ZMR 2010, 703. BayObLG v. 3.8.1998 – 2 Z BR 72/98, NZM 1998, 966; BayObLG v. 26.8.1999 – 2 Z BR 74/99, NZM 2000, 289 = ZMR 1999, 847. BayObLG v. 25.9.2001 – 2 Z BR 65/01, NZM 2002, 128; s.a. OLG München v. 9.4.2008 – 32 Wx 1/08, OLGReport München 2008, 434. OLG München v. 9.4.2008 – 32 Wx 1/08, NZM 2008, 848 = ZMR 2008, 663; s.a. BGH v. 25.3.2010 – V ZR 159/09, ZWE 2010, 266 zur zweckwidrigen Nutzung. BayObLG v. 19.7.1990 – 2 Z BR 61/90, NJW-RR 1991, 1041; KG v. 8.9.1993 – 24 W 5753/92 + 2301/93, WuM 1994, 38; KG v. 10.2.1997 – 2 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713 = ZMR 1997, 315; OLG Düsseldorf v. 21.5.1997 – 3 Wx 556/96, WuM 1997, 517; s. aber OLG Hamm v. 19.9.2007 – 15 W 444/06, ZMR 2008, 159 zur Grenze der Verwirkung, wenn auf diese Weise faktisch ein Sondernutzungsrecht begründet würde. Niedenführ, NZM 2001, 1105, 1112. BayObLG v. 9.12.1999 – 2 Z BR 101/99, ZMR 2000, 23; OLG Düsseldorf v. 25.4.1996 – 3 Wx 478/95, ZMR 1996, 396; OLG Düsseldorf v. 11.8.1997 – 3 Wx 227/97, NZM 1998, 79; OLG Düsseldorf v. 19.1.2007 – 3 Wx 186/06, NZM 2007, 446 = ZMR 2007, 710; OLG Frankfurt v. 1.2.2007 – 20 W 8/06, ZWE 2007, 370.

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.187 Teil 10

Beispiele möglich, die insbesondere zeigen, dass ein Rechtsmissbrauch von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen, etwa der jahrelangen Mitbenutzung des Fahrradschuppens, dessen Beseitigung dann plötzlich verlangt wird,408 angenommen wird, in vielen Fällen, die nach laienhafter Einschätzung ebenso darunter zu zählen wären, aber nicht. Dabei unterliegt das Beseitigungsverlangen des einzelnen Wohnungseigentümers geringeren 10.184 Schranken als das Vorgehen der Wohnungseigentümergemeinschaft, weil der Einzelne nicht „Polizist“ der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, d.h. sich regelmäßig zumindest vertretbare Gründe dafür ergeben, dass er nur in einem Einzelfall seine Ansprüche geltend macht (vgl. auch Rz. 10.152 zum Gleichbehandlungsgrundsatz bei Vorgehen der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG). Ausgangspunkt bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist der Gedanke: Weil der Verpflichtete die Umbauten ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer vorgenommen hat, trägt er und nicht die übrigen Wohnungseigentümer das Risiko, für die bauliche Veränderung erhebliche Mittel wirtschaftlich sinnlos aufgewendet zu haben und für Beseitigung und Wiederherstellung erhebliche Mittel aufwenden zu müssen.409 Das Beseitigungsverlangen ist daher nicht schon allein wegen erheblicher Rückbaukosten rechtsmissbräuchlich,410 sondern nur im Ausnahmefall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wenn die Beeinträchtigung nur geringfügig, der Beseitigungsaufwand aber unverhältnismäßig aufwendig und unzumutbar ist.411 Dabei soll auch zu berücksichtigen sein, ob die Baumaßnahme nur dem Vorteil eines einzelnen Wohnungseigentümers dient oder die Mehrheit gemeinschaftliche Zwecke verfolgt.412

10.185

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann auch ohne Rechtsmissbrauch die Beseitigung von die Grenzen der Zustimmung übersteigenden baulichen Veränderungen verlangen, selbst wenn die abweichende oder weitergehende Bauausführung keine zusätzliche erhebliche Belästigung gegenüber der genehmigten Veränderung darstellt; es gilt nämlich der Vorrang des Vereinbarten.413

10.186

Auch ein Beseitigungsverlangen vor dem Hintergrund einer „Disziplinierung“ wegen Konflikten im täglichen Zusammenleben stellt regelmäßig keine unzulässige Rechtsausübung dar; nur in Ausnahme- oder Erpressungsfällen wird bei Schikane § 226 BGB helfen, wenn sich feststellen lässt, dass das Beseitigungsverlangen allein geltend gemacht wird, um dem „störenden“

10.187

408 BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640. 409 BayObLG v. 29.9.1999 – 2 Z BR 68/99, NZM 1999, 1150 = ZMR 2000, 53; KG v. 16.1.1984 – 24 W 4224/83, ZMR 1986, 189; OLG Düsseldorf v. 25.4.1996 – 3 Wx 378/95, ZMR 1996, 396; OLG Köln v. 13.9.1999 – 16 Wx 65/99, OLGReport Köln 2000, 45; Pfälzisches OLG v. 21.9.1999 – 3 W 141/99, NZM 2000, 294 = ZMR 1999, 855; Schmack, ZWE 2000, 168, 169. 410 BayObLG v. 14.5.1990 – 1b Z 27/89, WuM 1990, 609; OLG Frankfurt v. 12.8.1996 – 20 W 594/95, FGPrax 1997, 54; OLG Köln v. 13.9.1999 – 16 Wx 65/99, OLGReport Köln 2000, 45; OLG Köln Beschl. v. 11.2.2000 – 16 Wx 9/00, NZM 2000, 764; Schleswig- Hoslteinisches OLG v. 20.3.2000 – 2 W 140/99, MDR 2000, 634 = NZM 2000, 674; zur Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB in diesen Fällen BGH v. 30.5.2008 – V ZR 184/07, MDR 2008, 968. 411 BayObLG v. 14.5.1990 – 1b Z 27/89, WuM 1990, 609; BayObLG v. 16.5.1990 – 1b Z 22/89, NJWRR 1990, 1168; BayObLG v. 5.9.2002 – 2 Z BR 130/01, NZM 2003, 120; OLG Hamm v. 25.11.1975 – 15 W 314/75, OLGZ 1976, 61 = RPfleger 1976, 100; s.a. OLG Düsseldorf v. 23.5.2007 – 3 Wx 21/07, NZM 2007, 528. 412 BayObLG v. 29.9.1999 – 2 Z BR 68/99, NZM 1999, 1150, 1152. 413 Schuschke, ZWE 2000, 146, 154.

Hogenschurz

593

Teil 10 Rz. 10.187

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Wohnungseigentümer Schaden zuzufügen.414 Ein Verstoß gegen Treu und Glauben wird dann anzunehmen sein, wenn Ansprüche seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft ohne sachlichen Grund415 unterschiedlich gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.416

10.188 Schon gar nicht ergibt sich ein Rechtsmissbrauch daraus, dass in der Vergangenheit andere Wohnungseigentümer ähnliche bauliche Veränderungen vorgenommen haben.417 Selbst der Umstand, dass der Anspruchsteller (vor Jahren) selbst eine unzulässige bauliche Veränderung vorgenommen hat, die zu beseitigen wegen Verwirkung des Anspruchs nicht mehr verlangt werden kann, lässt sein heutiges Beseitigungsbegehren gegenüber anderen Wohnungseigentümern nicht als treuwidrig erscheinen.418 Es gibt auch keine „Aufrechnung“ baulicher Veränderungen; bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann vielmehr der in Anspruch genommene Wohnungseigentümer seinerseits Beseitigungsansprüche geltend machen.419 g) Rechtsfolgen der fehlenden Durchsetzbarkeit

10.189 Soweit die Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche wegen Verjährung, Verwirkung oder Einwand des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall nicht durchgesetzt werden können, ändert dies nichts daran, dass eine unzulässige eigenmächtige und damit rechtswidrige bauliche Veränderung vorliegt. Verjährung, Verwirkung und Einwand des Rechtsmissbrauchs ersetzen nicht die fehlende Zustimmung der gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG benachteiligten Wohnungseigentümer und beseitigen nicht die Kostenfreiheit gemäß § 16 Abs. 6 S. 1 WEG.420 Verjährung, Verwirkung oder auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs gibt im Falle späterer Sanierungen nicht den Anspruch, die bauliche Veränderung zu wiederholen;421 sie vermitteln keinen Bestandsschutz.422 Insbesondere ist es nicht möglich, durch die Genehmigung eines 414 BayObLG v. 19.2.1998 – 2 Z BR 135/97, NJW-RR 1998, 875; BayObLG v. 24.2.2000 – 2 Z BR 176/99, ZWE 2000, 216; OLG Frankfurt v. 6.3.1979 – 3 Ws 9–25, 84–85/79, NJW 1979, 1613; KG v. 16.1.1984 – 24 W 4224/83, ZMR 1986, 189; OLG Karlsruhe v. 18.9.2000 – 14 Wx 45/00, ZMR 2001, 224; OLG Oldenburg v. 11.3.1997 – 5 W 18/97, WuM 1997, 391. 415 Sachlicher Grund ist etwa die Durchführung eines „Pilotverfahrens“. 416 OLG Oldenburg v. 11.3.1997 – 5 W 18/97, WuM 1997, 391; OLG Hamburg v. 15.3.2002 – 2 Wx 94/99, ZMR 2002, 616. 417 BayObLG v. 12.10.2001 – 2 Z BR 127/01, WuM 2002, 164; s.a. OLG Karlsruhe v. 18.9.2000 – 14 Wx 45/00, ZMR 2001, 224. 418 Schuschke, ZWE 2000, 146, 154; vgl. auch BayObLG v. 21.5.1992 – 2 Z BR 38/92, WuM 1992, 392; BayObLG v. 23.7.1992 – 2 Z BR 22/92, NJW-RR 1993, 337 = ZMR 1992, 551; BayObLG v. 21.7.1994 – 2 Z BR 47/94, WuM 1995, 59; OLG Düsseldorf v. 14.6.1993 – 3 Wx 129/92, NJW-RR 1994, 277; OLG Frankfurt v. 12.8.1996 – 20 W 594/95, FGPrax 1997, 54; OLG Köln v. 22.1.1997 – 16 Wx 238/96, OLGReport Köln 1997, 125; s.a. BayObLG v. 26.9.2001 – 2 Z BR 79/01, ZMR 2002, 211 zur fehlenden Erheblichkeit der Beeinträchtigung in diesem Fall. 419 BayObLG v. 9.10.2000 – 2 Z BR 87/00, ZMR 2001, 125, 126; s.a. OLG München v. 22.8.2007 – 34 Wx 88/07, ZMR 2007, 884 für unzulässige Nutzungen. 420 Vgl. zum alten Recht Saarländisches OLG v. 4.10.1996 – 5 W 286/95-50, ZMR 1997, 31; vertiefend zu den (Kosten-)Folgen J.-H.-Schmidt, ZMR 2001, 924, 925; J.-H. Schmidt, ZMR 2007, 913; Ott, ZWE 2002, 61, 66 f. 421 Für Demontage zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums vgl. OLG Hamburg v. 25.2.2002 – 2 Wx 51/98, ZMR 2002, 451; LG Lüneburg v. 12.2.2008 – 9 S 77/07, ZMR 2008, 486; für Sanierungsbedürftigkeit der baulichen Veränderung vgl. OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – I-3 Wx 217/07, NZM 2009, 442. 422 AG Rosenheim v. 20.3.2012 – 12 C 2082/11, ZMR 2012, 589; ausführlich Klimesch, ZMR 2012, 428.

594

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.191 Teil 10

Ersatzbauwerks, z.B. eines Gartenhauses statt eines Metallschuppens, die bestehende faktische alleinige Nutzung von Gemeinschaftsflächen zu billigen, weil insoweit ein Sondernutzungsrecht begründet würde.423 Zudem bleibt der von dem Störer geschaffene Zustand auch nach Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB rechtswidrig; der Gestörte darf ihn deshalb auf eigene Kosten beseitigen.424 Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf die Beseitigung auf eigene Kosten durchführen und deren Duldung auch vom jeweiligen Zustandsstörer verlangen.425 Aus der fehlenden Durchsetzbarkeit folgt, soweit es um das Gemeinschaftseigentum geht, das Recht, nicht die Pflicht der Wohnungseigentümer, eine rechtswidrige bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums auf Kosten aller Wohnungseigentümer zu beseitigen und das gemeinschaftliche Eigentum in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen (Beschlusskompetenz aus § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), wobei der Sondereigentümer oder Sondernutzungsberechtigte notwendige Eingriffe gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 1 WEG (nach vorheriger Ankündigung) hinnehmen muss, ohne das es eines Duldungsanspruchs bedürfte.426 Der einzelne Wohnungseigentümer ist auch in einer nur aus zwei Wohnungseigentümern bestehenden Eigentümergemeinschaft nicht berechtigt, die bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum durch einen anderen Wohnungseigentümer selbst zurückzubauen, sondern auf die Geltendmachung des Anspruchs aus § 21 Abs. 4 und 8 WEG verwiesen;427 selbst bei Zusage einer Kostenübernahme durch einen interessierten Wohnungseigemntümer besteht aber keine Pflicht der übrigen Wohnungseigentümer, das Beseitigungsrecht auszuüben.428

10.189a

Dies bedeutet nicht, dass der Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch bei der Notwendigkeit der Instandsetzung des baulich veränderten Bauteils, etwa der Auswechslung eines zu duldenden Dachfensters wegen Undichtigkeit, wieder aufleben würde. Denn Vergleichszustand für die Feststellung des Vorliegens einer Veränderung ist der Errichtungszustand und der hieraus durch Vornahme einer baulichen Veränderung hervorgegangene Zustand, soweit diese bauliche Veränderung zulässig erfolgt ist.429 Eine Erweiterung oder Vertiefung des Nachteils ist auch bei notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen nicht zulässig.430

10.190

4. Ansprüche aufgrund unzulässiger sowie genehmigter Umbauarbeiten Neben Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüchen aufgrund ungenehmigter baulicher Veränderungen ergeben sich in diesen Fällen und auch bei ursprünglich oder später genehmigten baulichen Veränderungen Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft und der übrigen Wohnungseigentümer gegen den Bauenden auf Einhaltung von Sorgfalts- und Gewährleistungspflichten.

423 424 425 426 427 428 429

LG Berlin v. 22.2.2019 – 85 S 15/18, ZMR 2019, 707. BGH v. 28.1.2011 – V ZR 141/10, MDR 2011, 477 = NJW 2011, 1068. AG Hannover v. 25.6.2010 – 480 C 3970/10, ZMR 2010, 996. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, Juris. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, Juris. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, Tz. 14, Juris. OLG Köln v. 29.9.2000 – 16 Wx 132/00, OLGReport Köln 2001, 22; unklar BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696 = ZfIR 2017, 409 mit Anm. Hogenschurz, ZfIR 2017, 413, 414. 430 OLG Düsseldorf v. 26.6.2008 – 3 Wx 217/07, NZM 2009, 442.

Hogenschurz

595

10.191

Teil 10 Rz. 10.192

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

a) Beachtung der allgemeinen Baunormen und Regeln der Technik

10.192 Ohne dass dies in der Zustimmung ausdrücklich angesprochen oder als Bedingung gestellt worden sein müsste, hat der Umbauende selbstverständlich die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten431 und die zwingenden öffentlich-rechtlichen Normen des Baurechts zu beachten.432

10.193 Diesen Standard kann auch der einzelne Wohnungseigentümer vom umbauenden Wohnungseigentümer verlangen, weil seinem Schutz dienende Vorschriften verletzt sind. Deshalb kann er auch die Einhaltung der allgemeinen Regeln der Technik gegen den Umbauenden geltend machen, weil durch mangelhafte Arbeiten am Gemeinschaftseigentum jeder Wohnungseigentümer berührt wird; ebenso kann er die Beachtung der Brandschutznormen sowie der Lärmschutzbestimmungen fordern, soweit er durch die Lärmimmissionen betroffen ist.433 b) Beachtung der Auflagen und Bedingungen sowie Einhaltung der Grenzen der Zustimmung

10.194 Der Umbauende muss sich an die ihm genehmigten Pläne halten und die Bedingungen, an die die Zustimmung geknüpft ist, und die in ihrem Zusammenhang erteilten Auflagen beachten. Ansonsten handelt es sich um eine unzulässige bauliche Veränderung, die Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche auslöst.434

10.195 Beispiel: – keine Fertiggarage bei genehmigtem Carport; – kein Gartenhaus bei genehmigtem Geräteschuppen; – keine neue Wohnung im Zuge des Dachgeschossausbaus bei Genehmigung der Errichtung eines Hobbyraums.

c) Schadensersatzansprüche

10.196 Für Schäden am Gemeinschaftseigentum oder am Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers, die durch bauliche Veränderungen verursacht werden, haftet der Verursacher bei Verschulden gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB auf Schadensersatz.

10.197 War die Zustimmung an die Übernahme der Gefahr für alle Folgen geknüpft, haftet der Veränderer ohne Verschulden.435

10.198 Für die Folgekosten bei späteren Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen der nicht genehmigten baulichen Veränderung muss gemäß § 16 Abs. 6 S. 1 2. Hs. WEG der

431 BayObLG v. 2.4.1992 – 2 Z BR 9/92, NJW-RR 1992, 974 = WuM 1992, 324; KG v. 28.2.2000 – 24 W 8820/98 und 24 W 2976/99, NZM 2000, 1012 = ZMR 2000, 635; OLG Köln v. 8.11.1996 – 16 Wx 215/96, OLGReport Köln 1997, 91; vgl. BGH v. 24.6.2013 – V ZR 182/12, MDR 2013, 961. 432 BayObLG v. 2.4.1992 – 2 Z BR 9/92, NJW-RR 1992, 974; BayObLG v. 12.9.1996 – 2 Z BR 52/96, FGPrax 1996, 221; BayObLG v. 23.1.2001 – 2 Z BR 116/00, ZMR 2001, 472. 433 BayObLG v. 2.4.1992 – 2 Z BR 9/92, NJW-RR 1992, 974. 434 Schuschke, ZWE 2000, 146, 154. 435 KG v. 30.11.1992 – 24 W 4734/92, WuM 1993, 209.

596

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.204 Teil 10

Bauende allein aufkommen.436 Dies gilt aber nicht für Kosten, die der Wohnungseigentümergemeinschaft ohnehin entstanden wären, auch wenn die bauliche Veränderung nicht durchgeführt worden wäre, die sich vielmehr erst anlässlich der baulichen Veränderung als notwendig ergeben haben, etwa die Feststellung von Hausschwamm im Dachstuhl bei Ausbauarbeiten.437 Soweit der Bauende solche Schäden am Gemeinschaftseigentum während der Umbaumaßnahmen mitbeseitigt, können ihm für entstehende notwendige Aufwendungen Ersatzansprüche unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag aus § 670 BGB zustehen. Hinweis: Bei der Feststellung von bisher verdeckten Schäden am Gemeinschaftseigentum während der Durchführung einer baulichen Veränderung sollte umgehend eine Klärung der Kostentragung mit der Wohnungseigentümergemeinschaft herbeigeführt werden, auch wenn hierzu eine außerordentliche Eigentümerversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung notwendig werden sollte. Sonst besteht später die Gefahr, dass der Umbauende oder der diesen eigenmächtig entschädigende Verwalter auf den Mehrkosten sitzen bleibt. Im Nachhinein, so zeigt es die Praxis, lässt sich die Notwendigkeit der Aufwendungen einfach bestreiten, selbst wenn zuvor alles informell „abgemacht“ erschien.

10.199

5. Durchsetzung des Rückbauverlangens Soweit die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruchs gegeben sind, müssen diese zunächst im Erkenntnisverfahren festgestellt – „tituliert“ – werden und dieser Titel dann wenn nötig vollstreckt werden.

10.200

a) Verfahren Um die genannten Ansprüche durchzusetzen, ist gegen den Wohnungseigentümer der Rechtsweg zum sachlich ausschließlich zuständigen Amtsgericht der belegenen Sache gemäß § 43 Nr. 1 oder 2 WEG gegeben. Es kann ein Schlichtungsverfahren vor dem Beirat vereinbart sein, dessen erfolglose Durchführung Zulässigkeitsvoraussetzung für die gerichtliche Inanspruchnahme ist.438

10.201

Bei Klagen nur gegen den Mieter folgt die gerichtliche Zuständigkeit aus den allgemeinen Vorschriften der ZPO.

10.202

Schließlich können der vermietende Wohnungseigentümer und sein Mieter gemeinsam vor dem gemäß § 43 Nr. 1 WEG zuständigen Amtsgericht verklagt werden. Wo es an einer gemeinsamen örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit gegen beide fehlt, kann diese im Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Antrag bestimmt werden.439 In diesem Fall bestimmt sich die Berufungszuständigkeit einheitlich gemäß § 72 Abs. 2 GVG.440

10.203

Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass auch die Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn ein Wohnungseigentümer einem Beschluss, der ihn zum Rückbau baulicher Verände-

10.204

436 Abweichend für einen Sonderfall KG v. 23.12.1998 – 24 W 4996/98, KGReport Berlin 1999, 173. 437 KG v. 17.9.1997 – 24 W 7853/96, KGReport Berlin 1998, 258; s.a. Armbrüster, ZWE 2001, 85. 438 OLG Frankfurt v. 11.6.2007 – 20 W 108/07, NZM 2008, 290. 439 OLG München v. 20.2.2008 – 31 AR 18/08, OLGReport München 2008, 345; OLG München v. 24.6.2008 – 31 AR 74/08, OLGReport München 2008, 630. 440 BGH v. 9.12.2010 – V ZB 190/10, WuM 2011, 185; LG Duisburg v. 8.6.2010 – 7 S 10/10, ZMR 2010, 980.

Hogenschurz

597

Teil 10 Rz. 10.204

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

rungen verpflichtet, nicht nachkommt, nicht einfach zur Ersatzvornahme befugt ist, sondern zunächst einen rechtskräftigen Titel erstreiten muss.441 Dies bedarf regelmäßig eines Hauptsacheverfahrens, denn einer einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) steht in der Regel das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.442

10.205 Hinweis: Wer soll den Unterlassungsanspruch geltend machen? Die Wohnungseigentümergemeinschaft (vertreten durch den Verwalter), ein einzelner Wohnungseigentümer, der durch die übrigen oder die Wohnungseigentümergemeinschaft von den Kosten freigestellt wird? Diese Frage kann man nur für den Einzelfall beantworten. Zu bedenken gilt es:

10.206 – Häufig wird es sich beim Streit um bauliche Veränderungen um einen Streit zwischen einzelnen Wohnungseigentümern handeln. Auch wenn § 48 Abs. 1 S. 1 WEG für den Regefall eine Beiladung vorsieht, wenn ein Wohnungseigentümer den anderen auf Beseitigung einer eigenmächtigen baulichen Veränderung in Anspruch nimmt, müssen sich die übrigen Wohnungseigentümer nicht am Streit beteiligen, indem sie dem Rechtsstreit beitreten, und nicht selbst Stellung beziehen. Die übrigen Wohnungseigentümer und damit die Wohnungseigentümergemeinschaft sollten sich ebenso wenig wie der Verwalter durch einzelne Wohnungseigentümer instrumentalisieren lassen.

10.207 – Anders ist es, wenn sich ein Wohnungseigentümer vehement bewusst gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stellt, indem er schwerwiegende bauliche Veränderungen, beispielsweise Wand- und Deckendurchbrüche oder Anbauten eigenmächtig, in Eigenarbeit und ohne Genehmigung durchführt. Hier sollte man den Anfängen und dem negativen Vorbild exemplarisch wehren. Dabei ist es sinnvoll, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter als handelndem Organ, die eigenen Ansprüche und gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG die der einzelnen Wohnungseigentümer gemeinsam gegen den Störer geltend macht. Für die früher gebräuchliche Vorgehensweise, den Verwalter durch Eigentümerbeschluss zur Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen als Verfahrensstandschafter zu ermächtigen, besteht nach der Reform des Wohnungseigentumsrechts keine Notwendigkeit mehr, ist er doch ohnehin Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft.

10.208 – Schließlich gibt es die Situation, dass gleichsam in einem Musterverfahren bestimmte Fragen von häufigen baulichen Veränderungen in der Wohnungseigentumsanlage geklärt werden müssen. Auch hier bietet es sich an, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, die Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG geltend macht. b) Antragsformulierung

10.209 Die Formulierung eines Antrags auf Beseitigung einer baulichen Veränderung und Wiederherstellung des früheren Zustands muss entsprechend dem im Einzelfall Verlangten vorgenommen werden, etwa

10.210 „den Beklagten zur Beseitigung der auf der Rückseite des Hauses … auf dem Balkon der Wohnung des Antragsgegners im zweiten Obergeschoss, die im Aufteilungsplan mit … bezeichnet ist, zum Nachbargrundstück hin errichteten Glastrennwand und zur Wiederherstellung der verklinkerten Fassade zu verurteilen.“

441 Vgl. OLG Köln v. 23.9.1998 – 16 WX 122/98, NZM 1998, 958. 442 LG Hamburg v. 11.8.2011 – 318 T 39/11, ZMR 2012, 132.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.215 Teil 10

Das Erfordernis eines bestimmten Antrags gemäß § 253 Abs. 2 ZPO dient nicht nur der Bestimmung des Streitgegenstandes, sondern auch der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung. Spätestens hier muss Klarheit bestehen, was unter Zuhilfenahme staatlicher Gewalt notfalls gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden kann. Der Leistungstitel muss die dem Schuldner auferlegten Pflichten konkret und so bestimmt angeben, dass dieser über den Umfang seiner Pflichten nicht im Zweifel sein kann. Mit der rechtskräftigen Entscheidungsformel: „Die bauliche Veränderung ist wieder rückgängig zu machen.“ wäre nicht viel anzufangen. Je genauer die dem Schuldner obliegende Pflicht – das ist bei baulichen Veränderungen regelmäßig der herzustellende Zustand – in der Entscheidungsformel, die der Auslegung anhand der Entscheidungsgründe zugänglich ist, beschrieben ist, desto weniger Schwierigkeiten ergeben sich später bei der Zwangsvollstreckung, etwa bei der Bestimmung eines Vorschusses gemäß § 887 Abs. 2 ZPO.443

10.211

Andererseits ist zu beachten, dass dem Schuldner das Wahlrecht zusteht, wie er den Rückbau der baulichen Veränderung vornimmt und den früheren Zustand wiederherstellt. So ist zum Beispiel bei Veränderung des Oberbodens einer Wohnung, die zu nachteiligen Auswirkungen auf den Trittschallschutz führt, der Antrag dahin zu formulieren, dass ein bestimmter Schallpegel einzuhalten ist; wie der Schuldner dieser Pflicht nachkommt, bleibt ihm überlassen. Die Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme kann nur dann erfolgen, wenn allein diese Maßnahme den geschuldeten Erfolg verspricht und andere Maßnahmen vernünftigerweise nicht ernsthaft in Betracht kommen.444

10.212

c) Zwangsvollstreckung Wenn ein rechtskräftiger Titel über den Rückbau einer baulichen Veränderung erstritten ist, schließt sich, soweit der verpflichtete Antragsgegner seine Pflicht aus dem Titel nicht freiwillig erfüllt, das Zwangsvollstreckungsverfahren445 an. Dabei können hier nur die Grundzüge der Zwangsvollstreckung beim Rückbau baulicher Veränderungen sowie die Vollstreckung in der (unter-)vermieteten Wohnung und erforderliche behördliche Genehmigungen als besondere Fragestellungen besprochen werden.

10.213

aa) Grundzüge Regelmäßig handelt es bei dem Rückbau einer baulichen Veränderung und der Wiederherstellung des früheren Zustands um vertretbare Handlungen, so dass die Vollstreckung gemäß § 887 Abs. 2 ZPO durch das Amtsgericht als Prozessgericht erfolgt. Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften der ZPO.

10.214

Die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO besteht in der Ermächtigung des Gläubigers, die geschuldete Maßnahme durch einen Dritten oder selbst vorzunehmen und die entstehenden notwendigen Kosten von dem Schuldner beizutreiben. Der Gläubiger kann dabei gemäß § 887 Abs. 2 ZPO verlangen, dass der Schuldner zur Zahlung eines Kostenvorschusses verurteilt wird vorbehaltlich der Nachforderung eines höheren Differenzbetrags. Widerstand des Schuldners gegen die Ersatzvornahme wird durch den Gerichtsvollzieher beseitigt, § 892 ZPO.

10.215

443 Vgl. auch OLG München v. 23.7.2007 – 34 Wx 83/07, OLGReport München 2007, 744 zu einem Titel, der zur Entfernung eines „zwischen“ zwei Garagenstellplätzen angebrachten Gitters verpflichtet. 444 BGH v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 = MDR 2004, 503; vgl. LG Düsseldorf v. 27.6.2019 – 19 S 152/18, Juris. 445 Vgl. Müller/Hogenschurz, Beck’sches Prozessformularbuch Wohnungseigentumsrecht, M.II.

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Teil 10 Rz. 10.216

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.216 Soweit der Schuldner Erfüllung oder Unmöglichkeit einwendet, ist er nicht auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, sondern ist die Klärung bereits im Verfahren gemäß § 887 ZPO vorzunehmen.446 Für die Feststellung, ob ein titulierter Anspruch erfüllt ist, fehlt der Wohnungseigentümergemeinschaft die Beschlusskompetenz; sie ist Aufgabe der Gerichte.447 bb) Vollstreckung in der (unter-)vermieteten oder verkauften Wohnung

10.217 Die Vollstreckung einer an sich vertretbaren Handlung erfolgt gegen einen Wohnungseigentümer, der seine Wohnung verkauft, vermietet oder unentgeltlich zum Gebrauch überlassen hat, soweit der Dritte mit der Durchführung der vertretbaren Handlung nicht einverstanden ist, gemäß § 888 ZPO, nicht gemäß § 887 ZPO.448 Denn der Schuldner hat durch Verkauf, Vermietung oder unentgeltliche Überlassung den unmittelbaren Besitz an den Räumlichkeiten an einen Dritten verloren, die zur Durchführung der vertretbaren Handlung gemäß § 887 ZPO betreten werden müssen. Gegen den Dritten richtet sich der Vollstreckungstitel des Gläubigers aber nicht. Gegen ihn kann auch nicht der Gerichtsvollzieher gemäß § 892 ZPO eingesetzt werden. Eine Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO ist daher nur mit dem Einverständnis des Dritten möglich.

10.218 Die Verhängung von Zwangsmitteln gegen den Wohnungseigentümer gemäß § 888 ZPO ist erst dann unzulässig, wenn der Wohnungseigentümer erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens und eines Abfindungsangebotes unternommen hat, um den Dritten zur Duldung der Handlung zu veranlassen.449 Dabei kommt etwa der Widerruf der Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne in Betracht, wenn die Gründe für ihre Genehmigung später weggefallen sind.450 Der Gläubiger und auch die Wohnungseigentümergemeinschaft können dem vermietenden Mitglied aber nicht vorschreiben, wie es zur Umsetzung des titulierten Anspruchs gegen den Mieter vorgeht.451 Der Schuldner ist auch nicht verpflichtet, dem Gläubiger die Namen und Anschriften der Personen bekannt zu geben, an die er das von der Beseitigungspflicht betroffene Gebäude vermietet hat.452

10.219 Die Vollstreckung gemäß § 888 ZPO ist nur bei Unmöglichkeit, die Mitwirkung oder Zustimmung des Käufers oder Mieters zu erlangen, unzulässig. Die Frage der Erfüllung ist be446 BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB 32/04, BGHZ 161, 67 = NJW 2005, 367 = MDR 2005, 351; BGH v. 22.9.2005 – I ZB 4/05, GuT 2005, 265. 447 OLG Hamm v. 24.1.2001 – 15 W 405/00, NZM 2001, 543 = ZMR 2001, 654. 448 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = NZM 2009, 202; BayObLG v. 29.12.1988 – BReg 2 Z 79/88, BayObLGZ 1988, 440 = NJW-RR 1989, 462; BayObLG v. 27.10.1993 – 2 Z BR 107/93, WuM 1993, 766; BayObLG v. 21.10.1999 – 2 Z BR 102/99, NZM 2000, 303; OLG Köln v. 14.4.2000 – 16 Wx 58/00, NZM 2000, 1018; s.a. OLG Düsseldorf v. 13.3.2002 – 3 W 404/01, NZM 2002, 711. 449 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = NZM 2009, 202; BayObLG v. 29.12.1988 – BReg 2 Z 79/88, BayObLGZ 1988, 440 = NJW-RR 1989, 462; BayObLG v. 27.10.1993 – 2 Z BR 107/93, WuM 1993, 766; BayObLG v. 21.10.1999 – 2 Z BR 102/99, NZM 2000, 303;OLG Schleswig v. 12.8.2002 – 2 W 21/02, MDR 2003, 149; OLG Stuttgart v. 26.7.2005 – 5 W 36/05, MDR 2006, 293; s.a. OLG Düsseldorf v. 13.3.2002 – 3 W 404/01, NZM 2002, 711 für den Fall, dass es der Mitwirkung der Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf und zur dann bestehenden Einwirkungspflicht des verpflichteten Wohnungseigentümers auf die Wohnungseigentümergemeinschaft. 450 AG Frankfurt v. 27.7.2011 – 33 C 1957/11, InfoM 2012, 222. 451 OLG Frankfurt v. 28.1.2004 – 20 W 124/03, NZM 2004, 231. 452 BGH v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, MDR 2009, 468 = NZM 2009, 202.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.221 Teil 10

reits im Verfahren gemäß § 888 ZPO zu berücksichtigen.453 Dabei ist es Sache des Schuldners, seine Bemühungen darzulegen und zu beweisen. Erst wenn alle dem Schuldner möglichen Anstrengungen, den Dritten rechtlich notfalls mit Gerichtshilfe und tatsächlich auf andere Weise zur Zustimmung und Mitwirkung zu zwingen, fehlgeschlagen sind, kann kein Zwangsmittel mehr verhängt werden. Zum Risikobereich des vermietenden Wohnungseigentümers gehört es, dass die Vermietung mit dem Gemeinschaftsverhältnis vereinbar ist; er kann bei Unvereinbarkeit nicht das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen.454 Um zu vermeiden, dass ein Anspruch gegen den vermietenden Wohnungseigentümer trotz langer Mühen doch nicht durchsetzbar ist, sollte daher – wo möglich – der Mieter (oder sonstige Nutzer) als Handlungsstörer unmittelbar (vor dem Prozessgericht) in Anspruch genommen werden.455 cc) Erforderliche behördliche Genehmigungen Wie eine Zwangsvollstreckung im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO nur dann nicht in Betracht kommt, wenn feststeht, dass die erforderliche Mitwirkung Dritter fehlt, steht auch das Erfordernis einer behördlichen Zustimmung der Anordnung der Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO nicht entgegen.456 Dies wird häufig bei denkmalgeschützten Häusern bedeutsam, oder etwa, wenn für den Abriss eine Baugenehmigung erforderlich ist. Kommunale Baumschutzsatzungen können z.B. dem Anspruch auf Fällen älterer Bäume entgegenstehen.457

10.220

Solche Fragen werden im Verfahren gemäß § 887 ZPO grundsätzlich nicht geprüft. Öffentlich-rechtliche Hindernisse stehen der Erteilung einer Ermächtigung gemäß § 887 ZPO nicht entgegen; es ist dann Sache des Gläubigers, die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Ersatzvornahme vor deren Durchführung zu schaffen.458 Sofern das Erfordernis öffentlich-rechtlicher Genehmigungen zweifelhaft ist (Baugenehmigung, Altlastenunbedenklichkeit, Wasserrecht, Naturschutzrecht usw.), obliegt es jedoch zunächst dem Schuldner, klärende Schritte zu veranlassen. Es handelt sich um typische Vorbereitungshandlungen zur Erfüllung des gegen ihn titulierten Anspruchs. Der Schuldner muss substantiiert vortragen, dass er eine entsprechende Klärung nicht herbeiführen und wegen genehmigungsrechtlicher Hindernisse nicht erfüllen kann. Allein die Unklarheit über die Notwendigkeit einer Genehmigung kann nicht dazu führen, die Vornahme der geschuldeten Arbeiten zu blockieren. Ist die Ermächtigung gemäß § 887 ZPO erteilt, so ist es Sache des Gläubigers, die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Ersatzvorname zu schaffen.459 Die Ermächtigung des Gläubigers gemäß § 887 ZPO ist überhaupt erst Voraussetzung, um den Gläubiger zur eigenen Antragstellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu berechtigen,460 wobei dem Schuldner bei diesem von dem Gläubiger einzuleitenden Antragsver-

10.221

453 KG v. 6.12.2007 – 2 W 185/07, MDR 2008, 349. 454 BGH v. 19.11.1995 – XII ZR 230/94, NJW 1996, 714 = MDR 1996, 355. 455 Zur besonderen Konstellation, dass der störende Mieter zugleich Eigentümer einer anderen Wohnung in der Wohnungseigentumsanlage ist, vgl. KG v. 13.12.2004 – 24 W 298/03, ZMR 2005, 977. 456 OLG Frankfurt v. 15.4.1982 – 20 W 125/82, MDR 1983, 141; OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86. 457 OLG Düsseldorf v. 18.10.1991 – 22 U 220/90, OLGReport Düsseldorf 1992, 24; OLG Köln v. 17.2.1997 – 16 U 50/96, OLGReport Köln 1997, 185; s.a. Köhler, WE 1996, 168. 458 OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86. 459 OLG Celle v. 8.6.1961 – 8 W 43/61, MDR 1961, 859; OLG Frankfurt v. 15.4.1982 – 20 W 125/82, MDR 1983, 141; OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86. 460 LG Hamburg v. 16.4.1957 – 16 O 14/56, MDR 1958, 340.

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Teil 10 Rz. 10.221

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

fahren aus dem rechtskräftigen Urteil eine Mitwirkungspflicht obliegt.461 Eine Ersatzvornahme kommt erst dann nicht mehr in Betracht, wenn selbst dem Gläubiger eine eventuell erforderliche Genehmigung endgültig verweigert wurde.462 Ein etwaiger Verstoß bei der Durchführung der Ersatzvornahme gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften würde zu Lasten des Gläubigers und nicht des Schuldners gehen.463 d) Einstweiliger Rechtsschutz

10.222 Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich auch in Wohnungseigentumssachen nach den allgemeinen Regeln der §§ 918 ff. ZPO. Deshalb ist in dringenden Fällen unter Beachtung der hier als bekannt vorausgesetzten allgemeinen Anforderungen die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich, in dem um vorläufigen Rechtsschutz durch Arrest oder Erlass einer einstweiligen Verfügung nachgesucht wird. Ausschließlich sachlich und örtlich zuständig ist das Amtsgericht der belegenen Sache, § 43 Nr. 4 WEG, § 23 Nr. 2c) GVG. Keine Besonderheiten ergeben sich, soweit ein einzelner Wohnungseigentümer eigenmächtig eine rechtswidrige, also weder durch Eigentümerbeschluss genehmigte, noch unerhebliche bauliche Veränderung vornimmt. Ihm kann durch eine Untersagungsverfügung die Baustelle stillgelegt und die Sicherung der bestehenden Situation aufgegeben werden, etwa die provisorische Abdichtung des zum Dachausbau geöffneten Daches. Es liegt im Interesse der zeitnahen und effektiven Abwehr von Schäden nahe, dass die Sicherung besser nicht dem Störer überlassen bleibt, sondern von der Eigentümergemeinschaft selbst durchgeführt wird; dem Störer kann gemäß § 14 Nr. 4 WEG aufgegeben werden, die Sicherungsmaßnahmen zu dulden.

10.223 Besonderheiten ergeben sich, soweit ein Wohnungseigentümer gegen einen Eigentümerbeschluss Anfechtungsklage erhebt und seine gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gebotene Vollziehung durch eine einstweilige Verfügung verhindern will, um die Schaffung vollendeter Tatsachen oder auch nur die Durchführung auf ungesicherter Rechtsgrundlage zu verhindern. Richtige Antragsgegner sind wie im Falle der Beschlussanfechtung grundsätzlich die übrigen Wohnungseigentümer,464 der Verwalter dagegen nur ausnahmsweise, wenn in den angefochtenen Eigentümerbeschlüssen ausdrücklich geregelt ist, dass sie der Verwalter erst nach Bestandskraft umsetzen soll, sich an diese Anweisung aber nicht hält. Die Aussetzung der Vollziehung eines Eigentümerbeschlusses kommt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Weil die Beschlussanfechtungsklage gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gerade keine aufschiebende Wirkung hat, ergibt sich allein aus der Vollziehung eines Eigentümerbeschlusses noch kein Verfügungsgrund gemäß § 940 ZPO. Das Gesetz misst dem Vollziehungsinteresse der Gemeinschaft grundsätzlich ein größeres Gewicht bei als dem Aussetzungsinteresse der Wohnungseigentümer, die den Beschluss anfechten. Die Vollziehung des Beschlusses für die Zeit des schwebenden Anfechtungsverfahrens kann angesichts dieser Wertung des Gesetzgebers nur dann im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesetzt werden, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass im konkreten Einzelfall ausnahmsweise im Wege der Folgenbeseitigung nicht wieder gut zu machende Schäden drohen oder weil bei unstreitiger Sachlage und gefestigter Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit des Beschlusses derart offenkundig ist, dass es hierfür nicht

461 OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86. 462 OLG Düsseldorf v. 26.1.2001 – 9 W 79/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 282; OLG Celle v. 8.6.1961 – 8 W 43/61, MDR 1961, 859; OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86; LG Hamburg v. 16.4.1957 – 16 O 14/56, MDR 1958, 340. 463 OLG Frankfurt v. 17.2.1997 – 3 W 66/96, OLGReport Frankfurt 1997, 86. 464 LG Frankfurt v. 17.3.2010 – 2-13 S 32/09, NZM 2010, 870.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.226 Teil 10

erst der umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedarf,465 wie bei dem in einer baulichen Veränderung vorliegenden offensichtlichen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung.466 Die Beantragung der einstweiligen Verfügung wahrt die Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG nicht. Ist die Anfechtungs- oder Begründungsfrist verstrichen, kann dem Eigentümerbeschluss nur noch Nichtigkeit entgegengehalten werden. 6. Veränderungs-ABC

10.224

Vorbemerkung Die in der folgenden Zusammenstellung gegebene Sammlung von Beispielsfällen zu eigenmächtigen baulichen Veränderungen durch einzelne Wohnungseigentümer kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie kann aus der unüberschaubaren Zahl möglicher Fälle von baulichen Veränderungen nur immer wieder auftretende „Klassiker“ berücksichtigen. Jeder Einzelfall muss mit seinen jeweiligen Besonderheiten rechtlicher und tatsächlicher Art im Detail sorgfältig betrachtet werden. Der Beibringungsgrundsatz führt dazu, dass nur Gesichtspunkte, die von den Parteien in den Rechtsstreit eingeführt werden, vom Gericht beachtet werden. Deshalb lassen sich gerade in den Fällen baulicher Veränderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung wohl nur mögliche Argumente entnehmen; unter Berücksichtigung der seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts 2007 ergangenen Rechtsprechung, gerade zur Frage der nachteiligen optischen Veränderung, kann man die Tendenz feststellen, nicht gleich bei jeder kleinen Veränderung einen unzumutbaren Nachteil anzunehmen. Ausgangspunkt war in der Vergangenheit die Faustregel: Im Zweifel ist jede Veränderung des bestehenden Zustandes des Gemeinschaftseigentums und der äußeren Gestaltung des Gebäudes eine bauliche Veränderung.467 Und sie beeinträchtigt in der Regel andere Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus nachteilig, so dass deren Zustimmung erforderlich ist. Allerdings sind gerade die hier genannten älteren Rechtsprechungsbelege anhand den Grundsätzen zur Bewertung der Veränderung der äußeren Gestalt in der Rechtsprechung des BGH (vgl. Rz. 10.90) kritisch zu prüfen. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 GG468 grundsätzlich zu einem strengen Verständnis tendiert, zum Leid dessen, der ändern möchte, zur Freude dessen, der gegen eine Veränderung ist. Daraus resultierende Härten hat die Reform des Wohnungseigentumsrechts mit der Möglichkeit der Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG zu mildern versucht; deren enge Grenzen gilt es zu respektieren.

10.225

Dabei macht sich in der neueren Rechtsprechung in besonderer Weise der Übergang vom 10.226 WEG-Verfahren mit dem Amtsermittlungsgrundsatz zum ZPO-Verfahren mit dem Beibringungsgrundsatz bemerkbar.469 Die Entscheidung des Gerichts hängt gerade bei vorzunehmenden Abwägungen in besonderem Maße davon ab, welche Gesichtspunkte von den Parteien etwa für die Nachteiligkeit einer Maßnahme oder auch für die eigenen Grund465 LG München I v. 17.7.2008 – 36 S 9508/08, ZMR 2009, 146; LG München I v. 8.8.2008 – 1 T 13 169/08, ZMR 2009, 73; LG Frankfurt v. 17.3.2010 – 2-13 S 32/09, NZM 2010, 870; kritisch Timme/Elzer, § 43 WEG Rz. 34; Abramenko, ZMR 2010, 329, 333. 466 AG München v. 8.7.2010 – 483 C 703/10, ZMR 2010, 999. 467 Vgl. OLG Köln v. 15.2.2002 – 16 Wx 232/01, NZM 2002, 258 für ein DIN A4 großes Hinweisschild. 468 BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634. 469 Dötsch/Hogenschurz, NZM 2010, 297.

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Teil 10 Rz. 10.226

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

rechtspositionen geltend gemacht werden. Wenn etwa eine Partei gegen die Anbringung einer Parabolantenne nur nachteilige Auswirkungen für die Statik vorträgt, nicht aber die nachteilige Auswirkung auf die äußere Gestaltung des Gebäudes, wird das Gericht seine Prüfung auf die Statik beschränken. Wenn ein Wohnungseigentümer für die Errichtung einer Parabolantenne anführt, nur über Satellitenempfang könne er Programme in seiner Heimatsprache empfangen, wird das Gericht nicht von Amts wegen ermitteln, ob ein Empfang auch in anderer Weise (Internet usw.) zumutbar möglich ist. Aus alldem folgt somit, dass die Anforderungen an den Parteivortrag gestiegen sind; damit wird zugleich der Wert der folgenden Rechtsprechungsübersicht belegt, die Anregungen zu erheblichen Gesichtspunkten geben kann. Gerade bei Veränderungen der äußeren Gestaltung des Gebäudes kann durch die Vorlage geeigneter Lichtbilder vom früheren und vom beanstandeten Zustand das Ausmaß der Beeinträchtigungen des optischen Gesamteindrucks verdeutlicht werden; durch den Beweisantritt der gerichtlichen Augenscheinsnahme kann zugleich dem Argument vorgebeugt werden, dass sich erhebliche Auswirkungen aus den Lichtbildern nicht ergäben.

10.227 Hinweis: Es ist wichtig, diese aus der besonderen rechtlichen Verbundenheit und räumlichen Nähe in einer Wohnungseigentümergemeinschaft abzuleitenden Grundsätze dem im Wohnungseigentumsrecht noch unbedarften Mandanten deutlich zu machen und weit verbreiteten abweichenden laienhaften Meinungen entgegenzutreten. Es ist insbesondere wichtig, dem Mandanten zu verdeutlichen, warum es im Einzelfall nicht auf die von ihm im Internet gefundene „Leitentscheidung“ ankommt, sondern auf die Besonderheiten seines eigenen Falls und die für diesen vertretbaren Argumente. Welche Bewertung das zur Entscheidung berufene Gericht vornimmt, ist dann für den Einzelfall nur schwer vorherzusehen. So haben schon sehr umfangreiche Baumaßnahmen im Einzelfall die von der Rechtsbeschwerdeinstanz aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Billigung der Fachgerichte gefunden.470

10.228 In den folgenden Stichworten werden nur soweit problematisch die Fragen angesprochen, aus welchen Gesichtspunkten eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG vorliegt, warum diese für andere Wohnungseigentümer nachteilig im Sinne der §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG sein können und welche Besonderheiten im Übrigen zu beachten sind.

10.229 – Abluft fi siehe Geruch 10.230 – Absperrpfähle/Absperrketten fi siehe Kfz-Stellplätze 10.231 – Antenne fi siehe auch Parabolantenne Die Anbringung einer Amateurfunkantenne ist zustimmungspflichtig, soweit sie mit Eingriffen in die Bausubstanz (Einbau von Antennenkabel, Beschädigung der Dachhaut usw.) und Nachteilen (Sturmanfälligkeit, Störung des Rundfunk- und Fernsehempfangs usw.) oder einer Beeinträchtigung der optischen Gestalt verbunden ist oder sein kann.471 Die Genehmigung

470 BayObLG v. 16.6.2004 – 2 Z BR 65/04, BayObLGReport 2004, 426, für einen 3 mal 5 m großen, unterkellerten Wintergarten in einer Doppelhausanlage, aufgehoben durch BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634; BayObLG v. 30.1.2003 – 2 Z BR 121/02, ZMR 2003, 514, im Einzelfall für die Errichtung einer Doppelgarage; OLG Hamburg v. 27.12.2004 – 2 Wx 19/04, ZMR 2005, 367 für ein Gewächshaus und einen Carport für zwei Fahrzeuge. 471 BayObLG v. 23.10.1986 – 2 Z 51/85, MDR 1987, 235 = ZMR 1987, 30; OLG Celle v. 21.12.1981 – 4 Wx 29/81, Wohnungseigentümer 1982, 33; abweichend für einen Ausnahmefall BayObLG v. 30.5.1990 – 2 Z 57/90, DWE 1990, 114.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.233 Teil 10

der Errichtung von (Amateur-)Funkantennen in der Teilungserklärung erfasst nicht auch die Errichtung von Mobilfunkantennenanlagen.472 Ebenso wenig beinhaltet die Freistellung von der Zustimmungspflicht des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG bei Antennen zwangsläufig den Ausschluss eines Unterlassungsanspruchs wegen möglicher schädlicher Auswirkungen beim Betrieb der montierten Mobilfunksendeanlage.473 Über Maßnahmen zur Herstellung einer Rundfunk- und Fernsehempfangsanlage kann gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung mit Mehrheit beschlossen werden. So konnte von einer Fernsehgemeinschaftsantenne für terrestrischen Empfang auf Kabelanschluss als Maßnahme der modernisierenden Instandsetzung mit Mehrheitsbeschluss umgestellt werden,474 nicht aber auf einen Glasfaseranschluss.475

10.232

Die Errichtung einer Mobilfunkanlage setzt zunächst ein Recht des Errichters voraus, etwa aus der Teilungserklärung,476 die Einräumung eines dinglichen Rechts oder die Vermietung der Dachfläche zum Betrieb der Sendeanlage auf der Grundlage eines bestandskräftigen Mehrheitsbeschlusses.477 Ist in der Teilungserklärung der Betrieb einer Funkfeststation gestattet, ergibt sich auch durch Auslegung nicht die Zulässigkeit des Betriebs einer Mehrzahl solcher Anlagen.478 Fehlt eine Vereinbarung oder ein dingliches Recht als Grundlage für die Errichtung, sind Genehmigungen durch Mehrheitsbeschluss, sei es als Vermietung oder als bauliche Veränderung, nur selten zulässig, weil sie regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen dürften. Die Errichtung ist in der Regel eine nachteilige optische Veränderung479 und bedarf auch hinsichtlich von Gefahren für das Dach (Dichtigkeit, Statik usw.) der sorgfältigen Prüfung. Für die wissenschaftlich nicht abschließend geklärte Frage nach möglichen Gesundheitsgefahren reicht die derzeit bestehende Ungewissheit, ob und in welchem Maße von Mobilfunkantennen gesundheitliche Gefahren für die in unmittelbarer Nähe zu der Anlage wohnenden Menschen ausgehen, für die Annahme einer tatsächlichen Benachteiligung aus, die ein Wohnungseigentümer unabhängig von der Einhaltung der Anforderungen der 26. BImSchV unter Berücksichtigung der besonderen Rücksichtnahmepflichten gemäß § 14

10.233

472 OLG Hamm v. 3.1.2002 – 15 W 287/01, NJW 2002, 1730 mit Anm. Köhler, ZWE 2002, 302. 473 BayObLG v. 20.3.2002 – 2 Z BR 109/01, NZM 2002, 441 = ZMR 2002, 610 mit Anm. Köhler, ZWE 2002, 302. 474 OLG Celle v. 5.4.1986 – 4 W 30/86, NJW-RR 1986, 1271; OLG Hamm v. 9.10.1997 – 15 W 245/97, ZMR 1998, 188, bei Reparaturbedarf; OLG Köln v. 19.7.1995 – 16 Wx 83/95, WuM 1996, 106, auch zum Ausgleich von Nachteilen des Empfangs im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich durch Einsatz einer Wurfantenne; a.A. BayObLG v. 1.10.1998 – 2 Z BR 71/98, NZM 1999, 264 = ZMR 1999, 55. 475 AG Pinneberg v. 26.2.2019 – 60 C 32/18, ZMR 2019, 460. 476 S. OLG Köln v. 28.2.2002 – 16 Wx 30/02, NZM 2002, 612 = ZMR 2002, 702. 477 Weil eine Verpachtung einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche nur durch Mehrheitsbeschluss erfolgen darf, wenn den Wohnungseigentümern kein Nachteil entsteht, vgl. BayObLG v. 28.3.2002 – 2 Z BR 182/01, NZM 2002, 569 = ZMR 2002, 688, dürfte ein Beschluss über die Verpachtung einer Dachfläche zum Betrieb einer Mobilfunkantenne aus den sogleich zu erörternden Gründen als nachteilig anfechtbar sein. 478 BGH v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NJW 2006, 2187. 479 Saarländisches OLG v. 12.1.1998 – 5 W 9/97-8, ZMR 1998, 310; vgl. auch OLG Schleswig v. 5.9.2001 – 9 U 103/00, NZM 2001, 1035.

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605

Teil 10 Rz. 10.233

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Nr. 1 WEG nicht hinnehmen muss480 – anders als Grundstücksnachbarn.481 Für die fehlende Nachteiligkeit der festgestellten Strahlenimmissionen trägt eben der sich darauf berufende Umbauwillige die Beweislast.482

10.234 – Außenleuchte fi siehe auch Videoüberwachung Die Anbringung einer Außenleuchte an Balkon oder Terrasse bedarf bei Befestigung am gemeinschaftlichen Eigentum (Balkonbrüstung, Außenwand usw.) grundsätzlich der Zustimmung. Ob Lichtimmissionen im Einzelfall die Grenze des nach §§ 22 Abs. 1 Nr. 2, 14 Nr. 1 WEG zustimmungslos Zulässigen überschreiten, welcher Wohnungseigentümer nachteilig betroffen ist und also zustimmen muss, kann nur im Einzelfall entschieden werden.

10.235 – Außentreppe fi siehe auch Balkon/Terrasse/Wintergarten Die Anbringung einer Außentreppe ist wegen der damit regelmäßig verbundenen Substanzeingriffe in das Gemeinschaftseigentum, der nachteiligen optischen Veränderung und der Möglichkeit verstärkter Gartennutzung im Regelfall zustimmungspflichtig.483 Etwas anderes gilt, wenn nachträglich durch die Bauaufsicht die Anbringung einer Feuertreppe oder -leiter gefordert wird.

10.236 – Balkon/Terrasse/Wintergarten Alle Veränderungen des äußeren Gestaltungsbildes des Hauses können als bauliche Veränderungen grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfen. Zustimmungsfreie sichtbare Veränderungen an Balkon oder Terrasse sind aber nach der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. Teil 10, Rz. 10.236) nicht unvorstellbar. Regelmäßig wird mit der Baumaßnahme ein Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums damit verbunden sein. Gerade in dieser Fallkonstellation ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein Sondernutzungsrecht die Genehmigung bestimmter Maßnahmen umfasst (vgl. Teil 10, Rz. 10.77 ff.). Als bauliche Veränderungen bewertet worden sind etwa die Vergrößerung einer Terrasse in den Garten hinein, auch wenn daran ein Sondernutzungsrecht besteht, weil das Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen wird484 und die Möglichkeit einer intensiveren Nutzung besteht,485 die

480 BGH v. 24.1.2014 – V ZR 48/13, MDR 2014, 399; OLG Hamm v. 3.1.2002 – 15 W 287/01, NJW 2002, 1730 = ZMR 2002, 622; BayObLG v. 20.3.2002 – 2 Z BR 109/01, NZM 2002, 441, 443 = ZMR 2002, 610; a.A. noch OLG Köln v. 28.2.2002 – 16 Wx 30/02, ZMR 2002, 702, 703. 481 BGH v. 13.2.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 310 = MDR 2004, 742; s.a. BGH v. 15.3.2006 – VIII ZR 74/05, MDR 2006, 1218 = NZM 2006, 504. 482 Offengelassen in OLG Köln v. 10.1.2003 – 16 Wx 221/02, NZM 2003, 200, 201. Demgegenüber muss, wer – noch dazu ein bestimmtes – staatliches Einschreiten gegen Gesundheitsgefahren begehrt (hier: Verringerung der zulässigen Immissionsgrenzwerte für Mobilfunkanlagen), beweisen, dass die Voraussetzungen einer staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vorliegen; vgl. BVerfG v. 28.2.2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638. 483 BayObLG v. 21.6.1990 – 1b Z 36/89, WuM 1990, 403 (Treppe von einer Loggia in den Garten); KG v. 13.7.1987 – 24 W 5496/86, OLGZ 1987, 410 = WuM 1987, 397 (Verbindung einer Wohnung mit einer Dachterrasse); AG Tempelhof-Kreuzberg v. 20.12.2018 – 72 C 77/18 WEG, Grundeigentum 2019, 199. 484 BayObLG v. 30.1.1997 – 2 Z BR 110/96, BayObLGReport 1997, 51; BayObLG v. 2.6.1999 – 2 Z BR 15/99, NZM 1999, 1009; OLG Celle v. 28.11.2001 – 4 W 203/01, ZWE 2002, 371; OLG Frankfurt v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, NZM 2008, 322; OLG Karlsruhe v. 17.7.2000 – 11 Wx 42/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 1; abweichend, aber unzutreffend OLG Schleswig v. 1.3.2001 – 2 W 179/00, ZMR 2001, 853; s.a. LG Hamburg v. 10.9.2010 – 318 S 24/09, ZMR 2011, 226. 485 OLG Hamburg v. 11.1.2006 – 2 Wx 28/04, ZMR 2006, 465, 466.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.236 Teil 10

den Gesamteindruck beeinträchtigende Errichtung einer Terrasse,486 der Einbau einer Treppe an einer Böschung,487 die Vergrößerung des Balkons, die Verglasung einer Loggia,488 die Errichtung eines Glaserkers,489 ebenso das Überdachen der Terrasse490 mit einer Pergola491 oder einem Wintergarten,492 die nachträgliche Überdachung einer vorhandenen Pergola493 oder auch eines Hofraums,494 die Verglasung des Balkons (Stichwort: optische Auflockerung der Fassade),495 das Anbringen einer Markise zum Sonnenschutz496 und schließlich die nachträgliche Errichtung eines bisher nicht bestehenden Balkons497 oder die Balkonüberdachung einer Garageneinfahrt.498 Bereits die Aufstellung eines Schrankes auf dem Balkon, nicht erst sein fester Einbau, in einer gestalterisch gewollten Balkonnische ist als eine nachhaltige Einwirkung auf die äußere Gestaltung des Gemeinschaftseigentums gewertet worden.499 Als optisch erheblicher Nachteil kann daher auch die Aufstellung einer mobilen Markise, die zwischen Balkonplatte und Decke mit Stützen verspannt wird, zu bewerten sein. Nichts anderes kann für die Bespannung der Balkongitter mit Stoff oder Plane gelten,500 das Anbringen einer Lichterkette am Balkon501 oder für die Anbringung von Vogel- oder Katzennetzen vor Loggien,502 der Ersatz eines fest eingebauten Schrankes durch ein Geländer,503 das Aufstellen eines massiven Schrankes504 sowie das Aufstellen von Grillkaminen aus Fertigbetonteilen. Nicht nachteilig ist im Einzelfall die Anbringung einer optisch unauffälligen Regenrinne an der äußeren Balkonbrüstung, um Beeinträchtigungen der darunter liegenden Balkone durch tropfendes 486 BayObLG v. 26.8.2004 – 2 Z BR 88/04, NZM 2005, 109. 487 BayObLG v. 29.8.2002 – 2 Z BR 74/02, WuM 2002, 639 (LS) = NZM 2003, 121 (LS). 488 OLG Karlsruhe v. 18.9.2000 – 14 Wx 45/00, ZMR 2001, 224; OLG Köln v. 3.7.2008 – 16 Wx 51/08, OLGReport Köln 2008, 780; anders für einen seitlichen gläsernen Windschutz LG Hamburg v. 30.6.2005 – 318 T 122/04, ZMR 2005, 989. 489 Pfälzisches OLG v. 21.11.2002 – 3 W 179/02, ZMR 2004, 61. 490 OLG München v. 30.11.2005 – 34 Wx 56/05, ZMR 2006, 230. 491 KG v. 17.10.2001 – 24 W 9876/00, NZM 2001, 1085 = ZMR 2002, 149; OLG München v. 10.7.2006 – 34 Wx 33/06, ZMR 2006, 800; anders im Einzelfall BayObLG v. 19.3.1998 – 2 Z BR 131/97, WuM 1998, 563. 492 BayObLG v. 9.3.2004 – 2 Z BR 213/03, NZM 2004, 836; OLG München v. 7.9.2005 – 34 Wx 43/05, OLGReport München 2005, 883; a.A. BayObLG v. 16.6.2004 – 2 Z BR 65/04, BayObLGReport 2004, 426, im Einzelfall für einen 3 mal 5 m großen, unterkellerten Wintergarten in einer Doppelhausanlage, deren beide Häuser durch eine Doppelgarage getrennt waren, aufgehoben durch BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634. 493 BayObLG v. 6.7.1989 – 2 Z 111/88, Grundeigentum 1990, 155. 494 OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 3 Wx 254/07, OLGReport Düsseldorf 2008, 663. 495 BayObLG v. 9.10.2000 – 2 Z BR 87/00, ZMR 2001, 125; BayObLG v. 12.10.2001 – 2 Z BR 127/01, WuM 2002, 164; OLG Köln v. 3.7.2008 – 16 Wx 51/08, OLGReport Köln 2008, 780. 496 BayObLG v. 1.6.1995 – 2 Z BR 34/95, NJW-RR 1996, 266 = ZMR 1995, 420; KG v. 3.12.1993 – 24 W 6483/93, OLGZ 1994, 399 = WuM 1994, 99 zur Vertikalmarkise; a.A. im Einzelfall Pfälzisches OLG v. 2.2.2004 – 3 W 251/03, NZM 2004, 428 = ZMR 2004, 465. 497 OLG Düsseldorf v. 5.7.1999 – 3 Wx 139/99, NZM 1999, 1145 = WuM 1999, 553. 498 BayObLG v. 5.4.1990 – 2 Z 24/90, WuM 1990, 612. 499 OLG Köln v. 31.5.1999 – 16 Wx 77/99, OLGReport Köln 1999, 325. 500 KG v. 10.2.1997 – 24 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713 = ZMR 1997, 315; OLG Hamburg v. 30.1.1989 – 2 W 24/88, OLGZ 1989, 309 = ZMR 1989, 466; vgl. auch BayObLG v. 20.4.2000 – 2 Z BR 9/00, ZWE 2000, 409. 501 LG Köln v. 11.2.2008 – 29 T 205/06, ZMR 2008, 993. 502 Pfälzisches OLG v. 9.3.1988 – 3 W 44/98, NZM 1998, 376; AG Oberhausen v. 10.5.2011 – 34 C 130/10, ZMR 2012, 62. 503 OLG Köln v. 9.3.2006 – 16 Wx 27/06, WuM 2006, 537. 504 OLG Köln v. 31.5.1999 – 16 Wx 77/99, WuM 2001, 145 = ZMR 2000, 58.

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607

Teil 10 Rz. 10.236

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Regen- oder Gießwasser zu verhindern.505 Die Installation eines Leichtmetallgeländers anstelle einer massiven Balkonbrüstung kann im Einzelfall als modernisierende Instandsetzung zulässig sein.506

10.237 Eine Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer ist auch erforderlich, soweit durch die bauliche Veränderung die Möglichkeit neu geschaffen wird, Balkon oder Terrasse intensiver als ursprünglich vorgesehen nutzen zu können,507 etwa durch Trittsteine vor dem Parterrebalkon oder das Tor im Balkongitter, so dass das direkte Betreten des Gartens möglich wird. Gestattet allerdings die Teilungserklärung die Errichtung eines Wintergartens ohne nähere Beschreibung, darf der Balkon rundum verglast und bewohnt werden.508 Gehört zum Sondereigentum ein Wintergarten bzw. verglaster Balkon, darf dort nachträglich ein Heizkörper eingebaut werden.509 Dieses Recht des Anbaus zusätzlicher Heizkörper folgt ohnehin daraus, dass die Heizung in den einzelnen Wohnungen ab dem Übergabepunkt an der Steigleitung zum Sondereigentum zählt,510 solange dadurch nicht die Funktionalität der Gesamtanlage berührt wird.

10.238 Eine sorgfältige Prüfung des Kreises der Zustimmungspflichtigen ist bei Mehrhausanlagen geboten. Zwar sind bei Mehrhausanlagen etwa bei nachteiligen Veränderungen des optischen Gesamteindrucks grundsätzlich alle Wohnungseigentümer der Mehrhausanlage betroffen.511 Wenn sich hier keine Sonderregelungen aus der Teilungserklärung ergeben, so wird man doch für den Einzelfall thematisieren können, dass die Zustimmung von Wohnungseigentümern in Nachbarhäusern, die die Veränderung auch von der Straße oder Gemeinschaftsflächen nicht einsehen können und die nach einer entsprechenden Regelung der Teilungserklärung mit den (Unterhaltungs-)Kosten des betroffenen Hauses nicht belastet sind, entbehrlich ist.

10.239 – Balkonfenster/Balkontür fi siehe Fenster 10.240 – Balkontrennwand Die Errichtung einer Balkontrennwand über die Balkonbrüstung kann eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks sein und den Eigentümer des benachbarten Balkons beeinträchtigen.512 Gleiches gilt für die Entfernung einer Balkontrennwand als Bestandteil des Gemeinschaftseigentums.513

10.241 – Blumenkasten Soweit andere Beeinträchtigungen, etwa die Möglichkeit des Eindringens von Wasser in die Balkonbrüstung an der Befestigung oder deren statische Überbeanspruchung oder eine Absturzgefahr bei unzureichender Befestigung, ausgeschlossen sind, ist allein die mit der Auf505 OLG Düsseldorf v. 27.4.1990 – 3 Wx 9/90, WE 1990, 204. 506 OLG München v. 14.11.2005 – 34 Wx 105/05, MDR 2006, 867 = ZMR 2006, 302, 303. 507 OLG Hamburg v. 11.1.2006 – 2 Wx 28/04, ZMR 2006, 465, 466; anders für Einzelfall OLG Hamburg v. 26.11.2004 – 2 Wx 85/01, ZMR 2005, 391. 508 OLG Düsseldorf v. 20.9.1999 – 3 Wx 230/99, ZMR 2000, 190. 509 OLG Düsseldorf v. 2.7.2004 – 3 Wx 66/04, NZM 2004, 835 = ZMR 2005, 643, jedenfalls sofern die gemeinschaftliche Heizungsanlage nicht benutzt wird. 510 Armbrüster, ZWE 2011, 392; M.J. Schmid, MDR 2011, 1081; offen gelassen in BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, Rz. 15, NJW 2011, 2958 = ZfIR 2011, 833 mit abl. Anm. Rüscher. 511 OLG Schleswig v. 8.3.2000 – 2 W 57/99, NZM 2000, 385. 512 BayObLG v. 15.12.1984 – 2 Z 111/83, WuM 1985, 35; s.a. LG Itzehoe v. 21.1.2008 – 1 S (W) 1/07, juris; abweichend im Einzelfall OLG Celle v. 24.2.2012 – 4 W 1/12, ZMR 2012, 569. 513 BayObLG v. 1.2.2001 – 2 Z BR 68/00, Grundeigentum 2001, 775.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.244 Teil 10

stellung oder Aufhängung von Blumenkästen verbundene optische Beeinträchtigung bei innenseitiger Anbringung in der Regel nicht in einer das Maß des § 14 Nr. 1 WEG überschreitenden Weise nachteilig. Ob eine außenseitige Anbringung aber erheblich nachteilig und daher – wenn die vorgenannten Bedenken ausgeräumt sind – zustimmungspflichtig ist, bedarf der Prüfung im Einzelfall nach Grundsätzen für bauliche Veränderungen mit Auswirkungen auf die äußere Gestalt des Gebäudes (vgl. Rz. 10.90): naheliegend ist das Argument, es bestehe die Gefahr von Schmutzfahnen durch ablaufendes Wasser.

10.242

– Dachausbau/Spitzboden Dachbodenausbau514

Der zu Wohnzwecken stellt wegen der damit verbundenen Möglichkeit intensiverer Nutzung und den damit für die übrigen Wohnungseigentümer verbundenen Nachteilen, nämlich die mit der Nutzung für Wohnzwecke verbundene höhere Geräuschentwicklung, die Inanspruchnahme von gemeinschaftlichen Einrichtungen (Heizung, Wasser, Abfluss usw.), sowie die Beeinträchtigung der äußeren Gestalt des Gebäudes durch Veränderung oder Einbau von Dachfenstern, häufig eine erhebliche, also der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer bedürfende bauliche Veränderung dar.515 Anderes kann gelten, wenn die Wohnanlage aus selbständigen Einfamilienhäusern besteht.516 In dieser Fallgruppe kommt es daher häufig darauf an, welche Befugnisse nach der Teilungserklärung zum Ausbau eingeräumt worden sind und deren Grenzen zu bestimmen. Ein in der Teilungserklärung begründetes Sondernutzungsrecht am Dachboden begründet nicht ohne weiteres das Recht, den Dachboden zu Wohnzwecken auszubauen, und beinhaltet auch nicht stillschweigend die Zustimmung zu den damit verbundenen baulichen Veränderungen, schon weil Substanzeingriffe mehr sind als der reine Gebrauch.517 Ohne Regelung in der Teilungserklärung hat ein Wohnungseigentümer, von dessen Sondereigentum aus allein der Zugang zu einem Spitzboden möglich ist, kein Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht an diesem Spitzboden und erst recht kein Ausbaurecht.518 Entsteht durch die Anbringung eines Giebeldachs anstelle des bisherigen Flachdachs ein weiterer Raum, so steht dieser Raum im Gemeinschaftseigentum.519 Auch die Errichtung des Ausbaus allein aus eigenen Mitteln führt nicht dazu, dass an den neu geschaffenen Räumen Sondereigentum entsteht.520

10.243

Nur soweit die Zulässigkeit eines Dachausbaus in einer Vereinbarung, d.h. praktisch in der Teilungserklärung, ausdrücklich vorgesehen ist, bedarf es einer Zustimmung wegen der damit verbundenen Abänderung von § 22 Abs. 1 WEG nicht.521 Ob der Ausbauende den ausgebauten Dachboden dann als Wohnraum nutzen darf, ist eine Frage der in der Teilungserklä-

10.244

514 Vgl. zu allen Fragen der baulichen Veränderung, der Umwandlung der dinglichen Grundlagen, der Änderung der Zweckbestimmung, der Kostenverteilung und sonstigen Verwaltung von Rechenberg in FS Deckert, S. 309 ff. 515 OLG Köln v. 28.12.2000 – 16 Wx 163/00, ZMR 2001, 570. 516 OLG München v. 19.10.2005 – 34 Wx 28/05, ZMR 2006, 301. 517 OLG Frankfurt v. 24.8.1990 – 20 W 49/90, OLGZ 1991, 185; OLG Hamm v. 28.5.1998 – 15 W 4/98, NZM 1998, 873 = ZMR 1998, 718. 518 Für Sondereigentum BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, MDR 2004, 439 = NJW 2004, 1798; OLG Celle v. 4.6.2007 – 4 W 108/07, OLGReport Celle 2007, 756 f.; für Sondernutzungsrecht OLG Köln v. 28.12.2000 – 16 Wx 163/00, ZMR 2001, 570. 519 OLG München v. 5.10.2006 – 32 Wx 121/06, ZMR 2006, 643. 520 OLG Celle v. 25.8.2008 – 4 W 33/08, ZWE 2009, 128 für Anbau. 521 BayObLG v. 22.4.1994 – 2 Z BR 9/94, NJW-RR 1994, 1169; BayObLG v. 23.3.2000 – 2 Z BR 167/99, NZM 2000, 1232 467.

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Teil 10 Rz. 10.244

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

rung bzw. Vereinbarung vorgesehenen Nutzungsart; die neue Nutzung, etwa zu Wohnzwecken, muss also gesondert geregelt werden.522

10.245 Der Ausbau ist entsprechend den anerkannten Regeln der Baukunst durchzuführen.523 10.246 Welche Rechte im Einzelnen eingeräumt sind, ist durch Auslegung nach Grundbuchgrundsätzen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Eigenart der jeweiligen Wohnanlage zu ermitteln. Die in der Teilungserklärung geregelte Befugnis zum Ausbau von Dachräumen umfasst die Errichtung einer Dachterrasse grundsätzlich nicht.524 Das Recht zum Dachausbau berechtigt nicht zur Aufstockung,525 aber zum Einbau von Dachgaubenfenstern.526 Darf nach der Teilungserklärung der Dachboden als Wohnung ausgebaut werden, umfasst dies die nach den Anforderungen des Baurechts erforderlichen Umbauten, etwa die Errichtung von Fenstern und Rettungswegen.

10.247 Kein Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Zustimmung besteht, weil der Ausbauende die äußerst beengten Wohnverhältnisse deutlich und familiengerecht verbessern würde.527

10.248 Die Herstellung einer Treppe von einer Wohnung zum darüber liegenden sondergenutzten Dachboden kann – wo eine Verbindungstreppe fehlt – als unerhebliche oder durch die Teilungserklärung bereits stillschweigend genehmigte Veränderung zu bewerten sein, wenn durch sie keine Nachteile in brandtechnischer, statischer oder schalltechnischer Hinsicht entstehen.528

10.249 Der Einbau eines Dachflächenfensters zur Verbesserung der Lichtverhältnisse auf dem sondergenutzten Dachboden kann im Einzelfall als unzulässiger Dachgeschossausbau zu bewerten sein,529 als nachteilig für die äußere Gestaltung und zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen530 oder aber als geringfügige Änderung, wenn das Fenster nicht einsehbar ist531 oder wenn die Symmetrie der Ansicht verbessert wird.532 Der Durchbruch eines Flachdaches zur Errichtung eines Kamins, etwa eines offenen Kamins im Penthouse, ist in der Regel eine nachteilige und daher zustimmungspflichtige bauliche Veränderung.533

522 Vgl. von Rechenberg in FS Deckert, S. 309, 328 f. auch zur Frage, wann ein Anspruch aus § 242 BGB auf Zustimmung zur Nutzungsänderung in Betracht kommt. 523 BayObLG v. 2.4.1992 – 2 Z BR 9/92, NJW-RR 1992, 974 = WuM 1992, 324; vgl. auch OLG Stuttgart v. 5.5.1994 – 8 W 315/93, OLGZ 1994, 524 = WuM 1994, 390; abweichend OLG Düsseldorf v. 12.11.2001 – 3 Wx 256/01, ZMR 2002, 297, 298 bei allgemeiner Hellhörigkeit. 524 KG v. 16.1.1984 – 24 W 4224/83, ZMR 1986, 189. 525 BGH v. 6.11.2009 – V ZR 73/09, MDR 2010, 98 = NJW 2010, 446; OLG Hamburg v. 16.11.2006 – 2 Wx 35/05, ZMR 2007, 129. 526 OLG München v. 27.3.2007 – 32 Wx 179/06, ZMR 2007, 993. 527 Vgl. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG; so schon BayObLG v. 3.12.1992 – 2 Z BR 104/92, NJW-RR 1993, 336. 528 BayObLG v. 22.4.1994 – 2 Z BR 9/94, NJW-RR 1994, 1169 = WuM 1995, 60. 529 OLG Frankfurt v. 17.8.1998 – 20 W 30/97, NZM 1998, 962; OLG Düsseldorf v. 6.12.2000 – 3 Wx 400/00, NZM 2001, 136 = ZMR 2001, 374; LG Itzehoe v. 12.7.2011 – 11 S 51/10, ZMR 2012, 219. 530 OLG Düsseldorf v. 19.12.2007 – 3 Wx 98/07, ZMR 2008, 395. 531 OLG Köln v. 12.1.2000 – 16 Wx 149/99, MDR 2000, 760 = NZM 2000, 765. 532 OLG Karlsruhe v. 14.1.1985 – 11 W 102/84, ZMR 1985, 209. 533 OLG Hamburg v. 7.4.1987 – 2 W 24/87, DWE 1987, 98.

610

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.253 Teil 10

Die Renovierung eines Flachdachs durch Aufstockung eines Gebäudes unter gleichzeitiger Schaffung neuen Wohn- oder Nutzraums ist keine einem Mehrheitsbeschluss zugängliche modernisierende Instandsetzung,534 wohl aber im Einzelfall die Ersetzung eines Flachdachs durch eine in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht vernünftigere Lösung.535

10.250

– Dachgarten/Dachterrasse

10.251

Die Zuweisung des Sondernutzungsrechts an einer Dachterrasse in der Teilungserklärung gibt dem begünstigten Wohnungseigentümer nicht das Recht, ohne Zustimmung aller Wohnungseigentümer einen Dachgarten anzulegen, weil die gebotene Auslegung der Teilungserklärung nach Grundbuchgrundsätzen eine Gleichsetzung von Terrasse und Garten nicht als nahe liegend erscheinen lässt. Entscheidend ist allerdings der Inhalt der Vereinbarung im Einzelfall: Wird dem Sondernutzungsberechtigten nicht nur das Nutzungsrecht eingeräumt, sondern auch über eine Kostentragungspflicht für diesen Bereich hinaus die Instandhaltungsund Instandsetzungskompetenz übertragen, berechtigt diese Pflicht zu den dafür notwendigen Maßnahmen. Für die Frage, ob eine unerhebliche Veränderung vorliegt, ist neben den Auswirkungen auf das optische Gestaltungsbild und dem Eingriff in das Gemeinschaftseigentum bei Veränderung der Dachabdichtung insbesondere zu berücksichtigen, dass die Anlage eines Dachgartens erhebliche Gefahren für die darunter liegenden Wohnungen bedeutet; schon die nahe liegenden Beweisschwierigkeiten, ob Schäden am Dach auf Mängeln im Bereich des Gemeinschaftseigentums oder im Bereich des Sondernutzungsrechts beruhen, begründen einen Nachteil.536 Die Anlage einer Dachterrasse, etwa durch Entfernung des Kiesbelags unter Aufbringung von Folien und Plattenbelag, „Dachbegrünung“ usw., ist mit erheblichen Risiken für Dichtigkeit und Statik und dem zukünftigen Streit der Wohnungseigentümer hierüber verbunden und daher nachteilig, mithin also zustimmungsbedürftig.537 Dies gilt auch für das Auflegen von Betonplatten, um eine Nutzung als Dachterrasse zu ermöglichen.538 Wo die Teilungserklärung die Nutzung „Dachterrasse“ vorsieht, ist die Errichtung eines intensiv begrünten Dachgartens auf einer aufgeschütteten Erdoberfläche nicht zulässig.539

10.252

Die Errichtung eines Schuppens auf einer Dachterrasse begegnet den gleichen Bedenken und ist daher regelmäßig als nachteilige bauliche Veränderung zustimmungspflichtig.540 Als optische Beeinträchtigung kann die Errichtung eines hölzernen Flecht- oder Lamellenzauns zustimmungspflichtig sein.541

10.253

534 BayObLG v. 14.2.2001 – 2 Z BR 117/00, ZMR 2001, 560. 535 BayObLG v. 6.2.1990 – 2 Z 104/89, MDR 1990, 552; BayObLG v. 12.3.1998 – 2 Z BR 4/98, NZM 1998, 338; KG v. 22.12.1993 – 24 W 914/93, OLGZ 1994, 401 = ZMR 1994, 228. 536 BayObLG v. 9.5.1996 – 2 Z BR 27/96, NJW-RR 1996, 1165; OLG Hamm v. 23.12.1996 – 15 W 362/96, OLGReport Hamm 1997, 161; OLG Köln v. 9.6.1999 – 16 Wx 56/99, OLGReport Köln 1999, 365. 537 OLG Hamburg v. 21.12.1984 – 2 W 16/84, MDR 1985, 501; OLG Köln v. 9.6.1999 – 16 Wx 56/99, OLGReport Köln 1999, 365; OLG München v. 28.3.2007 – 34 Wx 119/06, OLGReport München 2007, 419; anders für Verbesserung der Statik BGH v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, MDR 2011, 1465 = NJW 2012, 72. 538 OLG Karlsruhe v. 16.5.2008 – 14 Wx 55/07, ZWE 2008, 398. 539 OLG Köln v. 10.1.2005 – 16 Wx 217/04, NZM 2005, 508. 540 BayObLG v. 29.9.1999 – 2 Z BR 75/99, NZM 2000, 292 = ZMR 2000, 53; BayObLG v. 26.7.2001 – 2 Z BR 73/01, NZM 2001, 956. 541 BayObLG v. 26.7.2001 – 2 Z BR 73/01, NJW-RR 2002, 445.

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611

Teil 10 Rz. 10.254

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.254 Die in der Teilungserklärung geregelte Befugnis zum Ausbau von Dachräumen umfasst die Errichtung einer Dachterrasse grundsätzlich nicht.542

10.255 – Deckendurchbruch fi siehe Wand- und Deckendurchbruch 10.256 – Dunstabzugsöffnung/Klimaanlage Der Anschluss einer Dunstabzugshaube ist regelmäßig mit zustimmungspflichtigen baulichen Veränderungen, nämlich dem Durchbrechen der Außenfassade, verbunden, so beim Aussparen einer Abluftöffnung für Wäschetrockner, Küchenabzugshaube oder Klimaanlage in einer bisher geschlossenen Fensterwand zumindest für den unmittelbar benachbarten Wohnungseigentümer (Betriebsgeräusch),543 beim Anschluss an einen stillgelegten Kamin544 oder durch ein Entlüftungsgitter. Unzulässig ist die gezielte Ableitung der Abluft auf den „Nachbarn“.545 Gleiches gilt für den nachträglichen Einbau einer Gasetagenheizung mit getrenntem Abgaskamin ins Freie.546 Die Wohnungseigentümer können aber als Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG beschließen, dass den Wohnungseigentümern der Anschluss von Kaminöfen an stillgelegte Kaminzüge erlaubt wird.547 Schon begrifflich an einer baulichen Veränderung kann es im Einzelfall fehlen bei Maßnahmen zur Umsetzung öffentlich-rechtlicher Anforderungen, wenn Arbeitsschutzvorschriften bei der Nutzung einer Teileinheit als Büro den Anbau eines Klimaaußengeräts zur Kühlung erforderlich machen;548 andererseits muss sichergestellt sein, dass es nicht zu erheblichen nächtlichen Beeinträchtigungen durch das Betriebsgeräusch kommt.549 Zum Wanddurchbruch fi siehe Wand- und Deckendurchbruch.

10.257 – E-Mobilität Beabsichtigte Modernisierungen im Hinblick auf die Infrastruktur zur E-Mobilität stellen die Wohnungseigentümergemeinschaft vor vielfältige technische Herausforderungen, insbesondere wenn vorhandene Stellplätze, ob in der Tiefgarage, in Garagen oder auf Parkplätzen mit Ladeeinrichtungen für elektrisch angetriebene Kraftfahrzeuge auch technisch zukunftssicher ausgestattet werden sollen. Für einen schwerbehinderten Wohnungseigentümer muss eine Auflademöglichkeit für sein E-Mobil ermöglicht werden.550 Im Übrigen kann die Einrichtung von Lademöglichkeiten für E-Mobile derzeit551 nur unter den Voraussetzungen einer Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG beschlossen werden, auf die der einzelne Wohnungseigentümer aber keinen Anspruch hat. Eine Beschlusskompetenz gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG besteht nicht.552 Die Entscheidung über die Errichtung von Ladestationen erfordert derzeit angesichts der unsicheren Rahmenbedingungen umfassende Ermessenerwägun542 KG v. 16.1.1984 – 24 W 4224/83, ZMR 1986, 189. 543 OLG Köln v. 1.10.1998 – 16 Wx 160/98, MDR 1999, 539. 544 KG v. 8.9.1993 – 24 W 5753/92 + 2301/93, WuM 1994, 38; OLG Hamm v. 9.1.2009 – 15 Wx 142/08, OLGReport Hamm 2009, 343; s.a. LG München I v. 26.5.2008 – 1 T 22910/07, ZMR 2009, 482. 545 BayObLG v. 12.8.2004 – 2 Z BR 148/04, NZM 2005, 69. 546 OLG Düsseldorf v. 4.7.1997 – 3 Wx 270/97, ZMR 1997, 536. 547 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, MDR 2011, 475 = NJW 2011, 1221. 548 I.E. LG Braunschweig v. 8.4.2011 – 6 S 521/10, Info M 2011, 232. 549 OLG Düsseldorf v. 16.11.2009 – 3 Wx 179/09, ZMR 2010, 385. 550 AG Bremen v. 5.8.2015 – 28 C 58/14, ZMR 2015, 986. 551 Dötsch, ZMR 2018, 477; Schultzky, ZWE 2019. 305. 552 LG München I v. 21.1.2016 – 36 S 2041/15 WEG, ZMR 2016, 569; AG Berlin-Mitte v. 19.3.2018 – 26 C 55/17, ZMR 2018, 702.

612

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.262 Teil 10

gen, etwa ob die Herstellung einiger weniger Ladestationen (Wallbox usw.) oder die Versorgung einzelner Stellplätze (auf Kosten deren Inhaber) ausreichend oder die Versorgung aller Stellplätze notwendig ist, welche Ladeströme (Wechselstrom oder Gleichstrom) zur Verfügung gestellt werden sollen und unter Berücksichtigung der Kapazität des örtlichen Stromnetzes können, mit welchem Stromanbieter als Partner die notwendigen Umbauten durchgeführt und wie die Kosten der Errichtung einerseits und für die geladenen Energie finanziert und verteilt werden sollen, und sollte auch angesichts der hier beabsichtigten Gesetzesreform und Diskussion553 bis zu einer gesetzlichen Regelung554 zurückgestellt werden. – Fahrradständer fi siehe auch Kfz-Stellplatz

10.258

Das erstmalige Aufstellen eines Fahrradständers auf einer im Gemeinschaftseigentum stehen- 10.259 den Hoffläche, auf der bisher Fahrräder einzeln abgestellt wurden, kann als Maßnahme der Instandsetzung und ordnungsgemäßen Verwaltung mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, weil dann keine bauliche Veränderung vorliegt, sondern eine (modernisierende) Instandsetzung.555 Sie kann auch als Modernisierung i.S.d. § 22 Abs. 2 WEG erfolgen. – Fassadensanierung fi siehe Teil 8, Rz. 8.104 „Fassade“

10.260

– Fenster

10.261

Außenfenster sind notwendige Bestandteile des Gebäudes als Ganzheit und deshalb zwingend Gemeinschaftseigentum.556 Anderes gilt hinsichtlich der Fenster, die das Gebäude nicht nach außen abschließen, etwa Fenster zwischen Räumen, über innen liegenden, das Sondereigentum nicht zum Gemeinschaftseigentum abschließenden Türen, in Türblättern (Lichtausschnitt) oder innen liegende Glastüren. Instandhaltung, Instandsetzung und Erneuerung der Außenfenster als Bestandteil des Gemeinschaftseigentums sind nach dem Gesetz grundsätzlich Aufgabe der Gemeinschaft.557 In der Teilungserklärung werden diese Aufgaben mitunter dem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt.558 Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf dann gegen den Willen des betroffenen Wohnungseigentümers die Mängelbeseitigung nicht an sich ziehen.559 Der nach der Teilungserklärung zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster verpflichtete Wohnungseigentümer darf die zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich durchführen, was zugleich das Problem dieser Regelungen ausmacht, etwa im Rahmen modernisierender Instandsetzung eine Einfachverglasung durch Isolierverglasung oder witterungsanfällige Holzfenster durch Kunststofffenster ersetzen, soweit sie den im

553 Rodi/Hartung, ZUR 2014, 592; Happ, Wohnungseigentümer 2016, 136; Harendt/Mayer, KommJur 2016, 161; Dötsch, MietRB 2016, 241; Bickert, ZfIR 2016, 856; Dötsch, ZfIR 2017, 261; Horst, ZAP 2017, 1003; Dötsch, ZMR 2018, 477: Burgmair, ZWE 2018, 237. 554 Vgl. zuletzt BR-Drucks. 347/19. 555 LG Köln v. 13.5.1996 – 16 Wx 69/96, WuM 1997, 64 = ZMR 1997, 44. 556 OLG Düsseldorf v. 12.1.1998 – 3 Wx 546/97, NZM 1998, 269. 557 S. Münstermann-Schlichtmann, ZWE 2002, 295, 296 f. 558 Nach herrschender Meinung zulässig: BayObLG v. 18.7.1996 – 2 Z BR 63/96, BayObLGReport 1996, 74; OLG Düsseldorf v. 15.4.1996 – 3 Wx 359/95, OLGReport Düsseldorf 1996, 201; OLG Düsseldorf v. 15.5.2000 – 3 WX 80/00, ZMR 2001, 214; OLG München v. 23.5.2007 – 32 Wx 30/07, NZM 2007, 487; für Nichtigkeit wegen § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 WEG a.F. noch Merle, ZWE 2001, 342, 345. 559 BayObLG v. 4.3.2004 – 2 Z BR 244/03, ZMR 2004, 605; OLG München v. 23.5.2007 – 32 Wx 30/07, ZMR 2007, 725.

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613

10.262

Teil 10 Rz. 10.262

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Übrigen noch vorhandenen Holzfenstern äußerlich gleichen (in Farbe, Aufteilung560 und Öffnungsmöglichkeiten)561. Gleiches gilt für Balkonfenster und Balkontüren562 oder zumindest so ähnlich sehen, dass es an einer erheblichen Änderung der äußeren Gestaltung (vgl. Rz. 10.90) fehlt. Ist ein Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung verpflichtet, Glasschäden an Fenstern und Türen im räumlichen Bereichs seines Sondereigentums zu beheben, kann darunter auch die Auswechslung „blind“ gewordener Scheiben in rundum verglasten Dachgauben fallen.563 Der nach der Teilungserklärung zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster verpflichtete Wohnungseigentümer darf im Rahmen modernisierender Instandsetzung die Gurtführung der Rollladen gegen einen Rollladenmotor austauschen.564

10.263 Enthält die Teilungserklärung hingegen nur eine besondere Kostenregelung für den Unterhalt der Fenster, bleibt es bei der gesetzlichen Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft für Instandhaltung und Unterhaltung allerdings unter Zugrundelegung eines besonderen Kostenverteilungsschlüssels abweichend von § 16 Abs. 2 WEG.565

10.264 Soweit der einzelne Wohnungseigentümer nicht ausnahmsweise für Instandhaltung, Instandsetzung und Erneuerung originär zuständig ist, wird er trotzdem häufig nach der Zulässigkeit einer Eigeninitiative auf eigene Kosten fragen, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft jedwede Arbeiten als zurzeit nicht notwendig ablehnt. Dabei mag er in Kauf nehmen, dass ihm Ersatzanspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft und die übrigen Wohnungseigentümer bei eigenmächtigen Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten selbst dann nicht zusteht, wenn er davon ausgehen durfte, er habe diese auf eigene Kosten vorzunehmen.566 Von den denkbaren Fallgestaltungen seien hierzu aus der Rechtsprechung genannt: Für zulässig erachtet wird das Auswechseln von Einfachverglasung gegen Isolierverglasung und das Auswechseln von witterungsanfälligen Holzfenstern durch farb- und formgleiche Kunststofffenster, weil niemand einen Nachteil erleidet, wenn keine merkbare optische Abweichung vorliegt.567 Soweit in der Vergangenheit häufig ein erheblicher Nachteil angenommen worden ist, bedarf diese Rechtsprechung der kritischen Überprüfung anhand der Grundsätze des BGH zur Erheblichkeit von Veränderungen der äußeren Gestaltung des Gebäudes; dies gilt insbesondere für folgende Aussagen in der älteren Rechtsprechung: Eine nachteilige optische Beeinträchtigung soll schon im nachträglichen Einbau einer Sprossenverglasung liegen568 und im Einzelfall in der Vergrößerung eines Kellerfensters.569 Als nachteilig und zustimmungs560 OLG Köln v. 3.7.2008 – 16 Wx 51/08, WuM 2008, 744. 561 OLG Köln v. 14.4.1997 – 16 Wx 89/97, WuM 1997, 455 = ZMR 1998, 49; OLG Köln v. 18.9.1997 – 16 Wx 219/97, NZM 1998, 821; enger LG München I v. 27.4.2009 – 1 S 20171/08, WuM 2009, 424: stets Modernisierung i.S.d. § 22 Abs. 2 WEG. 562 OLG Köln v. 30.7.1980 – 16 Wx 67/80, NJW 1981, 585; OLG Köln v. 7.6.1995 – 16 Wx 78/95, DWE 1997, 32. 563 OLG Düsseldorf v. 9.9.2004 – 3 Wx 185/04, NZM 2005, 305 = ZMR 2005, 389. 564 Saarländisches OLG v. 4.10.1996 – 5 W 286/95-50, ZMR 1997, 31. 565 BayObLG v. 31.3.2004 – 2 Z BR 241/03, ZMR 2004, 607: Maßstab für die ordnungsgemäße Verwaltung bleibt auch hier das Interesse aller Wohnungseigentümer, nicht nur des zahlenden Wohnungseigentümers. 566 BGH v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, MDR 2019, 1120. 567 OLG Düsseldorf v. 14.6.1993 – 3 Wx 129/92, NJW-RR 1994, 277 = ZMR 1993, 581; OLG Köln v. 14.4.1997 – 16 Wx 89/97, WuM 1997, 455 = ZMR 1998, 49; OLG Köln v. 18.9.1997 – 16 Wx 219/97, NZM 1998, 821. 568 OLG Frankfurt v. 18.11.1982 – 20 W 712/82, RPfleger 1983, 64. 569 OLG Düsseldorf v. 14.6.1993 – 3 Wx 129/92, ZMR 1993, 581.

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Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.265 Teil 10

bedürftig ist bewertet worden, wenn die einheitliche Gestaltung einer Fensterfront durch die Veränderung der Anordnung des Mittelholms eines zweiflügeligen Fensters gestört wird.570 Unzulässig ohne Zustimmung soll das Auswechseln von Glasbausteinen durch Fenster sein571 oder einer Schichtstoffdämmplatte gegen ein Fenster,572 das Auswechseln eines nicht durchsichtigen Milchglaskippfensters gegen ein ebenfalls nicht durchsichtiges Drehkippfenster, wenn bei drehgeöffnetem Fenster nunmehr der Balkon des benachbarten Wohnungseigentümers eingesehen werden kann,573 der Austausch eines Fensters zum Garten durch eine (Glas-)Türe,574 eines Fensters durch eine Balkontüre,575 schließlich auch das Zumauern eines Fensters,576 das Aussparen einer Abluftöffnung für Wäschetrockner, Küchenabzugshaube oder Klimaanlage in einer bisher geschlossenen Fensterwand zumindest für den unmittelbar benachbarten Wohnungseigentümer,577 und schließlich der Austausch eines Fensters zum Garten durch eine (Glas-)Türe wegen der Möglichkeit einer intensiveren Gartennutzung.578 Nachteilig kann auch das Zumauern eines Fensters sein.579 Wird das Erscheinungsbild durch die Auswechslung von Fenstern eigenmächtig nachteilig verändert, ist das Rückbauverlangen nicht deshalb treuwidrig, weil ein Dritter den Fensterwechsel bezahlt hat und nicht noch einmal bezahlen muss.580

10.265

– Fenstergitter/Stahlgittertür Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Zustimmung zur Anbringung von Fenstergittern bei Wohnungseigentum nicht; insbesondere genügt eine generelle Einbruchsgefahr nicht.581 Dies gilt erst recht, wenn mit gegen Einbrüche sichernden Fenstergittern zugleich eine Kletterhilfe geschaffen wird, die das Einsteigen in andere Wohnungen erleichtert.582 Ein Anspruch besteht bei Wohnungseigentum nur im Einzelfall, soweit und solange eine andere Abhilfemöglichkeit bei einer konkret festgestellten erhöhten Einbruchsgefahr nicht besteht583 oder weil es an einer nachteiligen Veränderung der äußeren Gebäudegestalt fehlt, weil an der Fassade bereits ähn-

570 OLG Köln v. 17.12.2001 – 16 Wx 276/01, OLGReport Köln 2002, 90 zur Veränderung der Fensteraufteilung zwei Drittel zu einem Drittel gegenüber hälftiger Aufteilung; OLG Köln v. 19.6.2002 – 16 Wx 82/02, n.v. 571 BayObLG v. 11.3.1998 – 2 Z BR 3/98, BayObLGReport 1998, 50. 572 OLG Celle v. 5.7.2007 – 4 W 75/07, ZMR 2008, 391. 573 OLG Köln v. 20.5.1998 – 16 Wx 80/98, NZM 1999, 263. 574 BGH v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, MDR 2011, 1465 = NJW 2012, 72; BayObLG v. 5.8.1999 – 2 Z BR 67/99, ZMR 1999, 781; OLG Düsseldorf v. 23.5.2007 – I-3 Wx 21/07, ZMR 2008, 221. 575 Vgl. OLG München v. 8.9.2008 – 32 Wx 119/08, ZWE 2008, 443; LG Berlin v. 29.10.2010 – 55 S 155/10 WEG, ZWE 2011, 181. 576 OLG Düsseldorf v. 6.9.1989 – 3 Wx 191/89, DWE 1989, 176; a.A. bei kaum merklicher optischer Veränderung BGH v. 14.10.2011 – V ZR 56/11, MDR 2011, 1465 = NJW 2012, 72. 577 OLG Köln v. 1.10.1998 – 16 Wx 160/98, MDR 1999, 539. 578 BayObLG v. 5.8.1999 – 2 Z BR 67/99, ZMR 1999, 781; abweichend OLG Hamburg v. 13.11.1991 – 2 Wx 64/90, ZMR 1992, 118 für einen durch einen Wohnungseigentümer allein genutzten Lichthof; OLG Hamburg v. 5.11.2004 – 2 Wx 31/03, ZMR 2005, 390. 579 OLG Düsseldorf v. 6.9.1989 – 3 Wx 191/89, DWE 1989, 176. 580 OLG Köln v. 10.3.2003 – 16 Wx 43/02, OLGReport Köln 2003, 163 für Schallschutzprogramm eines Flughafens. 581 KG v. 17.7.2000 – 24 W 8114/99 und 2406/00, NZM 2001, 341 = ZMR 2001, 58; OLG Köln v. 17.3.2004 – 16 Wx 48/04, OLGReport Köln 2004, 302. 582 Pfälzisches OLG v. 2.2.2000 – 3 W 12/00, NZM 2000, 623, 624. 583 KG v. 22.12.1993 – 24 W 914/93, OLGZ 1994, 401 = ZMR 1994, 228; OLG Köln v. 17.3.2004 – 16 Wx 48/04, OLGReport Köln 2004, 302.

Hogenschurz

615

Teil 10 Rz. 10.265

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

liche Schutzgitter angebracht sind.584 Bei Teileigentum mag mit Rücksicht auf die vereinbarte Zweckbestimmung (Bank, Kassenraum usw.) ein Anspruch bestehen. Im Einzelfall kann es bei der Anbringung einer Stahlgittertür nach einem Einbruch für die übrigen Wohnungseigentümer an einem über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden, die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Nachteil fehlen.585

10.266 – Garderobe Die Anbringung einer Garderobe im gemeinschaftlichen Treppenhaus stellt eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung dar,586 ebenso die Errichtung einer Trennwand im Flur.587

10.267 – Garten fi siehe auch Zaun Gartenflächen stehen gemäß § 1 Abs. 5 WEG notwendig im Gemeinschaftseigentum, zugunsten einzelner Wohnungseigentümer können Sondernutzungsrechte bestellt sein.588 Die Übertragung des Gartens zur alleinigen Nutzung an einen Wohnungseigentümer in der Teilungserklärung beinhaltet regelmäßig die Zustimmung zur üblichen gärtnerischen Nutzung,589 nicht jedoch für darüber hinausgehende Maßnahmen, insbesondere solche, die der Wohnungseigentumsanlage ein anderes Gepräge geben,590 soweit die Gemeinschaftsordnung keine darüber hinausgehenden Rechte eröffnet.591 Als typische gärtnerische Nutzung ist dem Sondernutzungsberechtigten das Anpflanzen von Bäumen,592 Sträuchern und sonstigen Pflanzen als Teil der Pflege und Unterhaltung des Gartens ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erlaubt.593 Dies darf aber nicht die übrigen Wohnungseigentümer unzuträglich in der Nutzung ihres Sondereigentums beeinträchtigen.594 Deshalb darf der Sondernutzungsberechtigte weder alles anpflanzen, was ihm gefällt, noch alles entfernen, was ihm missfällt.595 Die Überlassung zur Sondernutzung „als Garten“ bedeutet nicht, dass außer rein 584 KG v. 10.1.1994 – 24 W 3851/93, OLGZ 1994, 393 = ZMR 1994, 274. 585 OLG Köln v. 1.12.2004 – 16 Wx 204/04, NZM 2005, 463, für den Einbau vor einer im obersten Stockwerk allein gelegenen Wohnung. 586 BayObLG v. 19.2.1998 – 2 Z BR 135/97, NZM 1998, 336; OLG München v. 15.3.2006 – 34 Wx 160/05, NZM 2006, 378. 587 BayObLG v. 25.5.1983 – 2 Z 40/82, Wohnungseigentümer 1983, 126. 588 Schuschke, NZM 1998, 737. 589 BayObLG v. 2.5.1985 – 2 Z 48/84, BayObLGZ 1985, 164 = MDR 1985, 767; BayObLG v. 5.3.1987 – BReg 2 Z 50/86, NJW-RR 1987, 846. 590 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676; BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, Rz. 7, ZMR 2012, 883. 591 BayObLG v. 19.3.1998 – 2 Z BR 131/97, WuM 1998, 563 für Pergola; OLG Hamm v. 15.2.2000 – 15 W 426/99, NZM 2000, 910 für Pflasterung und Mauer; vgl. auch BayObLG v. 18.3.2005 – 2 Z BR 233/04, NZM 2005, 744, wo die Anlage eines Teichs durch den Sondernutzungsberechtigten in einer Gartenfläche ausdrücklich vorgesehen war. 592 Bei Bäumen sind in der Regel die landesrechtlichen Regelungen zum erforderlichen Baumabstand auch an der Grenze zum benachbarten Sondernutzungsrecht einzuhalten, vgl. BGH v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, MDR 2008, 135 = ZMR 2007, 976 mit Anm. Hogenschurz; s.a. BayObLG v. 20.8.1987 – BReg 2 Z 50/87, ZMR 1988, 23; OLG München v. 11.1.2006 – 34 Wx 150/05, OLGReport München 2006, 213; ausführlich zum Baum im WEG Elzer FS H. Müller, 2019, 80. 593 BayObLG v. 3.7.1991 – BReg 2 Z 29/91, NJW-RR 1991, 1362 = WuM 1991, 448; OLG Köln v. 7.6.1996 – 16 Wx 88/96, ZMR 1997, 47. 594 KG v. 8.11.1995 – 24 W 3046/95, NJW-RR 1996, 464 = ZMR 1996, 149. 595 Schuschke, NZM 1998, 737, 739.

616

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.269 Teil 10

gärtnerischer Nutzung nichts erlaubt sei;596 so ist das Aufstellen einer Schaukel als zulässig angesehen worden.597 Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Gartenfläche gehört auch die gärtnerische Gestaltung nach dem Geschmack und Gutdünken des Sondernutzungsberechtigten.598 Die gärtnerische Umgestaltung einer Gartenfläche im Sondernutzungsrecht ist nur dann keine bauliche Veränderung, soweit sie das Grundstück nicht gegenständlich verändert. Bauliche Veränderungen sind deshalb das Neuanlegen eines Plattenwegs im gemeinschaftlichen Garten599 oder auch von Trittsteinen,600 nicht jedoch das Anlegen einer Hecke.601 Bauliche Veränderung ist das Anlegen eines Kfz-Stellplatzes auf einer Rasenfläche,602 die Errichtung einer Holzwand,603 das Anpflanzen stark wachsender Bäume,604 die vollständige Entfernung der vorhandenen mehr als fünf Meter hohen Bepflanzung und völlige Neugestaltung,605 die Anlage eines Kinderspielplatzes oder eines Sandhaufens für Katzen und Hunde auf einer Sondernutzungsfläche, die Errichtung eines Schwimmbads606 oder Außenschwimmbeckens,607 die Vergrößerung einer Terrasse608 sowie ihre Erstanlage,609 die Umgestaltung der Grundstücksoberfläche durch Begradigung eines abschüssigen Hanges, wobei schon in der Möglichkeit intensiverer Nutzung ein nicht hinzunehmender Nachteil liegen kann,610 und schließlich die Umgestaltung bei ausdrücklicher Bestimmung über die Bepflanzung in der Teilungserklärung.611 Grenzfälle mögen das Aufstellen von Gartenzwergen612 und das Aufstellen eines Komposters613 sein.

10.268

Zudem können Grenzen des Sondernutzungsrechts zum Schutz berechtigter Interessen durch Gebrauchsregelungen mit Mehrheitsbeschluss festgelegt werden, etwa ein Pflanzverbot zum Schutz eines charakteristischen Seeblicks614 oder zum Schutz der darunter liegenden Tiefgarage vor eindringendem Wurzelwerk.615

10.269

596 OLG Düsseldorf v. 24.6.1996 – 3 Wx 118/96, NJW-RR 1996, 1228 = ZMR 1996, 568; OLG Köln v. 27.6.2005 – 16 Wx 58/05, NZM 2005, 785 für die Aufstellung eines 6 qm großen Kaninchenstalls. 597 OLG Düsseldorf v. 14.8.1989 – 3 Wx 261/89, DWE 1990, 94. 598 BayObLG v. 6.10.2000 – 2 Z BR 53/00, ZMR 2001, 122, 123. 599 OLG Hamburg v. 13.2.2001 – 2 Wx 45/99, ZMR 2001, 382. 600 BayObLG v. 10.8.2001 – 2 Z BR 21/01, NZM 2001, 959 = ZMR 2002, 61, 158. 601 BayObLG v. 3.7.1991 – 2 Z 29/91, NJW-RR 1991, 1362 = WuM 1991, 448; BayObLG v. 28.10.1998 – 2 Z BR 122/98, NZM 1999, 261. 602 BayObLG v. 28.6.1990 – 2 Z 67/90, WuM 1990, 622. 603 OLG Hamburg v. 4.4.2002 – 2 Wx 91/98, ZMR 2002, 621. 604 KG v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, OLGZ 1987, 410. 605 OLG Düsseldorf v. 6.4.1994 – 3 Wx 534/93, NJW-RR 1994, 1167 = WuM 1994, 492. 606 KG v. 19.6.2007 – 24 W 5/07, NZM 2007, 847. 607 AG München v. 13.12.2018 – 472 C 16138/18, ZMR 2019, 287 zum Mietrecht. 608 BayObLG v. 2.6.1999 – 2 Z BR 15/99, NZM 1999, 1009; OLG Celle v. 28.11.2001 – 4 W 203/01, OLGReport Celle 2002, 107; OLG Frankfurt v. 24.7.2007 – 20 W 538/05, NZM 2008, 322; OLG Karlsruhe v. 17.7.2000 – 11 Wx 42/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 1. 609 OLG Karlsruhe v. 18.9.2000 – 14 Wx 45/00, ZMR 2001, 224. 610 BayObLG v. 26.9.2002 – 2 Z BR 86/02, NZM 2003, 242. 611 OLG Hamburg v. 18.2.1994 – 2 Wx 49/92, WE 1994, 377. 612 OLG Hamburg v. 20.4.1988 – 2 W 7/87, OLGZ 1988, 308 = MDR 1988, 867 = NJW 1988, 2052 = VersR 1988, 1027; Schuschke, NZM 1998, 737, 740 m.w.N. 613 Vgl. Schuschke, NZM 1998, 737, 740 m.w.N. 614 BayObLG v. 6.2.1992 – BReg. 2 Z 166/91, ZMR 1992, 202. 615 BayObLG v. 14.1.1993 – 2 Z BR 123/92, WuM 1993, 206.

Hogenschurz

617

Teil 10 Rz. 10.270

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.270 Der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfen nach bisheriger Praxis die Errichtung eines Geräteschuppens im Garten,616 eines Gartenhauses,617 eines Saunahauses,618 die Errichtung einer Pergola über der Gartenterrasse,619 eines überdachten und durch Glaswände seitlich abgeschlossenen Sitzplatzes,620 einer Sichtschutzwand neben der Terrasse,621 die Errichtung von Mauern zur Beeteinfassung622 sowie das Aufstellen von Grillkaminen aus Fertigbetonteilen. Soweit in diesen Fällen nur die optische Veränderung der äußeren Gestaltung als Nachteil in Frage steht, mag nach den Grundsätzen über die Prüfung von Änderungen der äußeren Gestaltung (vgl. Rz. 10.90) ein erheblicher Nachteil zu verneinen sein.

10.271 Keine baulichen Veränderungen sind nicht auf Dauer angelegte Maßnahmen, wie das Aufstellen von Biertischen, Bänken und Schirmen, die im Boden nicht fest verankert sind, für jeweils sechs Monate (vom 1.4. bis 30.9.) eines Jahres.623

10.272 Bei Anpflanzungen sind im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander die Pflanzabstände nach den nachbarrechtlichen Regelungen einzuhalten.624 Bei Nichteinhaltung der Pflanzabstände kann innerhalb der in den Nachbargesetzen der Länder625 genannten Ausschlussfristen ohne weitere Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG angenommen werden; nach Ablauf dieser Ausschlussfristen bleibt es möglich, den Nachweis eines über das nach § 14 Nr. 1 WEG Zulässige hinausgehenden Nachteils zu führen.626 Bei überwachsenden Zweigen findet im Verhältnis von zwei benachbarten Sondernutzungsrechten an Gartenflächen die Regelung des § 910 BGB entsprechende Anwendung, so dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein Recht zur Selbsthilfe besteht.627 616 OLG Köln v. 29.4.1997 – 16 Wx 76/97, OLGReport Köln 1997, 218; BayObLG v. 28.3.2001 – 2 Z BR 1/01, ZMR 2001, 640; OLG München v. 26.7.2006 – 34 Wx 83/06, OLGReport München 2006, 847; anders für weitläufiges Gelände LG Frankfurt a.M. v. 20.11.2018 – 2-09 S 26/18, WuM 2019, 49. 617 BGH v. 4.7.2019 – V ZR 149/18, Juris; BayObLG v. 20.11.2003 – 2 Z BR 134/03, BayObLGReport 2004, 143 (LS) für einen Ziergarten; KG v. 12.11.1993 – 24 W 3064/93, OLGZ 1994, 273 = NJW-RR 1994, 207; OLG Hamburg v. 21.5.2007 – 2 Wx 38/03, ZMR 2007, 635; OLG Köln v. 29.4.1997 – 16 Wx 76/96, WuM 1997, 461; LG München I v. 16.2.2009 – 1 S 20283/08, WuM 2009, 189; AG Hamburg-Blankenese v. 13.1.2010 – 539 C 34/09, ZMR 2010, 562. 618 BayObLG v. 26.4.2001 – 2 Z BR 4/01, WuM 2001, 405 = ZMR 2001, 827 wegen der größeren Einbruchsgefahr für einen darüber liegenden Balkon. 619 OLG Köln v. 21.2.1997 – 16 Wx 8/97, MDR 1997, 1020. 620 BayObLG v. 21.5.1992 – 2 Z BR 38/92, WuM 1992, 392. 621 OLG Köln v. 13.2.1998 – 16 Wx 3/98, OLGReport Köln 1998, 195. 622 KG v. 10.1.1994 – 24 W 3851/93, OLGZ 1994, 393 = ZMR 1994, 274; anders im Einzelfall OLG Hamburg v. 26.11.2007 – 2 Wx 68/07, ZMR 2008, 154, 156 für den Ersatz einer Beeteinfassung durch eine Trockenmauer. 623 BayObLG v. 28.3.2002 – 2 Z BR 182/01, NZM 2002, 569 = ZMR 2002, 688. 624 BGH v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, NJW 2007, 3636 = MDR 2008, 135 = ZMR 2007, 976 mit Anm. Hogenschurz; s.a. BayObLG v. 20.8.1987 – BReg 2 Z 50/87, ZMR 1988, 23; OLG München v. 11.1.2006 – 34 Wx 150/05, OLGReport München 2006, 213. 625 Vgl. die Nachweise in den Kommentierungen zu Art. 124 EGBGB Rz. 2 m.w.N. zu den landesrechtlichen Vorschriften und der einschlägigen Literatur. 626 Hogenschurz, ZMR 2007, 978; s.a. OLG Köln v. 7.6.1996 – 16 Wx 88/96, ZMR 1997, 47; abweichend OLG Hamm v. 21.10.2002 – 15 W 77/02, NZM 2003, 156 = ZMR 2003, 372. 627 KG v. 13.6.2005 – 24 W 115/04, NZM 2005, 745; anders noch OLG Düsseldorf v. 27.6.2001 – 3 Wx 79/01, NZM 2001, 861 = ZMR 2001, 910. Dass § 910 BGB hinsichtlich Laub-, Nadelund Zapfenabfall wie im Nachbarrecht (dazu BGH v. 14.6.2019 – V ZR 102/19, Juris, den Maßstab des erheblichen Nachteils im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG im Wohnungseigentumsrecht be-

618

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.275 Teil 10

Bei Gartenflächen im Gemeinschaftseigentum steht, soweit öffentlich-rechtlich keine 10.273 Pflicht besteht,628 der Wohnungseigentümergemeinschaft in Bezug auf die Pflege ein (beschränkter) Ermessenspielraum zu, weil der Pflanzenwuchs nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist.629 Eine der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürftige bauliche Veränderung liegt jedenfalls dann vor, wenn die vorhandene Bepflanzung vollständig mitsamt Bäumen beseitigt und durch eine völlig andersartige Neuanlage ersetzt wird.630 Bei weniger umfangreichen Umgestaltungen kommt vieles auf die Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall an. So kann sich der Rückschnitt einer Hecke als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen, aber auch bauliche Veränderung sein, wenn die Hecke erkennbar Sichtschutzfunktion hat.631 Würde der Heckenrückschnitt zu einer langfristigen Schädigung der Hecke führen, weil kahle Stellen nicht kurzfristig durch neue Triebe wieder geschlossen werden können, handelt es sich nicht um eine ordnungsgemäße Pflegemaßnahme.632 Der Rückschnitt von Fassadengrün, etwa wildem Wein, ist als bloße Pflegemaßnahme eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung,633 dagegen die vollständige Beseitigung mit Rankverbot für die Zukunft eine bauliche Veränderung.634 Die Entfernung eines Grillkamins, der schon bei Begründung des Wohnungseigentums auf einer Gemeinschaftsfläche errichtet war, stellt regelmäßig eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung dar.635 Dass kein Wohnungseigentümer eigenmächtig Teile des Gemeinschaftseigentums zu seinem alleinigen Gebrauch abgrenzen darf, versteht sich von selbst.636 Eigenmächtiges Vorgehen einzelner Wohnungseigentümer, etwa ein Heckenrückschnitt, ist nicht zulässig und verpflichtet zum Schadensersatz.637 – Geräteschuppen fi siehe Garten

10.274

– Geruch fi siehe auch Lärm

10.275

Die Frage der Geruchsimmission wird etwa bedeutsam in folgenden Fällen baulicher Veränderungen: Steigerung des Kfz-Verkehrs durch Einrichtung oder Verlegung von Kfz-Stellplätzen, Verlegung des Müllplatzes,638 Küchen- oder Abluftdünste, die über Abzugsrohre ins Freie geleitet werden,639 das Aussparen einer Abluftöffnung für Wäschetrockner, Küchen-

628

629 630 631 632 633 634 635 636 637 638 639

stimmt, dürfte für den Regelfall zu verneinen sein, wenn nicht ausdrücklich ein Verhältnis „wie Nachbarn“ vereinbart ist. Soweit öffentlich-rechtlich eine Verpflichtung zur Errichtung eines Kinderspielplatzes besteht, kann über das „Wo“ und „Wie“ der Errichtung im gemeinschaftlichen, nicht der Sondernutzung unterliegenden Garten mit Mehrheit entschieden werden, vgl. BayObLG v. 25.6.1998 – 2 Z BR 10/98, NZM 1998, 817 = ZMR 1998, 647. BayObLG v. 21.2.2001 – 2 Z BR 142/00, WuM 2001, 299 = ZMR 2001, 565. OLG Schleswig v. 3.5.2007 – 2 W 25/07, WuM 2007, 587, auch zur Zulässigkeit aufgrund eines bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses. BayObLG v. 18.3.2004 – 2 Z BR 249/03, ZMR 2005, 377; OLG München v. 12.9.2005 – 34 Wx 54/05, ZMR 2006, 67; s.a. LG Dortmund v. 23.11.2018 – 17 S 83/18, NZM 2019, 100. OLG München Beschl. v. 12.9.2005 – 34 Wx 54/05, ZMR 2006, 67. Saarländisches OLG v. 10.10.1997 – 5 W 60/97, ZMR 1998, 50. OLG Düsseldorf v. 17.12.2004 – 3 Wx 298/04, ZMR 2005, 304. BayObLG v. 16.6.2004 – 2 Z BR 49/02, ZMR 2004, 924. BayObLG v. 30.4.2003 – 2 Z BR 87/02, ZMR 2004, 127 für Baumsperren. LG Hamburg, Urt v. 30.6.2010 – 318 S 105/09, ZMR 2010, 983; zur „Abwicklung“ i.E. LG Dortmund v. 10.3.2011 – 11 S 148/10, ZMR 2011, 658. OLG Karlsruhe v. 12.1.1978 – 3 W 14/77, OLGZ 1978, 172 = MDR 1978, 495. BayObLG v. 12.4.2000 – 2 Z BR 151/99, ZWE 2000, 411.

Hogenschurz

619

Teil 10 Rz. 10.275

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

abzugshaube oder Klimaanlage in einer bisher geschlossenen Fensterwand640 oder bei der Errichtung eines Ofens.641

10.276 Wann die Grenze des Zulässigen überschritten ist, muss unter Beachtung der besonderen Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander642 für den Einzelfall entschieden werden. Maßgeblich ist, ob es sich im konkreten Einzelfall um eine anhaltende Störung handelt, die im Vergleich zum bisherigen Zustand einen erheblichen, vermeidbaren Nachteil darstellt.643 Unzulässig ist jedenfalls die gezielte Ableitung der Abluft auf den „Nachbarn“.644

10.277 Schon eine objektive Feststellung der Belästigung ist aber schwerlich möglich und kaum von deren Bewertung zu trennen. Gerichtlicher „Augenschein“ ist hier geboten. Anhaltspunkte mögen Bauvorschriften sein, die etwa für Gaststätten besondere Entlüftungseinrichtungen vorschreiben. Was nach § 906 BGB im Verhältnis von Grundstücksnachbarn nicht zulässig ist, verbietet § 14 Nr. 1 WEG erst recht im Verhältnis von Wohnungseigentümern aufgrund der weitergehenden Rücksichtnahmepflichten im Gemeinschaftsverhältnis.

10.278 – Heizung/Wasser/Installation Bei Veränderungen an den Heizkörpern (durch Anschließen anderer oder Entfernen vorhandener) und an den Thermostatventilen hat der BGH645 die Zuordnung von Heizkörpern und dazugehörigen Leitungen zum Anschluss an eine Zentralheizung (Steigleitungen) einschließlich Heizungs- und Thermostatventile in der Teilungserklärung für zulässig erachtet. Die genannten Teile sollen auch ohne besondere Zuweisung regelmäßig im Sondereigentum stehen,646 mit dem der Sondereigentümer grundsätzlich nach Belieben verfahren darf. Die Regelungen über bauliche Veränderungen finden deshalb auf Änderungen an den genannten Bauteilen durch einzelne Wohnungseigentümer oder auch die Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich keine Anwendung. Der Anschluss zusätzlicher oder größerer Heizkörper an die gemeinschaftliche Heizung kann danach nicht mehr als bauliche Veränderung bewertet und an deren Voraussetzungen gemessen werden.647 Vielmehr ist für die Zulässigkeit einer Nutzung durch die einzelnen Wohnungseigentümer maßgeblich, ob der Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Bestandteile den Anforderungen und Grenzen des § 14 WEG genügt. Er ist gemäß § 14 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG verpflichtet, seine Wohnung entsprechend den Mindestvorgaben des Systems zu beheizen. Daraus ergibt sich rein tatsächlich ein Zwang der einzelnen Wohnungseigentümer, etwa bei der Sanierung der Zentralheizung mit der Wohnungseigentümergemeinschaft zu kooperieren, will er nicht Gefahr laufen, von der gemeinschaftlichen Versorgung mit Heizenergie abgetrennt zu werden.648

640 641 642 643 644 645 646

OLG Köln v. 1.10.1998 – 16 Wx 160/98, MDR 1999, 539. LG Karlsruhe v. 9.1.2012 – 11 S 61/09, ZWE 2012, 183. BGH v. 24.1.2014 – V ZR 48/13, MDR 2014, 399. OLG Frankfurt v. 5.11.1979 – 20 W 279/79, OLGZ 1980, 78 = RPfleger 1980, 112. BayObLG v. 12.8.2004 – 2 Z BR 148/04, NZM 2005, 69. BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = ZMR 2011, 971. Armbrüster, ZWE 2011, 392; Briesemeister, Grundeigentum 2011, 1134; Rüscher, ZfIR 2011, 836; M.J. Schmid, MDR 2011, 1081; abweichend insbesondere für Thermostatventile noch OLG Stuttgart v. 13.11.2007 – 8 W 404/07, ZMR 2008, 243. 647 A.A. noch BayObLG v. 30.12.1983 – 2 Z 73/83, DWE 1984, 92; OLG Düsseldorf v. 2.7.2004 – 3 Wx 66/04, NZM 2004, 835 = ZMR 2005, 643. 648 BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = ZMR 2011, 971.

620

Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.283 Teil 10

– Immissionen fi siehe Lärm, Geruch, Schmutz

10.279

– Kamin/Außenkamin

10.280

Die Errichtung eines Außenkamins kann, soweit nicht schon ein Eingriff in die bestehende gemeinschaftliche Heizungsanlage erfolgt, schon wegen der möglichen optischen Beeinträchtigung und nachteiligen Rauchentwicklung der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedürfen.649 Gleiches gilt für den nachträglichen Einbau einer Gasetagenheizung mit getrenntem Abgaskamin ins Freie.650 Beide Maßnahmen können aber durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss als Modernisierung gebilligt werden. Der Durchbruch eines Flachdaches zur Errichtung eines Kamins, etwa eines offenen Kamins im Penthouse, ist eine wegen des Eingriffs in die Dachhaut nachteilige und daher zustimmungspflichtige bauliche Veränderung.651

10.281

– Kfz-Stellplätze/Garagen Ausgangspunkt für die Bewertung der zahlreichen tatsächlichen Fallgestaltungen von individuellen Umbauten und Veränderungen an Kfz-Stellplätzen ist die rechtliche Überlegung, dass Sondereigentum an Kfz-Stellplätzen nur dann vorliegen kann, wenn es sich um abgeschlossene Räume handelt oder bei Garagenstellplätzen, deren Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind, § 3 Abs. 2 WEG. Ansonsten handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, an dem für einzelne Wohnungseigentümer Grunddienstbarkeiten oder Sondernutzungsrechte bestehen können, die aber auch entsprechend einer Nutzungsordnung von allen unentgeltlich genutzt oder vermietet werden können.652 Selbst wenn es sich aber bei dem Garagenplatz um Sondereigentum handelt, ist wie bei einem Sondernutzungsrecht eine bauliche Veränderung, die nicht in irgendeiner Weise in das Gemeinschaftseigentum eingreift, kaum vorstellbar.653

10.282

Schon die Verankerung eines Sperrbügels im Boden fällt darunter, wird aber als die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehend beeinträchtigend für zustimmungsfrei gehalten,654 soweit die Rangiermöglichkeiten im Einzelfall nicht eingeschränkt wird. Nachteilig und zustimmungspflichtig ist das Aufstellen so genannter Tiefgaragenboxen.655 Das erneute Anbringen einer bereits in der Teilungserklärung vorgesehenen und ursprünglich vorhandenen Absperrkette zwischen KfzStellplätzen ist allerdings eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandsetzung, keine bauliche Veränderung.656 Das Anbringen einer Absperrkette, um privat genutzte Stellplätzen von Gewerbebesuchern freizuhalten, kann – unabhängig davon, ob die erforderlichen Pfosten fest mit dem Erdreich verbunden sind – im Einzelfall nicht über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hi-

10.283

649 OLG Celle v. 15.2.1995 – 4 W 295/94, WuM 1995, 338; OLG Hamburg v. 7.4.1987 – 2 W 24/87, DWE 1987, 98; OLG Köln v. 11.2.2000 – 16 Wx 9/00, MDR 2000, 577 = NZM 2000, 764 für Mehrhausanlage; abweichend für Lüftungstürme OLG Celle v. 24.2.2012 – 4 W 1/12, ZMR 2012, 569. 650 OLG Düsseldorf v. 4.7.1997 – 3 Wx 270/97, ZMR 1997, 536 = WuM 1997, 514. 651 OLG Hamburg v. 7.4.1987 – 2 W 24/87, DWE 1987, 98. 652 Vgl. Schuschke, NZM 1999, 1121. 653 A.A. BayObLG v. 30.1.2003 – 2 Z BR 121/02, ZMR 2003, 514, im Einzelfall für die Errichtung einer Doppelgarage; zu Recht abweichend für das geringfügige Vorziehen eines Garagentores AG Hamburg-Blankenese v. 4.4.2012 – 539 C 24/11, ZMR 2012, 405, 406. 654 OLG Schleswig v. 10.10.1996 – 2 W 2/96, OLGReport Schleswig 1997, 36. 655 BayObLG v. 11.8.2004 – 2 Z BR 81/04, ZMR 2004, 928. 656 BayObLG v. 10.9.1998 – 2 Z BR 86/98, NZM 1999, 29.

Hogenschurz

621

Teil 10 Rz. 10.283

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

nausgehend nachteilig sein,657 jedenfalls wenn die Baumaßnahme zu einer stark abweichenden äußeren Gestaltung führt.658

10.284 Für Fahrradständer gelten die Erwägungen für Sperrbügel sinngemäß. Fahrradständer, die ohne Eingriff in die Gebäudesubstanz zwischen Tiefgaragenboden und -decke mit Teleskopstangen fest verspannt werden können, greifen in das Gemeinschaftseigentum zwar im Einzelfall nicht erheblich ein, sie können aber die Nutzbarkeit des benachbarten Stellplatzes – etwa weil wegen der geringen Stellplatzgröße ein ausreichendes Öffnen der Fahrzeugtüren nur unter Mitbenutzung des benachbarten Luftraums möglich ist – derart einschränken, dass man im Ergebnis eine Überschreitung der zulässigen Nutzung annehmen muss.

10.285 Zustimmungsbedürftig sind regelmäßig das Umbauen eines Sammelgaragenstellplatzes zu einer Einzelgarage,659 die Ersetzung einer Maschendrahtabtrennung zwischen zwei Sammelgaragenplätzen durch eine Holztrennwand,660 die Umwandlung eines Stellplatzes im Freien in einen Carport661 oder seine Bebauung mit einer Fertiggarage,662 die Vornahme eines Garagenanbaus,663 das Anlegen eines Kfz-Stellplatzes auf einer Rasenfläche,664 das Verschließen einer offenen Einzelgarage durch ein Tor665 und die Errichtung eines Klingelbretts vor der Tiefgarageneinfahrt, um diese für Besucher eines Gewerbebetriebs nutzbar zu machen.666

10.286 Als Gebrauchsregelung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG und nicht als bauliche Veränderung ist das Abmarkieren von Parkbuchten auf einer baulich bereits zur Nutzung als Parkplatz hergestellten Hoffläche zu bewerten,667 ebenso die Verlegung von Betonschwellen zur Verkehrsberuhigung auf der Parkplatzzufahrt,668 nicht aber die Einrichtung und Vermietung von Pkw-Stellplätzen auf der gemeinschaftlichen Garagenzufahrt.669 Die Grenze ordnungsgemäßer Verwaltung für auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 WEG gefasster Eigentümerbeschlüsse ist überschritten, wenn sie zu einer unzulässigen Aushöhlung des Sondernutzungsrechts führen.670 – Klimaanlage

10.287 Eine zustimmungspflichtige nachteilige bauliche Veränderung ist der Einbau einer Kleinklimaanlage vor einem oder in ein Fenster,671 ebenso das Aussparen einer Abluftöffnung für ei657 BayObLG v. 27.1.2005 – 2 Z BR 207/04, BayObLGReport 2005, 494: abstrakte Stolpergefahr reicht nicht aus. 658 AG Ansabach v. 20.11.2018 – 1 C 1384/17 WEG, ZMR 2019, 369. 659 OLG Köln v. 26.5.1999 – 16 Wx 13/99, NZM 1999, 865. 660 OLG München v. 13.3.2006 – 34 Wx 1/06, NZM 2006, 783 für Einzelfall. 661 BayObLG v. 6.2.1986 – 2 Z 70/85, BayObLGZ 1986, 29 = ZMR 1986, 207; BayObLG v. 2.7.1999 – 2 Z BR 30/99, NZM 1999, 855, 856 = WuM 2001, 90. 662 OLG Frankfurt v. 27.6.1986 – 20 W 114/86, WE 1986, 141; OLG Karlsruhe v. 7.1.2008 – 14 Wx 5/07, ZWE 2008, 149. 663 BayObLG v. 27.3.1984 – 2 Z 27/83, DWE 1984, 124 = WE 1986, 26. 664 BayObLG v. 28.6.1990 – 2 Z 67/90, WuM 1990, 622. 665 BayObLG v. 22.5.1998 – 2 Z BR 38/98, NZM 1999, 282 = WuM 1998, 679. 666 BayObLG v. 10.2.1998 – 2 Z BR 129/97, NZM 1998, 522; s.a. BayObLG v. 8.8.2002 – 2 Z BR 5/02, NZM 2002, 869, 870. 667 OLG Karlsruhe v. 19.12.1977 – 3 W 6/77, MDR 1978, 495. 668 KG v. 6.3.1985 – 24 W 3664/84, OLGZ 1985, 263. 669 Pfälzisches OLG v. 27.8.1985 – 3 W 121/85, OLGZ 1985, 418 = MDR 1986, 60 = ZMR 1986, 61. 670 LG Itzehoe v. 21.12.2018 – 11 S 85/16, ZMR 2019, 294. 671 OLG Frankfurt v. 1.4.1986 – 20 W 9/86, WE 1986, 104.

622

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.292 Teil 10

ne Klimaanlage in einer bisher geschlossenen Fensterwand zumindest für den unmittelbar benachbarten Wohnungseigentümer (Geruchsbelästigung).672 Durch die Klimaanlage darf auch keine Lärmbelästigung entstehen.673 – Klingel Bei der Klingelanlage sind die Sprechstellen innerhalb der Wohnung dann Sondereigentum, wenn das Vorhandensein und Funktionieren der einzelnen Sprechstelle zum Funktionieren der Gesamtanlage, die im Gemeinschaftseigentum steht, nicht erforderlich ist.674 Sie können daher – eben weil und soweit keine Auswirkungen auf die Gesamtanlage eintreten – verändert werden, ohne dass § 22 Abs. 1 WEG Anwendung fände. Der erstmalige Einbau einer Gegensprechanlage in das vorhandene Klingelbrett soll nicht nachteilig über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß sein.675

10.288

– Ladeneingang

10.289

Die nachträgliche Errichtung eines Ladeneingangs in einer Parterrewohnung ist eine nachteilige bauliche Veränderung.676 – Lärm fi siehe auch Trittschallschutz

10.290

Viele Fälle von nachteiligem Lärm in Folge baulicher Veränderungen sind denkbar, etwa das typische Geräusch des Tischtennisspiels nach Aufstellen einer Tischtennisplatte, Regenprasseln auf einer Terrassenüberdachung aus Kunststoff677 oder zusätzlicher Kfz-Verkehr.678 – Vorübergehende Lärmbeeinträchtigungen während der Durchführung der baulichen Veränderung sind, soweit der Rahmen des zulässigen Maßes nach den Immissionsschutzvorschriften und der hausordnung (Mittagsruhe usw.) gewahrt bleibt, nicht im über den Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Maß nachteilig.679 Die vorübergehende Lärmbeeinträchtigung stellt auch keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.680

10.291

Hat die bauliche Veränderung jedoch dauerhaft eine über den Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Lärmbeeinträchtigung zur Folge, ist sie für die betroffenen Wohnungseigentümer nachteilig und bedarf schon deshalb deren Zustimmung. Hier tritt aber die Schwierigkeit hervor, eine Grenze zu ziehen, wann kein die anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil vorliegt, § 14 Nr. 1 WEG. Wenn der Lärm die Grenzwerte der technischen Regelungen für haustechnischen Anlagen im Zeitpunkt der Errichtung überschreitet, ist die Maßnahme unzulässig.681 Durch diese Anforderungen wird ein Gleichlauf mit der Verpflichtung der ver-

10.292

672 673 674 675 676 677 678 679 680 681

OLG Köln v. 1.10.1998 – 16 Wx 160/98, MDR 1999, 539. OLG Köln v. 1.10.1998 – 16 Wx 160/98, MDR 1999, 539. OLG Köln v. 26.8.2002 – 16 Wx 126/02, NZM 2002, 865. BayObLG v. 8.8.2002 – 2 Z BR 5/02, NZM 2002, 869, 870; s.a. BayObLG v. 10.2.1998 – 2 Z BR 129/97, NZM 1998, 522. BayObLG v. 6.3.1986 – 2 Z 57/85, WE 1987, 12; BayObLG v. 17.7.1986 – 2 Z 32/86, WE 1987, 51. OLG Stuttgart v. 23.9.1969 – 8 W 147/67, OLGZ 1970, 74 = NJW 1970, 102. OLG Frankfurt. v. 5.11.1979 – 20 W 279/79, OLGZ 1980, 78 = RPfleger 1980, 112. BayObLG v. 10.5.1990 – 2 Z 26/90, BayObLGZ 1990, 120 = MDR 1990, 823 = ZMR 1990, 390; BayObLG v. 14.1.1999 – 2 Z BR 125/98, ZMR 1999, 273. KG v. 21.1.1998 – 24 W 5061/97, WuM 1998, 430 = ZMR 1998, 369. BayObLG v. 18.11.1999 – 2 Z BR 77/99, NZM 2000, 504 ZMR 2000, 311.

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623

Teil 10 Rz. 10.292

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

mietenden Wohnungseigentümer gegenüber ihren Mietern herbeigeführt, der bei Fehlen abweichender Vereinbarungen im Falle baulicher Veränderungen „erwarten“, d.h. fordern kann, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen.682

10.293 – Leuchtreklame fi siehe Werbung 10.294 – Markise Die Anbringung einer Markise beeinträchtigt häufig den optischen Gesamteindruck störend und ist daher bisher, soweit diese Abweichung einsehbar ist, als zustimmungspflichtig angesehen worden.683 Heute sind die Grundsätze über die Veränderung der äußeren Gestaltung (vgl. Rz. 10.90) maßgeblich. Dies gilt auch, wo ein Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums nicht erfolgt, etwa weil die Markise zwischen Balkonboden und Balkondecke an Stützen verspannt ist.

10.295 – Mobilfunkantenne fi siehe Antenne 10.296 – Parabolantenne Die Zulässigkeit von Parabolantennen ist aufgrund des technischen Fortschrittes nicht mehr so streitträchtig, wie noch vor wenigen Jahren. Mit Internet (auch über den Kabelanschluss) und leistungsfähigen Mobilfunkverbindungen sind heute in vielen Gegenden Deutschlands alternative Empfangsmöglichkeiten eröffnet, die den Wunsch nach einer Parabolantenne haben deutlich zurückgehen lassen. Seitdem zahlreiche Programme zudem nur noch verschlüsselt ausgestrahlt werden, also ihr Empfang unabhängig vom Übertragungsweg, zusätzliche Kosten für den Decoder verursacht, ist zudem der Kostenvorteil gegenüber einem Kabelanschluss weitgehend weggefallen, fallen doch die Kosten für einen „schnellen“ Internetanschluss sowieso an. Die Rechtsgrundsätze zur Zulässigkeit von Parabolantenne haben gleichwohl ihre Bedeutung behalten: Von dem hier zu besprechenden Fall, dass ein Miteigentümer die Errichtung einer Parabolantenne zum Empfang von (weiteren) digitalen Fernsehprogrammen wünscht oder eigenmächtig vornimmt, ist die Frage zu unterscheiden, ob und wie die Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Umstellung der Medienversorgung und Auswahl zwischen den konkurrierenden Systemen (Antenne, Kabel, Satellit) vorgehen muss. In diesem Fall ist eine umfassende Abwägung aller Vor- und Nachteile der Systeme geboten, insbesondere die Einholung von Konkurrenzangeboten, um Leistungen und Kosten vergleichen zu können.684 Dabei wird die Wohnungseigentümergemeinschaft insbesondere im Vergleich zu einem herkömmlichen Kabelanschluss das überwältigende Senderangebot, dass über Satelliten empfangen werden kann, berücksichtigen müssen.685

682 BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 355/03, MDR 2005, 743 = NJW 2005, 218; BGH v. 17.6.2009 – VIII ZR 131/08, NJW 2009, 2441 = MDR 2009, 975; BGH v. 7.7.2010 – VIII ZR 85/09, MDR 2010, 1041 = NJW 2010, 3088. 683 BayObLG v. 1.6.1995 – 2 Z BR 34/95, WuM 1995, 449; KG v. 3.12.1993 – 24 W 6483/93, OLGZ 1994, 399 = WuM 1994, 99 zur Vertikalmarkise; OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 318/00, NZM 2001, 243 = ZMR 2001, 130; OLG Frankfurt v. 14.5.1985 – 20 W 370/84, OLGZ 1986, 42. 684 BayObLG v. 10.3.2004 – 2 Z BR 274/03, ZMR 2004, 607: Anhörung allein eines Vertreters der Kabelbetreibergesellschaft ist unzureichend; zu Einzelheiten s. Wenzel, ZWE 2007, 179. 685 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.300 Teil 10

Bei der Anbringung einer Parabolantenne durch einen Wohnungseigentümer sind drei Fragen zu prüfen, vorweg das Bestehen von besonderen Vereinbarungen, sodann zum einen, ob überhaupt eine bauliche Veränderung vorliegt, zum anderen, ob die Anbringung auch unter Berücksichtigung von geschützten Grundrechtspositionen einen Gebrauch darstellt, der zu einem über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil bei einem der anderen Wohnungseigentümer i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG führt. Die Grundrechtsabwägung führt über die Ausstrahlung der Grundrechte in das Tatbestandsmerkmal des § 14 Nr. 1 WEG „Nachteil“ zum Fehlen der Zustimmungsbedürftigkeit hinsichtlich des „Ob“ der Zulässigkeit der Anbringung, nicht aber hinsichtlich des „Wie“, so dass insbesondere die Auswahl unter den geeigneten Standorten durch die übrigen Wohnungseigentümer zu entscheiden ist.686

10.297

Wünscht ein Miteigentümer, eine Parabolantenne anbringen zu dürfen, ist zunächst zu prü- 10.298 fen, ob eine Sonderregelung vereinbart oder beschlossen ist, nach der etwa die Anbringung von Außen-/Parabolantennen grundsätzlich verboten ist. Dies ist zulässig, denn der Erwerber weiß, dass er auf eine etwa entgegenstehende Grundrechtsposition verzichtet.687 Die Wirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger setzt deren Grundbucheintragung voraus.688 Soweit keine vorrangige Vereinbarung besteht, die das Anbringen von Parabolantennen abschließend regelt,689 kann zudem eine Benutzungsregelung durch einen Eigentümerbeschluss erfolgen und darin auch die Anbringung von Parabolantennen generell untersagt werden; ein solcher Eigentümerbeschluss ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar.690 Ein Anspruch auf Errichtung einer Parabolantenne kann sich bei einer entgegenstehenden Re- 10.299 gelung durch Vereinbarung oder bei einem nicht für ungültig erklärten Eigentümerbeschluss ergeben, wenn ein Anspruch auf Änderung der Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG oder auch des Eigentümerbeschlusses besteht, etwa weil die Parabolantenne aufgrund ihrer Größe und des Installationsortes im Einzelfall das optische Erscheinungsbild und die übrigen berechtigten Interessen der Wohnungseigentümer nicht berührt, oder weil aus schwerwiegenden Gründen aufgrund nachträglicher Umstände ein Festhalten am Verbot zu unbilligen Ergebnissen führt. Bestehen keine besonderen Vereinbarungen, so gilt: Die eigenmächtige Anbringung einer Parabolantenne ist in der Regel eine bauliche Veränderung, egal ob diese am Balkon, vor dem Fenster, auf der Dachterrasse oder an der Außenwand erfolgt, und zwar – soweit sie sichtbar ist – als negative Einwirkung auf das optische Gestaltungsbild691 und wegen der für die Sturm-

686 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler. 687 BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler; OLG Köln v. 26.7.2004 – 16 Wx 134/04, OLGReport Köln 2004, 412. 688 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, NJW 2003, 2165 = ZMR 2003, 748. 689 Von einer abschließenden Regelung wird auch auszugehen sein, wenn in einer Reihenhausanlage die Anwendung des allgemeinen Nachbarrechts vereinbart ist. 690 BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler. Ein solcher Eigentümerbeschluss ist allerdings dahin auszulegen, dass er die (fast) unsichtbare Aufstellung einer Parabolantenne auf dem Balkon, die keine bauliche Veränderung ist, nicht erfasst; vgl. für das Mietrecht auch BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/06, NZM 2007, 597. 691 S.a. OLG Düsseldorf v. 2.12.1992 – 3 Wx 159/92, MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1274.

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625

10.300

Teil 10 Rz. 10.300

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

festigkeit notwendig massiven Befestigung am Gemeinschaftseigentum.692 Bereits das von unten deutlich sichtbare Aufstellen einer Parabolantenne auf dem Balkon in einem mit Steinen gefüllten Eimer stellt eine nachhaltige Einwirkung auf die äußere Gestaltung des Gemeinschaftseigentums dar.693 An einer baulichen Veränderung fehlt es aber, wenn die innen angebrachte Parabolantenne nur durch das Fenster sichtbar ist694 oder die Anbringung (fast) unsichtbar etwa hinter der Balkonbrüstung erfolgt.695 Diese Faustregel ist hinsichtlich der erheblichen Veränderung der äußeren Gestaltung aber für jeden Einzelfall anhand der dafür geltenden Grundsätze (vgl. Rz. 10.90) zu prüfen.

10.301 Ein Anspruch auf Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne oder deren Duldung gegen dieübrigen Wohnungseigentümer kommt in Betracht als Ausfluss einer geschützten Grundrechtsposition, die die durch Art. 14 GG geschützten Interessen der übrigen Wohnungseigentümer überwiegt. Der Wohnungseigentümer, der eine Parabolantenne anstrebt, kann sich auf das Grundrecht der Wahrung der kulturellen Identität aus Art. 2 Abs. 1 GG oder als Folge des Grundrechts auf Informationsfreiheit und Informationsvielfalt auf Art. 5 Abs. 1 GG696 berufen. Diese Position gewinnt weitere Bedeutung durch das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung, Art. 4 GG, wenn Informationen über die eigene Religion empfangen werden sollen.697 Schließlich kommt – insbesondere bei Journalisten oder Elektrohändlern – auch die Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, in Betracht.698 In allen Fällen ist eine Abwägung aller grundrechtlich geschützten Interessen konkret für den Einzelfall vorzunehmen699 und soweit wie möglich zu einem Ausgleich zu bringen. Hier hat die Faustregel den Ursprung, dass man bei Vorliegen eines triftigen, grundrechtlich geschützten Grundes re692 Vgl. aus der zahlreichen älteren Rechtsprechung etwa: BayObLG v. 29.1.1999 – 2 Z BR 135/98, NZM 1999, 423; OLG Celle v. 19.5.1994 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; OLG Düsseldorf v. 2.12.1992 – 3 Wx 159/92, MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1274; OLG Düsseldorf v. 12.11.1993 – 3 Wx 333/93, MDR 1994, 372 = NJW 1994, 1163; OLG Hamm v. 4.12.1992 – 15 Wx 324/92, OLGZ 1993, 314 = MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1276; OLG Köln v. 31.1.1996 – 16 Wx 230/95, WuM 1996, 292. 693 OLG Köln v. 5.11.2004 – 16 Wx 207/04, ZMR 2005, 228; s.a. LG München I v. 14.3.2008 – 1 T 11576/07, NZM 2008, 851 = ZMR 2008, 573. 694 So für das Mietrecht AG Gladbeck v. 10.9.1998 – 5 C 493/98, NZM 1999, 221. 695 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler. 696 Grundlegend: OLG Frankfurt v. 22.7.1992 – 20 REMiet 1/91, MDR 1992, 869 = NJW 1992, 2490; BVerfG v. 13.3.1995 – 1 BvR 1107/92, NJW 1995, 1665; BayObLG v. 29.1.1999 – 2 Z BR 135/98, NZM 1999, 423; OLG Celle v. 19.5.1995 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; OLG Düsseldorf v. 2.12.1992 – 3 Wx 159/92, MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1274; OLG Düsseldorf v. 12.11.1993 – 3 Wx 333/93, MDR 1994, 372 = NJW 1994, 1163; OLG Hamm v. 4.12.1992 – 15 Wx 324/92, OLGZ 1993, 314 = MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1276; OLG Köln v. 31.1.1996 – 16 Wx 230/95, WuM 1996, 292. 697 Zur alevitischen Richtung des Islams vgl. OLG München v. 6.11.2007 – 32 Wx 146/07, NJW 2008, 216 für Gottesdienstteilnahme; für das Mietrecht BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06, NJW 2008, 216 = MDR 2008, 73 für Information über die alevitische Gemeinschaft; zu den Darlegungsanforderungen vgl. BVerfG v. 26.9.2011 – 1 BvR 916/07, juris. 698 BayObLG v. 4.8.1998 – 2 Z BR 103/98, NZM 1998, 965 = WuM 1998, 678; s.a. BerlVerfGH v. 29.8.2001 – VerfGH 39/01, NJW 2002, 2166; vgl. den Sachverhalt von OLG Köln v. 26.7.21004 – 16 Wx 134/04, OLGReport Köln 2004, 412, wo die Parabolantenne und Satellitenanlage mit der Notwendigkeit der Überprüfung von Satellitenreceivern durch einen TV-Werkstattbetreiber begründet wurde. 699 BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1678/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147; BVerfG v. 30.6.1994 – 1 BvR 1478/93, NJW-RR 1994, 1232; BVerfG v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, ZMR 1996, 534.

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Hogenschurz

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.304 Teil 10

gelmäßig Satellitenempfangsanlagen aufstellen darf, aber nur dort, wo sie die übrigen Wohnungseigentümer am wenigsten beeinträchtigen. Die Pflicht zur Duldung besteht nur so lange, wie die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen fortbestehen, fällt also mit diesen fort.700 Ein weitergehender Anspruch ergibt sich nicht aus europarechtlichen Vorschriften. Ein grundsätzlicher Vorrang des Informationsinteresses vor den Eigentumsinteressen ergibt sich auch nicht aus dem Recht der Europäischen Gemeinschaften. Denn die in Art. 49 EG-Vertrag geregelte Dienstleistungsfreiheit ist ebenso wie die Informationsfreiheit aus Art. 10 EMRK701 nicht schrankenlos, sondern durch das von der Gemeinschaftsordnung geschützte Eigentumsrecht begrenzt.702

10.302

Zusammengefasst ist nach der Rechtsprechung die Versagung der Errichtung einer Parabolantenne, soweit kein Kabelanschluss vorhanden ist, nur bei Vorliegen eines triftigen, sachbezogenen Grundes möglich.703 Dabei gelten die folgenden Überlegungen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Wohnungseigentümers erfüllt sind, aber auch dann, wenn sie in der Person des Mieters oder eines sonstigen dauernden Mitbewohners, etwa eines Ehepartners oder Lebensgefährten, vorliegen. Damit wird grundsätzlich – gerade wo vorrangige individualvertragliche Regelungen im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander oder im Mietverhältnis fehlen – auch das missliche Ergebnis vermieden, dass zwar dem Mieter gegen den an ihn vermietenden Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne zusteht, dieser aber vom vermietenden Wohnungseigentümer gegenüber den anderen Wohnungseigentümern nicht durchgesetzt werden kann.704 Soweit ein vermietender Wohnungseigentümer zur Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne gegenüber seinem Mieter verpflichtet ist, muss er diesen Anspruch im Innenverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die übrigen Wohnungseigentümer durchsetzen.705 Ist ein vermietender Wohnungseigentümer gegenüber seinem Mieter zur Duldung einer Parabolantenne verpflichtet, kann er diesen Anspruch allerdings seinerseits nicht automatisch gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft durchsetzen, denn die beiden Rechtsverhältnisse sind gesondert zu betrachten.706

10.303

Wichtig ist, dass die Grundrechtsposition verzichtbar ist. Wer also eine Eigentumswohnung erwirbt, ist an im Grundbuch eingetragene Vereinbarungen oder zu Zeiten seiner Rechtsvorgänger gefasste Eigentümerbeschlüsse, die das Anbingen von Parabolantennen verbieten, (in den Grenzen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG) gebunden.707 Der vermietende Wohnungseigentümer

10.304

700 Vgl. AG Frankfurt/M. v. 27.7.2011 – 33 C 1957/11, juris mit Anm. Gies. 701 Zu Art. 10 EMRK vgl. EGMR v. 22.5.1990 – 15/1989/175/231 (Autronic-AG), EuGRZ 1990, 261 = NJW 1991, 620. 702 BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062 = MDR 2006, 741 zum Mietrecht. 703 OLG Frankfur v. 22.7.1992 – 20 REMiet 1/91, MDR 1992, 869 = NJW 1992, 2490; bestätigt durch BVerfG v. 10.3.1993 – 1 BvR 1192/92, MDR 1993, 533 = NJW 1993, 1252. 704 Vgl. OLG Köln v. 5.11.2004 – 1 Wx 204/04, NZM 2005, 223 = ZMR 2005, 228. 705 BVerfG v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, NJW 1996, 2828; BayObLG v. 12.8.1991 – BREG 2 Z 86/91, BayObLGZ 1991, 296, 298 = MDR 1992, 48. 706 Vgl. OLG Köln v. 5.11.2004 – 1 Wx 204/04, NZM 2005, 223 = ZMR 2005, 228. 707 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937 = ZWE 2005, 352 mit Anm. Köhler; gegen eine Bindung an Vereinbarungen, OLG Düsseldorf v. 13.12.2000 – 3 Wx 265/00, NZM 2002, 257 = ZMR 2001, 648; gegen eine Bindung an Eigentümerbeschlüsse Pfälzisches OLG v. 31.1.2002 – 3 W 299/01, NZM 2002, 269 = ZMR 2002, 784 für den Fall des nachträglichen Eigentumserwerbs.

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Teil 10 Rz. 10.304

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

muss durch entsprechende mietvertragliche Regelungen708 dafür Sorge tragen, dass eventuell zur Anbringung von Parabolantennen mietrechtlich berechtigte Mieter durch Individualabrede darauf verzichten oder aber, er darf nicht an sie vermieten.709 Unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann allerdings eine Anpassung der Vereinbarung und auch der Eigentümerbeschlüsse verlangt werden, etwa wenn der Wohnungseigentümer oder auch sein Mieter dauerhaft einen Ehegatten oder einen eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partner in der Wohnung aufnimmt.710

10.305 Die bei der Abwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sollen hier anhand der Rechtsprechung zur Wahrung der kulturellen Identität aus Art. 2 Abs. 1 GG und zum Grundrecht auf Informationsfreiheit und Informationsvielfalt aus Art. 5 Abs. 1 GG vorgestellt werden. Die Rechtsprechung stellt entscheidend auf die Herkunft des Wohnungseigentümers, der die Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne begehrt, und die vorhandene gemeinschaftliche Versorgung mit Fernsehprogrammen ab. Voraussetzung eines Anspruchs auf Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne ist, dass nur durch einen Satellitenempfang das Bedürfnis befriedigt werden kann, zumindest einen Sender in der eigenen Muttersprache zu empfangen oder – soweit das etwa im Kabelanschluss vorhandene Angebot an Sendern in der Muttersprache gering ist – einen zusätzlichen, um so durch vielfältigere Informationen aus der Heimat die eigene kulturelle Identität zu wahren. Die durch die Herkunft geprägte kulturelle Identität, in der das besondere Informationsbedürfnis gründet, ist von der Staatsangehörigkeit unabhängig, so dass nach der hier vertretenen Ansicht eine Einbürgerung nicht entgegensteht;711 gerade weil Anknüpfungspunkt für die Differenzierung nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Heimat ist, liegt keine gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoßende Ungleichbehandlung vor.712

10.306 Soweit ein Anschluss an das Breitbandkabelnetz vorhanden ist, hat ein einzelner deutscher Wohnungseigentümer grundsätzlich keinen Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne.713 Das vorhandene Informationsangebot wird als ausreichend angesehen. Die Mehrheit kann aber im Einzelfall den Anschluss an das Breitbandkabelnetz als Maßnahme modernisierender Instandhaltung oder Instandsetzung beschließen.

10.307 Soweit ein Anschluss an das Breitbandkabelnetz nicht vorhanden ist, hat ein einzelner deutscher Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne nur, soweit nicht mehr als fünf Programme empfangen werden können.714 Diese Anforderung ist durch die flächendeckende Einführung von DVB-T technisch DVB-T überholt, denn der Empfang von DVB-T ist im Verbreitungsgebiet jedermann mit einem preisgünstigen Decoder und einer kleinen Stabantenne möglich, ohne dass weitere Veränderungen erforderlich wären. Es reicht nicht aus, um einen Anspruch auf Errichtung einer Parabolantenne zu be708 Zu den Grenzen der Vereinbarung in AGB s. BGH v. 16.5.2007 – VIII ZR 207/06, NZM 2007, 597. 709 OLG Köln v. 5.11.2004 – 16 Wx 207/04, ZMR 2005, 228. 710 S.a. OLG Hamm v. 1.10.2001 – 15 W 166/01, NZM 2002, 445 = ZMR 2002, 538 für italienischen Lebensgefährten. 711 BGH v. 13.11.2009 – V ZR 10/09, MDR 2010, 200 = NJW 2010, 438. 712 Vgl. BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1678/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147. 713 BVerfG v. 10.3.1993 – 1 BvR 1192/92, MDR 1993, 533 = NJW 1993, 1252; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1678/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147; BayObLG v. 30.11.2000 – 2 Z BR 92/00, ZMR 2001, 211. 714 OLG Hamm v. 4.12.1992 – 15 Wx 324/92, OLGZ 1993, 314 = MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1276; OLG Köln v. 31.1.1996 – 16 Wx 230/95, WuM 1996, 292.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.311 Teil 10

gründen, wenn über eine Satellitenempfangsanlage im Vergleich zum Breitbandkabelanschluss eine größere Anzahl von Programmen noch dazu in „HD“-Qualität empfangen werden kann,715 sondern entscheidend ist, ob bereits die vorhandenen anderen Empfangsmöglichkeiten geeignet sind, das geltend gemachte Informationsinteresse des Mieters hinreichend zu befriedigen.716 Verfassungsrechtlich besteht keine Notwendigkeit, deutschen Wohnungseigentümern einen Anspruch auf optimale Medienversorgung im Sinne eines Rechts auf eine Parabolantenne einzuräumen.717 Es besteht für einen deutschen Wohnungseigentümer auch kein Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung einer Einzelparabolantenne, wenn eine Gemeinschaftsparabolantenne vorhanden ist.718

10.308

Auch bei Anschluss an das Breitbandkabelnetz besteht ein Anspruch eines ausländischen Wohnungseigentümers auf Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne, wenn sonst nicht mehr als zwei Programme in der Muttersprache empfangen werden können;719 sieben Programme in der Heimatsprache sind jedenfalls ausreichend.720 Natürlich besteht kein Anspruch auf Empfang von als verfassungsfeindlich verbotenen Sendern.721

10.309

Soweit das Informationsbedürfnis dadurch gestillt werden kann, dass der ausländische Wohnungsnutzer die ihn interessierenden Sender auf seine Kosten anderweitig empfangen kann, etwa durch Verwendung eines kostenpflichtigen Decoders, so ist er darauf verwiesen, selbst wenn die Kosten dafür höher liegen als bei der Anbringung einer Parabolantenne.722 Dass bei der Nutzung eines Kabelzusatzangebotes oder anderer Empfangsmöglichkeiten Mehrkosten entstehen, ist dann ohne Bedeutung, wenn diese nicht unzumutbar723 sind. Vielerorts hat die technische Entwicklung dazu geführt, dass sich das Informationsbedürfnis auch ohne Parabolantenne durch Internetfernsehen (Streaming)724 oder Digitalfernsehen (Decoderempfang) ausreichend befriedigen lässt.725 Viel spricht dafür, heute die Notwendigkeit der Nutzung einer Parabolantenne für den Regelfall zu verneinen.726

10.310

Soweit mehrere ausländische Wohnungseigentümer Anspruch auf die Errichtung einer Parabolantenne haben, können sie zur Begrenzung der optischen Beeinträchtigung darauf verwiesen werden, mit den anderen Interessenten eine Gemeinschaftsparabolantenne zu errich-

10.311

715 716 717 718 719 720 721 722 723 724 725 726

Für das Mietrecht vgl. BGH v. 21.9.2010 – VIII ZR 275/09, WuM 2010, 737. BGH v. 16.11.2005 – VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062 = MDR 2006, 741. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, NZM 2005, 335. BayObLG v. 29.1.1999 – 2 Z BR 135/98, NZM 1999, 423; LG Hamburg v. 15.7.2009 – 318 S 151/08, ZMR 2010, 61; s.a. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats v. 14.2.2005 – 1 BvR 1908/01, NZM 2005, 335 für das Mietrecht. BVerfG v. 10.3.1993 – 1 BvR 1192/92, MDR 1993, 533 = NJW 1993, 1252; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1678/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147; BVerfG v. 30.6.1994 – 1 BvR 1478/93, NJWRR 1994, 1232; BVerfG v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, ZMR 1996, 534. LG München I v. 15.2.2010 – 1 S 15854/09, ZMR 2010, 795. Vgl. BGH v. 16.9.2009 – VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436. OLG Köln v. 12.7.1999 – 16 Wx 87/99, n.v.; OLG Hamm v. 1.10.2001 – 15 W 166/01, NZM 2002, 445 = ZMR 2002, 538 für italienischen Lebensgefährten. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats v. 24.1.2005 – 1 BvR 1953/00, NZM 2005, 252: zumutbar monatliche Kosten von 8 Euro; BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats v. 17.3.2005 – 1 BvR 42/03, BayVBl 2005, 691: zumutbar monatliche Kosten von 5,95 Euro. LG Frankfurt v. 28.5.2010 – 2-09 S 47/08, ZMR 2010, 965. BerlVerfGH v. 29.8.2001 – VerfGH 39/01, NJW 2002, 2166. LG Frankfurt v. 28.5.2010 – 2-09 S 47/08, ZMR 2010, 965.

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Teil 10 Rz. 10.311

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

ten.727 Wenn ein einzelner Wohnungseigentümer auf eigene Kosten einen Kabelanschluss installiert hat, sind andere Wohnungseigentümer oder Mieter aber nicht berechtigt, ohne dessen Zustimmung den Anschluss mitzubenutzen.728

10.312 Soweit einem Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Duldung der Anbringung einer Parabolantenne zusteht, bedeutet dies nicht, dass nunmehr auch alle anderen Wohnungseigentümer eine Parabolantenne anbringen dürften; ein solcher Anspruch ist vielmehr für jeden Einzelfall zu prüfen und in jedem Einzelfall davon abhängig, dass überwiegende Interessen im Rahmen der gebotenen Grundrechtsabwägung festgestellt werden können.729

10.313 Soweit ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Parabolantenne besteht, beinhaltet dieser in Folge der gebotenen Grundrechtsabwägungen nur den mildesten Eingriff. Auch eine grundsätzlich hinzunehmende Parabolantenne darf die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen.730 Die Parabolantenne darf deshalb insbesondere nur an dem zum Empfang geeigneten Ort installiert werden, bei dessen Nutzung der optische Gesamteindruck des Gebäudes möglichst wenig gestört wird. Zur Wahrung des den übrigen Wohnungseigentümern bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Standorten zustehenden Mitbestimmungsrechts ist es einem einzelnen Wohnungseigentümer regelmäßig verwehrt, eine Parabolantenne eigenmächtig zu installieren. Auf dieses Mitbestimmungsrecht können die übrigen Wohnungseigentümer allerdings verzichten, was nach Auffassung des Bundesgerichtshofs731 auch durch ein generelles Aufstellungsverbot erklärt wird. Kein Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht liegt vor, wenn für den Fall einer Verpflichtung zur Duldung die Vorauswahl eines geeigneten Standorts an den Verwalter und den Beirat delegiert wird.732

10.314 Es ist selbst dann zulässig, dass die Wohnungseigentümer die Einzelheiten der Anbringung von Parabolantennen durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 15 Abs. 3 WEG regeln können, wenn die Anbringung grundsätzlich gestattet ist.733 Weil die Parabolantenne die übrigen Miteigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen darf, können die Wohnungseigentümer mehrheitlich durch Eigentümerbeschluss festlegen, dass der Einbau sach- und fachgerecht zu erfolgen hat und an dem zum Empfang geeigneten Ort, der den optischen Gesamteindruck nach ihrer Bewertung möglichst wenig stört. Ein solcher Eigentümerbeschluss wäre allerdings nicht bindend, wenn an dem zugewiesenen Standort ein ordnungsgemäßer Empfang der Heimatsender nicht möglich wäre.734

10.315 – Die Anbringung einer Parabolantenne durch einen Wohnungseigentümer muss deshalb in jedem Fall – baurechtlich zulässig sein und Auflagen des Denkmalschutzes beachten, – sach- und fachgerecht (durch einen Fachmann) erfolgen,

727 OLG Celle v. 19.5.1994 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; s.a. BVerfG v. 14.9.1995 – 1 BvR 1471/94, WuM 1995, 693. 728 Vgl. OLG Düsseldorf v. 13.2.2006 – 3 Wx 181/05, NZM 2006, 782. 729 OLG Hamm v. 1.10.2001 – 15 W 166/01, NZM 2002, 445 (446) = ZMR 2002, 538. 730 BayObLG v. 8.4.2004 – 2 Z BR 51/04, WuM 2004, 358. 731 BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322. 732 BayObLG v. 8.4.2004 – 2 Z BR 51/04, WuM 2004, 358. 733 OLG Frankfurt v. 2.12.2004 – 20 W 168/03, WuM 2003, 656. 734 Vgl. OLG Schleswig v. 12.2.2003 – 2 W 217/02, NZM 2003, 558.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.317 Teil 10

– sich auf die möglichst unauffälligste (kleinste), technisch zum Empfang der notwendigen Programme geeignete Parabolantenne beschränken,735 – an dem nach Bestimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft736 am wenigsten störenden Ort (möglichst verdeckt) erfolgen, – ohne erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz erfolgen, – unter Freistellung der übrigen Wohnungseigentümer von allen anfallenden Kosten (Errichtung, Betrieb, Rückbau bei Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen) erfolgen, – auf Wunsch der Eigentümerversammlung unter Abschluss einer Versicherung zur Absicherung des Haftungsrisikos erfolgen, – unter Erbringung einer Sicherheit für die voraussichtlichen Rückbaukosten erfolgen, denn die Parabolantenne muss entfernt werden, wenn nach einem Mieter- oder Nutzerwechsel die persönlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Gestattung nicht mehr vorliegen. Dies alles bedeutet, dass kein Anspruch auf die „preiswerteste“ Lösung besteht737 oder auf eine Standortwahl nach eigenem Belieben.738 Allerdings muss die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Aufstellungsort vorschlagen, der zum Empfang geeignet und nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist.739 Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ihr Auswahlermessen durch einen Mehrheitsbeschluss ausüben.740

10.316

Schon um die genannten Einschränkungen zu gewährleisten, braucht die Wohnungseigentümergemeinschaft ein eigenmächtiges Vorgehen ohne deren Berücksichtigung nicht zu dulden, sondern kann Beseitigung verlangen, soweit nicht die Einzelheiten der Anbringung abgestimmt sind,741 auch vom Mieter als Handlungsstörer.742 Schon gar nicht darf ein einzelner Wohnungseigentümer im Vorgriff auf etwaige Eigentümerbeschlüsse, um der Fortentwicklung der Technik Rechnung zu tragen, eigenmächtig eine digitale Satellitenanlage für die Wohnungseigentümergemeinschaft anbringen.743 Das Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl eines geeigneten Standorts ist bereits dann verletzt, wenn eine weitere Aufstellungsmöglichkeit neben der gewählten Anbringung besteht. Es bedarf deshalb für das Bestehen des Beseitigungsanspruchs nicht der Klärung, ob und welche weiteren Plätze zur Anbringung der Antenne in Betracht kommen könnten.744

10.317

735 Vgl. auch BayObLG v. 13.3.1997 – 2 Z BR 8/97, ZMR 1997, 317. 736 Vgl. BVerfG v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, NJW 1996, 2828; BayObLG v. 8.4.2004 – 2 Z BR 51/04, WuM 2004, 358. 737 S. Köhler, ZWE 2002, 97, 102. 738 LG Frankfurt v. 28.5.2010 – 2-09 S 47/08, ZMR 2010, 965. 739 OLG Frankfurt v. 2.12.2004 – 20 W 168/03, WuM 2003, 656: zumutbare Errichtungskosten in Höhe von 2.600 Euro; vgl. auch OLG Schleswig v. 12.2.2003 – 2 W 217/02, NZM 2003, 558. 740 OLG Frankfurt v. 28.10.2010 – 20 W 122/07, ZWE 2011, 407. 741 BVerfG v. 10.11.1995 – 1 BvR 2119/95, ZMR 1996, 122; OLG Celle v. 19.5.1994 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; OLG Bremen v. 16.8.1994 – 3 W 25/94, WuM 1995, 58; OLG Düsseldorf v. 2.8.1995 – 3 Wx 174/95, NJW-RR 1996, 141. 742 BVerfG v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, ZMR 1996, 534. 743 OLG Köln v. 31.8.2004 – 16 Wx 166/04, NJW 2004, 3496 = ZMR 2005, 226. 744 Anders, wenn die Parabolantenne nur durch einen Schlitz in der Balkonbrüstung zu erspähen ist, OLG München v. 12.12.2005 – 34 Wx 83/05, NZM 2006, 345; ähnlich schon BGH v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, BGHZ 157, 322 = NJW 2004, 937.

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Teil 10 Rz. 10.318

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.318 Die vorstehend wiedergegebene herrschende Meinung zur Anbringung von Parabolantennen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht begegnet vereinzelt durchaus Bedenken,745 auf die an dieser Stelle nur kurz hingewiesen werden kann: Warum überwiegt bei der gebotenen Grundrechtsabwägung das grundrechtlich geschützte Informationsinteresse des Ausländers regelmäßig die Eigentümerinteressen an einem unveränderten Erhalt des Wohnhauses, so dass in der Praxis ein Regel-/Ausnahmeverhältnis mit entsprechender Darlegungslast der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht?

10.319 Hinweis: Für die alltägliche Praxis empfiehlt es sich, eine einvernehmliche Lösung des Einzelfalls anhand der oben genannten Voraussetzungen anzustreben, also der Anbringung einer Parabolantenne unter Bedingungen und Auflagen zuzustimmen oder, soweit es der (langfristige) Vertrag mit dem Kabelversorgungsunternehmen zulässt, sogleich mit der ganzen Wohnungseigentümergemeinschaft auf den zukunftsweisenden gemeinschaftlichen Digitalsatellitenempfang mit Sternverteilung umzusteigen.

10.320 Soweit man die Errichtung einer Einzelparabolantenne verhindern möchte, dürfte dies am ehesten durch das Aufzeigen von alternativen Empfangsmöglichkeiten (Decoder, Internetfernsehen usw.) Erfolgsaussichten bieten. Weil die technische Entwicklung fortlaufend neue Möglichkeiten schafft, die sich zudem regional unterscheiden, sollten die Möglichkeiten im Einzelfall vor Ort bei einem Radio- und Fernsehtechnikfachbetrieb erfragt werden.

10.321 M 13 Genehmigung der Anbringung einer Parabolantenne Dem Wohnungseigentümer X wird die Errichtung einer Parabolantenne – gemäß den beigefügten Plänen/gemäß dem Angebot der Firma X vom … – bei Vorlage eines Negativattestes/einer Genehmigung der Baubehörde/der Denkmalschutzbehörde746 – durch die Fa. X/durch eine Fachfirma – an der Wand … in einer Höhe von … in einem Abstand von …/auf seinem Balkon hinter der Balkonbrüstung usw. – unter Freistellung der übrigen Wohnungseigentümer von allen anfallenden Kosten (Errichtung, Betrieb, Rückbau bei Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen) – bei Nachweis einer Bauwerks-/Haftpflichtversicherung für mögliche Schäden – gegen Zahlung einer unverzinslichen Kaution von … EUR für die Sicherung der Kosten des von ihm vorzunehmenden Rückbaus in die Instandhaltungsrücklage gestattet.

10.322 Je genauer die Festlegungen sind, desto geringer ist zukünftiges Konfliktpotential im Zuge der Ausführung. Die Festlegung auf einen zum Empfang ungeeigneten Standort entfaltet keine Bindungswirkung.747 Keine Lösung ist ein Eigentümerbeschluss, der Parabolantennen gene745 S. vertiefend Kempen, DZWir 1994, 499, 504; Köhler, ZWE 2002, 97; Volmer, ZMR 1999, 12; Volmer, NZM 1999, 205. 746 Vgl. zu § 16 Abs. 1 Nr. 3 HDSchG etwa AG Wiesbaden v. 5.12.2016 – 93 C 4622/13, Juris. 747 Vgl. OLG Schleswig v. 12.2.2003 – 2 W 217/02, NZM 2003, 558; OLG Schleswig v. 2.9.2004 – 2 W 93/04, OLGReport Schleswig 2005, 383.

632

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.328 Teil 10

rell verbietet, soweit nicht ein Anspruch auf Errichtung aus verfassungsrechtlichen Gründen besteht, denn er ist jedenfalls als zu unbestimmt anfechtbar748 und nichtig. Unzulässig wäre es deshalb, in einem Mehrheitsbeschluss eine Ausnahme vom generellen Verbot von Parabolantennen nur für vermietende, nicht auch für selbstnutzende Wohnungseigentümer vorzusehen.749 Auch ein Eigentümerbeschluss, der eine Ausnahme für den Fall vorsieht, dass eine Duldungspflicht des Vermieters „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ besteht, ist nicht hinreichend bestimmt und deshalb nichtig.750 – Reklame fi siehe Werbung

10.323

– Rollladen

10.324

Die nachträgliche Anbringung von Rollladen oder Außenjalousien sind bisher regelmäßig als mit einer nachteiligen optischen Beeinträchtigung verbunden und daher zustimmungspflichtig angesehen worden;751 soweit es um die Veränderung der äußeren Gestalt geht, gelten die hierfür geltenden Grundsätze (vgl. Rz. 10.80). Danach kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob ein erheblicher Nachteil vorliegt.752 Weil Rollladen zum Gemeinschaftseigentum gehören,753 sind Veränderungen auch Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum. Der nach der Teilungserklärung zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster verpflichtete Wohnungseigentümer darf im Rahmen modernisierender Instandsetzung die Gurtführung der Rollladen gegen einen Rollladenmotor austauschen,754 wobei trotz der andersartigen Geräuschentwicklung ein Nachteil fehlen kann.755

10.325

– Schallschutz fi siehe Trittschallschutz

10.326

– Schmutz fi siehe auch Lärm, Geruch

10.327

Während der Durchführung der baulichen Veränderung auftretende „übliche“ Beeinträchtigungen sind hinzunehmen.756 Die Beseitigung darüber hinausgehender Beeinträchtigungen und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nach Beendigung der Bauarbeiten können von jedem Wohnungseigentümer selbständig geltend gemacht werden.757

10.328

– Schwerbehinderte Für einen behinderten (nicht nur lebensalten) Wohnungseigentümer kann wegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG758 bereits nach geltendem Recht759 ein Anspruch auf Maßnahmen zur Bar748 BayObLG v. 15.4.2004 – 2 Z BR 71/04, ZMR 2004, 688. 749 BayObLG v. 15.4.2004 – 2 Z BR 71/04, ZMR 2004, 688. 750 BayObLG v. 15.4.2004 – 2 Z BR 71/04, NZM 2004, 834 = ZMR 2004, 688. Ausreichend bestimmt ist demgegenüber ein Eigentümerbeschluss, mit dem „von außen sichtbare“ Parabolantennen untersagt werden, vgl. OLG München v. 12.12.2005 – 34 Wx 83/05, NZM 2006, 345. 751 OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 318/00, NZM 2001, 243 = ZMR 2001, 130. 752 AG Hannover v. 19.11.2018 – 481 C 6801/18, ZMR 2019, 225. 753 KG v. 15.12.1993 – 24 W 2014/93, NJW-RR 1994, 401 = ZMR 1994, 169; OLG Köln v. 30.8.2000 – 16 Wx 115/00, OLGReport Köln 2001, 23. 754 Saarländisches OLG v. 4.10.1996 – 5 W 286/95-50, ZMR 1997, 31. 755 OLG Köln v. 30.8.2000 – 16 Wx 115/00, OLGReport Köln 2001, 23 (24). 756 BayObLG v. 14.1.1999 – 2 Z BR 125/98, ZMR 1999, 273. 757 BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 758 BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 – Rz. 20, MDR 2017, 511. 759 Zur beabsichtigten Neuregelung vgl. BR-Drucks. 340/16.

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Teil 10 Rz. 10.328

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

rierefreiheit,760 etwa die Duldung der Anbringung eines Treppenliftes,761 einer Rampe762 oder eines besonderen Zuwegs zur Erdgeschosswohnung763 bestehen oder auch nur eines Handlaufs,764 einer Abstellmöglichkeit für den Rollator765 oder einer Auflademöglichkeit für das E-Mobil;766 dies gilt ebenso für einen Wohnungseigentümer mit einem behinderten Mieter767 oder behinderten Angehörigen.768 Dieser Anspruch lässt sich aber nicht umsetzen, wenn die bauordnungsrechtlichen Vorgaben (Durchgangsbreite, Rettungsweg, Abstandsflächen usw.) nicht gewahrt werden können.769 Auch nach dem Willen des Gesetzgebers besteht aber grundsätzlich kein Anspruch – regelmäßig auch nicht gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG – auf Duldung von Maßnahmen, die sich faktisch nicht mehr zurückbauen lassen, wie der Einbau eines massiven Aufzugs im Treppenauge oder Lichten Auge des Treppenhauses, die zudem bei einer Nutzungsmöglichkeit nur durch einen oder wenige Wohnungseigentümer zur Begründung eines Sondernutzungsrechts ohne Vereinbarung führen würden;770 dessen Errichtung ist unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG (vgl. Rz. 10.109) möglich.771 Schematische Lösungen verbieten sich: Bei der Auslegung des Merkmals „Nachteil“ in §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG sind die Grundrechte der betroffenen Miteigentümer – einerseits beim Kläger Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, andererseits bei den übrigen Miteigentümern Art. 14 Abs. 1 GG – zu berücksichtigen 760 Zum geltenden Recht Hannemann, ZWE 2018, 244; Gellwitzki, WuM 2018, 330; Horst, MietRB 2017, 82; vgl. auch BR-Ducks. 340/16 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität“ v. 21.6.2016. 761 BVerfG v. 28.3.2000 – 1 BvR 1460/99, MDR 2000, 756; BayObLG v. 25.9.2003 – 2Z BR 161/03, BayObLGZ 2003, 254 = ZMR 2004, 209; OLG München v. 12.7.2005 – 32 Wx 51/05, NZM 2005, 707; OLG München v. 22.2.2008 – 34 Wx 66/07, NZM 2008, 848; LG Hamburg v. 6.6.2001 – 318 T 70/99, NZM 2001, 767; LG Duisburg v. 10.12.1996 – 23 S 452/96, ZMR 2000, 463 (Mietrecht); LG Erfurt v. 19.2.2002 – 7 T 575/01, NZM 2003, 402; LG Karlsruhe v. 13.7.2012 – 11 S 242/11, ZWE 2013, 37; vgl. auch LG Hannover v. 17.10.2005 – 20 S 39/05, NZM 2007, 245 zum Abstellen des Rollators im Treppenhaus; vgl. auch Rips, Barrierefreiheit gem. § 554a BGB, 2003; zum Anspruch des Mieters Suilmann, WuM 2013, 86, 89. 762 AG Bonn v. 28.2.2011 – 27 C 202/10, ZWE 2011, 291; AG Warendorf v. 30.9.2014 – 48 C 5/14, ZWE 2015, 56; anders für eine Kinderwagenrampe AG München v. 9.8.2013 – 481 C 21932/12 WEG, ZMR 2013, 1002; bestätigt durch LG München I v. 30.6.2014 – 1 S 19913/13 WEG, Juris. 763 AG Dortmund v. 28.2.21996 – 139 II 84/93 WEG, MDR 1996, 468. 764 LG Köln v. 30.6.2011 – 29 S 246/10, ZMR 2013, 65; dazu auch LG Bremen v. 20.12.2013 – 4 S 245/12, ZMR 2014, 386. 765 AG Warendorf v. 30.9.2014 – 48 C 5/14, ZWE 2015, 56. 766 LG Bremen v. 7.10.2016 – 4 S 250/15, ZMR 2017, 83. 767 OLG Celle v. 19.5.1994 – 4 W 350/93, NJW-RR 1994, 977; OLG Frankfurt v. 12.10.1981 – 20 W 151/81, RPfleger 1982, 64; Schmid, NJW 2014, 1201, 1203; Suilmann, ZWE 2019, 114, 116. Der Mieter hat einen Anspruch aus § 554a BGB gegen seinen Vermieter darauf, dass sein vermietender Wohnungseigentümer die Eigentümerversammlung mit dem Umbauwunsch des Mieters befasst, vgl. AG Stuttgart v. 14.12.2009 – 62 C 5164/09, WuM 2012, 288. Es gibt keinen Direktanspruch des Mieters gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft. 768 BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 – Rz. 21, MDR 2017, 511 für die regelmäßige Betreuung einer schwerstbehinderten Enkelin. 769 VG Gelsenkirchen v. 26.9.2012 – 5 K 2704/12; BauR 2013, 131 für Beseitigung eines Treppenlifts; VG Hannover v. 14.5.2018 – 4 A 8334/17, IBR 2018, 392. 770 BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 – Rz. 20, MDR 2017, 511 = ZWE 2017, 208 mit Anm. Hogenschurz; a.A. AG München v. 5.7.2017 – 482 C 26378/16, ZMR 2018, 88, für eine Rollstuhlrampe vor dem Haus zum ersten Obergeschoss. 771 AG Brandenburg v. 31.8.2018 – 31 C 298/17, Grundeigentum 2018, 1286.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.330 Teil 10

und deren wertsetzendem Gehalt Geltung zu verschaffen. Ob der Nachteil, der aus der baulichen Veränderung zur Herstellung von Barrierefreiheit erwächst, das durch § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß übersteigt, ist aufgrund einer fallbezogenen Abwägung der auf beiden Seiten grundrechtlich geschützten Interessen zu entscheiden; bei mehreren geeigneten Maßnahmen steht den übrigen Wohnungseigentümern ein Mitbestimmungsrecht zu und Risiken hinsichtlich der Rückbaukosten können durch die Leistung einer Sicherheit ausgeschlossen werden.772 Der behinderte Wohnungseigentümer kann zudem die Berücksichtigung seiner Einschränkungen bei Sanierungsentscheidungen verlangen.773 Prozessual wichtig bei einer Klage auf Beschlussersetzung gem. § 21 Abs. 8 WEG, dass unter- 10.329 schiedliche Maßnahmen – etwa Treppenlift statt Personenaufzug – verschiedene Rechtsschutzziele betreffen,774 also durch geeignete Hilfsanträge zur Entscheidung gestellt werden müssen und andernfalls vom Gericht nicht als Minus zugesprochen werden dürften. Das Mitbestimmungsrecht müssen die übrigen Wohnungseigentümer dementsprechend erst ausüben bei dem Antrag, eine bestimmte Maßnahme zu dulden, nicht aber aufgrund eines nicht näher bestimmten Verlangens auf einen barrierefreien Zugang ihrerseits eine ihnen genehme Ausführungsplanung festlegen.775 Weil die gebotene Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen – für die übrigen 10.330 Wohnungseigentümer streitet Art. 14 GG776 – und die anzustellende Verhältnismäßigkeitsprüfung einen Anspruch nur auf das jeweilig Notwendige, d.h. das mildeste zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignete Mittel, geben, besteht ein Recht der übrigen Wohnungseigentümer, vorab über die beabsichtigten Maßnahmen unterrichtet und nicht durch den Berechtigten vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Kommen mehrere Lösungsmöglichkeiten in Betracht, brauchen die übrigen Wohnungseigentümer nur die dem Berechtigten zumutbare Lösung hinzunehmen, die ihre Belange – im Sinne eines Ausgleichs der widerstreitenden Grundrechtspositionen (praktische Konkordanz) – so wenig wie möglich beeinträchtigt;777 deshalb kann im Einzelfall aufgrund der baulichen Situation ein Anspruch auf Errichtung einer Kinderwagenrampe778 zu verneinen sein. Der Schutz dieses Auswahlermessens der Wohnungseigentümergemeinschaft schließt ein eigenmächtiges Vorgehen einzelner Wohnungseigentümer grundsätzlich aus, es sei denn, in Folge einer Ermessensreduzierung auf null käme ausnahmsweise ohnehin nur eine Lösungsmöglichkeit in Betracht.

772 BGH v. 13.11.2009 – V ZR 10/09 – Rz. 16, MDR 2010, 200. 773 Vgl. AG München v. 28.11.2011 – 485 C 915/10, ZMR 2012, 559 für die Befahrbarkeit einer Balkonschwelle mit dem Rollator. 774 BGH v. 6.4.2017 – V ZR 96/16 – Rz. 6, MDR 2017, 511. 775 Vgl. AG München v. 5.7.2017 – 482 C 26378/16, ZMR 2018, 88, mit Anm. Hogenschurz, jurisPRMietR 8/2018 Anm. 5. 776 BVerfG v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182. 777 BGH v. 13.11.2009 – V ZR 10/09, MDR 2010, 200; BayObLG v. 13.3.1997 – 2Z BR 8/97, WuM 1997, 343 = ZMR 1997, 317; AG Bremen v. 5.8.2014 – 28 C 58/14, ZMR 2015, 968; AG Warendorf v. 30.9.2014 – 48 C 5/14, ZWE 2015, 56; zum Interessenausgleich auch LG München I v. 23.6.2014 – 1 S 13821/13, ZMR 2014, 920; anders wohl LG Hamburg v. 6.6.2014 – 318 S 131/13, ZMR 2014, 1009, 1011. 778 AG München v. 9.8.2013 – 481 C 21932/12 WEG, ZMR 2013, 1002; bestätigt durch LG München I v. 30.6.2014 – 1 S 19913/13 WEG, Juris.

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Teil 10 Rz. 10.331

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

10.331 – Sonnenkollektoren Die Errichtung von Sonnenkollektoren ist schon wegen der damit regelmäßig verbundenen optischen Beeinträchtigung grundsätzlich zustimmungsbedürftig.779 Zudem muss der Errichtungswillige mögliche Gefahren für die Dachabdichtung und Statik ausräumen.

10.332 – Speicherausbau fi siehe Dachausbau/Spitzboden 10.333 – Sperrbügel fi siehe Kfz-Stellplätze 10.334 – Terrasse fi siehe Balkon, Terrasse, Wintergarten 10.335 – Trittschallschutz Fragen des Trittschallschutzes werden regelmäßig nach Veränderungen am Oberboden relevant, etwa dem Austausch von Linoleum oder Teppichboden gegen Fliesen oder Laminat, aber auch bei der Sanierung von Badezimmern bis hin zum Einbau einer Fußbodenheizung. Solche Renovierungen, die bei vielen in die Jahre gekommenen Eigentumswohnungen notwendig sind, bergen in der Praxis ein immer gleiches Konfliktpotential: Nach der Auswechslung, die manchmal in Eigenleistung oder unfachmännisch durchgeführt wird, ist in den darunter gelegenen Wohnungen „plötzlich jeder Schritt von oben zu hören“ oder die Erwartung enttäuscht, dass der Schallschutz nach der Sanierung „modernen“ Erwartungen entsprechend dem Standard im Zeitpunkt der Sanierung entspricht.

10.336 In rechtlicher Hinsicht ergibt sich eine Vorentscheidung daraus, ob in das Gemeinschaftseigentums eingegriffen oder nur Maßnahmen am Sondereigentum stattfinden. Deshalb bedarf es zunächst der Klärung der rechtlichen Zuordnung zu Gemeinschafts- oder Sondereigentum. Für den Bodenaufbau gilt: Der innerhalb des Sondereigentums auf dem Estrich verlegte Oberbodenbelag (Teppich, Fliesen, Parkett usw.) ist nach der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 und 2 WEG grundsätzlich Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers, weil er – ohne einen anderen Wohnungseigentümer über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinausgehend zu beeinträchtigen – beseitigt oder verändert werden kann.780 Von der gemäß § 5 Abs. 3 WEG zulässigen Möglichkeit, etwa in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung zu vereinbaren, dass der Bodenbelag insgesamt zum Gemeinschaftseigentum gehört, wird regelmäßig kein Gebrauch gemacht. Die über der Rohbaudecke befindliche Trittschalldecke, regelmäßig in Form des Estrichs, gehört dagegen zwingend zum Gemeinschaftseigentum, weil sie zur Fertigstellung des Gebäudes, nämlich der Erreichung des vorgeschriebenen Schallschutzes, erforderlich ist,781 ebenso eine Isolierschicht gegen Feuchtigkeit, wie sie in Keller- oder Parterrewohnungen vorkommt.

779 BayObLG v. 30.3.2000 – 2 Z BR 2/00, NZM 2000, 674; BayObLG v. 23.2.2005 – 2 Z BR 167/04, FGPrax 2005, 108; OLG München v. 19.9.2005 – 34 Wx 76/05, NZM 2005, 825, 827; anders für eine 0, 8 qm große Photovoltaikanlage auf dem Flachdach einer Garage als nicht beeinträchtigende bauliche Veränderung BayObLG v. 17.10.2001 – 2 Z BR 147/01, MDR 2002, 148 = NZM 2002, 74. 780 BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151, 152; OLG Hamm v. 15.3.2001 – 15 W 39/01, ZMR 2001, 842. 781 BGH v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, MDR 1991, 1061 = NJW 1991, 2480; BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151; OLG Düsseldorf v. 7.6.1999 – 3 Wx 131/99, WuM 1999, 532 = ZMR 1999, 726; OLG Hamm v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, ZMR 1997, 193; OLG Hamm v. 15.3.2001 – 15 W 39/01, ZMR 2001, 842.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.339 Teil 10

Die rechtliche Einordnung der Veränderung am Oberbodenaufbau als bauliche Verände- 10.337 rung hängt von der Art des Eingriffs im Einzelfall ab. Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer gemäß § 13 WEG mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Oberbodenbelag nach Belieben verfahren, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, den Oberboden also auch auswechseln, unabhängig davon, welche Art von Bodenbelag bei der Errichtung der Wohnanlage vorgesehen oder eingebracht war. Aus § 14 Nr. 1 WEG ergibt sich für die Wahl des Bodenbelags (nur) die Einschränkung, dass durch den Gebrauch des Sondereigentums keinem anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil entsteht. Ein Anspruch gegen einen Wohnungseigentümer auf die Wahl eines bestimmten Bodenbelags besteht nicht, auch wenn sich ein bestimmter Schallschutz erst bei der Wahl eines gewissen Bodenbelags einstellt.782 Vielmehr muss nur ein Schallschutzniveau erreicht werden, durch den die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, § 14 Nr. 1 WEG. Die Auswahl geeigneter Maßnahmen bleibt dem Schuldner überlassen.783 Wenn es bei der Veränderung des Oberbodenbelags an einem auf Dauer angelegten Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums fehlt, handelt es sich also nicht um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 2 WEG, sondern es stellt sich die Frage einer einer störenden Benutzung784 i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG, die einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG gegen den umbauenden Wohnungseigentümer oder gemäß § 1004 Abs. 1 WEG gegen jeden Störer zur Folge hat.785 Ein Eingriff in das Gemeinschaftseigentum kann bei umfangreichen Sanierungen mit Erneuerung des Estrichs oder auch dann vorliegen, wenn durch unsachgemäßes Verlegen des Oberbodens sog. Schallbrücken786 geschaffen werden, also die Entkoppelung zwischen Oberboden und tragenden Wänden oder Zargen fehlt, oder sogar der Estrich verändert oder beschädigt wird. Dann liegt auch eine bauliche Veränderung vor, die gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung aller benachteiligten übrigen Wohnungseigentümer bedarf. Eine nähere Klärung ist aber mit Rücksicht darauf entbehrlich, dass die Grenzen des einzuhaltenden Trittschallschutzes im Falle eines störenden Gebrauchs und einer baulichen Veränderung gleich sind, weil in beiden Fällen § 14 Nr. 1 WEG den Maßstab des Zulässigen bestimmt.

10.338

Welche Anforderungen der Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG an den Schallschutz stellt, lässt sich ohne einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Trittschallschutzes787 in den letzten Jahrzehnten nicht verstehen. Die folgende Darstellung muss sich dabei auf einen

10.339

782 BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151. 783 Vgl. BGH v. 22.10.1976 – V ZR 36/75, BGHZ 67, 252 = MDR 1977, 299 = NJW 1977, 146; BGH v. 19.1.1996 – V ZR 298/94, MDR 1996, 579 NJW-RR 1996, 659; KG v. 19.3.2007 – 24 W 317/06, NZM 2007, 845 = ZMR 2007, 639; OLG Düsseldorf v. 4.7.2001 – 3 Wx 120/01, NZM 2001, 958 = ZMR 2002, 69; OLG München v. 10.4.2006 – 34 Wx 21/06, ZMR 2006, 643. 784 Neben der störenden Benutzung des Sondereigentums durch Veränderung des Oberbodenbelags kann auch ein störender Gebrauch im Übrigen vorliegen, etwa durch das Trampeln von Kindern, vgl. BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, NJW-RR 1994, 598. 785 BayObLG v. 10.5.1990 – BReg 2 Z 26/90, BayObLGZ 1990, 120, 122 = WuM 1990, 608; BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151. 786 Vgl. OLG Köln v. 10.6.1992 – 13 U 267/91, NJW-RR 1994, 470 = ZMR 1994, 219; OLG Hamm v. 15.3.2001 – 15 W 39/01, ZMR 2001, 842. 787 Neben dem Trittschallschutz stellen sich Schallschutzfragen im Hochbau insbesondere bei der Installation von Sanitär- und Heizungsrohren. Die Einzelheiten der technischen Anforderungen ergeben sich aus den technischen Baubestimmungen, die z.B. ein Architekt vermitteln kann.

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Teil 10 Rz. 10.339

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Überblick beschränken. Für das technische Verständnis der Schallschutzproblematik grundlegend ist die Einsicht, dass die tragenden Wände und Decken den Körperschall weitertransportieren. Eine Entkoppelung des Oberbodens von den tragenden konstruktiven Bestandteilen ist von entscheidender Bedeutung. Diese Aufgabe kommt heute dem „schwimmend“, also ohne ungedämpften Kontakt auf Dämmstoffen, ohne Wandanschluss verlegten Estrich zu. Dagegen ist bei Schallbrücken die Dämmwirkung durch direkten Kontakt zwischen Bodenbelag oder Estrich und konstruktiven Gebäudeteilen unterbrochen, etwa wenn der Fliesenboden bündig, ohne Abstand mit der Wand und dem Fliesensockel verlegt worden ist. Die technische Forderung nach einer Entkoppelung gilt auch für andere Bauteile, wie Wasserleitungen oder Abflussrohre, die heute entkoppelt verbaut werden, um die Ausbreitung störender Fließgeräusche zu verhindern. – Weil entsprechende technische Anforderungen und die notwendigen Materialien bei der Errichtung vieler Wohnungseigentumsanlagen noch nicht bestanden, ist tatsächlich ein heutigem Empfinden nicht mehr entsprechender Schallschutz noch weit verbreitet.

10.340 Erstmals im Jahr 1944 wurde die DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau – veröffentlicht, die als Standardkonstruktion eine Decke aus Stahlbeton mit einem schwimmenden Estrich vorsah. Diese Konstruktion ist auch heute noch üblich, die Trittschalldämmstoffe sind aber weiterentwickelt worden. Messwerte oder Anforderungen enthielt die Vorschrift wegen des Fehlens geeigneter Messmethoden noch nicht. Zuvor waren Decken in einer Holzbalkenkonstruktion üblich gewesen, bei der die tragenden Balken an Ober- und Unterseite mit Holzbrettern verkleidet und die Zwischenräume mit Streumaterial aufgefüllt waren.788

10.341 In den nach dem Zweiten Weltkrieg erlassenen Bauordnungen wurde diese ursprüngliche Fassung der DIN 4109 als Anforderungsniveau übernommen. Ein schwimmender Estrich war allerdings nicht in allen Räumen vorgesehen. Für Küche und Bad blieb es zum Beispiel üblich, die Bodenfliesen direkt in ein Mörtelbett zu verlegen und nicht elastisch am Wandanschluss zu verfugen. Verbreitet war in anderen Räumen auch noch der Einbau eines (heute knarrenden) Dielenbodens auf einem unmittelbar auf die Rohbetondecke aufgelegten Lattenuntergestell mit einer Schüttung, z.B. Schlacke, im Zwischenraum.

10.342 Als etwa im Jahr 1960 Messgeräte und Bewertungsmethoden entwickelt waren, mit denen der Trittschallschutz eines Bodens reproduzierbar und objektiv beschrieben und beurteilt werden konnte, wurden die Anforderungen der ersten Fassung der DIN 4109 messtechnisch überprüft und der ermittelte Wert als Trittschallschutzmaß TSM = 0 dB, was einem bewerteten NormTrittschallpegel L’n, w = 63 dB entspricht, in die DIN 4109 (1962) vom September 1962 übernommen. Dieser Trittschallschutz wurde schnell als unzureichend empfunden. Denn auch bei Einhaltung der DIN 4109 (1962) können Schritte aus darüber liegenden Wohnungen noch deutlich wahrnehmbar sein. Dabei lässt sich der Trittschallschutz nachträglich durch Austausch des Bodenaufbaus kaum wesentlich verbessern, weil die vorgeschriebenen Massen der Rohdecken zu gering waren und entsprechend zu gering dimensioniert errichtet worden sind.

10.343 Im Jahr 1989 wurde in der DIN 4109 (1989) dann ein Vorschlag des Entwurfs der DIN 4109 aus dem Jahre 1979 übernommen, der einen bewerteten Norm-Trittschallpegel L’n, w = 53 dB, d.h. ein Trittschallschutzmaß TSM = + 10 dB, als Standard vorsieht und beim so genannten erhöhten Schallschutz ein Trittschallschutzmaß TSM = + 17 dB, entsprechend einem Tritt-

788 Diese Konstruktion führt neben Problemen mit dem Schallschutz insbesondere zu den klirrenden Kronleuchtern, wenn die über der Decke gelegenen Räume begangen werden.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.346 Teil 10

schallpegel L’n, w = 60 dB. Diese Werte sind dauerhaft nur mit hinreichend mächtigen Rohdecken von mindestens 16–18 cm Stärke und schwimmenden Estrichen mit modernen Trittschalldämmstoffen von hoher Elastizität und geringer Alterung auch bei hoher Belastung zu erzielen. Die dort vorgesehenen Regelungen entsprechen ebenfalls nicht mehr dem Stand der Technik.789 Aktuell liegt die DIN 4109-1 (2016) betreffend die Mindestanforderungen an den Schall- 10.344 schutz im Hochbau vor. Für diese Vorschrift fehlt bisher Rechtsprechung, aus der sich ergeben würde, dass die Vorschrift nicht dem aktuellen Stand der Technik entspricht; immerhin greift die Regelung die Anforderungen der VDI 4100 (2007) und 4100 (2012) nicht in allen Details auf und bleibt hinter den dort definierten Anforderungen zurück. Für die Prüfung, ob die Anforderungen des Trittschallschutzes bei baulichen Veränderungen einzelner Wohnungseigentümer gewahrt sind ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgende Prüfungsreihenfolge:

10.345

Wann durch Umbaumaßnahmen ein Nachteil eintritt, der das gemäß § 14 Nr. 1 WEG hinzunehmende bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß übersteigt, bestimmt sich zunächst danach, ob in der jeweiligen Wohnungseigentumsanlage besondere Vereinbarungen getroffen worden sind, insbesondere in der Teilungserklärung790 ein bestimmtes Schallschutzniveau vereinbart791 worden ist. Erst wo solche Vereinbarungen fehlen, findet der Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG Anwendung. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Schallschutzniveaus ist also die Frage nach einem zwischen den Wohnungseigentümern vereinbarten – ggfls. höheren, den technischen Standard übersteigenden – Schallschutzniveau.792 Solche Vereinbarungen können sich in der Praxis nur aus der Teilungserklärung ergeben. Weil für deren Auslegung maßgeblich ist, wie die Teilungserklärung nach Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist und Umstände außerhalb der Teilungserklärung nur herangezogen werden dürfen, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind,793 verbietet sich die Annahme einer stillschweigenden Definition eines besonderen Schallschutzniveaus in der Teilungserklärung.794 Außerhalb des Grundbuchs niedergelegte Vereinbarungen können regelmäßig, nämlich nach einem Eigentümerwechsel schon wegen § 10 Abs. 3 WEG für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nicht verbindlich sein.795 Schon deshalb ist

10.346

789 Vgl. dazu schon OLG Karlsruhe v. 29.12.2005 – 9 U 51/05, BauR 2007, 557; OLG Stuttgart v. 21.5.2007 – 5 U 201/06, NZM 2007, 846; OLG Köln v. 2.3.2018 – I-19 U 166/15, ZWE 2018, 310 mit Anm. Ott; OLG München v. 24.4.2018 – 28 U 3042/17 Bau, ZWE 2019, 29; allgemein auch BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 = ZfIR 2009, 651; s.a. Locher/Weiss, BauR 2005, 17; zum Begriff „Stand der Technik“ BGH v. 14.5.1998 – VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16 = MDR 1998, 1026. 790 Vgl. dazu OLG Köln v. 14.11.1997 – 16 Wx 275/97, NZM 1998, 673 = WuM 1998, 238. 791 Solche Vereinbarungen i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG können regelmäßig nicht in den Erwerbsverträgen der einzelnen Wohnungseigentümer enthalten sein und bedürfen zur Wirksamkeit gegenüber Rechtsnachfolgern der Eintragung im Grundbuch, § 10 Abs. 3 WEG. 792 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 14; BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 9. 793 BGH v. 4.5.2018 – V ZR 163/17, MDR 2018, 986 Rz. 9 m.w.N. 794 OLG Köln v. 14.11.1997 – 16 Wx 275/97, NZM 1998, 673; OLG München v. 9.1.2008 – 34 Wx 114/07, NJW 2008, 592. 795 OLG München v. 6.2.2019 – 32 Wx 147/18 WEG, ZMR 2019, 524; ausführlich Hügel in FS Wenzel (2005), S. 219 ff.

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Teil 10 Rz. 10.346

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

es ohne Bedeutung, ob und welches Schallschutzniveau der Bauträger den Ersterwerbern im Bauträgervertrag vertraglich zugesagt hat.796 Tatsächliche Umstände, etwa das Ausstattungsniveau der Wohnungseigentumsanlage bei Errichtung (in Abgrenzung zu einer späteren „Zufallsausstattung“) oder das Wohnumfeld, wie sie mit dem Begriff des Gepräges zusammengefasst wurden, und damit mittelbar wieder das zwischen Bauträgern und Ersterwerbern vereinbarte Schallschutzniveau, können keinen Anspruch auf ein bestimmtes Schallschutzniveau begründen.797

10.347 Bei Fehlen besonderer Vereinbarungen im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer richtet sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Anforderungen. Das gilt im Wohnungseigentumsrecht798 wie im Mietrecht.799 Spätere Änderungen der Werte bleiben auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer ohne Auswirkungen, denn ein Wohnungseigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, zur Vermeidung ansonsten drohender Ansprüche der übrigen Wohnungseigentümer den vorhandenen Schallschutz nach einer Erhöhung des Schallschutzniveaus durch nachträgliche Maßnahmen zu verbessern.800 Deshalb gilt: Dass ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird, rechtfertigt nicht die Heranziehung der zur Zeit der Durchführung der Maßnahme geltenden technischen Standards, wenn es nicht zu nachhaltigen Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz kommt.801 In tatsächlicher Hinsicht ist – wo rechtsgeschäftliche Vereinbarungen fehlen – ein brauchbarer, wenn auch nicht unmittelbar rechtlich verbindlicher Maßstab für die Beurteilung der Frage, welche Nachteile bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich sind, regelmäßig die DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau –, welche die einzuhaltenden Anforderungen beschreibt.802 Bei der DIN 4109 handelt es sich allerdings nicht um unmittelbar maßgebliche Rechtsvorschriften. Dem Mindeststandard der DIN 4109 kommt aber ein erhebliches tatsächliches Gewicht zu, ob ein nicht zu duldender Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG vorliegt. Dies wird regelmäßig bei Überschreitung der DIN 4109 nicht mehr der Fall sein.803 Umgekehrt wird bei Einhaltung der DIN 4109 häufig eine erhebliche Beeinträchtigung i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG fehlen,804 soweit diese den bei Errichtung geltenden technischen Standard wiedergegeben hat, also nicht, soweit die DIN 4109 796 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 9 mit Hinweis auf das Fehlen eines Rechtsbindungswillens. 797 BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 10 ff.; a.A. noch BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 14 f. 798 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 7; BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 7; BGH Urt. v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657 Rz. 8; LG Düsseldorf v. 27.6.2019 – 19 S 152/18, Juris. 799 BGH, MDR 2005, 743; BGH MDR 2010, 1041 Rz. 13. 800 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 7; BGH MDr 2018657 Rz. 14. 801 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 11; BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 7. 802 BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, WuM 1994, 151; BayObLG v. 18.11.1999 – 2 Z BR 77/99, NZM 2000, 504; Brandenburgisches OLG v. 20.5.2010 – 5 Wx 20/09, WuM 2010, 558; OLG Frankfurt v. 28.6.2004 – 20 W 95/01, NZM 2005, 68; OLG Schleswig v. 21.12.1998 – 2 W 100/98, OLGReport Schleswig 1999, 147. 803 BayObLG v. 18.11.1999 – 2 Z BR 77/99, NZM 2000, 504; OLG Frankfurt v. 27.3.2006 – 20 W 204/03, NZM 2006, 903; s. aber LG Bonn v. 25.11.2003 – 8 T 13/02, ZMR 2004, 381: Eine Veränderung um 1 db(A) reicht nicht aus. 804 BayObLG v. 18.11.1999 – 2 Z BR 77/99, NZM 2000, 504; BayObLG v. 16.12.1993 – 2 Z BR 113/93, NJW-RR 1994, 598; OLG Frankfurt v. 27.3.2006 – 20 W 204/03, NZM 2006, 903; OLG Schleswig v. 8.8.2007 – 2 W 33/07, OLGReport Schleswig 2007, 935.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.348 Teil 10

schon seit 1989 nicht mehr üblichen Qualitäts- und Komfortstandards entsprochen hat.805 Die Grenzwerte der genannten Vorschriften gelten nicht starr: Die Überschreitung der Grenzweite um ein bis zwei Dezibel ist unschädlich, weil sie nicht mit einer wahrnehmbaren Mehrbelastung verbunden ist.806 Dabei unterscheidet der Bundesgerichtshof aber nach der Eingriffsintensität: Nicht jeder Eingriff in das Gemeinschaftseigentum führt dazu, dass das aktuelle Schallschutzniveau eingehalten werden muss. Was nachhaltige Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz sind, wurde früher mit der Formulierung „Eingriffe in den unter dem Oberbodenbelag befindlichen Estrich und die Geschoßdecke“807 beschrieben. Nach der neuere Rechtsprechung808 gilt jetzt: Für grundlegende Um- oder Ausbauten im Bereich des Sondereigentums, etwa einem Dachgeschossausbau, gilt anders als bei Sanierungsmaßnahmen der üblichen Instandsetzung oder Modernisierung des Sondereigentums, dass die im Zeitpunkt der Baumaßnahmen an den Schallschutz einzuhalten sind.809 Bei Eingriffen (nur) in das Sondereigentum kann es eine Pflicht zur Erhöhung des Schallschutzniveaus nicht geben.810 Das bedeutet für die Sanierung einer Eigentumswohnung durch Wohnungseigentümer in Abweichung vom Verständnis der bisherigen Instanzrechtsprechung,811 dass nur bei grundlegenden Um- oder Ausbauten, wie etwa einem Dachgeschossausbau oder einer Entkernung bis auf den Rohbau, nicht aber bei der Erneuerung der Fußbodenheizung812 oder der Auswechslung der Spannplattenlage über den Balken einer Balkendecke,813 eine Pflicht zur Beachtung der aktuellen technischen Anforderungen besteht, nicht aber der üblichen Instandsetzung oder Modernisierung des Sondereigentums, die nur den bei Errichtung geltenden Schallschutz waren muss.814 Denn nur bei diesen weitreichenden Umbauten entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern – wenn ein geringeres Schallschutzniveau nicht ausdrücklich gestattet wird – die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben einschließlich des nunmehr geltenden Schallschutzniveaus beachtet werden. Wer nicht in diesem Umfang in das Gemeinschaftseigentum eingreift, sondern sich – wie bei der Erneuerung des Estrichs zum Einbau einer Fußbodenheizung815 – auf die übliche Instandsetzung und Modernisierung beschränkt, ist dagegen nicht verpflichtet, den Schallschutz auf das aktuelle Niveau zu verbessern, sondern nur das bislang erreichte Schallschutzniveau zu erhalten.816 – Mit dieser Abgrenzung erreicht der BGH einmal gleiche Anforderungen in Wohnungseigentums- und Mietrecht. Zudem wird die Grenze des Eingriffsumfangs, ab dem eine Ertüchtigung geschul-

805 Vgl. zum Bauvertragsrecht BGH v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07, NJW 2009, 2439 = MDR 2009, 978; OLG Karlsruhe v. 20.2.2009 – 8 U 159/08, BauR 2011, 303. 806 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 12. 807 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 11; BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 7. 808 BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657. 809 BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657; für das Mietrecht BGH MDR 2005, 743 zur Dachaufstockung; BGH, MDR 2009, 975 Rz. 11 a.E. 810 BGH v. 6.7.2018 – V ZR 221/17 – Rz. 11, MDR 2018, 1432. 811 Vgl. BayObLG v. 18.11.1999 – 2Z BR 77/99, NZM 2000, 504; zur Frage, wann ein erheblicher Substanzeingriff vorliegt, LG Berlin v. 25.9.2013 – 85 S 57/12, Grundeigentum 2013, 1599. 812 Dazu kritisch Drasdo, NJW-Spezial 2018, 418, 419. 813 BGH v. 6.7.2018 – V ZR 221/17 – Rz. 12, MDR 2018, 1432. 814 BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657; in der Sache auch LG Hamburg v. 12.7.2017 – 318 S 31/16, ZMR 2017, 828; Hogenschurz, MDR 2018, 1217. 815 Kritisch dazu Drasdo, NJW-Spezial 2018, 418, 419. 816 BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657 Rz. 14.

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10.348

Teil 10 Rz. 10.348

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

det ist, gegenüber den bisherigen Formulierungen und der älteren Rechtsprechung817 deutlich angehoben. Dass der einzelne Wohnungseigentümer bei derartig umfangreichen Eingriffen den Schallschutzstandard – auch durch Verbesserungen des Gemeinschaftseigentums auf eigene Kosten – erhöhen muss, ist also nicht grundsätzlich neu,818 sondern die Grenze wird verschoben. Diese Grenze kann durch abweichende Vereinbarungen, gerade bei detailliert geregelten Ausbaurechten, abweichend geregelt sein.819 Ohne besondere Regelung definiert aber die neue Definition zu erheblichen Umbauten durch die Rechtsprechung- unter Beachtung der wechselseitig durch Art. 14 GG geschützten Positionen der Wohnungseigentümer – eine den Erwartungen der Wohnungseigentümern entsprechende und für die Sanierungspraxis brauchbare Grenze, bei der – anders als in der früheren Rechtsprechung – eben nicht schon jede Modernisierung, wie der Einbau eines neuen Badezimmers oder einer Fußbodenheizung, zur Beachtlichkeit des aktuellen Schallschutzniveaus führt. Damit wird den einzelnen Sondereigentümern ermöglicht, die Ausstattung ihres Sondereigentums an den heutigen Geschmack anzupassen. Geklärt ist auch, dass sich die Frage nach der Addition verschiedener „kleiner“ Sanierungen im Laufe der Zeit zu „einem erheblichen“ Eingriff so nicht stellen kann,820 denn entscheidend ist berechtigte Erwartung der übrigen Wohnungseigentümer, wie sie nur bei einem Dachgeschossausbau oder bei einem Rückbau der Wohnung auf den Rohbauzustand auf die im Zeitpunkt des Aus- und Umbaus geltende Schallschutzanforderungen gerichtet sein kann.

10.349 Auch bei Wahrung des geschuldeten Schallschutzniveaus kann ein Anspruch auf die Unterlassung von lästigen Einzelimmissionen als konkreten Beeinträchtigungen, etwa die Benutzung einer rumpelnden Wäscheschleuder oder den Dreck von Touristen,821 unter dem Gesichtspunkt der Lästigkeit bestehen.822 Dieser Anspruch ist prozessual kein Minus, sondern ein Aliud, also ein anderer Streitgegenstand zu dem Anspruch auf ein bestimmtes Schallschutzniveau.823 Ein Anspruch gerade auf einen anderen Oberbodenbelag ergibt sich wegen lästiger Geräusche nicht.824 Es gibt auch keinen allgemeinen Anspruch auf Beibehaltung eines vorhandenen, die Mindestanforderungen überschreitenden Trittschallschutzes, weil der Eigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG in der Wahl des Bodenbelags frei ist; das gilt selbst dann, wenn der Belag über lange Zeit in der Wohnung belassen wurde und wenn der Schallschutz mit diesem Belag höher war.825 Für den Oberbodenbelag kann hier nichts anderes gelten also für die Nutzung im Übrigen: Niemand hat einen Anspruch darauf, dass in der Wohnung über ihm immer nur eine „ruhige Witwe“, niemals eine „Familie mit Kindern“ wohnt. Weitergehende Ansprüche aufgrund des zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses, das die Grundlage für Treue- und Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB darstellt, kommen nicht in Betracht.826 817 818 819 820 821 822 823 824 825 826

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Vgl. BayOblG zur Badezimmersanierung. So aber Elzer, MDR 2018, R5. Beispiele in Beck FormB WEG/Schneider, 3. Aufl. 2016, Form. E.I.3. a.A. Schlimme, jurisPR-MietR 16/2018 Anm. 4. BGH, MDR 2010, 499 Rz. 23. BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 16; vgl. für niederfrequentes Dröhnen OLG München v. 8.8.2017 – 9 U 3652/16 Bau, juris = IBR 2018, 304. BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 17; BGH, MDR 2018, 80 Rz. 32. BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14, MDR 2015, 499, Rz. 17. BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 13, 15; a.A. Lehmann-Richter, ZWE 307, 308 unter Hinweis auf BGH, MDR 2018, 657, Rz. 14. BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 Rz. 17; anders BGH, MDR 2014, 399, Rz. 12, für die ungeklärten Risiken von Funkfeststationen.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.354 Teil 10

Die technischen Regelungen dürfen aber nicht davon ablenken, dass entscheidend die Lästigkeit der Geräuschwirkung im Einzelfall – nicht die Einhaltung von Grenzwerten – ist, was einen richterlichen Augenschein erforderlich machen kann.827

10.350

Diese Anforderungen werden in der Faustregel dahin zusammengefasst, dass der bestehende Schallschutz keinesfalls verschlechtert werden darf.828

10.351

Hinweis: Die Bearbeitung eines Streits zwischen Wohnungseigentümern, der Fragen des Schallschutzes, insbesondere des Trittschallschutzes, zum Gegenstand hat, ist regelmäßig nicht ohne Hinzuziehung eines geeigneten Sachverständigen für Schallschutz und Bauakustik möglich. Einen solchen Sachverständigen kann man bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer erfragen. Der Sachverständige oder auch ein Architekt ist vor einer streitigen Klärung auch der kompetente Ratgeber für mögliche Entlastungsmaßnahmen und deren ungefähre Kosten. Die Kosten einer Begutachtung dürfen nicht unterschätzt werden. Zwar sind die Messungen selbst meist ohne Substanzeingriff möglich, aber die Ursachenforschung, etwa die Feststellung von Schallbrücken bei unsachgemäßer Verlegung eines neuen Fliesenbodens durch Öffnung des Bodens im Bereich der Wandanschlüsse, gestaltet sich bald als recht aufwendig.829

10.352

Bei einer mangelhaften Erstherstellung gilt für den Anspruch auf Ertüchtigung nach den vorgenannten Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung830: Im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer ergibt sich das einzuhaltende Schallschutzniveau nicht aus dem Inhalt der einzelnen Bauträgerverträge, sondern nur aus etwaigen Vereinbarungen zwischen den Wohnungseigentümern, also der Gemeinschaftsordnung. Wenn solche Regelungen fehlen, ist im Innenverhältnis das bei Errichtung der Wohnungseigentumsanlage geltende Schallschutzniveau geschuldet.

10.353

Weil sich die einzelnen Wohnungseigentümer die erstmalige plan- und ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums schulden und weil dieser Anspruch im Gemeinschaftsverhältnis als Dauerschuldverhältnis immer wieder neu entsteht, also nicht verjährt, ergibt sich ein Anspruchsausschluss nur nach Treu und Glauben (§ 242 BGB).831 Treu und Glauben stehen dem Anspruch auf Ertüchtigung auf das bei Errichtung geltende Schallschutzniveau allenfalls entgegen, wenn sie tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erforderlich machen und die Kosten völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und der betroffenen Einheiten im Besonderen stehen.832 Der Anspruch auf

10.354

827 OLG Köln v. 8.1.1998 – 7 U 83/96, ZMR 1998, 161: Für die Lästigkeit von Lärm ist die Lautstärke nicht allein entscheidend; OLG Köln v. 20.2.2004 – 16 Wx 240/03, ZMR 2004, 462; s.a. LG Bonn v. 25.11.2003 – 8 T 13/02, ZMR 2004, 381: Eine Verschlechterung um 1 db(A) reicht nicht aus. S.a. OLG Düsseldorf v. 13.11.2007 – 3 Wx 115/07, WuM 2008, 41 = ZMR 2008, 223 zum Anspruch auf Verbesserung des Schallschutzniveaus aufgrund der wohnungseigentumsrechtlichen Treuepflicht im Einzelfall. 828 OLG Hamm v. 15.3.2001 – 15 W 39/01, ZMR 2001, 842; Riecke/Schmid/Abramenko, 2. Aufl., § 14 WEG Rz. 10; Staudinger/Bub, 13. Bearbeitung, § 22 WEG Rz. 192. 829 Vgl. zu den Schwierigkeiten von Eingriffen beim beteiligten Dritten Dötsch, NZBau 2008, 217. 830 a.A. Schlimme, jurisPR-MietR 16/2018 Anm. 4: ungeklärte Frage; zu den Ansprüchen der einzelnen Erwerber gegen den Bauträger und deren Durchsetzung vgl. OLG Köln, ZWE 2018, 311, n.rkr., mit Anm. Ott. 831 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, MDR 2016, 147; BGH v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 Rz. 18. 832 BGH v. 4.5.2018 – V ZR 203/17, MDR 2018, 921 Rz. 22.

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Teil 10 Rz. 10.354

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

erstmalige ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums kann auch nicht gegen den Willen der unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.833 – Videoüberwachung/Überwachungskamera

10.355 Der Betrieb einer Überwachungskamera oder Videokamera834 entspricht auch im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Einhaltung der aktuellen öffentlich-rechtlichen Vorgaben sichergestellt ist, also neben den Vorgaben durch § 201a StGB insbesondere § 4 BDSG in der ab 25.5.2018 geltenden Fassung,835 der für die Überwachung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum und durch einzelne Wohnungseigentümer wie durch die Wohnungseigentümer in gleicher Weise Beachtung beansprucht. Die verschiedenen Konstellationen lassen sich nach denkbaren Objekten der Überwachung: Gemeinschaftseigentum, Sondernutzungsrecht und Sondereigentum sowie Eigentum des Grundstücksnachbarn einerseits und andererseits den verschiedenen Trägern der Überwachung: Wohnungseigentümergemeinschaft, Verwalter und Wohnungseigentümer unterscheiden. Die Voraussetzungen des § 4 BDSG haben Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, so dass deren Missachtung Abwehransprüche auslöst. Erforderlich ist insbesondere ein Betreiberhinweis, § 4 Abs. 2 BDSG, aus dem sich ergibt, welcher Bereich durch wen überwacht wird und wer Ansprechpartner bei Fragen ist. Für die weitere Betrachtung wird unterstellt, dass die Überwachung grenzgenau836 erfolgt. Wenn die Überwachung auch nur am Rande benachbarte Bereiche erfasst oder ist dies auch nur ernsthaft aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu befürchten,837 gelten die Regeln für die benachbarten Flächen.838 Danach gilt grundsätzlich: Das Sondereigentum dürfen weder die Eigentümergemeinschaft und der Verwalter, noch die übrigen Wohnungseigentümer überwachen, sondern nur der Sondereigentümer.839 Der (allein) Sondernutzungsberechtigte840 darf den Bereich seines Sondernutzungsrechts überwachen,841 etwa seinen Tiefgaragenstellplatz.842 Der einzelne Wohnungseigentümer darf grundsätzlich nicht das Gemeinschaftseigentum überwachen843 und ebenso wenig der Verwalter aus eigenem Antrieb; etwas anderes gilt für die durch eine Kamera in der gemeinschaftlichen Klingelanlage ermöglichte Zugangskontrolle, die als Überwachung durch 833 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, MDR 2016, 147. 834 Vgl. Elzer, NJW 2013, 3537. 835 Zuvor galt § 6b BDSG. Die Neuregelung führt nicht zu einer Absenkung der bisherigen Anforderungen. 836 Ebenso unbedenklich ist es, wenn der erfasste fremde Bereich automatisch verpixelt ist; AG Wedding v. 25.6.2014 – 8a C 63/13, Grundeigentum 2014, 1344. 837 Vgl. LG Berlin v. 23.7.2015 – 57 S 215/14, Grundeigentum 2015, 1100; AG München v. 22.11.2018 – 213 C 15498/18, NJOZ 2019, 1325; jeweils für Grundstücksnachbarn. 838 Hier liegen die tatsächlichen Schwierigkeiten insb. der Überwachung von Sondernutzungsrechten durch den Sondernutzungsberechtigten. 839 OLG München v. 11.3.2005 – 32 Wx 002/05, MDR 2005, 620. 840 Sind Gruppen von Wohnungseigentümern zur Sondernutzung berechtigt, etwa die Bewohner eines Gebäudes einer Mehrhausanlage, entscheiden diese, wie durch Vereinbarung geregelt, sonst entsprechend den §§ 21 ff. WEG über die Überwachung. 841 AG Hamburg Blankenese v. 9.1.2013 – 539 C 7/12, ZMR 2014, 59; AG Hamburg-Barmbek v. 14.10.2016 – 880 C 9/16, ZMR 2017, 266; vgl. a. BGH v. 21.10.2011 – V ZR 265/10 – Rz. 9, NZM 2012, 239. 842 AG Schöneberg v. 2.6.2017 – 771 C 82/16, Grundeigentum 2017, 844. 843 OLG München v. 11.3.2005 – 32 Wx 002/05, MDR 2005, 620; OLG Düsseldorf v. 5.1.2007 – I-3 Wx 199/06, MDR 2007, 946; für den Betrieb einer Dash-Cam im in der Tiefgarage abgestellten Auto vgl. AG Hamburg-Barmbek v. 14.10.2016 – 880 C 9/16, ZMR 2017, 266; für eine Fensterbankkamera AG Hanau v. 29.3.2012 – 32 C 310/11, Juris.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.358 Teil 10

die Wohnungseigentümergemeinschaft erscheint.844 Die Anbringung von Kameraattrappen, die zur Abschreckung von Dieben ausreichen kann,845 führt wohl nicht zu unzulässigen Beeinträchtigungen;846 allerdings kann ein persönlichkeitsrechtverletzender Überwachungsdruck schon dann bestehen, wenn die Kamera in der Vergangenheit zu rechtswidrigen Filmaufnahmen genutzt wurde und diese äußerlich unverändert fortbesteht847 oder wenn nicht erkennbar ist, ob die Attrappe nach äußerlich nicht wahrnehmbarer technischer Veränderung doch als Kamera genutzt wird.848 Die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung reicht aber nicht aus.849 Für eine Überwachung, die teilweise oder ganz, beabsichtigt oder unbeabsichtigt das Grundstück des Nachbarn erfasst, gelten die allgemeinen Regeln für die Videoüberwachung zwischen Grundstücksnachbarn, gleich ob sie durch einen Sondereigentümer, den Verwalter oder die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt. Die Videoüberwachung mit einer auf ein Nachbargrundstück oder auch einen öffentlichen Zugangsweg gerichteten Kamera verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Nachbarn, wenn die Bilder zum Zwecke der Überwachung des Nachbarn verwendet werden können.850 Sie kommt nur bei einer konkreten, schwerwiegenden Rechtsverletzung, nicht schon bei Eigentumsdelikten in Betracht.851

10.356

Die Anbringung einer Überwachungskamera kann schließlich schon wegen der optisch-baulichen Wirkungen der technischen Geräte einen Nachteil für alle Wohnungseigentümer begründen;852 dies galt schon für Außenspiegel.853 Insoweit gelten die Grundsätze über die nachteilige Veränderung der äußeren Gestaltung (vgl. Teil 10, Rz. 10.77 ff.). Die Anbringung kann aber auch als Modernisierung unter Beachtung der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG beschlossen werden,854 soweit zugleich die Fragen des Betriebs (vgl. § 14 Rz. 4a) geklärt werden.

10.357

– Wand- und Deckendurchbruch fi siehe auch Fenster hinsichtlich des Nachteils für die äußere Gestaltung bei Fensterdurchbrüchen855 Bei Wanddurchbrüchen ist zunächst zu fragen, ob in tragende und damit gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend im Gemeinschaftseigentum stehende, nicht tragende innerhalb einer Wohnung und damit im Sondereigentum stehende Wände oder in nicht tragende Wände zwischen zwei Wohnungen eingegriffen wird.856 Denn innerhalb seines Sondereigentums darf der Sondereigentümer in den Grenzen der §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG nach Belieben ver844 Zur mietrechtlichen Pflicht zu weniger einschneidenden Maßnahmen vgl. LG Berlin v. 14.8.2018 – 67 S 73/18, WuM 2018, 654. 845 LG München I v. 11.11.2011 – 1 S 12752/11 WEG, ZWE 2012, 233. 846 LG Frankfurt v. 11.11.2013 – 2-13 S 24/13, WuM 2014, 162; a.A. auch bei bereits erfolgten „leichten“ Diebstählen LG Berlin v. 28.10.2015 – 67 S 82/15, DuD 2016, 249; AG Frankfurt/M. v. 14.1.2015 – 33 C 3407/14, ZMR 2015, 619; für „Dome-Kameras“ AG Dinslaken v. 5.3.2015 – 34 C 47/14, ZD 2015, 531. 847 OLG Köln v. 22.9.2016 – 15 U 33/16, NJW 2017, 835. 848 LG Berlin v. 1.2.2018 – 67 S 305/17, WuM 2018, 656. 849 LG Hamburg v. 18.1.2018 – 304 O 69/17, ZMR 2018, 473. 850 OLG Köln v. 22.9.2016 – 15 U 33/16, NJW 2017, 835. 851 LG Paderborn v. 30.11.2017 – 3 O 182/17, NZM 2018, 766. 852 BGH v. 24.5.2013 – V ZR 220/12 – Rz. 11, BGHZ 197, 274 = MDR 2013, 1091. 853 BayObLG v. 23.5.1996 – 2Z BR 19/96, ZMR 1996, 507, 509 = NJW-RR 1996, 1358. 854 Elzer, NJW 2013, 3537, 3540. 855 S.a. OLG Frankfurt v. 14.9.2005 – 20 W 305/05, juris, zum Nachteil durch einen zusätzlichen Eingang zu einem Teileigentum. 856 Röll in FS Deckert, S. 417, 421.

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10.358

Teil 10 Rz. 10.358

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

fahren. Anderes gilt bei Eingriffen in tragende Wände, die zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen.

10.359 Bauliche Veränderungen, die zu einer Beeinträchtigung von Bestand, Stabilität, Solidität und Sicherheit der Wohnungseigentumsanlage führen, sind nachteilig i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG und bedürfen der Zustimmung aller Wohnungseigentümer.857 Ein Durchbruch durch eine tragende Wand ist daher nur dann zulässig, wenn die dadurch vorgenommene bauliche Veränderung zu keiner Benachteiligung der Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus führt, §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG, wenn also kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Wohnungseigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und die Brandsicherheit geschaffen wurde, sowie Beweisschwierigkeiten über die Verursachung von Langzeitfolgen (Risse, Setzungen usw.) und die Gefahr einer intensiveren Benutzung ausgeschlossen sind.858

10.360 Die vorstehenden Erwägungen gelten auch, soweit zur Anpassung des Grundrisses in einer Wohn- oder Teileinheit die Beseitigung und Verlegung von Wänden erfolgen soll, soweit diese nicht der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung des nach der Teilungserklärung geschuldeten Zustand dienen.

10.361 Der Verlust der Abgeschlossenheit und der Widerspruch zur Teilungserklärung allein begründen bei der Verbindung zweier Wohnungen keinen über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Nachteil, weil das Abgeschlossenheitserfordernis, § 3 Abs. 2 WEG, allein den Schutz der von der wegfallenden Trennung der verschiedenen Bereiche betroffenen Wohnungseigentümer bezweckt.859 Danach kommt es auf die Eigentumsverhältnisse an den Wohnungen, zwischen denen ein Durchbruch erfolgt, nicht an.860 Zulässig ist es auch, dass ein Wohnungseigentümer, dem zwei benachbarte Wohnungen gehören, ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer, Räume des einen Sondereigentums dem anderen zuordnet.861

10.362 Fragen des Brandschutzes klärt die örtlich zuständige Bauaufsichtsbehörde oder ein Brandschutzsachverständiger. Die Auswirkungen auf die konstruktive Stabilität des Gebäudes muss ein Statiker beurteilen.862 Kommt es zu Schäden, muss der umbauende Wohnungseigentümer für Planungsfehler der von ihm herangezogenen Sonderfachleute gemäß § 278 BGB einstehen.863

10.363 Ein Akustiker wird die Verschlechterung der Schallsituation ausschließen müssen (s.a. Trittschallschutz). Es ist dann Sache des Umbauwilligen, den Unbedenklichkeitsnachweis zu führen. Wird ein Nachweis über die Unbedenklichkeit hinsichtlich Statik und Brandschutz 857 OLG Hamburg v. 27.7.1976 – 2 W 34/76, MDR 1977, 230; OLG Karlsruhe v. 12.1.1978 – 3 W 14/77, OLGZ 1978, 172 = MDR 1978, 495. 858 Vgl. BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 = MDR 2001, 497 = NJW 2001, 1212; BayObLG v. 14.2.2002 – 2 Z BR 187/01, NZM 2002, 391 = ZMR 2002, 537; KG v. 13.4.1992 – 24 W 2935/91 = OLGZ 1992, 426; OLG Celle v. 21.5.2002 – 4 W 93/02, ZWE 2002, 533. 859 Vgl. BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 = MDR 2001, 497 = NJW 2001, 1212 mit weiteren Nachweisen zum durch diese Entscheidung hinfälligen Streitstand. 860 Röll in FS Deckert, S. 417, 423. 861 OLG München v. 30.7.2008 – 34 Wx 49/08, OLGReport München 2008, 899. 862 BayObLG v. 14.1.1999 – 2 Z BR 125/98, ZMR 1999, 273. 863 AG Oberhausen v. 5.7.2011 – 34 C 113/10, ZMR 2012, 58.

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.368 Teil 10

nicht wie zugesagt trotz wiederholter Aufforderung vorgelegt, braucht selbst im gerichtlichen Verfahren keine Beweiserhebung mehr zu erfolgen, sondern es kann von solchen Nachteilen ausgegangen werden.864 Lassen sich die genannten Nachteile für Statik, Brandschutz und Lärm durch intensivere Nutzung nicht ausschließen, ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich.865 Die Gefahr der Überbelegung allerdings ist als übermäßige Nutzung gemäß §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB abzuwehren und darf für sich nicht als Nachteil der Baumaßnahme berücksichtigt werden.866

10.364

Auch wenn ein Wohnungseigentümer zwei ihm gehörende benachbarte Wohnungen durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt zu einer einzigen Eigentumswohnung vereinigt, besteht kein Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Zustimmung zu einem Wand- oder Deckendurchbruch mit dem Ziel der tatsächlichen Herstellung einer Wohnung.867 Eine solche Zustimmung ist allerdings dann entbehrlich, wenn i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG erhebliche Nachteile ausgeschlossen sind. Bei der Aufteilung einer Wohnungseinheit in zwei ist zu beachten, dass, wenn bei der Unterteilung eines Sondereigentums neues Gemeinschaftseigentum entsteht, es zur Wirksamkeit der Unterteilung der Auflassung des neuen Gemeinschaftseigentums unter Mitwirkung aller im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer und der Eintragung in das Grundbuch bedarf.868

10.365

Vorstehende Überlegungen gelten entsprechend auch für den Deckendurchbruch.869 Beim nachträglichen Einbau etwa einer Stahltreppe wird dabei dem Umstand Beachtung zu schenken sein, dass in der Regel durch den Aufbau unmittelbar auf der darunter liegenden Zwischendecke in der unterhalb gelegenen Wohnung stärkere Lärmbelastungen – etwa durch Trittschall – auftreten.

10.366

Erfolgt im Zusammenhang mit dem Umbau eine Umnutzung der Wohnungs- oder Teileinheiten kann sich aus dem Verstoß gegen die fortgeltende Nutzungsbestimmung ein Unterlassungsanspruch ergeben.

10.367

– Wäschespinne fi siehe auch Garten

10.368

Bei einer Wäschespinne soll keine bauliche Veränderung vorliegen, soweit die Wäschespinne nicht fest und dauerhaft installiert ist, sondern nur bei Bedarf in ein ebenerdig im Boden

864 BayObLG v. 14.2.2002 – 2 Z BR 187/01, NZM 2002, 391 = ZMR 2002, 537 noch zum Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG. 865 BayObLG v. 29.5.1991 – 2 Z 45/91, NJW-RR 1991, 1490; KG v. 10.1.1990 – 24 W 6746/89, OLGZ 1990, 155 = MDR 1990, 448; KG v. 17.2.1993 – 24 W 3563/92, OLGZ 1993, 427 = ZMR 1993, 289; KG v. 21.8.1996 – 24 W 5074/95, NJW-RR 1997, 587 = ZMR 1997, 197; AG Hamburg-Blankenese v. 5.12.2007 – 506 II 60/06, ZMR 2008, 839; s.a. LG Itzehoe v. 13.4.2010 – 11 S 46/09, ZMR 2010, 640 zur Verlegung von Wasserleitungen. 866 Röll in FS Deckert, S. 417, 422; s.a. OLG Karlsruhe v. 28.8.1997 – 11 Wx 94/96, OLGReport Karlsruhe 1998, 158 zur Berücksichtigung nur des bestimmungsgemäßen Gebrauchs. 867 BayObLG v. 2.2.1995 – 2 Z BR 71/94, NJW-RR 1995, 649; Schuschke, ZWE 2000, 146, 150. 868 OLG München v. 3.4.2007 – 32 Wx 33/07, OLGReport München 2007, 551. 869 BayObLG v. 14.2.2002 – 2 Z BR 187/01, NZM 2002, 391 = ZMR 2002, 537; LG Hamburg v. 19.6.2001 – 318 T 166/00, ZMR 2001, 918.

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Teil 10 Rz. 10.368

Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

eingelassenes Führungsrohr geschoben wird.870 Das erscheint im Hinblick auf den Substanzeingriff als zweifelhaft. Ob ein nicht hinzunehmender Nachteil für die äußere Gestaltung vorliegt, ist für den Einzelfall (Aufstellungsort) zu prüfen.

10.369 – Werbung Sofern sich aus der Teilungserklärung keine ausdrücklichen Regeln ergeben, die zur Vermeidung von späteren Streitigkeiten dringend anzuempfehlen sind, und die, wenn sie vorhanden sind, regelmäßig abschließenden Charakter haben, so gilt als Grundregel, dass für zulässige gewerbliche Nutzungen ortsüblich und angemessen am Haus- und Wohnungseingang oder an der Außenfront durch den Nutzer geworben werden darf.871 Für freie Berufe dürfen also die üblichen Praxisschilder872 am Haus- und Wohnungseingang angebracht werden, für Gaststätten entsprechend Leuchtreklamen873 usw. Eine weitere Verallgemeinerung der für den Einzelfall abzuwägenden Gesichtspunkte, etwa störender Lichtschein, mögliche Schmutzfahnen, Größe, Sichtbarkeit, Anbringungsort, ist nicht möglich. Die übrigen Wohnungseigentümer dürfen jedenfalls nicht mehr als notwendig beeinträchtigt werden. Erlaubt die Teilungserklärung die Anbringung von Werbeschriften an der gesamten Fassade, sofern nicht die freie Sicht aus den Fenstern behindert wird, kann jeder Wohnungseigentümer die Beseitigung störender Werbefolien verlangen, die Mieter in die Fenster einer anderen Wohnung geklebt haben, ohne dass eine Sichtbeeinträchtigung in der Wohnung des Anspruchstellers erforderlich wäre.874

10.370 – Wintergarten fi siehe Balkon/Terrasse/Wintergarten 10.371 – Zaun fi siehe auch Garten Die zustimmungsfreie Zulässigkeit der Einzäunung von Sondernutzungsflächen wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Die Einräumung des Sondernutzungsrechts berechtigt jedenfalls nicht automatisch zur Errichtung eines Zauns.875 Ausgangspunkt ist vielmehr die Überlegung, dass häufig schon wegen der erheblichen Einwirkung auf das äußere Gestaltungsbild der Wohnungseigentumsanlage eine bauliche Veränderung vorliegt. Diese ist nach den allgemeinen Grundsätzen zur Veränderung der äußeren Gestaltung (vgl. Teil 10, Rz. 10.77 ff.) zu beurteilen. Verschiedene Argumente werden genannt, etwa dass die sichtbare Abgrenzung durch einen Zaun natürlichen Wohnbedürfnissen entspreche und als Ausfluss des Eigentumsrechts erst den vollen Genuss eines Sondernutzungsrechts ermögliche.876 Dem wird gerade für städtische Lagen entgegengehalten, das gemäß § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß werde überschritten.877 Diese Argumentationsmuster als unterschiedliche Auffassungen zu 870 BayObLG v. 11.3.1993 – 2 Z BR 12/93, WuM 1993, 295; OLG Zweibrücken v. 23.12.1999 – 3 W 198/99, NZM 2000, 293 = ZMR 2000, 256; anders BayObLG v. 6.2.1987 – BReg 2 Z 129/86, WuM 1988, 98 = ZMR 1987, 389, für fest einbetonierte Wäschestangen; ebenso LG Karlsruhe v. 21.4.2009 – 11 S 85/08, ZWE 2009, 327 für Teppichklopfstangen. 871 BayObLG v. 6.10.2000 – 2 Z BR 74/00, NZM 2000, 1236 = ZMR 2001, 123; KG v. 8.6.1994 – 24 W 5760/93, WuM 1994, 494. 872 KG v. 8.6.2004 – 24 W 5760/93, NJW-RR 1995, 333. 873 BayObLG v. 6.10.2000 – 2 Z BR 74/00, NZM 2000, 1236 = ZMR 2001, 123; a.A. OLG Köln v. 31.5.2006 – 16 Wx 11/06, NZM 2007, 92. 874 OLG Düsseldorf v. 13.2.2006 – 3 Wx 181/05, NZM 2006, 782 = ZMR 2006, 461, 462. 875 OLG Köln v. 16.4.2008 – 16 Wx 33/08, ZMR 2008, 817. 876 BayObLG v. 4.2.1982 – 2 Z 9/81, BayObLGZ 1982, 69 = RPfleger 1982, 219; OLG Hamburg v. 19.1.1984 – 2 W 29/83, DWE 1984, 91. 877 BayObLG v. 28.10.1998 – 2 Z BR 122/98, BayObLGReport 1999, 9; KG v. 23.7.1984 – 24 W 2514/84, WuM 1985, 161 = ZMR 1985, 27; KG v. 11.5.1988 – 24 W 6131/87, DWE 1989, 143;

648

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Bauliche Veränderungen durch einen Wohnungseigentümer

Rz. 10.374 Teil 10

begreifen, dürfte dem Umstand nicht gerecht werden, dass eine Prüfung des Merkmals „Nachteil“ der §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geboten ist, um die Frage zu beantworten, was im Einzelfall entsprechend dem Charakter der Wohnanlage angemessen und ortsüblich878 ist. Die Grenze einer zulässigen Erneuerung879 ist überschritten und eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung liegt vor, wenn ein Jägerzaun durch eine Zaunanlage mit Übersteig- und Untergrabschutz sowie integrierter Überwachungssensorik ersetzt werden soll880 oder bei der Errichtung einer Mauer aus Pflanzsteinen zwischen zwei Sondernutzungsflächen.881 Andererseits wird man in einer als Wohnungseigentumsanlage ausgestalteten Reihenhaussiedlung, wenn nicht schon die Teilungserklärung die Anwendung des § 22 WEG ausschließt oder das (landesrechtliche) Nachbargesetz für anwendbar erklärt, einen den Anforderungen der Nachbargesetze im Übrigen entsprechenden Grenzzaun als zustimmungsfrei bewerten müssen. Die Anbringung einer Sichtschutzmatte hinter einem Maschendrahtzaun, der zwei Sondernutzungsrechte an einem Garten trennt, stellt regelmäßig eine für den am angrenzenden Gartenbereich Berechtigten optisch nachteilige bauliche Veränderung dar.882 Überdies ist für die Benutzung eines Grenzzauns oder einer Grenzwand die Regelung des § 922 BGB entsprechend anwendbar.883

10.372

Soweit ein Zaun nicht dem Verlauf der Grenzen des Sondernutzungsrechts folgt, besteht je- 10.373 denfalls ein Anspruch auf Verlegung.884 Dass kein Wohnungseigentümer eigenmächtig Teile des Gemeinschaftseigentums zu seinem alleinigen Gebrauch abgrenzen darf, versteht sich von selbst.885 Keine bauliche Veränderung, sondern eine zustimmungsfreie Maßnahme der Gefahrenabwehr liegt bei der Errichtung eines Zaunes zur Abgrenzung an einem Bach vor.886

878

879 880 881 882 883 884 885 886

KG v. 12.11.1993 – 24 W 3064/93, OLGZ 1994, 273 = NJW-RR 1994, 207; KG v. 10.2.1997 – 24 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713 = ZMR 1997, 315; OLG Düsseldorf v. 20.12.1996 – 3 Wx 9/96, WuM 1997, 187; OLG Hamburg v. 4.4.2002 – 2 Wx 91/98, ZMR 2002, 621; OLG Köln v. 22.6.1998 – 16 Wx 99/98, OLGReport Köln 1998, 425; OLG Köln v. 16.4.2008 – 16 Wx 33/08, ZMR 2008, 817; LG Hamburg v. 11.5.2011 – 318 S 7/10, ZMR 2011, 993; für einen Garten mit Parkcharakter auch BayObLG v. 23.10.1986 – 2 Z 110/86, ZMR 1987, 29. Vgl. etwa die Regelung in § 34 lit. c) NachbG NW „soweit (…) Einfriedigungen nicht üblich sind.“; zur Anwendung des Nachbarrechts auf das Verhältnis der zur Sondernutzung berechtigten Wohnungseigentümer untereinander vgl. BGH v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, NJW 2007, 3636 = MDR 2008, 135 = ZMR 2007, 976. LG Hamburg v. 10.9.2010 – 318 S 24/09, NZM 2011, 589 = ZMR 2011, 226. AG Charlottenburg v. 14.1.2011 – 73 C 145/10, ZMR 2012, 48. OLG Frankfurt v. 6.4.2010 – 20 W 78/08, MDR 2010, 1108. BayObLG v. 20.4.2000 – 2 Z BR 9/00, ZMR 2001, 906. OLG München v. 13.9.2005 – 32 Wx 71/05, MDR 2006, 258 = ZMR 2006, 300. S.a. BayObLG v. 16.9.1994 – 2 Z BR 78/94, BayObLGReport 1995, 1. BayObLG v. 30.4.2003 – 2 Z BR 87/02, ZMR 2004, 127 für Baumsperren. BayObLG v. 17.2.2000 – 2 Z BR 180/99, NZM 2000, 513.

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10.374

Teil 11 Inhalt des Wohnungseigentums/Störungen durch Eigentümer, Verwalter und Dritte I. Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . 1. Das Sondereigentum i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 WEG . . . . . . . . . . a) Die Rechtsnatur des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen für die Einräumung des Sondereigentums . . . . c) Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung von Sonderund Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt des Sondereigentums cc) Das Wohnungseigentum i.S.d. § 1 Abs. 2 WEG . . . . . dd) Teileigentum i.S.d. § 1 Abs. 3 WEG . . . . . . . . . ee) Gemischtes Wohnungsund Teileigentum . . . . . . . . d) Gesetzliche Schranken des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . aa) Unselbständigkeit des Sondereigentums . . . . . . . . bb) Pflichten des Sondereigentümers gem. § 14 WEG . . . . e) Grenzen des Sondereigentums durch Vereinbarung, § 15 WEG . aa) Auslegung von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . bb) Abänderung von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . cc) Notwendigkeit von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinbarungen im Spiegel der Rechtsprechung . . . . . . (1) Asylbewerberunterkunft . . (2) Abstellraum . . . . . . . . . . . . (3) Büro/Arztpraxis . . . . . . . . . (4) Café . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Freiberufliche Tätigkeit . . . (6) Gaststätte . . . . . . . . . . . . . . (7) Geschäftsräume/gewerbliche Nutzung . . . . . . . . . . (8) Kellerraum . . . . . . . . . . . . . (9) Laden/Ladenlokal . . . . . . .

11.1 11.6 11.7 11.10 11.12 11.14 11.35 11.40 11.54 11.72 11.74 11.75 11.81 11.95 11.101 11.106 11.110 11.118 11.120 11.121 11.122 11.125 11.126 11.127 11.129 11.133 11.135

(10) Medizintouristen/Feriengäste . . . . . . . . . . . . . . . . . . (11) Sauna/Schwimmbad . . . . . (12) Tierarztpraxis . . . . . . . . . . . f) Gebrauchsregelnde Beschlüsse . . aa) Zustandekommen und Wirkung von Beschlüssen . . bb) Grenzen der Beschlusskompetenz . . . . . . . . . . . . . cc) Auslegung von Beschlüssen . g) Gebrauchsregelungen seitens der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . h) Zustimmungsvorbehalt der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gemeinschaftseigentum i.S.d. § 1 Abs. 5 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsnatur des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Schranken . . . . . . . . . aa) Die gesetzlichen Grenzen der §§ 13, 14 und 15 WEG . (1) Die Schranke des § 13 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . . . (2) Grenzen des § 14 WEG . . . . (3) Gebrauchsregelungen gem. § 15 WEG . . . . . . . . . . . . . . (4) Nutzungsrechte gem. § 16 WEG . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebrauchsregelungen seitens der Verwaltung . . . . . . cc) Inhaltliche Grenzen, zulässiger und unzulässiger Gebrauch des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . .

11.137 11.138 11.141 11.143 11.146 11.157 11.164 11.166 11.169 11.177 11.180 11.186 11.187 11.187 11.190 11.193 11.196 11.198

11.200

3. Sondernutzungsrechte . . . . . . . . . . 11.202 a) Rechtsnatur des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 11.203 b) Grenzen des Sondernutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.210 II. Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.217 1. Die Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . . 11.222

Peter

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Teil 11

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

a) Störung des Gemeinschaftseigentums durch die Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtswidrige Beschlüsse der Eigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anfechtungsgründe . . . . . . . (2) Die Abwehr anfechtbarer Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . (3) Nichtige Beschlüsse . . . . . . . (4) Die Nichtigkeitsklage . . . . . (5) Nichtbeschlüsse . . . . . . . . . (6) Schadensersatz wegen rechtswidriger Beschlüsse . . (7) Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands . . . . . . . . . . . . . . . bb) Untätigkeit der Eigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . (1) Vornahmeklage gem. § 21 Abs. 8 WEG . . . . . . . . . (2) Einstweiliger Rechtsschutz . (3) Schadensersatz wegen Unterlassung . . . . . . . . . . . . cc) Besitzstörungen durch die Eigentümergemeinschaft . . b) Beeinträchtigung durch einzelne Wohnungseigentümer, Mieter und sonstige Dritte . . . . . . . . . . aa) Unterlassungsansprüche wegen unzulässiger Nutzung des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . . bb) Schadensersatz . . . . . . . . . . cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gem. § 812 BGB . . . dd) Besitzstörungen durch einzelne Wohnungseigentümer und Dritte . . . . . . . . . . . . . . ee) Nachbarrechtlicher Schutz des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Entziehung des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . c) Die Verletzung des Gemeinschaftseigentums durch den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinschaftseigentumsbezogene Pflichten des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtung zur Instandsetzung/Instandhaltung . . .

652

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11.240 11.242 11.245 11.264 11.272 11.290 11.299 11.301 11.311 11.315 11.321 11.333 11.337 11.342 11.343

11.358 11.372 11.377 11.381 11.384 11.388 11.389 11.390 11.391

(2) Dringende Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einhaltung der Hausordnung und ordnungsgemäße Nutzung des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfüllungsanspruch gegen den Verwalter . . . . . . . . . . . cc) Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter . . . . . . dd) Schadensersatz aus Delikt . . 2. Die Beeinträchtigung des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Störung des Sondereigentums durch die Gemeinschaft . . . . . . . aa) Störung durch rechtswidrige Beschlüsse der Eigentümerversammlung . . . . . . . . (1) Verletzung des Sondereigentums durch Nichtbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . (2) Störung des Sondereigentums durch nichtige Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . (3) Beeinträchtigung durch anfechtbare Beschlüsse . . . . bb) Störung des Sondereigentums durch Unterlassen der Eigentümergemeinschaft . . . (1) Schadensersatzansprüche wegen Unterlassen . . . . . . . . (2) Vornahmeklage gemäß § 21 Abs. 8 WEG . . . . . . . . . b) Störung des Sondereigentums durch andere Wohnungseigentümer und Dritte . . . . . . . . . . . . aa) Besitzstörungen zum Nachteil des Sondereigentums . . . bb) Unterlassungsansprüche wegen Störung des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachbarrechtlicher Schutz des Sondereigentums . . . . . dd) Schadensersatz wegen Verletzung des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beeinträchtigung des Sondereigentums durch die Verwaltung

11.392

11.396 11.398 11.399 11.403 11.404 11.406 11.407 11.413 11.414 11.420 11.426 11.426 11.431 11.434 11.435 11.438 11.441 11.444 11.448

3. Verletzung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.451

Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.7 Teil 11

I. Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums Einen der Schwerpunkte der anwaltlichen Tätigkeit im Bereich des Wohnungseigentums- 11.1 rechts stellt zweifelsohne die Abwehr tatsächlicher oder auch vermeintlicher Störungen von Rechten des Wohnungseigentümers durch einen oder mehrere andere Wohnungseigentümer, die Eigentümergemeinschaft als Ganzes, die Verwaltung oder Dritte, insbesondere Mieter eines Eigentümers, dar. Aufgrund der verschiedenen verfahrens- und materiell-rechtlichen Folgen, die hieraus resultieren, ist bei solchen Mandaten zunächst sorgfältig zu ermitteln, welches Recht des Wohnungseigentümers verletzt wird. Ist dieser als Teil der Gemeinschaft gemeinsam mit den anderen Eigentümern oder alleine als Sondereigentümer betroffen?

11.2

Dementsprechend ist zunächst insbesondere zwischen dem Gemeinschaftseigentum, dem Sondereigentum, Sondernutzungsrechten und weiteren, ggf. durch Vertrag eingeräumten Rechten zu unterscheiden. Des Weiteren ist im Hinblick auf die Frage, gegen wen Abwehransprüche geltend zu machen sind, konkret herauszuarbeiten, von wem die Rechtsverletzung ausgeht. Hier ist vor allem zwischen der Eigentümergemeinschaft als Ganzes und einzelnen bzw. Gruppen von Eigentümern zu differenzieren, da dies wiederum weitreichende prozessuale Konsequenzen insbesondere hinsichtlich der Passivlegitimation mit sich bringt.

11.3

Spiegelbildlich stellt sich die gleiche Aufgabenstellung bei Mandatserteilung durch den angeblichen oder tatsächlichen Störer sowie durch einen mandatierenden Eigentümer, die mandatierende Gemeinschaft oder Verwaltung bzw. einen Dritten, der ein bestimmtes beabsichtigtes Verhalten auf eine mögliche Verletzung von Rechten der übrigen Wohnungseigentümer, der Eigentümergemeinschaft oder eines einzelnen Eigentümers überprüft wissen will. Letztlich ist hier das gleiche Procedere zu beachten.

11.4

Grundlage jeder Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Handelns, welches wohnungseigentumsrechtliche Rechtspositionen tangiert, ist zunächst die Auseinandersetzung mit den Rechtspositionen des Sondereigentums, des Gemeinschaftseigentums und der sog. Sondernutzungsrechte, was nachfolgend geschehen soll.

11.5

1. Das Sondereigentum i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 WEG § 1 Abs. 1 WEG bestimmt, dass an Wohnungen Wohnungseigentum und an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes Teileigentum begründet werden kann. Als Oberbegriff für das Wohnungseigentum und das Teileigentum verwendet das Wohnungseigentumsgesetz in § 1 Abs. 2 und 3 WEG den Begriff des Sondereigentums. Dieser stellt somit nichts anderes als einen Sammelbegriff für das Wohnungseigentum und das Teileigentum, die sich letztlich in ihrer Zweckbestimmung, d.h. der zulässigen Nutzung, unterscheiden, dar. In ihrer rechtlichen Behandlung unterscheiden sich Wohnungseigentum und Teileigentum nicht (vgl. § 1 Abs. 6 WEG, § 7 Abs. 5 WEG).

11.6

a) Die Rechtsnatur des Sondereigentums Ausgangspunkt für die Entstehung des Wohnungseigentumsgesetzes war der Umstand, dass das BGB das Alleineigentum an realen Gebäudeteilen gem. §§ 93, 94 BGB nicht zulässt. Die Aufgabe, einem Miteigentümer die alleinige Verantwortung für Teile eines Gebäudes zu übertragen, konnten die Rechtsinstitute des BGB, die Bruchteilsgemeinschaft mit VerwaltungsPeter

653

11.7

Teil 11 Rz. 11.7

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

und Benutzungsregelungen (§§ 746, 751, 1008, 1010 BGB) sowie das Wohnungsrecht i.S.d. § 1093 BGB wegen unzureichender Handhabbarkeit sowie fehlender Veräußerlichkeit und Beschränkung auf Wohnzwecke im Falle des Wohnungsrechtes nicht erfüllen, sodass der Bedarf an Rechtsinstituten bestand, die einerseits das isolierte Eigentum an Teilen eines realen Gebäudes zulassen und zum anderen unabhängig von der Frage der Nutzung zu Wohn- oder sonstigen Zwecken eine Veräußerbarkeit gewährleisten.

11.8 Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er mit der Schaffung des Sondereigentums ein Rechtsinstitut kreiert hat, bei dem der Miteigentümer hinsichtlich des Grundstücks und wesentlicher Gebäudeteile Miteigentümer, sprich Rechtsträger des Bruchteilsmiteigentums i.S.v. § 1008 ff. BGB wird, hiermit verbunden jedoch das Sondereigentum an Räumen erwirbt, die der Miteigentümer alleine, sei es zu Wohnzwecken, sei es zu gewerblichen oder sonstigen Zwecken nutzt. Grob gesprochen wird dem Sondereigentümer somit das Miteigentum an dem Grundstück und wesentlichen Teile des Gebäudes und das Allein- bzw. Sondereigentum an den von ihm zur ausschließlichen Nutzung übertragenen Räumlichkeiten eingeräumt. Hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums ist der Miteigentümer somit gemeinsam mit den übrigen Eigentümern berechtigt und verpflichtet. Soweit das Sondereigentum in Rede steht, ist er dies alleine.

11.9 Gem. § 3 Abs. 1 WEG sieht der Gesetzgeber in der Einräumung des Sondereigentums eine Beschränkung des Miteigentums der übrigen Eigentümer am Grundstück i.S.d. § 1008 BGB. b) Voraussetzungen für die Einräumung des Sondereigentums

11.10 Die Einräumung von Sondereigentum setzt stets voraus, dass nicht nur einzelnen, sondern jedem der Miteigentümer abweichend von § 93 BGB Sondereigentum an einem bestimmten Teil des Gebäudes eingeräumt wird, wobei es gleichgültig ist, ob eine Nutzung zu Wohnzwecken oder sonstigen Zwecken erfolgen soll (§ 3 Abs. 1 Hs. 2 WEG). Eine Wohnungseigentümergemeinschaft, bei der ein Miteigentumsanteil nicht zwingend auch mit einem Sondereigentum korrespondiert, ist damit kraft Gesetzes ausgeschlossen.

11.11 Weitere Voraussetzung für die Begründung des Sondereigentums ist, dass die Wohnungen oder sonstigen Räume in sich abgeschlossen sind (§ 3 Abs. 2 S. 1 WEG). Dabei gelten Garagenstellplätze schon dann als abgeschlossene Räume, wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind (§ 3 Abs. 2 S. 2 WEG). Sie sind daher sondereigentumsfähig. c) Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums

11.12 Sieht der Gesetzgeber in der Einräumung des Sondereigentums eine Beschränkung des Miteigentumsrechtes der übrigen Wohnungs-/Teileigentümer, kommt der Abgrenzung des Gegenstandes und des Inhalts des Sondereigentums ganz erhebliche Bedeutung zu.

11.13 Der Gesetzgeber nimmt diese Abgrenzung in § 5 WEG vor. Danach sind Gegenstand des Sondereigentums die gem. § 3 Abs. 1 WEG bestimmten Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentumsrecht eines anderen Wohnungseigentümers beeinträchtigt wird. Darüber hinaus darf auch eine Veränderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes nicht erfolgen (§ 5 Abs. 1 WEG). Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, 654

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.20 Teil 11

können nicht Gegenstand des Sondereigentums sein, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden (§ 5 Abs. 2 WEG). aa) Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum Die Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum erfolgt danach mittels folgendem Kriterienkatalog:

11.14

Checkliste:

11.15

l Handelt es sich um Räume, die nicht verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum beeinträchtigt wird? l Wird durch die Veränderung, Beseitigung oder Einfügung ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt? l Wird die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert? l Handelt es sich um Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand erforderlich sind? l Handelt es sich um Teile des Gebäudes, die für dessen Sicherheit erforderlich sind? l Handelt es sich um eine Anlage oder eine Einrichtung, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dient? Ist bei der Prüfung der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eine Verletzung von Sonder- oder Gemeinschaftseigentum zur Folge hat, eine der vorstehenden Fragen positiv zu beantworten, steht fest, dass es sich bei dem verletzten Recht um Gemeinschaftseigentum handelt und somit immer auch die rechtlichen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer tangiert sind.

11.16

Umgekehrt bedeutet die Verneinung der Fragen des vorstehenden Kriterienkatalogs nicht 11.17 zwangsläufig, dass es sich bei den in Rede stehenden Räumlichkeiten, Einrichtungen oder Anlagen um Sondereigentum handelt. Gemäß § 5 Abs. 3 WEG steht es den Wohnungseigentümern nämlich frei, zu vereinbaren, dass Bestandteile des Gebäudes, die nach den gesetzlichen Vorstellungen Gegenstand des Sondereigentums sein können, zum Gemeinschaftseigentum gehören. Neben dem gesetzlich zwingenden Gemeinschaftseigentum kann somit von den Wohnungseigentümern Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum umgewidmet werden. Die rechtliche Behandlung dieser Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen richtet sich dann ausschließlich nach den Vorschriften des Gemeinschaftseigentums. Hinweis: Ergänzend zur vorstehenden Checkliste ist zu prüfen, ob die Wohnungseigentümer in der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung oder einer späteren allseitigen vertraglichen Vereinbarung das fragliche Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum umgewandelt haben.

11.18

Eine gegenläufige Vorschrift, die den Wohnungseigentümern gestatten würde, das in § 5 Abs. 1 und 2 WEG normierte zwingende Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum umzuwandeln, sieht das Gesetz nicht vor. Liegt eines der vorstehenden Kriterien vor, bedeutet dies zwangsläufig, dass von Gemeinschaftseigentum auszugehen ist. Der Prüfung einer abweichenden Vereinbarung von Sondereigentum in der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung etc. bedarf es in diesem Fall also grundsätzlich nicht.

11.19

Soweit Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen regelmäßig Aufzählungen beinhalten, welche Gebäude zum Gemeinschaftseigentum oder zum Sondereigentum zählen,

11.20

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655

Teil 11 Rz. 11.20

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

sind diese Regelungen nur wirksam, soweit sie sich im Rahmen der §§ 5 Abs. 1 und 2 WEG bzw. 3 Abs. 2 WEG bewegen.

11.21 Hinsichtlich der Definition des zwingenden Gemeinschaftseigentums haben sie weitgehend deklaratorische Bedeutung. Wird zwingendes Gemeinschaftseigentum als Sondereigentum ausgewiesen, sind entsprechende Regelungen hinsichtlich des Rechtscharakters der Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen rechtsunwirksam.

11.22 Soweit sich entsprechende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung als Bestandteil der Regelungen über die Verteilung von Instandhaltungs- und Unterhaltskosten finden, stellt sich die Frage, ob unabhängig von der rechtlichen Unwirksamkeit bezüglich des Rechtscharakters des zwingenden Gemeinschaftseigentums eine wirksame Vereinbarung über die Kosten der Unterhaltung bzw. Instandsetzung vorliegt. Insofern ist zwischen der Definition des Rechtscharakters des jeweiligen Gebäudeteils und der hiermit verbundenen Kostentragung zu unterscheiden.

11.23 Zum zwingenden Gemeinschaftseigentum zählt nach dem Vorstehenden somit zunächst das Grundstück als solches einschließlich der darauf befindlichen Gärten und Höfe, die – mangels Abgeschlossenheit und damit fehlender Raumeigenschaft – nicht sondereigentumsfähig sind.1

11.24 Nicht sondereigentumsfähig sind zudem die wesentlichen Bestandteile des Gebäudes, dessen Fundament,2 die Außenwände nebst Putz, die Geschossdecken,3 die tragenden Innenwände,4 das Dach.5

11.25 Weiterhin zwingendes Gemeinschaftseigentum sind zudem sämtliche Bauteile, die aus statischen Gründen Bedeutung für das Gebäude besitzen, so insbesondere auch Pfeiler, denen keine rein dekorative Funktion zukommt.

11.26 Da sämtliche Bestandteile, bei deren Austausch, Beseitigung oder Einfügung auch die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert würde, zwingendes Gemeinschaftseigentum sind, gehören zu diesem auch die Fenster6 einschließlich des Glases, des Fensterrahmens und der Laibungen sowie der Rollladenkästen.7 Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes soll selbst bei Doppelglas die Innenseite des Fensters zwingendes Gemeinschaftseigentum sein.8

11.27 Dementsprechend gehört auch die Haustür nebst Blatt und Rahmen zum zwingenden Gemeinschaftseigentum. Des Weiteren zählen nach der Rechtsprechung des BGH die Wohnungseingangstüren zum Gemeinschaftseigentum.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Grziwotz in Jennißen, § 5 WEG Rz. 22 ff. OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 75/07, ZMR 2008, 232 = NZM 2008, 493. OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 – 34 Wx 75/07, NZM 2008, 493 = ZMR 2008, 232. BayObLG, Beschl. v. 2.2.1995 – 2 Z BR 71/94, NJW-RR 1995, 649. Wicke in Palandt, § 5 WEG Rz. 6. OLG Hamm, Beschl. v. 22.8.1991 – 15 W 166/91, MittBayNot 1991, 260 – Außenfenster. Saarländisches OLG, Beschl. v. 4.10.1999 – 5 W 286/95, FGPrax 97, 56 = ZMR 1997, 31. BayObLG, Beschl. v. 23.2.1995 – 2 Z BR 129/94, NJW-RR 1996, 140. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 212/12, IMR 2014, 23.

656

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.32 Teil 11

Auch nichttragende Wände10 stellen nach ganz überwiegender Meinung zwingendes Gemeinschaftseigentum dar, wenn sie der Abgrenzung des Gemeinschaftseigentums vom Sondereigentum oder der Abgrenzung von Räumen, die im Sondereigentum verschiedener Eigentümer stehen, dienen.

11.28

Wegen fehlender Abgeschlossenheit sind Terrassen generell nicht sondereigentumsfähig.11 Bei Balkonen und Loggien ist demgegenüber zwischen den sog. konstruktiven Balkonbestandteilen, die nicht sondereigentumsfähig sind, und dem Balkon im Übrigen zu unterscheiden, der in Teilen sondereigentumsfähig sein soll. Zu den konstruktiven Balkonbestandteilen zählen insbesondere die Bodenplatte,12 die Isolierungsschicht zum Schutz vor Feuchtigkeit, Kälte und Schall,13 der Abdichtungsanschluss zwischen Gebäude und Balkon,14 die Balkonbrüstung,15 das Balkongeländer16 sowie Trennwände zwischen Balkonen.17

11.29

Auch die wesentlichen Versorgungseinrichtungen, wie Heizungsanlagen und die Warmwasserversorgung sind zwingendes gemeinschaftliches Eigentum. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit ihnen mehr als nur ein Sondereigentum versorgt wird.18

11.30

Da die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet sind, selbst eine Heizungsanlage zu betreiben, vielmehr im Wege des sog. Wärme-Contractings Dritte mit der Energiebelieferung beauftragen können, ist es denkbar, dass hierzu eine vom Wärmelieferanten zur Verfügung gestellte Heizung zum vorübergehenden Gebrauch eingebaut wird. Gem. § 95 Abs. 1 S. 1 BGB wird diese nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes i.S.d. § 94 BGB und verbleibt damit im Eigentum des Wärme-Contractors. Die Heizungsanlage wird in solchen Fällen anders als das Versorgungsleitungsnetz, welches jedenfalls hinsichtlich der Hauptleitungen regelmäßig zwingend Gemeinschaftseigentum ist, kein Gemeinschaftseigentum.19

11.31

Heizkörper wiederum sind nach der ganz herrschenden Meinung20 kein zwingendes Gemeinschaftseigentum, da sie nicht im gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer stehen, sondern lediglich dem jeweiligen Sondereigentum dienen.

11.32

10 BGH, Beschl. v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, NJW 2001, 1212 = NZM 2001, 196 = ZMR 2001, 289; Wicke in Palandt, § 3 WEG Rz. 5. 11 OLG Köln, Beschl. v. 21.4.1982 – 2 Wx 13/82, OLGZ 1982, 413; BayObLG, Beschl. v. 12.8.1983 – 2 Z 86/82, DWE 1984, 30. 12 OLG München, Beschl. v. 30.1.2007 – 34 Wx 116/06, OLG Report München 2007, 331. 13 BayObLG, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 Z BR 81/04, ZMR 2004, 928; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.1998 – 3 Wx 546/97, NJW-RR 1998, 515 = NZM 1998, 269 = ZMR 1998, 304 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, ZMR 1997, 193 f. 14 BayObLG, Beschl. v. 27.4.2000 – 2 Z BR 7/00, WuM 2000, 507 = ZWE 2001, 31. 15 BayObLG, Beschl. v. 1.10.1998 – 2 Z BR 144/98, ZMR 1999, 59; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.10.1994 – 3 Wx 448/94, ZMR 1995, 84. 16 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.1998 – 3 Wx 418/98, ZMR 1999, 350; BayObLG, Beschl. v. 1.10.1998 – 2 Z BR 144/98, ZMR 1999, 59. 17 BayObLG, Beschl. v. 15.2.1984 – 2 Z 111/83, WuM 1985, 31 f. 18 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = NZM 2011, 750 = ZMR 2011, 971 = IMR 2011, 366; BGHZ 109, 179; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 21.9.1983 – 2 U 31/83, ZMR 1984, 33. 19 Weiterführend zum Wärme-Contracting: Schmid, ZMR 2012, 257 f. 20 BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = NZM 2011, 750 = ZMR 2011, 971 = IMR 2011, 366; a.A. Grziwotz in Jennißen, § 5 WEG Rz. 85.

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657

Teil 11 Rz. 11.33

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.33 Sondereigentumsfähig sind demgegenüber alle Teile eines Gebäudes, die ohne Eingriff in ein anderes Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum verändert, beseitigt oder eingefügt werden können. Hier ist insbesondere an nichttragende Wände, den Innenputz, den Fußbodenbelag, soweit er keine schallisolierende Funktion besitzt,21 zu denken. Versorgungsleitungen innerhalb des Sondereigentums, die von den Hauptleitungen abzweigen, stehen regelmäßig im Sondereigentum.22

11.34 Sondereigentumsfähig sind weiterhin Waschbecken, Toilettenbecken und sonstige sanitäre Einrichtungen, da diese per se keine wesentlichen Bestandteile i.S.d. § 94 BGB darstellen. Sondereigentumsfähig sind weiter Fliesen innerhalb der zum Sondereigentum erklärten Räume.23 bb) Inhalt des Sondereigentums

11.35 Das Sondereigentum stellt rechtlich nichts anderes als Alleineigentum dar. § 13 Abs. 1 WEG entspricht daher inhaltlich fast wörtlich der Regelung des § 903 BGB. Er besagt, dass der Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen kann. Danach kann der Wohnungseigentümer mit dem Sondereigentum sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich frei verfahren, wenn nicht gesetzliche Regelungen oder Rechte Dritter dem entgegenstehen.

11.36 Als Eigentümer kann der Sondereigentümer andere von der Einwirkung auf das Sondereigentum ausschließen. Er hat daher das Recht auf Herausgabe im Sinne der §§ 985 ff. BGB sowie auf Beseitigung der Störung des Eigentums und Besitzes gem. §§ 1004 ff. BGB und §§ 858 ff. BGB.

11.37 Da der Sondereigentümer zwingend auch Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums ist, besitzt er neben dem Recht zur alleinigen Nutzung des Sondereigentums das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 13 Abs. 2 S. 1 WEG).

11.38 Begrenzt werden diese Rechte durch die Regelungen der §§ 14 und 15 WEG sowie durch Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft in der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung oder durch Beschlüsse, die beispielsweise eine Hausordnung zum Gegenstand haben können.

11.39 Wie bereits erörtert, unterscheidet das Wohnungseigentumsgesetz hinsichtlich des Sondereigentums zwischen dem Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) und dem Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG). Es trägt damit dem Umstand Rechnung, dass an zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten andere Anforderungen zu stellen sind als beispielsweise an gewerblich genutzte Räume. Auch ist eine gewerbliche Nutzung in vielen Fällen mit der Nutzung von Sondereigentum als Wohnraum, welches sich in direkter räumlicher Nähe befindet, nicht vereinbar. Um entsprechenden Nutzungskonflikten vorzubeugen, soll von Anfang an festgeschrieben werden, welche Räumlichkeiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich Wohnzwecken und welche Räumlichkeiten anderen, insbesondere auch gewerblichen Zwe21 OLG Köln, Beschl. v. 21.9.2001 – 16 Wx 153/01, ZMR 2002, 377; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.2001 – 3 Wx 112/01, NZM 2002, 260 = ZMR 2002, 70. 22 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.5.1998 – 3 Wx 29/98, NJW-RR 1999, 94 = NZM 1998, 864 = ZMR 1998, 652; OLG Hamm, Urt. v. 23.3.1993 – 15 W 362/92, MDR 1993, 866. 23 BayObLG, Beschl. v. 19.3.1998 – 2 Z BR 18/98, WuM 1998, 369 = WE 1999, 25.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.46 Teil 11

cken dienen sollen. Die Unterscheidung dient somit im Wesentlichen einer Zweckbestimmung, die möglichen Konflikten zwischen unterschiedlichen Nutzungsarten vorbeugen soll. cc) Das Wohnungseigentum i.S.d. § 1 Abs. 2 WEG Nachdem § 1 Abs. 2 WEG festschreibt, dass Wohnungseigentum das Sondereigentum an einer Wohnung ist, sind Räume, die in der Teilungserklärung als Wohnungseigentum bezeichnet werden, grundsätzlich nur zu Wohnzwecken zu nutzen.

11.40

Die Rechtsprechung hat jedoch in einer Vielzahl von Fällen auch eine anderweitige Nutzung gestattet. Sie hat sich dabei daran orientiert, ob diese anderweitige Nutzung andere Wohnungseigentümer in der Nutzung ihres Sondereigentums als Wohnung beeinträchtigt. Ist die Nutzung des Sondereigentums zu einem anderen Zweck nicht mit Beeinträchtigungen verbunden, die über die hinausgehen, welche bei einer Nutzung als Wohnraum entstehen, besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich kein Anlass, eine entsprechende anderweitige Nutzung des Wohnungseigentums zu versagen.24

11.41

Zulässig soll die Nutzung von Wohnungseigentum bei Arztpraxen sein mit Personenverkehr zu den üblichen Tageszeiten.25 Kommt es dagegen zu erheblichem Patientenverkehr, was insbesondere bei Gemeinschaftspraxen der Fall ist, geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Nutzung von Wohnraum als Arztpraxis störender ist als die Wohnungsnutzung. Die Nutzung wurde in diesem Fall für unzulässig erklärt.26

11.42

Die Unterhaltung von Büroräumen, insbesondere eines Architekturbüros, wurde als zumutbare Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer angesehen.27

11.43

In gleicher Weise hat die Rechtsprechung den Betrieb einer Steuerberaterpraxis als mit dem Begriff des Wohnungseigentums vereinbar angesehen. Auch hier lag kein übermäßiger Mandantenverkehr vor. Dem Steuerberater sei auch zu gestatten, ein Werbeschild an der Hauswand anzubringen.28

11.44

Demgegenüber wurde der Betrieb einer Tierarztpraxis in zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten als nicht mehr dem Begriff des Wohnungseigentums entsprechend angesehen, was selbst dann gelten soll, wenn in der Gemeinschaftsordnung die Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen Dienstleistung gestattet sein soll.29

11.45

Die dauerhafte Nutzung des Wohnungseigentums zur Unterbringung und Beherbergung immer wieder wechselnder Personen, seien es Aussiedler30 oder Urlaubsgäste,31 ist von der

11.46

24 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2002 – 16 Wx 128/02, NZM 2003, 115 = ZMR 2003, 384; BayObLG, Beschl. v. 13.1.1994 – 2 Z BR 130/93, WuM 1994, 222; BayObLG, Beschl. v. 23.5.1996 – 2 Z BR 19/96, NJW-RR 1996, 1358 = ZMR 1996, 507. 25 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1998 – 3 Wx 500/97, WuM 1998, 112. 26 BayObLG, Beschl. v. 20.7.2000 – 2 Z BR 50/00, NZM 2001, 137 = ZWE 2000, 521 = ZMR 2000, 778. 27 OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.2003 – 15 W 372/02, ZMR 2005, 219 = FGPrax 2004, 12; KG, Beschl. v. 8.6.1994 – 24 W 5760/93, WE 1995, 19. 28 KG, Beschl. v. 8.6.1994 – 24 W 5760/93, WE 1995, 19. 29 OLG München, Beschl. v. 25.5.2005 – 34 Wx 024/05, ZMR 2005, 727. 30 OLG Hamm, Beschl. v. 26.9.1991 – 15 W 127/91, WE 1992, 135. 31 Saarländisches OLG, Beschl. v. 3.2.2006 – 5 W 115/05, NZM 2006, 588 = ZMR 2006, 554.

Peter

659

Teil 11 Rz. 11.46

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

Rechtsprechung bisher regelmäßig als unzulässige Nutzung des Wohnungseigentums angesehen worden.

11.47 Dieser Rechtsprechung ist der BGH entgegengetreten und hat entschieden, dass die Vermietung von Wohnungseigentum an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste grundsätzlich eine zulässige Wohnnutzung darstelle, wenn die Teilungserklärung nichts anderes bestimmt. Weder sei das Sicherheitsgefühl der anderen Wohnungseigentümer verletzt, noch sei generell davon auszugehen, dass die Feriengäste einen weniger sorgfältigen Umgang mit dem Gemeinschaftseigentum pflegten als dauerhafte Nutzer. Darauf, ob es sich steuerlich um eine gewerbliche Vermietung handele, komme es nicht an.32

11.48 Die kurzfristige Überlassung einer in einem Feriengebiet gelegenen Wohnung an Feriengäste war bereits zuvor als zulässig angesehen worden.33

11.49 Die Zulässigkeit der vorübergehenden Vermietung von Wohnungseigentum an Asylbewerber und Flüchtlinge hat der BGH ebenfalls für zulässig erachtet.34

11.50 Die Nutzung von Wohnungseigentum zur entgeltlichen Betreuung von bis zu fünf Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr durch eine Tagesmutter hat die höchstrichterliche Rechtsprechung als unzulässige Nutzung des Wohnungseigentums angesehen.35

11.51 Die Nutzung von Wohnungen als Handwerksbetrieb ist generell nicht mit dem Begriff des Wohnungseigentums vereinbar. Dies gilt auch für schonend auszuübende Gewerbe wie einen Friseursalon.36 Ob dies auch bei größeren Wohnanlagen und einer schonenden Ausübung so zu sehen ist, erscheint fraglich. Letztlich wird es hier auf die Umstände des Einzelfalls ankommen müssen.

11.52 Die Ausübung der Prostitution oder gar der Betrieb eines Bordells stellt nach bisher einhelliger Rechtsprechung generell eine unzulässige Nutzung des Wohnungseigentums dar. Argumentiert wird hier von der Rechtsprechung zum einen mit Sicherheitsaspekten, zum anderen damit, dass sich die Ausübung der Prostitution unter Bewohnern und in der Nachbarschaft, bei Maklern und Interessenten herumspräche. Die in weiten Kreisen der Bevölkerung empfundene Anstößigkeit sei geeignet, die Wohnanlage in Verruf zu bringen, was zu einer Wertminderung des Wohnungseigentums führe. Hieraus resultiere eine nicht hinzunehmende Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer.37 An dieser Rechtslage soll auch das am 20.12.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution nichts geändert haben.38

32 33 34 35

BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = ZMR 2010, 378 = IMR 2010, 103. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.12.1982 – 20 W 613/82, OLGZ 1983, 61. BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, IMRRS 2017, 1595. BGH, Urt. v. 13.7.2012 – V ZR 204/11 zit. nach Entscheidungsdatenbank des BGH, www.bundes gerichtshof.de. 36 BayObLG, Beschl. v. 31.8.2000 – 2 Z BR 39/00, ZWE 2001, 112. 37 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.1989 – 20 W 338/89, OLGZ 1990, 419. 38 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 14.3.2005 – 2 Wx 19/05, ZMR 2005, 644; im Ergebnis ebenso BayObLG, Beschl. v. 8.9.2004 – 2 Z BR 137/04, NZM 2004, 949 = ZMR 2005, 67; AG Wiesbaden, Urt. v. 27.5.2011 – 92 C 5055/10, ZMR 2011, 843.

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Peter

Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.59 Teil 11

Zulässig ist demgegenüber die Nutzung von Wohnraum als Anwaltskanzlei oder Patentanwaltsbüro, wenn diese aufgrund der fachlichen Ausrichtung nur mit geringem Publikumsverkehr verbunden ist.39

11.53

dd) Teileigentum i.S.d. § 1 Abs. 3 WEG Anders als beim Wohnungseigentum i.S.d. § 1 Abs. 2 WEG definiert der Gesetzgeber beim Teileigentum den Nutzungszweck nicht positiv, sondern negativ, indem er bestimmt, dass als Teileigentum alle die im Sondereigentum stehenden Räume zu verstehen sind, die nicht zu Wohnzwecken dienen sollen (§ 1 Abs. 3 WEG).

11.54

Der Nutzungszweck ist bei Teileigentum damit denkbar weit gefasst. Er beinhaltet grundsätzlich jedwede Nutzung, die nicht Wohnzwecken entspricht. In Betracht zu ziehen sind hier insbesondere Nutzungen als Freiberuflerpraxen von Ärzten, Architekten, Rechtsanwälten, gewerbliche Nutzungen wie beispielsweise die als Einzelhandelsgeschäft oder Dienstleistungsunternehmen, aber auch die Nutzung durch Handwerksbetriebe wie Frisörgeschäfte, Änderungsschneidereien etc. In Betracht kommen allerdings auch Nutzungen als Büroräume, Lagerflächen oder schlicht als Kfz-Stellplatz. Anders als bei § 1 Abs. 2 WEG und der Definition des Wohnungseigentums sieht § 1 Abs. 3 WEG ausdrücklich zunächst keine andere Nutzungsbeschränkung vor als die der unzulässigen Wohnnutzung.

11.55

Da es nicht im Interesse der Wohnungseigentümer sein kann, dass im unmittelbaren Umfeld der Wohnnutzung beliebige gewerbliche oder sonstige unabsehbare Nutzungen erfolgen, wird die Zweckbestimmung des Teileigentums regelmäßig in der Teilungserklärung vorgenommen. Diese bestimmt, welche Nutzungsart in einem konkreten Teileigentum zulässig sein soll und legt dies für alle Wohnungseigentümer und die Sonderrechtsnachfolger verbindlich fest. Die Zweckbestimmung der Teilungserklärung hat Vereinbarungscharakter i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG.40

11.56

Bei der Bestimmung des Nutzungszwecks unterscheiden sich Teilungserklärungen erfahrungsgemäß sehr stark. Teilweise wird der Nutzungszweck sehr konkret, teilweise äußerst vage beispielsweise durch die schlichte Angabe, dass das Teileigentum zu „Gewerbezwecken“ genutzt werden könne, bestimmt. Die Feststellung der zulässigen Nutzung kann in letzterem Fall erhebliche Schwierigkeiten bereiten und ist nur im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung einer generalisierenden Betrachtungsweise vorzunehmen.41

11.57

Dabei bezieht die Rechtsprechung allerdings stets auch die konkreten Umstände des Einzelfalls in die Erwägungen der Auslegung ein und berücksichtigt diese beispielsweise bei der Beurteilung der Frage, welche Auswirkungen die beabsichtigte Nutzung üblicherweise auf die übrigen Sondereigentümer oder das Gemeinschaftseigentum hat.42

11.58

Enthalten die Aufteilungspläne der Teilungserklärung Festlegungen zur Nutzung einzelner Räume eines Sondereigentums, werden diese beispielsweise als „Abstellraum“, „Küche“ oder „Bad“ bezeichnet, bedeutet dies regelmäßig keine Festlegung einer konkreten Nutzung i.S.d.

11.59

39 40 41 42

OLG Köln, Beschl. v. 15.2.2002 – 16 Wx 232/01, NZM 2002, 258 = ZMR 2002, 380. KG, Beschl. v. 22.12.2006 – 24 W 126/05, NZM 2007, 604 = ZMR 2007, 299. OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.11.1997 – 3 U 47/96, NZM 1998, 198. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.1998 – 3 Wx 500/97, WuM 1998, 112; BayObLG, Beschl. v. 31.8.2000 – 2 Z BR 39/00, NZM 2001, 138 = ZWE 2001, 112 = ZMR 2001, 41; OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2003 – 15 W 372/02, ZMR 2005, 219.

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Teil 11 Rz. 11.59

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

§ 15 Abs. 1 WEG. Vielmehr handelt es sich hierbei regelmäßig um aus den Planunterlagen des Bauträgers übernommene Nutzungsempfehlungen ohne rechtliche Verbindlichkeit.43 Dies resultiert bereits aus § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG, wonach der Aufteilungsplan die Funktion hat, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen. Die Bestimmung des Nutzungszwecks ist demnach kein gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil des Aufteilungsplans.

11.60 Wie beim Wohnungseigentum gilt auch beim Teileigentum, dass es sich bei der ausdrücklich festgelegten Nutzung nicht um die einzig zulässige Nutzungsart handelt, sondern auch sonstige Nutzungen möglich sind. Voraussetzung hierfür ist, dass die beabsichtigte Nutzung nicht mehr stört als der nach der Zweckbestimmung zulässige Gebrauch und der beabsichtigte Gebrauch mit der Zweckbestimmung nach generalisierender Betrachtungsweise noch vereinbar ist.

11.61 Ein zweckbestimmungswidriger Gebrauch liegt bei Teileigentum generell dann vor, wenn dieses zu Wohnzwecken genutzt wird. Der Bundesgerichtshof hat dies selbst für den Fall eines als „Hobbyraum“ ausgewiesenen Sondereigentums entschieden.44 Bei dem in Rede stehenden Fall hatte der Sondereigentümer den als „Hobbyraum“ in der Teilungserklärung ausgewiesenen Raum als Schlafzimmer genutzt. Der BGH hat die Festlegung in der Teilungserklärung als Zweckbestimmung im engeren Sinne gemäß § 15 Abs. 1 WEG angesehen. Danach sei eine Nutzung zu Wohnzwecken generell ausgeschlossen.45

11.62 Für ein als „Keller“ bezeichnetes Teileigentum, welches als Wohnung genutzt werden sollte, hatte dies die obergerichtliche Rechtsprechung bereits zuvor entschieden.46

11.63 Die Nutzung eines Teileigentums, dessen bauliche Gestaltung eine heimtypische Beschaffenheit ausweist und für einen auch in einer Wohngemeinschaft unüblich großen Personenkreis ausgelegt ist, als Flüchtlings- oder Asylbewerberunterkunft mit gemeinsamer Nutzung von Küche und Sanitäranlagen ist eine zulässige Nutzung des Teileigentum, deren Unterlassung die übrigen Wohnungseigentümer nicht verlangen können.47

11.64 Bei der Bestimmung der Teilungserklärung, dass das Teileigentum „gewerblichen Zwecken“ dienen soll, hat die Rechtsprechung die Nutzung des Teileigentums als Erotikgeschäft mit Videothek zugelassen.48 Begründet hat sie dies damit, dass die Wohngegend im konkreten Fall durch ähnliche Geschäfte und Unterhaltungsbetriebe geprägt sei. Der Betrieb von Einzelvideokabinen wurde demgegenüber als unzulässige Nutzung des Teileigentums angesehen.49

43 OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2006 – 15 W 163/05, NZM 2007, 294 = ZMR 2006, 634; bestätigt durch BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 40/09, MDR 2010, 434 = ZWE 2010, 461. 44 BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – V ZA 1/11, IMR 2011, 418. 45 BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – V ZA 1/11, IMR 2011, 418. 46 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 14.12.2005 – 3 W 196/05, MDR 2006, 744; s.a. BayObLG, Beschl. v. 7.7.2004 – 2 Z BR 89/04, ZMR 2004, 925. 47 BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, IMRRS 2017, 1595. 48 KG, Beschl. v. 16.2.2000 – 24 W 3925/98, NJW-RR 2000, 1253 = NZM 2000, 879 = ZMR 2000, 402. 49 KG, Beschl. v. 16.2.2000 – 24 W 3925/98, NJW-RR 2000, 1253 = NZM 2000, 879 = ZMR 2000, 402.

662

Peter

Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.70 Teil 11

Ebenfalls zulässig ist der Betrieb einer Spielothek in einem zu Gewerbezwecken bestimmten Teileigentum.50 Dabei wird von der aktuellen Rechtsprechung maßgeblich darauf abgestellt, ob die Teilungserklärung den Betrieb eines Gewerbes im fraglichen Sondereigentum uneingeschränkt zulässt. Sei dies der Fall, müsse hierhinter zurücktreten, dass der Betrieb einer Spielothek in weiten Kreisen der Öffentlichkeit negativ beurteilt werde und zu einer Abwertung des Wohnumfeldes führe.51 Bisher war dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung weitgehend problematisiert worden.52

11.65

Die Ausübung der Prostitution in zu „Gewerbezwecken“ bestimmtem Teileigentum ist nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung unzulässig, da hiermit eine öffentliche Missbilligung und Wertminderung der übrigen Sondereigentumseinheiten einhergehe.53 Dies gilt auch für Swingerclubs54 und Massagepraxen mit entsprechender Ausrichtung.55

11.66

Die Nutzung von Teileigentum als Swingerclub ist von der Rechtsprechung im Übrigen generell als unzulässige Nutzung des Teileigentums angesehen worden, da die Nutzung mit einem sozialen Unwerturteil behaftet sei und von weiten Teilen der Bevölkerung als anstößig empfunden werde, was einen Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG darstelle.56

11.67

Das Anbringen einer Außenwerbung, die auf einen im Sondereigentum zulässigerweise betriebenen Gewerbebetrieb hinweist, stellt eine ordnungsgemäße Nutzung des Sondereigentums dar und ist auch im Bereich der Außenfront der Wohnungseigentumsanlage zulässig.57

11.68

Keine zulässige Nutzung des in der Teilungserklärung als „Laden“ bzw. „Ladeneinheit“ bezeichneten Sondereigentums stellt die Nutzung als Geschäftsstelle und Vereinsheim für einen Dartclub dar.58 Dies deshalb, da von einem Vereinsheim regelmäßig weitergehende Beeinträchtigungen ausgehen als dies bei einem Laden der Fall ist. Letzterer habe – so die Entscheidungsgründe – öffentlich-rechtlich normierte Öffnungszeiten zu berücksichtigen. Auch unterscheide sich der Kundenkreis von den Besuchern eines Vereinslokals dadurch, dass diesem nicht die ständige Möglichkeit des Verzehrs bzw. Konsums alkoholischer Getränke eingeräumt werde. Es sei daher mit negativen Auswirkungen auf die Nachbarn bzw. benachbarte Sondereigentumseinheiten zu rechnen.59

11.69

Ebenfalls unzulässig ist bei der Bestimmung des Teileigentums als „Ladeneinheit“ der Betrieb eines Billardcafés. Hier werden von der Rechtsprechung gleichlautende Überlegungen wie beim Vereinsheim zur Versagung der Nutzung angeführt.60

11.70

50 LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.10.2010 – 11 S 200/09, IMR 2011, 68. 51 LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.10.2010 – 11 S 200/09, IMR 2011, 68. 52 OLG Hamm, Beschl. v. 25.9.1989 – 15 W 314/88; BayObLG, Beschl. v. 9.2.2005 – 2 Z BR 170/04, NZM 2005, 463. 53 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.6.1999 – 14 Wx 35/99, NJW-RR 2000, 89 = NZM 2000, 194; BayObLG, Beschl. v. 22.6.1995 – 2 Z BR 40/95, NJW-RR 1995, 1228; LG Tübingen, Beschl. v. 29.12.1999 – 5 D 338/99, MDR 2000, 386. 54 BayObLG, Beschl. v. 16.6.2000 – 2 Z BR 178/99, NJW-RR 2000, 1323 = NZM 2000, 871 = ZMR 2000, 689. 55 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 9.10.2008 – 2 Wx 76/08, IMR 2009, 18. 56 BayObLG, Beschl. v. 16.6.2000 – 2 Z BR 178/99, NJW-RR 2000, 1323 = NZM 2000, 871 = ZMR 2000, 689. 57 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.12.1981 – 20 W 151/81, Rpfleger 1982, 64. 58 AG Siegburg, Urt. v. 13.11.2009 – 150 C 47/09, IMR 2010, 109. 59 AG Siegburg, Urt. v. 13.11.2009 – 150 C 47/09, IMR 2010, 109. 60 LG Bonn, Beschl. v. 11.8.2004 – 8 T 96/04, n.v.

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663

Teil 11 Rz. 11.71

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.71 Hinweis: Berät man den Eigentümer eines gewerblich zu nutzenden Teileigentums bezüglich der Vermietung oder den Mieter, der beabsichtigt, ein entsprechendes Teileigentum anzumieten, ist sorgfältigst zu prüfen, ob die beabsichtigte Nutzung tatsächlich mit den Vorgaben der Teilungserklärung in Einklang zu bringen ist. Bei Zweifeln an der Zulässigkeit der beabsichtigten Nutzung sollten diese im Vertrag thematisiert werden und das Risiko im Wege der Vertragsgestaltung – je nachdem, wer vertreten wird – auf die Mietpartei bzw. den Vermieter abgewälzt werden. Von formularmäßigen Vereinbarungen sollte in diesem Zusammenhang möglichst abgesehen werden.

ee) Gemischtes Wohnungs- und Teileigentum

11.72 Fraglich erscheint, ob Sondereigentum als gemischtes Wohnungs- und Teileigentum in der Teilungserklärung festgelegt und im Grundbuch eingetragen werden kann. Die gesetzliche Definition des Teileigentums i.S.d. § 1 Abs. 3 WEG, nach der Teileigentum gerade die „nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume“ sind, spricht zunächst einmal dagegen, Wohnungs- und Teileigentum in ein und demselben Sondereigentum vereinigen zu können. Dies gilt in gleicher Weise für die Legaldefinition des Wohnungseigentums gem. § 1 Abs. 2 WEG, wonach Wohnungseigentum das Sondereigentum an einer „Wohnung“ ist. Die Eintragung eines gemischten Wohnungs- und Teileigentums könnte demnach als contra legem anzusehen sein.

11.73 Da die Rechtsprechung auf der anderen Seite insbesondere beim Wohnungseigentum auch andere Nutzungsarten, beispielsweise den Betrieb freiberuflicher Praxen, gestattet und die Rechtsbegriffe des Wohnungs- und Teileigentums somit auslegt, dürfte es ein übertriebener Formalismus sein, eine Nutzung von Sondereigentum zu Wohnzwecken und weiteren ggf. über eine Wohnungsnutzung hinausgehenden Zwecken für unzulässig zu erachten. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn das in Rede stehende Sondereigentum sowohl Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, die zu Wohnzwecken genutzt werden können, als auch Räumlichkeiten aufweist, in denen eine andere Nutzung ausgeübt werden kann.61 d) Gesetzliche Schranken des Sondereigentums

11.74 Neben den den Legaldefinitionen des Wohnungs- und Teileigentums immanenten Nutzungsbeschränkungen beinhaltet das Wohnungseigentumsrecht weitere gesetzliche Schranken, denen das Sondereigentum unterliegt. Wie bereits dargelegt, ist die Begründung von Sondereigentum ohne gleichzeitige Begründung eines Miteigentumsanteils rechtlich ausgeschlossen. Dies gilt jedoch nicht nur für die Begründung von Wohnungseigentum, sondern auch für die Veräußerung und Belastung desselben. aa) Unselbständigkeit des Sondereigentums

11.75 Gem. § 6 Abs. 1 WEG kann Sondereigentum generell nicht ohne den Miteigentumsanteil, zu dem es gehört, veräußert oder belastet werden. Insofern besteht eine enge rechtliche Verbindung.

11.76 Eine Auflassung, die darauf gerichtet ist, dass das Sondereigentum als Ganzes ohne Miteigentumsanteil, ein Teil des Sondereigentums – einzelne Räume – ohne Miteigentumsanteil oder der Miteigentumsanteil ohne das Sondereigentum auf einen Dritten übertragen wird, ist gem. § 6 Abs. 1 WEG rechtsunwirksam.62 Will ein Wohnungseigentümer einen Teil seines Sonder61 Rapp in Staudinger (2018), § 1 WEG Rz. 11. 62 BayObLG, Beschl. v. 14.3.1985 – BReg. 2 Z 90/84, DNotZ 1986, 86.

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Peter

Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.82 Teil 11

eigentums, der hierzu natürlich die Voraussetzungen der Abgeschlossenheit erfüllen muss, auf einen noch nicht zur Gemeinschaft gehörenden Dritten übertragen, muss stets auch ein dem Teil des Sondereigentums entsprechender Teil des Miteigentumsanteils übertragen werden. Geschieht dies nicht, ist die Übertragung rechtsunwirksam. Aus der Regelung des § 6 Abs. 1 WEG folgt auch, dass die isolierte Übertragung eines Sondernutzungsrechtes auf einen außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Dritten unzulässig ist, wenn nicht gleichzeitig ein Teil des Sondereigentums und des Miteigentumsanteils übertragen wird.63

11.77

Gemäß § 6 Abs. 2 WEG erstrecken sich Rechte am Miteigentumsanteil stets auf das zu ihm gehörende Sondereigentum. Auch hieraus ergibt sich, dass Sondereigentum und Miteigentum rechtlich eng verbunden sind.

11.78

Durchbrochen wird dieses Prinzip im Falle der Verfügung über den Miteigentumsanteil, wenn diese in nicht gegen § 6 WEG verstoßender Form erfolgt. So ist die alleinige Übertragung von Miteigentumsanteilen von einem Wohnungseigentümer auf den anderen Wohnungseigentümer, die zu einer Änderung der Miteigentumsquote führt, generell zulässig und durch § 6 nicht ausgeschlossen.64 Einer gleichzeitigen Verfügung über das Sondereigentum bedarf es in solchen Fällen nicht, da der Miteigentumsanteil nicht notwendig dem Wert des dazugehörigen Sondereigentums oder dessen Fläche entsprechen muss.65

11.79

Auch eine alleinige Verfügung über einen Teil des Sondereigentums, beispielsweise anlässlich der Übertragung eines Kellerraums durch einen Wohnungseigentümer an einen anderen Wohnungseigentümer, ist ohne gleichzeitige Veränderung der Miteigentumsanteile grundsätzlich zulässig.66 Da sich für die übrigen Wohnungseigentümer hierdurch nichts ändert, ist deren Beteiligung anlässlich einer entsprechenden isolierten Verfügung über das Sondereigentum nicht erforderlich.

11.80

bb) Pflichten des Sondereigentümers gem. § 14 WEG Gemäß § 14 Nr. 1 WEG hat der Wohnungseigentümer die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Er hat darüber hinaus gem. § 14 Nr. 2 WEG dafür Sorge zu tragen, dass die vorstehenden Pflichten auch durch andere Personen, die zu seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb gehören oder denen er die Benutzung des Sonder- oder Miteigentums gestattet hat, eingehalten werden.

11.81

Den Sondereigentümer treffen somit folgende Pflichten:

11.82

– Instandhaltung des Sondereigentums – Gebrauch nur in der Weise, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst 63 64 65 66

BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, NJW 1979, 548 = ZMR 1979, 380. BGH, Urt. v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976 = ZMR 1977, 81. BGH, Urt. v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976 = ZMR 1977, 81. Wicke in Palandt, § 6 WEG Rz. 3.

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Teil 11 Rz. 11.82

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

– Überwachung und Einwirkung auf Personen, die zum Hausstand oder Geschäftsbetrieb des Sondereigentümers gehören – Überwachung und Einwirkung auf Personen, denen das Sonder- oder Miteigentum zur Nutzung überlassen wurde.

11.83 Die Regelungen des § 14 grenzen damit den gemäß § 13 WEG grundsätzlich unbeschränkten Gebrauch des Sondereigentums ein. Der Gesetzgeber bedient sich hierzu einer Generalklausel, mit der ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Sondereigentümern bei Benutzung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums erreicht werden soll. Wohnungs- und Teileigentümer sollen die in ihrem Sondereigentum stehenden Räumlichkeiten nur in der Weise nutzen, dass Interessen anderer Sondereigentümer nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben übliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Ziel ist ein friedliches und geordnetes Zusammenleben bestimmt vom Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.67

11.84 Soweit der Gesetzgeber verlangt, dass den übrigen Miteigentümern durch die Nutzung keine Nachteile entstehen dürfen, handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Auslegung bedarf. Die Rechtsprechung hat diese dahin vorgenommen, dass unter dem Begriff des Nachteils jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen ist.68 Dabei fallen unter den Begriff der Beeinträchtigung nur konkrete und objektiv nachweisbare Beeinträchtigungen. Eine rein subjektiv empfundene Beeinträchtigung, die aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht nachzuvollziehen ist, stellt demgegenüber keinen Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG dar. Demzufolge bleiben ganz geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht.69 Entscheidend ist letztlich die Verkehrsanschauung.70

11.85 Zur Beantwortung der Frage, welche Beeinträchtigungen hingenommen werden müssen, können regelmäßig geltende DIN-Vorschriften herangezogen werden. Dies gilt insbesondere im Bereich des Schallschutzes.71 Hier ist auf die DIN 4109 abzustellen. Über das übliche Maß hinausgehende Nachteile für die anderen Sondereigentümer sind in diesem Zusammenhang u.a. bei Geräuschimmissionen durch eine gewerbliche Kinderbetreuung72 und bei Tennisspiel innerhalb einer Wohnung73 angenommen worden.

11.86 Soweit Geräuschimmissionen von Kindern in Rede stehen, ist allerdings das 2011 in Kraft getretene Gesetz über Kinderlärm in Wohngebieten und die damit verbundene Änderung des § 22 BImSchG zu berücksichtigen. Danach sind entsprechende Geräuschimmissionen regelmäßig hinzunehmen (§ 22 Abs. 1a BImSchG) beziehungsweise stellen keine schädliche Umwelteinwirkung dar. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenzund -richtwerte nicht herangezogen werden. Die Fortgeltung der zu Kinderlärm in der Vergangenheit ergangenen Rechtsprechung erscheint danach mehr als fraglich. Die vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen werden jedenfalls in Zukunft zu berücksichtigen sein.

67 68 69 70 71

BayObLG, Beschl. v. 21.11.1980 – 2 Z 72/80, DWE 1981, 58. OLG Celle, Beschl. v. 28.11.2001 – 4 W 203/01, ZWE 2002, 371. BayObLG, Beschl. v. 1.7.1980 – 2 Z 23/79, ZMR 1980, 381. BGH, Beschl. v. 19.12.1992 – V ZB 27/90, NJW 1992, 978 = ZMR 1992, 167. BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, IMR 2012, 327; BayObLG, Beschl. v. 18.11.1999 – 2 Z BR 77/99, NJW-RR 2000, 747 = NZM 2000, 504 = ZMR 2000, 311. 72 KG, Beschl. v. 15.4.1992 – 24 W 3386/91, NJW-RR 1992, 1102 = ZMR 1992, 351. 73 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.6.1996 – 5 W 82/96, ZMR 1996, 567.

666

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.94 Teil 11

Liegt eine Anlage mit überwiegend jüngeren Mitgliedern vor, soll es nach der Rechtsprechung zum geordneten Zusammenleben gehören, dass spielende Kinder und dazugehörige – auch größere – Spielgeräte auf Gemeinschaftsflächen hinzunehmen sind.74

11.87

Ebenfalls zulässig ist das Aufstellen eines Trampolins im Sommer auf einer mit Sondernutzungsrecht versehenen Gartenfläche, die laut Gemeinschaftsordnung als „Ziergarten“ zu nutzen ist.75

11.88

Die vorstehenden Handlungs- und Unterlassungspflichten werden durch Duldungspflichten des Sondereigentümers ergänzt. So hat der Sondereigentümer Einwirkungen auf das Sondereigentum zu dulden, soweit sie auf einem zulässigen Gebrauch eines anderen Sonder- oder des Gemeinschaftseigentums beruhen (§ 14 Nr. 3 WEG).

11.89

Darüber hinaus hat der Wohnungseigentümer das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist (§ 14 Nr. 4 WEG). Dem Sondereigentümer entstehende Schäden sind von der Gemeinschaft zu ersetzen (§ 14 Nr. 4 letzter Hs. WEG).

11.90

Bei Heranziehung öffentlich-rechtlicher Normen zur Bestimmung der (Un-) Zulässigkeit einer Nutzung des Sondereigentums ist grundsätzlich zunächst zu klären, ob die in Rede stehenden Vorschriften auch drittschützenden Charakter haben.76

11.91

Soweit Wertungen der Nachbarrechtsgesetze auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander übertragbar sind, können diese im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden.77

11.92

Die Verpflichtung des Sondereigentümers, das Sondereigentum instand zu halten, umfasst grundsätzlich alle Instandsetzungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um Nachteile für das Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum zu vermeiden. Für solche Schäden, die keine Auswirkungen auf das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer oder das Gemeinschaftseigentum haben und auch nicht später haben können, besteht demzufolge eine Instandsetzungsverpflichtung nicht. Der Sondereigentümer muss das Sondereigentum nicht schon dann instand setzen, wenn es einen Schaden aufweist oder sich ein solcher abzeichnet. Erforderlich ist vielmehr, dass hiermit Nachteile für die übrigen Wohnungseigentümer verbunden sein werden oder bereits sind.

11.93

Die Instandsetzungsverpflichtung umfasst die Durchführung aller erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen und die diesbezügliche Kostentragung durch den Sondereigentümer. Sie erstreckt sich auf sämtliche Bauteile, Anlagen und Einrichtungen, die Bestandteil des Sondereigentums sind.

11.94

74 75 76 77

OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 1167. AG München, Urt. v. 8.11.2017 – 485 C 12677/17, IMR 2018, 67. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.8.1998 – 5 W 173/98-52, NZM 1999, 265. OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2002 – 15 W 77/02, NJW-RR 2003, 230 = NZM 2003, 156 = ZMR 2003, 372.

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667

Teil 11 Rz. 11.95

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

e) Grenzen des Sondereigentums durch Vereinbarung, § 15 WEG

11.95 Das Wohnungseigentumsgesetz räumt den Miteigentümern zwei Möglichkeiten ein, den Gebrauch des Sondereigentums durch vom Gesetz abweichende Regelungen zu gestalten. Es handelt sich zum einen um die Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG und zum anderen den Beschluss durch Stimmenmehrheit gemäß § 15 Abs. 2 WEG. Da es sich bei Vereinbarungen i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG um solche des § 10 Abs. 2 S. 2 WEG handelt, gelten diese gegenüber Sondernachfolgern nur, wenn sie gem. § 10 Abs. 3 WEG als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen worden sind. Geschieht dies nicht, können sie gegenüber Sondernachfolgern keine Wirkung entfalten.

11.96 Beschlüsse bedürfen demgegenüber gem. § 10 Abs. 4 WEG zu ihrer Wirksamkeit gegen Sondernachfolgern nicht der Eintragung in das Grundbuch.

11.97 Da es sich bei einer Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG um einen rechtsgeschäftlichen Vertrag der Wohnungseigentümer handelt, bedarf es zu ihrem Zustandekommen Willenserklärungen sämtlicher Wohnungseigentümer.78 Ein bestimmtes Formerfordernis besteht für die Willenserklärungen nicht.79

11.98 Inhaltlich unterscheiden sich Vereinbarungen i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG von Beschlüssen i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG dadurch, dass mit ihnen der Rahmen des ordnungsgemäßen Gebrauchs selbst definiert wird, während durch Beschlüsse der vorgegebene Rahmen inhaltlich ausgefüllt wird. Sowohl die Teilungserklärung als auch die Gemeinschaftsordnung und nachfolgende Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft unterliegen der gesetzlichen Inhaltskontrolle.80

11.99 Verstößt eine Regelung gegen gesetzliche Vorschriften, ist sie gem. § 134 BGB nichtig. Das Gleiche gilt, sollte die Regel sittenwidrig sein (§ 138 BGB). Entspricht sie nicht billigem Ermessen (§ 315 BGB) oder verstößt sie gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), ist sie ebenfalls rechtlich unwirksam.81

11.100 Wird das Recht des Miteigentümers als Eigentümer übermäßig beeinträchtigt oder gar verletzt, ist die entsprechende Regelung unwirksam. aa) Auslegung von Vereinbarungen

11.101 Ist der Inhalt der Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung oder einer späteren Vereinbarung der Wohnungseigentümer unklar, ist er im Wege der Auslegung zu ermitteln. Auszulegen sind ggf. auch die in Bezug genommenen Zeichnungen, Beschreibungen und Pläne.82 Nach der Rechtsprechung des BGH83 sind bei der Auslegung nutzungsdefinierender Vereinbarungen die Auslegungsgrundsätze für Grundbucheintragungen heranzuziehen.

11.102 Damit ist unter Heranziehung des Wortlauts der Sinn der Vereinbarung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu ermitteln.84 78 BayObLG, Beschl. v. 15.7.1993 – 2 Z BR 68/93, WE 1994, 251. 79 BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2 Z BR 1/02, NZM 2002, 747 = NJW-RR 2003, 9 = ZMR 2002, 848 f. 80 BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – V ZB 51/03, NJW 2004, 937 = ZMR 2004, 438. 81 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1972 – BReg. 2 Z 54/72, NJW 1973, 151. 82 BGH, Beschl. v. 21.2.1991 – V ZB 13/90, NJW 1991, 1613 = ZMR 1991, 230. 83 BGH, Beschl. v. 21.2.1991 – V ZB 13/90, NJW 1991, 1613 = ZMR 1991, 230. 84 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, NJW 1994, 2950 = ZMR 1994, 271.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.108 Teil 11

Maßgeblicher Auslegungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung. Eine spätere Änderung des Willens der Wohnungseigentümer, später hinzutretende Umstände und Ereignisse oder Begriffswandlungen sind unerheblich.85

11.103

Da die Grundsätze der Auslegung von Grundbucheintragungen heranzuziehen sind, nach de- 11.104 nen objektive Gesichtspunkte maßgeblich sind, ist bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen, welche Absicht und welchen Willen die Wohnungseigentümer oder der Bauträger bei Abfassen einer Vereinbarung oder bei Niederlegung einer Teilungserklärung hatten bzw. welche besondere Bedeutung eines verwendeten Begriffs beabsichtigt war,86 sondern wie ein objektiver Dritter die Vereinbarung verstehen durfte, der sich auf den Inhalt des Grundbuchs verlässt. Daher sind auch Dokumente, die nicht Gegenstand des Grundbuchinhalts geworden sind, bei der Auslegung unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt insbesondere für Baubeschreibungen und notarielle Erklärungen des teilenden Alleineigentümers.87

11.105

bb) Abänderung von Vereinbarungen Ist die Vereinbarung durch wirksame Willenserklärungen sämtlicher Wohnungseigentümer zustande gekommen, ist sie nur durch allseitige Vereinbarung abzuändern oder gar aufzuheben. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts. Ein Kündigungsrecht besteht nur, soweit es in der Vereinbarung eingeräumt wurde.

11.106

Ein Beschluss, der darauf gerichtet ist, eine Vereinbarung der Eigentümergemeinschaft abzuändern oder aufzuheben, ist nichtig.88

11.107

Soweit in der Rechtsprechung teilweise davon ausgegangen wird, dass Vereinbarungen zu Gebrauchsregelungen durch konkludentes Handeln oder ständige Übung abgeändert werden können,89 ist dem vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Vertragstreue mit äußerster Zurückhaltung zu begegnen. Zwar bedarf es zum Abschluss einer Vereinbarung – wie dargelegt – keiner bestimmten Form, dies bedeutet jedoch nicht, dass jedwede Nutzung unter Verstoß gegen getroffene Vereinbarungen, die von der Eigentümergemeinschaft nicht umgehend sanktioniert wird, gleich als konkludentes Handeln mit dem Ziel der Änderung der getroffenen Vereinbarung zu verstehen ist. Insbesondere ist zu verlangen, dass den Wohnungseigentümern bewusst ist, dass sie eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben und die hierdurch zustande kommende Vereinbarung Wirkung nicht nur für die Gegenwart, sondern gerade auch für die Zukunft entfaltet.90 Der Umstand, dass die Eigentümergemeinschaft einen Verstoß gegen eine nutzungsdefinierende Vereinbarung nicht sofort unterbindet, kann nicht bedeuten, dass hier automatisch auch eine Änderung der Vereinbarung durch konkludentes Handeln angestrebt wird.

11.108

85 BayObLG, Beschl. v. 22.9.2004 – 2 Z BR 103/04, NZM 2005, 215 = ZMR 2005, 215. 86 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 27.5.1997 – 3 W 81/97, WE 1997, 473; KG, Beschl. v. 22.10.1993 – 24 W 7471/92, NJW-RR 1994, 206 = WE 1994, 55 = ZMR 1994, 27. 87 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.2.1987 – 4 W 41/86, NJW-RR 1987, 651; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 17.9.2001 – 3 W 87/01, ZWE 2002, 47. 88 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, NJW 2000, 3500 = ZWE 2000, 518. 89 OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1998 – 15 W 4/98, NZM 1998, 873. 90 OLG Köln, Beschl. v. 26.4.1996 – 16 Wx 56/96, WE 1997, 197.

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669

Teil 11 Rz. 11.109

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.109 Gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann der einzelne Wohnungseigentümer ausnahmsweise im Rahmen eines Anspruchs eine Anpassung der Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Es handelt sich um einen schuldrechtlichen Anspruch des Wohnungseigentümers gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Abschluss einer abändernden Vereinbarung. Soweit Tatbestandsvoraussetzung hierfür schwerwiegende Gründe sein müssen, die zu einer Unbilligkeit der existierenden Regelung führen, hat der Gesetzgeber durch die WEG-Reform vom 26.3.2007 den Versuch unternommen, die bisher von der Rechtsprechung aufgestellten Hürden, die außerordentlich hoch waren,91 im Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers abzusenken.92 cc) Notwendigkeit von Vereinbarungen

11.110 § 15 Abs. 1 WEG ermöglicht es der Eigentümergemeinschaft, die in der Teilungserklärung durch die Unterscheidung in Wohnungs- und Teileigentum vorgenommene Gebrauchsregelung im weiteren Sinne durch Vereinbarung zu konkretisieren und somit den Gebrauch auszugestalten.

11.111 Will die Eigentümergemeinschaft einen nach § 13 Abs. 1 WEG und § 14 Nr. 1 WEG generell zulässigen Gebrauch des Sondereigentums untersagen, bedarf sie hierzu einer allseitigen Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG.93

11.112 So kann die Eigentümergemeinschaft das im Sondereigentum generell zulässige Musizieren nur mit einer entsprechenden Vereinbarung unterbinden.94 Das Gleiche gilt für das Verbot der Haustierhaltung, die im Wohnungseigentum generell zulässig ist.95 Soll den Wohnungseigentümern entgegen der Regelung des § 13 Abs. 1 WEG, die sie berechtigt, das Sondereigentum zu vermieten, zu verpachten, selbst zu bewohnen oder in sonstiger Weise zu nutzen, die Vermietung, Verpachtung oder Nutzung in einer zulässigen Art und Weise untersagt werden, bedarf auch dies einer allseitigen Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG.96 Der BGH hat Entsprechendes auch für den Fall angenommen, dass den Wohnungseigentümern auferlegt wird, das Sondereigentum nur noch im Sinne betreuten Wohnens zu nutzen.97

11.113 Dem generellen Verbot einer gem. §§ 13 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG zulässigen Nutzung steht die quasi verbotsähnliche Gebrauchsbeschränkung gleich.98 So wurde u.a. entschieden, dass das Verbot der Hunde- und Katzenhaltung eine verbotsähnliche Gebrauchsbeschränkung darstelle, die zu ihrer Wirksamkeit der Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG bedürfe.99 Das Abstellen von Kinderwagen im Treppenhaus ist zulässig und stellt eine nach der vorzunehmenden grundrechtsbezogenen Wertung -insbesondere Art 6 GG- besonders geschützte

91 92 93 94 95 96 97 98 99

BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, NJW 2004, 3413 = NZM 2004, 870. BT-Drucks. 16/887, S. 17 ff. BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95 (LG Landshut), NJW 1995, 2036 = ZMR 1995, 416. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98 (LG Heilbronn), NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955 = ZMR 1999, 41. BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95 (LG Landshut), NJW 1995, 2036 = ZMR 1995, 416. BayObLG, Beschl. v. 10.3.1988 – BReg. 2 Z 123/87, NJW-RR 1988, 1163. BGH, Urt. v. 13.10.2006 – V ZR 289/05, NJW 2007, 213 = NZM 2007, 90 = ZMR 2007, 284. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955 = ZMR 1999, 41. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.1.2011 – 20 W 500/08, ZWE 2011, 363.

670

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.118 Teil 11

sekundäre Wohnnutzung dar, wenn der Zuweg zu den anderen Wohnungen nicht behindert wird und die Gemeinschaft keine anderweitige Gebrauchsregelung getroffen hat.100 Bedarf die Versagung einer gem. §§ 13 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG zulässigen Nutzung des Sondereigentums der Vereinbarung, gilt dies in gleicher Weise für die Gestattung eines nach §§ 13 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG grundsätzlich unzulässigen Gebrauchs des Sondereigentums. Zu denken ist hier insbesondere an Fälle, bei denen der Wohnungseigentümer die aus § 906 BGB resultierenden Rechte überschreitet, indem er in die Rechtssphäre anderer Wohnungseigentümer eingreift, beispielsweise indem Sondereigentum durch andere Wohnungseigentümer genutzt wird.101

11.114

Ausgehend von der Rechtsprechung, wonach das Grillen auf Balkonen grundsätzlich aufgrund der damit verbundenen Brandgefahr sowie der Rauch- und Geruchsimmission gem. § 13 Abs. 1 WEG unzulässig ist,102 bedarf die generelle Genehmigung des Grillens als Einräumung einer an sich unzulässigen Nutzung des Sondereigentums der Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG.103

11.115

Demgegenüber sind Mehrheitsbeschlüsse i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG als ausreichend angesehen worden bei schlichter Ausfüllung der gem. §§ 13 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG zulässigen Nutzung, die u.a. angenommen wurde bei der Beschränkung des Musizierens durch Einhaltung von Ruhezeiten,104 die Regelung der Haustierhaltung durch die Beschränkung der Zahl der Haustiere105 sowie die Regelung der Stellplatznutzung durch Einführung von Zugangszeiten.106

11.116

Auch Regelungen zur Höhe von Heizungstemperaturen,107 zum Bezug von Nachtspeicherstrom108 sowie zu Öffnungszeiten der Haustür109 und zur Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen wie der Waschküche110 hat die Rechtsprechung als durch Beschluss mögliche Ausgestaltung des gesetzlich zulässigen Nutzungsrechtes angesehen. Eine Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG ist hierzu nicht erforderlich.

11.117

dd) Vereinbarungen im Spiegel der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat zweckbestimmende Vereinbarungen und ihren Inhalt i.S.d. § 15 11.118 Abs. 1 WEG in einer kaum zu überblickenden und teils widersprüchlichen Kasuistik auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüft. Aufgrund der zum Teil sehr gegenläufigen Strömungen in der Rechtsprechung sind generalisierende Aussagen über die Unzulässigkeit bzw. Zulässig100 AG Dortmund, Urt. v. 12.12.2017 – 425 C 6305/17, IMR 2018, 66; = BcckRS 2017, 135652. 101 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 22.6.1989 – 3 W 36/89, OLGZ 1990, 51. 102 LG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.1990 – 25 T 435/90, NJW-RR 1991, 1170 = MDR 1991, 52; AG Wuppertal, Beschl. v. 25.10.1976 – 47 OR II 7/76, ZMR 1979, 21. 103 LG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.1990 – 25 T 435/90, NJW-RR 1991, 1170 = MDR 1991, 52. 104 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98 (LG Heilbronn), NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955 = ZMR 1999, 41. 105 KG, Beschl. v. 8.4.1998 – 24 W 1012/97, NJW-RR 1998, 1385 = NZM 1998, 670 = ZMR 1998, 658. 106 OLG München, Beschl. v. 3.4.2007 – 34 Wx 25/07, NZM 2008, 44 = FGPrax 2007, 112 = NJWRR 2007, 1461 = ZMR 2007, 484. 107 BayObLG, Beschl. v. 9.8.1984 – BReg 2 Z 77/83, DWE 1984, 122. 108 BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – BReg. 2 Z 102/87, NJW-RR 1988, 1164. 109 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.1.2009 – 20 W 384/07, DWE 2009, 64. 110 KG, Beschl. v. 27.4.1994 – 24 W 7352/93, NJW-RR 1994, 912 = ZMR 1994, 379.

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671

Teil 11 Rz. 11.118

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

keit von zweckbestimmenden Vereinbarungen im engeren Sinne kaum möglich. In vielen Fällen hat die Rechtsprechung trotz der grundsätzlich vorzunehmenden generalisierenden Betrachtungsweise außergewöhnliche Umstände des konkreten Einzelfalls als ausschlaggebend angesehen. Die nachfolgenden Beispiele aus der Rechtsprechung können somit nur Tendenzen aufzeigen und sind keineswegs eins zu eins auf andere Fälle zu übertragen.

11.119 Hinweis: Aufgrund der Tendenz der Rechtsprechung, konkrete Umstände des Einzelfalls in die Beurteilung der Zulässigkeit und des Regelungsgehaltes zweckbestimmender Vereinbarungen einzubeziehen, empfiehlt es sich in der gerichtlichen Auseinandersetzung stets, die konkreten Umstände herauszuarbeiten, die für oder gegen eine beabsichtigte Nutzung sprechen. Generalisierende Verweise auf Präzedenzfälle bieten dem Gericht dagegen allenfalls einen Anhaltspunkt. Aufgrund der oftmals vorliegenden gegenläufigen Kasuistik können solche Verweise regelmäßig nicht streitentscheidend sein.

(1) Asylbewerberunterkunft

11.120 Die Überlassung von Wohnungen von üblicher Größe und Beschaffenheit an Asylbewerber oder Flüchtlinge stellt bei entsprechender Belegung regelmäßig eine Nutzung des Sondereigentums zu Wohnzwecken dar.111 Einer ausdrücklichen Vereinbarung, dass das Wohnungseigentum hierzu genutzt werden darf, bedarf es insofern nicht. Maßgeblich ist, dass nach einer durchzuführenden Gesamtschau verschiedener Kriterien, die die Art der Einrichtung und ihre bauliche Beschaffenheit einbezieht, eine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises durch die Bewohner gegeben ist. Liegt diese nicht vor und erfolgt die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung mit heimtypischer Organisation, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, liegt eine nicht Wohnzwecken dienende Nutzung vor, die nur im Teileigentum zulässig sein soll.112 Die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in einer Gemeinschaftsunterkunft gemäß § 53 AsylG stellt in der Regel eine heimähnliche Unterbringung und damit keine Wohnzwecken dienende Nutzung dar.113 Liegt keine abweichende Vereinbarung vor, ist diese Nutzung des Teileigentums zulässig. (2) Abstellraum

11.121 Die Nutzung eines als „Abstellraum im Dachspitz“ bezeichnenden Raums zu Wohnzwecken, beispielsweise als Schlafzimmer, soll nach der Rechtsprechung unzulässig sein. Argumentiert wird damit, dass die Wohnnutzung regelmäßig wesentlich intensiver ist als die Nutzung als Lagerfläche.114 (3) Büro/Arztpraxis

11.122 Die in der Teilungserklärung oder einer sonstigen Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG vorgesehene Zweckbestimmung „Büroraum“ gestattet den Betrieb einer Arztpraxis, wenn nach dem Zuschnitt der Räumlichkeiten und dem Umfang der ausgeübten Tätigkeit – vorliegend handelt es sich um eine Einzelpraxis – die Nutzung nicht mit schwerwiegenderen Beeinträchtigungen für die übrigen Sondereigentümer verbunden ist als dies bei einer Nutzung als Büro der Fall wäre.115 Die Nutzung von Büroräumen als Kinderarztpraxis wurde dagegen als un-

111 112 113 114 115

672

BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, IMR 2018, 22 =BeckRS 2017, 132177. BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, IMR 2018, 22 =BeckRS 2017, 132177. BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, IMR 2018, 22 =BeckRS 2017, 132177. BayObLG, Beschl. v. 10.2.1993 – 2 Z BR 126/92, WE 1994, 88. OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2003 – 15 W 372/02, ZMR 2005, 219.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.127 Teil 11

zulässig angesehen.116 Inwieweit hier vor dem Hintergrund des 2011 in Kraft getretenen § 22 Abs. 1a) Bundesimmissionsschutzgesetz, nach dem Kinderlärm regelmäßig nicht mehr als Geräuschimmission anzusehen ist, eine Änderung der Rechtsprechung eintreten wird, zeichnet sich derzeit noch nicht ab. Ungeachtet dessen erscheint es fraglich, ob die Versagung der Nutzung von Büroräumen als Arztpraxis unter dezidiertem Hinweis darauf, dass es sich um eine Kinderarztpraxis handele, in Bezug auf die gesetzlichen Wertungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) als Altersdiskriminierung gegenüber Kindern unzulässig ist, wobei es zugegebenermaßen zweifelhaft ist, ob der Betreiber der Kinderarztpraxis sich unmittelbar auf die Vorschriften des AGG berufen kann, da er wohl nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fällt. Die gesetzlichen Wertungen dürften gleichwohl beachtlich sein. Die Nutzung von Räumen, die in einer Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG als „Büro“ bezeichnet werden, als Wohnung ist aufgrund der intensiveren Nutzung unzulässig.117

11.123

In gleicher Weise ist es unzulässig, in entsprechenden Räumen ein Ballettstudio zu betreiben.118

11.124

(4) Café Bei der Beurteilung der Frage, ob Zweckbestimmungen bezüglich eines Teileigentums eine anderweitige Nutzung zulassen, stellt die Rechtsprechung regelmäßig auch darauf ab, ob die Öffnungszeiten der anderweitigen Nutzung in relevanter Art und Weise von denen der in der Teilungserklärung oder Vereinbarung ausdrücklich erwähnten Nutzung abweichen. Andere, insbesondere längere Öffnungszeiten sind regelmäßig mit zusätzlichen Beeinträchtigungen der übrigen Miteigentümer verbunden und führen daher oftmals zur Unzulässigkeit der angestrebten anderweitigen Nutzung. Dementsprechend hat die Rechtsprechung es für unzulässig erachtet, dass als Café bestimmte Räumlichkeiten zum Betrieb einer bis 4 Uhr morgens geöffneten Gaststätte genutzt werden.119 Auch der Betrieb eines Restaurants mit abendlichen Öffnungszeiten soll in solchen Räumen nicht zulässig sein.120

11.125

(5) Freiberufliche Tätigkeit Sieht die im Wege der Vereinbarung getroffene Zweckbestimmung vor, dass Räumlichkeiten zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit genutzt werden können, ist in diesen Räumen auch der Betrieb anderer gewerblich insbesondere dem Dienstleistungsbereich zuzuordnender Unternehmen möglich, die nicht mit Beeinträchtigungen verbunden sind, welche typischerweise mit der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit einhergehen. Bejaht wurde dies u.a. für den Fall, dass in solchen Räumen eine Versicherungsagentur betrieben werden sollte.121

11.126

(6) Gaststätte Die Zweckbestimmung, dass in Räumen eine „Gaststätte“ betrieben werden kann, wird überschritten, wenn diese zum Betrieb eines Nachtlokals genutzt werden sollen.122 116 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.9.1995 – 3 Wx 259/95, NJW-RR 1996, 267; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.1986 – 8 W 357/86, DWE 1988, 139. 117 LG Bielefeld, Beschl. v. 19.5.1981 – 3 T 186/81, Rpfleger 1981, 355. 118 LG Bremen, Beschl. v. 25.3.1991 – 2 T 19/91, NJW-RR 1991, 1423. 119 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 29.7.1998 – 2 Wx 20/98, MDR 1998, 1156. 120 BayObLG, Beschl. v. 22.9.2004 – 2 Z BR 103/04, ZMR 2005, 215. 121 KG, Beschl. v. 22.10.1993 – 24 W 7471/92, NJW-RR 1994, 206. 122 BayObLG, Beschl. v. 13.7.1984 – 2 Z 22/84, WuM 1985, 298.

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673

11.127

Teil 11 Rz. 11.128

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.128 Demgegenüber ist der Betrieb einer Musikkneipe mit regelmäßigen musikalischen Darbietungen als zulässige Nutzung angesehen worden.123 Geräuschimmissionen seien von den übrigen Wohnungseigentümern hinzunehmen, solange diese nicht gegen öffentliche Auflagen verstießen. (7) Geschäftsräume/gewerbliche Nutzung

11.129 Sieht eine Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG vor, dass Sondereigentum zu gewerblichen Zwecken genutzt werden kann, ohne dass hier eine weitere Eingrenzung erfolgt, ist die Rechtsprechung regelmäßig großzügig, wenn es um die Beurteilung einer beabsichtigten Nutzung geht.

11.130 Restaurations- und Unterhaltungsbetriebe werden regelmäßig auch bei Öffnungszeiten bis tief in die Nacht als zulässige Nutzung angesehen.124 Dementsprechend ist auch der Betrieb eines Cafés zulässig.125

11.131 In gleicher Weise können in solchen Räumlichkeiten Spielhallen betrieben werden.126 11.132 Da letztlich jede gesetzlich zulässige gewerbliche Nutzung in als Gewerbeflächen ausgewiesenen Räumlichkeiten zulässig ist127 und auch Nutzungen ohne Gewinnerzielungsabsichten bei geringerer oder gleicher Beeinträchtigungsintensität zulässig sein sollen,128 ist in solchen Räumen auch die Einrichtung von Methadon-Abgabestellen,129 der Betrieb von Schulungsund Unterrichtsräumen für Asylbewerber und Aussiedler130 und der Betrieb eines deutschausländischen Kulturvereins möglich.131 (8) Kellerraum

11.133 Als Kellerraum bestimmte Räumlichkeiten dürfen regelmäßig als Hobbyraum132 und Musizierzimmer genutzt werden, wenn hierdurch keine intensiveren Geräuschbeeinträchtigungen entstehen.133

11.134 Eine Nutzung als Wohnung134 oder als Kindertagesstätte135 scheidet dagegen grundsätzlich aus, wobei es auf den Umfang der Nutzung als Kindertagesstätte ankommen soll.136

123 BayObLG, Beschl. v. 2.9.1993 – 2 Z BR 63/93, WE 1994, 278. 124 BayObLG, Beschl. v. 11.1.1982 – BReg. 2 Z 96/80, MDR 1982, 496; KG, Beschl. v. 16.9.1988 – 24 W 1240/88. 125 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 15.8.1986 – 3 W 134/86, WE 1987, 86. 126 AG Dortmund, Beschl. v. 25.11.1994 – 139 II 82/94, ZAP EN-Nr. 9/95. 127 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2003 – 3 Wx 249/02, ZMR 2004, 449. 128 OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.2005 – 15 W 29/05, ZMR 2006, 149. 129 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.1.2002 – 3 Wx 336/01, ZWE 2002, 230. 130 BayObLG, Beschl. v. 22.10.1991 – 2 Z 144/91, WE 1992, 227 = MDR 1992, 374 = ZMR 1992, 33. 131 OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.2005 – 15 D 29/05, ZMR 2006, 149. 132 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.3.1997 – 3 Wx 426/95, WE 1997, 346 = NJW-RR 1997, 907 = ZMR 1997, 373. 133 BayObLG, Beschl. v. 31.8.2000 – 2 Z BR 83/00, NZM 2000, 1237 = ZWE 2001, 160. 134 OLG Köln, Beschl. v. 13.1.1986 – 16 Wx 118/85, WuM 1986, 285. 135 BayObLG, Beschl. v. 11.10.1990 – 2 Z 112/90, WE 1992, 22. 136 BayObLG, Beschl. v. 11.10.1990 – 2 Z 112/90, WE 1992, 22.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.138 Teil 11

(9) Laden/Ladenlokal Bei der Beurteilung der Frage, in welcher Form eine Nutzung von Räumlichkeiten, die als Laden und Verkaufsflächen vorgesehen sind, zulässig ist, stellt die Rechtsprechung regelmäßig auf die Versorgungsfunktion, die prägenden örtlichen Verhältnisse und auch die Öffnungszeiten der beabsichtigten Einrichtung ab. Unzulässig ist danach in einem Ladenlokal der Betrieb einer Gaststätte mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr,137 der Betrieb einer Eisdiele,138 der Betrieb eines Waschsalons,139 einer chemischen Reinigung,140 eines Sonnenstudios,141 der Betrieb eines Fitnessstudios für Frauen142 sowie der Betrieb einer Videothek.143

11.135

Abstellend auf Öffnungszeiten und Geruchsimmissionen hat die Rechtsprechung auch den Betrieb eines Imbisses als unzulässige Nutzung eines Ladenlokals angesehen.144

11.136

(10) Medizintouristen/Feriengäste Die kurzzeitige Vermietung von Wohnungen an Feriengäste und Touristen, insbesondere solche, die zum Zwecke medizinischer Behandlungen angereist sind -sogenannte Medizintouristen-, hat in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von gerichtlichen Verfahren geführt.145 Sie stellt grundsätzlich eine zulässige Nutzung des Wohnungseigentums dar.146 Die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums gehört nach der Rechtsprechung des BGH zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Rechten des Sondereigentümers. Sie kann daher nicht durch einfachen Beschluss und auch nicht aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel eingeschränkt werden. Das Verbot der kurzzeitigen Vermietung kann somit nur durch Vereinbarung oder allstimmigen Beschluss erfolgen.147 Eine Unterlassung von Beeinträchtigungen kann nur bezüglich konkreter Störungen, die von den Feriengästen/Touristen ausgehen, verlangt werden.148

11.137

(11) Sauna/Schwimmbad Auch eine Sauna mit Öffnungszeiten außerhalb der Ladenschlusszeiten wurde als unzulässige Nutzung angesehen.149 137 138 139 140 141 142 143 144 145

146

147 148 149

BayObLG, Beschl. v. 30.11.1999 – 2 ZR BR 143/99, ZWE 2000, 129. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 29.3.2000 – 2 W 7/00, NZM 2000, 1237. OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.10.1986 – 20 W 159/86, OLGZ 1987, 49. BayObLG, Beschl. v. 31.7.1997 – 2 Z BR 34/97, NZM 1998, 444. BayObLG, Beschl. v. 6.3.1996 – 2 Z BR 2/96, WuM 1996, 361. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 12.8.2002 – 2 W 21/02, NZM 2003, 483 = ZMR 2003, 709. BayObLG, Beschl. v. 24.6.1993 – 2 Z BR 121/92, WE 1994, 248. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.9.1993 – 6 U 49/93, NJW-RR 1994, 146. BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 72/09 (Feriengäste); LG München I, Urt. v. 8.2.2016-1 S 21019/14, ZMR 2016, 490 =ZWE 2016, 264 (Feriengäste); LG München I, Urt. v. 8.2.2017-1 S 5582/16 WEG (Medizintouristen), IBR-online.de mit Anmerkung Dötsch; ablehnend bzgl. Medizintouristen AG Bonn, Urt. vom 30.11.2016 – 27 C 13/16; LG Köln, Urt. v. 26.4.2018 – 29 S 239/17, ZflR 2018, 833. BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18; NJW 2019, 2083 = MDR 2019, 657 = NZM 2019, 476; BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 72/09 (Feriengäste); LG München I, Urt. v. 8.2.2016-1 S 21019/14, ZMR 2016, 490 =ZWE 2016, 264 (Feriengäste); LG München I, Urt. v. 8.2.2017-1 S 5582/16 WEG (Medizintouristen). BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, NJW 2019, 2083 = MDR 2019, 657 = NZM 2019, 476. LG München I, Urt. v. 8.2.2016-1 S 21019/14, ZMR 2016, 490 =ZWE 2016, 264 (Feriengäste). BayObLG, Beschl. v. 7.11.1985 – BReg. 2 Z 65/85, NJW 1986, 1052.

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675

11.138

Teil 11 Rz. 11.139

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.139 Sieht die Teilungserklärung, die Gemeinschaftsordnung oder eine sonstige Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG vor, dass Räumlichkeiten als Sauna genutzt werden sollen, schließt dies aufgrund der durch die Allgemeinheit zu erwartenden Missbilligung den Betrieb eines Swingerclubs aus.150 Zum Betrieb eines „Schwimmbad“ bestimmte Räumlichkeiten dürfen nicht als Fitnesscenter genutzt werden, da die hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen wesentlich intensiver sind als dies beim Betrieb eines Schwimmbades der Fall ist.151

11.140 Die Nutzung eines Kellerraums als eine Trockensauna soll demgegenüber aufgrund der geringen Beeinträchtigungen, die hiervon für andere Wohnungseigentümer ausgehen, generell zulässig sein.152 (12) Tierarztpraxis

11.141 Zurückhaltend ist die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Tierarztpraxen. Dies gilt selbst dann, wenn sie in Räumlichkeiten ausgeübt werden sollen, die nach der Teilungserklärung grundsätzlich dazu bestimmt sind, darin einen freien Beruf oder eine sonstige Dienstleistung auszuüben.153

11.142 Im Rahmen der generalisierenden Betrachtung lässt die Rechtsprechung bereits das Risiko höherer Lärmbelästigungen ausreichen, um eine Versagung der entsprechenden Nutzung zu begründen. Dies deshalb, da die Tiere sich beim Arztbesuch in einer krankheitsbedingten Stress- oder Angstsituation befänden, wodurch generell mit lautem Bellen oder vergleichbaren störenden Tiergeräuschen zu rechnen sei.154 f) Gebrauchsregelnde Beschlüsse

11.143 Dort, wo die Eigentümergemeinschaft von der Möglichkeit der Gebrauchsregelung durch Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG keinen Gebrauch gemacht hat, besteht in bestimmten Grenzen die Möglichkeit, Gebrauchsregelungen im Wege des Mehrheitsbeschlusses gem. § 15 Abs. 2 WEG vorzunehmen.

11.144 Gegenstand der Beschlüsse gem. § 15 Abs. 2 WEG ist stets die Regelung des ordnungsgemäßen Gebrauchs der im Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum stehenden Räumlichkeiten, wie er aus deren Beschaffenheit resultiert. Genügt ein Beschluss diesen Voraussetzungen nicht, ist er gem. § 46 Abs. 1 WEG im Wege der Anfechtungsklage anzufechten.

11.145 Von Beschlüssen gem. § 15 Abs. 2 WEG, die der Gebrauchsregelung dienen, sind Beschlüsse gem. §§ 20 ff. WEG zu unterscheiden. Diese haben die Verwaltung des Wohnungseigentums zum Gegenstand. Während gebrauchsregelnde Beschlüsse i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG die Nutzung des Sondereigentums regeln, erfasst der die Verwaltung ausgestaltende Beschluss im Sinne der §§ 20 ff. WEG der Natur der Verwaltung nach nur das Gemeinschaftseigentum. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Verwalter Rechte bezüglich der Verwaltung des Sondereigentums gesondert übertragen wurden.

150 151 152 153 154

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BayObLG, Beschl. v. 16.6.2000 – 2 Z BR 178/99, NZM 2000, 871. BayObLG, Beschl. v. 15.7.1988 – BReg. 2 Z 145/87, ZMR 1988, 436. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.11.2005 – 20 W 378/03, NZM 2006, 747. OLG München, Beschl. v. 25.5.2005 – 34 Wx 24/05, ZMR 2005, 727 f. OLG München, Beschl. v. 25.5.2005 – 34 Wx 24/05, ZMR 2005, 727 f.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.152 Teil 11

aa) Zustandekommen und Wirkung von Beschlüssen Gebrauchsregelnde Beschlüsse i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG werden von der Eigentümergemeinschaft in der Wohnungseigentümerversammlung gefasst (§§ 23 Abs. 1, 24 WEG). Alternativ kommt die Beschlussfassung im Wege des sog. Umlaufbeschlusses in Betracht (§ 23 Abs. 3 WEG).

11.146

Nach ordnungsgemäßer Einberufung (§ 24 Abs. 1 bis 4 WEG), unter Wahrung der maßgebli- 11.147 chen Verfahrensvorschriften (insbesondere § 24 Abs. 5 und 6 WEG, § 25 WEG sowie den Regeln der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung) entfalten mehrheitlich gefasste Beschlüsse Bindungswirkung für alle Wohnungseigentümer, also auch solche, die gegen den Beschluss gestimmt haben. Rechtlich verbindlich sind solche Beschlüsse auch für Wohnungseigentümer, die nicht an der Eigentümerversammlung teilgenommen haben oder sich im Rahmen der Abstimmung enthalten haben. Der Bindungswirkung des Beschlusses steht zunächst nicht entgegen, dass dieser materiell rechtswidrig ist, beispielsweise, weil er nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht oder formell fehlerhaft zustande gekommen ist, beispielsweise, wenn ein Wohnungseigentümer zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossen wurde. Vielmehr regelt § 23 Abs. 4 WEG, dass ein Beschluss so lange Wirksamkeit entfaltet, wie er nicht durch das zuständige Gericht für ungültig erklärt worden ist. Hierzu ist eine Anfechtungsklage i.S.d. § 46 Abs. 1 WEG zu erheben, die darauf gerichtet ist, einen Beschluss für ungültig zu erklären und die sich gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Eigentümergemeinschaft richtet. Wird die Klage nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat nach Beschlussfassung erhoben (§ 46 Abs. 2 S. 2 WEG), erwächst der nicht angefochtene Beschluss grundsätzlich in Bestandskraft. Er ist dann trotz bestehender materiell- oder formell-rechtlicher Mängel verbindlich. Auf die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses können sich Wohnungseigentümer oder Dritte nicht mehr berufen.

11.148

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern darüber hinaus auch nichtig ist oder es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, sich auf den rechtswidrigen Beschluss zu berufen.155

11.149

Ist ein Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig, kann er von Anfang an keine Bindungswirkung entfalten. Die Nichtigkeit ist von jedermann zu beachten. Das gilt auch für die Verwaltung. Einer Feststellung durch das Gericht bedarf es in diesem Fall nicht.156

11.150

Praxishinweis: Die Frage, ob ein Beschluss „nur“ anfechtbar oder von Anfang an nichtig ist, ist regelmäßig auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und kann letztlich nur unter Heranziehung der maßgeblichen Rechtsprechung beantwortet werden. Da diese wiederum Anfechtungsund Nichtigkeitsgründe sehr unterschiedlich und teils widersprüchlich beurteilt, empfiehlt es sich auch bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen – sollten diese nicht absolut evident sein – innerhalb der einmonatigen Klagefrist eine Anfechtungsklage zu erheben. Diese kann zum einen auf die Anfechtbarkeit und zum anderen auf die Nichtigkeit des Beschlusses gestützt werden. Dabei besteht hinsichtlich des Einwandes der Nichtigkeit weder das Erfordernis, die einmonatige Klagefrist, noch die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage (§ 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG) zu beachten. Die Nichtigkeitsklage kann jederzeit erhoben werden.

11.151

Wird die Anfechtungsklage nicht erhoben und stellt sich später nach Erhebung der nicht fristgebundenen Klage wegen Nichtigkeit des Beschlusses heraus, dass der Beschluss zwar

11.152

155 BayObLG, Beschl. v. 25.10.2011 – 2 Z BR 81/01, ZWE 2002, 175. 156 BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, NJW 1989, 2059.

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Teil 11 Rz. 11.152

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

nicht nichtig, aber anfechtbar war, ist der Beschluss nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist bestandskräftig und kann nicht mehr angegriffen werden. Es entspricht daher anwaltlicher Vorsorge, die Unwirksamkeit eines offensichtlich nichtigen Beschlusses sowohl auf dessen Nichtigkeit als auch auf dessen Anfechtbarkeit zu stützen.

11.153 Ist ein Beschluss nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar, ist er sowohl von der Verwaltung als auch von den Eigentümern zunächst als bindend umzusetzen, bis eine gerichtliche Entscheidung die Ungültigkeit des Beschlusses feststellt. Die Anfechtungsklage hat keine Suspensivwirkung, ändert somit nichts daran, dass die Verwaltung den Beschluss zunächst umzusetzen hat.

11.154 Gemäß § 24 Abs. 6 WEG hat der Verwalter die gefassten Beschlüsse in die Niederschrift über die Eigentümerversammlung und sodann in die gem. § 24 Abs. 7 WEG zu führende Beschlusssammlung aufzunehmen.

11.155 Hinweis: Bei der Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Nutzung des Sondereigentums zulässig ist, ist somit neben der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung und den Vereinbarungen gem. § 15 Abs. 1 WEG durch Einsicht in die Beschlusssammlung zu überprüfen, ob entsprechende nutzungsdefinierende Regelungen vorliegen. Da die Beschlusssammlung gem. § 24 Abs. 7 WEG erst durch die WEG-Novelle zum 1.7.2007 eingeführt wurde, bedarf es darüber hinaus der Überprüfung der vor 2007 gefassten Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Einsicht in die Protokolle der Eigentümerversammlung.

11.156 Beschlüsse entfalten – auch ohne Eintragung ins Grundbuch – Rechtswirkung für und gegen die Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers (§ 10 Abs. 4 WEG). Sie unterscheiden sich insofern von Vereinbarungen gem. § 15 Abs. 1 WEG, bei denen Rechtswirkungen für Sondernachfolger nur bei Eintragung ins Grundbuch entstehen können (§ 10 Abs. 3 WEG). bb) Grenzen der Beschlusskompetenz

11.157 So, wie Vereinbarungen der Wohnungseigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG – wenn auch weiten – gesetzlichen Grenzen unterliegen, ist auch die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft im Falle des § 15 Abs. 2 WEG nicht unbeschränkt.

11.158 Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, die gegen Gesetze (§ 134 BGB), die guten Sitten (§ 138 BGB) sowie den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB, § 315 BGB) verstoßen, sind rechtsunwirksam.

11.159 Da es sich bei Beschlüssen im Gegensatz zu Vereinbarungen nicht um Regelungen handelt, denen sämtliche Wohnungseigentümer zugestimmt haben, sind die Grenzen für Beschlüsse des § 15 Abs. 2 WEG wesentlich enger als dies bei Vereinbarungen generell der Fall ist. Während bei Vereinbarungen weitgehend der Grundsatz der Privatautonomie gilt, bedarf es bei Beschlüssen des Minderheitenschutzes der überstimmten Eigentümer.

11.160 An erster Stelle der Kompetenzschranken ist hier zu nennen, dass Beschlüsse nur dort möglich sind, wo Vereinbarungen i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG nicht getroffen worden sind. Ein Beschluss, der inhaltlich einer vereinbarten Nutzungsregelung gem. § 15 Abs. 1 WEG entgegensteht, ist bereits aus diesem Grund rechtsunwirksam, sprich nichtig, da es an einer Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft fehlt (§ 15 Abs. 2 WEG). So ist es der Eigentümergemeinschaft wegen fehlender Beschlusskompetenz nicht möglich, durch Beschluss festzulegen, dass Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung entgegen eines in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Zustimmungsvorbehalts der Verwaltung ohne Zustimmung 678

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.166 Teil 11

vermieten, mit einer Strafzahlung/Vertragsstrafe belegt werden.157 Der Eigentümergemeinschaft fehlt es hier schlicht an der Beschlusskompetenz. Insbesondere resultiert diese nicht aus § 21 Abs. 7 WEG. Ein entsprechender Beschluss ist nichtig.158 Darüber hinaus sind aber auch Beschlüsse rechtswidrig, die entgegen der Regelung des § 15 Abs. 2 Nutzungen oder Nutzungsbeschränkungen vorsehen, die nicht dem ordnungsgemäßen Gebrauch des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums entsprechen.

11.161

Solche Beschlüsse sind entweder anfechtbar oder gar nichtig. Im letzteren Fall können sie wiederum auch ohne Anfechtung durch einen der Wohnungseigentümer keine Rechtswirkungen entfalten.

11.162

Ein Mehrheitsbeschluss mit dem der Transport von Fahrrädern durch das Treppenhaus untersagt werden soll, ist nach der Rechtsprechung zulässig und wirksam.159 Eine Ungleichbehandlung im Sinne eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen, die von dem Verbot nicht umfasst sein sollen, liegt nicht vor, da insofern ein ausreichender Sachgrund für die Privilegierung vorliegt.160

11.163

cc) Auslegung von Beschlüssen Besteht Streit über den Inhalt oder die Reichweite eines gebrauchsregelnden Beschlusses, ist dieser auszulegen. Grundlage für die Auslegung ist der Wortlaut des Beschlusses gem. dem Versammlungsprotokoll bzw. der Beschlusssammlung, d.h. der Text, der vom Hausverwalter als Versammlungsleiter als Beschlussergebnis festgestellt und verkündet wurde. Ist das Protokoll fehlerhaft, da es den Beschluss nicht zutreffend wiedergibt, ist ggf. zunächst durch entsprechende Beweisaufnahme der Wortlaut des tatsächlich verkündeten Beschlusses zu ermitteln. Dieser ist dann auszulegen.

11.164

Da Mehrheitsbeschlüsse Rechtswirkungen für Sondernachfolger entfalten, ist bei der Auslegung der Beschlüsse i.S.d. § 15 Abs 2 WEG – so wie bei gebrauchsregelnden Vereinbarungen gemäß § 15 Abs. 1 WEG – auf die Grundsätze der Auslegung von Grundbucheintragungen zurückzugreifen.161 Unter Heranziehung des Wortlauts ist der Sinn der Vereinbarung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu ermitteln.162 Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Auslegung von Vereinbarungen (Rz. 11.101 ff.) verwiesen.

11.165

g) Gebrauchsregelungen seitens der Verwaltung Obwohl das Gesetz keine originäre Kompetenz des Verwalters kennt, verbindlich Ge- 11.166 brauchsregelungen festzulegen, kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass Verwalter durch Rundschreiben, Aushänge oder in sonstiger Art und Weise – oft auf Veranlassung von 157 BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, NJW 2019, 1673 = MDR 2019, 659 = NZM 2019, 414; Lehmann-Richter, ZflR 2018, 836; Schledorn, ZWE 2018, 330 f. 158 BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, NJW 2019, 1673 = MDR 2019, 659 = NZM 2019, 414; BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 305/16, NJW 2018, 1254 Rz. 6; LG Köln, Urt. v. 26.4.2018 – 29 S 239/17, ZflR 2018, 833. 159 LG München I, Urt. v. 23.11.2017 – 36 S 3100/17, IMR 2018, 65. 160 BGH, Urt. v. 1.10.2010 – V ZR 220/09, IMR 2010, 528. 161 BGH, Beschl. v. 21.2.1991 – V ZB 13/90, NJW 1991, 1613 = ZMR 1991, 230. 162 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, NJW 1994, 2950 = ZMR 1994, 271.

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Teil 11 Rz. 11.166

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft oder des Verwaltungsbeirats – versuchen, Nutzungsregelungen gegenüber Wohnungseigentümern aufzustellen, die die Nutzung des Gemeinschafts- oder Sondereigentums entweder reglementieren oder untersagen. Da das Gesetz – wie gesagt – eine entsprechende originäre Kompetenz der Verwaltung, Gebrauchsregeln zu schaffen, nicht kennt, ist hier zu prüfen, ob eine entsprechende Kompetenz durch die Gemeinschaftsordnung, durch Vereinbarung oder auf der Grundlage der Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung eingeräumt wurde.

11.167 Kompetenzübertragungen zu Gunsten des Verwalters können u.a. dergestalt erfolgen, dass dem Verwalter in der Gemeinschaftsordnung die Aufgabe zugewiesen wird, eine Hausordnung zu erstellen. Diese ist dann für sämtliche Wohnungseigentümer verbindlich, kann von der Eigentümergemeinschaft jedoch selbstverständlich durch Mehrheitsbeschluss ganz oder teilweise abgeändert oder gar aufgehoben werden.163

11.168 Soweit § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG dem Verwalter die Verpflichtung auferlegt, die Einhaltung der Hausordnung durchzusetzen, wird dem Verwalter hierdurch keine Kompetenz zur Festlegung von Nutzungsregelungen bezüglich des Gemeinschafts- oder Sondereigentums eingeräumt. Das Recht zur inhaltlichen Ausgestaltung der Hausordnung liegt – abgesehen von den bereits erörterten Fällen der ausdrücklichen Delegation auf den Verwalter – bei der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG). Aufgabe des Verwalters ist es somit lediglich, die Hausordnung umzusetzen und deren Einhaltung zu überwachen. Von der Hausordnung abweichende oder sie substantiell ergänzende Nutzungsregelungen, die nicht der Einhaltung der Hausordnung dienen, kann der Verwalter nicht rechtsverbindlich treffen. h) Zustimmungsvorbehalt der Verwaltung

11.169 Häufig besteht das Erfordernis, vor Durchführung bestimmter Rechtsgeschäfte die Zustimmung der Verwaltung einzuholen. Bezüglich der Veräußerung des Wohnungs- oder Teileigentums sind entsprechende Regelungen angesichts der hierzu vorliegenden gesetzlichen Regelungen des § 12 Abs. 1 und 2 WEG weit verbreitet und üblich. Denkbar ist allerdings auch, dass eine bestimmte Nutzung in der Gemeinschaftsordnung grundsätzlich erlaubt wird, zusätzlich jedoch der Zustimmung durch die Verwaltung bedarf. Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass vor der Vermietung die Zustimmung der Verwaltung einzuholen ist, soll dies nach der Rechtsprechung des BGH zulässig sein.164

11.170 Bei entsprechenden Zustimmungsvorbehalten handelt es sich nicht um gesetzliche Veräußerungs- bzw. Nutzungsbeschränkungen. Sie entstehen vielmehr rechtsgeschäftlich entweder direkt durch die Gemeinschaftsordnung oder durch eine Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG.

11.171 Eine entsprechende Beschlussfassung reicht nicht aus, was § 12 Abs. 1 WEG für den Fall der Veräußerungsbeschränkung ausdrücklich normiert.

11.172 Liegt eine wirksame Vereinbarung der Eigentümergemeinschaft vor, nach der eine bestimmte Nutzung nur mit Zustimmung des Verwalters möglich ist, handelt es sich bei der Zustim-

163 BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 2 Z BR 96/01, ZMR 2002, 64. 164 LG Köln, Urt. v. 26.4.2018 – 29 S 239/17 – ZflR 2018, 833; BGH, Urt. v. 22.3.2019 – VZR 105/18, NJW 2019, 1673 = MDR 2019, 659 = NZM 2019, 414.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.178 Teil 11

mung um eine formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit der angestrebten Nutzung. Der Verwalter ist zur Prüfung und Entscheidung verpflichtet.165 Versagt werden darf die Zustimmung grundsätzlich nur, wenn ein wichtiger Grund zur Versagung vorliegt. Die Prüfungsmaßstäbe des gesetzlich normierten Zustimmungsvorbehaltes gem. § 12 Abs. 2 WEG sind weitgehend entsprechend anwendbar.166 Hat die zustimmungsbedürftige Nutzung keine weitergehenden Beeinträchtigungen anderer Sondereigentümer oder des Gemeinschaftseigentums zur Folge als die ohne Zustimmung zulässige Nutzung, ist die Zustimmung regelmäßig zu erteilen.167 Wichtige Gründe, die den Verwalter zur Versagung der Zustimmung legitimieren würden, liegen demgegenüber dann vor, wenn die Nutzung im konkreten Einzelfall eine unzumutbare Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer zur Folge hätte.168

11.173

Der um Zustimmung ersuchende Wohnungseigentümer hat, soweit die gewünschte Nutzung zulässig ist und keine gewichtigen Gründe entgegenstehen, einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung.169 Wird die Zustimmung vom Verwalter gleichwohl abgelehnt oder trifft dieser binnen angemessener Prüfungsfrist keine Entscheidung, hat der Wohnungseigentümer die Möglichkeit, den Anspruch auf Erteilung der Zustimmung gerichtlich einzuklagen.170

11.174

Die Eigentümergemeinschaft ist in diesem Fall berechtigt, die Entscheidung des Verwalters durch Beschluss zu ersetzen. Trotz der Übertragung des Zustimmungsvorbehaltes auf die Hausverwaltung behält die Eigentümergemeinschaft ihre Entscheidungskompetenz.171 Auch kann die Eigentümergemeinschaft eine vom Verwalter erteilte Zustimmung durch Beschluss widerrufen.172 Lehnt der Verwalter die Zustimmung zur Nutzung ab, bedeutet dies nicht, dass die Nutzung auch materiell unzulässig ist. Liegen vielmehr die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung vor, kann die Nutzung nicht mit dem Argument untersagt werden, die Zustimmung sei nicht erteilt worden.173

11.175

Ersetzt die Eigentümergemeinschaft die Entscheidung des Verwalters durch Beschluss, ist dieser wiederum zur Vermeidung der Bestandskraft gem. § 46 WEG binnen Monatsfrist im Wege der Anfechtungsklage anzugreifen.

11.176

2. Das Gemeinschaftseigentum i.S.d. § 1 Abs. 5 WEG Wie bereits dargelegt, ist das Sondereigentum untrennbar mit dem Gemeinschaftseigentum 11.177 verbunden (§ 6 Abs. 1 WEG). Die Stellung als Inhaber des Sondereigentums hat stets zur Folge, dass auch Miteigentum an Gemeinschaftseigentum entsteht. Eine isolierte Veräußerung des Sondereigentums ist nicht möglich. Während das Sondereigentum entsprechend § 5 Abs. 1 WEG die gem. § 3 Abs. 1 WEG bestimmten Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes um165 166 167 168 169 170 171 172 173

BayObLG, Beschl. v. 24.2.1997 – 2 Z BR 89/96, NJWE-MietR 1997, 159. BayObLG, Beschl. v. 14.9.1987 – BReg. 2 Z 38/37, NJW-RR 1988, 17. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.2005 – 20 W 284/03, NZM 2006, 144. LG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2006 – 318 T 120/04 (93), ZMR 2006, 565. BayObLG, Beschl. v. 23.5.1996 – 2 Z BR 19/96, WE 1997, 77 = NJW-RR 1996, 1358. BayObLG, Beschl. v. 31.8.2000 – 2 Z BR 39/00, ZWE 2001, 112. BayObLG, Beschl. v. 25.9.2003 – 2 Z BR 137/03, ZMR 2004, 133. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 17.9.2001 – 3 W 87/01, ZWE 2002, 47. BayObLG, Beschl. v. 31.8.2000 – 2 Z BR 39/00, ZWE 2001, 112.

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11.178

Teil 11 Rz. 11.178

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

fasst, handelt es sich beim Gemeinschaftseigentum um die Räumlichkeiten und Bestandteile des Gebäudes, die der gemeinschaftlichen Nutzung, der äußeren Gestaltung des Gebäudes, dem Bestand desselben und seiner Sicherheit dienen (§ 5 Abs. 2 WEG).

11.179 Zur näheren Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum vgl. Rz. 11.14 ff. a) Die Rechtsnatur des Gemeinschaftseigentums

11.180 Das Gemeinschaftseigentum bildet gemeinsam mit dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum das Wohnungseigentum als Ganzes (§ 1 S. 2 WEG). Der Begriff des Eigentums i.S.d. Wohnungseigentumsgesetzes entspricht dabei dem Begriff des Eigentums i.S.d. BGB (§§ 903 ff. BGB). Das WEG kennt somit keinen eigenständigen Eigentumsbegriff. Während am Sondereigentum Alleineigentum im Sinne der §§ 903 ff. BGB besteht, handelt es sich beim Miteigentum am gemeinschaftlichen Eigentum um Bruchteilsmiteigentum im Sinne der §§ 1008 ff. BGB.174

11.181 Auch wenn dies von den Wohnungseigentümern regelmäßig anders wahrgenommen wird, steht nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich nicht das Sondereigentum, sondern das Miteigentum im Vordergrund. Gem. § 5 Abs. 1 und 2 WEG dient das Sondereigentum letztlich nur der Beschränkung des im Bruchteilsmiteigentum stehenden Gemeinschaftseigentums.175

11.182 Da es sich bei Wohnungseigentum um „echtes“ Eigentum i.S.d. BGB handelt, sind die §§ 985 ff. BGB sowohl auf das Sondereigentum alleine als auch auf das Wohnungseigentum als Ganzes anwendbar. Gleiches gilt für die Ansprüche gem. §§ 1004 und 1007 BGB.

11.183 Die Regelungen der §§ 925 ff. BGB sind dagegen nur einheitlich auf das Wohnungseigentum anwendbar.

11.184 Demzufolge hat Dritten gegenüber grundsätzlich jeder einzelne Mitbesitzer/Wohnungseigentümer unbeschränkten Besitzschutz (§§ 859 bis 862, 867 BGB) sowie einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Mitbesitzes. Ergänzend gilt § 1011 BGB, nach dem wiederum grundsätzlich jeder Miteigentümer Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen kann, dies bezüglich der Herausgabe nur in der Form, dass Erfüllung an alle Miteigentümer verlangt werden kann.

11.185 Eigentums- und Besitzstörungen, die ausschließlich das Sondereigentum betreffen, begründen dagegen ausschließlich Abwehransprüche des Sondereigentümers. b) Rechtliche Schranken

11.186 Wie das Sondereigentum unterliegt auch das Gemeinschaftseigentum rechtlichen Schranken. Es handelt sich zum einen um die gesetzlichen Schranken der Rechtswidrigkeit bei Vorliegen eines Verstoßes gegen Gesetze (§ 134 BGB), die guten Sitten (§ 138 BGB) sowie den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB, § 315 BGB), aber auch um die Schranken gemäß den §§ 13, 14 und 15 WEG. Zum anderen kann die Nutzung des Gemeinschafts174 BGH, Beschl. v. 17.1.1968 – V ZB 9/67, WM 1986, 284 = NJW 1968, 499. 175 BGH, Beschl. v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, WM 1968, 572 = NJW 1968, 1230; BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, NJW 2002, 1647.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.192 Teil 11

eigentums durch Vereinbarungen der Wohnungseigentümergemeinschaft oder Beschlüsse normiert werden. aa) Die gesetzlichen Grenzen der §§ 13, 14 und 15 WEG (1) Die Schranke des § 13 Abs. 2 WEG Normiert § 13 Abs. 1 WEG, dass der Wohnungseigentümer mit dem Sondereigentum in den gesetzlichen Grenzen und unter Wahrung der Rechte Dritter frei und nach Belieben verfahren kann, begründet § 13 Abs. 2 WEG den Anspruch des Wohnungseigentümers auf Teilhabe am Gemeinschaftseigentum. Danach ist jeder Wohnungseigentümer nach Maßgabe der §§ 14 und 15 WEG zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Der Mitgebrauch erstreckt sich auf das gesamte Gemeinschaftseigentum.

11.187

Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus Lage und Beschaffenheit ergibt, dass das Gemeinschaftseigentum in Teilen aus der Natur der Sache heraus nur durch einzelne Wohnungseigentümer zu nutzen ist. Von der Rechtsprechung ist dies teilweise für Einrichtungen bei Mehrhausanlagen176 und Gemeinschaftseigentum, welches nur über Sondereigentum zu betreten ist,177 angenommen worden. Ansonsten ist der Wohnungseigentümer jedoch grundsätzlich frei, das gemeinschaftliche Eigentum in den Grenzen der §§ 14, 15 WEG zu nutzen. Dies schließt das Recht ein, die Nutzung auch Dritten, beispielsweise Angehörigen des Haushalts oder sonstigen Dritten, beispielsweise Mietern, zu eröffnen.

11.188

§ 13 Abs. 2 WEG räumt dem Wohnungseigentümer jedoch nicht nur das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ein. Er normiert vielmehr auch die Teilhabe des Wohnungseigentümers an den sonstigen Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 16 WEG. Hierunter sind insbesondere mittelbare Nutzungen i.S.d. § 99 Abs. 3 BGB, beispielsweise aus der Vermietung des Gemeinschaftseigentums, oder unmittelbare Nutzungen, beispielsweise Früchte aus gemeinschaftlichen Gärten (§ 99 Abs. 1 BGB), zu verstehen.

11.189

(2) Grenzen des § 14 WEG Der Wohnungseigentümer hat nicht nur sein Sondereigentum so instand zu halten und zu nutzen, dass Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Er hat Gleiches auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums zu erfüllen. Vom Gemeinschaftseigentum darf nur in der Weise Gebrauch gemacht werden, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 WEG).

11.190

So wie auch beim Sondereigentum hat der Wohnungseigentümer dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur seine Nutzung, sondern auch die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch Personen, die seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb angehören, den Vorgaben des § 14 Nr. 1 WEG genügen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 14 Nr. 2 WEG.

11.191

§ 14 Nr. 3 WEG normiert in Ergänzung hierzu die Duldungsverpflichtung des Wohnungseigentümers, Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, soweit diese auf einem zulässigen Gebrauch im Sinne der Regelungen des § 14 Nr. 1 und 2 WEG beruhen.

11.192

176 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.1997 – 20 W 278/96, FGPrax. 1997, 215 = ZMR 1997, 606. 177 BayObLG, Beschl. v. 17.9.2003 – 2 Z BR 179/03, NJW-RR 2004, 1240.

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Teil 11 Rz. 11.193

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

(3) Gebrauchsregelungen gem. § 15 WEG

11.193 Wie beim Sondereigentum räumt § 15 Abs. 1 WEG den Wohnungseigentümern zunächst die Kompetenz ein, auch den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung zu regeln. Hinsichtlich der Voraussetzungen für das Zustandekommen, die Auslegung, Abänderung und Bindungswirkung entsprechender Vereinbarungen kann auf die Ausführungen unter Rz. 11.101 ff. verwiesen werden.

11.194 Diese gelten für Vereinbarungen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, in gleicher Weise. 11.195 Liegt eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG, die die Nutzung des Gemeinschaftseigentums regelt, nicht vor, haben die Eigentümer darüber hinaus die Möglichkeit, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen, die den ordnungsgemäßen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gegenstand haben (§ 15 Abs. 2 WEG). Auch hier kann bezüglich des Zustandekommens der Beschlüsse, ihrer Auslegung und der Grenzen der Beschlusskompetenz auf die Ausführungen zu Beschlüssen betreffend die Nutzung des Sondereigentums verwiesen werden. (4) Nutzungsrechte gem. § 16 WEG

11.196 Jeder Wohnungseigentümer ist nicht nur zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern als Ausfluss seiner Stellung als Miteigentümer auch zur Teilhabe an Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt (§ 13 Abs. 2 WEG). Näheres regelt § 16 Abs. 1 WEG, der insbesondere den Verteilungsmaßstab für Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums festlegt. Danach gebührt dem Wohnungseigentümer ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Nutzungen, der sich nach dem gem. § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile richtet.

11.197 Einnahmen, die die Gemeinschaft aus der Vermietung und Verpachtung des gemeinschaftlichen Eigentums, beispielsweise im Gemeinschaftseigentum stehender Stellplätze, der Hausmeisterwohnung oder aus Gemeinschaftseinrichtungen wie Schwimmbädern, Waschmaschinen oder Wäschetrocknern erzielt, sind demzufolge unter Heranziehung der im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile auf die Wohnungseigentümer zu verteilen. Gleiches gilt für Kapitalerträge aus Bankguthaben. bb) Gebrauchsregelungen seitens der Verwaltung

11.198 Auch bezüglich des Gemeinschaftseigentums gilt, dass keine originäre Kompetenz der Verwaltung, die Nutzung des Gemeinschaftseigentums zu regeln, besteht. Die Verwaltung ist daher zu entsprechenden Vorgaben nur berechtigt, wenn ihr eine diesbezügliche Kompetenz durch die Gemeinschaftsordnung oder Vereinbarungen der Wohnungseigentümer eingeräumt wird. Auch in diesem Fall stehen die Gebrauchsregelungen, die die Verwaltung aufgestellt hat, nicht unabänderlich im Raum. Die Eigentümergemeinschaft hat vielmehr jederzeit die Möglichkeit, diese durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer abzuändern oder aufzuheben.178

11.199 Eine Hausordnung, die sich die Wohnungseigentümergemeinschaft gegeben hat, berechtigt und verpflichtet die Verwaltung nur, deren Durchführung zu überwachen und ggf. durchzusetzen. Ergänzende, der Hausordnung hinzutretende Regelungen sind nur zulässig, wenn

178 BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 2 Z BR 96/01, ZWE 2002, 595.

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Inhalt und Grenzen des Wohnungseigentums

Rz. 11.203 Teil 11

sie keinen weitergehenden Eingriff in Rechte der Wohnungseigentümer zum Gegenstand haben (§ 27 Abs. 1 Ziff. 1 WEG). cc) Inhaltliche Grenzen, zulässiger und unzulässiger Gebrauch des Gemeinschaftseigentums Die Kasuistik zur Abgrenzung des zulässigen von unzulässigem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums ist umfangreich und stark geprägt durch die konkreten Umstände des Einzelfalls. Als zulässigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums hat die Rechtsprechung das Spielen auf im Gemeinschaftseigentum stehenden Rasenflächen,179 das Spielen im Bereich von gemeinschaftlichen Zufahrten,180 das Anbringen einer auf eine zulässige freiberufliche Nutzung hinweisenden Außenwerbung am Gemeinschaftseigentum,181 den Hinweis auf die Vermietung eines Wohnungseigentums182 sowie das Aufhängen einer saisonüblichen Dekoration an der Wohnungstür183 angesehen.

11.200

Als Beispiele für eine unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums sind das Aufstellen von Einrichtungsgegenständen vor der Wohnungstür,184 das heißt im Bereich des Gemeinschaftseigentums, der Einbau von Bewegungsmeldern185 und Überwachungskameras186 sowie das Aufstellen von Dekorationsfiguren – Gartenzwergen – auf gemeinschaftlichen Grün- und Gartenflächen187 zu nennen.

11.201

3. Sondernutzungsrechte Neben dem Gemeinschaftseigentum und dem Sondereigentum kennt das WEG eine dritte Art von Rechtsposition, das sog. Sondernutzungsrecht.188 Den Begriff verwendet das Gesetz ausschließlich in § 5 Abs. 4 WEG, indem es Zustimmungserfordernisse dinglich berechtigter Dritter normiert, soll ein Sondernutzungsrecht aufgehoben, geändert oder übertragen werden. Eine Definition des Sondernutzungsrechtes kennt das WEG anders als bei den Begriffen des Gemeinschaftseigentums, des Sondereigentums, welches negativ definiert wird, und des Wohnungs- bzw. Teileigentums nicht.

11.202

a) Rechtsnatur des Sondernutzungsrechts Allgemein formuliert kann man sagen, dass das Sondernutzungsrecht das einem oder mehreren Wohnungseigentümern eingeräumte Recht zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer zum Gegenstand hat.189

179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189

OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.5.1991 – 20 W 362/90, OLGZ 92, 53. KG, Beschl. v. 29.4.1998 – 24 W 1107/98, NZM 1998, 633. KG, Beschl. v. 8.6.1994 – 24 W 5760/93, NJW-RR 1995, 333. LG Aurich, Beschl. v. 28.8.1986 – 3 T 97/86, NJW 1987, 448. LG Düsseldorf, Beschl. v. 10.10.1989 – 25 T 500/89, NJW-RR 1990, 785. OLG München, Beschl. v. 15.3.2006 – 34 Wx 160/05, NZM 2006, 378; BayObLG, Beschl. v. 7.4.1993 – 2 Z BR 9/93, NJW-RR 1993, 1165. OLG Hamm, Beschl. v. 24.8.1989 – 15 W 292/89, WuM 1991, 127. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1.2007 – 3 Wx 199/06, NJW 2007, 780. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.4.1988 – 2 W 7/87, NJW 1988, 2052. Vgl. hierzu umfassend auch Teil 12. BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, NJW 1979, 548.

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11.203

Teil 11 Rz. 11.204

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.204 Rechtlich und funktional stellt das Sondernutzungsrecht somit eine Mischform aus Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum dar. Während sich die die übrigen Eigentümer ausschließende Nutzungsbefugnis anders als beim Sondereigentum, wo sie das im Alleineigentum stehende Sondereigentum zum Gegenstand hat, auf das Gemeinschaftseigentum erstreckt, kann das dem Sondernutzungsrecht unterliegende Gemeinschaftseigentum anders als dies kraft Definition (§ 5 Abs. 2 WEG) grundsätzlich gemeinschaftlich zu nutzende Gemeinschaftseigentum nicht mehr durch sämtliche Wohnungseigentümer, sondern einzig und alleine durch die Sondernutzungsberechtigen genutzt werden. Das Sondernutzungsrecht stellt somit eine Durchbrechung der in § 5 WEG normierten Grundsätze dar, wonach das Gemeinschaftseigentum grundsätzlich gemeinschaftlich und das Sondereigentum grundsätzlich ausschließlich durch den Sondereigentümer genutzt werden.

11.205 Vom Sondernutzungsrecht zu unterscheiden sind Nutzungsrechte am Sondereigentum. Da es sich bei ihnen nicht um Nutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum handelt, unterfallen sie nicht dem Begriff des Sondernutzungsrechtes.

11.206 Ebenfalls nicht als Sondernutzungsrecht anzusehen sind Alleinnutzungsrechte im Verhältnis von Sondereigentümern eines einzelnen Miteigentums.190

11.207 Da das Sondernutzungsrecht ein Recht am Gemeinschaftseigentum einräumt, kann Inhaber des Sondernutzungsrechtes grundsätzlich nur ein Wohnungseigentümer sein.191 Sondernutzungsrechte, die Personen außerhalb der Eigentümergemeinschaft berechtigen und verpflichten, sind dagegen nicht zulässig.

11.208 Das Sondernutzungsrecht kann zum einen durch die Teilungserklärung (§§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG) begründet werden. Geschieht dies nicht, besteht die Möglichkeit, das Sondernutzungsrecht durch Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG zu begründen. Die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechtes gilt gem. § 10 Abs. 3 WEG nur dann gegenüber Sondernachfolgern, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen wird. Das Recht zur Sondernutzung kann die ausschließliche Nutzung im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Räume, Stellplätze oder – was häufig der Fall ist – Außenflächen zum Gegenstand haben. Es kann sich aber auch auf Einrichtungen wie Schwimmbäder, Aufzüge oder Außenflächen erstrecken. Voraussetzung ist immer, dass diese im Gemeinschaftseigentum stehen.

11.209 Rechtsdogmatisch gesehen stellt das Sondernutzungsrecht kein grundstückgleiches Recht dar. Vielmehr handelt es sich nach der Rechtsprechung des BGH um ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht.192 b) Grenzen des Sondernutzungsrechtes

11.210 Der Inhalt des Sondernutzungsrechts wird durch die maßgeblichen Regelungen in der Teilungserklärung bestimmt, wird dieses bereits durch den teilenden Eigentümer gem. §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG begründet. Beruht das Sondernutzungsrecht auf einer Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG, ist diese für die inhaltliche Festlegung des Sondernutzungsrechtes maßgeblich.

190 BayObLG, Beschl. v. 21.7.1994 – 2 Z BR 56/94, NJW-RR 1994, 1427. 191 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, NJW 1979, 548. 192 BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, ZMR 2001, 120.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.217 Teil 11

Das Sondernutzungsrecht berechtigt zum alleinigen Gebrauch der in Rede stehenden Räumlichkeiten oder Einrichtungen des Gemeinschaftseigentums. Es begründet damit ebenso wie das Sondereigentum einen Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer. Inhaltlich ist der Sondernutzungsberechtigte nicht befugt, das gemeinschaftliche Eigentum anders beziehungsweise intensiver zu nutzen als dies die übrigen Eigentümer dürften, wären sie nicht durch das Sondernutzungsrecht von der Nutzung ausgeschlossen. Im Übrigen gilt auch hier § 14 Abs. 1 WEG, wonach die Nutzung so zu erfolgen hat, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

11.211

Der sondernutzungsberechtigte Wohnungseigentümer kann die Ausübung des Sondernutzungsrechts dritten Personen, beispielsweise Mietern, übertragen. Auch diese sind an die Vorgaben des § 14 Abs. 1 WEG gebunden. Dies hat der berechtigte Sondereigentümer zu überwachen (§ 14 Nr. 2 WEG).

11.212

Die Änderung des Sondernutzungsrechts bedarf gem. § 5 Abs. 4 WEG der Zustimmung eines dinglich berechtigten Dritten.

11.213

Das Gleiche gilt für die Aufhebung des Sondernutzungsrechtes. Diese ist – wie die Begründung des Sondernutzungsrechtes – durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG möglich.193

11.214

Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, ob der sondernutzungsberechtigte Wohnungseigentümer die seiner Sondernutzung unterliegenden Gemeinschaftsflächen separat vermieten kann. Eine Regelung wie in § 13 Abs. 1 WEG, nach der der Sondereigentümer das Sondereigentum nach Belieben bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen darf, kennt das WEG bezüglich des Sondernutzungsrechtes nicht. Ungeachtet dessen ist nicht erkennbar, warum eine Vermietbarkeit einem Sondernutzungsrecht unterliegender Gemeinschaftsflächen nicht möglich sein soll, soweit dem keine gesetzlichen Regelungen oder Rechte Dritter entgegenstehen. Demzufolge ist von einer Vermietbarkeit Sondernutzungsrechten unterliegender Gemeinschaftsflächen auszugehen.194

11.215

Inhaltlich begrenzt wird das Sondernutzungsrecht im Übrigen durch gebrauchsregelnde Vereinbarungen i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG. Soweit diese das Gemeinschaftseigentum binden, binden sie auch den durch das Sondernutzungsrecht berechtigten Wohnungseigentümer. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich das Sondernutzungsrecht stets auf Gemeinschaftseigentum bezieht.

11.216

II. Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere Verletzungen wohnungseigentumsrechtlicher Rechtspositionen, namentlich des Sondereigentums, des Gemeinschaftseigentums oder bestehender Sondernutzungsrechte sind in vielfältiger Form denkbar. Zu unterscheiden sind Rechtsverletzungen durch tatsächliches Handeln, beispielsweise einen unzulässigen Gebrauch, Eigentumsverletzungen durch Beschädigung des Gemeinschafts- oder Sondereigentums, Besitzstörungen und Besitzentziehungen durch ent193 BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, NJW 2000, 3643. 194 Schuschke, NZM 1999, 241.

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11.217

Teil 11 Rz. 11.217

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

sprechende deliktische Handlungen und Rechtsverletzungen durch Unterlassen, soweit Handlungspflichten einzelner Eigentümer, der Eigentümergemeinschaft oder des Verwalters bestehen. Weiter denkbar sind Rechtsverletzungen durch Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft oder das Unterlassen ebensolcher bei bestehenden Handlungspflichten der Gemeinschaft.

11.218 Zu unterscheiden ist weiter zwischen Rechtsverletzungen innerhalb der Gemeinschaft, sprich solchen Rechtsverletzungen, die Eigentümer untereinander begehen, und Verletzungen von Wohnungseigentumsrechten seitens der Verwaltung oder Dritten, beispielsweise Mietern eines Wohnungseigentümers.

11.219 Auch ist zu unterscheiden, ob der Eigentümer als Sondereigentümer, Gemeinschaftseigentümer oder Sondernutzungsberechtigter von der Rechtsverletzung betroffen ist.

11.220 So vielfältig wie die Art der Rechtsverletzungstypen, der der Rechtsverletzung ausgesetzten Rechtsinhaber und der in Betracht zu ziehenden Störer, so vielfältig sind auch die rechtlichen Abwehrmöglichkeiten. Sie reichen von Unterlassungsansprüchen über Beseitigungsansprüche bis hin zu Schadensersatzansprüchen, Schmerzensgeldansprüchen, Anfechtungsklagen und Vornahmeklagen. Schlussendlich ist als wohl schärfste wohnungseigentumsrechtliche Sanktion die Entziehung des Wohnungseigentums des Störers zu nennen.

11.221 Erforderlichenfalls sind Rechtsverletzungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu sanktionieren. 1. Die Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums

11.222 Gemäß § 1 Abs. 5 WEG handelt es sich beim Gemeinschaftseigentum um das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Wohnungs- und Teileigentümer halten neben dem Sondereigentum einen Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 2 und 3 WEG).

11.223 Da das Sondereigentum unselbständig ist und stets nur mit dem Miteigentumsanteil veräußert oder belastet werden kann (§ 6 Abs. 1 WEG), betreffen Störungen des Gemeinschaftseigentums stets sämtliche Sondereigentümer. Rechtsverletzungen zum Nachteil des Gemeinschaftseigentums verletzen dabei nicht nur die Eigentümergemeinschaft als Ganzes in ihren Rechten, sondern gerade auch den einzelnen Sondereigentümer in seinem Miteigentumsrecht.

11.224 Die Betroffenheit des einzelnen Sondereigentümers folgt dabei auch aus § 13 Abs. 2 S. 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt ist. Wird er in diesem Recht verletzt oder wird es ihm entzogen, ist er in seiner individuellen Rechtsposition verletzt.195 Dementsprechend regelt § 10 Abs. 1 WEG, dass Inhaber der Rechte und Pflichten nach dem WEG nicht nur bezüglich des Sondereigentums, sondern gerade auch hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums die Wohnungseigentümer sind, soweit nichts anderes geregelt ist. § 10 Abs. 1 WEG verdeutlicht, dass Inhaber der Rechte grundsätzlich die Wohnungseigentümer als einzelne Rechtsträger sind. Ihnen gehört die Immobilie. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiger Verband verwaltet lediglich das Allein- und Miteigentum der Wohnungseigentümer. 195 BayObLG, Beschl. v. 20.1.1994 – 2 Z BR 93/93, ZMR 1994, 234.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.230 Teil 11

Aus der individuellen Rechtsverletzung zum Nachteil des Sondereigentümers, die auch bei Verletzungen des gemeinschaftlichen Eigentums vorliegt, folgt unmittelbar die grundsätzliche Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers, sich gegen entsprechende Rechtsverletzungen zu verteidigen und gegenüber dem Verletzten deliktische Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB, Ansprüche auf Herausgabe gemäß §§ 985 ff. BGB, auf Unterlassung (§§ 1004 und 1007 BGB) sowie Besitzschutzansprüche gemäß §§ 859 bis 862 und 867 BGB geltend zu machen.196

11.225

Hat der Abwehranspruch des einzelnen Wohnungseigentümers eine Leistung zum Gegenstand, kann der Wohnungseigentümer nicht Erfüllung an sich, sondern nur Leistung an alle Miteigentümer verlangen (§ 1011 BGB).

11.226

Aufgrund der seitens des einzelnen Wohnungseigentümers bestehenden originären Aktivlegitimation bedurfte es zur Geltendmachung der Ansprüche, mit denen Rechtsverletzungen des Gemeinschaftseigentums abgewehrt werden sollten, bis zur WEG-Novelle nach der einschlägigen Rechtsprechung keines den einzelnen Wohnungseigentümer legitimierenden Beschlusses der Gemeinschaft.197 Dies gilt aufgrund der Neuregelung des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG, der § 10 Abs. 1 WEG in weiten Teilen derogiert, nicht mehr uneingeschränkt.

11.227

Besagt § 10 Abs. 1 WEG, dass die Rechte bezüglich des Sonder- und Gemeinschaftseigentums den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen, wird dieser Grundsatz durch § 10 Abs. 6 WEG, der die Kompetenzen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer definiert, eingegrenzt. So lautet § 10 Abs. 6 S. 2 WEG dahin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten ist. Gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.198 Die grundsätzlich bestehende Kompetenz der einzelnen Wohnungseigentümer wird insofern eingeschränkt.199

11.228

Die Befugnisse zur Ausübung gemeinschaftsbezogener Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer werden als „geborene“ Befugnisse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bezeichnet,200 wenn ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist.

11.229

Zur Gruppe der geborenen Befugnisse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zählen insbesondere Leistungsansprüche, die allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehen, namentlich Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter aus Vertrag201 oder deliktische Schadensersatzansprüche gegen Dritte.202 Als weitere gemeinschaftsbezogene Ausübung der Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft wurden die Geltendmachung

11.230

196 BayObLG, Beschl. v. 20.1.1994 – 2 Z BR 93/93, ZMR 1994, 234. 197 BGH, Beschl. v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, NJW 1992, 978; BayObLG, Beschl. v. 15.1.2004 – 2 Z BR 225/03, ZMR 2004, 445. 198 BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089. 199 Vgl. zur Rechtsstellung der einzelnen Wohnungseigentümer aber BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82. 200 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351; Palandt/Wicke, § 10 WEG Rz. 29. 201 BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – V ZB 9/88, NJW 1989, 1091. 202 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351.

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689

Teil 11 Rz. 11.230

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

eines Anspruchs auf Beseitigung eines Überbaus203 und die Geltendmachung von Mängelansprüchen bezüglich des Gemeinschaftseigentums204 angesehen.

11.231 Hat die Rechtsverletzung gemeinschaftsbezogene Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer zum Gegenstand, soll eine Geltendmachung durch einzelne Wohnungseigentümer mangels Prozessführungsbefugnis nach Teilen der Rechtsprechung unzulässig sein.205 Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann, wenn durch die Geltendmachung der Rechte Leistungspflichten der übrigen Wohnungseigentümer begründet werden wie etwa bei der Durchsetzung eines Anspruchs auf Einräumung eines Notwegerechts, der gemäß § 917 Abs. 3 BGB die Verpflichtung zur Zahlung einer gemeinschaftlich geschuldeten Notwegrente begründet.206

11.232 Von den „geborenen“ Befugnissen der Eigentümergemeinschaft i.S.d. § 10 Abs. 6 WEG sind die sogenannten „gekorenen“ Befugnisse der Gemeinschaft zu unterscheiden.207 Hierbei handelt es sich um sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Regelmäßig liegen diese vor, wenn es nach der Interessenlage sinnvoll wäre, den Anspruch gemeinschaftlich durchzusetzen.208 Hier handelt es sich insbesondere um Ansprüche auf Leistung an alle Wohnungseigentümer, die jedem einzelnen Wohnungseigentümer zustehen, deren Geltendmachung aber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss übertragen worden ist.209 Die Fallkonstellationen reichen von Unterlassungsansprüchen wegen rechtswidrigem Gebrauch des Wohnungseigentums210 bis hin zu Klageverfahren wegen unzulässiger baulicher Veränderung des Wohnungseigentums.211

11.233 Ein entsprechender Beschluss der Eigentümergemeinschaft kann zu einem konkurrierenden Nebeneinander individueller oder gemeinschaftlicher Rechtsverfolgung führen. Während die Rechtsprechung dies vor der WEG-Novelle als zulässig angesehen hat und eine konkurrierende Verfolgung der Abwehransprüche durch einzelne Wohnungseigentümer nach einem die Gemeinschaft legitimierenden Beschluss grundsätzlich auch den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Beratung der WEG-Novelle entsprach,212 war bis vor kurzem umstritten, ob eine individuelle Geltendmachung entsprechender Abwehransprüche durch den einzelnen Wohnungseigentümer nach einem Beschluss der Eigentümergemeinschaft, diese gemeinschaftlich gegenüber dem Störer geltend zu machen, weiter möglich ist.213 Der BGH hat hier jedoch eine Klärung herbeigeführt und die Rechtsposition der einzelnen Wohnungseigentü203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

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OLG München, Beschl. v. 26.10.2010 – 32 Wx 26/10, NJW 2011, 83. BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089. OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2008 – 25 U 129/07, NJOZ 2008, 4475. BGH, Urt. v. 7.7.2006 – V ZR 159/05, NJW 2006, 3426. Zur Unterscheidung zwischen geborener und gekorener Ausübungsbefugnis (und zum Gebot einer wertenden Betrachtung) vgl. jetzt auch BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82. BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351; BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82: bei der gekorenen Ausübungsbefugnis genügt es, dass die Rechtsausübung durch den Verband „förderlich“ ist. BGH, Beschl. v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807. BGH, Beschl. v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807. BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 193/09, NJW 2010, 2801. BT-Drucks. 16/887, S. 62. Dafür: OLG München, Beschl. v. 16.11.2007 – 32 Wx 111/078, NZM 2008, 87, Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2008 – 2 Wx 115/08, ZMR 2009, 306; AG Bonn, Urt. v.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.236 Teil 11

mer gestärkt.214 Ausnahmsweise, so der BGH, besteht keine geborene, sondern nur eine gekorene Ausübungsbefugnis für Schadensersatzansprüche, wenn eine Anspruchskonkurrenz zwischen dem Schadensersatzanspruch der WEG (Verband) und dem Beseitigungsanspruch der einzelnen Wohnungseigentümer aus ihrem Miteigentumsanteil gemäß § 1004 BGB besteht (auch soweit der Beseitigungsanspruch auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands gerichtet ist). Ein Beschluss des Verbandes über das Ansichziehen könnte nämlich („ausnahmsweise“) als rechtsmissbräuchlich und deshalb als nichtig angesehen werden, wenn ein einzelner Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch bereits gerichtlich geltend gemacht hat, eine Rechtsverfolgung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (trotz des Beschlusses) nicht beabsichtigt ist und die Beschlussfassung allein dazu dienen soll, den laufenden Individualprozess zu beenden. Das widerspräche Sinn und Zweck der Vergemeinschaftung, die die Rechtsverfolgung nicht verhindern, sondern die Möglichkeit zu einer gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung eröffnen soll, und bezweckte eine treuwidrige Benachteiligung des klagenden Wohnungseigentümers. Für den Fall der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Baumängeln an Gemeinschaftseigentum und/oder Sondereigentum hat der BGH jedenfalls eine konkurrierende Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers durch Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und Ablehnungsandrohung so lange für zulässig erachtet, wie die fristgebundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht mit Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft kollidiert.215

11.234

Keine konkurrierende Rechtsverfolgung in diesem Sinne liegt vor, wenn Beeinträchtigungen sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch einzelne Sondereigentumseinheiten betreffen und die Gemeinschaft die gemeinschaftseigentumsbezogenen, Sondereigentümer parallel hierzu die ihr Sondereigentum betreffenden Rechtsverletzungen abwehren. Da hier zwar die rechtsverletzende Handlung oder Unterlassung identisch sein mag, dies jedoch nicht für das verletzte Rechtsgut gilt – Miteigentum auf der einen, Sondereigentum auf der anderen Seite –, verfolgt der einzelne Wohnungseigentümer in solchen Fällen einen inhaltlich „anderen“ Rechtsanspruch als die durch Beschluss legitimierte Gemeinschaft. Es bleibt dem Wohnungseigentümer allerdings unbenommen, die Eigentümergemeinschaft zu ermächtigen, neben den Ansprüchen wegen der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums auch Ansprüche wegen Verletzung des Sondereigentums geltend zu machen.216

11.235

Neben der individuellen Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers, Rechtsver- 11.236 letzungen abzuwehren, besteht bei Rechtsverletzungen zum Nachteil des Gemeinschaftseigentums oder sämtlicher Sondereigentumseinheiten – wie dargelegt – die Möglichkeit, dass die Eigentümergemeinschaft die Abwehr der Rechtsverletzung durch Beschluss an sich zieht (§ 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG).217 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer tritt in diesem Fall als Prozessstandschafter auf. Gegenstand des Beschlusses ist, dass die konkret zu bezeichnende Rechtsverletzung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgewehrt werden

214 215 216 217

28.5.2010 – 27 C 169/08, n.v.; Schmid, NZM 2009, 721 723); dagegen: OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.2009 – 15 W 15/09, ZWE 2010, 44; Wenzel, NZM 2008, 74. BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82. BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089; vgl. auch insoweit BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82. BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952. BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089.

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Teil 11 Rz. 11.236

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

soll. Hierzu ist es erforderlich, dass der Inhalt des Beschlusses sowohl die rechtsverletzende Handlung oder Unterlassung als auch den in Rede stehenden Abwehranspruch, beispielsweise einen Unterlassungs-, Vornahme- oder Schadensersatzanspruch, konkret bezeichnet. Nach Teilen der Rechtsprechung soll hinsichtlich der gemeinschaftlichen Geltendmachung des Anspruchs aber auch eine konkludente Beschlussfassung möglich sein. So soll es nicht erforderlich sein, dass der Beschluss wörtlich von der gemeinschaftlichen Geltendmachung spricht. Vielmehr soll es ausreichen, wenn der Verwalter zur Durchsetzung des Anspruchs im Wege des gerichtlichen Verfahrens aufgefordert wird und ein Anwalt mit der Wahrnehmung der Interessen der Gemeinschaft beauftragt werden soll.218

11.237 Wird die Eigentümergemeinschaft durch Beschluss legitimiert, eine Störung des Gemeinschaftseigentums abzuwehren, soll der Störer, wenn es sich um einen Wohnungseigentümer handelt, nicht berechtigt sein, den Beschluss mit der Begründung anzufechten, der Beschluss sei bereits deshalb rechtswidrig, da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliege und daher die Geltendmachung entsprechender Ansprüche rechtswidrig sei.219 Die Frage, ob der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Anspruch auf Abwehr der behaupteten Rechtsverletzung zusteht, soll von den Gerichten erst in dem von der Gemeinschaft eingeleiteten Verfahren materiell-rechtlich überprüft werden.220 Dass dies wirklich zwingend ist, erscheint fraglich, da letztlich bereits der Beschluss, einen Eigentümer mit einem aussichtslosen Rechtsstreit zu überziehen, dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen dürfte. Dessen ungeachtet besteht für den störenden Wohnungseigentümer die Möglichkeit, eine Anfechtung des die Gemeinschaft legitimierenden Beschlusses mit formellen Fehlern zu begründen.221

11.238 Eine Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft, bestehende Rechtsverletzungen zum Nachteil des Gemeinschaftseigentums in jedem Fall abzuwehren und einen Beschluss zu fassen, mit dem die Eigentümergemeinschaft die Abwehr der Ansprüche an sich zieht, besteht grundsätzlich nicht. Der Eigentümergemeinschaft steht es hier frei, nach billigem Ermessen zu entscheiden.222 Der einzelne Wohnungseigentümer hat jedoch bei gemeinschaftsbezogenen Angelegenheiten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gemäß § 21 Abs. 5 WEG. Im Falle der Ermessensreduzierung auf null ist die Gemeinschaft zur Rechtsverfolgung verpflichtet.223 Ungeachtet dessen kann die Eigentümergemeinschaft von der Verfolgung geringfügiger oder als Bagatelle anzusehender Rechtsverletzungen absehen oder Abwehrmaßnahmen deshalb nicht in die Wege leiten, wenn dies aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten, beispielsweise einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit des Störers, angezeigt scheint. Dem einzelnen Wohnungseigentümer ist es in diesen Fällen unbenommen, Abwehransprüche individuell gegenüber dem Störer geltend zu machen und durchzusetzen. Bestehende Risiken, insbesondere Kostenrisiken etc., werden in diesem Fall von ihm alleine getragen.224

11.239 Ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aktivlegitimiert, sei es, dass es sich um die Durchsetzung von Ansprüchen aus geborenen Befugnissen der Gemeinschaft handelt, sei es, dass ein Beschluss gefasst wurde, Ansprüche aus dem Bereich der gekorenen Befugnisse der Gemeinschaft kollektiv durchzusetzen, ist sie berechtigt, die diesbezüglichen Rechte vor Ge218 219 220 221 222 223 224

692

AG Bonn, Urt. v. 28.5.2010 – 27 C 169/08, n.v. KG, Beschl. v. 8.1.1997 – 24 W 5678/96, ZMR 1997, 318. KG, Beschl. v. 8.1.1997 – 24 W 5678/96, ZMR 1997, 318. KG, Beschl. v. 8.1.1997 – 24 W 5678/96, ZMR 1997, 318. OLG München, Beschl. v. 26.10.2010 – 32 Wx 26/10, NJW 2011, 83. OLG München, Beschl. v. 26.10.2010 – 32 Wx 26/10, NJW 2011, 83. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.11.2003 – 20 W 506/01, ZMR 2004, 290.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.245 Teil 11

richt geltend zu machen. Sie ist prozess- und parteifähig und wird im gerichtlichen Verfahren gem. § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 7 WEG durch den Verwalter oder – wenn kein Verwalter bestellt ist – gem. § 27 Abs. 3 S. 2 WEG durch sämtliche Wohnungseigentümer vertreten. a) Störung des Gemeinschaftseigentums durch die Gemeinschaft Gem. § 13 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Wird dieser Mitgebrauch unter Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung dem Eigentümer nicht gewährt, beispielsweise, weil die Gemeinschaft die Nutzung durch Beschlüsse unter Verstoß gegen § 15 Abs. 2 WEG einschränkt oder entzieht oder durch Handlungen oder Unterlassungen, beispielsweise das Unterlassen von erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen, beeinträchtigt, ist der Wohnungseigentümer berechtigt, seinen Anspruch auf Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegenüber der rechtsverletzend handelnden Eigentümergemeinschaft durchzusetzen.

11.240

Hierbei ist zunächst zu unterscheiden, ob die Eigentümergemeinschaft die Rechtsverletzung durch Beschluss, aktives Handeln oder schlichtes Unterlassen begeht. Im erstgenannten Fall hat der Eigentümer die Möglichkeit der Anfechtungsklage gemäß § 46 WEG. Bei Rechtsverletzungen durch kollektive Handlungen der Eigentümergemeinschaft sind Ansprüche auf Unterlassung gem. § 1004 ff. BGB und im Falle des Unterlassens die Klage auf Vornahme der rechtswidrig unterlassenen Handlung in Betracht zu ziehen.

11.241

aa) Rechtswidrige Beschlüsse der Eigentümerversammlung Gemäß § 15 Abs. 2 WEG ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, durch Beschluss zu bestimmen, wie das Gemeinschaftseigentum zu nutzen ist, was also einem ordnungsmäßigen Gebrauch i.S.d. Wohnungseigentumsgesetzes entspricht.

11.242

Die Eigentümergemeinschaft ist in ihrer Beschlussfassung keineswegs frei. Beschlüsse, die gegen die Gemeinschaftsordnung oder eine Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG verstoßen, sind rechtswidrig. In gleicher Weise rechtswidrig sind Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, die gegen Gesetze (§ 134 BGB), die guten Sitten (§ 138 BGB) sowie den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB, § 315 BGB) verstoßen. Eine ganz wesentliche Kompetenzbeschränkung normiert § 15 Abs. 2 WEG selbst, indem er festlegt, dass die Eigentümergemeinschaft nur solche Beschlüsse verabschieden kann, die dem ordnungsmäßigen Gebrauch entsprechen.

11.243

Überschreitet ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft die vorstehenden Kompetenzgrenzen, ist er entweder anfechtbar oder gar nichtig. Im ersteren Fall entfaltet er Rechtswirkungen, bis durch ein Gericht festgestellt wird, dass der Beschluss rechtswidrig ist. Im Fall der Nichtigkeit entfaltet der Beschluss von Anfang an keine Rechtswirkungen und ist für den einzelnen Eigentümer, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und auch den Verwalter nicht bindend.

11.244

(1) Anfechtungsgründe Beschlüsse, die § 15 Abs. 2 WEG zuwiderlaufen, sind rechtswidrig und damit anfechtbar. Zentraler Prüfungsmaßstab des § 15 Abs. 2 WEG ist dabei der Begriff des „ordnungsmäßigen Gebrauchs“, ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Gesetz nicht näher definiert wird. Aus diesem Grund wendet die Rechtsprechung zur Bestimmung dessen, was ordnungsmäßigem

Peter

693

11.245

Teil 11 Rz. 11.245

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

Gebrauch entspricht, die Prüfungskriterien des § 14 Nr. 1 WEG an.225 Bezogen auf das Gemeinschaftseigentum regelt § 14 Nr. 1 WEG, dass jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, das gemeinschaftliche Eigentum nur in solcher Weise zu nutzen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Gleichzeitig ist das gemeinschaftliche Eigentum ordnungsgemäß instand zu halten.

11.246 Einen ordnungsmäßigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums regelt ein Mehrheitsbeschluss danach nur dann, wenn er mit den Pflichten des Wohnungseigentümers gem. § 14 Nr. 1 WEG konform geht und diese konkretisiert.226

11.247 Ein dem Wohnungseigentümer gem. § 14 Nr. 1 WEG gestatteter Gebrauch darf dem Eigentümer nicht durch Beschluss entzogen werden, soll ein Beschluss nicht rechtswidrig sein und dem Grundsatz ordnungsmäßigen Gebrauchs entgegenstehen.227

11.248 Umgekehrt darf ein Mehrheitsbeschluss dem einzelnen Wohnungseigentümer nicht einen intensiveren Gebrauch gestatten, als ihn § 14 Nr. 1 WEG gestattet.228

11.249 Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer den Grundsätzen ordnungsmäßigen Gebrauchs entspricht, greift die Rechtsprechung nicht auf allgemein verbindliche Kriterienkataloge zurück, sondern nimmt eine einzelfallbezogene Abwägung der Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer sowie der Interessen des betroffenen einzelnen Wohnungseigentümers vor. Hierbei stützt sie sich insbesondere auf die Vorgabe des § 14 Nr. 1 WEG, wonach ein Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nur in der Form erfolgen darf, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Die von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aufgestellten Obersätze zur Definition dessen, was ordnungsmäßigem Gebrauch entspricht, sind oft vage und bedürfen regelmäßig der Ausfüllung durch Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Ziel eines Mehrheitsbeschlusses muss es danach sein, das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu verfolgen. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn der Beschluss nach billigem Ermessen und bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise den konkreten Bedürfnissen der Wohnungseigentümer entspricht und unter Beachtung der örtlichen und baulichen Besonderheiten der Wohnanlage sowie der Verkehrsauffassung geboten erscheint.229

11.250 Letztlich lässt die Rechtsprechung sich bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit eines Mehrheitsbeschlusses davon leiten, ob dessen Regelungsgehalt geeignet ist, einzelne Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft als Ganzes nicht über das unvermeidliche Maß hinaus zu benachteiligen, Konflikte zu vermeiden bzw. der Gemeinschaft anderweitig zum Vorteil zu gereichen.230

225 226 227 228 229 230

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BayObLG, Beschl. v. 23.10.1992 – 2 Z BR 87/92, WE 1994, 17. BayObLG, Beschl. v. 23.10.1992 – 2 Z BR 87/92, WE 1994, 17. BayObLG, Beschl. v. 28.5.1985 – 2 BReg. 2 Z 8/85, MDR 1985, 676. OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.10.1994 – 8 W 218/93, ZMR 1995, 81. OLG Köln, Beschl. v. 3.12.1999 – 16 Wx 165/99, NZM 2000, 191. OLG Köln, Beschl. v. 8.11.1996 – 16 Wx 215/96, WE 1997, 427; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – V ZB 46/99, ZWE 2001, 21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.1985 – 3 W 105/85, OLGZ 1985, 437.

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.253 Teil 11

Dient eine durch Mehrheitsbeschluss beabsichtigte Maßnahme dem allgemeinen Interesse 11.251 der Eigentümergemeinschaft, ohne vermeidbar in Rechtspositionen einzelner Wohnungseigentümer einzugreifen, ist der Beschluss regelmäßig als ordnungsmäßigem Gebrauch entsprechend anzusehen. Läuft der Beschluss dagegen dem Interesse der Eigentümergemeinschaft als Gesamtheit entgegen oder werden Interessen einzelner Eigentümer nachhaltig verletzt, ist von der Anfechtbarkeit des Beschlusses auszugehen. Unter Heranziehung der vorstehenden Kriterien hat die Rechtsprechung einen Beschluss, durch den das Grillen auf den Balkonen einer Wohnungseigentumsanlage generell gestattet werden sollte, wegen bestehender Brandgefahr sowie Belästigung der übrigen Wohnungseigentümer durch Rauch- und Geruchsimmissionen als nicht ordnungsmäßigem Gebrauch entsprechend angesehen.231 Die Rechtsprechung sieht hier zum einen das allgemeine Interesse der Eigentümergemeinschaft an der Vermeidung von Bränden, zum anderen aber auch das konkrete Interesse nicht grillender Wohnungseigentümer, durch Geruchsimmissionen nicht belästigt zu werden, beeinträchtigt.

11.252

Anfechtbar sind auch Beschlüsse, mit denen die Eigentümer oder Nutzer gewerblich oder 11.253 freiberuflich genutzten Teileigentums ganz oder teilweise von der Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen ausgeschlossen werden sollen. So hat die Rechtsprechung Beschlüsse für ungültig erklärt, mit denen die Gemeinschaft beschlossen hat, dass gewerblicher Restmüll und recyclingfähiger Abfall nicht unter Inanspruchnahme der jeweiligen Abfalltonnen der Gemeinschaft entsorgt werden darf.232 Die Wohnungseigentümer könnten hiergegen nicht einwenden, dass ein Gewerbetrieb typischerweise mehr Müll erzeuge als eine Wohneinheit. Eventuellen erhöhten Kosten sei durch den Kostenverteilungsschlüssel der Gemeinschaftsordnung Rechnung zu tragen.233 Anders dürfte dies zu beurteilen sein, wenn kommunale, landes- oder bundesrechtliche Vorschriften eine Trennung von Gewerbemüll und Hausmüll vorsehen.234 In gleicher Weise auf eine übermäßige Beeinträchtigung einzelner Miteigentümer gestützt hat die Rechtsprechung entschieden, dass Beschlüsse, die vorsehen, dass im Gemeinschaftseigentum stehende Kfz-Stellplätze nicht durch Kunden eines im Teileigentum bestehenden Gewerbes oder einer freiberuflichen Praxis genutzt werden dürften,235 rechtswidrig sind. Ein schützenswertes Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes, Kunden des im Teileigentum stehenden Gewerbes die Nutzung der Stellplätze zu versagen, hat die Rechtsprechung hier mit der Begründung verneint, dass hier eine über das unvermeidliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Interessen des Teileigentümers vorliege. Demgegenüber sind Beschlüsse, mit denen im Sondereigentum stehende Parkflächen durch Farbmarkierungen vom Gemeinschaftseigentum abgegrenzt werden und nach denen das Abstellen von Fahrzeugen nur innerhalb der markierten Flächen zulässig sein soll, nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden.236 Das Gleiche gilt für das Aufbringen von Sperrflächenmarkierungen auf dem Gemeinschaftseigentum, um das Parken im Bereich von Durchfahrten und Zugängen zu unterbinden.237

231 232 233 234 235 236 237

LG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.1990 – 25 T 435/90, MDR 1991, 52. AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. BayObLG, Beschl. v. 23.7.1999 – 2 Z BR 100/09, NZM 1999, 1145. AG Bonn, Urt. v. 28.5.2010 – 27 C 169/08, n.v. AG Bonn, Urt. v. 28.5.2010 – 27 C 169/08, n.v.

Peter

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Teil 11 Rz. 11.254

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.254 Auch Nutzungsregelungen, die den Gebrauch gemeinschaftlicher Einrichtungen in tatsächlicher oder zeitlicher Hinsicht einschränken, steht die Rechtsprechung eher zurückhaltend gegenüber und hält diese für anfechtbar, wenn die Nutzung der Einrichtung übermäßig beschränkt oder erschwert wird. Beschließt die Gemeinschaft, dass in einem Waschkeller pro Sondereigentümer nur eine Waschmaschine, nicht jedoch zusätzlich ein Trockner aufzustellen ist, ist ein solcher Beschluss anfechtbar.238 Die Gemeinschaft könne dem einzelnen Eigentümer nicht verbieten, sowohl eine Waschmaschine als auch einen Kondenstrockner aufzustellen. Bei Platzproblemen könne die Gemeinschaft vom jeweiligen Sondereigentümer verlangen, Waschmaschine und Trockner aufeinanderzustellen oder sich für ein Kombinationsgerät aus Waschmaschine und Trockner zu entscheiden. Weitergehende Beschränkungen des Sondereigentümers stünden der Gemeinschaft nicht zu und führten zu einer übermäßigen Beeinträchtigung, die über das Maß des § 14 WEG hinausgehe.239

11.255 Der Einschränkung der Nutzung des gemeinschaftlichen Waschkellers dergestalt, dass diese nur an zwei Vormittagen in der Woche erfolgen darf, spricht die Rechtsprechung ab, ordnungsmäßigem Gebrauch zu entsprechen.240 Hier liegt zum einen ein über das unvermeidliche Maß hinausgehender Eingriff in das gem. § 13 Abs. 2 WEG bestehende Recht des einzelnen Wohnungseigentümers zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums vor. Zum anderen ist nicht erkennbar, warum eine solch weitgehende Beschränkung der Nutzungszeiten im Interesse der Gemeinschaft sein soll.

11.256 Anders ist dies zu beurteilen, wenn die zeitliche Einschränkung der Nutzung gemeinschaftlicher Wasch- und Trockenräume der Vermeidung von Lärmimmissionen während der Ruheoder Nachtzeit dient. So sind Beschlüsse, nach denen Waschmaschinen und Wäschetrockner beispielsweise nur in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 22.00 Uhr betrieben werden dürfen, rechtlich nicht zu beanstanden.241 Lässt die Anzahl der Wohnungseigentümer, die einen gemeinschaftlichen Waschkeller nutzen sollen, es nicht anders zu, können den Wohnungseigentümern auch konkrete Nutzungstage und Uhrzeiten per Beschluss zugewiesen werden, um sicherzustellen, dass jeder Wohnungseigentümer auch die Möglichkeit hat, die gemeinschaftliche Einrichtung angemessen zu nutzen.242

11.257 Auch bei Beschlüssen, die die Nutzung von Abfallentsorgungseinrichtungen reglementieren sollen, ist darauf zu achten, dass zeitliche Einschränkungen durch berechtigte Interessen der Eigentümergemeinschaft gerechtfertigt sind. Ein Beschluss, nach dem Haushaltsabfälle nur an zwei Tagen in der Woche in die gemeinschaftlichen Mülltonnen verbracht werden dürfen, schränkt das Nutzungsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers in nicht zu legitimierender Art und Weise ein. Entsprechende Zugangsbeschränkungen zu den Mülltonnen sind daher anfechtbar.243 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch unter hygienischen Gesichtspunkten nicht dem Interesse der Gemeinschaft entsprechen kann, dass Haushaltsabfälle – insbesondere während der wärmeren Sommermonate – länger als unbedingt erforderlich in den Wohnungen aufbewahrt werden.

238 239 240 241 242 243

696

AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. KG, Beschl. v. 7.1.1985 – 24 W 4631/84, ZMR 1985, 131. BayObLG, Beschl. v. 23.10.1992 – 2 Z BR 87/92, WE 1994, 17. BayObLG, Beschl. v. 24.8.1990 – 2 Z 87/90, WuM 1991, 301. AG Aachen, Beschl. v. 17.7.2002 – 12 UR 53/02, ZMR 2004, 70.

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.262 Teil 11

Nicht zu beanstanden sind Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, die von Mietern verlangen, dass recyclingfähiger Müll nicht über die Restmülltonne entsorgt wird.244 Bei unterbleibender Mülltrennung und damit einhergehender Entsorgung von recyclebaren Abfällen über die Restmülltonne bestehe die Gefahr, dass höhere Kosten durch größere Restmülltonnen entstünden, die nicht anfielen, wenn der Müll über Abfalltonnen für Recyclingmaterial entsorgt wird. Entsprechend höhere Kosten müsse die Gemeinschaft nicht dulden, wenn sie auf mangelhafter Mülltrennung beruhten.245

11.258

Sollen gemeinschaftliche Einrichtungen, zum Beispiel Abfallentsorgungseinrichtungen wie Müllschlucker etc., stillgelegt oder abgeschafft werden, ist auch ein hierauf gerichteter Beschluss anfechtbar, da er dem Wohnungseigentümer die Möglichkeit zur Ausübung seines Rechtes auf Gebrauch des Gemeinschaftseigentums i.S.d. § 13 Abs. 2 WEG entzieht.246

11.259

Dienen zeitliche Nutzungsbeschränkungen der Vermeidung von Lärmimmissionen etc., die 11.260 andere Wohnungs- oder Teileigentümer beeinträchtigen könnten, ist die Rechtsprechung regelmäßig weniger streng, wenn es um die Beurteilung der Anfechtbarkeit entsprechender Beschlüsse geht. Beschlüsse, wonach Ruhezeiten von 20.00 Uhr abends bis 8.00 Uhr morgens und in der Zeit von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr festgelegt werden, sind nach gefestigter Rechtsprechung zulässig.247 Auch Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen, insbesondere in der Zeit von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr, hat die Rechtsprechung als unproblematisch angesehen.248 Demgegenüber als nicht ordnungsmäßigem Gebrauch entsprechend hat die Rechtsprechung solche Beschlüsse angesehen, mit denen das Musizieren auf wenige Stunden pro Tag – beispielsweise 2–4 Stunden – eingeschränkt werden sollte.249 Versucht die Wohnungseigentümergemeinschaft, selbst das Musizieren in Zimmerlautstärke zu untersagen, ist ein solcher Beschluss mangels entsprechender Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer rechtswidrig, wobei in der Rechtsprechung umstritten ist, ob der Beschluss nur anfechtbar250 oder gar nichtig ist.251

11.261

Beschlüsse, mit denen das Kinderspiel auf gemeinschaftlichen Flächen untersagt werden 11.262 soll, beurteilt die Rechtsprechung unterschiedlich. Ein Verbot, auf Pkw-Abstellplätzen Ball zu spielen und Rad zu fahren, ist für zulässig erachtet worden.252 Ein Beschluss, durch den Kindern auf gemeinschaftlichen Rasenflächen gestattet werden soll zu spielen, ist nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht zu beanstanden.253 Ein ebensolcher Beschluss, Kindern auf gemeinschaftlichen Rasenflächen das Ballspielen zu erlauben, soll dagegen nach Auffassung des OLG Düsseldorf rechtswidrig und anfechtbar sein.254 Der Entscheidung kann nicht gefolgt werden, stellt sich doch die Frage, ob nicht mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang ste244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254

AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03, n.v. BayObLG, Beschl. v. 28.2.2002 – 2 Z BR 177/01, NZM 2002, 447. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713; OLG Braunschweig, Beschl. v. 24.7.1986 – 3 W 55/86, WuM 1986, 353. BayObLG, Beschl. v. 12.12.1991 – 2 Z 145/91, WE 1992, 264. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 14.8.1990 – 3 W 48/09, MDR 1990, 1121; a.A. BayObLG, Beschl. v. 28.3.1985 – BReg. 2 Z 8/85, MDR 1985, 676. BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 2 Z BR 96/01, ZWE 2001, 595. OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, MDR 1981, 320. BayObLG, Beschl. v. 12.9.1991 – 2 Z 52/91, WE 1992, 201. Saarländisches OLG, Beschl. v. 24.10.1989 – 5 W 187/89, NJW-RR 1990, 24. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.1985 – 3 Wx 352/85, MDR 1986, 852.

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Teil 11 Rz. 11.262

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

hendes Ballspiel durch Kinder generell eine Ausübung des Rechts auf Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums i.S.d. § 13 Abs. 2 WEG darstellt. Rasenflächen dienen regelmäßig nicht nur der optischen Gestaltung, sondern der Erholung und als Spielfläche.255 Da Lärmimmissionen von ballspielenden Kindern nach der Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 22 Abs. 1a BImSchG) keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr darstellen, können auch sie kein berechtigtes Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (mehr) begründen, Ballspiel im angemessenen Rahmen zu untersagen.

11.263 So wie die Rechtsprechung umfassenden Nutzungseinschränkungen kritisch gegenübersteht, stellt sich auch ihr Verhältnis zu Beschlüssen, die die Haustierhaltung ausschließen sollen, dar. Solche Beschlüsse sind nicht nur anfechtbar, sondern regelmäßig sogar nichtig.256 Anders sieht dies für die Beschränkung der Haustierhaltung auf ein angemessenes Maß aus. Beschlüsse, die die Anzahl der Haustiere reglementieren, sind, soweit sie die berechtigten Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer hinreichend wahren, regelmäßig zulässig.257 Auch kann die Eigentümergemeinschaft beschließen, dass Haustiere im Bereich des Gemeinschaftseigentums nicht unangeleint angetroffen werden dürfen.258 (2) Die Abwehr anfechtbarer Beschlüsse

11.264 Verletzt die Eigentümergemeinschaft einen Wohnungseigentümer durch Verabschiedung eines rechtswidrigen Beschlusses in seinem Recht, das gemeinschaftliche Eigentum gem. § 13 Abs. 2 WEG nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG zu nutzen, hat der Wohnungseigentümer die Möglichkeit, die Beeinträchtigung durch Erhebung der Anfechtungsklage gem. § 46 Abs. 1 WEG zu beseitigen.

11.265 Da die Rechtsverletzung in den hier in Rede stehenden Fällen das Gemeinschaftseigentum zum Gegenstand hat, ergibt sich die Aktivlegitimation aus der Stellung des einzelnen Wohnungseigentümers als Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums (§ 1 Abs. 2 und 3 WEG i.V.m. § 13 Abs. 2 WEG, § 46 Abs. 1 WEG).

11.266 Die Anfechtungsklage ist innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG, das heißt innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung zu erheben. Innerhalb zweier Monate nach Beschlussfassung ist die Anfechtungsklage zu begründen (§ 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG). Gem. § 46 Abs. 1 S. 1 WEG hat die Anfechtungsklage die gerichtliche Klärung der Gültigkeit eines Beschlusses im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zum Gegenstand. Rechtsträger des Beschlusses sind die Wohnungseigentümer, nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S.d. § 10 Abs. 6 WEG. Dementsprechend ist die Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten (§ 46 Abs. 1 S. 1 WEG).259

11.267 Wird die Klage dagegen gegen „die Wohnungseigentümergemeinschaft …“ oder kurz „die WEG …“ erhoben, handelt es sich hierbei um eine Klage gegen den Verband, die aufgrund fehlender Passivlegitimation des Verbandes unzulässig ist.260 Nachdem Teile der Rechtsprechung im Anschluss an die WEG-Novelle eine Klageänderung, die das Ziel hat, die zunächst 255 BayObLG, Beschl. v. 12.12.1991 – 2 Z 145/91, WE 1992, 264. 256 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.2002 – 3 Wx 173/02, WuM 2002, 506; Saarländisches OLG, Beschl. v. 2.10.2006 – 5 W 154/06-51, ZMR 2007, 308. 257 OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2003 – 4 W 15/03, NZM 2003, 242. 258 BayObLG, Beschl. v. 2.6.2004 – 2 Z BR 99/04, ZMR 2004, 769. 259 LG Köln, Urt. v. 19.3.2008 – 29 S 64/08, n.v. 260 LG Köln, Urt. v. 19.3.2008 – 29 S 64/08, n.v.; a.A. LG Düsseldorf, NZM 2008, 813.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.271 Teil 11

gegen den Verband erhobene Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG abgelehnt hatten, was zur Abweisung der Klagen und Bestandskraft der angefochtenen Beschlüsse führte, hat der BGH die vor der WEG-Novelle herrschende Rechtsprechung, dass eine entsprechende Klageänderung zulässig ist, unter Geltung des novellierten Wohnungseigentumsgesetzes bestätigt.261 Die Klageänderung ist danach auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist und Begründungsfrist noch möglich, muss jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt werden, soll die Anfechtungsklage nicht als unzulässig abgewiesen werden.262 Wird die Anfechtungsklage gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, genügt für die nähere Bezeichnung in der Klageschrift zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 S. 1 WEG). Die namentliche Bezeichnung der Wohnungseigentümer muss jedoch spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, regelmäßig durch Vorlage einer aktuellen Eigentümerliste, erfolgen (§ 44 Abs. 2 S. 2 WEG).263 Ungeachtet dessen ist die namentliche Bezeichnung sämtlicher übrigen Wohnungseigentümer in der Klageschrift möglich. Dies kann entweder durch Aufnahme der vollständigen Namen und ladungsfähigen Anschriften in die Klageschrift selbst oder unter Hinweis auf eine als Anlage beigefügte aktuelle Eigentümerliste geschehen.

11.268

Die Klage ist auch gegen die Eigentümer zu richten, die bei der Beschlussfassung gegen den Beschluss gestimmt haben, der mehrheitlich zustande gekommen ist.264 Klagegegner ist somit jeder Wohnungseigentümer, der den Beschluss nicht anficht.

11.269

Fechten mehrere Wohnungseigentümer unabhängig voneinander den Beschluss an, sind die Verfahren gemäß § 47 S. 1 WEG zu verbinden.

11.270

Fasst die Wohnungseigentümergemeinschaft – beispielsweise gegen die ausdrückliche Empfehlung des Verwalters – einen anfechtbaren Beschluss, soll auch der Verwalter gem. § 46 Abs. 1 S. 1 WEG zur Anfechtung des Beschlusses berechtigt sein.265 Verletzt der anfechtbare Beschluss Dritte, namentlich Mieter oder Haushalts- bzw. Betriebsangehörige des Wohnungseigentümers i.S.d. §§ 13 Abs. 1, 14 Nr. 2 WEG in der Nutzung des Gemeinschaftseigentums, kann der einzelne Wohnungseigentümer diese Dritten ermächtigen, seine Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Es liegt insofern ein Fall der gewillkürten Prozessführungsbefugnis vor (§ 43 Nr. 5 WEG). Erforderlich ist jedoch stets, dass ein schutzwürdiges Interesse des Dritten gegeben ist, die Rechte wahrzunehmen. Dies kann insbesondere bei Mietern der Fall sein, wenn die Mitnutzung gemeinschaftlicher Räumlichkeiten, Einrichtungen oder Anlagen Gegenstand des Mietvertrages mit dem Sondereigentümer ist.266 Zu den weiteren verfahrensrechtlichen Fragen vergleiche Teil 25.

11.271

261 BGH, Urt. v. 6.11.2009 – V ZR 73/09, IMR 2010, 33; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.6.2008 – 14 Wx 24/07, NJW 2008, 2857; OLG München, Beschl. v. 22.11.2006 – 34 Wx 55/06, NZM 2007, 292. 262 BGH, Urt. v. 6.11.2009 – V ZR 73/09, IMR 2010, 33. 263 Niedenführ in Niedenführ/Vandenhauten, § 44 WEG Rz. 9. 264 BT-Drucks. 16/887, S. 73. 265 BT-Drucks. 16/3834, S. 28; Becker/Kümmel/Ott, § 11 Rz. 875. 266 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952 = NZM 2007, 403 = WM 2007, 1084.

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Teil 11 Rz. 11.272

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

(3) Nichtige Beschlüsse

11.272 § 23 Abs. 4 S. 1 WEG regelt, dass Beschlüsse, die gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann, nichtig sind.

11.273 Ein nichtiger Beschluss ist ex tunc unwirksam. Er kann zu keinem Zeitpunkt Wirkung entfalten. Auf die Nichtigkeit des Beschlusses kann sich jeder berufen. Einer gerichtlichen Entscheidung über die Nichtigkeit bedarf es grundsätzlich nicht.267

11.274 Auch wenn somit eine Rechtsverletzung in Form einer Beschränkung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums von dem Beschluss in rechtlicher Hinsicht ausgehen kann, können nichtige Beschlüsse in tatsächlicher Hinsicht durchaus dazu führen, dass Wohnungseigentümer im Gebrauch des Gemeinschaftseigentums unzulässig beschränkt oder von ihm in Gänze ausgeschlossen werden. Dies insbesondere dann, wenn die Mehrheit der Eigentümer und/ oder der Verwalter den Beschluss für rechtswirksam erachtet und umsetzt.

11.275 Ungeachtet dessen, dass das Wohnungseigentumsgesetz keinen enumerativen Katalog von Nichtigkeitsgründen kennt, sind doch bestimmte Gruppen nichtiger Beschlüsse zu unterscheiden: – Verstoß gegen zwingende Vorschriften

11.276 Beschlüsse, die gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoßen, auf deren Einhaltung Wohnungseigentümer auch im Wege der Vereinbarung nicht rechtswirksam verzichten können, sind nichtig. Ihre Nichtigkeit folgt bereits aus § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Einer Anordnung der Nichtigkeit nach § 134 BGB bedarf es nicht, da entsprechende Vorschriften bereits das rechtliche „Dürfen“ sanktionieren und als zwingendes Recht die unmittelbare Unwirksamkeit eines der Vorschrift zuwiderlaufenden Rechtsgeschäftes zur Folge haben.

11.277 Als zwingende Norm des Wohnungseigentumsgesetzes ist hier zunächst § 11 Abs. 1 S. 1 WEG zu nennen, der die grundsätzliche Unauflöslichkeit der Gemeinschaft bestimmt. Abgesehen von den Ausnahmefällen des § 11 Abs. 1 S. 3 – der teilweisen oder völligen Zerstörung des Gebäudes – ist jeder Beschluss, der die Auflösung der Gemeinschaft zum Gegenstand hat, kraft Gesetzes nichtig und damit unwirksam.

11.278 Auch § 12 Abs. 2 WEG, der regelt, dass die Zustimmung zur Veräußerung des Sondereigentums einschließlich des Miteigentumsanteils nur aus wichtigem Grund verweigert werden kann, stellt eine Rechtsnorm i.S.d. § 23 Abs. 4 S. 1 WEG dar. Beschlüsse, die die Versagung der Zustimmung zur Veräußerung von Wohnungseigentum aus anderen als wichtigen Gründen zulässig machen, sind demzufolge ebenfalls nichtig.

11.279 § 18 Abs. 4 WEG regelt, dass die Entziehung des Wohnungseigentums i.S.d. § 18 Abs. 1 WEG nicht dergestalt eingeschränkt werden kann, dass auch bei schweren Pflichtverletzungen eine Entziehung des Wohnungseigentums ausgeschlossen sein soll. Dem zuwiderlaufende Beschlüsse sind demzufolge ebenfalls nichtig.

11.280 Weitere zwingende Normen des WEG, die zur Nichtigkeit zuwiderlaufender Beschlüsse führen, stellen § 20 Abs. 2 WEG, der es verbietet, die Bestellung eines Verwalters auszuschließen, § 26 Abs. 1 S. 5 WEG, nach dem Beschränkungen der Bestellung oder Abberufung des Verwalters, die über die des § 26 Abs. 1 WEG hinausgehen, unzulässig sind, und § 27 Abs. 4 267 BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, NJW 1989, 2059.

700

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.286 Teil 11

WEG, nach dem die Befugnisse des Verwalters gem. § 27 Abs. 1–3 WEG nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können, dar. Zuwiderlaufende Beschlüsse sind nichtig und entfalten keine Rechtswirkung. Über die vorstehend genannten Fallkonstellationen hinaus führt jeder Verstoß gegen eine sonstige zwingende Rechtsvorschrift des privaten oder öffentlichen Rechts zur Nichtigkeit eines inhaltlich widersprechenden Beschlusses. Rechtsgeschäftliche Verstöße gegen Strafgesetze sind gem. § 134 BGB nichtig, sodass Beschlüsse, die Straftaten zum Nachteil eines Eigentümers oder Dritten zum Gegenstand haben, nichtig sind. Beschlüsse, die abweichend von der Heizkostenverordnung die Beseitigung von Wärmemengenerfassungsgeräten und die Einführung einer nichtverbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung vorsehen, sind ebenfalls nichtig.268

11.281

– Absolute Unzuständigkeit der Wohnungseigentümer Ebenfalls nichtig sind Beschlüsse, die Regelungen zum Gegenstand haben, die nicht durch die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft gedeckt sind. Dies gilt vor allen Dingen für solche Sachverhalte, welche einer Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft schlechthin entzogen sind. Eine absolute Unzuständigkeit ist immer dann gegeben, wenn die Regelung bereits Gegenstand einer Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG ist (§ 15 Abs. 2 Hs. 1 WEG).

11.282

Eine absolute Unzuständigkeit der Eigentümergemeinschaft liegt insbesondere bei Beschlüssen vor, die in den Kernbereich des Miteigentumsanteils des Wohnungseigentümers eingreifen. So beispielsweise Beschlüsse, mit denen die Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Sondereigentum beabsichtigt ist.269 Mangels bestehender Beschlusskompetenz nichtig soll auch ein Beschluss sein, der vorsieht, dass der Guthabenanteil des Wohnungseigentümers an der Instandhaltungsrücklage mit Wohngeldrückständen verrechnet werden soll.270 Hier soll eine unzulässige Durchbrechung der Zweckbindung der Instandhaltungsrücklage sowie eine einseitige Verfügung über den Miteigentumsanteil an der Rücklage vorliegen, zu der die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht berechtigt sei.

11.283

Wegen absoluter Unzuständigkeit nichtig sind darüber hinaus Beschlüsse, die unzulässig in Rechtsstellungen Dritter eingreifen. Bei solchen Beschlüssen zu Lasten Dritter fehlt es ebenfalls an der Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft. Demzufolge ist ein Beschluss, mit dem einem Wohnungseigentümer untersagt wird, gegen einen Störer Abwehransprüche aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB geltend zu machen, nichtig.271

11.284

Beschlüsse, mit denen den Wohnungseigentümern im Wechsel die Erfüllung der Räum- und Streupflicht auferlegt werden soll, hat die Rechtsprechung ebenfalls wegen absoluter Unzuständigkeit der Eigentümergemeinschaft als nichtig angesehen.272

11.285

– Verstoß gegen die guten Sitten Verstößt ein Beschluss gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und somit gegen die guten Sitten, ist er gem. § 138 BGB ebenfalls nichtig. Dabei wird der Begriff 268 269 270 271

OLG Hamm, NJW-RR 1995, 465 = WE 1995, 153. OLG Düsseldorf, WE 1996, 69 = WuM 1995, 606. OLG Hamm, WE 1991, 108. OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.2001 – 15 W 405/00, ZWE 2001, 273; OLG Hamm, Beschl. v. 24.2.2005 – 15 W 507/04, ZMR 2005, 897. 272 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = NZM 2012, 421.

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701

11.286

Teil 11 Rz. 11.286

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

der guten Sitten durch die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung herrschende Rechts- und Sozialmoral inhaltlich bestimmt.273 Als Verstoß gegen die guten Sitten, der die Nichtigkeit eines Beschlusses zum Gegenstand hat, hat die Rechtsprechung einen Beschluss angesehen, mit dem einem schwerbehinderten Wohnungseigentümer trotz fehlender anderweitiger zumutbarer Möglichkeiten das Abstellen des Rollstuhls im gemeinschaftseigenen Treppenhaus untersagt werden sollte.274

11.287 Auch das generelle Verbot der Hundehaltung soll nach Teilen der Rechtsprechung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein.275 Nach der Rechtsprechung des BGH soll ein entsprechendes Verbot jedoch nicht nichtig, sondern gegebenenfalls anfechtbar sein.276 Der Kernbereich des Wohnungseigentums sei zwar nicht betroffen, wegen möglicher Verschmutzung der Gemeinschaftsanlagen und Lärmbelästigung sei ein solcher Beschluss jedoch weder willkürlich noch sachlich völlig unbegründet. Die Eigentümergemeinschaft müsse jedoch im Wege der Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 WEG nutzungsgestaltende Regelungen erlassen.277 Letztlich soll es nach dieser Rechtsprechung an einer Beschlusskompetenz der Gemeinschaft fehlen, was allerdings an sich nach der vorzitierten Rechtsprechung wieder zur Nichtigkeit des Beschlusses führen müsste.278 – Inhaltliche Unbestimmtheit

11.288 Beschlüsse, die inhaltlich widersprüchlich oder unbestimmt sind oder keine durchführbare Regelung enthalten, werden von der Rechtsprechung ebenfalls als nichtig angesehen. Hiervon ist nur auszugehen, wenn ein Regelungsgegenstand auch nicht im Wege der Auslegung zu ermitteln ist,279 wobei die Auslegungsgrundsätze Anwendung finden, die bei der Auslegung grundbuchrechtlicher Eintragungen maßgeblich sind.280

11.289 Teilweise wird von der Rechtsprechung allerdings auch vertreten, dass unbestimmte Beschlüsse nicht von vornherein nichtig, sondern regelmäßig nur anfechtbar sind.281 (4) Die Nichtigkeitsklage

11.290 Ein nach den vorstehenden Regelungen nichtiger Beschluss ist von Anfang an rechtsunwirksam. Er entfaltet keinerlei Wirkung für oder gegen die Eigentümergemeinschaft, einzelne Sondereigentümer oder Dritte.

11.291 Bei der Prüfung der Nichtigkeit ist sorgfältig zu klären, ob der fragliche Beschluss insgesamt oder nur in Teilen nichtig ist. Setzt sich der Beschluss aus mehreren Regelungsgegenständen zusammen, führt die Nichtigkeit eines Teils des Beschlusses nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit des Gesamtbeschlusses. Vielmehr findet § 139 BGB Anwendung, wonach zwar regelmäßig 273 274 275 276 277 278 279 280 281

702

Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rz. 2. OLG Düsseldorf, ZMR 1984, 161. KG, Beschl. v. 13.1.1992 – 24 W 2671/91, OLGZ 1992, 420 = WE 1992, 111. BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, NJW 1995, 2036; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.1997 – 3 Wx 459/96, WE 1997, 422. BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, NJW 1995, 2036; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.1997 – 3 Wx 459/96, WE 1997, 422. Saarländisches OLG, Beschl. v. 2.10.2006 – 5 W 154/06-51, ZMR 2007, 308; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.2002 – 3 Wx 173/02, WuM 2002, 506. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713. BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, NJW 1994, 2950 = ZMR 1994, 271. BayObLG, Beschl. v. 24.6.1992 – 2 Z BR 28/93, WuM 1993, 707.

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.297 Teil 11

auch der restliche Teil des Beschlusses nichtig ist, dies jedoch anders zu sehen ist, wenn der Beschluss nach dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der beschlussfassenden Eigentümerversammlung auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wäre.282 Die Anwendung des § 139 BGB kommt nur in Betracht, wenn es sich bei den verschiedenen Regelungsgehalten des Beschlusses tatsächlich um einen einheitlichen Beschluss handelt. Ob dies von der Eigentümergemeinschaft so gemeint war, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich sind die Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung.283 Liegen zwei rechtlich zu trennende Regelungsgegenstände vor, über die einheitlich abgestimmt wurde, ist von einer Anwendbarkeit des § 139 BGB nicht auszugehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die selbständigen Regelungstatbestände in der beschlossenen Form rechtlich selbständig Bestand haben können. Ist die Durchführung des nicht zu beanstandenden Beschlusses ohne den nichtigen Beschluss nicht denkbar, ist von einer insgesamt vorliegenden Nichtigkeit der Beschlussteile auszugehen.

11.292

Fraglich ist, ob die Möglichkeit der Umdeutung nichtiger Beschlüsse gem. § 140 BGB in einen wirksamen Beschluss zulässig ist. Voraussetzung wäre hier stets, dass sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen des Ersatzbeschlusses bei der Beschlussfassung über den nichtigen Beschluss vorgelegen haben und der Ersatzbeschluss „bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“ (§ 140 BGB). Die Rechtsprechung hat dies bisher letztlich offengelassen.284 Die Umdeutung eines nichtigen Mehrheitsbeschlusses, mit dem Gemeinschafts- in Sondereigentum umgewandelt werden sollte, in einen Ersatzbeschluss über die Gründung eines Sondernutzungsrechts kommt jedenfalls nicht in Betracht, da die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG bedarf.285

11.293

Da ein nichtiger Beschluss keine Rechtswirkung entfaltet, bedarf es zur Geltendmachung der 11.294 Nichtigkeit keiner fristgebundenen Gestaltungsklage. Die Nichtigkeitsklage ist keine Anfechtungsklage i.S.d. § 46 Abs. 1 WEG. Die Nichtigkeit des Beschlusses kann daher auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG gerichtlich geltend gemacht werden. Die Nichtigkeitsklage ist auf Feststellung der „Ungültigkeit“ des angegriffenen Beschlusses gerichtet. Sie dient der endgültigen Entscheidung über die Unwirksamkeit des Beschlusses.286

11.295

Die Nichtigkeitsklage kann mit einer Anfechtungsklage gemäß § 46 Abs 1 WEG verbunden werden. Nichtigkeitsgründe können in einem solchen Anfechtungsverfahren auch noch nach Ablauf der zweimonatigen Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG vorgebracht werden, da auch die Frist zur Anfechtungsbegründung nicht einschlägig ist.

11.296

Verabsäumt der Anfechtungskläger Nichtigkeitsgründe in den Rechtsstreit einzuführen, besteht eine Hinweispflicht des Gerichtes gemäß § 46 Abs. 2 WEG.

11.297

282 Palandt/Ellenberger, § 139 BGB Rz. 14. 283 Palandt/Ellenberger, § 139 BGB Rz. 14. 284 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1995 – 3 Wx 181/95, WE 1996, 69 = WuM 1995, 606 = NJW-RR 1996, 210. 285 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1995 – 3 Wx 181/95, WE 1996, 69 = WuM 1995, 606 = NJW-RR 1996, 210. 286 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, NJW 2003, 3550.

Peter

703

Teil 11 Rz. 11.298

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.298 Da sowohl die Anfechtungs- als auch die Nichtigkeitsklage die „Ungültigkeit“ des angegriffenen Beschlusses zum Gegenstand haben, sind bei ausschließlicher Erhebung der Anfechtungsklage auch Nichtigkeitsgründe und bei Erhebung der Nichtigkeitsklage Anfechtungsgründe alternativ zu prüfen. Es steht dem Gericht frei, im Falle der Anfechtungsklage die Ungültigkeit des Beschlusses aufgrund vorliegender Nichtigkeit festzustellen und umgekehrt im Falle der Nichtigkeitsklage die Ungültigkeit des Beschlusses aufgrund bestehender Anfechtbarkeit auszuurteilen. Im letzteren Fall ist dies allerdings nur möglich, wenn die Nichtigkeitsklage binnen der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG erhoben und binnen der Begründungsfrist (§ 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG) begründet worden ist. Erwächst ein Urteil, mit dem eine Anfechtungsklage abgewiesen wird, in Rechtskraft, ist über den Streitgegenstand der „Ungültigkeit“ des Beschlusses abschließend entschieden. Eine Nichtigkeitsklage nach Rechtskraft eines der Anfechtungsklage stattgegebenen Urteils kann wegen der Rechtskraft der Entscheidung nicht mehr erhoben werden, da das Gericht die Rechtswirksamkeit des Beschlusses endgültig festgestellt hat (§ 48 Abs. 4 WEG). (5) Nichtbeschlüsse

11.299 Von nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft, mit denen in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen wird, ist der sog. Nichtbeschluss zu unterscheiden. Ein solcher liegt vor, wenn die Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft unter so gravierenden Mängeln leidet, dass von vornherein nicht von einem Beschluss im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes gesprochen werden kann. Beispiele für Nichtbeschlüsse sind „Beschlüsse“, die außerhalb einer Versammlung der Wohnungseigentümer unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 WEG „gefasst“ werden,287 sowie Beschlüsse, bei denen weder das Abstimmungsnoch das Beschlussergebnis zum Gegenstand der Niederschrift geworden sind.288

11.300 Nichtbeschlüsse entfalten ebenso wie nichtige Beschlüsse keine Rechtswirkungen. Die Ungültigkeit der Beschlüsse kann in gleicher Weise wie bei nichtigen Beschlüssen gerichtlich festgestellt werden. Insofern ist auf die dortigen Ausführungen zu verweisen. (6) Schadensersatz wegen rechtswidriger Beschlüsse

11.301 Da § 23 Abs. 4 S. 2 WEG vorsieht, dass anfechtbare Beschlüsse gültig sind, solange die Ungültigkeit nicht rechtskräftig durch gerichtliches Urteil festgestellt wurde, besteht bei solchen Beschlüssen eine Verpflichtung des Verwalters zur Umsetzung. Demzufolge kommt es häufig zu Vermögensverfügungen, deren Grundlage in Fortfall gerät, wenn der ihnen zugrunde liegende Beschluss durch das Gericht für ungültig erklärt wird. Da auch der anfechtende Wohnungseigentümer mit den Kosten des zunächst umzusetzenden Beschlusses zu belasten ist, besitzt er nach rechtskräftiger Feststellung, dass der Beschluss unwirksam war, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens.

11.302 Die Nutzung des Gemeinschaftseigentums unter Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG oder bestehender Vereinbarung etc. stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung zu Lasten des Gemeinschaftsverhältnisses der Wohnungseigentümer dar. Sie begründet im Falle eines schuldhaft verursachten Schadenseintritts am Gemeinschaftseigentum Schadensersatzansprüche gem. § 280 Abs. 1 BGB.289 287 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. 288 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339. 289 BayObLG, Beschl. v. 24.10.2001 – 2 Z BR 120/01, NZM 2002, 167; KG, Beschl. v. 3.6.1991 – 24 W 6272/92, NJW-RR 1991, 1116.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.307 Teil 11

Stellt die Rechtsverletzung zugleich eine deliktische Handlung i.S.d. § 823 Abs. 1 oder 2 BGB dar, kommen konkurrierende Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung in Betracht.290 Im Falle des Schadensersatzes wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsverhältnis gem. § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB als auch im Falle der deliktischen Haftung gem. § 823 Abs. 1 oder 2 BGB kann ein Schadensersatzanspruch nur bei schuldhaftem Handeln der Eigentümergemeinschaft bestehen.291

11.303

Vielfach folgt das Verschulden der Eigentümergemeinschaft bereits aus der Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Dies kann jedenfalls dann gelten, wenn der Beschluss erkennbar anfechtbar ist, gegen die rechtliche Empfehlung des Verwalters, dass eine Beschlussfassung rechtswidrig sei, erfolgt, ein nichtiger oder gar Nichtbeschluss der Eigentümergemeinschaft vorliegt, dem „Beschluss“ somit die Rechtswidrigkeit „auf der Stirn geschrieben steht“. Gemäß § 21 Abs. 1 und 4 WEG sind die Eigentümer zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage verpflichtet. Hieraus resultierende Handlungspflichten umfassen auch die Pflicht, sich über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit eines beabsichtigten Beschlusses zu informieren. Insofern wird man von den Wohnungseigentümern verlangen müssen, dass zumindest Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts bekannt sind.

11.304

Handelt der Verwalter oder ein einzelner Wohnungseigentümer in Ausführung eines Be- 11.305 schlusses, dessen Rechtswidrigkeit später festgestellt wird, ist bei der Prüfung der Frage, ob ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, zwischen anfechtbaren, nichtigen und Nichtbeschlüssen zu unterscheiden. Da anfechtbare Beschlüsse so lange wirksam sind, bis deren Ungültigkeit rechtskräftig durch das Gericht festgestellt wird (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG), können Handlungen, mit denen Beschlüsse umgesetzt werden, nur dann als schuldhaft angesehen werden, wenn die Anfechtbarkeit des Beschlusses evident ist. Entscheidet die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss, dass Bäume im Bereich des Gemeinschaftseigentums gefällt werden und ist dieser Beschluss nicht offensichtlich anfechtbar, stellt jedenfalls das Fällen der Bäume als Umsetzung des Beschlusses keine eigenständige schuldhafte Rechtsverletzung des Gemeinschaftseigentums dar.292 Vielmehr legitimiert der (noch) nicht für ungültig erklärte Beschluss den diesen umsetzenden Verwalter bzw. den einzelnen Wohnungseigentümer. Auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass die Eigentümergemeinschaft Beschlüsse nur mit dem Ziel fasst, der Verwaltung oder einem dies wünschenden Wohnungseigentümer bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Ungültigkeit des Beschlusses eine vorübergehende Legitimation zur Durchführung offensichtlich rechtswidriger Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum verletzen, zu verschaffen. Ein solcher Beschluss wäre nicht nur anfechtbar, sondern bei Nachweis des Vorsatzes der Eigentümergemeinschaft wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig.

11.306

Ermächtigt der anfechtbare Beschluss den Verwalter bzw. einzelne Wohnungseigentümer zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahme, gilt dies bei nichtigen bzw. Nichtbeschlüssen nicht. Sie sind von Anfang an unwirksam (§ 23 Abs. 4 S. 1 WEG). Hier stellt die Umsetzung der beschlossenen Maßnahme, die das Gemeinschaftseigentum rechtswidrig verletzt, als sol-

11.307

290 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. 291 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. 292 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010.

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Teil 11 Rz. 11.307

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

che wiederum ein schuldhaftes Verhalten des handelnden Verwalters bzw. Wohnungseigentümers dar.293

11.308 Gemäß §§ 249 ff. BGB ist der Schadensersatz auf die Wiederherstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hat die Eigentümergemeinschaft beispielsweise rechtswidrig die Stilllegung und Beseitigung einer gemeinschaftlichen Anlage beschlossen und umgesetzt, ist diese wiederherzustellen. Die anfallenden Kosten sind von der Gemeinschaft zu tragen. Entsprechend sind die entgangenen Mieteinnahmen einer durch Beschluss festgelegten, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden unterlassenen Vermietung von Gemeinschaftseigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu tragen und als Schadensersatz an den sich hiergegen erfolgreich zur Wehr setzenden Eigentümer anteilig zu zahlen.294

11.309 Der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums durch unzulässigen Gebrauch auf der Grundlage eines rechtswidrigen Beschlusses ist, wird er nicht von der Eigentümergemeinschaft erfüllt, gem. § 43 Nr. 1 WEG gerichtlich einzuklagen. Zuständiges Gericht ist das WEG-Gericht. Die Zuständigkeit erstreckt sich sowohl auf Schadensersatzansprüche gem. § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG als auch auf Schadensersatzansprüche aus Delikt, beispielsweise § 823 Abs. 1 und 2 BGB.295

11.310 Hat der Schadensersatzanspruch Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum zum Gegenstand, ist gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG bei einer Schädigung durch Dritte grundsätzlich von einer ausschließlichen Rechtsverfolgungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft auszugehen.296 Anders als bei Unterlassungsansprüchen gemäß § 1004 BGB besteht dabei eine konkurrierende Rechtsverfolgungskompetenz des einzelnen Eigentümers nicht. Wird die Rechtsverletzung wie bei der rechtswidrigen Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft selbst verübt, erscheint es weder erforderlich noch geboten, sondern widersinnig, nur der Eigentümergemeinschaft die ausschließliche Kompetenz zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche zuzusprechen. Das für den Ausschluss der konkurrierenden Rechtsverfolgung bei Schadensersatzansprüchen gegen Dritte vorgebrachte Argument, nur so sei eine geordnete Verwaltung des Gemeinschaftseigentums möglich,297 kann hier nicht gelten,298 da die geordnete Verwaltung des Gemeinschaftseigentums in den hier in Rede stehenden Fällen gerade von der Gemeinschaft konterkariert wird. In solchen Fällen muss es bei einer konkurrierenden Kompetenz des einzelnen Wohnungseigentümers gemäß § 10 Abs. 1 WEG bleiben. Es muss die Möglichkeit einer Klage unter entsprechender Anwendung der im Gesellschaftsrecht anerkannten actio pro socio bestehen. Bei Nichthandeln der Eigentümergemeinschaft und Gefahr im Verzug ist diese jedenfalls aus § 21 Abs. 2 WEG und der dort geregelten Kompetenz zur Notgeschäftsführung abzuleiten.

293 A.A. BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010, welches offensichtlich auch bei Nichtbeschlüssen nicht zwangsläufig von einer schuldhaften Rechtsverletzung ausgeht. 294 OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.1995 – 15 W 370/94, NJW-RR 1996, 335. 295 BayObLG, Beschl. v. 18.3.1970 – Reg. 2 Z 36/69, NJW 1970, 1551. 296 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, MDR 2011, 350 = NJW 2011, 1351; Jennißen, § 10 WEG Rz. 76. 297 BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, MDR 2011, 350 = NJW 2011, 1351; Jennißen, § 10 WEG Rz. 76. 298 Auch schon ohne Berücksichtigung der Entscheidung des BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.314 Teil 11

(7) Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands Ungeachtet der Schadensersatzansprüche, die u.a. auch auf die Wiederherstellung des Zu- 11.311 standes vor der Rechtsverletzung gerichtet sein können, leiten Teile der Rechtsprechung einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auch unmittelbar aus dem Gemeinschaftsverhältnis und dem Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung ab (§ 21 Abs. 4 WEG).299 Dieser Anspruch unterscheidet sich von den Ansprüchen auf Schadensersatz dadurch, dass er auch dann bestehen kann, wenn eine schuldhafte Rechtsverletzung des Gemeinschaftseigentums nicht vorgelegen hat. Vielmehr ist entscheidend, ob die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ordnungsmäßiger Verwaltung des Gemeinschaftseigentums entspricht.300 Dabei ist zu prüfen, ob die zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlichen Maßnahmen nach billigem Ermessen dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen.

11.312

Konkret bedeutet dies, dass von der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses, mit dem in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen wurde, nicht zwingend auf das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes geschlossen werden kann. Hat die Eigentümergemeinschaft ohne hinreichende Beschlussgrundlage die Fällung von Bäumen beschlossen und umgesetzt, besteht ein Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, der die Neuanpflanzung der beseitigten Bäume zum Gegenstand hat, nur, wenn diese auch dem Interesse der Eigentümergemeinschaft entspricht. Hieran kann es fehlen, wenn die Beseitigung der Bäume zwar verfahrensfehlerhaft beschlossen wurde, materiell jedoch geboten war, da von den Bäumen Schädigungen des Gemeinschaftseigentums – Feuchtigkeitsschäden im Bereich der Holzverkleidung des Gemeinschaftseigentums oder des Kellermauerwerks – verursacht worden sind. In einem solchen Fall entspricht es nicht billigem Ermessen, eine Ersatzanpflanzung vorzunehmen. Jedenfalls dann, wenn die Gemeinschaft einen Beschluss gefasst hat, die Neuanpflanzung aus berechtigten Gründen nicht durchzuführen, ist dem klagenden Wohnungseigentümer ein Anspruch auf eine Ersatzanpflanzung zu versagen. Insofern hat die Eigentümergemeinschaft hier im Nachhinein eine Legitimation des Eingriffs in das Gemeinschaftseigentum geschaffen.

11.313

Ob dem Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zu- 11.314 standes zuzusprechen ist, wenn die Gemeinschaft den nur formell rechtswidrigen Eingriff im Nachhinein durch Beschlussfassung nicht genehmigt und somit auch formell legitimiert, dürfte fraglich sein. Richtigerweise wird man hier einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes versagen müssen. Der Wohnungseigentümer dürfte vielmehr lediglich aus dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung einen Anspruch auf verfahrensfehlerfreie Beschlussfassung, das heißt die Verabschiedung eines Beschlusses, der die Genehmigung der durchgeführten Maßnahme und das Unterbleiben der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zum Gegenstand hat, besitzen. Aufgrund seiner gegenläufigen Interessenlage ist allerdings kaum damit zu rechnen, dass ein entsprechender Anspruch vom Wohnungseigentümer geltend gemacht werden wird und dieser anregt, einen Beschluss zu fassen, mit dem die aus seiner Sicht rechtswidrige Maßnahme bestätigt wird.

299 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. 300 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010.

Peter

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Teil 11 Rz. 11.315

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

bb) Untätigkeit der Eigentümergemeinschaft

11.315 Die denkbaren Fallkonstellationen, bei denen das Gemeinschaftseigentum durch Untätigkeit der Eigentümergemeinschaft geschädigt wird, sind vielfältig. Sie reichen von der unterlassenen Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger über unterbleibende Instandhaltungsmaßnahmen bis hin zur Nichtverfolgung von Rechtsverletzungen des Gemeinschaftseigentums durch Wohnungseigentümer oder Dritte. All diesen Fällen ist gemein, dass das Unterlassen der Eigentümergemeinschaft einen Verstoß der Eigentümer gegen die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG darstellt. Diese beinhaltet insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Durch sie soll sichergestellt werden, dass das im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Gebäude regelmäßig gewartet wird, sodass ein Instandhaltungsstau nicht entstehen kann. Auftretende Schäden sind zu beseitigen. Zur Erreichung dieses Ziels können auch vorsorgliche und vorläufige Maßnahmen der Instandhaltung dienen.301

11.316 Bei Wartungsmaßnahmen ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten, d.h. dass nur solche Wartungsmaßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, die unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit und Höhe eines Schadens in wirtschaftlicher Hinsicht angemessen sind.302

11.317 Die Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft zur Instandhaltung beschränkt sich auf das gemeinschaftliche Eigentum.303 Das Sondereigentum ist nicht Gegenstand der Instandhaltungsverpflichtung der Eigentümergemeinschaft gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.

11.318 Dient die Instandhaltung dazu, der nutzungs- oder alterungsbedingt auftretenden Verschlechterung des Gemeinschaftseigentums entgegenzuwirken, hat die Instandsetzung die Beseitigung eines aktuell aufgetretenen Schadens zum Gegenstand. Der einzelne Wohnungseigentümer hat insofern gegen die Gemeinschaft einen aus § 21 Abs. 4 WEG resultierenden Anspruch auf ordnungsgemäße Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Inhalt des Instandsetzungsanspruchs ist die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsgemäßen Zustandes.304 Gegenstand der Instandsetzung kann aber auch die erstmalige Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes sein.305

11.319 Ist eine Instandsetzung des beschädigten Bauteils oder der gemeinschaftlichen Anlage bzw. Einrichtung im Wege der Reparatur nicht möglich, hat die Instandsetzung durch Ersatzbeschaffung zu erfolgen.306 Zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zählt insbesondere auch die Beseitigung von Baumängeln.307

11.320 Kommt die Eigentümergemeinschaft ihrer Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nach, ist der einzelne Wohnungseigentümer berechtigt, gem. § 21 Abs. 8 WEG Klage auf gerichtliche Ersetzung der Entscheidung über die Durchführung der Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahme zu erheben. 301 302 303 304 305 306 307

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BayObLG, Beschl. v. 2.5.1996 – 2 Z BR 24/96, NJW-RR 1996, 1166. KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, NZM 1999, 131 = ZMR 1999, 207. OLG Köln, Beschl. v. 15.12.2000 – 16 Wx 121/00, NZM 2001, 541 = ZMR 2001, 568. OLG Hamm, Beschl. v. 18.9.2006 – 15 W 88/06, ZMR 2007, 131. BayObLG, Beschl. v. 25.9.2001 – 2 Z BR 95/01, ZMR 2002, 209. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.1996 – 3 Wx 359/95, ZMR 1997, 38. BayObLG, Beschl. v. 26.8.1999 – 2 Z BR 66/99, NZM 2000, 515.

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.325 Teil 11

Darüber hinaus besteht ein Schadensersatzanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers, wenn die Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahme nicht in angemessener Frist veranlasst worden ist und dem Eigentümer hierdurch ein Schaden entsteht.308 (1) Vornahmeklage gem. § 21 Abs. 8 WEG Kommt die Eigentümergemeinschaft ihrer Verpflichtung zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums nicht nach, sieht § 21 Abs. 8 vor, dass der Wohnungseigentümer eine gerichtliche Entscheidung herbeiführt, die die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen ermöglicht. Aktivlegitimiert ist hinsichtlich der Klageerhebung jeder Wohnungseigentümer. Eine Aktivlegitimation des Verwalters besteht nicht.309 Eine Weigerung der Wohnungseigentümer, eine Maßnahme zu beschließen, die ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, hat der Verwalter als schlichtes Vollzugsorgan der Eigentümergemeinschaft hinzunehmen. Zur Vermeidung möglicher Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter sollte die Weigerung der Eigentümergemeinschaft jedoch in jedem Fall dokumentiert werden.

11.321

Die Klage auf gerichtliche Entscheidung i.S.d. § 21 Abs. 8 WEG richtet sich gegen alle übrigen Wohnungseigentümer. Diese sind Klagegegner der Vornahmeklage und passivlegimitiert. Hinsichtlich der Formulierung des Klagerubrums wird auf § 44 Abs. 1 WEG verwiesen. Bei der Klage gemäß § 21 Abs. 8 WEG ist der Verwalter nicht passivlegitimiert. Da es sich um ein Klageverfahren gem. § 43 Nr. 1 WEG handelt, erfolgt auch grundsätzlich keine Beiladung des Verwalters gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 WEG.

11.322

Das Klageziel im Falle eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 21 Abs. 8 WEG kann zum einen die Herbeiführung eines ordnungsmäßigen Beschlusses über die durchzuführenden Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen sein. Zum anderen kann die Klage auf die Anordnung der erforderlichen Instandsetzungs-/Instandhaltungsmaßnahmen gerichtet sein.

11.323

Hat der sich gegen die Untätigkeit der Eigentümergemeinschaft wendende Wohnungseigentümer den Versuch unternommen, einen Beschluss zu erwirken, der ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und ist es zur Beschlussfassung deshalb nicht gekommen, weil die Tagesordnung diesbezüglich nicht ergänzt oder über die Beschlussvorlage mutwillig nicht abgestimmt wurde, hat das Gericht die Möglichkeit, die Eigentümergemeinschaft zu verpflichten, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, die in Rede stehende Thematik zum Gegenstand der Tageordnung zu machen und eine ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Beschlussfassung vorzunehmen. Dies beinhaltet auch Vorgaben, in welchem zeitlichen Rahmen eine Versammlung abzuhalten ist. Die Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft wirkt unmittelbar gegen den zur Einberufung der Eigentümerversammlung verpflichteten Verwalter. Ist ein Verwalter nicht bestellt, kann der Antrag auf Anordnung einer Beschlussfassung mit einem Antrag auf Einsetzung eines Notverwalters verbunden werden, der dann die Aufgabe der Einberufung und Abhaltung der Eigentümerversammlung übernimmt. Alternativ kommt auch die Ermächtigung des Klägers, die Eigentümerversammlung einzuberufen, in Betracht.

11.324

Hat die Eigentümergemeinschaft in einer vorangegangenen Eigentümerversammlung einen 11.325 Beschluss zur Vornahme ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechender Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen mit Stimmenmehrheit abgelehnt, hat dieser Beschluss keine 308 BayObLG, Beschl. v. 2.5.2002 – 2 Z BR 27/02, NZM 2002, 705 = ZMR 2002, 843. 309 BT-Drucks. 16/887, S. 40.

Peter

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Teil 11 Rz. 11.325

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

Bindungswirkung für das Wohnungseigentumsgericht. Vielmehr kann die Eigentümergemeinschaft verpflichtet werden, nochmals eine Eigentümerversammlung einzuberufen und einen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Beschluss zu fassen.

11.326 Lehnen die Wohnungseigentümer die Durchführung erforderlicher Maßnahmen zur Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ab, kann das Gericht anstelle der Eigentümergemeinschaft diejenigen Maßnahmen anordnen, die zur Beseitigung bestehender Schäden am Gemeinschaftseigentum erforderlich sind. Zur Ermittlung des Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsbedarfs kann das Gericht einen Sachverständigen hinzuziehen. Dieser kann auch zur Ermittlung der voraussichtlich anfallenden Kosten eingeschaltet werden. Kommt es zur Anordnung von Instandsetzungsarbeiten, ist es regelmäßig sinnvoll, dass auch Regelungen zur Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Dies sollte bei Klageerhebung bereits beantragt werden. Entsprechende Regelungen können u.a. die Erhebung einer Sonderumlage zur Deckung der anfallenden Reparatur- oder Wartungskosten zum Gegenstand haben. Ist eine hinreichende Rücklage vorhanden, kann vorgesehen werden, dass diese zur Deckung der Kosten herangezogen wird. Fehlt es an einer Instandsetzungsrücklage, empfiehlt es sich, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf die Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Zahlung der konkreten Sonderumlage zu erstrecken. Demzufolge sollte dem Gericht der Kostenverteilungsschlüssel bekanntgegeben werden, damit die Höhe des zu zahlenden Betrages für jeden Wohnungseigentümer konkret ermittelt werden kann. Die Zahlung hat an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Händen des Verwalters zu erfolgen.

11.327 Da § 21 Abs. 8 WEG nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Beschleunigung und Effektivierung des Rechtsschutzes dienen soll,310 kann das Urteil hinsichtlich der einzuziehenden Beträge für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

11.328 Voraussetzung für eine gerichtliche Ermessensentscheidung ist regelmäßig, dass der klagende Wohnungseigentümer vor Einreichung der Klage den Versuch unternommen hat, eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung in der in Rede stehenden Angelegenheit zu erreichen.311 Hiervon kann allerdings abgesehen werden, wenn es sich beim Versuch, eine Beschlussfassung zu erreichen, letztlich um eine schlichte Formalie handeln würde, da von vornherein feststeht, dass die Eigentümergemeinschaft nicht bereit ist, sich mit der Angelegenheit zu befassen oder im Falle der Befassung keine ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Beschlussfassung zu erwarten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer bereits im Vorfeld einer Eigentümerversammlung die Beschlussfassung abgelehnt oder sich gegen diese ausgesprochen hat.312

11.329 Praxishinweis: Da bei fehlender vorheriger Befassung der Wohnungseigentümergemeinschaft das Rechtsschutzbedürfnis des Wohnungseigentümers zur Erhebung der Klage gem. § 21 Abs. 8 WEG fehlt, empfiehlt es sich regelmäßig – soweit dies zeitlich möglich ist –, den Versuch zu unternehmen, einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu erreichen. Hierzu sollte der Verwalter aufgefordert werden, eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen und über die fragliche Angelegenheit abstimmen zu lassen. Gegenstand der Aufforderung an den Verwalter sollte ein konkreter Beschlussvorschlag sein. Erst wenn die Mehrheit der Eigentümer eine Befassung oder Beschlussfassung mit der Angelegenheit ausdrücklich und endgültig ablehnt und dies – beispielsweise, weil die Ablehnung schriftlich erfolgt ist – nachgewiesen werden kann, ist es angezeigt, die Klage auf gerichtliche Ent310 BT-Drucks. 16/887, S. 40. 311 OLG Hamm, Beschl. v. 19.4.1995 – 15 W 26/95, WE 1996, 33 (39). 312 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 14.3.2001 – 2 Wx 35/97, ZWE 2002, 134 = ZMR 2001, 448; BayObLG, Beschl. v. 23.3.2000 – 2 Z BR 177/99, ZWE 2000, 580.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.332 Teil 11

scheidung gem. § 21 Abs. 8 WEG zu erheben. Die Beweislast dafür, dass bei Einleitung eines Versuchs, einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu erwirken, keine ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechender Beschlussfassung erfolgt wäre, liegt beim Kläger, sollten die übrigen Eigentümer Entsprechendes bestreiten.

Der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung hat die Ersetzung des Ermessens der Eigentümergemeinschaft zum Gegenstand. Ordnet das Gericht konkret an, welche Maßnahmen zur Instandhaltung bzw. Instandsetzung erforderlich sind, ersetzt es hiermit das Ermessen, welches die Eigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung ausübt.313 Es handelt sich um ein Gestaltungsurteil, mit dem die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander einer konkreten Regelung zugeführt werden. Hat die Eigentümergemeinschaft eine Maßnahme mit Mehrheit der Stimmen abgelehnt, ersetzt die gerichtliche Entscheidung den rechtswidrigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft.314 Hat die Eigentümergemeinschaft bereits einen positiven Beschluss über die vom Kläger begehrte Maßnahme gefasst, ist das Gericht an diese Ermessensausübung der Eigentümergemeinschaft gebunden. Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft darf nicht dergestalt ersetzt werden, dass die Durchführung anderer in gleicher Weise geeigneter Maßnahmen verlangt wird. Vielmehr hat sich die gerichtliche Entscheidung in diesen Fällen darauf zu beschränken, eine zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen noch fehlende Beschlussfassung, beispielsweise über die konkrete Beauftragung eines Handwerkers etc., zu gewährleisten. Hieran ist insbesondere zu denken, wenn die Eigentümergemeinschaft bereits beschlossen hat, dass ein Schaden, beispielsweise an einem Dach, in einer bestimmten Art und Weise beseitigt wird, jedoch kein Beschluss gefasst wurde, der die Beauftragung der ausführenden Firma zum Gegenstand hat.

11.330

Entspricht der Beschluss der Eigentümergemeinschaft zur Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, ist das Gericht im Rahmen einer Klage gem. § 21 Abs. 8 WEG an diesen Beschluss nicht gebunden. Daran ändert auch die vorläufige Rechtswirksamkeit eines anfechtbaren Beschlusses gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG nichts. Da der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung jedenfalls dann, wenn er die Substanzerhaltung oder Wiederherstellung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand hat, nicht durch rechtswidrige Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft aufgehoben werden kann, wäre es ein wirtschaftlich unsinniger Formalismus, einer Klage gem. § 21 Abs. 8 WEG die vorläufige Wirksamkeit eines anfechtbaren Beschlusses gem. § 23 Abs. 4 S. 2 WEG entgegenzuhalten und nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist zu verlangen, dass der Wohnungseigentümer möglicherweise zunächst die Umsetzung einer nicht ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechenden Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme duldet, um im Anschluss hieran die Durchführung der Arbeiten zu verlangen, die ordnungsmäßiger Instandhaltung entsprächen. Hier sprechen sowohl Gründe der Prozessökonomie als auch die Vermeidung unnötig aufgewandter Kosten für unsinnige und nicht fachgerechte Reparaturen gegen die Versagung einer frühzeitigen Klagemöglichkeit gemäß § 21 Abs. 8 WEG.315

11.331

Bei nichtigen bzw. Nichtbeschlüssen der Eigentümergemeinschaft stellt sich die Fragestellung letztlich nicht, da diese bereits gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 WEG keine Rechtswirkung entfalten und somit ungeeignet sind, das Gericht im Falle der Klage gemäß § 21 Abs. 8 WEG an das Ermessen der Eigentümergemeinschaft zu binden.

11.332

313 KG, Beschl. v. 20.6.1997 – 24 W 9042/96, ZMR 1997, 534 = WuM 1997, 698. 314 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, NJW 1997, 2106 = WuM 1997, 294 = ZMR 1997, 308. 315 Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 13 Rz. 222; a.A. Jennißen/Suilmann, § 21 WEG Rz. 140.

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711

Teil 11 Rz. 11.333

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

(2) Einstweiliger Rechtsschutz

11.333 Bestand vor der WEG-Novelle die Möglichkeit, dass das Gericht im Rahmen eines Klageverfahrens eine vorläufige Regelung bezüglich der streitigen Auseinandersetzung von Amts wegen durch einstweilige Anordnung traf, sieht § 21 Abs. 8 WEG dies nun nicht mehr vor. Eine Vorab-Entscheidung im Rahmen des Klageverfahrens kennt die neue gesetzliche Regelung nicht.

11.334 Der Wohnungseigentümer hat vielmehr nur die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Anspruchs oder Regelung eines Zustandes gem. §§ 935, 940 ZPO zu beantragen. Es handelt sich um ein eigenständiges Verfahren, welches mit eigener Antragsschrift einzuleiten ist. Aufgrund des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache kann das Verfahren allenfalls die Durchführung von Notmaßnahmen, beispielsweise die provisorische Abdichtung von Schäden am Dach oder die Abstützung von Decken bei statischen Mängeln, zum Gegenstand haben. Abschließende Regelungen, die die Durchführung sämtlicher erforderlichen Maßnahmen einschließlich deren Kostendeckung zum Gegenstand haben, sind im einstweiligen Verfügungsverfahren gem. §§ 935, 940 ZPO dagegen nicht zulässig. Das Verfahren dient vielmehr ausschließlich dazu, gegenwärtig bestehende Gefahren vorläufig abzuwehren, um weitere Schäden für das Gemeinschaftseigentum auszuschließen.

11.335 Ergänzend zum Erlass einer einstweiligen Verfügung kann beantragt werden, dass eine Entscheidung im Klageverfahren gem. § 21 Abs. 8 WEG nach Abschluss der I. Instanz für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. Die Zulässigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils richtet sich nach den §§ 708 bis 713 ZPO. Eine Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung muss daher bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen nicht abgewartet werden.

11.336 Wird das erstinstanzliche Urteil im Berufungsverfahren aufgehoben, kann dies bei Vollstreckung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung durch den Kläger zu Schadensersatzansprüchen der Gemeinschaft gegen den Kläger führen. (3) Schadensersatz wegen Unterlassung

11.337 Verweigert die Eigentümergemeinschaft die Beschlussfassung über erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bezüglich des Gemeinschaftseigentums oder setzt sie einen diesbezüglich gefassten Beschluss nicht in angemessenem zeitlichen Rahmen um, kann dies zu weiteren Schäden am Gemeinschaftseigentum, aber auch am Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer führen. In diesem Fall kommt einerseits eine Haftung des Verbandes, andererseits eine Haftung nur solcher Wohnungseigentümer, die eine Beschlussfassung unter Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verweigert haben, in Betracht.316

11.338 Unterlässt die Eigentümergemeinschaft beispielsweise im Falle eines Schadens am Dach die erforderliche Reparatur so führt dies zu einer Haftung der Wohnungseigentümer aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 21 Abs. 4 WEG bezüglich der Erhöhung des Schadens aufgrund verspäteten Handelns der Eigentümergemeinschaft.317 316 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2 Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = NJW-RR 1992, 1102 = ZMR 1992, 352; OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269 = NZM 2009, 402. 317 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269 = NZM 2009, 402.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.342 Teil 11

Richtigerweise ist die Klage gegen sämtliche Wohnungseigentümer zu richten, die nicht 11.339 aktiv eine Beschlussfassung bezüglich der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen veranlasst haben. Soweit die Rechtsprechung ein individuelles Verschulden der einzelnen Wohnungseigentümer für erforderlich hält,318 kann dies nicht dazu führen, dass die Wohnungseigentümer eine schuldhafte Rechtsverletzung in Abrede stellen, indem sie sich hinter der unterlassenen Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft „verstecken“. Da die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums eine jeden Wohnungseigentümer treffende Verpflichtung aus dem Gemeinschaftsverhältnis ist, ist hier auch jeder Eigentümer verpflichtet, sich über bestehende Mängel zu informieren, um sodann auf deren Beseitigung hinzuwirken. Dabei darf sich der Eigentümer jedoch richtigerweise auf die Informationsobliegenheit des Verwalters berufen und sollte ihm ein Mangel nicht anderweitig bekannt werden, sich auf die Vollständigkeit dieser Information verlassen. Kommt der Verwalter seiner Informationspflicht nicht nach und erfährt der Eigentümer nicht anderweitig von dem Vorliegen des Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsbedarfs, ist von einem persönlichen Verschulden des betroffenen Wohnungseigentümers nicht auszugehen. Anders ist dies, wenn die Eigentümergemeinschaft in Kenntnis eines eingetretenen Schadens die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen ablehnt. Ist ein bestehender Instandsetzungsbedarf Gegenstand einer – und sei es auch nur negativen – Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft geworden, ist von einer Kenntnis der betroffenen Eigentümer auszugehen. Diese begründet eine Handlungspflicht der Wohnungseigentümer. Kommt der Wohnungseigentümer der Handlungspflicht nicht nach, liegt das schadensersatzauslösende Verschulden vor, sodass die Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 21 Abs. 4 WEG bzw. § 823 Abs. 1 oder 2 BGB gegeben ist. Darauf, ob der einzelne Eigentümer an der negativen Beschlussfassung mitgewirkt hat, beispielsweise dem Beschluss, keine Instandsetzung zu veranlassen zugestimmt hat, kommt es für die Begründung des Schadensersatzanspruchs dann letztlich nicht mehr an. Anspruchsverpflichtet sind vielmehr sämtliche übrigen Wohnungseigentümer.

11.340

Da es sich bei der Geltendmachung von Schäden am Gemeinschaftseigentum wiederum um eine Angelegenheit handelt, die grundsätzlich Bestandteil der geborenen Rechtsverfolgungskompetenz der Gemeinschaft ist (§ 10 Abs. 6 WEG), obliegt die Rechtsverfolgung grundsätzlich wiederum der Eigentümergemeinschaft. Vor dem Hintergrund, dass gerade diese die Rechtsverletzung begeht, indem sie keinen Beschluss oder einen negativen Beschluss fasst bzw. einen gefassten Beschluss nicht umsetzt, ist von einer konkurrierenden Rechtsverfolgungskompetenz des einzelnen Wohnungseigentümers auszugehen.

11.341

cc) Besitzstörungen durch die Eigentümergemeinschaft Aus der Rechtsstellung als Wohnungseigentümer resultiert zum einen der Teilbesitz gem. § 865 BGB bezüglich der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile. Zum anderen ist jeder Wohnungseigentümer Mitbesitzer gem. § 866 BGB am Gemeinschaftseigentum. Während dem Teilbesitzer der Besitzschutz des Alleinbesitzers gem. § 859 Abs. 1 BGB zusteht, mit dem er Besitzstörungen Dritter, insbesondere verbotener Eigenmacht, ggf. auch mit Gewalt unterbinden kann (§ 859 Abs. 1 BGB), schränkt der Mitbesitz am Gemeinschaftseigentum gem. § 866 BGB den Besitzschutz im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ein. Tangiert die Besitzstörung die Grenzen des den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen318 BayObLG, Beschl. v. 21.5.1992 – 2 Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = NJW-RR 1992, 1102 = ZMR 1992, 352.

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11.342

Teil 11 Rz. 11.342

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

den Gebrauchs, findet ein Besitz der Wohnungseigentümer über die §§ 859 ff. BGB nicht statt. Vielmehr gehen die spezielleren Regelungen der §§ 13 bis 15 WEG vor.319 Die vom BGH hinsichtlich der Bruchteilsgemeinschaft entwickelten Grundsätze sind insofern bei der Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend anzuwenden.320 Nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn einem Wohnungseigentümer der Mitbesitz am gemeinschaftlichen Eigentum durch andere Wohnungseigentümer vollständig entzogen wird, ist dem gestörten Miteigentümer Besitzschutz nach den §§ 859 ff. BGB zuzubilligen.321 b) Beeinträchtigung durch einzelne Wohnungseigentümer, Mieter und sonstige Dritte

11.343 § 15 Abs. 3 WEG regelt, dass jeder Wohnungseigentümer eine Nutzung des Gemeinschaftseigentums verlangen kann, die dem Gesetz, d.h. den §§ 13, 14 Nr. 1 WEG sowie sonstigen gesetzlichen Regelungen oder Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG sowie Beschlüssen der Eigentümer i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG entspricht. Der Anspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG auf ordnungsgemäßen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums begründet im Verhältnis zu den übrigen Miteigentümern aber auch die Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, das Gemeinschaftseigentum nur entsprechend zu gebrauchen. Dies gilt auch für Personen, die der Wohnungs- oder Teileigentümer in den Gebrauch des Sondereigentums und damit zwangsläufig auch des Gemeinschaftseigentums einbezieht, sei es, dass sie zu seinem Hausstand oder zu seinem Betrieb gehören oder ihnen die Nutzung in sonstiger Weise – beispielsweise im Rahmen eines Mietverhältnisses – überlassen worden ist (§ 14 Nr. 2 WEG). Im Verhältnis zu den übrigen Miteigentümern ist der einzelne Wohnungseigentümer verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die vorstehenden Personengruppen das Sonder- und Gemeinschaftseigentum nur entsprechend den Vorgaben des § 15 Abs. 3 WEG nutzen.

11.344 Störungen des Gemeinschaftseigentums sind in vielfältiger Art und Weise denkbar. Zu unterscheiden ist zwischen einer übermäßigen oder zweckwidrigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums, aus einer rechtswidrigen Nutzung des Sondereigentums herrührenden Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums sowie Substanzverletzungen des Gemeinschaftseigentums im Sinne der Verursachung materieller Schäden.

11.345 Eine Substanzverletzung des Gemeinschaftseigentums liegt beispielsweise beim rechtswidrigen Einbau von Dachflächenfenstern durch einen Eigentümer vor. Hier findet die Beseitigung der Störung gemäß § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB nur durch die vollständige Rückgestaltung, also den Ausbau der Fenster und die Wiederherstellung des Daches statt.322 Zu den Beseitigungsansprüchen treten konkurrierende Schadensersatzansprüchen aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. §§ 280 und 823 Abs. 1 BGB, die nach Vergemeinschaftungsbeschluss aufgrund bisheriger Rechtsprechung nur durch die Gemeinschaft und nicht mehr durch einzelne Wohnungseigentümer geltend gemacht werden konnten.323 Die bisherige Ansicht des BGH

319 320 321 322 323

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BayObLG, Beschl. v. 30.4.1990 – BReg. 1b Z 20/89, ZMR 1990, 348. BGH, Urt. v. 26.3.1974 – VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243 = NJW 1974, 1189. Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 8. LG München I, Urt. v. 15.11.2017 – 1 S 1978/16, IMR 2018, 30; BGHZ 135, 235. LG München I, Urt. v. 15.11.2017 – 1 S 1978/16, IMR 2018, 30, BGH, Urt. v. 7.2.2014 – V ZR 25/13, MDR 2014, 453.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.353 Teil 11

(Entscheidung vom 7.2.2014) ist nunmehr in seiner neueren Entscheidung vom 26.10.2018324 aufgegeben worden.325 Als übermäßige Nutzung des Gemeinschaftseigentums wird allgemein das Abstellen von 11.346 Abfalltüten und Müll im Hausflur angesehen. Hier ist regelmäßig von einer unzulässigen Nutzung auszugehen.326 Die fehlerhafte Nutzung der Mülltonnen, beispielsweise durch Unterlassen der Mülltrennung und Entsorgung von Abfällen in dafür nicht vorgesehenen Abfalltonnen – Entsorgung von Restmüll über die Wertstofftonne –, stellt ebenfalls eine unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums bzw. gemeinschaftlicher Einrichtungen dar.327

11.347

Umgekehrt kann die Eigentümergemeinschaft einen Teileigentümer nicht von der Nutzung der gemeinschaftlichen Abfallentsorgungseinrichtungen ausschließen.328 Dies gilt selbst dann, wenn von den Nutzern des Teileigentums wesentlich mehr Abfälle als von den Nutzern der Wohnungen verursacht werden.

11.348

Der Konsum von Zigaretten in im Gemeinschaftseigentum stehenden Räumen, u.a. dem 11.349 Treppenhaus, stellt ebenfalls eine abwehrfähige Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dar.329 Ob hiervon – wie von der Rechtsprechung einschränkend angenommen – nur dann auszugehen ist, wenn der Zigarettenkonsum täglich mehrfach stattfindet, erscheint vor dem Hintergrund der inzwischen erlassenen Nichtraucherschutzgesetze fraglich. Richtigerweise dürfte aufgrund der inzwischen deutlich veränderten sozialen Akzeptanz davon auszugehen sein, dass der Nikotingenuss in Gemeinschaftsräumen generell eine unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums darstellt. Ebenfalls als Überschreitung der zulässigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums anzusehen ist das Ausbringen von Duftstoffen, sei es durch Versprühen von Parfüm330 oder durch das Abbrennen von Duftkerzen.331

11.350

Stellt ein Wohnungseigentümer oder eine von ihm zur Nutzung berechtigte Person in gemeinschaftlichen Räumen, die hierzu nicht ausdrücklich bestimmt sind, ein Fahrrad ab, stellt dies eine Überschreitung der zulässigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums dar.332

11.351

Das Abstellen eines Rollstuhls im Treppenhaus soll dagegen regelmäßig zulässig sein.333

11.352

Will der Wohnungseigentümer auf dem ihm im gemeinschaftlichen Waschraum zugewiesenen Stellplatz neben der Waschmaschine einen Wäschetrockner aufstellen und ist dies je-

11.353

324 BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284, Anm. Hogenschurz in MietRB 2019, 81 und 82. 325 Vgl. dazu die weiteren Einzelheiten in Rz. 11.233. 326 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.5.1996 – 3 Wx 88/96, WE 1996, 394 = ZMR 1996, 446. 327 AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03 WEG, n.v. 328 AG Bonn, Beschl. v. 2.11.2007 – 28 II 189/03 WEG, n.v. 329 AG Hannover, Beschl. v. 31.1.2000 – 70 II 414/99, NZM 2000, 520. 330 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, ZMR 2004, 52 = NJW-RR 2003, 1098 = NZM 2003, 605 = WuM 2003, 515. 331 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2003 – 3 Wx 98/03, ZMR 2004, 52 = NJW-RR 2003, 1098 = NZM 2003, 605 = WuM 2003, 515. 332 AG Hannover, Beschl. v. 27.12.2005 – 71 II 547/05, ZMR 2006, 649. 333 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1983 – 3 W 227/83, ZMR 1984, 161.

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Teil 11 Rz. 11.353

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

denfalls durch Stapeln der Maschinen möglich, liegt keine unzulässige Überschreitung des Gebrauchs vor.334 Allerdings kann durch Beschluss die Nutzung von Ablufttrockner untersagt werden.335

11.354 Ungeachtet der vorstehenden Grenzen der zulässigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums, die bereits ohne vereinbarungs- oder beschlussbasierte Gebrauchsregelungen der Eigentümergemeinschaft aus dem Gemeinschaftsverhältnis selbst abzuleiten sind, wird die Zulässigkeit der Nutzung selbstverständlich durch Vereinbarungen und Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft geregelt. Einer von der Eigentümergemeinschaft verabschiedeten Hausordnung kommt in diesen Fällen oftmals besondere Bedeutung zu. Die Hausordnung ist daher bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines in Frage stehenden Gebrauchs stets beizuziehen. Zur Reichweite zulässiger Vereinbarungen und Beschlüsse, die der Ausgestaltung des Gebrauchs dienen, wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Rz. 11.143 ff. verwiesen.

11.355 Neben dem unmittelbaren unzulässigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums können Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums auch aus einer unzulässigen, insbesondere zu intensiven Nutzung des Sondereigentums resultieren. Dies ist insbesondere bei der unzulässigen Nutzung von Wohnraum zum Zwecke der Ausübung der Prostitution,336 der Nutzung einer Wohnung als Pflegeheim337 oder der Einrichtung eines Tanzstudios in einer Wohnung der Fall.338 Die Unzulässigkeit der Nutzung resultiert hier nicht nur aus der zu intensiven Nutzung des Wohnungseigentums, sondern gerade auch aus der durch Kunden-, Besucher- und sonstigen Passantenverkehr resultierenden übermäßigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums.

11.356 Schlussendlich liegt ein den Vorgaben des § 15 Abs. 3 WEG entsprechender Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch Wohnungseigentümer, deren Hausstands- und Geschäftsbetriebsangehörige bzw. Mieter dann nicht vor, wenn durch diese Personen ein Schaden am Gemeinschaftseigentum verursacht wird. Hierzu gehört insbesondere eine Substanzverletzung, wie beispielsweise die umzugsbedingte Verursachung von Schäden an den Wänden des gemeinschaftlichen Treppenhauses oder Schäden an gemeinschaftlichen Elektround Wasserinstallationen aufgrund unsachgemäßen Gebrauchs. Gleiches gilt für Schäden an Fenster- und Türgriffen in gemeinschaftlichen Räumen sowie für Schäden an Briefkästen und Klingelanlagen, soweit sie durch eine unsachgemäße Nutzung schuldhaft verursacht werden.

11.357 Die rechtswidrige Überschreitung des zulässigen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums kann die Wohnungseigentümergemeinschaft, aber auch der einzelne Wohnungseigentümer, durch Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen unterbinden. Soweit bereits ein Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum eingetreten ist, kann der Schädiger und soweit es sich hierbei nicht um den Wohnungseigentümer handelt, auch dieser auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Hier liegt die Rechtsverfolgungskompetenz jedoch bei der Eigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 WEG).

334 335 336 337 338

716

AG Bonn, Beschl. v. 17.6.2008 – 27 C 64/08, n.v. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.1985 – 3 W 105/85, OLGZ 1985, 437. OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2002 – 20 W 508/01, ZMR 2002, 616. OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2006 – 16 Wx 122/06, NZM 2007, 572 = NJW-RR 2007, 87. BayObLG, Beschl. v. 27.6.1985 – BReg. 2 Z 59/84, MDR 1985, 939.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.362 Teil 11

aa) Unterlassungsansprüche wegen unzulässiger Nutzung des Gemeinschaftseigentums Wird das Eigentum unter Überschreitung der Grenzen des § 15 Abs. 3 WEG unzulässig genutzt, ist der Nutzer gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG zur Unterlassung verpflichtet. Zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist sowohl die Gemeinschaft der Eigentümer gemäß § 10 Abs. 6 WEG, als auch der einzelne Wohnungseigentümer, der den rechtswidrigen Gebrauch unterbinden will, berechtigt.339 Es besteht hier somit durchaus die Möglichkeit der konkurrierenden Rechtsverfolgung durch die Eigentümergemeinschaft und die einzelnen Wohnungseigentümer. Beide sind aktivlegitimiert. Richtet sich die Klage gegen den Störer selbst, ist sie auf Unterlassung der unzulässigen Nutzung gerichtet.

11.358

Praxishinweis: Der Klageantrag der Unterlassungsklage gegen den Störer ist in solchen Fällen wie folgt zu fassen:

11.359

Im Termin zur mündlichen Verhandlung wird beantragt, den/die Beklagten – mehrere als Gesamtschuldner – zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Treppenhaus der Wohnungseigentumsanlage … (Straße, Hausnummer) in … (Postleitzahl, Ort) Fahrräder abzustellen.

Handelt es sich beim Störer nicht um einen Wohnungseigentümer, sondern einen Hausstands-, Geschäftsbetriebsangehörigen oder Mieter des Wohnungseigentümers, kann alternativ auch Klage gegen den Wohnungseigentümer erhoben werden, wenn dieser nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Rechtsverletzungen des Dritten eingestellt werden. Im Vorfeld der Klageerhebung sollte der Wohnungseigentümer in jedem Fall von der unzulässigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums informiert und zur Wahrnehmung seiner Überwachungsobliegenheit gemäß § 14 Nr. 2 WEG aufgefordert werden. Kommt es im Anschluss hieran zu erneuten Verstößen durch die Person, der die Nutzung des Sondereigentums überlassen wurde, ist auch der überlassende Wohnungseigentümer zur Unterlassung verpflichtet. Die Klage ist auf die Vornahme geeigneter Maßnahmen gerichtet, um zukünftige Rechtsverletzungen des Dritten zu vermeiden.

11.360

Praxishinweis: Es empfiehlt sich folgender Klageantrag der Klage gegen den Wohnungseigentümer:

11.361

Im Termin zur mündlichen Verhandlung wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Mieter … (Vorname, Name) … (Straße, Hausnummer), … (Postleitzahl, Ort), zukünftig Pkws oder sonstige Fahrzeuge außerhalb der beiden auf dem rückseitigen Hof des Hausgrundstücks … (Straße, Hausnummer), … (Postleitzahl, Ort) befindlichen, mit Linien markierten, im Sondereigentum der Beklagten stehenden und im Aufteilungsplan mit Nr. 7 bezeichneten Stellplätze parken oder anhalten.

Von Teilen der Rechtsprechung wird als zulässig angesehen, zu beantragen, dass der Wohnungseigentümer verurteilt wird, „alle zumutbaren Maßnahmen“ zu ergreifen.340 Dies erscheint nicht unproblematisch, da der Tenor dahin missverstanden werden könnte, dass nicht nur eine geeignete, sondern mehrere oder gar alle geeigneten Maßnahmen vorzunehmen sind, auch wenn bereits die erste zum Erfolg geführt hat. 339 BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NJW 2006, 2187 = NZM 2006, 465. 340 AG Bonn, Urt. v. 28.5.2010 – 27 C 169/08, n.v.

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11.362

Teil 11 Rz. 11.363

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.363 Ein Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegen den Wohnungseigentümer des störenden Dritten, der auf die Durchführung einer bestimmten Maßnahme, beispielsweise auf die Kündigung des Mietverhältnisses mit dem störenden Mieter gerichtet ist, besteht nicht. Vielmehr ist es einzig und allein Sache des Wohnungseigentümers, die Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, einen unzulässigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nachhaltig abzustellen.341

11.364 Obwohl die Klage gegen den Wohnungseigentümer, der dem störenden Dritten den Gebrauch des Sonder- und Gemeinschaftseigentums eingeräumt hat, dem Wortlaut nach als Klage auf Vornahme einer Handlung erscheint und danach eine Zwangsvollstreckung gemäß §§ 887, 888 ZPO vorzunehmen wäre, handelt es sich richtigerweise aufgrund des Klagebegehrens doch um das Verlangen eines Unterlassens, mit dem der begehrte Erfolg zu erreichen ist. Unterbleibt die Störung, ist die Rechtsverletzung beseitigt. Demzufolge erfolgt die Vollstreckung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO.342

11.365 Vor der Festsetzung eines Ordnungsmittels bedarf es daher in jedem Fall der Androhung des Ordnungsgeldes oder der Ordnungshaft durch das Gericht. Ein Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO kann nur dann in einen Antrag auf Androhung eines Ordnungsmittels umgedeutet werden, wenn dies dem erkennbaren Willen des Vollstreckungsgläubigers entspricht.343

11.366 Verstößt der Schuldner nach erfolgter Ordnungsmittelandrohung und Vollstreckbarkeit des Urteils erneut schuldhaft gegen die Unterlassungsverpflichtung, hat der Gläubiger die Zuwiderhandlung substantiiert vorzutragen. Im Falle des Bestreitens ist der Vollbeweis zu erbringen. Eine Glaubhaftmachung im Wege der eidesstattlichen Versicherung ist nicht ausreichend. Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels bedarf jedoch nicht der näheren Bezeichnung, beispielsweise der Angabe des Ordnungsgeldes. Bei Mehrfachverstößen richtet sich die Höhe des Ordnungsgeldes danach, ob die Zuwiderhandlungen in einem Fortsetzungszusammenhang stehen.344

11.367 Kommt es nach Androhung eines Ordnungsmittels erneut zu Störungen, gilt das Ordnungsmittel als verwirkt, wenn dem zur Unterlassung verpflichteten Wohnungseigentümer die erneute Störung schuldhaft zuzurechnen ist. Bei Störungen des Wohnungseigentümers selbst ist hiervon generell auszugehen. Bei Störungen durch einen Dritten ist ein Verschulden des Wohnungseigentümers zu bejahen, wenn dieser nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um eine Störung endgültig und nachhaltig auszuschließen.345 Auch wenn im Rahmen des Klageverfahrens nicht beantragt werden kann, den Wohnungseigentümer zur Kündigung des Mietverhältnisses mit einem störenden Mieter zu verurteilen, ist der Wohnungseigentümer im Rahmen der Zwangsvollstreckung doch verpflichtet, das Mietverhältnis zu beenden, wenn eine Abmahnung nicht ausreichend ist. Weigert sich der Mieter, das Mietobjekt nach erfolgter Kündigung zu räumen, ist der zur Unterlassung verpflichtete Wohnungseigentümer zur Erhebung der Räumungsklage verpflichtet und kann sich dabei nicht darauf berufen, dass die Klage ungewisse Erfolgsaussichten habe.346 Gelingt es dem vermieten341 OLG Köln, Beschl. v. 15.1.1997 – 16 Wx 275/96, ZMR 1997, 253. 342 Saarländisches OLG, Beschl. v. 9.6.2004 – 5 W 62/04, ProzRB 2005, 64; AG Bonn, Beschl. v. 9.2.2012 – 27 C 169/08, n.v. 343 BayObLG, Beschl. v. 6.5.1999 – 2 Z BR 47/99, NZM 1999, 769. 344 Zöller/Seibel, § 890 ZPO Rz. 20. 345 BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, NJW 1995, 2036. 346 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.9.1992 – 8 W 256/92, ZMR 1996, 553.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.370 Teil 11

den Wohnungseigentümer nicht, das Mietverhältnis durch Kündigung und Erhebung der Räumungsklage zu beenden, ist er verpflichtet, die Beseitigung der Störung erforderlichenfalls dadurch zu erreichen, dass dem Mieter die Beendigung des Mietverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung angeboten wird. Dabei muss der angebotene Betrag so hoch sein, dass er nach objektiver Betrachtungsweise für den Mieter eine ernsthafte wirtschaftliche Alternative zur Fortsetzung des Mietverhältnisses darstellt.347 Erfolgt die unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch einen Dritten, dem ein 11.368 Wohnungseigentümer den Gebrauch eröffnet hat, empfiehlt es sich zu prüfen, ob die Klage nicht sowohl gegen den Wohnungseigentümer als auch gegen den störenden Dritten gerichtet wird.348 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei der Klage gegen den Wohnungseigentümer stets die erstinstanzliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes gegeben ist (§ 23 Nr. 2c) GVG), während bezüglich Klagen gegen Dritte bei Streitigkeiten mit einem Gegenstandswert in Höhe von mehr als 5.000 Euro die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichtes gegeben ist (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG). Die örtliche Zuständigkeit dürfte zumindest bei Klagen, die sich gegen einen störenden Mieter richten, der subjektiven Klagehäufung (Klage gegen Wohnungseigentümer und Mieter) nicht entgegenstehen, da dieser seinen Wohnsitz regelmäßig am Sitz der Wohnungseigentümergemeinschaft haben wird. Für den Wohnungseigentümer folgt die örtliche Zuständigkeit aus § 43 S. 1 WEG. Sieht man in der Überschreitung der zulässigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums eine Eigentumsverletzung gemäß § 1004 BGB, kann bei störenden Dritten, bei denen es sich nicht um Mieter handelt, u.a. auf den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) abgestellt werden.349 Eine Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft zur Störerabwehr, das heißt, gegen einen störenden Wohnungseigentümer oder einen störenden Dritten, dem der Gebrauch des Gemeinschaftseigentums eröffnet wurde, vorzugehen, besteht nur, soweit dies billigem Ermessen entspricht und die Weigerung der Eigentümergemeinschaft, die Rechtsverletzung zu unterbinden, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen würde. Erfolgt die Überschreitung des zulässigen Gebrauchs durch mehrere Störer, kann der in Anspruch genommene Störer nicht einwenden, dass nicht auch gegen andere Störer vorgegangen worden sei.350 Den Abwehransprüchen der Gemeinschaft und des einzelnen Wohnungseigentümers kann regelmäßig nicht entgegengehalten werden, dass diese bzw. dieser sich in anderem Kontext nicht rechtmäßig verhalten habe.351

11.369

Da der einzelne Wohnungseigentümer berechtigt ist, Abwehransprüche, die Verletzungen des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand haben, in eigener Person durchzusetzen, kann die Gemeinschaft von der Geltendmachung und Durchsetzung entsprechender Ansprüche absehen und den Wohnungseigentümer regelmäßig auf den seinerseits bestehenden Individualanspruch verweisen.352

11.370

347 OLG Celle, Beschl. v. 24.9.2003 – 4 W 138/03, ZMR 2004, 689. 348 Vgl. zur Klage gegen den Mieter jetzt auch BGH, Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, noch nicht in Zeitschriften veröffentlicht. 349 Zöller/Schultzky, § 32 ZPO Rz. 6. 350 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 Wx 00/01, ZMR 2004, 454. 351 OLG München, Beschl. v. 2.8.2007 – 34 Wx0 88/07, ZMR 2007, 884; BGH, Urt. v. 26.11.2004 – V ZR 90/04, NJW-RR 2005, 743. 352 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.11.2003 – 20 W 506/01, ZMR 2004, 290.

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Teil 11 Rz. 11.371

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.371 Eine Aktivlegitimation des Verwalters, Unterlassungsansprüche gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG im eigenen Namen geltend zu machen, besteht nicht, da der Verwalter nicht Inhaber der beeinträchtigten Rechtsposition ist.353 bb) Schadensersatz

11.372 Kommt es aufgrund einer Überschreitung des zulässigen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums zu einem Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum, ist der schädigende Wohnungseigentümer gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG zum Schadensersatz verpflichtet. Zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches ist ausschließlich die Eigentümergemeinschaft aktivlegitimiert.354 Eine konkurrierende Rechtsverfolgungskompetenz des einzelnen Wohnungseigentümers besteht demgegenüber nicht.355

11.373 Wird der Schaden durch einen Hausstands- oder Betriebsangehörigen eines Wohnungseigentümers verursacht, kommt eine Inanspruchnahme des Wohnungseigentümers nur in Betracht, wenn ihm eine schuldhafte Rechtsverletzung vorzuwerfen ist. Dies setzt voraus, dass er seiner Überwachungspflicht gemäß § 14 Nr. 2 WEG nicht nachgekommen ist, wovon regelmäßig nur im Falle wiederholter Rechtverletzungen der Hausstands- oder Geschäftsbetriebsangehörigen ausgegangen werden kann, auf die der in Rede stehende Wohnungseigentümer nicht durch entsprechende Sanktion reagiert hat. Die schuldhafte Rechtsverletzung des Wohnungseigentümers beruht in diesem Fall auf der Verletzung seiner Aufsichtspflicht gemäß § 14 Nr. 2 WEG.

11.374 Ein Schadensersatzanspruch gegen Mieter, Hausstands- oder Geschäftsbetriebsangehörige kann dagegen nicht auf § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG gestützt werden, da diese Personen nicht zum Kreis der Wohnungseigentümer gehören. Vertragliche Ansprüche kommen daher nicht in Betracht.

11.375 Ungeachtet dessen bestehen diesen Personen gegenüber die deliktischen Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB und § 826 BGB.356 Jeglicher Schadensersatzanspruch setzt ein schuldhaftes Handeln entweder des Wohnungseigentümers oder des in § 14 Nr. 2 WEG bezeichneten Personenkreises voraus. Das Verschulden richtet sich nach §§ 276, 278 BGB. Handelt nicht der Wohnungseigentümer selbst, sondern eine Person, der er den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums eröffnet hat und verursacht diese hierbei schuldhaft einen Schaden, ist dem Wohnungseigentümer das Verschulden gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Die Rechtsprechung sieht in den in § 14 Nr. 2 WEG bezeichneten Personen, insbesondere Mietern, Erfüllungsgehilfen des Wohnungseigentümers, die für diesen die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsenden Verhaltenspflichten zu erfüllen haben. Eine Verletzung dieser Pflichten soll dem Wohnungseigentümer unmittelbar zuzurechnen sein.357 Voraussetzung für eine Anrechnung des Verschuldens gemäß § 278 BGB ist jedoch stets, dass die rechtsverletzende Handlung „in Ausübung“ des Gebrauchs vorgenommen wird und somit ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der Erfüllung der Verhaltenspflichten und dem Handeln des Erfüllungsgehilfen besteht. Rechtsverletzungen „bei Gelegenheit“ des Wohnungseigentums-

353 354 355 356 357

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A.A. Bub in Staudinger (2018), § 27 WEG Rz. 125. BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351. BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351. BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – 2 Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 W 2/07-2, ZMR 2007, 886; KG, Beschl. v. 15.7.2002 – 24 W 21/02, GuT 2002, 151.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.380 Teil 11

gebrauchs scheiden demgegenüber aus. Ein Zurechnen des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen kommt in solchen Fällen nicht in Betracht.358 Hinsichtlich des Umfangs des Schadensersatzes und der gerichtlichen Durchsetzung wird verwiesen auf die Ausführungen unter Rz. 11.301 ff.

11.376

cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gem. § 812 BGB Überschreitet ein Wohnungseigentümer die Grenzen des zulässigen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, beispielsweise indem er im Gemeinschaftseigentum stehende Räume unzulässiger Weise an Dritte vermietet, ist er verpflichtet, unberechtigt erlangte Nutzungen i.S.d. § 100 BGB – Mieteinnahmen etc. – entsprechend den allgemeinen Regelungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812, 937 ff. BGB) an die Gemeinschaft der Eigentümer herauszugeben.359 Dies folgt aus § 16 Abs. 1 S. 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gewährung seines Anteils an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums besitzt.

11.377

Zur Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruches ist gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aktivlegitimiert. Diese entscheidet durch Beschluss, ob der Anspruch geltend gemacht wird. Die Entscheidung muss billigem Ermessen entsprechen. Eine Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers, den bereicherungsrechtlichen Zahlungsanspruch der Gemeinschaft geltend zu machen, besteht demgegenüber nicht, nachdem der BGH entschieden hat, dass nicht nur bei Schadensersatzansprüchen, sondern auch bei Zahlungsansprüchen, die auf einer – nicht notwendig rechtswidrige – Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums beruhen, eine ausschließliche Rechtsverfolgungskompetenz der Eigentümergemeinschaft besteht.360

11.378

Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn an dem rechtswidrig genutzten Gemeinschaftseigentum ein ausschließliches Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers besteht. In diesem Fall steht der bereicherungsrechtliche Anspruch nur diesem Sondereigentümer zu.361 Demzufolge ist auch nur er zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs aktivlegitimiert. Eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft, die ihn zur Durchsetzung des Anspruchs ermächtigt, bedarf es in diesem Fall nicht.362

11.379

Die Höhe des Anspruchs auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung errechnet sich nach dem Verkehrswert der rechtswidrig gezogenen Gebrauchsvorteile. Hat der Schuldner wertsteigernde Investitionen im gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen und beruhen die Gebrauchsvorteile auch hierauf, bleibt der auf sie entfallende Anteil bei der Bemessung der herauszugebenden Bereicherung unberücksichtigt.363 Ist der das Gemeinschaftseigentum rechtswidrig nutzende Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der Vornahme der Investitionen bösgläubig, kann er der Eigentümergemeinschaft bezüglich der von ihm getragenen Investitionskosten keinen Verwendungsersatzanspruch entgegenhalten.364

11.380

358 359 360 361 362 363 364

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 W 2/07-2, ZMR 2007, 886. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.2005 – 3 Wx 13/05, NZM 2006, 705. BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351. BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2 Z BR 174/97, NJW-RR 1998, 876. BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2 Z BR 174/97, NJW-RR 1998, 876. KG, Beschl. v. 1.3.2004 – 24 W 158/02, ZMR 2004, 377. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.2005 – 3 Wx 13/05, NZM 2006, 705.

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Teil 11 Rz. 11.381

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

dd) Besitzstörungen durch einzelne Wohnungseigentümer und Dritte

11.381 Wird der einzelne Wohnungseigentümer in der Ausübung seines Mitbesitzes am Gemeinschaftseigentum durch einen anderen Wohnungseigentümer oder Dritten wie beispielsweise einen Mieter oder Nachbarn gestört, stellt sich die Frage, ob die wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsinstitute einschlägig sind und ob neben ihnen die allgemeinen Besitzschutznormen gemäß §§ 859 ff. BGB Anwendung finden.

11.382 Liegt eine Besitzstörung durch einen der Wohnungseigentümer vor, stellen die Regelungen der §§ 13 bis 15 WEG spezielle Abwehransprüche zur Verfügung. Als spezielleres Recht derogieren sie gemäß § 866 BGB die allgemeinen Besitzschutzregelungen. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander findet der Besitzschutz gem. BGB somit grundsätzlich nicht statt.365 Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn einem Wohnungseigentümer der Mitbesitz am Gemeinschaftseigentum vollständig entzogen wird (vgl. Rz. 11.388).

11.383 Geht die Besitzstörung bezüglich des Gemeinschaftseigentums von Dritten aus, sind die §§ 13 bis 15 WEG regelmäßig nicht einschlägig, da es sich bei den Dritten nicht um Wohnungseigentümer handelt. Einer Besitzstörung kann der gestörte Wohnungseigentümer somit auf der Grundlage der Regelungen der §§ 859 ff. BGB entgegentreten. Dem Wohnungseigentümer stehen hier letztlich sämtliche Abwehrrechte zu, die auch dem Miteigentümer einer Bruchteilsgemeinschaft zukommen. Im Fall der verbotenen Eigenmacht darf sich der Miteigentümer der Beeinträchtigung somit durchaus gemäß § 859 Abs. 1 BGB erforderlichenfalls gewaltsam erwehren. ee) Nachbarrechtlicher Schutz des Gemeinschaftseigentums

11.384 Letztlich nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander die Vorschriften des Allgemeinen Nachbarrechts gemäß §§ 906 ff. BGB sowie der Landesnachbarrechtsgesetze anwendbar sind.366 Wie im Bereich der Besitzschutznormen (§§ 859 ff. BGB) stellen die §§ 13 bis 15 WEG im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander spezielle und weitreichende Abwehransprüche zur Verfügung, sodass es regelmäßig des Rückgriffs auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 906 ff. BGB nicht bedarf. Dies gilt in jedem Fall dann, wenn die Störung das gemeinschaftlich zu nutzende Gemeinschaftseigentum betrifft.

11.385 Ist demgegenüber Gemeinschaftseigentum betroffen, an dem zur alleinigen Nutzung berechtigende Sondernutzungsrechte bestehen, was beispielsweise bei aneinandergrenzenden Gartenflächen denkbar ist, spricht jedenfalls nichts gegen eine Anwendung der allgemeinen nachbarrechtlichen Normen, insbesondere der §§ 910 und 911 BGB, die spezielle Regelungen zum Überhang von Zweigen und überfallenden Früchten zum Gegenstand haben.367 Aufgrund ihres spezifischen Regelungsgehaltes sind diese Normen zumindest analog anwendbar. Dies dürfte auch für die spezielleren nachbarrechtlichen Regelungen gelten, die Gegenstand der Landesnachbarrechtsgesetze sind, wobei einschränkend immer der Vorrang der bundesrechtlichen Regelungen der §§ 13 bis 15 WEG zu beachten ist.

365 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1990 – BReg. 1b Z 20/89, ZMR 1990, 348. 366 Ablehnend: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.2001 – 3 Wx 79/01, ZWE 2002, 41; Fink-Jamann in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, Vorb. §§ 40–48 Rz. 69; dafür bezüglich des Selbsthilferechts gemäß § 910 BGB: BayObLG, NJW-RR 2005, 385. 367 BGH, Urt. v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, NJW 2007, 3636.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.390 Teil 11

Demgegenüber finden die Vorschriften über Einfriedigungspflichten im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander keine Anwendung. Dies folgt aus dem Umstand, dass Einfriedigungspflichten durch die Nachbarrechtsgesetze der Länder nur zwischen Grundstücken im Rechtssinne begründet werden.368

11.386

Wird das Gemeinschaftseigentum durch einen benachbarten Grundstückseigentümer beeinträchtigt, finden sowohl die allgemeinen nachbarschaftsrechtlichen Regelungen der §§ 906 ff. BGB als auch die diesen Regelungen vorgehenden spezielleren Normen der Landesnachbarrechtsgesetze Anwendung.369 Die §§ 13 bis 15 WEG sind im Verhältnis zu benachbarten Grundstückseigentümern selbstverständlich nicht anwendbar. Aktivlegitimiert zur Durchsetzung der nachbarrechtlichen Vornahme- und Beseitigungsansprüche ist nach den nachbarrechtlichen Vorschriften (beispielsweise § 50 NRWNachbG) der Grundstückseigentümer; im Fall der Wohnungseigentumsanlage somit die Wohnungseigentümer.370 Der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertretende Verwalter nimmt dabei die Rechte der Wohnungseigentümer wahr. Vor Einleitung eines Schlichtungsverfahrens muss er sich von der Eigentümergemeinschaft durch einen Beschluss zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens ermächtigen lassen.371

11.387

ff) Entziehung des Wohnungseigentums Wird die Substanz des Gemeinschaftseigentums wiederholt und trotz (mehrfacher) Abmahnung durch einen Wohnungseigentümer oder eine Person, der er die Nutzung des Gemeinschaftseigentums eingeräumt hat, verletzt, besteht als schärfste wohnungseigentumsrechtliche Sanktion die Möglichkeit, das Wohnungseigentum zu entziehen. Dabei muss die Pflichtverletzung ein Ausmaß angenommen haben, dass es den übrigen Wohnungseigentümern nicht mehr zuzumuten ist, die Eigentümergemeinschaft mit dem störenden Eigentümer fortzusetzen (§ 18 Abs. 1 WEG).

11.388

c) Die Verletzung des Gemeinschaftseigentums durch den Verwalter Als ausführendem Organ der Eigentümergemeinschaft obliegen dem Verwalter vielfältige Verpflichtungen, die die Substanzerhaltung des Gemeinschaftseigentums im Wege der Instandsetzung bzw. Instandhaltung zum Gegenstand haben, aber auch den ordnungsmäßigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sowie zur Nutzung berechtigter Dritter betreffen. Verstößt der Verwalter gegen ihm obliegende Pflichten, beispielsweise, indem er einen bestehenden Instandsetzungsbedarf nicht ermittelt oder gegen eine unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums nicht einschreitet und kommt es hierdurch zu Schäden am Gemeinschaftseigentum, begründet dies nicht nur Ansprüche auf vertragsgemäße Erfüllung der Pflichten als Verwalter, sondern auch Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Verwalter.

11.389

aa) Gemeinschaftseigentumsbezogene Pflichten des Verwalters Die maßgeblichen Pflichten des Verwalters sind insbesondere in § 27 WEG normiert. Weitere, die Rechtsbeziehungen von Eigentümern und Verwalter regelnde Normen sind die §§ 24, 25 und 28 WEG, die den Entscheidungsfindungsprozess der Eigentümergemeinschaft und 368 369 370 371

Fink-Jamann in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 32 Rz. 10. Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8. Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8. Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8.

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11.390

Teil 11 Rz. 11.390

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

ihre Rechnungslegung zum Gegenstand haben. Vorliegend soll sich bei der Darstellung der Pflichten des Verwalters auf solche beschränkt werden, deren Verletzung typischerweise zu Schäden bzw. Beeinträchtigungen am Gemeinschaftseigentum führen können. (1) Verpflichtung zur Instandsetzung/Instandhaltung

11.391 Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu eruieren und durchzuführen. Die Verpflichtung des Verwalters erstreckt sich insofern zunächst darauf, einen aufgetretenen Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsbedarf festzustellen. Ist dies geschehen, ist dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um das Gemeinschaftseigentum wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen bzw. diesen zu erhalten. Die diesbezügliche Verpflichtung erstreckt sich grundsätzlich nicht auf das Sondereigentum. Hier hat der Wohnungseigentümer vielmehr in eigener Verantwortung tätig zu werden.372 Hat der Verwalter einen Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsbedarf ermittelt, ist zu unterscheiden, ob ein sofortiges Handeln erforderlich ist, um Schäden vom Gemeinschaftseigentum abzuwenden oder die Möglichkeit besteht, einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeizuführen. Im ersten Fall ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, ohne Beschlussfassung der Eigentümer zumindest die erforderlichen Notmaßnahmen durchzuführen, um Schäden vom Gemeinschaftseigentum abzuwenden (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG). Im letztgenannten Fall obliegt es dagegen der Eigentümergemeinschaft, im Beschlusswege zu entscheiden, ob und wie ein festgestellter Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf behandelt wird. An Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft ist der Verwalter gebunden, auch wenn er diese für nicht sachdienlich erachtet.373 Führt der Verwalter Beschlüsse über Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen in Wahrnehmung seiner Handlungspflichten aus, obwohl er diese nicht für zweckdinglich erachtet, kann ihm diesbezüglich nicht der Vorwurf einer schuldhaften Verletzung seiner Verwalterpflichten gemacht werden. (2) Dringende Erhaltungsmaßnahmen

11.392 In Ergänzung zur allgemeinen Verpflichtung des Verwalters, für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums Sorge zu tragen, normiert § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG, dass der Verwalter in dringenden Fällen sonstige zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Maßnahmen zu treffen hat.

11.393 Anders als im Fall der Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen hat der Verwalter hier ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu handeln, sollte dies erforderlich werden. Im Unterschied zum Notgeschäftsführungsrecht des Wohnungseigentümers gemäß § 21 Abs. 2 WEG setzt die Handlungspflicht des Verwalters im Falle des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG keinen unmittelbar drohenden Schaden voraus.374 Vielmehr ist eine Handlungspflicht des Verwalters bereits dann begründet, wenn das Abwarten einer Entscheidung durch die Eigentümerversammlung zu einer Gefährdung für das Gemeinschaftseigentum führen würde.375 Die Beurteilung, ob eine dringende Erhaltungsmaßnahme i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG zu veranlassen ist, ist entgegen der in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung nicht unter Heran372 373 374 375

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BayObLG, Beschl. v. 29.3.2000 – 2 Z BR 6/00, WuM 2001, 208 = NZM 2000, 555. OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NJW-RR 2002, 303 = NZM 2002, 169. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13. OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.1988 – 15 W 119/86, NJW-RR 1989, 331 = OLGZ 1989, 54; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.398 Teil 11

ziehung der „subjektiven Einschätzung des Verwalters“,376 sondern auf der Grundlage objektiver Kriterien vorzunehmen.377 Ist dies zur Beseitigung einer bestehenden Gefahr für das Gemeinschaftseigentum erforderlich, kann der Verwalter auch Maßnahmen ergreifen, die keine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung i.S.d. § 21 Abs. 3 WEG darstellen. Zu denken ist hier u.a. an den Abbruch einer vom Einsturz bedrohten Wand oder sonstige Eingriffe in die Substanz des Gemeinschaftseigentums.378

11.394

Beispielsfälle für dringende Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG sind u.a. Wasserrohrbrüche,379 Leitungsverstopfungen oder der Ausfall einer Heizungsanlage.380

11.395

(3) Einhaltung der Hausordnung und ordnungsgemäße Nutzung des Wohnungseigentums Als weitere Verpflichtung des Verwalters, die bei Nichterfüllung zur Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums führen kann, ist die Verpflichtung zur Durchführung der Hausordnung gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG zu nennen. Danach hat der Verwalter die Ausführung und Einhaltung der Hausordnung zu überwachen. Verstöße hat er durch aktives Handeln, wie Ermahnungen und Verbote, sowie das Aufstellen von Nutzungsplänen etc. zu unterbinden. Weiter ist er erforderlichenfalls zum Aufstellen von Verbots- und Warnschildern kraft seiner Funktion als Verwalter verpflichtet.381

11.396

Soweit § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG dem Verwalter darüber hinaus auferlegt, die Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen, bedeutet dies, dass insbesondere die Einhaltung nutzungsregelnder Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG vom Verwalter sicherzustellen ist. Die in § 27 Abs. 1 Nr. 1 normierte Verpflichtung des Verwalters zur Aufrechterhaltung der „Hausordnung“ geht somit über die Pflicht zur Einhaltung der Hausordnung im engeren Sinne (§ 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG) weit hinaus.

11.397

bb) Erfüllungsanspruch gegen den Verwalter Kommt der Verwalter seinen Pflichten zur Instandsetzung/Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, zur Durchführung dringender Erhaltungsmaßnahmen oder zur Überwachung der Einhaltung der Hausordnung nicht nach, verletzt er hiermit zunächst den mit den Wohnungseigentümern bestehenden Verwaltervertrag. Insofern bestehen Erfüllungsansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen den Verwalter aus dem Verwaltervertrag, bei dem es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB handelt.382 Als Vertragspartei des Verwaltervertrages hat die Eigentümergemeinschaft die Möglichkeit, die Erfüllung des Verwaltervertrages ggf. gerichtlich durchzusetzen. Dies gilt mit Einschränkungen auch für den einzelnen Wohnungseigentümer, der zwar nicht Partei des Geschäftsbesorgungsvertrages ist, jedoch in dessen Schutzbereich fällt. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob es sich beim Verwaltervertrag in Bezug auf den einzelnen Wohnungseigentümer um ei-

376 377 378 379 380 381 382

Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 31. Grziwotz in Erman, § 27 WEG Rz. 4. Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 32. OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.1988 – 15 W 119/86, OLGZ 1989, 54 = NJW-RR 1989, 331. BayObLG, Beschl. v. 27.3.1997 – 2 Z BR 11/97, ZMR 1997, 325. BayObLG, Beschl. v. 2.6.1981 – BReg 2 Z 46/80, MDR 1981, 937. OLG Hamm, Beschl. v. 4.3.1993 – 15 W 295/92, NJW-RR 1993, 845.

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11.398

Teil 11 Rz. 11.398

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

nen Vertrag zu Gunsten Dritter oder einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter handelt.383 cc) Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter

11.399 Kommt der Verwalter der Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums und zur Durchsetzung der Hausordnung etc. nicht nach und kommt es hierdurch zu einem Schaden am Gemeinschaftseigentum, begründet dies bei schuldhafter Verletzung der Pflichten des Verwaltervertrages Schadensersatzansprüche der Eigentümergemeinschaft. Nach Fristsetzung oder endgültiger Erfüllungsverweigerung i.S.d. § 281 Abs. 1 und 2 BGB ist die Eigentümergemeinschaft berechtigt, Schadensersatz bezüglich der vom Verwalter zu erbringenden Leistungen zu verlangen. Hier ist insbesondere an die Kosten zu denken, die durch die Hinzuziehung eines Ersatzverwalters entstünden.

11.400 Ist durch das Versäumnis des Verwalters eine Substanzverletzung des Gemeinschaftseigentums eingetreten, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch auch auf die Kosten, die mit der Beseitigung des eingetretenen Schadens verbunden sind (§ 282 BGB).

11.401 Wird dem Verwalter vorgeworfen, dass er eine erforderliche Instandsetzungsmaßnahme nicht ergriffen hat, ist bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche allerdings sorgfältig zwischen den Kosten zu unterscheiden, die bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung der Pflichten aus dem Verwaltervertrag ohnehin angefallen wären und solchen, die nur deshalb entstanden sind, da Reparaturmaßnahmen pflichtwidrig unterlassen wurden. Nur letztere Kosten können als Schadensersatz gegenüber dem Verwalter geltend gemacht werden.

11.402 Das Verschulden des Verwalters richtet sich nach den §§ 276, 278 BGB. Der Verwalter haftet danach für Fahrlässigkeit und Vorsatz. Auch im Falle des Unterlassens dringender Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG kommt ein Abstellen auf § 680 BGB, der bei der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vorsieht, nicht in Betracht. Der Verwalter handelt nämlich stets auf der Grundlage des Verwaltervertrages und nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag.384 dd) Schadensersatz aus Delikt

11.403 Ist es aufgrund einer pflichtwidrigen Unterlassung des Verwalters zu einem Substanzschaden am Gemeinschaftseigentum gekommen, bestehen darüber hinaus deliktische Ansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen den Verwalter gem. § 823 Abs. 1 und 2 BGB. Die insofern haftungsbegründenden Handlungspflichten des Verwalters resultieren unmittelbar aus dem Verwaltervertrag, der hiermit einhergehenden gesetzlichen Verpflichtung gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1–3 WEG sowie der immanenten Verpflichtung, für die Eigentümergemeinschaft Verkehrssicherungspflichten wahrzunehmen.385 Der deliktische Schadensersatzanspruch umfasst vor allem die Kosten für die Beseitigung des an der Substanz des Gemeinschaftseigentums eingetretenen Schadens (§ 249 BGB).

383 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161; Häublein, ZWE 2008, 1. 384 Unzutreffend daher: Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 31, der von einer Haftungsbegrenzung i.S.d. § 680 BGB ausgeht. 385 Sprau in Palandt, § 823 BGB Rz. 50.

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Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.408 Teil 11

2. Die Beeinträchtigung des Sondereigentums Betreffen Störungen des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich sämtliche Wohnungseigentümer, ist dies im Falle der Beeinträchtigung des Sondereigentums anders. Rechtsverletzungen zum Nachteil eines einzelnen Sondereigentums betreffen die Gesamtheit der Eigentümergemeinschaft regelmäßig nicht. Verletztes Rechtssubjekt ist vielmehr der Sondereigentümer, in dessen Alleineigentum das Sondereigentum steht. Demzufolge treten bei der Verletzung des Sondereigentums gemeinschaftsspezifische Implikationen, wie beispielsweise die der konkurrierenden Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft und durch einzelnen Sondereigentümer nicht auf. Aktivlegitimiert bezüglich der Durchsetzung von Ansprüchen aus Rechtsverletzungen des Sondereigentums ist vielmehr regelmäßig ausschließlich der Sondereigentümer.

11.404

Dessen ungeachtet sind die möglichen Rechtsverletzungen zum Nachteil des Sondereigentums denkbar vielgestaltig. Dies gilt sowohl für die Rechtsverletzungstypen als auch für die in Betracht zu ziehenden Störer.

11.405

a) Störung des Sondereigentums durch die Gemeinschaft Die Störung des Sondereigentums durch Handlungen der Gemeinschaft kann zum einen dergestalt erfolgen, dass die Gemeinschaft den Sondereigentümer in Überschreitung der ihr zustehenden Kompetenzen und damit rechtswidrig in der zulässigen Nutzung des Sondereigentums beschränkt. Zum anderen ist denkbar, dass die Gemeinschaft durch Untätigkeit Schäden am Sondereigentum eines Wohnungseigentümers herbeiführt. Zu denken ist hier insbesondere an Situationen wie das Unterlassen von Instandsetzungsmaßnahmen, was zu Schäden am angrenzenden Sondereigentum führen kann. Die aus den unterschiedlichen Rechtsverletzungen resultierenden Abwehransprüche und Eigentums- bzw. Besitzschutzinstitute sind denkbar verschieden.

11.406

aa) Störung durch rechtswidrige Beschlüsse der Eigentümerversammlung Gemäß § 15 Abs. 2 WEG ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, durch Beschluss zu bestimmen, wie das Sondereigentum zu nutzen ist. Durch entsprechende Beschlüsse wird somit festgelegt, was ordnungsmäßigem Gebrauch des Sondereigentums i.S.d. Wohnungseigentumsgesetzes entspricht. Dabei ist die Eigentümergemeinschaft in ihrer Beschlussfassung nicht frei. Vielmehr hat sich die Eigentümergemeinschaft an vorliegende Vereinbarungen i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG sowie die allgemeinen Vorschriften (§§ 134, 138, 242, 315 BGB) zu halten. Beschlüsse, die nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, sind gemäß § 15 Abs. 2 WEG unzulässig und damit rechtswidrig. Überschreitet ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft die Kompetenzgrenzen, ist er anfechtbar oder nichtig. Gegebenenfalls liegt auch ein sogenannter Nichtbeschluss vor.

11.407

Ein dem Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 1 WEG gestatteter Gebrauch des Sondereigentums darf dem Eigentümer nicht durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft entzogen werden. Ein hiergegen verstoßender Beschluss ist vielmehr rechtswidrig. So steht es der Eigentümergemeinschaft nicht zu, dem Sondereigentümer zu untersagen, in seiner Wohnung zu musizieren.386

11.408

386 OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.1980 – 15 W 122/80, MDR 1981, 320.

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Teil 11 Rz. 11.409

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.409 Ebenfalls rechtswidrig sind Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, die darauf gerichtet sind, dem Wohnungseigentümer jedwede Haustierhaltung zu verbieten.387 Dies gilt auch, wenn die Tierhaltung von der Zustimmung des Verwalters oder des Verwaltungsbeirats abhängig gemacht werden soll.388 Für den Fall des vollständigen Verbots der Hundehaltung hat dies der BGH bereits entschieden.389

11.410 Demgegenüber hat die Rechtsprechung einen Beschluss, wonach Blumenkästen auf Balkonen des Sondereigentums nur an die Innenseite der Balkonbrüstungen gehängt werden dürfen, als zulässige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr angesehen.390

11.411 In gleicher Weise rechtswidrig ist ein Beschluss, mit dem die Eigentümergemeinschaft einem Wohnungseigentümer untersagen will, sich gegen rechtswidrige Störungen eines anderen Wohnungseigentümers zur Wehr zu setzen.391 Hier liegt ein Eingriff in die individuelle Rechtszuständigkeit des Sondereigentümers und seiner Abwehrrechte gemäß § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB vor, die der Sondereigentümer nicht hinzunehmen hat.

11.412 Zur Frage, inwieweit in der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung festgelegte Nutzungsmöglichkeiten durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft „eingeschränkt“ werden können, wird ergänzend verwiesen auf die umfangreiche Rechtsprechung zur zulässigen Nutzung des Sondereigentums (vgl. Rz. 11.118 ff.). (1) Verletzung des Sondereigentums durch Nichtbeschlüsse

11.413 Bei der Prüfung der Frage, wie die durch einen Beschluss verursachte Verletzung des Sondereigentums abzuwehren ist, ist wiederum zwischen sog. Nichtbeschlüssen, nichtigen Beschlüssen und anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden. Von einem Nichtbeschluss spricht man, wenn die Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft unter so gravierenden Mängeln leidet, dass von vornherein nicht von einem Beschluss i.S.d. Wohnungseigentumsgesetzes gesprochen werden kann. Zu denken ist hier insbesondere an „Beschlüsse“, die außerhalb der Eigentümerversammlung und somit unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 WEG „gefasst“ werden.392 Da Nichtbeschlüsse keine Rechtswirkungen entfalten, ist es grundsätzlich nicht erforderlich, die Ungültigkeit des Beschlusses durch eine gerichtliche Entscheidung feststellen zu lassen. Ungeachtet dessen besteht die Möglichkeit für den Sondereigentümer, ein hierauf gerichtetes gerichtliches Verfahren in die Wege zu leiten. Dabei ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, inwieweit ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. (2) Störung des Sondereigentums durch nichtige Beschlüsse

11.414 In gleicher Weise ohne rechtliche Wirkungen sind nichtige Beschlüsse, die gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 WEG vorliegen, wenn gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen wird, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Auf die Nichtigkeit des Beschlusses kann sich jeder berufen. Einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es wiederum nicht, da solche Beschlüsse keine Rechtswirkungen entfalten können.393 387 Saarländisches OLG, Beschl. v. 2.10.2006 – 5 W 154/06-51, ZMR 2001, 273. 388 Saarländisches OLG, Beschl. v. 2.10.2006 – 5 W 154/06-51, ZMR 2001, 273. 389 BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, NJW 1995, 2036; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.1997 – 3 Wx 459/96, WE 1997, 422. 390 BayObLG, Beschl. v. 25.7.1971 – 2 Z 69/91, WE 1992, 197. 391 OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.2001 – 15 W 405/00, ZWE 2001, 273. 392 BayObLG, Beschl. v. 30.7.1998 – Z BR 54/98, NZM 1998, 1010. 393 BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, NJW 1989, 2059.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.422 Teil 11

Bei den Nichtigkeitsgründen werden verschiedene Fallgruppen unterschieden. Verstößt ein Beschluss gegen zwingende Vorschriften i.S.d. § 134 BGB, ist er gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG nichtig. Darüber hinaus ist von der Nichtigkeit eines Beschlusses aufzugehen, wenn eine absolute Unzuständigkeit der Eigentümergemeinschaft vorliegt, so beispielsweise, wenn der in Rede stehende Regelungsgegenstand bereits durch eine Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG normiert worden ist und damit der Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft entzogen wurde. Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann zudem aus einem Verstoß gegen die guten Sitten resultieren. In Betracht kommt weiter die Nichtigkeit des Beschlusses aufgrund inhaltlicher Unbestimmtheit.394 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 11.288.

11.415

Ein nach diesen Kriterien nichtiger Beschluss entfaltet von Anfang an keine Rechtswirkung. Dies gilt sowohl für das Verhältnis der Eigentümer untereinander, aber auch für die Verwaltung oder Dritte.

11.416

Ein nichtiger Beschluss kann im Wege der Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Die Nichtigkeitsklage ist nicht an eine Frist gebunden. Es handelt sich nicht um eine Anfechtungsklage i.S.d. § 46 Abs. 1 WEG. Die Frist zur Anfechtungsklage gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG ist daher nicht zu beachten.

11.417

Die Nichtigkeitsklage ist auf die Feststellung der „Ungültigkeit“ des angegriffenen Beschlusses gerichtet und dient der endgültigen Entscheidung über die Unwirksamkeit des Beschlusses.395

11.418

Auch wenn der durch den nichtigen Beschluss im Sondereigentum „verletzte“ Wohnungseigentümer somit grundsätzlich nicht verpflichtet ist, gegen einen nichtigen Beschluss im Wege der Nichtigkeitsklage vorzugehen, kann es gleichwohl erforderlich werden, gerichtliche Schritte einzuleiten. Erwächst ein Urteil, mit dem eine Anfechtungsklage abgewiesen wird, in Rechtskraft, ist über den Streitgegenstand der „Ungültigkeit“ des Beschlusses abschließend entschieden. Da in diesem Fall eine Nichtigkeitsklage aufgrund der Rechtskraft nicht mehr möglich ist, kann der verletzte Wohnungseigentümer gehalten sein, im Falle der Anfechtungsklage durch einen anderen Wohnungseigentümer Nichtigkeitsgründe im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens einzuwenden, um zu verhindern, dass die Rechtsgültigkeit des Beschlusses in Rechtskraft erwächst (§ 48 Abs. 4 WEG).

11.419

(3) Beeinträchtigung durch anfechtbare Beschlüsse Anders als bei den vorstehend behandelten nichtigen Beschlüssen bzw. Nichtbeschlüssen, bei denen eine gerichtliche Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses vielfach nicht erforderlich ist, um die Beeinträchtigung des Sondereigentums abzuwehren, verhält sich dies bei anfechtbaren Beschlüssen.

11.420

Anfechtbare Beschlüsse sind solche, die § 15 Abs. 2 S. 2 WEG zuwiderlaufen und somit einen Regelungsgehalt haben, der dem Begriff des „ordnungsmäßigen Gebrauchs“ entgegensteht (vgl. Rz. 11.143).

11.421

Einen ordnungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums regelt ein Mehrheitsbeschluss nur dann, wenn er die Rechte des betroffenen Sondereigentümers gemäß § 14 Nr. 1 WEG hinreichend berücksichtigt und ihnen nicht zuwiderläuft. Dabei sind die Grenzen zwischen Konkretisierung und rechtswidriger Beschneidung des Sondereigentumsrechts vielfach fließend.

11.422

394 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, NJW 1994, 2950 = ZMR 1994, 271. 395 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, NJW 2003, 3550.

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Teil 11 Rz. 11.423

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

11.423 Gegen einen anfechtbaren Beschluss, mit dem unzulässigerweise und unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 WEG in das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers eingegriffen wird, muss innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG die Anfechtungsklage erhoben werden. Geschieht dies nicht, ist der Beschluss bestandskräftig. In gleicher Weise tritt Bestandskraft ein, wenn die Anfechtungsklage nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG begründet wird.

11.424 Bis zur rechtskräftigen Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses durch das Gericht ist der anfechtbare Beschluss rechtswirksam und daher von der Verwaltung umzusetzen (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG).

11.425 Hinsichtlich der sonstigen prozessualen Besonderheiten der Anfechtungsklage wird verwiesen auf die Ausführungen unter Rz. 11.264 bb) Störung des Sondereigentums durch Unterlassen der Eigentümergemeinschaft (1) Schadensersatzansprüche wegen Unterlassen

11.426 Eine Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft, die Instandhaltung bzw. Instandsetzung des Sondereigentums zu gewährleisten, besteht nicht. Eine solche Verpflichtung sieht § 14 Nr. 1 WEG nur für den einzelnen Wohnungseigentümer vor. Dieser kann sich somit nicht darauf berufen, die Eigentümergemeinschaft habe es rechtswidrig unterlassen, sein Sondereigentum instand zu halten oder instand zu setzen.

11.427 Gleichwohl kann aus unterlassenen Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen ein rechtswidriges und zum Schadensersatz verpflichtendes Unterlassen der Eigentümergemeinschaft erwachsen. Dies gilt dann, wenn erforderliche Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum nicht durchgeführt werden und es hierdurch zu Schäden am Sondereigentum kommt. Verabsäumt die Eigentümergemeinschaft im Falle eines Schadens am Dach die erforderliche Reparatur und entsteht hierdurch ein Schaden am Sondereigentum eines Wohnungseigentümers, kann dies zu einer Haftung der Wohnungseigentümer gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 21 Abs. 4 WEG führen.396 Hier ist zum einen an eine Haftung des Verbandes, d.h. der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, zum anderen an eine Haftung nur solcher Wohnungseigentümer, die eine Beschlussfassung unter Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verweigert haben, zu denken.397

11.428 Von den Ansprüchen der Eigentümer wegen Verschlechterung des Gemeinschaftseigentums aufgrund verspäteter oder unterlassener Instandsetzung sind Folgeschäden des Eigentümers an seinem Sondereigentum zu unterscheiden. Hierbei kann es sich zum einen um Substanzverletzungen handeln, die nur deshalb eingetreten sind, weil das Gemeinschaftseigentum nicht zeitnah instand gesetzt wurde. Zum anderen kommen Mangelfolgeschäden, wie beispielsweise die fehlende Vermietbarkeit nebst daraus resultierenden Mietausfällen wegen verspäteter Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums, in Betracht. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sollen jedenfalls die schuldhaft handelnden Wohnungseigentümer dem geschädigten Wohnungseigentümer auf Erstattung des eingetretenen Schadens einschließlich entsprechender Mangelfolgeschäden – beispielsweise Mietausfall – verpflichtet sein.398 Die Rechtsprechung ist hier allerdings mitunter sehr zurückhaltend. Fasst die Wohnungseigen396 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269. 397 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269. 398 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.431 Teil 11

tümergemeinschaft Beschlüsse, die die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand haben und werden diese nicht umgesetzt, sei – so die Rechtsprechung – allerdings zunächst davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer ihrer Pflicht, eine ordnungsgemäße Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sicherzustellen, nachgekommen seien. Der auf Schadensersatz klagende Wohnungseigentümer müsse in diesem Fall konkret darlegen, warum aufgrund eines Verschuldens der Wohnungseigentümer eine zeitnahe Umsetzung der Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nicht erfolgt sei. Trage er hierzu nichts vor, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung der übrigen Wohnungseigentümer nicht auszugehen.399 In dem in Rede stehenden Fall lagen zwischen Beschlussfassung und Schadensersatzverlangen mehr als sechs Jahre! Beschließt die Eigentümergemeinschaft, nachdem sie bereits positiv über die Instandsetzung des vorhandenen Schadens einen Beschluss gefasst hat, eine technisch nicht zu beanstandende jedoch kostengünstigere Reparatur durchzuführen und werden die ursprünglichen Beschlüsse nicht angefochten, stehen diese einem möglichen Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Umsetzung des Instandsetzungsbeschlusses nicht entgegen.400

11.429

Umstritten ist, ob sich der Schadensersatzanspruch des Wohnungseigentümers wegen verspä- 11.430 teter Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums und daraus resultierender Nichtvermietbarkeit des Sondereigentums gegen alle übrigen Wohnungseigentümer, oder nur die, die gegen einen Sanierungsbeschluss abgestimmt haben, richtet. Soweit in Teilen der Literatur vertreten wird, dass eine Kausalität nur insoweit gegeben sein dürfte, als dass der Geschädigte den Nachweis führt, dass ein Wohnungseigentümer gegen den Beschluss zur Instandsetzung gestimmt hat,401 wird verkannt, dass ein Schadensersatzanspruch nach der Rechtsprechung selbst dann vorliegen kann, wenn ein positiver Beschluss über die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme getroffen wird. Dem Schadensersatzanspruch kann somit nicht entgegenstehen, dass ein Eigentümer für einen Sanierungsbeschluss gestimmt hat, sich dann im Weiteren jedoch nicht mehr um die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen bemüht, wenn der Beschluss mehrheitlich abgelehnt wird. Spätestens im Falle der Beschlussanfechtung und bei Erhebung einer Klage gemäß § 21 Abs. 8 WEG wird der in Rede stehende Eigentümer Position beziehen und selbst entsprechende gerichtliche Schritte einleiten, also die Klage im Wege des sofortigen Anerkenntnisses anerkennen müssen. Tut er dies nicht, stellt er sich gegen die ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Instandsetzungsmaßnahmen und dokumentiert hiermit die schuldhafte Verletzung seiner Pflicht zur Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums. (2) Vornahmeklage gemäß § 21 Abs. 8 WEG Der Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum verletzt wird, da die Eigentümergemeinschaft es verabsäumt, erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu beschließen, hat nicht nur einen Anspruch auf Zahlung des ihm hierdurch entstandenen Schadens. Vielmehr hat er auch einen Anspruch gegen die Eigentümergemeinschaft auf Beschlussfassung, dass die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden. Insofern stellt das Unterlassen der Eigentümergemeinschaft einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 4 WEG dar,

399 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269. 400 OLG München, Beschl. v. 18.2.2009 – 32 Wx 120/08, OLGReport München 2009, 269. 401 Linke, InfoM 2009, 175.

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11.431

Teil 11 Rz. 11.431

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

der insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beinhaltet (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG).

11.432 Erfüllt die Eigentümergemeinschaft ihre Verpflichtung zur Beschlussfassung nicht, ist der in seinem Sondereigentum verletzte Wohnungseigentümer berechtigt, gemäß § 21 Abs. 8 WEG Klage auf gerichtliche Ersetzung der Entscheidung der Eigentümergemeinschaft zu erheben. Als Klageziel kommt zum einen die Herbeiführung einer ordnungsmäßigen Beschlussfassung und zum anderen die Anordnung der erforderlichen Instandsetzungs-/Instandhaltungsmaßnahmen in Betracht.

11.433 Der Schadensersatzanspruch des Wohnungseigentümers wegen Verletzung seines Sondereigentums wird somit flankiert von einem Anspruch auf Beseitigung des den Schaden vertiefenden rechtswidrigen Zustandes des Gemeinschaftseigentums, dessen Instandsetzung die Eigentümergemeinschaft unterlässt. b) Störung des Sondereigentums durch andere Wohnungseigentümer und Dritte

11.434 Wird ein Wohnungseigentümer in seinen aus dem Sondereigentum resultierenden Rechten durch einen anderen Wohnungseigentümer oder Dritten verletzt, können hieraus zum einen Besitzschutzansprüche gemäß §§ 859 ff., 865 BGB, zum anderen Unterlassungsansprüche gem. § 1004 BGB sowie Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB resultieren. Handelt es sich bei dem Dritten um einen Nachbarn, stellt sich zudem die Frage der Anwendbarkeit des Allgemeinen Nachbarrechtes sowie der Vorschriften der Landesnachbarrechtsgesetze. aa) Besitzstörungen zum Nachteil des Sondereigentums

11.435 Als Sondereigentümer steht dem Wohnungseigentümer der Teilbesitz i.S.d. § 865 BGB am Sondereigentum zu. In eigentumsrechtlicher Hinsicht handelt es sich beim Sondereigentum um Alleineigentum. Besitzstörungen zum Nachteil des Sondereigentums kann der Wohnungseigentümer gemäß § 859 Abs. 1 BGB ggf. unter Einsatz von Gewalt unterbinden. Eine Einschränkung des Besitzschutzes, wie er im Bereich des Gemeinschaftseigentums aufgrund des dort geltenden Mitbesitzes gilt, besteht bezüglich des Sondereigentums nicht.

11.436 Da im Falle der Störung des Sondereigentums die Rechtsstellung des Wohnungseigentümers als Alleinbesitzer und Alleineigentümer tangiert ist, handelt auch ein den Besitz störender Wohnungseigentümer als „Dritter“ und wird daher wie ein solcher behandelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Besitzentzug bzw. die Beeinträchtigung des Besitzes in keinem Zusammenhang mit dem Gebrauch des eigenen Sondereigentums oder des Gemeinschaftseigentums steht.402 Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung – nach rechtswidrigem Aufstellen einer Holzwand, Gartenbank und Blumenkästen etc. auf dem Gemeinschaftsgrundstück- gemäß § 1004 Abs. 1 BGB aus dem Miteigentum am WEG-Grundstück gegen den Grundstücksnachbarn oder einen anderen Wohnungseigentümer sind dabei nicht gemeinschaftsbezogen i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG. Hier ist der einzelne Wohnungseigentümer befugt, die Ansprüche gericht-

402 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1990 – BReg. 1b Z 20/89, ZMR 1990, 348.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.440 Teil 11

lich geltend zu machen.403 Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an den betroffenen Flächen innehat.404 Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung der Besitzschutzansprüche ist zunächst zu 11.437 überprüfen, ob es sich um eine Streitigkeit der Wohnungseigentümer untereinander i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG handelt. Besteht bei der Abwehr einer Besitzstörung durch einen anderen Wohnungseigentümer kein Zusammenhang mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder Rechten und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, ist bei einem Streitwert von mehr 5.000 Euro erstinstanzlich das Landgericht zuständig. § 43 Nr. 1 WEG ist dann nicht einschlägig. Dies soll nach der Rechtsprechung auch dann gelten, wenn Wohnungseigentümer über die Eigentumsverhältnisse streiten.405 In gleicher Weise fällt der Streit, ob ein bestimmter Raum zum Sondereigentum oder zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört, nicht unter § 43 Nr. 1 WEG. Dies soll sowohl für die Klage auf Feststellung, als auch für die Leistungsklage auf Herausgabe oder Grundbuchberichtigung gelten.406 Eine wohnungseigentumsrechtliche Auseinandersetzung i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG soll aber auch dann nicht vorliegen, wenn ein Wohnungseigentümer von den übrigen Wohnungseigentümern die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum verlangt.407 bb) Unterlassungsansprüche wegen Störung des Sondereigentums Wird der Wohnungseigentümer in seinem Sondereigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes gestört, kann er als Eigentümer den Störer gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf Beseitigung der Beeinträchtigung in Anspruch nehmen. Denkbar sind hier insbesondere Ansprüche, die sich gegen die Zuführung von Immissionen – beispielsweise Lärm in Form überlauter Musik, Geruchsstoffen wie Zigarettenrauch etc. – richten.

11.438

Neben dem Anspruch auf Beseitigung der gegenwärtigen Beeinträchtigung besteht zudem ein Anspruch des gestörten Sondereigentümers auf zukünftige Unterlassung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Da nach der Rechtsprechung des BGH bereits die erstmalige Rechtsverletzung zukünftige Rechtsverletzungen impliziert, besteht der Unterlassungsanspruch bereits bei erstmaliger Beeinträchtigung des Sondereigentums.408 Der Anspruch erlischt allerdings bei Fortfall der Wiederholungsgefahr, insbesondere bei längerem Zeitablauf, wenn es nicht zu neuerlichen Rechtsverletzungen kommt.409 Das bloße Versprechen des Störers, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, räumt die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus.410

11.439

Da die Störung des Sondereigentums durch einen anderen Wohnungseigentümer regelmäßig keine unmittelbare Ursache im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer hat, sondern als solche auch durch jeden außerhalb der Eigentümergemeinschaft stehenden Dritten

11.440

403 BGH, NJW 2015, 2968; BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 45/17, IMR 2018, 23; a.A. Jacoby, ZWE 2012, 70, 74. 404 BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 45/17, IMR 2018, 23. 405 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.7.1975 – 4 W 144/74, NJW 1975, 1976. 406 BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851. 407 KG, Beschl. v. 17.12.1997 – 24 W 3797/97, NZM 1998, 581. 408 BGH, Urt. v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, NJW 2004, 1035. 409 Herrler in Palandt, § 1004 BGB Rz. 32. 410 Herrler in Palandt, § 1004 BGB Rz. 32.

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Teil 11 Rz. 11.440

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

verursacht werden kann, handelt es sich wiederum nicht um eine Streitigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG. Zuständig ist das allgemeine Zivilgericht. cc) Nachbarrechtlicher Schutz des Sondereigentums

11.441 Auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander sind sowohl die allgemeinen Vorschriften des Nachbarrechts gemäß §§ 906 ff. BGB als auch die speziellen Vorschriften der Landesnachbarrechtsgesetze allenfalls bedingt anwendbar. Beide Typen nachbarrechtlicher Normen gehen grundsätzlich von einer zu regelnden wechselseitigen Interessenlage aus, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Grundstücke im Rechtssinne aneinandergrenzen. Hiervon kann im Verhältnis der Sondereigentümer untereinander jedoch keine Rede sein. Dementsprechend sind Vorschriften über Einfriedungspflichten, wie sie Landesnachbarrechtsgesetze vorsehen, im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nicht anwendbar.411

11.442 Dagegen ist sehr wohl von einer Anwendbarkeit der Allgemeinen nachbarrechtlichen Regelungen der §§ 906 ff. BGB als auch der diesen Regelungen vorgehenden spezielleren Normen der Landesnachbarrechtsgesetze auszugehen, wenn die Störung des Sondereigentums durch den Eigentümer eines benachbarten Grundstücks erfolgt.412 Hier ist der gestörte Sondereigentümer Anspruchsinhaber im Sinne der nachbarrechtlichen Vorschriften (beispielsweise § 50 NRW NachbG).413

11.443 Vor der gerichtlichen Geltendmachung entsprechender nachbarrechtlicher Ansprüche ist aufgrund der Schlichtungsgesetze der Länder regelmäßig ein Schlichtungsverfahren vorzuschalten. Eine ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens erhobene Klage ist unzulässig. Eine nachträgliche Heilung durch Einleitung des Schlichtungsverfahrens nach Klageerhebung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht möglich. dd) Schadensersatz wegen Verletzung des Sondereigentums

11.444 Wird das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers durch einen anderen Wohnungseigentümer oder Dritten in seiner Substanz verletzt/beschädigt, stehen dem in seinem Eigentum verletzten Sondereigentümer zunächst die deliktischen Schadensersatzansprüche der §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, 826 BGB sowie §§ 833 und 834 BGB zu.

11.445 Geht der Schaden am Sondereigentum des betroffenen Wohnungseigentümers vom Sondereigentum des anderen Eigentümers aus, indem dieses zum Einsturz gebracht wird oder sich von diesem Teile ablösen, ist zudem an eine Schadensersatzpflicht des anderen Wohnungseigentümers gemäß § 836 BGB zu denken. Hat ein Mieter das Sondereigentum im Besitz, von dem die Schädigung ausgeht, ist in seiner Person eine Haftung gemäß § 837 BGB zu prüfen. Die letztgenannten Schadensersatzansprüche erstrecken sich auch auf den Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des geschädigten Wohnungseigentümers, seiner Familie oder Haushalts- bzw. Betriebsangehöriger, denen er die Nutzung seines Sondereigentums eingeräumt hat.

11.446 Abgesehen von den allgemeinen deliktischen Ansprüchen bestehen darüber hinaus vertragliche Schadensersatzansprüche im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, wenn einer der Wohnungseigentümer einen Schaden verursacht. Gemäß § 14 Nr. 1 WEG ist jeder 411 Fink-Jamann in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 32 Rz. 10. 412 Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8. 413 Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8.

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Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.450 Teil 11

Eigentümer verpflichtet, sein Sondereigentum instand zu halten und das gemeinschaftliche Eigentum nur in solcher Weise zu gebrauchen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Verstößt ein Miteigentümer gegen diese Verpflichtung, stellt dies eine Verletzung des Gemeinschaftsverhältnisses dar und begründet Schadensersatzansprüche des im Sondereigentum verletzten Wohnungseigentümers gemäß § 280 Abs. 1 BGB.414 Wird das Sondereigentum durch einen Mieter oder sonstigen Dritten, dem ein Miteigentümer die Nutzung seines Sondereigentums eingeräumt hat, verletzt, und schreitet der vermietende bzw. Nutzung einräumende Wohnungseigentümer hiergegen nicht ein, stellt dies einen Verstoß gegen § 14 Nr. 2 WEG dar, der wiederum dazu führt, dass der Miteigentümer, dessen Mieter oder sonstige zur Nutzung berechtigte Personen i.S.d. § 14 Nr. 2 WEG dem im Sondereigentum verletzten Miteigentümer gemäß § 280 Abs. 1 WEG zum Schadensersatz verpflichtet sind. Eine solche Schadensersatzpflicht besteht im Übrigen schon dann, wenn der Dritten die Nutzung einräumende Miteigentümer die Einhaltung der Pflichten gemäß § 14 Nr. 1 WEG durch diese Personen nicht überwacht.

11.447

c) Beeinträchtigung des Sondereigentums durch die Verwaltung Eine weitere in der Praxis durchaus auftretende Fallkonstellation ist die, dass es durch Versäumnisse des Verwalters zu Schäden am Sondereigentum kommt. Zu denken ist hier insbesondere an die Fälle, bei denen der Verwalter es trotz eines ordnungsgemäßen Instandsetzungsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft unterlässt, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum reparieren zu lassen und es hierdurch zu einer Schadensverursachung oder -vertiefung am Sondereigentum eines Miteigentümers kommt.

11.448

Der in diesem Fall betroffene Wohnungseigentümer hat hier zunächst einen unmittelbaren Anspruch gegen den Verwalter auf Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten. Zwar ist der einzelne Miteigentümer nicht Partei des mit dem Verwalter bestehenden Verwaltervertrages. Vielmehr ist die Wohnungseigentümergemeinschaft Partei des Verwaltervertrages. Jedoch ist der Verwaltervertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB)415 zu Gunsten Dritter – der Wohnungseigentümer – oder zumindest als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu qualifizieren, so dass die einzelnen Miteigentümer durchaus unmittelbar vertragliche Ansprüche gegenüber dem Verwalter geltend machen können.416

11.449

Neben Ansprüchen auf Erfüllung des Verwaltervertrages stehen dem einzelnen Miteigentümer bei durch den Verwalter zu verantwortenden Schäden am Sondereigentum darüber hinaus Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Verwaltervertrages gemäß § 675 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu. Ergänzend kann der Sondereigentümer den Verwalter auch auf der Grundlage der allgemeinen deliktischen Schadensersatznormen, das heißt §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, 826 BGB etc. auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch nehmen. Auf die vorstehenden Ausführungen (Rz. 11.399 ff.) zur Haftung des Verwalters bei Verursachung von Schäden am Gemeinschaftseigentum kann insofern weitgehend verwiesen werden.

11.450

414 BayObLG, Beschl. v. 24.10.2002 – 2 Z BR 120/01, NZM 2002, 167 = ZMR 2002, 286; OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.1995 – 15 W 370/94, NJW-RR 1996, 41 = ZMR 1996, 42. 415 OLG Hamm, Beschl. v. 4.3.1993 – 15 W 295/92, NJW-RR 1993, 845. 416 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = WuM 2006, 639; OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2006 – 15 W 109/05, NZM 2006, 632 = ZMR 2006, 633.

Peter

735

Teil 11 Rz. 11.451

Inhalt des Wohnungseigentums und Störungen

3. Verletzung von Sondernutzungsrechten

11.451 Das Wohnungseigentumsgesetz kennt neben dem Gemeinschaftseigentum und dem Sondereigentum eine dritte Art von Rechtspositionen, das sog. Sondernutzungsrecht. Eine Legaldefinition des Sondernutzungsrechtes ist dem WEG dabei fremd. Erwähnung findet der Begriff im Gesetz ausschließlich in § 5 Abs. 4 WEG. Anders als beim Sondereigentum, bei dem die in Rede stehenden Gebäudeteile bzw. Einrichtungen im „alleinigen“ Eigentum eines oder mehrerer Miteigentümer stehen, handelt es sich bei Räumen, Flächen und Einrichtungen, an denen ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wird, stets um Gemeinschaftseigentum. Die in Rede stehenden Gebäudeteile oder Einrichtungen stehen somit im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer. Das Sondernutzungsrecht hat zum Gegenstand, dass diesbezüglich eine Nutzung durch den berechtigten Wohnungseigentümer unter Ausschluss aller übrigen Wohnungseigentümer stattfindet.

11.452 Die Qualifizierung der einem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gebäudeteile und Einrichtungen als Gemeinschaftseigentum hat zur Folge, dass der Sondernutzungsberechtigte bei einer Substanzverletzung regelmäßig nicht in seiner Position als Sondereigentümer, sondern in seiner Position als Mitglied der Eigentümergemeinschaft bzw. Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums und Sondernutzungsberechtigter betroffen wird. Bezüglich der Abwehr entsprechender Eingriffe und der Wiederherstellung des verletzten Eigentums im Wege der Naturalrestitution oder des Schadensersatzes gilt insofern das zu Rechtsverletzungen am Gemeinschaftseigentum Ausgeführte. Diese Grundsätze sind hier entsprechend anwendbar.

11.453 Hat der Sondernutzungsberechtigte gemäß den Vorgaben der Teilungserklärung oder der das Sondernutzungsrecht begründenden Vereinbarung i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG die Verpflichtung übernommen, das dem Sondernutzungsrecht unterliegende Gemeinschaftseigentum instand zu halten und zu setzen, erscheint es sachgerecht, abweichend von den allgemeinen Regelungen eine individuelle Rechtsverfolgung des Sondernutzungsberechtigten für zulässig zu erachten. Hier sollte zumindest die Möglichkeit einer konkurrierenden Rechtsverfolgung des Sondernutzungsberechtigten neben der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestehen können.

11.454 Grundsätzlich bleibt es jedoch dabei, dass Räume, Einrichtungen oder Flächen, die einem Sondernutzungsrecht unterliegen, in gleicher Weise als Gemeinschaftseigentum von der Wohnungseigentümergemeinschaft instand zu halten und zu setzen sind, wie sonstiges Gemeinschaftseigentum.417 Entsprechende Gebäudeteile, Flächen und Einrichtungen sollen grundsätzlich nicht anders zu behandeln sein als andere Gegenstände des Gemeinschaftseigentums.418

11.455 Erschöpft sich die Verletzung des Sondernutzungsrechtes in einer Besitzstörung oder Entziehung, so dass mit ihr keine Eigentumsverletzung im Sinne einer Substanzschädigung vorliegt, stehen dem Sondernutzungsberechtigten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gemäß § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 und 2 BGB zu. Der Sondernutzungsberechtigte ist hier individuell aktivlegitimiert.

11.456 Er kann wiederum sowohl einen störenden Wohnungseigentümer oder, hat dieser sein Wohnungseigentum Dritten zur Nutzung überlassen, von denen die Störung ausgeht, auch diese unmittelbar und gleichzeitig in Anspruch nehmen. 417 BayObLG, Beschl. v. 25.5.1998 – 2 Z BR 87/98, WuM 1988, 616. 418 OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.5.1987 – 20 W 307/86, NJW-RR 1987, 1163.

736

Peter

Störung des Wohnungseigentums durch Wohnungseigentümer und andere

Rz. 11.462 Teil 11

Wird der Sondernutzungsberechtigte durch einen anderen Wohnungseigentümer in seinem Besitz gestört, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die allgemeinen Besitzschutznormen gemäß §§ 859 ff. BGB keine Anwendung finden, da die §§ 13 bis 15 WEG die spezielleren Abwehrrechte zur Verfügung stellen. Im Falle der Besitzstörung durch Dritte gilt dies selbstverständlich nicht, da die §§ 13 bis 15 WEG hier nicht einschlägig sind.

11.457

Entsteht dem Sondernutzungsberechtigten durch die Verletzung des Sondernutzungsrechtes ein Schaden, kann er im Fall der Schädigung durch einen Miteigentümer Schadensersatz aus Vertrag gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG geltend machen. Das störende Verhalten des den Schaden verursachenden Miteigentümers stellt insofern eine Verletzung des Gemeinschaftsverhältnisses dar. Mieter, Hausstands- oder Geschäftsbetriebsangehörigen, die eine Besitzstörung zum Nachteil des Sondernutzungsberechtigten zu verantworten haben, sind dem in der Ausübung des Sondernutzungsrechtes gestörten Wohnungseigentümer dagegen nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG zum Schadensersatz verpflichtet, da sie nicht zum Kreis der Wohnungseigentümer gehören und somit vertragliche Ansprüche nicht vorliegen.

11.458

Dessen ungeachtet bestehen gegen diese Personen und auch gegen den störenden Miteigentümer deliktische Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB.

11.459

Wird das Sondernutzungsrecht an Räumen oder Flächen, insbesondere Gartenflächen, durch einen Sondernutzungsberechtigten anderer Räume bzw. Gartenflächen beeinträchtigt, stellt sich die Frage, inwieweit die allgemeinen nachbarrechtlichen Normen des BGB (§§ 906 ff. BGB) sowie die speziellen Vorschriften der Landesnachbarrechtsgesetze anwendbar sind. Grundsätzlich gilt hier, dass im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander die Vorschriften der §§ 13 bis 15 WEG als spezielle und weitreichendere Ansprüche zur Verfügung stehen, sodass für die Anwendbarkeit der §§ 906 ff. kein Raum besteht.419

11.460

Etwas anderes soll nach der Rechtsprechung des BGH bei aneinandergrenzenden Sondernutzungsflächen bezüglich der Anwendbarkeit der Vorschriften zum Überhang von Zweigen und überfallenden Früchten gelten (§§ 910 und 911 BGB).420 Die Vorschriften über die Einfriedigungspflichten finden demgegenüber keine Einwendung, was darin begründet liegt, dass die Landesnachbarrechtsgesetze solche Einfriedigungspflichten grundsätzlich nur zwischen Grundstücken vorsehen, Flächen, die Sondernutzungsrechten unterliegen, jedoch keine solchen Grundstücke darstellen.421

11.461

Wird die Nutzung einer dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche durch einen benachbarten Grundstückseigentümer beeinträchtigt, finden sowohl die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften der §§ 906 ff. BGB als auch die spezielleren Normen der Landesnachbarrechtsgesetze Anwendung. Die §§ 13 bis 15 WEG sind im Verhältnis zum benachbarten Grundstückseigentümer nicht anwendbar.422

11.462

419 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.2001 – 3 Wx 79/01, ZWE 2002, 41; Fink-Jamann in Schäfer/ Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, Vorb. §§ 40–48, Rz. 69. 420 BGH, Urt. v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, NJW 2007, 3636. 421 Fink-Jamann in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 32 Rz. 10. 422 Peter in Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für NRW, § 50 Rz. 8.

Peter

737

Teil 12 Sondernutzungsrechte I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakterisierung des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . aa) Nutzung und Gebrauch . bb) Gruppensondernutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkung durch Mitgebrauchsrechte . . . . . dd) Faktische Alleingebrauchsrechte . . . . . . . ee) Gebrauchsregelungen . . . b) Abgrenzung von anderen Nutzungsrechten . . . . . . . . . . aa) Sondernutzungsrecht versus Vermietung . . . . . . bb) Nutzungsrechte an fremdem Sondereigentum . . . cc) Nutzungsrechte am Nachbargrundstück . . . . . dd) Nutzungsregelungen von Miteigentümern am Wohnungseigentum . . . . ee) Nutzungsrechte am Verwaltungsvermögen . . . . . 2. Anwendungsfälle in der Praxis . 3. Rechtsnatur von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzessystematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Das Sondernutzungsrecht als schuldrechtliches oder dingliches Recht? . . . . . . . . . . . . . . aa) Nicht im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht . . . . . . . . . bb) Das „verdinglichte“ Sondernutzungsrecht . . . . . . II. Entstehung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Anforderungen an die Begründung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . a) Formerfordernisse und stillschweigende Begründung . . . . b) Anforderungen an die Bestimmtheit der Regelung . . . .

12.1 12.1 12.1 12.5 12.6 12.9 12.10 12.12 12.14 12.14 12.17 12.18 12.19 12.20 12.21 12.28 12.28 12.32 12.33 12.37 12.43

12.43 12.43

aa) Gegenstand der Sondernutzungsbefugnis . . . . . . bb) Inhalt der Sondernutzungsbefugnis . . . . . . . . . c) Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften und deren Umgehung . . . . . . . . . . aa) Verstoß gegen § 27 Abs. 4 WEG . . . . . . . . . . . bb) Umgehung von § 5 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . 2. Begründung durch den aufteilenden Eigentümer . . . . . . . . . a) Begründung bei Aufteilung . . . b) Nachträgliche Begründung aufgrund von Gestaltungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begründung durch Rechtsgeschäft der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschluss der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überschreitung der Beschlusskompetenz . . . . . . bb) Ordnungsmäßige Gebrauchsregelungen gem. § 15 Abs. 2 WEG . . . . . . . cc) Bestehen einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . dd) Begründung durch Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG . . . . . . .

12.53 12.58 12.61 12.61 12.64 12.65 12.65 12.70

12.87 12.87 12.91 12.91 12.92 12.96 12.98

4. Weitere Entstehungstatbestände 12.99 a) Faktische Sondernutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.99 b) Umdeutung bei unwirksamer Sondereigentumsbegründung . 12.100 c) Gutgläubiger (Erst-)Erwerb von Sondernutzungsrechten . . 12.103 d) Anspruch auf Begründung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG . 12.104a III. Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten . . . . . .

12.105

12.52

Ott

739

Teil 12

Sondernutzungsrechte

1. Auslegung der Sondernutzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Nutzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kostentragung . . . . . . . . . . . . c) Instandsetzung/Instandhaltung sowie Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . d) Bauliche Veränderungen . . . . 2. Inhaltsbestimmung durch die Gemeinschaftsordnung . . . . . . . a) Bedeutung und Umfang rechtsgeschäftlicher Inhaltsbestimmungen . . . . . . . . . . . . b) Regelungen über Umfang des Gebrauchs und Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen rechtsgeschäftlicher Regelungskompetenz . . . . . . .

12.105 12.105 12.114 12.117 12.121

V. Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts . . . . . . . .

12.168

1. Inhaltsänderung durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.168

12.126

12.176

12.132

3. Inhaltsänderung durch den aufteilenden Eigentümer . . . . . . . . .

12.181

12.134

VI. Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.184

12.123 12.123

12.147

IV. Veräußerung des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . .

12.148

12.134 12.139 12.144

1. Isolierte Übertragung des Sondernutzungsrechts . . . . . . . . a) Rechtliche Einordnung des Übertragungsgeschäfts . . . . . . b) Voraussetzungen einer wirksamen Übertragung . . . . . . . . aa) Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . bb) Form . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mitwirkung der übrigen Eigentümer . . . . . . . . . . . dd) Mitwirkung Dritter . . . . .

12.155 12.158

2. Übertragung mit Veräußerung des Wohnungseigentums . . . . . .

12.160

3. Gutgläubiger (Zweit-)Erwerb von Sondernutzungsrechten . . .

12.162

Ott

12.166

2. Inhaltsänderung durch Beschluss der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zwischen inhaltlicher Ausformung und Inhaltsänderung . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten . . . . . . . . . . . a) Ansprüche gegen den Berechtigten bei Überschreitung der Nutzungsbefugnis . . . . . . . . . b) Abwehransprüche des Berechtigten bei Eingriffen in das Sondernutzungsrecht . . . . . . . c) Zuständigkeit des WEG-Gerichts . . . . . . . . . . . . d) Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis . . . . . .

740

4. Veräußerungsanzeige und Veräußerungszustimmung . . . . . . . .

12.148 12.148 12.152 12.152 12.153

1. Aufhebung durch Zusammenwirken aller Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten im Grundbuch eingetragener Sondernutzungsrechte . . . . . . . . . . . . c) Anspruch auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung . . . . 2. Aufhebung durch einzelne Wohnungseigentümer . . . . . . . . a) Verzicht des Sondernutzungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer . . . . . . c) Erklärung des aufteilenden Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlöschen bedingter/befristeter Sondernutzungsrechte . . . . . . . . a) Praktische Bedeutung von bedingten und befristeten Sondernutzungsrechten . . . . . b) Besonderheiten bei Eintragung des Rechts im Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.173 12.173

12.184 12.184 12.185 12.189 12.193 12.193 12.194 12.198 12.202 12.202 12.203

4. Erlöschen durch Ausscheiden aus der Gemeinschaft . . . . . . . . .

12.204

VII. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . .

12.206

Grundlagen

Rz. 12.4 Teil 12

I. Grundlagen 1. Charakterisierung des Sondernutzungsrechts a) Begriffsbestimmung Der Begriff des Sondernutzungsrechts ist im WEG nicht legaldefiniert, aber als wohnungseigentumsrechtlicher terminus technicus allgemein anerkannt.1 Der seinerzeitige Referentenentwurf des BMJ v. 22.9.19502 enthielt noch einen eigenen Abschnitt (§§ 29 ff.) über das „Sondernutzungsrecht an Wohnungen und anderen Gebäudeteilen“. Damit sollte die besondere Bedeutung von Sondernutzungsrechten im Vergleich zu anderen Vereinbarungen der Wohnungseigentümer hervorgehoben werden. Der historische Gesetzgeber hat hiervon letztlich Abstand genommen und stattdessen in den §§ 10 ff. WEG nur generelle Regelungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer getroffen. Nachfolgende Bestrebungen zu einer Verankerung des Sondernutzungsrechts im WEG3 hat der Reformgesetzgeber mit der WEG-Novelle nicht aufgegriffen. Der Begriff wird zwar seit dem 1.7.2007 in § 5 Abs. 4 S. 3 WEG erwähnt, dessen Definition wurde aber als überflüssig angesehen.4

12.1

Außerhalb des Wohnungseigentumsrechts hat der Begriff des Sondernutzungsrechts Eingang in § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gefunden, wonach die Veräußerung „dinglich gesicherter Sondernutzungsrechte im Sinne des § 15 WEG“ der Grunderwerbssteuerpflicht unterliegt. Eine Definition des Begriffs findet sich aber auch im GrEStG nicht.

12.2

Überwiegend anerkannt ist heute im Kern folgende Definition:

12.3

Ein Sondernutzungsrecht ist das einem Wohnungseigentümer eingeräumte Recht zur Nutzung von Gegenständen des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer.5 Das Sondernutzungsrecht besteht danach aus einer positiven Komponente, der Zuweisung der alleinigen Nutzungsbefugnis an Teilen des Gemeinschaftseigentums, und einer negativen Komponente, dem korrespondierenden Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer (sog. Doppelnatur).6

12.3a

Diese zunächst eindeutig erscheinende Begriffsbestimmung wirft im Detail zahlreiche Fragen auf, die gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt sind.7 Gerade die Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 hat gezeigt, dass es von großer Bedeutung ist, ob eine Bestimmung über

12.4

1 Kreuzer in FS Merle (2000), S. 203. Über das Sondernutzungsrecht wurden mittlerweile etliche Monografien verfasst; Schweiger, SNR, 1987; Bornemann, Erwerb, 2000; Ott, Das SNR, 2000; Häublein, Begründung, 2003; Hogenschurz, SNR, 2008. 2 Abgedruckt in PiG 8, S. 157, 164 ff. 3 Vgl. etwa den Vorschlag zu einem § 13 Abs. 4 WEG im Rahmen des vom Josef-Humar-Institut e.V. vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des WEG und anderer Gesetze“ abgedruckt in: NZM 1999, 606, 607. 4 BT-Drucks. 16/887, S. 16 unter lit. c). 5 Statt vieler BGH, Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, Rz. 31; BFH, Urt. v. 5.7.2018 – VI R 67/15, ZWE 2019, 98, 100 m. Anm. Sauren; Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 68; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 281. S. auch BT-Drucks. 16/887, S. 16 sub lit. c). 6 BGH, Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, Rz. 31; BGH, Urt. v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, ZWE 2017, 169; BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 149; OLG München, Beschl. v. 10.4.2019 – 34 Wx 92/18, ZWE 2019, 263, 264. 7 Eingehend Häublein, Begründung, S. 2 ff.

Ott

741

Teil 12 Rz. 12.4

Sondernutzungsrechte

den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums bereits den Charakter einer Sondernutzungsregelung aufweist. Nicht selten wird etwa über bestimmte Nutzungsrechte zugunsten einzelner Eigentümer beschlossen, ohne dass dabei der Begriff Sondernutzungsrecht ausdrücklich verwendet wird. Da aber nach Ansicht des BGH8 Sondernutzungsrechte nicht vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 WEG erfasst sind und damit grundsätzlich nicht durch Beschluss begründet werden können, kommt insbesondere der Abgrenzung von Gebrauchsregelungen erhebliche Bedeutung zu (s. Rz. 12.12). aa) Nutzung und Gebrauch

12.5 Nach teilweise vertretener Ansicht9 soll ein Sondernutzungsrecht die Befugnis zum alleinigen Gebrauch von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss des Mitgebrauchsrechts der anderen Wohnungseigentümer nach § 13 Abs. 2 S. 1 WEG gewähren. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Sondernutzungsregelung nicht auf ein alleiniges Gebrauchsrecht beschränkt sein muss und in der Regel auch nicht ist, sondern auch die alleinige Befugnis zur Ziehung sonstiger Nutzungen (z.B. Mieteinnahmen,10 Früchte von Bäumen) umfasst. Das WEG verwendet den Begriff „Nutzungen“ als Oberbegriff (vgl. § 100 BGB) und differenziert in § 13 Abs. 2 S. 1 WEG und §§ 13 Abs. 2 S. 2, 16 WEG zwischen Gebrauch und sonstigen Nutzungen. Die Begriffe Benutzung und Gebrauch hingegen werden vom Gesetz synonym verwendet (vgl. etwa § 14 Nr. 2 und 4 WEG sowie §§ 745 Abs. 1, 1010 Abs. 1 BGB).11 Geht aus der Regelung in der Gemeinschaftsordnung mithin nicht eindeutig hervor, ob dem Berechtigten die Nutzungsbefugnis in Gänze übertragen werden soll, wird das Recht aber gleichwohl als Sondernutzungsrecht bezeichnet, so ist nach überwiegender Ansicht das Recht zur Fruchtziehung mit umfasst.12 Wer mit der Formulierung einer Sondernutzungsregelung beauftragt wird, tut daher gut daran, vorab zu klären, ob dem Berechtigten nur der Gebrauch oder aber auch die sonstigen Nutzungen (z.B. Erlöse aus der Vermietung oder Verpachtung der betroffenen Fläche als sog. Rechtsfrüchte gem. § 99 Abs. 3 BGB) zustehen sollen.13 Anderenfalls sollte die Beschränkung nur auf ein Gebrauchsrecht deutlich gemacht und der Begriff „Sondernutzungsrecht“ durch den Begriff Sondergebrauchsrecht ersetzt werden,14 um zu vermeiden, dass sich im Wege der Auslegung eine nicht gewollte umfassende Nutzungsbefugnis ergibt. bb) Gruppensondernutzungsrechte

12.6 Obwohl Sondernutzungsrechte häufig als das alleinige Recht eines Wohnungseigentümers ausgestaltet sind, können sie ebenso zugunsten mehrerer Eigentümer begründet werden. Die im Schrifttum15 vereinzelt vertretene Ansicht, nach der nur dann von einem Sondernutzungsrecht gesprochen werden kann, wenn einem einzigen Eigentümer die alleinige Nutzung über8 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff. 9 Weitnauer, JZ 1984, 115; Ertl in FS Bärmann/Weitnauer, S. 251 (260); Merle, DWE 1986, 2; Decker/Drabek, ETW, Gr. 5 205 ff. 10 Häublein, NZM 2014, 97, 105. 11 Weitnauer, PiG 15, S. 53, 57; Häublein, Begründung, S. 3. 12 KG, Beschl. v. 26.1.2000 – 24 U 3358/99, WuM 2000, 317; Ott, Das SNR, S. 3 m. zahlr. N.; Hogenschurz, Das SNR, § 3 Rz. 11; vgl. auch Rz. 12.109. 13 Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 281. 14 Ott, ZWE 2000, 333, 336 f. 15 Schweiger, SNR, S. 195; weitergehend Riecke/J.-H. Schmidt/Elzer, Die ETV, S. 210: „einem oder einzelnen Wohnungseigentümern“; Hogenschurz, SNR, § 1 Rz. 13: „einem … oder mehreren Wohnungseigentümern“.

742

Ott

Grundlagen

Rz. 12.8 Teil 12

tragen wird, ist abzulehnen.16 Insbesondere bei Mehrhausanlagen bieten sich sogenannte Gruppensondernutzungsrechte an, um die Nutzung der einzelnen Gebäude zu regeln.17 In Betracht kommt insbesondere der jeweilige Ausschluss der Wohnungseigentümer anderer Gebäude von der Nutzung gemeinschaftlicher Räume des betreffenden Hauses (Treppenhaus, Waschküche, Trockenraum, Fahrradkeller etc.) oder der umgebenden Gartenflächen.18 Ohne die Begründung von Gruppensondernutzungsrechten wären alle Wohnungseigentümer zur Mitnutzung befugt, mit einhergehender Belästigung der Bewohner. Bei der Gestaltung von Gruppensondernutzungsrechten in Mehrhausanlagen bedarf es in besonderem Maße einer vorausschauenden Gestaltung unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten. So kann es geboten sein, nahezu alle Teile des gemeinschaftlichen Eigentums eines Gebäudes (einschließlich der umgebenden Grünflächen) jeweils den betreffenden Wohnungseigentümern zuzuweisen und die Sondernutzungsregelung mit einer Regelung über die alleinige (Gruppen-)Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung sowie Kostentragung zu kombinieren. Für äußere Gebäudeteile sollten Gestaltungsvorgaben gemacht werden (z.B. einheitlicher Fassadenanstrich bzw. Dacheindeckung). Zu beachten ist, dass bereits der Ausschluss eines Miteigentümers von der Nutzung einer bestimmten Gemeinschaftsfläche ein (Gruppen-)Sondernutzungsrecht (und zwar zugunsten der übrigen Eigentümer) darstellen kann, was nach der Rechtsprechung grundsätzlich den Abschluss einer Vereinbarung erforderlich macht.

12.7

Gruppensondernutzungsrechte können ferner entstehen, wenn ein Wohnungseigentumsrecht unterteilt wird, dem ein Sondernutzungsrecht zugeordnet war. Inhalt aller neu geschaffenen Wohnungseigentumsrechte wird automatisch die Sondernutzungsbefugnis, wenn der unterteilende Eigentümer nicht eine positive Bestimmung über die Zuordnung nur zu einem Wohnungseigentumsrecht trifft.19 Der Kautelarjurist muss sich hier zuvor über die Interessen des unterteilungswilligen Wohnungseigentümers informieren. Denkbar ist es etwa, dass der unterteilende Wohnungseigentümer beabsichtigt, sich räumlich zu verkleinern und zwei Wohnungseigentumsrechte zu bilden, wobei er die eine Wohnung mit Sondernutzungsrecht am Stellplatz behalten und die andere Wohnung veräußern will.

12.7a

Bisweilen werden in der Praxis einzelne Gegenstände, die einem Gruppensondernutzungsrecht unterliegen, wiederum einem der Berechtigten zur alleinigen Nutzung zugewiesen (z.B. Kellerräume in einem Gebäude einer Mehrhausanlage). In der anwaltlichen Beratung ist zu berücksichtigen, dass insoweit i.d.R. eine Vereinbarung der Gruppensondernutzungsberechtigten nach § 746 BGB vorliegen wird und keine Übertragung der anteiligen Nutzungsbefugnis (s. hierzu aber auch Rz. 12.152). Der Unterschied besteht darin, dass das Gruppensondernutzungsrecht bestehen bleibt (nur dessen Ausübung wird im Innenverhältnis geregelt) und nicht ein alleiniges Sondernutzungsrecht zugunsten eines Wohnungseigentümers begründet wird.

12.8

16 Kreuzer in Staudinger (2018), § 15 WEG Rz. 12; Schmidt, PiG 18, 37 (49); Göken, Mehrhausanlage, S 93; Ott, Das SNR, S. 7. 17 OLG Hamm, Beschl. v. 11.11.2004 – 15 W 351/04, ZMR 2005, 400 f.; Häublein, NZM 2003, 785, 787; Ott, Das SNR, S. 7. S. ferner OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2010 – 3 Wx 54/10, ZMR 2010, 975. 18 LG Hamburg, Beschl. v. 5.3.2008 – 318 T 237/05, ZMR 2008, 570, 571. 19 Ott, Das SNR, S. 12.

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743

Teil 12 Rz. 12.9

Sondernutzungsrechte

cc) Beschränkung durch Mitgebrauchsrechte

12.9 Schließlich wird der Begriff Sondernutzungsrecht auch dann verwendet, wenn das alleinige Nutzungsrecht des Berechtigten durch das (Mit-)Gebrauchsrecht anderer Eigentümer beschränkt wird, was es vom Sondereigentum unterscheidet. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Sondernutzungsberechtigte an einer Gartenfläche den übrigen Eigentümern die Überquerung zu gestatten hat, weil die Gartenfläche den einzigen Zugang zu einer gemeinschaftlichen Fläche oder Anlage bildet.20 Insoweit duldet das Sondernutzungsrecht anders als das Sondereigentum (vgl. § 5 Abs. 2 WEG) durchaus einen gewissen Mitgebrauch durch die übrigen Eigentümer. Die Beschränkung des Berechtigten folgt insoweit aus § 14 Nr. 3 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG, wenn die übrigen Wohnungseigentümer auf eine Mitbenutzung des Sondernutzungsobjektes angewiesen sind, um ihr Sondereigentum oder anderes gemeinschaftliches Eigentum überhaupt nutzen zu können.21 Aus diesem Grund sind die Entscheidungen der OLG Naumburg22 und Jena23 im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung gestoßen.24 Die Gerichte waren jeweils davon ausgegangen, ein Sondernutzungsrecht könne dann nicht eingeräumt werden, wenn den übrigen Eigentümern der Mitgebrauch der betroffenen Fläche oder des betroffenen Raums teilweise erhalten bleibe. Eine Stütze im Gesetz findet diese Auffassung nicht. Selbst für das Sondereigentum gelten die Rücksichtnahmepflichten des § 14 WEG und können im Einzelfall einen Mitgebrauch rechtfertigen (s. etwa § 14 Nr. 4 WEG). dd) Faktische Alleingebrauchsrechte

12.10 Von Sondernutzungsrechten zu unterscheiden sind faktische Alleingebrauchsrechte, die dadurch entstehen, dass die übrigen Wohnungseigentümer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert sind, ihr Mitgebrauchsrecht nach § 13 Abs. 2 S. 1 WEG auszuüben.25 Die Entstehung eines solchen Rechtes beruht nicht auf einer Regelung der Gemeinschaftsordnung, ist also nicht rechtsgeschäftlicher Natur. Ein faktisches Alleingebrauchsrecht auf Grund tatsächlicher Gegebenheiten resultiert aus einem Ausschluss des Mitgebrauchsrechts der übrigen Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG, weil die Ausübung zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung eines Wohnungseigentümers führen würde. Dies wäre etwa der Fall, wenn Teile des gemeinschaftlichen Eigentums nur über das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers zugänglich sind (z.B. Balkon, Terrasse, Spitzboden).26 Ein faktisches Alleingebrauchsrecht kann aus rechtlichen Gründen resultieren, wenn dem Mitgebrauchsrecht der übrigen Wohnungseigentümer eine Rechtsausübungsschranke entgegensteht. Dies ist bei einer Verwirkung der Fall, wenn die übrigen Wohnungseigentümer ihr Recht zur Nutzung des gemein20 KG, Beschl. v. 20.12.1989 – 24 W 3084/89, NJW-RR 1990, 333 f.; s. auch BayObLG, NJWE-MietR 1997, 80; OLG Köln, NZM 1998, 962; OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2009 – I Wx 288/08, ZWE 2009, 402 f.: Fluchtweg; Jennißen, NJW 1996, 696, 697. 21 Ott, Das SNR, S. 117 f. m.w.N.; ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2009 – I Wx 288/08, ZWE 2009, 402 f. 22 OLG Naumburg, Beschl. v. 10.12.1997 – 10 Wx 43/97, FGPrax 1998, 92, 93. 23 Thür. OLG, Beschl. v. 14.10.1998 – 6 W 637/98, Rpfleger 1999, 70, 71. 24 Sauren in FS Merle (2000), S. 261 ff.; Schöner/Stöber, GBR, Fn. 151 zu Rz. 2910; Häublein, Begründung, S. 108 ff. 25 Schweiger, SNR, S. 195; Ott, Das SNR, S. 109 ff. m.w.N. 26 OLG Köln, Beschl. v. 28.12.2000 – 16 Wx 163/00, NZM 2001, 385 (386); Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 90; anderes: OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2000 – 15 W 210/00, ZWE 2001, 122, 124: Begründung von Sondernutzungsrechten durch Auslegung der Gemeinschaftsordnung. Für den Balkon kann das freilich nur gelten, sofern er nicht auch ohne ausdrückliche Regelung dem Sondereigentum zugeordnet wird; s. OLG München, Beschl. v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MittBayNot 2012, 214 mit zust. Anm. F. Schmidt.

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Grundlagen

Rz. 12.13 Teil 12

schaftlichen Eigentums über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt und in einem Wohnungseigentümer das Vertrauen erweckt haben, dies auch in Zukunft nicht zu tun, so dass die spätere Ausübung des Rechts für den bisherigen Alleinnutzer eine gegen Treu und Glauben verstoßende Härte bedeutete.27 Davon ist etwa auszugehen, wenn eine Grünfläche über Jahre von nur einem Wohnungseigentümer genutzt worden ist, der diese auf Geheiß der anderen Wohnungseigentümer, die an einer Nutzung kein Interesse hatten, mit ganz erheblichen Kosten für Bepflanzung unterhalten sowie mit einer Einfriedung versehen hat. Faktische Alleingebrauchsrechte werden häufig auch missverständlich als faktische Sondernutzungsrechte bezeichnet.28 Abgesehen davon, dass die alleinige Nutzung nicht auf einem rechtsgeschäftlichen Akt, sondern auf einem bloßen Ausschluss des Mitgebrauchsrechts der anderen Wohnungseigentümer beruht, also einen ganz anderen Geltungsgrad besitzt, entsteht keine einem Sondernutzungsrecht vergleichbare Rechtsposition. Insbesondere können sich die tatsächlichen Gegebenheiten ändern, so dass § 14 Nr. 1 WEG einer Ausübung des Mitgebrauchs nicht mehr entgegensteht, etwa wenn die Wohnungseigentümer einen separaten Zugang zu einer Dachterrasse schaffen, so dass diese nicht mehr nur über das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers zugänglich ist. Bei einem faktischen Alleingebrauchsrecht stehen im Übrigen „sonstige Nutzungen“ allen Wohnungseigentümern zu, etwa der anteilige Mietzins bei einer Mitvermietung eines Spitzbodens, der nur über das Sondereigentum zugänglich ist.

12.11

ee) Gebrauchsregelungen Nach der Entscheidung des BGH vom 20.9.200029 fallen Sondernutzungsrechte nicht unter den Anwendungsbereich des § 15 WEG über Gebrauchsregelungen. Insbesondere gilt hierfür nicht die gesetzliche Beschlusskompetenz nach § 15 Abs. 2 WEG, so dass Sondernutzungsrechte danach nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet werden können. Ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss ist nichtig. Anders als Gebrauchsregelungen, die auch mit Stimmenmehrheit beschlossen werden können, ist die Begründung eines Sondernutzungsrechts nach dem Gesetz nur auf Grund einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG) oder einer gleichstehenden Bestimmung des teilenden Grundstückseigentümers in der Gemeinschaftsordnung (§§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG) möglich. Sofern die Gemeinschaftsordnung keine sog. Öffnungsklausel enthält, die eine Einräumung von Sondernutzungsrechten auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses zulässt, sind Beschlüsse über die Begründung von Sondernutzungsrechten nichtig, weshalb es wichtig ist, Gebrauchsregelungen von Sondernutzungsrechten abzugrenzen. Entscheidend ist insoweit, ob der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums lediglich geregelt, d.h. ausgestaltet, beschränkt oder konkretisiert werden soll (dann handelt es sich um eine Gebrauchsregelung), oder ob das Mitgebrauchsrecht einzelner Wohnungseigentümer (teilweise) entzogen wird (dann Sondernutzungsrecht).30

12.12

Trotz dieser scheinbar klaren Kriterien gibt es etliche Zweifelsfälle, die Schwierigkeiten bereiten. So wird etwa die Auffassung vertreten, es handele sich um eine Gebrauchsregelung, die durch Mehrheitsbeschluss erfolgen könne, wenn die Wohnungseigentümer unter Wahrung gleichrangiger Nutzungsrechte Nutzungsbereiche abgrenzen und etwa jedem Wohnungs-

12.13

27 28 29 30

LG Hamburg, Urt. v. 9.12.2009 – 318 S 69/09, ZWE 2010 S. 277; Ott, Das SNR, S. 111. Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 90; anders aber BayObLG, NZM 2004, 384. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff. Suilmann in Bärmann, § 15 WEG Rz. 65.

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Teil 12 Rz. 12.13

Sondernutzungsrechte

eigentümer ein Stellplatz, eine Gartenfläche oder ein Kellerraum dauerhaft zur alleinigen Nutzung zugewiesen werde.31 Insoweit liege kein Entzug des Mitgebrauchsrechts, sondern nur eine Konkretisierung des gemeinschaftlichen Gebrauchs in Form einer räumlichen Abgrenzung der Nutzungsbereiche vor.32 Desgleichen sollen die Wohnungseigentümer als Gebrauchsregelung das sog. Rotationsprinzip festlegen können, wonach Teile des Gemeinschaftseigentums turnusmäßig nur von einem Wohnungseigentümer genutzt werden dürfen, etwa wenn KfzStellplätze nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.33 Im ersten Fall (Abgrenzung von Nutzungsbereichen) wird übersehen, dass durch derartige Regelungen die jeweils anderen Wohnungseigentümer von der Mitnutzung eines Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen werden und es für das Vorliegen eines Nutzungsausschlusses unerheblich ist, ob dieser durch eine alleinige Nutzungsbefugnis an gleichartigen Teilen des Gemeinschaftseigentums kompensiert wird. Insoweit liegt keine bloße Gebrauchsregelung vor, sondern ein Entzug des Mitgebrauchsrechts, welches an sämtlichen Teilen des Gemeinschaftseigentums besteht (§ 13 Abs. 2 S. 1 WEG). Zweifelhaft ist, ob auch im zweiten Fall (Rotationsprinzip) eine bloße Gebrauchsregelung anzunehmen ist. Denn durch diese Regelung werden mit Ausnahme des jeweils Begünstigten alle anderen Wohnungseigentümer von der Nutzung eines Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen, wenn auch nur für einen bestimmten Zeitraum. Dies spricht gegen eine Gebrauchsregelung und für die Begründung von Sondernutzungsrechten, die auch befristet erfolgen kann (vgl. §§ 163, 158 BGB).34 Demgegenüber soll es eine Gebrauchsregelung darstellen, die mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann, wenn ausschließlich den Eigentümern von Garagen das Parken in der vorgelagerten Ein- und Ausfahrtzone gestattet wird.35 Insoweit handele es sich lediglich um eine Ausgestaltung des Mitgebrauchsrechts und nicht um dessen Entzug, weil die nichtbegünstigten Wohnungseigentümer den betreffenden Teil der gemeinschaftlichen Zufahrtsstraße zwar nicht zum Parken, wohl aber zum Befahren und Wenden mitbenutzen könnten. In der Praxis sollte der anwaltliche Berater bei Abgrenzungsschwierigkeiten auf die sich daraus ergebenden rechtlichen Probleme hinweisen, insbesondere darauf, dass eine rechtssichere Regelung durch eine Vereinbarung erfolgen kann. Anderenfalls droht eine Anwaltshaftung, wenn ohne entsprechenden Hinweis eine Beschlussfassung empfohlen wird, das Gericht aber im Streitfall die Nichtigkeit der Regelung mangels Beschlusskompetenz feststellt. b) Abgrenzung von anderen Nutzungsrechten aa) Sondernutzungsrecht versus Vermietung

12.14 Schwierigkeiten können vor allem dann auftreten, wenn es darum geht, eine Sondernutzungs- von einer Vermietungsregelung abzugrenzen. Letztere kann nach zutreffender Ansicht des BGH36 grundsätzlich den Gegenstand eines wirksamen Mehrheitsbeschlusses der Eigentümer bilden, erstere hingegen nicht. Dies hat dazu geführt, dass im Schrifttum Über-

31 OLG Hamm, Beschl. v. 11.11.2004 – 15 W 351/04, ZMR 2005, 400 f.; Wenzel, ZWE 2001, 226, 231. 32 OLG Hamm, Beschl. v. 11.11.2004 – 15 W 351/04, ZMR 2005, 400. 33 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.6.2007 – 20 W 403/05, NZM 2008, 812 = NJW-RR 2008, 320. 34 Ott, Das SNR, S. 170 f. 35 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 17.12.2008 – 14 S 4885/08, ZMR 2009, 317 f. 36 BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – V ZB 46/99, BGHZ 144, 386 = ZWE 2001, 21 ff. (mit Anm. Armbrüster, S. 20 f.).

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Grundlagen

Rz. 12.18 Teil 12

legungen angestellt wurden, ob durch den Abschluss entsprechender langfristiger Mietverträge Sondernutzungsregelungen kompensiert werden können.37 In der Beratungspraxis erscheint deswegen Vorsicht geboten, weil Sondernutzungsrechte auch zeitlich beschränkt38 und gegen Entgelt eingeräumt werden können. Letzteres ist in der Praxis sogar die Regel, so dass eine nicht einfach zu beseitigende Nähe zur Miete bestehen dürfte. Bei der Abgrenzung kommt es – wie stets – nicht maßgeblich auf die gewählte Bezeichnung, sondern auf die inhaltliche Ausgestaltung an.39 Die bislang im Schrifttum nach Art eines beweglichen Systems vorgeschlagenen Kriterien zur Abgrenzung von Gebrauchs- und Sondernutzungsregelungen, nämlich „Ausschließlichkeit, Bestimmtheit, Dauer, Gegenleistung oder Kompensation und Widerruflichkeit“,40 sind für den beratenden Anwalt im Detail nur schwer zu handhaben.

12.15

Es besteht somit insbesondere bei langfristigen Mietverhältnissen mit Wohnungseigentümern die Gefahr, dass diese von einem angerufenen Gericht als – falsch bezeichnete – Sondernutzungsregelungen gewertet werden. Konsequenz wäre die Nichtigkeit des Beschlusses; eine Bestandskraft würde nicht eintreten. Zu berücksichtigen ist daher stets die hinter der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 stehende Ratio. Sie besteht vor allem darin, Sondernachfolger vor Regelungen, die das aus § 13 Abs. 2 WEG resultierende Mitgebrauchsrecht ausschließen, ohne dass dies aus dem Grundbuch ersehen werden kann, zu schützen. Langfristige, nicht ordentlich kündbare Mietverträge, die einem etwaigen Sondernachfolger sein Mitgebrauchsrecht nehmen, ohne dafür eine finanzielle Kompensation zu gewähren (z.B. Fälle, in denen eine Einmalzahlung zu Beginn der Nutzungsüberlassung als „abgezinste Miete“ erfolgen soll), sind daher nicht zu empfehlen.

12.16

bb) Nutzungsrechte an fremdem Sondereigentum Vermieden werden sollte der Begriff Sondernutzungsrecht, wenn es darum geht, einem Eigentümer das ausschließliche Nutzungsrecht an einzelnen Teilen eines fremden Sondereigentums zuzuweisen (z.B. einem Keller- oder Abstellraum).41 Denn Gegenstand des Nutzungsrechts ist nicht das gemeinschaftliche Eigentum und nicht die Beschränkung des Mitgebrauchsrechts der übrigen Wohnungseigentümer; vielmehr geht es um das Alleinnutzungsrecht (§ 13 Abs. 1 WEG) des Betroffenen.

12.17

cc) Nutzungsrechte am Nachbargrundstück An Teilen eines Nachbargrundstücks können Sondernutzungsrechte nicht begründet werden, da dieses nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört.42 Ferner handelt es sich begrifflich nicht um die Begründung eines Sondernutzungsrechts, wenn zugunsten sämtlicher Woh37 Vgl. Schuschke, NZM 2001, 497, 500. 38 Schneider, Rpfleger 1998, 9, 14 m.w.N. 39 Statt vieler Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.5.2010 – 5 W 94/10, ZWE 2011, 82. Zur Nichtigkeit einer beschlossenen Gebrauchsregelung s. auch OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 Wx 22/07, 34 Wx 103/05, ZMR 2007, 561. 40 Wenzel, ZWE 2001, 226 (231); zur Kritik vgl. Häublein, Begründung, S. 201 ff. 41 OLG Zweibrücken, ZMR 1990, 28 f.; Ott, Das SNR, S. 11; Basty, Rpfleger 2001, 169; a.A. Ertl, Rpfleger 1979, 81. Für eine Beschränkung von Sondernutzungsrechten auf gemeinschaftliches Eigentum nunmehr explizit auch OLG München, Beschl. v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MittBayNot 2012, 215. 42 LG Düsseldorf v. 7.1.1985 – 25 T 252/83, MittRhNotK 1985, 126 ff.; Oppermann, DNotZ 2015, 662, 667.

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12.18

Teil 12 Rz. 12.18

Sondernutzungsrechte

nungseigentumsrechte eine Grunddienstbarkeit an einer Teilfläche des benachbarten Grundstücks (z.B. Kfz-Stellplätze) besteht und deren Ausübung einem Mitglied der Gemeinschaft überlassen werden soll. Betroffen ist nicht die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern die Ausübung eines den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehenden Rechtes. Die Wohnungseigentümer können eine Vereinbarung nur als schlichte Bruchteilseigentümer nach § 746 BGB treffen.43 dd) Nutzungsregelungen von Miteigentümern am Wohnungseigentum

12.19 Steht ein Wohnungseigentumsrecht, dem ein Sondernutzungsrecht zugewiesen ist, mehreren Personen gemeinschaftlich zu, kann die alleinige Ausübung durch einen Berechtigten von den Bruchteilsberechtigten nicht durch Sondernutzungsvereinbarung nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG geregelt werden. Möglich ist nur eine Regelung nach §§ 746, 1010 BGB, da das Verhältnis von Bruchteilsmiteigentümern zueinander betroffen ist.44 Die gegenteilige Ansicht des BGH,45 wonach alle Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht zugunsten des Miteigentümers eines Doppelparker-Sondereigentums begründen können, findet keine Stütze im Gesetz und ist abzulehnen.46 ee) Nutzungsrechte am Verwaltungsvermögen

12.20 Kein Sondernutzungsrecht ist ferner die Einräumung eines alleinigen Nutzungsrechts am Verwaltungsvermögen.47 Praktisch bedeutsam ist dies etwa für Zubehör des gemeinschaftlichen Eigentums (z.B. Rasenmäher, Vertikutierer, Sprenger, sonstige Gartengeräte, Werkzeuge, Waschmaschinen, Trockner). Diese Gegenstände sind Vermögen der Gemeinschaft (§ 10 Abs. 7 WEG). Die alleinige Nutzungsbefugnis kann nur durch einen Vertrag zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Begünstigten begründet werden. Nicht abschließend geklärt ist, ob im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer eine Beschlussfassung genügt oder eine Vereinbarung erforderlich ist, weil die gesetzlichen Beschlusskompetenzen nur das Gemeinschaftseigentum betreffen. 2. Anwendungsfälle in der Praxis

12.21 In der Praxis hat das Sondernutzungsrecht vor allem dort Bedeutung erlangt, wo das WEG die Begründung von Sondereigentum ausschließt.48 Dies ist etwa bei Grundstücksflächen (Garten, Kfz-Abstellplätzen im Freien, Außenpool etc.) der Fall, weil nach §§ 1 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 WEG die Begründung von Sondereigentum nur an (umbauten) Räumen möglich ist sowie an Gebäudeteilen, die nach § 5 Abs. 2 und 3 WEG zwingend zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören (z.B. Fassaden- oder Dachflächen).49 Der Kautelarjurist hat hier stets das wirtschaftliche Interesse des aufteilenden Eigentümers zu berücksichtigen, einzelnen Wohnungserwerbern alleinige Nutzungsrechte an Teilen des Gemeinschaftseigentums (z.B. Stellplätze) zu übertragen, um so deren Marktwert zu realisieren. Eine Übertragung zur gemein-

43 OLG Hamm, WE 1997, 196 (197); Ott, Das SNR, S. 12; Häublein, Begründung, S. 9 ff.; a.A. BayObLG, DNotZ 1990, 124, 127; OLG Köln, OLGZ 1994, 6, 7. 44 Ott, Das SNR, S. 11 (Fn. 29); a.A. Ertl, Rpfleger 1979, 81; v. Heynitz, DNotZ 1971, 645, 654. 45 BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – V ZB 116/13, DNotZ 2014, 448. 46 Kritisch auch Hügel/Elzer, DNotZ 2014, 403, 408 f. 47 Ott, Das SNR, S. 12: zur Rechtslage vor der WEG-Novelle. 48 OLG München, Beschl. v. 10.4.2019 – 34 Wx 92/18, ZWE 2019, 263, 264. 49 Zur Errichtung von Photovoltaikanlagen Wilhelmy, NZM 2014, 569, 571.

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Ott

Grundlagen

Rz. 12.24 Teil 12

schaftlichen Nutzung würde zu einer Verringerung des Verkaufserlöses führen. Zum anderen geht es um eine vorausschauende Abgrenzung von Nutzungssphären, um den Bedürfnissen zukünftiger Wohnungseigentümer Rechnung zu tragen. In Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhausanlagen kann etwa durch eine umfängliche Begründung von Sondernutzungsrechten an Grundstücksflächen (z.B. entlang der Gebäudetrennwände bei Reihenhäusern) verbunden mit Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Kostentragungsregelungen eine Situation geschaffen werden, die wirtschaftlich einer Realteilung gleichkommt. Steuerrechtlich vermittelt ein Sondernutzungsrecht indes kein wirtschaftliches Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO50 Erhebliche (wirtschaftliche) Bedeutung hat in der Praxis die Begründung von Sondernutzungsrechten ferner an Gebäudebestandteilen, Anlagen und Einrichtungen, die nach § 5 Abs. 1 und 2 WEG zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören. Dies gilt für Teile des Gebäudes, welche die äußere Gestalt prägen, etwa für Dachflächen (z.B. Sondernutzungsrechte zur Errichtung von Funkstationen, Werbetafeln, Photovoltaikanlagen51 etc.) oder Fassadenteile (z.B. Sondernutzungsrechte zum Anbringen von Werbebannern, Markisen etc.). Aber auch die Begründung von Sondernutzungsrechten an Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer zu dienen bestimmt sind, spielt eine große Rolle (z.B. Treppenhauskopf, Schwimmbad oder Sauna etc.). Obwohl die Rechtsprechung dies bislang in bestimmten Konstellationen gebilligt hat,52 ist dem Kautelarjuristen dann zur Vorsicht zu raten, wenn die Begründung eines Sondernutzungsrechts geeignet ist, mit dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 WEG in Konflikt zu geraten. Dieser Normzweck besteht darin, den Wohnungseigentümern den gemeinschaftlichen Gebrauch an solchen Anlagen und Einrichtungen zu erhalten, auf die alle Eigentümer angewiesen sind, um ihr Eigentum bestimmungsgemäß nutzen zu können (z.B. Begründung von Sondernutzungsrechten am gesamten Treppenhaus, Fahrstuhl, Feuerwehrzufahrten, Heizungsanlage etc.). Die Begründung von Sondernutzungsrechten an einer nicht sondereigentumsfähigen Heizungsanlage etwa wird für unzulässig gehalten, sofern sie dazu führt, dass diese zugunsten eines Eigentümers oder einer Gruppe von Eigentümern monopolisiert wird.53 Zumindest besteht aber das Risiko, dass der Sondernutzungsberechtigte erhebliche Einschränkungen hinnehmen muss, die sich aus gesetzlichen Duldungspflichten nach § 14 Nr. 1 und 3 WEG ergeben. So muss etwa der Sondernutzungsberechtigte eines Treppenhauses einen Mitgebrauch anderer Wohnungseigentümer in der Weise dulden, dass diese ihre Wohnungen erreichen können.

12.22

Sondernutzungsrechte kommen außerdem dann zum Einsatz, wenn für einzelne Räume oder Gebäudeteile keine Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliegt. Häufig ist das bei Kellerabteilen oder Dachgeschossflächen der Fall. Anders als für die Begründung von Sondereigentum ist für ein Sondernutzungsrecht eine Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht erforderlich.

12.23

Fehlt es an einer Abgeschlossenheitsbescheinigung, mag die Begründung eines Sonder- 12.24 nutzungsrechts zwar eine Alternative zur Begründung von Sondereigentum sein. Gleichwohl sollte aber in derartigen Fällen darauf hingewirkt werden, dass nach Möglichkeit die Voraussetzungen für die Begründung von Sondereigentum (möglichst vor Vollzug der Teilungserklä-

50 BFH, Urt. v. 5.7.2018 – VI R 67/15, ZWE 2019, 98, 100 m. Anm. Sauren. 51 Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.5.2010 – 5 W 94/10, ZWE 2011, 82; Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 68. 52 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, NJW 1991, 2909 (2910). 53 S. Bornemann, Erwerb, S. 23 f.; Häublein, Begründung, S. 112 ff.

Ott

749

Teil 12 Rz. 12.24

Sondernutzungsrechte

rung im Grundbuch) geschaffen werden. Denn die aus Sondernutzungsrechten erwachsenden Rechte und Pflichten sind in stärkerem Maße vom Inhalt der Gemeinschaftsordnung abhängig, was Auslegungsprobleme impliziert. Sondernutzungsrechte müssen daher als streitanfälliger gelten als Sondereigentum, dessen Inhalt von § 13 Abs. 1 WEG gesetzlich vorgegeben wird.

12.25 Besonders kompliziert und in der grundbuchlichen Umsetzung nicht selten schwer zu verwirklichen sind Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, die einem Wohnungseigentümer den Ausbau des seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gebäudeteils und die anschließende Umwandlung desselben in Sondereigentum gestatten. Dieser insbesondere bei Dachgeschossausbauten beliebten Gestaltungsform hat das BayObLG einen Riegel vorgeschoben und eine Umwandlungsermächtigung als unzulässig angesehen.54 Auf sie muss daher in Zukunft verzichtet werden.

12.26 Gegen die bloße Ermächtigung des Sondernutzungsberechtigten zum Ausbau bestehen dagegen keine Bedenken. An den neu geschaffenen Gebäudeteilen entsteht dann Gemeinschaftseigentum.55 In der Beratungspraxis ist in diesen Fällen stets genau zwischen der Ausbaubefugnis und dem Umfang des Sondernutzungsrechts zu differenzieren. Das Sondernutzungsrecht kann sich auf die neu geschaffenen Gebäudeteile erstrecken, muss dies aber nicht. Ist dem Berechtigten etwa das Anlegen einer Dachterrasse gestattet, ist davon auszugehen, dass er diese auch allein nutzen darf. Ist der Sondernutzungsberechtigte befugt, die Dachkonstruktion zu verändern (z.B. Anheben des Dachs, Einbau von Gauben, Dachflächenfenstern, Dacheinschnitten, Schornsteinen), bedeutet dies dagegen nicht, dass er die Dachfläche auch allein nutzen darf (z.B. zur Errichtung einer Mobilfunksendestation). Insoweit kommt es stets auf eine Auslegung im Einzelfall an. Bereits bei der notariellen Gestaltung ist auf Klarheit zu achten, um späteren Problemen vorzubeugen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es für die Interpretation einer im Grundbuch eingetragenen Regelung nur auf deren nächstliegende Bedeutung ankommt, die sich bei objektiver Betrachtung aus dem Wortsinn ergibt. Nicht selten ist in der Praxis festzustellen, dass der wirkliche Wille des teilenden Eigentümers nicht umgesetzt wurde. Wurde etwa den Wohnungseigentumsrechten im letzten OG jeweils ein Sondernutzungsrecht an einem darüber gelegenen Dachraum zugeordnet und ein „Ausbau des Dachbodens“ gestattet, ergibt sich daraus nicht ohne weiteres die Befugnis zum Ausbau und zur Nutzung zu Wohnzwecken als Maisonettewohnung.

12.27 Als Alternative zur oben erwähnten Ermächtigung eines Sondernutzungsberechtigten zur Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum kommt in Betracht, an dem auszubauenden Dachraum von Anfang an Sondereigentum zu begründen (u.U. zunächst als Teileigentum) und dem Eigentümer das Recht zum Ausbau und zur weiteren Unterteilung (ggf. verbunden mit dem Recht zur Umwandlung von Teil- in Wohnungseigentum)56 vorzubehalten.

54 BayObLG, Beschl. v. 12.10.2001 – 2Z BR 110/01, ZWE 2002, 124; F. Schmidt, ZWE 2002, 118; ausführlich Häublein, DNotZ 2000, 442, 448 ff. 55 KG, Beschl. v. 28.2.2000 – 24 W 8820/98, 24 W 2976/99, ZWE 2000, 362. 56 Hierzu BayObLG, Beschl. v. 24.7.1997 – 2Z BR 49/97, MittBayNot 1998, 99; ausf. zum nachträglichen Dachausbau Hügel, PiG 72, S. 117 = RNotZ 2005, 149.

750

Ott

Grundlagen

Rz. 12.31 Teil 12

3. Rechtsnatur von Sondernutzungsrechten a) Gesetzessystematische Grundlagen Will man die mit Sondernutzungsrechten verbundenen Rechtsfragen lösen, so ist der Blick wegen des Fehlens einer spezialgesetzlichen Regelung zunächst auf die gesetzessystematischen Grundlagen zu richten. Als Gebrauchs- bzw. Nutzungsregelung ist das Sondernutzungsrecht das Ergebnis einer Regelung über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Es hat seine Wurzeln daher im 2. Abschnitt des I. Teils des WEG (§§ 10–19 WEG) und hier insbesondere in § 10 Abs. 2 S. 2 WEG. Zumindest bis zur Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 wurde außerdem § 15 WEG, der insoweit eine Spezialregelung zu § 10 WEG darstellt, als Grundlage einer derartigen Regelung angesehen.57 Durch eine Sondernutzungsregelung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung (vgl. § 13 Abs. 2 WEG) einem Wohnungseigentümer das Recht zur alleinigen Nutzung eines Teils des Gemeinschaftseigentums eingeräumt und gleichzeitig das Mitnutzungsrecht der Übrigen ausgeschlossen.

12.28

Das Sondernutzungsrecht bedarf demnach der Eintragung in das Grundbuch gem. § 10 Abs. 3 WEG als Inhalt des Sondereigentums nur, um die Bindung von Sondernachfolgern sicherzustellen; die Eintragung ist also keine Entstehungsvoraussetzung i.S.d. § 873 Abs. 1 BGB (näher hierzu Rz. 12.37 ff.).

12.29

Nach dem geltenden Recht ist das Sondernutzungsrecht eine Vereinbarung der Wohnungs- 12.30 eigentümer über ihr Verhältnis untereinander, die sich durch nichts von anderen derartigen Vereinbarungen (z.B. über das Stimmrecht oder den Kostenverteilungsschlüssel) unterscheidet.58 Es sind daher grundsätzlich auf das Sondernutzungsrecht nicht die Regelungen über das Sondereigentum anzuwenden (z.B. § 4 WEG, s. Rz. 12.153). Mit Hilfe einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung wird lediglich das Verhältnis der Eigentümer in Abweichung von den §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 1 WEG gestaltet. Eine veränderte eigentumsrechtliche Zuordnung wird hingegen nicht bewirkt, so dass die betroffene Fläche oder der betroffene Raum stets im gemeinschaftlichen Eigentum verbleibt. Dies bedeutet, dass in Verwaltungsangelegenheiten im Zweifel die Vorschriften über das gemeinschaftliche Eigentum anzuwenden sind (hierzu näher unten III.1; Rz. 12.105 ff.), sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. Daraus ergibt sich eine besondere Aufgabe für den Kautelarjuristen: Bei der Begründung des Rechts ist genau zu ermitteln, in welchem Umfang dem Sondernutzungsberechtigten die Verwaltungsrechte übertragen und die Kostentragung auferlegt werden soll. Es empfiehlt sich, die einzelnen Pflichten und Befugnisse des Sondernutzungsberechtigten im Detail zu regeln (hierzu Rz. 12.123). Der allgemeine Satz: „Dem Sondernutzungsberechtigten sollen die Rechte eines Sondereigentümers zustehen“, ist geeignet, zu Auslegungsschwierigkeiten zu führen und sollte lediglich als „Auffangregelung“ verwendet werden. 57 Vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1978 – V ZR 11/77, BGHZ 73, 145, 147 = MDR 1979, 299 = DNotZ 1979, 168; BayObLG, Beschl. v. 4.4.1985 – BReg 2 Z 50/84, MittBayNot 1985, 74, 75; KG, Beschl. v. 20.12.1989 – 24 W 3084/89, NJW-RR, 1990, 333; OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404 = ZMR 2002, 73 = NZM 2001, 1135 = DNotZ 2002, 223 mit Anm. Häublein; Bornemann, Erwerb, S. 21; Ertl in FS Seuß (1987), S. 151, 152; Ott, ZWE 2000, 333; Bassenge in Palandt, 62. Aufl. (2003), § 13 WEG Rz. 7; F. Schmidt in FS Bärmann/Weitnauer (1985), S. 37, 48; Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 568; Schneider, Rpfleger 1998, 9; Kreuzer in Staudinger, 12. Aufl. (1997), § 15 WEG Rz. 74; Lüke in Weitnauer, 8. Aufl. (1995), § 15 WEG Rz. 25; Weitnauer in FS Larenz (1983), S. 705, 718. 58 Anders noch der Referentenentwurf des BMJ v. 22.9.1950; abgedruckt in PiG 8, S. 157 ff.

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751

12.31

Teil 12 Rz. 12.32

Sondernutzungsrechte

b) Das Sondernutzungsrecht als schuldrechtliches oder dingliches Recht?

12.32 Die Frage, ob das Sondernutzungsrecht schuldrechtlicher Natur ist oder aber einem dinglichen Recht nahesteht, ist eine Vorfrage im Hinblick auf das anwendbare Recht (z.B. §§ 241 ff. oder §§ 873, 876 f. BGB) und daher zur argumentativen Absicherung der eigenen Position auch in der Beratung von Belang. Nach h.M. ist zu differenzieren, ob eine Sondernutzungsvereinbarung im Grundbuch eingetragen wurde oder ob dies unterblieben ist: aa) Nicht im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht

12.33 Die Vereinbarung über die Begründung eines Sondernutzungsrechts ist ein schuldrechtlicher Vertrag, wenn sie ihrem Inhalt nach darauf abzielt, einen Anspruch des Berechtigten gegen die übrigen Eigentümer auf alleinige Nutzung von Gemeinschaftseigentum zu begründen. Dies ist jedenfalls für das nicht zur Eintragung in das Grundbuch gelangte Sondernutzungsrecht unbestritten.59

12.34 Hieraus folgt zunächst zweierlei: Die Wirkung derartiger Verträge erstreckt sich – allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entsprechend – per se nur auf die unmittelbar am Abschluss beteiligten Personen. Es sind die Vorschriften des Schuldrechts anzuwenden, weshalb Sondernutzungsrechte formfrei vereinbart werden können (s.u. Rz. 12.43) und zu ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung gem. § 873 Abs. 1 BGB bedürfen.

12.35 Ist die Eintragung eines Sondernutzungsrechts nicht erfolgt, kann eine Wirkung gegen neu hinzukommende Eigentümer nur dadurch bewirkt werden, dass diese rechtsgeschäftlich an die Regelung gebunden werden, was dadurch geschehen kann, dass der neue Eigentümer der Vereinbarung zustimmt.60 Ferner müssen die übrigen Eigentümer ihr Einverständnis mit dem Parteiwechsel erklären, was konkludent geschehen kann. Daran sind regelmäßig keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, sofern die Sondernutzungsregelung nicht ausnahmsweise einen Bezug zur Person eines bestimmten Eigentümers aufweist. § 746 BGB findet insoweit keine Anwendung, da § 10 Abs. 3 WEG, der partiell dem § 1010 Abs. 1 BGB nachgebildet ist, insoweit eine verdrängende Sondervorschrift i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 1 WEG darstellt.

12.36 Um die Mühen und Kosten einer Eintragung in das Grundbuch zu sparen, werden in der Praxis bisweilen außerhalb des Grundbuchs Vereinbarungen mit dem Inhalt geschlossen, dass jeder Eigentümer für den Fall der Weiterveräußerung seinen Sondernachfolger wiederum individualvertraglich in gleicher Weise zu verpflichten hat (sog. Weitergabeverpflichtung). Von einer derartigen Regelung ist jedoch abzuraten. Die praktische Erfahrung zeigt, dass derartige Weitergabeketten früher oder später abreißen, etwa weil die Regelung vergessen wurde oder in Erbfällen, in denen die Erben die Wohnung verkaufen, ohne die vom Erblasser eingegangene Weitergabeverpflichtung zu kennen. Zwar kann in solchen Fällen ein Schadensersatzanspruch des Sondernutzungsberechtigten gegen den veräußernden Eigentümer bestehen, eine Bindungswirkung zu Lasten des Erwerbers entsteht aber nicht. Auch die Kombination der Weitergabeverpflichtung mit einem Vertragsstrafeversprechen bietet keinen wirksamen Schutz. Eine solche Gestaltung versagt erst recht beim gesetzlichen Eigentumserwerb (z.B. in der Zwangsversteigerung). Da gerade Sondernutzungsrechte in aller Regel auf Dauer angelegt sind, empfiehlt sich stets eine Grundbucheintragung.

59 S. nur Bornemann, Erwerb, S. 67. 60 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404 = ZMR 2002, 73 = DNotZ 2002, 223, 226 unter Hinw. auf Wenzel, ZWE 2000, 550, 553.

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Grundlagen

Rz. 12.40 Teil 12

bb) Das „verdinglichte“ Sondernutzungsrecht Ist die Vereinbarung über ein Sondernutzungsrecht gem. § 10 Abs. 3 WEG zur Eintragung in das Grundbuch gelangt, wird von einem verdinglichten Sondernutzungsrecht gesprochen.61 Das eingetragene Sondernutzungsrecht dominiert die Praxis. Seine Rechtsnatur wirft etliche Fragen auf. Diese resultieren daraus, dass Vereinbarungen nach § 10 Abs. 3 WEG als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch einzutragen sind bzw. nach § 5 Abs. 4 WEG zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden können. Allerdings haben schuldrechtliche und dingliche Rechtsgeschäfte einen unterschiedlichen Inhalt. Schuldrechtliche Verträge begründen Ansprüche, während dingliche Verträge unmittelbar auf ein Sachenrecht, wie etwa das Eigentum, einwirken. Eine Grundbucheintragung kann den Inhalt des Geschäfts nicht verändern, sondern ist ein Publizitätsakt, der freilich notwendiger Bestandteil des sachenrechtlichen Geschäfts sein kann.

12.37

Teilweise existiert die Vorstellung, dass ein Sondernutzungsrecht als Sondereigentumsinhalt nur dingliche Wirkung entfalten könne.62 Es wird die Ansicht vertreten, die Eintragung bewirke, dass dieses Teil der sachenrechtlichen Einheit „Wohnungseigentum“ werde und sich folglich auch nach sachenrechtlichen Grundsätzen zu richten habe.63 Mit der Eintragung als Inhalt des Sondereigentums sei eine sachenrechtliche Zuordnung des sondergenutzten Gegenstandes verbunden. Das Sondernutzungsrecht werde damit zwar nicht zu einem selbständigen dinglichen Recht, entfalte aber als Inhalt des Sondereigentums absolute Wirkung gegenüber jedermann.64

12.38

Die Gegenposition meint, dass ein Sondernutzungsrecht seinen schuldrechtlichen Charakter durch den Grundbucheintrag ebenso wenig verändert wie ein gem. §§ 883 ff. BGB vorgemerkter Anspruch.65 Das Sondernutzungsrecht könne deshalb entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht Inhalt des Sondereigentums werden und es seien grundsätzlich die Vorschriften des Schuldrechts anzuwenden. Insoweit wird im Vergleich zur vorgenannten Auffassung genau umgekehrt argumentiert. Während erstere meint, das Sondernutzungsrecht werde Inhalt des Sondereigentums und könne deshalb nur dingliche Wirkung entfalten, schlussfolgert die Gegenposition, dass ein Sondernutzungsrecht wegen seiner schuldrechtlichen Wirkung mit der Eintragung im Grundbuch nicht Inhalt des Sondereigentums werden könne und sachenrechtliche Vorschriften grundsätzlich keine Anwendung finden.66

12.39

Die herrschende vermittelnde Auffassung67 differenziert streng zwischen der Eintragung im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums und der Rechtsnatur des Sondernutzungsrechts.

12.40

61 Ott, Das SNR, S. 15. 62 Dagegen ausführlich Ott, Das SNR, S. 37 ff. 63 Röll in MünchKomm, 3. Aufl., Vor § 1 WEG Rz. 12; Röll, Rpfleger 1980, 90; Bärmann, AcP 155, 1,10 f.; Bärmann, PiG 22, 24; Moritz, JZ 1985, 216, 218; Schmidt, BWNotZ 1989, 49, 55; OLG Frankfurt, Rpfleger 1975, 309, 310; OLG Stuttgart, OLGZ 1986, 35, 36; vgl. auch Rapp in Staudinger (2018), Einl. Rz. 78 ff. 64 Noack, Rpfleger 1976, 193, 196; OLG Stuttgart, OLGZ 1986, 35, 36. 65 Ertl, DNotZ 1979, 267, 273 und 281; Ertl, DNotZ 1988, 4, 19; Schneider, Rpfleger 1998, 9, 10; Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 577 ff.; Bornemann, Erwerb, S. 95 ff.; ausführlich Häublein, Begründung, S. 33 ff.; Dötsch in Timme, Beck OK, § 15 WEG Rz. 223. 66 Häublein, Begründung, S. 57 f. 67 BayObLG, DNotZ 1998, 125, 127; BayObLG, WE 1998, 269 f.; Merle, Rpfleger 1978, 86, 87; Ganten, PiG 15, 71 (78 f.); v. Heynitz, DNotZ 1971, 645, 651; Demharter, DNotZ 1991, 28, 29; Schweiger, SNR, S. 104; Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 54; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 13 WEG Rz. 24 und 27; Hügel/Scheel, Rechtshandbuch, Teil 6 Rz. 45; wohl auch Abramenko in

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Teil 12 Rz. 12.40

Sondernutzungsrechte

Mit der Eintragung im Grundbuch werde das Sondernutzungsrecht – wie jede andere Vereinbarung der Wohnungseigentümer – gemäß §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3 WEG zwar Inhalt des Sondereigentums und damit des Wohnungseigentums mit der Folge der Anwendbarkeit des § 877 BGB.68 Dies führe aber nicht zu einer Änderung der sachenrechtlichen Befugnisse. Vielmehr werde lediglich der im Verhältnis der Wohnungseigentümer geltende gesetzliche Eigentumsinhalt des § 13 Abs. 2 WEG geändert (neuer Inhalt des Wohnungseigentums: alleinige Nutzungsbefugnis bzw. Nutzungsausschluss statt Mitnutzungsrecht).69 Der Vorgang sei vergleichbar mit der Änderung eines gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses, das den obligatorischen Inhalt eines dinglichen Rechts bestimmt, mit sachenrechtlichen Befugnissen aber nichts zu tun hat (z.B. § 2 ErbbauRG, §§ 1020 ff., 1034 ff., 1041 ff., 1090 Abs. 2 BGB). Als Inhalt des Sondereigentums entfaltet das Sondernutzungsrecht Wirkung gegenüber Sondernachfolgern, weil diese das Wohnungseigentum mit dem vereinbarten Inhalt erwerben, nicht aber absolute Wirkung gegenüber jedermann.70 Demgemäß wird das eingetragene Sondernutzungsrecht häufig plakativ als „verdinglichtes Sondernutzungsrecht“ bezeichnet, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um ein dingliches Recht aber auch nicht um eine rein schuldrechtliche Befugnis handelt.

12.41 Der BGH71 geht mit der vermittelnden herrschenden Meinung ebenfalls davon aus, dass das Sondernutzungsrecht mit seiner Eintragung in das Grundbuch Inhalt des Sondereigentums i.S.d. § 877 BGB werde. Dieses sei nicht mehr lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch, sondern erlange dingliche Wirkung, jedoch ohne selbst ein dingliches Recht zu sein.72

12.42 Auf eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ansichten wird verzichtet. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Meinungen sollen im Folgenden aufgezeigt werden, wenn es bei der Beantwortung praxisrelevanter Streitfragen darauf ankommt.

II. Entstehung von Sondernutzungsrechten 1. Allgemeine Anforderungen an die Begründung von Sondernutzungsrechten a) Formerfordernisse und stillschweigende Begründung

12.43 Sondernutzungsrechte entstehen durch Vereinbarungen i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG. Hierbei handelt es sich um Verträge, die grundsätzlich keinem Formzwang unterliegen, wenngleich sich – schon zum Zwecke des Beweises – eine Verkörperung empfiehlt.73 Der Begriff des Sondernutzungsrechts ist keineswegs auf im Grundbuch eingetragene Regelungen be-

68 69 70 71 72 73

Riecke/Schmid, § 13 WEG Rz. 27; ausführlich Ott, Das SNR, S. 16 ff.; Ott, ZWE 2000, 12,13 ff.; Ott in Deckert, Die Eigentumswohnung, Gr. 3 Rz. 282. Ott, Das SNR, S. 18 ff. Ott, Das SNR, S. 30 ff.; Ott, ZWE 2000, 12, 15 f. Ott, Das SNR, S. 51. BGHZ 37, 203, 206; 73, 145, 148; 91, 343, 345 = MDR 1984, 830; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732 ff.; BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, DNotI-Report 2012, 73; BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157. BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 148 = MDR 1979, 299 = DNotZ 1979, 168; BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 345. BayObLG, Beschl. v. 5.2.1998 – 2Z BR 110/97, ZMR 1998, 359 = NJW-RR 1998, 947; OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1998 – 15 W 4/98, ZMR 1998, 718 (719); OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, DNotZ 2002, 223 mit Anm. Häublein; Ott, Das SNR, S. 86.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.47 Teil 12

schränkt.74 Nach § 10 Abs. 3 WEG ist die Eintragung der Regelung in das Grundbuch allein zu dem Zweck erforderlich, die Bindungswirkung etwaigen Sondernachfolgern gegenüber sicherzustellen. Dies führt dazu, dass die Vereinbarung zwischen den daran beteiligten Eigentümern auch bereits vor der Grundbucheintragung wirkt, sofern nicht eine aufschiebende Bedingung vereinbart worden ist. Mit der Zustimmung des letzten Eigentümers ist der Vertrag zustande gekommen. Die fehlende Zustimmung Dritter gem. §§ 877, 876 BGB steht jedenfalls der Entstehung eines schuldrechtlichen Sondernutzungsrechts nicht entgegen. Die sachenrechtliche Theorie hingegen tut sich schwer, eine Bindung vor der Eintragung zu erklären; denn der Abschluss eines dinglichen Vertrages bringt keine (Duldungs-)Ansprüche hervor.

12.44

Nach ganz h.M.75 können Sondernutzungsrechte auch konkludent vereinbart werden. Voraussetzung eines konkludenten Zustandekommens ist jedoch, dass nach außen für den Erklärungsempfänger (das ist der etwaige Sondernutzungsberechtigte) aus dem Verhalten der anderen Wohnungseigentümer erkennbar das Bewusstsein zutage tritt, eine für die Zukunft geltende Regelung schaffen zu wollen.76 Praktisch wird von einer konkludenten Begründung von Sondernutzungsrechten nur selten auszugehen sein.77

12.45

Eine auf Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung gerichtete konkludente Willenserklä- 12.46 rung ist – unabhängig vom tatsächlichen Willen des jeweiligen Eigentümers – anzunehmen, wenn der Adressat unter Würdigung der gesamten äußeren Umstände auf das Vorhandensein eines Rechtsbindungswillens bei den übrigen Miteigentümern schließen konnte.78 Dies wird man dann zu verneinen haben, wenn die Berechtigung der alleinigen Nutzung einer Gemeinschaftsfläche oder eines gemeinschaftlichen Raums wiederholt Gegenstand von Auseinandersetzungen in der Gemeinschaft war, was sich nicht selten durch eine Einsicht der Protokolle der Gemeinschaft feststellen lässt. Auch die selbst über Jahre währende bloße Duldung der alleinigen Nutzung durch alle anderen Eigentümer genügt wegen der Befugnis zum Mitgebrauch nach zutreffender überwiegender Ansicht79 für die Annahme eines Rechtsbindungswillens nicht. Gleiches gilt, wenn ein Wohnungseigentümer sein Mitgebrauchsrecht überschreitet und die Übrigen gegen eine eigenmächtige alleinige Nutzung nicht vorgehen.80 Insofern gilt der allgemeine Grundsatz: Wer schweigt, erklärt nicht.

74 Tendenziell anders OLG Hamm, Beschl. v. 1.12.1997 – 15 W 384/97, MittRhNotK 1998, 318, 319; H. Müller, ZMR 1998, 650. 75 Statt vieler Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 60; Ott, Das SNR, S. 86 m.w.N.; a.A. Drasdo, DWE 2000, 93, 94: ausdrückliche Erklärung erforderlich. 76 BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – 2Z BR 129/01, ZWE 2002, 403, 404 m.w.N. 77 S. aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.6.2003 – 3 Wx 121/03, ZfIR 2003, 911, 912. 78 Häublein, Begründung, S. 64 ff. 79 KG, Beschl. v. 17.5.1989 – 24 W 6092/88, NJW-RR 1989, 976; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.1994 – 3 Wx 254/94, NJW-RR 1995, 528 (den Verlust eines Mitbenutzungsrechts betreffend); OLG Hamm, Beschl. v. 9.9.1999 – 15 W 157/99, DNotZ 2000, 210, 214; OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404 = ZMR 2002, 73 = DNotZ 2002, 223, 226, hierzu Häublein, DNotZ 2002, 227 f.; s. auch BayObLG, Beschl. v. 7.11.1985 – BReg 2 Z 83/85, NJW 1986, 385, 386 (die Abänderung der GO betreffend). 80 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2003 – 3 Wx 133/03, ZMR 2003, 955, 956; LG Hamburg, Urt. v. 9.12.2009 – 318 S 69/09, ZWE 2010, 277.

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755

12.47

Teil 12 Rz. 12.48

Sondernutzungsrechte

12.48 Die Annahme eines Rechtsbindungswillens ist vielmehr an das Hinzutreten weiterer Umstände geknüpft. Diese können darin liegen, dass einem Wohnungseigentümer der Ausbau oder Umbau eines bestimmten, im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteils gestattet wird, den dieser längere Zeit allein genutzt hat.81 Gleiches wird man annehmen können, wenn ein Wohnungseigentümer ein gemeinschaftliches Gerätehäuschen nutzt und die übrigen Wohnungseigentümer von diesem unter Verweis darauf die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten auf eigene Kosten fordern und dies in der Folge entsprechend praktiziert wird.

12.49 Manifestiert ein Wohnungseigentümer in Übereinstimmung mit den übrigen Eigentümern sein Alleinnutzungsrecht nach außen, z.B. durch Einfriedung einer allein von ihm bewirtschafteten Gartenfläche, wird der Dauercharakter der Nutzung offenbar. Das OLG Köln ist von der konkludenten Begründung eines Sondernutzungsrechts ausgegangen.82

12.50 Besonders problematisch ist die Frage der Bindung eines Sondernachfolgers an eine derartige konkludente Regelung. Es hieße, § 10 Abs. 3 WEG auf den Kopf zu stellen, wollte man eine solche einschränkungslos bejahen.83 Denn wenn auch die ausdrückliche Zustimmung des Voreigentümers den Sondernachfolger nur bei Eintragung in das Grundbuch bindet (hiervon geht § 10 Abs. 3 WEG aus), kann für die konkludente Zustimmung nichts anderes gelten.84 Selbst dann, wenn die Sondernutzung für den Sondernachfolger erkennbar nach außen manifestiert wurde (z.B. durch bauliche Veränderung),85 gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Sondernachfolger kann zwar nicht nach § 1004 BGB Beseitigung der (berechtigten) baulichen Veränderung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen,86 an die konkludente Sondernutzungsvereinbarung ist er aber wegen § 10 Abs. 3 WEG nicht gebunden.

12.51 Für die anwaltliche Beratung folgt daraus, dass der Erwerber einer Wohnung auf die Risiken einer unterbliebenen Eintragung im Grundbuch hingewiesen werden sollte. In der Praxis werden nicht selten zu Wohnzwecken ausgebaute gemeinschaftliche Dachgeschossflächen mit dem darunter belegenen Wohnungseigentum als Maisonettwohnung weiterveräußert. Ein Berufen des Erwerbers auf eine ausdrückliche oder konkludente Sondernutzungsvereinbarung versagt spätestens dann, wenn der Sondernachfolger eines anderen Wohnungseigentümers sich benachteiligt fühlt und sein Recht auf Mitgebrauch geltend macht. Schadensersatzansprüche gegen den Veräußerer sind für den Erwerber regelmäßig unbefriedigend. b) Anforderungen an die Bestimmtheit der Regelung

12.52 Regelungen über die Begründung von Sondernutzungsrechten müssen dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Es muss erkennbar sein, an welchen Teilen des Gemeinschaftseigentum

81 BayObLG, Beschl. v. 7.4.1993 – 2Z BR 9/93, NJW-RR 1993, 1165 (1166). 82 OLG Köln, Beschl. v. 26.4.1996 – 16 Wx 56/96, MittRhNotK 1997, 132; Häublein, Begründung, S. 71 ff.; Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 86; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2003 – 3 Wx 133/03, NZM 2003, 767, 768. 83 Zutreffend OLG Hamm, Beschl. v. 9.9.1999 – 15 W 157/99, DNotZ 2000, 210, 214. 84 Vgl. hierzu Häublein, DNotZ 2002, 227, 229; Häublein, ZMR 2001, 737. 85 KG, Beschl. v. 17.5.1989 – 24 W 6092/88, NJW-RR 1989, 976 und BayObLG, Beschl. v. 19.7.1990 – BReg 2 Z 61/90, NJW-RR 1991, 1041 (den Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG betreffend). 86 Bub in FS für Wenzel (2005), S. 123 ff.

756

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.53 Teil 12

genau ein Sondernutzungsrecht bestehen soll.87 Die fehlende Bestimmtheit kann nicht durch gutgläubigen Erwerb „geheilt“ werden (zum gutgl. Erwerb Rz. 12.103 f. u. 12.162 ff.). Diese kann sowohl die Größe und Lage, d.h. den Gegenstand des Rechts, als auch seine inhaltliche Ausgestaltung betreffen.88 Der grundbuch- bzw. sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz bezieht sich grundsätzlich nur auf die gegenständliche Zuordnung des Sondernutzungsrechtes, das deshalb hinsichtlich der von ihm betroffenen Fläche genau bezeichnet sein muss (s. Rz. 12.53 ff.).89 Inhaltliche Unklarheiten werden in aller Regel nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung führen, da im Zweifel die gesetzlichen Vorschriften über das gemeinschaftliche Eigentum als Auffangregelungen bereit stehen. Für die Festlegung des Gegenstandes der Sondernutzung gilt das nicht in gleicher Weise, weil insoweit gesetzliche Regelungen fehlen. Auch die grundsätzlich mögliche ergänzende Auslegung der Gemeinschaftsordnung90 wird hier eher selten zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Bei einem bedingten Sondernutzungsrecht (vgl. Rz. 12.80) muss die vereinbarte Bedingung nicht in einer Weise bestimmt sein, dass sie dem Grundbuchamt in der Form des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO nachgewiesen werden könnte.91 aa) Gegenstand der Sondernutzungsbefugnis Soll die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts durch Grundbucheintragung zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden, so geschieht dies in aller Regel durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung (§ 7 Abs. 3 WEG, § 3 Abs. 2 WGV), die sich in den Grundakten befindet. Der Eintragungsvermerk im Bestandsverzeichnis (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1c WGV) selbst muss keinen Hinweis auf die Begründung von Sondernutzungsrechten enthalten. Dennoch wird von den Grundbuchämtern häufig zumindest der Umstand verlautbart, dass Sondernutzungsrechte begründet sind, gelegentlich sogar mit schlagwortartiger Bezeichnung (z.B. „Sondernutzungsrecht am Kfz-Stellplatz Nr. 1“).92 Dem sachen- und grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz ist Genüge getan, wenn zweifelsfrei feststeht, an welchen Teilen des Gemeinschaftseigentums Sondernutzungsrechte begründet werden sollen. Dies kann sich aus der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung, den darin in Bezug genommenen Plänen, der Eintragungsbewilligung oder feststellbarer äußerer Umstände ergeben.93 Es werden die gleichen Anforderungen wie bei sonstigen einen Grundstücksteil betreffenden Eintragungen (z.B. Dienstbarkeiten) gestellt.94 87 BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 125/11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.2.2018 – 15 W 1753/17, ZWE 2018, 169 (170); LG Karlsruhe, Urt. v. 5.12.2017 – 11 S 145/16, ZWE 2018, 208 (211). 88 S. aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2010 – 3 Wx 54/10, ZMR 2010, 975: Fehlende Bestimmtheit etwaiger schuldrechtlicher Nutzungsvereinbarungen unter mehreren Sondernutzungsberechtigten unbeachtlich. 89 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 1.2.2008 – 3 W 3/08, ZMR 2008, 667; Müller, Praktische Fragen, Rz. 100. 90 BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 = MDR 2004, 1403. 91 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.2.2008 – 3 W 3/08, ZMR 2008, 667; Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 112. 92 Siehe dazu Ertl, Rpfleger 1979, 81, 84. 93 BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff.; BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, MDR 2012, 702; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.2.2018 – 15 W 1753/1, ZWE 2018, 169 ff.; KG, Beschl. v. 5.6.1996 – 24 W 2592/95, FGPrax 1996, 178, 179; OLG Frankfur, Beschl. v. 18.8.1997 – 20 W 71/96, DNotZ 1998, 392, 395; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.5.2001 – 3 Wx 101 + 123/01, ZWE 2001, 443 = WuM 2001, 617, 618; KG, Beschl. v. 9.7.2007 – 24 W 28/07, ZWE 2007, 447. 94 Statt vieler BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff.; BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – 2Z BR 129/01, ZWE 2002, 403.

Ott

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12.53

Teil 12 Rz. 12.54

Sondernutzungsrechte

12.54 Den Anforderungen an die Bestimmtheit wird am besten dadurch Rechnung getragen, dass die betroffenen Räume oder Flächen in einem der Eintragungsbewilligung beigefügten Lageplan kenntlich gemacht werden. Dieser muss zwar nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG genügen95 und in dem durch Ziffer 2 der Allg. Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen96 vorgeschriebenen Maßstab von 1: 100 gezeichnet sein.97 Aus dem Plan müssen sich aber die Maße der Sondernutzungsfläche und deren Lage zweifelsfrei entnehmen lassen. Lässt sich die im Lageplan eingezeichnete Grenze zwischen zwei Sondernutzungsflächen nicht mit den Größenangaben in Übereinstimmung bringen, soll der Lageplan maßgeblich sein.98

12.55 Zulässig ist auch eine rein verbale Beschreibung des Ausübungsbereichs des Sondernutzungsrechts.99 Dabei kann auf in der Natur vorhandene Merkmale Bezug genommen werden, wenn der Gegenstand des Rechts bestimmbar ist. Die in Bezug genommenen Merkmale müssen nicht unveränderlich sein. Vielmehr genügt ihre Existenz bei der Begründung des Rechts.100 Ist die Größe von Kfz-Stellflächen nicht näher bestimmt, sollen im Zweifel die öffentlichrechtlichen Anforderungen maßgeblich sein.101 Auf eine Beschreibung der Sondernutzungsfläche durch veränderliche äußere Merkmale sollte in der Praxis verzichtet werden. Häufig entbrennt Streit, wenn diese Bezugspunkte später nicht mehr existieren, etwa weil Hecken, Poller, Markierungen etc. entfernt wurden oder verschwunden sind. Will der Sondernutzungsberechtigte einen störenden Wohnungseigentümer auf Unterlassung in Anspruch nehmen, muss dieser die Grenzen seines Sondernutzungsrechts und damit die Störung darlegen und beweisen. Dies ist faktisch mitunter nicht mehr möglich. Ist etwa eine Markierung zur Beschreibung eines Sondernutzungsrechts an einem Kfz-Stellplatz aufgrund von Witterungseinflüssen nicht mehr erkennbar und kann deren Lage auch nicht anderweitig dargelegt und bewiesen werden, würde der Berechtigte in einem Rechtsstreit gegen einen störenden Wohnungseigentümer unterliegen, der dort regelmäßig seinen Pkw abstellt.

12.56 Sieht man einmal davon ab, dass die Begründung von Sondernutzungsrechten nicht an das Vorliegen einer Abgeschlossenheitsbescheinigung geknüpft ist, gilt für diese nach der Rechtsprechung im Ergebnis im Wesentlichen das Gleiche wie für die Begründung von Sondereigentum.102 Wird ein gemeinschaftliches Sondernutzungsrecht an Kellerräumen zu Gunsten mehrerer Wohnungseigentümer begründet, ist der Bestimmtheit nach Auffassung des OLG Düsseldorf Genüge getan, wenn die betreffenden Kellerräume durch eine Darstellung im Aufteilungsplan eindeutig vom übrigen Gemeinschaftseigentum und vom Sondereigentum abgegrenzt sind. Eine Abgrenzung der Kellerräume untereinander ist nicht von Nöten, weil dies lediglich das Innenverhältnis der Sondernutzungsberechtigten betrifft.103 Ist der Gegenstand eines Sondernutzungsrechts im Aufteilungsplan dargestellt, ist dies maßgebend und nicht eine davon abweichende Bauausführung.104 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104

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BayObLG, Beschl. v. 16.12.1993 – 2Z BR 112/93, DNotZ 1994, 244. Abgedruckt u.a. bei Niedenführ/Vandenhouten, Anhang IV. 4. F. Schmidt, ZWE 2002, 514, 515. BayObLG, Beschl. v. 24.2.2000 – 2Z BR 147/99, NZM 2000, 509, 510. BayObLG, Beschl. v. 13.12.1988 – BReg 2 Z 120/88, Rpfleger 1989, 194; vgl. auch KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 6730/97, NZM 1999, 568. BayObLG, Beschl. v. 21.10.1997 – 2Z BR 137/97, DNotZ 1998, 386. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 6.6.2002 – 2Z BR 124/01, ZWE 2002, 523 (mit Anm. F. Schmidt, S. 514) = ZMR 2002, 847. BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – 2Z BR 129/01, ZWE 2002, 403. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2010 – I-3 Wx 54/10, ZMR 2010, 976, 977. BGH, Urt. v. 20.5.2011 – V ZR 99/10, NZM 2011, 779 ff.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.60 Teil 12

Besteht ein Widerspruch zwischen dem verbalen Beschrieb in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung und dem Aufteilungsplan, ist grundsätzlich keiner der sich widersprechenden Erklärungsinhalte vorrangig, so dass ein Sondernutzungsrecht nicht entsteht.105

12.57

bb) Inhalt der Sondernutzungsbefugnis Auch dem Inhalt einer Sondernutzungsregelung kann es an hinreichender Bestimmtheit mangeln. Insbesondere können Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Berechtigten (z.B. Recht zur Vornahme baulicher Veränderungen oder Regelungen über die Kostentragung) mangels Bestimmtheit unwirksam sein. Insoweit gilt für Vereinbarungen nichts anderes als für Beschlüsse der Wohnungseigentümer.106 Allerdings ist zu beachten, dass eine inhaltliche Unklarheit zwar zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen kann, seine Nichtigkeit aber nur bewirkt, wenn der Beschluss infolge fehlender Bestimmtheit undurchführbar ist.107 Ebenso wenig führt die inhaltliche Unbestimmtheit der Ausgestaltung eines Sondernutzungsrechts zur Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung (s. Rz. 12.52).

12.58

In Anlehnung an eine Entscheidung des Kammergerichts108 dürfte etwa eine Regelung, nach der der Berechtigte zur eigenständigen Durchführung „untergeordneter bzw. nicht erheblicher Instandsetzungsmaßnahmen oder baulicher Veränderungen“ berechtigt sein soll, zu unbestimmt sein; im Zweifel gelten dann die Bestimmungen für das gemeinschaftliche Eigentum. Für zulässig wird man aber Regelungen halten müssen, durch die den Berechtigten „sämtliche aus der Sondernutzung erwachsenden Kosten“ oder „sämtliche im Zusammenhang mit dem Sondernutzungsrecht stehenden Kosten“ auferlegt werden. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass bei Abfassung der überwiegend abstrakt-generelle Regelungen enthaltenden Gemeinschaftsordnung ohne die Verwendung allgemeiner Rechtsbegriffe nicht auszukommen ist, was eine gewisse Zurückhaltung bei der Annahme fehlender Bestimmtheit gebietet. Der Inhalt einer auf den ersten Blick nicht hinreichend bestimmten Regelung ergibt sich häufig durch Auslegung. Ist etwa ein „Sondernutzungsrecht an einem Dachbodenraum“ begründet und dem Berechtigten ohne nähere Spezifizierung ein Ausbau gestattet, darf dieser Maßnahmen nur im Rahmen des vorgegebenen Nutzungszwecks durchführen, d.h. im Zweifel keinen Ausbau zu Wohnzwecken.

12.59

Zur Aufgabe des Kautelarjuristen, möglichst klare und eindeutige Regelungen zu treffen, gehört es, genau zu definieren, welche Pflichten der Sondernutzungsberechtigte zu erfüllen hat. Eine Konkretisierung kann durch eine beispielhafte Aufzählung erfolgen. Darüber hinaus ist es geboten, sich ein Bild darüber zu verschaffen, welche Kosten durch die Sondernutzung entstehen werden und wer diese jeweils zu tragen hat, damit Zweifelsfälle vermieden werden (näher hierzu Rz. 12.126 ff.). Insbesondere bei der Begründung von Sondernutzungsrechten an Tiefgaragenstellplätzen sollte es regelmäßig das Ziel sein, diejenigen Eigentümer, die über keinen eigenen Stellplatz verfügen, von der Kostentragung der Tiefgarage insgesamt auszunehmen. Bezieht sich das Sondernutzungsrecht selbst nur auf den konkreten Stellplatz, kann die Regelung in der Gemeinschaftsordnung bei restriktiver Auslegung von einem damit befassten Gericht dahin interpretiert werden, dass nur die unmittelbaren Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung 105 BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, NJW 1995, 2851 (zum Sondereigentum). 106 Zur fehlenden Bestimmtheit eines Beschlusses vgl. etwa BayObLG, Beschl. v. 10.12.1998 – 2Z BR 99/98, ZfIR 1999, 194. 107 BayObLG, Beschl. v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, ZMR 2002, 848, 850. 108 KG, Beschl. v. 4.3.1998 – 24 W 6949/97, MDR 1998, 1218 = NZM 1998, 520.

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12.60

Teil 12 Rz. 12.60

Sondernutzungsrechte

des Stellplatzes, nicht aber die der Zufahrten, Fahrbahnmarkierungen, Hebevorrichtungen etc., allein von den Stellplatznutzern aufzubringen sind. Die Kostenbeteiligung für die übrigen Eigentümer kann enorm sein, was insbesondere in Bezug auf die kostenintensive Wartung sog. Mehrfachparker gilt (näher unter Rz. 12.129).109 Ist die Tiefgarage kein eigenständiges Gebäude, sollten klare Regelungen zur Abgrenzung der Kostentragung für Instandsetzungsmaßnahmen gemeinsamer Bauteile getroffen werden (z.B. Tiefgaragendecke). Im Zweifel tragen hier alle Eigentümer die Kosten gemeinschaftlich. c) Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften und deren Umgehung aa) Verstoß gegen § 27 Abs. 4 WEG

12.61 Auch für die Begründung von Sondernutzungsrechten gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Schranken der Privatautonomie (insbesondere §§ 134, 138, 242 BGB), die in der Praxis aber allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Mit Blick auf § 134 BGB fragt es sich jedoch, ob eine Regelung, durch die dem Inhaber des Sondernutzungsrechts vollständig die Instandsetzung und Instandhaltung der vom Sondernutzungsrecht erfassten Teile des gemeinschaftlichen Eigentums übertragen wird, gegen § 27 WEG verstößt. Aus der Tatsache, dass die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche weiterhin zum gemeinschaftlichen Eigentum zählt, folgt grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, der dem Verwalter die Pflicht auferlegt, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Die wegen des zwingenden Charakters der gesetzlichen Vorschrift (§ 27 Abs. 4 WEG) bedeutsame Frage ist, soweit ersichtlich, noch nicht gerichtlich entschieden.

12.62 Man könnte erwägen, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG in seinem Anwendungsbereich auf gemeinschaftlich genutztes Gemeinschaftseigentum zu reduzieren. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts – jedenfalls nach der schuldrechtlichen Ansicht und der herrschenden Auffassung vom obligatorischen Eigentumsinhalt (s.o. Rz. 12.39 f.) – grundsätzlich keine Wirkung gegenüber Nichtwohnungseigentümern entfaltet. Danach besteht zumindest die Verkehrssicherungspflicht als Kontroll- und Aufsichtspflicht fort.110 Demgemäß haben die übrigen Eigentümer auch dann ein Interesse an der Kontrolle des Instandsetzungs- und Instandhaltungsbedarfs, wenn die Unterhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (im Innenverhältnis) dem Sondernutzungsberechtigten übertragen worden ist. Folglich sprechen die besseren Gründe dafür, den Verwalter auch hinsichtlich solcher Bestandteile des gemeinschaftlichen Eigentums, an denen ein Sondernutzungsrecht besteht, gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG für verpflichtet zu halten, den Instandsetzungsbedarf zu ermitteln und den Eigentümern hierüber zu berichten, um ggf. eine Entscheidung der Gemeinschaft über die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Berechtigten herbeizuführen. Denn mit der Begründung von Sondernutzungsrechten ist eine vollständige Übertragung der Verwaltungskompetenz für den betreffenden Teil des Gemeinschaftseigentums nicht verbunden.111 Den übrigen Wohnungseigentümern und dem Verwalter steht weiterhin beispielsweise auch das Notverwaltungsrecht (§§ 21 Abs. 2 und 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG) zu.

12.63 Im Zweifel wird man aus diesem Grunde eine Sondernutzungsregelung, durch die dem Berechtigten die Verpflichtung zur Instandsetzung und Instandhaltung auferlegt wird, im 109 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.1999 – 3 Wx 14/99, ZMR 1999, 500 = MittBayNot 2000, 110 m. Anm. Häublein, S. 112 ff. 110 Hierzu etwa Ott, Das SNR, S. 126 f. (näher unter Rz. 12.119). 111 Ott, Das SNR, S. 123.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.66 Teil 12

Lichte des § 27 WEG auszulegen haben.112 Auch in diesem Fall verbleibt also dem Verwalter das Recht und die Pflicht, die Instandsetzung und Instandhaltung zu kontrollieren und etwaige Maßnahmen zu überwachen. Dem kann kautelarjuristisch durch einen entsprechenden Hinweis auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG Rechnung getragen werden, verbunden mit einer Duldungspflicht betreffend eine Inaugenscheinnahme durch den Verwalter (s.u. Rz. 12.127). bb) Umgehung von § 5 Abs. 2 WEG Bislang wenig behandelt ist die Frage, welche Auswirkungen die Vorschriften über die (fehlende) Sondereigentumsfähigkeit (§§ 3, 5 WEG) auf die Wirksamkeit von Sondernutzungsvereinbarungen haben. Die Rechtsprechung113 geht davon aus, dass Sondernutzungsrechte selbst an den Gegenständen bestellt werden können, die durch § 5 Abs. 2 WEG dem Sondereigentum Einzelner entzogen sind. Da § 5 Abs. 2 WEG bestimmte Einrichtungen und Anlagen vom Eigentum Einzelner deswegen ausschließt, weil sämtliche Eigentümer auf deren Gebrauch angewiesen sind, könnte man erwägen, dass auch eine Sondernutzungsvereinbarung als Umgehungstatbestand analog § 5 Abs. 2 WEG unwirksam ist, weil wirtschaftlich das gleiche Ergebnis (nämlich Abhängigkeit aller von Einzelnen) erreicht wird.114 Dagegen spricht jedoch, dass der Gegenstand des Sondernutzungsrechts gemeinschaftliches Eigentum bleibt und der Berechtigte damit nicht nur den Schranken des § 14 Nr. 1 WEG unterliegt. Dieser muss es trotz der Einräumung eines Sondernutzungsrechts dulden, dass die übrigen Wohnungseigentümer zum gemeinschaftlichen Gebrauch zwingend erforderliche Anlagen und Einrichtungen mitgebrauchen (z.B. Treppenhaus etc.). Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass eine Sondernutzungsvereinbarung faktisch – jedenfalls solange es nur eine entsprechende Anlage gibt – leer läuft (z.B. Sondernutzungsrecht an Heizungsanlage).

12.64

2. Begründung durch den aufteilenden Eigentümer a) Begründung bei Aufteilung Überwiegend werden Sondernutzungsrechte bereits durch den/die aufteilenden Eigentümer begründet. Derartige Regelungen in der Teilungserklärung (§ 8 WEG) bzw. dem Teilungsvertrag (§ 3 WEG) binden durch Eintragung in das Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums (gem. §§ 5 Abs. 4, 8 Abs. 2 WEG) sämtliche Erwerber (§ 10 Abs. 2 WEG).

12.65

Hinsichtlich der Mitwirkung dinglich Berechtigter gem. §§ 876 f. BGB ist zu differenzieren: 12.66 Besteht die Belastung am ganzen Grundstück (z.B. Ankaufsfinanzierung des Bauträgers ist durch Grundschuld abgesichert), so setzt diese sich nach dem Vollzug der Teilung an sämtlichen Wohnungseigentumsrechten fort.115 Da dem Gläubiger das Haftungsobjekt insgesamt erhalten bleibt, bedarf auch die Begründung von Sondernutzungsrechten nicht seiner Zustimmung.116 Besteht das dingliche Recht hingegen nur an einzelnen Miteigentumsanteilen (Fall der Teilung gem. § 3 WEG), so ist nach h.M. die Zustimmung gem. §§ 876 f. BGB erfor-

112 Dogmatisch spricht hierfür die sog. gesetzeskonforme Auslegung; zu dieser vgl. Hager, Gesetzesund sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983. 113 BGH, Beschl. v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, NJW 1991, 2909, 2910 = MDR 1992, 50. 114 Zum Problem Bornemann, Erwerb, S. 23; Häublein, Begründung, S. 108 ff. 115 Rapp in Staudinger, § 3 Rz. 23. 116 Kreuzer in Staudinger, § 15 WEG Rz. 36 i.V.m. § 10 WEG Rz. 45; s. auch BayObLG, Beschl. v. 22.6.1978 – BReg 2 Z 31/77, DNotZ 1978, 626, 627: zum Wohnungserbbaurecht.

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Teil 12 Rz. 12.66

Sondernutzungsrechte

derlich.117 Auch von den Vertretern der schuldrechtlichen Theorie wird zum Teil die Zustimmung dinglich berechtigter Dritter verlangt.

12.67 Da ein Miteigentumsanteil nur mit Grundpfandrechten, Reallasten, Wohnungs- oder Nießbrauchsrechten (nicht aber mit Grund- oder sonstigen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten) belastet werden kann, kommt von vornherein eine rechtliche Beeinträchtigung nur der Inhaber dieser Rechte in Betracht.118 Nach § 5 Abs. 4 S. 3 WEG bedarf es einer Zustimmung trotz rechtlicher Beeinträchtigung119 ausnahmsweise nicht, wenn gleichzeitig das belastete Wohnungseigentum mit einem Sondernutzungsrecht verbunden wird. Mit der im Zuge der WEG-Reform eingeführten Vorschrift verband der Gesetzgeber die Vorstellung, dass die Begründung eines Sondernutzungsrechts zu Gunsten eines anderen Wohnungseigentums zwar zu einer Schmälerung des Haftungsobjektes des Grundpfandrechts führt, dies aber durch die Zuordnung eines Sondernutzungsrechts auch zum belasteten Wohnungseigentum wirtschaftlich kompensiert wird. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4 S. 3 WEG wird man verlangen müssen, dass die Sondernutzungsobjekte zumindest annähernd gleichartig und gleichwertig sind.120 Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn Wohnungseigentumsrechten Kfz-Stellplätze teilweise im Freien und teilweise in der Tiefgarage zugewiesen werden, wohl aber, wenn alle Wohnungseigentümer nahezu gleichgroße Kfz-Stellplätze im Freien erhalten.121 Entgegen einer verbreiteten Auffassung122 bedarf es der Zustimmung eines Auflassungsvormerkungsberechtigten nicht, weil dieser wegen §§ 888, 883 BGB umfassend geschützt ist, d.h. auch vor einer nachträglichen Begründung von Sondernutzungsrechten als Inhalt des Sondereigentums. Die damit verbundene nachteilige Verfügung ist diesem gegenüber relativ unwirksam.123

12.68 Sind bereits einzelne Wohnungen verkauft, so endet nach Ansicht der Rechtsprechung das Recht des aufteilenden Eigentümers zur Änderung der Gemeinschaftsordnung – und damit, vorbehaltlich einer abweichenden Regelung (hierzu s. Rz. 12.70 ff.), auch das Recht zur Begründung von Sondernutzungsrechten –, sobald zugunsten des ersten Erwerbers eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist.124 Die weiteren Voraussetzungen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft (wirksamer Erwerbsvertrag, Besitzwechsel zugunsten des Erwerbers)125 können vom Grundbuchamt regelmäßig nicht überprüft werden.

117 Rapp in Staudinger, § 3 Rz. 24; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.12.1986 – 20 W 410/86, OLGZ 1987, 266, 268 m.w.N. 118 Eingehend Ott, Das SNR, S. 66 ff. 119 Siehe dazu BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, DNotZ 1984, 695, 697. 120 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2009 – I-3 Wx 225/09, IMR 2010, 287; Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.5.2010 – 5 W 94/10 – 37 u.a., ZWE 2011, 82, 84. 121 Ott in Deckert, Gr. 3 Rz. 295. 122 BayObLG, Beschl. v. 4.4.1985 – BReg 2 Z 50/80, DNotZ 1986, 87 (88); BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – BReg 2 Z 47/89, DNotZ 1990, 381, 383; BayObLG, Rpfleger 1999, 123; OLG Frankfurt, WE 1998, 232, 233; Röll, Rpfleger 1980, 90, 93; Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 587; Böhringer, ZIR 1997, 68, 70; Schneider, Rpfleger 1998, 53, 55. 123 Ott, Das SNR, S. 79 f.; Häublein, Begründung, S. 127 f.; Dötsch in Timme, Beck OK, § 15 WEG Rz. 249. 124 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 15.10.1998 – 2Z BR 42/98, ZMR 1999, 115 = ZfIR 1999, 40. 125 BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – 5 ZB 85/07, ZfIR 2008, 866, 868: Anlegen der Wohnungsgrundbücher nicht erforderlich; ausführlich und krit. hierzu Häublein in Hager (Hrsg.), Wohnungseigentümer und ihre Gemeinschaft (2012), S. 37.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.72 Teil 12

Ob und in welchem Umfang tatsächlich ein Sondernutzungsrecht begründet worden ist, hat der mit der Prüfung beauftragte Rechtsanwalt unbedingt durch Einblick in die beim Grundbuch befindliche Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung (einschließlich der Nachträge hierzu!) festzustellen; denn es kommt immer wieder vor, dass der aufteilende Eigentümer einzelnen Erwerbern Sondernutzungsrechte in den Erwerbsverträgen „einräumt“, ohne dass diese in der Teilungserklärung verankert worden sind oder Gegenstand der Eintragungsbewilligung waren. Derartige Regelungen haben dann lediglich schuldrechtlichen Charakter, so dass ihre Wirksamkeit den übrigen Eigentümern gegenüber nur durch eine nachträgliche Vereinbarung herbeigeführt werden kann.126 Der Anwalt tut daher gut daran, die Worte seines Mandanten, ihm stehe ein Sondernutzungsrecht zu, zu verifizieren.

12.69

b) Nachträgliche Begründung aufgrund von Gestaltungsregelungen Die einseitige Begründung von Sondernutzungsrechten durch den aufteilenden Eigentümer ist durch das Vorgesagte gleichwohl nicht vollkommen ausgeschlossen. Es gibt verschiedene Gestaltungsvarianten in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung, die eine nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten durch einseitige Erklärung des aufteilenden Eigentümers ermöglichen.127

12.70

Nachträgliche Begründungsmöglichkeiten sind ein wichtiges Gestaltungsinstrument für den teilenden Eigentümer. Bei der Begründung von Wohnungseigentum stehen die Erwerber der einzelnen Wohnungseigentumsrechte und deren Wünsche oft nicht fest. Der aufteilende Eigentümer weiß bei knappen Ressourcen (z.B. besonders großen Kellerräumen, Kfz-Stellplätzen, ungenutzten Dachflächen) noch nicht, welcher Erwerber überhaupt ein Sondernutzungsrecht erwerben will und auch bereit ist, zusätzlich zum Kaufpreis für die Wohnung den Mehrpreis für die Sondernutzungsfläche aufzubringen. Der aufteilende Eigentümer muss hierauf flexibel reagieren können. Sondernutzungsrechte können deshalb noch nicht sogleich einem konkreten Sondereigentum zugeordnet werden.

12.71

In der Praxis werden im Wesentlichen fünf Wege beschritten, um dieses Problem zu lösen.128 Diese sind allesamt darauf gerichtet, neben der Zustimmung der übrigen Eigentümer auch solche Dritter gem. §§ 876 f. BGB überflüssig zu machen und eine kostengünstige Begründungsart zu wählen.129 Letzteres gelingt bei den Varianten (1) und (2) in dem Maße, in dem auch bei der Veräußerung die Zustimmung entbehrlich ist (s. Rz. 12.158). Bei Variante (3) ist die Zustimmung des dinglich berechtigten Dritten gem. §§ 876 f. BGB dann entbehrlich, wenn der Gläubiger die Einschränkung seines Rechts von vornherein erkennen konnte.130 Die Variante (4) macht zumindest die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer entbehrlich. Bei Variante (5) ist die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und der dinglich Berechtigten nicht erforderlich.

12.72

126 KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 6730/97, NZM 1999, 568; Kreuzer in Staudinger, § 15 WEG Rz. 37. 127 Bornemann, Erwerb, S. 168 ff.; Ott, Das SNR, S. 52 ff.; Häublein, Rechtliche Probleme, S. 27,41 ff. 128 KG, Beschl. v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, ZMR 2007, 384; Siehe auch Ott, NZM 2017, 1, 2 ff.; Becker/Ott/Suilmann, Rz. 292; Ott, Das SNR, S. 52 ff.; Francastel, RNotZ 2015, 385, 405 ff. 129 Siehe dazu Böhringer, BWNotZ 2016, 75, 78 ff.; Ott, NZM 2017, 1, 3 ff. 130 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.5.2001 – 3 Wx 101 + 123/01, ZWE 2001, 443 = WuM 2001, 617, 618.

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Teil 12 Rz. 12.73

Sondernutzungsrechte

12.73 (1) Bereits bei Beurkundung der Teilungserklärung kann der aufteilende Eigentümer sämtliche Sondernutzungsrechte einem Wohnungseigentum zuweisen.131 Sinnvollerweise ist eine Einheit zu wählen, die möglichst lange im Eigentum des aufteilenden Eigentümers verbleiben soll.132 Derart „geparkte“ Sondernutzungsrechte lassen sich auf Erwerber anderer Einheiten übertragen, ohne dass es hierzu der Mitwirkung anderer Eigentümer bedarf (zur Übertragung von Sondernutzungsrechten s.u. Rz. 12.148 ff.). Diese Lösung hat folgende Nachteile: – Der aufteilende Eigentümer muss wissen, welche Sondereigentumseinheit er erst gegen Ende veräußern wird oder behalten will. – Findet sich wider Erwarten für das Wohnungseigentum vorzeitig ein Erwerber, muss der Eigentümer sämtliche Sondernutzungsrechte auf eine andere Einheit übertragen, was Kosten verursacht. Der Veräußerer bzw. der betreuende Notar muss sicherstellen, dass bei der Veräußerung der „Parkeinheit“ nicht übersehen wird, dass zu dieser die Sondernutzungsrechte gehören. – Das „Parken“ von Sondernutzungsrechten belastet die Grundbuchämter, da bei jeder Veräußerung ein entsprechender Vermerk bei der abgebenden und der übernehmenden Sondereigentumseinheit vorzunehmen ist. Dies macht die Grundbücher auf Dauer unübersichtlich.133 Fazit: Von dieser Variante sollte nur in kleinen Anlagen mit geringer Zahl von per se genau feststehenden Sondernutzungsrechten Gebrauch gemacht werden.

12.74 (2) Sind Eigentümer (z.B. durch Regelung in der Teilungserklärung) von der Nutzung einer bestimmten Gemeinschaftsfläche ausgeschlossen, geht der BGH davon aus, dass eine (positive) Benutzungsregelung über diese Fläche für sie keinen Nachteil birgt.134 Als Folge dieser Rechtsprechung sind aufteilende Eigentümer dazu übergegangen, alle Erwerber von Wohnungseigentum durch entsprechende Regelungen in der zur Teilungserklärung gehörenden Gemeinschaftsordnung von Anfang an vom Gebrauch bestimmter Teile des gemeinschaftlichen Eigentums auszuschließen, verbunden mit dem Recht, einzelnen Erwerbern an diesen die ausschließliche Nutzungsbefugnis einzuräumen.

12.75 M 14 Allgemeiner Nutzungsauschluss im Teilungsplan Von der Nutzung der auf dem Grundstück befindlichen Kfz-Stellplätze (in dem als Anlage … beigefügten Lageplan mit „S1 bis S20“ bezeichnet) sind sämtliche Eigentümer, mit Ausnahme des aufteilenden Eigentümers, ausgeschlossen. Der aufteilende Eigentümer ist befugt, das alleinige Nutzungsrecht (Sondernutzungsrecht) an einzelnen oder sämtlichen Stellplätzen durch einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt bestimmten Sondereigentumseinheiten zuzuweisen und so zum Inhalt des Sondereigentums zu machen.

131 BGH, Urt. v. 22.4.2010 – VII ZB 15/09, ZWE 2010, 333 m. Anm. Ott; OLG München, Urt. v. 27.4.2011 – 34 Wx 149/10, ZWE 2011, 264, 265; Schneider, Rpfleger 1998, 53, 60. 132 Rapp, Beck’sches Notarhandbuch, A III Rz. 59 ff. 133 F. Schmidt, DNotZ 1984, 698, 699; Hörer, Rpfleger 1985, 108, 109; Bornemann, Erwerb, S. 169. 134 Vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 149 = MDR 1979, 299.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.79 Teil 12

Bei dieser Gestaltungsvariante bleibt nur der aufteilende Eigentümer zur Nutzung des betroffenen gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt, freilich ohne dass dieses Recht (zunächst) einer bestimmten Wohnung zugeordnet wird.135 Diese Zuordnung vorzunehmen, ist dann Sache des aufteilenden Eigentümers.136 Durch die Regelung werden alle künftigen Wohnungseigentümer vom Mitnutzungsrecht nach § 13 Abs. 2 WEG ausgeschlossen, das so allein bei dem teilenden Eigentümer liegt.

12.76

Diese Gestaltung hat die Zustimmung der Rechtsprechung erfahren.137 Die Zulässigkeit wurde unter Hinweis darauf bejaht, das Sondernutzungsrecht bestehe aus zwei Komponenten: die positive sei die Zuweisung der Nutzungsbefugnis an einen bestimmten Berechtigten und die negative der Entzug der Nutzungsbefugnis der übrigen Eigentümer. Sofern die negative Komponente bereits von Anfang an in der Gemeinschaftsordnung begründet worden sei, könne die positive Komponente später ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer und der dinglichen Gläubiger dieser Einheiten durch den Berechtigten begründet werden.138 Voraussetzung für einen wirksamen Begründungsvorbehalt ist aber nach zutreffender Ansicht nicht, dass der Nutzungsausschluss express verbis geregelt worden ist. Es genügt, dass für künftige Eigentümer erkennbar ist, dass sie vom Gebrauch ausgeschlossen sein sollen.

12.77

In der Konsequenz dieser Variante liegt es, dass das alleinige Nutzungsrecht des aufteilenden Eigentümers endet, sofern er das Eigentum an der letzten Wohnung verloren hat.139 Das Recht zur Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums muss nämlich zumindest einem Wohnungseigentümer zustehen.140 Demgemäß steht der Ausschluss der anderen zukünftigen Wohnungseigentümer unter der auflösenden Bedingung, dass der teilende Eigentümer bis zur Veräußerung des letzten Wohnungseigentums eine Zuordnung nicht trifft. Mit Bedingungseintritt endet dann der Nutzungsausschluss und es gilt § 13 Abs. 2 WEG, d.h., alle Wohnungseigentümer sind zur Mitnutzung befugt.141 Der aufteilende Eigentümer hat also die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung der Sondernutzungsflächen nur bis zu seinem Ausscheiden aus der Eigentümergemeinschaft. Die Befugnis des teilenden Eigentümers reicht dabei nur so weit, wie der Zuweisungsvorbehalt, der als Grundbucherklärung aus der Perspektive eines unbefangenen Betrachters auszulegen ist.142

12.78

Bei dieser Variante ist ferner zu bedenken, dass nach verbreiteter Ansicht143 im Falle einer Zu- 12.79 weisung des Sondernutzungsrechts an den Erwerber die Zustimmung der grundbuchlich ge-

135 Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913. 136 Vgl. Rapp, Beck’sches Notarhandbuch, A III Rz. 60; Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 66. 137 BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff.; BayObLG, Beschl. v. 4.4.1985 – BReg 2 Z 50/84, MittBayNot 1985, 74, 76; BayObLG, Beschl. v. 18.7.2001 – 2Z BR 25/01, ZWE 2002, 78, 81; siehe auch Elzer, NZM 2016, 529, 536. 138 Vgl. auch BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff. m. Anm. Häublein, MittBayNot 2012, 382; Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913; Rapp, Beck’sches Notarhandbuch, A III Rz. 61. 139 BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff.; Bornemann, Erwerb, S. 170 f.; Ott, Das SNR, S. 57; Rapp, Beck’sches Notarhandbuch, A III Rz. 60; Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913. 140 BayObLG, BayObLGZ 1974, 294, 299. 141 Ott, Das SNR, S. 56 f.; im Ergebnis ebenso Ertl in FS Bärmann/Weitnauer, S. 251, 266. 142 Sehr großzügig insoweit BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NZM 2012, 157 ff. mit Anm. Häublein, MittBayNot 2012, 382. 143 OLG Köln, Beschl. v. 27.4.2001 – 2 Wx 62/00, Rpfleger 2001, 535, mit zust. Anm. Schneider; vgl. auch Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913 in Fn. 172.

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Sondernutzungsrechte

sicherten Finanzierungsgläubiger des aufteilenden Eigentümers gem. §§ 876 f. BGB erforderlich ist; denn bis zur Zuweisung war der aufteilende Eigentümer zum Gebrauch mithin zur Sondernutzung berechtigt.144 Mit der Einräumung des Rechts an einen Erwerber erlischt diese Nutzungsbefugnis, weshalb die Zustimmung der dinglich an den Einheiten des aufteilenden Eigentümers Berechtigten erforderlich sein soll.145 Praktisch betrifft dies vor allem die den Ankauf des Grundstücks und ggf. die Baumaßnahmen finanzierende Bank des aufteilenden Eigentümers (Bauträgers). Soll auf diese Variante zurückgegriffen werden, empfiehlt es sich, die Zustimmungserklärung (in der Praxis sind dies zumeist nur ein bis zwei Banken, deren Globalgrundschulden an allen Wohnungen eingetragen werden) vorab einzuholen.

12.80 (3) In Rechtsprechung146 und Literatur147 wird infolge der Unzulänglichkeiten der anderen Varianten zunehmend der aufschiebend auf die Zuweisung eines Sondernutzungsrechts bedingte Ausschluss von der Mitnutzung bestimmter Teile des gemeinschaftlichen Eigentums favorisiert. Nach Ansicht des BayObLG ist auch in einem derartigen Fall weder die Mitwirkung der übrigen Eigentümer noch die von Drittgläubigern zur Begründung eines Sondernutzungsrechts erforderlich.148 Für die Eintragung muss nach Auffassung des OLG Zweibrücken nicht bestimmt werden, dass die Bedingung dem Grundbuchamt in der Form des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO nachzuweisen ist und nachgewiesen werden kann.149 Nach Ansicht des OLG München ist demgegenüber die Bewilligung aller Wohnungseigentümer erforderlich, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Zuweisung bereits erfolgt ist und im Anschluss eine Abtretung des (schuldrechtlichen) Sondernutzungsrechtes stattgefunden hat.150 In der notariellen Praxis sollte vor diesem Hintergrund die Eintragung der positiven Komponente im Grundbuch unverzüglich betrieben werden. Im Unterschied zu der unter (2) wiedergegebenen Variante steht den übrigen Miteigentümern hier ein Mitnutzungsrecht zu, bis der Berechtigte eine Zuweisung vornimmt. Wie dort (vgl. Rz. 12.77), genügt es auch hier, dass der Nutzungsausschluss erkennbar aus dem Vorbehalt hervorgeht.151

144 S. hierzu Häublein, MittBayNot 2012, 382, 383 m.w.N. 145 Kritisch Häublein, Begründung, S. 151 ff. 146 BGH, Urt. v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, MDR 2012, 702; BayObLG, Beschl. v. 8.11.1985 – BReg 2 Z 119–122/84, DNotZ 1986, 479 (484); OLG Düsseldorf, Rpfleger 1986, 132 ff.; OLG Hamm, NJWE-MietR 1997, 281, 282. 147 Ertl, DNotZ 1986, 485; Raststätter, BWNotZ 1988, 134, 138; Bornemann, Erwerb, S. 171 ff. m.w.N.; Ott, Das SNR, S. 56 m.w.N.; Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913a; Schneider, Rpfleger 2001, 536. 148 BayObLG, Beschl. v. 8.11.1985 – BReg 2 Z 119–122/84, BayObLGZ 1985, 378 = DNotZ 1986, 479. 149 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.2.2008 – 3 W 3/08, NZM 2009, 323 (Ls.). 150 OLG München, Beschl. v. 22.12.2017 – 34 Wx 139/17, ZWE 2018, 164, 166 m. Anm. Hogenschurz. 151 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.5.2001 – 3 Wx 101 + 123/01, ZWE 2001, 443 = WuM 2001, 617, 618; Häublein, Begründung, S. 285 ff.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.84 Teil 12

M 15 Aufschiebend bedingter Nutzungsausschluss

12.81

Der aufteilende Eigentümer ist berechtigt, das alleinige Nutzungsrecht (Sondernutzungsrecht) an einzelnen oder sämtlichen in der Anlage … (Lageplan SNR)152 mit „S1 bis S 20“ bezeichneten KfzStellplätzen durch einseitige, gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO abzugebende Erklärung bestimmten Sondereigentumseinheiten zuzuweisen und damit Sondernutzungsrechte gem. Abschnitt XY153 dieser Urkunde zu begründen. Unter der aufschiebenden Bedingung der Abgabe einer solchen Zuweisungserklärung sind die übrigen Eigentümer von der Nutzung des jeweils zugewiesenen Stellplatzes ausgeschlossen.154

Obwohl das Sondernutzungsrecht bei dieser Variante erst mit der Zuweisung entsteht, ist der 12.82 Inhalt des Rechts doch regelmäßig bereits in der Gemeinschaftsordnung fixiert.155 Auf den Inhalt des Rechts kann der aufteilende Eigentümer später nur dann noch regelnd einwirken, wenn er sich dieses Recht ebenfalls vorbehalten hat,156 was insbesondere im Hinblick auf die Vornahme baulicher Veränderungen sinnvoll sein kann, da diese nicht selten von den Erwerbern gewünscht werden. Hierauf ist bei der Beratung hinzuweisen. Das Zuweisungsrecht kann auch einem Dritten (z.B. dem Verwalter) eingeräumt werden.157 Ein Vorteil dieser Methode im Vergleich zu Rz. 12.74 ff. wird bisweilen darin gesehen, dass die Zuweisung nicht mit der Eigentümerstellung verbunden sein muss, d.h. etwa durch den teilenden Eigentümer auch nach dessen Ausscheiden aus der Gemeinschaft möglich ist,158 und auch durch einen Dritten erfolgen kann.159 Dieser Dritte ist dann befugt, den Inhalt des Gemeinschaftsverhältnisses im Hinblick auf die Zuordnung der Sondernutzungsrechte auszugestalten. Auf einem anderen Blatt steht es, dass es Unfrieden in die Gemeinschaft bringen kann, wenn ein Dritter auf deren Geschicke von außen einwirkt. Dem kann durch eine Befristung oder eine auflösende Bedingung der Zuweisungsbefugnis entgegengewirkt werden.

12.83

Hat der aufteilende Eigentümer in Bezug auf eine konkrete Sondernutzungsfläche (z.B. einen Kfz-Stellplatz) einmal von seinem Zuweisungsrecht Gebrauch gemacht, endet dieses regelmäßig, weil dies aus der Perspektive eines unbefangenen Betrachters Inhalt der Regelung ist. Das Erlöschen des Zuweisungsrechts mit der ersten Zuweisung durch den aufteilenden Eigentümer kann ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung festgehalten werden (z.B. „Das Zuwei-

12.84

152 Nach KG, Beschl. v. 5.6.1996 – 24 W 2592/95, FGPrax 1996, 178, 179 ist eine derartige Regelung auch ohne Bezugnahme auf einen Lageplan hinreichend bestimmt, wenn sie sich auf sämtliche auf dem Grundstück befindlichen Stellplätze bezieht. Wegen der Veränderbarkeit von Markierungen etc. sollte im Sinne auch zukünftiger Klarheit stets auf einen Plan Bezug genommen werden. 153 Es empfiehlt sich, die Rechte und Pflichten der Sondernutzungsberechtigten gesondert zu regeln und nicht mit dem (temporären) Begründungsvorbehalt zu vermengen. 154 Vgl. auch die Formulierung von Kreuzer in FS Merle (2000), S. 203, 212. 155 Vorschläge bei Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2839; Kreuzer in FS Merle (2000), S. 203, 211 f. 156 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NJW 2012, 676 (Rz. 12); zur Inhalts- und Ausübungskontrolle eines solchen Vorbehalts s. Rz. 14 ff. der zit. Entscheidung des BGH. 157 OLG Frankfurt, ZWE 2017, 87. 158 LG München II, Beschl. v. 11.3.2004 – 6 T 4956/03, MittBayNot 2004, 366 f. 159 Vgl. OLG Frankfurt/M. v. 18.8.1997 – 20 W 71/96, MDR 1997, 1017 = ZMR 1997, 660 = DNotZ 1998, 392; Bornemann, Erwerb, S. 173; Ertl, DNotZ 1986, 485; offenlassend Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2913 a.E.; a.A. F. Schmidt, MittBayNot 1985, 78.

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Teil 12 Rz. 12.84

Sondernutzungsrechte

sungsrecht endet – für jeden Stellplatz individuell gesehen – mit der ersten Zuweisung“),160 ergibt sich aber in aller Regel auch durch Auslegung, weil diese auf die Begründung zielt, also dort nicht mehr Platz greift, wo eine Begründung bereits erfolgt ist.

12.85 Auch diese Gestaltung aber kann Nachteile haben: Wird ein Objekt in Wohnungseigentum aufgeteilt, bei dem Teile des gemeinschaftlichen Eigentums (Kfz-Stellplätze etwa) vermietet sind, würden Erlöse aus der Vermietung bis zum Zeitpunkt der Begründung von Sondernutzungsrechten an den vermieteten Gegenständen im Zweifel allen Wohnungseigentümern zustehen. In solchen Fällen kann es sich empfehlen, auf die oben (Rz. 12.73 ff.) dargestellten Varianten zurückzugreifen oder aber eine entsprechende Regelung in die Gemeinschaftsordnung aufzunehmen, die den aufteilenden Eigentümer abweichend von § 16 Abs. 1 WEG zur alleinigen Ziehung der (Rechts-)Früchte in Bezug auf die vermieteten Gegenstände befugt.

12.86 Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass die Grundbuchämter die Entstehung der Sondernutzungsrechte durch Zuweisung regelmäßig lediglich an der begünstigten Wohnung eintragen und ein Antrag auf Eintragung in sämtlichen Wohnungsgrundbüchern in der Regel ohne Erfolg bleibt, weil der aufschiebend bedingte Nutzungsausschluss (allerdings regelmäßig nur vermittelt durch Bezugnahme auf die verlautbarte Eintragungsbewilligung) bereits Grundbuchinhalt ist. Unbefriedigend an dieser Praxis ist, dass gerade zukünftige Eigentümer der übrigen Wohnungen ein Informationsinteresse im Hinblick auf den Ausschluss vom Mitgebrauch haben.161 Hier könnte das vor der WEG-Novelle diskutierte Zentralgrundbuch162 für eine adäquate und übersichtliche Lösung sorgen. In der Beratungspraxis sollte ein Erwerber jedenfalls darauf hingewiesen werden, dass Klarheit über die Begründung von Sondernutzungsrechten nur durch Einsichtnahme in alle Wohnungsgrundbücher erzielt werden kann.

12.86a (4) Schließlich wird die Begründung von Sondernutzungsrechten über Vollmachtsregelungen in Erwerbsverträgen realisiert, wonach der teilende Eigentümer befugt ist, die Gemeinschaftsordnung nachträglich zu ändern und Sondernutzungsrechte zu begründen.163

12.86b M 16 Vollmacht zur Zuweisung von Sondernutzungsrechten durch Verkäufer Der Käufer erteilt dem Verkäufer Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung dahingehend, Sondernutzungsrechte an einzelnen oder sämtlichen in der Anlage … (Lageplan SNR) mit „S1 bis S20“ bezeichneten Kfz-Stellplätzen durch einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt zu begründen und bestimmten Wohnungseigentumsrechten zuzuweisen …

160 Kreuzer in FS Merle (2000), 203, 212. 161 Nach OLG Hamm, Beschl. v. 9.9.1999 – 15 W 157/99, ZMR 2000, 123, ist die Eintragung der positiven Komponente (Zuweisung) Voraussetzung für die Wirkung des § 10 Abs. 3 WEG. Die Eintragung des Begründungsvorbehalts genüge nicht, weil Sondernachfolger die Entstehung des Sondernutzungsrechts nicht erkennen können. Dies spricht, entgegen dem BayObLG, Beschl. v. 8.11.1985 – BReg 2 Z 119–122/84, BayObLGZ 1985, 378, und Ertl, DNotZ 1986, 485, 486, für eine Eintragung in sämtlichen Wohnungsgrundbüchern. Das OLG Hamm (Beschl. v. 9.9.1999 – 15 W 157/99) lässt gleichwohl eine Eintragung beim begünstigten Wohnungseigentum genügen. 162 v. Oefele, WE 2002, 196; Schneider, Rpfleger 2002, 70. 163 BGH, Beschl. v. 17.6.2005 – V ZR 328/03, NZM 2005, 753 ff.; OLG München, Beschl. v. 31.7.2007 – 34 Wx 59/07, DNotZ 2008, 289.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.87 Teil 12

Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist unbedingt darauf zu achten, dass sämtliche Erwerbsverträge eine entsprechende Regelung enthalten und diese auch bei der nachträglichen Bestellung von beschränkten dinglichen Rechten zur Vermeidung eines Zustimmungserfordernisses berücksichtigt wird. Der potentielle Gegenstand von Sondernutzungsrechten muss zudem in der Vollmacht klar und eindeutig bestimmt bezeichnet sein. Die Vollmachtlösung hat verschiedene Nachteile: Sondernutzungsrechte können ohne Zustimmung des Zweiterwerbers nur begründet werden, wenn dieser dem aufteilenden Eigentümer seinerseits eine Vollmacht erteilt. Eine (durch Vertragsstrafe abgesicherte) vertragliche Verpflichtung des Ersterwerbers zur Aufnahme einer Vollmachtklausel zugunsten des teilenden Eigentümers in den Vertrag mit dem Zweiterwerber bietet keine Sicherheit. Außerdem unterliegen derartige Regelungen i.d.R. dem AGB-Recht und damit vor allem der strengen Inhaltskontrolle des § 307 BGB.164 Die Vollmachtserteilung in Erwerbsverträgen hat den Nachteil, dass Sondernachfolger nicht gebunden werden können, ebenso wenig wie spätere dinglich berechtigte Dritte. Weitergabeverpflichtungen mit Vertragsstrafen(-Versprechen) bieten keine Sicherheit, weshalb von der Vollmachtlösung Abstand genommen werden sollte.

12.86c

(5) Überdies ist die Begründung von Sondernutzungsrechten auch in der Weise möglich, dass dem teilenden Eigentümer oder einem Dritten in der Gemeinschaftsordnung ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB mit Bindungswirkung gegenüber Sondernachfolgern eingeräumt wird.165

12.86d

M 17 Zuweisung von SNR durch Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB

12.86e

Der aufteilende Eigentümer ist im Wege des Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB berechtigt, das alleinige Nutzungsrecht (Sondernutzungsrecht) an einzelnen oder sämtlichen in der Anlage … (Lageplan SNR) mit „S1 bis S 20“ bezeichneten Kfz-Stellplätzen durch einseitige, gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO abzugebende Erklärung zu begründen und bestimmten Wohnungseigentumsrechten zuzuweisen. …

Diese Begründungsmöglichkeit bietet den Vorteil, dass der teilende Eigentümer flexibel auf Erwerberwünsche reagieren kann und das Zuweisungsrecht auch nach Ausscheiden aus der Gemeinschaft fortbesteht.166

12.86f

3. Begründung durch Rechtsgeschäft der Wohnungseigentümer a) Vereinbarung der Wohnungseigentümer Der gesetzliche – nicht der praktische – Regelfall ist die Begründung von Sondernutzungsrechten durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. Ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung besteht nach der Rechtsprechung gemäß § 242 BGB nur in besonderen Ausnahmefällen.167 In großen Wohnanlagen wird es nur selten gelingen, den hierfür erforderlichen Konsens herbeizuführen. Allenfalls dann, wenn der Begünstigte bereit ist, für das Recht einen 164 Wie hier skeptisch hinsichtlich der Vollmachtlösung auch Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 60. 165 BGH, NZM 2005, 753; OLG München, DNotZ 2008, 289 = NJOZ 2007, 4895; Schmidt, DNotZ 1984, 698, 700; Weitnauer, JZ 1984, 1115, 1116; Weitnauer, JZ 1985, 927, 933; Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl. 2004, § 15 Rz. 28. 166 Ausführlich Ott, NZM 2017, 1, 3. 167 BGH, Urt. v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, ZWE 2017, 169 ff.

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12.87

Teil 12 Rz. 12.87

Sondernutzungsrechte

angemessenen Betrag in die Gemeinschaftskasse zu zahlen oder aber sämtliche Eigentümer gleichermaßen mit einem Sondernutzungsrecht bedacht werden können (z.B. Verteilung der zur Anlage gehörenden Stellplätze an alle Eigentümer (zu einer derartigen Beschlussfassung sogleich unter Rz. 12.92 ff.), dürfte ein derartiges Unterfangen Aussicht auf Erfolg haben. In solchen Verfahren wird oft ein Rechtsanwalt/Notar vom Verwalter mit der Vorbereitung der Urkunde beauftragt. Zunächst ist dann zu prüfen, ob der im Namen der Eigentümer handelnde Verwalter oder Wohnungseigentümer (z.B. der Verwaltungsbeirat) überhaupt bevollmächtigt ist, den Geschäftsbesorgungsvertrag zu schließen. Dem Verwalter ist zur Vermeidung einer eigenen Haftung für die Anwalts-/Notarkosten zu empfehlen, sich vorab einen ermächtigenden Beschluss der Eigentümer einzuholen. Allerdings kann dieser nur dahin gehen, den Verwalter zur Beauftragung eines Fachmanns zu ermächtigen. Keinesfalls dürfen die Eigentümer versuchen, die Änderung der Gemeinschaftsordnung selbst zum Beschlussgegenstand zu machen. Hierzu nämlich fehlt ihnen die Beschlusskompetenz. Formulierungsbeispiel für einen Beschluss:

12.88 Die Gemeinschaft bevollmächtigt den Verwalter, einen Rechtsanwalt und/oder Notar mit der Vorbereitung einer Änderungsurkunde zur Gemeinschaftsordnung über die Begründung von Sondernutzungsrechten an Kfz-Stellplätzen zu beauftragen. Die Kosten tragen die Eigentümer nach dem allgemein gültigen Kostenverteilungsschlüssel/alternativ: in Abweichung vom allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel nach Köpfen.

12.89 In aller Regel entspricht es dem Willen der Eigentümer, dass die Begründung von Sondernutzungsrechten im Grundbuch eingetragen wird, damit das Recht auch in der Zukunft Bestand hat. Die nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten bedarf der Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger solcher Wohnungseigentümer, deren bisher bestehendes Mitgebrauchsrecht aufgehoben wird.168 Eine Ausnahme besteht nach § 5 Abs. 4 S. 3 WEG nur für den Fall, dass dem belasteten Wohnungseigentum auch ein annähernd gleichartiges und gleichwertiges (s.o. Rz. 12.67) Sondernutzungsrecht zugeordnet wird.169 Hierauf sollten die Eigentümer hingewiesen werden, da dies nicht allgemein bekannt ist. Insbesondere im Fall einer entgeltlichen Begründung von Sondernutzungsrechten ist darauf zu achten, dass der Betrag erst dann an die Gemeinschaft fließt, wenn auch die Eintragung im Grundbuch sichergestellt ist. Nach überwiegender Ansicht ist der Anspruch auf Einräumung eines Sondernutzungsrechts vormerkungsfähig.170 Es gelten hier die gleichen Sicherungsmechanismen wie beim Grundstückskauf, so dass auch die Abwicklung über ein Anderkonto durchaus sinnvoll sein kann. Die Auszahlung an die Gemeinschaft darf erst erfolgen, wenn die Zustimmung aller Eigentümer und der gem. §§ 876 f. BGB Betroffenen vorliegt und die Eintragung sichergestellt ist. Auch ist zu prüfen, ob ein vorrangiger Antrag auf Eigentumsumschreibung (oder Eintragung einer Auflassungsvormerkung) an einer Wohnung beim Grundbuchamt vorliegt. Ist dies der Fall, wird gem. § 19 GBO auch die Bewilligung des Erwerbers in der Form des § 29 GBO gefordert. Fehler führen hier leicht zu einer Haftung.

12.90 Schon dies zeigt, dass die Bedeutung der §§ 876 f. BGB, 19 GBO für die Beratungspraxis nicht zu unterschätzen ist. Während die §§ 876 f. BGB die Wirksamkeit der Regelung betreffen, handelt es sich bei § 19 GBO um eine Verfahrensvorschrift, die das Grundbuchamt 168 BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = NJW 1984, 2409 = MDR 1984, 830; Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2912b. 169 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2009 – I-3 Wx 225/09; Saarländisches OLG, Urt. v. 10.5.2010 – 5 W 94/10-37, 5 W 95/10-38, 5 W 96/10-39, ZWE 2011, 82, 84. 170 BayObLG, Beschl. v. 13.3.1974 – BReg 2 Z 12/74, BayObLGZ 1974, 118 = MDR 1974, 669; Staudinger/Kreuzer, § 10 WEG Rz. 66.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.91 Teil 12

der Prüfung komplizierter materiell-rechtlicher Vorfragen entheben soll.171 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der im Sinne des § 876 S. 2 BGB in seinen Rechten beeinträchtigte Dritte auch gem. § 19 GBO betroffen ist.172 Hier gilt, dass derjenige die Eintragung bewilligen muss, dessen dingliche Rechtsstellung – nicht bloß wirtschaftlich, sondern rechtlich173 – durch die vorzunehmende Eintragung ungünstiger gestaltet wird oder zumindest ungünstiger gestaltet werden könnte.174 Hierzu zählen Grundpfandrechtsgläubiger der Einheit, der das Recht zugewiesen wird, nicht.175 Bei der Begründung eines Sondernutzungsrechts soll nach einer Entscheidung des BayObLG die Zustimmung solcher Gläubiger erforderlich sein, zu deren Gunsten eine Dienstbarkeit am Grundstück der Gemeinschaft besteht, sofern sich die Ausübungsbereiche der Dienstbarkeit und des Sondernutzungsrechts auf dieselbe Fläche erstrecken.176 Auf der Grundlage der herrschenden Theorie vom obligatorischen Eigentumsinhalt und der schuldrechtlichen Theorie ist dies nicht überzeugend, da sich eine Grunddienstbarkeit nach der Teilung gemäß § 8 WEG an allen Wohnungseigentumsrechten fortsetzt.177 Das Wohnungseigentum, welches durch die Begründung eines Sondernutzungsrechts begünstigt werden soll, ist mithin bereits mit der Grunddienstbarkeit belastet. Eine Beeinträchtigung des Dienstbarkeitsberechtigten ist damit ausgeschlossen.178 Eine solche kommt allenfalls nach der sachenrechtlichen Theorie in Betracht, weil die Begründung von Sondernutzungsrechten als Inhalt des Sondereigentums zu einer Übertragung sachenrechtlicher Befugnisse führt.179 b) Beschluss der Wohnungseigentümer aa) Überschreitung der Beschlusskompetenz Nach ganz h.M.180 fehlt der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz zur Begründung von 12.91 Sondernutzungsrechten, woraus folgt, dass ein derartiger Beschluss nichtig ist.181 Allerdings hat der BGH auch festgestellt, dass die Eigentümer über Gebrauchsregelungen (§ 15 WEG) beschließen können. Hier tauchen daher regelmäßig Abgrenzungsfragen auf, ob die beschlossene oder zu beschließende Maßnahme noch eine Gebrauchsregelung ist oder die Begründung eines Sondernutzungsrechts zum Gegenstand hat. Insoweit kommt es darauf an, ob das Mitgebrauchsrecht lediglich ausgestaltet und konkretisiert oder aber entzogen wird (vgl. auch Rz. 12.14 ff.).

171 Hügel/Holzer, GBO, § 19 WEG Rz. 1 ff. 172 Demharter, GBO, § 19 WEG Rz. 53. 173 Zur fehlenden konsequenten Umsetzung dieser Prämisse in der Rechtsprechung des BGH vgl. Häublein, Begründung, S. 154. 174 BayObLG, Beschl. v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, MittBayNot 2002, 397, 398. 175 Saarländisches OLG, Beschl. v. 10.5.2010 – 5 W 94/10, ZWE 2011, 82 (Photovoltaikanlage auf dem Dach). 176 BayObLG, Beschl. v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, MittBayNot 2002, 397 (mit abl. Anm. Röll) = NZM 2002, 488. 177 Unklar Dötsch in Timme, Beck OK, § 15 WEG Rz. 251. 178 Böttcher, BWNotZ 1996, 80 ff.; Ott, Das SNR, S. 70. 179 Inkonsequent Röll, Rpfleger 1980, 90, 92; Röll, MittBayNot 2002, 397, der als Verfechter der sachenrechtlichen Theorie eine Beeinträchtigung des Dienstbarkeitsberechtigten ablehnt. 180 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff.; BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, NJW 2017, 64 (66); AG Hamburg-St.Georg, Urt. v. 28.4.2017 – 80b C 69/16, ZWE 2018, 140, 142. 181 Zur Umdeutung in Vermietung oder Verpachtung: Ott, ZWE 2001, 99, 100 f.

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Teil 12 Rz. 12.92

Sondernutzungsrechte

bb) Ordnungsmäßige Gebrauchsregelungen gem. § 15 Abs. 2 WEG

12.92 Aus dem Gesagten folgt, dass die Eigentümer grundsätzlich auch nicht gem. § 15 Abs. 2 WEG eine Regelung wirksam beschließen können, die den Charakter eines Sondernutzungsrechts hat. Es wird von der h.M. in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der mit der Begründung eines Sondernutzungsrechts einhergehende Ausschluss vom Mitgebrauch (§ 13 Abs. 2 WEG) niemals ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen könne.182

12.93 Zu beachten ist jedoch, dass ein Ausschluss vom unmittelbaren Eigengebrauch nicht zu einem Entzug des Mitgebrauchsrechts führen soll, wenn an dessen Stelle der „mittelbare Fremdgebrauch“ tritt, etwa bei einer Vermietung von Gemeinschaftseigentum und Kompensation durch Mietzinszahlungen.183 Hiermit sind dem Kautelarjuristen Gestaltungsräume eröffnet.

12.94 Nach überwiegender Ansicht soll es eine Gebrauchsregelung darstellen, den turnusmäßigen Gebrauch (Rotationsprinzip) von gemeinschaftlichen Einrichtungen und Flächen festzulegen, worüber mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann.184 Dies ist nicht unproblematisch. Die infolge einer solchen Regelung entstehenden zeitlich beschränkten Alleinnutzungsrechte der Eigentümer können ohne weiteres als befristete Sondernutzungsrechte begriffen werden, für deren Begründung keine Beschlusskompetenz besteht.185

12.95 Wie schwierig die Abgrenzung von Sondernutzungsrecht und Gebrauchsregelung sein kann, zeigt eine Entscheidung des OLG Hamburg.186 Die Eigentümer hatten mehrheitlich darüber beschlossen, auf welchen Flächen welche Eigentümer ihre Pkw in der Zukunft parken dürfen. Das OLG erblickte hierin nicht die Einräumung von Sondernutzungsrechten und sah die Regelung als rechtmäßige Gebrauchsregelung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG an. cc) Bestehen einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung

12.96 Nach einer in der Rechtsprechung187 vertretenen Ansicht soll für die Begründung eines Sondernutzungsrechts durch Beschluss auch dann die Kompetenz fehlen, wenn die Gemeinschaftsordnung eine allgemeine Öffnungsklausel enthält. Die Klausel legitimiere nicht Eingriffe in den dinglichen Kernbereich und berechtige nicht zu einer vollständigen Neuordnung des Gemeinschaftsverhältnisses – zur Änderung der Gemeinschaftsforderung durch Mehrheitsbeschluss vgl. auch Rz. 12.104 ff.; zum Eintragungserfordernis s. dort Rz. 12.156 ff.

12.96a Im Schrifttum herrscht ebenfalls die Meinung vor, eine allgemeine Öffnungsklausel räume der Mehrheit nicht die Befugnis ein, die Gemeinschaftsordnung in jeder Hinsicht abzuän-

182 Ott, Das SNR, S. 95; vgl. auch KG, Beschl. v. 21.12.1988 – 24 W 1435/88, WE 1989, 137. 183 BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – V ZB 46/99, BGHZ 144, 386 = ZWE 2001, 21 = ZMR 2000, 845; Becker/Kümmel, ZWE 2001, 128, 136; Wenzel, ZWE 2001, 226, 231. 184 BGH, Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, Rz. 31; BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, NJW 2017, 64, 66; BayObLG, Beschl. v. 30.10.1992 – 2Z BR 88/92, NJW-RR 1993, 205; Becker/Kümmel, ZWE 2001, 128, 136. 185 Ott, Das SNR, S. 170 f.; Häublein, Begründung, S. 6 f.; Schneider in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl., C Rz. 276. 186 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1993 – 2 Wx 41/91, ZMR 1993, 425 = WuM 1993, 288. 187 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.1994 – 3 Wx 502/93, WE 1995, 185 (186): OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1997 – 16 Wx 250/97, ZMR 1998, 373 f.; wohl auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.1990 – 11 W 128/89, ZMR 1991, 33, 34.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.98 Teil 12

dern.188 Ansatzpunkt ist insoweit aber nicht durchweg die fehlende Beschlusskompetenz. Der Entzug der Rechte aus § 13 Abs. 2 WEG durch Beschluss löse vielmehr (nur) das Zustimmungserfordernis betroffener Eigentümer aus.189 Das Mitgebrauchsrecht sei zwar nicht absolut190 unentziehbar (unverzichtbar), da jeder Eigentümer darauf verzichten könne, es symbolisiere aber eine, wenn nicht sogar die wesentliche Eigentümerbefugnis und könne diesem daher nicht ohne seinen Willen genommen werden (relative Unentziehbarkeit). Einen vergleichbaren Schutzmechanismus sehe § 53 Abs. 3 GmbHG vor.191 Eine beschlossene Satzungsänderung gem. § 53 GmbHG scheitere dann, wenn sie einem Gesellschafter relativ unentziehbare Rechte nehme; diese könnten nur mit Zustimmung der Betroffenen entzogen werden.192 Da vom Entzug des Mitgebrauchsrechts grundsätzlich alle Eigentümer (mit Ausnahme des Berechtigten) betroffen seien, bedürfe es aus diesem Grund deren Zustimmung.193 Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Begründung von Sondernutzungsrechten in der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich zugelassen wird (konkrete Öffnungsklausel).194 Insoweit wird angeführt, die übrigen Eigentümer hätten mit der Aufnahme der konkreten Öffnungsklausel in die Gemeinschaftsordnung bereits ihre Zustimmung zur Entziehung des Mitgebrauchsrechts erteilt (sog. antizipierte Zustimmung).195 Nach dieser Ansicht darf der spätere Beschluss wegen der wohnungseigentumsrechtlichen Treuepflichten aber weder einzelne Eigentümer willkürlich benachteiligen noch sonst gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen (z.B. keine Aufteilung von Kfz-Stellplätzen durch die Mehrheit unter sich). Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH196 ist ein Beschluss auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel nur rechtmäßig, wenn ein sachlicher Grund besteht und kein Eigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand unbillig benachteiligt wird. Ob diese Kriterien auch für die Ausübungskontrolle bei konkreten Öffnungsklauseln gelten, ist bislang offen. Fraglich ist bereits, ob ein sachlicher Grund überhaupt erforderlich ist.197 Jedenfalls bei konkreten Öffnungsklauseln erscheint dieses Kriterium entbehrlich, weil die Begründung der Sondernutzungsrechte bereits konkret in der Gemeinschaftsordnung angelegt ist.

12.97

dd) Begründung durch Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG Sondernutzungsrechte können mangels Beschlusskompetenz nicht durch Beschluss begründet werden. Aus diesem Grunde scheidet auch eine Entstehung durch gerichtliche Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG aus.198 Theoretisch in Betracht kommt eine Beschlusserset188 Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 109 ff. m.w.N.; Becker, ZWE 2002, 341, 344; Ott, ZWE 2001, 466, 468. 189 So etwa Ott, Das SNR, S. 102; anders demgegenüber Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 110. 190 Zur Terminologie vgl. Priester/Veil in Scholz, GmbHG, § 53 WEG Rz. 44 ff. 191 Vgl. Becker, ZWE 2002, 341, 344 f. 192 Zum Gesellschaftsrecht: Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 53 WEG Rz. 19; Priester/Veil in Scholz, GmbHG, § 53 WEG Rz. 46 f. 193 So im Ergebnis Becker, ZWE 2002, 341, 345. 194 Für eine Begründung von Sondernutzungsrechten durch Mehrheitsbeschluss in diesem Fall auch Becker, ZWE 2002, 341, 345; Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 101 ff.; Ott, Das SNR, S. 98; Kreuzer in FS Merle (2000), S. 203, 209. 195 Ott, Das SNR, S. 98; Ott, ZWE 2001, 466 (468); Becker, ZWE 2002, 341, 345; zum Gesellschaftsrecht s. etwa Immenga, ZGR 1974, 385, 419; gegen die Theorie von der antizipierten Zustimmung mit beachtlichen Argumenten etwa Leenen in FS Larenz (1983), S. 371, 376 ff. 196 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137. 197 S. Häublein, Begründung, S. 212 m.w.N. 198 BGH, Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, Rz. 30.

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12.98

Teil 12 Rz. 12.98

Sondernutzungsrechte

zung indes, wenn die Gemeinschaftsordnung eine konkrete Öffnungsklausel enthält und die Begründung eines Sondernutzungsrechts im Einzelfall eine erforderliche Maßnahme i.S.d. § 21 Abs. 8 WEG darstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Ausschluss des Mitgebrauchsrechts nach § 14 Nr. 1 WEG (= faktisches Sondernutzungsrecht) der Erforderlichkeit einer Begründung entgegensteht. 4. Weitere Entstehungstatbestände a) Faktische Sondernutzungsrechte

12.99 Aus den örtlichen Gegebenheiten kann sich ein Alleingebrauchsrecht am Gemeinschaftseigentum zugunsten eines Eigentümers oder einer Gruppe von Eigentümern ergeben. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein bestimmter Teil des gemeinschaftlichen Eigentums faktisch nur durch einen Eigentümer genutzt werden kann, etwa weil der Zugang nur über dessen Sondereigentum möglich ist. Hierfür wird teilweise der Begriff des „faktischen Sondernutzungsrechts“ verwendet.199

12.99a Nach zutreffender Ansicht200 handelt es sich bei diesen Alleingebrauchsrechten nicht um Sondernutzungsrechte (s. bereits Rz. 12.10 f.). Vielmehr ergibt sich der Alleingebrauch nur faktisch wegen der Beschränkung der Mitgebrauchsrechte der übrigen Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG. Es würde über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen, wenn alle anderen Wohnungseigentümer etwa einen im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Balkon mitbenutzen würden, der nur über ein Sondereigentum zugänglich ist.201 Das OLG Hamm202 allerdings gelangte in einem Fall, in dem ein Spitzboden nur über das Sondereigentum eines Eigentümers zu erreichen war, zu einem Ausschluss des Mitgebrauchsrechts des übrigen Eigentümer durch Auslegung der Teilungserklärung. Der auf den objektiven Gegebenheiten der Anlage beruhende Nutzungsausschluss ist jedoch im Ergebnis nicht vom Willen des aufteilenden Eigentümers abhängig, sondern folgt aus dem Rücksichtnahmegebot des § 14 Nr. 1 WEG. Alles in allem können die in diesem Abschnitt dargestellten Grundsätze für die Behandlung von Sondernutzungsrechten also nicht ohne weiteres auf die sog. „faktischen Sondernutzungsrechte“ übertragen werden. b) Umdeutung bei unwirksamer Sondereigentumsbegründung

12.100 Etliche Obergerichte203 gehen davon aus, dass für den Fall einer (z.B. wegen Verstoßes gegen §§ 3, 5 WEG) unwirksamen Begründung von Sondereigentum eine Umdeutung (§ 140 BGB) in ein Sondernutzungsrecht in Betracht kommt. Das Kammergericht hat ferner die 199 S. etwa Amann, DNotZ 1990, 498, 499 f.; missverständlich Ganten, PiG 15, S. 71, 76: stillschweigend begründetes Sondernutzungsrecht. 200 Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 87; Ott, Das SNR, S. 110 f. S. auch Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 18.7.2001 – 2 Wx 44/97, WuM 2001, 618, das ein Sondernutzungsrecht verneint, den betroffenen Sondereigentümer aber im Ergebnis als allein nutzungsbefugt ansieht. 201 Im Anschluss an eine im Schrifttum vor allem von F. Schmidt, MittBayNot 2001, 442 vertretenen Ansicht geht das OLG München, Beschl. v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MittBayNot 2012, 215 mit Anm. F. Schmidt, davon aus, Balkone gehörten notwendig zum Sondereigentum. Sieht man es so, folgt das Alleinnutzungsrecht selbstverständlich aus dem Sondereigentum. 202 OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2000 – 15 W 210/00, ZWE 2001, 122, 124. 203 OLG Köln, Beschl. v. 5.2.1996 – 2 Wx 52/95, MittRhNotK 1996, 61; OLG Hamm, Beschl. v. 4.10.1982 – 15 W 293/82, OLGZ 1983, 1 = Rpfleger 1983, 19; BayObLG, Beschl. v. 1.10.1980 – BReg 2 Z 43/79, MDR 1981, 145.

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Entstehung von Sondernutzungsrechten

Rz. 12.103 Teil 12

Umdeutung eines auf die Begründung von Sondereigentum gerichteten allstimmigen Beschlusses der Eigentümer, der wegen Verstoßes gegen den Formzwang des § 4 WEG nichtig war, für möglich gehalten.204 Bei einer solchen Umdeutung ist allerdings zu berücksichtigen, dass der begünstigte Eigentümer hierdurch nicht mehr Rechte erhalten darf, als ihm bei Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes zugestanden hätten. In den Fällen also, in denen die formell unwirksame Begründung von Sondereigentum auch an dem durch § 5 Abs. 2 WEG geschützten Mitgebrauchsrecht der übrigen Eigentümer gescheitert wäre (insbesondere an gemeinschaftlichem Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen), darf ein Ausschluss vom Mitgebrauch nicht durch die Umdeutung in ein Sondernutzungsrecht bewirkt werden.205 Soll die Umdeutung der Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt – im Wege der Berichti- 12.101 gung206 – geltend gemacht werden, sind die besonderen Formzwänge des Grundbuchverfahrens zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen einer Umdeutung müssen sich also aus den dem Grundbuchamt vorgelegten formgerechten (§ 29 GBO) Urkunden ergeben. Eine Beweiserhebung über den mutmaßlichen Willen der Beteiligten kommt nicht in Betracht. Das OLG Köln207 hat eine Umdeutung in einem Fall für zulässig gehalten, in dem die Begründung von Sondereigentum an Carports und einer Terrasse wegen der fehlenden Raumeigenschaft scheiterte und der Notar daher – ohne erneute Erklärung der Eigentümer – die Eintragung von Sondernutzungsrechten beantragte. Die Besonderheit des Falles bestand freilich darin, dass es sich um eine Mehrhausanlage aus Einfamilienhäusern handelte und sich aus der Gemeinschaftsordnung eindeutig der Wille der Eigentümer ergab, an allen zu einem Gebäude gehörenden Gegenständen und Einrichtungen Sondernutzungsrechte zugunsten des jeweiligen Sondereigentümers begründen zu wollen. Außerdem war geregelt worden, dass dem Berechtigten die Befugnisse eines Alleineigentümers zustehen sollten. Damit stellte sich nicht die sogleich zu behandelnde Frage nach dem Inhalt des durch Umdeutung begründeten Sondernutzungsrechts. Besonderes Augenmerk bei einer Umdeutung ist auf die Kosten-/Lastentragungspflicht zu legen. Ein Sondernutzungsberechtigter darf nicht besser stehen als er bei der (wirksamen) Begründung von Sondereigentum stünde. Die Kosten und Lasten des Sondereigentums hat indessen jeder Wohnungseigentümer selbst zu tragen. Unproblematisch ist eine Umdeutung unter diesem Aspekt jedenfalls dann, wenn die Gemeinschaftsordnung bereits eine Regelung enthält, wonach die Inhaber von Sondernutzungsrechten abweichend von § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten des sondergenutzten Gegenstandes allein zu tragen haben. Aber auch sonst wird man im Rahmen der Umdeutung zu diesem Ergebnis gelangen und ebenfalls annehmen müssen, dass der Sondernutzungsberechtigte – wie ein Sondereigentümer – zur Vornahme baulicher Veränderungen befugt ist.

12.102

c) Gutgläubiger (Erst-)Erwerb von Sondernutzungsrechten Die Frage des gutgläubigen Erwerbs von Sondernutzungsrechten ist umstritten, wobei es hier zunächst nur um den Ersterwerb und nicht um die Übertragung nicht bestehender Sondernutzungsrechte geht (zum sog. Zweiterwerb vermeintlich bestehender Sondernutzungsrechte vom Nichtberechtigten s.u. Rz. 12.162 ff.). Ihre Beantwortung setzt die der Vorfrage nach der 204 KG, Beschl. v. 16.9.1998 – 24 W 8886/97, NZM 1999, 258 (259 f.) = ZMR 1999, 204; anders OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1995 – 3 Wx 181/95, NJW-RR 1996, 210. 205 Zutreffend BayObLG, Beschl. v. 1.10.1980 – BReg 2 Z 43/79, MDR 1981, 145. 206 Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 89; Schneider in Bärmann/Seuß, Abschnitt C Rz. 342. 207 OLG Köln, Beschl. v. 5.2.1996 – 2 Wx 52/95, MittRhNotK 1996, 61.

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12.103

Teil 12 Rz. 12.103

Sondernutzungsrechte

Anwendbarkeit der §§ 892 f. BGB auf die Regelungen der Gemeinschaftsordnung voraus. Diese bejaht die h.M.208 Nach der schuldrechtlichen Theorie kommt allenfalls eine entsprechende Anwendung der §§ 892 f. BGB in Betracht, die aber von den meisten Vertretern verneint wird.209

12.104 In der Praxis hat der beratende Rechtsanwalt jeweils genau zu prüfen, ob tatsächlich ein Gutglaubenstatbestand vorliegt. Hat beispielsweise der aufteilende Eigentümer auf der Grundlage eines unbestimmten und daher unwirksamen Begründungsvorbehalts (hierzu allg. Rz. 12.70 ff.) eine Zuweisungserklärung abgegeben, so kommt ein gutgläubiger Ersterwerb nicht in Betracht, weil die unbestimmte Regelung das Grundbuch nicht unrichtig macht, sondern eine unzulässige Eintragung darstellt.210 Denkbar ist aber der Fall, dass bei einer nachträglichen Begründung eines Sondernutzungsrechts ein Eigentümer der Vereinbarung zustimmt, der zwar im Grundbuch als solcher eingetragen ist, tatsächlich aber nicht die Eigentümerstellung inne hat.211 Praktische Bedeutung hat ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 892 f. BGB beim sog. Zweiterwerb des eingetragenen Rechts (hierzu unter Rz. 12.162 ff.). d) Anspruch auf Begründung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG

12.104a Theoretisch denkbar ist ferner eine Entstehung von Sondernutzungsrechten im Wege der Durchsetzung eines entsprechenden Anspruchs nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG212 und Ersetzung korrespondierender Willenserklärungen nach § 894 ZPO.213

12.104b Allerdings setzt ein Anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG voraus, dass ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Diese Voraussetzungen dürften regelmäßig nicht erfüllt sein, insbesondere dann nicht, wenn die übrigen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch nach § 14 Nr. 1 WEG (= faktisches Sondernutzungsrecht) ausgeschlossen sind.

III. Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten 1. Auslegung der Sondernutzungsregelung a) Umfang der Nutzungsbefugnis

12.105 Der Umfang der Nutzungsbefugnis bemisst sich nach dem Inhalt der Vereinbarung. Dabei gilt im Zweifel, dass solche Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, auf die sich das Sonder208 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.1985 – 8 W 481/84, OLGZ 1986, 35 = NJW-RR 1986, 318; BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – 2Z BR 47/89, DNotZ 1990, 381; BayObLG, Beschl. v. 6.3.1991 – BReg 2 Z 12/91, ZMR 1991, 313; Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 109 ff.; Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2916; Staudinger/Kreuzer, § 10 WEG Rz. 67; zweifelnd Hogenschurz, SNR, § 2 Rz. 128 ff. mit Hinw. auf die durch die WEG-Novelle geänderte Grundbuchpublizität. 209 Bornemann, Erwerb, S. 187 ff.; Demharter, DNotZ 1991, 28,33 f.; Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 591 ff.; Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 390; Schneider, Rpfleger 1998, 9, 12. 210 Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 592 f. 211 Ertl in FS Seuss (1987), S. 151, 158; Ott, Das SNR, S. 113. 212 BGH, Urt. v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, Rz. 30. 213 Nach BGH, NZM 2016, 861 m. Anm. Bartholome, NZM 2016, 864 soll eine Vereinbarungsersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG möglich sein. Dies schon nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Norm abzulehnen. Siehe dazu Ott, NZM 2017, 1, 2.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.108 Teil 12

nutzungsrecht nicht eindeutig erstreckt, weiterhin dem gemeinschaftlichen Gebrauch gem. § 13 Abs. 2 WEG unterliegen. Bei den die Praxis dominierenden in das Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechten kommt es grundsätzlich auf den Inhalt der Grundbucherklärung an. Es gilt hier der allgemeine Grundsatz, dass die Grundbucherklärung objektiv nach ihrem Wortlaut und Sinn in der für einen unbefangenen Betrachter nächstliegenden Bedeutung auszulegen ist. Umstände außerhalb des Grundbuchs sind dabei nur dann heranzuziehen, wenn sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.214 Ein abweichender Wille des teilenden Eigentümers ist ohne Belang.215 So ist etwa die nächstliegende Bedeutung einer Sondernutzungsbestimmung „auf dem Dach des Gebäudes eine Funkfeststation errichten und nutzen zu dürfen“ die Befugnis zur Errichtung und Nutzung einer einzigen, nicht aber mehrerer Mobilfunkanlagen.216 Eine Beschränkung der Nutzungsbefugnis kann sich insbesondere aus der Beschaffenheit des dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstandes ergeben.217

12.106

Sondernutzungsrechte können ausdrücklich auf bestimmte Nutzungsarten beschränkt werden, müssen dies aber nicht.218 Im Zweifel führt die Bezeichnung als Sondernutzungsrecht zu einem umfassenden Nutzungsrecht.219 Der Berechtigte soll etwa befugt sein, die ihm zur alleinigen Nutzung zugewiesene Gartenfläche nach Belieben zu bepflanzen.220 Allerdings sind dabei die Belange der übrigen Eigentümer zu berücksichtigen. Insbesondere hat sich der Sondernutzungsberechtigte bei Anpflanzungen an der gärtnerischen Gestaltung der Wohnanlage, dem Ortsüblichen und den Maßstäben des Nachbarrechts zu orientieren.221 Die Landesgesetze zum Nachbarrecht finden zwar keine unmittelbare Anwendung, sind aber analog heranzuziehen bzw. im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG zu berücksichtigen.222

12.107

Ist der Raum oder die Fläche dem Berechtigten zu einem bestimmten Gebrauch zugewiesen (z.B. Nutzung des Daches zum Aufstellen von Antennenanlagen oder Werbung), so muss im Wege der Auslegung nach den vorgenannten (Rz. 12.106) Grundsätzen ermittelt werden, ob hierdurch ein Alleingebrauchsrecht unter Beschränkung auf eine bestimmte Nutzungsart begründet wird oder ob die betroffene Gemeinschaftsfläche den übrigen Eigentümern zur sonstigen Nutzung erhalten bleiben soll. Im Zweifel soll von einem Alleingebrauchsrecht auszugehen sein,223 was jedenfalls dann zutrifft, wenn das Recht ausdrücklich als Sondernut-

12.108

214 BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NZM 2006, 465, 466; BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – 2Z BR 129/01, ZWE 2002, 403 f. 215 BayObLG, Beschl. v. 7.11.1985 – 2Z BR 65/85, NJW-RR 1986, 317, 318. 216 BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NZM 2006, 465, 466. 217 BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NZM 2006, 465; BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, NJW 2004, 3413; BayObLG, Beschl. v. 12.6.1981 – BReg 2 Z 49/80, MDR 1981, 937; BayObLG, Beschl. v. 19.3.1993 – 2Z BR 72/93, MDR 1993, 1200, 1201. 218 S. nur BayObLG, Beschl. v. 27.2.1981 – BReg 2 Z 10/81, BayObLGZ 1981, 56 = Rpfleger 1981, 299; KG, Beschl. v. 14.9.1982 – 1 W 4779/81, OLGZ 1982, 436 = Rpfleger 1983, 20; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 2.9.1981 – 84 T 142/81, MDR 1982, 149 (Beschränkung auf bestimmte Nutzungsart erforderlich). 219 S. Ott, Das SNR, S. 115 m.w.N. 220 BayObLG, Beschl. v. 11.2.1999 – 2Z BR 167/98, ZMR 1999, 348 = NZM 1999, 848; LG München I, Beschl. v. 3.8.2005 – 1 T 10251/05, NZM 2006, 666. 221 KG, Beschl. v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, NJW-RR 1987, 1360, 1361. 222 BGH, Urt. v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, NZM 2007, 929, 930. 223 Sauren, § 15 WEG Rz. 23.

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Sondernutzungsrechte

zungsrecht bezeichnet wurde, weil damit im Rechtsverkehr regelmäßig der Ausschluss der übrigen Eigentümer vom Mitgebrauch verbunden wird.

12.109 Ob eine Vereinbarung lediglich den Gebrauch regelt oder zugleich auch die sonstigen Nutzungen (§ 16 Abs. 1 WEG) dem Berechtigten zuweist, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Auch hier geht die überwiegende Ansicht224 im Zweifel von einer Fruchtziehungsbefugnis des Inhabers eines Sondernutzungsrechts aus. Das bedeutet, dass mit der Einräumung eines Sondernutzungsrechts auch die Sachfrüchte (z.B. Obsternte im Garten) und Rechtsfrüchte (z.B. Mieterlöse) dem Berechtigten zustehen. Soll das Recht auf den Gebrauch (§ 15 WEG) beschränkt werden, muss dies ausdrücklich geregelt werden.

12.110 Es ist grundsätzlich auch zulässig, dass einem Eigentümer das Sondernutzungsrecht am gesamten gemeinschaftlichen Eigentum eingeräumt wird. Zu beachten sind freilich auch hier die Wertungen des § 5 Abs. 2 WEG. Der Sondernutzungsberechtigte hat nach § 14 Nr. 1 WEG einen zwingend notwendigen Mitgebrauch der anderen Wohnungseigentümer zu dulden, etwa die erforderliche Benutzung von Wegen und Zugangsflächen.225 Der Inhaber eines Sondernutzungsrechts an einer Garage kann von dem Sondernutzungsberechtigten einer vor dieser belegenen Grundstücksfläche verlangen, dass dieser die Zufahrt duldet.226 Desgleichen muss der Inhaber eines Sondernutzungsrechts an einer vor seiner Penthousewohnung gelegenen Verbindungsbrücke zwischen zwei Treppenhäusern eine Mitbenutzung durch die übrigen Wohnungseigentümer als Fluchtweg im Notfall dulden.227

12.111 Ist das Sondernutzungsrecht schlagwortartig bezeichnet (z.B. als Kfz-Stellplatz oder Keller), ist damit regelmäßig zugleich auch eine Zweckbestimmung gem. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG verbunden. Eine andere Art der Benutzung ist ausgeschlossen.228 Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt229 darf bei einer schlagwortartigen Bezeichnung in der Teilungserklärung „Abstellplatz für Fahrräder“ die betreffende Fläche mithin nicht als „Abstellplatz für Mülltonnen“ genutzt werden. Die Bezeichnung hat im Zweifel nicht bloß den Charakter eines unverbindlichen Nutzungsvorschlags, sondern stellt eine vereinbarte Zweckbestimmung dar und gibt den Rahmen der zulässigen Nutzung vor. Der Berechtigte darf eine andere Nutzung nur dann ausnahmsweise vornehmen, wenn und insoweit diese die übrigen Eigentümer nicht stärker beeinträchtigt als die vorgesehene. Ansonsten bedarf die Nutzungsänderung der Vereinbarung und damit der Mitwirkung aller Eigentümer.

224 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2Z BR 174/97, NZM 1998, 335; KG, Urt. v. 26.1.2000 – 24 U 3358/99, WuM 2000, 317; Ott, Das SNR, S. 3 f.; s.o. Rz. 12.5. 225 KG, Beschl. v. 20.12.1989 – 24 W 3084/89, ZMR 1990, 151 = NJW-RR 1990, 333; Sauren, § 15 WEG Rz. 23; Sauren, inFS Merle (2000), S. 261; Häublein, Begründung, S. 108 ff., dort auch zu den abzulehnenden Entscheidungen OLG Naumburg, Beschl. v. 10.12.1997 – 10 Wx 43/97, OLGReport Naumburg 1998, 414 = FGPrax 1998, 92, und OLG Jena, Beschl. v. 14.10.1998 – 6 W 637/98, Rpfleger 1999, 70. 226 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 17.1.2011 – 3 W 196/10, ZWE 2011, 179; Jennißen/Schultzky, § 13 WEG Rz. 96. 227 OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2009, 15 Wx 188/08, ZMR 2010, 54. 228 BayObLG, Beschl. v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, MittBayNot 2002, 397, 398; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 283. 229 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.4.2008 – 20 W 119/06, ZWE 2009, 98, 99.

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Rz. 12.114 Teil 12

Grenzen des Sondernutzungsrechts ergeben sich – wie ausgeführt – darüber hinaus aus § 14 Nr. 1 WEG.230 Entgegen der Ansicht des LG Itzehoe231 können der konkrete Gebrauch eines Sondernutzungsrechts nicht durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 15 Abs. 2 WEG ausgestaltet und dadurch die Grenzen des zulässigen Gebrauchs im Nachhinein definiert werden. Ein solcher Beschluss wäre als vereinbarungsändernder Beschluss nichtig. Das BayObLG232 will zur Auslegung des § 14 WEG auch auf die nachbarrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts und des Privatrechts zurückgreifen, was etwa bei angrenzenden Gartensondernutzungsflächen durchaus naheliegend erscheint.233 Dies soll, wie das Gericht nunmehr ausdrücklich klargestellt hat, allerdings nicht pauschal bedeuten, dass der Berechtigte zu allen Handlungen in genau der gleichen Weise wie ein Nachbar auf einem real geteilten Grundstück befugt sein soll. Das Fällen eines auf der Sondernutzungsfläche stehenden Baumes etwa soll das Maß des § 14 Nr. 1 WEG unabhängig davon überschreiten, ob das Nachbarrecht dies zulässt.234

12.112

Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass einem Sondernutzungsberechtigten im Zweifel zwar nicht mehr Rechte zustehen als Nachbarn auf real geteilten Grundstücken, seine Befugnisse durch das WEG oder die Gemeinschaftsordnung aber in stärkerem Maße eingeschränkt sein können, als dies bei Nachbarn der Fall ist. So wird etwa die Grenze des zulässigen Gebrauchs dort überschritten, wo die Bepflanzung einer Sondernutzungsfläche das optische Erscheinungsbild der Anlage verändert.235

12.113

b) Kostentragung Die Kostentragungspflicht des Sondernutzungsberechtigten birgt erfahrungsgemäß ein hohes Konfliktpotential. Ohne eine abweichende Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung findet § 16 Abs. 2 WEG Anwendung, da der Gegenstand des Sondernutzungsrechts zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört. Das bedeutet, dass die Lasten und Kosten auch dann von allen Eigentümern zu tragen sind, wenn nur einer von ihnen zur Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt ist.236 Dem WEG ist nämlich kein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, demzufolge derjenige, der zur Nutzung nicht berechtigt ist, auch per se keine Kosten zu tragen hat.237 Auch die Tatsache, dass Sondernutzungsrechte so ausgestaltet werden können, 230 S. BayObLG, Beschl. v. 12.6.1981 – BReg 2 Z 49/80; MDR 1981, 937; BayObLG, Beschl. v. 23.10.1992 – 2Z BR 78/92, WE 1994, 17, 18. 231 LG Itzehoe, Urt. v. 21.12.2018 – 11 S 85/16, ZWE 2019, 276 f.; so wohl auch Suilmann in Bärman, § 15 Rz. 65. 232 BayObLG, Beschl. v. 11.2.1999 – 2Z BR 167/98, NZM 1999, 848 = ZMR 1999, 348; BayObLG, Beschl. v. 30.11.1999 – 2Z BR 143/99, ZMR 2000, 234; BayObLG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2Z BR 145/01, ZWE 2002, 407, 409; s. auch KG, Beschl. v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, NJW-RR 1987, 1360. 233 Skeptisch Röll/Sauren, Handbuch, 9. Aufl., Teil B, Rz. 53. 234 BayObLG, Beschl. v. 27.7.2000 – 2Z BR 112/99, ZWE 2001, 22, 25. 235 LG München I, Beschl. v. 3.8.2005 – 1 T 10251/05, NZM 2006, 666. 236 BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13; ZWE 2015, 131; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.12.1999 – 3 W 67/1999, WE 2001, 150; Bielefeld in FS Seuß (1997), S. 27,30 ff. = WE 1997, 168; Bornemann, Erwerb, S. 57; Merle, DWE 1991, 134 f.; Ott, Das SNR, S. 125; Schweiger, SNR, S. 237 ff.; Sauren, § 15 WEG Rz. 24; Staudinger/Bub, § 16 WEG Rz. 40 (missverständlich aber Staudinger/Bub bei § 21 WEG Rz. 20); a.A. AG Duisburg, Beschl. v. 10.7.1995 – 45 II 3/95, DWE 1996, 43; AG Kerpen, Beschl. v. 14.9.1999 – 15 II 36/98, DW/WE Workshop 3/2000, S. 7; Kreuzer in FS Merle (2000), S. 205, 210, der zu Unrecht meint, dies wäre h.M. 237 BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – VII ZR 15/83, BGHZ 92, 18 (23) = NJW 1984, 2576, 2577.

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Sondernutzungsrechte

dass sie (wirtschaftlich) dem Sondereigentum sehr nahe kommen, ändert hieran nichts.238 Zum einen darf die vom WEG vorgesehene Trennung zwischen dem Sondereigentum und dem gemeinschaftlichen Eigentum bzw. den die jeweilige Eigentumsform betreffenden Regelungen der §§ 10 ff. WEG nicht aufgehoben werden. Zum anderen steht immer dann, wenn dem Berechtigten neben der Nutzung nicht auch das alleinige Verwaltungsrecht einschließlich des Rechts zur Vornahme baulicher Veränderungen und die Kostentragungspflicht zugewiesen wurden, das Sondernutzungsrecht dem Sondereigentum eben gerade in wesentlichen Punkten nicht gleich,239 was bisweilen nicht gewürdigt wird.240

12.115 Da dies regelmäßig nicht dem Interesse der vom Gebrauch ausgeschlossenen Eigentümer entsprechen wird, sollte dem Sondernutzungsberechtigten die Kostentragungspflicht in der Gemeinschaftsordnung auferlegt werden.241 Ist dies nicht ausdrücklich geschehen, kommt die Übernahme einer Kostentragungsverpflichtung allenfalls im Wege der (ergänzenden) Auslegung der Gemeinschaftsordnung in Betracht, der allerdings durch die Publizitätsfunktion des Grundbuchs Grenzen gesetzt werden.242 Für eine in der Gemeinschaftsordnung (zumindest inzident) geregelte Kostentragungspflicht spricht etwa die in der Praxis oft verwendete Formulierung, nach der der Sondernutzungsberechtigte im Zweifel die Rechte und Pflichten eines Sondereigentümers haben soll. Auch wenn dem Berechtigten die von dem Sondernutzungsrecht erfasste Fläche zur selbständigen Verwaltung (Instandhaltung, Verkehrssicherung, bauliche Veränderung etc.) zugewiesen wurde, kann dies die Annahme rechtfertigen, der Berechtigte habe nach dem Sinn der Regelung auch die Kosten solcher Maßnahmen zu tragen.243 Wird beispielsweise dem Inhaber eines Gartensondernutzungsrechts gestattet, den Garten zu gestalten und zu diesem Zweck Anpflanzungen vorzunehmen etc., so hat der Berechtigte diese auch allein zu unterhalten. Ob dies darüber hinaus auch für die sonstigen Pflege- und Unterhaltungskosten in Bezug auf die Gartenfläche gilt, erscheint zumindest zweifelhaft.244

12.116 Ist es dem Sondernutzungsberechtigten gestattet, das gemeinschaftliche Eigentum im räumlichen Bereich seines Sondernutzungsrechts baulich zu verändern, so ist er im Zweifel verpflichtet, die hierdurch entstehenden Folgekosten allein zu tragen. Auch dann, wenn sich Derartiges nicht aus der Gemeinschaftsordnung ableiten lässt, steht doch allein dieses Ergebnis im Einklang mit der Wertung des § 16 Abs. 6 WEG.245 Es kommt nämlich nicht darauf an, aus welchem Grund einzelne Eigentümer ihre Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nicht erteilen. Ist diese also deswegen nicht erfolgt, weil sie nach dem Inhalt der Gemeinschaftsordnung entbehrlich ist, ändert dies an der Kostenbefreiung der übrigen Eigentümer nichts. Bringt etwa der Sondernutzungsberechtigte einer Dachterrasse eine Verschattungseinrichtung an, die für andere nicht sichtbar und deshalb zustimmungsfrei ist, hat dieser spätere Reparaturkosten zu tragen. Die meisten Wohnungseigentümer halten das sowieso für selbstverständlich. 238 Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 288; A.A. offenbar Fisch, MittRhNotK 1999, 213, 224. 239 KG, Beschl. v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, NJW-RR 1987, 1360, 1361: zum verbleibenden Verwaltungsrecht. 240 Fisch, MittRhNotK 1999, 213, 224. 241 Schmidt-Räntsch, ZWE 2018, 2, 15; zu möglichen Regelungen sogleich bei Rz. 12.126. 242 Hierzu Grebe, DNotZ 1988, 275, 282. 243 BayObLG, Beschl. v. 17.5.1985 – BReg 2 Z 144/84, DWE 1985, 95 = WE 1986, 152; Bielefeld in FS Seuß (1997), S. 27,33 f. 244 Diff. Schuschke, NZM 1998, 737, 740, unter (wohl fehlgehendem) Hinweis auf OLG Köln, Beschl. v. 26.4.1996 – 16 Wx 56/96, OLG-Report 1996, 185, 186. 245 Ott, Das SNR, S. 120; s. auch Armbrüster, ZfIR 1998, 395, zu § 16 Abs. 3 WEG a.F.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.119 Teil 12

c) Instandsetzung/Instandhaltung sowie Verkehrssicherungspflicht Sofern nicht etwas Abweichendes geregelt ist, obliegt die Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich (§§ 20, 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), wobei es gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG zwingend (vgl. § 27 Abs. 4 WEG) Sache des Verwalters ist, den Bedarf zu ermitteln und erforderliche Maßnahmen zu treffen. Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung in der Gemeinschaftsordnung, kann sich im Wege der Auslegung ergeben, dass der Begünstigte zu bestimmten Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten verpflichtet ist. Die Begründung eines Sondernutzungsrechts an einer Gartenfläche etwa enthält die Befugnis zur Bepflanzung im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG. Damit korrespondiert die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass sich daraus keine Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer ergeben (z.B. Verpflichtung zum Rückschnitt einer Hecke).246 Insoweit gilt das zur Kostentragung Gesagte (Rz. 12.114) entsprechend.

12.117

Ist dem Berechtigten die Instandsetzung und Instandhaltung durch Vereinbarung auferlegt (vgl. bei Rz. 12.127), kann sich die Frage nach dem Umfang der Verpflichtung stellen. Häufig ist dieser nicht klar und eindeutig in der Gemeinschaftsordnung geregelt und muss durch Auslegung ermittelt werden. Wird einem Wohnungseigentümer das Sondernutzungsrecht an einem von ihm errichteten Dachgarten eingeräumt und als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen, dass dem Berechtigten die Instandhaltung und Instandsetzung des Dachgartens obliegt, so erstreckt sich diese Verpflichtung nach Ansicht des BayObLG insbesondere auf die im Zusammenhang mit der Errichtung des Dachgartens angebrachte Blechwanne mit Entwässerungssystem.247 Nach Auffassung des LG Berlin folgt aus einer Regelung, wonach der Sondernutzungsberechtigte die Terrassenfläche über dem Garagendach bestimmungsgemäß zu verwenden und auf eigene Kosten voll zu unterhalten hat, die Pflicht zur Instandhaltung einer Asphaltfläche, die zugleich das Garagendach und die Terrassenfläche bildet.248 Das LG Hamburg interpretiert eine Regelung, nach der „jeder Miteigentümer … auf seine Kosten diejenigen Gebäudeteile, Anlagen und Teile von diesen, die entweder in seinem Sondereigentum oder seinem Sondernutzungsrecht stehen … ordnungsgemäß instand zu halten bzw. instand zu setzen (hat) … insbesondere Leitungen … soweit die Leitungen jedoch nicht ausschließlich seinem Sondereigentum zu dienen bestimmt sind“ in der Weise, dass die Sondernutzungsberechtigten einer Gartenfläche den darauf befindlichen Teich mit Pumpe nicht instandzusetzen haben, weil der Teich auch der Entwässerung anderer Gebäude diene.249 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass sich die Verpflichtung im Zweifel auf diejenigen Teile des gemeinschaftlichen Eigentums bezieht, die gerade für und wegen der Sondernutzung notwendig sind.250 Gemeinschaftliche Einrichtungen, die nicht dem Berechtigten, sondern (zumindest auch) den übrigen Eigentümern dienen (z.B. Rohrleitungen im Garten oder die Geschossdecke der Tiefgarage, die zugleich den Abschluss des darüber liegenden Hauses bildet), haben im Zweifel alle Eigentümer gemeinschaftlich instandzuhalten.

12.118

Da auch von einem Gegenstand, an dem ein Sondernutzungsrecht begründet worden ist, Gefahren ausgehen können, stellt sich die Frage, wem die Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf diese Teile des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt. Inhalt der Pflicht ist es, die zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, damit Gefahren abgewendet werden können, die

12.119

246 247 248 249 250

OLG München, Beschl. v. 3.8.2009 – 32 Wx 8/09, NZM 2009, 707. BayObLG, Beschl. v. 25.5.1998 – 2Z BR 87/98, NZM 1999, 28. LG Berlin, Beschl. v. 11.6.2008 – 85 T 354/07 (zitiert nach juris). LG Hamburg, Beschl. v. 5.3.2008 – 318 T 237/05, ZMR 2008, 570, 571. Vgl. Sauren, § 15 WEG Rz. 24.

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Sondernutzungsrechte

aus dem bestimmungsgemäßen oder nicht ganz fernliegenden bestimmungswidrigen Gebrauch der Sache resultieren.251 Diese Verkehrssicherungspflicht soll nach einer Ansicht dem Sondernutzungsberechtigten obliegen.252 Im Grundsatz freilich ist auch für die Verkehrssicherungspflicht davon auszugehen, dass sie in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum allen Eigentümern gemeinschaftlich obliegt, wobei die Pflicht von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen ist.253 Daneben kann aber eine originäre Verantwortlichkeit des Berechtigten treten. Maßgeblich ist insoweit, dass die Verkehrssicherungspflicht vor allem an das Kriterium der Beherrschbarkeit der Gefahrenquelle und die Eröffnung des Verkehrs anknüpft.254

12.120 Die Verantwortlichkeit kann durch Vereinbarung, nicht aber durch Beschluss255 auf den Sondernutzungsberechtigten delegiert werden, wobei im Zweifel davon auszugehen ist, dass mit der Verpflichtung zur Unterhaltung bzw. Instandsetzung/Instandhaltung auch die Verkehrssicherungspflicht übertragen werden soll. Damit allerdings sind die übrigen Eigentümer nicht vollends aus der Verantwortung entlassen; denn bei ihnen verbleibt eine Überwachungspflicht,256 die im Zweifel durch den Verwalter wahrzunehmen ist. d) Bauliche Veränderungen

12.121 Dem Sondernutzungsberechtigten kann die Vornahme baulicher Veränderungen in der Gemeinschaftsordnung gestattet werden.257 Überschreitet der Begünstigte die Grenzen der Regelung, stehen etwaige Beseitigungsansprüche den übrigen Wohnungseigentümern, nicht der rechtsfähigen Gemeinschaft zu (s. aber § 10 Abs. 6 S. 3 Var. 2 WEG). Im Falle einer Unterschreitung von Abstandsflächen benachbarter Sondernutzungsflächen kann sich nach Auffassung des BGH eine Duldungspflicht analog § 912 BGB ergeben, wenn dem Sondernutzungsberechtigten beim „Überbau“ weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.258

12.121a Ohne entsprechende Vereinbarung ist der Sondernutzungsberechtigte grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen befugt.259 Insoweit gelten für den Sondernutzungsberechtigten die Vorschriften für das gemeinschaftliche Eigentum. Grundsätzlich ist gem. § 22 Abs. 1 WEG die Zustimmung der Eigentümer erforderlich, die durch die Veränderung einen das Maß des § 14 WEG übersteigenden Nachteil erleiden.260 Ein solcher Nachteil kann insbesondere in einer Veränderung des optischen Erscheinungsbildes der Anlage bestehen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Sondernutzungsberechtigte eine Gartenfläche mit einem Zaun einfriedet, der das äußerliche Gepräge der Wohnanlage negativ beeinflusst, weil dort keine Zäune vorhanden

251 Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1978 – VI ZR 202/76, NJW 1978, 1629; BGH, Urt. v. 29.11.1983 – VI ZR 137/82, NJW 1984, 801; Ott, Das SNR, S. 126. 252 Sauren, § 15 WEG Rz. 26; Pick in Bärmann/Pick, § 15 WEG Rz. 10. 253 OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 082/05, ZMR 2006, 226; Fritsch, ZWE 2005, 384, 386 f. 254 Sprau in Palandt, § 823 Rz. 48, zur Pflicht des Mieters; a.A. Ott, Das SNR, S. 126. 255 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MietRB 2012, 170. 256 Ott, Das SNR, S. 127; Ott in Deckert, ETW, Gruppe 3, Rz. 314. 257 BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – V ZB 17/06, NZM 2006, 465 f. 258 BGH, Urt. v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, ZMR 2004, 206 ff. 259 BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – 2 Z BR 47/89, DNotZ 1990, 381, 383; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2002 – 2 Wx 91/98, ZMR 2002, 621; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 287. 260 Siehe auch BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, ZWE 2017, 180 Rz. 13 f. zur Beschlussfassung über die Kostentragung.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.122 Teil 12

sind oder dessen Gestaltung deutlich von anderen gleichartigen Einfriedungen abweicht.261 Nach teils vertretener Ansicht kann auch das Fällen von Bäumen eine bauliche Veränderung darstellen, wenn die Bäume für den Gesamteindruck der Anlage mitbestimmend sind.262 Nach zutreffender Auffassung handelt es sich dagegen (mangels baulicher Tätigkeit) um einen unzulässigen Gebrauch i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG, der zu unterlassen ist.263 Im Hinblick auf die Befugnisse des Sondernutzungsberechtigten kommt dem Streit keine große Bedeutung zu, da § 22 Abs. 1 WEG auf § 14 Nr. 1 WEG verweist. Der Berechtigte ist gem. § 22 Abs. 1 WEG grundsätzlich nicht befugt, auf der ihm zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenfläche ein Gartenhäuschen oder einen Geräteschuppen zu errichten.264 Ebenso wenig darf er einen KfzStellplatz, etwa durch Errichtung eines Carports, überdachen265 oder ihn gar zu einer Garage ausbauen. Eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung kann auch die Installation einer Überwachungskamera darstellen, auch wenn damit nur die Sondernutzungsfläche überwacht wird.266 Für die eigentumsrechtliche Zuordnung derartiger Aufbauten kommt es in erster Linie darauf an, ob diese wesentliche Bestandteile des Grundstücks, also mit diesem i.S.v. § 94 Abs. 1 S. 1 BGB fest verbunden sind, was wiederum insbesondere davon abhängt, ob sie abgebaut werden können, ohne dass die Substanz beschädigt oder ein wirtschaftlich unvertretbarer Aufwand verursacht wird. Die feste Verbundenheit kann im Einzelfall auch durch die bloße Schwere des Objekts vermittelt werden. Ist eine feste Verbundenheit im vorgenannten Sinne nicht gegeben, handelt es sich regelmäßig um Fahrniseigentum des errichtenden Wohnungseigentümers, und zwar ungeachtet des Bestehens einer wohnungseigentumsrechtlichen Berechtigung. Sind die Aufbauten hingegen fest mit dem Boden verbunden, kommt es für die Eigentumsverhältnisse darauf an, ob es sich um Scheinbestandteile i.S.v. § 95 BGB handelt; diese werden trotz der Verbindung als bewegliche Sachen behandelt. Sofern das Sondernutzungsrecht nicht ausnahmsweise zeitlich begrenzt ist, was zur Anwendung von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB führen kann, kommt es entscheidend darauf an, ob das Sondernutzungsrecht ein (dingliches) Recht an einem fremden Grundstück i.S.v. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB ist. Da § 95 BGB den Untergang des Eigentums an der beweglichen Sache verhindern soll, sofern der die Verbindung vornehmende Inhaber des Rechts nicht selbst Grundstückseigentümer ist, wodurch ihm der Verlust des Rechts an der vormals bewegliche Sache droht, scheidet die Anwendung des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB jedenfalls nicht bereits wegen der Miteigentümerstellung des Wohnungseigentümers aus. Auch wird man die Anwendung von § 95 Abs. 1 BGB nicht daran scheitern lassen dürfen, dass das Sondernutzungsrecht kein dingliches Recht ist (s.o. Rz. 12.37 ff.). Die Systematik des § 95 Abs. 1 BGB ist nämlich darauf angelegt, alle Gebrauchsrechte an (zumindest auch) fremden Liegenschaften zu erfassen. Weil bzw. insofern das Sondernutzungsrecht als dauerndes Recht nicht unter S. 1 der genannten Vorschrift subsumiert werden kann, ist es

261 Ott, Das SNR, S. 122. 262 OLG Köln, Beschl. v. 29.1.1999 – 16 Wx 208/98, NZM 1999, 623; zum Pflanzen von Bäumen als bauliche Veränderung s. KG, Beschl. v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, NJW-RR 1987, 1360. 263 BayObLG, Beschl. v. 27.7.2000 – 2Z BR 112/99, ZWE 2001, 22, 25; ähnlich für das Pflanzen KG, Beschl. v. 13.7.1987 – 24 W 1752/87, NJW-RR 1987, 1360. 264 BayObLG, Beschl. v. 17.12.1987 – BReg 2 Z 84/87, NJW-RR 1988, 591; BayObLG, Beschl. v. 21.4.1992 – 2Z BR 20/92, ZMR 1992, 310; Schuschke, NZM 1998, 737, 738 f. 265 BayObLG, Beschl. v. 2.7.1999 – 2Z BR 30/99, NZM 1999, 855, 856 = WuM 2001, 90; Röll/Sauren, Handbuch, Teil B, Rz. 53. 266 Zu weiteren Aspekten, insbesondere datenschutzrechtlichen Problemen Elzer, NJW 2013, 3537 ff.

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Sondernutzungsrechte

nach hier vertretener Ansicht als Recht i.S.v. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB zu behandeln.267 Dabei kommt es für die eigentumsrechtliche Zuordnung nicht auf die Rechtmäßigkeit der Baumaßnahme i.S.d. WEG an.

12.122a Auch die Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an einem Dachraum ermächtigt nicht per se zum Ausbau derselben, schon gar nicht zu Wohnzwecken.268 Wurde eine Sondernutzungsfläche oder ein der Sondernutzung unterliegender Raum in Abweichung vom Aufteilungsplan oder der Baubeschreibung errichtet, so können die übrigen Eigentümer von dem Sondernutzungsberechtigten eine Duldung der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung dann nicht verlangen, wenn der Berechtigte nach der Gemeinschaftsordnung zur Vornahme dieser baulichen Veränderung befugt ist.269 2. Inhaltsbestimmung durch die Gemeinschaftsordnung a) Bedeutung und Umfang rechtsgeschäftlicher Inhaltsbestimmungen

12.123 In der Gemeinschaftsordnung können Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten konkret festgelegt werden. Auf diese Weise lassen sich spätere Streitigkeiten über Inhalt und Umfang sowie Auslegungsprobleme vermeiden. Folgende Punkte sollten in der GO geregelt werden: – Pflicht des Sondernutzungsberechtigten zur Verkehrssicherung und Instandsetzung bzw. Instandhaltung des betroffenen gemeinschaftlichen Eigentums; – Kostentragung des Sondernutzungsberechtigten für Unterhaltung einschließlich Instandsetzung/Instandhaltung der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, wobei ggf. konkrete Kostenpositionen beispielhaft (nicht abschließend) aufzuführen sind; – Umfang der dem Sondernutzungsberechtigten gestatteten baulichen Veränderungen, wobei unbestimmte Rechtsbegriffe sparsam verwendet werden sollten. Zulässige Maßnahmen können enumerativ oder beispielhaft aufgeführt und unzulässige Maßnahmen konkret benannt werden (z.B. Anbringen einer Absperrvorrichtung bei Kfz-Stellplatz erlaubt, Errichtung eines Carports aber nicht). Desgleichen können konkrete Vorgaben über die Art und Weise zugelassener Baumaßnahmen gemacht werden (z.B. zu Ausmaßen, Material und Anstrich eines gestatteten Gartenhäuschens); – Insgesamt sollte eine Kongruenz von Nutzungsbefugnis und Kostentragungspflicht herbeigeführt werden (z.B. im Hinblick auf Tiefgaragen durch Begründung eines Gruppensondernutzungsrechts an der Zufahrt, den Fahrflächen, den sonstigen Bestandteilen wie Schranke, Rolltor etc. und Nebenräumen der Tiefgarage); – Schließlich sollte sicherheitshalber auch die Befugnis zur Übertragung und Vermietung ohne Beteiligung der übrigen Eigentümer vorgesehen werden (vgl. Rz. 12.157 a.E.).

12.124 Ergibt sich der Inhalt der aus einem Sondernutzungsrecht erwachsenden Nutzungsbefugnis nicht aus dem Recht selbst, empfiehlt sich eine Nutzungsregelung gem. § 10 Abs. 2 S. 2 267 S. hierzu das Gutachten des DNotI v. 23.8.2007 (Az.: § 912 BGB – 79010) zu §§ 95, 912 BGB, § 15 WEG. 268 BayObLG, Beschl. v. 13.9.1993 – 2Z BR 72/93, MDR 1993, 1200. 269 BayObLG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2Z BR 145/01, ZWE 2002, 407, 409.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.128 Teil 12

WEG. Andernfalls gilt der Grundsatz, dass der Sondernutzungsberechtigte den jeweiligen Raum etc. nur in einer seiner Beschaffenheit entsprechenden Weise nutzen darf.270 Insbesondere bei nicht ausgebauten Dachräumen scheidet ohne entsprechende Regelung eine Wohnnutzung aus. Selbst dann, wenn der Dachraum der darunter liegenden Wohnung zugeordnet ist, erstreckt sich die Wohnnutzung nicht automatisch auf diesen.271 Da der Sondernutzungsberechtigte ohne entsprechende Vereinbarung auch nicht zum Ausbau derartiger Dachräume befugt ist (s.o. Rz. 12.121), bedeutet das Fehlen einer Nutzungsregelung eine erhebliche Wertminderung des Sondernutzungsrechts.

12.125

b) Regelungen über Umfang des Gebrauchs und Kostentragung Einer adäquaten Regelung über die Kostentragung kommt eine ganz besondere Bedeutung zu. Es entspricht regelmäßig nicht den wohlverstandenen Interessen der vom Mitgebrauch ausgeschlossenen Wohnungseigentümer, wenn diese die Kosten und Lasten des dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teils des Gemeinschaftseigentums mittragen müssen. Unter diesem Aspekt ist auf eine vorausschauende Gestaltung der Gemeinschaftsordnung zu achten. Aus der Bestimmung müssen Rechte und Pflichten klar und eindeutig hervorgehen.272

12.126

M 18 Kostentragung bei bestehendem Sondernutzungsrecht

12.127

Die im Zusammenhang mit der Nutzung/dem Betrieb von Anlagen und Einrichtungen sowie Gebäude- und Grundstücksteilen anfallenden Kosten trägt derjenige, zu dessen Gunsten Sondernutzungsrechte an den vorgenannten gemeinschaftlichen Gegenständen bestehen. Dies gilt auch für die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung der von dem Sondernutzungsrecht erfassten Gegenstände, wobei die Pflicht zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in den Grenzen des § 27 Abs. 1 und Abs. 4 WEG ebenfalls auf den Inhaber des Rechts übertragen wird.

Diese Regelung ist eine Art Generalklausel, die im Einzelfall selbstverständlich an die konkreten Gegebenheiten anzupassen ist. Bei Sondernutzungsrechten an Terrassenflächen oder Balkonen kann sich etwa eine konkrete Beschränkung der Verpflichtung auf die Instandsetzung und Instandhaltung des Oberbodenbelags (z.B. Fliesen, Betonwerkstein, Bankirai) empfehlen. Bei einer allgemeinen Regelung über die Überwälzung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht wird man zwar durch Auslegung ebenfalls zu dem Ergebnis gelangen, dass der Sondernutzungsberechtigte nicht den gesamten darunter befindlichen Fußbodenaufbau (Estrich, Abdichtung, Dämmung, Bodenplatte) instandzusetzen bzw. instandzuhalten hat. Gegenstand von Auseinandersetzungen ist häufig die Frage, ob der Sondernutzungsberechtigte auch den unterhalb des Oberbodenbelages vorhandenen Estrich zu sanieren hat oder ob diesem eine eigenständige Schutzfunktion zukommt. Eine klare Regelung vermeidet hier Unsicherheiten. Dem Sondernutzungsberechtigten sollte die Instandhaltung und Instandsetzung des Fußbodenaufbaus bis zur Abdichtung zur Pflicht gemacht werden. Gleiches gilt für das Reinigen 270 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 12.6.1981 – BReg 2 Z 49/80, MDR 1981, 937; BayObLG, Beschl. v. 19.3.1993 – 2Z BR 72/93, MDR 1993, 1200, 1201. 271 BayObLG, Beschl. v. 19.3.1993 – 2Z BR 72/93, MDR 1993, 1200. 272 AG München, Endurt. v. 28.6.2017 – 481 C 24911/16WEG, ZWE 2018, 276, 277: Aus der Bestimmung „die gärtnerische Gestaltung der Sondernutzungsfläche geht zu Lasten des jeweiligen Sondernutzungsberechtigten“ lässt sich nicht unmißverständlich ableiten, dass dieser auch Rückschnitt und Fällen von Bäumen auf eigene Kosten vorzunehmen hat.

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12.128

Teil 12 Rz. 12.128

Sondernutzungsrechte

von Einläufen, Entwässerungsrinnen im Fußboden und von Notüberläufen. Eine Wartung durch die Gemeinschaft ist nicht interessengerecht und zudem wegen der fehlenden Zugangsmöglichkeit beschwerlich und mit hohem Koordinationsaufwand verbunden. Demgegenüber kann eine Reinigung durch den Berechtigten ohne großen Aufwand vorgenommen werden.

12.129 Zu raten ist ferner dazu, Sondernutzungsrechte und Kostentragungsverpflichtungen auch auf solche Anlagen und Einrichtungen auszudehnen, die zur adäquaten Ausübung des Rechts erforderlich sind. Ist etwa das Sondernutzungsrecht an Stellplätzen in Doppelstockgaragen (Duplex) eingeräumt und erfasst dieses nicht die sonstigen Anlagen und Einrichtungen der Garage (z.B. keine Begründung eines Gruppensondernutzungsrechts), müssen die Kosten der Wartung zum Teil von den übrigen Eigentümern mitgetragen werden. Betroffen können insbesondere Gegenstände sein, die mehreren Sondernutzungsberechtigten zu dienen bestimmt sind (z.B. Hydraulikaggregat der Hebeanlage bei Duplexen, Zufahrt zur Garage). Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, die den jeweiligen Eigentümer lediglich verpflichtet, die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Bereiche auf eigene Kosten instandzusetzen oder -zuhalten und Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen, führt nicht dazu, dass die übrigen Eigentümer, die kein Sondernutzungsrecht an einem Abstellplatz haben, von den Kosten der Wartung der Wipp- und Hebetechnik freigestellt sind.273 In Anbetracht dessen sollte in derartigen Fällen eine Nutzungsregelung nicht nur für die Stellplätze selbst getroffen werden, sondern es sollten auch die sonstigen Bestandteile der Garage und solche Anlagen und Einrichtungen, die zum Betrieb des Parksystems erforderlich sind, denjenigen Eigentümern als Gruppensondernutzungsrecht mit korrespondierender Kostentragungspflicht zugewiesen werden, die das Recht zur Nutzung eines Stellplatzes haben. Geht die erforderliche Instandsetzungsmaßnahme aber über den Bereich der Tiefgarage hinaus und erfasst den konstruktiven Bereich des Gebäudes (z.B. Tiefgaragendecke ist zugleich untere Geschossdecke des Wohngebäudes), sind im Zweifel alle Wohnungseigentümer in der Pflicht.274

12.130 Schließlich kann es sinnvoll sein, die Kostentragung gestaffelt auszugestalten, wenn sich Gebrauchswert, Instandsetzungsbedürftigkeit und Reparaturanfälligkeit unterscheiden (z.B. in einer Tiefgarage sind sowohl Duplexparker als auch ebenerdige „normale“ Stellplätze vorhanden, die weniger Wartung erfordern).

12.131 Zunächst empfiehlt es sich, die Kosten des Betriebes sowie der Instandsetzung und Instandhaltung der Tiefgarage (einschließlich Garagentor und -zufahrt) unter sämtlichen Stellplatzeigentümern bzw. Sondernutzungsberechtigten in der Regel nach der Zahl der Stellplätze insgesamt zu verteilen. Da nun aber Duplexparker im Vergleich zu normalen Stellplätzen wartungsintensiver und störanfälliger sind, erscheint es durchaus vernünftig, die ausschließlich aus dem Gebrauch der Duplexe resultierenden Kosten deren Nutzern zuzuweisen. Bei einer dahingehenden Beratung des aufteilenden Eigentümers sollte aber auch darauf geachtet werden, dass die jeweilige Kostenregelung für den späteren Verwalter noch umsetzbar ist. Dies wird häufig davon abhängen, wie viele unterschiedliche Stellplatzarten es in der Tiefgarage gibt (einfache Stellplätze, Doppel- und Vierfachparker, Parkpaletten etc.) und ob sich die Kosten für die Wartung und den Betrieb der einzelnen Stellplätze bzw. Stellplatzgruppen gesondert ermitteln lassen. In jedem Fall sollte der Kautelarjurist den Sachverhalt genau er-

273 AG Berlin-Mitte, Beschl. v. 31.10.2001 – 71 II 89/01 und AG Berlin-Mitte, Beschl. v. 9.6.2002 – 71 II 10/02, n.v. 274 BayObLG, Beschl. v. 19.2.1998 – 2Z BR 119/97, NZM 1998, 339.

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Rz. 12.134 Teil 12

mitteln, da inadäquate Kostenregelungen den Gemeinschaftsfrieden erfahrungsgemäß besonders stark und über Jahrzehnte hinweg belasten können. c) Grenzen rechtsgeschäftlicher Regelungskompetenz Grenzen der rechtsgeschäftlichen Regelungskompetenz bei der Begründung von Sondernutzungsrechten ergeben sich in erster Linie aus den zwingenden Vorschriften des WEG und ergänzend aus den Generalklauseln des BGB (s.o. Rz. 12.61). Aus § 27 Abs. 4 WEG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG folgt, dass die Rechte und Pflichten des Verwalters im Zusammenhang mit der Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums unabänderbar sind. Auch wenn also dem Berechtigten die Verpflichtung hierzu auferlegt wird, bleibt der Verwalter (gleichsam subsidiär) in der Pflicht. Er hat etwaigen Instandsetzungsbedarf zu ermitteln275 und – sofern der Berechtigte die erforderlichen Maßnahmen nicht veranlasst – die Durchführung der Maßnahmen ggf. durch die Gemeinschaft beschließen zu lassen.

12.132

Nach einer vom Kammergericht276 vertretenen Ansicht soll es nicht zulässig sein, den Sondernutzungsberechtigten in der Gemeinschaftsordnung zu ermächtigen, bauliche Veränderungen gem. § 22 Abs. 1 WEG auch ohne die Zustimmung der übrigen Eigentümer vorzunehmen. Im Schrifttum ist im Anschluss daran die Ansicht vertreten worden, der Umfang der einseitig durch den Berechtigten vornehmbaren baulichen Veränderungen müsse bereits in der Gemeinschaftsordnung konkretisiert werden, um die übrigen Eigentümer zu schützen.277 Da § 22 WEG aber eine dispositive Vorschrift darstellt, kann der Ansicht des KG nicht gefolgt werden. Der von der geschilderten restriktiven Ansicht intendierte Schutz der übrigen Eigentümer ist dadurch gewährleistet, dass die Ausübung des Rechts zur Vornahme baulicher Veränderungen der gerichtlichen Kontrolle dahingehend unterliegt, mithin ob der Berechtigte gegen das sich aus der Treuepflicht bzw. § 242 BGB ergebende Gebot der Rücksichtnahme nach § 14 Nr. 1 WEG oder das Verbot des Rechtsmissbrauchs verstoßen hat.278

12.133

3. Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten a) Ansprüche gegen den Berechtigten bei Überschreitung der Nutzungsbefugnis Überschreitet der Sondernutzungsberechtigte die Grenzen der ihm eingeräumten Befugnis, kann jeder Eigentümer ihn auf Unterlassung und ggf. Beseitigung in Anspruch nehmen (§ 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG). Dies gilt gleichermaßen für die Überschreitung der gegenständlichen Grenzen (z.B. ausschließliche Nutzung einer Grünfläche, die an den sondergenutzten Garten angrenzt) wie für die inhaltlichen Grenzen des Rechts (z.B. Vornahme nicht gestatteter baulicher Veränderungen). Ein Unterlassungsanspruch besteht etwa, wenn der Sondernutzungsberechtigte einen Dachbodenraum ohne entsprechende Zweckbestimmung zu Wohnzwecken nutzt.279 Nach Auffassung des BGH280 kann der Inhaber eines Sondernutzungsrechts an einer Gartenfläche nicht nur als Handlungsstörer für das unberechtigte Anpflanzen einer Hecke, sondern auch als Zustandsstörer auf Rückschnitt in Anspruch 275 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 24.11.2000 – 3 W 184/00, ZWE 2001, 171; Derleder, ZWE 2001, 149. 276 KG, Beschl. v. 14.9.1982 – 1 W 4779/81, Rpfleger 1983, 20, 21 f. 277 Schweiger, SNR, S. 43 f. 278 Vgl. Ott, Das SNR, S. 120. 279 Ott in Deckert, ETW Gr. 3, Rz. 316. 280 BGH, Beschl. v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, NZM 2010, 365, 366.

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Teil 12 Rz. 12.134

Sondernutzungsrechte

genommen werden. Erforderlich sei, dass die Aufrechterhaltung der von der Hecke ausgehenden Störung auf dem Willen des Eigentümers beruhe und dieser tatsächlich und rechtlich zur Störungsbeseitigung in der Lage ist.

12.135 Unterschiede können sich jedoch ergeben, wenn es um die Geltendmachung eines Nutzungsentgeltes aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB für den Nutzungsexzess geht: Überschreitet der Berechtigte die räumlichen Grenzen seines Sondernutzungsrechts und nutzt sonstiges gemeinschaftliches Eigentum, kommt ein Zahlungsanspruch in Betracht. Dies gilt aber nur dann, wenn dieser damit das Mitgebrauchsrecht anderer Wohnungseigentümer rechtswidrig ausschließt und nicht schon, wenn dieser lediglich sein Recht aus § 13 Abs. 2 S. 1 WEG ausübt. Ein Zahlungsanspruch steht den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu; ausübungsbefugt ist die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 S. 3 Var. 1 WEG). Ein entsprechender Antrag eines Wohnungseigentümers wäre daher ohne vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung unzulässig.281 Anhaltspunkt kann ein ortsüblicher Mietzins sein. Bei der Höhe des Anspruchs ist indessen das Mitgebrauchsrecht des Sondernutzungsberechtigen mindernd zu berücksichtigen.

12.135a Überschreitet der Berechtigte hingegen nur die inhaltlichen Grenzen seines Rechts, steht also die Art und Weise der Nutzung nicht im Einklang mit der Gemeinschaftsordnung, muss der Nutzungsausschluss bei der rechtlichen Bewertung berücksichtigt werden. Der Nutzungsexzess führt nicht dazu, dass das Mitgebrauchsrecht aus § 13 Abs. 2 WEG wieder auflebt. Errichtet also der Berechtigte unzulässigerweise eine Garage auf der Sondernutzungsfläche, können die übrigen Eigentümer weder deren Mitbenutzung verlangen,282 noch haben sie einen Anspruch auf Auskehrung eines etwaigen Vermietungserlöses. Maßgeblich ist insoweit die Überlegung, dass die infolge der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten eingetretene Bereicherung beim Sondernutzungsberechtigten nicht „auf Kosten“ (vgl. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB) der übrigen Eigentümer erfolgte, weil diesen durch Vereinbarung die Nutzungsbefugnis entzogen ist.

12.136 Überschreitet der Berechtigte die durch § 14 Nr. 1 WEG gezogenen Grenzen, liegt hierin regelmäßig eine Pflichtverletzung, die zu einem Schadensersatzanspruch führen kann. Neben die allgemeinen deliktischen Anspruchsgrundlagen (§§ 823, 831 BGB) treten Ansprüche aus Verletzung des Gemeinschaftsverhältnisses, das ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 BGB darstellt.283 Diese „quasivertragliche“ Anspruchsgrundlage kann im Vergleich zum Deliktsrecht erhebliche Vorteile für den Geschädigten haben (z.B. Zurechnung von Verhalten Dritter, Beweislast). Die h.M. erblickt etwa in dem Mieter den Erfüllungsgehilfen des Sondernutzungsberechtigten für die Erfüllung der aus dem Gemeinschaftsverhältnis resultierenden Pflichten, so dass der Vermieter für dessen Verschulden wie für eigenes haftet (§ 278 BGB).284 So bejaht das BayObLG die Ersatzpflicht des Sondernutzungsberechtigten einer Dachterrasse, wenn dessen Mieter Pflanzenkübel aufstellt und herabfallende Blätter zu einer Verstopfung der Dachentwässerung führen. Auf die Kenntnis oder ein eigenes Verschulden des Wohnungs281 So bereits die ganz h.M. vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG, s. OLG Hamm, Beschl. v. 6.5.1998 – 15 W 82/98, ZMR 1998, 716 = NZM 1998, 921; zur Problematik auch BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 118/91, BGHZ 121, 22 = ZMR 1993, 173 = MDR 1993, 445 (Ansprüche gegen Dritte betreffend). 282 OLG Hamm, Beschl. v. 6.5.1998 – 15 W 82/98, ZMR 1998, 716 = NZM 1998, 921. 283 BayObLG, Beschl. v. 10.5.1988 – BReg 2 Z 101/87, ZMR 1988, 345: zur alten pFV. 284 Grdl. BayObLG, Beschl. v. 18.3.1970 – BReg 2 Z 36/69, NJW 1970, 1550, 1554; Armbrüster, ZMR 1997, 395, 397 f.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.139 Teil 12

eigentümers hat das Gericht nicht abgestellt.285 Ebenfalls zu den Erfüllungsgehilfen zählen diejenigen Handwerker, Architekten und Ingenieure, die der Eigentümer zum Zwecke der Erfüllung seiner aus § 14 Nr. 1 WEG resultierenden Pflichten beauftragt.286 Für den Ersatzanspruch ist es im Ergebnis ohne Belang, ob sich das schädigende Verhalten noch als Gebrauch bzw. Instandsetzung/Instandhaltung i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG darstellt oder bereits die Stufe einer baulichen Veränderung erreicht hat. Denn auch eine rechtswidrige bauliche Veränderung ist geeignet, den Anspruch zu begründen.287 Selbst dann, wenn der Sondernutzungsberechtigte zur Vornahme bestimmter baulicher Veränderungen berechtigt ist, können Schadensersatzansprüche entstehen, etwa wenn der Berechtigte pflichtwidrig das gemeinschaftliche Eigentum (= gemeinschaftlicher Anspruch der Eigentümer) oder das Sondereigentum eines Eigentümers (= Individualanspruch des Verletzten)288 beschädigt. Insoweit wird eine aus dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander resultierende Pflicht zur Rücksichtnahme (vgl. § 241 Abs. 2 BGB) verletzt, was der Eigentümer im Zweifel zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).289 Insbesondere beim Dachgeschossausbau kommt diesem Anspruch eine nicht unerhebliche forensische Bedeutung zu.290

12.137

Bei einer Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums eines anderen Wohnungseigentümers durch den Sondernutzungsberechtigten bestehen ferner Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB.291

12.137a

Überlässt der Berechtigte die Ausübung des Rechts einem Dritten (z.B. Mieter), so schuldet er den übrigen Eigentümern gem. § 14 Nr. 2 WEG das Einwirken auf diesen, mit dem Ziel, einen ordnungsmäßigen Gebrauch durchzusetzen. Erfährt der Berechtigte von der im Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung stehenden Nutzung durch den Dritten oder gestattet er diese gar, wird er nach h.M. selbst zum Störer, wenn er diese nicht unterbindet.292

12.138

b) Abwehransprüche des Berechtigten bei Eingriffen in das Sondernutzungsrecht Bei Eingriffen in das Sondernutzungsrecht kommen insbesondere Besitzschutzansprüche aus §§ 861, 862 BGB, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus § 1004, Herausgabeansprüche nach § 985 BGB in Betracht.293 Wird dem Sondernutzungsberechtigten der Besitz entzogen (§ 861 BGB) oder erfolgt eine Störung im Besitz (§ 862 BGB), stehen diesem gem. § 865 BGB die possessorischen Ansprüche zu, ohne dass es auf die Person des Störers (Miteigentümer oder Dritter) ankommt. 285 286 287 288 289 290 291 292 293

Vgl. BayObLG, Beschl. v. 4.6.1998 – 2Z BR 170/97, NZM 1998, 818. Armbrüster, ZMR 1997, 395, 397 f. Armbrüster, ZMR 1997, 395, 396. Zur Befugnis des einzelnen Eigentümers zur gerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruchs s. BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 118/91, BGHZ 121, 22 = ZMR 1993, 173 = MDR 1993, 445. Vgl. Armbrüster, ZMR 1997, 395. Vgl. etwa Armbrüster, WE 1998, 480; Basty, PiG 72, S. 101, 113 f.: zur Möglichkeit, Ansprüche der übrigen Eigentümer wegen der mit dem Dachausbau verbundenen Beeinträchtigungen vertraglich auszuschließen. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.1993 – 10 U 296/90, WE 1994, 340 f.: zu Wasserschäden in einer Wohnung wegen mangelhafter Abdichtung eines sondergenutzten Dachgartens. Ott, Das SNR, S. 128 f. Ott in Deckert, ETW, Gr. 3, Rz. 317.

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Teil 12 Rz. 12.139

Sondernutzungsrechte

Hinzu kommt im Verhältnis der Eigentümer untereinander der Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG.

12.140 Inwieweit Ansprüche aus dem Eigentum (insbesondere Dritten gegenüber) geltend gemacht werden können, bemisst sich nach §§ 985, 1004 i.V.m. § 1011 BGB. Nach der herrschenden Theorie des obligatorischen Eigentumsinhaltes und nach der rein schuldrechtlichen Ansicht führt die Eintragung eines Sondernutzungsrechts im Grundbuch nicht zu einem absoluten Klageschutz zu Gunsten des Berechtigten. Der absolute Klageschutz resultiert allein aus dem Umstand, dass der Berechtigte, wie alle anderen Wohnungseigentümer auch, Miteigentümer des sondergenutzten Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ist. Dies hat zur Folge, dass alle Wohnungseigentümer Eingriffe Dritter in das von dem Sondernutzungsrecht erfasste gemeinschaftliche Eigentum abwehren können. Insofern ist die Regelung über den „Inhalt des Sondereigentums“ für das Außenverhältnis ohne Belang.294 Nach der sachenrechtlichen Theorie wäre wegen der mit der Eintragung im Grundbuch verbundenen Übertragung der sachenrechtlichen Nutzungsbefugnis für den sondergenutzten Gegenstand vom Gemeinschaftseigentum auf das Sondereigentum des Begünstigten nur dieser anspruchsberechtigt.

12.141 Der Sondernutzungsberechtigte eines Kellerraumes kann von einem anderen Wohnungseigentümer, der diesen eigenmächtig belegt hat, Herausgabe nach §§ 985, 1004 BGB i.V.m. § 1011 BGB verlangen.295 Dies folgt nach der herrschenden vermittelnden Auffassung zur Rechtsnatur des Sondernutzungsrechts (s.o. Rz. 12.40) daraus, dass dem Begünstigten nach §§ 985, 1011 BGB im Innenverhältnis ein Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes und im Übrigen aufgrund der Inhaltsbestimmung des Eigentums ein Anspruch auf Störungsbeseitigung nach § 1004 BGB zusteht. Für die Vertreter der dinglichen Ansicht würde sich wegen des Übergangs sachenrechtlicher Befugnisse ein Anspruch unmittelbar aus § 985 BGB ergeben. Nach der rein schuldrechtlichen Theorie bestünde nach §§ 985, 1011 BGB nur ein Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes, im Übrigen aber ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch und besitzrechtliche Ansprüche. Der Meinungsstreit über die Einordnung des eingetragenen Sondernutzungsrechts ist damit auch für das Innenverhältnis nicht von praktischer Relevanz. Wird der Berechtigte in sonstiger Weise in der Nutzung beeinträchtigt, stehen diesem Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB zu, etwa wenn das gefahrlose Einparken auf einem sondergenutzten Tiefgaragenstellplatz durch Installation einer Lichtschranke behindert wird.296 Demgegenüber soll es keine Beeinträchtigung darstellen, wenn das Parken auf einer gemeinschaftlichen Zufahrt gestattet wird und dies zu hinnehmbaren Sichtbehinderungen beim Verlassen eines sondergenutzten Kfz-Stellplatzes führt.297 Zu einer Beeinträchtigung wegen Geruchs- und Lärmbelästigungen soll ferner die Verlegung eines Müllplatzes unmittelbar vor einen sondergenutzten Garten führen.298 Ein Beseitigungsanspruch kann im Einzelfall wegen Geringfügigkeit der Beeinträchtigung ausgeschlossen sein. Der Sondernutzungsberechtigte eines Kfz-Stellplatzes kann etwa von dem Berechtigen des Nachbarstellplatzes nicht die Beseitigung eines in zulässiger Weise errichteten, aber minimal über die Grenze gebauten Carports verlangen.299

294 Bornemann, Erwerb, S. 87 f.; Deckert/Ott, ETW, Gr. 3, Rz. 283; vertiefend Ott, Das SNR, S. 131 ff. 295 LG München I, Urt. v. 29.3.2010 – 1 S 17989/09, ZMR 2010, 794 f. 296 AG Pinneberg, Beschl. v. 9.4.2003 – 68 II 112/02 WEG, ZMR 2003, 795. 297 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 17.12.2008 – 14 S 4885/08, ZMR 2009, 317 ff. 298 LG Berlin, Beschl. v. 11.4.2008 – 85 T 295/07, GE 2008, 1573 ff. 299 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2003 – 3 Wx 325/02, ZMR 2003, 954 f.

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Rechte und Pflichten des Sondernutzungsberechtigten

Rz. 12.145 Teil 12

Führen mittelbare Eingriffe in das Sondernutzungsrecht zu einer unmittelbaren Verletzung sonstiger Rechtsgüter des begünstigten Wohnungseigentümers, stehen diesem die allgemeinen Rechte zu. Wird etwa der auf dem sondergenutzten Kfz-Stellplatz abgestellte Pkw des Begünstigten durch einen herabfallenden Ast eines auf der angrenzenden Gemeinschaftsfläche stehenden Baumes beschädigt, kommt bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB gegen die Gemeinschaft in Betracht.300

12.142

Nimmt der Sondernutzungsberechtigte rechtmäßig eine bauliche Veränderung vor (z.B. ein auf der Gartenfläche gepflanzter Baum; s. Rz. 12.121), kann es vorkommen, dass ein Dritter den Gegenstand beschädigt oder unbefugt in Besitz nimmt. Hier stellt sich die Frage, ob der Sondernutzungsberechtigte die daraus resultierenden Zahlungsansprüche im eigenen Namen zur Zahlung an sich einfordern kann oder ob eine Zahlung gem. § 432 BGB an alle Eigentümer gemeinschaftlich erfolgen muss. Es spricht einiges dafür, die Sondernutzungsregelung und die Gestattung zur Vornahme baulicher Veränderungen zugleich als eine konkludente Ermächtigung zur Führung entsprechender Prozesse im eigenen Namen (Verfahrensstandschaft) anzusehen. Für diese Sichtweise lässt sich vor allem anführen, dass es dem Interesse der Eigentümer entspricht, wenn Zahlungs- und Beseitigungsansprüche allein von dem Berechtigten eingeklagt werden, sofern im Innenverhältnis allein dieser betroffen ist. Anders ist die Lage freilich dann, wenn das gemeinschaftliche Eigentum in seiner Substanz beeinträchtigt ist und der Sondernutzungsberechtigte zu einer derartigen Substanzveränderung nicht befugt ist. Hier haben auch die anderen Wohnungseigentümer ein Interesse daran, die Ersatzleistungen des Dritten tatsächlich für die Wiederherstellung eines ordnungsmäßigen Zustandes zu verwenden. Diesem Interesse trägt die Anwendung des § 432 BGB letztlich besser Rechnung als eine Zahlung an den sondernutzungsberechtigten Wohnungseigentümer.

12.143

c) Zuständigkeit des WEG-Gerichts Für Streitigkeiten über die sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis und der Verwaltung des ge- 12.144 meinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander ist gemäß §§ 43 Nr. 1 WEG, 23 Nr. 2 lit. c. GVG das Amtsgericht ausschließlich und streitwertunabhängig zuständig, in dessen Bezirk das gemeinschaftliche Grundstück liegt (Wohnungseigentumsgericht). Darunter fallen auch Streitigkeiten über die Begründung oder das Bestehen eines Sondernutzungsrechts.301 Gleiches gilt selbstverständlich auch, wenn der Umfang (einschließlich der räumlichen Grenzen des Rechts) oder der Inhalt der Nutzungsbefugnis zwischen den Eigentümern umstritten sind. Desgleichen ist das Amtsgericht für Streitigkeiten über Beeinträchtigungen des Sondernutzungsberechtigten durch Miteigentümer zuständig.302 Gegenstand des Verfahrens sind in all diesen Fällen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer betreffend ihr Verhältnis untereinander. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht303 ist das Wohnungseigentumsgericht auch dann zuständig, wenn zwei Eigentümer darüber streiten, wem das Sondernutzungsrecht an einer bestimmten Fläche tatsächlich zusteht.304 Da auch die Person des Be-

300 OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 082/05, ZMR 2006, 226. 301 BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – V ZB 22/89, BGHZ 109, 396 = NJW 1990, 1112; a.A. aber noch OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.1985 – 8 W 481/84, OLGZ 1986, 35 = NJW-RR 1986, 318. 302 BGH, Beschl. v. 8.7.2010 – V ZB 220/09, NZM 2010, 822. 303 Saarländisches OLG, Beschl. v. 12.2.1998 – 5 W 370/97-121, NZM 1998, 632. 304 Deckert/Ott, ETW, Gr. 3, Rz. 315.

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12.145

Teil 12 Rz. 12.145

Sondernutzungsrechte

rechtigten zum Inhalt der Vereinbarung gehört, ist der Streit über die Zuordnung der positiven Komponente des Sondernutzungsrechts ein solcher i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG.

12.146 Streitigkeiten mit Dritten hingegen sind nicht vor dem Wohnungseigentumsgericht auszutragen (z.B. Auseinandersetzung zwischen dem Inhaber eines Sondernutzungsrechts und einem Dienstbarkeitsberechtigten oder einem Mieter).305 Dies gilt auch für Ansprüche aus einem Erwerbsvertrag über ein Sondernutzungsrecht. Das Wohnungseigentumsgericht ist auch nicht zuständig für Ansprüche der übrigen Wohnungseigentümer gegen Dritte, etwa wenn der Sondernutzungsberechtigte die Fläche oder den Raum vermietet hat und der Mieter die aus dem Sondernutzungsrecht resultierenden Befugnisse überschreitet. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich hier nach §§ 12 ff. ZPO. Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts folgt aus §§ 23, 71 GVG. d) Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis

12.147 Das Wohnungseigentumsgericht ist nach § 308 ZPO an die Anträge gebunden. Ein Rechtsfolgeermessen steht dem Gericht nur bei Gestaltungsanträgen nach §§ 15 Abs. 3, 21 Abs. 4 und 21 Abs. 8 WEG zu, sofern danach eine Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen werden kann. Sondernutzungsrechte kann das Gericht nicht begründen, weil dieses gemäß § 15 Abs. 3 WEG nur eine Regelung des Gebrauchs treffen, nicht aber das Mitgebrauchsrecht einzelner Wohnungseigentümer entziehen darf.306 Ist etwa ein gehbehinderter Wohnungseigentümer auf die Nutzung eines nahe gelegenen Stellplatzes angewiesen, kann das Gericht diesem nicht einfach ein Sondernutzungsrecht einräumen, wohl aber die Einrichtung von Stellplätzen für Behinderte regeln, wenn die Wohnungseigentümer eine solche Maßnahme nicht beschließen. Dadurch werden die anderen Wohnungseigentümer nicht vom Mitgebrauch ausgeschlossen. Diese dürfen die betreffenden Stellplätze mitbenutzen, sollten sie eine Schwerbeschädigung erleiden.

12.147a Hingegen kann das WEG-Gericht über eine den Inhalt bzw. Umfang des Rechts betreffende Auslegungsfrage mit der in § 10 Abs. 4 WEG ausgesprochenen Wirkung gegen Sondernachfolger entscheiden. Der Sondernachfolger kann dann zwar den Inhalt des Rechts nicht vollumfänglich aus dem Grundbuch ersehen. Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht, dem Gericht die Entscheidungsbefugnis zu entziehen. Ein Sondernachfolger ist insoweit durch die Aufnahme der Urteilsformel in die Beschluss-Sammlung nach § 24 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 WEG geschützt. Zudem besteht ein Bedürfnis der Eigentümer an einer verbindlichen Auslegung der Regelungen der Gemeinschaftsordnung (z.B. über die räumlichen Grenzen des Sondernutzungsrechts oder den Umfang der Kostentragungspflicht des Berechtigten). Zu einer gem. § 10 Abs. 4 WEG auch außerhalb des Grundbuchs gegen jeden Sondernachfolger wirkenden Abänderung der Gemeinschaftsordnung hingegen ist das Gericht nicht befugt (arg. e § 10 Abs. 3 WEG). Dieses darf dem Sondernutzungsberechtigten insbesondere keine weitergehenden Befugnisse einräumen oder zusätzliche Pflichten auferlegen. Es ist aber zur ergänzenden Auslegung befugt, wenn infolge der Lücke in der Gemeinschaftsordnung für einen durchschnittlichen Betrachter eine solche nahe lag.

305 Ott, Das SNR, S. 135. 306 Ott, Das SNR, S. 108 f.

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Veräußerung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.151 Teil 12

IV. Veräußerung des Sondernutzungsrechts 1. Isolierte Übertragung des Sondernutzungsrechts a) Rechtliche Einordnung des Übertragungsgeschäfts Von der Übertragung eines Sondernutzungsrechts spricht man, wenn dieses auf ein anderes Rechtssubjekt dergestalt übergeht, dass der Erwerber nunmehr vermöge eigenen Rechts zur ausschließlichen Nutzung befugt ist. Nicht zur Übertragung des Rechts zählen sonstige Gebrauchsüberlassungsverträge, etwa die Vermietung der Fläche an einen Dritten, die dem Sondernutzungsberechtigten im Zweifel ebenfalls gestattet ist.307 Der begünstigte Wohnungseigentümer bleibt hier Inhaber des Sondernutzungsrechts.

12.148

Jedenfalls für das nicht im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht wird einhellig davon ausgegangen, dass dieses im Wege der Abtretung (§§ 398 ff. BGB) übertragen wird, d.h., der Übergang des Rechts kommt bereits mit der dahingehenden formlosen Einigung der Parteien zustande.308

12.149

Wurde das Sondernutzungsrecht hingegen im Grundbuch eingetragen, ist zu dessen Über- 12.150 tragung nach überwiegender Ansicht neben einer Einigung die Eintragung erforderlich, damit das Recht auf den Erwerber übergeht (§§ 873, 877 BGB analog).309 Begründet wird dies damit, dass ein Sondernutzungsrecht (unabhängig von der Frage seiner dinglichen Wirkung) mit der Eintragung im Grundbuch Inhalt des Sondereigentums wird. Die Übertragung des Sondernutzungsrechts führe deshalb zu einer Änderung der Inhaltsbestimmung des Sondereigentums. Inhalt des Sondereigentums des Veräußerers soll nicht mehr die alleinige Nutzungsbefugnis sein, sondern der Nutzungsausschluss, während der Sondereigentumsinhalt des Erwerbers nicht mehr durch den Nutzungsausschluss bestimmt werden soll, sondern durch die alleinige Nutzungsbefugnis. Der Inhalt des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer bleibt unverändert, weshalb entsprechend den Vorschriften über die Inhaltsänderung beschränkter dinglicher Rechte nur eine Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber und eine Eintragung der Rechtsänderung in deren Wohnungsgrundbüchern erforderlich sei. Nach den Vertretern der rein schuldrechtlichen Ansicht, die bestreiten, dass eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer durch Eintragung im Grundbuch Inhaltsbestimmung des Sondereigentums wird, soll zur Übertragung auch des im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts eine bloße Abtretung nach § 398 BGB genügen.310 Das Sondernutzungsrecht geht danach bereits mit der Abtretung über und der Erwerber wird bei einer unbedingten Übertragung unmittelbar zum Berechtigten. Die Eintragung des Erwerbers könne ggf. auch ohne Bewilligung des Veräußerers im Wege der Berichtigung des Grundbuchs gem. § 22 GBO erfolgen bzw. es bestehe ein Anspruch des Erwerbers nach § 894 BGB. 307 Kreuzer in Staudinger, § 15 WEG Rz. 14. 308 Saarländisches OLG, Beschl. v. 6.3.2018 – 5 W 17/18, ZWE 2018, 206 (207); Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 103; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 295; Ott, Das SNR, S. 140. 309 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 149 = MDR 1979, 299 = DNotZ 1979, 168; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732, 734; Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 105; Merle, Rpfleger 1978, 86, 87; Riecke/Schmid/Abramenko, § 13 WEG Rz. 36; Deckert/Ott, ETW, Gr. 3, Rz. 322; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 297; Ott, NZM 2017, 1, 6 m.w.N. 310 OLG Frankfurt a. M., ZWE 2016, 171, 172 = BeckRS 2016, 02606.

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12.151

Teil 12 Rz. 12.152

Sondernutzungsrechte

b) Voraussetzungen einer wirksamen Übertragung aa) Persönliche Voraussetzungen

12.152 Eine wirksame Übertragung eines Sondernutzungsrechts setzt voraus, dass der Erwerber ebenfalls Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.311 Nach vom BGH bestätigter Auffassung genügt es, dass dem zukünftigen Sondernutzungsberechtigten das Bruchteilsmiteigentum an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit zusteht; ein Sondernutzungsrecht könne auch einem solchen Miteigentumsanteil zugeordnet werden.312 Letzteres zumindest erscheint zweifelhaft. Geht man mit der vermittelnden herrschenden Ansicht (Rz. 12.40) davon aus, dass ein Sondernutzungsrecht Inhalt des Sondereigentums und damit des Wohnungseigentums wird, kann dieses nicht einem ideellen Bruchteil am Wohnungseigentum zugeordnet werden. An außenstehende Dritte kann es nicht übertragen werden. Dies folgt für das nicht eingetragene Sondernutzungsrecht daraus, dass es seiner Natur nach das Resultat einer Regelung der Wohnungseigentümer über ihr Verhältnis untereinander ist (vgl. § 10 Abs. 3 WEG) und die Übertragung an Dritte damit den Inhalt des Rechts ändern würde (§ 399 Var. 1 BGB).313 Für das eingetragene Sondernutzungsrecht ergibt sich dies auf der Basis der h.M. daraus, dass nur die Ausübung der allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehenden dinglichen Nutzungsbefugnis dem Sondernutzungsberechtigten als Inhalt seines Sondereigentums zugeordnet wurde, ein Dritter aber nicht Inhaber dieser dinglichen Nutzungsbefugnis ist (§ 6 WEG).314 bb) Form

12.153 Auch wenn das Sondernutzungsrecht als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen worden ist, bedarf es zu seiner Übertragung keiner notariellen Erklärung i.S.d. § 4 WEG.315 Dies folgt aus der Systematik des WEG, das streng zwischen Regelungen über den Gegenstand des Sondereigentums und solchen über dessen Inhalt unterscheidet.316 Letztere richten sich ausschließlich nach den §§ 10 ff. WEG und haben daher nichts mit der im 1. Abschnitt des I. Teils des WEG geregelten Frage der Einräumung/Übertragung von Sondereigentum (vgl. § 4 Abs. 1 WEG) zu tun. Folglich bedarf auch die Verpflichtung zur Übertragung nicht gem. § 4 Abs. 2 WEG der Form des § 311b Abs. 1 BGB.

12.154 Nach überwiegender Ansicht erfordert der Übergang des eingetragenen Rechts neben der Einigung jedoch auch die Eintragung in das Grundbuch (s.o. Rz. 12.150).317 Daher sollte die entsprechende Bewilligungserklärung gem. § 19 GBO in der Form des § 29 GBO abgegeben werden, weshalb zur notariellen Beglaubigung zu raten ist.

311 BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732; BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 148 = MDR 1979, 299 = DNotZ 1979, 168, 170 mit Anm. Ertl S. 171 ff. 312 BGH, Beschl. v. 10.5.2012 – V ZB 279/11; OLG Nürnberg, MDR 2011, 1227; vgl. auch Häublein, DNotZ 2004, 635 f.; a.A. KG, DNotZ 2004, 634; OLG München, Beschl. v. 21.11.2011 – 34 Wx 357/11, ZWE 2012, 92; Schultzky in Jennißen, § 13 WEG Rz. 69. 313 Ott, Das SNR, S. 140. 314 BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732; ausführlich Ott, Das SNR, 145. 315 A.A. Belz, DWE 1991, 130, 134; zumindest missverständlich H. Müller, Praktische Fragen, Rz. 75. 316 Hierzu F. Schmidt in FS Bärmann/Weitnauer (1985), S. 37,41 ff.; s. auch Häublein, DNotZ 2000, 442, 450. 317 Ausführlich zur Kritik an der h.M. Häublein, Begründung, S. 49.

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Veräußerung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.157a Teil 12

cc) Mitwirkung der übrigen Eigentümer Nach Ansicht des BGH,318 der die ganz h.M.319 im Ergebnis folgt, setzt die Übertragung eines Sondernutzungsrechts nicht die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer voraus. Hierbei wird zumeist darauf verwiesen, dass sich der Inhalt ihres Sondereigentums wegen des fortbestehenden Ausschlusses vom Mitgebrauchsrecht nicht verändere. Inhalt des Sondereigentums ist und bleibt die negative Komponente des Sondernutzungsrechts.320

12.155

Aus diesem Grund geht die Rechtsprechung auch davon aus, dass die Unterteilung eines Sondernutzungsrechts und die Übertragung an verschiedene Miteigentümer ohne die Zustimmung der übrigen Eigentümer erfolgen kann.321 Gleiches gilt für die Verschiebung der Grenzen zwischen zwei Sondernutzungsrechten.322

12.156

Von der Zulässigkeit einer Übertragung des Sondernutzungsrechts ohne die Zustimmung der übrigen Eigentümer zu unterscheiden ist die Frage, ob dies auch für die Verpflichtung des Begünstigten zur Kosten-/Lastentragung gilt, insbesondere, ob diese auf den Erwerber mit übergeht. Im Ergebnis führt die Übertragung in diesen Fällen zu einer Übernahme der Schuld des Veräußerers durch den Erwerber, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Zustimmung der Gläubiger (= übrige Wohnungseigentümer) bedarf (§ 415 BGB). Verzichtet man auf die Zustimmung der übrigen Eigentümer zur Übertragung des Rechts, wird diesen im Hinblick auf die Kostentragung (Gleiches gilt für die übertragene Verkehrssicherungspflicht und die Verpflichtung zur Instandsetzung und Instandhaltung) ein neuer Schuldner oktroyiert. Im Regelfall wird man im Wege der Auslegung hier aber bereits eine antizipierte Zustimmung annehmen können, insbesondere, wenn das Sondernutzungsrecht nur allgemein einem Wohnungseigentum zugeordnet wurde. Auf die Person des zugleich Verpflichteten kommt es den anderen Wohnungseigentümern dann nämlich nicht entscheidend an, sondern nur darauf, dass alleinige Berechtigung zur Nutzung und Verpflichtung zur Kosten- und Lastentragung einher gehen. Besonders deutlich wird dies bei allgemeinen Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung (z.B. „Die Inhaber von Sondernutzungsrechten an Gartenflächen haben die Kosten der Unterhaltung, Instandsetzung und Instandhaltung abweichend von der vorstehenden Regelung zur Kostenverteilung allein zu tragen“). Für die Annahme einer vorweggenommenen Zustimmung zur Pflichtenübernahme spricht ferner, dass auch bei Übertragung des Wohnungseigentums automatisch neben der Sondernutzungsbefugnis die diesbezügliche Kosten- und Lastentragungsverpflichtung mit übergeht, ohne dass es hierzu einer Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfte. Für die isolierte Übertragung eines Sondernutzungsrechts kann insoweit nichts anderes gelten, zumal der Erwerber kein außenstehender Dritter, sondern ebenfalls ein Wohnungseigentümer ist. Sofern sich also keine besonderen Anhaltspunkte ergeben, ist mit der Begründung eines Sondernutzungsrechts für den Fall einer späteren Übertragung bereits die Zustimmung zum Übergang der mit dem Recht verknüpften Pflichten verbunden.

12.157

Vorsorglich sollte bei der Gestaltung der Gemeinschaftsordnung dennoch darauf geachtet werden, für den Fall der Übertragung und/oder Aufteilung seines Sondernutzungsrechts zu

12.157a

318 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 149 = MDR 1979, 299. 319 Suilmann in Bärmann, § 13 WEG Rz. 105; Ertl, DNotZ 1979, 171, 172 f.; Ott, Das SNR, S. 145 f.; Lüke in Weitnauer, § 15 WEG Rz. 36; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 298. 320 Zur Unterscheidung zwischen positiver und negativer Komponente des Sondernutzungsrechts s. Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2912; vgl. auch oben Rz. 77. 321 BayObLG, Beschl. v. 6.3.1991 – BReg 2 Z 12/91, ZMR 1991, 313, 314. 322 BayObLG, Beschl. v. 12.11.1998 – 2Z BR 95/98, DNotZ 1999, 672.

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Teil 12 Rz. 12.157a

Sondernutzungsrechte

regeln, dass eine Übertragung damit verbundener Pflichten nicht der Mitwirkung der übrigen Eigentümer bedarf.323 dd) Mitwirkung Dritter

12.158 Die Übertragung des nicht im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts bedarf nicht der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter. Deren Rechtsstellung wird durch die Übertragung eines schuldrechtlichen Anspruchs nicht berührt. Ob Gleiches nach der rein schuldrechtlichen Theorie auch für ein eingetragenes Sondernutzungsrecht gilt, erscheint deswegen fraglich, weil § 5 Abs. 4 S. 2 WEG dafür spricht, §§ 876 f. BGB insofern entsprechend anzuwenden.

12.158a Die Frage eines Zustimmungserfordernisses nach §§ 877, 876 BGB stellt sich deshalb nur bei der Übertragung eines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts, wenn man mit der h.M. annimmt, dass dieses den Inhalt des Sondereigentums bestimmt. Die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung kommt dabei lediglich für die dinglichen Gläubiger an der das Recht abgebenden Wohnungseigentumseinheit in Betracht. Der Inhalt des belasteten Wohnungseigentums wird nachteilig verändert. Eine rechtliche Beeinträchtigung ergibt sich daraus nach h.M. insbesondere für die Inhaber von Grundpfandrechten und Reallasten oder für Nießbrauchsberechtigte am bislang begünstigten Wohnungseigentum.324 Nach ganz überwiegender Ansicht325 sind die dinglich Berechtigten an den übrigen Wohnungseigentumsrechten, die ohnehin vom Mitgebrauch ausgeschlossen sind, nicht i.S.d. § 876 BGB betroffen, so dass ihre Zustimmung nicht erforderlich ist.

12.159 Teilweise326 wird die Zustimmung der dinglich Berechtigten am zukünftig begünstigten Wohnungseigentum dann gefordert, wenn mit der Übertragung des Rechts zugleich auch die Pflicht zur Kosten-/Lastentragung übergehen soll, weil hierin durchaus ein Nachteil für den Erwerber und damit im Ergebnis auch für dessen Gläubiger liegen könne.327 Da diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt, die Pflicht zur Kosten-/Lastentragung nach dem Inhalt vieler Gemeinschaftsordnungen aber Sache des Sondernutzungsberechtigten ist, sollte im Zweifel auch die Erklärung der Gläubiger des Erwerbers in der Form des § 29 GBO eingeholt werden. Wo dies nur mit erheblichem (zeitlichem und ggf. auch finanziellem) Aufwand möglich ist, sollte vor Einreichung des Antrages Kontakt mit dem zuständigen Grundbuchamt aufgenommen werden. Manche Rechtspfleger zeigen sich hier durchaus auskunftsbereit und kooperativ. 2. Übertragung mit Veräußerung des Wohnungseigentums

12.160 Ein zugunsten des Eigentümers einer bestimmten Sondereigentumseinheit im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht geht – abgesehen von den Fällen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft – mit der Eigentumsumschreibung automatisch auf den Er-

323 Zum Problem vgl. auch Häublein, Begründung, S. 53. 324 Zur möglichen Betroffenheit der unterschiedlichen Gläubiger ausführlich Ott, Das SNR, S. 150 ff.; vgl. auch Rz. 79. 325 Vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 6.3.1986 – BReg 2 Z 76/85, DNotZ 1988, 30 = Rpfleger 1986, 257; Röll/Sauren, Handbuch, 9. Aufl., Teil B, Rz. 50. 326 Vgl. Ott, Das SNR, S. 149. 327 Tendenziell ebenso BayObLG, Beschl. v. 30.10.1984 – BReg 2 Z 90/83, BayObLGZ 1984, 257, 261 = ZMR 1985, 104.

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Ott

Veräußerung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.162 Teil 12

werber über,328 sofern nicht zugleich eine isolierte Übertragung auf einen anderen Wohnungseigentümer erfolgt. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 3 WEG und daraus, dass das Recht dem Erwerber in aller Regel nicht persönlich zustehen soll, sondern nur in seiner Eigenschaft als Eigentümer derjenigen Einheit, mit der das Recht verbunden ist. Einer gesonderten Übertragung des Rechts bedarf es nicht. Wird dem Erwerber, wie in der Praxis üblich, der Besitz bereits vor der Eigentumsumschreibung verschafft, stellt sich die Frage, ob das Sondernutzungsrecht schon mit der Übergabe oder erst mit dem Eigentumsübergang auf den Erwerber übergeht. Dies kann Bedeutung erlangen, wenn vor der Eigentumsumschreibung Ansprüche der Gemeinschaft gegen den Sondernutzungsberechtigten (etwa wegen durchzuführender Instandsetzung) geltend gemacht werden müssen. Gegen eine (konkludente) isolierte Übertragung vor Eigentumsumschreibung spricht die Bindung des Rechts an die Wohnungseigentümerstellung. Aber auch bei einer Übertragung des begünstigten Wohnungseigentums an einen Erwerber, der bereits Wohnungseigentümer ist, muss im Zweifel bis zum Eigentumsübergang von einer bloßen Ausübungsermächtigung ausgegangen werden. Nach h.M. ist zur Übertragung ohnehin eine Einigung und Eintragung nach §§ 877, 873 BGB erforderlich. Nach der schuldrechtlichen Ansicht wäre zwar eine Übertragung des Rechts gem. § 398 BGB vor Eigentumsumschreibung möglich. Allerdings müsste das Sondernutzungsrecht dafür in ein persönliches geändert werden, was regelmäßig nicht im Interesse der Parteien liegt. Wurde ein Sondernutzungsrecht nicht im Grundbuch eingetragen, so soll dieses Recht (nicht aber die Pflicht zur Kostentragung etc.) gleichwohl gem. § 746 BGB automatisch auf den Erwerber übergehen, sobald dieser Mitglied der Gemeinschaft wird. Dies wird von der überwiegenden Ansicht aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 WEG abgeleitet, wonach Vereinbarungen „gegen“ den Sondernachfolger nur wirken, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Damit werde § 746 BGB nur insoweit verdrängt, nicht aber in Bezug auf Wirkungen „für“ den Erwerber, d.h. zu dessen Gunsten.329 Damit geht das Recht nach h.M. selbst dann auf den Erwerber über, wenn es nicht gem. § 398 BGB abgetreten worden ist. Die h.M. ist insoweit inkonsequent.330 Bejaht man die Frage, dass ein Sondernutzungsrecht mit der Eintragung im Grundbuch Inhalt des Sondereigentums wird und damit der gesetzliche Eigentumsinhalt nach § 13 Abs. 2 WEG geändert wird, kann das schuldrechtliche Sondernutzungsrecht nicht automatisch für den Sondernachfolger wirken, weil dieser das Wohnungseigentum mit dem gesetzlichen Eigentumsinhalt erwirbt. Der Wortlaut ist auch nicht i.S.d. h.M. zwingend. Dieser lässt auch die Interpretation zu, dass eingetragene Vereinbarungen gegen Sondernachfolger wirken, nicht eingetragene Vereinbarungen aber nicht und begünstigende Wirkungen überhaupt nicht angesprochen werden.

12.161

3. Gutgläubiger (Zweit-)Erwerb von Sondernutzungsrechten In aller Regel wird sich die Frage nach dem gutgläubigen Erwerb eines Sondernutzungsrechts dann stellen, wenn dieses bereits als solches im Grundbuch eingetragen, tatsächlich 328 LG Schwerin, Beschl. v. 24.7.2008 – 5 T 165/05, ZMR 2009, 401 f. 329 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.12.1995 – 2 W 60/95, WuM 1996, 169; BayObLG NJW-RR 1994, 781, 782; BayObLG, Beschl. v. 20.2.1997 – 2Z BR 136/96, ZMR 1997, 427; BayObLG NZM 2003, 321, 322; OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.1998 – 15 W 4/98, ZMR 1998, 718; OLG Düsseldorf ZMR 2001, 649; OLG Frankfurt ZWE 2006, 489, 491; Schnauder in FS Bärmann und Weitnauer 1990, 567, 580; Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 391; Hauger, PiG 39, 225, 228; Weitnauer/Lüke, § 10 WEG Rz. 31. 330 Ott, ZWE 2001, 12, 18; Ott, Das SNR, S. 142; Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 122; Becker/ Ott/Suilmann, WEG, Rz. 293a.

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12.162

Teil 12 Rz. 12.162

Sondernutzungsrechte

aber nicht entstanden ist. Die Gründe für das Nichtentstehen können vielfältig sein (z.B. fehlende Zustimmung gem. §§ 876 f. BGB, Mitwirkung eines Nichtwohnungseigentümers an der Begründung, Unwirksamkeit der dem aufteilenden Eigentümer zur Begründung erteilten Vollmacht).331

12.163 Voraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb ist dabei stets das Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, wenn der aufteilende Eigentümer Sondernutzungsrechte auf ein von ihm beherrschtes Unternehmen überträgt.332 Nach einer Meinung im Schrifttum soll es an einem Verkehrsgeschäft aber auch immer dann fehlen, wenn ein Sondernutzungsrecht isoliert, d.h. ohne das dazugehörige Sondereigentum, übertragen wird, weil dies nur innerhalb der Gemeinschaft erfolgen könne.333 Ferner sei es „ungereimt“, wenn die an der vermeintlich wirksamen Vereinbarung beteiligten Eigentümer das zuvor nicht bestehende Recht durch internen Erwerb zur Entstehung bringen könnten. Derjenige, gegen den der aus dem vermeintlichen Sondernutzungsrecht resultierende Anspruch auf Duldung der alleinigen Nutzung u.a. gerichtet ist, sei gerade kein tauglicher Erwerber i.S.e. Verkehrsgeschäftes. Dabei wird übersehen, dass nach dem Normzweck des § 892 Abs. 1 BGB ein gutgläubiger Erwerb durch Dritte ermöglicht werden soll, der Erwerber also ein vom Veräußerer verschiedener Dritter sein muss. Zwischen Veräußerer und Erwerber darf keine rechtliche oder wirtschaftliche Identität bestehen oder der Erwerber auf beiden Seiten der Verfügung beteiligt sein.334 Eben dies ist nicht der Fall, wenn das Recht auf einen anderen Eigentümer übertragen wird, wozu der Inhaber eines Sondernutzungsrechts allein und ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer befugt ist.335 Ein Verkehrsgeschäft wird deshalb nur zu verneinen sein, wenn der Sondernutzungsberechtigte auf Veräußerer- und Erwerberseite tätig ist (z.B. Inhaber des „verlierenden“ und des „gewinnenden“ Wohnungseigentums).336 Für eine (entsprechende) Anwendung der §§ 892 f. BGB auf die isolierte Übertragung eines Sondernutzungsrechts spricht ferner der Verkehrsschutz.337 Insbesondere dürfte ein Eigentümer, dem ein vom aufteilenden Eigentümer unwirksam begründetes, aber gleichwohl eingetragenes Sondernutzungsrecht übertragen wird, in dem gleichen Maß schutzbedürftig sein wie ein Dritter, der das Recht als Inhalt des Wohnungseigentums erwirbt.

12.164 Wird das Sondernutzungsrecht, ohne dass es materiell-rechtlich wirksam entstanden ist, als Inhaltsbestimmung mit dem Wohnungseigentum veräußert, kann dieses nach der Rechtsprechung338 gemäß §§ 892 f. BGB gutgläubig erworben werden. Auch hier gelangen die Vertreter

331 Illustrativ BayObLG, Beschl. v. 30.6.1989 – BReg 2 Z 47/89, DNotZ 1990, 381 mit Anm. Weitnauer. 332 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.1985 – 8 W 481/84, OLGZ 1986, 35 = NJW-RR 1986, 318. 333 Bornemann, Erwerb, S. 191; Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 388; s. auch Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 594. 334 BGH, Beschl. v. 29.6.2007 – V ZR 5/07, NZM 2007, 686, 687 f. 335 BGH, Beschl. v. 29.6.2007 – V ZR 5/07, NZM 2007, 686, 687 f.: zum gutgläubigen Erwerb eines Miteigentumsanteils durch einen Miteigentümer. 336 S. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.1985 – 8 W 481/84, NJW-RR 1986, 318, 319, das sich mit dem Erfordernis eines Verkehrsgeschäfts explizit befasst. 337 Vgl. Ertl in FS Seuss (1987), S. 151, 159. 338 BGH, Urt. v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, ZWE 2017, 169 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2008 – 15 Wx 140/08, ZWE 2009, 169; LG München I, Urt. v. 19.12.2018 – 1 S 390/18; LG München I, Urt. v. 14.2.2011 – 1 S 15864/10, ZWE 2011, 232. Ausführlich Ott, Das SNR, S. 156 f.; w.Nw. oben bei Rz. 12.103.

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Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts

Rz. 12.168 Teil 12

der schuldrechtlichen Ansicht regelmäßig zu einem anderen Ergebnis, weil ein schuldrechtlicher Anspruch nicht gutgläubig erworben werden kann.339 Die Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs hat schließlich auch verfahrensrechtliche Auswirkungen, die hier exemplarisch am Beispiel des § 71 GBO kurz dargestellt werden. Gem. § 71 Abs. 2 S. 1 GBO ist die Beschwerde gegen eine erfolgte Eintragung unzulässig. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gilt dies aber nicht für solche Eintragungen, die am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht teilnehmen.340 Verneint man die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs, wäre die Beschwerde gem. § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Bejaht man diese, sind die übrigen Eigentümer auf den Weg über §§ 71 Abs. 2 S. 2, 53 Abs. 1 S. 1 GBO zu verweisen (Beschwerde gerichtet auf Anweisung des Grundbuchamtes zur Eintragung eines Amtswiderspruchs).341

12.165

4. Veräußerungsanzeige und Veräußerungszustimmung Nicht zuletzt deswegen, weil mit der Inhaberschaft nach der Gemeinschaftsordnung häufig bestimmte Pflichten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum einhergehen, sollte dem Verwalter die Übertragung des Sondernutzungsrechts angezeigt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Sondernutzungsrecht ohne das Sondereigentum auf einen anderen Miteigentümer übertragen wird, was praktisch vor allem beim Tausch von Kfz-Stellplätzen oder Kellern vorkommt. Nur wenn der Verwalter hiervon Kenntnis erhält, kann er eine dem materiellen Recht entsprechende Abrechnung der Kosten vornehmen.

12.166

Diesem Informationsbedürfnis kann durch eine Verpflichtung in der Gemeinschaftsordnung dahingehend, dass die Übertragung des Sondernutzungsrechts dem Verwalter innerhalb einer bestimmten Frist anzuzeigen ist, Rechnung getragen werden. Ob allerdings eine – analog § 12 WEG für zulässig gehaltene342 – Veräußerungsbeschränkung angemessen erscheint, ist fraglich. Zwar ist diese im Vergleich zu einer Anzeigeverpflichtung wegen der bis zur Abgabe der Genehmigungserklärung schwebenden Unwirksamkeit der Übertragung effektiver. Die Gemeinschaft wird dadurch aber mit den Kosten belastet, die eine derartige Zustimmung nach dem Inhalt nahezu jedes Verwaltervertrages auslöst. Zu sonstigen mit der Anwendung des § 12 WEG verbundenen Schwierigkeiten s. umfassend Teil 18.

12.167

V. Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts 1. Inhaltsänderung durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer Veränderte äußere Umstände und Lebensgewohnheiten, aber auch „Geburtsfehler“ der Gemeinschaftsordnung können ein Bedürfnis der Eigentümer zur Änderung eines bestehenden Sondernutzungsrechts begründen. Besondere Relevanz hat die nachträgliche Änderung einer 339 Schnauder in FS Bärmann/Weitnauer (1990), S. 567, 595 f.; Bornemann, Erwerb, S. 195 mit dem Hinweis, dass nicht der Vermerk im Grundbuch des Sondernutzungsberechtigten für die Erstreckungswirkung des § 10 Abs. 3 WEG maßgeblich sein könne, sondern allenfalls der in den Grundbüchern der übrigen Eigentümer. S. aber auch den Hinweis von Spielbauer/Then, § 13 WEG Rz. 38, es komme für den gutgläubigen Erwerb in erster Linie auf die Eintragungsfähigkeit eines Rechts an. 340 BGH, Beschl. v. 21.6.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 21 f. 341 Bornemann, Erwerb, S. 186; zu § 53 GBO vgl. auch Schöner/Stöber, GBR, Rz. 404. 342 BGH, Beschl. v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 150; Hogenschurz, SNR, § 4 Rz. 25.

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12.168

Teil 12 Rz. 12.168

Sondernutzungsrechte

regelmäßig als unbillig empfundenen Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 WEG oder die Übertragung der Instandhaltungslast auf den Sondernutzungsberechtigten.

12.169 Für die Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts gilt, wie für dessen Begründung, dass diese grundsätzlich einer Vereinbarung bedarf (z.B. Umwandlung einer Gartenfläche in Kfz-Stellplätze, Nutzung eines Hobbyraums zu Wohnzwecken).343 Da es sich um die „Abänderung“ einer Vereinbarung handelt, folgt aus § 10 Abs. 3 WEG zudem unmittelbar das Erfordernis einer Eintragung, sofern eine Wirkung der Änderung gegenüber dem Sondernachfolger erzielt werden soll. Wie bei der Begründung von Sondernutzungsrechten kann eine abweichende Regelung innerhalb der bestehenden Gemeinschaft aber auch durch formlose (sogar konkludente) Vereinbarung herbeigeführt werden.344 Für einen Sondernachfolger ist die abweichende Regelung aber nicht bindend.

12.170 Ist ein Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen und sollen dem Begünstigten durch eine Inhaltsänderung bestimmte Befugnisse genommen oder Nachteile begründet werden, ist darüber hinaus auch die Zustimmung der betroffenen Grundbuchgläubiger am Wohnungseigentum des Berechtigten erforderlich (vgl. § 5 Abs. 4 S. 2 WEG).345 Gleiches soll bei der Erweiterung der Befugnisse des Berechtigten für die dinglichen Gläubiger der übrigen Wohnungseigentümer gelten. Für die in der Praxis mit Abstand am weitesten verbreiteten Belastungen mit Grundschulden und Hypotheken wird für die Frage des Betroffenseins i.S.v. §§ 876 f. BGB, § 19 GBO auf die (potentielle) Beeinträchtigung der Werthaltigkeit des Rechts abgehoben. Änderungen, die geeignet sind, den Erlös in der Zwangsversteigerung zu schmälern, sollen den Grundpfandrechtsgläubiger benachteiligen.346 Obwohl der BGH347 lediglich rechtliche Nachteile als geeignet ansieht, das Zustimmungserfordernis auszulösen, wird damit auf den wirtschaftlichen Nachteil abgehoben.348 Grundpfandrechte sind Verwertungsrechte, so dass eine Schmälerung des Haftungsobjektes zwangsläufig potentiell zu einem niedrigeren Versteigerungserlös führen kann, was nach h.M. einen rechtlichen Nachteil begründet (vgl. auch oben Rz. 12.89). Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung von Grundpfandrechtsgläubigern in analoger Anwendung landesrechtlicher Gesetze über die Erteilung von Unschädlichkeitszeugnissen entbehrlich sein kann.349 Dies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich, weil Art. 120 EGBGB als Ermächtigungsgrundlage den Landesgesetzgeber ausdrücklich nur zum Erlass von Vorschriften über die Erteilung von Unschädlichkeitszeugnissen für den Fall der Veräußerung eines Teils des belasteten Grundstücks ermächtigt.350

343 Statt aller vgl. BayObLG, Beschl. v. 8.5.1974 – BReg 2 Z 17/74, BayObLGZ 1974, 217, 219 = MDR 1974, 847; Ott, Das SNR, S. 159; Kreuzer in Staudinger (2018), § 15 WEG Rz. 41; Becker/ Ott/Suilmann, WEG, Rz. 302. 344 Ott, Das SNR, S. 159 f. 345 Kreuzer in Staudinger (2018), § 15 WEG Rz. 41. 346 BayObLG, Beschl. v. 30.10.1984 – BReg 2 Z 90/83, BayObLGZ 1984, 257 (261) = ZMR 1985, 104. 347 BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 346 = NJW 1984, 2409 = MDR 1984, 830. 348 Zur Kritik an dieser Sicht der h.M. s. Häublein, Begründung, S. 154. 349 LG München I, Beschl. v. 27.2.2006 – 13 T 20141/05, Rpfleger 2006, 396 f.; BayObLGZ 1991, 313, 318; Weitnauer, JZ 1985, 927, 932. 350 Ausführlich Ott, Das SNR, S. 82 f.

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Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts

Rz. 12.174 Teil 12

Unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann sich ein Anspruch auf Änderung 12.171 des Inhalts eines Sondernutzungsrechts ergeben.351 Anders als nach der Rechtslage vor der WEG-Novelle rechtfertigen nicht nur außergewöhnliche Umstände ein Änderungsbegehren,352 die ein Festhalten an der bestehenden Regelung als grob unbillig und daher Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.353 Der Gesetzgeber hat insoweit den Maßstab etwas abgesenkt. Ein Festhalten an der geltenden Regelung muss aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheinen. Das Vorliegen schwerwiegender Gründe genügt danach nicht. Vielmehr sind zusätzlich die Rechte und Interessen der Wohnungseigentümer abzuwägen. Nur wenn die bisherige Regelung dann unbillig erscheint, besteht ein Änderungsanspruch. In der Praxis wird dies nur selten der Fall sein. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Inhaltsänderung im Vergleich zur Aufhebung des Rechts (hierzu Rz. 12.184 ff.) in der Regel das mildere Mittel sein wird. Soll die Umwandlung eines dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums in Sondereigentum durchgeführt werden, so erlischt das Sondernutzungsrecht mit dem Vollzug der Umwandlung im Grundbuch. Zu berücksichtigen ist, dass damit nicht lediglich der Inhalt des Rechts verändert, sondern das gemeinschaftliche Eigentum aufgehoben wird. Die Umwandlung bedarf daher gem. § 4 WEG der Auflassung (§ 925 BGB). Es handelt sich also nicht um eine formfreie und daher lediglich für den Grundbuchvollzug (§ 29 GBO) zu beglaubigende Willenserklärung. Nach h.M.354 besteht ein Mitwirkungserfordernis gem. §§ 876 f. BGB auch im Hinblick auf solche Gläubiger, deren dingliches Recht an einem Wohnungseigentum besteht, das vor der Umwandlung durch Vereinbarung vom Gebrauch der betroffenen Flächen oder Gebäudeteile ausgeschlossen war. Der „Entzug“ des gemeinschaftlichen Eigentums hat rechtlich eine andere Qualität als der bloße Gebrauchs- oder Nutzungsausschluss.

12.172

2. Inhaltsänderung durch Beschluss der Wohnungseigentümer a) Abgrenzung zwischen inhaltlicher Ausformung und Inhaltsänderung Gem. § 15 Abs. 2 WEG können die Eigentümer über den Gebrauch des gemeinschaftlichen 12.173 Eigentums und des Sondereigentums mit Stimmenmehrheit beschließen. Die Begründung eines Sondernutzungsrechts ändert daran grundsätzlich nichts. Insbesondere unterliegt auch die Ausübung des Sondernutzungsrechts den Beschränkungen des § 14 WEG (s.o. Rz. 12.112), so dass ein Beschluss zulässig sein muss, der diese Schranke lediglich konkretisiert.355 Insoweit kann für das Sondernutzungsrecht nichts anderes gelten als für das von § 15 Abs. 2 WEG ausdrücklich erwähnte Sondereigentum. Ein Beschluss, der demgegenüber – wenn auch nur im Ergebnis – zu einer dauernden Ab- 12.174 änderung der Sondernutzungsregelung führt, übersteigt die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft (hierzu sogleich unter Rz. 12.176 ff.), wenn nicht die Gemeinschaftsordnung ei351 BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 65/17, ZWE 2018, 353 (LS). 352 Ott, Das SNR, S. 164. 353 Vgl. hierzu Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 18.8.1994 – 2 Wx 27/93, ZMR 1994, 170, 171. 354 BayObLG, Beschl. v. 5.9.1991 – BReg 2 Z 95/91, BayObLGZ 1991, 313 = NJW-RR 1992, 208; Ott, Das SNR, S. 174; a.A. F. Schmidt, WE 1996, 157, 158. 355 S. KG, Beschl. v. 8.9.1995 – 24 W 5943/94, KG-Report 1996, 97 = NJW-RR 1996, 586 = ZMR 1996, 279.

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Teil 12 Rz. 12.174

Sondernutzungsrechte

ne Öffnungsklausel enthält.356 Das bedeutet, dass die Eigentümer das Recht lediglich in den durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebenen Grenzen ausformen dürfen. Der Abgrenzung zwischen – grundsätzlich zu vereinbarender – Inhaltsänderung und im Beschlusswege herbeizuführender inhaltlicher Ausformung kommt also entscheidende Bedeutung zu. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dabei aus dem Umstand, dass dem Begünstigten mit der Begründung des Sondernutzungsrechts gerade bestimmte Befugnisse eingeräumt sind, die anders als bei der Ausgestaltung des Mitgebrauchsrechts über eine Regelung des Rücksichtnahmegebotes nicht entzogen werden dürfen. Der Begünstigte ist nämlich grundsätzlich zur umfassenden Nutzung eines Teils des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt.

12.175 In der Praxis haben vor allem Gebrauchsbeschränkungen im Hinblick auf Kfz-Stellplätze die Gerichte immer wieder beschäftigt. Zulässig (und in concreto nicht einmal anfechtbar) soll etwa ein Beschluss sein, der die Befugnis des Sondernutzungsberechtigten auf das Parken eigener Fahrzeuge sowie solcher von Kindern und Lebensgefährten beschränkt.357 Auch das Verbot, nicht fahrtaugliche Fahrzeuge auf oberirdischen Parkplätzen abzustellen, soll – legt man die Ratio der Rechtsprechung des Kammergerichts358 zugrunde – gem. § 15 Abs. 2 WEG beschlossen werden können. Die Beschränkung auf das Abstellen von Pkw soll jedenfalls dann unzulässig sein, wenn die Sondernutzungsfläche infolge ihrer Größe (im konkreten Fall eine ca. 60 m2 große Hoffläche) das Abstellen großer Fahrzeuge (z.B. eines ca. 9 m langen Wohnmobils) erlaubt.359 Sofern eine Teileigentumseinheit geschäftlich benutzt wird, widerspricht ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung, der das Abstellen von Kunden- bzw. Besucherfahrzeugen auf den zur Anlage gehörenden Stellplätzen untersagt.360 Letztlich kommt es maßgeblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (Inhalt der Gemeinschaftsordnung, Parkplatzsituation etc.) an. Hat der Inhaber eines Sondernutzungsrechtes an einer vor seiner Penthousewohnung gelegenen Verbindungsbrücke zwischen zwei Treppenhäusern eine Mitbenutzung durch der übrigen Wohnungseigentümer als Fluchtweg im Notfall zu dulden, kann das Mitgebrauchsrecht durch Beschluss ausgestaltet werden. Im Rahmen der Ordnungsmäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass ein Sondernutzungsrecht begründet worden ist und ein Mitgebrauch nur für den Ausnahmefall geduldet werden muss.361 b) Grenzen der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer

12.176 Die unter Rz. 12.173 ff. angeführten Rechtsprechungsbeispiele zu den Gebrauchsregelungen in Bezug auf Kfz-Stellplätze verdeutlichen, dass sich allgemeine Leitlinien für die Beantwortung der Frage nach der Ordnungsgemäßheit einer bestimmten Regelung zur Ausgestaltung des Rücksichtnahmegebots i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG nur schwer aufstellen lassen. Aus diesem Grund hat der BGH in seiner Entscheidung vom 20.9.2000362 – allerdings im Zusammenhang 356 LG Bonn, Beschl. v. 8.12.2004 – 8 T 176/03, ZMR 2005, 911 f. 357 KG, Beschl. v. 8.9.1995 – 24 W 5943/94, KG-Report 1996, 97 = NJW-RR 1996, 586 = ZMR 1996, 279. 358 KG, Beschl. v. 8.9.1995 – 24 W 5943/94, KG-Report 1996, 97 = NJW-RR 1996, 586 = ZMR 1996, 279. 359 KG, Beschl. v. 20.10.1999 – 24 W 9855/98, KG-Report 2000, 55. 360 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.7.1999 – 2Z BR 100/99, NZM 1999, 1145 – dort allerdings waren an den Stellplätzen keine Sondernutzungsrechte begründet. Steht dem Teileigentümer sogar das alleinige Nutzungsrecht an den Stellplätzen zu, ist ein derartiger Beschluss aber erst recht unzulässig. 361 OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2009 – 15 Wx 188/08, ZMR 2010, 54. 362 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff.

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Änderung des Inhalts eines Sondernutzungsrechts

Rz. 12.180 Teil 12

mit der Begründung von Sondernutzungsrechten – herausgestellt, dass das Merkmal „ordnungsmäßig“ aus Gründen der Rechtssicherheit nicht dazu geeignet ist, die Grenze für die Beschlusskompetenz der Eigentümer zu bilden.363 Welche Auswirkungen die Entscheidung auf die Frage nach der Beschlusskompetenz zur inhaltlichen Ausgestaltung von Sondernutzungsrechten hat, ist bislang wenig geklärt. Würde man die Grundsätze der Entscheidung auf die Frage nach dem Umfang der Beschlusskompetenz der Gemeinschaft im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung von Sondernutzungsrechten anwenden, wäre zumindest eine das alleinige Gebrauchsrecht als solches in Frage stellende Gebrauchsregelung nichtig (z.B. eine Regelung, nach der die übrigen Eigentümer in Zukunft zum Mitgebrauch befugt sein sollen). Auch eine Regelung, die bestimmte in der Gemeinschaftsordnung verankerte Befugnisse des Berechtigten (z.B. Recht auf Vornahme baulicher Veränderungen) abändert, wäre nach der Ratio der Entscheidung des BGH als nichtig anzusehen. Für nichtig wird man ferner eine Regelung halten müssen, die dem Berechtigten die Vermietung des Sondernutzungsrechts untersagt. Denn wenn dem Begünstigen das Recht zur umfassenden Nutzung eingeräumt wurde,364 enthält dieses auch die Befugnis, neben den Gebrauchsvorteilen die sonstigen Nutzungen zu ziehen. Mit einem Vermietungsverbot aber würde de facto das Recht zur Ziehung von Rechtsfrüchten (§ 99 Abs. 3 BGB) aufgehoben.

12.177

Hält man ein Vermietungsverbot für nichtig, liegt es nahe, auch eine Beschränkung des Gebrauchsrechts auf Angehörige des Berechtigten für unzulässig zu halten, weil dann lediglich eine (wirtschaftlich uninteressante) Vermietung an Angehörige in Betracht käme.365

12.178

Im Übrigen können sich Beschränkungen des Gebrauchsrechts ergeben, die aus der Gemeinschaftsordnung nicht ersichtlich sind (z.B. Beschluss der Eigentümer, dass zu bestimmten Zeiten im Garten nicht gegrillt oder gespielt werden darf). Der Sondernachfolger kann sich nicht darauf verlassen, dass ihm alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung verboten ist. Zwar wäre es für einen Sondernachfolger wünschenswert, Einschränkungen seines Gebrauchs-/Nutzungsrechts aus dem Grundbuch ersehen zu können. Jedoch gilt dies zumindest in gleichem Maße für Gebrauchsbeschränkungen im Hinblick auf das Sondereigentum. Der BGH366 nimmt hier tendenziell Beschlusskompetenz für sämtliche Regelungen unterhalb der Schwelle des Gebrauchsentzugs an.367

12.179

Für die anwaltliche Beratung folgt daraus, dass das Gebrauchsrecht beschränkende Beschlüsse unbedingt fristgerecht anzufechten sind, sofern sie das Recht in nicht ordnungsmäßiger Weise beschränken. Ferner ist bei der Veräußerung von Sondernutzungsrechten seitens des Veräußerers vorsorglich auf den Gebrauch beschränkende Beschlüsse hinzuweisen. Der Erwerber kann sich zwar durch Einsichtnahme in die Beschlusssammlung informieren (vgl. § 24 Abs. 7 WEG). Es ist aber bislang nicht geklärt, ob ein Unterlassen gleichwohl die Verletzung ei-

12.180

363 Anders Häublein, ZMR 2000, 423, 429. 364 Davon ist auszugehen, wenn lediglich von Sondernutzungsrechten die Rede ist und keine Beschränkungen geregelt sind (s.o. Rz. 12.5). Eine Beschränkung auf ein Gebrauchsrecht stellt es aber dar, wenn der Berechtigte nach der GO nur zur „Benutzung“ oder „zum Gebrauch nach § 15 Abs. 1 WEG“ berechtigt sein soll. Die Fruchtziehung ist dann nicht Inhalt des Sondernutzungsrechts. 365 A.A. KG, Beschl. v. 8.9.1995 – 24 W 5943/94, KG-Report 1996, 97 = NJW-RR 1996, 586 = ZMR 1996, 279 noch zur Rechtslage vor der Entscheidung des BGH v. 20.9.2000. 366 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff. 367 Zur Kritik an der Rechtsprechung des BGH vgl. Häublein, ZWE 2001, 2 ff.

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Teil 12 Rz. 12.180

Sondernutzungsrechte

ner kaufvertraglichen Aufklärungspflicht und damit die Mängelrechte nach § 437 BGB begründet. 3. Inhaltsänderung durch den aufteilenden Eigentümer

12.181 Mit der Eintragung der ersten Auflassungsvormerkung zugunsten eines Erwerbers verliert der aufteilende Eigentümer die Befugnis zur einseitigen Änderung der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung.368 Damit kann er von diesem Augenblick an grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung,369 auch nicht mehr eine einseitige inhaltliche Abänderung der in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Sondernutzungsrechte bewirken.

12.182 Häufiger als man denkt, kommt es vor, dass der aufteilende Eigentümer dem Erwerber ein Sondernutzungsrecht verkauft, welches in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung nicht – oder zumindest nicht so wie verkauft – existiert. Eine Regelung im Kaufvertrag über die inhaltliche Ausgestaltung bestehender Sondernutzungsrechte bindet die übrigen Erwerber nicht.370 Dem Erwerber des Sondereigentumsrechts stehen in diesem Fall die Rechte aus § 437 BGB zu, weil der Kaufgegenstand mit einem Rechtsmangel behaftet ist.

12.183 Lediglich dann, wenn der aufteilende Eigentümer sämtliche Käufer in den Erwerbsverträgen an eine von der Gemeinschaftsordnung abweichende Regelung gebunden hat, wäre eine Vereinbarung außerhalb des Grundbuchs zustande gekommen. Hierbei handelt es sich dann freilich nicht um eine einseitige Abänderung der Gemeinschaftsordnung durch den aufteilenden Eigentümer, sondern um eine schuldrechtliche Vereinbarung aller Erwerber und des teilenden Eigentümers. Voraussetzung für eine derartige Änderung ist, dass die Erklärungen sämtlicher Erwerber und des teilenden Eigentümers den Willen erkennen lassen, ihr Verhältnis untereinander in Abweichung von den Regelungen der Gemeinschaftsordnung auszugestalten und dass der Veräußerer als Empfangsvertreter der übrigen Erwerber auftritt. Da derartige Regelungen aber wegen der fehlenden Eintragung nicht rechtsbeständig sind, liegt bei Verkauf eines auf Dauer angelegten („verdinglichten“) Sondernutzungsrechts auch in diesen Fällen regelmäßig ein Mangel der Kaufsache vor.371 Insbesondere berechtigt eine im Erwerbsvertrag erteilte allgemeine Änderungsvollmacht den Veräußerer (= aufteilender Eigentümer) nicht dazu, die Verpflichtung zur Verschaffung eines „verdinglichten“ Sondernutzungsrechts in eine auf Verschaffung eines lediglich inter partes wirkenden („schuldrechtlichen“) Rechts abzuändern.372

368 BGH, Urt. v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, ZWE 2017, 169 f.; BayObLG, Beschl. v. 15.10.1998 – 2Z BR 42/98, ZMR 1999, 115 = ZfIR 1999, 40. 369 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, NJW 2012, 676 (Rz. 12). 370 Vgl. KG, Beschl. v. 19.10.1998 – 24 W 6730/97, KGR 1999, 195 = NZM 1999, 568 = WE 1999, 187. 371 S. BGH, Urt. v. 17.5.2002 – V ZR 149/01, ZWE 2002, 398 (399). 372 Vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2002 – V ZR 149/01, ZWE 2002, 398.

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Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.186 Teil 12

VI. Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts 1. Aufhebung durch Zusammenwirken aller Wohnungseigentümer a) Allgemeines Aus der Tatsache, dass das Sondernutzungsrecht das Resultat einer vertraglichen Regelung der Wohnungseigentümer ist, folgt, dass auch die Aufhebung als „actus contrarius“ der Regelung der beteiligten Wohnungseigentümer bedarf.373 Erforderlich ist daher ein – auch hier grundsätzlich formlos zulässiger – allseitiger Vertrag sämtlicher Wohnungseigentümer.

12.184

Handelt es sich um ein Sondernutzungsrecht, das keinen Eingang in das Grundbuch gefunden hat, so wird die Aufhebung mit der Zustimmung des letzten Wohnungseigentümers wirksam und das Recht erlischt. Die Veräußerung eines Wohnungseigentums führt demgegenüber entgegen wohl h.M. nicht zum Wegfall der Sondernutzungsvereinbarung. Auch wenn der Sondernachfolger des nichtbegünstigten Wohnungseigentümers an diese nicht gebunden ist (§ 10 Abs. 3 WEG), bleibt die Vereinbarung im Verhältnis der Vertragsparteien wirksam.374

12.184a

Auch ohne Aufhebung und Löschung eines Sondernutzungsrechts kann mit dem Sondernachfolger individualvertraglich ein Ausübungsverzicht vereinbart werden.375

12.184b

b) Besonderheiten im Grundbuch eingetragener Sondernutzungsrechte Weit häufiger ist in der Praxis der Fall, dass Sondernutzungsrechte gem. § 10 Abs. 3 WEG in das Grundbuch eingetragen worden sind. Hier ist darauf zu achten, dass zur Aufhebung als actus contrarius der Begründung nach h.M.376 neben einer Einigung eine Eintragung in das Grundbuch (= Löschung) gemäß §§ 877, 873 BGB erforderlich ist. Ein einseitiger Verzicht des Sondernutzungsberechtigten analog § 875 BGB genügt nicht.377 Die Aufhebung eines eingetragenen Sondernutzungsrechts führt nach h.M. zur Änderung des Inhalts aller Wohnungseigentumsrechte. An die Stelle der alleinigen Nutzungsbefugnis bzw. des Nutzungsausschlusses tritt wieder der gesetzliche Eigentumsinhalt nach § 13 Abs. 2 WEG (= Mitnutzung).

12.185

Nach einer überraschenden Entscheidung des BGH,378 der eine Inhaltsänderung des Sondereigentums i.S.d. § 877 BGB befürwortet, soll eine Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer gleichwohl nicht erforderlich sein. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass § 877 BGB dem Schutz vor benachteiligenden Inhaltsänderungen diene. Zur Löschung eines Sondernutzungsrechts sei danach eine Einigung nicht erforderlich, weil die von der Nutzung ausgeschlossenen Wohnungseigentümer dadurch nicht beeinträchtigt würden. Der materiellrechtliche Bestand des Sondernutzungsrechts sei von der Löschung nicht betroffen. Die Lö-

12.186

373 BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = ZWE 2001, 63 = ZMR 2001, 119. 374 LG Freiburg, Beschl. v. 20.4.2004 – 4 T 210/03, Häublein, DNotZ 2002, 227; a.A. OLG Köln, NZM 2001, 1135; BayObLG, Beschl. v. 2.2.2005 – 2 Z BR 222/04; LG Karlsruhe, Urt. v. 5.12.2017 – 11 S 145/16, ZWE 2018, 208, 211; Spielbauer/Then, § 13 WEG Rz. 39, 32. 375 OLG Schleswig, Urt. v. 12.9.2001 – 4 U 110/00, ZWE 2002, 427. Zu den Risiken derartiger rein schuldrechtlicher Vereinbarungen s. bereits oben Rz. 12.35 f. 376 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7.1995 – 3 Wx 201/95, DNotZ 1996, 674; OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.1996 – 15 W 58/96, DWE 1997, 119 ff.; BayObLG, Beschl. v. 30.3.2000 – 2Z BR 18/00, ZMR 2000, 472, 473; Demharter, FGPrax 1996, 6; Schweiger, SNR, S. 270; Ott, Das SNR, S. 166 f. 377 BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133; Ott, Das SNR, S. 166; a.A. MünchKomm/Röll, 3. Aufl., § 10 WEG Rz. 43; Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, S. 122. 378 BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = ZWE 2001, 63 = ZMR 2001, 119.

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Teil 12 Rz. 12.186

Sondernutzungsrechte

schung des Sondernutzungsrechts führe lediglich dazu, dass der Begünstigte es einem Sondernachfolger eines anderen Wohnungseigentümers nicht mehr entgegenhalten könne, weshalb auch nur der Begünstigte i.S.d. § 19 GBO betroffen sei. Formell-rechtlich genüge mithin dessen Bewilligung.

12.186a Die Entscheidung überzeugt nicht. Insbesondere würdigt der BGH nicht, dass es für die Inhaltsänderung durch die Rechtsinhaber nach §§ 877, 873 BGB (anders als bei Drittberechtigten gemäß § 876 BGB, § 19 GBO) auf eine Benachteiligung gerade nicht ankommt, vielmehr jedwede Inhaltsänderung eine Einigung gemäß § 873 BGB erfordert (arg. § 877 BGB). Nach der Argumentation des BGH wäre eine Einigung auch zur Begründung von Sondernutzungsrechten nicht erforderlich (= der Berechtigte wird nicht benachteiligt), die aber verlangt wird. Die Entscheidung des BGH führt zudem zu Manipulationsmöglichkeiten und Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Aufhebung sonstiger Vereinbarungen.379 In der Praxis erleichtert diese jedoch die Löschung von Sondernutzungsrechten, weil sie die Vorlage beglaubigter Zustimmungserklärungen sämtlicher Eigentümer entbehrlich macht.

12.187 Da es sich nach h.M. bei den im Grundbuch eingetragenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung um solche über den Inhalt des Eigentums i.S.d. § 877 BGB handelt, hängt die Aufhebung von der Zustimmung der Belastungsgläubiger ab (§§ 877, 876 Abs. 1 S. 1 BGB).380 Allerdings ist eine Zustimmung nach § 876 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB dann entbehrlich, wenn das Recht des Gläubigers durch die Aufhebung nicht berührt wird. Für den in der Praxis wohl häufigsten Fall der Belastung eines Wohnungseigentums mit einer Grundschuld oder einer Hypothek wird daraus abgeleitet, dass die Zustimmung des Gläubigers erforderlich ist, für den sich der Wert des Pfandobjekts mindert. Grundsätzlich ist dies nur das begünstigte Wohnungseigentum, dem das aufzuhebende Sondernutzungsrecht zugewiesen war. Sonstige Grundpfandrechtsgläubiger hingegen sind von der Aufhebung des Sondernutzungsrechts nicht nachteilig betroffen, so dass ihre Zustimmung entbehrlich ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn mit dem Sondernutzungsrecht die Kostentragungspflicht verknüpft ist und die Aufhebung der Regelung zu einer Kostenmehrbelastung der anderen Einheiten führt.381

12.188 Nach den Vorschriften des Grundbuchrechts bedarf die Eintragung der Löschung des Sondernutzungsrechts in das Grundbuch der Bewilligung derjenigen, die von der Eintragung in ihren (grundbuchlichen) Rechten betroffen sind (§ 19 GBO). Betroffen i.S.d. Norm ist unstreitig der Inhaber des Wohnungseigentums, dem das Sondernutzungsrecht zugewiesen ist, so dass dessen Erklärung in der Form des § 29 GBO eingeholt werden muss. Gleiches gilt für die Zustimmungserklärungen Dritter gem. §§ 876 f. BGB (vgl. oben Rz. 12.187). c) Anspruch auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung

12.189 Da Sondernutzungsrechte häufig einen nicht unerheblichen Wert verkörpern, versteht es sich nahezu von selbst, dass der Inhaber des Rechts ein schutzwürdiges Interesse an dessen Bestand hat. Andererseits handelt es sich bei Sondernutzungsrechten um Regelungen des Gemeinschaftsverhältnisses. Hierfür gilt die zwischen den Wohnungseigentümern bestehende gestei-

379 Zur Kritik ausführlich Müller, ZMR 2000, 473; Häublein, ZMR 2001, 120; Ott, ZMR 2002, 7, 9 ff.; Deckert/Ott, Gr. 3, Rz. 337; Becker/Ott/Suilmann, WEG, Rz. 310. 380 BGH, Beschl. v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 346 = NJW 1984, 2409 = MDR 1984, 830. 381 Häublein, Begründung, S. 151 ff.

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Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.192 Teil 12

gerte Pflichtenbeziehung.382 Diese kann in Extremfällen zu einem Anspruch nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG auf Aufhebung des Rechts führen.383 Voraussetzung ist, dass ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Ein derartiger Anspruch kann sowohl auf Seiten der übrigen Eigentümer entstehen (z.B. wenn die Gemeinschaft auf einen Teil der Sondernutzungsfläche zur Befolgung bestimmter behördlicher Auflagen zwingend angewiesen ist)384 als auch zugunsten des Sondernutzungsberechtigten (z.B. wenn die mit dem Recht verbundene Kostenlast völlig außer Verhältnis zu dessen Nutzen steht). Denkbar sind Ansprüche auf Aufhebung und Neubegründung von Sondernutzungsrechten auch in dem Fall des sog. steckengebliebenen Baus, wenn eine geplante bauabschnittsweise Errichtung der Wohnanlage nicht verwirklicht werden kann (z.B. wegen Fehlens der Baugenehmigung). Wurden etwa allen Wohnungseigentümern Kfz-Stellplätze zur Sondernutzung zugewiesen, von denen sich ein Teil in einer Tiefgarage befindet, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht errichtet werden konnte, kann ein Anspruch der benachteiligten Wohnungseigentümer auf Einräumung des Mitgebrauchs (und Aufhebung von Sondernutzungsrechten) oder Begründung von Sondernutzungsrechten an oberirdischen Stellplätzen bestehen. Allerdings ist zu betonen, dass die Aufhebung des Rechts gegen den Willen des Berechtigten stets nur als ultima ratio in Betracht kommt und dieser regelmäßig nur gegen Zahlung einer angemessenen finanziellen Entschädigung zur Zustimmung verpflichtet ist.385 Im Einzelfall kann eine bloße Duldungsverpflichtung des Berechtigten ein milderes Mittel im Vergleich zur Aufhebung des Rechts sein. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob die zu duldende Mitnutzung nicht der Annahme eines fortbestehenden Sondernutzungsrechts entgegensteht. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn dem Berechtigten keinerlei eigene Nutzungsmöglichkeit verbleibt (z.B. Kfz-Stellplatz wird für die Errichtung eines notwendigen Kinderspielplatzes benötigt). In solchen Fällen wird man den Betroffenen in der Konsequenz auch für verpflichtet halten müssen, bei der Anpassung des Grundbuchs an die geänderte Rechtslage mitzuwirken, sofern nicht die Bewilligung gem. § 22 Abs. 1 GBO ohnehin entbehrlich ist.

12.190

Sofern die Voraussetzungen für einen Aufhebungsanspruch im Einzelfall bejaht werden können, stellt sich die Frage, ob auch Dritte gem. §§ 876 f. BGB der Löschung zustimmen müssen. Derartige Zustimmungspflichten werden sich – jedenfalls den übrigen Eigentümern gegenüber – in der Regel nur schwer begründen lassen. Allerdings kann dem Sondernutzungsberechtigten selbst ein derartiger Anspruch (z.B. seiner finanzierenden Bank gegenüber als Nebenpflicht aus dem Darlehensvertrag oder der Sicherungsabrede) zustehen. Den anderen Eigentümern schuldet der Berechtigte dann die Durchsetzung dieses Anspruchs, hilfsweise dessen Abtretung, soweit diese gem. § 399 BGB zulässig ist.

12.191

In geringerem Maße schutzbedürftig sind allerdings regelmäßig die übrigen Eigentümer. So kann etwa der „Ankauf“ einer Sondernutzungsfläche zu Lasten der Gemeinschaftskasse dann geboten sein, wenn die Gemeinschaft die Fläche als Müllstandplatz zwingend benötigt.386 Da

12.192

382 Armbrüster in FS Merle (2000), S. 1 ff. = ZWE 2002, 333. 383 BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 65/17, ZWE 2018, 353 (LS); Ott, Das SNR, S. 167 f.; Becker/Ott/ Suilmann, WEG, Rn. 308. 384 Hierzu etwa KG, Beschl. v. 25.1.1999 – 24 W 1394, ZMR 1999, 356. 385 KG, Beschl. v. 25.1.1999 – 24 W 1394, ZMR 1999, 356 (Anspruch aus § 812 BGB). 386 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1998 – 2Z BR 23/98, ZMR 1998, 649 (mit Anm. Müller).

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Teil 12 Rz. 12.192

Sondernutzungsrechte

dies rechtlich nichts weiter ist als die Aufhebung des Sondernutzungsrechts, besteht ein Anspruch der übrigen Eigentümer auf Zustimmung zur Aufhebung, sofern diese erforderlich ist. 2. Aufhebung durch einzelne Wohnungseigentümer a) Verzicht des Sondernutzungsberechtigten

12.193 Im Schrifttum ist erwogen worden, § 875 BGB auf eingetragene Sondernutzungsrechte (direkt oder entsprechend) mit der Folge anzuwenden, dass der Begünstigte einseitig auf das Recht verzichten kann.387 Dem ist vereinzelt auch die Rechtsprechung gefolgt.388 Auch für das dingliche Sondernutzungsrecht gilt jedoch, dass seine Aufhebung grundsätzlich der Mitwirkung aller Eigentümer bedarf. Der BGH389 verneint insoweit die Möglichkeit eines einseitigen Verzichts unter Hinweis darauf, dass die Aufhebung „actus contrarius“ zur Begründung des Rechts sei (§ 877 BGB). b) Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer

12.194 Spätestens seit der Entscheidung des BGH v. 20.9.2000390 steht fest, dass ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümer nicht geeignet ist, eine Regelung der Gemeinschaftsordnung – zu der vereinbarte Sondernutzungsrechte stets gehören – abzuändern oder aufzuheben.

12.195 In Betracht kommt eine wirksame Aufhebung eines Sondernutzungsrechts durch einen Mehrheitsbeschluss allenfalls dann, wenn der Eigentümerversammlung die Kompetenz eingeräumt worden ist, die Gemeinschaftsordnung durch Beschluss zu ändern (zu derartigen Öffnungsklauseln s. Rz. 12.138 ff.). Im Ergebnis ist zu differenzieren zwischen einer konkreten Öffnungsklausel, die ausdrücklich die Aufhebung eines Sondernutzungsrechts durch Beschluss zulässt, und einer nur allgemeinen Öffnungsklausel, wonach die Gemeinschaftsordnung generell durch Beschluss abgeändert werden kann. Ist die Aufhebung eines Sondernutzungsrechts durch Mehrheitsbeschluss konkret geregelt, bedarf es einer Zustimmung des Berechtigten nicht, da dieser hiermit nach dem Grundbuchinhalt jederzeit rechnen muss, das Sondernutzungsrecht also gerade nicht als unentziehbare Rechtsposition eingeräumt ist.391 Der Beschluss darf nur nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen und zu einer unbilligen Benachteiligung führen. Bei einer nur allgemeinen Öffnungsklausel hat der Berechtigte den Entzug des Rechts nicht konkret vor Augen. In der Regel ist hier davon auszugehen, dass das Sondernutzungsrecht als unentziehbare Rechtsposition ausgestaltet wurde, weshalb die Zustimmung des Begünstigten erforderlich ist.392 Die Öffnungsklausel ist zur Bindung von Sondernachfolgern ins Grundbuch einzutragen, nicht aber der daraufhin gefass-

387 Röll, ZWE 2000, 343; MünchKomm/Röll, 3. Aufl., § 10 WEG Rz. 43; Streblow, MittRhNotK 1987, 141, 157. 388 LG Augsburg, Beschl. v. 23.2.1990 – 4 T 4662/89, MittBayNot 1990, 175. 389 Vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = ZWE 2001, 63 = ZMR 2001, 119. 390 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99 – BGHZ 145, 158 ff. = ZWE 2000, 518 ff.; speziell zur Aufhebung eines Sondernutzungsrechts vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.6.2003 – 3 Wx 121/03, ZfIR 2003, 911. 391 Ott, Das SNR, S. 168 f.; Ott, ZWE 2001, 466, 468; a.A. Becker, ZWE 2002, 341, 345: Zustimmung des Berechtigten erforderlich. Damit ist man bei der Frage, ob diese Zustimmung bereits in der Gemeinschaftsordnung antizipiert erteilt worden ist. 392 Becker, ZWE 2002, 341, 345; Ott, Das SNR, S. 168 f.; Ott, ZWE 2001, 466, 468.

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Rz. 12.198 Teil 12

te Beschluss (§ 10 Abs. 4 S. 2 WEG).393 Der Sondernachfolger ist durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung geschützt. Ob man einen derartigen Beschluss auf der Basis einer allgemeinen Öffnungsklausel bis zur Versagung der Zustimmung durch den Betroffenen für schwebend unwirksam hält394 oder ihn allein an den vom BGH395 allgemein entwickelten Kriterien (sachlicher Grund; keine unbillige Benachteiligung einzelner Eigentümer) misst, hat Auswirkungen auf das Erfordernis einer fristgerechten Anfechtung. Hält man die Zustimmung für eine Wirksamkeitsvoraussetzung, wäre eine Anfechtung entbehrlich. Sieht man das anders, kann der Beschluss bestandskräftig werden, weshalb er in jedem Fall vorsorglich innerhalb der Anfechtungsfrist gerichtlich angegriffen werden sollte.

12.196

Ist die Anfechtungsfrist verstrichen, kann ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit 12.197 einer derartigen Regelung gleichwohl erfolgversprechend sein. Dies gilt nicht nur, wenn man die Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung ansieht.396 Eine Nichtigkeit des Beschlusses kann sich auch nach der früher vertretenen sog. Kernbereichslehre ergeben, nach der ein in den Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts eingreifender Beschluss nichtig ist.397 Der BGH hat der Kernbereichslehre in der Entscheidung vom 20.9.2000 keineswegs eine endgültige Absage erteilt.398 Obwohl in Bezug auf die Kernbereichslehre viele Fragen offen sind und deren Anwendungsbereich als ungeklärt gilt,399 lässt sich gleichwohl unter Betonung der großen (wirtschaftlichen) Bedeutung eines Sondernutzungsrechts für den Begünstigten der Entzug eines solchen Rechts als Eingriff in den Kernbereich der Eigentümerbefugnisse begründen.400 Zum Ganzen vgl. auch Rz. 12.96 ff. c) Erklärung des aufteilenden Eigentümers Da ein einseitiger Verzicht auf ein Sondernutzungsrecht grundsätzlich nicht möglich ist, kann auch der aufteilende Eigentümer in der Teilungserklärung begründete Sondernutzungsrechte nicht ändern oder aufheben, es sei denn, er ist nach wie vor Inhaber aller Wohnungseigentumsrechte.401 Nach überwiegend vertretener Auffassung soll allerdings die Zustimmung solcher Erwerber zur Aufhebung eines Sondernutzungsrechts erforderlich sein, zu deren Gunsten bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist.402 Dabei wird jedoch übersehen, dass der Vormerkungsberechtigte nicht in seinen Rechten beeinträchtigt sein kann, weil vormer-

393 Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, Rz. 167; Jennißen in Jennißen, § 10 WEG Rz. 25; Dötsch in Timme, § 10 WEG Rz. 196; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 WEG Rz. 143: Qualifizierung des Beschlusses als Vereinbarung. 394 In diese Richtung etwa Becker/Strecker, ZWE 2001, 569. 395 BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137. 396 Becker/Strecker, ZWE 2001, 569. 397 Hierzu etwa BGH, Beschl. v. 16.9.1994 – V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 105. 398 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99 BGHZ 145, 158 (166) = ZMR 2002, 771, 774, insoweit nicht abgedruckt in ZWE 2000, 518 ff.; s. hierzu auch Schmack/Kümmel, ZWE 2000, 433, 442. 399 Buck, JR 1996, 237, 241; Wenzel, ZWE 2000, 2, 5. 400 Wenzel in FS Hagen (1999), S. 231, 237 f. 401 Zur Aufhebung durch letztwillige Verfügung s. BayObLG, Beschl. v. 9.2.2005 – 2Z BR 223/04, ZWE 2005, 324: Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht genügt für die erforderliche Außenwirkung. 402 Vgl. statt vieler Schneider in Bärmann/Seuß, Rz. C 439; s. auch Rz. 12.181.

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Teil 12 Rz. 12.198

Sondernutzungsrechte

kungswidrige Verfügungen diesem gegenüber nach § 883 Abs. 2 BGB unwirksam sind und dieser sein Recht nach § 888 BGB gegenüber jedermann durchsetzen kann.403

12.199 Es ist gleichwohl nicht zu verkennen, dass der aufteilende Eigentümer ein Interesse daran haben kann, Sondernutzungsrechte nachträglich wieder aufheben zu können. Gelingt es diesem nicht, alle Sondernutzungsrechte zu verkaufen, soll die Nutzung dieser Gemeinschaftsflächen regelmäßig allen Eigentümern zustehen. In solchen Fällen die Zustimmung aller Erwerber einzuholen und ggf. auch noch die Zustimmung Dritter in der Form des § 29 GBO ist ein Aufwand, der vermieden werden kann, wenn man dem aufteilenden Eigentümer bereits in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung das Recht einräumt, die zu seinen Gunsten begründeten Sondernutzungsrechte wieder aufzuheben und löschen zu lassen. Hierbei handelt es sich um eine spiegelbildlich zu den Begründungsvorbehalten getroffene Regelung, die wie folgt lauten könnte:

12.200 M 19 Aufhebungsbefugnis für Sondernutzungsrechte des teilenden Eigentümers Die in dieser Gemeinschaftsordnung zugunsten des … (= teilender Eigentümer) begründeten Sondernutzungsrechte können durch dessen einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt aufgehoben und gelöscht werden. Diese Befugnis endet, sobald der teilende Eigentümer das Sondernutzungsrecht (ggf. auch als Inhalt des Sondereigentums) veräußert hat. Dem Grundbuchamt gegenüber endet die Befugnis des teilenden Eigentümers zur einseitigen Aufhebung jedoch erst, wenn zugunsten des Erwerbers eine die Übertragung des Rechts sichernde Vormerkung in das Grundbuch eingetragen ist oder ein Eintragungsantrag beim Grundbuchamt im Zeitpunkt des Zugangs der einseitigen Aufhebungserklärung und Löschungsbewilligung bereits vorliegt.

12.201 Derartige Löschungsvorbehalte erweisen sich auch dann als praktisch, wenn der aufteilende Eigentümer (z.B. zur Vollendung bestimmter Baumaßnahmen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück) ein Sondernutzungsrecht zu seinen Gunsten an einer bestimmten Grundstücksfläche begründet hat, dieses aber seiner Natur nach nur vorübergehend (bis zum Abschluss der Baumaßnahmen) sein soll. Der Fortbestand des Sondernutzungsrechts ist hier schon wegen der damit etwa verbundenen Pflicht zur Kostentragung oft nicht gewollt und eine auflösende Bedingung, unter die das Sondernutzungsrecht gestellt werden könnte (hierzu unter Rz. 12.202), vermag häufig nicht die für den Grundbuchverkehr notwendige Klarheit zu schaffen. 3. Erlöschen bedingter/befristeter Sondernutzungsrechte a) Praktische Bedeutung von bedingten und befristeten Sondernutzungsrechten

12.202 Bedingte und befristete Sondernutzungsrechte werden in der Praxis vor allem dann begründet, wenn es darum geht, dem aufteilenden Eigentümer einen gewissen Handlungsspielraum bei der Begründung von Wohnungseigentum zu erhalten. Ein Beispiel bilden die unter Rz. 12.70 ff. dargestellten Begründungsvorbehalte, bei denen das Nutzungsrecht des auftei-

403 Ausführlich Ott, Das SNR, S. 79 f.; Häublein, Begründung, S. 128 f.; Ott in Deckert, Gr. 3, Rz. 197.

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Aufhebung, Erlöschen und Entziehung des Sondernutzungsrechts

Rz. 12.204 Teil 12

lenden Eigentümers häufig durch den Verkauf und die Übergabe der letzten Wohnung auflösend bedingt wird. Nach Eintritt dieser Bedingung gilt dann § 13 Abs. 2 WEG (vgl. §§ 158 Abs. 2 BGB). Werden etwa Sondernutzungsrechte an Kellerräumen einem Wohnungseigentümer nach der Gemeinschaftsordnung mit der Maßgabe zugeordnet, dass der teilende Eigentümer diese bis zur Übertragung dieses Wohnungseigentums anderen Wohnungseigentumsrechten zuordnen kann (etwa bei Veräußerung) und dass anderenfalls danach die Nutzungsbeschränkung nicht mehr bestehen soll, erlöschen die Sondernutzungsrechte mit Übertragung des begünstigten Wohnungseigentums.404 Plant der aufteilende Eigentümer eine sukzessive Errichtung weiterer Gebäude auf dem Grundstück, bietet es sich ebenfalls an, ihm die betreffende Fläche zur Sondernutzung zuzuweisen. Mit der Fertigstellung des Bauabschnitts sollte auch das Sondernutzungsrecht enden, wobei allerdings nach Möglichkeit eine Bedingung vereinbart werden sollte, die der Verwalter ohne weiteres nachprüfen kann (z.B. Schlussabnahme oder Anlegung der Wohnungsgrundbücher für den jeweiligen Bauabschnitt). Eher selten findet man in der Praxis befristete Sondernutzungsrechte, was aber nicht heißt, dass deren Einsatz gerade bei knappen Ressourcen nicht durchaus sinnvoll sein kann (z.B. Rotation von Stellplätzen).405 Befristete Sondernutzungsrechte erlöschen mit Fristablauf (§§ 163, 158 Abs. 2 BGB). Zu den Anforderungen an die (grundbuchrechtliche) Bestimmtheit der Bedingung s. Rz. 12.52 a.E. b) Besonderheiten bei Eintragung des Rechts im Grundbuch Soll das Sondernutzungsrecht Eingang in das Grundbuch finden, ist darauf zu achten, dass auch die Bedingung/Befristung eingetragen wird. Ist dies geschehen, wird das Grundbuch nach verbreiteter Ansicht auch dann nicht unrichtig, wenn etwa die auflösende Bedingung eingetreten ist.406 Dies würde einer Berichtigung (§ 22 GBO) entgegenstehen. Ist allerdings das Sondernutzungsrecht nicht nur durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung eingetragen, sondern besteht ein gesonderter Eintragungsvermerk,407 ist aus Gründen der Rechtsklarheit dessen Löschung entsprechend § 22 Abs. 1 GBO zuzulassen. Um den Nachweis dem Grundbuchamt gegenüber möglichst problemlos führen zu können, ist darauf zu achten, dass auflösende Bedingungen dort, wo dies tunlich erscheint, möglichst an einen bestimmten Grundbuchstand anknüpfen (z.B. Anlegung der Wohnungsgrundbuchblätter für einen späteren Bauabschnitt oder Verlust des Eigentums an einer bestimmten Wohnung).

12.203

4. Erlöschen durch Ausscheiden aus der Gemeinschaft Das Sondernutzungsrecht ist per definitionem (s.o. Rz. 12.3) ein Recht, das nur einem Wohnungseigentümer zustehen kann. Dies folgt aus §§ 6, 8 Abs. 2, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 und 3 WEG. Ist es an ein bestimmtes Wohnungseigentum geknüpft, geht es im Zweifel mit dessen Übertragung auf den Erwerber über. Sofern Sondernutzungsrechte als sog. persönliche Sondernut-

404 OLG München, Beschl. v. 17.5.2011 – 34 Wx 6/11, ZWE 2011, 265 f. 405 Allerdings kann eine Rotation, sofern das Verfahren inhaltlich so gestaltet ist, dass kein Eigentümer benachteiligt wird, ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und daher gem. § 15 Abs. 2 WEG beschlossen werden; vgl. BayObLG, Beschl. v. 30.10.1992 – 2Z BR 88/92, NJW-RR 1993, 205; s. hierzu aber auch Rz. 12.94. 406 Ott, Das SNR, S. 170. 407 Hierzu Schöner/Stöber, GBR, Rz. 2915; grundlegend Ertl, Rpfleger 1979, 81.

Ott

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12.204

Teil 12 Rz. 12.204

Sondernutzungsrechte

zungsrechte (z.B. zugunsten des aufteilenden Eigentümers) begründet worden sind,408 stellt sich die Frage nach ihrem Fortbestand im Falle eines Ausscheidens des Berechtigten. Da Sondernutzungsrechte die Folge von Regelungen der Wohnungseigentümer über ihr Verhältnis untereinander sind, ein außenstehender Dritter also niemals Rechtsinhaber sein kann (s.o. Rz. 12.152), erlischt das persönliche Sondernutzungsrecht mit dem Ausscheiden des Berechtigten. Das Grundbuch wäre gem. § 22 Abs. 1 GBO zu berichtigen.

12.205 Ist das Sondernutzungsrecht nicht zur Eintragung in das Grundbuch gelangt, stellt sich die Frage nach dem Fortbestand des Rechts nicht nur bei Ausscheiden des Berechtigten. Vielmehr geht die h.M.409 davon aus, dass die rein schuldrechtliche Regelung „erlischt“, wenn auch nur ein Eigentümer aus der Gemeinschaft ausscheidet und der Sondernachfolger die Pflichten aus diesem Schuldverhältnis nicht übernimmt. Dieser Ansicht kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.410 Lediglich dann, wenn der Eintritt des Sondernachfolgers die Durchführung einer Vereinbarung unmöglich macht, endet das Recht nach Maßgabe des § 275 Abs. 1 BGB. Andernfalls kommt lediglich eine Anwendung der Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht.411 Unzutreffend erscheint jedenfalls die Behauptung,412 der Sondernutzungsberechtigte habe per se kein Interesse mehr am Fortbestand der Regelung den anderen Eigentümern gegenüber, wenn ein Sondernachfolger zur Mitnutzung berechtigt ist.413 Ein solches Interesse wird man im Gegenteil vielmehr regelmäßig annehmen können, da es einen Unterschied macht, ob der sondergenutzte Gegenstand nur von einem (oder mehreren) Sondernachfolger(n) oder von allen Wohnungseigentümern mitgenutzt werden darf. Besonders deutlich wird dies etwa am Beispiel von Kfz-Stellplätzen bei Parkplatzknappheit. Die Chance, den eigenen Pkw abstellen zu können, ist umso größer, je geringer die Anzahl weiterer Nutzungsberechtigter ist. Letztlich handelt es sich bei der Fortwirkung nicht eingetragener Vereinbarungen um ein Problem, das über die hier behandelten Sondernutzungsrechte weit hinausreicht, bislang aber wenig aufgearbeitet erscheint.

VII. Zwangsvollstreckung 12.206 Ein nicht im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht begründet nach einhelliger Auffassung nur einen schuldrechtlichen Anspruch des Berechtigten gegen die übrigen Wohnungseigentümer, im Innenverhältnis die Nutzung eines Teils des gemeinschaftlichen Eigentums zu unterlassen. Dieses stellt zwar ein selbständiges Vermögensrecht dar, kann aber wegen der Beschränkung auf das Innenverhältnis nur von anderen Wohnungseigentümern gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden (§§ 857, 835 Abs. 1 ZPO). Der schuldrechtliche Anspruch auf Unterlassung einer Mitnutzung gemäß § 13 Abs. 2 WEG kann nur einem anderen

408 Entgegen der Ansicht von Elzer, NZM 2016, 529, 531 kann ein persönliches Sondernutzungsrecht selbstverständlich auch als Inhalt des Sondereigentums begründet werden, da die Einräumung einer individuellen Nutzungsbefugnis Gegenstand einer von § 13 Abs. 2 WEG abweichenden Vereinbarung sein kann. 409 S. OLG Köln, Beschl. v. 2.3.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404 = ZMR 2002, 73 = DNotZ 2002, 223, 226 f.; Volmer, ZfIR 2000, 931, 940; Müller, ZMR 2000, 473, 474. 410 Vgl. auch Ott, Das SNR, S. 172 ff.; Häublein, DNotZ 2002, 227, 230 f. 411 Ablehnend Ott, Das SNR, S. 173. 412 Volmer, ZfIR 2000, 931, 940. 413 Hierzu bereits Häublein, DNotZ 2002, 227, 230.

812

Ott

Zwangsvollstreckung

Rz. 12.207 Teil 12

Wohnungseigentümer übertragen werden (§§ 398, 399 Var. 1 BGB). Nur diese können daher die Zwangsvollstreckung in ein nicht eingetragenes Sondernutzungsrecht betreiben.414 Durch die Eintragung eines Sondernutzungsrechts im Grundbuch wird dieses nach h.M. zur Inhaltsbestimmung des Sondereigentums. Das Sondernutzungsrecht ist damit kein selbständiges Vermögensrecht i.S.d. § 857 ZPO mehr und kann demnach auch nicht Gegenstand der Mobiliarzwangsvollstreckung sein. Möglich ist lediglich die Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum, dessen Inhalt es bestimmt (§ 864 ZPO), sodass anders als beim nicht eingetragenen Sondernutzungsrecht auch ein Nichtwohnungseigentümer das Recht wirtschaftlich verwerten kann.415

414 Schuschke, NZM 1999, 830 f.; Ott, ZWE 2010, 335 m.w.N. 415 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.4.2002 – 8 W 492/00, NZM 2002, 884 f.; Schneider, Rpfleger 1998, 53, 60; Ott, Das SNR, S. 145 m.w.N.; Ott, ZWE 2010, 335; a.A. Schuschke, NZM 1999, 830 f.

Ott

813

12.207

Teil 13 Das Verwaltungsverhältnis I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13.1

II. Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . .

13.4

1. Das Bestellungsrechtsverhältnis . . 13.7 a) Erstbestellung aufgrund der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . 13.8 aa) Bestellungstatbestand . . . . . 13.8 bb) Bestellungszeit . . . . . . . . . . 13.10a cc) Rechtsschutzmöglichkeiten 13.11 b) Bestellung aufgrund Mehrheitsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . 13.13 aa) Rechtsnatur des Bestellungsbeschlusses . . . . . . . . . 13.14 bb) Beschlussfassungsverfahren 13.17 cc) Bestellungszeit . . . . . . . . . . 13.23 dd) Zustimmungserklärung des Verwalters . . . . . . . . . . 13.27 ee) Rechtsschutzmöglichkeiten 13.28 (1) Anfechtung des Bestellungsbeschlusses . . . . . . . . . 13.28 (2) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . 13.40 (3) Einstweiliger Rechtsschutz . 13.45 (4) Rechtsschutzmöglichkeiten des Verwalters . . . . . . . . . . 13.46 (5) Klage- und Antragsmuster . 13.50 c) Bestellung aufgrund gerichtlicher Entscheidung . . . . . . . . . . 13.52 aa) Verfügungsanspruch . . . . . . 13.54 (1) Fehlen eines Verwalters . . . 13.56 (2) Vorbefassung der Eigentümerversammlung (Rechtsschutzbedürfnis) . . . 13.57 (3) Benennung von Person, Laufzeit und Entgelt . . . . . . 13.59 bb) Verfügungsgrund . . . . . . . . 13.60 cc) Verfügungsgegner . . . . . . . . 13.61 dd) Inhalt der gerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . 13.64 ee) Streitwert . . . . . . . . . . . . . . 13.65 ff) Rechtsschutzmöglichkeiten 13.66 gg) Antragsmuster . . . . . . . . . . 13.69 2. Das Anstellungsrechtsverhältnis . . a) Anstellung aufgrund der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . b) Anstellung aufgrund Mehrheitsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsnatur des Anstellungsbeschlusses . . . . . . . . .

13.70 13.75 13.77 13.77

bb) cc) dd) (1)

Delegation . . . . . . . . . . . . . Beschlussfassungsverfahren Vertragszeit . . . . . . . . . . . . . Laufzeit des Vertrages = Dauer der Bestellung . . . . . (2) Laufzeit des Vertrages ist nicht geregelt . . . . . . . . . . . (3) Laufzeit des Vertrages ist kürzer als Bestellungszeit . . (4) Laufzeit des Vertrages ist länger als Bestellungszeit . . . ee) Vertragsangebot und -annahme . . . . . . . . . . . . . . ff) Rechtsschutzmöglichkeiten . (1) Anfechtung des Bestellungsbeschlusses . . . . . . . . . (2) Anfechtung des Anstellungsbeschlusses . . . . . . . . . c) Anstellung aufgrund gerichtlicher Entscheidung . . . . . . . . . . III. Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte und Pflichten aufgrund der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben und Befugnisse gegenüber den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft, § 27 Abs. 1 WEG . . . . . . . . . . . . aa) Die Ausführung von Beschlüssen, § 27 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. WEG . . . . . . . . bb) Die Sorge um die Durchführung der Hausordnung, § 27 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG . . . . dd) Dringende Erhaltungsmaßnahmen, § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Finanzverwaltung, § 27 Abs. 1 Nr. 4–6, Abs. 5 WEG . . . . . . . . . . . . (1) Lasten und Kosten, § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG . . . . . . . . (2) Zahlungen und Leistungen, § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG . . . .

Reichert †/Tank/Köhler

13.78 13.81 13.82 13.83 13.84 13.85 13.86 13.87 13.88 13.88 13.89 13.93 13.94 13.95

13.97 13.98

13.102 13.104 13.109 13.114 13.115 13.116

815

Teil 13

Das Verwaltungsverhältnis

(3) Verwaltung eingenommener Gelder, § 27 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 5 WEG . . . . . . . ff) Unterrichtung über einen Rechtsstreit gemäß § 43, § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG . . . . gg) Erklärungen im Zusammenhang mit Telefon, Rundfunk und Energieversorgung, § 27 Abs. 1 Nr. 8 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vertretung der Wohnungseigentümer, § 27 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . . aa) Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen, § 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG . . . . . . . . . . . . . bb) Abwendung von Rechtsnachteilen, § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG . . . . . . . . . . . . . cc) Geltendmachung von Ansprüchen, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . dd) Streitwertvereinbarungen, § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG . . . . c) Gesetzliche Vertretung der Gemeinschaft, § 27 Abs. 3 WEG . . aa) Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WEG . . . . . . . . . . bb) Abwendung von Rechtsnachteilen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG . . . . . . . . . . cc) Laufende Sanierungsmaßnahmen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . dd) Maßnahmen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3–5 und Nr. 8, § 27 Abs. 3 Nr. 4 WEG . . . . ee) Kontoführung, § 27 Abs. 3 Nr. 5 WEG . . . . . . . . . . . . . ff) Streitwertvereinbarungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 WEG . gg) Ermächtigung zu Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG . . . . . . . . . . d) Gesetzliche Vertretung der Gemeinschaft durch die Eigentümer, § 27 Abs. 3 S. 2 und S. 3 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

816

Reichert †/Tank/Köhler

13.120 13.122

13.125 13.140

13.141 13.142 13.143 13.144 13.146

e) Vollmachts- und Ermächtigungsurkunde, § 27 Abs. 6 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.162 2. Rechte und Pflichten aufgrund der Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergütungsanspruch . . . . . . . . . aa) Grund- und Sondervergütung . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirksamkeit einzelner Sondervergütungsklauseln . . . . b) Sonstige vertraglichen Rechte und Pflichten, die über die gesetzlichen Regelungen des WEG hinausgehen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einzelne Vertragsklauseln . . . d) Weitere Pflichten nach dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Informationspflicht, § 666 BGB erster Fall . . . . . bb) Die Auskunftspflicht, § 666 BGB zweiter Fall . . . . cc) Die Rechenschaftspflicht, § 666 BGB dritter Fall . . . . . dd) Die Herausgabepflicht, § 667 BGB . . . . . . . . . . . . . ee) Die Einsichtsgewährungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . .

13.163 13.166 13.167 13.171

13.184 13.211 13.212 13.213 13.214 13.215 13.216 13.217

3. Sekundäransprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzung . . . 13.218 13.147 13.148 13.150 13.151 13.152 13.153

13.154

13.158

4. Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterlassung und Widerruf ehrenrühriger Behauptungen . . . b) Schadensersatzpflichten aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . c) Winterdienst als praxisrelevanter Sonderfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht . . . . . aa) Öffentliche Wege und Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Private Wege und Flächen . cc) Eigenverschulden des Verletzten . . . . . . . . . . . . . .

13.219 13.220 13.223 13.224 13.225 13.228 13.230

IV. Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.241 1. Das Bestellungsrechtsverhältnis . . a) Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . c) Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Rechtsakt der Abberufung . . . . . . . . . . . .

13.242 13.243 13.244 13.245 13.246

Definition

bb) Die ordentliche Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die außerordentliche Abberufung . . . . . . . . . . . . dd) Einzelfälle wichtiger Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . d) Amtsniederlegung . . . . . . . . . . .

9. Aufwendungsersatzansprüche . . . . 13.331 13.247 13.248 13.252 13.277

2. Das Anstellungsrechtsverhältnis . . 13.281 a) Einvernehmliche Beendigung . . 13.282 b) Einseitige Beendigung . . . . . . . . 13.283 3. Durchsetzen von Abberufung und Kündigung eines Verwalters . . . . . a) Direkte Abberufung und Kündigung durch Urteil . . . . . . . . . . . b) Abberufung und Kündigung durch Beschlussfassung . . . . . . . aa) Erreichen einer Abwahlversammlung . . . . . . . . . . . bb) Verhalten in der Abwahlversammlung . . . . . . . . . . . cc) Die Abwahlentscheidung . .

Rz. 13.2 Teil 13

10. Rechtsschutz des Verwalters gegen die Kündigung des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.333 11. Rechtsschutz des Verwalters gegen seine Abberufung . . . . . . . . 13.334 a) Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . 13.334 b) Einstweilige Verfügung . . . . . . . 13.343 VI. Entlastung des Verwalters . . . . . . . 13.345 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.345

13.287 13.288 13.293 13.294 13.298 13.299

4. Rechtsschutz gegen die Abberufung und Kündigung für einzelne Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . 13.305 V. Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters . . . . . . . . . . . . . . 13.306 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.308 2. Die Abrechnungspflicht . . . . . . . . 13.309 3. Die Rechnungslegungspflicht . . . . 13.310 4. Die Pflicht zur Aufstellung des Wirtschaftsplanes . . . . . . . . . . . . . 13.315 5. Herausgabepflichten . . . . . . . . . . . 13.319 6. Die Pflicht zur Fortführung gerichtlicher Verfahren . . . . . . . . . 13.324 7. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 13.326

2. Prüfungsschritte/Überlegungen des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . . . 13.350 3. Wirkungen der Entlastung im WEG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.352 a) Umfang der Entlastung . . . . . . . 13.352 b) Grenzen bei der Entlastung . . . . 13.353 4. Hat der Verwalter bei der eigenen Entlastung ein Stimmrecht? . . . . . 13.354 5. Anspruch des Verwalters auf Entlastung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.358 6. Die Inkongruenz von Jahresabrechnung und Entlastung und von Entlastung und Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.363 7. Die rechtliche „Begründung“ für eine Entlastung . . . . . . . . . . . . 13.372 8. Entlastung = ordnungsmäßige Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.375 a) Entlastung bei fehlerhaftem Verhalten des Verwalters . . . . . . 13.375 b) Entlastung des Verwalters, wenn keine Mängel in der Verwaltertätigkeit erkennbar sind . . . . . . . 13.379 9. Streitwerte/Beschwer . . . . . . . . . . . 13.394

8. Rechte und Pflichten bei weiteren Eigentümerversammlungen . . . . . 13.330

I. Definition Als Verwaltungsverhältnis kann man die Summe der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Verwalter auf der einen und den Wohnungseigentümern als Bruchteilseigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums sowie der teilrechtsfähigen Gemeinschaft auf der anderen Seite bezeichnen.

13.1

Nach der im WEG-Recht herrschenden Trennungstheorie ist zwischen dem Verwalter als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft und Vertreter der Wohnungseigentümer einer-

13.2

Reichert †/Tank

817

Teil 13 Rz. 13.2

Das Verwaltungsverhältnis

seits und dem Verwaltervertrag andererseits zu unterscheiden.1 Das Verwalteramt und damit die Organstellung mit ihren sich aus dem Gesetz und der Gemeinschaftsordnung ergebenden Rechten und Pflichten wird durch die Bestellung nach § 26 Abs. 1 S. 1 WEG übertragen.2 Der Bestellung liegt regelmäßig ein Verwaltervertrag zugrunde, ohne dass dies zwingend ist. Von der Trennungstheorie ist die Einheitstheorie zu unterscheiden. Danach fallen Bestellung und Verwaltervertrag stets zusammen und sind als vertragliche Einheit zu betrachten.3 In der Praxis ist die Unterscheidung meist nicht relevant. Auch nach der Trennungstheorie ist die Verflechtung von Bestellung und Verwaltervertrag anerkannt, da grundsätzlich nur ein Gleichlauf von Bestellung und Vertrag ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen soll.4 Im Folgenden wird von der h.M., also der Trennungstheorie ausgegangen.

13.3 Die Wohnungseigentümer sind von Gesetzes wegen nicht gezwungen, ein Verwaltungsverhältnis zu begründen. Die Bestellung eines Verwalters kann nach § 20 Abs. 2 WEG lediglich nicht durch einen Rechtsakt ausgeschlossen werden. Derartige Beschlüsse oder Vereinbarungen sind aufgrund Gesetzesverstoßes nichtig.5 Den Wohnungseigentümern steht es jedoch frei auf einen Verwalter zu verzichten, was durch den tatsächlichen Akt der Nichtbestellung geschieht. Dies geht jedoch nur solange, wie Einigkeit unter sämtlichen Eigentümern über diesen Punkt herrscht. Sobald ein Eigentümer die Installation eines Verwalters verlangt, muss diese zwingend vorgenommen werden. Dem Einzelnen steht insoweit eine durchsetzbare Rechtsposition als Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG zu.

II. Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses 13.4 Bei Begründung und Beendigung des Verwaltungsverhältnisses ist nach der hier zu Grunde gelegten Trennungstheorie zunächst zwischen dem Bestellungsrechtsverhältnis (Organstellung) und dem Anstellungsrechtsverhältnis (Verwaltervertrag) zu differenzieren.

13.5 Begründungstatbestand sowohl des Bestellungsrechts- als auch des Anstellungsrechtsverhältnisses bestehen jeweils wiederum aus folgenden drei Einzelakten: – interner Willensbildungsakt der Gemeinschaft (= Entschluss des teilenden Alleineigentümers oder Beschluss der Gemeinschaft oder eine diesen Entschluss oder Beschluss ersetzende gerichtliche Entscheidung), – der Gemeinschaft zurechenbare Erklärung des gebildeten internen Willens nach außen gegenüber dem zukünftigen Verwalter (= Bestellungs- bzw. Vertragsangebot), – mit diesem erklärten Willen übereinstimmende Willenserklärung des zukünftigen Verwalters (= Bestellungs- bzw. Vertragsannahme).

13.6 Im Gegensatz zur Beendigung des Verwaltungsverhältnisses erfolgt dessen Begründung damit zwingend durch ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Der als Verwalter ausgewählte Kandidat muss der ihm gegenüber erklärten Entscheidung der Gemeinschaft, Partei des Verwaltungsverhältnisses zu werden, entweder im Vorfeld zugestimmt haben oder diese nachträglich ge-

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 22. Greiner in BeckOK, § 26 Rz. 8 ff. BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 114/14, MDR 2015, 500 = ZWE 2015, 215. Merle in Bärmann, § 20 WEG Rz. 13.

818

Reichert †/Tank

Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.8b Teil 13

nehmigen. Niemand kann gegen seinen Willen Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft werden. 1. Das Bestellungsrechtsverhältnis Mit dem Bestellungsakt entsteht das Bestellungsrechtsverhältnis mit den gesetzlichen Pflichten des Verwalters, welche im Wesentlichen in den §§ 24, 27 und 28 WEG geregelt sind. Ein Verwalter wird entweder als Erstverwalter bereits im Rahmen der Teilungserklärung oder des Teilungsvertrages durch die Gemeinschaftsordnung oder nach § 26 WEG durch Beschluss der Wohnungseigentümer oder durch Gerichtsbeschluss bestellt.

13.7

a) Erstbestellung aufgrund der Gemeinschaftsordnung aa) Bestellungstatbestand Die Erstbestellung eines Verwalters durch die Gemeinschaftsordnung ist der Regelfall6 und 13.8 grundsätzlich auch erforderlich, um der Gemeinschaft Handlungsfähigkeit zu verschaffen. In der Theorie gestaltet sich der Bestellungsakt derart, dass auf Grundlage der Entscheidung des teilenden Alleineigentümers in der Gemeinschaftsordnung (= Bestellungsentschluss) dem zukünftigen Verwalter gegenüber eine Bestellungserklärung abgegeben wird, zu welcher der zukünftige Verwalter seine Zustimmung erteilen kann. Diese Zustimmung wird regelmäßig bereits im Vorfeld der Entscheidung des Bauträgers durch den zukünftigen Verwalter abgegeben. Sie kann dieser Entscheidung theoretisch auch nachfolgen, was jedoch mit dem Risiko verbunden wäre, dass der ausgewählte Verwalter ablehnt, wodurch die Gemeinschaftsordnung in diesem Punkt neu gefasst werden müsste. Gegen den Sonderrechtsnachfolger wirkt eine derartige Erstbestellung nach h.M. nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen ist, oder sämtliche Sonderrechtsnachfolger der Vereinbarung beigetreten sind.7 Für Letzteres soll eine Erklärung in den jeweiligen Kaufverträgen genügen, mit welcher der Erwerber erklärt, bereits mit Übergabe in die Rechte und Pflichten eines Wohnungseigentümers gemäß der Teilungserklärung einschließlich der darin enthaltenen schuldrechtlichen Bestimmungen einzutreten (und, was das Anstellungsrechtsverhältnis betrifft, den mit dem Verwalter geschlossenen Verwaltervertrag und die dem Verwalter erteilte Verwaltungsvollmacht als für sich verbindlich anzuerkennen).8

13.8a

Anderer Ansicht nach handelt es sich bei der Erstbestellung in der Gemeinschaftsordnung 13.8b nicht um eine Vereinbarung, die das Grundverhältnis der Wohnungseigentümer ergänzend oder abweichend regelt. Vielmehr wird, wie bei einer Bestellung nach § 26 Abs. 1 S. 1 WEG, lediglich das Verwalteramt einer bestimmten Person übertragen, die dieses für die Dauer ihrer Amtszeit ausübt. Die Bestellung ist daher lediglich formeller Bestandteil der Gemeinschafts-

6 Die Rechtmäßigkeit mit der ganz h.M. bejahend: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001 – Wx 450/00, WuM 2001, 257; BGH, Beschl. V. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570; a.A.: Drasdo, RNotZ 2008, 87. 7 KG, Beschl. v. 3.5.2018 – 1 W 370/17, ZMR 2018, 692 = ZWE 2018, 314 = BeckRS 2018, 8040; 6.10.2011 – 1 W 477/11, MietRB 2012, 46; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.1.2005 – 3 W 198/04, MietRB 2005, 150 = NZM 2005, 543; BayObLG, Beschl. v. 30.11.2000 – 2Z BR 76/00, NZM 2001, 753 (754). 8 KG, Beschl. v. 3.5.2018 – 1 W 370/17, ZMR 2018, 692 = ZWE 2018, 314 = BeckRS 2018, 8040; KG, Beschl. v. 6.10.2011 – 1 W 477/11, ZMR 2012, 117.

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Teil 13 Rz. 13.8b

Das Verwaltungsverhältnis

ordnung und wird durch Eintragung im Grundbuch nicht zum Inhalt des Sondereigentums.9 Die Bestellung in der Gemeinschaftsordnung ist in ihren Wirkungen einem Beschluss nach § 26 Abs. 1 S. 1 WEG gleichzusetzen,10 so dass Erwerber der in der Gemeinschaftsordnung bestimmten Bestellung des ersten Verwalters nicht zustimmen müssen, damit sie ihnen gegenüber fortwirkt.11 Das ist folgerichtig, denn es ist allgemein anerkannt, dass mit Entstehen der „werdenden“ Wohnungseigentümergemeinschaft die Bestellung durch Beschluss nach § 26 Abs. 1 S. 1 WEG geändert werden kann.12

13.9 Ist bei der Bestellung des Verwalters in der Gemeinschaftsordnung das Ende des Bestellungszeitraumes nicht festgelegt, weil durch die Gemeinschaftsordnung zwar ein Verwalter bestellt wird, jedoch keine genauen Angaben über den Beginn der Laufzeit gemacht werden, werden zum Beginn der Laufzeit insoweit folgende Meinungen vertreten: – mit dem Anlegen der Wohnungsgrundbücher,13 – mit dem Entstehen der werdenden Gemeinschaft, da erst ab diesem Zeitpunkt von einer rechtlichen Verwaltungsmöglichkeit ausgegangen werden kann.14

13.10 Denkbar ist letztlich auch, dass der Bauträger sich das Recht zur Verwalterbestellung in der Gemeinschaftsordnung vorbehält. Dieses Recht endet jedoch mit Entstehen der werdenden Gemeinschaft.15 bb) Bestellungszeit

13.10a Bei der Bestellung des Verwalters in der Gemeinschaftsordnung handelt es sich um eine Erstbestellung, sodass die Bestellung auf höchstens drei Jahre vorgenommen werden darf, § 26 Abs. 1 S. 2 WEG. Ist demgegenüber eine längere Bestellung, regelmäßig fünf Jahre, vorgesehen, so ist die Bestellung über drei Jahre hinaus unwirksam.16 Die Bestellung endet damit nach 3 Jahren.17 Auch vom Bauträger eingesetzte Erstverwalter (sog. Bauträgerverwalter) dürfen somit, wie alle erstbestellten Verwalter, nach § 26 Abs. 1 S. 2 WEG nur für längstens 3 Jahre bestellt werden. Hierdurch soll verhindert werden, dass Gewährleistungsansprüche der Eigentümer gegen den Bauträger von der Bauträgerverwaltung nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechend verfolgt werden. cc) Rechtsschutzmöglichkeiten

13.11 Auf Seiten der Wohnungseigentümer existiert gegen die Erstbestellung eines Verwalters durch die Gemeinschaftsordnung keine Rechtsschutzmöglichkeit. Diese können aber durch Abberufung des Verwalters das existierende Bestellungsrechtsverhältnis nachträglich beenden. Bei der Erstbestellung eines Verwalters durch die Gemeinschaftsordnung handelt es sich – wie oben beschrieben18 – nach ganz h.M. nicht um eine Vereinbarung im rechtlichen Sinne. 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 73. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 74; a.A. Ott, ZWE 2016, 159, 160. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 74. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 74; Greiner, § 10 Rz. 58; Tank in Röll, Handbuch, Rz. 429. KG, Beschl. v. 2.3.1987 – 24 W 4028/86, ZMR 1987, 277; Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 85. Müller, WE 1997, 448; Drasdo, FachV 2, 84, 87. BayObLG, Beschl. v. 3.3.1994 – 2Z BR 142/93, NJW-RR 1994, 784. Tank in Röll, Handbuch, Rz. 428. Wicke in Palandt, § 26 WEG, Rz. 4. S. hierzu unter Rz. 13.8.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.16 Teil 13

Die Bestellung beruht auf einem Entschluss des teilenden Alleineigentümers. Dies bedeutet für die Wohnungseigentümer, dass der durch die Gemeinschaftsordnung bestellte Erstverwalter durch einfachen Mehrheitsbeschluss abberufen werden kann, und es hierfür keiner Vereinbarung der Eigentümer bedarf.19 Von praktischer Bedeutung ist dies vor allem bei einem vom Bauträger eingesetzten Verwalter (sog. Bauträgerverwalter), der leider oftmals mehr die Interessen des Bauträgers als die der einzelnen Wohnungseigentümer und der Gemeinschaft vertritt. Der auf Grundlage der Gemeinschaftsordnung zu bestellende Verwalter kann seine Bestellung durch Verweigerung der Zustimmung verhindern.

13.12

b) Bestellung aufgrund Mehrheitsbeschlusses Die Bestellung durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 WEG stellt den häufigsten Entstehungstatbestand für das Bestellungsrechtsverhältnis dar. Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, wonach anstelle der in § 26 Abs. 1 S. 1 WEG vorgesehenen einfachen Mehrheit eine qualifizierte erforderlich sein soll, ist wegen Verstoßes gegen § 26 Abs 1 S. 5 WEG nach § 134 BGB nichtig.20

13.13

aa) Rechtsnatur des Bestellungsbeschlusses Nach Auffassung des BGH21 sind Bestellungs- und Abberufungsbeschlüsse auf die unmittelbare Begründung bzw. Aufhebung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse und Pflichten gerichtet. Sie sollen konstitutiver Bestandteil des zweistufigen Bestellungs- bzw. Abberufungsaktes sein, der neben der gemeinschaftlichen Willensbildung und der entsprechenden Bestellungs- bzw. Abberufungserklärung noch deren Zugang erfordere. Die Bestellungs- oder die Abberufungserklärung seien als empfangsbedürftige Willenserklärungen dabei im Abberufungsbeschluss enthalten.22

13.14

Nach anderer Auffassung23 gilt die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, wonach Beschlüsse allein 13.15 der innerorganisatorischen Willensbildung der Gemeinschaft dienen und ihre inneren Verhältnisse regeln, auch für den Bestellungs- und den Abberufungsbeschluss. Beides sind Instrumente der Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft. Um der Entscheidung der Wohnungseigentümer eine Rechtswirkung gegenüber dem zu bestellenden oder abzuberufenden Verwalter zukommen zu lassen, bedarf es diesem gegenüber einer der Gemeinschaft zurechenbaren Erklärung der Bestellung oder Abberufung. Erst diese Erklärung ist unmittelbar auf die Begründung oder Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses gerichtet.

13.16

Praktische Auswirkung hat dieser sehr theoretische Meinungsstreit nicht.

19 20 21 22 23

Insoweit gelten die allgemeinen Ausführungen zur Abberufung unter Rz. 245. OLG München, Beschl. v. 5.4.2011 – 32 Wx 1/11, ZMR 2011, 738 (440). BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, ZWE 2002, 570 ff. Wenzel, ZWE 2001, 510 (513). Zurückgehend auf Suilmann, Das Beschlussmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht, S. 182; Suilmann, ZWE 2000, 106 (111); im Einzelnen s. hierzu auch Reichert, ZWE 2005, 173 (180 f., m.w.N.).

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Teil 13 Rz. 13.17

Das Verwaltungsverhältnis

bb) Beschlussfassungsverfahren

13.17 Für den Bestellungsbeschluss gelten zunächst die allgemeinen Anforderungen für eine Beschlussfassung der Gemeinschaft.24

13.18 Da in der Praxis mangels Rechtskenntnis regelmäßig nicht hinreichend zwischen Bestellungsrechts- und Anstellungsrechtsverhältnis differenziert wird (richtiger TOP wäre etwa: „Verwalterwahl und Abschluss des Verwaltervertrages“), lässt die Rechtsprechung25 die Ankündigung eines allgemeinen Tagesordnungspunktes wie etwa „Neuwahl des Verwalters“ insoweit ebenso ausreichen, wie einen rechtlich unvollständigen („Anstellung eines neuen Verwalters“). Entscheidend ist die sog. Parallelwertung in der Laiensphäre. Jeder muss wissen, was in dieser Gemeinschaft regelmäßig mit einem solchen TOP gemeint ist. Allerdings soll der TOP „Neuwahl des Verwalters“ nicht ausreichend zum Ausdruck bringen, dass auch andere Kandidaten zur Wahl stehen, sondern lediglich die Wiederbestellung des amtierenden Verwalters ankündigen, was den Bestellungsbeschluss formell fehlerhaft machen würde.26 Auch die Ankündigung „Wiederwahl des Verwalters“ ist auf Anfechtung hin für ungültig erklärt worden, weil sie den unzulässigen Eindruck erwecke, es könne nur der bisherige Verwalter wiedergewählt werden.27

13.19 Angebote von mehreren Verwaltern (i.d.R. drei) müssen grundsätzlich vor der Beschlussfassung über die Bestellung eines neuen Verwalters,28 nicht aber bei Wiederbestellung des amtierenden Verwalters eingeholt werden. Die Anzahl der einzuholenden Angebote lässt sich nicht definieren29 und ist abhängig z.B. von der Größe der Gemeinschaft. So werden sich für kleinere oder bekanntermaßen zerstrittene Gemeinschaften in der Regel weniger Kandidaten finden als für große und/oder friedliche. Auch dann, wenn die Amtszeit des bisherigen Verwalters bereits überschritten war, und der bisherige Verwalter, der in der Folgezeit nur noch faktischer Verwalter war, wiederbestellt werden soll, müssen weitere Angebote nicht eingeholt werden. Dies gilt jedoch nicht bei einem im Vergleich zur vorherigen Bestellung geänderten Sachverhalt, wie etwa einer mangelhaften Aufgabenerfüllung, eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Eigentümern und dem Verwalter oder einer zwischenzeitlich eingetretenen erheblichen Preisdifferenz zu dem marktüblichen Verwalterhonorar.30 Die Wiederbestellung muss als solche in der Ladung bezeichnet werden.

13.20 Müssen Angebote verschiedener Kandidaten eingeholt werden, ist hierzu niemand, also weder der amtierende Verwalter noch die Wohnungseigentümer verpflichtet. Es kann und sollte im eigenen Interesse die Initiative zur Kandidatensuche von jedem einzelnen Wohnungseigen-

24 S. hierzu umfassend Teil 4. 25 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 20.1.2006 – 2 W 24/05, ZMR 2006, 803; OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, MDR 2008, 620 = NRW-RR 2008, 1182. 26 AG Bonn, Urt. v. 29.7.2011 – 27 C 228/10, ZMR 2012, 47. 27 LG Düsseldorf, Beschl. v. 6.6.2014 – 25 T 173/14, ZWE 2015, 190; a.A. LG Frankfurt, Beschl. v. 27.1.2014 – 13 T 56/13, ZMR 2014, 473 = ZWE 2014, 337. 28 BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. 29 LG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 29 S 135/12, ZMR 2013, 379 = ZWE 2013, 412; LG Landau, Urt. v. 17.5.2013 – 3 S 134/12, ZMR 2013, 744 = ZWE 2014, 46; BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 96/10, MDR 2011, 780 = ZWE 2011, 317 = MietRB 2011, 212. 30 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 96/10, MDR 2011, 780 = ZWE 2011, 317 = MietRB 2011, 212 mit Anm. Heinemann.

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Reichert †/Tank

Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.21 Teil 13

tümer ausgehen.31 Üblicherweise wird hiermit der Verwaltungsbeirat durch Beschluss der Eigentümer beauftragt. Dabei kann der Verwaltungsbeirat selbst dann eine Vorauswahl treffen, wenn er hierzu nicht ausdrücklich durch Beschluss der Eigentümer ermächtigt wurde. Die Vorauswahl alleine führt nicht zur erfolgreichen Anfechtbarkeit des Bestellungsbeschlusses.32 Es müssen nach der Vorauswahl noch genügend Kandidaten verbleiben, so dass die Wohnungseigentümer ihr Auswahlermessen auch ausüben können.33 Werden (auch) von Wohnungseigentümern Kandidaten vorgeschlagen, darf der Verwaltungsbeirat diese nicht ohne Gründe ausgrenzen.34 Möglich ist auch das Bilden einer sog. „Findungskommission“ aus den Reihen der Wohnungseigentümer.35 Liegen schriftliche Angebote von zwei bis drei Kandidaten vor, so sollten diese spätestens gemeinsam mit der Ladung zur beschließenden Eigentümerversammlung den Eigentümern zur Kenntnis gebracht werden.36 Die Vorlage eines Angebotsspiegels kann ausreichen.37 Liegen keine schriftlichen Angebote vor, so genügt die mündliche Vorstellung der einzelnen Kandidaten in der Versammlung. Eine ordnungsgemäße Wiederwahl des amtierenden Verwalters setzt jedoch nicht voraus, dass sich die anderen zur Verfügung stehenden Bewerber persönlich in der Versammlung vorstellen.38 Generell ist die persönliche Vorstellung der verschiedenen Kandidaten in der Versammlung zwar wünschenswert, aber keine gesetzliche Voraussetzung.39 Wichtig ist, dass die Wohnungseigentümer so umfassend wie möglich über die Qualifikation und Bedingungen des zu bestellenden Verwalters unterrichtet werden.40 Ein Grundsatz, dass stets der billigste Bewerber zu wählen ist, existiert nicht. Die Wahl eines Kandidaten mit einem deutlich erhöhten Verwalterhonorar muss jedoch sachlich gerechtfertigt sein, um ordnungsgemäßer Verwaltung zu entsprechen.41 Bei der Fassung des Bestellungsbeschlusses ist für den Stimmrechtsausschluss eines Eigentümers, der für das Verwalteramt kandidiert, zu beachten, dass nach der Rechtsprechung § 25 Abs. 5 WEG auf den Bestellungsbeschluss keine Anwendung findet, da es ausschließlich um die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte geht. Der Verwalter kann damit auch, egal ob selbst Eigentümer oder nicht, von ihm erteilten Stimmrechtsvollmachten bei seiner Wiederbestellung Gebrauch machen.42 Wer als Mehrheitseigentümer ohne sachlichen Grund einen deutlich teureren Verwalter wählt, soll seine Miteigentümer majorisieren, wodurch seine Stimmen unwirksam werden.43 Es stellt keine unzulässige Beschränkung der Bestellung (oder 31 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 240/07, DWE 2008, 60 = OLGR Hamm 2008, 512 = ZMR 2009, 58. 32 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2001 – 3 Wx 202/01, WuM 2002, 44 = ZWE 2002, 185 = ZMR 2002, 213. 33 LG Frankfurt, Urt. v. 7.1.2015 – 2-09 S 45/14, WuM 2015, 319 = ZWE 2015, 267 = ZMR 2015, 481. 34 AG Hamburg-Altona, Urt. v. 16.5.2014 – 303a C 22/13, ZMR 2014, 828. 35 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 240/07, ZMR 2009, 58 = DWE 2008, 60 = MietRB 2008, 335. 36 OLG Köln, Beschl. v. 14.3.2005 – 16 Wx 23/05, WuM 2005, 603 = ZMR 2005, 811; LG Frankfurt, Urt. v. 7.1.2015 – 2-09 S 45/14, WuM 2015, 319 = ZWE 2015, 267 = ZMR 2015, 481. 37 Jennißen in Jennißen, § 26 Rz. 32. 38 OLG München, Beschl. v. 7.9.2007 – 32 Wx 109/07, WuM 2007, 589 = ZMR 2007, 1000 = MietRB 2008, 145. 39 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2007 – I-3 Wx 118/07, ZMR 2008, 472. 40 OLG Köln, Beschl. v. 14.3.2005 – 16 Wx 23/05, ZMR 2005, 811 = WuM 2005, 603. 41 OLG München, Beschl. v. 7.9.2007 – 32 Wx 109/07, WuM 2007, 589 = ZMR 2007, 1000 = MietRB 2008, 145 (40 % höher als alle anderen). 42 OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2006 – 15 W 142/05, ZMR 2007, 63 = ZWE 2007, 40. 43 LG Mainz, Beschl. v. 15.8.2011 – 306 T 129/08, ZWE 2011, 462 = ZMR 2012, 41.

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13.21

Teil 13 Rz. 13.21

Das Verwaltungsverhältnis

auch der Abberufung) dar, wenn das Kopfprinzip durch Vereinbarung des Objekt- oder Wertprinzips abbedungen worden ist.44 Sieht die Gemeinschaftsordnung das Objektprinzip vor, ist es auch dann anzuwenden, wenn es zu einer Majorisierung führt.45

13.22 Inhaltlich spiegelt der Bestellungsbeschluss meist die Unzulänglichkeiten der Bezeichnung des Tagesordnungspunktes der Einberufung wider. Hier wie dort ist nach der Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab angesagt. So ist es unschädlich, wenn die Eigentümer lediglich beschließen: „Die X GmbH ist zum Verwalter gewählt“ oder „Der Verwaltervertrag mit Y wird verlängert“. Entscheidend ist vielmehr das tatsächlich Gewollte, was in der Regel, ohne das Vorliegen gegenteiliger Anhaltspunkte in der Versammlungsniederschrift, (auch) die (Wieder-)Bestellung des Kandidaten sein wird. Da niemand gegen seinen Willen zum Verwalter einer Gemeinschaft bestellt werden kann, geht der Bestellungsbeschluss inhaltlich als Akt interner Willensbildung der Gemeinschaft, ungeachtet seines tatsächlichen Wortlauts, stets dahin, der entsprechenden Person das Angebot zu machen, das Amt das Verwalters in der Gemeinschaft zu übernehmen. Das Angebot ist in dem Bestellungsbeschluss enthalten.46 cc) Bestellungszeit

13.23 Zeitlich schreibt das Gesetz in § 26 Abs. 1 S. 2 WEG eine Höchstdauer der Bestellung von 5 Jahren, im Falle der ersten Bestellung nach der Begründung vom Wohnungseigentum jedoch von höchstens 3 Jahren vor. Ein darüberhinausgehender Bestellungsbeschluss ist nur teilnichtig, soweit er die Höchstdauer übersteigt.47 Wegen der unterschiedlichen Abberufungsmöglichkeiten ist zwischen der Bestellung auf unbestimmte und auf bestimmte Zeit zu differenzieren. Eine Bestellung auf unbestimmte Zeit ist dabei gegeben, wenn die konkrete Bestellungsdauer weder ausdrücklich bestimmt wurde, noch durch Auslegung des Bestellungsbeschlusses oder aus dem Verwaltervertrag zu ermitteln ist.48

13.24

Bestellungszeit

Bestellungsende

Abberufungsmöglichkeit

unbestimmt/Bestellungsdauer offen

nach 5 bzw. 3 Jahren

jederzeit

bestimmt/Bestellungszeit = gesetzliches Höchstmaß als Mindestdauer

nach 5 bzw. 3 Jahren

nur aus wichtigem Grund

bestimmt/Bestellungszeit = Zeitraum unter gesetzlichem Höchstmaß als Mindestdauer

nach festgelegtem Zeitraum

nur aus wichtigem Grund

bestimmt/Bestellungszeit = gesetzliches Höchstmaß oder Zeitraum darunter als Höchstdauer

nach festgelegtem Zeitraum

jederzeit

13.25 Die wiederholte Bestellung eines Verwalters ist nach § 26 Abs. 2 WEG ausdrücklich zulässig. Der erneute Bestellungsbeschluss darf jedoch frühestens ein Jahr vor Ablauf der Bestellungs44 BGH, Urt. v. 28.10.2011 – V ZR 253/10, BGHZ 191, 245 = MDR 2012, 209 = ZWE 2012, 80 = MietRB 2012, 74. 45 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = WuM 2003, 47. 46 BGH, Beschl. v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 = MDR 1989, 435 = DWE 1989, 63 = WuM 1989, 453. 47 OLG München, Beschl. v. 8.3.2007 – 34 Wx 2/07, ZMR 2007, 989; AG Biedenkopf, Urt. v. 21.2.2011 – 50 C 332/10, ZMR 2011, 417. 48 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 89.

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Reichert †/Tank

Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.28 Teil 13

zeit gefasst werden, ansonsten ist er als sog. verfrühter Bestellungsbeschluss nichtig.49 Anderes gilt nur dann, wenn die erneute Bestellung mit sofortiger Wirkung beschlossen wurde, und die neue Amtszeit mit der Neubestellung zu laufen beginnt. Hier binden sich die Eigentümer nicht über den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum von 5 Jahren hinaus, weswegen eine derartige Vorgehensweise als zulässig erachtet wird.50 Insgesamt ist zu beachten, dass das Gesetz eine Bindung der Eigentümer von insgesamt 6 Jahren ab Beschlussfassung (5 Jahre nach § 26 Abs. 1 S. 2 WEG plus 1 Jahr nach § 26 Abs. 2 WEG) zulässt. Sämtliche Varianten, welche diesen Zeitraum einhalten, dürften im Ergebnis auch zulässig sein. Ein Beschluss, nach welchem der grundsätzliche Bestellungszeitraum eines Verwalters 3 Jahre 13.26 beträgt, ist dahingehend auszulegen, dass er Ausnahmen zulässt, und damit keine strikte Bindung künftiger Bestellungen an diesen Zeitraum enthält. Der Beschluss ist damit nicht nichtig, sondern entspricht dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung.51 Zulässig wäre eine allgemeine Regelung, nach der verbindlich eine bestimmte Höchstdauer festgelegt wird, z.B. ein oder zwei Jahre; dies führt nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses.52 Ein Bestellungsbeschluss ohne Bezeichnung des Bestellungszeitraums und ohne Festlegung der Vergütung soll ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen.53 Nach wohl ganz h.M. handelt es sich allerdings bei einer Bestellung, bei welcher die Dauer weder bestimmt noch durch Auslegung zu ermitteln ist, um eine rechtmäßige Bestellung auf unbestimmte Zeit mit der gesetzlichen Höchstdauer von 3 bzw. 5 Jahren, bei welcher der Verwalter jederzeit abberufen werden kann.54 Nach der hier und von der h.M. zu Grunde gelegten Trennungstheorie ist der Vergütungsanspruch auch nicht Bestandteil des Bestellungsbeschlusses, sondern des Anstellungsbeschlusses über den Verwaltervertrag.

13.26a

dd) Zustimmungserklärung des Verwalters Da niemand gegen seinen Willen zum Verwalter einer Gemeinschaft bestellt werden kann, ist stets die Zustimmung des zukünftigen Verwalters erforderlich. Diese Zustimmung wird allerdings regelmäßig bereits im Vorfeld der Entscheidung der Wohnungseigentümer (= des Bestellungsbeschlusses) durch den zukünftigen Verwalter abgegeben. Sie kann dieser Entscheidung theoretisch auch nachfolgen, was jedoch mit dem Risiko verbunden wäre, dass der ausgewählte Verwalter ablehnt, wodurch der Bestellungsbeschluss über einen neuen Kandidaten wiederholt werden müsste. Die Zustimmung ist formfrei und kann z.B. durch Aufnahme der Verwaltertätigkeit erklärt werden.55

13.27

ee) Rechtsschutzmöglichkeiten (1) Anfechtung des Bestellungsbeschlusses Die Wohnungseigentümer haben die Möglichkeit, den Bestellungsbeschluss wie jeden anderen Beschluss auch innerhalb eines Monats §§ 43 Nr. 4, 46 Abs. 1 WEG anzufechten und können dabei formelle und oder materielle Fehler rügen.

49 50 51 52 53 54 55

KG, Beschl. v. 30.7.1997 – 24 W 2316/96, WuM 1997, 572 = ZMR 1997, 610 = WE 1998, 66. OLG Hamm, Beschl. v. 8.2.1990 – 15 W 583/88, MDR 1990, 553 = OLGZ 1990, 191 (192). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2007 – I-3 Wx 118/07, ZMR 2008, 472. Staudinger/Jacoby, WEG 2018, § 26 WEG Rz. 17. AG Neuss, Urt. v. 27.3.2009 – 101 C 242/08, ZMR 2010, 570. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 88. Baer in BeckOK, § 26 WEG Rz. 30.

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13.28

Teil 13 Rz. 13.29

Das Verwaltungsverhältnis

13.29 Aufgrund welcher materiellen Fehler56 des Bestellungsbeschlusses einer derartigen Anfechtungsklage jedoch stattzugeben ist, ist zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten. In der Praxis ist klar eine Tendenz der Wohnungseigentumsgerichte zu erkennen, Anfechtungsklagen gegen Bestellungsbeschlüsse abzuweisen. Das Prozessrisiko des Mandanten ist damit nicht zu unterschätzen. Bei Klagen auf Anfechtung des Bestellungsbeschlusses ist aufgrund der nachfolgend dargestellten Auffassung der Rechtsprechung stets ein hoher Begründungsaufwand zu betreiben.

13.30 Nach Auffassung der Rechtsprechung57 ist ein Bestellungsbeschluss für ungültig zu erklären, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Zusammenarbeit mit dem bestellten Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von Anfang an nicht zu erwarten ist, mithin also, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Wann ein wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich nach Auffassung des BGH in Anlehnung an § 26 Abs. 1 S. 3 WEG nach den für die Abberufung geltenden Grundsätzen.58 Nach engerer Ansicht seien für die Annahme eines wichtigen Grundes jedoch strengere Maßstäbe als bei der Abberufung anzulegen, da sich anders als bei der Abberufung die Mehrheit der Wohnungseigentümer für einen bestimmten Verwalter ausgesprochen habe, und das Gericht nicht in die Mehrheitsentscheidung der Wohnungseigentümer eingreifen dürfe.59 Teilweise werden sogar besonders schwerwiegende Gründe verlangt, die eine Bestellung schlicht als nicht mehr vertretbar erscheinen lassen.60 Diese Ausführungen, welche sich unreflektiert in nahezu jeder gerichtlichen Entscheidung wiederfinden, die sich mit Anfechtungsklagen gegen Bestellungsbeschlüsse befasst, führen im Ergebnis dazu, dass die Gerichte von einer eingeschränkten Prüfungskompetenz ausgehen, und sich bei ihrer Entscheidung auf die Untersuchung beschränken, ob ein wichtiger, gegen die Bestellung des Verwalters sprechender Grund vorliegt.

13.31 Nach der Gegenauffassung61 handelt es sich auch bei dem Bestellungsbeschluss um eine ganz normale Mehrheitsentscheidung der Wohnungseigentümer, welche nach § 21 Abs. 3 WEG wie jede andere aufzuheben sei, wenn sie nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes als Voraussetzung für eine Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Dieses eröffne den Wohnungseigentümern in § 26 Abs. 1 S. 3 WEG lediglich die Möglichkeit, eine Abberufung des Verwalters rechtsgeschäftlich auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beschränken. Dass eine Minderheit die Entscheidung der Mehrheit zu Fall bringen kann, sei gerade das Wesen der Anfechtungsklage als ein Instrument des Minderheitenschutzes und bei jeder Anfechtungsklage der Fall. Mehrheitsverhältnisse seien für die Beurteilung der materiellen Wirksamkeit eines Beschlusses unerheblich. Stimmenmehrheit sei Entstehungsvoraussetzung, die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung hingegen inhaltliches Korrektiv eines Mehrheitsbeschlusses. Liege ein wichtiger Grund vor, widerspreche der Beschluss stets den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, eine Ungültigerklärung komme aber auch unterhalb dieser 56 Im Hinblick auf formelle Fehler gelten die allgemeinen Anforderungen für Beschlüsse, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann. 57 BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427; LG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2011 – 318 S 180/10, ZMR 2011, 661; BayObLG, Beschl. v. 7.5.1997 – 2Z BR 135/96, NJW-RR 1998, 302 (303); BayObLG, Beschl. v. 2.3.2001 – 2Z BR 88/00, ZWE 2001, 550 (551); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2005 – I-3 Wx 123/05, ZMR 2006, 144 f. 58 BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. 59 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.1996 – 3 Wx 47/96, ZMR 1997, 96 (97); OLG Köln, Beschl. v. 6.3.1998 – 16 Wx 8/98, NJW-RR 1998, 1622. 60 OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2002 – 4 W 6/02, ZWE 2002, 474 (476). 61 Ott, ZMR 2007, 584 ff., krit. auch Greiner, § 10 Rz. 40; Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 64.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.35 Teil 13

Schwelle in Betracht, wenn Umstände den Bestellungsbeschluss bei objektiver Betrachtung nicht im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer erscheinen lassen. Für die Praxis ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH62 jedenfalls zu empfehlen, sich auch bei einer Anfechtung des Bestellungsbeschlusses an der zur Anfechtung des Abberufungsbeschlusses ergangenen Rechtsprechung63 zu orientieren, und anhand dieser Kriterien vor Einreichung einer Anfechtungsklage zunächst eine Überprüfung der Rechtslage vorzunehmen. Danach wäre ein Antrag begründet, wenn allein die Nichtbestellung dieses Verwalters dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes verbleibt der Gemeinschaft entsprechend der Rechtsprechung zur Abberufung ein Ermessensspielraum, ob sie den Verwalter nicht bestellt, oder etwa angesichts seiner bisherigen Leistungen und der wenig positiven Einschätzung etwaiger Mitbewerber sich hierüber hinwegsetzt.64 Erst wenn die Wohnungseigentümer ihren Ermessenspielraum überschreiten, es also objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen, widerspricht die Bestellung ordnungsmäßiger Verwaltung,65 und die Klage ist begründet.66

13.32

Nach sämtlichen Auffassungen bleibt zu beachten, dass die Prüfungskompetenz des Gerichts auf Beurteilungs- und Ermessensfehler beschränkt ist. Nicht zu überprüfen hat das Gericht, welche von mehreren ordnungsgemäßen Maßnahmen die ordnungsmäßigste darstellt. Entspricht die Wahl des Kandidaten ordnungsgemäßer Verwaltung, so ist die Anfechtungsklage abzuweisen, auch wenn nach Auffassung des Gerichts die Bestellung des Konkurrenten noch ordnungsmäßiger gewesen wäre.

13.33

In zeitlicher Hinsicht kann die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses nur auf Tatsachen gestützt werden, welche im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorgelegen haben, nicht aber auf Umstände, die erst danach entstanden sind.67 Letztere können allenfalls eine Abberufung des Verwalters rechtfertigen. Ein Nachschieben von Gründen, die erst nach der Wahl aufgetreten sind, ist folglich nicht zulässig.68

13.34

Des Weiteren kann eine Anfechtung des Bestellungsbeschlusses nicht auf solche Tatsachen gestützt werden, für welche dem Verwalter bereits durch bestandskräftigen Beschluss Entlastung erteilt wurde,69 oder in deren Kenntnis in der Vergangenheit bereits eine bestandskräftig ge-

13.35

62 63 64 65 66

BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. S. hierzu unter Rz. 13.291 sowie Rz. 13.334 f. BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = WuM 2012, 334. BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. OLG Rostock, Beschl. v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, ZMR 2010, 223; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = WuM 2012, 334 = MietRB 2012, 142 (alle zur Anfechtung des Abberufungsbeschlusses); BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427. 67 OLG München, Beschl. v. 23.3.2006 – 34 Wx 10/06, ZMR 2006, 475 (476); LG München I, Urt. v. 12.3.2015 – 36 S 24746/13, ZMR 2015, 796; LG Stuttgart, Urt. v. 29.7.2015 – 10 S 68/14, NJW 2015, 2897 = ZMR 2015, 884 = ZWE 2016, 97; LG Itzehoe, Urt. v. 20.5.2016 – 11 S 78/15, ZMR 2016, 728 = ZWE 2016, 420. 68 LG Stuttgart, Urt. v. 29.7.2015 – 10 S 68/14, NJW 2015, 2897 = ZMR 2015, 884 = ZWE 2016, 97; Jennißen/Jennißen, § 26 Rz. 70; a.A. Greiner, § 10 Rz. 41, der ein Nachschieben bis zur Grenze der Präklusion gemäß §§ 296, 296a, 288 ZPO für zulässig erachtet. 69 BayObLG, Beschl. v. 6.8.1985 – 2 Z 45/85, ZMR 1985, 390 (391).

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Teil 13 Rz. 13.35

Das Verwaltungsverhältnis

wordene Bestellung des Verwalters beschlossen worden ist.70 Wurde ein das beanstandete Verhalten umfassender Entlastungsbeschluss gefasst, so muss dieser, falls noch möglich, gemeinsam mit dem (Wieder-)Bestellungsbeschluss angefochten werden. Wiederbestellungs- und Entlastungsbeschlüsse präkludieren damit ein Fehlverhalten des Verwalters, wenn sie in Kenntnis der entsprechenden Tatsachen gefasst werden. Fand aufgrund des beanstandeten Fehlverhaltens ein Abberufungsbegehren keine Mehrheit, so kommt es auf den Regelungsgehalt dieses Negativbeschlusses an. Eine reine Antragsablehnung lässt nicht den Schluss zu, dass die Wohnungseigentümer damit automatisch das Gegenteil des Beschlussantrages rechtsverbindlich auch für die Zukunft regeln wollen.71 Ein solcher Negativbeschluss steht daher einer späteren Beschlussfassung nicht entgegen.72 Die Frage, ob ein Negativbeschluss über eine reine momentane Antragsablehnung hinaus auch noch eine Regelung für die Zukunft, wie etwa eine Sperrwirkung für gleichgelagerte Begehren, trifft, ist durch objektive Auslegung des Beschlusses aus sich selbst heraus zu klären.73 Ohne weitere Anhaltspunkte in der Niederschrift der Versammlung dürfte von einer derartigen Sperrwirkung nicht auszugehen sein.

13.36 Reicht dem Gericht das beanstandete Verhalten des Verwalters von seiner Intensität her nicht aus, und ist ein Berufen auf Fehler der Vergangenheit aufgrund der dargelegten Präklusionswirkung eigentlich nicht möglich, kann bei einem innerlichen Zusammenhang der einzelnen Verfehlungen allenfalls noch versucht werden, das Gericht zu einer Gesamtbetrachtung zu bewegen.74 Insoweit wäre vorzutragen, dass zwar jede Verfehlung für sich gesehen nicht so schwerwiegend war, um den Verwalter die Entlastung zu verweigern oder ihn nicht wieder zu bestellen. Die Summierung der Verfehlungen führt nunmehr jedoch zu dem Ergebnis, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Verwalter unzumutbar geworden ist. Verwiesen werden kann an dieser Stelle etwa auf die vorzunehmende Gesamtwürdigung bei der Befangenheitsablehnung von Richtern. Wird die Ablehnung eines Richters auf mehrere, innerlich zusammengehörige und sich ergänzende Vorgänge gestützt, so darf sich die Prüfung, ob die Ablehnung gerechtfertigt ist, nicht darauf beschränken, die einzelnen Vorgänge getrennt für sich zu betrachten. Vielmehr müssen sie auch noch zusammengenommen gewürdigt und dabei alle sich aus der Gesamtsituation ergebenden Umstände berücksichtigt werden.75 Eine solche Gesamtbetrachtung kann dazu führen, dass Einzelvorgänge, die für sich allein hinnehmbar gewesen wären, in ihrer Summe die Besorgnis der Befangenheit begründen.76 Ein Ablehnungsgesuch kann daher auch mit auf Ablehnungsgründe gestützt werden, die für sich allein verfristet sind, sofern nur der letzte Ablehnungsgrund rechtzeitig vorgebracht wird.77 Insofern 70 BayObLG, Beschl. v. 17.7.2003 – 2Z BR 108/03, NJW-RR 2004, 89; OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2002 – 16 Wx 123/02, ZMR 2003, 703; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2008 – 16 Wx 228/07, ZMR 2009, 311; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.2000 – 3 Wx 9/00, ZWE 2000, 473 (474), alle für die Abberufung, was für die Neubestellung aber entsprechend gilt. 71 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1283 = NJW 2001, 3339 (3343). 72 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = NJW 2002, 3704 (3705). 73 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713 = MDR 1999, 28; OLG München, Beschl. v. 21.3.2006 – 32 Wx 2/06, NZM 2006, 703; LG München I, Urt. v. 27.6.2011 – 1 S 1062/11, ZWE 2012, 47 f. 74 So nunmehr (für die Abberufung) LG Hamburg, Urt. v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465. 75 OLG Nürnberg, BayJMBl. 1954, 162; Schneider, Befangenheitsantrag im Zivilprozess, § 3 Rz. 379. 76 LG Aachen, Beschl. v. 26.4.1965 – 6 AR 5/65, MDR 1965, 667. 77 Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 30.9.2004 – 16 W 126/04, OLG-Report 2004, 561.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.39 Teil 13

ist nicht einzusehen, warum der Wohnungseigentumsverwalter schützenswerter sein soll als ein Richter. Auch im Mietrecht lässt die Rechtsprechung einen derartigen Summierungseffekt zu. Mit Ablauf der Bestellungszeit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung des Bestellungsbeschlusses,78 ein etwaiger Rechtsstreit muss für erledigt erklärt werden.79 Hingegen soll das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des ersten Bestellungsbeschlusses nicht entfallen, wenn die Gemeinschaft die Bestellung des gleichen Verwalters ab einem späteren Zeitpunkt erneut beschließt, und auch dieser zweite Beschluss angefochten wird.80

13.37

Wird der Bestellungsbeschluss auf Anfechtungsklage hin durch das Gericht für ungültig erklärt, bleiben die zwischenzeitlich vorgenommenen Rechtshandlungen des Verwalters bei Vorlage einer entsprechenden Urkunde nach § 172 BGB i.V.m. § 27 Abs. 6 WEG, im Übrigen nach dem Rechtsgedanken des § 47 FamFG (früherer § 32 FGG) wirksam.81 Der Verwaltervertrag bleibt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage wirksam, so dass dem Verwalter in der Zwischenzeit die vereinbarte Vergütung zusteht.82 Damit sind auch in der Zwischenzeit geschlossene Verträge oder sonstige Rechtshandlungen wirksam.83 Ebenso wenig können gefasste Beschlüsse nur deshalb angefochten werden, weil die Eigentümerversammlung vom Verwalter als einer unbefugten Person einberufen worden sein soll.84 Auch eine inzwischen erteilte Verwalterzustimmung nach § 12 WEG bleibt wirksam.85 Ab Rechtskraft eines den Bestellungsbeschluss aufhebenden Urteils entfällt der Verwaltervertrag, denn es gilt eine bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbarte auflösende Bedingung, nach der eine Rechtsbindung nur eintritt, wenn der Bestellungsbeschluss auch bestandskräftig wird.86

13.38

Der Streitwert richtet sich nach der Vergütung, welche dem Verwalter für die ursprünglich 13.39 vorgesehene Laufzeit zugestanden hätte und ist nach § 49a Abs. 1 S. 1 GKG auf 50 % hiervon festzusetzen.87 Ohne feste Laufzeit muss der Betrag geschätzt werden. Nach § 49a Abs. 1 S. 2 GKG darf der Streitwert das Fünffache des Werts des Interesses des Klägers nicht überschreiten. Wie das Einzelinteresse des klagenden Eigentümers zu bestimmen ist, ist allerdings unklar. Der BGH ist der Auffassung, es sei auf den Betrag abzustellen, der von diesem aufgrund des geltenden Kostenverteilungsschlüssels zu tragen ist.88 Die etwas anwaltsfreundlichere Sichtweise hält dies für unangemessen, da es dem Kläger nicht darum gehe, sich seiner Pflicht zur Beteiligung an den Kosten des Verwalters zu entziehen, sondern eine ordnungsgemäße Verwaltung der Gemeinschaft herbeizuführen. Es bleibe daher bei 50 % des Gesamtinteresses, da 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

LG Dortmund, Urt. v. 7.3.2017 – 1 S 316/16, ZWE 2017, 422. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 Wx 160/06, ZMR 2008, 405. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2007 – I-3 Wx 118/07, ZMR 2008, 472. Becker in Bärmann, § 26 Rz. 66. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, ZMR 1997, 308 = MDR 1997, 537; OLG München Beschl. v. 21.6.2006 – 34 Wx 28/06, NZM 2006, 631 = ZMR 2006, 719. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, ZMR 1997, 308 = MDR 1997, 537. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 24.7.2006 – 2 Wx 4/05, ZMR 2006, 791. Becker in Bärmann, § 26 Rz. 67; a.A. KG Beschl. v. 31.3.2009 – 1 W 209/05, MDR 2009, 860 = ZWE 2010, 87, m. ablehnender Anm. von Merle, ZWE 2010, 88 f. BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, ZMR 1997, 308 = MDR 1997, 537. LG Hamburg, Beschl. v. 29.9.2011 – 318 S 123/11, ZMR 2012, 37; BGH Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = WuM 2012, 334; BGH, Beschl. v. 16.6.2016, V ZR 292/14, WuM 2016, 581 = MDR 2016, 1234. BGH Beschl. v. 16.6.2016 V ZR 292/14, WuM 2016, 581 = MDR 2016, 1234; ebenso Suilmann in Jennißen, § 49a GKG Rz. 30.

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Teil 13 Rz. 13.39

Das Verwaltungsverhältnis

das klägerische Interesse mit dem Gesamtinteresse gleichzusetzen sei.89 Teilweise wird auch vertreten, der Streitwert für eine Anfechtung des Bestellungsbeschlusses richte sich ohne Anhaltspunkte für einen konkreten Schaden nicht nach der finanziellen Beteiligung des Anfechtenden an der Verwaltervergütung, sondern nach seinem Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wofür regelmäßig ein Betrag von 1.000 Euro anzusetzen sei.90 (2) Einzelfälle

13.40 Interessenkonflikt/Stimmrechtsmissbrauch – Bauträger/Mehrheitseigentümer bestellt ihm nahestehende Person oder persönlich oder wirtschaftlich verflochtenes Unternehmen zum Verwalter, während noch Mängelrechte der Erwerber bestehen.91 – Verwalter wird als Makler für Wohnungseigentümer tätig und hat zugleich nach der Gemeinschaftsordnung über Veräußerungszustimmung nach § 12 WEG zu entscheiden.92 – Der allein mit Stimmen der im Mietpool organisierten Wohnungseigentümer gewählte Verwalter hat in der Nachbargemeinschaft bereits Mietpool-Wohnungseigentümer zu Beschlussanfechtungen unter Kostenübernahme aufgefordert.93 – Eine sog. Majorisierung, also das Einsetzen der Stimmenmehrheit eines Eigentümers bei der Beschlussfassung zur Durchsetzung der eigenen Interessen, führt nach der Rechtsprechung des BGH94 alleine nicht zu einer Unzulässigkeit der Stimmabgabe. Erforderlich ist stets das Hinzutreten weiterer Umstände, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft und damit als rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen. Dies soll etwa bei dem Verschaffen unangemessener Vorteile, der Bestellung eines ungeeigneten Kandidaten oder dann der Fall sein, wenn ein Mehrheitseigentümer bei in der Gemeinschaftsordnung vereinbarter Abstimmung nach Miteigentumsanteilen sein Stimmübergewicht dazu ausnutzt, gegen die Mehrheit der Köpfe der Wohnungseigentümer einen Eigentümer zum Verwalter zu bestellen, dem er Generalvollmacht erteilt hat und der auf der Eigentümerversammlung ständig seine Interessen wahrnimmt.95 Obwohl der Tatsache einer Majorisierung für sich gesehen damit eigentlich keine eigenständige Bedeutung zukommt, empfiehlt es sich, diese in einer etwaigen Anfechtungsklage vorzutragen, da sie doch für den Gesamteindruck des Gerichts über den Bestellungsvorgang von Bedeutung sein wird.

13.41 Rechtliche Ungeeignetheit Es gilt der Grundsatz, dass nur eine im Rechtsverkehr geschäfts- und handlungsfähige Person zum Verwalter bestellt werden kann.

89 90 91 92 93

Greiner, § 13 Rz. 96; LG München, Urt. v. 22.4.2013 – 1 S 5114/12, ZMR 2014, 748. KG, Beschl. v. 21.10.2011 – 9 W 22/11, ZWE 2012, 94 = ZMR 2012, 280 = MietRB 2012, 17. BayObLG, Beschl. v. 2.3.2001 – 2Z BR 88/00, ZWE 2001, 550 (552). BayObLG, Beschl. v. 7.5.1997 – 2Z BR 135/96, NJW-RR 1998, 302, 303 = WuM 1997, 397. AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 30.4.2008 – 539 C 2/08, ZMR 2008, 841; LG Hamburg, Beschl. v. 10.12.2007 – 318 T 49/07, ZMR 2011, 822. 94 BGH, Beschl. v. 19.2.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 40 = NJW 2002, 3704 = MDR 2002, 1424. 95 LG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2011 – 318 S 180/10, ZMR 2011, 661.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.41 Teil 13

– Es können also nicht gleichzeitig mehrere Personen, z.B. der Verwaltungsbeirat zum Verwalter bestellt werden.96 Nichtig ist daher ein Beschluss, mit welchem zwei natürliche Personen, etwa ein Ehepaar, zum Verwalter bestellt werden.97 – Nichtig ist die Bestellung gesonderter Verwalter für einzelne Häuser einer Mehrhausanlage.98 Es ist ein Verwalter zu bestellen, über dessen Bestellung zwingend innerhalb der Gesamtgemeinschaft zu beschließen ist.99 – Nichtig ist die Bestellung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.100 Ein gefasster Beschluss, mit welchem ein derart vermeintlicher Verwalter ermächtigt wird, das Gemeinschaftseigentum betreffende Gewährleistungsansprüche gerichtlich geltend zu machen, ist jedoch wirksam. Er ist dahin auszulegen, dass die GbR selbst zur Geltendmachung ermächtigt wurde, was rechtlich zulässig ist, da die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss auch einen Dritten, der nicht Verwalter ist, zur Geltendmachung von Ansprüchen ermächtigen können.101 – Möglich ist hingegen die Bestellung einer GmbH,102 einer AG,103 eines eingetragenen Vereins,104 einer ins Handelsregister eingetragenen OHG, KG oder GmbH & Co KG105 sowie einer Partnerschaft.106 – Einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft nach § 5a GmbHG ist nicht grundsätzlich die Geeignetheit zum Verwalter abzusprechen.107 Erforderlich ist aber eine ausreichende Haftsumme.108 – Seit August 2018 ist die gewerbliche Tätigkeit als WEG-Verwalter erlaubnispflichtig, § 34c Abs. 1 GewO; die Übergangsfrist ist abgelaufen; ab jetzt droht gewerblich tätigen Verwaltern, die noch keine Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung beantragt haben, im schlimmsten Fall die Gewerbeuntersagung. Damit würde die rechtliche Eignung fehlen. Ob die rechtliche Eignung auch fehlt, wenn die ebenfalls neu eingeführte Fortbildungsplicht nach § 34c Abs. 2a GewO (20 Stunden innerhalb von 3 Jahren) nicht nachgewiesen wird, was erstmals ab August 2021 zu geschehen hat, bleibt abzuwarten.

96 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 7. 97 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 6. 98 LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2009 – 19 S 40/09, NZM 2010, 288 = MietRB 2010, 205; AG Heilbronn, Beschl. v. 30.9.2009 – GR 245/06, ZMR 2010, 484. 99 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.9.2009 – 14 S 1754/09, ZMR 2010, 315. 100 BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – V ZB 132/05, ZWE 2006, 183 = NZM 2006, 263 = MDR 2006, 981. 101 BGH, Urt. v. 28.5.2009 – VII ZR 206/07, ZMR 2009, 779 = MDR 2009, 976 = ZWE 2009, 303. 102 BayObLG, Beschl. v. 5.5.1993 – 2Z BR 29/93, WuM 1993, 488 (489). 103 BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, BGHZ 107, 268 = MDR 1989, 897 = NJW 1989, 2059. 104 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 8. 105 BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – V ZB 132/05, ZWE 2006, 183 = NZM 2006, 263 = MDR 2006, 981. 106 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 11. 107 BGH, Urt. v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955 = WuM 2012, 519 = ZWE 2012, 427, a.A. LG Karlsruhe, Urt. v. 28.6.2011 – 11 S 7/10, ZWE 2011, 369 = NZM 2011, 784 = ZMR 2012, 391. 108 Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 9a, Haftsumme von 500 bis 1000 EUR nicht ausreichend.

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Teil 13 Rz. 13.42

Das Verwaltungsverhältnis

13.42 Fachliche Ungeeignetheit – Wiederzuwählender Verwalter beherrscht nicht Grundsätze des Rechnungswesens, wobei untergeordnete Fehler unbeachtlich sind (fehlerhaft erstellte Jahresabrechnung).109 – Falscher Umlageschlüssel wurde angewendet.110 – Kosten eines Rechtsstreits wurden entgegen der gerichtlichen Kostenentscheidung umgelegt.111 – Ohne Ermächtigung der Wohnungseigentümer wurden Verträge mit Dritten geschlossen.112 – In der Versammlung wurden wesentliche Mitwirkungsrechte unterlaufen, was zur Nichtigkeit der Beschlüsse führte.113 – Versammlungen wurden an ungeeignetem Ort zu ungeeignetem Zeitpunkt abgehalten.114

13.43 Persönliche Ungeeignetheit – Fälschungsvorsatz bei der Protokollierung von Beschlüssen.115 – Erstellen eines in wesentlichen Punkten unrichtigen Protokolls der Eigentümerversammlung.116 – Missbrauch von Einzugsermächtigungen.117 – Verwalter hat in Vergangenheit Vermögensdelikte verübt (nicht bei Freispruch).118 – Beteiligung an persönlichen Streitereien in kleinerer Gemeinschaft.119 – Verwalter hat seine Dienste angeboten, ohne die nach der DL-InfoV vorgesehenen Informationen erteilt zu haben, und wird dennoch bestellt.120 – Bezeichnung eines schwierigen Wohnungseigentümers als „Querulant“.121

13.44 Im Übrigen wird auf die Einzelfälle zur Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grunde verwiesen,122 welche allesamt auch eine Anfechtung der Bestellung rechtfertigen können. 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122

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OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2005 – I-3 Wx 123/05, ZMR 2006, 144 f. AG Neukölln, Beschl. v. 2.6.2005 – 70 II 242/04, WEG, WE 2005, 261 f. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2005 – I-3 Wx 123/05, ZMR 2006, 144 f. OLG München, Beschl. v. 6.3.2006 – 34 Wx 29/05, ZWE 2006, 360. OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2004 – 16 Wx 191/04, NJW 2005, 908 = ZMR 2005, 809. OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.2000 – 15 W 109/00, NZM 2001, 297 = ZMR 2001, 383. BayObLG, Beschl. v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, ZMR 2001, 128. BayObLG, Beschl. v. 17.9.2003 – 2Z BR 135/03, NZM 2004, 108. BayObLG, Beschl. v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, ZMR 2001, 128. OLG Köln, Beschl. v. 30.4.2008 – 16 Wx 262/07, MietRB 2008, 368; LG Itzehoe, Beschl. v. 16.7.2002 – 1 T 200/01, ZMR 2003, 295; LG Berlin, Beschl. v. 20.6.2000 – 85 T 251/99, ZMR 2001, 143; BayObLG, Beschl. v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, ZMR 2001, 128. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2002 – 2 Wx 69/02, WuM 2003, 110 = ZMR 2003, 127. Köhler, ZWE 2010, 297 (299) zu den Informationspflichten des Verwalters nach der Dienstleistungs-Informationspflicht-Verordnung (DL-InfoV). LG Lüneburg, Urt. v. 25.10.2011 – 5 S 36/11, ZMR 2012, 133. S. hierzu unter Rz. 13.252.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.47 Teil 13

(3) Einstweiliger Rechtsschutz Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG so lange gültig, bis sie 13.45 durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt werden. Mit Ablauf der Bestellungszeit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung des Bestellungsbeschlusses, ein etwaiger Rechtsstreit muss für erledigt erklärt werden.123 Angesichts der Dauer gerichtlicher Verfahren droht damit, dass ein Verwalter trotz Anfechtung des Bestellungsbeschlusses über Jahre im Amt ist, die Verwaltung der Gemeinschaft führt, und letztendlich die Sache aufgrund Zeitablaufs mit Ende der Bestellungszeit nur noch für erledigt erklärt werden kann. Um dieses insbesondere für den anfechtenden Mandanten völlig unbefriedigende Ereignis zu verhindern, ist anerkannt, durch einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO den Bestellungsbeschluss einstweilig bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage in der anhängig zu machenden Hauptsache außer Kraft zu setzen.124 Nach der Rechtsprechung überwiegt das Interesse der Minderheit, ggf. über Monate und Jahre bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine schlüssige Anfechtung nicht mit einem Verwalter zusammenarbeiten zu müssen, dessen Amtsführung ihnen nicht zuzumuten ist, sowohl das Interesse der Mehrheit, während des Anfechtungsverfahrens durch den Verwalter ihrer Wahl verwaltet zu werden, als auch das Interesse des Verwalters, die Verwaltungstätigkeit ohne Verzögerung aufzunehmen.125 Teilweise wird auch für die Aussetzung der Gültigkeit des Bestellungsbeschlusses verlangt, dass dem Antragsteller das Warten auf den Ausgang des Anfechtungsprozesses wegen drohender irreparabler Schäden oder offenkundiger Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses unzumutbar ist, weil Gründe glaubhaft gemacht sind, die das grundsätzlich vorrangige Bestandsinteresse an dem angefochtenen Eigentümerbeschluss ausnahmsweise hinter das Einstellungs- bzw. Aussetzungsinteresse des Antragstellers zurücktreten lassen.126 Um einen verwalterlosen Zustand zu verhindern, sollte mit dem einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bestellungsbeschluss gleichzeitig die gerichtliche Bestellung eines anderen Verwalters beantragt werden.127 (4) Rechtsschutzmöglichkeiten des Verwalters Der auf Grundlage des Bestellungsbeschlusses zu bestellende Verwalter kann seine Bestellung durch Verweigerung der Zustimmung zur Bestellungserklärung verhindern. Für eine Anfechtung des Bestellungsbeschlusses fehlt ihm damit das Rechtsschutzbedürfnis.128

13.46

Nicht länger umstritten ist die Frage, ob der bestellte Verwalter befugt ist, die gerichtliche Entscheidung über die Ungültigerklärung seines Bestellungsbeschlusses mit Rechtsmitteln anzugreifen.

13.47

123 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 Wx 160/06, ZMR 2008, 405. 124 BGH v. 10.6.2011 – V ZR 146/10, MDR 2011, 1032 = ZWE 2011, 356 = ZMR 2011, 893; LG Frankfurt, Urt. v. 20.3.2014 – 13 S 165/13, ZMR 2014, 904 = ZWE 2015, 134. 125 AG Hamburg, Urt. v. 4.2.2010 – 102d C 11/10, ZMR 2010, 477. 126 LG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2011 – 318 S 180/10, ZMR 2011, 661. 127 S. hierzu nachfolgend unter Rz. 13.69. 128 Ott, ZMR 2007, 584, 587.

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Teil 13 Rz. 13.48

Das Verwaltungsverhältnis

13.48 Nach Auffassung des BGH129 ist der zunächst bestellte Verwalter hierzu berechtigt, da der Bestellungsbeschluss nach § 23 Abs. 4 WEG zunächst wirksam und dem Verwalter durch die Annahme der Bestellungserklärung ein Recht am Amt erwachsen sei.

13.49 Der durch die Rechtsprechung des BGH überholten Gegenauffassung130 nach sollte eine derartige Berechtigung des zunächst bestellten Verwalters nicht bestehen. Ansonsten werde übersehen, dass die gerichtliche Ungültigerklärung ex tunc Wirkung entfalte, und der Bestellungsbeschluss damit von Anfang an unwirksam war. Durch die Annahme der Bestellung könne der Bestellte mithin kein eigenes Recht erwerben. (5) Klage- und Antragsmuster

13.50 M 20 Klageantrag Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses Amtsgericht Abt. für Wohnungseigentumssachen … Klage In Sachen des Herrn Y, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz – Antragsteller – Prozessbevollmächtigte: RAe … gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz gemäß der in Anlage beigefügten Eigentümerliste – Antragsgegner – Ersatzzustellungsvertreterin: Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz beizuladen: die Hausverwaltung … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn …, Waldstraße 113, 55126 Mainz beantragen wir namens und in Vollmacht des Klägers: den Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 1.4.2010 zu TOP 1 über die Bestellung der Hausverwaltung … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herr …, Waldstraße 113, 55126 Mainz zur Verwalterin der Gemeinschaft Leibnizstr. 10 für ungültig zu erklären.

129 BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – V ZB 20/07, NJW 2007, 2776 = ZMR 2007, 798 = MDR 2007, 1247; Briesemeister, NZM 2006, 568, 569. 130 OLG Köln, Beschl. v. 26.8.2005 – 16 Wx 15/05, NZM 2006, 25 (26); OLG München, Beschl. v. 6.3.2006 – 34 Wx 29/05, ZWE 2006, 360; Ott, ZMR 2007, 584, 587.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.53 Teil 13

M 21 Einstweilige Verfügung gegen Verwalterbestellung

13.51

Amtsgericht Abt. für Wohnungseigentumssachen … Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung In Sachen des Herrn Y, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz – Antragsteller – Prozessbevollmächtigte: RAe … gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz gemäß der in Anlage beigefügten Eigentümerliste – Antragsgegner – Ersatzzustellungsvertreterin: Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz beizuladen: die Hausverwaltung … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn …, Waldstraße 113, 55126 Mainz beantragen wir namens und in Vollmacht des Antragstellers im Wege der einstweiligen Verfügung: den Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 1.4.2010 zu TOP über die Bestellung der Hausverwaltung … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herr …, Waldstraße 113, 55126 Mainz zur Verwalterin der Gemeinschaft Leibnizstr. 10 einstweilen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage (Az. …),131 außer Kraft zu setzen.

c) Bestellung aufgrund gerichtlicher Entscheidung Eine Verwalterbestellung kann sowohl durch einfache Klage als auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich durchgesetzt werden. Angesichts der Dauer gerichtlicher Verfahren dürfte inzwischen die Verwalterbestellung durch einstweilige Verfügung in der Praxis im Vordergrund stehen, weswegen sie nachfolgend auch vordergründig behandelt wird. Eine Gemeinschaft, die entsprechend der üblichen Verfahrensdauer von nahezu einem Jahr pro Instanz auf einen Verwalter verzichten kann, dürfte de facto keinen Verwalter benötigen. Die nachfolgenden Ausführungen gelten für eine Klage auf Verwalterbestellung entsprechend, ohne dass bei dieser allerdings eine Eilbedürftigkeit näher darzulegen wäre, und der Klageanspruch glaubhaft zu machen ist.

13.52

Für eine erfolgreiche einstweilige Verfügung bedarf es der Darlegung und Glaubhaftmachung folgender Voraussetzungen:

13.53

131 Aktenzeichen, falls bereits vorhanden, ansonsten Datum der Klage, etwa „vom 30.4.2011“.

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Teil 13 Rz. 13.54

Das Verwaltungsverhältnis

aa) Verfügungsanspruch

13.54 Nach § 21 Abs. 4 WEG haben die Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine Verwaltung ihrer Gemeinschaft, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dies schließt die Bestellung eines Verwalters mit ein.132 Das Gericht kann daher auf Antrag eines Eigentümers einen Verwalter nach §§ 21 Abs. 4 und 8, 43 Nr. 1 WEG durch Gestaltungsentscheidung bestellen.133 Die Gestaltungsentscheidung des Gerichts ersetzt sodann den Bestellungsbeschluss der Wohnungseigentümer134 und (in der Praxis) auch deren Bestellungserklärung.

13.55 Tatbestandsvoraussetzungen eines Anordnungsanspruchs auf Bestellung eines Verwalters sind: (1) Fehlen eines Verwalters

13.56 Grundsätzlich spricht die Existenz eines Verwalters gegen die Einsetzung eines anderen Verwalters im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.135 Als Fehlen eines Verwalters sind jedoch folgende Fälle anerkannt: – Es wurde noch kein Verwalter bestellt. – Die Bestellungszeit ist beendet (erfolgreicher Rechtsschutz gegen Bestellung/Abberufung/Amtsniederlegung/Zeitablauf/Tod). – Dauerhafte tatsächliche oder rechtliche Verhinderung (etwa schwere Erkrankung oder eingetretene Geschäftsunfähigkeit). – Generelle Verweigerung der Amtsausübung.136 – Verbindung eines Antrages auf Abberufung des amtierenden mit Bestellung eines neuen Verwalters.137 – Verbindung eines Antrages auf Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses und Bestellung eines neuen Verwalters. Nicht hingegen: – Verweigerung einer konkreten Maßnahme durch den amtierenden Verwalter.138 (2) Vorbefassung der Eigentümerversammlung (Rechtsschutzbedürfnis)

13.57 Grundsätzlich muss der Antragsteller/Kläger darlegen können, dass sich die Eigentümerversammlung vor Antrageinreichung/Klageerhebung erfolglos mit der Bestellung befasst hat. Die Erforderlichkeit für eine gerichtliche Ermessensentscheidung liegt regelmäßig nicht vor, wenn sich der Wohnungseigentümer vor Einreichung des Antrags/der Klage nicht um eine Be132 BGH, Urt. v. 10.6.2011 – V ZR 146/10, MietRB 2011, 282. 133 Auf die weitere Möglichkeit einer Leistungsklage auf Mitwirkung der übrigen Eigentümer bei der Bestellung (Briesemeister, NZM 2009, 64 [65]) wird nicht eingegangen, da diese Vorgehensweise in der Praxis aufgrund der nachteiligen Folge, dass dann erst noch eine Versammlung beschließen muss, keine Rolle spielen dürfte. 134 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 299. 135 LG Hamburg, Beschl. v. 29.8.2008 – 318 T 90/08, ZMR 2009, 69. 136 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 283. 137 Briesemeister, NZM 2009, 64 (65). 138 Ellenberger in Palandt, § 29 WEG Rz. 2 zum Vereinsrecht.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.58 Teil 13

schlussfassung bemüht, und die Angelegenheit nicht zum Gegenstand einer Versammlung gemacht hat.139 Ein derartiger Eingriff in die Verwaltungsautonomie der Eigentümer ist nur dann zulässig, wenn diese zuvor Gelegenheit hatten, hierüber zu befinden.140 Ausnahmsweise wird eine Vorbefassung der Eigentümerversammlung nicht für erforderlich erachtet, wenn – wegen der Stimmrechtsverhältnisse nicht mit einer Beschlussfassung zu rechnen ist und ohne weitere Aufklärung feststeht, dass der klagende Eigentümer ohnehin keine Mehrheit in der Versammlung finden wird (= bei unnötiger Förmelei),141 oder – die Verwalterbestellung zur Abwendung von Schäden der Gemeinschaft dringlich ist, weil die Einberufung einer Versammlung nicht mehr rechtzeitig möglich wäre,142 wofür einerseits die zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zwecks Ermächtigung des Eigentümers gemäß § 37 Abs. 2 BGB analog und andererseits die zur anschließenden Einberufung einer Eigentümerversammlung erforderliche Zeit zu berücksichtigen ist.143 Fehlt es an einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung und liegen die dargelegten Ausnahmetatbestände nicht vor, so verbleiben für den Antragsteller/Kläger nur folgende Möglichkeiten: – Bei einem amtierenden, aber im Sinne der soeben gemachten Ausführungen trotzdem fehlenden Verwalter kann versucht werden, die Einberufung einer Versammlung mit dem TOP: „Abberufung des Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters“ nach § 24 Abs. 2 S. 2 WEG zu erreichen, indem der Kläger ein Viertel der Wohnungseigentümer für sein Ansinnen gewinnt. – Bei Weigerung des Verwalters zur Einberufung und Vorhandensein eines Verwaltungsbeirats kann nach § 24 Abs. 3 WEG der Vorsitzende oder dessen Vertreter aufgefordert werden, eine Versammlung mit dem TOP „Bestellung eines Verwalters“ einzuberufen. – Amtieren weder Verwalter noch Verwaltungsbeirat, so ist in der Praxis die Einberufungsmöglichkeit für eine Eigentümerversammlung für den einzelnen Wohnungseigentümer kaum gegeben. Diesem bleibt nur die Möglichkeit, sich gerichtlich durch einstweilige Verfügung (oder Klage) ermächtigen zu lassen, eine Versammlung mit dem TOP „Verwalterbestellung“ einzuberufen.144 – Weigern sich hingegen ein amtierender Verwalter oder ein amtierender Verwaltungsbeirat, so besteht alternativ zu der gerichtlichen Ermächtigung noch die Möglichkeit, die entsprechenden Amtsträger zur Einberufung einer Versammlung mit dem TOP „Bestellung eines Verwalters“ durch einstweilige Verfügung (oder Klage) durch das Gericht verpflichten zu lassen. Dieser Weg wird insbesondere bei größeren Gemeinschaften sogar der einzig gangbare sein. Denn dort wird es nicht nur älteren Eigentümern nicht zugemutet werden können, die aktuellen Anschriften zu ermitteln, sämtliche Eigentümer sodann (zumindest zunächst) auf eigene Kosten zu laden sowie die entsprechenden Räum139 BGH Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 = WuM 2010, 175 = ZWE 2010, 174; LG Hamburg Urt. v. 4.9.2016 – 318 S 75/14, ZMR 2016, 134 = ZWE 2016, 226. 140 Abramenko, ZMR 2009, 429, 430. 141 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2007 – I-3 Wx 85/07, ZMR 2007, 878 f.; BayObLG, Beschl. v. 23.3.2000 – 2Z BR 177/99, ZWE 2000, 580, 581. 142 AG Landsberg am Lech, Beschl. v. 19.12.2008 – 1 C 1225/08, ZMR 1009, 486. 143 Abramenko, ZMR 2009, 429, 431. 144 Zu den dann regelmäßig auftauchenden, in der Praxis kaum zu bewerkstelligenden Problemen s. unter Rz. 13.294.

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13.58

Teil 13 Rz. 13.58

Das Verwaltungsverhältnis

lichkeiten selbst anzumieten, und ggf. dann, bei Fortsetzung der Verweigerungshaltung der entsprechenden Amtsinhaber, auch noch selbst eine Versammlung ordnungsgemäß zu leiten und für eine rechtmäßige Beschlussfassung zu sorgen. (3) Benennung von Person, Laufzeit und Entgelt

13.59 Daneben muss der Antragsteller mindestens eine als Verwalter geeignete Person benennen, welche auch bereit ist, die Verwaltung für einen bestimmten zu benennenden Zeitraum mit einer bestimmten zu benennenden Vergütung zu übernehmen. Andernfalls soll ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.145 Nach § 21 Abs. 8 WEG kann das Gericht zwar von den Vorschlägen des Antragstellers auch abweichen. Die Norm bürdet dem Gericht jedoch nicht generell die gesamte Auswahl sowie das Aushandeln von Dauer und Entgelt auf.146 Der Kläger begibt sich hier jedoch in die Zwickmühle, dass einerseits ein Verwalter mit bestimmten Konditionen nur für eine von diesem bestimmte Mindestdauer zu finden sein wird, zum anderen jedoch eine nachteilige Kostenentscheidung droht, falls das Gericht mit seiner Entscheidung unter der beantragten Mindestdauer der Bestellung oder der beantragten Vergütung bleibt, und der Antrag damit insoweit zurückgewiesen wird. Es empfiehlt sich die im nachfolgenden Antragsformular dargestellte Vorgehensweise. bb) Verfügungsgrund

13.60 Nach zutreffender Auffassung147 kann insbesondere bei größeren Gemeinschaften aufgrund der zahlreichen Aufgaben und Befugnisse des Verwalters nach § 27 WEG und den damit verbundenen jederzeit erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen generell von einer Eilbedürftigkeit der Bestellung ausgegangen werden. Es empfiehlt sich dennoch, konkrete, anstehende Maßnahmen darzulegen und glaubhaft zu machen, um jegliches Risiko einer Zurückweisung des Antrags auszuschließen. Denn nach anderer Ansicht148 liegt ein Verfügungsgrund nur dann vor, wenn ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann z.B. wegen des Erfordernisses, Heizöl zu bestellen oder eine Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan zur Schaffung ausreichender Liquidität herbeizuführen. Der Fall, dass die Bestellung eines Verwalters im Hauptsacheverfahren abgewartet werden kann, dürfte allerdings bei der üblichen Dauer gerichtlicher Verfahren kaum vorstellbar sein. cc) Verfügungsgegner

13.61 Antragsgegner sind, wie bei jeder begehrten Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, nach § 43 Nr. 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer. Eine namentliche Bezeichnung dieser übrigen Eigentümer muss gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgen, was bei größeren Gemeinschaften für jeden Kläger eine nahezu unlösbare Aufgabe darstellt. Eine solche mündliche Verhandlung wird jedoch im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund von Dringlichkeit oftmals nicht einmal stattfinden. Insoweit wird in der Literatur149 der Vorschlag unterbreitet, § 44 Abs. 1 WEG teleologisch zu erweitern. Wenn eine mündliche Verhandlung überhaupt nicht erforderlich ist, soll eine Entscheidung gegen die summarisch bezeichneten Wohnungseigentümer ergehen können. Diese sei dann vorläufig 145 146 147 148

Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 299. Briesemeister, NZM 2009, 64 (65 f.). Briesemeister, NZM 2009, 64 (68). LG Stuttgart, Beschl. v. 20.6.2008 – 10 T 80/08, ZMR 2009, 148 f.; LG Berlin, Beschl. v. 31.1.2012 – 85 T 31/12, ZMR 2012, 569; Abramenko, ZMR 2010, 329 (331). 149 Suilmann in Jennißen, § 44 WEG Rz. 13, 16 ff.; Abramenko, ZWE 2010, 329 (330).

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.64 Teil 13

vollstreckbar, und könne sogar in Rechtskraft erwachsen. Wenn aber ein Verfahren ohne Vorliegen einer Eigentümerliste beendet und eine darin ergangene Entscheidung rechtskräftig werden könne, so sei die Eigentümerliste auch nicht konstitutiver Bestandteil der Entscheidung. Werde sie vorgelegt, so bleibe sie gleichwohl nur deklaratorischer Urteilsbestandteil, der berichtigt werden könne. Fehler in der Eigentümerliste führten daher weder zur Unzulässigkeit eines Antrags im vorläufigen Rechtsschutz, noch zur Unzulässigkeit einer Klage im Hauptsacheverfahren. Zugestellt werden muss der Antrag an den Ersatzzustellungsvertreter nach § 45 Abs. 2 13.62 WEG. Existiert ein solcher nicht, muss der Antrag mit den üblichen damit für den Kläger verbundenen Unannehmlichkeiten150 doch wieder an sämtliche Eigentümer zugestellt werden. Zwar besteht grundsätzlich noch die Möglichkeit, die Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters nach § 45 Abs. 3 WEG bei Gericht anzuregen. Erfahrungsgemäß sind derartige „Anregungen“ allerdings relativ fruchtlos, sei es aufgrund der Unwilligkeit des Gerichts oder der Tatsache, dass ohnehin kein Eigentümer bereit ist, dieses Amt, zu dem er seine Zustimmung erteilen muss, zu übernehmen. Eine ganz andere Frage ist in diesem Zusammenhang noch, ob dem einzelnen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung und damit auf Bestellung eines Verwalters nicht auch gegenüber der Gemeinschaft zusteht. Nimmt ein Verwalter erforderliche Maßnahmen nicht vor, kann der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung gegen ihn gerichtlich gemäß § 43 Nr. 3 durchgesetzt werden.151 Dann müsste ebenfalls ein Anspruch gegen die Gemeinschaft gerichtlich gemäß § 43 Nr. 2 WEG durchsetzbar sein, wenn diese etwa nicht dafür Sorge trägt, dass sie über ihr grundsätzlich erforderliches Vertretungsorgan verfügt. Diese Lösung hätte für den Antragsteller den Vorteil, dass eine Zustellung der Antragsschrift nach § 27 Abs. 3 S. 2 WEG i.V.m. § 170 Abs. 3 ZPO anlog nur an einen Wohnungseigentümer erfolgen müsste. Die soeben erörterte Frage wird aber in der Literatur152 abgelehnt und, soweit ersichtlich in der Rechtsprechung nicht behandelt und ist deshalb als Lösung entsprechend riskant.

13.63

dd) Inhalt der gerichtlichen Entscheidung Ein gerichtlich bestellter Verwalter hat die gleichen Aufgaben und Befugnisse wie ein solcher, der im Rahmen der Gemeinschaftsordnung als Erstverwalter oder durch Mehrheitsbeschluss bestellt wird. Aus diesem Grunde können die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters im Rahmen gerichtlichen Ermessens zwar erweitert, aber allenfalls in den gesetzlichen Grenzen des § 27 Abs. 4 WEG begrenzt werden.153 Ohne sachliche Notwendigkeit darf das Gericht jedoch die gesetzlich geregelten Kompetenzen des zu bestellenden Verwalters auch nicht erweitern, und damit rechtswidrig in die Privatautonomie der Gemeinschaft eingreifen. Anderenfalls überschreitet es sein Rechtsfolgeermessen.154 Sinnvoll und zulässig ist es, einen vollständigen

150 Kopierorgien, Erforschen von Namen und ladungsfähiger Anschriften der Miteigentümer für eine aktuelle Eigentümerliste, welche dem Gericht bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vorliegen muss, etc. 151 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 52. 152 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 52. 153 Merle in Bärmann, § 26 WEG Rz. 296. 154 OLG München, Beschl. v. 11.5.2007 – 34 Wx 043/07, ZMR 2008, 74.

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13.64

Teil 13 Rz. 13.64

Das Verwaltungsverhältnis

Verwaltervertrag abzuschließen. Der Antragsteller/Kläger sollte also entsprechende Vertragsangebote vorlegen. ee) Streitwert

13.65 Der Streitwert in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beläuft sich regelmäßig auf etwa ein Drittel des Wertes der Hauptsache.155 Wird allerdings, wie bei der gerichtlichen Bestellung eines Verwalters, die Hauptsache durch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (teilweise) vorweggenommen, ist es angemessen, zumindest annähernd den vollen Wert anzusetzen.156 Nach § 49a Abs. 1 GKG ist dies, da Individual- und Gesamtinteresse gleichlaufen, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie im Hauptsacheverfahren 50 % der für die Bestellungszeit anfallenden Vergütung. ff) Rechtsschutzmöglichkeiten

13.66 Für die Wohnungseigentümer bestehen die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung eines Verwalters, also regelmäßig die Durchführung des Berufungsverfahrens.

13.67 Der Verwalterkandidat hat keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Er wird durch eine gerichtliche Entscheidung, auf deren Grundlage er zum Verwalter bestellt werden soll, nicht beschwert, da er seine Bestellung durch Verweigerung der Zustimmung zu verhindern vermag. Gegen eine gerichtliche Entscheidung, mit welcher der Antrag eines Wohnungseigentümers auf seine Bestellung abgewiesen wird, ist der Verwalterkandidat nicht rechtsmittelbefugt, da er weder Partei des Verfahrens noch beizuladen ist. Im Übrigen hatte er auch zu keinem Zeitpunkt eine Rechtsstellung inne, welche ihm durch die gerichtliche Entscheidung nachträglich wieder entzogen wurde.

13.67a Die Wohnungseigentümer können auch nicht den gerichtlich bestellten Verwalter ohne gleichzeitige Bestellung eines Nachfolgers abberufen. Hierfür soll den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz fehlen, weswegen ein derartiger Beschluss nichtig wäre. Denn ansonsten würde die von den Wohnungseigentümern nicht getroffene Maßnahme erneut erforderlich, und das Gericht wäre gezwungen, auf entsprechenden Antrag eines Eigentümers erneut einen Verwalter zu bestellen.157 Unproblematisch wäre die Verbindung des Beschlusses über die Abbestellung des gerichtlich bestellten Verwalters mit der Neuwahl eines Verwalters.

13.68 Legt der gerichtlich bestellte Verwalter sein Amt nieder, so sind die Wohnungseigentümer auf Schadensersatzansprüche gegen einen derartig ausgeschiedenen Verwalter, etwa wegen der nutzlos aufgewendeten Prozesskosten, beschränkt.158

155 Herget in Zöller, § 3 ZPO Rz. 16; AG Hamburg, Beschl. v. 13.11.2008 – 102A C 36/08, ZMR 2009, 232 (233). 156 Herget in Zöller, § 3 ZPO Rz. 16. 157 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 302; a.A. Greiner, § 10 Rz. 157, der fragliche Beschluss sei anfechtbar, aber nicht nichtig. 158 S. zur Amtsniederlegung auch unter Rz. 13.277.

840

Reichert †/Tank

Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.71 Teil 13

gg) Antragsmuster

M 22 Verwalterbestellung durch einstweilige Verfügung

13.69

Amtsgericht Abt. für Wohnungseigentumssachen … Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung In Sachen des Herrn Y, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz – Antragsteller – Verfahrensbevollmächtigte: RAe … gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz gemäß der in Anlage beigefügten Eigentümerliste – Antragsgegner – Ersatzzustellungsvertreterin: Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz beantragen wir namens und in Vollmacht des Antragstellers den Erlass folgender einstweiliger Verfügung: 1. Die Hausverwaltung X oder ein anderer vom Gericht zu bestimmender Verwalter wird einstweilen für die Dauer von mindestens einem Jahr ab Erlass der Verfügung zum Verwalter der Gemeinschaft Leibnizstraße 10 in 55118 Mainz bestellt. 2. Im Falle der Bestellung der Hausverwaltung X erfolgt diese auf der Grundlage des Angebots eines Verwaltervertrages vom …

2. Das Anstellungsrechtsverhältnis Der entgeltliche Verwaltervertrag ist von seiner Rechtsnatur her ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit teilweise dienstvertraglichen, teilweise werkvertraglichen Merkmalen.159 Der unentgeltliche Verwaltervertrag folgt den Regeln des Auftragsrechts gemäß §§ 662 ff. BGB.160

13.70

Nach der hier zu Grunde gelegten Trennungstheorie161 erlangt der Verwalter allein durch die Annahme seiner Bestellung seine organschaftliche Rechtsstellung mit dem Mindestumfang der gesetzlichen Rechte und Pflichten. Der zusätzliche Abschluss eines Verwaltervertrages ist hierzu nicht erforderlich, findet in der Praxis jedoch regelmäßig bereits aus dem Grunde statt, weil der Verwalter darauf bedacht ist, seinen Vergütungsanspruch einer vertraglichen Regelung zuzuführen. Dennoch gibt es auch Fälle, in denen der Abschluss eines Verwaltervertrages

13.71

159 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = ZWE 2011, 209. 160 Becker in Bärmann, § 26 Rz. 109. 161 S. unter Rz. 13.2.

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Teil 13 Rz. 13.71

Das Verwaltungsverhältnis

unterbleibt. Nach Auffassung der Rechtsprechung162 kommt dann eine Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. In der Literatur wird danach differenziert, ob ein unwirksamer oder überhaupt kein Verwaltervertrag geschlossen wurde. In ersterem Falle soll sich die Vergütung des Verwalters nach den Grundsätzen über fehlerhafte Anstellungsverträge richten,163 in Letzterem nach §§ 27 Abs. 3, 670 BGB analog.164

13.72 Wer neben dem Verwalter Partei des Verwaltervertrages wird, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, Vertragspartner des Verwalters seien sowohl die Gemeinschaft als auch die einzelnen Wohnungseigentümer.165 Nach der Gegenauffassung und h.M.166 hätte man sich dann allerdings die Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit sowie die daraufhin erfolgte Gesetzesreform zu einem großen Teil sparen können. Ziel von beidem war es, u.a. durch Schaffen eines von den einzelnen Wohnungseigentümern unabhängigen Rechtssubjekts als Vertragspartner die bisherige Rechtsunsicherheit darüber zu beseitigen, wie bei Dauerschuldverhältnissen (etwa Versorgungsverträge und auch der Verwaltervertrag) der zwischen dem Dritten und den Wohnungseigentümern in ihrem jeweiligen Bestand abgeschlossene Vertrag bei einem Eigentümerwechsel auf den neu eingetretenen Eigentümer übergeleitet werden kann. Dies alles wäre umsonst, würde man die einzelnen Wohnungseigentümer neben dem Verband nun doch wieder als Partei des Verwaltervertrages ansehen. Nach der h.M. ist Vertragspartner des Verwalters daher lediglich die Gemeinschaft, nicht aber zusätzlich auch die einzelnen Wohnungseigentümer. Für die Praxis kann dieser Meinungsstreit durchaus Bedeutung erlangen.167

13.73 Der Verwaltervertrag entfaltet jedoch Schutzwirkungen gegenüber den Wohnungseigentümern und wird deshalb als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter angesehen.168 Deshalb stehen dem einzelnen Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzungen aus dem Verwaltervertrag eigene Schadensersatzansprüche zu, wenn und sofern der Wohnungseigentümer durch das pflichtwidrige Handeln des Verwalters einen eigenen Schaden erleidet.169 Der einzelne Wohnungseigentümer hat aber keinen allgemeinen Anspruch gegen den Verwalter auf Erfüllung seiner Pflichten aus dem Verwaltervertrag. Diese Ansprüche stehen der Gemeinschaft als Vertragspartner zu. Individuelle Ansprüche aus dem Verwaltervertrag hat der einzelne Wohnungseigentümer ebenso nicht, da er nicht Vertragspartner geworden ist. In Einzelfällen, bei Belegeinsicht,170 Einberufung einer Eigentümerversammlung171 und Erstellung einer Jahresabrechnung/Wirtschaftsplanes,172 werden solche Ansprüche gleichwohl bejaht.

162 BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, WuM 1997, 294 = MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106 (2107). 163 Merle in Bärmann, § 26 WEG Rz. 174. 164 Striewski, ZWE 2001, 8 (11). 165 Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 81. 166 BGH, Urt. v. 17.11.2011 – V ZB 134/11, MDR 2012, 337 = ZWE 2012, 128 = WuM 2012, 292; Hügel, ZWE 2008, 1 (2); Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 110; Häublein, ZWE 2008, 2 ff.; OLG Düsseldorf, ZWE 2007, 92 (94). 167 S. hierzu etwa unter Rz. 171 ff., dort etwa bei „Lastschriftverfahren“ oder „Mahnkosten“. 168 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, ZMR 2007, 56 (57); OLG München, Beschl. v. 21.2.2007 – 34 Wx 100/06, NZM 2007, 448; Wenzel, NZM 2006, 321 (322); Häublein, ZWE 2008, 6; Hügel, ZMR 2008, 2; Becker in Bärmann, § 26 Rz. 111. 169 Becker in Bärmann, § 26 Rz. 111. 170 BGH, Urt. v. 11.2.2001 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = ZWE 2011, 212. 171 LG Frankfurt/M. Urt. v. 31.7.2013 – 13 S 60/13, ZMR 2013, 983 = ZWE 2014, 142. 172 BGH, Urt. v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 635 = NJW 2012, 2797 = WuM 2012, 524.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.78 Teil 13

Etwas problematischer ist, dass im Verwaltervertrag häufig auch Pflichten (etwa eine Vergütungspflicht für die Veräußerungszustimmung) der einzelnen Wohnungseigentümer festgelegt werden, weswegen man ihn als unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter ansehen könnte. Da nach § 21 Abs. 7 WEG die Wohnungseigentümer die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzuges sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand beschließen können, ist Rechtsgrundlage der Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer tatsächlich jedoch nicht der Verwaltervertrag, sondern der diesen Vertrag bewilligende Anstellungsbeschluss.

13.73a

Wie bei der Bestellung ist auch bei der Anstellung des Verwalters nach den verschiedenen Entstehungstatbeständen zu differenzieren.

13.74

a) Anstellung aufgrund der Gemeinschaftsordnung Nach h.M. kann der Verwaltervertrag entweder dadurch zu Stande kommen, dass der bereits mit dem Verwalter abgeschlossene Vertragstext als Inhalt der Gemeinschaftsordnung oder als Anlage mit beurkundet wird, oder dass der Bauträger im Namen der zukünftigen Gemeinschaft als Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dem in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Erstverwalter einen Vertrag abschließt, den die Gemeinschaft nach ihrer Entstehung noch genehmigen muss.173 In ersterem Falle handelt es sich bei dem beurkundeten Vertragstext um keine Vereinbarung im rechtlichen Sinne, sodass der nächste Vertrag inhaltlich an diesen nicht gebunden ist.

13.75

Für beide Vertragsparteien gelten die allgemeinen Rechtschutzmöglichkeiten für fehlerhafte Willenserklärungen nach §§ 116 ff. BGB.

13.76

b) Anstellung aufgrund Mehrheitsbeschlusses aa) Rechtsnatur des Anstellungsbeschlusses Im Gegensatz zum Bestellungsbeschluss, welcher nach Auffassung des BGH174 auf die unmittelbare Begründung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse und Pflichten gerichtet ist und konstitutiver Bestandteil des zweistufigen Bestellungsaktes sein soll, gilt auch nach Ansicht des BGH für den Anstellungsbeschluss wiederum die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, wonach Beschlüsse allein der innerorganisatorischen Willensbildung der Gemeinschaft dienen und ihre inneren Verhältnisse regeln. Wie jeder Beschluss175 ist auch der Anstellungsbeschluss Instrument der Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft. Um der Entscheidung der Wohnungseigentümer eine Rechtswirkung gegenüber dem anzustellenden Verwalter zukommen zu lassen, bedarf es diesem gegenüber einer der Gemeinschaft zurechenbaren Erklärung.

13.77

bb) Delegation Richtigerweise sollte bei Beschlussfassung über den Verwaltervertrag dieser den Wohnungseigentümern bereits in seiner endgültigen Fassung vorliegen und der Vertragstext im Einzelnen durch einen Vertreter der Gemeinschaft mit dem bereits bestellten Verwalter im Vorfeld 173 Greiner, § 10 Rz. 168 ff. 174 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = WuM 2002, 628 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 ff. 175 Außer nach Auffassung des BGH bei dem Bestellungs- und dem Abberufungsbeschluss.

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13.78

Teil 13 Rz. 13.78

Das Verwaltungsverhältnis

der Beschlussfassung ausgehandelt werden. Dies scheitert in der Praxis allerdings daran, dass die Wohnungseigentümer, so sie überhaupt zwischen Be- und Anstellung eines Verwalters differenzieren, regelmäßig nur eine Versammlung im Jahr abhalten, in der zunächst einmal ein geeigneter Kandidat als Verwalter gefunden (bestellt) werden muss. Sodann müssen mit diesem erfolgreichen Kandidaten für das Verwalteramt noch die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt werden. Da man aber regelmäßig weder Zeit noch Lust hat, wegen der Genehmigung des Inhalts des abzuschließenden Verwaltervertrages in absehbarer Zeit eine weitere Versammlung abzuhalten, wird in der Praxis von § 27 Abs. 3 S. 3 WEG Gebrauch gemacht. Die Wohnungseigentümer beauftragen durch Beschluss einen Vertreter, meist Mitglieder des Verwaltungsbeirats, mit dem Aushandeln des Anstellungsvertrages im Übrigen und dessen Abschluss mit dem Verwalter, wobei der Beschluss bereits bestimmte Eckdaten, wie etwa die Vertragsdauer und die Höhe der Vergütung, vorgibt. Ohne die Vorgabe von Eckdaten entspricht ein derartiger Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.176 Der Beschluss ist aber nicht nichtig,177 denn eine Beschlusskompetenz ergibt sich aus § 27 Abs. 3 S. 3 WEG.

13.79 Nach ganz h.M. ist die Vollmacht zum Abschluss des Verwaltervertrages auf übliche Klauseln beschränkt, welche ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.178 Alle Regelungen, welche darüber hinausgehen, sollen unwirksam sein, wobei nach § 139 BGB der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Da ein Ermächtigungsbeschluss gemäß § 27 Abs. 3 S. 3 WEG gefasst wird, wird die Ermächtigung nur beschränkt dergestalt erteilt, dass die vertretungsberechtigten Wohnungseigentümer die vorgegebenen Eckdaten zu beachten haben. Diese Beschränkung berührt unmittelbar die Vertretungsmacht, und etwaige darüber hinausgehende Regelungen sind für die Eigentümer unwirksam. Wird die Ermächtigung nach außen unbeschränkt erteilt, ist der Verwaltervertrag wirksam zu Stande gekommen, auch wenn sich der Ermächtigte nicht an die von den Wohnungseigentümern gemachten Vorgaben gehalten hat.179 Etwas anderes gilt im Falle eines für den Vertragspartner evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht. Der Verwaltervertrag wäre dann schwebend unwirksam.180

13.80 In jedem Falle ist einem Verwalter zu empfehlen, sich in der nächsten Versammlung einen derart ausgehandelten Vertrag durch Beschluss der Gemeinschaft nochmals bestätigen zu lassen. Problematische Vertragsklauseln, welche zuvor mangels Vertretungsmacht des Vertreters nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam waren, werden damit bis zum Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist vorläufig, und danach endgültig wirksam. cc) Beschlussfassungsverfahren

13.81 Da es ausschließlich um die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte gehen soll, ist nach der Rechtsprechung für den Stimmrechtsausschluss eines Eigentümers, der für das Verwalteramt kandidiert, § 25 Abs. 5 WEG auf den Bestellungsbeschluss nicht anzuwenden. Im Ergebnis gilt gleiches auch dann, wenn, wie in der Praxis regelmäßig, der Bestellungsbeschluss mit dem Anstellungsbeschluss über den Verwaltervertrag unter einem TOP bewusst oder unbe176 OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2002 – 16 Wx 135/02, NJW-RR 2003, 8; BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 114/14, WuM 2015, 317 = MDR 2015, 500 = ZWE 2015, 215. 177 So aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, ZMR 1998, 104 = NZM 1998, 36. 178 OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2002 – 16 Wx 135/02, NJW-RR 2003, 8; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – 3 Wx 51/06, ZMR 2006, 870 = ZWE 2006, 396 = NJW 2006, 3645. 179 Hügel, ZWE 2008, 1 (4 f.). 180 Becker in Bärmann, § 26 Rz. 122.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.87 Teil 13

wusst verbunden wird. Begründet wird diese mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 5 WEG eigentlich unvereinbare Auffassung damit, Bestellung und Anstellung des Verwalters seien im Hinblick auf das mitgliedschaftliche Interesse des Wohnungseigentümers untrennbar miteinander verbunden, sodass beide hinsichtlich der Stimmberechtigung gleich behandelt werden müssten.181 Aus dem gleichen Grunde wird der Eigentümerverwalter auch bei der alleinigen Beschlussfassung über den mit ihm abzuschließenden Verwaltervertrag als stimmberechtigt angesehen.182 Der Verwalter kann damit auch, egal ob selbst Eigentümer oder nicht, von ihm erteilten Stimmrechtsvollmachten bei seiner An- und/oder Wiederbestellung Gebrauch machen.183 Ansonsten gibt es bei dem Anstellungsbeschluss im Hinblick auf das Beschlussfassungsverfahren keine Besonderheiten, sodass auf die Ausführungen zum Bestellungsbeschluss und die allgemeinen Ausführungen zur Beschlussfassung der Wohnungseigentümer verwiesen werden kann. dd) Vertragszeit

13.82

Hier sind folgende Fallgestaltungen zu differenzieren: (1) Laufzeit des Vertrages = Dauer der Bestellung

13.83

– Vertragszeit endet mit Bestellungszeit (2) Laufzeit des Vertrages ist nicht geregelt – Bei Bestellung auf bestimmte Zeit ist der Vertrag nach §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass er für die Bestellungszeit eingegangen wurde.

13.84

– Bei Bestellung auf unbestimmte Zeit ist der Vertrag nach §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass auch er auf unbestimmte Zeit, wegen § 26 Abs. 1 S. 2 maximal aber 5 Jahre läuft. (3) Laufzeit des Vertrages ist kürzer als Bestellungszeit

13.85

– Unschädlich, mit Zeitablauf muss neuer Vertrag ausgehandelt werden. (4) Laufzeit des Vertrages ist länger als Bestellungszeit – Vertrag ist immer nach § 26 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 134 BGB unwirksam, soweit die Bestellungszeit überschritten wird, da die Eigentümer in ihrer Entscheidung über die Bestellung des Nachfolgers ansonsten nicht frei wären.184

13.86

ee) Vertragsangebot und -annahme Mit dem Beschluss über den Verwaltervertrag kommt dieser noch nicht mit dem (künftigen) Verwalter zu Stande. Vielmehr sind nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 145 ff.) zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich,185 welche jedoch bei einer Anwesenheit des Verwalters in der beschlussfassenden Versammlung auch konkludent abgegeben 181 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 135. 182 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = NJW 2002, 3704. 183 OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2006 – 15 W 142/05, ZMR 2007, 63. 184 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = NZM 2002, 788. 185 Jacoby, ZWE 2008, 327.

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13.87

Teil 13 Rz. 13.87

Das Verwaltungsverhältnis

werden können.186 Dabei ist sowohl denkbar, dass die Gemeinschaft aufgrund des Anstellungsbeschlusses der Wohnungseigentümer ein Angebot abgibt, welches der Verwalter annimmt, als auch, dass der Verwalter ein Angebot abgibt, welches nach Beschlussfassung der Wohnungseigentümer hierüber für die Gemeinschaft angenommen werden muss. In beiden Fällen muss die Gemeinschaft bei der Abgabe ihrer Willenserklärung vertreten werden. Bei Anwesenheit des (zukünftigen) Verwalters soll dies aufgrund einer ebenfalls konkludent erteilten Ermächtigung des Versammlungsleiters mit Verkündung des Beschlussergebnisses geschehen.187 Ohne eine Anwesenheit des Verwalters in der beschließenden Versammlung erfolgt dies – gemäß § 27 Abs. 3 S. 2 WEG durch alle Wohnungseigentümer, was wohl nur bei kleineren Gemeinschaften denkbar ist, oder – gemäß § 27 Abs. 3 S. 3 WEG durch einen oder mehrere Wohnungseigentümer, welche durch Beschluss zum Vertragsabschluss ermächtigt wurden, oder – gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG durch den amtierenden Verwalter, soweit dieser durch Beschluss zum Vertragsabschluss mit dem anderen Verwalter als Nachfolger (wegen § 181 BGB nicht mit ihm selbst) ermächtigt wurde, oder – gemäß § 21 Abs. 3 WEG durch einen Dritten, etwa einen Rechtsanwalt, welcher zur Vertretung der Gemeinschaft durch Beschluss bevollmächtigt wurde.188 ff) Rechtsschutzmöglichkeiten (1) Anfechtung des Bestellungsbeschlusses

13.88 Ein auf Grundlage einer noch nicht bestandskräftigen Bestellung abgeschlossener Verwaltervertrag wird nach der Rechtsprechung aufgrund ergänzender Vertragsauslegung stets unter der stillschweigend vereinbarten Bedingung abgeschlossen, dass der Bestellungsbeschluss nicht für ungültig erklärt wird.189 Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung soll nach dem Willen der Parteien jedoch von einem wirksamen Verwaltervertrag auszugehen sein, eine Unwirksamkeit soll also lediglich für die Zukunft eintreten.190 Zur Verhinderung der Entstehung des Verwaltungsverhältnisses genügt nach h.M. somit die alleinige Anfechtung des Bestellungsbeschlusses. (2) Anfechtung des Anstellungsbeschlusses

13.89 Ein Mehrheitsbeschluss, durch den ein Verwaltervertrag gebilligt wird, dessen Bestimmungen gegen die §§ 305 ff. BGB oder die Gemeinschaftsordnung verstoßen oder die inhaltlich unklar sind, widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären.191

186 187 188 189

Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 115. Merle in Bärmann, § 26 WEG Rz. 115. Merle in Bärmann, § 26 WEG Rz. 118. KG, Beschl. v. 29.10.1990 – 24 W 6672/89, WE 1991, 105 = WuM 1991, 57; BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = DWE 1997, 72 = NJW 1997, 2106 (2107). 190 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = DWE 1997, 72 = NJW 1997, 2106 (2107). 191 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – 3 Wx 51/06, NJW 2006, 3645.

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Die Begründung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.93 Teil 13

Fraglich ist allerdings, ob durch eine isolierte Anfechtung des Anstellungsbeschlusses die Unwirksamkeit des Verwaltervertrages und damit des Anstellungsrechtsverhältnisses herbeigeführt werden kann.

13.90

Vor der Gesetzesreform gelangte man zu diesem Ergebnis durch die Annahme, dass mit Ungültigerklärung des Anstellungsbeschlusses bei den Wohnungseigentümern als damals anzusehende Vertragspartner des Verwalters die gesetzliche Vertretungsmacht der Mehrheit für die Minderheit aus § 10 Abs. 5 WEG wegfällt. Die rückwirkende gerichtliche Unwirksamkeitserklärung eines zwischenzeitlich (durch Abgabe der Angebots- oder Annahmeerklärung) ausgeführten Mehrheitsbeschlusses stellte dann für die diesen Beschluss ausführende Person einen Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht dar,192 welcher gleichzeitig durch die gerichtliche Entscheidung nicht genehmigt wurde, und damit nach § 177 Abs. 1 BGB unwirksam war.

13.91

Dies reicht nun allerdings nicht mehr aus, da zum einen nicht mehr nach § 10 Abs. 5 WEG 13.92 die Minderheit der Wohnungseigentümer von der Mehrheit, sondern die Gemeinschaft als Vertragspartner des Verwalters durch den Erklärenden vertreten wird. Zum anderen wird die Vertretungsmacht desjenigen, welcher die entsprechende Erklärung für die Gemeinschaft abgibt, gemäß § 27 Abs. 3 S. 2 gesetzlich, oder nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG, §§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr 7 oder 21 Abs. 3 WEG rechtsgeschäftlich durch Ermächtigungsbeschluss erteilt. Bei der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht könnte noch daran gedacht werden, gleichzeitig mit der Anfechtung des Anstellungsbeschlusses auch den Ermächtigungsbeschluss anzufechten, und damit, ähnlich wie nach der alten Rechtslage, der Angebots- oder Annahmeerklärung die rechtliche Grundlage zu entziehen, sodass der Erklärende wiederum als Vertreter ohne Vertretungsmacht anzusehen ist. Diese Möglichkeit scheidet jedoch bei der gesetzlichen Vertretungsmacht nach § 27 Abs. 3 S. 2 WEG aus. Hier helfen der Gemeinschaft nur noch die allgemeinen Regelungen nach den §§ 116 ff. BGB oder die Kündigung des Verwaltervertrages, wobei vertreten wird, die Parteien des Verwaltervertrages hätten zumindest für den Fall der Aufhebung des Bestellungsbeschlusses konkludent ein Sonderkündigungsrecht der Gemeinschaft vertraglich vereinbart.193 Anderer Auffassung nach wird mit der Anfechtung des Anstellungsbeschlusses auch der bereits abgeschlossene Verwaltervertrag unwirksam.194 c) Anstellung aufgrund gerichtlicher Entscheidung Wird ein Verwalter gerichtlich bestellt, so ist es zwar nicht notwendig, aber durchaus üblich, dass das Gericht innerhalb seines Ermessens vom Antragsteller vorgeschlagene verwaltervertragliche Konditionen, insbesondere die Vergütung, festlegt, denn die Gemeinschaft könnte entsprechende vertragliche Regelungen beschlussweise regeln. Das Gericht könnte sogar einen Verwaltervertrag abschließen und soll dazu verpflichtet sein, wenn Vertragsangebote vorliegen, denn eine reine Bestellung ohne gleichzeitigen Beschluss zumindest über die Eckdaten eines Verwaltervertrages wäre unwirksam.195 Das Gericht ist an eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, nach welcher der Verwalter unentgeltlich tätig wird, nicht gebunden, da eine derartige Regelung entweder nicht für den gerichtlich bestellten Verwalter gilt, oder sogar nach

192 193 194 195

Merle, PiG 6, 65, 76. Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 169 c. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 125e. BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 114/14, WuM 2015, 317 = MDR 2015, 500 = ZWE 2015, 215.

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13.93

Teil 13 Rz. 13.93

Das Verwaltungsverhältnis

§§ 134 BGB, 20 Abs. 2 WEG unwirksam ist.196 Isolierte Klagen auf Begründung eines Anstellungsrechtsverhältnisses existieren in der Praxis nicht.

III. Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters 13.94 Die Rechte und Pflichten des amtierenden Verwalters werden in erster Linie durch seine gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse aufgrund des Bestellungsrechtsverhältnisses bestimmt. Hinzu treten seine gewillkürten Aufgaben und Befugnisse aufgrund des Verwaltervertrages. 1. Rechte und Pflichten aufgrund der Bestellung

13.95 Die gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse des Verwalters sind im Wesentlichen in den §§ 24, 25, 27 und 28 WEG geregelt. Die folgende Darstellung befasst sich allein mit § 27 WEG. Die anderen Normen werden an anderer Stelle im Sachzusammenhang mit der Eigentümerversammlung (vgl. Teil 4) und dem Rechnungswesen der Gemeinschaft (vgl. Teil 7) behandelt.

13.96 Seiner Systematik nach behandelt § 27 Abs. 1 WEG das Innenverhältnis zwischen dem Verwalter einerseits und sowohl den Wohnungseigentümern als auch der Wohnungseigentümergemeinschaft andererseits (sog. Geschäftsführungsbefugnis). In § 27 Abs. 2 WEG sollte eigentlich ausschließlich die Vertretungsmacht des Verwalters für die Wohnungseigentümer und in § 27 Abs. 3 WEG die Vertretungsmacht für die Gemeinschaft geregelt werden. Inzwischen ist jedoch anerkannt, dass, entgegen der ursprünglichen Absicht des Reformgesetzgebers, auch die Absätze 2 und 3 (wie nach „altem“ Recht) Geschäftsführungsbefugnisse des Verwalters im Umfang der eingeräumten gesetzlichen Vertretungsmacht begründen. Entgegen dem Wortlaut ist der Verwalter, wiederum wie nach „alter“ Rechtslage, zur Durchführung der entsprechenden Maßnahmen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.197 a) Aufgaben und Befugnisse gegenüber den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft, § 27 Abs. 1 WEG

13.97 Im Innenverhältnis hat der Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft die nachfolgend dargelegten Rechte und Pflichten. Abs. 1 betrifft ausschließlich das Innenverhältnis; er gibt dem Verwalter, anders als die Abs. 2 und 3, keine Vertretungsmacht.198 aa) Die Ausführung von Beschlüssen, § 27 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. WEG

13.98 Der Verwalter ist das Vollzugsorgan des Willens der Wohnungseigentümer, wie er sich in den Beschlüssen manifestiert hat. Als derartiges Vollzugsorgan fremden Willens ist er weisungsgebunden, und es kommt nicht darauf an, ob der Verwalter die Beschlüsse nach eigenem Empfinden als sinnvoll und zweckmäßig erachtet oder nicht.

13.99 Beschlüsse, welche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und damit rechtswidrig sind, muss er ebenfalls ausführen. Der Verwalter soll derartige Beschlüsse anfechten und die vorläufige Aussetzung der Durchführung durch einstweiligen Rechtsschutz beantragen kön196 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.1993 – 20 W 31/93, NJW-RR 1993, 845. 197 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 1; Merle, ZWE 2010, 2. 198 BT-Drucks. 16/887, 69f; Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 5.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.101 Teil 13

nen. Dieses altruistische Anfechtungsrecht wird jedoch überwiegend verneint.199 Abgesehen davon, dass die Neigung der Verwalter dies auf eigenes Kostenrisiko (§ 91 ZPO) zu tun nicht allzu groß sein dürfte, ist es dem deutschen Recht bislang fremd, dass eine Person, welche zur weisungsgebundenen Erledigung von Aufgaben und Befugnissen verpflichtet ist, die ihm erteilten Weisungen allein im Interesse seines Auftraggebers einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen können soll. Letztlich würde durch Anerkennung eines sog. altruistischen Anfechtungsrechts durch eine Person, die nicht Rechtsträger ist, in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer eingegriffen. Diese können, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren, mag dies im Einzelfall auch unvernünftig sein.200 Es bedarf aber keines Verwalters, welcher die Wohnungseigentümer quasi als Vormund zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums anhält.201 Dies ist Aufgabe der einzelnen Eigentümer selbst, denen nach Art. 14 GG i.V.m. § 903 BGB auch die Freiheit zuzugestehen ist, derartiges zu unterlassen. Anderes folgt auch nicht aus § 46 Abs. 1 S. 1 2. Alt. WEG, welcher schon seinem Wortlaut nach lediglich die passive Parteistellung des Verwalters regelt, nicht aber eine altruistische Klagebefugnis begründet. Man wird dem Verwalter daher allenfalls dann eine Befugnis zur Anfechtung von Beschlüssen zuerkennen können, wenn er durch diese in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen ist.202 Allein die Tatsache, dass er einen (rechtswidrigen) Beschluss auszuführen hat, betrifft aber noch nicht seine Rechtsstellung als Verwalter.203 Da der Verwalter nach h.M. verpflichtet ist, auch fehlerhafte (nicht aber nichtige) Beschlüsse umzusetzen, muss er dies auch dann tun, wenn der Beschluss angefochten wurde. Der Verwalter hat Beschlüsse unverzüglich zu vollziehen, so dass er nicht, wie in der Praxis häufig vorkommend, die Bestandskraft des Beschlusses, also die Anfechtungsfrist, abwarten kann. Die Anfechtungsklage hat nämlich keine aufschiebende Wirkung und ein Beschluss ist solange gültig, wie er nicht rechtskräftig für ungültig erklärt wurde, § 23 Abs. 4 WEG. Etwas anderes kann gelten, wenn das Gericht auf Antrag den Vollzug des Beschlusses einstweilen ausgesetzt hat oder die Gemeinschaft beschlossen hat, dass der Verwalter den Beschluss erst umsetzen darf, wenn er in Bestandskraft erwachsen ist.204 Wartet der Verwalter und vollzieht den Beschluss nicht unverzüglich, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Vollzieht er den Beschluss und wird der Beschluss später rechtskräftig für ungültig erklärt, schuldet er keinen Schadensersatz, da sein Handeln nicht rechtswidrig war.205

13.99a

Nichtige Beschlüsse muss der Verwalter hingegen nicht ausführen, denn diese sind unwirksam, ohne dass dies gerichtlich festgestellt werden muss. Insoweit steht es aber sowohl dem Verwalter als auch den Wohnungseigentümern frei, zur Klarstellung die Nichtigkeit des Beschlusses durch eine Feststellungsklage gemäß §§ 43 Nr. 2 WEG, 256 ZPO klären zu lassen.

13.100

Muss der Verwalter im Rahmen der Durchführung des Beschlusses einen Vertrag im Namen der Gemeinschaft abschließen, so soll dieser konkludent eine entsprechende Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG beinhalten.206 Verträge, die der Verwalter aufgrund ermächtigen-

13.101

199 200 201 202 203 204 205 206

S. zum Meinungsstand Suilmann in Jennißen, § 46 WEG Rz. 40. Suilmann in Jennißen, § 46 WEG Rz. 44 ff. Kümmel, ZWE 2001, 516 (521). LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 18.3.2009 – 14 S 8312/08, ZMR 2009, 483. Klein in Bärmann, § 46 WEG Rz. 32. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 19. BayObLG, Beschl. v. 21.2.1990 – 1b Z 43/88, WuM 1990, 366 = WE 1991, 198, 199. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.11.2005 – 23 U 211/04, NZM 2006, 182.

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Teil 13 Rz. 13.101

Das Verwaltungsverhältnis

den Beschlusses abschließt, wirken gemäß § 164 Abs. 1 BGB unmittelbar für und gegen den Vertretenen, also die Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft, es sei denn der Verwalter schließt sie ausdrücklich in eigenem Namen ab. Der Verwalter kann aus ihnen keine Rechte herleiten, er ist aus ihnen auch nicht verpflichtet.207 bb) Die Sorge um die Durchführung der Hausordnung, § 27 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. WEG

13.102 Der Verwalter hat in erster Linie durch Maßnahmen tatsächlicher Art für die Durchführung der Hausordnung zu sorgen. Dies geschieht etwa durch Aufforderungen, Ermahnungen, Hinweise, Aushänge, Rundschreiben etc. Der Begriff der Hausordnung umfasst dabei auch Regelungen über die Reinigung gemeinschaftlicher Anlagen, die Streu- und Räumpflicht208 sowie etwaige Benutzungsregelungen gemeinschaftlicher Einrichtungen (Waschküche, Schwimmbad, Aufzug usw.). Die Einhaltung dieser Regelungen ist vom Verwalter zu überwachen. Bei groben Verstößen soll der Verwalter berechtigt sein, eine Abmahnung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG auszusprechen.209 Gegenüber Mietern bestehen diese Befugnisse nicht. Hier kann die Einhaltung der entsprechenden Regelung nur über den vermietenden Wohnungseigentümer erreicht werden, welcher verpflichtet ist, auf seinen Mieter insoweit einzuwirken, § 14 Nr. 2 WEG. Soweit diese tatsächlichen Maßnahmen nicht fruchten, gehört die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung, die dann die entsprechenden weiteren Maßnahmen zu beschließen hat.

13.102a Für Maßnahmen rechtsgeschäftlicher Art bedarf der Verwalter einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer nach Abs. 2 Nr. 3 oder Abs. 3 S. 1 Nr. 7.210

13.103 Gerichtliche Verpflichtungs- und Unterlassungsanträge des Verwalters gegen störende Eigentümer sind weder im eigenen Namen, noch, ohne entsprechende Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung oder durch Mehrheitsbeschluss, im Namen der Gemeinschaft möglich.211 Der Verwalter soll lediglich berechtigt sein, nach § 43 Nr. 3 WEG eine Klage auf Feststellung der Pflichten zu erheben, die sich für die Wohnungseigentümer aus der Hausordnung ergeben.212 Mangels Vollstreckungsmöglichkeit dürfte eine derartige Klage allerdings wenig Sinn machen. cc) Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG

13.104 Der Wortlaut des Gesetzes, nach welchem der Verwalter die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, ist trotz Gesetzesreform weiterhin irreführend. Nach ganz h.M. ist es nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG primär Sache der Wohnungseigentümer darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Einzelfall vorzunehmen sind. Der Verwalter muss die Mängel feststellen, die Wohnungseigentümer hierüber informieren, und ihre Entscheidung über das weitere Vorgehen herbeiführen.213 Er ist aber weder berechtigt noch verpflichtet, einen Sachverständigen zu beauftra207 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 13. 208 S. hierzu aber BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268 = MietRB 2012, 170. 209 Schmidt, ZMR 2009, 325, 329. 210 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 5. 211 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 35. 212 Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 13. 213 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.2009 – 20 W 115/06, ZWE 2009, 359 (365); Lüke, ZWE 2009, 101 (103).

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.105 Teil 13

gen214 Auch kann der Verwalter aus diesem Grunde nicht als Störer von der Bauaufsichtsbehörde in Anspruch genommen werden.215 Anders verhält es sich nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG bei laufenden Maßnahmen der erforderlichen ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung, welche der Verwalter selbst ohne Beschlussfassung der Wohnungseigentümer berechtigt ist zu treffen. Dies sind Maßnahmen, die in regelmäßigen Abständen anfallen, und im Vergleich zu Größe und Finanzkraft der Gemeinschaft von untergeordneter Bedeutung sind. Beispiele sind etwa die Reparatur der Dachrinne, das Auswechseln von Glühlampen, das Austauschen gesprungener Fensterscheiben oder der Ersatz einer defekten Waschmaschine (umstritten).216 Verträge über derartige Maßnahmen kann der Verwalter ohne Einschaltung der Wohnungseigentümer im Namen der Gemeinschaft abschließen und aus der Instandhaltungsrücklage erfüllen.217 Nicht hierzu zählen allerdings langfristige Verträge, etwa mit Hausmeistern218 oder Wartungsverträge. Schließt der Verwalter eigenmächtig derartige Verträge ab, handelt und haftet er als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Das Feststellen der Mängel erfordert regelmäßige Begehungen des gemeinschaftlichen Ei- 13.105 gentums zwecks Sichtprüfung sowie das Nachgehen etwaiger Meldungen über Mängel.219 Der Umfang sowohl der anzustrengenden Maßnahme als auch der von dem Verwalter dabei geschuldeten Sorgfalt richtet sich im Einzelfall nach der Größe der Anlage und Professionalität und Sachkunde des Verwalters.220 Sonderkenntnisse sind dabei zu berücksichtigen.221 An ein großes Verwaltungsunternehmen mit eigener Bauabteilung sind somit wesentlich höhere Anforderungen zu stellen als an den laienhaften Wohnungseigentümerverwalter. Wurde ein bestimmter Mangel entdeckt, so soll der Verwalter verpflichtet sein, unverzüglich dessen Ursache, den Umfang des Schadens sowie die zur Beseitigung erforderlichen Maßnahmen feststellen zu lassen.222 Dies soll auch dann gelten, wenn der Schaden selbst im Sondereigentum eintritt, dessen Ursache aber im Gemeinschaftseigentum liegen kann.223 Für die Schadensbeseitigung im Bereich des Sondereigentums bleibt hingegen der Sondereigentümer zuständig. Erhält der Verwalter das Sondereigentum betreffende Entschädigungen von der Versicherung, so hat er diese an den entsprechenden Sondereigentümer weiterzuleiten.224

214 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.2009 – 20 W 115/06, ZWE 2009, 359 = ZMR 2009, 861 = MietRB 2009, 297. 215 Tank, ZWE 2012, 306, 308; a.A. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.8.2010 – 25 K 3682/10, ZWE 2011, 29 = ZMR 2011, 338 = MietRB 2010, 362; bestätigt durch OVG NW, Beschl. v. 28.1.2011 – 2 B 1495/10, ZWE 2011, 166 = NvWZ-RR 2011, 351 = ZMR 2011, 425 = MietRB 2011, 118. 216 Bejahend: BayObLG, Beschl. v. 15.7.1975 – 2Z BR 34/75, NJW 1975, 2296; verneinend: Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2006 – 2 Wx 131/02, ZMR 2006, 546; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.11.1995 – 3 Wx 447/93, NJW-RR 1996, 913. 217 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 42, dort auch weitere Beispiele. 218 OLG Köln, Beschl. v. 26.11.2004 – 16 Wx 184/04, ZMR 2005, 473. 219 LG Köln, Urt. v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502. 220 LG Köln, Urt. v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502. 221 BayObLG, Beschl. v. 30.8.1989 – BReg. 2 Z 40/89, WuM 1990, 178 = ZMR 1990, 65. 222 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = WuM 2006, 639; OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, ZMR 2001, 643; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2000 – 16 Wx 13/00, ZMR 2000, 862. 223 OLG München, Beschl. v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, ZMR 2006, 716; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = WuM 2006, 639; BayObLG, Beschl. v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, NZM 1998, 583 = ZMR 1998, 357. 224 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZMR 2008, 401.

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Teil 13 Rz. 13.106

Das Verwaltungsverhältnis

13.106 Ein besonders hoher Maßstab ist bei neuen Anlagen während des Laufes der Gewährleistungsfrist anzulegen. Hier empfiehlt es sich für einen Verwalter, die Sichtprüfungen besonders regelmäßig vorzunehmen, dies zu Beweiszwecken zu dokumentieren und besondere Aufmerksamkeit dem Ablauf der Gewährleistungsfrist zu widmen. Nach wohl h.M.225 hat der Verwalter nämlich die Eigentümer rechtzeitig auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass verjährungshemmende Maßnahmen beschlossen werden. Verhindert der Verwalter den Eintritt der Verjährung der Gewährleistungsansprüche schuldhaft nicht, so haftet er selbst in Höhe der Mängelbeseitigungskosten.226

13.107 Im Rahmen seiner Informationspflicht ist der Verwalter verpflichtet, die Beschlussfassung vorzubereiten227 und gerade bei umfangreichen Sanierungsarbeiten bereits im Vorfeld der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer die voraussichtlichen Sanierungskosten durch das Einholen von Kostenvoranschlägen zu ermitteln und Vergleichsangebote einzuholen.228

13.108 Haben die Wohnungseigentümer sodann durch Beschluss eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen, so hat der Verwalter diesen Beschluss nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 durchzuführen, was im Ergebnis zunächst bedeutet, dass er die entsprechende Mängelbeseitigungsmaßnahme in Auftrag geben muss. Dabei darf er Aufträge zur Erreichung des Sanierungszieles selbst dann nicht in unbegrenzter Höhe vergeben, wenn die Wohnungseigentümer weder den Umfang der auszuführenden Arbeiten noch eine Kostenobergrenze beschlossen haben.229 Anschließend hat er die Sanierungsarbeiten zu überwachen, ggf. abzunehmen und nach der Vorgabe der Wohnungseigentümer aus der Instandhaltungsrücklage oder über eine Sonderumlage zu bezahlen. Er schuldet dabei die Sorgfalt, welche ein Bauherr in eigenen Angelegenheiten anwendet;230 ein Bauträgerverwalter hat die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Bauträgers anzuwenden.231 Für nicht begründete Zahlungen haftet der Verwalter im Ergebnis selbst.232 dd) Dringende Erhaltungsmaßnahmen, § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG

13.109 Dringend i.S.d. Norm sind solche Fälle, die wegen ihrer Eilbedürftigkeit eine vorherige Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht zulassen.233 Sofortiges Handeln muss erforderlich sein, um eine Gefährdung des Gemeinschaftseigentums zu verhindern.234 Da bei größeren Gemeinschaften die Einberufung der Eigentümerversammlung wesentlich 225 BayObLG, Beschl. v. 17.10.2002 – 2Z BR 82/02, NJW-RR 2003, 78; BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, WuM 2001, 301. 226 BayObLG, Beschl. v. 17.10.2002 – 2Z BR 82/02, NZM 2003, 31 = ZMR 2003, 216; BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, WuM 2001, 301 = ZMR 2001, 558. 227 OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 28.5.2009 – 20 W 115/06, ZWE 2009, 359 = ZMR 2009, 861 = NJW-RR 2010, 161. 228 BayObLG, Beschl. v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, ZMR 2002, 698; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2000 – 16 Wx 13/00, ZMR 2000, 862. 229 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 201a, 311 = ZWE 2011, 209 = DWE 2011, 58 = MietRB 2011, 147. 230 OLG München, Beschl. v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, ZMR 2006, 716; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.1997 – 3 Wx 231/96, WuM 1997, 576 = ZMR 1997, 490. 231 OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895 = ZMR 2009, 629 = MietRB 2009, 107. 232 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.1997 – 3 Wx 231/96, WuM 1997, 576 = ZMR 1997, 490; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.3.1997 – 3 Wx 186/95, ZMR 1997, 380. 233 BayObLG, Beschl. v. 26.2.2004 – 2Z BR 266/03, NZM 2004, 390. 234 BayObLG, Beschl. v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, WuM 1997, 398 (399).

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.114 Teil 13

mehr Zeit in Anspruch nimmt als bei kleineren, ist hier ein etwas großzügigerer Maßstab angebracht. Dennoch gilt als Grundregel, dass derartige Eilmaßnahmen so gut wie nie vorliegen. Dringende Erhaltungsmaßnahmen werden in der Praxis gerne mit der Tatsache verwechselt, dass einem Verwalter die Herbeiführung der Beschlussfassung der Gemeinschaft im Einzelfall zu umständlich erscheint. Wegen der primären Zuständigkeit der Wohnungseigentümer muss ein Verwalter aber auch in eilbedürftigen Fällen unter Verkürzung der Ladungsfrist eine derartige Entscheidung herbeiführen.235 Liegt im Einzelfall dennoch einmal eine derartige dringende Erhaltungsmaßnahme vor, so ist 13.110 das Handeln des Verwalters auf die erforderlichen Maßnahmen beschränkt. Dies sind regelmäßig Notmaßnahmen zur Beseitigung einer Gefahrenlage oder zur Verhinderung von Folgeschäden.236 Die Maßnahme muss sich inhaltlich auf die bloße Gefahrenabwendung beschränken, und darf nicht über diese hinausgehen.237 Arbeiten zur dauerhaften Beseitigung der Schadensursache werden von § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG nicht umfasst.238 Die erforderliche Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft folgt aus § 27 Abs. 3 Nr. 4 WEG.

13.111

Beispiele239 für dringende Erhaltungsmaßnahmen:

13.112

– Feuer- oder Wasserschäden (Explosion, Brand, Rohrbruch, Überschwemmung). – Ausfall der Heizungsanlage. – Gefährliche Abnutzung der Stahlseile des Aufzuges.

13.113

Keine dringenden Erhaltungsmaßnahmen sollen hingegen sein: – Ausfall der Warmwasserversorgung. – Gewöhnliche Unterhaltungsarbeiten (Beleuchtung, Kaminkehren, Reinigung des Aufzuges etc.). – Langjähriger Feuchtigkeitsschaden ohne Gefährdung des Gemeinschaftseigentums,240 oder das Feststellen eines Feuchtigkeitsschadens, wobei sich ein weitergehender Sanierungsbedarf ergibt.241 ee) Finanzverwaltung, § 27 Abs. 1 Nr. 4–6, Abs. 5 WEG

Die Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder ist Aufgabe des Verwalters. In diesem Zusam- 13.114 menhang obliegt dem Verwalter eine Vielzahl von Tätigkeiten, die an unterschiedlichen Stellen in den §§ 27 und 28 WEG geregelt werden. Von Interesse ist an dieser Stelle die Aufgabe des Verwalters, für die Gemeinschaft die anfallenden Einnahmen und Ausgaben zu bewirken, 235 BayObLG, Beschl. v. 26.2.2004 – 2Z BR 266/03, NZM 2004, 390. 236 BGH, Urt. v. 10.4.2003 – IX ZR 106/02, BGHZ 154, 387 = MDR 2003, 1074 = NJW 2003, 2162 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.1984 – 20 W 640/83, OLGZ 1984, 149. 237 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209. 238 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = NZM 2011, 454 = ZWE 2011, 209 = MietRB 2011, 147. 239 S. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 68. 240 OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NZM 2002, 169. 241 OLG Hamm, Beschl. v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, WuM 2011, 594 = ZWE 2011, 415 = MietRB 2012, 20.

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Teil 13 Rz. 13.114

Das Verwaltungsverhältnis

und die vorhandenen Gelder zu betreuen. Hinzu tritt die Pflicht, diese Geldwirtschaft vorausschauend zu planen (§ 28 Abs. 1 WEG) und nachträglich abzurechnen (§ 28 Abs. 3 WEG), welche an anderer Stelle behandelt wird. (1) Lasten und Kosten, § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG

13.115 Lasten und Kosten sind solche nach § 16 Abs. 2 WEG. Zur Anforderung gehören alle außergerichtlichen Tätigkeiten wie die Zahlungsaufforderung, das Überwachen der Eingänge, die Mahnung bei Nichteingang sowie bei erteilter Einzugsermächtigung das ordnungsgemäße Gebrauchmachen hiervon.242 Ohne Beschluss der Wohnungseigentümer ist der Verwalter jedoch nicht befugt, einen Rechtsanwalt mit dieser außergerichtlichen Tätigkeit zu beauftragen.243 Für eine gerichtliche Geltendmachung der Beträge ist ebenfalls eine Ermächtigung des Verwalters durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer (über den eine entsprechende Regelung enthaltenden Verwaltervertrag oder nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG) erforderlich.244 Ein Beschluss nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG ermächtigt dann den Verwalter regelmäßig auch, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Beitreibung zu beauftragen.245 § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG begründet eine absolute Empfangszuständigkeit des Verwalters, anderweitige Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.246 Der Zusatz „soweit es sich um gemeinschaftliche Angelegenheiten der Wohnungseigentümer handelt“ soll zum Ausdruck bringen, dass von der Befugnis des Verwalters keine Verpflichtungen umfasst werden, welche den einzelnen Wohnungseigentümer selbstständig treffen, wie etwa Grundsteuern247 oder die Verpflichtungen aus Einzelhypotheken.248 (2) Zahlungen und Leistungen, § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG

13.116 Der Verwalter muss die Verpflichtungen der Gemeinschaft erfüllen, indem er, nach jeweiliger Überprüfung der Voraussetzungen,249 von dieser geschuldete Zahlungen und Leistungen bewirkt. Derartige Zahlungen erfolgen etwa auf öffentlich-rechtliche Gebühren, Versorgungsleistungen (Strom/Gas/Wasser), Hausmeisterlöhne, Mieten für Räumlichkeiten zur Abhaltung der Eigentümerversammlung oder Werklöhne. Leistungen i.S.d. Norm sind etwa das Überlassen vermieteter oder die Übereignung verkaufter Sachen des Gemeinschaftseigentums.250 Die Entgegennahme von Zahlungen betrifft etwa Mieten für vermietetes Gemeinschaftseigentum oder von gerichtlich festgesetzten Prozesskosten,251 die Entgegennahme von Leistungen umfasst beispielsweise bei Werkverträgen die Abnahme oder die Annahme von Heizöllieferungen.

13.117 Nicht umfasst wird die Ausübung von Gestaltungsrechten, das Anerkenntnis von Gegenforderungen, der Forderungsverzicht, Rücktritt und Minderung bei Werkverträgen252 oder 242 OLG München, Beschl. v. 7.2.2007 – 34 Wx 129/06, ZMR 2007, 478 f. 243 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 29/99, ZWE 2001, 117, 120 f. = NZM 2001, 290. 244 Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 42; a.A. Palandt/Wicke, § 27 WEG Rz. 8, 27. 245 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72, 274. 246 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 74. 247 Bub, ZdWBay 1994, 163 (164). 248 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 8. 249 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.2009 – 20 W 356/07, ZMR 2009, 620 (Haftung des Verwalters bei Abschlagszahlungen trotz Vorliegen von Mängeln). 250 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 9. 251 BayObLG, Beschl. v. 23.2.1995 – 2Z BR 113/94, NJW-RR 1995, 852. 252 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 9.

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Reichert †/Tank

Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.121 Teil 13

die Begründung neuer Verpflichtungen etwa durch Aufnahme von Darlehen,253 wozu auch die Kontoüberziehung gehört.254 In diesen Fällen ist eine Eigentümerversammlung einzuberufen, in welcher hierüber beschlossen werden muss. Auch bei einem auf seinen Namen laufenden sog. offenen Fremdkonto ist der Verwalter nicht zur Inanspruchnahme eines Überziehungskredites berechtigt.255 Um sicherzustellen, dass nur Maßnahmen für das Gemeinschaftseigentum und nicht für das Sondereigentum in Betracht kommen, müssen die Zahlungen und Leistungen mit der laufenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenhängen, ohne dabei aber auf gewöhnliche Maßnahmen der Verwaltung beschränkt zu sein.256

13.118

Die Vertretungsmacht des Verwalters zum Bewirken und der Entgegennahme von Zahlungen und Leistungen für die Gemeinschaft folgt aus § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG.

13.119

(3) Verwaltung eingenommener Gelder, § 27 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 5 WEG Der Verwalter muss die von ihm nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 WEG eingenommenen Gel- 13.120 der der Gemeinschaft auf Konten anlegen, welche als offene Fremdkonten auf den Namen der Gemeinschaft laufen.257 Daher kann nicht ein Konto für mehrere Gemeinschaften verwendet werden.258 Da der Verwalter nach § 27 Abs 3 S. 1 Nr. 5 WEG als vertretungsberechtigtes Organ der Gemeinschaft deren Konto führen kann, ist die vor der Gesetzesreform übliche Anlage eines offenen Treuhandkontos, bei welchem der Verwalter Vollrechtsinhaber ist, nicht mehr zulässig.259 Ansonsten müsste die Gemeinschaft bei einer Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Verwalters nach § 771 ZPO Drittwiderspruchsklage erheben und bei Insolvenz des Verwalters würde nur dann ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO vorliegen, wenn auf dem Konto nachweislich nur Gelder der Gemeinschaft eingezahlt wurden.260 Derartige Umstände werden für die Gemeinschaft vermieden, wenn ein offenes Fremdkonto angelegt wird, sodass nur dies dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Erforderlich ist regelmäßig mindestens ein Girokonto für die laufenden Einnahmen und Ausgaben, und zusätzlich ein verzinsliches Konto zur Anlage von Geldern der Instandhaltungsrücklage. Über die Art der Anlage entscheiden die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss nach § 21 Abs. 3 WEG. Als ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechende Anlageformen werden dabei Festgeldkonten, Sparbücher oder festverzinsliche Wertpapiere, nicht aber spekulative Anlageformen angesehen. Ohne ausdrückliche Weisung der Wohnungseigentümer entscheidet der Verwalter über die Anlageform nach pflichtgemäßem Ermessen.261

253 OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, ZMR 1997, 377 = WE 1997, 314 = DWE 1998, 39. 254 OLG Celle, Beschl. v. 5.4.2006 – 3 U 265/05, NZM 2006, 633 = ZMR 2006, 540. 255 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, WuM 2011, 311 = ZWE 2011, 209 = DWE 2011, 58, a.A. Heinemann, MietRB 2011, 22. 256 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 80. 257 Merle, ZWE 2006, 369; Hügel, ZMR 2008, 1, 6. 258 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 10. 259 Merle, ZWE 2006, 365, 369; Palandt/Wicke, § 27 WEG Rz. 10; LG Frankfurt/O. Urt. v. 14.7.2014 – 16 S 46/14, ZMR 2014, 1007 = ZWE 2015, 133 = NJW-RR 2015, 529. 260 Merle in Bärmann, § 27 WEG Rz. 91. 261 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 10.

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13.121

Teil 13 Rz. 13.122

Das Verwaltungsverhältnis

ff) Unterrichtung über einen Rechtsstreit gemäß § 43, § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG

13.122 Es besteht eine Informationspflicht des Verwalters über alle unter § 43 WEG fallenden gerichtlichen (Hauptsache- und einstweilige Rechtsschutz-) Verfahren, und nicht etwa nur über solche, in denen der Verwalter Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer nach § 45 WEG ist.262 Dieser hat die Wohnungseigentümer ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) über die Anhängigkeit eines derartigen Verfahrens zu unterrichten. Wenn der Verwalter selbst als Kläger oder Klägervertreter der Gemeinschaft an dem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, also bei einem Aktivprozess, hat er unverzüglich nach Einreichung der Klage hierüber zu informieren. Bei einem Passivprozess erfordert dies mangels vorheriger sicherer Kenntnis i.d.R. zunächst die Zustellung der Klageschrift an den Verwalter als Zustellungsvertreter nach § 45 Abs. 1 WEG.263 Der Verwalter hat die Eigentümer mindestens über die Parteien des Rechtsstreits und den Streitgegenstand derart zu unterrichten, dass diese ihr Rechte als Partei oder möglicher Nebenintervenient wahrnehmen können. Wird eine Klage an den Verwalter zugestellt, ist über den Tag der Zustellung, das Aktenzeichen sowie, bei einer bereits anberaumten mündlichen Verhandlung, über deren Ort und Zeitpunkt zu informieren.264 Eine besondere Form der Informationserteilung ist dabei ebenso wenig vorgeschrieben wie eine weitere Unterrichtung über den Prozessverlauf.265

13.123 Von der Informationspflicht ausgenommen sind – Wohnungseigentümer, die von der Klage bereits zuverlässig Kenntnis erhalten haben (= der/die klagende(n) Wohnungseigentümer oder ein Eigentümer, dem die Klage bereits persönlich zugestellt wurde), – Wohnungseigentümer, die von dem Rechtsstreit in ihren rechtlichen Interessen erkennbar nicht betroffen sind, weil etwa ein Eigentümer einen ihm allein zustehenden Anspruch gegen einen anderen Eigentümer oder den Verwalter auf Leistung an sich einklagt, und bei welchen damit eine Beiladung nach § 48 WEG ausscheidet, – Rechtsstreitigkeiten, von welchen der Verwalter bislang nur vom Hörensagen Kenntnis erhalten hat. In Fällen, in welchen der Verwalter nicht Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer auf Beklagtenseite ist, wird für eine sichere Kenntnis verlangt, dass dem Verwalter die einem Wohnungseigentümer zugestellte Klageschrift zugänglich gemacht wurde.266

13.124 Die Kosten der Unterrichtung fallen als Kosten der sonstigen Verwaltung unter § 16 Abs 2 WEG und sind regelmäßig mit der allgemeinen Verwaltervergütung abgegolten.267 gg) Erklärungen im Zusammenhang mit Telefon, Rundfunk und Energieversorgung, § 27 Abs. 1 Nr. 8 WEG

13.125 Es besteht eine Geschäftsführungsbefugnis des Verwalters für Duldungserklärungen im Hinblick auf Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum,268 welche für Maßnahmen gemäß 262 Vandenhouten, ZWE 2009, 145 f.; a.A. LG München I, Urt. v. 17.12.2009 – 36 S 4853/09, ZWE 2010, 219 = ZMR 2010, 473 = NZM 2010, 446. 263 Vandenhouten, ZWE 2009, 145, 152. 264 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 109. 265 Vandenhouten, ZWE 2009, 145; Ausnahme: § 261 Abs. 2 ZPO (Palandt/Wicke, § 27 WEG Rz. 11). 266 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 107. 267 Vandenhouten, ZWE 2009, 145 (147). 268 Nicht aber des Sondereigentums, Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 12.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.142 Teil 13

§ 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG erforderlich sind. Nur in Fällen, in welchen das Bestehen einer Duldungspflicht zweifelhaft ist, muss ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Abgabe der Duldungserklärung eingeholt werden.269

13.126–13.139

derzeit freibleibend b) Gesetzliche Vertretung der Wohnungseigentümer, § 27 Abs. 2 WEG

Die Norm begründet in den aufgeführten Angelegenheiten eine gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters für Wohnungseigentümer als Mitberechtigte am Gemeinschaftseigentum, welche nach § 27 Abs. 4 WEG nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Entgegen deren Wortlaut ist der Verwalter zu einer entsprechenden Geschäftsführung nicht nur berechtigt, sondern, soweit der Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung dies erfordert, auch verpflichtet.270 Während die Vertretungsbefugnis des Verwalters für die Gemeinschaft nicht abschließend ist, sondern mittels Mehrheitsbeschluss nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG erweitert werden kann, regelt § 27 Abs. 2 WEG bestandsfest die Vertretungsmacht des Verwalters für die einzelnen Wohnungseigentümer. Eine Erweiterung ist nur durch individuelle, rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, nicht aber durch Mehrheitsbeschluss möglich. Daher ist etwa ein Ermächtigungsbeschluss, nach welchem der Verwalter eine Fläche des Gemeinschaftseigentums an einen Dritten aufzulassen hat, mangels Beschlusskompetenz nichtig.271

13.140

aa) Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen, § 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG Zweck der Norm ist es, den Rechtsverkehr mit den Wohnungseigentümern zu erleichtern. Begründet wird eine passive Vertretungsmacht, welche nicht über die Entgegennahme hinausgeht.272 Willenserklärungen, die an alle Wohnungseigentümer in dieser Eigenschaft gerichtet werden, sind in der Praxis kaum vorstellbar, da Vertragspartner Dritter regelmäßig die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist. Zustellungen an alle Wohnungseigentümer gibt es hingegen vor allem in verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren über Gebührenbescheide. Im Anwendungsbereich des § 43 WEG gilt jedoch die Sonderregelung des § 45 WEG. Auch im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG soll der Verwalter verpflichtet sein, jeden Wohnungseigentümer unverzüglich über eine Zustellung zu informieren.273 Insoweit kann auf die entsprechend geltenden Ausführungen zu § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG verwiesen werden.

13.141

bb) Abwendung von Rechtsnachteilen, § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG Die Norm erfasst objektiv erforderliche Maßnahmen. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Verwalter kurzfristig eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen hat, um einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeizuführen, was etwa vor Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung notwendig sein kann.274 Bei Eilbedürftigkeit besteht kein Vertretungsausschluss wegen Interessenkollision, da ansonsten der Zweck der Norm, die 269 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 113. 270 Merle, ZWE 2010, 2. 271 OLG München, Beschl. v. 22.1.2010 – 34 Wx 125/09, NZM 2010, 247 = NJW 2010, 1467 = ZMR 2010, 706 = MietRB 2010, 142. 272 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.12.2004 – 20 W 186/03, NZM 2005, 427. 273 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 129. 274 Müller, Praktische Fragen, Rz. 498.

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13.142

Teil 13 Rz. 13.142

Das Verwaltungsverhältnis

Wohnungseigentümer in derartigen Fällen vor Rechtsnachteilen und sonstigen Schäden zu schützen, nicht erreicht werden könnte.275 Umfasst werden alle Fristen, egal ob materiell oder prozessual. Wird hierzu eine Prozesshandlung erforderlich, ist der Verwalter jedoch nicht umfassender Prozessvertreter, sondern die Vertretungsmacht ist auf die Prozesshandlung beschränkt.276 Eine Abwendung sonstiger Rechtsnachteile kann etwa durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ZPO277 oder durch vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegenüber bauaufsichtsrechtlichen Anordnungen278 erfolgen. Im Gegensatz zur Rechtslage vor der Gesetzesreform stellt der Wortlaut nunmehr klar, dass der Verwalter befugt ist, die Wohnungseigentümer in Passivprozessen sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren zu vertreten. § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG räumt dem Verwalter in Passivprozessen gemäß § 43 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 WEG gegen die Wohnungseigentümer eine gesetzliche Prozessvertretungsmacht ein. Die Klage muss sich dabei nicht notwendig gegen alle Wohnungseigentümer richten, erforderlich ist jedoch, dass eine Gemeinschaftsangelegenheit und nicht lediglich das Sondereigentum einzelner Streitgegenstand ist.279 § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist insoweit lex specialis zu § 79 Abs. 2 ZPO.280 Es ist auch die Mandatierung eines Rechtsanwalts umfasst.281 Der Verwalter ist berechtigt, gegen die Wohnungseigentümer gerichtete Rechtsstreite gemäß § 43 Nr. 1, Nr. 4 oder Nr. 5 WEG im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu „führen“. Die Rechtsstreitführung setzt ebenfalls eine objektive Erforderlichkeit voraus, die allerdings vom Gesetz unwiderleglich vermutet wird,282 und gilt für die gesamte erste Instanz.283 Dennoch soll sie sich inhaltlich auf die zur Abwendung von Rechtsnachteilen erforderlichen Prozesshandlungen beschränken, wozu etwa eine Widerklage oder ein Anerkenntnis nicht gehören.284 Auch der ein materielles Rechtsgeschäft umfassende Vergleich soll nicht möglich sein.285 Dem vertretenen Wohnungseigentümer steht es frei, die Prozessführung für sich jederzeit selbst zu übernehmen.286 cc) Geltendmachung von Ansprüchen, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG

13.143 Die Norm erfasst weder Ansprüche der Gemeinschaft (§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG) noch gemeinschaftsbezogene sonstige Ansprüche der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können (§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG). Letztere werden in gesetzlicher Prozessstandschaft von der Gemeinschaft durch den nach § 27 Abs 3 S. 1 Nr. 7 WEG zu ermächtigenden Verwalter ausgeübt. Was daneben noch an geltend zu machenden Ansprüchen der Wohnungseigentümer verbleiben soll, ist nicht ersichtlich.287 Allenfalls wenn die

275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287

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Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 137. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.1.1998 – 5 W 9/97-8, ZMR 1998, 310. BGH, Urt. v. 25.9.1980 – VII ZR 276/79, BGHZ 78, 166 = MDR 1981, 220 = NJW 1981, 282. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.1.1986 – 6 B 1/86, BauR 1986, 684. Briesemeister, NZM 2007, 345. Elzer, ZMR 2008, 772. Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 15; Elzer in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 11 WEG Rz. 66; BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, WuM 2013, 562 = MDR 2013, 1212 = ZWE 2013, 368. Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 74. Elzer in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 11 WEG Rz. 65. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 148. Elzer, ZMR 2009, 649 (652). Gottschalg, ZWE 2009, 114. Beispiele werden in der Literatur daher auch regelmäßig nicht benannt, s. etwa Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 77; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 168; Hügel, ZMR 2008, 1 (8).

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.145 Teil 13

Gemeinschaft ihre Ausübungsbefugnis an die Wohnungseigentümer wieder zurückgibt, kann nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG dem Verwalter insoweit Vertretungsbefugnis erteilt werden. Letzteres dürfte in der Praxis aber kaum vorkommen. Die Vertretungsmacht des Verwalters reicht im Falle der Ermächtigung nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG bis zur Befriedigung des sachlichen Verfolgungsinteresses und umfasst auch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens.288 Ob der Verwalter im Rahmen des § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG für die Wohnungseigentümer in gewillkürter Prozessstandschaft auftreten kann, ist fraglich.289 Mangels eigenständigen Anwendungsbereichs kann jedoch auf eine weitere Kommentierung an dieser Stelle verzichtet werden. Im Hinblick auf die Ermächtigung gelten die Ausführungen zu § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG an dieser Stelle entsprechend. dd) Streitwertvereinbarungen, § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG Die Vorschrift gilt für Aktiv- und Passivprozesse gem. § 43 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 WEG290 und soll dem Verwalter ermöglichen, angesichts der von den Gerichten nach § 49a GKG regelmäßig niedrig angesetzten Streitwerte, ohne weitere Ermächtigung der Wohnungseigentümer durch eine Streitwertvereinbarung einen Anwalt zu finden, welcher zur Übernahme des Mandats bereit ist. Obergrenze der Streitwertvereinbarung ist nach § 49a Abs. 1 S. 1 GKG 50 % des Gesamtinteresses der Parteien und aller Beteiligten an der Entscheidung. Für eine Streitwertvereinbarung, die über diese Obergrenze hinausgeht, oder für eine echte Gebührenvereinbarung ist für den Verwalter eine entsprechende Ermächtigung der Wohnungseigentümer erforderlich.291 Da die Streitwertvereinbarung zu einer erhöhten Vergütung führt, handelt es sich gleichzeitig um eine Vergütungsvereinbarung i.S.d. § 4 RVG, dessen Anforderungen sie entsprechen muss.292 Die durch die Streitwertvereinbarung entstehenden Mehrkosten sind bei einem Obsiegen nicht vom Gegner zu tragen, sondern als Kosten der laufenden Verwaltung gemäß § 16 Abs. 8 WEG anteilig von allen, also sowohl den obsiegenden als auch den unterliegenden Wohnungseigentümern zu tragen.293 Hierauf soll ein Anwalt auch ungefragt hinzuweisen haben.294

13.144

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Maßnahme einen Ausgleich für die von ihm im Ergebnis 13.145 vorgenommene Herabsetzung der Streitwerte durch die Gesetzesnovelle schaffen. Leider wird dieses Ziel angesichts der nach wie vor anhaltenden Anwaltsschwemme (es findet sich immer einer, der es auch für den gesetzlichen Streitwert übernimmt) und der wirtschaftlichen Situation der meisten Gemeinschaften mit der damit einhergehenden Sparmentalität (die ein Verwalter regelmäßig schon im eigenen Interesse beachten wird) in der Realität völlig verfehlt.295 Einem Verwalter ist jedenfalls zu empfehlen, falls er beabsichtigen sollte, von seiner gesetzlichen Vertretungsmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG tatsächlich einmal Gebrauch zu machen, aus eigenem Interesse immer zunächst eine Entscheidung der Wohnungseigentümer hierüber

288 LG Bad Kreuznach, Urt. v. 16.3.2011 – 1 T 38/11, NZI 2011, 649 = ZWE 2011, 339 = MietRB 2011, 152. 289 Dafür: Elzer, MietRB 2011, 116 (117). 290 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 181; a.A. Palandt/Wicke, § 27 WEG Rz. 22 (nur Passivprozesse). 291 Köhler, Das neue WEG, Rz. 517. 292 Abramenko, ZWE 2009, 154 (155). 293 Abramenko, Das neue WEG, § 5 Rz. 18. 294 Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 82. 295 A.A. Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 83.

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Teil 13 Rz. 13.145

Das Verwaltungsverhältnis

herbeizuführen, was auch in Form der Beschlussfassung über den eine entsprechende Regelung enthaltenden Verwaltervertrag erfolgen kann. c) Gesetzliche Vertretung der Gemeinschaft, § 27 Abs. 3 WEG

13.146 Die Norm begründet in den in S. 1 aufgeführten Angelegenheiten eine gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters für die Wohnungseigentümergemeinschaft, welche nach § 27 Abs. 4 WEG nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Entgegen deren Wortlaut ist der Verwalter wiederum zu einer entsprechenden Geschäftsführung nicht nur berechtigt, sondern, soweit der Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung dies erfordert, auch verpflichtet.296 Obwohl die gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters nicht umfassend ist, verleiht sie dem Verwalter die Rechtsstellung eines Organs der Gemeinschaft.297 S. 2 und 3 regeln die Vertretungsverhältnisse der Gemeinschaft bei Fehlen eines Verwalters. aa) Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WEG

13.147 Zweck der Norm ist es wiederum, den Rechtsverkehr mit der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erleichtern. Begründet wird eine passive Vertretungsmacht, welche nicht über die Entgegennahme hinausgeht298 und welche den Verwalter nicht etwa durch die Zustellung einer Klage an ihn nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WEG automatisch zum Prozessvertreter der Gemeinschaft werden lässt.299 Willenserklärungen, die gegenüber der Gemeinschaft abzugeben sind, da sie deren Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 6 S. 2 WEG und ihre Befugnisse nach § 10 Abs 6 S. 3 WEG betreffen, sind etwa die Kündigung eines Mietvertrages über Gemeinschaftseigentum oder eines Dienstvertrages mit dem Hausmeister sowie Vertragsangebote Dritter gegenüber der Gemeinschaft.300 Zustellungen an die Gemeinschaft kommen zuhauf, insbesondere in gerichtlichen Verfahren Dritter gegen die Gemeinschaft, etwa von Versorgungsträgern oder Handwerkern, vor. Auch im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WEG ist der Verwalter verpflichtet, jeden Wohnungseigentümer unverzüglich über eine Zustellung an die Gemeinschaft zu informieren.301 Insoweit kann auf die entsprechend geltenden Ausführungen zu § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG verwiesen werden. bb) Abwendung von Rechtsnachteilen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG

13.148 Die Regelung entspricht der für die Wohnungseigentümer in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG, besitzt allerdings aufgrund der Tatsache, dass Vertragspartner Dritter regelmäßig die Wohnungseigentümergemeinschaft ist, eine wesentlich größere praktische Relevanz. Der Verwalter ist befugt, die Wohnungseigentümergemeinschaft in Passivprozessen sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren zu vertreten. Erfasst werden objektiv erforderliche Maßnahmen.302 Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Verwalter kurzfristig eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen hat, um einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeizuführen, was etwa vor Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung

296 297 298 299 300 301 302

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Merle, ZWE 2010, 2. Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 23. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.12.2004 – 20 W 186/03, NZM 2005, 427. BayObLG, Beschl. v. 5.12.1996 – 2Z BR 61/96, NJW-RR 1997, 396. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 193. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 196. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 202.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.150 Teil 13

notwendig sein kann.303 Ist eine Maßnahme des Verwalters objektiv erforderlich, so ist der Verwalter auch berechtigt, einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten einzuschalten.304 Umfasst werden sämtliche materiellen und prozessualen Fristen. Wird hierzu eine Prozesshandlung erforderlich, ist der Verwalter jedoch nicht umfassender Prozessvertreter, sondern die Vertretungsmacht ist auf die Vornahme der Prozesshandlung beschränkt.305 In Ausnahmefällen ist der Verwalter auch befugt, zur Fristwahrung Klage zu erheben, regelmäßig wird jedoch vor Klageerhebung genügend Zeit sein, einen Ermächtigungsbeschluss der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 herbeizuführen.306 Eine Abwendung sonstiger Rechtsnachteile kann etwa durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 ZPO,307 durch Anträge in Zwangsverwaltungs-, Zwangsversteigerungs- oder Vollstreckungsschutzverfahren oder durch vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegenüber bauaufsichtsrechtlichen Anordnungen308 erfolgen. Des Weiteren räumt § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG dem Verwalter in Passivprozessen gemäß § 43 Nr. 2 oder Nr. 5 WEG gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft eine gesetzliche Prozessvertretungsmacht ein. Die Rechtsstreitführung setzt dem Wortlaut der Norm nach wie § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG zwar ebenfalls eine objektive Erforderlichkeit voraus. Im Gegensatz zu § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ermächtigt § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG den Verwalter jedoch generell zur Vertretung der Gemeinschaft in einem Passivprozess, da die rechtsfähige Gemeinschaft einen gesetzlichen Vertreter zur Führung des gesamten Passivprozesses benötigt, um Maßnahmen zur Abwendung von Rechtsnachteilen überhaupt vornehmen zu können. Eine generelle Prozessvertretung der Gemeinschaft durch den Verwalter wird daher kraft Gesetzes als erforderlich i.S.d. Norm angesehen.309 Die gesetzliche Prozessvertretungsmacht umfasst die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten der Gemeinschaft310 sowie das Einlegen von Rechtsmitteln für die Gemeinschaft.311 Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, für die Gemeinschaft ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die eidesstattliche Versicherung nach §§ 802, 899 ZPO abzugeben.312

13.149

cc) Laufende Sanierungsmaßnahmen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG Die Norm gibt für das Außenverhältnis die gesetzliche Vertretungsmacht zur Geschäftsführungsbefugnis aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Sie begründet daher nur insoweit eine gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters, als die Wohnungseigentümer nicht über die Maßnahme beschlossen haben, und es sich um laufende Maßnahmen handelt. Ob es sich um eine laufende Maßnahme handelt, ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Abzuwägen ist hierbei das Interesse an der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft gegen den Schutz der Eigentümer vor ho303 Müller, Praktische Fragen, Rz. 498; siehe aber zur fristgemäßen Einlegung eines Rechtsmittels auch LG München I, Urt. v. 19.10.2009 – 1 S 4851/09, ZWE 2010, 48 = ZMR 2010, 398. 304 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520; Bassenge, PiG 30, 107, 114. 305 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.1.1998 – 5 W 9/97-8, ZMR 1998, 310. 306 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 203. 307 BGH, Urt. v. 25.9.1980 – VII ZR 276/79, BGHZ 78, 166 = MDR 1981, 220 = NJW 1981, 282. 308 Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.1.1986 – 6 B 1/86, BauR 1986, 684. 309 BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – I ZB 61/10, MDR 2012, 370 = ZMR 2012, 323 = ZWE 2012, 127. 310 Merle, ZWE 2006, 21 (23); Gottschalg, ZWE 2009, 114 f. 311 OLG Hamm, Beschl. v. 8.10.2007 – 15 W 385/06, ZMR 2008, 228 = MDR 2008, 558 = MietRB 2008, 111. 312 BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – I ZB 61/10, MDR 2012, 370 = ZMR 2012, 323 = ZWE 2012 = MietRB 2012, 75.

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Teil 13 Rz. 13.150

Das Verwaltungsverhältnis

hen fremdbestimmten Belastungen.313 Als gesichert kann insoweit gelten, dass außergewöhnliche, nicht dringliche Sanierungen größeren Umfangs oder nur durch Kreditaufnahme finanzierbare Maßnahmen keine laufenden Sanierungsmaßnahmen darstellen.314 Normale, verschleißbedingte Reparaturen und regelmäßig in kürzeren Abständen wiederkehrende notwendige Maßnahmen sollen hingegen als solche angesehen werden können.315 Im Zweifel sollte der Verwalter eine Beschlussfassung herbeiführen. Daneben besteht für den Verwalter die Möglichkeit, Verträge über Maßnahmen der Sanierung des Gemeinschaftseigentums im eigenen Namen abzuschließen, und die hierdurch entstehenden Aufwendungen als Kosten der Verwaltung aus der Instandhaltungsrücklage zu entnehmen.316 Er trägt dann jedoch das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschaft.317 dd) Maßnahmen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3–5 und Nr. 8, § 27 Abs. 3 Nr. 4 WEG

13.151 Die Norm begründet eine gesetzliche Vertretungsmacht für die genannten Maßnahmen. Bei der Anforderung von Zahlungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist umstritten, ob, wie die h.M.318 es verlangt, zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche zusätzlich eine Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 erforderlich ist, oder ob zum Anfordern i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG bereits die gerichtliche Geltendmachung gehört, und dem Verwalter daher aufgrund dieser Norm bereits eine gesetzliche Befugnis zur Prozessführung zusteht.319 ee) Kontoführung, § 27 Abs. 3 Nr. 5 WEG

13.152 Gesetzliche Vertretungsmacht besteht für das Eröffnen und Schließen von Konten, welche nach dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung als offene Fremdkonten auf den Namen der Gemeinschaft angelegt werden müssen, sowie für den gesamten Zahlungsverkehr im Rahmen der Verwaltung eingenommener Gelder. Keine Vertretungsmacht besteht hingegen für Kreditaufnahmen oder Kontenüberziehungen.320 Nach § 27 Abs. 5 S. 2 WEG kann die Verfügungsmacht des Verwalters über die eingenommenen Gelder der Gemeinschaft durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss von der Zustimmung eines oder auch mehrerer321 Wohnungseigentümers oder eines Dritten abhängig gemacht werden. ff) Streitwertvereinbarungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 WEG

13.153 Die gesetzliche Vertretungsmacht besteht bei Prozessen gemäß § 43 Nr. 2 WEG für die Gemeinschaft als Klägerin oder Beklagte, und für Prozesse nach § 43 Nr. 5 WEG für die nach dieser Norm zwingend als Beklagte auftretende Gemeinschaft. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG an dieser Stelle verwiesen werden. Die praktische Relevanz der Vorschrift dürfte gegen null gehen.

313 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 26. 314 BGH, Urt. v. 21.10.1976 – VII ZR 193/75, BGHZ 67, 232 = MDR 1977, 317 = NJW 1977, 44; BGH, Urt. v. 28.4.1993 – VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227 = DWE 1994, 25. 315 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 26. 316 BGH, Urt. v. 21.10.1976 – VII ZR 193/75, BGHZ 67, 232 = MDR 1977, 317 = NJW 1977, 44. 317 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 228. 318 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72, 232, 272. 319 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 27. 320 BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, ZWE 2011, 209 = WuM 2011, 311 = NJW-RR 2011, 1093; Elzer, NZM 2009, 57 (60). 321 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.6.1987 – 3 W 55/87, NJW-RR 1987, 1359 = WE 1987, 163.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.156 Teil 13

gg) Ermächtigung zu Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG ist der Verwalter berechtigt, im Namen der Wohnungs- 13.154 eigentümergemeinschaft und mit Wirkung für und gegen sie sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer ermächtigt ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters, deren Umfang rechtsgeschäftlich bestimmt wird.322 Der Gemeinschaft wird damit die Möglichkeit eingeräumt, dem Verwalter eine über die Nr. 1–6 hinausgehende Vertretungsmacht zu erteilen. Diese kann für einen bestimmten Einzelfall, oder, zumindest im Falle der Ermächtigung durch Vereinbarung, auch generell und unbeschränkt erteilt werden. Unter Rechtshandlungen i.S.d. Norm werden alle Handlungen, durch die Rechtsfolgen ausgelöst werden,323 und damit Rechtsgeschäfte, geschäftsähnliche Handlungen und Prozesshandlungen verstanden. Eine Ermächtigung „im erforderlichen Umfang“ Verträge zu schließen, erweitert nicht die gesetzliche Vertretungsmacht, sondern schränkt sie auf den wirklichen Bedarf ein.324 Die Ermächtigung des Verwalters erfolgt entweder durch Vereinbarung innerhalb der Ge- 13.155 meinschaftsordnung, oder, was weitaus häufiger der Fall ist, durch Mehrheitsbeschluss. Ein derartiger Mehrheitsbeschluss kann ausdrücklich, aber auch konkludent gefasst werden. Letzteres wird regelmäßig angenommen, wenn zur Durchführung eines gefassten Beschlusses die Vornahme eines Rechtsgeschäfts erforderlich ist, zu welcher sich nicht bereits eine Vertretungsmacht des Verwalters aus den Nr. 1–6 WEG ergibt.325 Die Ermächtigung durch den Verwaltervertrag dürfte im Ergebnis nichts anderes als eine Ermächtigung durch Mehrheitsbeschluss sein, da dieser stets auf einem Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer beruht.326 Eine generelle unbeschränkte Ermächtigung durch Mehrheitsbeschluss widerspricht aufgrund des Risikos der Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 8 WEG für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung.327 Dies soll allerdings bereits dann nicht mehr gelten, wenn die generelle Ermächtigung auf Angelegenheiten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt wird.328 Ein Widerruf der Ermächtigung erfolgt durch den der Erteilung entsprechenden „actus con- 13.156 trarius“.329 Ob allein das Ausscheiden des Verwalters nach dem Rechtsgedanken des § 168 S. 1 BGB zum Erlöschen der Ermächtigung führt, ist zweifelhaft.330 Wird der Ermächtigungsbeschluss auf Anfechtungsklage hin durch das Gericht für ungültig erklärt, bleiben die zwischenzeitlich vorgenommenen Rechtshandlungen des Verwalters bei Vorlage einer entspre-

322 Giesen, WE 1996, 122 (126); Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 117. 323 Suilmann, ZWE 2008, 113. 324 KG, Beschl. v. 7.7.2010 – 24 W 25/09, ZMR 2010, 974 = MietRB 2011, 123 (keine Vertretungsmacht für Umstellung von Öl auf Fernwärme). 325 Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 8; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 261. 326 Zweifelnd, ob die Ermächtigung durch den Verwaltervertrag möglich ist: KG, Beschl. v. 28.2.2009 – 14 U 74/08, ZMR 2010, 136; OLG Dresden, Beschl. v. 30.10.2008 – 3 W 845/08, ZMR 2009, 301. 327 Suilmann, ZWE 2008, 115. 328 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 261. 329 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 263. 330 So LG Hamburg, Urt. v. 18.2.2009 – 318 S 99/08, ZMR 2009, 477 (478); Suilmann, ZWE 2008, 117; a.A. Reichert, ZWE 2004, 211 (214).

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chenden Urkunde nach § 172 BGB i.V.m. § 27 Abs. 6 WEG, im Übrigen nach dem Rechtsgedanken des § 47 FamFG wirksam.331

13.157 Ob der Verwalter nach der Gesetzesreform noch berechtigt ist, nach entsprechender Ermächtigung durch die Gemeinschaft deren Ansprüche im eigenen Namen in Prozessstandschaft geltend zu machen, war zunächst fraglich, da hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein rechtliches Eigeninteresse des Verwalters gegeben sein dürfte.332 Der Hauptgrund für eine gewillkürte Prozessstandschaft – die Vermeidung der anwaltlichen Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG – ist mit der Gesetzesreform ohnehin aufgrund der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft entfallen. Nach der Rechtsprechung kann das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Interesse jedenfalls nicht mehr aus der sich aus dem WEG ergebenden Rechte- und Pflichtenstellung des Verwalters hergeleitet werden. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse sei nur noch ausnahmsweise etwa in Fällen denkbar, in welchen sich der Verwalter der Gemeinschaft gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat, und ihn die Gemeinschaft deshalb ermächtigt, auf eigene Kosten einen zweifelhaften Anspruch der Gemeinschaft gegen Dritte geltend zu machen.333 Damit spielt die gewillkürte Prozessstandschaft des Verwalters für die Gemeinschaft in der Praxis keine Rolle mehr. d) Gesetzliche Vertretung der Gemeinschaft durch die Eigentümer, § 27 Abs. 3 S. 2 und S. 3 WEG

13.158 Fehlt ein Verwalter oder ist er zur Vertretung nicht berechtigt, so vertreten alle Wohnungseigentümer die Gemeinschaft. Die Wohnungseigentümer können jedoch durch Mehrheitsbeschluss einen oder mehrere Wohnungseigentümer zur Vertretung ermächtigen. Die Norm gilt nur für die Vertretung der Gemeinschaft. Die Vertretung der Wohnungseigentümer bei Fehlen eines Verwalters ist in § 45 WEG einer gesonderten Regelung zugeführt.

13.159 Ein Verwalter fehlt in den bereits im Rahmen der Verwalterbestellung erörterten Fällen,334 sowie wenn im Einzelfall eine Interessenkollision zu befürchten ist.335 Eine Nichtberechtigung des Verwalters zur Vertretung ist gegeben, soweit eine gesetzliche Vertretungsmacht nach § 27 Abs. 3 S. 1 WEG nicht besteht, oder eine Vertretung der Gemeinschaft durch den Verwalter nach § 181 BGB ausgeschlossen ist. Nach vertretener Ansicht ist das Fehlen eines Verwalters oder dessen Nichtberechtigung zur Vertretung nicht Voraussetzung der Ermächtigungskompetenz der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG. Auch bei einem amtierenden, vertretungsberechtigten Verwalter sollen die Eigentümer nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG die Vertretung der Gemeinschaft durch einen oder mehrere Wohnungseigentümer beschließen können.336

13.160 Bei der Aktivvertretung der Gemeinschaft müssen sämtliche Wohnungseigentümer als Gesamtvertreter etwa bei der Abgabe einer Willenserklärung mitwirken.337 Bei der Passivver331 Wicke in Palandt, § 23 WEG Rz. 19. 332 Wenzel, NJW 2007, 1905 (1909). 333 BGH, Urt. v. 28.1.2011 – V ZR 145/10, BGHZ 188, 157 = MDR 2011, 534 = WuM 2011, 318 = MietRB 2011, 116. 334 S. hierzu unter Rz. 13.56. 335 Abramenko, Das neue WEG in der anwaltlichen Praxis, § 5 WEG Rz. 42. 336 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 293. 337 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 282.

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tretung der Gemeinschaft gilt hingegen § 170 Abs. 3 ZPO analog: Für die Entgegennahme einer Willenserklärung genügt die Abgabe an einen der zur Gesamtvertretung berechtigten Wohnungseigentümer.338 Derjenige Wohnungseigentümer, welchem gegenüber die Willenserklärung abgegeben wurde, hat die Gemeinschaft sodann darüber zu informieren. Tut er dies nicht, oder nicht in dem gebotenen Umfang, so macht er sich der Gemeinschaft gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig.339 Damit herrscht zumindest für den Fall der Passivvertretung im Rechtsverkehr Rechtssicherheit über die Vertretungsverhältnisse einer Gemeinschaft bei Fehlen eines Verwalters. Klagen etwa eines Versorgungsträgers oder eines Handwerkers gegen die Gemeinschaft aufgrund offener Rechnungen müssen in derartigen Fällen des Fehlens eines Verwalters nur einem Wohnungseigentümer zugestellt werden, was in der Praxis oftmals sowohl bei Gerichten als auch bei Anwälten weitgehend unbekannt ist. Gleiches gilt für Terminsladungen und sonstige prozessleitende Anordnungen. Erscheinen im Termin zur mündlichen Verhandlung alle Eigentümer oder nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG ermächtigte, so wird die Gemeinschaft nach § 27 Abs. 3 S. 2 oder S. 3 WEG, § 79 Abs. 1 S. 1 ZPO wirksam vertreten. Treten hingegen, was in der Praxis meistens der Fall ist, nur einzelne Eigentümer ohne Vollmacht der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Ermächtigungsbeschluss nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG auf, so sind diese, da es sich insoweit um eine Aktivvertretung der Gemeinschaft handelt, als Vertreter ohne Vertretungsmacht anzusehen. Sie sind weder nach materiellem Recht zur Vertretung der Gemeinschaft berechtigt340 noch nach § 79 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO postulationsfähig. Es hat daher trotz der Anwesenheit derartiger Eigentümer auf Antrag ggf. ein Versäumnisurteil gegen die Gemeinschaft zu ergehen. Einspruchsberechtigt gegen das Versäumnisurteil sind solche Wohnungseigentümer mangels Parteistellung sodann ebenfalls nicht. Auch dies wären als Partei nur entweder alle Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 3 S. 2 WEG) oder durch Beschluss ermächtigte Eigentümer (§ 27 Abs. 3 S. 3 WEG) oder ein zwischenzeitlich bestellter Verwalter (§ 27 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG).

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e) Vollmachts- und Ermächtigungsurkunde, § 27 Abs. 6 WEG Da es selten gelingen wird, sämtliche Wohnungseigentümer zu der Unterzeichnung einer Vollmachtsurkunde zu bewegen, hilft sich die Praxis damit, im Rahmen der Bestellung zu beschließen, bestimmte Wohnungseigentümer zum Ausstellen der Vollmacht zu bevollmächtigen. Inhaltlich muss aus der Urkunde der Umfang der Bevollmächtigung hervorgehen. Soweit in den Fällen von § 27 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG die Ermächtigungen mit einer Einschränkung verbunden wurden, ist auch diese in der Urkunde zu bezeichnen. Im Übrigen soll es genügen, den Inhalt der gesetzlichen Vertretungsmacht anzugeben,341 was regelmäßig durch Abschreiben des § 27 Abs. 2 und 3 WEG erfolgt. Auch in letzteren Fällen gelten die §§ 172, 172 und 175 BGB. Da der Name des Verwalters in der Urkunde angegeben sein muss, dient sie auch zum Nachweis der Verwaltereigenschaft. Muss allerdings die Verwaltereigenschaft durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden, so ist nach § 26 Abs. 3 WEG mindestens eine Niederschrift über den Bestellungsbeschluss erforderlich, bei welcher die Unterschriften der nach § 24 Abs. 6 WEG unterschreibenden Personen öffentlich beglaubigt sind. Letzteres hat Bedeutung bei der Abgabe einer durch die Gemeinschaftsord338 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 284. 339 Abramenko, Das neue WEG in der anwaltlichen Praxis, § 5 WEG Rz. 45 f. 340 Ein Fall der Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) dürfte nicht gegeben sein, da man sich um eine entsprechende Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG hätte bemühen können. 341 Wicke in Palandt, § 27 WEG Rz. 33.

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nung vorgesehenen Veräußerungszustimmung gegenüber dem Grundbuchamt. Eine der in § 24 Abs. 6 S. 2 WEG bezeichneten Personen, die in Doppelfunktion tätig ist, muss nur einmal unterschreiben, dabei allerdings im Rahmen der Unterschrift diese Doppelfunktion durch jeweilige Zusätze kenntlich machen.342 2. Rechte und Pflichten aufgrund der Anstellung

13.163 Die meisten Verwalterverträge beinhalten zunächst eine (überflüssige) Wiederholung der gesetzlichen Vorschriften des WEG über die Rechte und Pflichten des Verwalters. Völlig eigenständige Bedeutung besitzt der Verwaltervertrag hingegen hinsichtlich der Regelung des Vergütungsanspruchs und bei der vertraglichen Festlegung von Rechten und Pflichten des Verwalters, die über die gesetzlichen Regelungen des WEG hinausgehen. Da der entgeltliche Verwaltervertrag einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit teilweise dienstvertraglichen und teilweise werkvertraglichen Elementen darstellt, und der unentgeltliche einen Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB,343 ergeben sich aufgrund des Verwaltervertrages weitere Pflichten des Verwalters aus den entsprechenden Regelungen des BGB.

13.164 Bei Widersprüchen zwischen Verwaltervertrag und Gemeinschaftsordnung gebührt grundsätzlich der Regelung des konkreten Anstellungsvertrages Vorrang. Im Einzelnen ist hier vieles jedoch eine Frage der Auslegung.344

13.165 Problematisch war, inwieweit gemäß § 310 BGB nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft Verwalterverträge noch der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen. Die Rechtsprechung lehnte teilweise eine Verbrauchereigenschaft der Gemeinschaft ab und verneinte die entsprechende Anwendung Verbraucherschutznormen wie etwa § 310 Abs. 3 BGB.345 Nach der h.M.,346 nach welcher der Verwaltervertrag ausschließlich zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter zu Stande kommt, würde damit kein Verbrauchervertrag vorliegen. Der Verwaltervertrag unterläge nur noch einer eingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Gemeinschaft, wenn sie kein Verbraucher ist, zwingend als Unternehmer anzusehen ist.347 Damit wäre etwa eine Prüfung der Ladungsfiktion nach § 308 Nr. 6 BGB oder eine Kontrolle von Haftungsbegrenzungen anhand § 309 Nr. 7a, 7b BGB nicht möglich.348 Nach der Gegenauffassung,349 wonach der Verwaltervertrag auch mit den einzelnen Wohnungseigentümern zu Stande kommt, bleibt die Anwendbarkeit der Verbraucherschutznormen voll erhalten, sobald auch nur ein Wohnungseigentümer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist.350 Da der BGH351 nun der WEG die Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 BGB zugesprochen hat, wenn – was der Regelfall sein dürfte – ihr mindestens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft abschließt, dass weder als gewerbliche noch berufliche Tätigkeit zu werten ist, unterliegt der Verwaltervertrag der AGB-Inhaltskon342 343 344 345 346 347 348 349 350 351

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OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2010 – I-3 Wx 263/09, MietRB 2010, 140 = ZMR 2010, 548. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 109. S. hierzu ausführlich etwa Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 190 ff. LG Rostock, Urt. v. 16.2.2007 – 4 O 322/06, NotBZ 2007, 304. Hügel, ZWE 2008, 1 (2); Palandt/Wicke § 26 WEG Rz. 12; Häublein, ZWE 2008, 2 ff. Armbrüster, ZWE 2007, 290 (291). Heinemann, MietRB 2008, 317. Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 79 ff. Heinemann, MietRB 2008, 317 (318). BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 = MDR 2015, 373 = ZMR 2015, 563.

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trolle. Der Verwalter ist regelmäßig Unternehmer. Damit wird nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB vermutet, dass der Verwalter die Vertragsbedingungen gestellt hat. Und nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB finden die AGB-Vorschriften auch dann Anwendung, wenn der Verwalter die Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt haben sollte. Dass es sich bei dem Vertrag um AGB handelt, hat zunächst zwar die WEG zu beweisen, wobei zu ihren Gunsten der Anscheinsbeweis gilt, wenn Vertragsinhalt und -gestaltung auf einen Formularvertrag hindeuten.352 a) Vergütungsanspruch Schuldner des Vergütungsanspruchs ist die Gemeinschaft als Vertragspartner des Verwalters.353 Eine Regelung im Verwaltervertrag, welche eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer vorsieht, ist mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig.354

13.166

aa) Grund- und Sondervergütung Die Höhe der Grundvergütung, welche die gesetzlichen Aufgaben nach dem WEG umfasst und die selbstverständlich nach Vertragsabschluss nicht mehr einseitig durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer355 oder durch den Verwalter356 geändert werden kann, ist grundsätzlich frei vereinbar. Fehlt eine Vergütungsvereinbarung, ist nach §§ 675, 612 Abs. 1, 2 BGB ein Anspruch auf die branchenübliche Vergütung gegeben. Diese soll sich nach der jeweiligen Höhe der Verwaltungskosten i.S.d. § 26 der II BVO richten.357 Stimmt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht, kann der Beschluss über den Verwaltervertrag dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Die Höhe der Vergütung steht im Ermessen der WEG. Die Angemessenheit hängt von der Ortsüblichkeit und der Qualität der Leistungen des Verwalters und damit von den Umständen des Einzelfalles ab.

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Als üblich gelten derzeit 18,00 EUR bis 25,00 EUR netto je Einheit und Monat, wobei bei kleinen Gemeinschaften unter 10 Einheiten die Beträge höher und bei größeren Liegenschaften mit über 30 Einheiten die Beträge auch darunter liegen können. Bei Stellplätzen und Garagen werden 3,30 bis 4,58 EUR bzw. 2,80 bis 4,63 EUR je Einheit und Monat gezahlt.358 Die hierzu ergangene Rechtsprechung ist überwiegend schon mehr als 10 Jahre alt bzw. ist sogar noch zu DM-Zeiten ergangen und damit nicht zwingend aussagekräftig.

13.168

Der Trend in Verwalterverträgen geht klar dahin, die nach Auffassung vieler Verwalter dürftige Grundvergütung durch die Vereinbarung umfangreicher Sondervergütungen aufzubessern. Ein Verwalter hat aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Verwaltervergütung für solche Tätigkeiten, die im Rahmen der ihm vom Gesetz zugewiesenen

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352 353 354 355 356

BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = MDR 2015, 582 = NJW 2015, 1952. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2008 – 2 Wx 31/02, ZMR 2008, 899. OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2006 – 15 W 109/05, ZMR 2006, 633. Gottschalg, NZM 2000, 473 (475). Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 109 eine entsprechende Klausel im Verwaltervertrag wäre überraschend und unbestimmt und damit unwirksam. 357 Gottschalg, NZM 2000, 473 (474); Gottschalg, ZWE 2002, 200 (201). 358 Siehe DDIV Branchenbarometer 2018 unter https://ddiv.de/download/anrs5o9bkcmt7g6g69uf 10kg6f7/2018_6-DDIV-Branchenbarometer.pdf.

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Aufgaben und Befugnisse liegen und zum typischen Berufsbild eines Verwalters gehören.359 Ein diesbezüglicher Beschluss widerspricht dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Lediglich für darüber hinausgehende, besondere Leistungen ist die Vereinbarung einer Sondervergütung möglich.360 Nach ganz vereinzelter Rechtsprechung kann der Verwalter für derartige besondere Leistungen sogar ohne ausdrückliche Vereinbarung im Verwaltervertrag die übliche Vergütung verlangen.361

13.170 Oftmals muss man bei Durchsicht von Verwalterverträgen feststellen, dass ein und dieselbe Leistung nach verschiedenen Regelungen, teilweise sogar mehrfach abgerechnet werden kann. Eine derartige Vertragsgestaltung entspricht nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist damit unwirksam. Grundsätzlich haben derartige Sonderhonorare zwei Hürden zu überwinden. Die Erste existiert bei einer Delegation des Vertragsabschlusses und besteht darin, dass die Vereinbarung eines Sonderhonorars für die entsprechende Tätigkeit marktüblich und nicht überraschend sein darf. Die Zweite folgt aus den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB, da es sich bei den Regelungen der Verwalterverträge zumeist um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. bb) Wirksamkeit einzelner Sondervergütungsklauseln

13.171 – Außerordentliche Eigentümerversammlung. Üblich ist eine Versammlung pro Jahr. Zusatzvergütungen für jede weitere Versammlung sind in Verwalterverträgen häufig geregelt. Diese sollen unwirksam sein, wenn der Vertragsabschluss delegiert wurde.362 Eine unangemessene Benachteiligung der Gemeinschaft i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist anzunehmen, wenn die Klausel nicht ausdrücklich vorsieht, dass die Sondervergütung in Fällen entfällt, in welchen die zusätzliche Versammlung durch Verschulden des Verwalters notwendig wird.363

13.172 – Bauüberwachung. Die Vergabe (nach Beschluss der Gemeinschaft) und Überwachung von Sanierungsmaßnahmen gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Verwalters und damit zu den geschuldeten Grundleistungen. Eine Sondervergütung soll nur bei besonders aufwändigen Bauüberwachungen rechtmäßig sein.364 Die Ausschreibung365 und Bauleitung zählt nicht hierzu und kann gesondert vergütet werden.366 Pauschale Zusatzvergütungen in Höhe von 5 % der Bausumme sind unangemessen.367 Zulässig soll hingegen das nach der HOAI zu berechnende Sonderhonorar sein, wenn die Gemeinschaft statt dem Verwalter auch einen Architekten hätte beauftragen können.368 In jedem Falle muss sich die Zusatzvergütung der Höhe 359 LG München I, Beschl. v. 8.3.2012 – 36 T 26007/11, ZMR 2012, 578; BGH, Beschl. v. 17.11.2011 – V ZB 134/11, MDR 2012, 337 = ZWE 2012, 128 = WuM 2012, 292. 360 BGH, Beschl. v. 6.5.1993 – V ZB 9/92, BGHZ 122, 327 = MDR 1993, 865 = NJW 1993, 1924 (1925); OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138. 361 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138. 362 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138. 363 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, ZMR 2009, 64; LG Dresden, Urt. v. 9.3.2016 – 2 S 400/15, ZMR 2016, 388. 364 OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2001 – 16 Wx 35/01, NZM 2001, 470. 365 AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 28.12.2007 – 611 C 146/07, ZMR 2008, 1006. 366 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NJW-RR 2001, 226 (230); OLG Köln, Beschl. v. 19.3.2001 – 16 Wx 35/01, NZM 2001, 470; Gottschalg, ZWE 2002, 200 (205). 367 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.1998 – 3 Wx 169/98, WuM 1999, 477 = ZMR 1999, 193; BayObLG, Beschl. v. 26.9.2004 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736; a.A.: AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 28.12.2007 – 611 C 146/07, ZMR 2008, 1006 (6 % der Bausumme angemessen, wenn Fremdvergabe deutlich teurer wäre). 368 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 Wx 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138.

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nach im angemessenen Umfang halten und den voraussichtlichen zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand im Einzelfall berücksichtigen.369 Sieht die Gemeinschaftsordnung bei Durchführung von Reparaturen eine Zusatzvergütung vor, die sich nach der HOAI berechnet, ist diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 WEG nichtig.370 Da die Abgrenzung von Leistungen, die noch zum Aufgabenkreis des Verwalters gehören von solchen, die nicht mehr dazu gehören, unklar ist, besteht bei einer für Fälle der Bauüberwachung beschlossenen Sondervergütungsklausel ein hohes Unwirksamkeitsrisiko. Sicherer und in der Regel rechtmäßig ist es, einen Beschluss über eine Sondervergütung im konkreten Einzelfall zu fassen.371 – Gerichtsverfahren. Wird der Verwalter an Stelle eines Rechtsanwalts tätig, so soll er nach 13.173 dem RVG abrechnen können,372 was bereits im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen ist.373 Wird er neben einem beauftragten Rechtsanwalt tätig, so soll der Verwalter eine Sondervergütung für den mit der Bearbeitung der gerichtlichen Verfahren verbundenen Mehraufwand vereinbaren können.374 Dies betrifft etwa das Verschaffen von Informationen für den Anwalt oder die laufende Information der Eigentümer über den Stand des Verfahrens. Möglich soll eine Sondervergütung in Höhe der Verwaltervergütung von einem Jahr (nicht aber darüber) für die betroffene Wohneinheit375 oder eine Pauschale von bis zu 150 Euro376 sein. Ein Stundensatz von 130 Euro ist allerdings überhöht.377 Nach anderer Auffassung soll der Verwalter auch in diesem Falle neben dem Rechtsanwalt zusätzlich noch nach dem RVG abrechnen können.378 Die Sondervergütung kann nicht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, soweit sie den zur Rechtsverfolgung erforderlichen Zeitaufwand des Verwalters betrifft.379 Zulässig soll aber die Festsetzung der Kosten für die Wahrnehmung von Terminen sein.380 – Haushaltsnahe Dienstleistungen. Nach wohl h.M.381 kann ein Verwalter, der die Bescheinigung über haushaltsnahe Dienstleistungen erbringt, aufgrund des zusätzlichen Arbeitsaufwandes382 eine Sondervergütung verlangen. Der Höhe nach wurden bislang 10 Euro jähr-

369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382

OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 Wx 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138. OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.11.2010 – 20 W 309/07, ZWE 2011, 361 = MietRB 2011, 352. Greiner, § 10 Rz. 221. BGH, Beschl. v. 6.5.1993 – V ZB 9/92, BGHZ 122, 327 = NJW 1993, 1924 = ZMR 1993, 421. OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.8.1990 – 20 W 113/90, WuM 1990, 457; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 9.7.1990 – 16 Wx 173/89, WuM 1990, 462 = NJW 1991, 1302 (im Hauptsacheverfahren als gesonderter Schadensposten). LG Gera, Urt. v. 23.2.2016 – 5 S 225/15; AG Nürnberg, Urt. v. 25.4.2008 – 90 C 40246/07; a.A. LG München I, Beschl. v. 8.3.2012 – 36 T 26007/11; Becker in Bärmann, § 26 Rz. 167. OLG Köln, Beschl. v. 9.7.1990 – 16 Wx 173/89, NJW 1991, 1302 = WuM 1990, 462. AG Düsseldorf, Beschl. v. 11.9.2007 – 290 II 71/07 WEG, WuM 2007, 646 = ZMR 2008, 80 = MietRB 2008, 113; AG Fürth, Beschl. v. 19.4.2004 – 7 UR II 13/04 WEG, ZMR 2004, 540. BayObLG, Beschl. v. 31.3.2004 – 2Z BR 11/04, NZM 2004, 587 f. OLG Köln, Beschl. v. 9.7.1990 – 16 Wx 173/89, NJW 1991, 1302 f.; AG Nürnberg, Beschl. v. 25.4.2008 – 90 C 40246/07, ZMR 2008, 750; a.A. Niedenführ/Vandenhouten, § 26 WEG Rz. 76. BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – V ZB 102/13, MDR 2014, 888 = ZWE 2014, 333 = ZMR 2015, 236. BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – V ZB 102/13, MDR 2014, 888 = ZWE 2014, 333 = ZMR 2015, 236; ausführlich Greiner, § 10 Rz. 223. KG, Beschl. v. 16.4.2009 – 24 W 93/08, ZMR 2009, 709 = MietRB 2010, 203; s. zum Ganzen Tank, MietRB 2008, 124 ff. AG Neuss, Beschl. v. 29.6.2007 – 74 II 106/07, ZMR 2007, 398.

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869

13.174

Teil 13 Rz. 13.174

Das Verwaltungsverhältnis

lich,383 1 Euro monatlich384 oder 25 Euro jährlich385 pro Einheit von der Rechtsprechung zugelassen.

13.175 – Jahresabrechnung bei Verwalterwechsel. Für noch ausstehende Abrechnungen vergangener Abrechnungsperioden, bei welchen der nunmehrige Verwalter mangels Bestellung nicht Schuldner des Abrechnungsanspruchs geworden ist, kann er eine Sondervergütung verlangen.386

13.176 – Kopierkosten. Sondervergütungen für Kopierkosten aus Verwaltungsunterlagen müssen der Regelung des GKG entsprechen (= bis 50 Kopien 0,50 Euro, ab 51 Kopien 0,15 Euro)387 und dürfen nicht darüber liegen. Ohne Staffelung sollen Beträge bis 0,30 Euro pro Kopie ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.388

13.177 – Lastschriftverfahren. Nachdem die Gemeinschaft nunmehr gemäß § 21 Abs. 7 WEG eine Beschlusskompetenz für die Regelung der Art und Weise von Zahlungen besitzt, kann sowohl das Lastschriftverfahren im Verwaltervertrag vorgesehen werden, als auch eine Regelung, dass Eigentümern, welche nicht am Lastschriftverfahren teilnehmen, Kosten für einen besonderen Verwaltungsaufwand auferlegt werden, wobei 2,50 EUR/Monat angemessen sein sollen.389 Nach der h.M., nach welcher der Verwaltervertrag nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern ausschließlich mit der Gemeinschaft zu Stande kommt, erfolgt eine entsprechende Verpflichtung der Eigentümer allerdings nicht aus dem Verwaltervertrag, sondern auf Grundlage des gemäß § 21 Abs. 7 WEG gefassten Mehrheitsbeschlusses. Ob es insoweit einer ausdrücklichen Beschlussfassung über die Einzelmaßnahme bedarf, oder ob der allgemeine Beschluss über den Verwaltervertrag ausreichend ist, ist bislang noch nicht entschieden.390 Bei fehlender Kontodeckung muss der Verwalter vom Lastschrifteinzug keinen Gebrauch machen.391

13.177a – Mahnkosten. Mahnkosten i.H.v. 12,50 Euro zzgl. MwSt. je Mahnschreiben sollen angemessen sein392 und zwar unabhängig davon, ob eine Mahnung für den Verzugseintritt erforderlich ist,393 oder, was bei Wohngeldern wegen der kalendermäßig bestimmten Fälligkeit nahezu immer der Fall ist, nicht.394 Schuldner der Mahnkosten ist die Gemeinschaft als Vertragspartner. Wird die Zahlungspflicht im Verwaltervertrag den säumigen Wohnungseigentümern direkt auferlegt, haben die Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 7 WEG hierfür eine Beschlusskompetenz („Regelung der Folgen des Verzuges“ bzw. der „Kosten für einen besonderen Verwaltungsaufwand“). Problematisch bleibt dann, ob für die Ausübung dieser Kompetenz ein gesonderter Beschluss zu fordern ist, oder ob der allgemeine Beschluss über den Verwaltervertrag genügt. Im Falle der Delegation des Vertragsabschlusses wird man jeden383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394

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AG Hannover, Beschl. v. 2.10.2007 – 71 II 499/07, n.v. AG Hannover, Beschl. v. 29.6.2007 – 73 II 382/07, n.v. LG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.2008 – 19 T 489/07, ZMR 2008, 484. S. hierzu unter Teil 6, Rz. 6.317. OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 490 = ZMR 2001, 138. OLG München, Beschl. v. 26.7.2007 – 32 Wx 73/07, NZM 2008, 653 = ZMR 2007, 815. Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 115a; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.1998 – 3 Wx 169/98, ZMR 1999, 193. S. insoweit auch die nachfolgenden Ausführungen zu den Mahnkosten. BGH, Urt. v. 29.1.2016 – V ZR 97/15; MDR 2016, 877 = ZMR 2016, 472. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.1998 – 3 Wx 169/98, NZM 1999, 267. A.A. Heinemann, MietRB 2008, 350: keine Vergütung für verzugsbegründende Mahnung. Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 114.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.180 Teil 13

falls eine gesonderte Beschlussfassung nach § 21 Abs. 7 WEG verlangen müssen. Die Regelung sollte vorsehen, dass die Gemeinschaft dem Verursacher die Mahnkosten in dessen Einzelabrechnung einstellen kann.395 Bei Durchführung eines Mahnverfahrens ist eine pauschale Mehrvergütung von 60 Euro unangemessen, wenn sie ohne Rücksicht auf den Aufwand im jeweiligen Einzelfall geschuldet werden soll.396 Erst recht entspricht eine pauschale „Verwaltungsgebühr von 100 Euro netto für die anwaltliche Einleitung eines Wohngeldverfahrens“ nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.397 Erforderlich ist, eine pauschale Mehrvergütung an einen besonderen Arbeits- und Zeitaufwand zu koppeln, etwa das mehrfache Vorgehen gegen einen Eigentümer innerhalb bestimmter Zeit.398 Eine Regelung, welche für den Mehraufwand des Verwalters im Falle der Säumnis eines Wohnungseigentümers die doppelte, bei gerichtlichen Maßnahmen die dreifache jährliche Verwaltergebühr bestimmt, ist bereits in der Gemeinschaftsordnung nichtig.399 Erst recht muss dies gelten, wenn sich eine derartige Regelung im Verwaltervertrag findet.

13.177b

– Preisanpassungsklauseln dienen dazu, die Grundvergütung des Verwalters an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen. Es handelt sich zwar nicht um Sondervergütungen im eigentlichen Sinne, da aber auch derartige Klauseln im Ergebnis zu einem höheren Entgelt des Verwalters führen, werden sie in diesem Sachzusammenhang behandelt. Gleitklauseln sind unwirksam, soweit sie nicht den Anforderungen der §§ 2 Abs. 1 S. 2 Preisklauselgesetz (PreisklG) gerecht werden. Da Verwalterverträge nicht länger als 5 Jahre laufen können, greift der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1d PreisklG nicht ein.400 Leistungsvorbehalts- und Spannungsklauseln nach § 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 PreisklG, welche nicht unter das PreisklG fallen, müssen aber weiterhin den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügen, und damit insbesondere klar und verständlich sein.401 Soll die zukünftige Verwaltervergütung an die „Verwaltungskostenentwicklung“ angepasst werden, so ist dies nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB intransparent, da nicht festgestellt werden kann, was hierunter zu verstehen sein soll.402 Zulässig sind Staffelvergütungen, die zu bestimmten Zeitpunkten eine bestimmte Erhöhung vorsehen.403

13.178

– Telekommunikationskosten. Kosten für Porto, Telefon und Telefax, die im Rahmen der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Verwalters anfallen, werden vom Grundhonorar umfasst.

13.179

– Überlassen von eingescannten Verwaltungsunterlagen. Bei größeren Gemeinschaften wird empfohlen, die Verwaltungsunterlagen so weit wie möglich einzuscannen, sodass sie den einzelnen Eigentümern bei Bedarf auch auf elektronischem Wege übermittelt werden können.404 In diesem Fall soll ein Kostenerstattungsanspruch des Verwalters analog Nr. 9000 Ziff. 2 KV-GKG bzw. Nr. 7000 Ziff. 2 VV-RVG i.H.v. 2,50 Euro je versendeter elektronischer Datei bestehen,405 was im Verwaltervertrag dementsprechend vereinbart werden kann.

13.180

395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405

Greiner, § 10 Rz. 226. BayObLG, Beschl. v. 3.3.1988 – BReg. 2 Z 104/87, NJW-RR 1988, 847 f. LG München I, Urt. v. 17.12.2009 – 36 S 4853/09, ZMR 2010, 473. BayObLG, Beschl. v. 3.3.1988 – BReg. 2 Z 104/87, NJW-RR 1988, 847 f. OLG Hamm, Beschl. v. 6.12.2007 – 15 W 224/07, MietRB 2009, 15. Gottschalg, ZWE 2002, 200 (202). Heinemann, MietRB 2008, 349 (350). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.1.2005 – 3 Wx 326/04, NZM 2005, 628. Gottschalg, ZWE 2002, 200 (202). Heinemann, MietRB 2011, 116. OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NJW-RR 2001, 226 (230).

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Teil 13 Rz. 13.181

Das Verwaltungsverhältnis

13.181 – Veräußerungszustimmung. Üblich sind Sonderhonorare zwischen 50 Euro und 175 Euro406 pro Zustimmungsfall. Nicht rechtmäßig, da unverhältnismäßig, ist hingegen, eine Pauschale in Form eines Prozentsatzes vom Kaufpreis des zu veräußernden Wohnungseigentums zu verlangen.407 Im Hinblick auf die Frage, wer als Schuldner des Sonderhonorars anzusehen ist, gelten die Ausführungen zu den Mahnkosten an dieser Stelle für den veräußernden Wohnungseigentümer entsprechend. Der Käufer kann hingegen nie zur Zahlung verpflichtet werden, da er für Vergütungsansprüche des Verwalters, welche vor seinem Erwerb entstanden und fällig geworden sind, nicht haftet.408 Eine entsprechende Klausel ist daher rechtlich bedeutungslos. Wegen Unklarheit nichtig sind Klauseln, welche eine Haftung des Verursachers oder Veranlassers vorsehen.409 Die Zustimmungserklärung kann der Verwalter nicht von der Zahlung der Sondervergütung abhängig machen.410

13.182 – Verkehrssicherungspflicht. Die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht der Gemeinschaft durch den Verwalter gehört nicht zum gesetzlichen Aufgabenkatalog411 und wird damit von der Grundvergütung nicht umfasst. Die Vereinbarung einer Sondervergütung ist insoweit daher zulässig. Denkbar sind etwa Pauschalen für Streu- und Räumtätigkeiten an den gesetzlich geforderten Tagen.

13.183 – Wirtschaftsplanung bei Verwalterwechsel. Für das Aufstellen eines vom Vorgänger noch geschuldeten, aber nicht erstellten Wirtschaftsplanes kann vom nachfolgenden Verwalter eine Sondervergütung verlangt werden.412 b) Sonstige vertraglichen Rechte und Pflichten, die über die gesetzlichen Regelungen des WEG hinausgehen

13.184 Zu klären ist ist an dieser Stelle zunächst die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft als Partei des Verwaltervertrages Verbraucher ist. Nur dann unterliegt der Verwaltervertrag der Inhaltskontrolle nach § 310 BGB.413

13.185 – Abberufung. Jeglicher Versuch, die Abberufung aus wichtigem Grund verwaltervertraglich einzuschränken, ist wegen eines Verstoßes gegen § 26 Abs. 1 S. 5 WEG nach § 134 BGB nichtig.414 Eines Rückgriffs auf § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB bedarf es insoweit nicht.415

13.186 – Betretungsrecht. Klauseln, welche dem Verwalter ohne besonderen Anlass aus Kontrollgründen ein generelles Betretungsrecht einräumen, sind selbst dann unwirksam, wenn sie den Inhalt der Gemeinschaftsordnung wiederholen, da eine entsprechende Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Maßnahme (Art. 13 GG) ebenfalls nichtig wäre.416 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416

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OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 12 W 133/00, NJW-RR 2001, 1440. KG, Beschl. v. 20.6.1997 – 24 W 1783/97, NJW-RR 1997, 1231 = ZMR 1997, 666. KG, Beschl. v. 20.6.1997 – 24 W 1783/97, NJW-RR 1997, 1231 = ZMR 1997, 666. Furmanns, WE 2002, 77 (84); a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 138: Verursacher = Veräußerer. Jennißen in Jennißen, § 26 Rz. 118. Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 313. S. hierzu unter Rz. 13.315. S. hierzu bereits unter Rz. 13.165. Wicke in Palandt, § 26 WEG Rz. 9. A.A. KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 24.11.2000 – 3 W 184/00, ZMR 2001, 308 = NJW-RR 2001, 730.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.191 Teil 13

– Eintrittsklauseln, welche die Gemeinschaft oder einzelne Eigentümer verpflichten, dass ihr Rechtsnachfolger in den Verwaltervertrag eintreten muss, sind überflüssig, da der Verwaltervertrag nach h.M. ausschließlich mit der Gemeinschaft zu Stande kommt.

13.187

– Einvernehmen des Verwaltungsbeirats. Klauseln, welche eine Ermächtigung des Verwalters zur Vornahme bestimmter Handlungen unter den Vorbehalt des Einvernehmens oder der Zustimmung des Verwaltungsbeirats stellen, sind zulässig.417 Wenn gemäß § 27 Abs. 5 WEG die Verfügung des Verwalters über gemeinschaftliche Gelder von der Zustimmung eines Wohnungseigentümers oder eines Dritten abhängig gemacht werden kann, muss dies erst recht für die Ermächtigung des Verwalters zur Vertretung der Gemeinschaft gelten.418

13.188

– Entlastung. Nach der nicht unumstrittenen Rechtsprechung des BGH419 entspricht ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar nicht in Betracht kommen. Gleiches muss dann auch für eine verwaltervertragliche Regelung gelten, mit welcher sich der Verwalter einen Anspruch auf Entlastung einräumen lässt.

13.189

– Geldverwaltung. Klauseln, nach welchen die Anlage der gemeinschaftlichen Gelder der Entscheidung des Verwalters überlassen bleibt, sollen wegen § 27 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 5 WEG zwar nicht mehr als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB oder den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung anzusehen sein.420 Sie werden nunmehr jedoch als überflüssig und damit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot als unwirksam angesehen.421 Die formularvertragliche Berechtigung des Verwalters, Überziehungskredite einzugehen, stellt nach wie vor eine unangemessene Benachteiligung der Gemeinschaft dar und ist damit unwirksam.422

13.190

– Geltendmachung von Ansprüchen. In Verwalterverträgen verstoßen Klauseln, die den Verwalter formularmäßig zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen berechtigen, gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.423 Umstritten ist, ob dies in Fällen gilt, in welchen die Geltendmachung auf Ansprüche aus der laufenden Verwaltung und gegen säumige Wohnungseigentümer beschränkt wurde.424 Die Ermächtigung zur Geltendmachung von Hausgeld, nötigenfalls per Klage ist zulässig.425 Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Gemeinschaft im eigenen Namen und damit in Form der gewillkürten Prozessstandschaft ist von wenigen Ausnahmefällen abgesehen nicht mehr möglich426 und kann im Verwaltervertrag daher auch nicht mehr vereinbart werden. Ungeklärt bleibt, ob der Verwalter im Rahmen des § 27

13.191

417 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.6.1987 – 3 W 53/87, NJW-RR 1987, 1366 = ZMR 1988, 24 für die Ermächtigung zur Prozessführung. 418 Suilmann, ZWE 2008, 113 (116). 419 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 650 = NJW 2003, 3124 = ZMR 2003, 942. 420 So zur „alten“ Rechtslage noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390. 421 Heinemann, MietRB 2008, 317 (319). 422 Furmanns, NZM 2000, 985 (988). 423 Gottschalg, WE 2003, 41 (46); Gottschalg, MietRB 2004, 183 (187); a.A. Abramenko in FK/WEG, 2. Aufl. 2007, § 26 WEG Rz. 47. 424 Dafür: Heinemann, MietRB 2008, 317 (319). Dagegen: OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620. 425 Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 102. 426 BGH, Urt. v. 28.1.2011 – V ZR 145/10, MietRB 2011, 116.

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Teil 13 Rz. 13.191

Das Verwaltungsverhältnis

Abs. 2 Nr. 3 WEG für die Wohnungseigentümer in gewillkürter Prozessstandschaft auftreten kann.427 Eine diesbezügliche Regelung ist im Verwaltervertrag weiterhin denkbar.

13.192 – Generalvollmacht. Eine generelle Bevollmächtigung des Verwalters wird aufgrund des § 27 Abs. 3 S. 1 WEG, welcher eine unbeschränkte Ermächtigung des Verwalters gestattet, als zulässig angesehen. Da der Verwalter Organ des rechtsfähigen Verbandes der Wohnungseigentümer ist, bestehe auch ein Bedürfnis, diesen mit umfassender Vertretungsmacht auszustatten. Von der zulässigen Generalbevollmächtigung im Außenverhältnis sei jedoch die Frage der Zulässigkeit einer generellen Aufgabenerweiterung im Innenverhältnis zu unterscheiden428 (siehe hierzu nachfolgend).

13.193 – Generelle Aufgabenerweiterungen, durch welche die gesetzlichen Aufgaben in generalisierender Art und Weise erweitert werden, sind nach der Rechtsprechung als unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB429 und/oder als nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend430 anzusehen. Durch diese erfolgt eine unstatthafte Kompetenzverlagerung von der Gemeinschaft auf den Verwalter.431 Gleichzeitig wird der Umfang der Tätigkeit in das Belieben des Verwalters gestellt, wodurch das wirtschaftliche Risiko für die Gemeinschaft für diese unabschätzbar erhöht ist.432 Es ist zu empfehlen, sich an dieser zu § 27 Abs. 1 WEG a.F. ergangenen Rechtsprechung weiterhin zu orientieren, da auch § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG lediglich eine umfassende Bevollmächtigung des Verwalters im Beschlusswege, nicht aber eine generelle formularvertragliche Aufgabenerweiterung gestattet.433

13.194 – Grundbucheinsicht. Da der Verwalter in vielen Fällen seiner praktischen Tätigkeit gezwungen ist, ins Grundbuch Einsicht zu nehmen, ist eine im Verwaltervertrag erteilte allgemeine Zustimmung hierzu durch die Wohnungseigentümer sinnvoll und üblich. Ob die Grundbuchämter eine derartige allgemeine Zustimmung allerdings im Einzelfall als ausreichend erachten werden, ist eine andere Frage. In diesen Fällen muss er sein – in der Regel gegebenes – berechtigtes Interesse im Sinne von § 12 GBO darlegen. Eine unternehmerische Tätigkeit als Wohnungseigentumsverwalter begründet keinen Anspruch auf Genehmigung zur Teilnahme am eingeschränkt automatisierten Grundbuchabrufverfahren.434

13.195 – Haftungsbeschränkungen. Haftungsbeschränkungsregelungen widersprechen – bis auf ganz wenige Ausnahmen – dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung.435 Eine formularvertragliche Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit verstößt gegen § 309 Nr. 7a BGB, wonach die Haftung für eine Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden darf, was zur Gesamtnichtigkeit

427 Elzer, MietRB 2011, 116 (117). 428 Heinemann, MietRB 2008, 348 (349) m.w.N. 429 KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – 1-3 Wx 51/06, MietRB 2007, 10, 12 = NJW 2006, 3645. 430 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390. 431 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390. 432 KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, MietRB 2007, 10 (12) = NJW 2006, 3645; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390. 433 Heinemann, MietRB 2008, 317 (318). 434 OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.2008 – 15 VA 12/07, MietRB 2008, 208. 435 Sehr ausführlich Vogel, ZWE 2015, 15 ff.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.196 Teil 13

der Klausel führt.436 Selbst bei Beachtung des § 309 Nr. 7a BGB wird der eigentlich gem. § 309 Nr. 7b zulässige Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit als unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB angesehen, da der Verwalter sich durch eine derartige Klausel auch von der Verletzung seiner in §§ 27, 28 WEG statuierten Kardinalpflichten freizeichnet.437 Die generelle Beschränkung der Haftung auf einen Höchstbetrag verstößt gegen §§ 309 Nr. 7a, 7b BGB.438 Ob eine Begrenzung der Haftungssumme in Fällen einfacher Fahrlässigkeit bei Verletzung anderer als der in § 309 Nr. 7a BGB genannten Rechtsgüter zulässig ist, erscheint fraglich.439 Nach der Rechtsprechung widerspricht die Vereinbarung einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung auf 25.000 Euro pro Schadensfall und 40.000 Euro pro Jahr im Falle einfacher und mittlerer Fahrlässigkeit, unabhängig vom Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen, jedenfalls dann dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Haftungsbeschränkung auf Seiten der Wohnungseigentümer keinerlei Vorteile gegenüberstehen.440 Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung soll einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung nur als adäquater Ausgleich gegenüberstehen, wenn die Versicherung ein entsprechend hohes Risiko abdeckt, wobei die übliche Haftungssumme von 100.000 Euro hierfür als unzureichend angesehen wird.441 Eine Beweislastumkehr für das fehlende Verschulden, welches im Rahmen der vertraglichen Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vom Verwalter nachzuweisen ist, verstößt im Verbrauchervertrag gegen § 309 Nr. 12a BGB442 und im Formularvertrag gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.443 Letztlich sind Haftungsbeschränkungen auch durch eine Verkürzung der Verjährungsfrist des § 195 BGB denkbar. Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit und für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit kann formularvertraglich nicht durch eine Abkürzung der Verjährungspflicht beschränkt werden.444 Die Abkürzung der Verjährungsfrist auf 2 Jahre widerspricht dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung.445 Klauseln, welche die Verjährung unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers, vom Schaden und von der Person des Schädigers beginnen lassen, stellen eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.446 Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn von einer derartigen Klausel auch vorsätzliche Pflichtverletzungen umfasst werden.447 – Insichgeschäft. Die (vielfach übliche) formularvertragliche Befreiung von der Beschränkungen des § 181 BGB soll eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

436 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, NJW 2006, 3645 = MietRB 2007, 10 (12); Furmanns, WE 2002, 77 (86); Gottschalg, WE 2003, 41. 437 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 9.8.2006 – 5 T 18/06, ZMR 2007, 895; Furmanns, NZM 2000, 985 (991); Furmanns, NZM 2004, 201 (203); Gottschalg, MietRB 2004, 183 (185); Heinemann, MietRB 2008, 348 (351). 438 Furmanns, NZM 2000, 985 (991); Gottschalg, MietRB 2004, 183; Heinemann, MietRB 2008, 348 (351). 439 Bejahend: Furmanns, WE 2002, 77 (86); Heinemann, MietRB 2008, 348 (351). 440 BayObLG, Beschl. v. 23.12.2002 – 2Z BR 89/02, NZM 2003, 204 ff. 441 Heinemann, MietRB 2008, 348 (352); Furmanns, NZM 2004, 201 ff. 442 Gottschalg, WE 2003, 41 (43). 443 Heinemann, MietRB 2008, 348 (352). 444 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, NJW 2006, 3645 = MietRB 2007, 12. 445 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NJW-RR 2001, 226 (230); BayObLG, Beschl. v. 23.12.2002 – 2Z BR 89/02, NZM 2003, 204. 446 Gottschalg, WE 2003, 41 (43); Heinemann, MietRB 2008, 348 (352). 447 OLG München, Beschl. v. 8.11.2006 – 34 Wx 045/06, MietRB 2007, 43 = MDR 2007, 581 = NJW 2007, 227.

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13.196

Teil 13 Rz. 13.196

Das Verwaltungsverhältnis

Nr. 2 BGB darstellen,448 da dies der treuhänderischen Stellung des Verwalters widerspreche und sein gesetzlich festgelegter Aufgabenumfang unterlaufen werden könne.449 Durch die Befreiung erfolge eine rechtliche Schlechterstellung der Wohnungseigentümer im Vergleich zur gesetzlichen Rechtslage, da die Befreiung Handlungen des Verwalters der konkreten Zustimmung der vertretenen Wohnungseigentümer entziehe. Eine derartige Befreiung halte daher einer Inhaltskontrolle nicht stand.450

13.197 Hiergegen wird eingewendet, angesichts der Doppelstellung des Verwalters als Vertreter der Gemeinschaft und der Wohnungseigentümer bestehe für die formularmäßige Befreiung vom Verbot der Doppeltvertretung ein praktisches Bedürfnis.451 Im Verwaltervertrag könne die Befreiung vom Verbot des Selbst-Kontrahierens daher wirksam vereinbart werden.452 In jedem Falle kann nach h.M. durch individualvertragliche Regelung der Verwalter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden.453

13.198 – Instandhaltung und Instandsetzung. Ohne gegenständliche und/oder summenmäßige Beschränkung verstoßen Klauseln, nach welchen der Verwalter nach seinem Ermessen berechtigt sein soll, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten zu veranlassen, gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sind auch mit dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung nicht zu vereinbaren.454 Ob aufgrund der Regelung in § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG nunmehr vertraglich die Entscheidung über laufende Erhaltungsmaßnahmen auf den Verwalter übertragen werden kann, bleibt fraglich.455 Solche Klauseln werden von der Rechtsprechung nur in sehr engen Grenzen zugelassen. Es bedarf in jedem Falle einer Budgetierung für den Einzelfall und einer Jahresgesamtsumme.456

13.199 – Jahresabrechnung bei Verwalterwechsel. Nach h.M. ist Schuldner des Abrechnungsanspruchs gemäß § 28 Abs. 3 WEG der zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit amtierende Verwalter.457 Klauseln in Verwalterverträgen, welche die Rechtslage nach h.M. wiederholen, sind wirksam.458

13.200 – Salvatorische Klauseln verstoßen im Formularvertrag gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da sie die durch § 306 Abs. 2 BGB zwingend angeordnete Geltung der gesetzlichen Regelung umgehen. Zudem fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit, welche Regelung an die Stelle der unwirksamen treten soll.459 Auch der Zusatz „soweit gesetzlich zulässig“ ändert hieran nichts, die Klausel bleibt wegen des Verstoßes gegen den Verständlich448 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 046/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620; Furmanns, NZM 2000, 985 (989); Gottschalg, WE 2003, 41 (46). 449 Furmanns, NZM 2000, 985 (989); Gottschalg, WE 2003, 41 (46). 450 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, ZMR 2009, 64; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.12.2007 – 11 Wx 40/06, juris. 451 Gruber, NZM 2000, 263 (270); Heinemann, MietRB 2008, 348 (349). 452 AG Hamburg-Altona, Urt. v. 2.3.2010 – 303 C 27/09, ZMR 2011, 71. 453 OLG München, Beschl. v. 17.11.2005 – 32 Wx 77/05, NZM 2006, 106. 454 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, ZMR 1997, 605; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390; OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 046/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620. 455 Dagegen: Heinemann, MietRB 2008, 312 (318). 456 LG Itzehoe, Urt. v. 1.7.2014 – 11 S 10/13, ZMR 2014, 915; Greiner, § 10 Rz. 198. 457 S. hierzu ausführlich unter Teil 6, Rz. 6.314. 458 KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476. 459 KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.204 Teil 13

keitsgrundsatz unwirksam.460 Wirksam ist aber eine Regelung, nach der der Vertrag bei teilweiser Unwirksamkeit aufrechterhalten bleiben soll.461 – Untervollmacht. Die formularvertraglich eingeräumte Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten wird selbst dann als unwirksam462 angesehen, wenn diese nur für Fälle vorübergehender Verhinderung wie etwa Urlaub oder Krankheit vorgesehen ist.463 Eine individualvertragliche Regelung soll möglich sein, soweit der Verwalter Erfüllungsgehilfen einschalten darf.464

13.201

– Unwiderruflichkeit der Vollmacht. Aufgrund der Regelung des § 27 Abs. 4 WEG, wonach 13.202 die dem Verwalter nach § 27 Abs. 1 bis 3 WEG zustehenden Aufgaben und Befugnisse durch Vereinbarung nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können, wird die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht als unklar und überflüssig angesehen, sodass sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen soll.465 Soweit der Verwalter über seine gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse hinaus durch Rechtsgeschäft oder durch Beschluss gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG ermächtigt wird, soll es jedoch möglich sein, auch formularvertraglich eine Spezialvollmacht unwiderruflich zu erteilen.466 – Verkehrssicherungspflicht. Soweit nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt,467 ergibt sich die Verkehrssicherungspflicht aus der allgemeinen, von der Rechtsprechung entwickelten Rechtspflicht, wonach jeder, der eine Gefahrenstelle schafft oder als Verantwortlicher vorfindet, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat. Aufgrund der Eigenverantwortlichkeit jedes Verkehrsteilnehmers besteht eine Verkehrssicherungspflicht allerdings nur bei versteckten, unerwarteten Gefahrenstellen, die es zu vermeiden gilt. Der Verkehrssicherungspflichtige darf dabei darauf vertrauen, dass sich Dritte in verständiger Weise auf erkennbare Gefahren einstellen. Maßstab sind die Sicherheitserwartungen des sorgfältigen Durchschnittsbürgers im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren. Nicht abwälzbar auf den Verkehrssicherungspflichtigen ist das allgemeine Lebensrisiko.

13.203

Verkehrssicherungspflichtig ist jeder, der in der Lage ist, über die Sache zu verfügen. Wer dies bei einer Wohnungseigentumsanlage sein soll, ist umstritten. Nach einer etwas älteren Rechtsprechung soll den Verwalter im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum eine eigene, originäre Verkehrssicherungspflicht treffen, da er nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG die für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat,468 wobei es allerdings in diesem Rahmen wenig sinnvoll sein dürfte, zwischen Gemeinschafts- und Son-

13.204

460 BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VIII ZR 137/12, WuM 2013, 293. 461 Greiner, § 10 Rz. 203. 462 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, MDR 2008, 620 = MietRB 2008, 239; Furmanns, NZM 2000, 985 (989); Gottschalg, MietRB 2004, 183 (187); Gottschalg, WE 2003, 41 (46). 463 Furmanns, NZM 2000, 985 (989); Gottschalg, WE 2003, 41 (46). 464 Jennißen/Heinemann, § 27 WEG Rz. 66. 465 Heinemann, MietRB 2008, 348 (349) m.w.N.; a.A. Furmanns, NZM 2000, 985 (989). 466 Heinemann, MietRB 2008, 348 (349); a.A. Furmanns, NZM 2000, 985 (989). 467 Siehe etwa §§ 9, 9a Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen, § 9 Hessisches StrG, § 48 LastrG Rheinland-Pfalz, § 9 Saarl. StrG bzgl. der Pflicht zur Straßen- und Wegeunterhaltung durch die öffentliche Hand. 468 BGH, Beschl. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, WuM 1993, 273 = ZMR 1993, 322 = MDR 1994, 45; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1994 – 3 Wx 619/94, NJW-RR 1995, 587 = ZMR 1995, 177; a.A. Wenzel, NZM 2006, 321 (323); Demharter, ZWE 2006, 44.

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Teil 13 Rz. 13.204

Das Verwaltungsverhältnis

dereigentum zu differenzieren. Vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit vertrat die wohl h.M., dass auch die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner verkehrssicherungspflichtig sind.469 Nach der Gesetzesreform findet sich nunmehr die inzwischen vorherrschende Auffassung, soweit die Verkehrssicherungspflicht nicht ausdrücklich den Wohnungseigentümern als Grundstücksmiteigentümern zugewiesen wird, sei die Gemeinschaft verkehrssicherungspflichtig470 oder der Verwalter, die Wohnungseigentümer und die Gemeinschaft nebeneinander.471 Den Verwalter treffe auch nach dem Anerkennen der Teilrechtsfähigkeit der WEG eine eigene originäre Verkehrssicherungspflicht für das Gemeinschaftseigentum, weil er nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG die für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat.472 Einer Delegation durch den Verwaltervertrag bedarf es nicht.473

13.205 Soweit man die Wohnungseigentümer als verkehrssicherungspflichtig ansieht, können diese ihre Verkehrssicherungspflicht vertraglich auf etwa einen Mieter übertragen. Ebenso kann sich der Verwalter im Verwaltervertrag gegenüber der Gemeinschaft verpflichten, die Verkehrssicherungspflicht für die Anlage zu übernehmen. Dabei bedarf die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht einer klaren Absprache, welche eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt. Erst dann verengt sich die Verkehrssicherungspflicht der ursprünglich allein verantwortlichen Person auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, welche sich darauf erstreckt, ob der jetzige Verantwortliche die vertraglich übernommenen Sicherungsmaßnahmen auch tatsächlich ausgeführt hat.474 Bei Anhaltspunkten für eine Unzuverlässigkeit des Übernehmers ist der Übertragende zum Eingreifen verpflichtet. Der Verwalter kann die Verkehrssicherungspflicht sodann wiederum etwa auf einen angestellten Hausmeister delegieren. Soweit die Wohnungseigentümer und der Verwalter ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht nachgekommen sind, haftet einem Dritten gegenüber dann bei der schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht einzig und allein der Hausmeister.475

13.206 – Versammlungsvorsitz. Die formularvertragliche Bestimmung, dass der Verwalter immer den Vorsitz in der Eigentümerversammlung führt, soll unwirksam,476 eine individualvertragliche Regelung hingegen möglich sein.477

13.207 – Verträge mit Dritten. Eine Regelung im Verwaltervertrag, nach welcher der Verwalter jederzeit Verträge mit Sonderfachleuten zur Klärung oder Bearbeitung technischer, juristi469 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.12.2001 – 3 U 93/01, WuM 2002, 619; BGH, Beschl. v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, NJW 1985, 484 = ZMR 1985, 121. 470 BGH, Urt. v. 8.2.2013 – V ZR 238/11, MDR 2013, 835 = ZMR 2013, 642 = ZWE 2013, 358; BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268 = MietRB 2012, 170; OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, NJW 2006, 1293 = ZMR 2006, 226; Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 313. 471 Elzer, ZMR 2006, 228; instruktiv Dötsch/Greiner, ZWE 2014, 343 ff., die allerdings kaum zu einer Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers kommen. 472 BGH, Beschl. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, WuM 1993, 273 = NJW 1993, 1782 = MDR 1994, 45; Greiner, § 12 Rz. 35; Suilmann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 172. 473 Suilmann in Jennißen § 27 WEG Rz. 172; a.A. LG Hamburg, Urt. v. 21.3.2016 – 331 S 71/16, ZMR 2016, 655. 474 BGH, Urt. v. 4.6.1996 – VI ZR 75/95, MDR 1996, 910 = ZMR 1996, 477 = NJW 1996, 2646. 475 OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, NJW 2006, 1293 = ZMR 2006, 226; BGH, Beschl. v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, MDR 1989, 532 = VersR 1989, 526 = NJW-RR 1989, 394 = ZMR 1990, 26 (Übertragung der Wegereinigung auf Reinigungsdienst). 476 KG, Beschl. v. 15.1.2003 – 24 W 129/01, NJW-RR 2003, 646. 477 BayObLG, Beschl. v. 3.12.2003 – 2Z BR 188/03, MietRB 2004, 171 = ZMR 2004, 443 (445).

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.209 Teil 13

scher, buchhalterischer oder sonstiger Aufgaben abschließen kann478 oder Hausmeister, Reinigungskräfte oder sonstiges Hilfspersonal jederzeit anstellen kann,479 verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB480 und § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG. Mit derartigen Klauseln wird die Beauftragung Dritter in das Ermessen des Verwalters gestellt, was unabsehbare wirtschaftliche Risiken für die Gemeinschaft mit sich bringt.481 Eine mit § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu vereinbarende Kompetenzverlagerung auf den Verwalter ist gegeben, wenn dieser vertraglich befugt wird, Verträge abzuschließen, welche mit baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums verbunden sind. Dies gilt auch bei einem vertraglich vorgesehenen Zustimmungserfordernis des Verwaltungsbeirats, denn die Mitwirkung des Verwaltungsbeirats kann nicht an die Stelle der erforderlichen Beschlussfassung der Gemeinschaft treten.482 – Vertragslaufzeit. Klauseln, nach welchen die Laufzeit des Verwaltervertrages automatisch verlängert wird, soweit die Eigentümer nicht binnen einer bestimmten Frist einen neuen Verwalter wählen, werden als unwirksam angesehen, wenn sie zu einer Überschreitung des 3 – bzw. 5-Jahreszeitraumes nach § 26 Abs. 1 S. 2 WEG führen.483 Laufzeiten, welche sich im Rahmen dieses gesetzlichen Rahmens halten, verstoßen nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.484 § 309 Nr. 9a BGB wird von § 26 Abs. 1 S. 2 WEG als Sonderregelung verdrängt.485

13.208

– Winterdienst. Die Streu- und Räumpflicht für öffentliche Gehwege ist als Bestandteil der in den jeweiligen Landesstraßengesetzen gesetzlich geregelten Wegereinigungspflicht ein Sonderfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Nach den meisten Landesgesetzen obliegt die Straßenreinigung, zu welcher auch die Schnee- und Eisräumung gehört, der Gemeinde, welche jedoch die Pflicht durch Satzung auf die Eigentümer oder Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke abwälzen kann.486 Hiervon haben die Gemeinden in der Regel umfassend Gebrauch gemacht, und damit nach der Regelung des Landesstraßengesetzes zwingend die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner verpflichtet.487 Nach der Gesetzesreform soll diese Pflicht nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG allerdings gemeinschaftlich wahrgenommen werden.488 Die Gemeinschaft wiederum kann die

13.209

478 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, ZWE 2006, 396 = ZMR 2006, 870 = MietRB 2007, 10 (12) = NJW 2006, 3645. 479 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, ZMR 2001, 303 = ZWE 2001, 29 = NZM 2001, 390. 480 OLG München, Urt. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, NJW-RR 2008, 1182 (1184). 481 KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NZM 2001, 390; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2006 – I-3 Wx 51/06, MietRB 2007, 10 (12) = NJW 2006, 364; OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 046/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620. 482 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 046/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620. 483 Gottschalg, MietRB 2004, 183 f.; Gottschalg, WE 2003, 41; a.A. lediglich Teilunwirksamkeit, OLG München, Beschl. v. 8.3.2007 – 34 Wx2/07, ZMR 2007, 989, so dass Bestellzeit nach Ablauf der Höchstdauer endet. 484 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = NJW 2002, 3240 (3246). 485 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = NJW 2002, 3240 (3246). 486 S. etwa § 17 LStrG Rheinland-Pfalz. 487 BGH, Beschl. v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, MDR 1985, 311 = NJW 1985, 484 = ZMR 1985, 121. 488 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268 = MietRB 2012, 170.

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Teil 13 Rz. 13.209

Das Verwaltungsverhältnis

Streu- und Räumpflicht auf den Verwalter oder einen Hausmeister delegieren.489 Die von der Streu- und Räumpflicht für öffentliche Flächen zu unterscheidende gleichlautende Pflicht für im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Wege und Flächen kann ebenso auf den Verwalter delegiert werden, soweit man diesen hierfür nicht bereits ohnehin als verkehrssicherungspflichtig ansieht.490

13.210 – Zugangsfiktionen. Die regelmäßig in Verwalterverträgen aufgenommene Klausel, nach welcher die Ladung eines Eigentümers zur Versammlung als zugegangen gilt, wenn sie an die dem Verwalter zuletzt bekannte Anschrift gerichtet wurde, stellt nach der Rechtsprechung einen Verstoß gegen § 308 Nr. 6 BGB dar.491 Soweit man § 308 Nr. 6 BGB wegen des fehlenden Vorliegens eines Verbrauchervertrages nicht für anwendbar hält, gelangt man zu dem gleichen Ergebnis über § 307 Abs. 2 Nr. 1 WEG, da die Ladungsfiktion als unangemessene Benachteiligung anzusehen ist und zugleich einen unzulässigen Vertrag zu Lasten der Wohnungseigentümer als Dritte darstellt.492 c) Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einzelne Vertragsklauseln

13.211 In Form einer Feststellungsklage nach § 43 Nr. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer ohne Ermächtigungsbeschluss der Eigentümerversammlung und ohne Einhaltung einer Frist jederzeit die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln gerichtlich geltend machen.493 d) Weitere Pflichten nach dem BGB

13.212 Der entgeltliche Verwaltervertrag stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit teilweise dienstvertraglichen und teilweise werkvertraglichen Elementen dar, der unentgeltliche einen Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB.494 Damit ergeben sich aufgrund des Verwaltervertrages weitere Pflichten des Verwalters aus den entsprechenden Regelungen des BGB. aa) Die Informationspflicht, § 666 BGB erster Fall

13.213 Die vertragliche Informationspflicht des Verwalters hat ihren Rechtsgrund in § 666 BGB erster Fall, wonach der Verwalter verpflichtet ist, der Gemeinschaft die erforderlichen Nachrichten zu geben. Diese Pflicht besteht schon vor Beginn der Vertragstätigkeit495 und kann auch nach Beendigung des Verwaltervertrages fortbestehen, da sie der ordnungsgemäßen Abwicklung des Vertrages dient.496 Der Verwalter ist gemäß 675, 666 BGB verpflichtet, die Gemeinschaft über solche Vorgänge zu informieren, deren Kenntnis für notwendige Entscheidungen erforderlich ist oder die so wesentlich sind, dass die Gemeinschaft eine Information oder sogar 489 S. hierzu bereits oben unter „Verkehrssicherungspflicht“ Rz. 203. 490 So etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2008 – 14 U 107/07, MietRB 2009, 203 = ZMR 2009, 623. 491 BayObLG, Beschl. v. 2.8.1990 – BReg. 2 Z 40/99, WuM 1991, 312; KG, Beschl. v. 5.2.2008 – 24 W 106/07, ZMR 2008, 476; OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 046/07, MietRB 2008, 239 = MDR 2008, 620. 492 Heinemann, MietRB 2008, 317 (319). 493 BayObLG, Beschl. v. 26.9.2003 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736; OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49 = ZMR 2001, 38. 494 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 109. 495 BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, NJW 1991, 982 (983). 496 Reichert, Die Rechtsstellung des Verwalters nach Beendigung des Verwaltungsverhältnisses, S. 49.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.217 Teil 13

eine Aufklärung, Beratung und Warnung erwarten kann. Der Verwalter hat die Gemeinschaft dabei unaufgefordert über diese Tatsache zu informieren.497 bb) Die Auskunftspflicht, § 666 BGB zweiter Fall Nach § 666 BGB zweiter Fall ist der Verwalter verpflichtet, der Gemeinschaft auf Verlangen 13.214 über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen. Im Unterschied zur Informationspflicht setzt die Auskunftspflicht somit eine Aufforderung der Gemeinschaft voraus. Dass sich die Wohnungseigentümer als Mitglieder dieser Gemeinschaft die erforderliche Information etwa aufgrund ihres Einsichtnahmerechts selbst beschaffen können, genügt aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts der Norm nicht.498 Anspruchsinhaber ist jedoch die Gemeinschaft als Vertragspartner des Verwalters. Der einzelne Eigentümer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung von Auskünften.499 Nur ausnahmsweise soll ein Individualanspruch auf Auskunft bestehen, wenn sich das Auskunftsverlangen ausschließlich auf eine Angelegenheit des Anspruchsstellers bezieht, oder wenn sich die übrigen Miteigentümer in der Versammlung geweigert hatten, das Auskunftsbegehren an den Verwalter heranzutragen.500 Wenn man letzteren Fall zulässt, fragt es sich allerdings, warum man nicht direkt grundsätzlich einen Individualanspruch bejaht. Lehnt man mit der h.M. einen Individualanspruch grundsätzlich ab, so erscheint es folgerichtiger – von Fällen, in welchen nur ein einzelner Eigentümer von dem Auskunftsbegehren betroffen ist (wie etwa bei Fragen zur Einzelabrechnung), abgesehen – zu verlangen, dass der anspruchsstellende Eigentümer der Versammlung sein Auskunftsbegehren zur Beschlussfassung vorlegt und, falls dies nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, sich notfalls die erforderliche Kenntnis durch Einsicht in die Verwaltungsunterlagen selbst verschafft. cc) Die Rechenschaftspflicht, § 666 BGB dritter Fall Aufgrund des Verwaltervertrages ist der Verwalter nach Beendigung seiner Tätigkeit gem. § 666 BGB letzter Fall verpflichtet, der Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen. Das Gesetz verwendet dabei die Begriffe „Rechenschaft ablegen“ (§ 666 BGB) und „Rechnung legen“ (§ 28 Abs. 4 WEG) als Synonyma. Insoweit kann daher auf die Ausführungen unter Teil 7 verwiesen werden.

13.215

dd) Die Herausgabepflicht, § 667 BGB Da die Herausgabepflicht regelmäßig den ausgeschiedenen Verwalter trifft, wird sie an der entsprechenden Stelle behandelt.501

13.216

ee) Die Einsichtsgewährungspflicht Die Einsichtsgewährungspflicht des Verwalters beruht auf dem Nebenrecht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu nehmen. Das Einsichtsrecht besteht jederzeit, d.h. auch vor und nach Beschlussfassung gemäß § 28 Abs. 5 WEG 497 Merle, ZWE 2000, 9 (11). 498 BGH, Urt. v. 18.6.1998 – IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969 = NZI 1998, 120. 499 BayObLG, Beschl. v. 22.4.2004 – 2Z BR 113/03, ZMR 2004, 839; KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, NJW-RR 1987, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, NJW-RR 1988, 597. 500 BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = ZWE 2011, 212 = MietRB 2011, 116. 501 S. hierzu unter Rz. 13.319.

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13.217

Teil 13 Rz. 13.217

Das Verwaltungsverhältnis

und/oder Entlastung.502 Beschränkt wird es nur durch das Schikaneverbot und die Grundsätze von Treu und Glauben, §§ 226, 242 BGB.503 Der Verwalter ist nicht verpflichtet, die Einsicht außerhalb seiner Geschäftsräume zu ermöglichen.504 Entspricht er dennoch dem Begehren eines Wohnungseigentümers und gibt Verwaltungsunterlagen an diesen heraus, kommt stillschweigend ein Leihvertrag zu Stande.505 Wird die Einsichtnahme zur Prüfung der Jahresabrechnung zu Unrecht verweigert und der Beschluss über die Jahresabrechnung daraufhin angefochten, können dem Verwalter die Kosten des Prozesses auferlegt werden.506 Weitere Einzelheiten werden im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung erörtert.507 3. Sekundäransprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzung

13.218 Der Verwalter haftet der Gemeinschaft für die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Bestellungsrechts- und dem Anstellungsrechtsverhältnis. Nach § 280 Abs. 1 BGB muss er der Gemeinschaft einen Schaden ersetzen, welcher durch eine schuldhafte Pflichtverletzung entsteht. Es gelten die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts über die Leistungsstörungen, welche auch auf das Bestellungsrechtsverhältnis als gesetzliches Schuldverhältnis direkt anwendbar sind.508 Anspruchsinhaber von Sekundäransprüchen ist die Gemeinschaft als neben dem Verwalter alleinige Partei sowohl des Bestellungsrechtsverhältnisses als auch des Verwaltervertrages. Beide Rechtsverhältnisse begründen zwar auch Schutzwirkungen zu Gunsten der Wohnungseigentümer.509 Ohne Ermächtigungsbeschluss können Sekundäransprüche von einzelnen Eigentümern jedoch grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Zum Fassen eines derartigen Beschlusses soll regelmäßig eine Verpflichtung bestehen, es sei denn, der Anspruch ist offenkundig nicht gegeben. Selbst bei zweifelhaften Fällen soll es dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen, die Haftung des Verwalters gerichtlich klären zu lassen.510 Ist hingegen der Schaden einzig und allein bei einem Wohnungseigentümer eingetreten, soll dieser auch ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer zur Geltendmachung seiner Ersatzansprüche befugt sein.511 4. Deliktsrecht

13.219 Als Folge von als beleidigend empfundenem Verhalten tauchen in der Praxis regelmäßig vor allem Unterlassungs- und Widerrufsansprüche der Wohnungseigentümer oder des Verwalters auf. Daneben sind auch deliktische Ansprüche nach den §§ 823 ff. BGB möglich.

502 503 504 505 506 507 508 509 510 511

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BayObLG, Beschl. v. 11.7.1996 – 2Z BR 45/96, WE 1997, 117. BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = NJW 2011, 1137. BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = NJW 2011, 1137. BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = WuM 2012, 54 = NZM 2012, 20. AG Kassel, Beschl. v. 17.6.2010 – 800 C 295/10, ZMR 2011, 423. S. hierzu unter Teil 6, Rz. 6.277. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 148; Palandt/Grüneberg, § 280 BGB Rz. 9. Wenzel, NZM 2006, 321, 322; Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rz. 31. OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.9.2005 – 5 W 67/05, ZMR 2006, 72; OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2003 – 15 W 369/03, ZMR 2004, 852; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.1999 – 3 Wx 270/99, ZMR 2000, 243. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 = WuM 2006, 639; BGH, Urt. v. 13.7.2012 – V ZR 94/11, WuM 2012, 516 = MDR 2012, 1276 = ZWE 2012, 431.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.222 Teil 13

a) Unterlassung und Widerruf ehrenrühriger Behauptungen Die Wohnungseigentümer haben ehrenrührige Behauptungen über den Verwalter im Zu- 13.220 sammenhang mit der Verwaltertätigkeit zu unterlassen. Soweit derartige Behauptungen bereits geäußert wurden, hat der Verwalter einen Anspruch auf Widerruf nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.512 Eingegriffen wird durch die ehrenrührige Behauptung, je nach Art der getätigten Äußerung, entweder in das Persönlichkeitsrecht des ausgeschiedenen Verwalters oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstigem Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Auch der Verwalter hat ehrenrührige Behauptungen über einzelne Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft als solche, etwa über deren „Unverwaltbarkeit“, zu unterlassen. Entsteht dem Verwalter, einem Wohnungseigentümer oder der Gemeinschaft durch derartige Äußerungen ein Schaden, ist dieser nach §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB zu ersetzen. Bei der Beantwortung der Frage, wann eine Äußerung als ehrenrührig in diesem Sinne einzuordnen ist, wird im Wohnungseigentumsrecht jedoch ein eher großzügiger Maßstab angelegt.513 Der Vorwurf der Manipulation, Lüge, Täuschung, Vertuschung, Vetternwirtschaft etc. soll in Ermangelung konkret greifbarer Substanz nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen sein, welche bis an die (hier noch nicht überschrittene) Grenze der Schmähkritik zulässig ist.514 Selbst isoliert unzulässige Begriffe muss der Verwalter hinnehmen, wenn sie jeweils im konkreten Zusammenhang mit dem beanstandeten Verwalterverhalten geäußert wurden.515 Hingegen soll die Äußerung „Betrüger“ im Zusammenhang mit konkreten Jahresabrechnungen des Verwalters eine Tatsachenbehauptung darstellen, die zu unterlassen ist, wenn der Wahrheitsbeweis nicht geführt werden kann.516 Auf der anderen Seite stellt alleine das Fotografieren einer Dachterrasse durch den Verwalter weder eine Eigentums- noch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Sondereigentümers dar,517 es sei denn, auf der Dachterrasse befindet sich ein der Privat- und Intimsphäre besonders gewidmeter Bereich wie etwa bei einer Sauna.518 Die Bezeichnung eines schwierigen Wohnungseigentümers als „Querulant“ dürfte zwar im Regelfall ebenfalls eine Tatsachenbehauptung darstellen, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Allerdings wird einem Verwalter, der solches von sich gibt, von der Rechtsprechung vorgehalten, es sei Aufgabe der Verwalter, auch mit schwierigen Wohnungseigentümern umzugehen, ohne diese zu beleidigen, weswegen er mit dieser Äußerung einen wichtigen Grund gegen seine Wiederbestellung liefere.519 Als Ergebnis kann man aber dennoch festhalten, dass sowohl bei Verwaltern als auch bei Wohnungseigentümern eine allzu ausgeprägte „Dünnhäutigkeit“ nicht geschützt wird.

13.221

Eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 3 WEG liegt bei Streitigkeiten von Wohnungseigentümern mit dem Verwalter wegen unwahrer oder ehrverletzender Äußerungen

13.222

512 Müller, WE 1992, 62 (63). 513 Geographisch gesehen mit leichtem Süd-Nord-Gefälle. 514 LG München I, Urt. v. 14.1.2010 – 36 S 4219/09, ZMR 2010, 556 = NJW-RR 2010, 1572, im Anschluss an BGH, Urt. v. 3.2.2009 – VI ZR 36/07, NJW 2009, 1872 = VersR 2009, 555 = AfP 2009, 137. 515 OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.11.2010 – 3 U 87/10, ZMR 2011, 400. 516 LG Landshut, Urt. v. 16.1.2008 – 13 S 2023/07, ZMR 2008, 569. 517 AG Köln, Urt. v. 19.6.2008 – 202 C 15/08, ZMR 2008, 845. 518 LG Köln, Urt. v. 8.1.2009 – 29 S 67/08, ZMR 2009, 551 = NZM 2009, 283 = NJW 2009, 1825, als insoweit abänderndes Instanzgericht zu AG Köln, Urt. v. 19.6.2005 – 202 C 15/08, ZMR 2008, 569. 519 LG Lüneburg, Urt. v. 25.10.2011 – 5 S 36/11, ZMR 2012, 133.

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Teil 13 Rz. 13.222

Das Verwaltungsverhältnis

vor, wenn der Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sich auf Äußerungen oder Behauptungen im Zusammenhang mit der Verwaltertätigkeit bezieht.520 Auch hier wird von der Rechtsprechung ein eher großzügiger Maßstab angewendet. b) Schadensersatzpflichten aus unerlaubter Handlung

13.223 Die deliktische Haftung des Verwalters besitzt neben der vertraglichen insoweit selbstständige Bedeutung, als bei einer Tötung nach § 844 Abs. 2 BGB ein Anspruch der Hinterbliebenen auf Ersatz des durch den Verlust des Unterhaltsverpflichteten entstehenden Schadens gewährt wird. Deliktische Ansprüche gegen den Verwalter können sich in der Praxis, neben strafrechtlich relevanten Handlungen (Betrug/Unterschlagung/Untreue etc.), aus der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht durch den Verwalter ergeben.521 Daneben besteht die Haftung für herabfallende Gebäudeteile nach §§ 836 bis 838 BGB als gesetzlich geregelter Spezialfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Inwieweit allerdings der WEG-Verwalter als Eigenbesitzer des Grundstücks (§ 836 BGB) oder Gebäudes (§ 837 BGB) oder als Übernehmer der Unterhaltung des Gebäudes (§ 839 BGB) angesehen werden kann, erscheint problematisch. Auf die Ausführungen zum Inhaber der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht bei Wohnungseigentumsanlagen wird verwiesen.522 c) Winterdienst als praxisrelevanter Sonderfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht

13.224 Als praxisrelevanter Sonderfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ist für das Wohnungseigentum die Streu- und Räumpflicht für öffentliche und private Wege und Flächen relevant.523 aa) Öffentliche Wege und Flächen

13.225 Nach den meisten Landesgesetzen obliegt die Straßenreinigung, zu welcher auch die Schneeund Eisräumung gehört, der Gemeinde, welche jedoch die Pflicht durch Satzung auf die Eigentümer oder Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke abwälzen kann.524 Hiervon haben die Gemeinden umfassend Gebrauch gemacht, und damit nach der Regelung des Landesstraßengesetzes zwingend die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner verpflichtet.525 Nach der Gesetzesreform wird diese Pflicht nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG allerdings von der Gemeinschaft wahrgenommen.526 Diese wiederum kann die Streu- und Räumpflicht auf den Verwalter oder einen Hausmeister delegieren.527

520 521 522 523 524 525 526 527

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OLG München, Beschl. v. 4.6.2008 – 21 AR 092/08, ZMR 2008, 735. S. hierzu bereits unter Rz. 13.203, 13.209 „Verkehrssicherungspflicht“ und „Winterdienst“. S. hierzu unter Rz. 203 „Verkehrssicherungspflicht“. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verwalter insoweit als Inhaber der Verkehrssicherungspflicht angesehen werden kann, siehe bereits unter Rz. 13.203, 13.209 „Verkehrssicherungspflicht“ und „Winterdienst“. S. etwa § 17 LStrG Rheinland-Pfalz. BGH, Urt. v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, MDR 1985, 311 = NJW 1985, 484 = ZMR 1985, 121. BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268 = MietRB 2012, 170. S. hierzu bereits oben unter Rz. 13.203 „Verkehrssicherungspflicht“.

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Die Rechtsstellung des amtierenden Verwalters

Rz. 13.227 Teil 13

Da die Streu- und Räumpflicht für öffentliche Straßen lediglich von der Gemeinde auf die Gemeinschaft übertragen wurde, kann die der Gemeinschaft obliegende Pflicht nicht weiter gehen als die der übertragenden Gemeinde. Dies wird in der Praxis regelmäßig übersehen. Naturgemäß können Gemeinden nicht gleichzeitig an allen verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen streuen. Die Streupflicht der Gemeinde beschränkt sich vielmehr auf zumutbare Maßnahmen, weil es unmöglich ist, alle Verkehrswege bei Glätte durch Streuen völlig gefahrlos zu gestalten. Alle Verkehrsteilnehmer, auch die Fußgänger, müssen in gewissem Umfang winterliche Straßenglätte als ebenso unabänderlich hinnehmen wie andere Naturgewalten. Unfälle, die sie trotz zumutbarer Maßnahmen des Streupflichtigen erleiden, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko, das jeder Verkehrsteilnehmer selbst tragen muss.528

13.226

Die der Gemeinde obliegende Streu- und Räumpflicht setzt für ihre Entstehung zunächst eine allgemeine Glättebildung in der Gemeinde und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen voraus. Für das Vorliegen einer allgemeinen Glätte trägt der Verletzte die Darlegungs- und Beweislast.529 Es reicht also nicht aus, wenn es, aus welchen Gründen auch immer, alleine auf dem Gehweg vor der Wohnungseigentumsanlage zu Glättestellen gekommen ist, solange keine allgemeine Glätte im gesamten Gemeindegebiet vorliegt.

13.226a

Ist eine derartige allgemeine Glättebildung gegeben, richtet sich Inhalt und Umfang der be- 13.227 stehenden Streu- und Räumpflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt.530 Innerhalb geschlossener Ortschaften sind die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bei Glätte zu bestreuen. Für Fußgänger müssen die Gehwege insoweit bestreut werden, als auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet.531 Findet vor der Wohnungseigentumsanlage ein bedeutender Verkehr überhaupt nicht statt, so muss damit auch weder geräumt noch gestreut werden. In zeitlicher Hinsicht unterliegen öffentliche Straßen und die dazugehörigen Gehwege zudem der Streupflicht nur für den normalen Tagesverkehr. Dieser beginnt im Allgemeinen erst in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens und kann lediglich in bevölkerungsreichen Industriegebieten früher anzusetzen sein. In einer Kleinstadt ist das Einsetzen des Hauptberufsverkehrs vor 7.00 Uhr ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte grundsätzlich nicht anzunehmen. Daher müssen die Streuarbeiten nicht vor 7.00 Uhr abgeschlossen sein.532 Allein aus diesem Grund wurden Klagen, bei denen sich ein Unfall um 6.50 Uhr,533 6.40 Uhr534 oder um 6.20 Uhr535 ereignet hatte, abgewiesen.

528 LG Kassel, Urt. v. 12.12.1984 – 5 O 374/84, n.v. 529 BGH, Beschl. v. 21.1.1982 – III ZR 80/81, VersR 1982, 299; BGH, Beschl. v. 25.2.2009 – III ZR 225/08, WuM 2009, 241 = NJW 2009, 3302. 530 BGH, Urt. v. 5.7.1990 – III ZR 217/89, BGHZ 112, 74 = MDR 1990, 1096 = VersR 1990, 1148. 531 BGH, Urt. v. 9.10.2003 – III ZR 8/03, NJW 2003, 3622 = VersR 2004, 213 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 20.10.1994 – III ZR 60/94, VersR 1995, 721. 532 OLG Hamm, Urt. v. 18.8.1989 – 9 U 348/88; BGH, Beschl. v. 20.12.1984 – III ZR 19/84, VersR 1985, 271. 533 OLG Hamm, Urt. v. 18.8.1989 – 9 U 348/88. 534 LG Limburg, Urt. v. 30.1.1987 – 4 O 346/86. 535 BGH, Beschl. v. 20.12.1984 – III ZR 19/84, VersR 1985, 271.

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Teil 13 Rz. 13.228

Das Verwaltungsverhältnis

bb) Private Wege und Flächen

13.228 Von der Streu- und Räumpflicht für öffentliche Flächen zu unterscheiden ist die Streu- und Räumpflicht für im gemeinschaftlichen Eigentum oder im Sondereigentum stehende oder einem Sondernutzungsrecht unterfallende Flächen und Wege. Für diese „private“ Streu- und Räumpflicht gelten die Ausführungen zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht,536 d.h., es besteht nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung537 grundsätzlich eine Streu- und Räumpflicht für die Gemeinschaft im Bereich des Gemeinschaftseigentums und, soweit nicht anders vereinbart, im Bereich des Sondernutzungsrechts sowie des Sondereigentümers im Bereich seines Sondereigentums. Nach vertretener Ansicht538 soll die im Verwaltervertrag übernommene Pflicht des Verwalters, alles zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Notwendige zu tun, auch die diesbezügliche Verkehrssicherungspflicht umfassen. Hat der Verwalter sodann einen Hausmeistervertrag zur Erledigung der Streu- und Räumpflicht nicht im Namen der Wohnungseigentümer, sondern im eigenen Namen abgeschlossen, so haftet er nach § 278 BGB für ein Verschulden des Hausmeisters.539 Die „private“ Streuund Räumpflicht besteht auch für Flächen, die im Gemeinschaftseigentum stehen und auf denen sich ein Fußgängerweg befindet, wenn die Wohnungseigentümer zumindest durch schlüssiges Handeln die private Wegfläche für den allgemeinen Fußgängerverkehr offen halten.540

13.229 Inhaltlich geht die private Streu- und Räumpflicht sicherlich weiter als die öffentliche, da bereits der Umfang der zu betreuenden Flächen für den Verkehrssicherungspflichtigen überschaubarer und gleichzeitig der Aufwand für die durchzuführenden Maßnahmen wesentlich geringer ist. Dennoch dürfte auch hier als allgemeiner Grundsatz der Verkehrssicherungspflicht gelten, dass die erforderlichen Maßnahmen auf das Zumutbare beschränkt sind. Unfälle, die sich trotz zumutbarer Maßnahmen des Streupflichtigen ereignen, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko, welches jeder Verkehrsteilnehmer selbst zu tragen hat.541 cc) Eigenverschulden des Verletzten

13.230 Sowohl bei der öffentlichen als auch bei der privaten Streu- und Räumpflicht ist im Falle ihrer schuldhaften Verletzung nach der Rechtsprechung regelmäßig ein meist erhebliches Mitverschulden des Verletzten zu berücksichtigen. Verletzter kann dabei selbstverständlich auch ein Wohnungseigentümer sein, was in der Praxis sogar häufig der Fall ist. Wurde die Streu- und Räumpflicht auf den Verwalter delegiert, so haftet dieser dem verletzten Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen zum Mitverschulden sowohl deliktsrechtlich als auch schuldrechtlich nach § 280 BGB aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der Wohnungseigentümer.542 Wurde die Streu- und Räumpflicht nicht auf den Verwalter übertragen, so wird ein Anspruch des verletzten Wohnungseigentümers gegen die Ge-

536 S. hierzu bereits unter Rz. 13.203 „Verkehrssicherungspflicht“. 537 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268 = MietRB 2012, 170. 538 OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2008 – 14 U 107/07, MietRB 2009, 203 = ZMR 2009, 623. 539 OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2008 – 14 U 107/07, WuM 2009, 256 = MietRB 2009, 203 = ZMR 2009, 623. 540 Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.5.2006 – 8 ZB 06 485, IMR 2006, 157 = NZM 2006, 595 = ZMR 2006, 729; Drasdo, Wohnungseigentümerhaftung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, NJW-Spezial 2010, 33; Monschau, MietRB 2009, 207 (211). 541 LG Kassel, Urt. v. 12.12.1984 – 5 O 374/84, n.v. 542 Wenzel, ZWE 2009, 57 (62).

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.242 Teil 13

meinschaft im Ergebnis nach § 242 BGB komplett daran scheitern müssen, dass er selbst als Mitglied dieser Gemeinschaft und damit indirekt Streu- und Räumpflichtiger auch nichts unternommen hat. Anderenfalls kommt jedenfalls eine Minderung des Ersatzanspruchs sowohl aufgrund der nachfolgenden Ausführungen zum Mitverschulden als auch aufgrund der Stellung des Verletzten als Mitglied der verkehrssicherungspflichtigen Gemeinschaft in Betracht, was im Ergebnis meist ebenfalls zu einer Haftungsreduzierung der Gemeinschaft auf 0 führen dürfte.

13.231–13.239

Einstweilen frei

Wenn ein Weg erkennbar weder von Schnee geräumt noch mit abstumpfenden Mitteln bestreut ist, hat ein Passant Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht. Kommt er zu Fall, so spricht dies in der Regel dafür, dass er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, was ihm als Mitverschulden anzurechnen ist.543 Nach der Lebenserfahrung kann einer Glatteisgefahr meist durch vorsichtiges und aufmerksames Verhalten begegnet werden. Für ein Mitverschulden spricht der Beweis des ersten Anscheins (50 %).544 Wählt der Geschädigte bei Glatteisbildung den infolge unterbliebener ausreichender Streuung erkennbar gefährlichsten von mehreren möglichen Wegen, so trifft ihn an einem zu Verletzungen führenden Sturz ein solches überwiegendes Mitverschulden, dass eine Haftung des die Streupflicht Verletzenden ausscheidet.545 Das gilt auch für denjenigen, der bei winterlichen Verhältnissen einen Fußweg benutzt, obwohl ein geräumter und gestreuter Weg vorhanden ist, dessen Benutzung nicht zu einer zeitlichen Verzögerung führt.546 Bei winterlichen Straßenverhältnissen hat der Fußgänger stets mit Glätte zu rechnen und sich hierauf einzustellen, notfalls durch das Anbringen sog. Eiskrallen an den Schuhen.547 Weiß ein Geschädigter positiv, dass Straßenglätte herrscht und dass im Unfallbereich keine Streumaßnahmen durchgeführt wurden, so war die Glättegefahr keinesfalls nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar, sondern vielmehr bekannt. In derartigen Fällen besteht kein Schadensersatzanspruch.548

13.240

IV. Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses Wie bei Begründung, so ist auch bei Beendigung des Verwaltungsverhältnisses zwischen dem Bestellungsrechts- und dem Anstellungsrechtsverhältnis zu differenzieren.

13.241

1. Das Bestellungsrechtsverhältnis Die Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses ist durch zweiseitiges oder einseitiges Rechtsgeschäft möglich. Eine Beendigung durch zweiseitiges Rechtsgeschäft liegt im Falle des Zeitablaufs sowie bei einer Aufhebungsvereinbarung zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter vor. Abberufung und Amtsniederlegung beenden das Bestellungsrechtsverhältnis einseitig durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Da das Bestellungsrechtsverhältnis auf

543 544 545 546 547 548

OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.1998 – 22 U 154/97, VersR 2000, 63. OLG Frankfurt, Urt. v. 8.2.1990 – 1 U 305/88, n.v. LG Darmstadt, Urt. v. 14.4.2000 – 4 O 233/99, ZfSch 2000, 528. LG Karlsruhe, Urt. v. 22.3.2013 – 6 O 205/12, Juris = BeckRS 2013, 10733. LG Hanau, Urt. v. 5.10.1995 – 7 O 1080/95 (ganz überwiegendes Mitverschulden), n.v. LG Koblenz, Urt. v. 5.1.1999 – 16 O 170/98, n.v.

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887

13.242

Teil 13 Rz. 13.242

Das Verwaltungsverhältnis

Seiten des Verwalters personengebunden ist, wird es zudem, quasi gesetzlich, durch den Tod des Verwalters beendet.549 a) Zeitablauf

13.243 Im Falle der Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses durch Zeitablauf steht bereits der Bestellungsakt einvernehmlich unter der Befristung, dass die Bestellung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen soll. Wird dieser Zeitpunkt erreicht, verliert der Verwalter automatisch sein Amt. In der Praxis wird dieser Zeitpunkt von den Parteien oftmals versehentlich nicht wahrgenommen, was jedoch an der Tatsache des Ausscheidens des Verwalters nichts ändert. Wird der ausgeschiedene Verwalter dennoch weiterhin tätig, so handelt er als sog. „Scheinverwalter“ und hat nur die Rechte und Pflichten eines ausgeschiedenen Verwalters.550 b) Aufhebungsvertrag

13.244 Den Parteien steht es selbstverständlich frei, das Bestellungsrechtsverhältnis jederzeit einvernehmlich zu beenden. Geht die Initiative hierbei von den Wohnungseigentümern aus, so handelt es sich um den actus contrarius zur Bestellung. Aufgrund des internen Willensbildungsaktes der Gemeinschaft (= Beschluss der Wohnungseigentümer) erfolgt eine der Gemeinschaft zurechenbare Erklärung des gebildeten internen Willens nach außen gegenüber dem Verwalter (= Aufhebungsangebot), welche der Verwalter annimmt. c) Abberufung

13.245 Die einseitige Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses von Seiten der Gemeinschaft erfolgt durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Dieses Gestaltungsrecht wird zwar nicht Kündigung, sondern Abberufung genannt, stellt aber inhaltlich nichts anderes als die Kündigung des Bestellungsrechtsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis dar. aa) Der Rechtsakt der Abberufung

13.246 Im Rahmen des Abberufungsaktes ist wiederum zwischen Abberufungsbeschluss und Abberufungserklärung zu differenzieren. Allerdings soll nach der (höchst umstrittenen) Rechtsprechung551 für den Abberufungsbeschluss die Besonderheit gelten, dass dieser auf die unmittelbare Aufhebung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse und Pflichten gerichtet ist. Er soll konstitutiver Bestandteil des zweistufigen Abberufungsaktes sein, der neben der gemeinschaftlichen Willensbildung und der entsprechenden Abberufungserklärung noch deren Zugang erfordere. Die Abberufungserklärung sei als empfangsbedürftige Willenserklärung dabei im Abberufungsbeschluss enthalten.552 Praktische Auswirkung hat dieser sehr theoretische Meinungsstreit auch im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht mehr.553

549 OLG München, Beschl. v. 29.1.2008 – 34 Wx 089/07, ZMR 2008, 481, 482; BeckOGK/Greiner § 26 WEG Rz. 20. 550 S. hierzu nachfolgend unter Rz. 13.306. 551 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 ff. 552 Wenzel, ZWE 2001, 510 (513). 553 S. hierzu unter Rz. 13.334.

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.251a Teil 13

bb) Die ordentliche Abberufung Die Abberufung des Verwalters ist ohne die ausdrückliche Vereinbarung eines besonderen 13.247 Gestaltungsgrundes, also eines wichtigen Grundes gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 WEG jederzeit ohne weitere Begründung möglich.554 Im Wohnungseigentumsrecht gilt der Grundsatz des freien Widerrufs von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen.555 Insbesondere aus der Regelung des § 26 Abs. 1 S. 3 WEG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber von einer grundsätzlich freien Abberufbarkeit des Verwalters ausgegangen ist. Da nach dieser Norm die Abberufung des Verwalters auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden „kann“, ergibt sich im Umkehrschluss hierzu, dass eine Abberufung ohne eine derartige Beschränkung jederzeit möglich ist. Der Verwalter besitzt in diesem Falle kein Recht auf sein Amt. In der Bestellung eines neuen Verwalters liegt regelmäßig zugleich die Abberufung des bisherigen, da nicht angenommen werden kann, dass die Eigentümergemeinschaft unzulässigerweise zwei Verwalter tätig sein lassen will.556 Eine rückwirkende Abberufung kann nicht beschlossen werden.557 cc) Die außerordentliche Abberufung Ein zwischen den Parteien des Bestellungsrechtsverhältnisses vereinbarter Gestaltungsgrund führt zu einem Recht des Verwalters als Gestaltungsgegner, dass nur bei Vorliegen dieses Grundes die einseitige Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses möglich ist. Ein derart erforderlicher Gestaltungsgrund gewährt dem Verwalter im vereinbarten Umfang ein Recht auf das Amt. Nach § 26 Abs. 1 S. 3 WEG kann die Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden.

13.248

Eine derartige Beschränkung kann zunächst bereits im Rahmen des Bestellungsaktes vorgenommen werden, wenn die Bestellung für einen bestimmten Zeitraum als Mindestdauer vereinbart wurde. Für eine vorzeitige Abberufung bedarf es dann des Vorliegens eines wichtigen Grundes.558

13.249

Des Weiteren kann die Beschränkung der jederzeitigen Abberufbarkeit in der Gemeinschaftsordnung zwischen den Wohnungseigentümern vereinbart sein. Welche Bedeutung einer derartigen Vereinbarung für den Verwalter im Einzelfall zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Indiz für eine Regelung im ausschließlichen Interesse der Wohnungseigentümer soll sein, dass die Regelung sich nach ihrem Wortlaut auf die Abberufung des „jeweiligen“ Verwalters beschränkt. Eine subjektive Rechtsposition erwächst dem Verwalter hieraus nicht. Erfolgt die Beschränkung hingegen ausdrücklich zu Gunsten einer bestimmten Person, so soll mit ihr regelmäßig ein subjektives Recht für diese begründet werden.559

13.250

Der in der Praxis auftretende Regelfall ist die vertragliche Beschränkung der jederzeitigen Abberufbarkeit zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter, was in der Regel im Verwaltervertrag zwischen den Parteien vereinbart wird.

13.251

Aus Sicht eines Wohnungseigentümers ist von Bedeutung, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zwingend zur Abberufung des Verwalters führen muss. Den Wohnungs-

13.251a

554 555 556 557 558 559

Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 208. OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.1999 – 15 W 444/97, NZM 1999, 229 (230). OLG Hamm, Beschl. v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, ZWE 2008, 64 ff. AG Bonn, Urt. v. 3.11.2009 – 27 C 44/09, ZMR 2010, 320 = ZWE 2010, 292. Suilmann, Beschlussmängelverfahren, S. 180; Wenzel, ZWE 2001, 510 (514). Becker, ZWE 2003, 162 (166).

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Teil 13 Rz. 13.251a

Das Verwaltungsverhältnis

eigentümern steht vielmehr insoweit ein Ermessensspielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint.560 dd) Einzelfälle wichtiger Gründe

13.252 Ein wichtiger Grund zur Abberufung ist gegeben, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden kann und deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist.561 Erfreulicherweise existiert zur Präzisierung dieser Ausführungen eine umfangreiche Einzelfallkasuistik.

13.253 – Abtretung. Lässt der Verwalter sich Ansprüche eines Dritten gegen Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft abtreten und macht diese geltend, liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung vor. Denn Aufgabe des Verwalters ist es nicht, die Interessen Dritter, sondern die der Wohnungseigentümer und der Gemeinschaft wahrzunehmen.562

13.254 – Auskunft. Verwalter verweigert den mit der Prüfung der Jahresabrechnung beauftragten Eigentümern Auskünfte und Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen.563

13.255 – Bauträgerverwalter, Interessenkollision. Abwiegeln von kritischen Fragen in der Eigentümerversammlung bei Feuchtigkeitsproblemen;564 Meinungsverschiedenheiten über Baumängel;565 keine Weitergabe von Informationen aus Prozessen wegen Mängeln gegen Handwerker;566 keine Versammlung innerhalb von 1 1/2 Jahren nach Entstehen der Gemeinschaft;567 keine Versammlung über Geltendmachung von Erfüllungs- und/oder Gewährleistungsansprüchen trotz Antrags nach § 24 Abs. 2 WEG;568 Versammlung nur mit Bauträger.569

13.256 – Beschlusssammlung. Nach § 26 Abs. 1 S. 4 WEG stellt es regelmäßig einen wichtigen Grund für die Abberufung dar, wenn der Verwalter die Beschlusssammlung nicht ordnungsgemäß führt. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist bereits ein einmaliger Verstoß ausreichend, da die Führung der Beschlusssammlung keine besonderen Anforderungen an den Verwalter stellt, ohne größeren Aufwand möglich ist und gleichzeitig erhebliche Bedeutung für die Wohnungseigentümer besitzt.570 Die Rechtsprechung verlangt regelmäßig dennoch eine Abwägung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls und lässt nicht jeden noch so geringen Mangel als wichtigen Grund ausreichen.571 560 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = MietRB 2012, 142 = ZMR 2012, 565. 561 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = WuM 2002, 628 = ZWE 2002, 570 (573). 562 BayObLG, Beschl. v. 22.7.1993 – 2Z BR 54/93, WuM 1993, 762 (763). 563 BayObLG, Beschl. v. 9.8.1990 – BReg. 1b Z 25/89, WuM 1990, 464 = DWE 1991, 31. 564 OLG Hamm, Beschl. v. 8.4.2004 – 15 W 17/04, NZM 2004, 744 = ZMR 2004, 702. 565 AG Solingen, Beschl. v. 19.10.2000 – 18 II 45/99 WEG, NZM 2001, 149. 566 OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.5.1992 – 20 W 177/91, OLGZ 1993, 63 (64) = ZMR 1992, 356. 567 BayObLG, Beschl. v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/97, ZMR 1999, 575. 568 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/97, NZM 1998, 517 = ZMR 1998, 449. 569 LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2000 – 19 T 442/00, ZWE 2001, 501. 570 BT-Drucks. 16/887, S. 34 f. 571 LG Berlin, Urt. v. 7.10.2009 – 85 S 101/08, ZWE 2010, 224 (226) m. Anm. Reichert; AG München, Urt. v. 28.7.2008 – 485 C 602/07, ZMR 2009, 644, 645; s. aber auch AG Wiesbaden, Urt. v. 7.10.2011 – 92 C 2445/11, ZMR 2012, 67 (mehrere Fehler reichen aus).

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Reichert †/Tank

Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.264 Teil 13

– Dauerkonflikt in Kleinstgemeinschaft zwischen Wohnungseigentumsverwalter und anderem Wohnungseigentümer.572

13.257

– Delegation. Das Verwaltungsverhältnis ist auf Seiten des Verwalters personengebunden. Ein Verwalter hat die von ihm geschuldeten Leistungen grundsätzlich in eigener Person zu erbringen. Er darf zwar Hilfspersonen einsetzen, seine Aufgaben und Befugnisse jedoch nicht auf einen Dritten übertragen. Ansonsten kann der Verwalter aus wichtigem Grund abberufen werden.573

13.258

– Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen. Verwalter verweigert den mit der Prüfung der Jahresabrechnung beauftragten Eigentümern Auskünfte und Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen.574

13.259

– Informationspflicht. Verletzt der Verwalter seine Pflicht nach § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten, dass ein Rechtsstreit nach § 43 WEG anhängig ist, so soll allein eine solche Pflichtverletzung ein wichtiger Grund zur Abberufung sein.575 Über die Klage eines Dritten muss der Verwalter unverzüglich nach Kenntnis informieren. Erhalten Eigentümer erst nach einer mündlichen Gerichtsverhandlung Informationen über einen Nachbarrechtsstreit, so liegt eine grobe Pflichtverletzung vor.576

13.260

– Jahresabrechnung, Nichtvorlage. Nichtvorlage der Abrechnung für 3 Wirtschaftsperioden hintereinander.577

13.261

– Jahresabrechnung, Schlechterfüllung. Wiederholte fehlerhafte Jahresabrechnung, Eigentümer sind nicht verpflichtet, noch weitere „Probeabrechnungen abzuwarten und zu überprüfen.578 Falscher Verteilungsschlüssel.579 Billigen die Wohnungseigentümer jedoch bewusst eine unzutreffende Abrechnung, können sie den Verwalter nicht wegen deren Erstellung mit sofortiger Wirkung abberufen.580

13.262

– Jahresabrechnung, Verzug. Verspätete Vorlage der Jahresabrechnung gepaart mit insgesamt ungeordneten finanziellen Verhältnissen.581 „Ungebührliche“ Verzögerung.582

13.263

– Kontoführung. Gelder der Gemeinschaft werden nicht vom Vermögen des Verwalters getrennt auf separaten Konten gehalten.583

13.264

572 OLG Hamm, Beschl. v. 27.11.2001 – 15 W 326/01, NZM 2002, 295 = ZMR 2002, 540. 573 BayObLG, Beschl. v. 19.6.1997 – 2Z BR 35/97, ZMR 1998, 174; KG, Beschl. v. 11.3.2002 – 24 W 310/01, ZMR 2002, 695. 574 BayObLG, Beschl. v. 9.8.1990 – BReg. 1b Z 25/89, WuM 1990, 464 = DWE 1991, 31. 575 Vandenhouten, ZWE 2009, 145 (154); LG Hamburg, Urt. v. 13.11.2013, 318 S 23/13, ZWE 2014, 367, 368. 576 AG Bonn, Urt. v. 3.11.2009 – 27 C 44/09, ZMR 2010, 320. 577 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.4.2002 – 3 Wx 8/02, NZM 2002, 487. 578 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.2005 – 3 Wx 46/05, ZMR 2006, 293. 579 OLG Köln, Beschl. v. 6.3.1998 – 16 Wx 8/98, NZM 1999, 128. 580 LG Düsseldorf, Urt. v. 27.1.2010 – 16 S 45/09, ZMR 2010, 713. 581 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, WuM 1998, 240 = NZM 1998, 768. 582 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.4.2002 – 3 Wx 8/02, ZWE 2002, 477 (478). 583 OLG Rostock, Beschl. v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, MietRB 2009, 325; BayObLG, Beschl. v. 16.11.1995 – 2Z BR 108/95, WuM 1996, 116.

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Teil 13 Rz. 13.265

Das Verwaltungsverhältnis

13.265 – Maklertätigkeit. Verwalter, der Zustimmung nach § 12 WEG zu erteilen hat, hat bei Veräußerung gegen Entgelt mitgewirkt und sich dabei über ihm bekannten gegenteiligen Willen der Mehrheit hinweggesetzt.584

13.266 – Straftaten. Verwalter beleidigt Wohnungseigentümer, wird tätlich oder begeht sonstige strafbare Handlung, insbesondere Eigentums- oder Vermögensdelikte.585 Ausreichend ist auch eine Strafanzeige gegen Wohnungseigentümer ohne jegliche Grundlage.586

13.267 – Tagesordnung. Die Weigerung, entgegen dem Antrag einer Vielzahl von Eigentümern in die Ladung zur Versammlung den TOP „fristlose Kündigung des Verwalters“ aufzunehmen, kann ein wichtiger Grund zur Abberufung sein.587

13.268 – Untätigkeit. Verwalter weigert sich, Beschlüsse der Eigentümer durchzuführen, und hält sich nicht an Weisungen588 oder setzt über Jahre Verpflichtungen aus gerichtlicher Entscheidung oder Vergleich nicht um.589

13.269 – Vergütung. Verwalter zahlt unberechtigte Vergütung an sich selbst aus590 oder entnimmt unberechtigt Gelder der Instandhaltungsrücklage.591

13.270 – Versammlung. Verwalter gesteht als Versammlungsleiter den Wohnungseigentümern kein Rederecht zu;592 führt selbst die Beschlussunfähigkeit der Versammlung herbei;593 erstellt Versammlungsprotokoll bewusst falsch;594 gewährt keine oder erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist Einsicht in die Niederschrift über Versammlungsbeschlüsse;595 kommt Einberufungsverlangen nach § 24 Abs. 2 WEG nicht nach.596

13.271 – Vermögensverhältnisse. Desolate Vermögensverhältnisse der Hausverwaltung.597 Verwaltungsgesellschaft und ihre Geschäftsführer sind unpfändbar.598

13.272 – Versicherung. Verwalter kassiert für Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft von Versicherung Provision, was nicht offengelegt wird, es liegen zusätzliche weitere

584 BayObLG, Beschl. v. 7.5.1997 – 2Z BR 135/96, NJW-RR 1998, 302; Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 237. 585 BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2Z BR 8/98, NJW-RR 1998, 1022; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 18.10.2006 – 5 T 376/05, ZMR 2007, 565; OLG Köln, Beschl. v. 18.2.2008 – 16 Wx 219/07, ZMR 2008, 904. 586 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/97, NZM 1998, 517. 587 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.1988 – 20 W 206/87, NJW-RR 1988, 1169 (1170). 588 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1998 – 3 Wx 492/97, NZM 1998, 487. 589 OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2008 – 16 Wx 228/07, ZMR 2009, 311. 590 OLG Köln, Beschl. v. 18.2.2008 – 16 Wx 219/07, MietRB 2008, 369. 591 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 247. 592 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 235. 593 LG Freiburg, Beschl. v. 25.11.1966 – 4 T 129/65, NJW 1968, 1973. 594 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 235. 595 LG Freiburg, Beschl. v. 25.11.1966 – 4 T 129/65, NJW 1968, 1973. Fraglich ist allerdings, ob diese Rechtsprechung nach Einführen der Beschlusssammlung noch gehalten werden kann. 596 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/97, NZM 1998, 517. 597 OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306. 598 OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.7.1977 – 8 W 572/76, OLGZ 1977, 433; AG Wedding, Urt. v. 13.2.2009 – 15a C 147/08, ZMR 2009, 881 (882).

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Reichert †/Tank

Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.277 Teil 13

Verfehlungen vor.599 Bauträgerverwalter schließt nach Bezug monatelang keine Gebäudebrandversicherung ab.600 Verwalter schließt für Gemeinschaftseigentum verbundene Gebäudeversicherung ohne Eigentümerbeschluss eigenmächtig ab.601 – Verträge. Eigenmächtige Vertragsabschlüsse wie etwa der Abschluss eines Wärmelieferungsvertrages sowie die Umstellung der Beheizung von Öl auf Fernwärme stellen einen wichtigen Grund zur Abberufung dar.602

13.273

– Verwaltungsbeirat. Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Verwalter und Verwaltungsbeirat aufgrund Verschuldens des Verwalters.603 Verwalter betreibt ohne ersichtlichen Grund Abwahl des Verwaltungsbeirats.604

13.274

– Vorstrafen aufgrund der bisherigen Verwaltertätigkeit in anderer Gemeinschaft,605 die im Bundeszentralregister noch nicht gelöscht sind.606

13.275

– Zahlungen von nicht unerheblichen Beträgen an Dritte ohne Rechtsgrund.607

13.276

d) Amtsniederlegung Nach ganz überwiegender Auffassung in Literatur608 und Rechtsprechung609 kann der Verwalter auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die Verwalterstellung seinerseits durch Amtsniederlegung beenden. Die Amtsniederlegung muss durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf, gegenüber der Gemeinschaft erklärt werden, und auf Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses gerichtet sein. Das Recht zur Niederlegung kann vertraglich auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden. Aber auch bei Fehlen eines derartigen wichtigen Grundes soll die erklärte Amtsniederlegung sofort und endgültig wirksam sein610 und lediglich eine Grundlage für Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft gegen den ehemaligen Verwalter geben. Als Begründung für die sofortige und endgültige Wirksamkeit der Amtsniederlegung wird angeführt, das Interesse der Beteiligten an klaren Vertretungsverhältnissen erfordere die sofortige Wirksam599 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1998 – 3 Wx 492/97, ZMR 1998, 306; BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, NJW 2002, 3240 (3243). 600 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.8.2005 – 3 Wx 89/05, NZM 2005, 828 = ZMR 2006, 57. 601 Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 241. 602 KG, Beschl. v. 7.7.2010 – 24 W 25/09, ZMR 2010, 974. 603 BayObLG, Beschl. v. 15.1.2004 – 2Z BR 240/03, ZMR 2004, 923; BayObLG, Beschl. v. 21.10.1999 – 2Z BR 97/99, ZWE 2000, 77. 604 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.1988 – 20 W 206/87, NJW-RR 1988, 1169 (1170); OLG Köln, Beschl. v. 30.3.2007 – 16 Wx 37/07, ZMR 2007, 717. 605 OLG Köln, Beschl. v. 25.5.2001 – 16 Wx 15/01, NZM 2002, 618 = ZMR 2002, 152; BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2Z BR 8/98, NJW-RR 1998, 1022 = ZMR 1998, 446; KG, Beschl. v. 6.9.1993 – 24 W 5948/92, WuM 1993, 761. 606 KG, Beschl. v. 20.3.1989 – 24 W 4238/88, NJW-RR 1989, 842. 607 KG, Beschl. v. 15.6.1988 – 24 W 5977/87, ZMR 1988, 347. 608 Merle, Bestellung und Abberufung des Verwalters nach § 26 des Wohnungseigentumsgesetzes, S. 101 ff.; Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 272; Drabek, PiG 54, 211, 228; Bogen, ZWE 2002, 153 ff.; Gottschalg, PiG 71, 159 ff. 609 BayObLG, Beschl. v. 28.11.1988 – BReg 1b Z 17/88, WE 1990, 27; BayObLG, Beschl. v. 24.10.1991 – 2 Z 121/91, WE 1992, 227; BayObLG, Beschl. v. 4.2.1993 – 2Z BR 119/92, WE 1994, 147 f.; BayObLG, Beschl. v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, ZWE 2000, 72 ff. 610 AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 5.1.2016 – 539 C 47/15, ZMR 2016, 314.

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13.277

Teil 13 Rz. 13.277

Das Verwaltungsverhältnis

keit der Amtsniederlegung. Eine Ungewissheit hierüber sei für sie nicht bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung zumutbar.

13.278 Nach anderer Auffassung soll die ganz herrschende Meinung im Ergebnis wenig überzeugend sein,611 zumal die Vertretungsverhältnisse der Gemeinschaft bei Fehlen eines Verwalters mit § 27 Abs. 3 S. 2 und 3 WEG nunmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zugeführt sind. Die Auffassung soll der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre über die wirksame Ausübung von Gestaltungsrechten widersprechen612 und für die Wohnungseigentümer eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellen.613 Für die Gemeinschaft sei es zudem schlichtweg unerträglich, dass ein Verwalter, der sehr aufwändig, möglicherweise sogar durch ein gerichtliches Verfahren, installiert werden musste, von heute auf morgen nach eigenem Gutdünken (in der Praxis regelmäßig nach Kenntnisnahme des tatsächlichen Arbeitsaufwandes) wieder „das Handtuch werfen“ kann, womit für die Wohnungseigentümer die gesamte Prozedur von vorne beginnt. Etwaige Schadensersatzansprüche sollen in einer derartigen Situation nicht weiterhelfen. Diese Auffassung läuft aber in der Praxis darauf hinaus, einen Verwalter zu seiner Tätigkeit zu zwingen, obwohl er hierzu, meist mit guten Gründen, keine Lust mehr hat. Ob der Gemeinschaft mit einem lustlosen Verwalter gedient ist, ist doch sehr fraglich.

13.279 Gemäß § 27 Abs. 3 S. 2 WEG i.V.m. § 170 Abs. 3 ZPO muss die formfreie Erklärung der Amtsniederlegung lediglich einem Wohnungseigentümer zugehen.614 Dieser hat sodann die Gemeinschaft von der Niederlegung des Amtes durch den Verwalter zu informieren.

13.280 Nach der dargelegten h.M. beendet die Amtsniederlegung immer das Bestellungsrechtsverhältnis, nicht aber den Verwaltervertrag.615 Insoweit behält der Verwalter seinen vertraglichen Vergütungsanspruch, gekürzt um die ersparten Aufwendungen, § 615 S. 2 BGB.616 Bei unberechtigter Amtsniederlegung kann die Gemeinschaft den Verwaltervertrag nach § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund kündigen und nach § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung verlangen. Bei berechtigter Amtsniederlegung kommt die außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrages durch die Gemeinschaft nur in Betracht, wenn diese den Grund für die Amtsniederlegung nicht zu vertreten hat.617 2. Das Anstellungsrechtsverhältnis

13.281 Auch das Anstellungsrechtsverhältnis kann durch zweiseitiges (anfängliche Befristung oder Bedingung des Vertrages/Aufhebungsvertrag) Rechtsgeschäft oder einseitiges Gestaltungsrecht (Widerruf/Kündigung) beendet werden.

611 S. hierzu ausführlich Reichert, ZWE 2002, 438 ff. sowie Reichert, MietRB 2007, 21 ff. 612 Ohne das Vorliegen des vereinbarten Gestaltungsgrundes existiert auch keine einseitige Gestaltungsmacht. 613 Diese können von dem ohne wichtigen Grund abberufenen Verwalter gezwungen werden, ihn zu behalten, können andererseits jedoch einen ohne wichtigen Grund das Amt niederlegenden Verwalter nicht zwingen, sein Amt fortzuführen. 614 LG Karlsruhe, Urt. v. 11.12.2012 – 11 S 231/11, ZWE 2013, 180. 615 a.A. die Vertreter der Einheitstheorie, danach führt die Amtsniederlegung auch zum Ende des Verwaltervertrages, Jennißen in Jennißen, § 26 Rz. 166. 616 Bogen, Die Amtsniederlegung des Verwalters im Wohnungseigentumsrecht, S. 118 ff. 617 Bogen, Die Amtsniederlegung des Verwalters im Wohnungseigentumsrecht, S. 132.

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.286 Teil 13

a) Einvernehmliche Beendigung Neben den relativ unproblematischen Sachverhalten des Ablaufs der Vertragszeit und des Ab- 13.282 schlusses eines Aufhebungsvertrages kommt insoweit die rechtliche Verknüpfung des Verwaltervertrages mit der Bestellung in Betracht. Die Verwalterbestellung kann von vornherein mit dem Verwaltervertrag derart verknüpft werden, dass mit einer wirksamen Beendigung des Amtes auch der Vertrag enden soll.618 Dies ist mangels ausdrücklicher Abrede durch Auslegung zu ermitteln. Eine förmliche Verknüpfung soll gegeben sein, wenn die Wohnungseigentümer über die Beendigung beider Rechtsverhältnisse einheitlich beschließen und diese dem Verwalter gegenüber erklärt wird, eine materiell-rechtliche Verknüpfung, wenn die Auslegung des Verwaltervertrages die auflösende Bedingung ergibt, dass er nur für die Dauer der Bestellung abgeschlossen ist.619 b) Einseitige Beendigung Ein unentgeltlicher Verwaltervertrag ist als Auftrag nach § 671 BGB von der Gemeinschaft jederzeit widerrufbar und vom Verwalter jederzeit kündbar.

13.283

Im Regelfall des entgeltlichen Verwaltervertrages ist von Seiten der Gemeinschaft aus gese- 13.284 hen zu differenzieren. Bei einer außerordentlichen Abberufung aus wichtigem Grund liegt regelmäßig auch ein hinreichender Grund zur fristlosen Kündigung des Verwaltervertrages nach § 626 Abs. 1 BGB vor, wobei die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB durch § 314 Abs. 3 BGB (angemessene Frist) verdrängt wird.620 Bei der ordentlichen Abberufung muss die Kündigungsfrist des § 621 BGB beachtet werden, so dass die Laufzeit von Anstellung und Bestellung auseinanderfallen können.621 Der Trennungstheorie entsprechend ist es für die Wirksamkeit der Kündigung des Verwaltervertrages ohne Belang, ob auch die Abberufung wirksam beschlossen wurde.622

13.285

Nach § 628 Abs. 2 BGB kann der Kündigungsempfänger zum Ersatz des durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet sein, wenn die Kündigung durch sein vertragswidriges Verhalten veranlasst wird. Auf Seiten des ausgeschiedenen Verwalters besteht dieser Schaden in erster Linie in dem eingetretenen Verdienstausfall. Dabei ist darauf abzustellen, wie der ausgeschiedene Verwalter bei Fortbestand des Vertrages bis zum Zeitpunkt der ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit gestanden hätte. Im Rahmen einer vorzunehmenden Vorteilsausgleichung sind auf den so errechneten Vergütungsanspruch die durch vorzeitige Vertragsbeendigung ersparten Aufwendungen sowie der Betrag anzurechnen, den der ausgeschiedene Verwalter durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat oder in schuldhafter Weise zu erwerben unterlassen hat.623 Für die Gemeinschaft als Anspruchsinhaberin kann ein Schaden etwa dadurch eintreten, dass sie keinen gleichwertigen Verwalter zur gleichen Vergütung finden konnte und aufgrund der Marktlage gezwungen war, dem neuen Verwalter nunmehr eine höhere Vergütung zu zahlen. Der ausgeschiedene Verwalter hat der Gemeinschaft dann den Differenzbetrag zwischen der Vergütung seines Nachfolgers und seiner eigenen Vergütung bis zum Zeitpunkt der ersten Kündigungsmöglichkeit sei-

13.286

618 619 620 621 622 623

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.11.2006 – 3 W 103/06, ZMR 2007, 727 (729). Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 202. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.11.2006 – 3 W 103/06, ZMR 2007, 727 (729). Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 206. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.8.2007 – I-3 Wx 163/07, ZMR 2008, 392. Weidenkaff in Palandt, § 628 BGB Rz. 8.

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Teil 13 Rz. 13.286

Das Verwaltungsverhältnis

nes Verwaltervertrages zu ersetzen. Die Gemeinschaft muss darlegen, dass ein Abschluss eines Verwaltervertrages zu den gleichen Konditionen mit dem Nachfolger nicht möglich war, und dies im Falle eines Bestreitens durch den ausgeschiedenen Verwalter auch beweisen. 3. Durchsetzen von Abberufung und Kündigung eines Verwalters

13.287 Grundsätzlich ist es zunächst Aufgabe der Eigentümerversammlung, sich mit dem Thema der Abberufung und Kündigung des Verwalters zu beschäftigen und im Wege der Beschlussfassung hierüber zu entscheiden, sog. Vorbefassung. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen muss dieser für den Wohnungseigentümer arbeits- und zeitintensive Weg nicht beschritten und kann direkt die gerichtliche Abberufung und Kündigung des Verwalters nach § 21 Abs. 4 WEG betrieben werden. a) Direkte Abberufung und Kündigung durch Urteil

13.288 Ein gerichtlicher Antrag auf Abberufung und Kündigung des Verwalters nach §§ 21 Abs. 4, 43 Nr. 1 WEG hat ohne vorherige Beschlussfassung zu diesem Thema, also ohne Vorbefassung der Versammlung nur ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn

13.289 – der klagende Eigentümer zunächst versucht hat, einen Beschluss über die Abberufung und Kündigung herbeizuführen.624 Dafür reicht es nicht aus, dass der Verwalter sich geweigert hat, seine eigene Abberufung und Kündigung als Tagesordnungspunkt aufzunehmen.625 Die Abberufung und Kündigung muss Gegenstand einer Versammlung gewesen sein, ohne dass über den Antrag beschlossen wurde.626 Es genügt nicht lediglich die vergebliche Aufforderung zur Einberufung.627 Ggf. muss das Recht auf Durchführung einer Eigentümerversammlung oder die Aufnahme eines entsprechenden Tagesordnungspunktes erst gerichtlich geltend gemacht werden.628 Wurde über den Antrag beschlossen und dieser abgelehnt, muss dieser Negativbeschluss angefochten und gleichzeitig beantragt werden, den Verwalter abzuberufen und zu kündigen.

13.290 – die vorherige Anrufung der Eigentümerversammlung dem klagenden Eigentümer nicht zugemutet werden kann. Dies soll der Fall sein, wenn die Mehrheitsverhältnisse die Abberufung und Kündigung des Verwalters nicht erwarten lassen,629 was ohne weitere Aufklärung durch das Gericht feststehen muss.630 Darlegungs- und beweispflichtig hierfür ist der Kläger. Ein Rechtsanwalt sollte in der Praxis an dieser Stelle äußerste Vorsicht walten lassen, und nur bei ganz klaren Mehrheitsverhältnissen von der direkten Klagemöglichkeit Gebrauch machen. Fungiert etwa ein Mehrheitseigentümer als Verwalter, so ist bei einer Zweiparteiengemeinschaft dem Minderheitseigentümer die vorherige Anrufung der Eigentümerversammlung nicht wegen der klaren Mehrheitsverhältnisse, sondern deswegen nicht zuzumuten, weil es hier keinen Sinn macht, von diesem zu verlangen, in einer Wieder-

624 AG Wedding, Urt. v. 13.2.2009 – 15a C 147/08, ZMR 2009, 881 (882). 625 AG Saarbrücken, Beschl. v. 12.5.2009 – 1 WEG II 124/05, ZMR 2009, 961 f. 626 BayObLG, Beschl. v. 19.6.1997 – 2Z BR 35/97, NJW-RR 1997, 1443; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/97, NZM 1998, 517. 627 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = ZMR 2012, 565. 628 AG Saarbrücken, Urt. v. 12.5.2009 – 1 WEG II 124/05, ZMR 2009, 961. 629 Jennißen in Jennißen, § 26 WEG Rz. 150. 630 AG Saarbrücken, Beschl. v. 12.5.2009 – 1 WEG II 124/05, ZMR 2009, 961.

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.292a Teil 13

holungsversammlung631 selbst eine außerordentliche Abberufung und Kündigung zu beschließen. Bei jeder größeren Gemeinschaft muss wiederum nachgewiesen werden, dass die Eigentümerversammlung auch ohne die Stimmen des Mehrheitseigentümers die Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund abgelehnt hätte. Dies kann etwa durch die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der übrigen Wohnungseigentümer über ihr Abstimmungsverhalten geschehen, welche allerdings oftmals nicht zu erlangen sein werden. Ein Antrag auf gerichtliche Abberufung und Kündigung des Verwalters ist begründet, wenn 13.291 die Nichtabberufung und -kündigung durch die Wohnungseigentümer dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, oder präziser ausgedrückt, wenn allein die Abberufung und Kündigung dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes verbleibt der Gemeinschaft ein Ermessensspielraum, ob sie den Verwalter deswegen abberuft und kündigt oder angesichts seiner bisherigen Leistungen und der Risiken eines bislang unbekannten Nachfolgers hiervon (noch) absieht. Erst wenn dieser Ermessensspielraum auf null reduziert ist, weil die Nichtabberufung und -kündigung nicht mehr vertretbar erscheint, besteht ein Anspruch des Klägers auf gerichtliche Abberufung und Kündigung des Verwalters, und die Klage ist begründet.632 Die Präklusion des fehlerhaften Verhaltens durch Wiederbestellung und/oder Entlastung des Verwalters ist zu beachten.633 Im Einzelfall kann diese jedoch möglicherweise außer Acht gelassen werden, wenn der Kläger sein Wohnungseigentum erst nach der Bestellung des Verwalters erworben hat.634 Bei nur einmaligen Pflichtverstößen kann es geboten sein, den Verwalter zunächst erst einmal abzumahnen.635 Sind mehrere, für sich genommen nicht ausreichende Verfehlungen gegeben, muss versucht werden, das Gericht zu einer Gesamtbetrachtung zu bewegen.636 Mit Ablauf der Bestellungszeit entfällt bei einer Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch einen Wohnungseigentümer das Rechtsschutzbedürfnis, ein etwaiger Rechtsstreit muss für erledigt erklärt werden.637 Wie der Streitwert zu bemessen ist, war innerhalb der Rechtsprechung umstritten und ist nunmehr durch den BGH638 für die Praxis geklärt.

13.292

Die Bemessung des Streitwerts richtet sich gemäß § 49a Abs. 1 S. 1 GKG nach dem hälftigen Gesamtinteresse der Parteien, das anhand des in der restlichen Vertragslaufzeit anfallenden Verwalterhonorars zu bemessen ist. Das Interesse des klagenden Wohnungseigentümers ergibt sich aus seinem Anteil hieran.

13.292a

631 Die erste Versammlung ist regelmäßig nicht beschlussfähig, da der Mehrheitseigentümer bei seiner Abberufung aus wichtigem Grund nach § 25 Abs. 5 WEG nicht stimmberechtigt ist. 632 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = MietRB 2012, 142 = ZMR 2012, 565; OLG Rostock, Beschl. v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, ZMR 2010, 223; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306. 633 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.4.2002 – 3 Wx 8/02, ZWE 2002, 477 (478). 634 AG Wedding, Urt. v. 13.12.2009 – 15a C 147/08, ZMR 2009, 881 (884). 635 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = WuM 2002, 628 = NZM 2002, 788 (791). 636 LG Hamburg, Urt. v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465; s. hierzu auch bereits im Rahmen der Anfechtung des Bestellungsbeschlusses unter Rz. 36. 637 OLG München, Beschl. v. 23.3.2006 – 34 Wx 10/06, ZMR 2006, 475; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 Wx 107/05, ZMR 2006, 544. 638 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MietRB 2012, 142 = ZMR 2012, 565.

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Teil 13 Rz. 13.292a

Das Verwaltungsverhältnis

Beispiel: – restliches Verwalterhonorar insgesamt – 50 % hiervon – Anteil des Klägers an Verwalterhonorar insgesamt – Streitwert nach § 49a GKG somit

= 10.000 Euro = 5.000 Euro = 1.200 Euro = 5.000 Euro

b) Abberufung und Kündigung durch Beschlussfassung

13.293 Grundsätzlich sind die Abberufung und Kündigung des Verwalters nur über eine diesbezügliche Beschlussfassung der Wohnungseigentümer durchsetzbar. aa) Erreichen einer Abwahlversammlung

13.294 Die Probleme beginnen in der Regel bereits damit, dass der Verwalter sich weigert, eine Eigentümerversammlung einzuberufen und/oder die eigene Abberufung und Kündigung auf die Tagesordnung zu setzen. Nach § 24 Abs. 2 WEG muss vom Verwalter eine Versammlung einberufen werden, wenn dies schriftlich unter Angabe von Zweck und Gründen von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer verlangt wird. Das formale Mehrheitserfordernis ist vom Verwalter zu überprüfen. Ein materielles Prüfungsrecht im Hinblick auf den angegebenen Zweck und die vorgetragenen Gründe kommt dem Verwalter hingegen nicht zu, bzw. soll auf offensichtliche Missbrauchsfälle beschränkt sein.639 Weigert der Verwalter sich pflichtwidrig, die Versammlung einzuberufen, so produziert er einen weiteren Abberufungsgrund, und die Versammlung kann auch von dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder dessen Vertreter einberufen werden, § 26 Abs. 3 WEG. Kommt der Verwalter dem ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Verlangen auch nur eines Eigentümers nicht nach, liegt eine pflichtwidrige Weigerung i.S.d. § 24 Abs. 3 WEG vor. Fraglich ist allerdings, wann das Verlangen auf Einberufung einer Abwahlversammlung aus Perspektive des Verwalters ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Da der Verwalter es hier in der Hand hat, seine eigene Abwahl zu manipulieren, und seine Befangenheit offenkundig ist, kann es jedenfalls nicht darauf ankommen, ob der Verwalter die Behauptungen des antragenden Eigentümers für zutreffend hält. Man wird lediglich verlangen müssen, dass vom antragenden Wohnungseigentümer ein Sachverhalt vorgetragen wird, welcher, die Wahrheit der Behauptungen unterstellt, eine Abberufung und Kündigung des Verwalters rechtfertigen kann. Aufgrund der Behauptungen muss die Abberufung und Kündigung ein, aber nicht notwendig das einzige Ergebnis der ordnungsgemäßen Ermessensausübung der Wohnungseigentümer sein.640 Die Einschätzung und ggf. Aufklärung, ob die Tatsachenbehauptungen zutreffend oder falsch sind, obliegt nicht dem Verwalter, der ansonsten jederzeit selbst seine Abwahl verhindern könnte, sondern den Eigentümern als Herren des Beschlussverfahrens, wobei es naheliegt, auch insoweit offensichtliche Missbrauchsfälle auszuklammern.

13.295 Ein gewissenhaft arbeitender Verwalter sollte einem derartigen Antrag mit Gelassenheit begegnen und den TOP nach Überprüfen der dargelegten Voraussetzungen ohne größere Diskussion aufnehmen. Er hat regelmäßig mehr zu gewinnen als zu verlieren. Wird die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung verlangt, so ist einem solchen Verwalter zu empfehlen, diese nach Überprüfen der dargelegten Voraussetzungen unter Abgabe einer eigenen Stellungnahme sowie unter dem Hinweis einzuberufen, dass hierzu eine 639 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 15. 640 Insoweit wird hier weniger verlangt als bei der direkten gerichtlichen Abberufung, im Rahmen derer die Abberufung die einzige fehlerfreie Ermessensentscheidung sein muss.

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.297 Teil 13

gesetzliche Verpflichtung besteht. Gleichzeitig sollte der Verwalter die Tagesordnung um den Punkt erweitern, dem die Abberufung betreibenden Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 7 WEG die Kosten der außerordentlichen Versammlung als Kosten für einen besonderen Verwaltungsaufwand aufzuerlegen. Dies ist möglich, wenn sich der Antrag als nicht haltbar herausstellt und die Gemeinschaft aus dem Verwaltervertrag für die außerordentliche Versammlung einen Sondervergütungsanspruch des Verwalters erfüllen muss.641 Zudem kann es für die Zukunft „heilende Wirkung“ haben. Existiert kein Verwaltungsbeirat (oder weigert sich auch dieser), so kann bei einer nach den 13.296 soeben dargelegten Kriterien pflichtwidrigen Weigerung des Verwalters der einzelne Wohnungseigentümer sich entweder gerichtlich zur Einberufung ermächtigen lassen oder gerichtlich beantragen, den Verwalter zu verpflichten, eine Versammlung mit dem TOP „Abberufung und Kündigung des Verwalters“ einzuberufen, § 43 Nr. 3 WEG. Der erste Weg wird in der Literatur642 als der einfachere Weg dargestellt, was in der Praxis allerdings oftmals nicht der Fall ist. Bei der gerichtlichen Ermächtigung muss der die Abwahl betreibende Eigentümer selbst eine Versammlung organisieren, d.h., er muss sämtliche Eigentümer unter zutreffender Anschrift laden, einen Saal für die Versammlung anmieten, die Versammlung leiten und dafür sorgen, dass ordnungsgemäße Beschlüsse gefasst werden. Das dies in der Praxis von einzelnen Eigentümern geleistet werden kann, ist insbesondere bei größeren Gemeinschaften und/oder unerfahrenen abberufungswilligen Wohnungseigentümern unrealistisch. Einfacher dürfte es hier sein, den Verwalter gerichtlich verpflichten zu lassen, eine Versammlung mit dem entsprechenden TOP einzuberufen. Ein derartiger Antrag sowohl auf Ermächtigung zur Einberufung einer Abwahlversammlung als auch auf Verpflichtung des Verwalters zur Einberufung ist begründet, wenn die Einberufung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Wie bereits dargelegt, muss der Kläger Tatsachen behaupten, welche, ihre Wahrheit unterstellt, die Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen können. Da durch die gerichtliche Entscheidung lediglich die pflichtwidrig unterlassene Einberufungsentscheidung des Verwalters ersetzt wird, ist nach hiesigem Verständnis auch das materielle Prüfungsrecht des Gerichts mit dem des Verwalters identisch und an dieser Stelle auf Missbrauchsfälle beschränkt. Ob die zur Rechtfertigung der Abberufung und Kündigung behaupteten Tatsachen der Wahrheit entsprechen oder im Ergebnis zur Abberufung und Kündigung führen müssen, ist nicht Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens auf Ermächtigung eines Wohnungseigentümers zur Einberufung einer Abwahlversammlung oder auf Verpflichtung des Verwalters zur Einberufung, sondern des eventuell nachfolgenden Prozesses über die Rechtmäßigkeit von Abberufung und Kündigung.

13.296a

Das Recht, die Tagesordnung zu erstellen, korrespondiert mit der Befugnis, die Versammlung einzuberufen, sodass die soeben gemachten Ausführungen für den Fall, dass der Verwalter zwar eine Versammlung einberuft, aber sich weigert, seine Abberufung als TOP aufzunehmen, entsprechend gelten. Hier wird allerdings die Aufnahme der Abberufung in die Tagesordnung regelmäßig nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes möglich sein, wobei es regelmäßig zu einer Vorwegnahme der Hauptsache kommt. Eine solche soll aber nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Verfügungskläger ausnahmsweise auf die sofortige Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Hauptsacheverfahren nicht abwarten könnte, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu er-

13.297

641 Merle in Bärmann, § 21 WEG Rz. 193. 642 Merle in Bärmann, § 24 WEG Rz. 27.

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Teil 13 Rz. 13.297

Das Verwaltungsverhältnis

leiden.643 Dies dürfte so gut wie nie der Fall sein, sodass der Mandant auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen ist. bb) Verhalten in der Abwahlversammlung

13.298 Ein Verwalter, der selbst Wohnungseigentümer ist, darf über seine ordentliche Abberufung und Kündigung mit abstimmen, nicht jedoch über seine Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund.644 Wohnungseigentümer, die nahe Angehörige des abzuberufenden Verwalters sind, unterfallen nicht der Stimmrechtsschranke, es sei denn, sie sind gemeinsam mit dem Verwalter Miteigentümer des Wohnungseigentums. Dann sind sie von der Abstimmung über eine Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund nach wohl h.M. grundsätzlich ausgeschlossen.645 Gleiches gilt selbstverständlich auch für Wohnungseigentümer, die gemeinsam mit dem Verwalter Miteigentümer des Wohnungseigentums sind, ohne nahe Angehörige zu sein. Soll eine Verwaltungsgesellschaft (GmbH) aus wichtigem Grund abberufen und gekündigt werden, so wird man ein Stimmverbot für den einzelnen Wohnungseigentümer sowohl bei einer Stellung als Gesellschafter als auch bei einer Stellung als Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft annehmen müssen.646 Der potentielle Nachfolger des abzuberufenden Verwalters ist als Wohnungseigentümer sowohl bei dem Beschluss über die Abberufung und Kündigung des Vorgängers als auch bei dem über seine eigene Bestellung und Anstellung stimmberechtigt.647 Der von den Wohnungseigentümern zur Stimmabgabe bevollmächtigte Verwalter unterliegt bei der Abstimmung über seine Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund einem Stimmverbot.648 Der bevollmächtigte Verwalter soll jedoch einem Wohnungseigentümer Untervollmacht erteilen können, wenn dies dem Willen des Hauptvollmachtgebers entspricht und der Verwalter als Vertreter die Untervollmacht nicht mit Weisungen für die Abstimmung verbunden hat, um das Stimmverbot zu umgehen.649 cc) Die Abwahlentscheidung

13.299 Die Wohnungseigentümer entscheiden über die Abberufung und Kündigung des Verwalters durch einfachen Mehrheitsbeschluss, § 26 Abs. 1 S. 1 WEG.

13.300 Die Gründe, welche eine Abberufung und Kündigung des Verwalters rechtfertigen, müssen im Zeitpunkt der Abberufung und Kündigung vorliegen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sie in dem jeweiligen Beschluss ausdrücklich benannt oder in der Abberufungsversammlung erörtert werden.650 Grund hierfür ist, dass Abberufung und Kündigung Gestaltungsrechte darstellen, und die wirksame Ausübung von Gestaltungsrechten grundsätzlich nicht von einer Begründungspflicht abhängig ist.651 Nach der Rechtsprechung können die Gründe auch erst643 LG München I, Beschl. v. 30.8.2011 – 36 T 6199/11, ZMR 2012, 135. 644 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = NZM 2002, 995 (999). 645 BayObLG, Beschl. v. 15.10.1992 – 2Z BR 75/92, MDR 1993, 344 = NJW-RR 1993, 206; a.A. differenzierend: Kümmel, MietRB 2004, 249 f. 646 Merle in Bärmann, § 25 WEG Rz. 136. 647 BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424 = NZM 2002, 995 (999). 648 A.A. OLG München, Beschl. v. 15.9.2010 – 32 Wx 016/10, ZMR 2011, 148. 649 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 14.5.1998 – 3 W 40/98, NZM 1998, 671; BayObLG, Beschl. v. 21.4.1998 – 2Z BR 36/98 und 43/98, NZM 1998, 668. 650 LG Hamburg, Urt. v. 13.11.2013 – 318 S 23/13, ZMR 2014, 310. 651 Becker, AcP 188, 22, 44.

900

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Die Beendigung des Verwaltungsverhältnisses

Rz. 13.303 Teil 13

mals im gerichtlichen Verfahren vorgetragen werden, wenn sie nur bereits zum Zeitpunkt der Abberufung und Kündigung vorgelegen haben.652 Nach der Beschlussfassung eintretende Umstände können hingegen nicht mehr zur Rechtfertigung herangezogen werden.653 Entsprechend § 314 Abs. 3 BGB ist jedoch eine zeitnah zur Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung erklärte Abberufung und Vertragskündigung erforderlich, wobei eine Kenntniserlangung durch den Verwaltungsbeirat ausreicht.654 Die außerordentliche Beendigung des Verwaltungsverhältnisses muss innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen. Wieviel Zeit verbleibt, ist je nach Größe der Gemeinschaft für den konkreten Einzelfall gesondert zu beurteilen, Rechtsprechung hierzu existiert kaum. Jedenfalls gilt § 626 Abs. 2 BGB nicht analog,655 d.h. eine Frist von zwei Wochen muss nicht eingehalten werden. Bei der Beschlussfassung selbst wird in der Praxis nur selten eine Differenzierung zwischen Bestellungsrechts- und Anstellungsrechtsverhältnis vorgenommen. Die Rechtsprechung lässt es daher regelmäßig ausreichen, wenn die Wohnungseigentümer den Verwalter „nur“ abberufen656 oder „nur“ kündigen.657 Mit dem einen Rechtsakt soll nach Willen der Wohnungseigentümer regelmäßig der andere konkludent verbunden sein. Selbst ein Beschluss, mit sofortiger Wirkung einen neuen Verwalter zu bestellen, soll regelmäßig die Abberufung des bisherigen Verwalters enthalten.658

13.301

Im Rahmen der Untersuchung, ob ein wichtiger Grund zur Abwahl des Verwalters vorliegt, ist die Präklusion des fehlerhaften Verhaltens durch Wiederbestellung und/oder Entlastung des Verwalters zu beachten.659 Bei nur einmaligen Pflichtverstößen kann es geboten sein, den Verwalter zunächst erst einmal abzumahnen.660

13.302

Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes verbleibt der Gemeinschaft ein Ermessensspielraum, ob sie den Verwalter deswegen abberuft und kündigt oder angesichts seiner bisherigen Leistungen und der Risiken eines bislang unbekannten Nachfolgers hiervon (noch) absieht.661 Erst wenn dieser Ermessensspielraum auf null reduziert ist, weil die Nichtabberufung und -kündigung nicht mehr vertretbar erscheint, widerspricht die Nichtabberufung und -kündigung dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Ein etwaiger Negativbeschluss muss sodann, verbunden mit einem Antrag, den Verwalter gerichtlich abzuberufen, angefochten werden.

13.303

652 BGH, Urt. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = NZM 2002, 788 (791). 653 BayObLG, Beschl. v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, ZWE 2001, 105, 106 = NJW-RR 2001, 446; Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 221. 654 KG, Beschl. v. 31.3.2009 – 24 W 183/07, MietRB 2009, 326. 655 AG Bonn, Urt. v. 3.11.2009 – 27 C 44/09, ZMR 2010, 320 = ZWE 2010, 292. 656 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.8.2003 – 3 Wx 181/03, MietRB 2004, 80 f. 657 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2Z BR 3/99, NZM 1999, 844 ff. 658 BayObLG, Beschl. v. 28.1.2003 – 2Z BR 126/02, ZWE 2004, 86 ff. 659 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.4.2002 – 3 Wx 8/02, ZWE 2002, 477 (478). 660 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = WuM 2002, 628 = NZM 2002, 788 (791). 661 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = ZWE 2012, 221 = MietRB 2012, 142 = ZMR 2012, 565; OLG Rostock, Beschl. v. 20.5.2009 – 3 W 181/09, ZMR 2010, 223; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306; BayObLG, Beschl. v. 6.8.1985 – 2 Z 45/85, ZMR 1985, 390.

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Teil 13 Rz. 13.304

Das Verwaltungsverhältnis

13.304 Im Falle der positiven Beschlussfassung kann Bestellung eines Nachfolgers einer späteren Versammlung vorbehalten werden. Es empfiehlt sich dann jedoch, zumindest einen Beschluss nach § 27 Abs. 3 S. 3 WEG zu fassen und einen oder mehrere Wohnungseigentümer zur Vertretung der Gemeinschaft zu ermächtigen. Ist der abzuberufende und zu kündigende Verwalter in der Versammlung nicht anwesend, so sollte von der Bestellung eines Nachfolgers in derselben Versammlung sogar abgesehen werden, da sich hieraus eine Reihe von bislang weitgehend ungeklärten Problemen ergeben kann.662 Sicherer ist es in jedem Fall, vor Bestellung eines Nachfolgers dem abgewählten Verwalter seine Abberufung und Kündigung zunächst zugehen zu lassen. 4. Rechtsschutz gegen die Abberufung und Kündigung für einzelne Wohnungseigentümer

13.305 Einzelne Wohnungseigentümer müssen die Abwahl des Verwalters zunächst durch eine Diskussion in der beschließenden Eigentümerversammlung zu verhindern versuchen. Wird daraufhin die Abberufung und Kündigung des Verwalters dennoch mehrheitlich beschlossen, so können die Beschlüsse, wie alle anderen Beschlüsse auch, von einem Wohnungseigentümer fristgerecht nach §§ 23 Abs. 4, 43 Nr. 4 WEG angefochten werden. Die Beschlüsse sind aufzuheben, wenn sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dies ist der Fall, wenn ein erforderlicher wichtiger Grund für die Abberufung und Kündigung des Verwalters tatsächlich nicht vorliegt, oder zwar vorliegt, die Abwahl aber aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles dennoch ermessensfehlerhaft ist. Bei einer Anfechtung des Abberufungsund Kündigungsbeschlusses durch einen Wohnungseigentümer entfällt mit Ablauf der Bestellungszeit das Rechtsschutzbedürfnis, ein etwaiger Rechtsstreit muss für erledigt erklärt werden.663 Für den Streitwert gelten die Ausführungen zum Streitwert einer Klage auf Abberufung entsprechend.664

V. Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters 13.306 Die Rechte und Pflichten des Verwalters nach seinem Ausscheiden sind im WEG nicht geregelt. Insbesondere in Fällen, in welchen der Verwalter gegen seinen Willen abberufen wurde, sind jedoch Konflikte vorprogrammiert, welche einer rechtlichen Lösung bedürfen. Die in dieser Gesetzeslücke von der Praxis zu bewältigenden Probleme werden teilweise durch eine als gefestigt anzusehende Rechtsprechung gelöst, wobei von dieser als Leitlinie immer wieder das Recht der Verbände herangezogen wird, in welchem die Rechtslage aber mangels gesetzlicher Regelung auch nicht viel klarer ist.

13.307 Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen wird stets von einer vollständigen Beendigung des Verwaltungsverhältnisses ausgegangen. Möglich, aber sehr selten sind Fälle, in welchen das Verwaltungsverhältnis nur teilweise beendet wird. So kann der Verwaltervertrag auch ohne Abberufung des Verwalters gekündigt werden.665 Auch wenn der Vertrag befristet geschlossen 662 S. hierzu ausführlich Reichert, MietRB 2005, 164 (167). 663 OLG München, Beschl. v. 23.3.2006 – 34 Wx 10/06, ZMR 2006, 475; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 Wx 107/05, ZWE 2006, 246 = ZMR 2006, 544. 664 BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = MietRB 2012, 142 = ZMR 2012, 565. 665 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.8.2007 – I-3 Wx 163/07, ZWE 2007, 458 = ZMR 2008, 392 = MietRB 2008, 18.

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Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.309 Teil 13

wurde, während die Bestellung unbefristet erfolgt, kann das Anstellungsverhältnis vor dem Bestellverhältnisses enden. Der vertragliche Vergütungsanspruch ist dann mit Ablauf des Vertrages erloschen. Gleichwohl hat der Verwalter aufgrund seiner Bestellung noch die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, so dass ihm, soweit er dieser Pflicht nachkommt, Aufwendungsersatz nach den Regeln für den Verwalter ohne Verwaltervertrag zusteht. Ein Berufsverwalter kann nach §§ 683, 670, 1835 Abs. 3 BGB analog sogar die erbrachten Dienste als Aufwendungen abrechnen und somit eine übliche Vergütung verlangen.666 Der umgekehrte Fall, dass nur das Bestellungsrechtsverhältnis beendet wird und der Verwaltervertrag fortbesteht, taucht in der Praxis deshalb kaum auf, weil regelmäßig von einer Verknüpfung von Abberufungs- und Kündigungsbeschluss auszugehen ist.667 1. Allgemeines Im Wohnungseigentumsrecht findet sich ein Widerspruch zwischen dem angeblichen Erlöschen sämtlicher Pflichten des Verwalters mit der Amtsbeendigung einerseits668 und dem gleichzeitig behaupteten Fortbestehen bestimmter Pflichten andererseits.669 So wird der Grundsatz, dass die Amtsbeendigung im Wohnungseigentumsrecht allgemein als Erlöschensgrund für Pflichten aus dem Bestellungsrechtsverhältnis anzusehen ist, nach wohl einhelliger Meinung ohne weitere Begründung nicht auf bereits während der Amtszeit entstandene Abrechnungspflichten des Verwalters angewendet, welche nach allgemeinen Regeln erst mit ihrer Erfüllung erlöschen. Tatsächlich wäre das vollständige Erlöschen sämtlicher Pflichten mit der Amtsbeendigung allenfalls aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen denkbar, welche auch im Wohnungseigentumsrecht Geltung beanspruchen. Ein Grundsatz dahingehend, dass sämtliche Pflichten eines Organs mit seinem Ausscheiden erlöschen und der ausgeschiedene Amtsinhaber in keiner Weise mehr für die Gesellschaft tätig werden darf, ist jedoch auch dem Gesellschaftsrecht fremd. Dort wird einheitlich nur von einem absoluten Vertretungsverbot des ausgeschiedenen Amtsinhabers Dritten gegenüber ausgegangen.670 Ein derartiger Grundsatz wird allerdings im Wohnungseigentumsrecht bei vielen zu Amtszeiten bereits entstandenen Pflichten, bei welchen keine rechtsgeschäftliche Vertretung der Wohnungseigentümer oder der Gemeinschaft Dritten gegenüber stattfindet, nicht verletzt. Man wird daher vertreten können, dass hier allein das Ausscheiden des Amtsinhabers nicht zum Erlöschen der jeweiligen Pflicht führt,671 sondern es vielmehr des Vorliegens eines besonderen Erlöschensgrundes in Form der Erfüllung des Anspruchs, der Unmöglichkeit der Erfüllung oder eines Verzichts des jeweiligen Gläubigers bedarf.672

13.308

2. Die Abrechnungspflicht Siehe zu Fragen der Abrechnungspflicht des ausgeschiedenen Verwalters ausdrücklich unter Teil 6, Rz. 6.314. 666 667 668 669

Weißenborn, MietRB 2008, 18. Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 201. BayObLG, Beschl. v. 21.10.1981 – 2 Z 75/80, ZMR 1982, 223 (224); Drabek, PiG 54, 211, 223. BayObLG, Beschl. v. 10.8.1993 – 2Z BR 86/93, WE 1994, 279; BayObLG, Beschl. v. 10.1.1997 – 2Z BR 126/96, ZMR 1997, 199; LG Münster, Beschl. v. 24.8.2001 – 3 T 62/01, NZM 2002, 459; Frohne, NZM 2002, 242; Drabek, PiG 54, 211, 223. 670 Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 15 ff., 230 m.w.N. 671 Casser, ZWE 2014, 157 (159). 672 Reichert, ZWE 2005, 173 (174).

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13.309

Teil 13 Rz. 13.310

Das Verwaltungsverhältnis

3. Die Rechnungslegungspflicht

13.310 Eine Pflicht des Verwalters, der Gemeinschaft nach seinem Ausscheiden aus dem Amt Rechenschaft abzulegen oder Rechnung zu legen, kann sich sowohl aus dem Anstellungsrechtsverhältnis als auch aus dem Bestellungsrechtsverhältnis ergeben. Das Gesetz verwendet die Begriffe „Rechenschaft ablegen“ und „Rechnung legen“ dabei als Synonyma.673

13.311 Aufgrund des Verwaltervertrages ist der Verwalter nach Beendigung seiner Tätigkeit gemäß §§ 675, 666 iVm. 259 BGB verpflichtet, der Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen.674 Anspruchsinhaber ist insoweit die Gemeinschaft als ausschließlicher Vertragspartner des Verwalters. Der Anspruch kann durch den neuen Verwalter ohne gesonderten Beschluss geltend gemacht werden.675 Der ausgeschiedene Verwalter hat dann grundsätzlich für den Zeitraum zwischen der letzten beschlossenen Jahresabrechnung und dem Zeitpunkt der Beendigung seiner Tätigkeit einmalig Rechenschaft abzulegen. Die gesetzliche Rechnungslegungspflicht folgt aus § 28 Abs. 4 WEG. Danach hat der amtierende Verwalter den Wohnungseigentümern jederzeit Rechnung zu legen, wenn diese einen diesbezüglichen Mehrheitsbeschluss gefasst haben. Es handelt sich um einen gemeinschaftsbezogenen Anspruch der Wohnungseigentümer i.S.d. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG, da sie nach § 28 Abs. 4 WEG über das Verlangen auf Rechnungslegung beschließen müssen.676 Ein solcher Mehrheitsbeschluss soll nur dann entbehrlich sein, wenn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer den Rechnungslegungsanspruch unter Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung nicht geltend macht.677 Sodann soll jeder einzelne Eigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG in den Schranken von Treu und Glauben Rechenschaftsablegung gegenüber der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach § 432 BGB verlangen können.678 Erforderlich ist aber stets, dass sich zunächst die Wohnungseigentümerversammlung mit dem Rechnungslegungsbegehren des Einzelnen befasst.679

13.311a Einzuklagen wäre der Anspruch gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter nach § 43 Nr. 3 WEG, denn es handelt sich um einen Anspruch aus der Verwaltungstätigkeit.680 Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO.681

13.312 Die Regelung des § 28 Abs. 4 WEG modifiziert den vertraglichen Anspruch auf Rechenschaftsablegung insoweit, als dass die Rechnungslegung jederzeit und nicht erst nach Aus673 Grüneberg in Palandt, § 259 BGB Rz. 3. 674 BayObLG, Beschl. v. 3.2.2000 – 2Z BR 123/99, ZMR 2000, 325 = ZWE 2000, 187 ff. 675 AG Mettmann, Beschl. v. 26.5.2008 – 7 II a 96/06 WEG, ZMR 2008, 848; OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, NZM 2008, 850; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.3.2013 – 20 W 121/12, ZWE 2013, 410. 676 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 187. 677 OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 – 15 W 200/87, OLGZ 1988, 37 = MDR 1988, 321 = NJW-RR 1988, 597 (598); KG, Beschl. v. 13.11.1987 – 24 W 5670/86, ZMR 1988, 70 = MDR 1988, 234 = WuM 1988, 189 = WE 1988, 17; BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, MDR 2011, 413 = WuM 2011, 314 = ZWE 2011, 212. 678 KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, OLGZ 1987, 185 = ZMR 1987, 100 = NJW-RR 1987, 462 f.; KG, Beschl. v. 13.11.1987 – 24 W 5670/86, ZMR 1988, 70 = MDR 1988, 234 = WuM 1988, 189 = WE 1988, 17; OLG Celle, Beschl. v. 2.2.1983 – 4 196/82, OLGZ 1983, 177 (178). 679 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.7.1993 – 2 Wx 74/91, OLGZ 1994, 147 = WuM 1993, 705 = ZMR 1993, 536 f. 680 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 188. 681 BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, ZWE 2016, 422.

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Reichert †/Tank

Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.314 Teil 13

führung des Auftrages verlangt werden kann.682 Fraglich ist jedoch, ob dies auch gegenüber einem ausgeschiedenen Verwalter als Anspruchsgegner gilt. Das Wohnungseigentumsgesetz verwendet den Begriff des Verwalters regelmäßig für den amtierenden Verwalter.683 Soweit das Gesetz die Rechtsstellung des Verwalters darlegt, treffen die Rechte und Pflichten immer den Verwalter, der das Amt im Zeitpunkt der Entstehung der jeweiligen Berechtigung oder Verpflichtung inne hat.684 Für den ausgeschiedenen Verwalter besteht eine Verpflichtung zur Rechnungslegung gem. § 28 Abs. 4 WEG nur, wenn der Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer zu einem Zeitpunkt gefasst wurde, in welchem der Verwalter sein Amt noch inne hatte und der Anspruch zu Amtszeiten damit entstanden ist. Nach Ausscheiden des Verwalters kann hingegen ein Anspruch der Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 4 WEG nicht mehr begründet werden. Inhaltlich geht die Rechnungslegung über die Erteilung einer Auskunft hinaus und enthält, neben der auch mit der Auskunft verbundenen Unterrichtung, die weitergehende, genauere Information durch die Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben.685 Über für die Gemeinschaft angelegte Fremdgeldkonten ist selbst dann Rechnung zu legen (und die betreffenden Unterlagen sind herauszugeben), wenn über das Konto Geldbewegungen Dritter geflossen sind.686 Die Rechnungslegungspflicht umfasst die Abrechnungspflicht nach § 28 Abs. 3 WEG, abzüglich der hiernach erforderlichen Einzelabrechnungen,687 und beinhaltet damit die Gesamtabrechnung. Darüberhinausgehend wird auch eine Zusammenstellung der Forderungen und Verbindlichkeiten gefordert.688 Zeitlich umfasst die Rechnungslegung jedoch nur dann die gesamte Abrechnungsperiode, wenn der Verwalter zum Ende des Wirtschaftsjahres ausscheidet. Bei einem ausgeschiedenen Verwalter ist neben der Kontrolle der laufenden Geschäftsführungstätigkeit Zweck der Rechnungslegung, einem neu bestellten Verwalter im Falle des Wechsels während des Wirtschaftsjahres zu ermöglichen, die Verwaltung fortzuführen.

13.313

Zu einem Erlöschen der gesetzlichen und vertraglichen Rechnungslegungspflicht kommt es regelmäßig durch Erfüllung. Fassen die Wohnungseigentümer über die Rechnungslegung einen Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG, so haben sie damit die Rechnungslegungspflicht für sich als erfüllt angenommen. Bezüglich aller zum Beschlusszeitpunkt für die Wohnungseigentümer erkennbaren Tatsachen, die Gegenstand der Rechnungslegung waren oder Gegenstand hätten sein müssen, besteht für sie dann kein Rechnungslegungsanspruch mehr. Im Hinblick auf zum Beschlusszeitpunkt noch nicht erkennbare Tatsachen ist der Anspruch jedoch noch nicht erfüllt, so dass weiterhin Rechnungslegung verlangt werden kann. Auch eine von den Wohnungseigentümern erteilte Entlastung befreit nach ständiger Rechtsprechung den ausgeschiedenen Verwalter von der Pflicht zur Rechnungslegung über Vorgänge, die Gegenstand

13.314

682 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 186. 683 Reichert, ZWE 2001, 92 (93). 684 Reichert, Die Rechtsstellung des Verwalters nach Beendigung des Verwaltungsverhältnisses, S. 9 ff. 685 BGH, Urt. v. 29.1.1985 – X ZR 54/83, BGHZ 93, 327 = MDR 1985, 578 = NJW 1985, 1693. 686 OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, MietRB 2008, 144 = ZMR 2008, 399 = ZWE 2008, 193. 687 BayObLG, Beschl. v. 2.2.1979 – 2 Z 11/78, BayObLGZ 1979, 30 = ZMR 1979, 148 = DWE 1979, 123 Rpfleger 1979, 218; KG, Beschl. v. 9.12.1980 – 1 W 4193/80, OLGZ 1981, 304 = MDR 1981, 407 = DWE 1982, 127. 688 OLG München, Beschl. v. 20.7.2007 – 32 Wx 93/07, WuM 2007, 539 = ZMR 2007, 814; Greiner, § 10 Rz. 143.

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Teil 13 Rz. 13.314

Das Verwaltungsverhältnis

der Entlastung sind.689 Eine im Nachhinein für unwirksam erklärte Beschlussfassung nach § 28 Abs. 5 WEG oder ein unwirksamer Entlastungsbeschluss führt gem. § 363 BGB zur Umkehr der Beweislast.690 Hingegen führt die Entstehung des Abrechnungsanspruchs gegenüber dem Nachfolger nicht zum Erlöschen der Rechenschaftspflicht des ausgeschiedenen Verwalters, da ein Verwalter, der während des Rechnungslegungszeitraumes noch nicht amtierte, mangels Tatsachenkenntnis nicht bei der Abrechnung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der angeführten Einnahmen und Ausgaben einstehen kann. Die mit der Rechnungslegung geschuldete Leistung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB kann von dem Nachfolger des ausgeschiedenen Verwalters damit nicht erbracht werden. Die Rechnungslegung behält hier eine eigenständige Bedeutung.691 4. Die Pflicht zur Aufstellung des Wirtschaftsplanes

13.315 Nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Die Frage, ob der ausgeschiedene Verwalter noch verpflichtet ist, für das laufende Wirtschaftsjahr den Wirtschaftsplan aufzustellen, wird in der Praxis wenig thematisiert, da die Wohnungseigentümer regelmäßig kein Interesse daran haben, von einer Person, mit welcher sie zukünftig nicht mehr zusammenarbeiten (wollen), noch einen Haushaltsplan aufstellen zu lassen. Gegen eine Pflicht des ausgeschiedenen Verwalters, noch den Wirtschaftsplan aufstellen zu müssen, könnte auch grundsätzlich sprechen, dass der ausgeschiedene Verwalter damit in die zukünftige Wirtschaftsführung sowohl der Gemeinschaft als auch seines Nachfolgers eingreift, für welchen der Wirtschaftsplan verbindlich wäre. Eine derartige Verbindlichkeit tritt jedoch nur dann ein, wenn die Wohnungseigentümer einen Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG fassen. Ob sie dies tun, steht allein in ihrem Ermessen. Mit erfolgter Beschlussfassung entspricht die Bindung der Wirtschaftsführung der Gemeinschaft und des neuen Verwalters an den Wirtschaftsplan seines Vorgängers dem mehrheitlichen Willen der Wohnungseigentümer und ist von dem amtierenden Verwalter zu akzeptieren. Es ist daher kein Grund ersichtlich, bei der Pflicht zur Aufstellung eines Wirtschaftsplanes nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG andere Kriterien anzulegen als etwa bei der Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG. Hier wie da gilt der Grundsatz, dass das Ausscheiden aus dem Amt eine bereits zuvor entstandene Pflicht des Verwalters nicht zum Erlöschen bringt, sondern diese vielmehr bestehen bleibt.

13.316 Der Anspruch der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter auf Vorlage eines Wirtschaftsplanes entsteht mit Beginn des neuen Wirtschaftsjahres und wird abweichend von § 271 Abs. 1 BGB regelmäßig nach Ablauf der ersten drei Monate, spätestens aber nach Ablauf von sechs Monaten fällig.692 Ist als Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr festgelegt und dauert das Amt des Verwalters über das Jahresende hinaus fort, so ist es gleichgültig, wann er ausscheidet. Die zum 1.1. des Jahres entstandene Pflicht aus § 28 Abs. 1 S. 1 WEG trifft den zu diesem Zeitpunkt amtierenden Verwalter. Ein danach ausscheidender Verwalter bleibt verpflichtet, den 689 BayObLG, Beschl. v. 3.5.1972 – BReg. 2 Z 7/72, BayObLGZ 1972, 161, 166 = MDR 1972, 691 = NJW 1972, 1377; BayObLG, Beschl. v. 31.3.1994 – 2Z BR 16/94, BayObLGZ 1994, 98 = MDR 1994, 581 = NJW-RR 1994, 1236 = WuM 1994, 567 (568); KG, Beschl. v. 12.9.1988 – 24 W 5887/87, NJW-RR 1989, 144 = WE 1989, 134; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.5.1983 – 3 W 29/83, ZMR 1984, 166 = BlGBW 1983, 136, u.v.a.; A.A. Deckert, WE 1993, 120 (122). 690 Reichert, ZWE 2005, 173 (175). 691 Reichert, ZWE 2005, 173 (175). 692 BayObLG, Beschl. v. 15.3.1990 – 2 Z 18/90, WE 1991, 223 (224); OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.1989 – 15 W 209/89, WE 1990, 25; Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 13.

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Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.320a Teil 13

Wirtschaftsplan aufzustellen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann sein Nachfolger für die Aufstellung eine Sondervergütung verlangen, da ihn die gesetzliche Pflicht für das Wirtschaftsjahr der Amtsübernahme nicht trifft. Anspruchsinhaber ist jeder einzelne Wohnungseigentümer, da der Anspruch auf Aufstellung eines Wirtschaftsplanes Teil des Individualanspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung ist.693

13.317

Eine Vorausplanung mittels Wirtschaftsplans wird sinnlos, sobald die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben feststehen und das zu planende Wirtschaftsjahr bereits abgeschlossen ist. Daher kann nach Ablauf des Wirtschaftsjahres nur noch die Erstellung der Jahresabrechnung verlangt werden.694 Die Entstehung des Abrechnungsanspruchs gegenüber dem amtierenden Verwalter führt damit zum Erlöschen der Pflicht des ausgeschiedenen Verwalters, einen Wirtschaftsplan aufzustellen.

13.318

5. Herausgabepflichten Der Herausgabeanspruch695 entsteht mit der Amtsbeendigung und wird zeitgleich auch fällig.696 Dies gilt unabhängig davon, ob der ausgeschiedene Verwalter gedenkt, gegen Abberufung und Kündigung gerichtlich vorzugehen, oder ob er derartige Schritte bereits eingeleitet hat,697 und rechtfertigt sich daraus, dass die neue Verwaltung, welche nunmehr in der Haftung steht, für ihre Arbeit dringend auf die Verwaltungsunterlagen angewiesen ist.698 Auch eine vorherige Rechnungslegung durch den ausgeschiedenen Verwalter setzt der Herausgabeanspruch nicht voraus.699

13.319

Es ist zwischen der Herausgabepflicht aus dem beendeten Verwaltervertrag nach §§ 667 Abs. 1, 675 BGB und dem gesetzlichen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu differenzieren. Von Bedeutung ist diese Differenzierung in der Praxis allenfalls wegen der unterschiedlich langen Verjährungsfrist. Während der vertragliche Herausgabeanspruch nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt, verjährt der dingliche Herausgabeanspruch gem. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB erst innerhalb von dreißig Jahren nach Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses.

13.320

Da die Verwaltungsunterlagen Teil des Verwaltungsvermögens sind, ist nach § 10 Abs. 7 WEG Inhaber des Herausgabeanspruchs die Gemeinschaft. Überlässt allerdings während der Amtszeit der Verwalter einem Wohnungseigentümer Verwaltungsunterlagen zur Prüfung außerhalb seiner Geschäftsräume, kommt regelmäßig ein Leihvertrag zu Stande mit der Folge, dass der Verwalter die Herausgabe der Unterlagen im eigenen Namen verlangen und einklagen kann.700 Gleiches wird daher auch dann anzunehmen sein, wenn der nachfolgende Verwalter

13.320a

693 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 10. 694 OLG Hamm, Beschl. v. 22.1.2009 – I-15 Wx 208/08, ZMR 2009, 467 = NZM 2009, 820; Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 14. 695 S. hierzu im Einzelnen auch bereits unter Teil 2, Rz. 2.32 ff. 696 Kalenberg, Anm. zum Beschl. d. AG Rinteln (Beschl. v. 8.9.1993 – 2 UR II 137/93, ZMR 1994, 236), ZMR 1994, 237. 697 Sauren, PiG 30, 69, 83. 698 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.1994 – 20 W 488/93, ZMR 1994, 376 ff. 699 BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 (2108). 700 BGH, Urt. v. 15.7.2011 – V ZR 21/11, MDR 2011, 1031 = ZWE 2011, 361 = ZMR 2011, 976 = MietRB 2011, 315.

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Teil 13 Rz. 13.320a

Das Verwaltungsverhältnis

seinem Vorgänger bereits übergebene Unterlagen, etwa zur Erstellung einer noch geschuldeten Abrechnung, erneut überlässt.

13.321 Inhaltlich betrifft die Herausgabepflicht des ausgeschiedenen Verwalters insbesondere sämtliche Verwaltungsunterlagen sowie die noch in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Gelder der Gemeinschaft.701 Ein Verwalter, der nach seiner Abberufung Gelder aus der Instandhaltungsrücklage entnimmt, soll berechtigt sein, gegen den auf Zahlung gerichteten Herausgabeanspruch der Gemeinschaft mit eigenen Vergütungsansprüchen aufzurechnen.702

13.322 Die gerichtliche Geltendmachung des Herausgabeanspruchs setzt wegen seiner Gemeinschaftsbezogenheit einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraus.703 Der Herausgabeanspruch kann grundsätzlich704 auch mit einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.705 Vollstreckt wird der Herausgabetitel nach § 888 ZPO, sodass die Verwaltungsunterlagen nicht zwingend einzeln bezeichnet werden müssen. Letzteres soll nur dann erforderlich sein, soweit nicht die Herausgabe aller Verwaltungsunterlagen, sondern nur aller zur Verwaltung erforderlichen Unterlagen verlangt wird.706

13.323 Der Streitwert bei einer auf Herausgabe von Verwaltungsunterlagen gerichteten einstweiligen Verfügung soll sich nach der Rechtsprechung nach dem objektiven Interesse des Antragsstellers an der Herausgabe der Unterlagen bemessen, wobei ein Bruchteil von etwa 10 % der jährlichen Betriebskostenvorauszahlungen als angemessen angesehen wurde.707 Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren soll er nach einer anderen Entscheidung 1.000 Euro betragen.708 6. Die Pflicht zur Fortführung gerichtlicher Verfahren

13.324 Für die Praxis von erheblicher Bedeutung ist die Frage, ob der ausgeschiedene Verwalter gerichtliche Verfahren fortführen muss und weiterführen kann. Nach dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz des weiteren Vertretungsverbotes eines ausgeschiedenen Amtsinhabers müsste dies abgelehnt werden, wenn dieser Grundsatz auch im Wohnungseigentumsrecht uneingeschränkte Geltung beansprucht. Dies dürfte im Ergebnis jedoch nicht der Fall sein. Die Rechtsstellung des Verwalters ist bereits nicht ohne weiteres vergleichbar mit der Rechtsstellung etwa des Geschäftsführers einer GmbH, da die Verwalterstellung auch nach Willen des Reformgesetzgebers gerade nicht mit einer umfassenden gesetzlichen Vertretungsbefugnis ausgestaltet wurde. Sowohl die Wohnungseigentümer als auch die Gemeinschaft haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der Verwalter zu Amtszeiten eingeleitete gerichtliche Verfahren auch nach seinem Ausscheiden noch zum Abschluss bringt, da sie diesem die Verfahrensführung regelmäßig bereits vergüten müssen. Bei der üblichen verwaltervertraglich vereinbarten Vergütung nach dem RVG können für den ausgeschiedenen Verwalter sämtliche Gebühren bereits angefallen sein, so dass dem Nachfolger für die Übernahme des Verfahrens eine weitere 701 S. hierzu unter Teil 2, Rz. 2.32 ff. 702 OLG Hamm, Beschl. v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, ZWE 2008, 64 ff. (bei einem offenen Treuhandkonto). 703 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148 ff. 704 S. als Beispiel für einen Ausnahmefall: LG Hamburg, Beschl. v. 14.12.2007 – 318 T 222/07, ZMR 2008, 326. 705 AG Kelheim, Urt. v. 19.10.2007 – 5 C 0965/07, ZMR 2008, 83. 706 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148 ff. 707 KG, Beschl. v. 20.12.2010 – 16 W 20/10, MietRB 2011, 113 = ZMR 2011, 655. 708 AG Hamburg, Beschl. v. 13.11.2008 – 102A C 36/08, ZMR 2009, 232.

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Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.327 Teil 13

Sondervergütung gezahlt werden müsste. Eines Schutzes der Wohnungseigentümer oder der Gemeinschaft gegen deren Willen durch ein umfassendes Vertretungsverbot bedarf es hier nicht. Auch fordern Rechtssicherheitserwägungen nicht wie bei den Kapitalgesellschaften eine ständige Klarheit über die Vertretungsverhältnisse in der Gemeinschaft,709 zumal diese vor Gericht völlig klar bleiben, wenn die Wohnungseigentümer auf eine Verfahrensbeendigung durch den ausgeschiedenen Verwalter bestehen. Auch hier bleibt es daher bei dem Grundsatz, dass die Amtsbeendigung alleine eine zu Amtszeiten des Verwalters entstandene Verpflichtung, ein gerichtliches Verfahren durchzuführen und zum Abschluss zu bringen, nicht zum Erlöschen bringt. Zu unterscheiden ist hiervon der Fall, dass ein ausgeschiedener Verwalter nach seinem Ausscheiden ein gerichtliches Verfahren für die Gemeinschaft einleitet. Hierzu ist der ausgeschiedene Verwalter grundsätzlich nicht mehr berechtigt. Wird die Klage abgewiesen, können ihm nach § 49 Abs. 2 WEG trotz der Tatsache seines Ausscheidens die gesamten Prozesskosten wegen groben Verschuldens auferlegt werden.710

13.325

7. Nebenpflichten Nebenpflichten entstehen für den Verwalter oftmals gerade durch die Tatsache seines Ausscheidens. Insoweit kommen insbesondere Informations-, Auskunfts- und Einsichtsgewährungspflichten in Betracht.

13.326

Eine Informationspflicht des Verwalters folgt auch nach dessen Ausscheiden sowohl aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Bestellungsrechtsverhältnis als auch aufgrund des beendeten Verwaltervertrages nach § 666 BGB erster Fall. Der Verwalter ist ein Wissensträger der Gemeinschaft, welcher dieser mit seinem Ausscheiden verloren geht. Nicht alles für den Nachfolger des ausgeschiedenen Verwalters oder die Wohnungseigentümer selbst erforderliche Wissen hat sich für diese auffindbar in den Verwaltungsunterlagen niedergeschlagen. Oftmals ist es lediglich im Gedächtnis des ausgeschiedenen Verwalters vorhanden. Um dieses Informationsdefizit auszugleichen, bedarf es einer über das Ende des Bestellungsrechtsverhältnisses fortwirkenden Aufklärungspflicht des ausgeschiedenen Verwalters.711 Der ausgeschiedene Verwalter hat die Gemeinschaft unaufgefordert über solche Vorgänge seiner Amtszeit zu informieren, deren Kenntnis für notwendige Entscheidungen erforderlich ist oder die so wesentlich sind, dass die Wohnungseigentümer eine Information oder sogar eine Aufklärung, Beratung und Warnung erwarten können.712 Er hat daher etwa über ihm noch zur Kenntnis gelangte sanierungsbedürftige Schäden des Gemeinschaftseigentums, ihm mündlich gegenüber abgegebenen Willenserklärungen (z.B. Angebote von Handwerkern) oder ihm bekannte Falschbuchungen713 auch nach seinem Ausscheiden unaufgefordert aufzuklären. Die Wohnungseigentümer müssen durch die verständliche, vollständige und nachprüfbare Information in der Lage sein, sachgerechte Entscheidungen zu treffen.714 Die Informationspflicht

13.327

709 S. hierzu ausführlich Reichert, ZWE 2005, 173 (179). 710 LG Hamburg, Urt. v. 18.2.2009 – 318 S 99/08, ZMR 2009, 477 ff. 711 So für den vergleichbaren Fall des ausgeschiedenen Geschäftsführers einer GmbH Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 172 m.w.N. 712 Merle, ZWE 2000, 9 (11). 713 OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.1971 – 9 U 9/71, WM 1972, 436. 714 Casser, ZWE 2014, 157, (159).

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Teil 13 Rz. 13.327

Das Verwaltungsverhältnis

besteht nicht bei missbräuchlichem Auskunftsverlangen.715 Sie besteht aber auch, wenn die Wohnungseigentümer sich die Information selbst beschaffen könnten oder sich der Verwalter einer strafbaren Handlung bezichtigen müsste.716

13.328 Mit der Rechenschaftspflicht ist die wesentliche Auskunftspflicht des ausgeschiedenen Verwalters als eine seiner Hauptpflichten einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zugeführt. Weitere Auskunftspflichten ergeben sich für den ausgeschiedenen Verwalter als Nebenpflichten aus § 260 BGB im Hinblick auf die herauszugebenden Verwaltungsunterlagen sowie aus § 626 Abs. 2 S. 3 BGB. Aufgrund letzterer Norm kann die Gemeinschaft von dem ausgeschiedenen Verwalter verlangen, dass dieser ihnen im Falle einer Kündigung des Verwaltervertrages aus wichtigem Grund den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilt. Gleiches gilt ebenso umgekehrt für die Gemeinschaft als Verpflichtete, wenn diese dem Verwalter den Vertrag aus wichtigem Grund kündigt. Daneben ist dem Verwalter als Erklärungsempfänger einer Abberufung aus wichtigem Grund ein Auskunftsanspruch nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB analog gegen die Gemeinschaft einzuräumen, da der Verwalter auf die Kenntnis der Umstände, welche die Wohnungseigentümer zu seiner Abberufung bewogen haben, dringend angewiesen ist, um die Erfolgsaussichten gerichtlichen Rechtsschutzes abschätzen zu können.717

13.329 Schuldnerin einer Einsichtsgewährungspflicht ist nach dem Ausscheiden des Verwalters in erster Linie die Gemeinschaft. Diese Pflicht besteht regelmäßig etwa dann, wenn der ausgeschiedene Verwalter bereits sämtliche Verwaltungsunterlagen herausgegeben hat, aber noch zur Erstellung einer Jahresabrechnung oder zur Rechnungslegung auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens verpflichtet ist.718 8. Rechte und Pflichten bei weiteren Eigentümerversammlungen

13.330 Der Verwalter ist nach seinem Ausscheiden nicht mehr berechtigt, eine Eigentümerversammlung einzuberufen oder an einer solchen teilzunehmen. Das Abhalten einer derartigen Versammlung kann ihm von einzelnen Wohnungseigentümern im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden.719 Mangels Rechtsgrundlage ist der ausgeschiedene Verwalter auch nicht mehr verpflichtet, nach seinem Ausscheiden an weiteren Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Eine Teilnahmepflicht lässt sich vor allem nicht aus der Rechenschaftspflicht, der Pflicht zur Aufstellung des Wirtschaftsplans oder aus Informations- oder sonstigen Auskunftspflichten herleiten. Die Erfüllung all dieser Pflichten in einer Eigentümerversammlung ist zwar zweckmäßig, da so die Erörterung etwaiger Unklarheiten vereinfacht wird, aber zur Erfüllung der Pflichten des ausgeschiedenen Verwalters nicht zwingend erforderlich. Ein derartiges Verlangen wäre dem ausgeschiedenen Verwalter gegenüber unverhältnismäßig.720 Geriert sich ein ausgeschiedener Verwalter weiterhin als der amtierende, und weist er in der Eigentümerversammlung auf den Umstand des Ablaufs seiner Bestellungszeit hin, so können ihm etwaige Anfechtungsklagen nicht mehr als Zustellungsvertreter für die Wohnungseigentümer zugestellt werden.721

715 716 717 718 719 720 721

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Casser, ZWE 2014, 157, (159). Casser, ZWE 2014, 157, (159). Reichert, ZWE 2005, 173 (177). LG Saarbrücken, Urt. v. 16.12.2009 – 5 S 16/09, ZMR 2010, 402. AG Niebüll, Beschl. v. 27.5.2008 – 18 C 381/08, ZMR 2009, 82. Reichert, ZWE 2005, 173 (179). LG Hamburg, Urt. v. 11.2.2009 – 318 S 88/08, ZMR 2009, 754.

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Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.333 Teil 13

9. Aufwendungsersatzansprüche Aufwendungsersatzansprüche eines ausgeschiedenen Verwalters kommen nur insoweit in Betracht, als die getätigten Aufwendungen nach dem Willen der Parteien des Verwaltervertrages nicht bereits mit der Vergütung abgegolten sind. Letzteres ist allerdings etwa bei einer vom ausgeschiedenen Verwalter noch zu erstellenden Jahresabrechnung regelmäßig der Fall. Zu ersetzen sind hingegen etwa Aufwendungen, die durch den Ausgleich eines Schuldsaldos auf einem als offenes Treuhandkonto geführten Verwaltungskonto mit eigenen Mitteln für den ausgeschiedenen Verwalter entstanden sind.

13.331

Aufwendungsersatzansprüche für weitere Verwaltertätigkeit aufgrund berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden regelmäßig aus, da eine weitere Tätigkeit des ausgeschiedenen Verwalters außerhalb einer zu Amtszeiten begründeten (und damit ohnehin nicht gesondert zu vergütenden) Verpflichtung grundsätzlich dem Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer widerspricht. Gegeben sind derartige Ansprüche in Höhe der üblichen Vergütung allerdings, wenn die Gemeinschaft die Geschäftsführung des ausgeschiedenen Verwalters im Nachhinein durch Beschluss genehmigt (§ 684 S. 2 BGB). Im Übrigen kommen nur Ansprüche aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, welche allerdings ebenfalls ausscheiden, wenn die Leistungen für die Gemeinschaft wertlos sind, etwa deswegen, weil ihr ein gleichlautender Anspruch auch gegen den amtierenden Verwalter zusteht und sie die Vergütung an diesen bereits voll entrichtet hat.722

13.332

10. Rechtsschutz des Verwalters gegen die Kündigung des Anstellungsverhältnisses Bei der Kündigung des Verwaltervertrages handelt es sich um die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Mit der ganz überwiegenden Auffassung ist davon auszugehen, dass zwischen dem Kündigungsbeschluss als dem Ergebnis der internen Willensbildung der Gemeinschaft und der Kündigungserklärung gegenüber dem Verwalter als Gestaltungserklärung zu differenzieren ist.723 Die Kündigung ist als Gestaltungsrecht nur wirksam, wenn die Voraussetzungen, unter denen das Gestaltungsrecht ausgeübt werden kann, erfüllt sind.724 Ist die Kündigung des Verwaltervertrages auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt und liegt dieser Grund nicht vor, so ist die von dem Kündigenden dem Kündigungsempfänger gegenüber abgegebene Erklärung von vornherein nichtig.725 Eine Anfechtung des Kündigungsbeschlusses durch den ehemaligen Verwalter umfasst jedoch nicht die davon separat zu betrachtende Kündigung. Erforderlich ist vielmehr eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG i.V.m. § 256 ZPO.726 Die Bestandskraft des Abberufungsbeschlusses nimmt dem Verwalter grundsätzlich nicht die Möglichkeit, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen und seine vertraglichen Rechte geltend zu machen.727

722 BayObLG, Beschl. v. 18.10.1984 – BReg. 2 Z 42/84, MDR 1985, 145. 723 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 (572); BayObLG, Beschl. v. 22.5.1998 – 2Z BR 38/98, NZM 1999, 283 (284). 724 Suilmann, Das Beschlussmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht, S. 180, 181. 725 Weidenkaff in Palandt, § 626 BGB Rz. 9. 726 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 (571 f.); OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.2.1991 – 20 W 128/90; BayObLG, Beschl. v. 27.11.1998 – 2Z BR 150/98, NZM 1999, 283. 727 OLG Hamm, Beschl. v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, ZWE 2008, 64 ff.

Reichert †/Tank

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13.333

Teil 13 Rz. 13.334

Das Verwaltungsverhältnis

11. Rechtsschutz des Verwalters gegen seine Abberufung a) Hauptsacheverfahren

13.334 Die Frage des statthaften Rechtsschutzes für den Verwalter gegenüber seiner Abberufung ist geklärt.728 Noch in der Vorauflage wurde die Auffassung vertreten, dass die statthafte Rechtsschutzform die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG i.V.m. § 256 ZPO wäre. Abberufungsbeschluss und Abberufungserklärung seien getrennt voneinander vorgenommene Rechtsgeschäfte. Sie hätten unterschiedlichen Inhalt und werden gegenüber verschiedenen Adressaten vorgenommen.729 Aus diesen Gründen könne die Abberufungserklärung auch nicht im Abberufungsbeschluss enthalten sein. Erst die Abberufungserklärung sei unmittelbar auf die Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses gerichtet. Ihr gegenüber sei der abzuberufende Verwalter rechtsschutzbedürftig, da die Wirksamkeit der Erklärung über die Beendigung des Bestellungsrechtsverhältnisses entscheide. Die Wirksamkeit sei mit einem Feststellungsantrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG i.V.m. § 256 ZPO gerichtlich zu überprüfen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber Kündigung und Abberufung seien damit identisch.

13.335 Dies ist nicht länger vertretbar. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH730 ist der Verwalter zur Anfechtung des ihn abberufenden Beschlusses in entsprechender Anwendung von § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG berechtigt. Der Abberufungsbeschluss beinhaltet gleichzeitig die Abberufungserklärung731 und ist nicht nur Instrument der internen Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft, sondern unmittelbar auf die Aufhebung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse gerichtet. Der Verwalter hat daher den Abberufungsbeschluss nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG anzufechten, wenn er sich gegen die Abberufung zur Wehr setzen will.

13.336 In der Anfechtung des Abberufungsbeschlusses kann im Wege interessengerechter Auslegung gleichzeitig ein Feststellungsantrag zur gerichtlichen Überprüfung der Kündigung zu sehen sein.732 Hierauf sollte man sich nicht verlassen. Am sichersten wird eine Verbindung der Anfechtung des Abberufungsbeschlusses mit einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sein.

13.337–13.340 Einstweilen frei 13.341 Der Streitwert einer Anfechtungsklage des Verwalters entspricht dem Honorar für die Restlaufzeit des Verwaltervertrages, da es einem Verwalter (im Gegensatz zu einem anfechtenden Wohnungseigentümer) regelmäßig um dieses gehen soll.733

728 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 (571 f.). 729 S. hierzu m.w.N. Reichert, ZWE 2005, 173 (181). 730 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570 (571 f.); BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – V ZB 20/07, WuM 2007, 540 = ZMR 2007, 798 = MDR 2007, 1247. 731 Wenzel, ZWE 2001, 510 (513). 732 BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = ZWE 2002, 570. 733 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 3.9.2009 – 7 W 57/09, ZMR 2010, 141; Kümmel, MietRB 2010, 143 f.

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Reichert †/Tank

Die Rechtsstellung des ausgeschiedenen Verwalters

Rz. 13.342 Teil 13

M 23 Feststellungsklage Unwirksamkeit der Verwalterkündigung

13.342

Amtsgericht Abt. für Wohnungseigentumssachen … Klage In Sachen der Hausverwaltung … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn …, Waldstraße 113, 55126 Mainz – Antragstellerin – Prozessbevollmächtigte: RAe … gegen 1. sämtliche734 Wohnungseigentümer der Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz gemäß der in Anlage beigefügten Eigentümerliste – Antragsgegner zu 1 – Ersatzzustellungsvertreterin: Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz 2. die Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz, – Antragsgegnerin zu 2 – Zustellungsvertreter gemäß §§ 27 Abs. 3 S. 2 WEG, 170 Abs. 3 ZPO:735 Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz beantragen wir namens und in Vollmacht der Klägerin: 1. den Beschluss der Antragsgegner zu 1 in der Eigentümerversammlung vom 1.4.2019 zu TOP 1 über die Abberufung des Verwalters für ungültig zu erklären. 2. festzustellen, dass die Kündigung des Verwaltervertrages vom 1.4.2019 durch die Antragsgegnerin zu 2 unwirksam ist.

734 Bei der Anfechtung durch einen Wohnungseigentümer: „die übrigen“. 735 Oder falls vorhanden: „gemäß § 27 Abs. 3 S. 3 WEG“.

Reichert †/Tank

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Teil 13 Rz. 13.343

Das Verwaltungsverhältnis

b) Einstweilige Verfügung

13.343 Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG so lange gültig, bis sie durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt werden. Bei einer Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch einen Wohnungseigentümer entfällt mit Ablauf der Bestellungszeit das Rechtsschutzbedürfnis, ein etwaiger Rechtsstreit muss für erledigt erklärt werden.736 Erfolgt die Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch den Verwalter, so wird dies teilweise anders gesehen.737 Es wird vertreten, dessen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die Vergangenheit könne von der Rechtmäßigkeit der Abberufung abhängen, weswegen das Rechtsschutzbedürfnis trotz Ablauf der Bestellungszeit fortbestehe.738 Andere wollen das Rechtsschutzbedürfnis mit der Begründung fortbestehen lassen, der Verwalter könne zukünftig keine Vergütungsansprüche mehr geltend machen, wenn er den Abberufungsbeschluss bestandskräftig werden lässt.739 Da beides jedoch auf dem Boden der Trennungstheorie im Ergebnis äußerst fraglich ist, droht auch bei der nach h.M. erforderlichen Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch den Verwalter angesichts der Dauer gerichtlicher Verfahren, dass dieser sein Amt de facto nie mehr ausüben wird, und letztendlich die Sache aufgrund Zeitablaufs mit Ende der Bestellungszeit nur noch für erledigt erklärt werden kann. Um dieses für den anfechtenden Verwalter völlig unbefriedigende Ergebnis zu verhindern, bleibt nur, durch einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO zu beantragen, den Abberufungsbeschluss einstweilig bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage in der anhängig zu machenden Hauptsache außer Kraft zu setzen. Teilweise wird für die Aussetzung der Gültigkeit eines Beschlusses verlangt, dass dem Antragsteller das Warten auf den Ausgang des Anfechtungsprozesses wegen drohender irreparabler Schäden oder offenkundiger Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses unzumutbar ist, weil Gründe glaubhaft gemacht sind, die das grundsätzlich vorrangige Bestandsinteresse an dem angefochtenen Eigentümerbeschluss ausnahmsweise hinter das Einstellungs- bzw. Aussetzungsinteresse des Antragstellers zurücktreten lassen.740

736 OLG München, Beschl. v. 23.3.2006 – 34 Wx 10/06, ZMR 2006, 475; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 Wx 107/05, ZMR 2006, 544. 737 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 24.3.2010 – 2 Wx 6/08, MietRB 2010, 333; LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 77/09, ZMR 2011, 744. 738 OLG München, Beschl. v. 23.3.2006 – 34 Wx 10/06, ZMR 2006, 475; BayObLG, Beschl. v. 19.9.2001 – 2Z BR 89/01, ZMR 2002, 138; a.A. Jennißen, Der WEG-Verwalter, Rz. 399. 739 BayObLG, Beschl. v. 19.9.2001 – 2Z BR 89/01, ZWE 2001, 590 (592); a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, ZMR 2008, 64; OLG Köln, Beschl. v. 9.8.2000 – 16 Wx 67/00, NZM 2001, 429 = WuM 2001, 42. 740 LG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2011 – 318 S 180/10, ZMR 2011, 661.

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Reichert †/Tank

Entlastung des Verwalters

Rz. 13.346 Teil 13

M 24 Einstweiliger Rechtsschutz gegen Verwalterabberufungsbeschluss

13.344

Amtsgericht Abt. für Wohnungseigentumssachen … Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung In Sachen der Hausverwaltung … GmbH – Antragstellerin – Verfahrensbevollmächtigte: RAe … gegen sämtliche741 Wohnungseigentümer der Gemeinschaft Leibnizstr. 10, 55118 Mainz gemäß der in Anlage beigefügten Eigentümerliste – Antragsgegner – Ersatzzustellungsvertreterin: Frau X, Leibnizstr. 10, 55118 Mainz beantragen wir namens und in Vollmacht der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung: den Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 1.4.2019 zu TOP 1 über die Abberufung des Verwalters einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage (Az. …)742 außer Kraft zu setzen.

VI. Entlastung des Verwalters 1. Allgemeines Eine typische Konstellation im Wohnungseigentumsrecht: Eine Eigentümergemeinschaft ist 13.345 nicht mehr zufrieden mit der Arbeit des Verwalters und beruft ihn – manchmal sogar aus wichtigen Gründen fristlos – als Verwalter ab. Dann beginnt das „große Aufräumen“ und die Fragen nach einem eventuellen Schadensersatzanspruch und sonstigen Ansprüchen stellen sich. Hier beginnt (spätestens) die Beratungsleistung einer auf Wohnungseigentumsrecht spezialisierten Kanzlei. Gleichgültig, ob man auf der Seite der Wohnungseigentümergemeinschaft steht oder auf der Seite des Verwalters, die Prüfung von Ansprüchen gegen den Verwalter muss stets eine erteilte Entlastung des Verwalters im Blick umfassen,743 weshalb die Beschäftigung mit den Voraussetzungen und den Rechtwirkungen einer Entlastung von erheblicher Bedeutung ist.744 Ob Entlastungsbeschlüsse gefasst wurden, muss anhand der Protokolle vergangener Eigentümerversammlung konkret überprüft werden. 741 742 743 744

Bei dem Antrag eines Wohnungseigentümers: „die übrigen“. Aktenzeichen, falls bereits vorhanden, ansonsten Datum der Klage, etwa „vom 30.4.2019“. Vgl. Reichert, MietRB 2015, 249. Vgl. hierzu auch Köhler, ZMR 1999, 293.

Köhler

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13.346

Teil 13 Rz. 13.347

Das Verwaltungsverhältnis

13.347 Eine Anspruchsdurchsetzung kann durch Beschlüsse über Verwalterentlastungen behindert oder sogar verhindert werden.745

13.348 Sehr häufig wollen Einzelmandanten Beschlüsse von Eigentümerversammlungen überprüfen lassen, z.B. wenn sie nicht damit einverstanden sind, dass der Verwalter – ohne vorherigen Beschluss einer Eigentümerversammlung – über Gelder verfügt hat und diese Geldverfügung nunmehr durch Beschluss genehmigt wurde oder wenn die Jahresabrechnung beschlossen wurde und der Eigentümer meint, diese sei fehlerhaft. Bei vielen Prüfmandaten darf neben den „Kernfragen“ des Mandanten nicht außer Acht gelassen werden, dass ein in der Versammlung gefasster Beschluss über die Entlastung des Verwalters Auswirkungen haben kann auf die Position des Mandanten (oder der Eigentümergemeinschaft).

13.349 Gerade bei Beschlussfassungen über Jahresabrechnungen betrachten die meisten Eigentümer eine Beschlussfassung über die Entlastung als zwangsläufiges – und unbedeutendes – Anhängsel zur Abrechnungsbeschlussfassung; sie machen sich keine Vorstellung darüber, welche Rechtsqualität und welche weitreichenden Folgen Entlastungsbeschlüsse für die Eigentümergemeinschaft haben können und sind in der Regel sehr erstaunt über den Rechtsverlust, der durch eine Entlastung eintritt oder eintreten könnte. 2. Prüfungsschritte/Überlegungen des Rechtsanwalts

13.350 Stellt der Rechtsanwalt bei Durchsicht der ihm vorgelegten Unterlagen fest, dass in einem Versammlungsprotokoll ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters festgehalten ist, ergeben sich folgende Prüfungsschritte und Überlegungen für den Rechtsanwalt:

13.351 Checkliste Verwalterentlastung l Ist der Beschluss inhaltlich bestimmt oder so unbestimmt, dass von einer Nichtigkeit (oder jedenfalls Anfechtbarkeit) auszugehen ist?746 l Ist der Beschluss vom Versammlungsleiter verkündet worden?747 745 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, ZMR 2011, 573 = NJW 2011, 1346 = WuM 2011, 313 = ZWE 2011, 256 (Entlastung als negatives Schuldanerkenntnis); OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, OLGReport Köln 2002, 4 = ZMR 2001, 913 = NZM 2001, 862; sowie Köhler, ZMR 2001, 865; Köhler, ZMR1999, 293. 746 Erfordernis der inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit eines Beschlusses wegen der Bindung von Rechtsnachfolgern: BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 104/15, MDR 2016, 1009 = WuM 2016, 518; vgl. u.a. (zur objektiven und normativen Auslegung von Beschlüssen wie Eintragungen im Grundbuch) BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 289 = MDR 1999, 28 = NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955 = DWE 1998, 177 = ZMR 1999, 41 = WuM 1998, 738 = WE 1999, 93; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.6.1999 – 3 W 69/99, OLGReport Koblenz 2000, 53 = DWE 1999, 151 (LS); OLG Köln, Beschl. v. 9.1.1995 – 16 Wx 167/94, WE 1995, 221 = ZMR 1995, 493; zur eventuellen Nichtigkeit: BayObLG, Beschl. v. 17.9.1992 – 2Z BR 62/92, WuM 1992, 642 = DWE 1992, 164; zur Anfechtungsmöglichkeit eines inhaltlich unbestimmten Beschlusses: OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.1995 – 15 W 93/95, DWE 1995, 127. 747 Verkündung ist Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Versammlungsbeschlusses, vgl. BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/91, BGHZ 148, 335 = MDR 2001, 1238 = ZWE 2001, 530 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809 = NZM 2001, 961 = WuM 2001, 572 = DWE 2001, 105; obwohl diese Entscheidung älteren Datums ist, gibt es immer noch Fälle, in denen ein Beschluss nicht verkündet wurde, vgl. AG Pinneberg, Urt. v. 12.6.2018 – 60 C 41/17, ZMR 2018, 809 = ZWE 2018, 465; vgl. ergänzend Skauradszun, ZMR 2018, 122.

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Köhler

Entlastung des Verwalters

Rz. 13.352 Teil 13

l Sind bei dem Versammlungsprotokoll die von der Gemeinschaftsordnung vorgegebenen Protokollierungserfordernisse beachtet worden?748 l Ist die Frist für die Beschlussanfechtungsklage von 1 Monat, § 46 Abs. 2 WEG, noch einzuhalten oder ist die Frist wegen Nichtigkeit des Beschlusses obsolet? (Die vorstehenden Prüfungsschritte/Überlegungen des Rechtsanwalts zu den Punkten sind allgemeiner Natur; die folgenden Punkte beziehen sich spezifisch auf die Entlastung des Verwalters.) l Welche Wirkung und rechtliche Konsequenz hat die Entlastung? (vgl. unter Rz. 13.352) l Wo liegen die Grenzen für die Entlastung? (vgl. unter Rz. 13.353) l Hat der Verwalter bei der eigenen Entlastung ein Stimmrecht? (vgl. Rz. 13.354 ff.) l Hat der Verwalter Anspruch auf eine Entlastung? (vgl. unter Rz. 13.358 ff.) l Falls der Versammlungsbeschluss in Zusammenhang mit der Jahresabrechnung gebracht werden kann: Umfasst der Jahresabrechnungsbeschluss auch eine Entlastung und bedeutet ein isolierter Entlastungsbeschluss auch, dass gleichzeitig über die Jahresabrechnung beschlossen wurde? (vgl. Rz. 13.363 ff.) l Gibt es eine durchgreifende rechtliche Begründung für die „Entlastung“? (vgl. unter Rz. 13.372 ff.) l Entlastung = ordnungsmäßige Verwaltung? (vgl. unter Rz. 13.375 ff.) 3. Wirkungen der Entlastung im WEG-Recht a) Umfang der Entlastung Es existieren zahllose gerichtliche Entscheidungen zu den Wirkungen von Entlastungsbeschlüssen, die deutlich machen, dass mit der Entlastung ein umfassender Rechtsverlust für die Eigentümergemeinschaft verbunden ist,749 auch wenn die Rechtsprechung durchaus

748 Nichtbeachtung der Protokollierungserfordernisse führt zur Anfechtbarkeit: BGH, Urt. v. 30.3.2012 – V ZR 178/11, MDR 2012, 755 = NZM 2012, 509 = NJW2012, 2512, mit Anm. Schlüter, ZWE 2013, 133; einschränkend bei alleiniger Anwesenheit des Verwalters als Mehrheitseigentümer: BGH, Urt. v. 25.9.2015 – V ZR 203/14, MDR 2016, 14 = AnwBl 2016, 172 = ZWE 2016, 87, mit Anm. Elzer, IMR 2016, 18; zu einem ähnlichen Problem vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2008 – 15 Wx 15/08, NZM 2008, 808 = NJW-RR 2008, 1545; BGH, Beschl. v. 3.7.1997 – V ZB 2/97, BGHZ 136, 187 = MDR 1997, 919 = NJW 1997, 2956 = ZMR 1997, 531 = WuM 1997, 520 = DWE 1997, 117 = WE 1997, 466; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.3.1984 – 5 W 41/83, ZMR 1985, 30; vgl. auch AG Essen, Urt. v. 17.12.2015 – 196 C 164/15, Juris, bestätigt durch LG Dortmund, Urt. v. 16.8.2016 – 1 S 35/16, ZMR 2017, 259 = ZWE 2017, 141; AG Köln, Beschl. v. 19.3.2002 – 202 II 132/01, ZMR 2002, 793; sehr zweifelhaft ist die einschränkende Auslegung einer Protokollierungsklausel durch LG Frankfurt (Oder), Urt. v. 15.12.2009 – 6a S 41/09, Juris. 749 Das OLG Celle, Beschl. v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, OLGZ 1991, 309 = NJW-RR 1991, 979 = DWE 1992, 84 = WE 1991, 193, scheint eine etwas eingeschränkte Wirkung der Entlastung anzunehmen, wenn es ausführt, der Eintritt der Entlastungswirkung sei bei Konstellationen gerechtfertigt, die mit der Charakterisierung Irrtum des Verwalters umschrieben werden könnte; der Erklärungswert einer Entlastung sei nur dahin zu verstehen, dass der Verwalter für Folgen

Köhler

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13.352

Teil 13 Rz. 13.352

Das Verwaltungsverhältnis

die Wirkung der Entlastung in Einzelfällen beschränken will.750 Die Wirkungen im Einzelnen: – Im Regelfall billigen die Wohnungseigentümer mit dem Beschluss über die Entlastung des Verwalters dessen zurückliegende Amtsführung im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig; sie sprechen ihm auf diese Weise gleichzeitig für die künftige Tätigkeit ihr Vertrauen aus. Folge dieser Vertrauenskundgabe ist der Eintritt der Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses.751 – Ansprüche eines Wohnungseigentümers wegen Schäden an seinem Sondereigentum sind von der Entlastung des Verwalters nicht betroffen, weil die Versammlung der Wohnungseigentümer keine Kompetenz hat, auf derartige (individuellen) Ansprüche zu verzichten.752 Wegen der fehlenden Beschlusskompetenz wäre ein gleichwohl ergangener Beschluss insoweit nichtig. – Der Verwalter wird (nur) von bekannten oder bei sorgfältiger Prüfung erkennbaren Schadensersatzansprüchen753 sowie von damit konkurrierenden Ansprüchen754 der Wohnungseigentümer freigestellt (das erfasst z.B. Ansprüche wegen mangelhafter Verfolgung

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von Unzulänglichkeiten und Fehlern nicht mehr soll einstehen müssen; dem folgt die gesamte andere Rechtsprechung jedoch nicht. So z.B. BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, ZWE 2001, 263 = ZMR 2001, 558 = NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = WuM 2001, 301, wenn es Entlastungsbeschlüsse im Zusammenhang mit Jahresabrechnungsbeschlüssen nicht auf Versäumnisse des Verwalters bei Gewährleistungsfragen erstreckt (das kann nur richtig sein, wenn der konkrete Beschlussinhalt eine solche Schlussfolgerung zulässt). BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 (zur Beiratsentlastung); BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124; vgl. auch LG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.1.2018 – 2-13 S 72/17, ZWE 2018, 272 = ZMR 2018, 617; LG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2013 – 25 S 53/13, ZMR 2014, 389 = ZWE 2014, 407, (in der Entlastung liege ein negatives Schuldanerkenntnis). BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 (zur Beiratsentlastung). Vgl. KG, Beschl. v. 28.1.2010 – 24 W 43/09, MDR 2010, 435 = WuM 2010, 314 = ZWE 2010, 183 = ZMR 2010, 467; OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2008 – 15 Wx 15/08, NZM 2008, 808 = NJWRR 2008, 1545 = ZMR 2009, 217; BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124; BGH, Urt. v. 3.12.2001 – II ZR 308/99, MDR 2002, 401 = VersR 2003, 208 (zur Entlastung bei einer Genossenschaft); BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 53/87, MDR 1988, 646 = NJW-RR 1988, 745 (zur Entlastung beim Vorstand eines Vereins); BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72 = WE 1997, 306 (Anspruch gegen den Verwalter auf Herausgabe von nicht ordnungsgemäß verwendeten Hausgeldern); BGH, Urt. v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, MDR 1986, 125 = EWiR 1985, 889 = NJW 1986, 129 (zur Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers); OLG Köln, Beschl. v. 13.6.1988 – 16 Wx 21/88, WuM 1989, 207; KG, Beschl. v. 30.11.1992 – 24 W 1188/92, WuM 1993, 140 = NJW-RR 1993, 404; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, OLGReport Köln 2002, 4 = ZMR 2001, 913 = NZM 2001, 862; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.12.1999 – 11 Wx 76/99, OLGReport Karlsruhe 2000, 259 = ZWE 2000, 426 = ZMR 2000, 196 = NZM 2000, 298 = WuM 2000, 91. BayObLG, Beschl. v. 23.2.2001 – 2Z BR 36/01, BayObLGR 2001, 33 = ZMR 2001, 567 = NZM 2001, 537 = WuM 2001, 200.

Köhler

Entlastung des Verwalters

Rz. 13.352 Teil 13

der gemeinschaftlichen Gewährleistungsansprüche755 oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung, soweit keine Straftat vorliegt)756, – die Entlastung ist auf alle erkennbaren Ansprüche der Gemeinschaft gegen die Verwaltung bezogen,757 – der Verwalter ist nicht mehr nach § 667 BGB758 verpflichtet, das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben,759 – die Eigentümergemeinschaft verzichtet ganz allgemein auf mögliche Ansprüche aus der Geschäftsbesorgung des Verwalters,760 – der Verwalter ist nicht mehr verpflichtet, das aus ungerechtfertigter Bereicherung oder das aus Geschäftsführung ohne Auftrag Erlangte herauszugeben,761 – Abberufung und Kündigung des Verwalters können nicht mehr auf solche Gründe gestützt werden, die zeitlich vor dem Entlastungsbeschluss liegen,762 – der Verwalter ist nicht mehr zu Auskünften verpflichtet, die den Zeitraum vor der Entlastung betreffen,763 – das Recht eines Wohnungseigentümers auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen wird durch die Entlastung allerdings nicht berührt,764 – der Verwalter ist von der Pflicht zur weiteren Rechnungslegung befreit,765

755 Zu Schadensersatzansprüchen aufgrund schuldhafter Verletzung des Verwaltervertrages wegen nicht ausreichenden Hinweises auf Gewährleistungsfristen: BayObLG, Beschl. v. 30.8.1989 – 2 Z 40/89, ZMR 1990, 65 = WuM 1990, 178 = MDR 1990, 157. 756 OLG Celle, Beschl. v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, OLGZ 1991, 309 = NJW-RR 1991, 979 = DWE 1992, 84 = WE 1991, 193. 757 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.1.2018 – 2-13 S 72/17, ZWE 2018, 272 = ZMR 2018, 617 (für die Nichterkennbarkeit von Ansprüchen trägt die Gemeinschaft die Feststellungslast). 758 § 667 BGB: „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.“ 759 BayObLG, Beschl. v. 16.9.1993 – 2Z BR 55/93, WuM 1994, 43 = BayObLGR 1994, 2 = WE 1994, 283. 760 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.7.1988 – 20 W 76/88, OLGZ 1989, 60 = DWE 1988, 142; vgl. aber die berechtigte Kritik an der „Verzichtstheorie“ Staudinger/Jacoby (2018) § 26 Rn 224. 761 Vgl. hierzu auch LG Hamburg, Urt. v. 30.1.2013 – 318 S 127/11, ZMR 2013, 984 = ZWE 2014, 131; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.8.2003 – 20 W 525/00, Juris. 762 BayObLG, Beschl. v. 6.8.1985 – 2 Z 45/85, ZMR 1985, 390 = NJW-RR 1986, 445; OLG Köln, Beschl. v. 9.8.2000 – 16 Wx 67/00, OLGReport Köln 2001, 43 = NJW-RR 2001, 159 = NZM 2001, 429 = DWE 2001, 157. 763 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.8.2003 – 20 W 525/00, juris; BayObLG, Beschl. v. 24.1.1978 – 2 Z 45/77, Rpfleger 1979, 66 = WEM 1979, 38. 764 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.6.2016 – 2-13 S 13/14, DWE 2016, 127 = ZMR 2016, 982. 765 BayObLG, Beschl. v. 28.4.1975 – 2 Z 22/75, ZMR 1976, 88 = BayObLGZ 1974, 161 = NJW 1975, 2073.

Köhler

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Teil 13 Rz. 13.352

Das Verwaltungsverhältnis

– der Verwalter ist von allen noch nicht erfüllten Verwaltungsobliegenheiten entbunden,766 – eine Haftungsfreizeichnung, die gegenüber einem Verwalter ausgesprochen wurde, ist nicht identisch mit einer Entlastung.767 b) Grenzen bei der Entlastung

13.353 Von einer Entlastung werden alle Vorgänge erfasst, die bei der Beschlussfassung den Wohnungseigentümern bekannt waren oder von den Wohnungseigentümern bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt hätten erkannt werden können.768 Erfasst werden von einer Entlastung also solche Umstände nicht, die zum Zeitpunkt des Beschlusses weder bekannt noch mit zumutbarer Sorgfalt und Aufmerksamkeit erkennbar gewesen sind. Trifft diese Annahme zu, können Ansprüche gegenüber dem Verwalter ohne Beeinträchtigung geltend gemacht werden. Ebenso wenig erfasst eine Entlastung Ansprüche aus dem Sondereigentum769 oder Ansprüche aus einem strafbaren Verhalten des Verwalters.770 Die Umstände einer strafbaren Handlung des Verwalters werden häufig zu denen gehören, die die Wohnungseigentümer auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht erkennen konnten. Bei einigen, in den letzten Jahren offenkundig gewordenen Fällen wird man das jedoch mit Fug und Recht stark bezweifeln können.771 Ist das strafbare Verhalten des Verwalters bekannt und wird gleichwohl eine Entlastung erteilt, erfasst diese Entlastung auch die zivilrechtlichen Ansprüche der Eigentümergemeinschaft. Dann könnte die Gemeinschaft die zivilrechtlichen Ansprüche nicht mehr oder doch nur mit Risiko geltend machen; auf ein solches Risiko ist bei der rechtsanwaltlichen Beratung hinzuweisen. 4. Hat der Verwalter bei der eigenen Entlastung ein Stimmrecht?

13.354 Bei der Überprüfung einer Beschlussfassung muss auch beurteilt werden, ob der Beschluss wirksam zu Stande gekommen ist. Dazu gehört auch die Frage, ob der Verwalter bei der Beschlussfassung über die eigene Entlastung mit abstimmen durfte und wie sich dessen Stimmabgabe auf das Zustandekommen des Beschlusses ausgewirkt hat. Allgemein wird dem Verwalter, auch wenn er zugleich Wohnungseigentümer ist, kein Recht zugebilligt, bei seinem Entlastungsbeschluss mitzustimmen.772 766 BayObLG, Beschl. v. 28.4.1975 – 2 Z 22/75, ZMR 1976, 88 = BayObLGZ 1974, 161 = NJW 1975, 2073. 767 Vgl dazu LG Hamburg, Urt. v. 17.5.2017 – 318 S 85/16, ZMR 2017, 666 = ZWE 2017, 458, hier war von einer Untergemeinschaft die Haftungsfreizeichnung des Verwalters erklärt worden, was keine Auswirkung auf einen Entlastungsbeschluss der Gesamtgemeinschaft hat. 768 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.2.2001 – 2Z BR 36/01, BayObLGR 2001, 33 = ZMR 2001, 567 = NZM 2001, 537 = WuM 2001, 300; hierzu Riecke, WE 2001, 271. 769 BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = NZM 2018, 615 = ZWE 2018, 316 (zur Beiratsentlastung). 770 OLG Celle, Beschl. v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, OLGZ 1991, 309 = NJW-RR 1991, 979 = WE 1991, 193. 771 Vgl. LG Bonn, 9. Große Strafkammer, Urt. v. 20.3.2018 – 29 KLs-400 Js 1236/13-2/18, Juris und Urt. v. 5.6.2018 – 29 KLs-400 Js 1236/13-1/17, ZWE 2018, 421; Köhler, DWE 2017, 4 ff. 772 Bub, Finanz- und Rechnungswesen, S. 116; Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 28 WEG Rz. 203; vgl. OLG Köln, Beschl. v. 8.11.2006 – 16 Wx 165/06, ZMR 2007, 715 = NZM 2007, 334 = NJW-RR 2007, 670 (zur Verwalterentlastung und zum Ausschluss des Stimmrechts bei gleichzeitigem Beschluss über die Jahresabrechnung); zum Ausschluss des Stimmrechts bei der eigenen Entlastung des Verwaltungsbeirats: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.3.2002 – 3 W 184/01, ZWE 2002,

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Köhler

Entlastung des Verwalters

Rz. 13.359 Teil 13

Vom Stimmrecht ist der Verwalter nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung auch dann ausgeschlossen, wenn ihm von einem Wohnungseigentümer Vollmacht erteilt wurde, selbst wenn dieVollmacht ausdrückliche Weisungen für das Abstimmungsverhalten enthält.773

13.355

Stimmt ein Verwalter bei dem Beschluss mit, ist eine Beschlussanfechtung, die sich nur hierauf stützt, allerdings nur dann erfolgreich, wenn die Stimme(n) des Verwalters für das Zustandekommen des Beschlusses ausschlaggebend war(en).774

13.356

Ich bin – allerdings im Gegensatz zu der ganz herrschenden Meinung – der Auffassung, dass 13.357 Entlastungsbeschlüsse generell ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen;775 unabhängig davon teile ich aber die Auffassung, dass der Verwalter von der aktiven Teilnahme an der Abstimmung über seine Entlastung stets ausgeschlossen ist, gleichgültig, ob der Verwalter selbst Eigentümer ist oder er (mit oder ohne konkrete Abstimmungsweisung) bevollmächtigt wurde. 5. Anspruch des Verwalters auf Entlastung? Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft hat keinen Anspruch auf Entlastung, es sei denn, es bestehen diesbezüglich besondere Vereinbarungen zwischen Eigentümergemeinschaft und Verwalter oder der Verwalter könnte sich auf eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung stützen, die vorsieht, dass er einen Anspruch auf Entlastung hat.

13.358

Ein „Anspruch“ ist nach § 194 BGB ein Recht, ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Ein Recht, von den Eigentümern ein Tun, nämlich die Erteilung der Entlastung, verlangen zu können, könnte sich für den Verwalter nur aus dem Gesetz (dem Wohnungseigentumsgesetz oder anderen gesetzlichen Vorschriften), der Gemeinschaftsordnung (als Vertrag oder „Ordnung“ zu Gunsten des Verwalters als Dritter) oder dem wirksam zu Stande gekommenen Verwaltervertrag ergeben. Das Wohnungseigentumsgesetz und auch andere gesetzliche Regelungen enthalten keinerlei Anhaltspunkt für einen Anspruch eines WEG-Verwalters auf Entlastung. Regelungen in Gemeinschaftsordnungen, die einen Anspruch auf Entlastung gewähren, sind selten; gelegentlich findet man in Gemeinschaftsordnungen die Regelung, dass dem Verwalter mit dem Beschluss über die Abrechnung auch Entlastung zu erteilen sei und bei Nichterteilung der Entlastung eine Verpflichtung der Gemeinschaft besteht, die Verweigerung ausführlich sachlich auf Wunsch des Verwalters schriftlich zu begründen – allerdings stets ohne nähere Bestimmung, wie das erfolgen soll. Die Eigentümergemeinschaft wird in diesem Fall durch Beschluss (unter dem TOP „Entlastung“) handeln müssen, die Verweigerungsgründe beschließen lassen und jemanden aus der Gemeinschaft beauftragen müssen, die Verweige-

13.359

283 = ZMR 2002, 345 = OLGReport Zweibrücken 2002, 337; das LG Stralsund, Beschl. v. 6.12.2001 – 2 T 51/00, ZMR 2003, 68 = NZM 2003, 327, meint, bei der Abstimmung über die Jahresabrechnung sei der Verwalter nur vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn in diesem Beschluss zugleich ein Beschluss über eine Entlastung liege (gegen LG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.10.1987 – 2/9 T 1014/87, NJW-RR 1988, 596). 773 Vgl. Fn. zuvor, sowie LG Itzehoe, Urt. v. 31.5.2013 – 11 S 14/11, Juris; AG Weimar, Urt. v. 1.3.2013 – 5 C 839/11, ZMR 2013, 582 = ZWE 2014, 53; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.10.1987 – 2/9 T 1014/87, NJW-RR 1988, 596; vgl. auch AG Weimar, Urt. v. 1.3.2013 – 5 C 839/11, ZMR 2013, 582 = ZWE 2014, 53 (in diesem Fall lag jedoch keine Vollmacht mit Weisung vor). 774 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 40/88, WuM 1988, 329 = DWE 1988, 142; vgl. auch AG Weimar, Urt. v. 1.3.2013 – 5 C 839/11, ZMR 2013, 582 = ZWE 2014, 53. 775 Vgl. im Einzelnen Köhler, ZMR1999, 293.

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Teil 13 Rz. 13.359

Das Verwaltungsverhältnis

rungsbegründung schriftlich (in Textform) abzufassen und dem Verwalter zuzustellen. In Verwalterverträgen findet man neuerdings aufgrund von Vorschlägen der Verwalterverbände immer häufiger Regelungen über den Anspruch auf Entlastung.

13.360 Die Literatur und Rechtsprechung vertritt zu Recht die Auffassung, dass der WEG-Verwalter im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich keinen Anspruch auf Entlastung hat776 und ein solcher Anspruch nur dann gegeben sein könnte, wenn die Gemeinschaftsordnung oder der Verwaltervertrag diesen Anspruch begründen.777 Ein Anspruch auf Entlastung durch langjährige Übung existiert nach meiner Auffassung nicht.778 Eine solche Übung (vgl. z.B. die „betriebliche Übung“ im Arbeitsrecht) beruht auf einer Erwirkungshandlung (Gegensatz zur Verwirkungshandlung), die stets voraussetzt, dass Umstände vorliegen, die das Vertrauen in die Fortsetzung der Handlung schutzwürdig erscheinen lassen. Ein Vertrauen darauf, dass eine Vertrauenserklärung hinsichtlich der künftigen Verwaltertätigkeit abgegeben wird,779 kann es nicht geben.

13.361 Nicht nur im Wohnungseigentumsrecht, sondern z.B. auch im GmbH-Recht und im Vereinsrecht wird ein Anspruch auf Entlastung verneint. Während das Reichsgericht die Klage eines Vereinsvorstandes auf Entlastung als zulässig ansah, meinte der BGH780 – jedenfalls für den GmbH-Geschäftsführer –, dass ein einklagbarer Anspruch auf Entlastung nicht besteht. Das OLG Celle781 und auch der 16. Senat des OLG Köln782 (der ehemals auch für Rechtsbeschwerden in WEG-Sachen zuständig war) folgten dem BGH für Fälle der Entlastung von Vereinsvorständen. Die Argumentation der Entscheidungen ist sehr ähnlich. Mit der Entlastung des Vorstandes/Geschäftsführers werde dessen Amtsführung für die Vergangenheit gebilligt und ihm gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung das Vertrauen ausgesprochen. Mit der Entlastung sei die Folge verbunden, dass Ersatzansprüche und Kündigungs- oder Abberufungsgründe ausgeschlossen seien, die für die Gesellschafter/Mitglieder bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar seien. Die Aufgabe dieser Rechte könnte ebenso wenig gefordert werden wie die Billigung der bisherigen und das Vertrauen in die künftige Geschäftsführung. Vertrauen könne nicht erzwungen werden. Die Geschäftsführung der zurückliegenden Entlastungsperiode werde aber auch nicht allein danach beurteilt, ob die Angelegenheiten sorgfältig (mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes) bearbeitet wurden und ob ord776 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.1996 – 3 Wx 581/94, ZMR 1996, 622 = WuM 1996, 723 = WE 1996, 465 = FGPrax 1996, 219 = OLGReport Düsseldorf 1997, 1 = NJW-RR 1997, 525; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.1980 – 3 W 189/80, DWE 1981, 25; Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 204. 777 BayObLG, Beschl. v. 7.1.1980 – 2 Z 9/79, ZMR 1982, 256 = Rpfleger 1980, 192 = DWE 1980, 61 = WEM 1981, 44; BayObLG, Beschl. v. 9.9.1980 – 2 Z 67/79, DWE 1982, 35; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.1980 – 3 W 189/80, DWE 1981, 25. 778 Vgl. zum Vereinsrecht OLG Celle, Urt. v. 9.3.1994 – 20 U 44/93, NJW-RR 1994, 1545 = NdsRPfl 1994, 210; OLG Köln, Beschl. v. 29.3.1996 – 16 W 20/96, NJW-RR 1997, 483; beide Gerichte verneinen eine Observanz (ein Vereinsgewohnheitsrecht); Zweifel äußert auch Gottschalg, Haftung Verwalter, Rz. 235. 779 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650, mit Anm. Rau, (der BGH hat ausgeführt, durch die Entlastung sprächen die Wohnungseigentümer dem Verwalter gleichzeitig für die künftige Verwaltertätigkeit ihr Vertrauen aus). 780 BGH, Urt. v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 = NJW 1986, 129 = LM § 91a GmbHG Nr. 20. 781 OLG Celle, Urt. v. 9.3.1994 – 20 U 44/93, NJW-RR 1994, 1545 = NdsRPfl 1994, 210. 782 OLG Köln, Beschl. v. 29.3.1996 – 16 W 20/96, NJW-RR 1997, 483.

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Entlastung des Verwalters

Rz. 13.365 Teil 13

nungsgemäß Rechnung gelegt wurde, sondern auch danach, ob der zu Entlastende bei der Führung des Unternehmens eine „glückliche Hand“ gehabt habe. Hier habe aber das Entlastungsgremium eine breite Spanne des Ermessens, die es erlaube, die Entlastung zu erteilen oder zu verweigern, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Deshalb sei ein Anspruch auf Entlastung nicht gegeben.

13.362

Für das Wohnungseigentumsrecht kann man diese Argumentation gleichfalls vertreten. 6. Die Inkongruenz von Jahresabrechnung und Entlastung und von Entlastung und Jahresabrechnung

Die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Entlastung des Verwalters“ in nahezu jede Ein- 13.363 ladung einer ordentlichen Eigentümerversammlung und die meist unmittelbare Beziehung zur Beschlussfassung über die Jahresabrechnung lässt die Frage aufkommen, ob der Beschluss über die Jahresabrechnung auch eine Entlastung des Verwalters enthält. Das OLG Düsseldorf783 meinte, sofern sich die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung nicht ausdrücklich eine Entlastung vorbehielten, müsse in dem Beschluss über die Jahresabrechnung auch eine Entlastung gesehen werden. Diese Auffassung ist nach meiner Auffassung falsch. Die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ist nicht identisch mit einer Beschlussfassung über die Entlastung und umgekehrt besteht auch keine Identität zwischen Entlastungsbeschluss und Beschluss über die Jahresabrechnung.

13.364

Die Rechtsprechung hat sich bereits vor der oben erwähnten Entscheidung des OLG Düsseldorf mehrfach mit den Beziehungen zwischen Entlastung und Jahresabrechnung beschäftigt. Aus dem Beschluss über die Entlastung des Verwalters soll unter bestimmten Umständen – so jedenfalls die mehrfach geäußerte Meinung des BayObLG784 – auch die Billigung der Jahresabrechnung entnommen werden können. Dem widersprach aber das Kammergericht785 und führte aus, eine Entlastung des Verwalters könne nicht gleichzeitig ein Beschluss über die Jahresabrechnung sein. Das OLG Düsseldorf786 meinte, ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters enthalte dann auch eine Billigung der Jahresabrechnung, wenn diese Abrechnung in der Versammlung zuvor erörtert worden ist.

13.365

783 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, ZWE 2000, 270 = OLGReport Düsseldorf 2001, 407 = ZMR 2001, 301 = NZM 2001, 537 = NJW-RR 2001, 949; vgl. hierzu die Kritik von Demharter, ZWE 2001, 256; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, ZWE 2002, 82 = OLGReport Düsseldorf 2002, 111 = ZMR 2002, 294 = NZM 2002, 264 = WuM 2002, 168, Anm. hierzu von Demharter, ZMR 2002, 369. 784 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 2.4.1992 – 2Z BR 10/92, WuM 1992, 329 = DWE 1992, 76; BayObLG, Beschl. v. 22.9.1988 – 2 Z 82/88, WuM 1989, 41; BayObLG, Beschl. v. 26.8.1988 – 1b Z 16/88, WuM 1988, 419 = DWE 1989, 79; BayObLG, Beschl. v. 7.7.1988 – 2 Z 82/87, WuM 1988, 419 = Grundeigentum 1988, 1227 = DWE 1989, 183; BayObLG, Beschl. v. 14.2.1980 – 2 Z 2/79, ZMR 1980, 186 = WEM 1981, 42. 785 KG, Beschl. v. 18.6.1986 – 24 W 4940/85, WuM 1986, 356 = NJW-RR 1986, 1337. 786 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.1999 – 3 Wx 69/99, ZMR 1999, 655 = WuM 1999, 544 = DWE 1999, 130 = OLGReport Düsseldorf 2000, 81.

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Teil 13 Rz. 13.366

Das Verwaltungsverhältnis

13.366 Umgekehrt soll der Beschluss über die Jahresabrechnung auch die Entlastung des Verwalters enthalten, so die schon oben erwähnte Entscheidung des OLG Düsseldorf,787 des BayObLG788 und des OLG Köln.789 Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe790 enthält die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung auch die Entlastung des Verwalters für die in der Abrechnung zur Darstellung gebrachten Verwaltungshandlungen. Die Billigung der Jahresabrechnung könne, so auch das LG München I, im Einzelfall auch die Entlastung des Verwalters beinhalten – der Regelfall sei das aber nicht.791

13.367 Anerkannt ist allerdings in der Rechtsprechung, dass eine Beschlussfiktion (eine Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass die Abrechnung als anerkannt gilt, wenn der einzelne Wohnungseigentümer nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich der Abrechnung widerspricht) jedenfalls nicht gleichzeitig die Entlastung eines Verwalters umfasst.792

13.368 Nach meiner Meinung sind die Auffassungen, die von einer Übereinstimmung der Jahresabrechnung mit einer Entlastung und umgekehrt ausgehen, falsch. Beschlussfassungen über die Jahresabrechnung und die Entlastung können von dem rechtlichen und tatsächlichen Umfang nicht identisch sein und haben auch unterschiedliche Reichweiten.

13.369 Die Jahresabrechnung des Verwalters beinhaltet lediglich das Zahlenwerk über die in der vergangenen Rechnungsperiode vom Verwalter vorgenommenen Zahlungen und die Zuflüsse an gezahlten Hausgeldern (Beiträge zu den Lasten und Kosten). Daneben zeigt sie noch die Ansammlung der Instandhaltungsrücklage und die Verwendung der angesammelten Rücklagenbeträge. Dabei ist in der Rechtsprechung durchgängige Meinung, dass auch unberechtigte Zahlungen des Verwalters in die Jahresabrechnung aufzunehmen sind.793 Schon dies schließt aus, dass die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung mit einer Entlastung gleichgesetzt werden könnte.794 Außerdem beinhaltet die Jahresabrechnung nur eine beschränkte

787 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, ZWE 2000, 270 = OLGReport Düsseldorf 2001, 407 = ZMR 2001, 301 = NZM 2001, 537 = NJW-RR 2001, 949; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, ZWE 2002, 82 = OLGReport Düsseldorf 2002, 111 = ZMR 2002, 294 = NZM 2002, 264 = WuM 2002, 168. 788 BayObLG, Beschl. v. 12.11.1992 – 2Z BR 73/92, WuM 1993, 92; BayObLG, Beschl. v. 31.10.1989 – 2 Z 93/89, WuM 1990, 175 = DWE 1990, 28; BayObLG, Beschl. v. 9.6.1988 – 2 Z 40/88, WuM 1988, 329; BayObLG, Beschl. v. 6.3.1987 – 2 Z 26/86, WuM 1988, 101 = BayObLGZ 1987, 86 = NJW-RR 1988, 81; BayObLG, Beschl. v. 24.10.1978 – 2 Z 45/77, Rpfleger 1979, 66 = WEM 1979, 38. 789 OLG Köln, Beschl. v. 30.10.1985 – 16 Wx 88/85, OLGZ 1986, 163 = WE 1986, 18 = NJW 1986, 328. 790 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.8.1979 – 11 W 32/79, WEM 1980, 80. 791 LG München I, Beschl. v. 11.9.2014 – 1 T 15087/14, ZWE 2104, 419 = ZMR 2015, 146; vgl. dazu auch die Anm. Elzer, IMR 2014, 478, und Heinemann, MietRB 2014, 332. 792 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.1990 – V ZB 8/90, BGHZ 13, 197 = ZMR 1991, 146 = NJW 1991, 979 = WuM 1991, 216 = MDR 1991, 517 = DWE 1991, 70; BayObLG, Beschl. v. 22.12.1983 – 2 Z 6/83, BayObLGZ 1983, 314 = JMBlBY 1984, 56; so auch Bub, Finanz- und Rechnungswesen, S. 108. 793 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, ZMR 2011, 573 = NJW 2011, 1346 = WuM 2011, 313 = ZWE 2011, 256; ob Zahlungen, die der Verwalter vorgenommen hat, berechtigt waren, sind nur für die Entlastung relevant, nicht jedoch für die Genehmigung einer Jahresabrechnung: LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.5.2018 – 2-13 S 91/16, ZMR 2018, 789 = WuM 2018, 590. 794 Vgl. Demharter, ZWE 2001, 256; Gottschalg, Haftung Verwalter, Rz. 246.

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Entlastung des Verwalters

Rz. 13.371 Teil 13

Aussage über die „ordnungsmäßige“ (entlastungswürdige) oder „nicht ordnungsmäßige“ Tätigkeit des Verwalters, weil Tätigkeiten oder insbesondere Nicht-Tätigkeiten des Verwalters sich nicht in der Jahresabrechnung niedergeschlagen haben müssen.795 „Verwaltungshandlungen“ im Sinne der bereits zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe796 können sich auch in unberechtigten Zahlungen des Verwalters niedergeschlagen haben, die zwangsläufig in eine Jahresabrechnung einzustellen sind, aber mit der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung gerade nicht „genehmigt“ werden. Zu Recht führt das Landgericht Berlin aus, dass die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung nicht dazu dient, dem Verwalter eine ordnungsgemäße Rechnungslegung oder Buchführung zu bescheinigen, weshalb die Genehmigung der Jahresabrechnung durch die Wohnungseigentümerversammlung insbesondere keine Billigung der von dem Verwalter getätigten Ausgaben beinhaltet.797 Auch der BGH798 weist richtigerweise darauf hin, dass der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung keine konstitutive Bedeutung für das Verhältnis der Eigentümergemeinschaft zum Verwalter zukomme. Sehr deutlich stellt der BGH in verschiedenen Entscheidungen darauf ab, dass durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung die Rechtsstellung der Gemeinschaft im Hinblick auf (Regress-)Ansprüche gegen den Verwalter nicht beeinträchtigt wird799 und die Genehmigung der Jahresabrechnung keine konkludente Billigung der vom Verwalter getätigten Ausgaben enthält.800 Bei der Formel „Jahresabrechnungsbeschluss = Entlastung“ wird also verkannt, dass die Entlastung in ihrer Wirkung sehr viel weiter geht als ein Abrechnungsbeschluss. Es kann nicht von einem Teil (= Jahresabrechnung) auf ein umfassendes Ganzes (= Entlastung) geschlossen werden.

13.370

Bei der Formel „Entlastungsbeschluss = Jahresabrechnungsgenehmigung“ ist zwar richtig, dass die Eigentümergemeinschaft oder einzelne Mitglieder der Gemeinschaft bei Bestandskraft des Entlastungsbeschlusses keine weiteren Ansprüche gegenüber dem Verwalter auf Erstellung einer Abrechnung geltend machen können, gleichwohl ist im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander der Inhalt der Jahresabrechnung durch den Entlastungsbeschluss nicht bindend festgestellt und es wird auch keine Fälligkeit der sich aus den Einzel-

13.371

795 Dies sah auch das BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, ZWE 2001, 263 = ZMR 2001, 558 = NZM 2001, 388 = NJW-RR 2001, 731 = WuM 2001, 301: Werde dem Verwalter im Zusammenhang mit der Abrechnung Entlastung erteilt, beschränke sich die Entlastung auf das Verwalterhandeln, welches in der Abrechnung seinen Niederschlag gefunden habe. 796 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.8.1979 – 11 W 32/79, WEM 1980, 80. 797 LG Berlin, Urt. v. 29.6.2018 – 55 S 96/17 WEG, Grundeigentum 2018, 1599 = Juris; vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 5.12.2017 – 1 S 28/17, ZMR 2018, 350 = ZWE 2018, 270: Will sich ein Eigentümer gegen die vom Verwalter vorgenommene Aufnahme unberechtigter Ausgaben in der Jahresabrechnung wehren, ist nicht die Jahresabrechnung, sondern die Verwalterentlastung anzufechten. Die Genehmigung einer Jahresabrechnung beinhaltet nicht zugleich auch die konkludente Billigung des Verwalterhandelns im betreffenden Wirtschaftsjahr. 798 BGH, Urt. v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = ZMR 1997, 308 = NJW 1997, 2106 = DWE 1997, 72 = WE 1997, 306. 799 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, WuM 2011, 381 = ZMR 2011, 652 = NJW 2011, 2202 m.w.N. 800 BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, ZMR 2011, 573 = NJW 2011, 1346 = WuM 2011, 313 = ZWE 2011, 256.

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Teil 13 Rz. 13.371

Das Verwaltungsverhältnis

abrechnungen ergebenden Spitzenbeträge erzeugt. Durch einen Entlastungsbeschluss kann also nicht gleichzeitig die Jahresabrechnung beschlossen worden sein.801 Beide Rechtskreise und Beschlüsse müssen demnach sehr genau unterschieden und voneinander getrennt betrachtet werden. 7. Die rechtliche „Begründung“ für eine Entlastung

13.372 In Literatur und Rechtsprechung traf man bis zur Entscheidung des BGH vom 17.7.2003802 überwiegend auf die Meinung, ein Entlastungsbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Erstaunlich war aber dabei, dass entweder nur die apodiktische Feststellung geäußert wurde, die Entlastung sei eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG, oder es fand sich keinerlei Aussage hierüber, weil – offensichtlich – die Ordnungsmäßigkeit der Entlastung stillschweigend vorausgesetzt wurde.

13.373 Um die Ordnungsmäßigkeit eines Entlastungsbeschlusses zu begründen, wurde meist die Entscheidung des BayObLG vom 22.12.1983803 herangezogen. In dieser und anderen Entscheidungen stieß man aber nicht etwa auf eine Begründung dafür, warum eine Entlastung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen sollte, sondern nur auf Erwägungen, wann eine Entlastung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Das BayObLG hatte in der Entscheidung vom 22.12.1983 ausgeführt, es müsse eine Prüfung erfolgen, ob dem Verwalter Versäumnisse angelastet werden könnten. Lägen solche Versäumnisse vor, könnte die Rechtsposition der Wohnungseigentümer durch den Entlastungsbeschluss negativ beeinflusst werden und der Entlastungsbeschluss wäre für ungültig zu erklären. Das BayObLG setzte also ohne Begründung voraus, dass ein Entlastungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

13.374 Eine Entscheidung des OLG Schleswig804 versuchte, eine Begründung dafür zu liefern, warum eine Entlastung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen soll. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, es sei Wohnungseigentümergemeinschaften grundsätzlich unbenommen, ihrer Verwalterin Entlastung zu erteilen, weil nämlich die Wohnungseigentümer ein schützenswertes Interesse an der Entlastung hätten. Dieses Interesse könne darin liegen, das Verhältnis zu der Verwalterin nicht zu trüben, oder darin, Streitigkeiten zwischen einer Minderheit der Wohnungseigentümer und der Verwaltung … ein für alle Mal zu beenden. Deshalb, so das OLG Schleswig, entspreche die Entlastung ordnungsmäßiger Verwaltung. 8. Entlastung = ordnungsmäßige Verwaltung a) Entlastung bei fehlerhaftem Verhalten des Verwalters

13.375 Unbestritten ist, dass eine Entlastung des Verwalters nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn dem Verwalter ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln angelastet werden kann,805 801 Keinerlei Grundlage hat die Meinung von Jennißen, Verwalterabrechnung, S. 179, dass der Entlastung des Verwalters die Funktion zukomme, die Jahresabrechnung „bindend festzustellen“. 802 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650, mit Anm. Rau; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 40/03, MDR 2004, 85 = DWE 2004, 143 = ZWE 2004, 74. 803 BayObLG, Beschl. v. 22.12.1983 – 2 Z 6/83, BayObLGZ 1983, 314 = JMBlBy 1984, 56. 804 OLG Schleswig, Beschl. v. 23.1.2002 – 2 W 137/01, ZMR 2002, 383. 805 BayObLG, Beschl. v. 22.12.1983 – 2 Z 6/83, BayObLGZ 1983, 314 = JMBlBy 1984, 56; BayObLG, Beschl. v. 24.10.1978 – 2 Z 45/77, Rpfleger 1979, 66 = WEM 1979, 38.

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Entlastung des Verwalters

Rz. 13.378 Teil 13

z.B., wenn er unrichtige806 oder unvollständige807 Jahresabrechnungen oder Wirtschaftspläne erstellt, er eine neue Abrechnung erstellen muss808 oder er unberechtigt Gelder aus dem Gemeinschaftsvermögen entnommen hat. Besteht eine Verpflichtung zur Erstellung einer Vermögensübersicht809 und fehlt diese bei der Jahresabrechnung, darf dem Verwalter jedenfalls auch keine Entlastung erteilt werden.810 Bei Fehlern in der Jahresabrechnung/im Wirtschaftsplan darf auch dem Verwaltungsbeirat keine Entlastung erteilt werden.811 Führt ein Verwalter die Konten der Gemeinschaft als offene Treuhandkonten (statt als offene Fremdgeldkonten), ist dies fehlerhaft und dem Verwalter darf keine Entlastung erteilt werden.812 Ebenso darf keine Entlastung erteilt werden, wenn der Verwalter keine ordnungsgemäße Tätigkeit ausübt und insoweit Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.813 Kommen erkennbar Ansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen den Verwalter in Betracht, ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf mögliche Ansprüche zu verzichten.814

13.376

Wurden die Einzelabrechnungen der Jahresabrechnung nicht genehmigt, muss ein gleichwohl gefasster Beschluss über die Entlastung des Verwalters für ungültig erklärt werden, weil der Verwalter seine Abrechnungspflicht noch nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.815 Ist der Verteilungsschlüssel für eine Kostenposition (z.B. bei der Zuführung Rücklage Tiefgarage) nicht korrekt, darf dem Verwalter keine Entlastung erteilt werden.816

13.377

Ein „faktischer“ Verwalter (Scheinverwalter), also ein Verwalter, der nie ordnungsgemäß von 13.378 einer Wohnungseigentümerversammlung bestellt wurde, darf, entgegen der Entscheidung des 806 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 300 = NZM 2010, 243; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 28.10.1998 – 2Z BR 116/98, ZMR 1999, 185 = WE 1999, 153; vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 3.6.2017 – 17 S 232/16, ZMR 2017, 758 = ZWE 2017, 455; LG Rostock, Urt. v. 30.6.2017 – 1 S 143/16, ZMR 2017, 835; LG Dortmund, Urt. v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 640; LG München I, Urt. v. 13.5.2013 – 1 S 10826/12, Juris. 807 Vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 40/03, MDR 2004, 85 = ZfIR 2003, 1001 = ZMR 2003, 942 = NJW 2003, 3554 = ZWE 2004, 74 (keine Entlastung bei fehlenden Angaben über den Stand der Gemeinschaftskonten und der Instandhaltungsrücklage); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2000 – 3 Wx 283/00, ZWE 2001, 77 = OLGReport Düsseldorf 2011, 153 = ZMR 2000, 55 = NZM 2001, 432 = WuM 2001, 41. 808 LG Frankfurt/M., Urt. v. 8.3.2016 – 2-9 S 99/14, ZWE 2016, 332. 809 Diese Pflicht besteht bei der Jahresabrechnung immer (Nachweis der Instandhaltungsrücklage). 810 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650. 811 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/69, ZMR 2010, 300 = NJW 2010, 2127; zur Entlastung des Verwaltungsbeirats vgl. auch BGH, Urt. v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 = ZWE 2018, 316 = WuM 2018, 446. 812 So völlig zu Recht AG Mettmann, Urt. v. 15.4.2016 – 26 C 40/14, ZMR 2016, 913; vgl. dazu auch die Anm. Fodor, IMR 2017, 113. 813 LG Berlin, Urt. v. 21.2.2014 – 55 S 365/12 WEG, Grundeigentum 2014, 884 = ZWE 2015, 39; vgl. dazu die Anm. Krause, IMR 2014, 477. 814 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650; vgl. auch LG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.1.2018 – 2-13 S 72/17, ZWE 2018, 272 = ZMR 2018, 617. 815 OLG München, Beschl. v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, MDR 2008, 620 = ZMR 2009, 64 = NJWRR 2008, 1182 = ZWE 2009, 27. 816 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10, WuM 2011, 381 = NJW 2011, 2202 = ZMR 2011, 652.

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Teil 13 Rz. 13.378

Das Verwaltungsverhältnis

OLG Düsseldorf,817 nicht entlastet werden. Allein die Tatsache, dass kein ordnungsgemäßer Bestellungsbeschluss erfolgte und damit ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung vorliegt, schließt eine Entlastung aus. Die nicht ordnungsgemäße Bestellung kann (jedenfalls in der Regel) dem Nicht-Verwalter angelastet werden. b) Entlastung des Verwalters, wenn keine Mängel in der Verwaltertätigkeit erkennbar sind

13.379 Betrachtet man die umfassende Wirkung eines Entlastungsbeschlusses einerseits und die fehlende Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft zur Entlastung andererseits, so drängt sich die grundsätzliche Frage auf, ob eine Entlastung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, auch wenn keine Mängel im Verwalterhandeln erkennbar sind.

13.380 Diese Frage hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.7.2003818 grundsätzlich entschieden; man mag die Richtigkeit der Entscheidung, wie ich, bezweifeln,819 in der Praxis wird man sie beachten müssen, weil die Rechtsprechung der Instanzgerichte kaum von der Linie des BGH abweichen wird.820

13.381 Der BGH vertritt die Auffassung,821 die Entlastung eines Verwalters stehe nicht schon grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung. In Rechtsverhältnissen, bei denen Rechenschaft über eine längerfristig angelegte Geschäftsbesorgung durch Rechnungslegung zu geben ist, stehe dieser Verpflichtung als Korrelat das Institut der Entlastung gegenüber. Raum für eine Entlastung sei hiernach auch im Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter.

13.382 Im Regelfall billigten die Wohnungseigentümer mit dem Beschluss über die Entlastung des Verwalters dessen zurückliegende Amtsführung im jeweils (im Beschluss) genannten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Die Wohnungseigentümer sprächen dem Verwalter auf diese Weise gleichzeitig ihr Vertrauen für seine künftige Verwaltertätigkeit aus.

13.383 Der Entlastungsbeschluss werde typischerweise in der Annahme gefasst, dass Ansprüche gegen den Verwalter nicht bestehen, weshalb er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses abzielten; diese Wirkungen seien vielmehr lediglich Folge der Vertrauenskundgabe.

13.384 Die Bedeutung der Entlastung des Verwalters könne nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses reduziert werden, weshalb es sich auch verbiete, die Folge der Präklusi817 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1998 – 3 Wx 393/98, ZMR 1999, 274 = WE 1999, 69 = NZM 1999, 269 = OLGReport Düsseldorf 1999, 303 = WuM 1999, 481. 818 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650. 819 Kritisch zur Entscheidung ebenfalls: Schmid, ZWE 2009, 377 ff.; AG Kerpen, Beschl. v. 28.11.2003 – 15 II 54/03, NZM 2004, 112; AG Kerpen, Urt. v. 20.5.2010 – 26 C 52/09; nachgehend LG Köln, Urt. v. 9.12.2010 – 29 S 114/10, Juris. 820 Wie auch die weiteren Entscheidungen des BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – V ZB 40/03, MDR 2004, 85 = DWE 2004, 143 = ZWE 2004, 74; BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 300 = ZWE 2010, 170. 821 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = MDR 2003, 1222 = ZMR 2003, 750 = NJW 2003, 3124 = WuM 2003, 650.

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Entlastung des Verwalters

Rz. 13.390 Teil 13

on von Ansprüchen als alleiniges Kriterium für die Prüfung einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu wählen. Auch wenn der Verwalter, anders etwa als der Geschäftsführer einer GmbH, nicht die Verantwortung für den geschäftlichen Erfolg eines Unternehmens trage, seien ihm doch auch beträchtliche Vermögenswerte anderer anvertraut. Er habe insbesondere für eine ordnungsgemäße Verwaltung, Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Sorge zu tragen; seine persönliche und fachliche Qualifikation sei somit entscheidend für den Erhalt des Wertes der Wohnanlage.

13.385

Die Wohnungseigentümer müssten daher dem Verwalter ein hohes Maß an persönlichem Vertrauen in dessen Redlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft entgegenbringen. Umgekehrt ist auch der Verwalter für den Erfolg seiner Tätigkeit auf eine von solchem Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit den Wohnungseigentümern angewiesen.

13.386

Die Entlastung stelle für die Wohnungseigentümer eine Möglichkeit dar, gegenüber dem Ver- 13.387 walter kundzutun, dass ihm das notwendige Vertrauen entgegengebracht werde. Damit werde die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft geschaffen. Eine solche vertrauensvolle Zusammenarbeit liege im Interesse der Wohnungseigentümer, weil ihre Rechtsbeziehungen zu dem Verwalter auf längere Zeit angelegt und als Dauerschuldverhältnis zu charakterisieren sind.

13.388

Selbst wenn die Wohnungseigentümer keine Verpflichtung treffe, eine Entlastung zu erteilen, könnten sie ein vernünftiges Interesse daran haben, aus freien Stücken durch die Entlastung eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter zu sichern.

13.389

Die Argumentation des Bundesgerichtshofs überzeugt mich nicht. Der BGH spricht davon, bei einer „längerfristig angelegten Geschäftsbeziehung“ stünde der Verpflichtung des Verwalters als Gegenstück (das meint der BGH wohl mit „Korrelat“) die Entlastung gegenüber. Warum gerade bei einer wohnungseigentumsrechtlichen Geschäftsbeziehung, bei der sowieso schon die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB eingreift, ein noch kurzfristiger angelegtes „Korrelat“ notwendig oder geboten sein soll und es (jedenfalls grundsätzlich) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen soll, wenn vorzeitig eine Entlastung erteilt wird, die als Folge dieser Erklärung ein negatives Schuldanerkenntnis nach sich zieht, beantwortet der BGH mit rechtlichen Gründen nicht. Er weicht stattdessen auf die emotionale Ebene aus, auf das „Vertrauen in des Verwalters zukünftige Verwaltertätigkeit“. Das ist in der wohnungseigentumsrechtlichen Geschäftsbeziehung jedoch ein völlig ungeeignetes Kriterium, um rechtfertigen zu können, den Verwalter für die Vergangenheit frei zu zeichnen (auch wenn das „nur“ Folge einer Erklärung ist). Persönliche und fachliche Qualifikationen eines Verwalters für eine insgesamt ordnungsmäßige Verwaltung, zu der nicht nur die Rechnungslegung gehört, sondern auch die verwaltungsmäßige und technische Betreuung des gemeinschaftlichen Objekts, die saubere finanzielle Abwicklung von Zahlungen an die Gemeinschaft oder von der Gemeinschaft, sind sicher ganz wesentliche Eigenschaften, um bei den Eigentümern Vertrauen „in die Redlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft“ des Verwalters zu erwecken. Dieses Vertrauen dokumentiert sich aber in erster Linie in der Genehmigung von Jahresabrechnungen, Beauftragungen und Abwicklungen von Instandsetzungsmaßnahmen usw. sowie in der (regelmäßigen) Wiederwahl des Verwalters und bedarf keiner zusätzlichen Entlastung. Ein Verwalter, der die Verwaltung von Wohnungseigentum qualifiziert als Geschäft betreibt, lebt davon, dass die von ihm betriebenen Verwaltungsmaßnahmen nicht von einzelnen Eigen-

13.390

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Teil 13 Rz. 13.390

Das Verwaltungsverhältnis

tümern außergerichtlich und gerichtlich angegriffen werden oder solche Angriffe souverän abgewehrt werden. Für die Bestätigung seiner Leistung und für seine weitere Tätigkeit benötigt er keinen weiteren „Vertrauensbeweis“. Das Abstellen des BGH auf ein „vernünftiges Interesse“ ist nicht nur sprachlich, sondern insbesondere auch rechtlich inhaltsleer.

13.391 Die praktische Erfahrung hat leider gezeigt, dass diejenigen Verwalter – oder auch Beiräte –, die auf eine Entlastung großen Wert legen und in den Versammlungen zu einem EntlastungsBeschluss drängen, befürchten müssen, mit Ansprüchen der Gemeinschaft konfrontiert zu werden.

13.392 Für die Vereinbarkeit eines Entlastungsbeschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung bleibt allerdings – auch nach Ansicht des BGH – weiterhin maßgebend, ob Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen. Ist das der Fall, so ist eine Entlastung auch nach der m.E. verfehlten Rechtsprechung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn „aus besonderen Gründen“ Anlass besteht, auf mögliche Ansprüche zu verzichten.

13.393 „Besondere Gründe“, bei denen eine solche Ausnahme „gerechtfertigt“ sein könnten, werden vom BGH nicht genannt; die von ihm in der Entscheidung verwendeten Zitatstellen sind nicht geeignet, sie zu belegen. Sind Ansprüchen erkennbar, könnte die Eigentümergemeinschaft z.B. auf die gerichtliche Geltendmachung verzichten, wenn die Kosten-Nutzen-Relation dagegen spricht; auch noch einen „Entlastungsbeschluss“ zu fassen, wäre nicht nur nicht notwendig, sondern wenig sinnbringend. 9. Streitwerte/Beschwer

13.394 Wie oben gezeigt, hat ein Entlastungsbeschluss die Folge eines umfassenden Rechtsverlusts. Bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Entlastung des Verwalters muss dieser Möglichkeit des Rechtsverlustes durch Bemessung des Streitwertes822 Rechnung getragen werden. Bei der Beschlussfassung über eine Entlastung des Verwalters (oder auch des Beirats) wissen die Eigentümer gerade nicht, ob noch Ansprüche gegen Verwalter (oder Beirat) bestehen; es muss deshalb nach meiner Auffassung an das Gefährdungspotential gedacht werden. Dem kann man nur mit einer pauschalen Bewertung gerecht werden. Die früher vertretene Auffassung, den Geschäftswert für eine Verwalterentlastung auf 10 % der Jahresabrechnungssumme festzusetzen823 und für die Entlastung des Verwaltungsbeirats wegen eines (vermuteten) geringeren Haftungsumfanges auf 5 % der Jahresabrechnungssumme, habe ich für richtig gehalten. Der BGH hat allerdings ausgeführt, dass sich die Beschwer – und der Streitwert – nicht ohne weiteres an dem Prozentsatz der Gesamtjahresabrechnung orientieren kann; die Auffassung des OLG Köln hat der BGH abgelehnt.824

13.395 Die Bestimmung des Werts muss, so die neuere Rechtsprechung, nach billigem Ermessen, auch unter Berücksichtigung des „Wertes“ einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“, erfolgen. Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für die Höhe eventueller Schadensersatzansprü-

822 Weitere Einzelheiten zu den Streitwerten siehe den von Maier bearbeiteten Teil 26. 823 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.12.2002 – 16 Wx 196/02, NZM 2003, 125; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.7.1999 – 3 W 129/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 156 = ZMR 1999, 663. 824 BGH, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, ZMR 2011, 654 = WuM 2011, 390 = ZWE 2011, 654 = NZM 2011, 489.

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Entlastung des Verwalters

Rz. 13.396 Teil 13

che, sind diese zu berücksichtigen. Gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für einen höheren Wert, sind 1.000 Euro angemessen.825 Die für die Zulässigkeit einer Berufung notwendige Beschwer richtet sich zwar grundsätzlich nach der persönlichen Beschwer826 des Berufungsführers, für die Entlastung des Verwalters hat der BGH aber in seiner Entscheidung vom 31.3.2011 einen Wert von 1.000 Euro angesetzt, wenn keine besonderen Anhaltspunkte für einen höheren Wert existierten.827 Der BGH hat auch in dieser Entscheidung auf die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung abgestellt und das Interesse sowohl hieran orientiert als auch an dem Wert, den mögliche Ansprüche gegen den Verwalter haben. Das Interesse der Wohnungseigentümer an der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Verwaltung sei nicht teilbar und bei allen Wohnungseigentümern gleich; deshalb könne für die Ermittlung der Beschwer dieses Interesse auch nicht am Beteiligungsverhältnis des einzelnen Wohnungseigentümers (= Miteigentumsanteil) gemessen werden. Zur Beschwer bei der Beiratsentlastung siehe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.2.2017.828

825 BGH, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, ZMR 2011, 654 = WuM 2011, 390 = ZWE 2011, 654 = NZM 2011, 489; LG München I, Beschl. v. 13.4.2017 – 1 T 7014/16, ZMR 2017, 673 (Streitwerte Entlastung Verwalter t 1.000, Beirat t 500); zum Streitwert bei der Beiratsentlastung vgl. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.2.2018 – 2-13 T 18/18, WuM 2018, 317 = ZMR 2018, 623; LG Hamburg, Urt. v. 12.7.2017 – 318 S 1/17, ZMR 2017, 915; OLG Köln, Beschl. v. 29.7.2015 – 16 W 29/15, ZMR 2015, 993 = ZWE 2016, 143 (Streitwert t 1.000, kann aber auch bei t 2.000 liegen). 826 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.12.2002 – 16 Wx 196/02, NZM 2003, 125. 827 BGH, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, ZMR 2011, 654 = WuM 2011, 390 = ZWE 2011, 654 = NZM 2011, 489. 828 BGH, Beschl. v. 9.3.2017 – V ZB 113/16, MDR 2017, 876 = WuM 2017, 426 = ZWE 2017, 332.

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13.396

Teil 14 Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einrichtung des Verwaltungsbeirats – Begründung und Beendigung von Amts- und Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14.1

14.3

III. Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . 14.20 IV. Der Verwaltungsbeirat als Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.33 V. Aufgaben und Befugnisse des Beirats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.37 1. Gesetzliche Aufgaben . . . . . . . . . . . 14.37 2. Erweiterung des Aufgabenkreises durch Vereinbarung . . . . . . . . . . . . 14.43

3. Erweiterung des Aufgabenkreises durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . 14.45 VI. Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats zum Verband und den einzelnen Eigentümern . . . . . 14.54 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.54 2. Rechtsbeziehungen zum Verband . . 14.58 3. Rechtsbeziehungen zu den Eigentümern . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.66 VII. Der Beirat als Vertreter im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 14.71 VIII. Haftung für das Handeln des Beirats und Zurechnung des Wissens der Beiratsmitglieder . . . . . . . . . . 14.77

I. Überblick Ziel dieses Abschnitts ist es nicht, sämtliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Verwaltungsbeirat zu erörtern. Insoweit ist auf das neben den einschlägigen Kommentierungen zu § 29 WEG umfangreiche Spezialschrifttum zu verweisen.1 Hier geht es darum, dem Anwalt, der nicht selten von Beiräten „namens der Gemeinschaft“ aufgesucht wird, aufzuzeigen, welche Funktionen der Beirat als Gremium hat und – insbesondere hierauf kommt es bereits bei der Mandatserteilung an – welche Befugnisse dem (einzelnen oder gesamten) Verwaltungsbeirat zustehen.

14.1

Das Gesetz enthält nur rudimentäre Regelungen.2 Neben § 29 WEG finden der Verwaltungsbeirat bzw. sein Vorsitzender und dessen Stellvertreter Erwähnung in § 24 Abs. 3, Abs. 6 S. 2 WEG. Aufgaben und Befugnisse ergeben sich vor allem aus § 29 Abs. 2 und 3 WEG. Primär ist der Beirat dafür verantwortlich, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen (§ 29 Abs. 2 WEG) und das Zahlenwerk der Gemeinschaft zu prüfen (§ 29 Abs. 3 WEG). Daneben treten Aufgaben im Zusammenhang mit Versammlungen der Eigentümer; von praktischer Bedeutung ist insbesondere das beschränkte Einberufungsrecht nach § 24 Abs. 3 WEG (näher zu den Aufgaben unten Rz. 14.37 ff.).

14.2

1 Z.B. Drasdo, Der Verwaltungsbeirat, 4. Aufl. 2011 (zit. VBR); Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter – Handbuch für Verwalter und Beirat, 2010, Teil B (S. 255 ff.); Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. Aufl. 2009; Maas, Der Verwaltungsbeirat als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, 2000 (zit. Verwaltungsbeirat); Wolicki, Der Verwaltungsbeirat im WEG, 3. Aufl. 2018 (zit. VBR); vgl. auch PiG, Bd. 61, Verwalter und Verwaltungsbeirat, 2001. 2 Dies könnte sich ändern. Der Diskussionsentwurf für ein „Gesetz für zukunftsfähiges Wohnen im Wohneigentum“ des bay. StMJ (abrufbar über die Homepage des BMJV) sieht in § 29 eine deutlich detailliertere Regelung vor.

Häublein

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Teil 14 Rz. 14.3

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

II. Einrichtung des Verwaltungsbeirats – Begründung und Beendigung von Amts- und Anstellungsverhältnis 14.3 Das Einrichten eines Verwaltungsbeirats ist grds. fakultativ. Nach h.M. ist es zulässig, dieses in der Gemeinschaftsordnung, d.h. durch Vereinbarung, gänzlich auszuschließen oder an eine qualifizierte Mehrheit (auch Allstimmigkeit; s. den Hinweis unten) zu knüpfen.3 Aus der Tatsache, dass das WEG die gesetzliche Beschlusskompetenz nur vereinzelt ausdrücklich gegen abweichende Vereinbarungen sichert (z.B. §§ 12 Abs. 4 S. 2, 16 Abs. 5 WEG) und aus § 20 Abs. 2 WEG, der zwar den Verwalter als Organ, nicht aber den Beirat festschreibt, wird e contrario die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen gefolgert, auch wenn die Rechtslage als „zweifelhaft und umstritten“ bezeichnet wird.4 Da sich ein Ausschluss des Beirats als Institution aus Sicht eines unbefangenen Eigentümers nicht empfiehlt, sind strenge Anforderungen an den Wortlaut eines dauerhaften Ausschlusses zu stellen. Das subjektive Interesse des aufteilenden Eigentümers ist bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen. Ist gleichwohl von einem Ausschluss auszugehen, ist der Mehrheitsbeschluss, durch den dennoch ein Beirat gewählt wird, nach der Rechtsprechung mangels Beschlusskompetenz nichtig.5 Allerdings hat der BGH entschieden, dass § 29 WEG die Eigentümer nicht daran hindert, durch Mehrheitsbeschluss einen Sonderausschuss für bestimmte einzelne Aufgaben einzurichten, sofern dadurch nicht Eigentümer und Verwalter in den ihnen durch Gesetz oder Vereinbarung zugewiesenen Befugnissen beschnitten werden.6

14.4 Hinweis: Da ein Eigentümerbeschluss, der die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, nach ganz h.M. nicht nichtig, sondern nur anfechtbar ist, muss genau abgegrenzt werden, ob die Regelung der Gemeinschaftsordnung die Wahl eines Beirates ausschließt oder lediglich an eine qualifizierte Mehrheit knüpft.7 Die Klausel „Ein Verwaltungsbeirat wird nicht bestellt. Die Einsetzung eines Verwaltungsbeirats bedarf der Zustimmung aller Miteigentümer.“8 statuiert aus Sicht eines unbefangenen Eigentümers ein Mehrheitserfordernis, schließt aber nicht die beschlussweise Bestellung eines Beirates aus. Es ist nämlich selbstverständlich und daher nicht regelungsbedürftig, dass alle Miteigentümer eine bestehende Vereinbarung ändern können. Der zweite Satz der Klausel ist daher als Vorbehalt eines allstimmigen Beschlusses zu verstehen, weshalb die Klausel die Kompetenz zur Beschlussfassung gerade nicht ausschließt, sodass ein Mehrheitsbeschluss nur anfechtbar wäre.

14.5 Grundsätzlich folgt aus § 21 Abs. 4 WEG kein Anspruch auf Einrichtung eines Beirats; die Mehrheit hat insofern ein Ermessen. Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen sind.9 Anerkanntermaßen kann die Errichtung eines Beirats in der Gemeinschaftsordnung vorgeschrieben werden; dann entspricht nur dies ordnungsmäßiger Verwaltung. Allerdings kann sich die Durchsetzung selbst dann als schwierig 3 BayObLG, Beschl. v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, ZMR 1994, 69 = WuM 1994, 45; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 2; Drasdo, VBR, Rz. 25 f. m.N. zur Gegenansicht. 4 Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 16 f. 5 AG München, Urt. v. 30.7.2009 – 483 C 393/09, ZMR 2010, 811 m. Hinw. auf BayObLG, ZMR 1994, 69; bestätigt in der Berufung durch LG München I, Beschl. v. 12.10.2009 – 36 S 16624/09, juris; a.A. Müller, Prakt. Fragen, 9. Teil Rz. 308: Beschluss nur anfechtbar. 6 BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168 (Rz. 8). 7 Zutr. Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 18. 8 S. BayObLG, Beschl. v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, ZMR 1994, 69 = WuM 1994, 45. 9 Becker/Ott/Suilmann, Rz. 786; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 9; Drasdo, VBR, Rz. 23; Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 29 WEG Rz. 4.1; Grüner in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Teil 10 Rz. 3; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 13; Bub, ZWE 2002, 7, 11.

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Einrichtung und Beendigung des Verwaltungsbeirats

Rz. 14.9 Teil 14

erweisen, wenn der Weg über § 21 Abs. 8 WEG beschritten wird.10 Erklären sich nämlich nur ein oder zwei Eigentümer bereit, das Amt zu übernehmen, besteht nach h.M. der Anspruch nicht, weil es (ungeschriebene) Voraussetzung desselben ist, dass die für eine ordnungsmäßige Besetzung des Beirats erforderliche Kandidatenzahl vorhanden ist (s. dazu aber auch die Kritik in Rz. 14.30).11 Zum Teil wird eine Ermessenreduzierung auf Null und damit ein Anspruch auf Einrichtung eines Beirates auch ohne entsprechende Vereinbarung erwogen.12 In der Tat ist ein solcher Anspruch nicht vollkommen ausgeschlossen, hat aber in der Praxis infolge der hohen Ermessenshürde kaum Relevanz.13 Verletzt ein Beirat seine Pflichten schuldhaft oder widerspricht dessen Mitgliedschaft aus anderen Gründen ordnungsmäßiger Verwaltung, kann ein Anspruch auf Neubesetzung des Gremiums bestehen (dazu auch sub Rz. 14.31).14 Die Wahl des Verwaltungsbeirats erfolgt durch einfachen Mehrheitsbeschluss, es sei denn, etwas anderes ist vereinbart (s.o. Rz. 14.3).15 Daher genügt die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht,16 d.h., ein Kandidat ist erst dann gewählt, wenn auf ihn mehr Ja- als NeinStimmen entfallen.

14.6

Beispiel: A, B und C bewerben sich um ein vakantes Beiratsmandat. Von den 10 anwesenden Eigentümern stimmen 4 für A und jeweils 3 für B und C. Kein Kandidat hat in diesem Fall die erforderliche Mehrheit erhalten. Stellt der Versammlungsleiter aber gleichwohl (fälschlicherweise) das Zustandekommen eines Beschlusses fest, kann dieser bestandskräftig werden.17

14.7

Der Abstimmungsleiter hat, wie stets, ein Ermessen bei der Organisation der Stimmabgabe, muss aber Festlegungen durch Vereinbarung oder Geschäftsordnungsbeschluss beachten.18 Wird über jeden Kandidaten einzeln abgestimmt (speziell zur Blockwahl Rz. 14.12), muss Folgendes berücksichtigt werden:

14.8

Hat ein Kandidat die erforderliche Stimmmehrheit erreicht, bedeutet dies nicht per se seine Wahl in den Beirat. Erhalten nämlich von den übrigen Kandidaten weniger als zwei die erforderliche Mehrheit, widerspräche die Wahl nach Ansicht des BGH wegen des Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 S. 2 WEG ordnungsmäßiger Verwaltung (dazu Rz. 14.30). Ob die Mehrheit einen

14.9

10 Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 14; S. ferner Drasdo, VBR, Rz. 23; Bub, ZWE 2002, 7, 8. 11 Vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168, m. krit. Anm. Elzer, ZMR 2010, 546; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 14 i.V.m. § 21 WEG Rz. 278. 12 So etwa Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 13; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 9 mit in Betracht kommenden Beispielen; Müller, Prakt. Fragen, 9. Teil Rz. 308: Anspruch in Ausnahmefällen; Wolicki, VBR, S. 31. 13 Vgl. Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 29 WEG Rz. 4.1. 14 KG, Beschl. v. 8.1.1997 – 24 W 7947/95, ZMR 1997, 544; der Verwalter hat einen derartigen Anspruch auf Abwahl eines bestimmten Beiratsmitglieds zwar nicht, kann aber nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht Sekundäransprüche gegen die Gemeinschaft geltend machen, wenn diese einen Beirat im Amt belässt, obwohl dieser dem Verwalter gegenüber bestehende Pflichten verletzt hat, Drasdo, ZWE 2001, 522, 525. 15 BayObLG, Beschl. v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, ZMR 1994, 69, 70 = WuM 1994, 45. 16 Zutr. Armbrüster, ZWE 2001, 355, 358; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 20; a.A. Müller, Prakt. Fragen, 9. Teil Rz. 309. 17 BayObLG, Beschl. v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, ZWE 2002, 405, 406 f. = NZM 2002, 529, 530 – ganz h.M.; anders aber Elzer, ZWE 2007, 165, 171 ff. 18 S. BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 324/17, Rz. 6, ZWE 2019, 74 = MDR 2019, 1054 zur Verwalterwahl. Ausführlich zur Festlegung der Modalitäten Häublein in Staudinger (2018), § 23 WEG Rz. 150 ff.

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Teil 14 Rz. 14.9

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

solchen (anfechtbaren) Beschluss fassen wollte, ist ungewiss, wenn dies nicht ex ante so festgelegt wurde, was z.B. in einem ersten Abstimmungsvorgang erfolgen kann;19 es dürfte sich um einen Geschäftsordnungsbeschluss handeln, der mit einfacher Mehrheit zu fassen ist. Stellen sich mehr Kandidaten zur Wahl als Beiratsposten zu vergeben sind, müssen ferner die vom BGH zur Verwalterwahl aufgestellten Maßstäbe berücksichtigt werden. Da ohne anderweitige Festlegung ein Eigentümer mehrmals mit „Ja“ stimmen kann, selbst wenn nur ein Beiratsmitglied (nach) zu wählen ist, muss über alle Kandidaten abgestimmt werden. Die Wahl darf also nicht bereits dann abgebrochen werden, wenn eine für die Besetzung erforderliche Zahl von Kandidaten mit Stimmenmehrheit „gewählt“ ist.20 Vielmehr ist im ersten Wahlgang über alle Kandidaten abzustimmen. In einem weiteren Wahlgang ist dann über diejenigen Kandidaten abzustimmen, die die erforderliche Mehrheit erhalten haben. Zweckmäßigerweise sind hier, durch den Abstimmungsleiter oder durch Geschäftsordnungsbeschluss, Kriterien festzulegen, die die Auswahl der erforderlichen Zahl von Mitgliedern ermöglichen (z.B. die Kandidaten mit den meisten Ja-Stimmen).

14.10 Das Einverständnis durch die gewählte Person ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung, da niemand gegen seinen Willen in ein Amt gezwungen werden kann.21 Empfänger dieser Willenserklärung ist, da der Beirat ein Amt für den Verband ausübt, dessen Vertreter, meist der Verwalter (dazu näher Rz. 14.56). Die Zustimmung kann konkludent erklärt werden, z.B. durch Übernahme des Amtes. Sofern in diesem Kontext von einer „Annahme“ der Wahl in das Amt gesprochen wird,22 weckt das zu Unrecht die Assoziation eines Vertragsschlusses (zur Unterscheidung von Amt und Vertrag s. Rz. 14.54 ff.). Die Wahl ist und bleibt ein Organisationsakt. Ob bereits mit der Kandidatur die zustimmende Willenserklärung abgegeben wird, ist eine Frage des Einzelfalls, für deren Beantwortung es maßgeblich darauf ankommt, ob bereits bei Kandidatur die Bedingungen feststanden, zu denen die Wahl dann tatsächlich erfolgt ist.

14.11 Bei der Abstimmung über die Wahl in das oder der ordentlichen Abberufung aus dem Beiratsamt ist der Kandidat nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen.23 Anderes gilt wegen § 25 Abs. 5 WEG aber grds. dann, wenn über die Ausgestaltung des Beiratsvertrags abgestimmt wird. Wie beim Verwalter sind auch beim Beirat Amts- und Vertragsverhältnis zu unterscheiden (näher unten Rz. 14.54 ff.). Nach vom BGH für den Verwalter/Eigentümer vertretener Ansicht gilt der Stimmrechtsausschluss gem. § 25 Abs. 5 WEG dann nicht, wenn mit dem Vertragsabschluss zugleich über die Wahl in das Amt abgestimmt werden soll.24 Für den Beirat kann insofern nichts anderes gelten.25

19 Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 11 plädiert für eine aufschiebende Bedingung; auch über die Formulierung des Antrags kann beschlossen werden. 20 Zutr. BGH, Urt. v. 18.1.2019 – V ZR 324/17 Rz. 7 ff., ZWE 2019, 374 = MDR 2019, 1054. 21 Allg. Ansicht; statt vieler: BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168; Bub, ZWE 2002, 7, 11. 22 Statt vieler Abramenko in Riecke/Schmid, § 29 WEG Rz. 5 a.E.; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 22; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 35. 23 S. BayObLG, Beschl. v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, ZWE 2002, 32; Drasdo, VBR, Rz. 476. 24 Zur rechtlichen Begründung vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, ZWE 2003, 64 = ZMR 2002, 930; weiter gehend Staudinger/Bub (2005), § 29 WEG Rz. 50. 25 Ebenso Gottschalg in FS Bub (2007), S. 73, 81; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 30.

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Einrichtung und Beendigung des Verwaltungsbeirats

Rz. 14.14 Teil 14

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Wahl des Verwaltungsbeirats im Wege der sog. Blockwahl durchgeführt werden darf, ist umstritten.26 Das Problem besteht darin, dass es den Eigentümern bei einer derartigen Wahl nicht möglich ist, nur gegen einen Kandidaten zu stimmen. Nach wohl h.M. ist die Blockwahl zulässig, wenn kein Eigentümer in der Versammlung eine Abstimmung über die einzelnen Kandidaten verlangt.27 Der Praxis dürfte aber gleichwohl zu raten sein, von diesem Wahlmodus abzusehen, dies nicht nur, weil die Frage bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist. Gegen eine Blockwahl sprechen ferner Gründe der Rechtssicherheit: Die Wahl eines Kandidaten kann nämlich unter Umständen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, was die Frage nach der Unwirksamkeit, genauer: Anfechtbarkeit des gesamten Beschlusses aufwirft (vgl. § 139 BGB).28

14.12

Es ist zulässig, für den Fall des Ausscheidens von Beiratsmitgliedern Ersatzmitglieder zu be- 14.13 stellen. Die Bestellung erfolgt dann aufschiebend bedingt, § 158 Abs. 1 BGB. Werden mehrere Nachrücker gewählt, ist die Reihenfolge des Nachrückverfahrens zu bestimmen.29 Jedes Mitglied des Verwaltungsbeirats kann das Amt jederzeit mit sofortiger Wirkung ohne Angabe von Gründen niederlegen. Die Erklärung muss dem Verwalter oder einem anderen Vertreter des Verbandes zugehen.30 Sie ist mit Zugang aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann wirksam, wenn die Niederlegung ausnahmsweise nur aus wichtigem Grund erfolgen durfte, ein solcher aber nicht besteht.31 Die Amtsniederlegung enthält in der Regel auch die Erklärung über die Beendigung des schuldrechtlichen Vertrags (zu diesem unten Rz. 14.54 ff.). Dies ist meist ein Auftrag, der nach § 671 Abs. 1 BGB vom Beiratsmitglied jederzeit kündbar ist. Besteht ausnahmsweise ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungs(dienst)vertrag (s. §§ 675, 611 ff. BGB), kann dieser nicht jederzeit nach § 627 BGB ohne Grund gekündigt werden, weil der Beirat keine Dienste höherer Art erbringt, was aber umstritten ist.32 Die Kündigung ist nach hier vertretener Ansicht nur aus wichtigem Grund möglich (§§ 675 Abs. 1, 626 BGB); eine Niederlegung ohne wichtigen Grund bedeutet in der Regel eine sog. Vertragsaufsage, d.h. der Beirat verweigert ernsthaft und endgültig die Erfüllung des Vertrages. Dem Grunde nach macht er sich damit (erfüllungs-)schadensersatzpflichtig, ohne dass es einer Fristsetzung bedarf (vgl. § 281 Abs. 2 BGB; zum Rücktritt s. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gleiches kann sich ergeben, wenn der Beirat sein Amt zur Unzeit niederlegt.33

26 Nachw. bei Armbrüster, ZWE 2001, 355, 358 sowie in der folgenden Fn. 27 KG, Beschl. v. 29.3.2004 – 24 W 194/02, ZMR 2004, 775; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2005 – 2 Wx 44/04, ZMR 2005, 395; Armbrüster, ZWE 2001, 355, 358; Bub in FS Derleder, S. 221, 234; Deckert, DWE 2005, 12, 15. A.A. etwa LG Düsseldorf, Beschl. v. 6.5.2004 – 19 T 42/04, NJW-RR 2004, 1310 (Blockwahl mit demokratischen Grundprinzipien unvereinbar); Drasdo, ZMR 2005, 596, 597 (Blockwahl muss durch Gemeinschaftsordnung zugelassen sein); vgl. ferner Drasdo, WuM 1997, 641. 28 Bejahend AG Leipzig, Urt. v. 18.10.2018 – 150 C 2952/18, ZMR 2019, 226; ebenso im Erg. LG Dresden, Urt. v. 22.5.2013 – 2 S 311/12, ZWE 2014, 54, 56. 29 Bub, ZWE 2002, 7, 10 f.; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 31. 30 Zur Niederlegung des Verwalteramts OLG München, Beschl. v. 6.9.2005 – 32 Wx 60/05, ZMR 2005, 980. Für Niederlegungserklärung den Eigentümern gegenüber aber Becker/Ott/Suilmann, Rz. 791, was nicht näher begründet wird und der Einordnung des Beirats als Verbandsorgan widerspricht. 31 Bub in Staudinger (2005), § 29 WEG Rz. 46. 32 Wie hier Bub, ZWE 2002, 7, 12; vgl. auch KG, Urt. v. 15.3.2002 – 13 U 129/01, NZM 2002, 464 (zum Mietverwalter); a.A. Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 34. 33 Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 92.

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14.14

Teil 14 Rz. 14.15

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

14.15 Bei der Abberufung ist – wie beim Verwalter (vgl. ausführlich Teil 13) – zwischen der ordentlichen Abberufung und einer aus wichtigem Grund zu unterscheiden. Letztere ist stets möglich und kann auch nicht wirksam ausgeschlossen werden. Bei der Abstimmung über seine Abberufung aus wichtigem Grund ist das Beiratsmitglied vom Stimmrecht ausgeschlossen, analog §§ 712 Abs. 1, 737 BGB, §§ 117, 127, 140 HGB („kein Richter in eigener Sache“).

14.16 Erfolgt die Abberufung ohne wichtigen Grund (ordentlich), ist sie jedenfalls dann mit sofortiger Wirkung zulässig, wenn der Beirat unentgeltlich tätig ist (Regelfall) und auf unbestimmte Zeit bestellt wurde. Für das zu Grunde liegende Auftragsverhältnis gilt die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit, die § 671 Abs. 1 BGB aus historischen Gründen partiell als Widerruf bezeichnet.34 Liegt dem Amt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde, ist dieser zwar im Zweifel nur aus wichtigem Grund gem. §§ 675 Abs. 1, 626 BGB kündbar (s. Rz. 14.14); die ordentliche Abberufung wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.35 Sehr umstritten sind die Fälle, in denen der Beirat auf bestimmte Zeit gewählt wurde. Nach verbreiteter Auffassung36 soll darin ein Ausschluss der (vorzeitigen) ordentlichen Abberufung liegen. Diese Ansicht, die meist nicht näher begründet wird, sieht sich verschiedenen Einwänden ausgesetzt.

14.17 Zunächst fehlt bereits eine § 26 Abs. 1 S. 3 WEG vergleichbare Regelung für den Beirat. Allerdings schließt allein das eine Einschränkung der Möglichkeit zur ordentlichen Abberufung nicht aus. Das zeigt ein Blick auf § 671 BGB, der für das Auftragsverhältnis der Beiratsmitglieder unmittelbar einschlägig ist (s.o.). Obwohl diese Norm eine Beschränkung des Rechts zum jederzeitigen Widerruf nicht erwähnt, kann gleichwohl die Widerruflichkeit eingeschränkt werden. Dies allerdings nur, soweit die Geschäftsbesorgung auch im Interesse des Beauftragten oder eines Dritten liegt.37 Dieses Kriterium wahrt das Interesse des Auftraggebers, sich ohne Angabe von Gründen von dem Beauftragten, der in seinem Interesse tätig wird, zu lösen, wenn er das Vertrauen in diesen verloren hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überzeugend, allein in der Festlegung einer Laufzeit für das Beiratsamt einen Ausschluss der ordentlichen Abberufung zu erblicken. Vielmehr muss aus dem Beschluss zumindest klar hervorgehen, dass eine vorzeitige Abberufung ausgeschlossen sein soll.38

14.18 Die in Rz. 14.16 wiedergegebene Ansicht wird aber noch aus einem anderen Grund abgelehnt. Das Recht der Eigentümer, Mitglieder des Beirats jederzeit abberufen und diesen neubesetzen zu können,39 sei nur durch Vereinbarung einschränkbar und nicht durch Beschluss.40 Dem entspricht es zumindest im Ergebnis, wenn ohne Einschränkung davon ausgegangen wird, 34 Vgl. dazu KG, Beschl. v. 8.1.1997 – 24 W 7947/95, ZMR 1997, 544; OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.1999 – 15 W 77/98, NZM 1999, 227, 229. 35 LG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2001 – 14 T 7427/00, ZMR 2001, 746. 36 Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 29; Abramenko in Riecke/Schmid, § 29 WEG Rz. 11; Wolicki, VBR, S. 145; ebenso für den WEG-Verwalter Wenzel, ZWE 2001, 510, 514. 37 S. dazu BGH, Urt. v. 13.5.1971 – VII ZR 310/69, BeckRS 1971, 31125121; BAG NZA 2009, 105, 109; Riesenhuber in BeckOGK (1.4.2019) § 671 BGB Rz. 24 ff. 38 Becker/Ott/Suilmann, Rz. 790: ausdrücklich geregelt; im Fall des OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.1999 – 15 W 77/98, NZM 1999, 227 ergab sich die zeitliche Beschränkung des Amtes aus der Gemeinschaftsordnung; s. ferner Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 26; vgl. hierzu auch Staudinger/Jacoby (2018), § 26 WEG Rz. 77 (zum Verwalter). 39 Zur konkludenten Abberufung durch Neubesetzung des Beirats s. OLG München, Beschl. v. 31.7.2007 – 34 Wx 069/07, ZMR 2007, 996, 998. 40 Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 17; s. ferner Munzig in BeckOK WEG (1.5.2019) § 29 Rz. 36; Grüner in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, § 10

938

Häublein

Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen

Rz. 14.21 Teil 14

Mitglieder des Beirats könnten jederzeit (entsprechend § 671 BGB) abberufen werden.41 Dieser Ansicht wird gefolgt. Anders als beim Verwalter, dessen Amtszeit limitiert ist, kann der Beirat unbefristet bestellt werden. Beschränkungen der Abberufungsmöglichkeiten erschweren dann dauerhaft die Neuwahl eines Beirats. Hierzu hat die Mehrheit keine Kompetenz. Auch das Interesse der gewählten Beiratsmitglieder am Fortbestand ihres Amtes gebietet eine solche nicht. Ist es so gewichtig, dass die Abberufung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, können sie den entsprechenden Beschluss anfechten. Das Ausscheiden eines Mitglieds des Beirats (Rumpf- oder Schrumpfbeirat) führt nicht automatisch zur Auflösung desselben. Dieser besteht nach h.M. ohne das ausgeschiedene Mitglied fort.42 In diesem Fall kommt aber ein Anspruch auf Neubesetzung in Betracht, damit der Beirat wieder den gesetzlichen oder vereinbarten Anforderungen entspricht.43 Zum Anspruch auf Abberufung eines Beiratsmitgliedes s. Rz. 14.15 ff. und 14.24.

14.19

III. Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft Der Verwaltungsbeirat besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, die gem. § 29 14.20 Abs. 1 S. 2 WEG Wohnungseigentümer sein müssen, denen Teileigentümer gem. § 1 Abs. 6 WEG gleichstehen. Von dieser Regelung abweichende Vereinbarungen sind zulässig; durch Beschluss kann die Norm nach h.M. aber nicht abbedungen werden.44 Modifikationen des § 29 Abs. 1 S. 2 WEG mit genereller, d.h. über einen gewählten Beirat hinausgehender Wirkung können nach der Entscheidung des BGH v. 20.9.200045 nur durch Vereinbarung, nicht aber durch Beschluss wirksam herbeigeführt werden.46 Das gilt auch für die im Folgenden besprochenen Abweichungen von § 29 WEG. Ältere Rechtsprechung47 ist überholt. Eine jahrelang abweichende Übung, etwa das Bestellen von nur zwei Beiratsmitgliedern, reicht für eine Vereinbarung der Eigentümer nicht aus.48 Bei kleineren Anlagen (10–15 Einheiten) kann sich eine Reduzierung der vorgesehenen Beiräte auf eine Person empfehlen und bei größeren Anlagen eine entsprechende Erhöhung, wobei es der Entscheidungsfindung erfahrungsgemäß zuträgt, wenn die Zahl der Beiräte un-

41 42 43 44 45 46 47 48

Rz. 13; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 29 WEG Rz. 7: Einschränkung durch Vereinbarung. Greiner in BeckOGK (1.5.2019) § 29 WEG Rz. 19; Weber in Soergel, § 29 WEG Rz. 17. Bub, ZWE 2002, 7, 11; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 46. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, MDR 1991, 60 = ZMR 1991, 32, 33; Bub, ZWE 2002, 7, 11; Dippel/Wolicki, NZM 1999, 603 f.; s. hierzu auch Häublein, AnwZert MietR 4/2012 Anm. 2 sub C. BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168 (Rz. 5); KG, Beschl. v. 21.12.1988 – 24 W 1435/88, ZMR 1989, 186; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, MDR 1991, 60 = ZMR 1991, 32. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 (mit Anm. Ott, ZWE 2002, 99 und Häublein, ZWE 2001, 569) = MDR 2000, 1367 (mit Anm. Riecke) = ZMR 2000, 771. Vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168; Armbrüster, ZWE 2001, 355. BayObLG, Beschl. v. 3.5.1972 – BReg 2 Z 7/72, NJW 1972, 1377; bestätigt durch BayObLG, Beschl. v. 28.10.1987 – BReg 2 Z 124/87, ZMR 1988, 70; s. hierzu Drasdo, VBR, Rz. 63. AG München v. 30.7.2009 – 483 C 393/09, ZMR 2010, 811; AG Tiergarten, Urt. v. 8.10.2009 – 10 C 127/09 WEG, Grundeigentum 2009, 1439.

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14.21

Teil 14 Rz. 14.21

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

gerade ist bzw. sollte bei einer geraden Zahl dem Vorsitzenden im Falle einer unentschiedenen Abstimmung ein Mehrstimmrecht zugewiesen werden. Ob dies nur durch Vereinbarung geschehen kann oder auch durch eine Beiratsgeschäftsordnung, ist umstritten.49

14.22 Auch Regelungen über eine bestimmte Struktur des Beirats können empfehlenswert sein. Bei Mehrhausanlagen etwa kann es – je nach Größe der einzelnen Häuser – sinnvoll sein, „Unterbeiräte“ für diese vorzusehen und bei der Bildung eines Gesamtbeirats vorzuschreiben, dass jedes Haus einen Vertreter entsenden darf.

14.23 Sofern in einer Gemeinschaft Wohnungs- und Teileigentum besteht, kann es zu Interessenkollisionen zwischen gewerblichen Nutzern und Wohnungseigentümern kommen, denen dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Beteiligung beider im Beirat vorgeschrieben wird. Ob in einem solchen Fall tatsächlich der Beirat erst mit der Entsendung eines Teileigentümers wirksam gebildet ist,50 wird davon abhängen, wie die Regelung in der Gemeinschaftsordnung formuliert ist.51 Ist lediglich „das Recht“ auf Entsendung vorgesehen, ist ein abweichender Beschluss lediglich anfechtbar.

14.24 Die Anforderungen, die an die persönliche Eignung der Beiratsmitglieder zu stellen sind, entsprechen nicht denen des Verwalters. Besondere Qualifikationen brauchen die Mitglieder nicht mitzubringen.52 Der Beschluss über die Wahl entspricht nur dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände eine Zusammenarbeit mit einem Mitglied unzumutbar ist, z.B. weil das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten ist.53 Der Verwalter, seine Mitarbeiter oder ihm nahestehende Personen54 kommen angesichts der Kontrollaufgaben nicht als Beiräte in Betracht. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung nicht aus, dass das Mitglied in der Vergangenheit Rechtsvorschriften, die etwa bei der Festlegung einer Jahresabrechnung zu beachten sind, übersehen hat.55 Selbst das Vorliegen des Entziehungsgrundes nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG soll der Wahl nicht zwingend entgegenstehen,56 was aber nicht überzeugt. Jedenfalls vorsätzliche Pflichtverletzungen stehen einer ordnungsmäßigen (Neu-)Wahl entgegen. Kommt es nach der Wahl zu solchen, kann dem Einzelnen ein Anspruch auf Abberufung erwachsen.57

14.25 Nach § 29 Abs. 1 S. 2 WEG können nur Wohnungseigentümer in den Beirat gewählt werden. Hierzu zählen auch Mit- und werdende Eigentümer, nicht hingegen Zwangs- oder Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker und dinglich Berechtigte (str.).58 Gehört das Wohnungseigentum Verbänden, insbesondere juristischen Personen, besteht Streit. Diese sind zwar keine

49 Vgl. Bub, ZWE 2002, 7, 18; Sauren, ZMR 1984, 325; gegen eine aus dem Selbstorganisationsrecht abgeleitete Befugnis des Beirats zur Regelung des Stimmrechts etwa Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 48. 50 Bejahend etwa Armbrüster, ZWE 2001, 355, 357 m.w.N. 51 Zu den Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsordnung s. Rz. 14.29. 52 Dazu Wolicki ZWE 2019, 354. 53 BayObLG, Beschl. v. 28.1.2003 – 2Z BR 127/02, ZMR 2003, 438 = WuM 2003, 233; Jennißen/ Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 59 f. 54 AG Offenbach, Urt. v. 3.1.2018 – 310 C 160/16, ZWE 2018, 463. 55 OLG Köln, Beschl. v. 12.5.2006 – 16 Wx 93/06, OLGReport Köln 2006, 590. 56 LG Baden-Baden, Beschl. v. 11.2.2009 – 3 T 87/07, ZMR 2009, 473 mit abl. Anm. Abramenko. 57 OLG München, Beschl. v. 28.9.2006 – 32 Wx 115/06, ZMR 2006, 962. 58 Grüner in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Teil 10 Rz. 27; Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 13; Sauren, § 29 WEG Rz. 6; a.A. Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 8.

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Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen

Rz. 14.27 Teil 14

außenstehenden Dritten. Gleichwohl wird verbreitet vertreten, juristische Personen könnten infolge der Höchstpersönlichkeit des Amtes nicht Beiratsmitglied sein; allenfalls seien deren Organvertreter wählbar.59 Teilweise wird ein Beschluss, durch den eine juristische Person in das Amt des Beirats gewählt wird, sogar für nichtig gehalten.60 Diese Meinung ist mit einer vordringenden Ansicht abzulehnen,61 da es keine gewichtigen 14.26 Gründe gibt, juristische Personen anders zu behandeln als natürliche. Probleme, die sich u.U. daraus ergeben können, dass ständig wechselnde Repräsentanten/Vertreter der juristischen Person an den Beiratssitzungen teilnehmen, können mit milderen Mitteln gelöst werden, wenn man die juristische Person für verpflichtet hält, möglichst kontinuierlich ein und denselben Vertreter zu entsenden.62 Kommt es wiederholt zu einem Wechsel, kann dies einen Anspruch auf Abwahl der juristischen Person aus dem Beirat begründen.63 Die h.M. sieht sich dem Einwand ausgesetzt, entweder juristische Personen schlechthin von der Ausübung der Kontrollbefugnisse auszuschließen oder aber gegen § 29 Abs. 1 S. 2 WEG zu verstoßen, indem man die Wahl von Organträgern oder sonstigen Mitarbeitern zulässt, die keine Eigentümer sind. Die gegen die hier vertretene Ansicht eingewendeten „Definitions- und Abgrenzungsprobleme“64 sind nicht sonderlich relevant und rechtfertigen keine unterschiedliche Behandlung von natürlichen und juristischen Personen. Es liegt in der Natur des Kriteriums der Ordnungsmäßigkeit, dass nur im Einzelfall festzustellen ist, ob die Verwaltung durch Entsenden wechselnder Vertreter einer juristischen Person behindert wird. Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die selbst Woh- 14.27 nungseigentümer sind, können nach h.M. ebenfalls nicht in den Beirat gewählt werden.65 Jedoch sollen die einzelnen (persönlich haftenden) Gesellschafter Mitglieder in diesem werden können, was aus der Struktur dieser Gesellschaften, insbesondere der gesamthänderischen Verbundenheit gefolgert wird.66 Dies wirft die Frage auf, ob die gesamthänderische Bindung, die als Vermögenszuordnungsprinzip auf nicht rechtsfähige Subjekte zugeschnitten ist, überhaupt ein sinnvolles Abgrenzungskriterium zwischen (teil-)rechtsfähigen Personengesellschaften und juristischen Personen sein kann. Obwohl diese eher grundsätzliche Frage hier nicht vertieft werden kann, sind Personengesellschaften m.E. im Ergebnis nicht anders zu behandeln als juristische Personen (s. Rz. 14.26).67 59 Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 8; LG Bonn, Beschl. v. 11.8.2004 – 8 T 285/03, ZMR 2005, 653 (Wahl des Vorstandsvorsitzenden einer Eigentümerin zulässig); AG Pinneberg, Urt. v. 30.1.2018 – 60 C 21/17, ZMR 2018, 463; w.N. bei Häublein, ZMR 2003, 233, 238. Gegen Wahl von Organträgern explizit Gottschalg in FS Bub (2007), S. 73, 82. 60 Bub in Staudinger (2005), § 29 WEG Rz. 83 m.w.N.; wie hier aber nun Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 24. 61 S. Kümmel, NZM 2003, 303; Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 29 WEG Rz. 7; Grüner in Hügel/ Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, Teil 10 Rz. 26; Drasdo, VBR, Rz. 107; Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 13; Weber in Soergel, § 29 WEG Rz. 6; OLG Köln, Beschl. v. 24.11.1999 – 16 Wx 158/99, NZM 2000, 193 (Studentenwerk als Mitglied); im Ergebnis auch Maas, Verwaltungsbeirat, S. 36 f., allerdings ist fraglich, ob der Umkehrschluss aus § 100 Abs. 1 AktG das Ergebnis trägt. 62 Entsprechender Vorschlag bei Kappus, NZM 2017, 663, 665. 63 Zum Ganzen vgl. Häublein, ZMR 2003, 233, 238. 64 Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 58. 65 Statt vieler vgl. Armbrüster, ZWE 2001, 355, 356. 66 Vgl. neben Armbrüster, ZWE 2001, 355, 356, etwa Bub, ZWE 2002, 7, 10; Abramenko in Riecke/ Schmid, § 29 WEG Rz. 40. 67 Für Mitgliedschaft von Personenhandelsgesellschaften im Beirat Kümmel, NZM 2003, 303, 304, der die Frage für die GbR aber offen lässt. S. ferner Drasdo, VBR, Rz. 92.

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Teil 14 Rz. 14.28

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

14.28 Zulässig ist eine Vereinbarung, durch die den Eigentümern die Möglichkeit eingeräumt wird, einen außenstehenden Dritten (hierzu zählen auch Zwangs- und Insolvenzverwalter u. dgl.) in den Beirat zu wählen. Dies können bestimmte Fachleute sein (z.B. im Hinblick auf die Aufgaben gem. § 29 Abs. 3 WEG Wirtschaftsprüfer oder Steuerfachleute), aber auch Mieter oder Angehörige von Wohnungseigentümern, wobei freilich die Wahl eines Mieters gewisses Konfliktpotential birgt, da deren Interessen nicht stets parallel zu denen der Eigentümer verlaufen. Nichtig ist ein Beschluss, der die Wahl Dritter generell für zulässig erklärt.68

14.29 Wählt die Gemeinschaft einen außenstehenden Dritten lediglich in einen konkreten Beirat oder wird die Zahl der Mitglieder über- oder unterschritten, so wird der Beschluss im Einzelfall als vereinbarungs- bzw. gesetzeswidriger Beschluss69 nach Ablauf der Anfechtungsfrist bestandskräftig.70 Gleiches gilt, wenn für die Wahl des Beirats ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vereinbart worden ist (s. das Beispiel im Hinweis oben bei Rz. 14.4) und der Versammlungsleiter trotz Nichterreichens der erforderlichen Mehrheit das Zustandekommen eines Beschlusses feststellt.71 In all diesen Fällen ist der Beschluss nach h.M. allerdings allein wegen der Abweichung vom Gesetz anfechtbar.72

14.30 Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses über einen aus zwei Personen bestehenden Beirat hat der BGH73 sogar in einem Fall bestätigt, in dem kein weiterer Eigentümer zur Kandidatur bereit war. Dieses Verständnis des § 29 Abs. 1 S. 2 WEG erscheint weder überzeugend noch alternativlos.74 Der Norm kann schwerlich die Wertung entnommen werden, das Fehlen eines Beirats sichere eine ordnungsmäßige Verwaltung eher als ein aus weniger Eigentümern bestehender. Das Telos, welches darin besteht, eine Beteiligung der Eigentümer an der Verwaltung zu sichern, spricht gegen ein derartiges Verständnis. Der BGH verweist die Eigentümer im Ergebnis darauf, ihre Interessen in „Ausschüssen“ wahrzunehmen oder sich dem Risiko einer Anfechtung auszusetzen, was dem Mitverwaltungskonzept des WEG widerspricht. § 29 Abs. 1 S. 2 WEG sollte daher ausgehend von seinem Zweck – verkürzt gesprochen – so gelesen werden: Der Beirat besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, sofern mindestens drei Wohnungseigentümer kandidieren. Die Norm sichert so die Beteiligung mitwirkungswilliger Eigentümer, wird aber nicht zum Hemmnis bei der Durchsetzung der Mitverwaltungsbefugnis. Anfechtbar ist der Bestellungsbeschluss aber, wenn die Mehrheit nur zwei Eigentümer wählt, obwohl ein dritter Kandidat bereit war, das Amt zu übernehmen.75

68 Einh. M., statt aller Engelhardt in MünchKomm-BGB, § 29 WEG Rz. 6. 69 Zur insoweit vom BGH übernommenen Terminologie vgl. Wenzel, ZWE 2000, 2. 70 BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168; LG Dortmund, Urt. v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZWE 2014, 127; Armbrüster, ZWE 2001, 355; Becker/Ott/Suilmann, Rz. 783; Deckert, DWE 2005, 12, 13; Wenzel, ZWE 2001, 226, 233; Häublein, ZMR 2003, 233, 237. 71 BayObLG, Beschl. v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, ZWE 2002, 405, 406 f. = NZM 2002, 529, 530; zu Unrecht anders Elzer, ZWE 2007, 165. 72 Zum wirtschaftlichen Interesse des Anfechtenden BGH, Beschl. v. 17.1.2019 – V ZB 121/18, NZM 2019, 341: i.d.R. 750 Euro (zur Rechtsmittelbeschwer); s. ferner LG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.2.2018 – 2-13 T 18/18, ZMR 2018, 623: 1000 Euro. 73 BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168 mit Hinw. auf LG Konstanz, NZM 2003, 812; AG Pinneberg, Urt. v. 16.1.2018 – 60 C 16/17, ZMR 2018, 381; ebenso Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 17; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 11 u. 16; Niedenführ in Niedenführ/ Vandenhouten, § 29 WEG Rz. 12 m.w.N. 74 Krit. zum BGH Elzer, ZMR 2010, 546; Häublein, AnwZert MietR 4/2012 Anm. 2 (B. II.). 75 Dazu ergänzend Häublein, AnwZert MietR 4/2012 Anm. 2.

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Zusammensetzung des Beirats und persönliche Voraussetzungen

Rz. 14.32 Teil 14

Jedenfalls dann, wenn der abweichend von § 29 Abs. 1 S. 2 WEG besetzte Verwaltungsbeirat 14.31 auf unbestimmte Zeit gewählt worden ist, was mangels einer § 26 Abs. 1 S. 2 WEG entsprechenden Regelung für den Beirat grds. zulässig ist, kann aus § 21 Abs. 4 WEG ein Anspruch auf ordnungsmäßige Neubesetzung des Beirats resultieren.76 Zwar besteht in derartigen Fällen ein den Status quo legitimierender Beschluss; jener widerspricht aber den Vereinbarungen/ dem Gesetz, was zu einem entsprechenden Anspruch der Sondernachfolger führt. Diese nämlich dürfen bei Eintritt in die Gemeinschaft bspw. darauf vertrauen, dass Außenstehende keine Einsicht in Interna der Gemeinschaft erhalten, sofern nichts anderes vereinbart ist. Verneinte man einen derartigen Anspruch neu eintretender Eigentümer, könnte die Mehrheit dadurch, dass sie über die Besetzung des Gremiums nicht erneut beschließt, den rechtswidrigen Zustand perpetuieren, was mit den Motiven der Rechtsprechung des BGH77 zur Beschlussnichtigkeit nicht zu vereinbaren wäre. Die Bindungswirkung bestandskräftiger Beschlüsse wird dabei nicht verkannt.78 Bestehende Beschlüsse können aber grundsätzlich durch Zweitbeschlüsse abgeändert werden, sofern nicht ausnahmsweise ein schutzwürdiges Interesse entgegensteht. Der durch die Bestandskraft geschützten Rechtssicherheit ist dadurch Rechnung getragen, dass die Abänderung nur in die Zukunft wirkt. Hinweis: Da die – hier abgelehnte – Ansicht, bestimmte Verstöße gegen die vom WEG vorgesehene Zusammensetzung des Beirats führten zur Nichtigkeit des Bestellungsbeschlusses, vertreten wird, sollte der vom Beirat namens der Gemeinschaft mandatierte Rechtsanwalt prüfen, ob die Handelnden in Übereinstimmung mit § 29 WEG gewählt wurden; andernfalls kann ein nichtiger Bestellungsbeschluss dazu führen, dass diese ohne Vertretungsmacht auftreten. Ferner verliert ein Mitglied des Beirats nach h.M. sein Amt mit der Eigentümerstellung.79 Gleiches nimmt die h.M. an, wenn ein Beiratsmitglied zum Verwalter bestellt wird.80 Auch die Bestellung des Alleingeschäftsführers der Verwaltergesellschaft zum Verwaltungsbeirat soll nichtig sein.81 Die Erfahrung zeigt, dass Mandanten den Verlust der Eigentümerstellung in bestimmten Konstellationen (z.B. Übertragung der Wohnung auf Familienangehörige) ignorieren bzw. für irrelevant halten. Daher ist bei Mandatsübernahme im eigenen Interesse sicherzustellen, dass der in seiner Eigenschaft als Beirat mit dem Vertragsschluss Beauftragte dem Beirat auch noch immer angehört, insbesondere also Wohnungseigentümer ist;82 denn in Anbetracht der Regelung des § 179 Abs. 3 S. 1 BGB läuft der Anwalt Gefahr, nicht einmal den Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch nehmen zu können.

76 S. dazu bereits Häublein, ZMR 2003, 233, 237 f.; dagegen Drasdo, VBR, Rz. 85, dessen Vergleich mit baulichen Veränderungen aber aus verschiedenen Gründen nicht trägt: Zum einen geht es dabei um eine tatsächliche Abweichung, weshalb ein vergleichbarer Widerspruch zur Gesetzesbzw. Vereinbarungslage nicht besteht. Außerdem besteht kein schutzwürdiges Interesse der Mehrheit, den rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. 77 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = ZWE 2000, 518 (mit Anm. Ott, ZWE 2002, 99 und Häublein, ZWE 2001, 569) = MDR 2000, 1367 (mit Anm. Riecke). 78 So aber Bub in Staudinger (2005), § 29 WEG Rz. 13 mit Fn. 17. 79 BayObLG, Beschl. v. 5.11.1992 – 2Z BR 77/92, BayObLGZ 1992, 336, 340; Armbrüster, ZWE 2001, 412; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 16. Anders aber, wenn die Wahl von Nichteigentümern vereinbart ist; s. Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 12. 80 Armbrüster, ZWE 2001, 412; Wicke in Palandt, § 29 WEG Rz. 2. 81 S. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 22.9.1983 – 3 W 76/83, OLGZ 1983, 438. Weiter gehend – auch für leitende Angestellte des Verwalters und beherrschende Personen – Bub, ZWE 2002, 7, 10. 82 Zu sonstigen Beendigungsgründen Armbrüster, ZWE 2001, 412; Bub, ZWE 2002, 7, 11 ff.

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14.32

Teil 14 Rz. 14.33

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

IV. Der Verwaltungsbeirat als Gremium 14.33 Verbreitet herrscht unter Wohnungseigentümern der Trugschluss, der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats repräsentiere diesen im Rechtsverkehr. Das Gesetz weist dem Vorsitzenden indes nur sehr beschränkte Befugnisse zu (vgl. § 24 Abs. 3, 6 WEG). Im Übrigen sind Aufgaben, die „dem Beirat“ übertragen werden, durch das Gremium wahrzunehmen.83 Zum Zwecke der Entscheidungsfindung hat der Vorsitzende bei Bedarf eine Beiratssitzung einzuberufen (§ 29 Abs. 4 WEG) und diese auch zu leiten.

14.34 Hat die Eigentümerversammlung keinen Vorsitzenden bestimmt, so ist ein solcher durch den Verwaltungsbeirat selbst zu wählen, der insoweit die Kompetenz besitzt, sich selbst zu strukturieren.84 Die Entscheidungsfindung85 innerhalb des Gremiums erfolgt im Zweifel durch Mehrheitsbeschluss nach Köpfen.86

14.35 Allerdings lassen sich die Vorschriften des WEG über die Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung nicht generell auf den Verwaltungsbeirat übertragen. Insbesondere sind die Beschlüsse des Beirats nach h.M. nicht der Bestandskraft zugänglich;87 sie können daher auch nicht angefochten werden.88 Das bedeutet, dass ein rechtswidriger Beiratsbeschluss grundsätzlich per se nichtig ist und seine Nichtigkeit im Verfahren gem. § 43 Nr. 1 WEG gerichtlich festgestellt werden kann.89

14.36 Beispiel: Haben die Wohnungseigentümer von der Möglichkeit des § 27 Abs. 5 S. 2 WEG Gebrauch gemacht und die Verfügung über die gemeinschaftlichen Gelder an eine Zustimmung des Verwaltungsbeirats geknüpft, so ist ein Verwendungsbeschluss (z.B. Zahlung laufender Betriebskosten aus der Instandhaltungsrückstellung), der im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften oder den rechtsgeschäftlichen Regelungen der Eigentümer (Beschluss oder Vereinbarung) steht, nichtig.90

V. Aufgaben und Befugnisse des Beirats 1. Gesetzliche Aufgaben

14.37 Dem Beirat ist in §§ 29, 24 Abs. 3, Abs. 6 S. 2 WEG nur ein beschränktes Aufgabenfeld zugewiesen. Er steht in seiner Funktion nicht dem aktienrechtlichen Aufsichtsrat gleich.91 Sei83 Instruktiv BayObLG, Beschl. v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, ZWE 2002, 405, 407. 84 OLG München, Beschl. v. 6.9.2005 – 32 Wx 60/05, ZMR 2005, 980, 981. Ein Vorschlag zur Abfassung eines Beiratsstatuts findet sich bei Armbrüster, ZWE 2001, 463, 465 f. 85 Zur Willensbildung und Beschlussfassung innerhalb des Verwaltungsbeirats vgl. Armbrüster, ZWE 2001, 463; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 37 ff.; Bub, ZWE 2002, 7, 17; Drasdo, VBR, Rz. 172 ff.; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 35 ff. 86 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.6.1987 – 3 W 53/87, ZMR 1988, 24, 25, insoweit nicht abgedruckt in MDR 1988, 938; Sauren, § 29 WEG Rz. 33b. 87 Armbrüster, ZWE 2001, 463, 464; Bub, ZWE 2002, 7, 18; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 48; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 42. 88 OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63. 89 Bub in Staudinger (2005), § 29 WEG Rz. 135 m.w.N. (der Hinw. auf BGH, NJW 1993, 2397 f. geht allerdings fehl); s. auch Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 42 a.E.: Feststellungklage nach § 256 ZPO statthaft. 90 OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 48; Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 52 (ganz h. M.). 91 Bub, ZWE 2002, 7, 9; Drasdo, VBR, Rz. 181; Munzig in BeckOK WEG (1.5.2019) § 29 Rz. 4.

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Aufgaben und Befugnisse des Beirats

Rz. 14.39 Teil 14

ne Mitglieder sind nicht verpflichtet, die laufende Verwaltung zu überwachen, wohl aber berechtigt, die Ordnungsmäßigkeit einzelner Maßnahmen zu überprüfen (von besonderer Bedeutung: Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder durch den Verwalter).92 Gesetzliche Aufgaben des Beirats sind die Prüfung des Zahlenwerks der Gemeinschaft (§ 29 Abs. 3 WEG) sowie die Einberufung der Eigentümerversammlung nach § 24 Abs. 3 WEG. Außerdem hat der Beiratsvorsitzende oder dessen Vertreter93 nach § 24 Abs. 6 S. 2 WEG neben dem Versammlungsvorsitzenden und einem Eigentümer das Versammlungsprotokoll zu unterschreiben. Unterschreiben mehrere Beiratsmitglieder mit dem Kürzel „Beirat“, so ist umstritten, ob dies für die erforderliche Eigentümerunterschrift ausreicht.94 Der Programmsatz des § 29 Abs. 2 WEG, nach dem der Beirat den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben „unterstützt“, schließt es nicht aus, dass sich aus dem Amtsverhältnis weitere Rechte und Pflichten ergeben; die Rechtsprechung erkennt etwa ein Recht des Vorsitzenden an, bei pflichtwidriger Weigerung durch den Verwalter die Tagesordnung zu gestalten.95 Der BGH hat aber klar ausgesprochen, dass sich aus der Aufgabe, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, keine Pflicht der Beiratsmitglieder ergibt, den Verwalter anzuhalten, seinen Pflichten nachzukommen.96 § 29 Abs. 3 WEG ist als Soll-Vorschrift formuliert, begründet nach h.M.97 aber dennoch eine Prüfungspflicht des Beirats.98 Diese umfasst eine rechnerische Komponente, die sich neben der Schlüssigkeit der gesamten Abrechnung (Faustregel: Einnahmen ./. Ausgabe = Bestand am Jahresende ./. Anfangsbestand)99 auch auf den Verteilungsschlüssel bezieht. Daneben tritt eine sachliche Prüfpflicht, die zur stichprobenartigen Belegprüfung verpflichtet.100 Unterbleibt die Prüfung, hat dies auf die Gültigkeit des Beschlusses der Gemeinschaft über Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan keinen Einfluss.101

14.38

Dem Einberufungsrecht aus § 24 Abs. 3 WEG kommt besondere Bedeutung zu, wenn es um die Abwahl des Verwalters geht. Sofern zwischen diesem und der Gemeinschaft ein Konflikt schwelt, kann es geschehen, dass der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats von sei-

14.39

92 S. BayObLG, Beschl. v. 3.5.1972 – BReg 2 Z 7/72, NJW 1972, 1377; LG Frankfurt/M., Urt. v. 2.9.2019 – 2-095 51/18; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 58. Zu den Rechten und Pflichten näher Deckert, DWE 2005, 12, 15 ff. 93 Unterschrift eines Beirates genügt, wenn kein Vorsitzender gewählt wurde, s. KG, Beschl. v. 27.2.2018 – 1 W 38/18, ZWE 2018, 263; zum Wechsel des Vorsitzes während der Versammlung Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 235. 94 Verneinend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2010 – 3 Wx 263/09, ZWE 2010, 182; bejahend und wohl zutreffend OLG Hamm, Beschl. v. 8.7.2011 – 15 W 183/11, ZMR 2011, 984; Heggen, RNotZ 2010, 455. 95 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.2008 – 3 W 145/85, NJW-RR 1986, 96; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 18.8.2008 – 20 W 426/05, NJW 2009, 300. 96 BGH, Urt. v. 28.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 Rz. 66. 97 Hügel in BeckOK BGB (1.5.2019) § 29 WEG Rz. 11; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 59; Wicke in Palandt, § 29 WEG Rz. 3; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 66. Teils wird der Anspruch aber für nicht klagbar gehalten, Schmid, ZWE 2010, 8, 9. 98 Zum Streit um die Gläubigerstellung s. Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 66 (Gemeinschaft) und Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 35 (Eigentümer). 99 OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446, 448; zust. Demharter, ZWE 2001, 416. Zu Folgen für die Darstellung der Abrechnung Häublein, ZWE 2011, 1, 2. 100 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = ZMR 1998, 104; s. auch OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, ZMR 2001, 913 = NZM 2001, 862. 101 KG, Beschl. v. 25.8.2003 – 24 W 110/02, ZMR 2004, 144 mit Nachw. zur Gegenansicht; Hogenschurz, ZfIR 2016, 820, 822; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 67.

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Teil 14 Rz. 14.39

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

nem Einberufungsrecht Gebrauch machen muss.102 Eine Pflicht zur Einberufung trifft den Beirat in diesem Fall aber nach h.M. nicht.103 Das Einberufungsrecht des § 24 Abs. 3 WEG besteht, wenn ein Verwalter fehlt104 oder dieser die von einer ausreichenden Anzahl von Eigentümern gewünschte Versammlung nicht einberuft.105 Es bietet sich an, bei Einberufung durch den Beirat die Versammlungsleitung gem. § 24 Abs. 5 WEG dessen Vorsitzenden zu übertragen, wenn es um die (Ab-)Wahl des Verwalters geht, sowie diesen für den Fall einer Beschlussanfechtung seitens des Verwalters106 zum Ersatzzustellungsvertreter (§ 45 Abs. 2 WEG) zu bestellen, falls ein solcher nicht existiert.

14.40 Die Stellung des Beirats als ein aus den Reihen der Eigentümer gewähltes Gremium einerseits und seine Pflicht zur Unterstützung der Verwaltung (§ 29 Abs. 2 WEG) andererseits führen dazu, dass der Verwaltungsbeirat vermittelnd tätig werden kann, insbesondere wenn es zu Spannungen zwischen den Eigentümern und dem Verwalter kommt.107 Die Mittel zur Streitbeilegung sind freilich begrenzt und sollten nicht überschätzt werden.

14.41 Ferner wird dem Beirat im Rahmen der Unterstützung des Verwalters beratende Funktion zuerkannt.108 Ausdruck dessen sind u.a. die Stellungnahmen, zu deren Abgabe die Mitglieder des Beirats im Rahmen der Prüfungspflichten gem. § 29 Abs. 3 WEG verpflichtet sind. Hier kann der Beirat etwa Hinweise zur Anwendung eines bestimmten Kostenverteilungsschlüssels oder zur Verteilung konkreter Kosten (z.B. Zuordnung von Reparaturkosten zum gemeinschaftlichen oder Sondereigentum bestimmter Eigentümer) anbringen.109 Allerdings ist der Beirat gegenüber dem Verwalter nicht weisungsbefugt.110 Unstimmigkeiten sind im Verfahren nach § 43 WEG zu klären, wobei eine vorgreifliche Klärung (§ 43 Nrn. 1 oder 2 WEG) die Gemeinschaft oftmals eher befrieden kann als ein Anfechtungsverfahren.

14.42 Hinweis: Der beratende Rechtsanwalt sollte unbedingt berücksichtigen, dass der Beirat grundsätzlich nur über die wenigen im Gesetz geregelten Befugnisse verfügt, es sei denn, ihm sind durch Gemeinschaftsordnung (Vereinbarung) oder Beschluss weitere Befugnisse übertragen worden, was jeweils zu prüfen ist (hierzu sogleich Rz. 14.43). Die Praxis zeigt immer wieder, dass viele Beiräte sich „kraft Amtes“ als zur Vertretung der übrigen Eigentümer berufen fühlen – hier ist sowohl für die Beiräte als auch für den Rechtsanwalt Vorsicht geboten.

102 Häublein, ZMR 2003, 233, 234. Nach AG Siegburg, Beschl. v. 4.5.2007 – 3 II 23/07, ZMR 2007, 736 ist hierzu nur der Vorsitzende berechtigt, bei dessen Weigerung die übrigen Beiratsmitglieder nicht tätig werden können; dagegen zu Recht Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 36, 53: konkurrierende Wahrnehmungskompetenz; bei Fehlen eines Vorsitzenden genügt ein Handeln durch die Mehrheit, s. Skauradszun, ZWE 2016, 61 f. 103 AG Dortmund, Urt. v. 14.6.2019 – 514 C 4/19 Rz. 17 bei juris; Schultzky in Jennißen § 24 WEG Rz. 29a; Wicke in Paland, § 24 WEG Rz. 3; Häublein in Staudinger (2018), § 24 WEG Rz. 69; a.A. AG Charlottenburg, Urt. v. 16.7.2009 – 74 C 25/09, ZMR 2010, 77. 104 BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 96/10, MDR 2011, 780. 105 Dazu etwa LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 – 318 S 77/09, ZWE 2011, 130. 106 Dazu BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164; Roth in Bärmann, § 46 WEG Rz. 35 m.w.N. 107 Vgl. Pfälzisches OLG, Beschl. v. 22.9.1983 – 3 W 76/83, OLGZ 1983, 438, 439; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 57; s. auch Kappus, NZM 2017, 663: „Friedensstifter“. 108 Vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, NJW 2010, 3168. 109 Zu den Folgen einer mangelhaften Belegprüfung vgl. BayObLG, Beschl. v. 12.1.2000 – 2Z BR 166/99, ZWE 2000, 183, 184; krit. hierzu Häublein, ZfIR 2003, 764, 766. 110 Im Rahmen seiner Befugnisse handelt der Verwalter eigenverantwortlich; ebenso Drasdo, VBR, Rz. 520.

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Aufgaben und Befugnisse des Beirats

Rz. 14.46 Teil 14

2. Erweiterung des Aufgabenkreises durch Vereinbarung Die Übertragung weiterer Aufgaben auf den Beirat durch Vereinbarung ist möglich, was aus § 10 Abs. 2 S. 2 WEG folgt.111 Die Grenze bilden die zwingenden gesetzlichen Vorschriften, z.B. über die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters (vgl. § 27 Abs. 4 WEG).112 So kann die Gemeinschaftsordnung etwa vorsehen, der Beirat habe abweichend von § 28 Abs. 5 WEG Jahresabrechnung und Wirtschaftspläne zu genehmigen.113 Ist der Beiratsbeschluss fehlerhaft, erwächst er allerdings nicht in Bestandskraft (s. Rz. 14.35), was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen kann. Der Praxis ist von solchen Gestaltungen daher abzuraten.

14.43

In der Gemeinschaftsordnung kann sogar ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vor 14.44 dem Beirat vereinbart werden, dessen fehlende Durchführung der Zulässigkeit einer Klage zwischen Wohnungseigentümern entgegensteht.114 Möglich ist auch die Übertragung der Befugnis, eine Hausordnung zu errichten.115 Im Zweifel steht dem Beirat aber nicht die ausschließliche Kompetenz hierfür zu, sondern die Eigentümer können Änderungen der Hausordnung beschließen.116 Ob die Zuweisung einer Kompetenz an den Beirat verdrängend wirkt, muss im Übrigen durch Auslegung ermittelt werden.117 Ist für die Vornahme baulicher Veränderungen die Zustimmung des Beirats erforderlich, ersetzt sie die Zustimmung betroffener Eigentümer nur dann, wenn sich dies aus der Gemeinschaftsordnung so ergibt, wovon im Zweifel nicht ausgegangen werden kann.118 3. Erweiterung des Aufgabenkreises durch Beschluss Werden dem Beirat Befugnisse durch Beschluss zugewiesen, stellt sich die Frage nach der 14.45 Wirksamkeit der Beschlüsse, wobei nichtige von anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden sind. Beschlüsse, die die Kompetenz des Beirats generell erweitern, sind bei Fehlen einer vereinbarten Öffnungsklausel mangels Beschlusskompetenz in der Regel nichtig. Besteht eine derartige Beschlusskompetenz, sind die Beschlüsse im Falle der Anfechtung auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen. Im Einzelnen gilt: Geht es um eine für künftige Beiräte geltende Regelung, die die Kompetenzverteilung des WEG ändert (z.B. Entscheidung über Erhaltungsmaßnahmen), kann Beschlusskompetenz in der Regel nur durch die Gemeinschaftsordnung (Öffnungsklausel) begründet werden. Sie ergibt sich aber bspw. für die Verfügung über gemeinschaftliche Gelder aus § 27 Abs. 5 S. 2 WEG, wobei die Kompetenz nicht auf die Amtsperiode eines konkreten Verwalters beschränkt 111 KG, Beschl. v. 10.9.2003 – 24 W 141/02, ZMR 2004, 622, 623; Bielefeld, DWE 2001, 129. 112 Pfälzisches OLG, Beschl. v. 10.6.1987 – 3 W 53/87, MDR 1987, 938 = ZMR 1988, 24; Saarländisches OLG, Beschl. v. 7.5.1999 – 5 W 365/98, NZM 1999, 621. 113 OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63. 114 Allg. Meinung, etwa BayObLG, Beschl. v. 16.11.1995 – 2Z BR 69/95, WuM 1996, 724; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.6.2007 – 20 W 108/07, NZM 2008, 290; Weitnauer/Mansel, § 43 WEG Rz. 34a. 115 Elzer, ZMR 2006, 733, 736. 116 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 2Z BR 96/01, NJW 2001, 3635 (zum Verwalter). 117 Dafür etwa OLG Naumburg, Beschl. v. 10.1.2000 – 11 Wx 2/99, WuM 2001, 38 (zur Genehmigung des Wirtschaftsplans). 118 So für die Zustimmung des Verwalters BGH, Urt. v. 18.11.2016 – V ZR 49/16, MDR 2017, 696 = NJW 2017, 2184 Rz. 25; KG, Beschl. v. 18.3.1998 – 24 W 2334/97, ZMR 1998, 657 = NZM 1998, 771; wohl ebenso BGH, Beschl. v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347, 351 f.; s. ferner Staudinger/Lehmann-Richter (2018), § 22 WEG Rz. 88.

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Teil 14 Rz. 14.46

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

ist, also generell beschlossen werden kann. Gleiches ist für Beschlüsse über die Vertretung der Gemeinschaft gem. §§ 27 Abs. 3 S. 3, 45 Abs. 2 S. 1 WEG anzunehmen.

14.47 Beim Erwerb einer (wenigstens in Teilen) neu errichteten Wohnungseigentumsanlage fragt sich regelmäßig, wer die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durchführt. Nach Ansicht des BayObLG119 können die Eigentümer dies durch Vereinbarung bzw. Beschluss regeln und die Abnahme, die grundsätzlich eine individuelle Pflicht eines jeden Erwerbers darstellt, zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit machen. Selbst wenn man diese Ansicht für zutreffend hält, was aber zweifelhaft ist,120 sollte die Abnahme wegen der damit einhergehenden Haftungsrisiken gleichwohl nicht dem Beirat übertragen werden.121

14.48 Bezieht sich der Beschluss auf eine konkrete Maßnahme, z.B. Freigabe eines Auftrags, ist unter dem Gesichtspunkt der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses insbesondere umstritten, inwieweit die anstehende Frage im Kern von den Eigentümern selbst geregelt werden muss. Ein Beschluss über Baumaßnahmen soll dann nicht zu beanstanden sein, wenn dieser den Kostenrahmen festlegt, die Auswahl des Unternehmers aus vorhandenen Angeboten sowie Einzelheiten der Ausführung aber dem Verwaltungsbeirat überlassen wird.122

14.49 Von besonderer praktischer Bedeutung ist diese Problematik im Kontext der Übertragung von Kompetenzen im Zusammenhang mit der Bestellung eines Verwalters. Kraft Gesetzes hat der Beirat auch hier keine besonderen Befugnisse. Nach OLG Düsseldorf123 kann er bei der Wahl eines Verwalters durchaus eine Vorauswahl der für das Verwalteramt in Betracht kommenden Kandidaten vornehmen. Allerdings wird man zu differenzieren haben: Ist dem Beirat durch vorangegangenen Beschluss die Befugnis zur Vorauswahl übertragen worden,124 ist der Verwalter an die Auswahl durch den Beirat gebunden und hat diese bei der Aufstellung der Tagesordnung zu berücksichtigen. Andernfalls kann der Verwaltungsbeirat im Rahmen seiner beratenden Tätigkeit lediglich Vorschläge unterbreiten, z.B. auf die aus seiner Sicht fehlende Eignung einzelner Kandidaten hinweisen. Mangels bestehenden Weisungsrechts ist der Verwalter jedoch dann nicht verpflichtet, die Vorauswahl durch den Beirat zu akzeptieren.

14.50 Sehr häufig wird dem Verwaltungsbeirat die Aufgabe übertragen, den Verwaltervertrag abzuschließen bzw. die Verwaltervollmacht zu unterzeichnen, weshalb die strittigen Kompetenzfragen plastisch und praktisch relevant an diesem Beispiel aufgezeigt werden können (hierzu auch Teil 13, Rz. 13.78 ff.). Die Ausführungen gelten sinngemäß ebenso für den Vertragsschluss mit dem Rechtsanwalt oder sonstigen Dritten (z.B. Bauunternehmen). Seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft kommt der Verwaltervertrag zwischen Verband und Verwalter zustande,125 sodass es um die Vertretung der Gemeinschaft geht. 119 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2Z BR 153/98, NZM 1999, 862, 864. 120 S. insb. BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 Rz. 33. Verneinend unter Darstellung des Meinungsbildes auch Ott, ZWE 2010, 157, 162 f. 121 Vgl. Häublein, DNotZ 2002, 608, 611 f. Zur Frage der Regelungskompetenz der Eigentümergemeinschaft s. Häublein, DNotZ 2002, 608, 613 ff. 122 KG, Beschl. v. 10.9.2003 – 24 W 141/02, ZMR 2004, 622; a.A. Elzer, ZMR 2006, 85, 93; zum diffusen Meinungsbild, das in Bezug auf die Delegation von Verwaltungsaufgaben herrscht, Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 21 WEG Rz. 45 ff. 123 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2001 – 3 Wx 202/01, ZWE 2002, 185. 124 Für Zulässigkeit eines solchen Beschlusses zu Recht etwa Maroldt, ZWE 2002, 172, 173. 125 BGH, Beschl. v. 17.11.2011 – V ZB 134/11, NJW 2012, 128; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, § 10 Rz. 163; ausf. und mit umfangr. Nachw. Häublein, ZWE 2008, 1; a.A. H. Müller in FS Seuß (2007), S. 217, 221.

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Aufgaben und Befugnisse des Beirats

Rz. 14.52 Teil 14

Haben die Eigentümer den Abschluss eines konkreten Verwaltervertrags beschlossen und den Beirat mit dessen schriftlichem „Abschluss“ beauftragt, handelt es sich um eine bloß deklaratorische Unterzeichnung, wenn man meint,126 der Beschluss enthalte gleichzeitig die Willenserklärung über den Abschluss des Verwaltervertrags. Folgt man dieser Ansicht nicht127 oder ist der Beschluss für den Abschluss des Vertrags nicht hinreichend konkret – dies ist insbesondere der Fall, wenn nach dem Beschluss die Verhandlung über die Einzelheiten des Vertrags noch durch den Beirat erfolgen sollen –, ist die Unterzeichnung für das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts konstitutiv. Der Verwaltervertrag kommt dann nur zustande, wenn das Vertreterhandeln durch den ermächtigenden Beschluss legitimiert ist (vgl. § 164 Abs. 1 BGB), anderenfalls ist der Vertrag schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Die Vertretungsmacht fehlt, wenn der Beschluss nichtig bzw. gerichtlich für ungültig erklärt wurde (§ 23 Abs. 4 WEG) oder sich der Vertragsinhalt außerhalb des Rahmens der durch den Mehrheitsbeschluss gewährten Vertretungsmacht bewegt.128

14.51

Grundsätzliche Bedenken dagegen, den Beirat zum Abschluss des Verwaltervertrags zu bevollmächtigen, bestehen nicht. Denn ebenso, wie die Gemeinschaft einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen kann, kann sie sich von Eigentümern vertreten lassen (§ 27 Abs. 3 S. 3 WEG).129 Damit verbleibt die Frage nach der Wirksamkeit des Beschlusses über die Beauftragung des Beirats. Auch wenn der Ermächtigungsbeschluss keine Vorgaben zu den „Eckdaten“ wie Vertragslaufzeit und Vergütungshöhe macht, ist dieser Beschluss nach h.M. nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig.130 Dem ist zuzustimmen. Es widerspricht privatrechtlichen Grundsätzen zu fordern, dass der Prinzipal die essentialia negotii selbst festlegt. Der Schutz der Eigentümer vor unangemessenen Ermächtigungsbeschlüssen erfolgt vielmehr unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung, und zwar nicht nur durch Gewährung eines Anfechtungsrechts, sondern durch (normative) Auslegung, die den Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses festlegt. Beschlüsse, die den Beirat ohne nähere Vorgabe bevollmächtigen, den Verwaltervertrag abzuschließen, berechtigen nur zum Abschluss eines Vertrags, dessen Inhalt ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.131 Daher binden etwa AGBrechtswidrige Klauseln mangels Vertretungsmacht des Beirats die Gemeinschaft schon gar nicht (näher Rz. 14.74), es sei denn, der Beschluss der Eigentümer billigt diese Klauseln aus-

14.52

126 Etwa mit Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 26 WEG Rz. 145; s. ferner Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 26 WEG Rz. 39 f. 127 S. insb. Jacoby, ZWE 2008, 327; Jacoby in Staudinger (2018), § 26 WEG Rz. 152; ferner Hügel, ZMR 2008, 1, 3 f.; Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 115. 128 Vgl. etwa Becker in Bärmann, § 26 WEG Rz. 118 ff. m.w.N. 129 OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, ZMR 2001, 138 = ZWE 2001, 81; OLG Köln, Beschl. v. 13.7.2001 – 16 Wx 115/01, ZMR 2002, 155 = NZM 2001, 991; Drasdo, NZM 1998, 15 f.; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 26 WEG Rz. 43 ff.; Häublein, ZMR 2003, 233, 239 m.w.N. zur Rspr. in Fn. 62. A.A. Bielefeld, DWE 2001, 129, 130. 130 OLG Köln, Beschl. v. 13.7.2001 – 16 Wx 115/01, NZM 2001, 991; BayObLG, Beschl. v. 26.9.2003 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.2008 – 20 W 169/07, ZWE 2008, 470; s. auch BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 114/14, MDR 2015, 500, wo der Beschluss „nur“ für ungültig erklärt wurde; Niedenführ/Vandenhouten, § 26 WEG Rz. 46; Wicke in Palandt, § 26 WEG Rz. 14; a.A. LG Dortmund, Urt. v. 24.5.2016 – 1 S 42/16, ZMR 2017, 993; LG Hamburg, Urt. v. 19.9.2018 – 318 S 71/17, ZWE 2019, 214; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35. 131 BayObLG, Beschl. v. 26.9.2003 – 2Z BR 25/03, WuM 2004, 736; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.5.2008 – 20 W 169/07, ZWE 2008, 470; LG Berlin, Urt. v. 24.8.2018 – 55 S 86/17 WEG, ZWE 2019, 89; Palandt/Wicke, § 26 WEG Rz. 14.

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Teil 14 Rz. 14.52

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

drücklich.132 Diese Billigung der Eigentümer freilich ändert nichts an der Inhaltskontrolle des zustande gekommenen Vertrages gem. §§ 307 ff. BGB.

14.53 Zum Bestehen und zum Umfang der Vertretungsmacht des Beirats sowie zu den Folgen fehlender Vertretungsmacht s. die Ausführungen bei Rz. 14.71 ff.

VI. Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats zum Verband und den einzelnen Eigentümern 1. Überblick

14.54 Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind die Rechtsbeziehungen des Beirats – genauer: der Amtsinhaber, da der Beirat selbst nicht rechtsfähig ist – zu dieser und zu den einzelnen Eigentümern zu unterscheiden. Infolge der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft fragt sich, mit wem der Verwaltungsbeirat schuldrechtlich verbunden ist, was insbesondere für die Haftung von Bedeutung ist. Wie beim Verwalter unterscheidet man mittlerweile auch beim Beirat fast durchweg zwischen dem Beiratsamt und dem zu Grunde liegenden (schuldrechtlichen) Vertrag. Das Amtsverhältnis resultiert aus der gem. § 29 Abs. 1 WEG vorgenommenen Bestellung. Die schuldrechtlichen Beziehungen sind im WEG hingegen nicht geregelt. Es gelten die allgemeinen Normen, d.h. §§ 662 ff. BGB bei unentgeltlicher Tätigkeit sowie § 675 Abs. 1 i.V.m. §§ 611 ff. BGB bei entgeltlicher. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Feststellung der aus diesen beiden Rechtsverhältnissen berechtigten bzw. verpflichteten Rechtssubjekte.

14.55 Die Frage ist bereits bei der Wahl in das Amt bedeutsam, weil diese der Annahme bedarf (s. Rz. 14.10), die gegenüber der Person erfolgen muss, die den Beirat beruft.133 Die gesetzlichen Vorschriften geben keinen Aufschluss. Die Formulierung in § 29 Abs. 1 S. 1 WEG, wonach die Eigentümer die Bestellung beschließen können, lässt beide Lesarten zu.134 Sie entspricht § 26 Abs. 1 S. 1 WEG zur Bestellung des Verwalters. Dieser ist – jedenfalls in einem weit verstandenen Sinn – „Organ“ des Verbands Wohnungseigentümergemeinschaft, was bereits daraus folgt, dass er gem. § 27 Abs. 3 WEG dessen originär berufener Vertreter ist, wenngleich ihm die für Organe an sich charakteristische umfassende Kompetenz fehlt.135 Vergleichbare Kompetenzen hat der Beirat nicht. Seine gesetzlichen Aufgaben (§§ 26 Abs. 3, 29 WEG) sind vielmehr im Innenverhältnis angesiedelt.136 Das hindert eine Einstufung als Verbandsorgan aber nicht, da die Aufgaben des rechtsfähigen Verbands nicht auf das Außenverhältnis beschränkt sind.137 Davon ist auch nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Haftung der Gemeinschaft im Innenverhältnis auszugehen.138 Im Mittelpunkt des Judikats steht die Haftung der Gemeinschaft für schuldhafte Pflichtverletzungen des Verwalters. Den Gründen 132 Näher Lehmann-Richter in Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Verwaltervertrag für Wohnungseigentum, Rz. 4 f. 133 Relevanz erlangt die Einordnung ferner, wenn man das Amtsverhältnis als Grundlage vertraglicher Sekundäransprüche ansieht, näher Häublein, ZWE 2008, 80 (zum Verwalter). 134 Nach Ansicht von Gottschalg in FS Bub (2007), S. 73, 78, besteht ein doppeltes Organ- und Vertragsverhältnis, nämlich zum Verband und den Eigentümern. 135 Vgl. Häublein, ZWE 2008, 1. 136 S. etwa Bub in Staudinger (2005), § 29 WEG Rz. 3: „Innenorgan“. 137 Armbrüster, GE 2007, 420, 421; Häublein, ZWE 2008, 1, 2. 138 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111; dazu, dass insofern Differenzierungen geboten erscheinen, s. Häublein ZWE 2019, 25.

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Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats

Rz. 14.57 Teil 14

ist hingegen nicht zu entnehmen, dass im Innenverhältnis keine Rechtsbeziehungen mehr zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter bestehen. Vielmehr ist nach wie vor die Gemeinschaft Partei des Verwaltervertrages.139 Sähe man das anders, gefährdete man die mit der Rechtsfähigkeit verbundenen Vorteile, die 14.56 sich vor allem beim Eigentümerwechsel zeigen (Rz. 14.57). Für eine grundsätzliche Zuordnung der Rechte und Pflichten zum Verband spricht außerdem, dass die dem Beirat zugewiesenen Aufgaben überwiegend140 dem gemeinschaftlichen Interesse dienen (dort, wo individuelle Belange betroffen sind, kommt eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen den Mitgliedern des Beirats und den Eigentümern aber durchaus in Betracht; s. Rz. 14.57). Schließlich erscheint es nicht überzeugend, von einem Amtsrechtsverhältnis des Verwalters zur Gemeinschaft auszugehen, das des Beirats hingegen als solches mit den einzelnen Eigentümern anzusehen. Das Amtsrechtsverhältnis besteht daher zum Verband.141 Die Annahme der Wahl zum Beirat hat daher grds. dem Verwalter gegenüber zu erfolgen (s.o. Rz. 14.10). Fehlt ein solcher, kommt § 27 Abs. 3 S. 2 WEG zum Tragen. Da für die Passivvertretung nach einem allg. Prinzip, das etwa in §§ 26 Abs. 2 S. 2, 1629 Abs. 1 S. 2 BGB, 125 Abs. 2 S. 3 HGB, § 170 Abs. 3 ZPO Ausdruck findet, der Zugang bei einem Vertreter genügt, kann die Annahme in der Versammlung vor den anwesenden Eigentümern erfolgen.142 Nach h.M. kommt das schuldrechtliche Vertragsverhältnis (regelmäßig ein Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB)143 zwischen Beirat und Verband zustande;144 dem ist zuzustimmen.145 Der Abschluss wird dem Amtsträger in der Regel (konkludent) mit der Bestellung angetragen – rechtliche Konstruktion: Ermächtigung des Verwalters zur Abgabe einer (schlüssigen) Erklärung für die Gemeinschaft – und von diesem durch Annahme der Bestellung bzw. Aufnahme der Tätigkeit angenommen.146 Nur diese auf die Gemeinschaft abstellende Sichtweise vermeidet die Probleme bei der Rechtsnachfolge, was zu den Zielen der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft gehört.147 Allerdings bedürfen die Eigentümer, deren Vermögen durch Fehlverhalten des Beirats geschädigt werden kann, eines Schutzes, der über das Deliktsrecht hinausgeht, das reine Vermögensschäden gerade nicht ersetzt. Dieses Ziel wird erreicht, wenn man die Eigentümer in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Beirat und Verband 139 S. etwa BGH, Beschl. v. 7.7.2016 – V ZB 15/14, ZWE 2017, 55 = MDR 2017, 80 Rz. 9; BGH, Beschl. v. 11.5.2017 – V ZB 52/15, ZWE 2017, 311 = MDR 2017, 1048 Rz. 15. 140 Vgl. Abramenko, ZWE 2006, 273, 275. 141 Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 54. Teilw. abweichend Gottschalg, inFS Bub (2007), S. 73, 78: Amtsverhältnis besteht auch zu den Eigentümern. 142 Vgl. Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 119 zur Kündigung bzw. Niederlegung des Verwalters. 143 Statt aller: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, ZMR 1998, 104 = NZM 1998, 36. S. dazu auch bereits oben Rz. 14.14, 14.54 sowie sogleich Rz. 14.57. 144 Abramenko, ZWE 2006, 273, 276; Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 37; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 25; Wicke in Palandt, § 29 WEG Rz. 2; Schmid, ZWE 2011, 8, 9; für ein einheitliches Rechtsverhältnis und gegen die herrschende Trennungstheorie plädiert Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 29 WEG Rz. 12. 145 Ginge man – wie Gottschalg in FS Bub (2007), S. 73, 78 – (auch) von einem Vertrag mit den Eigentümern aus, müssten diese entsprechende Willenserklärungen entweder selbst abgeben oder Vollmachten erteilen. Eine Vertretungsmacht etwa des Verwalters folgt weder aus dem Gesetz noch aus einem entsprechenden Beschluss, weil der Gemeinschaft nicht die Kompetenz zusteht, die einzelnen Eigentümer zu verpflichten, Wenzel, ZWE 2006, 2, 9. 146 Armbrüster, ZWE 2001, 355, 354; Häublein, ZfIR 2001, 939, 934; dazu aber auch Rz. 14.10. 147 Vgl. in anderem Zusammenhang Häublein, ZWE 2008, 1, 2.

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Teil 14 Rz. 14.57

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

einbezieht (Rz. 14.66).148 Denn es ist keineswegs ausgemacht, dass die Auslegung des Beiratsvertrags stets ergibt, dass den Eigentümern ein eigenes Forderungsrecht – dies ist Voraussetzung eines echten Vertrags zu Gunsten Dritter, vgl. § 328 BGB – zustehen soll. Meist sind die Eigentümer auf ein eigenes Forderungsrecht nicht angewiesen, weil ihnen Erfüllungsansprüche nichts nützen.149 Ferner birgt die Vervielfachung der Gläubiger für den Amtsträger Risiken, die dieser erkennbar nicht eingehen möchte. Mit dieser Sichtweise korrespondiert die bereits vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit verbreitete Ansicht, die Inanspruchnahme des Beirats bei Pflichtverletzungen erfordere einen Beschluss.150 Soweit bei Erweiterung der Kompetenzen des Beirats in der Gemeinschaftsordnung von diesem Individualbefugnisse wahrgenommen werden, kommt wohl auch ein Vertrag zu Gunsten Dritter in Betracht.151 2. Rechtsbeziehungen zum Verband

14.58 Aufgrund des zwischen Beirat und Verband regelmäßig (konkludent) geschlossenen Auftrags hat nach § 670 BGB jedes Mitglied des Beirats einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen (Telefonkosten, Porti etc.).152 Die Eigentümer können mehrheitlich beschließen, dem Beirat seine Aufwendungen in Form einer Pauschale zu ersetzen. Die Gewährung einer Aufwandsentschädigung ändert am unentgeltlichen Charakter der Tätigkeit nichts (arg. e § 670 BGB).153 Hinsichtlich der Höhe und des Umfangs der zu erstattenden Aufwendungen ist der Gemeinschaft ein Ermessensspielraum zuzubilligen. Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist allerdings uneinheitlich (BayObLG154: 300 DM/Jahr angemessen, wenn der Beirat besonders gefordert wird; LG Hannover155: Gesamtbetrag von 3.579 Euro/Jahr für drei Beiratsmitglieder bei Großanlage von 340 Einheiten ordnungsgemäß; KG156: 500 Euro/Jahr auch bei zerstrittener Gemeinschaft unangemessen).

14.59 Auskunfts- und Einsichtsansprüche (z.B. in die Protokolle der Beiratssitzungen) stehen gem. § 666 bzw. § 259 BGB grundsätzlich dem Verband als Vertragspartner zu. Es handelt sich grundsätzlich nicht um Individualansprüche, sodass ihre Durchsetzung eine vorherige Beschlussfassung erfordert.157 Allerdings werden teilweise Ausnahmen i.S. eines Individualan-

148 Ebenso Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, Teil B Rz. 37; Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 15. Zu den Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter etwa Lehmann-Richter, ZWE 2006, 413, 414. Für Vertrag zu Gunsten der Eigentümer hingegen Abramenko, ZWE 2006, 273, 276; unklar Hügel/Elzer, § 29 Rz. 6. 149 Vgl. die Auflistung der Tätigkeiten des Beirats für die Eigentümer bei Abramenko, ZWE 2006, 273, 274 f. 150 S. Staudinger/Bub (2005), § 29 WEG Rz. 73; vgl. ferner Drasdo, NZM 1998, 15, 16 unter Hinweis auf BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – BReg 2 Z 49/91, NJW-RR 1991, 1360. 151 Vgl. zur Parallelsituation beim Verwaltervertrag Häublein, ZWE 2008, 1, 7 f. 152 Zur Erstattung von Hotelkosten s. AG Dresden, Beschl. v. 25.8.2008 – 440 UR II 261/05 WEG, juris. 153 Zust. Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 79. 154 BayObLG, Beschl. v. 30.4.1999 – 2Z BR 153/98, NZM 1999, 862. 155 LG Hannover, Beschl. v. 10.1.2006 – 4 T 78/05, ZMR 2006, 398; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 13.12.2004 – 2 W 124/03, NZM 2005, 588 = ZMR 2005, 735 (40 Euro/Sitzung und Fahrtkostenerstattung analog BRKG angemessen). 156 KG, Beschl. v. 29.3.2004 – 24 W 194/02, ZMR 2004, 775. 157 Frage offen gelassen von BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, ZWE 2011, 212, 213. Vgl. zum alten Recht BayObLG, Beschl. v. 9.6.1994 – 2Z BR 27/94, ZMR 1994, 575.

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Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats

Rz. 14.61 Teil 14

spruchs anerkannt, sofern ein „berechtigtes und akutes Interesse“ besteht.158 Für diese Sichtweise lässt sich anführen, dass das Verbandsrecht auch an anderer Stelle derartige Ansprüche kennt, obwohl das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis des Verpflichteten zum Verband besteht, sofern es um Informationsansprüche geht (vgl. § 51a GmbHG). Der Beirat haftet dem Verband aus dem Amtsrechtsverhältnis sowie dem schuldrechtlichen Vertrag gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Rechtsanwälte, Steuerberater u. dgl. sollen als Beiräte die für ihren Berufsstand typische Sorgfalt schulden.159 Nach h.M.160 haften auch unentgeltlich tätige Beiräte gemäß § 276 BGB für einfache Fahrlässigkeit. Dem ist nur für Beiräte zuzustimmen, die für ihre Tätigkeit eine über den Aufwendungsersatz zzgl. der Bagatellgrenze des § 31a BGB hinausgehende Leistung erhalten. § 31a Abs. 1 BGB ist insofern analog anwendbar.161 Nach dieser Norm haften unentgeltlich tätige Mitglieder des Vereinsvorstands für einen in Wahrnehmung ihrer Vorstandspflichten verursachten Schaden des Vereins oder von Mitgliedern nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Dies bezweckt, die Haftungsrisiken für ehrenamtliche Tätigkeit auf ein zumutbares Maß zu begrenzen, wodurch die Übernahme von Funktionen in Vereinen gefördert werden soll.162 Für den ehrenamtlich tätigen Beirat ist eine derartige Beschränkung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in gleicher Weise am Platz.163

14.60

Wie beim Verein besteht in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Notwendigkeit, zur Übernahme des Amtes durch eine Reduzierung des Haftungsmaßstabs anzureizen, wenn man, was das WEG tut,164 davon ausgeht, dass es zweckmäßig ist, dem Verwalter ein Gremium der Eigentümer an die Seite zu stellen. Von der Übernahme des Amts durch Freiwillige profitieren daher alle Eigentümer. Ebenso wie Vereine und Stiftungen, für die § 31a Abs. 1 BGB über § 86 S. 1 BGB gilt, verfolgt auch die Gemeinschaft keine unternehmerischen Ziele, sondern verwaltet das gemeinschaftliche Eigentum. Erwägungen, die bei anderen Verbänden gegen die analoge Anwendung des § 31a Abs. 1 BGB angeführt werden,165 lassen sich auf den Verwaltungsbeirat, der gerade keine Leitungsfunktion hat, nicht übertragen. Damit entfällt bei Schädigungen von Miteigentümern das Bedürfnis für einen Freistellungsanspruch; er ist,

14.61

158 S. Abramenko in Riecke/Schmid, § 29 WEG Rz. 18; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, ZWE 2011, 212, 213. 159 Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 30a. 160 Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 111; Drabek, AnwZert MietR 17/2009, Anm. 2; Gottschalg, ZWE 2001, 185, 186; Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 30; vehement dagegen Wolicki, ZWE 2019, 354. 161 A.A. Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 111; Drasdo, VBR, Rz. 310; Elzer/Riecke, ZMR 2012, 171; Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 30 f. 162 BT- Drucks. 16/10120, S. 1. 163 Wie hier Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 94. Die Gegenansicht beruft sich ohne Grund auf einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, so etwa Elzer/Riecke, ZMR 2012, 171. Die dieser Argumentation zugrundeliegende Auffassung, der Normgeber, der sich für eine gegenständlich beschränkte Regelung entscheide, wolle deren Ausdehnung durch Rechtsfortbildung verhindern, würdigt den nicht zuletzt durch begrenzte Ressourcen typischerweise verengten Fokus von Gesetzgebungsverfahren nicht und ist lebensfremd. 164 Ausdruck dessen ist § 29 WEG; im österr. WEG gibt es keine solche Norm. 165 Vgl. Noack, GmbHR 2010, R 81, der den allgemeinen Charakter von § 31a BGB betont, eine Analogie für ehrenamtliche GmbH-Geschäftsführer aber wegen der vorrangigen Haftungsnorm des § 43 GmbHG ablehnt; ebenso für die gGmbH Reuter, NZG 2009, 1368, 1370. Wie hier für den ehrenamtlichen Vereinsvorstand vor Einführung des § 31a BGB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 14 V 1.

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Teil 14 Rz. 14.61

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

wenn man der hier vertretenen Analogie folgt, nur bei Schädigung Dritter zu bejahen. Dies folgt aus der in § 670 BGB und § 31a Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Risikoverteilung.

14.62 Stehen der Gemeinschaft Haftungsansprüche gegen Mitglieder des Verwaltungsbeirats zu, fragt sich, inwieweit sich der Beirat nach §§ 254, 31 BGB auf ein etwaiges Mitverschulden des Verwalters oder der Eigentümerversammlung berufen kann. Bei den juristischen Personen entspricht es h.M.,166 dass sich die Organe auf ein mitwirkendes Verschulden eines anderen Organs oder Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft nicht berufen können; denn jedes Organ sei im Rahmen seines Aufgabenbereichs für die Erfüllung seiner Pflichten selbständig verantwortlich und müsse deshalb für den schuldhaft verursachten Schaden voll einstehen. Mitglieder des Aufsichtsrats können daher einem Schadensersatzanspruch der AG kein Mitverschulden anderer Organe entgegenhalten.167 Der Verwaltungsbeirat kann sich folglich bei der Prüfung des Zahlenwerks nicht auf ein Mitverschulden des Verwalters berufen; das Gesetz erlegt ihm ja gerade die Überwachung des Verwalters auf. In der Regel wird nicht zwischen gesetzlichen und durch Rechtsgeschäft übertragenen Einzelkompetenzen des Beirats unterschieden,168 den Beiratsmitgliedern teilweise aber der Mitverschuldenseinwand gewährt, wenn eine ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechende Willensbildung der Eigentümer zur Entstehung des Schadens beigetragen hat.169 Zwar kann ein solcher Beschluss den Vorwurf ausschließen, der diesen befolgende Beirat habe Pflichten verletzt. Ob jedoch im Rahmen der Haftung im Innenverhältnis der Gemeinschaft die Willensbildung durch die Eigentümer zuzurechnen ist, erscheint angesichts der neueren Linie der BGH170 sehr fraglich.

14.63 Eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit durch Mehrheitsbeschluss ist zulässig und entspricht bei unentgeltlicher Wahrnehmung des Amts ordnungsmäßiger Verwaltung;171 sofern man § 31a BGB analog anwendet (Rz. 14.60 f.), wirkt der Beschluss nur klarstellend. Ein Beispiel für Ersatzansprüche der Gemeinschaft sind etwa die in der Praxis besonders folgenschweren Fälle der fehlerhaften Prüfung der Jahresabrechnung.172 Es entspricht außerdem ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Gemeinschaft zu Gunsten der Beiratsmitglieder eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abschließt.173 Zu beachten ist, dass bei Bestehen einer solchen Versicherung Haftungserleichterungen dem Versicherer zugutekommen.174 Ein vergleichbares Problem ergibt sich bei der Entlastung.175

166 BGH, Urt. v. 14.3.1983 – II ZR 103/82, NJW 1983, 1856; BGH, Urt. v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, MDR 2015, 87 Rz. 22; Grüneberg in Palandt, § 254 BGB Rz. 49 (auch zur OHG und GbR); krit. aber Bayer/Scholz GmbHR 2016, 841 (zur GmbH). 167 Habersack in MünchKomm-AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rz. 75 m.w.N. 168 Anders bei der Wissenszurechnung aber Hogenschurz ZfIR 2016, 820. 169 Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 29 WEG Rz. 28; a.A. Abramenko in Riecke/Schmid, § 29 WEG Rz. 29. 170 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111. 171 LG Frankfurt/M., Urt. v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, ZWE 2018, 871, 873. Anders Becker/Ott/Suilmann, Rz. 801, was angesichts § 31a BGB nicht überzeugt; sogar für nichtig halten derartige Beschlüsse mangels Beschlusskompetenz Elzer/Riecke, ZMR 2012, 171. 172 Abramenko, ZWE 2006, 273, 275. 173 KG, Beschl. v. 19.7.2004 – 24 W 203/02, ZMR 2004, 780 = MietRB 2004, 359 (Häublein); Greiner, WE 2003, 102; Häublein, ZfIR 2001, 939, 941 f.; a.A. Köhler, ZMR 2002, 891, 892 f.; hiergegen Armbrüster, ZMR 2003, 1, 4; Häublein, ZMR 2003, 233, 240. 174 Häublein, ZfIR 2002, 939, 941. 175 S. Greiner in BeckOGK (1.5.2019), § 29 WEG Rz. 51; Wolicki, ZWE 2019, 354 ff.

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Häublein

Rechtsbeziehungen des Verwaltungsbeirats

Rz. 14.66 Teil 14

Es ist üblich, den Verwaltungsbeirat nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres zu entlasten. Beim Beschluss über die Entlastung sind die Beiratsmitglieder nach § 25 Abs. 5 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen.176 Eine derartige Entlastung hat wie beim Verwalter die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses.177 Da sich nach Ansicht des BGH zum Verwalter die Entlastung nicht auf einen etwaigen Anspruchsverzicht beschränkt, sondern das Vertrauen der Beteiligten ineinander bestätigt, kann ein Entlastungsbeschluss den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen (vgl. Teil 13, Rz. 13.372 ff.).178 Diese Rechtsprechung gilt auch für den Beirat.179 Ein Entlastungsbeschluss widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung aber dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits konkrete Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Beirats bestehen oder eine solche zumindest möglich erscheint.180 Allein das (mögliche) Bestehen von Ansprüchen gegen den fehlerhaft abrechnenden Verwalter impliziert eine solche Möglichkeit aber nicht.181

14.64

Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit des Verbandes ist aber fraglich, welche Reichweite der Entlastungsbeschluss hat. Entsprechend der h.M. zum alten Recht umfasst das negative Anerkenntnis jedenfalls Ansprüche des Verbands. Daneben dürfte die Verzichtswirkung auch Ansprüche betreffen, die den Eigentümern in ihrer Gesamtheit zustehen, also im Sinne des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG gemeinschaftsbezogen sind. Auf individuelle Ansprüche der Eigentümer kann durch Beschluss mangels entsprechender Kompetenz hingegen nicht verzichtet werden.182 Die Zustimmung des betroffenen Eigentümers bei der Stimmabgabe über die Entlastung ist keine entsprechende Willenserklärung: Gegenstand der Abstimmung in der Versammlung sind nur gemeinschaftsbezogene Angelegenheiten, nicht hingegen Individualansprüche des Eigentümers (gesetzeskonforme Auslegung nach §§ 133, 157 BGB).

14.65

3. Rechtsbeziehungen zu den Eigentümern Primäransprüche einzelner Eigentümer gegen den Beirat aufgrund eines Vertrags zu Guns- 14.66 ten Dritter (s. Rz. 14.57) kommen nur in Ausnahmefällen in Betracht und dürften in aller Regel auch nicht geltend gemacht werden. Häufiger werden Schadensersatzansprüche gegen den Beirat in Rede stehen. Sie können auch den einzelnen Eigentümern zustehen. Anspruchsgrundlage ist regelmäßig § 280 Abs. 1 BGB, weil das Vertragsverhältnis zwischen Verband und Beiratsmitglied Schutzwirkung zu Gunsten der Eigentümer entfaltet (vgl. Rz. 14.57).183 Nach

176 Allg. Meinung, vgl. etwa Pfälzisches OLG, Beschl. v. 14.5.1998 – 3 W 40/98, NZM 1998, 671 = OLGReport Zweibrücken 1998, 377; Drasdo, VBR, Rz. 492; Riecke in Riecke/Schmid, § 25 Rz. 28 m.w.N. 177 Vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, ZMR 2003, 750 (Rz. 18 bei juris – zum Verwalter); BGH, Urt. v. 28.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 Rz. 66 (zum Beirat). 178 BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = ZMR 2003, 750. 179 Vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127; OLG München, Beschl. v. 11.7.2008 – 32 Wx 87/08, ZMR 2008, 905. 180 BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 (Rz. 19); BayObLG, Beschl. v. 12.6.1991 – BReg 2 Z 49/91, NJW-RR 1991, 1360 = WuM 1991, 443. 181 Zutr. AG Wismar, Urt. v. 17.12.2018 – 8 C 337/17 WEG, ZMR 2019, 309. 182 So nun auch BGH, Urt. v. 28.2.2018 – V ZR 101/16, MDR 2018, 859 Rz. 65; bereits zum alten Recht OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.1996 – 15 W 212/96, NJW-RR 1997, 908. 183 In der Literatur wird teilweise erwogen, ob der Verband einen Schaden, den sein Vertragspartner einzelnen Eigentümern zufügt, im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen kann, vgl. Briesemeister, ZWE 2006, 15, 16. Dieser Lösung bedarf es nicht, weil eine Drittschadensliquidation nur dort in Betracht kommt, wo dem Geschädigten keine eigenen vertraglichen Ansprüche,

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Teil 14 Rz. 14.66

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

hier vertretener Ansicht haftet der ehrenamtlich tätige Beirat freilich analog § 31a Abs. 1 S. 1 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (s. Rz. 14.60 f.); diese Haftungsmilderung besteht analog § 31a Abs. 1 S. 2 BGB ebenso im Verhältnis zu den Miteigentümern, was an sich bereits aus der Tatsache folgt, dass ihr Anspruch dem Schutzbereich des Vertrags entspringt.184

14.67 Ein Beispiel bildet die dem Beirat übertragene Veräußerungszustimmung. Ist gem. § 12 Abs. 1 WEG vereinbart, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Beirats bedarf, machen sich die Beiratsmitglieder gegenüber dem veräußernden Eigentümer185 als Gesamtschuldner schadensersatzpflichtig, wenn sie diese schuldhaft ohne wichtigen Grund (§ 12 Abs. 2 WEG) versagen oder hinauszögern. Hier liegt ein hohes Haftungspotential für den Beirat.186 Plastisch ist folgendes

14.68 Beispiel (nach KG, Beschl. v. 19.9.2001 – 24 W 147/01, ZWE 2002, 131): Es besteht Streit über die Rechtsverhältnisse an einem Teil des Dachstuhls. Als die Dachgeschosseigentümerin ihr Sondereigentum unter Einschluss der streitigen Fläche verkaufte, verweigerte der Beirat die Zustimmung; zu Unrecht, wie das KG später feststellte. Infolge der fehlenden Zustimmung trat der Käufer vom Kaufvertrag zurück. Da das Dachgeschoss in der Folgezeit nicht mehr verkauft werden konnte, kam es drei Jahre später zur Zwangsversteigerung, in der der Zuschlag zu einem 250.000 Euro unter dem vereinbarten Kaufpreis liegenden Betrag erteilt wurde. Für die Differenz zzgl. aufgelaufener Darlehenszinsen haften die rechtswidrig die Zustimmung verweigernden Eigentümer gem. § 280 BGB.

14.69 Die Entscheidung erging zum alten Recht, was am Ergebnis aber nichts ändert. Die Pflicht, die Zustimmung zu erteilen, sofern keine wichtigen Versagungsgründe (§ 12 Abs. 2 WEG) vorliegen, schützt auch den Einzelnen. Von den herkömmlichen Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter erscheint einzig die Schutzbedürftigkeit ein wenig zweifelhaft. Dies deswegen, weil der betroffene Eigentümer einen eigenen Anspruch gegen die Gemeinschaft haben könnte, sofern dieser das Verhalten des Beirats gem. § 278 BGB zuzurechnen wäre (s. Rz. 14.77).187 Jedoch ist diese Zurechnung ausgeschlossen, wenn man dem BGH188 darin folgt, dass die Gemeinschaft nicht für Pflichtverletzungen einzustehen hat, die dem Verwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterlaufen. Zu diesen Aufgaben gehört es auch, Zustimmung nach § 12 WEG zu erteilen, sofern die Gemeinschaftsordnung solche vorsieht. Ist diese Aufgabe dem Beirat zugewiesen, kann nichts anderes gelten. Lehnt man diese Judikatur ab, muss man im Rahmen der Prüfung der Schutzwirkung beachten, dass ein Anspruch gegen den Verband aus Sicht des geschädigten Eigentümers schwerlich gleichwertig wäre, weil dieser aus dem Verwaltungsvermögen zu erfüllen wäre. An jenem wiederum ist der Eigentümer selbst beteiligt, weshalb die besseren Gründe dafür sprechen, die Schutzbedürftig-

184 185

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etwa aus einem Vertrag mit Schutzwirkung, zustehen (BGH, Urt. v. 10.5.1984 – I ZR 52/82, NJW 1985, 2411). Vgl. Grüneberg in Palandt, § 328 BGB Rz. 20 m.w.N. Dem Erwerber steht mangels Rechtsbeziehung kein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, Schneider in Riecke/Schmid, § 12 Rz. 149. Deliktsrechtliche Ansprüche des Erwerbers scheitern regelmäßig daran, dass § 823 Abs. 1 BGB das Vermögen als solches nicht schützt und es auch an den Voraussetzungen des § 826 BGB fehlt. Ebenso Gottschalg, Haftung von Verwalter und Beirat, Rz. 470. S. etwa Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2010, Teil B Rz. 9, unter Hinw. auf die fehlende eigenständige Handlungskompetenz im Rechtsverkehr. BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111.

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Der Beirat als Vertreter im Rechtsverkehr

Rz. 14.72 Teil 14

keit jedenfalls zu bejahen.189 Die pflichtwidrige Verweigerung der Zustimmung ist grundsätzlich auch schuldhaft (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).190 Hinweis: Für den mit der Verfolgung von Ansprüchen gegen den Beirat beauftragten Anwalt gilt: Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft bedarf es stets sorgfältiger Prüfung der Aktivlegitimation. Ansprüche wegen Pflichtverletzung können sowohl dem Verband als auch den Eigentümern zustehen. Ist ein Schaden unmittelbar beim Verband eingetreten, ist dieser Anspruchsinhaber. Sofern die Pflichtverletzung des Beirats jedoch zu einem Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) führt, sind die Eigentümer geschädigt. Zwar geht der BGH bei solchen Schäden von einem gemeinschaftsbezogenen Anspruch i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 1. Alt WEG aus, hat diesen Grundsatz aber eingeschränkt, wenn mit solchen Forderungen Beseitigungsansprüche aus dem Eigentum konkurrieren; dann liege ein Fall des § 10 Abs. 6 S. 3 2. Alt. WEG vor.191 Der sichere Weg besteht also darin, einen Beschluss herbeizuführen, der den Verband ermächtigt, derartige Ansprüche gegen den Beirat im eigenen Namen geltend zu machen („gekorene Ausübungsbefugnis“). Hierdurch zieht die Gemeinschaft diese Ansprüche der Eigentümer jedenfalls an sich.192 Ein Mehraufwand entsteht dadurch in der Regel nicht, da der Verwalter grundsätzlich auch dann einen Beschlusses nach § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG benötigt, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 S. 3 1. Alt WEG vorliegen. Eine „Vergemeinschaftung“ scheidet allerdings mangels Kompetenz der Eigentümer hierzu aus, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der nur einzelnen Eigentümern zusteht. Hierzu zählt der Anspruch auf Ersatz des Schadens wegen pflichtwidrig verweigerter Veräußerungszustimmung gem. § 12 WEG (s. Beispiel Rz. 14.68).

14.70

VII. Der Beirat als Vertreter im Rechtsverkehr Der Beirat oder seine Mitglieder sind kraft Gesetzes weder zur Vertretung des Verbands noch 14.71 der einzelnen Eigentümer berechtigt. Erforderlich ist eine Legitimation. Beim Handeln für den Verband kann die Vertretungsmacht sich entweder aus einer Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) oder einem Beschluss ergeben (s. § 27 Abs. 3 S. 3 WEG). Eine Befugnis zur Vertretung einzelner Eigentümer hingegen kann durch Beschluss nicht begründet werden, weil der Gemeinschaft nicht die Kompetenz zusteht, die einzelnen Eigentümer zu verpflichten.193 Hier bedarf es der Bevollmächtigung durch jeden Eigentümer. Bei einem Auftreten des Beirats ist zunächst zu fragen, in wessen Namen er kontrahieren will. Hier kommt in Betracht, dass entweder der rechtsfähige Verband oder aber sämtliche Eigentümer persönlich Vertragspartner werden sollen. Auslegungsspielräume ergeben sich nur, wenn der Beirat nicht klarstellt, für wen er handelt. In solchen Fällen gilt, dass im Zweifel der Verband Vertragspartner wird.194 Dies folgt nicht nur aus den vorstehenden Erwägungen zur Vertretungsmacht, sondern ebenfalls aus § 10 Abs. 6 S. 1 WEG, wonach sich der Bereich der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erstreckt. Es ist daher im Regelfall, d.h. bei Verwaltungsmaßnahmen i.w.S. („gesamte Verwaltung“) davon auszugehen, dass der Beirat den zuständigen Verband vertritt.

189 Zu dieser Überlegung bereits Häublein, ZWE 2008, 1, 7 zur Verwalterhaftung. 190 Eine Modifizierung des Haftungsmaßstabes – s.o. Rz. 14.60 f. – geht allerdings zu Lasten des geschädigten Eigentümers; vgl. BGH, Urt. v. 15.6.1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269. 191 BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 287 Rz. 8 ff. 192 Vgl. Armbrüster, GE 2007, 420, 430, 432. 193 Wenzel, ZWE 2006, 2, 9. 194 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061 (sub IV – zum Verwalter).

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14.72

Teil 14 Rz. 14.73

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

14.73 Wurden die Mitglieder des Beirats mit der Vertretung beauftragt, wird hierdurch im Zweifel die Vollmacht zum Handeln im fremden Namen und keine Ermächtigung erteilt.195 In der Regel soll der Beirat nämlich erkennbar namens des Verbands handeln, um diesen zu verpflichten, sodass sich das Fremdgeschäft durch Auslegung ergibt, §§ 133, 157, 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Bereits aus der Natur des Vertretergeschäfts kann sich die intendierte Verpflichtung des Verbands ergeben. Insbesondere bei Abschluss des Verwaltervertrags ist der Fremdbezug offenkundig. Im Übrigen wäre eine sog. Verpflichtungsermächtigung nach ganz h.M.196 unzulässig, sodass eine Umdeutung gem. § 140 BGB in Betracht zu ziehen wäre.

14.74 Besondere Sorgfalt ist bei der Prüfung des Umfangs der Vertretungsmacht geboten. Nach ganz überwiegender Ansicht ist der bevollmächtigte Verwaltungsbeirat im Zweifel nur zum Abschluss solcher Rechtsgeschäfte berechtigt, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen (s. dazu bereits die Ausführungen bei Rz. 14.52).197 Überschreitet der Beirat diese Grenze, handelt er ohne Vertretungsmacht. Ob in diesem Fall der gesamte Vertrag nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam ist oder nur der Vertragsteil, der nicht vom Ermächtigungsbeschluss umfasst ist (etwa beim Verwaltervertrag: Vereinbarung einer Vergütung für bestimmte Tätigkeiten), ist eine Frage des Einzelfalls (Maßstab: § 139 BGB).

14.75 Beispiele: Ist der Beirat zum Abschluss des Verwaltervertrags bevollmächtigt, soll er gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen, wenn er für Leistungen, die nach dem Gesetz zur Tätigkeit des Verwalters gehören, diesem eine Sondervergütung zubilligt.198 Wird der Beirat bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen (z.B. um gegen den Verwalter vorzugehen), soll grundsätzlich nur die Honorierung nach RVG ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Da der Rechtsanwalt dies regelmäßig wissen muss, haftet ihm der Handelnde nicht (§ 179 Abs. 3 S. 1 BGB; s. Rz. 14.32). Freilich sieht das Gesetz selbst gewisse Gebührenvereinbarungen vor (§§ 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 6 WEG), was zeigt, dass derartige Vereinbarungen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen können, weil sie die kompetente Vertretung der Eigentümerinteressen sichern.

14.76 Hinweis: In Anbetracht der Unsicherheiten bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über die Vertretung (dazu oben Rz. 14.45 ff.) bietet es sich an, den jeweiligen Vertrag mit dem Beirat nur auszuhandeln und diesen auf einer (außerordentlichen) Eigentümerversammlung beschließen zu lassen oder den Vertrag unter die Bedingung eines solchen Beschlusses zu stellen. Wer den Verwalter bei Vertragsschluss mit der Gemeinschaft anwaltlich vertritt oder aber selbst als Anwalt einen (Beratungs-)Vertrag mit dem Verband abschließt und den beschriebenen Weg nicht wählt – etwa um eine Diskussion in der Gemeinschaft über den Vertragsinhalt (z.B. die Vergütungshöhe) zu vermeiden –, geht das Risiko fehlender Vertretungsmacht mit der Folge ein, dass der Vertrag schwebend unwirksam ist (§ 177 Abs. 1 BGB). Dem Rechtsanwalt bzw. dem von ihm vertretenen Verwalter werden in derartigen Fällen keine Ersatzansprüche gegen die Beiräte zustehen (§ 179 Abs. 3 S. 1 BGB). Selbst wenn dem Beirat die essentialia negotii (Sachleistung, Höhe der Gegenleistung, Person des Vertragspartners) beschlussweise vorgegeben wurden, binden sonstige Regelungen die Gemeinschaft nur, wenn sie entweder den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen oder durch Beschluss genehmigt wurden.

195 Allgemein zum Unterschied zwischen Ermächtigung und Vollmacht s. Häublein, DNotZ 2000, 442, 445 f. 196 Statt vieler nur Ellenberger in Palandt, Einf. v. § 164 BGB Rz. 13. 197 Statt vieler OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, ZWE 2001, 81, 83 = ZMR 2001, 138, 141 = NZM 2001, 49, 51. 198 S. OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, ZWE 2001, 81; ebenso BayObLG, Beschl. v. 12.2.2004 – 2Z BR 110/03, ZMR 2005, 62.

958

Häublein

Haftung und Wissenszurechnung

Rz. 14.79 Teil 14

VIII. Haftung für das Handeln des Beirats und Zurechnung des Wissens der Beiratsmitglieder Sollen der Gemeinschaft Pflichtverletzungen des Beirats zugerechnet werden, kommen als Zu- 14.77 rechnungsnormen § 31 BGB oder § 278 BGB in Betracht. Die h.M. lehnt für den Beirat eine Analogie zu § 31 BGB zutreffend ab, weil es sich nicht um ein Organ im Sinne dieser Norm handelt. Dem Beirat fehlt die für Organe charakteristische Handlungskompetenz. Die Zurechnung von Pflichtverletzungen erfolgt aus diesem Grund nach § 278 BGB.199 Dies gilt auch im Verhältnis des Verbandes zum Verwalter, weil für eine Ausnahme vom Grundsatz der Zurechnung nichts ersichtlich ist.200 Entscheidend kommt es darauf an, ob der Beirat bei der Pflichtverletzung als Erfüllungsgehilfe der Gemeinschaft tätig war.201 Dafür muss er sich im Bereich dessen bewegen, was die Gemeinschaft im Rahmen ihrer Rechtsbeziehung zum Gläubiger diesem schuldet, seine Handlung also zum Pflichtenkreis des Verbandes gehören.202 So liegt es z.B., wenn der gem. § 27 Abs. 3 S. 3 WEG die Gemeinschaft beim Abschluss eines Verwaltervertrages vertretende Beirat eine Pflicht verletzt, indem er wahrheitswidrig auf Fragen des Verwalters antwortet, die erkennbar für die Vertragsgestaltung relevant sind.203 Demgegenüber haftet der Verband nicht nach §§ 280, 278 BGB, wenn der Beirat den Verwalter auf der Eigentümerversammlung beleidigt, weil der Beirat nicht als Erfüllungsgehilfe des Verbandes handelt. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (Innenverhältnis) soll hingegen Fehlverhalten des Beirats nicht zugerechnet werden.204 Typischerweise wird § 278 BGB im Innenverhältnis bereits deswegen keine Anwendung finden, weil der Beirat keine Aufgaben der Gemeinschaft205 oder anderer Eigentümer wahrnimmt, also nicht als deren Erfüllungsgehilfe handelt. Ein Mitglied des Beirats ist grds. auch nicht Erfüllungsgehilfe eines anderen; vielmehr haftet jedes Mitglied gem. § 425 BGB nur für eigenes Verschulden.206 Zur gesamtschuldnerischen Haftung der Beiratsmitglieder auch Rz. 14.79.

14.78

Zu einer Zurechnung von Fehlverhalten des Beirats und damit zumindest wirtschaftlich zu einer Haftung kann es auch über § 254 BGB kommen.207 Relevant sind etwa Fälle, in denen die Gemeinschaft Schadensersatz von einem Dritten oder dem Verwalter fordert und dieser Mitverschulden des Beirats einwendet. Im erstgenannten Fall erscheint die Zurechnung über

14.79

199 Bub, ZWE 2002, 7, 18 f. m.N. zur Gegenansicht; Drasdo, ZWE 2001, 522, 524; Becker in Bärmann, § 29 WEG Rz. 107; Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 30b; Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 103. 200 Näher Lehmann-Richter, ZWE 2011, 439 = AnwZert MietR 9/2011, Anm. 2. Unklar etwa Drasdo, ZWE 2001, 522, 524 einerseits und Drasdo, VBR, Rz. 363 andererseits. 201 Becker/Ott/Suilmann, Rz. 803. 202 Mit Beispielen hierzu Lehmann-Richter, ZWE 2011, 439 = AnwZert MietR 9/2011, Anm. 2. 203 Für Anwendung des § 31 BGB plädieren Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 70. 204 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1998 – 3 Wx 369/98, NZM 1999, 573, 575; Becker/Ott/Suilmann, Rz. 803a; Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 69. 205 S. dazu BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111, zur Haftung der Gemeinschaft für Pflichtverletzungen des Verwalters und beauftragter Handwerker u. dgl. 206 BayObLG, Beschl. v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, ZWE 2002, 72 = NZM 2000, 48, 51; vgl. auch Drasdo, ZWE 2001, 522, 524. 207 Heinemann in Jennißen, § 27 WEG Rz. 173. Für Mitverschulden der Eigentümer ebenso Pfälzisches OLG, Beschl. v. 4.8.1994 – 3 W 89/94, WE 1995, 26.

Häublein

959

Teil 14 Rz. 14.79

Der Verwaltungsbeirat in der anwaltlichen Beratungspraxis

§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB geboten.208 Sofern der Beirat im Außenverhältnis für die Gemeinschaft handelt, z.B. wenn er für diese an Vertragsverhandlungen und -abschlüssen teilnimmt oder bei der Vertragsdurchführung mitwirkt, muss sich diese dessen Verhalten zurechnen lassen, weil sie nicht besser stehen darf, als wenn ihr Organ, der Verwalter, für sie gehandelt hätte. Geht es um Ansprüche der Gemeinschaft gegen den Verwalter, die durch ein Mitverschulden des Beirats gemindert sein könnten, stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt eine Pflicht oder Obliegenheit der Gemeinschaft im Innenverhältnis bestand, deren Verletzung die Haftung des Verwalters reduziert. Das ist nach der Judikatur des BGH209 z.B. nicht der Fall, wenn Verwalter und Beirat gemeinsam210 einen Beschluss durchführen sollen, der der Beseitigung von Mängeln am Gebäude dient. Beide werden nicht als Erfüllungsgehilfen der Gemeinschaft tätig, sondern haften dieser als Gesamtschuldner in voller Höhe. Sollte dies anders sein, der Beirat also im Verhältnis zum Verwalter Aufgaben der Gemeinschaft wahrnehmen, ist nicht abschließend geklärt, ob der Mitverschuldenseinwand am verbandsrechtlichen Grundsatz scheitert, demzufolge ein Organ sich nicht auf Mitverschulden eines anderen Organs berufen kann (dazu bereits oben Rz. 14.62).211 Sofern es um Ansprüche einzelner Eigentümer, insbesondere gegen den Verwalter, geht, müssen sich diese zwar ihr eigenes Mitverschulden anrechnen lassen.212 Eine Zurechnung zulasten anderer Eigentümer kommt hingegen nur in Betracht, wenn der Beirat deren Pflichten wahrgenommen hat (§ 254 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 278 BGB), was in der Regel nicht der Fall ist.

14.80 Infolge der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird verstärkt über die Rolle der Beiratsmitglieder als Wissensvertreter des Verbandes diskutiert. Gerichte haben eine Wissenszurechnung in Bezug auf die Kontrolle des Verwalters bejaht: Sind dem Beirat Vertragsverletzungen des Verwalters bekannt, soll dieses Wissen analog § 166 Abs. 1 BGB dem Verband zugerechnet werden, sofern der Verwaltungsbeirat die Eigentümer nicht in angemessener Zeit nach Kenntniserlangung informiert hat.213 Relevant ist das etwa für den Umfang der Entlastungswirkung und bei Kündigungen aus wichtigem Grund, die bei längerem Zuwarten in Kenntnis der Pflichtverletzung regelmäßig ausgeschlossen sind (vgl. §§ 314 Abs. 3, 626 Abs. 2 BGB). Jedenfalls zu bejahen ist die Wissenszurechnung, und zwar nach § 166 Abs. 1 BGB unter Einschluss des Kennenmüssens, in den Fällen, in denen der Beirat als Vertreter, Verhandlungsführer usw. für die Gemeinschaft auftritt.214

14.81 Umstritten ist hingegen die Zurechnung von Kennen und Kennenmüssen im Kontext der Prüfpflichten aus § 29 Abs. 3 WEG.215 Eine Wissenszurechnung findet nur statt, wenn man 208 Hogenschurz in Jennißen, § 29 WEG Rz. 30b; Lehmann-Richter, ZWE 2011, 439 = AnwZert MietR 9/2011, Anm. 2. 209 BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = MDR 2018, 1111. 210 Zu dieser Konstellation LG München I, Urt. v. 7.4.2014 – 1 S 19002/11, ZWE 2016, 262. 211 Dagegen und für eine Zurechnung des Mitverschuldens Lehmann-Richter, ZWE 2011, 439 = AnwZert MietR 9/2011, Anm. 2 (sub C mit Beispiel 3). 212 LG Köln, Urt. v. 18.12.2014 – 29 S 75/14, ZWE 2015, 418 zur Prüfpflicht. 213 KG, Beschl. v. 31.3.2009 – 24 W 183/07, Grundeigentum 2009, 1053; ohne die einschränkende zeitliche Komponente Drasdo, VBR, Rz. 320; Abramenko in Riecke/Schmid, § 29 WEG Rz. 34; gegen die Anwendbarkeit von § 166 BGB aber Schmid, ZWE 2010, 8, 9; gegen eine Zurechnung von Wissen und Wissenmüssen zu Lasten des Verbandes und der übrigen Eigentümer „in der Regel“ Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, Teil B Rz. 10; krit. zur Zurechnung auch Hogenschurz, ZfIR 2016, 820, 824. 214 Weber in Soergel, § 29 WEG Rz. 53. 215 Für eine Zurechnung Lehmann-Richter in Staudinger (2018), § 29 WEG Rz. 103; dagegen Hogenschurz, ZfIR 2016, 820, 824.

960

Häublein

Haftung und Wissenszurechnung

Rz. 14.81 Teil 14

den Beirat insofern als – mangels rechtsgeschäftlichen Handelns eher fernliegend – Vertreter oder zumindest als Repräsentanten der übrigen Eigentümer oder der Gemeinschaft ansieht. Die besseren Gründen sprechen dafür, das abzulehnen. Repräsentant ist nach der Judikatur des BGH, wer eigenverantwortlich bestimmte Aufgaben des Geschäftsherrn zu erledigen und dabei anfallende Informationen diesem zur Kenntnis zu geben sowie gegebenenfalls weiterzuleiten hat.216 Die Prüfung nach § 29 Abs. 3 WEG ist nach hier vertretener Ansicht genuine Aufgabe des Beirats. Weder die Gemeinschaft noch die Wohnungseigentümer trifft eine Pflicht, die Abrechnung des Verwalters zu prüfen; dagegen spricht bereits, dass die Einrichtung des Beirats fakultativ ist. Die dem Beirat aus § 29 Abs. 3 WEG erwachsende Verpflichtung betrifft dessen Verhältnis zu den Eigentümern oder der Gemeinschaft (str.; Rz. 14.38), nicht aber nimmt er deren Aufgaben im Verhältnis zum Verwalter wahr.

216 BGH, Urt. v. 19.3.2013 – XI ZR 46/11, NJW 2013, 2015 = MDR 2013, 923 Rz. 25.

Häublein

961

Teil 15 Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.1

II. Datenschutz als (nationales und europäisches) Grundrecht . . . . .

d) Die Sinnhaftigkeit eines Kettenauftrages . . . . . . . . . . . . 15.100

15.6

III. Die Besonderheit europäischer Gesetzgebung – „Erwägungsgründe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Spezielle Pflichten des Auftragsverarbeiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.103

15.14

IV. Die Vorlaufzeit der DSGVO und die „Datenschutz-Panik“ . . . . . .

15.16

V. Der Anwendungsbereich der DSGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.21

1. Die Voraussetzungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . 15.125

VIII. Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.125

15.21

2. Die Voraussetzungen für Gemeinschaftszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . 15.135

2. Autonome Auslegung europäischer Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . .

15.28

3. Datenverarbeitungsvoraussetzungen – Die Ergebnisse . . . . . . . . . . 15.152

3. Die KMU-Ausnahme . . . . . . . . . .

15.29

4. Der Vorrang der DSGVO vor nationalen Regelungen und die Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . .

IX. Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten . 15.155

15.48

VI. Die Grundbegriffe . . . . . . . . . . .

15.52

1. Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.158

1. Die „Verarbeitung“ . . . . . . . . . . .

15.53

2. Die „betroffene Person“/die „personenbezogenen Daten“ . . . .

15.54

4. Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.165

3. Der/die „Verantwortliche“ . . . . . .

15.60

5. Speicherbegrenzung . . . . . . . . . . . 15.171

4. Keine gemeinsame Verantwortlichkeit von Verwalter/Verband . .

15.68

5. Der „Auftragsverarbeiter“ und die Doppelstellung des Verwalters . . .

7. Rechenschaftspflicht, Art. 5 Abs. 2 DSGVO . . . . . . . . . . . . . . . 15.179

15.69

VII. Die Pflichten nach Art. 28 DSGVO und ihre wohnungseigentumsrechtlichen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X. Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . 15.180

15.73

1. Verwalter-Bestellung . . . . . . . . . .

15.74

2. Der Verwalter- und Auftragsverarbeitervertrag . . . . . . . . . . . . .

15.78

1. Die Erfassung jeder Person und jedes Unternehmens . . . . . . . . . . .

3. Der Unter-Auftragsverarbeiter . . . a) Die bisherige wohnungseigentumsrechtliche Seite . . . . . . . . b) Die datenschutzrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die „Rückkopplung“ auf das Wohnungseigentumsrecht . . .

2. Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . 15.162 3. Datenminimierung . . . . . . . . . . . . 15.164

6. Integrität und Vertraulichkeit . . . . 15.176

15.80 15.84 15.87 15.90

1. Die Bereitstellung von Objektunterlagen per Download . . . . . . . 15.181 2. Personenbezogene Daten bei einzelnen Verwaltungsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Jahresabrechnungen/ Wirtschaftspläne . . . . . . . . . . . b) Eigentümerversammlungen . . c) Gerichtliche Verfahren . . . . . .

15.184 15.185 15.192 15.195

XI. Software-Angebote für die Wohnungswirtschaft und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.211

Köhler

963

Teil 15 Rz. 15.1

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

XII. Die Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft . . . . . . 15.229

2. Die Auskunftsrechte der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . 15.257

1. Die Informationspflichten gegenüber Miteigentümern . . . . . . . . . . 15.231

XIV. Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen . . . . . . . . . 15.262

2. Die Informationspflichten gegenüber Arbeitnehmern . . . . . . . . . . 15.243

XV. Gerichtsstand bei datenschutzrechtlichen Verstößen . . . . . . . . . 15.267

XIII. Die Auskunftsrechte Betroffener 15.247

XVI. Datenschutzbehörden . . . . . . . . . 15.271

1. Die Auskunftsrechte der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.254

I. Einleitung 15.1 Mit dem Thema Datenschutz beschäftigten sich in der Vergangenheit fast ausschließlich Spezialisten des Datenschutzrechts. Die ohne Zweifel vorhandenen Berührungspunkte zwischen Datenschutz- und Wohnungseigentumsrecht wurden in datenschutz- und in wohnungseigentumsrechtlich ausgerichteten Veröffentlichungen, auch in den Kommentaren zum Datenschutz oder Wohnungseigentum, bisher entweder gar nicht oder nur in Bezug auf Einzelprobleme erörtert.1

15.2 In der rechtsanwaltlichen Beratungspraxis zum Wohnungseigentumsrecht spielte das Thema Datenschutz nur dann eine Rolle, wenn es um die Herausgabe von Eigentümerlisten und/oder die Bekanntgabe von Hausgeldrückständen einzelner Eigentümer ging – oder auch darum, dass ein Verwalter sich auf das „Zauberwort“ Datenschutz berief, um einen Einblick in Verwaltungsunterlagen zu verweigern. Das Interesse von Wohnungseigentümern und Verwaltern an anderen Aspekten des Datenschutzes tendierte gegen Null. Das erstaunt besonders deshalb, weil es in der Bundesrepublik schon seit Jahrzehnten Datenschutzgesetze gibt, die durchaus auch im Bereich des Wohnungseigentums hätten Beachtung finden müssen.

15.3 Die datenschutzrechtlichen Aktivitäten auf europäischer Ebene, die schließlich zu der ab dem 25.5.2018 wirksamen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) führten,2 fanden bei den Beteiligten der Wohnungswirtschaft ebenfalls keine besondere Beachtung; Diskussionen über die Grundlagen des (europäischen) Datenschutzes führten nur die Spezialisten von der Datenschutzseite mit den interessierten Kreisen aus der Marktforschung, der Industrie und der Medienbranche.

1 Vgl. aber die durchaus vertiefenden Veröffentlichungen von Drasdo, Datenschutz im Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaften, NZM 1999, 542; Videoüberwachung von Wohnimmobilien, NJW-Spezial 2006, 49; Datenschutz im Bereich des Wohnungseigentums, Grundeigentum, 2009, 826; Die Informationspflicht des Wohnungseigentumsverwalters, ZMR 2013, 81; siehe auch Puls/ Kolbig, Der Datenschutz im WEG- und Mietrecht – Spannungsfelder in der Rechtsprechung, ZMR 2015, 266; vgl. jetzt auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297. 2 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1–88; berichtigt ABl. L 314 vom 22.11.2016, S. 72 und ABl. L 127 vom 23.5.2018, S. 2.

964

Köhler

Datenschutz als (nationales und europäisches) Grundrecht

Rz. 15.7 Teil 15

Der vorliegende Beitrag soll in knapper Form die Rechtsbeziehungen zwischen dem Datenschutzrecht und dem Wohnungseigentumsrecht aufzeigen und eine Diskussion anstoßen. Die Veröffentlichungen der Datenschutzbehörden und die einschlägige Literatur vermittelten mir den Eindruck, dass mitunter an tradierten nationalen Vorstellungen festgehalten wird und an einigen Stellen „der Amtsschimmel wiehert“.

15.4

Andererseits lässt eine Äußerung des Hamburgischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in seinem „Tätigkeitsbericht Datenschutz 2018“ hoffen:3 „Der größte Feind des Datenschutzes ist dessen Überbürokratisierung“ formuliert der Datenschutzbeauftragte. Für ihn ist die Kritik an der DSGVO jedenfalls zu einem Teil berechtigt. Aus den für alle Verarbeiter geltenden Vorschriften der DSGVO resultierten erhebliche bürokratische Hürden gerade für Vereine und kleine Unternehmen. Im Kern ziele die Datenschutzgrundverordnung auf große, international agierende Verarbeiter ab. Diesen gegenüber hätten die Aufsichtsbehörden stärkere Sanktionsinstrumente bekommen. Eine Diskussion im Zuge der künftigen Evaluation der DSGVO sei notwendig, gerade im Hinblick auf die Regelungen zu Transparenz-, Informations- und Auskunftspflichten kleinerer Verarbeiter, die befürchteten, ungerechtfertigt im Fokus der Aufsichtsbehörden zu stehen.

15.5

Eine kritische Begleitung der datenschutzrechtlichen Diskussion ist auch aus diesem Grund dringend geboten und erforderlich.

II. Datenschutz als (nationales und europäisches) Grundrecht Beim Datenschutz geht es um Grundrechte, die die staatlichen Institutionen schützen und berücksichtigen müssen – die aber auch auf das Verhältnis zwischen Dienstleister und Bürger und auf das Verhältnis der Bürger untereinander ausstrahlen können.4

15.6

Schon das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des „Volkszählungsgesetzes 1983“ auf den Grundrechtsschutz bei einer Datenverarbeitung5 abgestellt:6

15.7

„Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Dieses Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, 3 Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht Datenschutz 2018 (Februar 2019), Seite; https://datenschutz-hamburg.de/assets/pdf/27._Taetigkeitsbe richt_Datenschutz_2018_HmbBfDI.pdf. 4 Roßnagel, Kein „Verbotsprinzip“ und kein „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ im Datenschutzrecht, NJW 2019, 1, 3 („Drittwirkung“); a.A. Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rz. 1. 5 Dieser Begriff wird hier von mir schon im europarechtlichen Sinne verwendet – vgl. dazu den Abschnitt „Die Verarbeitung“ (Rz. 15.53 ff.). 6 BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 (u.a.), BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419.

Köhler

965

Teil 15 Rz. 15.7

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann.“

15.8 Der europäische Gesetzgeber (Verordnungsgeber) sieht den (europäischen) Grundrechtsschutz ebenfalls an erster Stelle – er formuliert nämlich schon in Artikel 1 der DSGVO als „Gegenstand und Ziele“: Diese Verordnung enthält Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Diese Verordnung schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.

15.9 Auch in seinem Erwägungsgrund 1 zur DSGVO beschreibt der europäische Gesetzgeber diese Ziele: „Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union7 […] sowie Artikel 16 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.“

15.10 Ob die DSGVO ein Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt darstellt, ist umstritten. Roßnagel führt aus, die DSGVO erlaube die Datenverarbeitung durch private Verantwortliche, sofern diese nicht die Selbstbestimmungsrechte der betroffenen Personen ignorieren.9 Die DSGVO stelle deshalb kein Verbotsgesetz dar.10

15.11 Für diesen Ansatz sprechen die Erwägungsgründe zur DSGVO, die als Auslegungskriterien herangezogen werden können. Nicht nur der Erwägungsgrund 4 zur DSGVO macht deutlich, dass es sich nicht um ein Verbotsgesetz handeln kann: „Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden.“

15.12 Der Erwägungsgrund 13 enthält (u.a.) das programmatische Ziel, das gegen die Annahme eines Verbotsgesetzes sprechen könnte: „Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erfordert, dass der freie Verkehr personenbezogener Daten in der Union nicht aus Gründen des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten eingeschränkt oder verboten wird.“

7 ABl. EG Nr. C 326/391 vom 26.10.2012. 8 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union; Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9.5.2008, S. 47; letzte Änderung: ABl. EU L 112/21 vom 24.4.2012. 9 Roßnagel, Kein „Verbotsprinzip“ und kein „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ im Datenschutzrecht, NJW 2019, 1, 5, r. Sp. 10 A.A. Härting, Datenschutz-Grundverordnung, Rz. 318; Frenzel in Paal/Pauly, DatenschutzGrundverordnung/Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 6, Rz. 1; Plath in Plath, DSGVO/ BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rz. 2.

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Köhler

Die Vorlaufzeit der DSGVO und die „Datenschutz-Panik“

Rz. 15.16 Teil 15

Die gesamte herrschende Meinung vertritt jedoch eine andere Auffassung. Es gelte für die DSGVO „weiterhin“ ein Verbot der Datenverarbeitung mit Erlaubnisvorbehalt.11

15.13

III. Die Besonderheit europäischer Gesetzgebung – „Erwägungsgründe“ An dieser Stelle kann auf eine Besonderheit europäischer Gesetzgebung eingegangen werden. 15.14 Der EU-Gesetzgeber stellt den eigentlichen Rechtsnormen in den Verordnungen und Richtlinien12 Erwägungsgründe voran. Eine (europäische) Rechtsnorm beschreibt Tatsachen, Sachverhalte und Umstände und 15.15 weist ihnen bestimmte Folgen zu, so dass der Tatbestand und die Rechtsfolge die zwei strukturellen Elemente einer Bestimmung darstellen. Die Darlegung von Gründen, die Präambeln und die einleitenden Erwägungsgründe (eines europäischen Gesetzgebungswerks) hingegen weisen diese beiden Elemente nicht auf, da sie nur veranschaulichen, begründen und rechtfertigen sollen; sie haben daher, obwohl sie den regelnden Teil begleiten und ihm häufig vorangestellt sind und obwohl sie dadurch Teil der Rechtsquelle sind, trotz ihrer „Dienlichkeit als Auslegungskriterien“ keine Bindungswirkung. Erwägungsgründe stellen lediglich Hilfsmittel für die Auslegung von Vorschriften dar und dürfen in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden.13

IV. Die Vorlaufzeit der DSGVO und die „Datenschutz-Panik“ Die DSGVO hatte eine längere Vorlaufzeit und erlangte erst am 25.5.2018 ihre Wirkung. Der 15.16 Vorschlag der damaligen EU-Justiz-Kommissarin Viviane Reding für diese Verordnung war bereits am 25.1.2012 von der Europäischen Kommission angenommen worden und durchlief dann verschiedene Stationen mit Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Europäischen Ausschusses der Regionen sowie des Europäischen Datenschutzbeauftragten, wurde sodann in 1. und 2. Lesung im Europäischen Parlament und im Rat14 behandelt, bis die Verordnung am 27.4.2016 durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats unterzeichnet wurde.15 Diese Aktivitäten waren alle öffentlich und für das beruflich und privat berührte Publikum erkennbar – nicht nur in der Fachpresse, sondern auch in der Publikumspresse wurde hierüber berichtet, so dass alle betroffenen Kreise sich auf die zu erwartenden Notwendigkeiten und Erfordernisse beim Datenschutz hätten einstellen und vorbereiten können. Eine solche Vorbereitung erfolgte jedoch in den meisten Fällen nicht, wie schon oben erwähnt. Fast anderthalb 11 Vgl. nur Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rz. 1. 12 Eine EU-Verordnung gilt nach Inkrafttreten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten; sie muss nicht (wie eine EU-Richtlinie) von den nationalen Gesetzgebern erst noch in nationales Recht umgesetzt werden, vgl. Art. 288 Abs. 2 und 3 AEUV (früher Art. 249 EG-Vertrag). 13 Formulierungen aus den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts vom 6.9.2007 in der Rechtssache C-267/06, Maruko vs. Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, ECLI:EU:C:2007:486 (Slg d Rspr 200801757), Rz. 76. 14 Europäischer Rat: Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. 15 Die DSGVO wurde am 4.5.2016 im EU-Amtsblatt verkündet, trat gemäß Art. 99 DSGVO 20 Tage nach Verkündung in Kraft, gilt aber erst zwei Jahre nach Inkrafttreten (Geltung also ab dem 25.5.2018).

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Teil 15 Rz. 15.16

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Jahre war es (nicht nur) in der Wohnungswirtschaft wie in der erste Strophe des Abendlieds von Heinrich Pfeil:16 Still ruht der See, die Vöglein schlafen, ein Flüstern nur, du hörst es kaum. Der Abend naht, nun senkt sich nieder auf die Natur ein süßer Traum. Der „süße Traum“ endete jedoch jäh – und Datenschutz-Panik brach aus, bei den Verwaltern von Wohnungseigentum und auch bei vielen anderen kleinen und mittelständischen Unternehmen, als Presse,17 Funk und Fernsehen Ende 2017/Anfang 2018 auf die nunmehr unmittelbar bevorstehende Geltung der DSGVO hinwiesen und (als publizistisches Highlight) die in der DSGVO verankerten drastischen Sanktionsmöglichkeiten erwähnten.

15.17 Die DSGVO sieht bei bestimmten Verstößen gegen die EU-Bestimmungen tatsächlich drastische Geldbußen vor – bis zu 20.000.000 EUR oder im Fall eines Unternehmens bis zu 4 % des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs (je nachdem, welcher der Beträge höher ist).18 Relativierende Hinweise auf die Vorgabe der DSGVO, dass die Verhängung von Geldbußen „in jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein soll,19 fehlten in der Berichterstattung allerdings weitgehend – jedenfalls in der Yellow-Press und anderen Sensationsmedien. Ab diesem Zeitpunkt liefen die Telefonleitungen heiß und Fragen, wie „Was ist denn DSGVO eigentlich und gilt die für uns als kleinen Verwalter überhaupt?“ oder „Was können wir denn jetzt noch schnell vorbereiten?“ oder „Verhängt die Behörde tatsächlich solch exorbitanten Strafen, wenn wir dies und jenes machen – oder nicht machen?“ waren an der Tagesordnung.

15.18 Ins Lächerliche glitt die Datenschutz-Panik ab, als Immobilien-Eigentümerverbände in Österreich und Deutschland auf die Idee kamen, ihren Mitgliedern zu empfehlen, die Namensschilder von den Klingeltableaus der Häuser zu entfernen.20 Es wurde behauptet, Namensschilder seien ein Verstoß gegen die DSGVO. Die BILD-Zeitung befürchtete unter der EmpörungsHeadline „Datenschutz-Irrsinn“, dass Deutschland ein „Klingelschild-Chaos“ drohe21 – aber auch ernst zu nehmende überregionale Zeitungen berichteten über die Verbands-Äußerungen.22 „Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit“ hat in seinem „Tätigkeitsbericht Datenschutz 2018“ in diesem Zusammenhang unter der Überschrift „DSGVO im (Zerr-)Spiegel der Öffentlichkeit“ von einer Liste der Negativ-Legenden in der Bericht-

16 Aus dem Jahr 1879. 17 Vgl. z.B. Ludowig/Neuerer, Diffiziler Datenschutz, Handelsblatt (Ausgabe Nr. 33) vom 15.2.2018, Seite 16 f. 18 Vgl. Art. 83 DSGVO. 19 Art. 83 Abs. 1 DSGVO; zu den Kriterien für Bußgelder vgl. auch Härting, Datenschutz-Grundverordnung, Köln 2016, S. 66 f. 20 Vgl auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 298. 21 BILD vom 18.10.2018, https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/datenschutz-irrsinndeutschland-droht-ein-klingelschild-chaos-57893210.bild.html. 22 FAZ vom 18.10.2018, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/datenschutz-verstossen-klingelschildergegen-die-dsgvo-15844615.html.

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Der Anwendungsbereich der DSGVO

Rz. 15.22 Teil 15

erstattung gesprochen:23 Schulzeugnisse, die künftig nicht mehr per EDV, sondern nur noch per Hand durch die Lehrer geschrieben werden dürften, Gruppenfotos von Kindergartenkindern, bei denen andere Kinder wegretuschiert werden müssten, Klingelschilder, auf denen künftig die Namen von Bewohnern nicht mehr ausgewiesen werden dürften, das Ende von Fotografie in der Öffentlichkeit, usw. Den Klingelschild-Behauptungen von Immobilien-Verbänden und dem damit verbundenen Sensationsjournalismus ist das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht in einer Pressemitteilung vom 18.10.2018 mit der richtigen Wortwahl entgegengetreten:24 Behauptungen, Klingelschilder seien ein Verstoß gegen den Datenschutz, wurden als unsinnig bezeichnet und es wurde darauf hingewiesen, dass es aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Notwendigkeit gibt, Klingelschilder zu entfernen.25

15.19

Die Diskussion über den Datenschutz hat sich seit dieser Zeit versachlicht und die Angst vieler Unternehmen vor dem Datenschutz und den Datenschutzbehörden ist einer ruhigeren Beurteilung gewichen. Das öffnet den Weg zu einer objektiveren Betrachtung der Datenschutznotwendigkeiten im Wohnungseigentum, auch wenn nicht verkannt werden darf, dass die Datenschutz-Experten nicht über den eigenen Tellerrand auf das Gebiet des Wohnungseigentumsrechts geschaut haben – und umgekehrt wohl auch nicht.

15.20

V. Der Anwendungsbereich der DSGVO 1. Die Erfassung jeder Person und jedes Unternehmens Nach Artikel 2 Abs. 1 der DSGVO (Sachlicher Anwendungsbereich) gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Damit wird in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 DSGVO jede von personenbezogenen Daten betroffene Person erfasst.

15.21

Außerdem ist die DSGVO auf jedes „Unternehmen“ anwendbar. „Unternehmen“ in Sinne der DSGVO ist nach der Begriffsbestimmung des Art. 4 Nr. 18 DSGVO „eine natürliche oder26 juristische Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform, einschließlich Personengesellschaften oder Vereinigungen, die regelmäßig einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen“. Diese Definition ist mit dem Unternehmensbegriff im deutschen Recht

15.22

23 Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht Datenschutz 2018, Seite 18f; https://datenschutz-hamburg.de/assets/pdf/27._Taetigkeitsbericht_Da tenschutz_2018_HmbBfDI.pdf. 24 https://www.lda.bayern.de/media/pm2018_16.pdf; der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg versuchte im „Tätigkeitsbericht Datenschutz 2018“ (dort S. 115) eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema, zieht aber m.E. eine nicht ernst zu nehmende und unhaltbare Schlussfolgerung: Die Namen für die Klingelschilder stammten aus einer Datensammlung und die gespeicherten Namen würden durch die „Wiedergabe auf den Klingelschildern allen Passanten und Besuchern des Hauses offengelegt und somit in nichtautomatisierter Weise verarbeitet“. 25 Vgl. hierzu auch Schneidereit/Porschke, Datenschutz und Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft, CR 2019, 132, 139. 26 Der Text der DSGVO ist von „und“ in „oder“ berichtigt worden: ABl. L 127/2 v. 23.5.2018.

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Teil 15 Rz. 15.22

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

nicht identisch und erfasst (für das deutsche Rechtsverständnis überraschend) auch „natürliche Personen“.

15.23 Auch der in der DSGVO genannte Begriff „juristische Person“ ist mit dem deutschen Begriff nicht vergleichbar – im europäischen Sinne ist der Begriff, wie sich aus dem Verordnungstext unmittelbar ergibt, als unabhängig von der gewählten Rechtsform zu verstehen und erfasst auch Personengesellschaften und Vereinigungen.27

15.24 Die teilrechtsfähige Eigentümergemeinschaft muss als eine unter den europäischen Begriff „juristische Person“ fallende „Vereinigung“ angesehen werden.

15.25 Die im Verordnungstext angesprochene Ausübung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ ist nur dann nicht gegeben, wenn die Tätigkeit lediglich persönlichen oder familiären Zwecken dient.28

15.26 Der Begriff „regelmäßig“ soll nur durch ein redaktionelles Versehen in die DSGVO hineingekommen sein und sei als nur vermeintliche Einschränkung unbeachtlich.29

15.27 Nicht zu verwechseln ist dieser Anwendungsbereich mit dem Schutzbereich der DSGVO. In den Schutzbereich fallen nur natürliche Personen, Art. 1 Abs. 1 DSGVO.30 2. Autonome Auslegung europäischer Rechtsbegriffe

15.28 Aus den vorhergehenden Erörterungen wird erkennbar, dass das europäische Recht eigene Rechtsbegriffe kreiert. Diese werden in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stets autonom ausgelegt und orientieren sich – verständlicher Weise – nicht an den nationalen Rechtsbegriffen der europäischen Mitgliedsstaaten.31 Diese autonome Auslegung europäischer Rechtsbegriffe hat erhebliche Bedeutung und muss – wie sich später noch an einzelnen Beispielen zeigen wird – streng beachtet werden. Es wäre komplett verfehlt, die DSGVO (oder andere europäischen Rechtsquellen) aus der Perspektive deutscher Rechtstradition und nach deutschen Rechtsbegriffen auszulegen. Selbst wenn die DSGVO sich an deutschen datenschutzrechtlichen Rechtsnormen orientiert haben sollte, können die deutschen Bestimmungen und Meinungen keine Auslegungshilfe sein. 3. Die KMU-Ausnahme

15.29 Die DSGVO gilt grundsätzlich für alle Unternehmen im europäischen Sinn, also auch für Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Unternehmen).32

27 Schreiber in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 4 DSGVO Rz. 70. 28 Vgl. zu „persönlichen und familiären Zwecken“ Art. 2 Abs. 1 c) DSGVO sowie den Erwägungsgrund 18. 29 Schreiber in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 4 DSGVO Rz. 73. 30 Siehe dazu auch Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 1 DSGVO Rz. 3. 31 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 23.10.2014 – C-302/13, GRUR Int 2014, 1172 = WIW 2014, 830 = WRP 2015, 187; EuGH, Urt. v. 8.3.1988 – C-9/87, Slg 1988, 1539 = NJW 1989, 1424; die „autonome Auslegung“ europäischen Rechts und europäischer Rechtsbegriffe wird in über 300 Entscheidungen des EuGH angesprochen. 32 Vgl. dazu auch den Erwägungsgrund 13.

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Der Anwendungsbereich der DSGVO

Rz. 15.37 Teil 15

Art. 30 DSGVO verpflichtet jeden „Verantwortlichen“ und seinen „Vertreter“, ein Verzeichnis aller Verarbeitungstätigkeiten zu führen.

15.30

Der europäische Verordnungsgeber will Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen vor einem überbordenden, hohen Verwaltungsaufwand schützen. In Absatz 5 des Art. 30 DSGVO hat er deshalb eine Ausnahme- und Rückausnahmeregelung für Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen („KMUs“) aufgenommen:33

15.31

„Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Pflichten [Führung von Aufzeichnungen] gelten nicht für Unternehmen oder Einrichtungen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, es sei denn34 die von ihnen vorgenommene Verarbeitung birgt ein Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen, die Verarbeitung erfolgt nicht nur gelegentlich oder es erfolgt eine Verarbeitung besonderer Datenkategorien gemäß Artikel 9 Absatz 1 bzw. die Verarbeitung von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten im Sinne des Artikels 10. Außer der Grenze von 250 Mitarbeitern gibt es keine weiteren Kriterien, die erfüllt sein müssen.35 Eine Wohnungseigentümergemeinschaft wäre deshalb aufgrund dieser Ausnahme nicht verpflichtet, die in den Absätzen 1 und 2 näher spezifizierten Aufzeichnungen über Namen und Kontaktdaten der Verantwortlichen und ihres Vertreters, die Zwecke der Verarbeitung, Name und Kontaktdaten des Auftragsverarbeiters usw. zu führen.

15.32

Die Frage ist jedoch, ob die Rückausnahme eingreift und damit doch wieder eine Pflicht zur Führung von Verzeichnissen besteht. Die drei Rückausnahmen-Tatbestände greifen wegen der Oder-Verknüpfung alternativ ein – liegt auch nur ein Rückausnahmefall vor, ist die Ausnahme nicht anwendbar.

15.33

Zwei der drei Rückausnahme-Tatbestände („Risiko“ und „besondere Datenkategorien“) dürften bei einer Eigentümergemeinschaft jedenfalls nicht einschlägig sein.

15.34

Umstritten ist, wie die folgende alternative Tatbestandsvoraussetzung für die Rückausnahme auszulegen ist:

15.35

„Die […] Pflichten gelten nicht für Unternehmen oder Einrichtungen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, es sei denn, […] die Verarbeitung erfolgt nicht nur gelegentlich […]“. Plath meint, die Rückausnahmen seien eng auszulegen, um das vom europäischen Verordnungsgeber verfolgte Ziel, KMUs zu entlasten, auch zu erreichen.36

15.36

Der Verordnungsgeber hat im Erwägungsgrund 13 deutlich gemacht, dass er die KMUs besonders schützen will:

15.37

„Um der besonderen Situation der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen Rechnung zu tragen, enthält diese Verordnung eine abweichende Regelung hinsichtlich des Führens eines Verzeichnisses für Einrichtungen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen. 33 „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“ werden hinsichtlich der Mitarbeiterzahl getrennt behandelt, eine wechselseitige Zurechnung der Mitarbeiter von dem Verantwortlichen auf den Verarbeiter (und v.v.) findet nicht statt – vgl. Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 14. 34 Der Text der DSGVO ist in dieser Passage berichtigt worden: ABl. 314/72 v. 22.11.2016. 35 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 13. 36 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 16.

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Teil 15 Rz. 15.37

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Außerdem werden die Organe und Einrichtungen der Union sowie die Mitgliedstaaten und deren Aufsichtsbehörden dazu angehalten, bei der Anwendung dieser Verordnung die besonderen Bedürfnisse von Kleinstunternehmen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen.“

15.38 Der Bereich der „gelegentlichen“ Datenverarbeitung sei, so Plath, nicht schon überschritten, wenn ein Unternehmen „fortwährend Daten ihrer Mitarbeiter in digitalen Personalakten speichert“. Der Rückausnahme-Tatbestand erfasse nur Fälle, „die über das Maß der Datenverarbeitung hinausgehen, das üblicher- und notwendigerweise im geschäftlichen Verkehr anfällt“.37 Die Datenverarbeitung müsse nach Plath die Haupttätigkeit des Unternehmens sein38 – wie bei Host-Providern oder Adresshändlern.

15.39 Diametral anders dagegen Martini, der meint, der europäische Gesetzgeber habe nicht solche Datenverarbeitungen befreien wollen, die „zum typischen Geschäftsbetrieb gehören, sondern nur solche, die sich jenseits der typischen Verarbeitungstätigkeit bewegen und deshalb nur von Zeit zu Zeit vorkommen“.39 Martini erkennt selbst, dass die Ausnahmebestimmung „faktisch leerlaufen“ könnte; auf „kleinste Unternehmen (z.B. Optiker, Handwerker, Apotheker) und Startups“ rolle nunmehr die Verzeichnis-Pflicht zu.40

15.40 Wieder anders – und schärfer – die von der Datenschutzkonferenz verbreitete Meinung.41 Sie vertritt – aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht anders zu erwarten – die behördliche (deutsche) Sichtweise und die Auffassung, der Begriff „nicht nur gelegentlich“ ersetze das „regelmäßig“ des BDSG. Der Begriff „regelmäßig“ liege vor, wenn die Datenverarbeitungstätigkeit mindestens eine der folgenden Eigenschaften erfüllt: – fortlaufend oder in bestimmten Abständen während eines bestimmten Zeitraums, – immer wieder oder wiederholt zu bestimmten Zeitpunkten, – ständig oder regelmäßig.42 Die DSK verbreitet deshalb: „Wegen der regelmäßig erfolgenden Lohnabrechnungen werden damit kaum Unternehmen von der Pflicht eines solchen Verzeichnisses generell befreit sein; allenfalls Unternehmen, die diese Tätigkeiten komplett durch einen Steuerberater erledigen lassen sowie eventuell kleinere Vereine. Zudem liegen bei Lohnabrechnungen oder in der Schülerverwaltung mit der Angabe der Konfessionszugehörigkeit zumeist auch gleich besondere Datenkategorien i. S. d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO vor.“43 37 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 17. 38 So auch Wortmann, Checkliste zum neuen Datenschutzrecht für kleinere und mittlere Unternehmen, ArbRB 2018, 83. 39 Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung/Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 34. 40 Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung/Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 31; vgl. auch Spoerr in BeckOK DatenschutzR, 28. Ed. 1.5.2019, DSGVO Art. 30 Rz. 24. 41 Die Datenschutzkonferenz besteht aus den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder; https://www.datenschutzkonferenz-online.de. 42 DSK „Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DSGVO“, Stand Febr. 2018, https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/ah/201802_ah_verzeichnis_verarbeitungstae tigkeiten.pdf. 43 DSK „Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DSGVO“, Stand Febr. 2018, unter 5.

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Köhler

Der Anwendungsbereich der DSGVO

Rz. 15.46 Teil 15

Die Argumentation der DSK liegt nach meiner Auffassung völlig neben der europäischen Rechtslage. Die DSK will wohl ernsthaft – durch die Gleichsetzung eines europäischen („nicht nur gelegentlich“) mit einem nationalen Rechtsbegriff („regelmäßig“) – die europäische autonome Auslegungstradition verdrängen oder sie kennt oder anerkennt sie nicht. Die (europäischen) Auslegungsregeln für Ausnahmen ignoriert die DSK ebenfalls.

15.41

Auch die „Zudem-Argumentation“ der DSK ist verfehlt, denn jede der drei RückausnahmeRegelung ist gesondert zu behandeln. Wenn einer der beiden anderen Rückausnahme-Tatbestände vorliegt, ist klar, dass die Ausnahme nicht gilt. Für eine Eigentümergemeinschaft treffen die beiden anderen Rückausnahmen aber nicht zu. Es gibt wohl keine Eigentümergemeinschaft, die in ihren Datenunterlagen die Konfessionszugehörigkeit ihrer Miteigentümer aufnimmt oder aufnehmen will, und auch alle anderen in Art. 9 Abs. 1 DSGVO genannten personenbezogenen Daten sind für eine Eigentümergemeinschaft sinnlos, werden nicht benötigt und nicht aufgezeichnet. Soweit es sich um Personaldaten von Arbeitnehmern der Eigentümergemeinschaft handelt, sind das Daten, deren Inhalt „nicht über das Maß der Datenverarbeitung hinausgehen, das üblicher- und notwendigerweise im geschäftlichen Verkehr anfällt“.44

15.42

Überzeugend – und richtig – ist deshalb allein die Ansicht von Plath. Er weist zu Recht darauf hin, dass der Wille des EU-Verordnungsgebers durch eine weite Auslegung der Rückausnahme-Regelung leer liefe.45

15.43

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind Ausnahmen von der Anwendung des europäischen Rechts eng (restriktiv) auszulegen.46 Dieser Auslegungsgrundsatz muss auch gelten, wenn eine Ausnahme mit einer Rückausnahme zusammentrifft. Die hier in Rede stehende Ausnahme des Art. 30 Abs. 5 Halbsatz 1 DSGVO beinhaltet nur ein Kriterium, bei dem eine enge oder weite Auslegung schon ansatzweise nicht in Betracht kommtund auch nichts mehr „hinzugedacht“ werden kann: die Zahl 250.

15.44

Wenn die Ausnahme nicht weiter auslegungsfähig ist, muss deshalb die Rückausnahme von der auslegungsfeindlichen Ausnahme betrachtet und ausgelegt werden. Diese Rückausnahme unterliegt – das entspricht den europäischen Auslegungsprinzipien für Ausnahmen – einer engen (restriktiven) Auslegung. Eine solche restriktive Auslegung stimmt auch mit dem grundlegenden Ziel der DSGVO überein, die Datenverarbeitung nicht zu verbieten oder zu erschweren, wenn die Selbstbestimmungsrechte der betroffenen Personen gewahrt bleiben. Eine Pflicht zur Führung von Verzeichnissen hat aber m.E. nichts mit den Selbstbestimmungsrechten betroffener Personen zu tun, sondern nur mit der Kontrolle durch Datenschutzbehörden.

15.45

Bei dem Punkt „Verzeichnisführung“ und „Rückausnahme“ sollte man als Wohnungseigentü- 15.46 mergemeinschaft den Mut aufbringen, sich mit der Aufsichtsbehörde über die Führung von Verzeichnissen zu streiten und eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Das letzte Wort hat bei einem solchen Streit der EuGH, weshalb schon in der ersten nationalen Gerichtsinstanz sehr klar eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV ge-

44 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 17. 45 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 30, Rz. 17. 46 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 13.1.2005 – C-84/03, Slg 2005, I-139-166 = NVwZ 2005, 431.

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Teil 15 Rz. 15.46

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

fordert werden sollte (von der letzten nationalen Gerichtsinstanz muss vorgelegt werden, wenn es – wie hier – auf die Auslegungsfrage ankommt).

15.47 Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO bedroht ein Versäumnis bei der Führung von Verzeichnissen mit einer Geldbuße. Eine solche – selbst wenn sie in „verschmerzbarer“ Höhe festgelegt würde – sollte keinesfalls akzeptiert werden, sondern es sollten die Fragen zu Ausnahme und Gegenausnahme gerichtlich geklärt werden. 4. Der Vorrang der DSGVO vor nationalen Regelungen und die Öffnungsklauseln

15.48 Die europäische DSGVO hat als unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten geltende Verordnung einen nicht abdingbaren Vorrang vor den nationalen Bestimmungen. Dieser europarechtliche Grundsatz wird auch in § 1 Abs. 5 BDSG wiederholt; nach dieser Vorschrift findet das BDSG keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679,47 unmittelbar gilt.

15.49 Die unmittelbare Geltung hat nach der DSGVO Ausnahmen. Nach Art. 2 DSGVO wird die Verordnung nicht angewendet bei Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Damit sind insbesondere Tätigkeiten zum Schutz der nationalen (inneren) Sicherheit gemeint (also Tätigkeiten des Verfassungsschutzes, Bundesnachrichtendienstes pp). Außerdem findet die DSGVO keine Anwendung bei Maßnahmen der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik, bei persönlichen und familiären Tätigkeiten sowie bei der Strafverfolgung.

15.50 Für den hier interessierenden Bereich der Verwaltung von Wohnungseigentum findet die DSGVO jedenfalls Anwendung und nur ergänzend das BDSG.48

15.51 Die Vorschriften der DSGVO enthalten an einzelnen Stellen Öffnungsklauseln und Zuweisungsnormen, so dass die EU-Mitgliedsstaaten aufgrund dessen Regelungen in ihren nationalen Gesetzeswerken treffen können. Das macht auch der Erwägungsgrund 8 deutlich: Sind in der DSGVO „Präzisierungen oder Einschränkungen ihrer Vorschriften durch das Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen“, können die Mitgliedsstaaten Teile der Verordnung in nationales Recht aufnehmen, „soweit dies erforderlich ist, um die Kohärenz zu wahren und die nationalen Rechtsvorschriften für die Personen, für die sie gelten, verständlicher zu machen“. Auf diese Öffnungsklauseln und Zuweisungsklauseln sollte geachtet und sodann das BDSG auf ergänzende Regelungen geprüft werden – allerdings: Bestimmungen des BDSG, die auf Öffnungsklauseln oder Zuweisungsnormen der DSGVO beruhen, dürfen den grundlegenden Regelungen und Zielen der DSGVO nicht widersprechen.

VI. Die Grundbegriffe 15.52 Bei der DSGVO geht es um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Artikel 5 Abs. 1 DSGVO stellt dazu Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten auf und bestimmt (grundlegend), dass solche Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden (Stichworte 47 = DSGVO. 48 Prüfungsschema zur Anwendbarkeit des BDSG: Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 1 BDSG Rz. 3.

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Die Grundbegriffe

Rz. 15.56 Teil 15

„Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“). Verantwortlich dafür ist, wie Art. 5 Abs. 2 formuliert, der Verantwortliche und er muss auch nachweisen können, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 eingehalten werden (Stichwort „Rechenschaftspflicht“). Die Begriffe „Verarbeitung“, „betroffene Person“ und „Verantwortlicher“ tauchen in der DSGVO ständig auf, so dass hier geklärt werden soll, wer „betroffene Person“ und wer „Verantwortlicher“ bei der Verwaltung einer Eigentümergemeinschaft sein kann. 1. Die „Verarbeitung“ In der DSGVO (Art. 4 Nr. 2) bezeichnet der Ausdruck „Verarbeitung“ „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“.

15.53

Der europäische Verarbeitungsbegriff lässt keinen Aspekt einer Datenbefassung offen, ist also ganz umfassend und mit dem deutschen (landläufigen und fachspezifischen) Begriff einer „Datenverarbeitung“ nicht kongruent. 2. Die „betroffene Person“/die „personenbezogenen Daten“ Aufschluss geben für die beiden Begriffe „betroffene Person“ und „personenbezogene Daten“ die Begriffsbestimmungen des Art. 4 Nr. 1 DSGVO – und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden „personenbezogene Daten“ definiert als „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person“ beziehen, zum anderen wird gleichzeitig diese „natürliche Person“ (durch Klammerdefinition) als „betroffene Person“ deklariert.

15.54

Die „betroffenen Personen“ in der Wohnungseigentümergemeinschaft können leicht erkannt werden. Es handelt sich naturgemäß um (1) den/die jeweilige(n) Eigentümer(in) einer Eigentumswohnung, (2) den/die Arbeitnehmer einer Eigentümergemeinschaft oder (3) einen Mieter.

15.55

Personenbezogene Daten49 der Miteigentümer sind:

15.56

– Vor und Nachname, – Wohnanschrift, – Telefonnummer, – Telefaxnummer, – E-Mail-Adresse, – Kontoverbindung (für SEPA-Basislastschriften)50, – Erwerbs- und Veräußerungsdatum (Eintragung in Abt. I des Grundbuches), 49 Vgl. auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 298 f, die allerdings Datenkategorien aufzählt, die zum Teil für Wohnungseigentümergemeinschaften keine Relevanz haben. 50 „Lastschriftverfahren“.

Köhler

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Teil 15 Rz. 15.56

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

– Eventuell notwendige Angaben, um die Eigenschaft als „werdender Wohnungseigentümer“ feststellen zu können (Datum und Inhalt des Erwerbsvertrags, Datum der Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Datum der Besitzerlangung durch Übergabe),51 – Nummer (und/oder Bezeichnung) der im Eigentum stehenden Wohnung lt. Teilungserklärung, – Nummer (und/oder Bezeichnung) zugehöriger Tiefgaragenplätze/Parkplätze/Einstellflächen lt. Teilungserklärung, – Bezeichnung von Sondernutzungsflächen lt. Gemeinschaftsordnung, – der auf die Sondereigentumseinheit anzuwendende Kostenverteilungsschlüssel (Miteigentumsanteile, qm usw.), – Anwesenheitslisten für Eigentümerversammlungen (Kombination von Eigentümernamen, Sondereigentumsnummern, Stimmrechtswertigkeiten – Miteigentumsanteile o.ä. –, Vertreternamen), – Vertretungsvollmachten für Eigentümerversammlungen, – Versammlungsprotokolle, – Beschluss-Sammlungen,52 – Anzahl der in der Sondereigentumseinheit lebenden Personen (sofern ein Verteilungsschlüssel sich daran orientiert), – Verbrauchsdaten (Heizungsverbrauch, Kalt- und Warmwasserverbrauch), – Zahlungsverpflichtungen (Hausgeldvorschüsse und Beiträge zur Instandhaltungsrücklage) gemäß Wirtschaftsplan, – Zahlungsverpflichtungen aus Sonderumlagen-Beschlüssen, – Zahlungsverpflichtungen aus Jahresabrechnungen, – Zahlungsrückstände, – Mahnungsdaten, – Klagedaten (Daten von Klageschriften, Rechtshängigkeitsdaten, Aktenzeichen, Tenorierung von Entscheidungen pp), – Informationen über Vollstreckungsmaßnahmen und Vollstreckungsergebnisse, – Insolvenzdaten (Eröffnungs- und Verfahrensdaten, die für die von der Eigentümergemeinschaft zu erhebenden Ansprüche relevant sind).

51 Vgl. zur werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rz. 10 ff. 52 Versammlungsprotokolle und Beschluss-Sammlungen können personenbezogene Daten enthalten, wenn dort Antragsteller namentlich erwähnt werden, Redebeiträge namentlich gekennzeichnet werden oder namentliche Abstimmungen erfolgt sind.

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Die Grundbegriffe

Rz. 15.61 Teil 15

15.57

Für Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaften sind personenbezogene Daten – Vor- und Nachname, – Wohnanschrift, – Telefonnummer und/oder E-Mail-Adresse (für Kontaktaufnahmen zwischen Verwalter und Arbeitnehmer in „Normal“- und Notfällen), und – Soll- und Ist-Arbeitszeiten, Mehrarbeitsstunden und Urlaubszeiten, – die Steueridentifikationsnummer sowie – alle übrigen für die Lohnabrechnung notwendigen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Daten (dazu zählen auch Krankheitsdaten, wenn es z.B. um Lohnfortzahlungsfragen oder Erstattungsfragen aufgrund der Umlagen U1 und U253 geht). Betroffene Person könnte aber auch der Mieter eines Eigentümers sein, wenn der vermietende Eigentümer dem Verwalter den/die Namen des/der Mieter mitgeteilt hat, um den Mieternamen in die Heizkostenabrechnung einstellen zu können und der Verwalter diese Angaben in seine Dateien aufnimmt.

15.58

Hier ist sogleich zu fragen, ob es überhaupt für einen Verwalter sinnvoll sein kann, solche 15.59 Mieter-Daten zu verarbeiten. Nach meiner Auffassung sollte ein Verwalter eine solche Datenübernahme im Hinblick auf die Notwendigkeit datenschutzrechtlicher Maßnahmen von vornherein ablehnen. Zur Übernahme kann der Verwalter auch nicht gezwungen werden, wenn er nicht ausnahmsweise vertraglich auch die Sondereigentumsverwaltung übernommen hat, denn die Erstellung einer Abrechnung gegenüber einem Mieter obliegt allein dem Sondereigentümer. 3. Der/die „Verantwortliche“ Als „Verantwortlicher“ bezeichnet Art. 4 Nr. 7 DSGVO „die natürliche oder juristische Person, …, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet“.54

15.60

Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft ist eine wichtige Frage, wer als „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung der in einer Eigentümergemeinschaft anfallenden „personenbe-

15.61

53 Vgl. zu den Einzelheiten der Umlagen: Teil 17, Abschnitt „Sozialversicherungspflicht“ – „Umlagen U1 und U1“. 54 Vgl. zum europarechtlichen Begriff des „Verantwortlichen“ (noch nach der durch die DSGVO aufgehobene Richtlinie 95/46 EG) EuGH, Urt. v. 5.6.2018 – C-210/16, ECLI:EU:C:2018:388 = CR 2018, 576 = NZA 2018, 919 = NJW 2018, 2537 („Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein“); EuGH, Urt. v. 10.7.2018 – C-25/17, ECLI:EU:C:2018:551 = NZA 2018, 991 = NJW 2019, 285 („Zeugen Jehovas“). Nach der Entscheidung vom 10.7.2018 muss der „Verantwortliche“ nicht einmal Zugang zu den personenbezogenen Daten haben; es kommt darauf an, ob aus Eigeninteresse auf die Verarbeitung personenbezogener Daten Einfluss genommen wird und wer die Entscheidung über die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung trifft (oder an ihr als Entscheider mitwirkt). Siehe auch die ebenfalls zur alten RL 95/46 EG ergangene Entscheidung des EuGH, Urt. v. 29.7.2019 – C-40/17, ECLI:EU:C:2019:629 („Fashion ID“ – Facebook-like-button), NZA 2019, 1125 = GRUR 2019, 977 = CR 2019, 574.

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Teil 15 Rz. 15.61

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

zogenen Daten“ angesehen werden kann – Verwalter oder Verband (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer).55

15.62 Eisenschmid meint, der Verwalter sei nicht als Auftragsverarbeiter anzusehen, sondern habe eine „eigenständige Verantwortung“. Für seine Argumentation bezieht er sich auf den Bestellungsakt. Man dürfe nicht „der veralteten sog. Vertragstheorie“ folgen, sondern müsse sich an „der herrschenden Trennungstheorie“ orientieren.56 Im Rahmen des durch den Bestellungsbeschluss entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses seien „Weisungen der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter praktisch ausgeschlossen“. Die Organstellung und „Akt der Bestellung“ sprächen für die „eigenständige Verantwortung“. „Die Auffassung, dass der Verwalter nach Abschluss des Verwaltervertrages aufgrund eines Auftrags durch die Wohnungseigentümer tätig wird und daher als Auftragsverarbeiter anzusehen ist“, sei abzulehnen.

15.63 Diese Ansicht ist nach meiner Auffassung gleich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.57 Bei der Einordnung als „Verantwortlicher“ oder „Auftragsverarbeiter“ im europäischen Rechtssinn kommt es auch nicht ansatzweise auf den Bestellungsvorgang oder eine an deutschen Rechtsnormen orientierte Einordnungstheorie an, sondern auf die auszuübende Tätigkeit und die damit verbundene Entscheidungsbefugnis. Europarechtlich entscheidend ist nämlich für die Einordnung in die europäischen Rechtsbegriffe, wer die Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über die Daten hat.58

55 Eine allgemeine Erörterung der „Verantwortlichkeit“ anlässlich der Zeugen-Jehovas-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 10.7.2018 – C-25/17) ist zu finden bei Jung/Hansch, Die Verantwortlichkeit in der DSGVO und ihre praktische Auswirkungen, ZD 2019, 143; bezogen auf das Wohnungseigentumsrecht meint Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 302, r.Sp., der Verwalter sei „Verantwortlicher“, allerdings ohne nähere Auseinandersetzung mit europarechtlichen Kriterien. Das AG Mannheim, Urt. v. 11.9.2019 – 5 C 1733/19 WEG, IMR 2019, 508, meint, der Verwalter sei „Mitverantwortlicher“ i.S. Art. 26 DSGVO. Das ist jedoch nicht richtig, „Gemeinsamer Verantwortlicher“ nach Art. 26 DSGVO kann der Verwalter nicht sein, er legt gerade nicht „gemeinsam [mit der WEG] die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung fest“; die Wohnungseigentümergemeinschaft entscheidet mit der Bestellung eines Verwalters nicht nur über das „Wie“ und „Warum“ der Datenverarbeitung, sondern sie muss auch – entgegen AG Mannheim – über das „Wie“ und das „Warum“ der Erhebung und Verarbeitung entscheiden. 56 Hinsichtlich der „Trennungstheorie“ bezieht sich Eisenschmid auf die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 930 = NZM 2002, 995, die aber nicht passt. Vgl. zu den richtigen Rechtsprechungsgrundlagen: Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl, § 26 Rz. 22; Jennißen in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 26 Rz. 19. 57 Fehlerhaft auch die Ansicht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Saarlandes, Tätigkeitsbericht 2017/2018 v. 10.4.2019, S. 121, die den Status als „Auftragsverarbeiter“ verneint; https://datenschutz.saarland.de/fileadmin/tberichte/tb27_1718.pdf; der Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt bezieht sich in seinem Tätigkeitsbericht v. 15.2.2019, S. 32, lediglich auf die Datenschutzkonferenz, die die Auffassung vertrete, ein Verwalter sei kein Auftragsverarbeiter; https://datenschutz.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Landes aemter/LfD/PDF/binary/Informationen/Veroeffentlichungen/Taetigkeitsberichte/TB_15/LfD_ST__15._Taetigkeitsbericht_-_2018.pdf (Von der DSK gibt es kein offizielles veröffentlichtes Papier – Kurzpapier/Entschließung/Beschluss pp – zum Thema „Verwalter“, eventuell vorhandene Argumenten können deshalb nicht auf Stichhaltigkeit überprüft werden). 58 Schreiber in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 4 DSGVO Rz. 30; vgl. auch Kurzpapier Nr. 13 der DSK – „Auftragsverarbeitung, Art. 28 DSGVO“ (vom 17.12.2018), abrufbar: https:// www.datenschutzkonferenz-online.de/media/kp/dsk_kpnr_13.pdf.

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Die Grundbegriffe

Rz. 15.66 Teil 15

Wenn Eisenschmid ausführt, Weisungen „der Wohnungseigentümer“ seien „praktisch ausgeschlossen“ oder, „die Wohnungseigentümer“ hätten „kein umfassendes Weisungsrecht“, ist zwar richtig, dass die einzelnen Wohnungseigentümer kein Weisungsrecht gegenüber dem Verwalter haben (und auch noch nie hatten – gleichgültig, ob man der Vertrags- oder der Trennungstheorie folgte), darauf kommt es aber auch gar nicht an. Entscheidend ist nämlich nur, ob die Eigentümergemeinschaft als Vertragspartner und/oder als diejenige, die dem Verwalter die Organstellung überträgt, Weisungsrecht, Verfügungs- und Entscheidungsgewalt hat. Es wird wohl ernsthaft kein Zweifel daran bestehen, dass allein dem Verband diese Rechte zustehen.

15.64

Die Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über die Datenverarbeitung (im europarechtlichen Sinne) liegt nicht beim Verwalter der Eigentümergemeinschaft,59 sondern beim Beschluss-Organ des Verbandes, der Eigentümerversammlung. Diese kann über die Verarbeitungszwecke und auch darüber bestimmen, welche Daten und in welcher Form erhoben werden, wie sie zu verarbeiten sind, wie lange sie gespeichert werden usw.60

15.65

Der Verwalter ist weisungsgebundenes Ausführungs-Organ der Gemeinschaft und abhängig von den (ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden) Entscheidungen der Eigentümerversammlungen über die Datenverarbeitung. Dem Verwalter wird lediglich die technisch-organisatorische Behandlung61 der Datenverarbeitung übertragen. Der EuGH hat sich – noch zu der durch die DSGVO aufgehobenen Richtlinie 95/46 EG – in seiner neuesten Entscheidung vom 29.7.2019 erneut mit dem Begriff des „Verantwortlichen“ auseinandergesetzt und zuerst die in den Schlussanträgen des Generalanwalts vertretene grundsätzliche Position bestätigt. Eine natürliche oder juristische Person ist für Vorgänge der Verarbeitung personenbezogener Daten nur verantwortlich, wenn sie über deren Zwecke und Mittel – gemeinsam mit anderen – entscheidet. Der EuGH führt dann aber aus: „Dagegen kann, unbeschadet einer etwaigen insoweit im nationalen Recht vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung, diese natürliche oder juristische Person für vor- oder nachgelagerte Vorgänge in der Verarbeitungskette, für die sie weder die Zwecke noch die Mittel festlegt, nicht als im Sinne dieser Vorschrift verantwortlich angesehen werden.“62 Betrachtet man diese Entscheidung, kann nur die Eigentümergemeinschaft, die durch ihr Beschluss-Organ, die Eigentümerversammlung, ihre Entscheidungen trifft, die „Verantwortliche“ im Sinne der DSGVO sein. Durch die Übertragung der technisch-organisatorischen Behandlung der Datenverarbeitung auf den Verwalter ändert sich hieran nichts. Eisenschmid scheint bei seiner Formulierung über den „Abschluss des Verwaltervertrages“ die deutsche Sichtweise zur Grundlage einer europarechtlichen Einordnung zu machen, was aber schon wegen der bereits erwähnten autonomen Auslegung europarechtlicher Begriffe verfehlt ist.

59 Fehlerhaft deshalb auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, die aus der Erhebung von personenbezogenen Daten die Verantwortlichkeit des Verwalters ableitet. 60 Unrichtig deshalb Amtsgericht Mannheim, Urt. v. 11.9.2019 – 5 C 1733/19 WEG, IMR 2019, 508, das den Verwalter als „Mitverantwortlichen“ i.S. Art. 26 DSGVO ansieht. 61 Vgl. dazu erneut das Kurzpapier Nr. 13. 62 EuGH, Urt. v. 29.7.2019 – C-40/17, ECLI:EU:C:2019:629 („Fashion ID“ – Facebook-like-button), NZA 2019, 1125 = GRUR 2019, 977 = CR 2019, 574 – zur zweiten Vorlagefrage.

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15.66

Teil 15 Rz. 15.67

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.67 Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht63 hat ein Papier zu den „Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) an kleine Unternehmen, Vereine etc. – Muster 7: WEG-Verwaltung“64 herausgegeben, wie auch ein Papier zu Verzeichniserfordernissen mit dem Titel „Muster 6: WEG-Verwaltung – Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten“.65 Dort werden Tätigkeiten des Verwalters für sein eigenes Unternehmen und für die verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften vermischt und der Verwalter, nach meiner bereits geäußerten Auffassung fehlerhaft, ohne Differenzierung als „Verantwortlicher“ für beide Tätigkeitsbereiche angesehen und benannt. Es muss aber streng zwischen der Verantwortlichkeit des Verwalters für sein eigenes Unternehmen und seiner datenschutzrechtlichen Tätigkeit für Wohnungseigentümergemeinschaften unterschieden werden. Die beiden Papiere des Bayerischen Landesamtes enthalten deshalb nur geringe Anhaltspunkte für Gemeinschaften und WEG-Verwalter – die Papiere dürfen nicht unkritisch übernommen werden und sind auf jeden Fall berichtigungs- oder ergänzungsbedürftig. 4. Keine gemeinsame Verantwortlichkeit von Verwalter/Verband

15.68 Es liegt auch keine „gemeinsame Verantwortlichkeit“ im Sinne des Art. 26 DSGVO vor,66 denn eine solche läge nur vor, wenn zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der Verarbeitung und die Mittel zur Verarbeitung festlegen würden – also beide gleichrangig darüber entscheiden könnten. Es entspricht aber weder den wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsverhältnissen noch ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verwalter Mitentscheidungs-Befugnis über die Datenverarbeitung bekäme und wenn sich die Eigentümerversammlung ihrer Rechte, über die Verarbeitung von Daten zu bestimmen, begeben würde. 5. Der „Auftragsverarbeiter“ und die Doppelstellung des Verwalters

15.69 Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann nach den bisherigen Überlegungen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogenen Daten der jeweiligen von ihm verwalteten Eigentümergemeinschaften nur als „Auftragsverarbeiter“ angesehen werden.

15.70 „Auftragsverarbeiter“ ist nach der Definition in § 4 Nr. 8 DSGVO „eine natürliche oder juristische Person, …, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet“.

15.71 Dies trifft die Funktion des Verwalters als Ausführungs-Organ der Eigentümergemeinschaft. Der Verwalter verarbeitet Daten lediglich im Auftrag der Eigentümergemeinschaft; diesen Auftrag erhält der Verwalter mit dem Wirksamwerden seiner Verwalterbestellung. Die Gemeinschaft ist Eigentümerin sämtlicher Verwaltungsunterlagen;67 über alle in diesem Zusammenhang entstehenden und mit den Verwaltungsunterlagen verbundenen Daten der 63 64 65 66 67

https://www.lda.bayern.de. https://www.lda.bayern.de/media/veroeffentlichungen/muster_6_weg-verwaltung.pdf. https://www.lda.bayern.de/media/muster/muster_6_weg-verwaltung_verzeichnis.pdf. Unrichtig AG Mannheim, Urt. v. 11.9.2019 – 5 C 1733/19 WEG, IMR 2019, 508. Vgl. dazu schon BayObLG, Beschl. v. 27.7.1978 – 2 Z 83/77, BayObLGZ 1978, 230 = MDR 1979, 142 = DWE 1979, 61; OLG München, Urt. v. 21.2.2006 – 32 Wx 14/06, NZM 2006, 349 = ZMR 2006, 552 (Anspruch gegen einen Verwalter auf Herausgabe der Verwaltungsunterlagen nach § 667 BGB ist eine gemeinschaftliche Forderung, die im Rahmen der Verwaltung des gemein-

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Art. 28 DSGVO und das Wohnungseigentumsrecht

Rz. 15.76 Teil 15

Eigentümer darf nur die Eigentümergemeinschaft verfügen – und der Verwalter darf nur diesbezügliche Verwaltungs-/Ausführungsmaßnahmen ergreifen (die „technisch-organisatorische Behandlung“ der Daten durch den Verwalter), die ihre Grundlage in den Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung, des Verwaltervertrages und den Beschlüssen von Eigentümerversammlungen finden. Die Doppel-Stellung (Doppelfunktion) des Verwalters bedeutet, dass der Verwalter einerseits datenschutzrechtlich nicht Verantwortlicher ist, andererseits aber Ausführungs-Organ der Eigentümergemeinschaft und deshalb – weil es kein anderes Ausführungs-Organ gibt – für die Eigentümergemeinschaft handeln und damit auch die datenschutzrechtlich notwendigen Maßnahmen für die Eigentümergemeinschaft ergreifen muss.

15.72

VII. Die Pflichten nach Art. 28 DSGVO und ihre wohnungseigentumsrechtlichen Auswirkungen Art. 28 DSGVO, der sich mit dem „Auftragsverarbeiter“ beschäftigt, enthält einen umfangrei- 15.73 chen Katalog von Pflichten und Aufgaben. Diese Pflichten und Aufgaben haben unmittelbare Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Verwalter und Gemeinschaft und üben auch einen gemeinschaftsinternen Zwang aus. 1. Verwalter-Bestellung Art. 28 Abs. 1 DSGVO bestimmt kategorisch, dass der/die „Verantwortliche“ im Sinne der 15.74 DSGVO nur mit Auftragsverarbeitern zusammenarbeiten darf, „die hinreichend Garantien dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen so durchgeführt werden, dass die Verarbeitung [der personenbezogenen Daten] im Einklang mit den Anforderungen dieser Verordnung erfolgt und den Schutz der Rechte der betroffenen Person gewährleistet.“ Die Eigentümerversammlung als Beschluss-Organ der Eigentümergemeinschaft muss bei der Bestellung des Verwalters diese Vorgabe des Datenschutzrechts beachten. Vor einer Beschlussfassung muss also beim Verwalterkandidat geprüft werden – sofern erforderlich auch durch eine vom Beirat oder anderen Beauftragten durchzuführende Betriebsbesichtigung –, ob der Verwalterkandidat die „hinreichende Garantie“ für eine ordnungsgemäße Verarbeitung der personenbezogenen Daten bietet.

15.75

Dazu sind – aufgrund der von der Eigentümergemeinschaft (konkret: der Eigentümerversammlung) festgelegten Anforderungen und Bedingungen – die betriebsinternen Ressourcen des Verwalters, die einzelnen von ihm vorgeschlagenen Verarbeitungsschritte, die Verarbeitungsprogramme und die Sicherheitsvorkehrungen beim Verwalter abzufragen und zu prüfen.

15.76

Die Eigentümergemeinschaft muss sicherstellen, dass der in Aussicht genommene Verwalter Fachwissen aufweist, umfassend zuverlässig ist und die notwendigen Ressourcen zur ordnungsgemäßen Datenverarbeitung vorhält und nachweisen kann.68 samen Eigentums anfällt); Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148 = WE 2008, 176; siehe auch Jennißen in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 26 Rz. 172. 68 Vgl. auch Erwägungsgrund 81 zur DSGVO; sowie (allgemein) zu § 28 DSGVO: Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 12; Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Auflage 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 19.

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Teil 15 Rz. 15.77

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.77 Ein Bestellungsbeschluss einer Eigentümerversammlung, bei dem diese Kriterien des DSGVO nicht oder nicht ausreichend beachtet worden sind, widerspricht wohnungseigentumsrechtlich ordnungsmäßiger Verwaltung. 2. Der Verwalter- und Auftragsverarbeitervertrag

15.78 Im Hinblick auf die Vorgaben der DSGVO ist es seit dem 25.5.2018 notwendig, dass zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter Vereinbarungen getroffen werden; sie sind gemäß § 29 Abs. 9 DSGVO zwingend schriftlich abzufassen. Diese Vereinbarungen haben die Auftragsverarbeitung personenbezogener Daten durch den Verwalter zu regeln. Das kann im allgemeinen Verwaltervertrag erfolgen oder in einer gesonderten Vereinbarung. Die erforderlichen datenschutzrechtlichen Regelungen der Vereinbarung ergeben sich aus den umfassenden Beschreibungen des § 28 Abs. 3 DSGVO.69

15.79 In einem Bestellungs- oder Wiederbestellungsbeschluss (oder im Zusammenhang damit) sind demgemäß nicht nur die „normalen“ wohnungseigentumsrechtlichen Vertragsbedingungen zu regeln, sondern auch die datenschutzrechtlichen.70 Regelt der Bestellungsbeschluss diesen datenschutzrechtlichen Teil nicht, entspricht er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. 3. Der Unter-Auftragsverarbeiter

15.80 Bei der Verwaltung von Wohnungseigentum können sowohl der Verwalter als auch die Eigentümergemeinschaft den Wunsch haben, ein weiteres „Unternehmen“71 mit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu betrauen.

15.81 Regelmäßig erfolgt eine solche Einschaltung bei der Abrechnung von Heiz- und Warmwasserkosten (eventuell auch bei der Kaltwasserabrechnung): ein auf die Erfassung und Abrechnung von Heiz- und Warmwasserkosten spezialisiertes Unternehmen wird beauftragt. Auch für die Erstellung von Lohnabrechnungen der von der Eigentümergemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer ziehen viele Eigentümergemeinschaften einen Steuerberater oder ein sonstiges Fachunternehmen heran.

15.82 Personen- und Verbrauchsdaten der Eigentümer für die Heiz-, Kalt- und Warmwasserkosten sind – vgl. die Aufzählung unter „Die ‚betroffene Person‘/die ‚personenbezogenen Daten‘“ – datenschutzrelevante personenbezogene Daten, wie auch die Daten von Arbeitnehmern (Name, Anschrift, Steuerklasse, Krankheitsdaten für die Lohnfortzahlung pp).

15.83 Eine Beauftragung von Abrechnungsunternehmen hat sowohl wohnungseigentumsrechtliche wie datenschutzrechtliche Bedeutung und Art. 28 Abs. 2 DSGVO beinhaltet einen „Rück69 Vgl. zu den Einzelheiten auch: BeckOK DatenschutzR/Spoerr, 28. Ed. 1.5.2019, DSGVO Art. 28 Rz. 50–84. 70 Es erscheint sehr zweifelhaft, dass der Verwalter für seine datenschutzrechtlichen Funktionen nach der DSGVO eine besondere Vergütung verlangen kann und die Eigentümerversammlung eine solche beschließen darf. Bei der Begründung des Amtsgericht Mannheim, Urt. v. 11.9.2019 – 5 C 1733/19 WEG, IMR 2019, 508, wird verkannt, dass der Verwalter schon nach dem alten BDSG datenschutzrechtliche Funktionen hatte; wer eine Verwaltung übernimmt, muss mit diesen Aufgaben sowie mit einer Gesetzesänderung rechnen und sie in seine Verwaltervergütung einkalkulieren. 71 Vgl. zum Begriff erneut Art. 4 Nr. 18 DSGVO.

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Art. 28 DSGVO und das Wohnungseigentumsrecht

Rz. 15.86 Teil 15

kopplungseffekt“ auf die wohnungseigentumsrechtliche Beziehung zwischen Verwalter und Gemeinschaft. Art. 28 Abs. 2 DSGVO lautet: „Der Auftragsverarbeiter nimmt keinen weiteren Auftragsverarbeiter ohne vorherige gesonderte oder allgemeine schriftliche Genehmigung des Verantwortlichen in Anspruch. Im Fall einer allgemeinen schriftlichen Genehmigung informiert der Auftragsverarbeiter den Verantwortlichen immer über jede beabsichtigte Änderung in Bezug auf die Hinzuziehung oder die Ersetzung anderer Auftragsverarbeiter, wodurch der Verantwortliche die Möglichkeit erhält, gegen derartige Änderungen Einspruch zu erheben.“ a) Die bisherige wohnungseigentumsrechtliche Seite Wohnungseigentumsrechtlich sind Entscheidungen über Vertragsabschlüsse zwischen dem Verband (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) und Dritten grundsätzlich der Eigentümerversammlung vorbehalten.72

15.84

In der wohnungseigentumsrechtlichen Beratungspraxis tauchte schon in der Vergangenheit recht häufig die Frage auf, ob ein Verwalter berechtigt ist, für die Lohnabrechnung der von der Eigentümergemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer einen Steuerberater oder einen anderen Sachkundigen zu beauftragen und die Kosten über die gemeinschaftliche Kasse abzurechnen. Hatte der Verwalter einen Auftrag erteilt und lag der Beauftragung durch den Verwalter keine vorherige Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zugrunde, entsprach die Handlungsweise des Verwalters regelmäßig nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.73

15.85

Auch in Bezug auf die Abrechnung von Heizkosten pp stellte sich die Frage nach der ord- 15.86 nungsmäßigen Verwaltung, wenn der Verwalter für die Abrechnung einen Auftrag erteilte. Handelte der Verwalter „autonom“, ohne vorherige Zustimmung einer Eigentümerversammlung, war die Verfahrensweise des Verwalters unzulässig und entsprach nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. In der Praxis wurde die Einschaltung einer Abrechnungsfirma aber meist durch Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung geregelt – was auch damit zusammenhängt, dass die Abrechnungsfirmen (fast ausnahmslos) den Einbau ihrer Verbrauchserfassungsgeräte zur Bedingung für die Abrechnungstätigkeit machen (wollen).74

72 Durch Bestimmungen in den Gemeinschaftsordnungen oder durch Versammlungsbeschlüsse können aber andere Regelungen getroffen werden; vgl. hierzu die Einzelheiten bei Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 27 Rz. 252 ff. 73 Vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.3.2005 – 20 W 153/03, OLGR Frankfurt 2006, 46 = MietRB 2006, 47 (Anm. Ott). 74 Ob solche Verknüpfungen von Geräteverwendung und Abrechnung gegen §§ 19 ff. GWB verstoßen, ist hier nicht zu klären; Abrechnungsfirmen weigern sich gelegentlich, weitere Geräte oder Ersatzteile für Ablesegeräte an eine Eigentümergemeinschaft und/oder das neue (freie) Abrechnungsunternehmen zu liefern, wenn ihr Abrechnungsvertrag ausgelaufen ist. Vgl. zu den möglichen allgemeinen kartellrechtlichen Ansatzpunkten: BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15, GRUR 2018, 441 = NJW-RR 2018, 367; BGH, Urt. v. 6.10.2015 – KZR 87/13, WRP 2016, 229; BKartA, Beschl. v. 23.5.2002 – B 10 – 177/01, AG 2002, 692; Emde, Belieferungspflicht mit Ersatzteilen, MDR 2013, 1079.

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Teil 15 Rz. 15.87

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

b) Die datenschutzrechtliche Seite

15.87 Der Art. 28 Abs. 2 DSGVO beinhaltet nunmehr zwei Regelungskomponenten bezüglich eines „Unter-Auftragsverarbeiters“, die sich auf das Verhältnis zwischen dem „Verantwortlichen“ und dem „Auftragsverarbeiter“ beziehen.

15.88 Zum einen darf der Auftragsverarbeiter „ohne vorherige gesonderte oder allgemeine schriftliche Genehmigung des Verantwortlichen“ keinen Dritten (Unter-Auftragsverarbeiter) in Anspruch nehmen. Hier ist wieder ein begrifflicher Unterschied zwischen dem deutschen und dem europäischen Recht feststellbar. Die „vorherige Genehmigung“ der DSGVO würde im deutschen Recht als „vorherige Zustimmung“ (Einwilligung) – § 183 BGB – bezeichnet.

15.89 Zum anderen trifft den Auftragsverarbeiter eine Informationspflicht, wenn ein Unter-Auftragsverarbeiter einschaltet wurde. Hat der Auftragsverarbeiter eine allgemeine schriftlichen Genehmigung, muss er den Verantwortlichen gleichwohl über jede beabsichtigte Änderung in Bezug auf den Unter-Auftragsverarbeiter informieren, damit der Verantwortliche die Möglichkeit erhält, gegen derartige Änderungen Einspruch zu erheben. c) Die „Rückkopplung“ auf das Wohnungseigentumsrecht

15.90 Betrachtet man den Art. 28 Abs. 2 DSGVO, erschließt sich, dass mit dieser datenschutzrechtlichen Regelung auch unmittelbare Auswirkungen auf das wohnungseigentumsrechtliche Verhältnis zwischen Verwalter und Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sind.

15.91 Im Satz 1 des Absatzes 2 ist ein klares Verbot enthalten. Der Verwalter darf nämlich keinen weiteren Auftragsverarbeiter (für die erwähnten Abrechnungstätigkeiten) einschalten, wenn er keine – vorherige, – gesonderte oder allgemeine – schriftliche Genehmigung – der Eigentümergemeinschaft vorliegen hat.

15.92 Bei der Verbrauchsabrechnung (Heizkosten pp) und bei der Lohnabrechnung fallen zwangsläufig personenbezogene Daten an. Diese Verarbeitung müsste eigentlich der bestellte Verwalter im Auftrag des Verbandes vornehmen, denn alle mit der Verwaltung des Wohnungseigentums zusammenhängenden Aufgaben sind ihm übertragen.

15.93 Ist der Verwalter allerdings mangels ausreichender Sachkenntnis nicht in der Lage oder aus anderen Gründen nicht willens, die Verbrauchs- und Lohnabrechnungen zu übernehmen, muss er dies schon vor seiner Bestellung zum Verwalter offenbaren und eine entsprechende vertragliche Regelung mit dem Verband finden. Ist der Verwalter bestellt worden, ohne dass die Abrechnungsfragen konkret geregelt wurden, darf der Verwalter selbstständig keine Abrechnungsaufträge an Dritte vergeben. Die nach dem Datenschutzrecht notwendige „vorherige Genehmigung“ (nach deutschem Rechtsverständnis „vorherige Zustimmung“) hat deshalb eine erhebliche Bedeutung für die wohnungseigentumsrechtliche Stellung des Verwalters und muss bei oder im Zusammenhang mit der Verwalterbestellung geklärt werden.

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Art. 28 DSGVO und das Wohnungseigentumsrecht

Rz. 15.99 Teil 15

Datenschutzrechtlich ist eine gesonderte (auf die jeweilige Datenverarbeitungstätigkeit bezo- 15.94 gene) oder eine allgemeine Genehmigung erforderlich. Eine solche Genehmigung kann durch Beschluss einer Eigentümerversammlung erfolgen,75 der nach den üblichen wohnungseigentumsrechtlichen Regelungen dokumentiert wird. Die vorgeschriebene Schriftform wird durch die Unterzeichnung des Protokolls gemäß § 24 Abs. 6 WEG eingehalten.76 Eine Textform (für WEV-Protokolle auch unüblich) genügt nicht.77 Art. 28 Abs. 2 Satz 2 DSGVO enthält eine weitere, durchaus wichtige Pflicht für den Verwalter. Auch wenn er eine allgemeine schriftliche Genehmigung erteilt bekommen hat, muss er gleichwohl

15.95

– die Eigentümergemeinschaft, konkret: das Beschlussorgan Wohnungseigentümerversammlung, informieren – über jede beabsichtigte Änderung in Bezug – auf die Hinzuziehung oder – die Ersetzung des eingeschalteten Unter-Auftragsverarbeiters, – damit die Eigentümergemeinschaft (Versammlung) die Möglichkeit erhält, gegen derartige Änderungen Einspruch zu erheben. Dem Verwalter hilft also eine allgemeine Genehmigung („Zustimmung“) nicht sehr viel, denn er kann gleichwohl nicht autonom handeln.

15.96

Über jede beabsichtigte Änderung, die im Zusammenhang mit dem Unter-Auftragsverarbeiter steht, muss der Verwalter (immer) eine Eigentümerversammlung informieren. Da in der DSGVO die Rede von einer „beabsichtigten“ Änderung ist, dürfte klar sein, dass die Information nicht nachträglich erfolgen darf, sondern so rechtzeitig zu erfolgen hat, dass die Eigentümerversammlung noch eine eigene Entscheidung zu der Änderungsabsicht treffen kann.78

15.97

Eine nachträgliche Information entspräche wohnungseigentumsrechtlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, so dass dem Verwalter schon wegen dieses Fehlers keine Entlastung erteilt werden dürfte. Die Änderungen können die Ersetzung des bisherigen Unter-Auftragsverarbeiters betreffen, eine Änderung der Gesellschaftsform des Unter-Auftragsverarbeiters oder auch die Änderung der vertraglichen Regelungen mit diesem.

15.98

Das der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehende Widerspruchsrecht muss wirksam ausgeübt werden können. Der Verwalter muss deshalb einen entsprechenden Tagesordnungspunkt benennen, unter dem auch ein Beschluss gefasst werden kann – z.B. über

15.99

75 Auch durch Beschluss über einen konkreten und inhaltlich bestimmten Verwaltervertrag. 76 Beachtet werden sollten aber auch die evtl. in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen besonderen Protokollierungsvorgaben (z.B. Bestellung der Protokollunterzeichner durch Beschluss). 77 Vgl. Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 62. 78 Vgl. zu den allgemeinen datenschutzrechtlichen Erwägungen Martini in Paal/Pauly, DatenschutzGrundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 61.

Köhler

985

Teil 15 Rz. 15.99

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

– einen Unternehmensaustausch (Ersetzung des bisherigen Vertragspartners), – eine Vertragsänderung oder – (soweit rechtlich möglich) die Fortsetzung/Nichtfortsetzung des Vertrages mit einem Unternehmen, welches die Gesellschaftsform geändert hat. d) Die Sinnhaftigkeit eines Kettenauftrages

15.100 Ist es sinnvoll oder notwendig, eine Datenverarbeitung für Abrechnungen auf eine andere Person als den Verwalter zu übertragen, sollte die Eigentümergemeinschaft selbst den Vertrag mit dem Auftragsverarbeiter schließen und nicht den Umweg über den Verwalter wählen (Kettenauftrag: Verantwortliche – Auftragsverarbeiter – Unter-Auftragsverarbeiter). Die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den (weiteren) Auftragsverarbeiter ohne (rechtlichen) Umweg über den Verwalter ist für die Gemeinschaft sinnvoll.

15.101 Auch für den Verwalter bietet die „Ketten-Beauftragung“ keine Vorteile, denn nach Art. 28 Abs. 4 DSGVO müsste der Verwalter alle Datenschutzpflichten, die von ihm einzuhalten sind, auch auf den Unter-Auftragsbearbeiter übertragen und in eigener Verantwortung überwachen. Bei einer Ketten-Beauftragung träfe den Verwalter eine eigene Einstandspflicht gegenüber der Gemeinschaft für Versäumnisse des Unter-Auftragsbearbeiters, Art. 28 Abs. 4 Satz 2 DSGVO.

15.102 Gegenüber Betroffenen haften die Eigentümergemeinschaft und der Verwalter zusammen mit dem Unter-Auftragsverarbeiter gesamtschuldnerisch, Art. 82 Abs. 4 DSGVO. Als Organ des Verbandes muss der Verwalter allerdings den unmittelbar von der Gemeinschaft beauftragten Auftragsbearbeiter für die Eigentümergemeinschaft überwachen (Doppelfunktion des Verwalters). 4. Spezielle Pflichten des Auftragsverarbeiters

15.103 Der Verwalter als Auftragsverarbeiter hat spezielle Pflichten, die teilweise auch wieder auf das wohnungseigentumsrechtliche Verhältnis Verwalter – Verband durchschlagen können. Solche Pflichten sind:79 – Die Bestellung eines „Vertreters“ nach Art. 27 iVm Art. 3 DSGVO (wenn der Verwalter im Nicht-EU-Ausland seinen Sitz hat, was bisher eher theoretischer Natur ist)80. – Die Führung eines „Verfahrensverzeichnisses“ nach Art. 30 Abs. 2 DSGVO (beachte dazu die oben dargestellte KMU-Ausnahme, die auch hier gilt).

79 Vgl. zu den allgemeinen datenschutzrechtlichen Pflichten Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 10. 80 Ein solcher Fall könnte nach einem ungeregelten „Brexit“ für Verwalter mit Sitz in Großbritannien eintreten; sofern ein geregelter Austritt aufgrund des Austrittsabkommens (EU-ABl. v. 19.2.2019, C 66 I, S. 1) erfolgen sollte, bliebe nach dem dortigen Art. 126 die DSGVO bis 31.12.2020 auch in Großbritannien gültig.

986

Köhler

Art. 28 DSGVO und das Wohnungseigentumsrecht

Rz. 15.108 Teil 15

– Der Verwalter hat als Auftragsverarbeiter mit der Aufsichtsbehörde zusammen zu arbeiten (Art. 31 DSGVO).81 – Als Auftragsverarbeiter hat der Verwalter der Verantwortlichen (Eigentümergemeinschaft) unverzüglich Meldung zu machen, wenn ihm eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten bekannt wird (Art. 33 Abs. 2 DSGVO). Für den Verwalter bedeutet das: er muss unverzüglich die Eigentümergemeinschaft informieren (m.E. durch Rundschreiben an alle Eigentümer) und je nach Schwere der Datenschutz-Verletzung auch eine (u.U. außerordentliche) Eigentümerversammlung einberufen, um über eventuell notwendige Maßnahmen, die er als Verwalter nicht allein ergreifen kann, beschließen zu lassen.

15.104

Neben dieser Meldung an die Verantwortliche (die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihr Beschlussorgan) muss der Verwalter auch noch als Organ der Gemeinschaft handeln und im Namen der Eigentümergemeinschaft der Aufsichtsbehörde die Datenschutzverletzung melden (Art. 33 Abs. 1 DSGVO; zu den notwendigen Informationsdetails siehe Art. 33 Abs. 3). Das muss unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden nach Bekanntwerden erfolgen.

15.105

Der Verwalter muss die Eigentümergemeinschaft (konkret: die Wohnungseigentümerversammlung) unverzüglich informieren, wenn der Verband durch eine Eigentümerversammlung eine datenschutzrechtlich relevante Weisung an den Verwalter erteilen will, die er (subjektiv!)82 in datenschutzrechtlicher Hinsicht als rechtswidrig betrachtet, Art. 28 Abs. 3 Satz 3 DSGVO.

15.106

Sollte die Eigentümerversammlung trotz dieser Information einen (subjektiv vom Verwalter als rechtswidrig betrachteten) Weisungsbeschluss fassen, müsste der Verwalter diesen Beschluss im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren anfechten und gleichzeitig die Datenschutz-Aufsichtsbehörde informieren und um Entscheidung bitten.83 Nur auf diese Weise kann der Verwalter in wirksamer Weise eine Haftung nach Art. 82 Abs. 2 DSGVO oder eine Sanktion nach Art. 83 Abs. 4 Buchstabe a) DSGVO verhindern.

15.107

Prozessual wird in dem wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsverfahren des Verwalters eine Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO zu beantragen sein, bis die Datenschutz-Behörde über die Anfrage des Verwalters entschieden hat.

15.108

81 Diese Pflicht hat auch der Verband (Verantwortliche), weshalb der Verwalter hier wieder eine Doppelfunktion hat (als Auftragsverarbeiter und als Organ der Gemeinschaft). 82 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 10; Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 56; BeckOK DatenschutzR/Spoerr, 28. Ed. 1.5.2019, DSGVO Art. 28 Rz. 88. 83 Siehe auch Martini in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 28 DSGVO Rz. 58, der auf die Befugnis der Aufsichtsbehörde gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. a) DSGVO hinweist.

Köhler

987

Teil 15 Rz. 15.109

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.109 Benennung eines Datenschutzbeauftragten. Art. 37 DSGVO nennt die Kriterien, bei deren Vorliegen der „Verantwortliche“ und der „Auftragsverarbeiter“ einen Datenschutzbeauftragten benennen84 müssen. Die Kriterien im Einzelnen:85 – Die Kerntätigkeit des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters besteht aus Datenverarbeitungsvorgängen, die nach Art/Umfang/Zweck eine „umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung“ von betroffenen Personen erforderlich machen.86 – Die Kerntätigkeit des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters betrifft die „umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten gemäß Artikel 9“. Diese beiden DSGVO-Kriterien treffen auf Wohnungseigentümergemeinschaften und deren Verwalter nicht zu, weil beide die Voraussetzungen nicht erfüllen.

15.110 Die hier angesprochene „Überwachung“ und Verarbeitung „besonderer Datenkategorien“ stellt weder die „Kerntätigkeit“ einer Eigentümergemeinschaft noch eines Verwalters dar. Erforderlich wäre aber, dass die Tatbestandsvoraussetzungen durch die jeweilige Haupttätigkeit erfüllt werden – so auch der Erwägungsgrund 97: „Im privaten Sektor bezieht sich die Kerntätigkeit eines Verantwortlichen auf seine Haupttätigkeiten und nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten als Nebentätigkeit“.

15.111 Neben der DSGVO ist hier aber auch das BDSG zu betrachten. Der deutsche Gesetzgeber hat nämlich in angeblich zulässiger Ergänzung87 zu den Bestimmungen des Art. 37 DSGVO in § 38 Abs. 1 BDSG verfügt, dass ein Datenschutzbeauftragter von Verantwortlichen oder Auftragsverarbeitern benannt werden muss, „soweit sie in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen“.88

15.112 § 38 BDSG erwähnt auch noch weitere Kriterien für die Benennung eines Datenschutzbeauftragten: „Nehmen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter Verarbeitungen vor, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung nach Artikel 35 der Verordnung (EU) 679/2016 unterliegen, oder verarbeiten sie personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung, der anonymisierten Übermittlung oder für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung, haben sie unabhängig von der Anzahl der mit der Verarbeitung beschäftigten Personen eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten zu benennen.“ 84 Entgegen früherer deutscher Datenschutz-Regelung spricht die DSGVO nicht von „Bestellung“, sondern von „Benennung“. 85 Zu den Kriterien vgl. auch Reinhard, Die neue Rolle des betrieblichen Datenschutzbeauftragten, ArbRB 2017, 317. 86 Vgl. zu den Prüfungsschritten im Einzelnen: von dem Bussche in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 37 DSGVO Rz. 31. 87 Die Öffnungsklausel für eine nationale Regelung ergebe sich aus Art. 37 Abs. 4 Satz 1, 2. HS DSGVO. 88 Die Datenschutzkonferenz (Konferenz der deutschen Datenschutzbehörden) hat sich in einer Entschließung vom 23.4.2019 – wie nicht anders zu erwarten – „gegen eine Abschaffung oder Verwässerung der die Datenschutzgrundverordnung ergänzenden nationalen Regelungen der Pflicht zur Benennung einer oder eines Datenschutzbeauftragten“ ausgesprochen; „eine Aufweichung der Benennungspflicht“ werde insbesondere kleinere Unternehmen und Vereine „mittelfristig schaden“; https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/en/20190423_keine_abschaffung_der_dsb.pdf.

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Köhler

Art. 28 DSGVO und das Wohnungseigentumsrecht

Rz. 15.120 Teil 15

Diese (weiteren) Kriterien können auf Eigentümergemeinschaften und Verwalter wohl kaum zutreffen. Von ihnen werden keine Verarbeitungen vorgenommen, die einer DatenschutzFolgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO unterliegen und es werden auch keine personenbezogenen Daten für Zwecke verarbeitet, wie sie in § 38 BDSG genannt werden.

15.113

Es bleibt also nur die Prüfung der 10-Personen-Grenze im Zusammenhang mit der ständigen Beschäftigung. Für eine Eigentümergemeinschaft kann die 10-Personen-Grenze schon vom Ansatz her nicht überschritten werden, weil sie lediglich den Verwalter und eventuell wenige weitere mit Abrechnungstätigkeiten beschäftigte Auftragsverarbeiter in die Datenverarbeitung einbezieht. Auf die Beschäftigten-Zahlen bei dem Verwalter kommt es für die Eigentümergemeinschaft nicht an, denn seine Zahlen können nicht der Gemeinschaft zugerechnet werden.89

15.114

Bei Verwaltern könnte allerdings durchaus die Zahl von 10 erreicht und überschritten werden.

15.115

Das Bayerische Landesamt weist im Zusammenhang mit den 10 Personen auf das Abgrenzungsmerkmal „in der Regel“ hin. Dieses Merkmal stelle darauf ab, dass die zehn oder mehr Beschäftigten die übliche personelle Größenordnung des Unternehmens oder des Auftragsverarbeiters bilden; gelegentliche unregelmäßige Aushilfen blieben dabei außer Betracht.90

15.116

Auch die Kommentierungen zum BDSG meinen, bei der Berechnung komme es auf den Re- 15.117 gelbetrieb an, bei dem eine „gewisse Kontinuität“ gegeben sein müsse.91 Ernst stellt eine „Faustformel“ auf „Zehn Mitarbeiter mit Bildschirmarbeitsplatz begründen eine Bestellungspflicht“ und er weist darauf hin, dass Teilzeitkräfte datenschutzrechtlich nicht nur mit einem Anteil eines Vollzeitbeschäftigten gerechnet werden – anders als bei arbeitsrechtlichen Kriterien (vgl. z.B. § 23 KSchG).92

15.118

Auf den arbeitsrechtlichen Status der mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen kommt es datenschutzrechtlich nicht an.93 Konkret mit Datenverarbeitungsaufgaben befasst können deshalb – unabhängig von ihrer Position oder Stellung – sein: Geschäftsführer einer juristischen Person,94 freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Praktikanten, Aushilfen, Auszubildende usw.95

15.119

Das Kriterium der „ständigen Beschäftigung“: Wenn der Verwalter mehr als 10 Personen beschäftigt, muss weiter geprüft werden, ob das Kriterium der „ständigen“ Beschäftigung mit Datenverarbeitungsvorgängen vorliegt.

15.120

89 Vgl. Hullen/Krohm in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 5. 90 https://www.lda.bayern.de/de/thema_datenschutzbeauftragter.html. 91 Vgl. dazu Hullen/Krohm in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 6 f.; Pauly in Paal/ Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 9 f. 92 Ernst, Erforderlichkeit der Benennung eines Datenschutzbeauftragten für nicht-öffentliche Stellen nach Art. 37 DSGVO und § 38 BDSG, ITBR 2018, 188 = ArbRB 2018, 272; siehe dort auch die möglichen Einzelheiten für Prüfungskriterien. 93 BeckOK DatenschutzR/Moos, 28. Ed. 1.5.2018, BDSG § 38 Rz. 9. 94 Hier im deutschen Rechtssinn gemeint. 95 Hullen/Krohm in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 5; Pauly in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 6.

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Teil 15 Rz. 15.121

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.121 Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat hierzu eine „Auslegungshilfe“ erarbeitet und geäußert96: „Ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt“ bedeutet, dass dies ein Schwerpunkt der Tätigkeit einer Person für ein Unternehmen oder einen Verein ist. Handwerker haben z. B. meist weit überwiegend mit ihrer handwerklichen Tätigkeit und Übungsleiter eines Vereins haben regelmäßig weit überwiegend mit der Übungstätigkeit zu tun. Beide sind nur untergeordnet mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten der Kunden oder betreffenden Vereinsmitglieder befasst, so dass diese dann bei der Prüfung der 10-Personen-Grenze nicht mitzuzählen sind. Beschäftigte der Personal- oder Finanzbuchhaltung, Schriftführer oder Kassier eines Vereins zählen in aller Regel dagegen zu den 10 Personen dazu.“

15.122 Für Verwalter ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Personen konkret mit der Datenverarbeitung befasst sind. Der Geschäftsführer einer Verwaltungs-GmbH muss nicht zwangsläufig mit einer solchen Datenverarbeitung befasst sein, wenn er lediglich zentrale Lenkungs- oder Führungsaufgaben wahrnimmt. Es kommt also stets auf die konkrete Tätigkeit an.

15.123 Die Personenzahlen bei Unter-Auftragsverarbeitern, dies zur Klarstellung, haben für die Personenzahl beim Verwalter keine Bedeutung.97

15.124 Liegen die Voraussetzungen für die Benennung eines Datenschutzbeauftragten vor, darf der Verwalter nur jemanden benennen, der aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und seines Fachwissens zur Erfüllung der in Art. 39 DSGVO beschriebenen Aufgaben in der Lage ist, Art. 37 Abs. 5 DSGVO. Der zu benennende Datenschutzbeauftragte muss nicht Beschäftigter des Verwalters sein, sondern kann auch aufgrund eines Dienstleistungsvertrages tätig werden, Art. 37 Abs. 6 DSGVO.

VIII. Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten In den Rz. 15.56 f. wurde bereits auf die in einer Eigentümergemeinschaft anfallenden personenbezogenen Daten (für die Eigentümer und für die Arbeitnehmer der Gemeinschaft) hingewiesen. Es stellt sich deshalb die Frage, wann die Verarbeitung dieser Daten datenschutzrechtlich zulässig ist. 1. Die Voraussetzungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen

15.125 Über den Datenschutz im (und im Zusammenhang mit dem) Arbeitsverhältnis ist seit Jahren in Arbeitsrechts- und Datenschutzrechts-Fachkreisen diskutiert worden.98 Die ganz erhebliche technologische Entwicklung in Europa (welche selbstverständlich beeinflusst wurde durch die weltweite Datentechnologie-„Explosion“) hat den europäischen Gesetzgeber veranlasst, eine für alle Mitgliedsstaaten verbindliche EU-Verordnung zu erarbeiten und dabei auch den „Datenschutz im Beschäftigungskontext“ zu regeln.

96 https://www.lda.bayern.de/media/veroeffentlichungen/FAQ_Bestellpflicht_von_DSB_wegen_staen diger_Beschaeftigung.pdf. 97 Vgl. Hullen/Krohm in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rz. 5. 98 Vgl. nur die Veröffentlichungsnachweise bei Stamer/Kuhnke in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 88 DSGVO, „Schrifttum“, vor Rz. 1, sowie § 26 BDSG, „Schrifttum“, vor Rz. 1.

990

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Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.130 Teil 15

Der „Datenschutz im Beschäftigungskontext“ findet sich nunmehr in Art. 88 DSGVO und der Erwägungsgrund 155 gibt Hinweise auf die Beweggründe sowie die Ziele des Verordnungsgebers. Art. 88 Abs. 1 DSGVO enthält außerdem eine Öffnungsklausel für die nationalen Gesetzgeber und nationalen Kollektivpartner:

15.126

„Die Mitgliedstaaten können durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext, insbesondere für Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, […] und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsehen.“ Der deutsche Gesetzgeber hat dies sodann in § 26 Abs. 1 BDSG aufgegriffen und formuliert:

15.127

„Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung […] erforderlich ist.“ Den „Beschäftigten“-Begriff sieht der Gesetzgeber als ganz umfassend an; „Beschäftigte“ sind nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sondern u.a. auch arbeitnehmerähnliche Personen (vgl. § 26 Abs. 8 BDSG). Die Verarbeitung „besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) wird in § 26 Abs. 3 BDSG grundsätzlich erlaubt, „wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist […].“

15.128

Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf also die personenbezogenen Daten ihrer Beschäftigten verarbeiten, nämlich

15.129

– Vor- und Nachname,99 – Wohnanschrift, – Telefonnummer und/oder E-Mail-Adresse (für Kontaktaufnahmen zwischen Verwalter und Arbeitnehmer, z.B. Hausmeister, für „normale“ Ansprachen sowie Notfallansprachen),100 – Soll- und Ist-Arbeitszeiten, Mehrarbeitsstunden und Urlaubszeiten sowie – alle für die Lohnabrechnung notwendigen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Daten (auch Krankheitsdaten, wenn es z.B. um Lohnfortzahlungsfragen oder Erstattungsfragen aufgrund der Umlagen U1 und U2101 geht).102 Eine besondere Zustimmung, wie sie in Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO vorgesehen ist, benötigt die Eigentümergemeinschaft für die Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten deshalb nicht.

99 Stammdaten: Stamer/Kuhnke in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 26 BDSG Rz. 55. 100 Vgl. Stamer/Kuhnke in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 26 BDSG Rz. 32. 101 Vgl. zu den Einzelheiten der Umlagen: Teil 17, Abschnitt „Sozialversicherungspflicht“ – „Umlagen U1 und U1“. 102 Stamer/Kuhnke in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 26 BDSG Rz. 58, 59 und 65.

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991

15.130

Teil 15 Rz. 15.131

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.131 Bei Arbeitnehmerdaten wird die Rechtsposition der Eigentümergemeinschaft, ohne Zustimmung eine Verarbeitung dieser Daten vorzunehmen, durch Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) DSGVO noch weiter abgesichert. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie „zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich [ist], der der Verantwortliche unterliegt“. Diese „rechtliche Verpflichtung“ muss sich aus einer Rechtsnorm des Unionsrechts oder des Rechts der jeweiligen nationalen Mitgliedsstaaten ergeben und der Verantwortliche muss dieser Rechtsgrundlage unterliegen. Außerdem muss der Zweck der Verarbeitung in dieser Rechtsnorm festgelegt sein.

15.132 Für die Rechtfertigung der Datenverarbeitung muss also ein (deutsches) Gesetz oder eine europäische Verordnung eine Datenverarbeitung vorschreiben. An dieser Stelle muss noch einmal an den in Art. 4 Nr. 2 DSGVO definierten umfassenden Begriff der „Verarbeitung“ erinnert werden: Die DSGVO bezeichnet „Verarbeitung“ als „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“.

15.133 Betrachtet man die deutsche Gesetzeslage, ist festzustellen, dass auch für Eigentümergemeinschaften relevante gesetzliche Vorgaben [im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstaben c)] existieren, die Dokumentationspflichten, Speicherpflichten und Aufbewahrungspflichten für Arbeitsverhältnisse festlegen: – § 28a SGB IV (Die Eigentümergemeinschaft hat als Arbeitgeberin eine umfassende Meldepflicht gegenüber der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge bzw. gegenüber der Minijobzentrale bei geringfügig beschäftigten Personen; die Gesetzesnorm regelt außerdem – und u.a. – die Pflicht zur Jahresmeldung bei der Unfallversicherung).103 – § 28f SGV IV (Die Eigentümergemeinschaft hat Aufzeichnungs- und Nachweispflichten für die Beitragsabrechnung und die Beitragszahlung – sie muss außerdem Entgeltunterlagen führen). – § 28f Abs. 1 Satz iVm § 28p SGB IV (Es besteht eine Aufbewahrungspflicht hinsichtlich der Entgeltunterlagen). – § 28o SGB IV (Der Arbeitnehmer hat gegenüber seiner Arbeitgeberin – Wohnungseigentümergemeinschaft – eine Auskunftspflicht hinsichtlich aller für das Meldeverfahren notwendigen Angaben, damit die Gemeinschaft die Daten erheben und ihrer Meldepflicht gem. § 28a SGB IV nachkommen kann).

103 Vgl. zur Meldepflicht auch die Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung – DEÜV), Bekanntmachung v. 23.1.2006 (BGBl. I S. 152), zuletzt geändert durch Art. 5 d. G. v. 18.12.2018 (BGBl. I S. 2651).

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Köhler

Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.136 Teil 15

– § 2 Abs. 3 und 4 AAG104 (Die Erstattungsansprüche der Eigentümergemeinschaft aus den Umlagen U1 – Entgeltfortzahlungskosten – und U2 – Mutterschutzkosten – können nur noch durch elektronische Datenübertragung geltend gemacht werden). – § 39e Abs. 4 Satz 2 EStG (Die Eigentümergemeinschaft muss als Arbeitgeberin bei Beginn des Arbeitsverhältnis beim Bundeszentralamt für Steuern die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale abrufen und diese in das zu führende Lohnkonto übernehmen). – § 39e Abs. 4 Satz 1 EStG (Zu dem vorstehenden Zweck muss der Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaft u.a. die Steueridentifikationsnummer und seinen Geburtstag nennen). – § 39e Abs. 4 Satz 5 EStG (Die Eigentümergemeinschaft muss dem Bundeszentralamt für Steuern unverzüglich – durch Datenfernübertragung – mitteilen, wenn das Dienstverhältnis endet). – § 41 Abs. 1 Satz 1 EStG (Die Eigentümergemeinschaft muss als Arbeitgeberin ein Lohnkonto führen, in dem die beim Bundeszentralamt für Steuern abgefragten steuerlichen Merkmale aufzunehmen sind – vgl. zum Inhalt des Lohnkontos auch § 4 LStDV).105 Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) in Verbindung mit Abs. 3 DSGVO sind, wie sich unmittelbar aus den zitierten Vorschriften ergibt, jeweils erfüllt. Die Eigentümergemeinschaft kann sich für die Verarbeitung von personenbezogenen Arbeitnehmerdaten deshalb nicht nur auf Art. 88 DSGVO, § 26 BDSG stützen, sondern auch auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO. Die in den deutschen Normen vorgegebenen Pflichten muss auch die Eigentümergemeinschaft erfüllen. Es bedarf also auch insoweit keiner gesonderten Zustimmung der Arbeitnehmer zur Verarbeitung ihrer Daten.

15.134

2. Die Voraussetzungen für Gemeinschaftszwecke Die personenbezogenen Daten der Eigentümer sind für die Verwaltung einer Eigentümergemeinschaft von essentieller Bedeutung – ohne diese Daten können keine Einladungen zu Eigentümerversammlungen versandt, keine Wirtschaftspläne und keine Jahresabrechnungen erstellt werden, usw.

15.135

Es muss deshalb auf den Katalog der allgemeinen Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 6 DSGVO zurückgegriffen werden. Aus dem Katalog des Art. 6 DSGVO muss lediglich eine Voraussetzung vorliegen, damit die Verarbeitung rechtmäßig ist. Bei der Betrachtung dieser Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen wird klar, dass der europäische Verordnungsgeber auch nicht ansatzweise an die besondere Situation von Wohnungseigentümergemeinschaften gedacht hat – und auch die deutsche Regierung und die deutschen EUParlamentarier haben versäumt, den europäischen Verordnungsgeber auf eine sinnvolle Regelung hinzuweisen und bei der Gestaltung der EU-Verordnung ihre Mitwirkungsrechte in dieser Hinsicht konstruktiv auszuüben. Allerdings: Von den Verwalter- und Immobilienverbänden wurden im Gesetzgebungsverfahren vor Erlass der DSGVO auch keine Lobbyarbeit oder Gestaltungsvorschläge bekannt. 104 Aufwendungsausgleichsgesetz (vgl. dazu das Stichwort „Umlagen U1 und U2“ an verschiedenen Stellen des arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Teils 17). 105 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung i. d. Fassung d. Bekanntmachung v. 10.10.1989 (BGBl. I S. 1848), zuletzt durch Artikel 4 d. G. v. 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338) geändert.

Köhler

993

15.136

Teil 15 Rz. 15.137

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.137 Die Rechtmäßigkeitsbedingungen des Art. 6 DSGVO sollen, soweit sie überhaupt für Eigentümergemeinschaften in Betracht kommen können, im Einzelnen darauf geprüft werden, ob sie geeignete Grundlagen für die spezifische Situation von Eigentümergemeinschaften, die notwendige Verwaltungstätigkeit und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Miteigentümer bieten können.

15.138 – Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO: Die Verarbeitung ist nach dieser Vorschrift rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Die Erwägungsgründe 32, 42 und 43 geben die Zielrichtung des europäischen Verordnungsgebers bei der Einwilligung zu erkennen. Niedergeschlagen haben sich die Absicht und der Wille des Verordnungsgebers in den Art. 4, 6 und 7 DSGVO.

15.139 In Art. 4 Nr. 11 DSGVO wird der Begriff Einwilligung etwas sperrig definiert: „‚Einwilligung‘ der betroffenen Person [ist] jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“.

15.140 Art. 7 DSGVO definiert weitere Bedingungen für eine Einwilligung: Der „Verantwortliche“ muss die Einwilligung nachweisen können (Abs. 1), es wird ein „Trennungs- und Transparenzgebot“ festgeschrieben (Abs. 2), der betroffenen Person wird ein Widerrufsrecht zugebilligt (Abs. 3) und es wird ein „Freiwilligkeitskriterium“ und ein „Koppelungsverbot“ beschrieben (Abs. 4).

15.141 Bei den einzelnen Eigentümern erscheint die Zustimmungsvariante bei Betrachtung dieser Normen nur theoretisch als Möglichkeit, die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der DSGVO zu gewährleisten. In schon bestehenden Eigentümergemeinschaften müsste aufgrund der (erst seit 25.5.2018 eingetretenen) Geltung der DSGVO die Einwilligung bei jedem einzelnen Eigentümer individuell und nachträglich eingeholt werden. Der Erfolg solcher Bemühungen dürfte sehr zweifelhaft sein und – im Hinblick auf eine erforderliche 100-%-Abdeckung – gegen Null tendieren, auch wenn die Einwilligungserklärung formfrei ist.106 Auf Anfragen und Bitten des Verwalters (im Namen der Eigentümergemeinschaft und mit der Begründung „Datenschutzrelevanz“) werden zahlreiche Miteigentümer gar nicht erst reagieren, weil sie sich überhaupt nicht um gemeinschaftliche Angelegenheiten kümmern (wollen), eine Einwilligung nicht für notwendig halten, die Notwendigkeit einer Einwilligung aus Laiensicht nicht erkennen oder eine solche Einwilligung auch nicht erteilen wollen. Informations- und Aufforderungsschreiben eines Verwalters mit dem Stichwort „Datenschutz“ löst bei vielen Laien wohl das Gefühl aus, „1984“ sei angebrochen und der imaginäre „Big Brother“ stehe in Gestalt des Verwalters vor der Wohnungstür. Die Befindlichkeit von Wohnungseigentümern ist ablesbar aus dem Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht für die Jahre 2017 und 2018 vom März 2019, in dem berichtet wurde, dass

106 Zur Formfreiheit vgl. Art. 7 Abs. 2 DSGVO und den daraus ableitbaren Umkehrschluss; siehe im Übrigen Art. 4 Nr. 11 DSGVO und Erwägungsgrund 32; Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 7 DSGVO Rz. 7.

994

Köhler

Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.145 Teil 15

sich mehrere Wohnungseigentümer über die Bekanntgabe aller Jahresabrechnungen an alle Eigentümer beschwert hätten.107 Für zukünftig entstehende Eigentümergemeinschaften könnten Notare in die jeweiligen Erwerbsverträge Einwilligungserklärungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Eigentümergemeinschaft aufnehmen. Das kann aber gegen das Freiwilligkeitskriterium des Art. 7 Abs. 4 DSGVO (iVm mit dem Erwägungsgrund 43) verstoßen, weil die Einwilligung als unmittelbare Bedingung für den Erwerb des Wohnungseigentums angesehen werden könnte.108

15.142

Das kann aber dahinstehen, denn für die Eigentümergemeinschaften und ihre Verwaltung resultiert das brisanteste Problem in diesem Zusammenhang aus Art. 7 Abs. 3 DSGVO. Die Einwilligungsvariante ist nach dieser Vorschrift zwingend mit einem Widerrufsrecht verbunden. Die von der Datenverarbeitung betroffenen Personen haben nämlich das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Mit dem Widerruf eines Wohnungseigentümers wäre die Verwaltung des Wohnungseigentums lahmgelegt, denn eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten (z.B. Abrechnungsdaten) wäre für die Zukunft und für alle Wohnungseigentümer nicht mehr möglich. Die Einwilligungs-Variante des Art. 6 DSGVO ist also für Wohnungseigentümergemeinschaft keine sinnvolle und auf Dauer praktikable Möglichkeit.

15.143

– Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO: Die Datenverarbeitung ist rechtmäßig, wenn sie „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, […] erforderlich“ ist.

15.144

Um diese Rechtmäßigkeitsbedingung für die Wohnungseigentümergemeinschaft und ihre Verwaltung fruchtbar machen zu können, müssen drei Kriterien erfüllt sein. Es muss sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten um (1) eine Vertragserfüllung handeln, (2) die einzelnen Miteigentümer müssen Vertragspartei sein, und (3) die Verarbeitung der Daten muss erforderlich sein. Vertragserfüllung: Es wird in der datenschutzrechtlichen Literatur zu Recht vertreten, dass „Vertrag“ jedes Schuldverhältnis sein kann,109 und auch Satzungszwecke können „Vertragszwecke“ sein.110 Bei den Eigentümergemeinschaften bestimmen – neben dem Wohnungseigentumsgesetz – die Gemeinschaftsordnungen darüber, welche Rechte und Pflichten die einzelnen Eigentümer gegenüber dem Verband haben – z.B. Zahlungsverpflichtungen oder Instandhaltungspflichten. Umgekehrt schreiben die Gemeinschaftsordnungen vor, dass Abrechnungen über die Lasten und Kosten zu erfolgen haben, dass Instandhaltungsrücklagen anzusammeln sind, dass Versicherungen abgeschlossen werden müssen, dass Eigentümerversammlungen abzuhalten sind usw.

107 https://www.lda.bayern.de/media/baylda_report_08.pdf (Seite 105). 108 Vgl. zur „Freiwilligkeit“ allgemein: Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 7 DSGVO Rz. 28 ff.; Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Auflage 2018, Art. 7 DSGVO Rz. 18 ff. 109 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rz. 11. 110 Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Auflage 2018, Art. 6 DSGVO Rz. 13.

Köhler

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15.145

Teil 15 Rz. 15.145

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Ohne die Erfüllung dieser gegenseitigen Pflichten, die ihre Grundlage in den Gemeinschaftsordnungen (und dem WEG) finden, ist eine Eigentümergemeinschaft nicht funktions- und lebensfähig. Gemeinschaftsordnungen (synonyme Begriffe: „Satzung“, „Statut“ oder „Vereinbarung“)111 werden regelmäßig im Zusammenhang mit einer vertraglichen Aufteilung (§ 3 WEG) oder einer einseitigen Aufteilung (§ 8 WEG) geschaffen. In beiden Fällen kann man die Gemeinschaftsordnung wohnungseigentumsrechtlich als einen mehrseitigen schuldrechtlichen Vertrag unter den Wohnungseigentümern ansehen.112 Die Gemeinschaftsordnung muss deshalb auch als „Vertrag“ im Sinne der DSGVO betrachtet und anerkannt werden.

15.146 Vertragspartner: Die einzelnen Eigentümer sind – wie sich schon aus der vorhergehenden Erörterung schließen lässt, „Vertragspartner“ des mehrseitigen schuldrechtlichen Vertrages. Sie sind zwingend an die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung gebunden und ihre Rechte und Pflichten – und die Rechte und Pflichten des Verbandes (sowie die daraus abgeleiteten Rechte und Pflichten des Verwalters) – bestimmen sich nach dieser Gemeinschaftsordnung. Die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung: Ohne eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten aller Wohnungseigentümer ist die Wohnungseigentümergemeinschaft – wie schon oben erwähnt – nicht funktions- und lebensfähig. Die Verarbeitung der Daten für Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen usw. ist zwingend. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Eigentümergemeinschaft ist demnach aufgrund des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO gegeben. Einer gesonderten Einwilligung (im deutschen Sinne „Zustimmung“) bedarf es deshalb für die Datenverarbeitung nicht.

15.147 – Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO: Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn sie „zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich [ist], der der Verantwortliche unterliegt“. Diese Vorschrift ist bereits – siehe Rz. 15.131 ff. – im Zusammenhang mit den Arbeitsverhältnissen der Eigentümergemeinschaft angesprochen worden. Auf die Begriffe der „rechtliche Verpflichtung“ und der „Verarbeitung“ kann deshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Für Arbeitsrechtsverhältnisse ist erläutert worden, dass aufgrund der deutschen Gesetzeslage eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten erforderlich und von der hier zu erörternden europäischen Norm abgesichert ist.

15.148 Für die Verarbeitung personenbezogener Daten der einzelnen Wohnungseigentümer zu Verwaltungszwecken der Eigentümergemeinschaften finden sich nur vereinzelt Vorschriften, die eine Datenverarbeitung aufgrund der Erlaubnisnorm des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) in Verbindung mit Abs. 3 DSGVO abdecken können. Diese Vorschriften sind: – Führung eines Versammlungsprotokolls und Bereitstellung zur Einsicht, § 24 Abs. 6 Satz 3 WEG. 111 Siehe Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rn 83. 112 Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rz. 66; Grziwotz in Jennißen, § 5 Rz. 36: „Gemeinschaftsregeln haben prinzipiell schuldrechtlichen Charakter“; Kreutzer in Staudinger (2018), § 10 WEG Rz. 206: Die Eintragung (im Grundbuch) ändert „nicht die Qualität der Gemeinschaftsordnung als – änderbarer – Vertrag“.

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Die Voraussetzungen der Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.151 Teil 15

Das Protokoll kann auch personenbezogene Daten enthalten, z.B. Redebeiträge einzelner Eigentümer pp. Als Unterbegriffe zur „Verarbeitung“ im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO sind einschlägig: Erfassen, Speicherung, Verwendung, Offenlegung durch Übermittlung oder „andere Form“ der Bereitstellung. – Führung einer Beschluss-Sammlung und Bereitstellung zur Einsicht, § 24 Abs. 7 Satz 1 und § 24 Abs. 7 Satz 8 WEG. „Verarbeitung“: vgl. die Erläuterungen zum vorhergehenden Spiegelstrich. – Informationen über Rechtsstreite nach § 43 WEG aufgrund § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG. „Verarbeitung“: Offenlegung durch Übermittlung. – Aufstellung eines Wirtschaftsplanes und einer Jahresabrechnung, § 28 Abs. 1 und Abs. 3 WEG. „Verarbeitung“: Erheben, Erfassen, Ordnen, Speicherung, Verwendung, Abgleich, Verknüpfung. – Prüfung von Wirtschaftsplan und Rechnungslegung durch den Verwaltungsbeirat und dessen Stellungnahme, § 29 Abs. 3 WEG. Die dabei zu prüfenden Unterlagen enthalten regelmäßig personenbezogene Daten der einzelnen Eigentümer. „Verarbeitung“: Verwendung, Offenlegung durch eine andere Form der Bereitstellung. – Namentliche Bezeichnung des Ersatzzustellungsvertreters und der Wohnungseigentümer bei Klageverfahren, § 44 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG. „Verarbeitung“: Erheben, Erfassen, Speicherung, Verwendung und Offenlegung. Wie die vorstehende Aufzählung ausweist, tritt als Rechtsmäßigkeitsgrundlage für das „normale“ wohnungseigentumsrechtliche Rechtsverhältnis und für die Verarbeitungszwecke der Wohnungseigentümergemeinschaft partiell Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) in Verbindung mit Abs. 3 DSGVO neben die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b).

15.149

– Art. 6 Abs. 1 Buchstaben d) und e) DSGVO sind für Eigentümergemeinschaften nicht relevant.

15.150

– Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f) DSGVO: Danach ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“.

15.151

Diese Variante könnte – jedenfalls vom Grundtatbestand aus betrachtet – für die Verhältnisse in Wohnungseigentümergemeinschaften einschlägig sein. Eine Eigentümergemeinschaft hat ein „berechtigtes Interesse“ an der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ihrer Eigentümer und ihrer Arbeitnehmer. Allerdings sind gegen das Interesse der Gemeinschaft die gegenläufigen Interessen (Grundrechte und Grundfreiheiten) der von der Datenverarbeitung betroffenen Personen abzuwägen – erst aufgrund dieser Abwägung kann dann festgestellt werden, welche Interessen überwiegen.

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Teil 15 Rz. 15.151

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Ich gehe zwar davon aus, dass die Verarbeitungs-Interessen der Eigentümergemeinschaft gegenüber den Interessen der Miteigentümer und Arbeitnehmer stets überwiegen, aber es erscheint müßig und überflüssig, sich auf einen Abwägungsprozess einzulassen, wenn bereits eine oder teilweise mehrere andere Fallvarianten eingreifen. 3. Datenverarbeitungsvoraussetzungen – Die Ergebnisse

15.152 Als Ergebnisse der hier vorgenommenen Überlegungen sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zur Datenverarbeitung personenbezogener Daten für Arbeitsverhältnisse in Art. 88 DSGVO, § 26 BDSG und in Art. 6 Abs. Buchstabe c) DSGVO (in Verbindung mit den gemäß Art. 6 Abs. 3 DSGVO in deutschen gesetzlichen Normen enthaltenen Pflichten eines Arbeitgebers) zu finden.

15.153 Für das Verwaltungsverhältnis zwischen Verband und den Wohnungseigentümern findet dagegen Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO in einem beschränkten Umfang Anwendung. Die Datenverarbeitung für Gemeinschaftszwecke kann aber umfänglich auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO gestützt werden.

15.154 Überall dort, wo die hier genannten Vorschriften eine Rechtmäßigkeitsgrundlage bilden, benötigt die Eigentümergemeinschaft keine gesonderte Einwilligung der von der Datenverarbeitung betroffenen Personen.

IX. Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten 15.155 Nachdem die Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen geklärt worden sind, muss die Frage geklärt werden, welche Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten bestehen und in wie weit diese Grundsätze auf die Datenverarbeitung bei der Verwaltung von Wohnungseigentum einwirken.

15.156 Der europäische Verordnungsgeber hat die Datenverarbeitungsgrundsätze in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a) bis f) DSGVO festgelegt, ergänzend kann der Erwägungsgrund 39 herangezogen werden. Um die Kriterien der Datenverarbeitung und die Behandlung der personenbezogenen Daten bei dieser Verarbeitung zu beschreiben, verwendet der europäische Verordnungsgeber durchaus einprägsame Schlagworte:113 (a) Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz; (b) Zweckbindung; (c) Datenminimierung; (d) Richtigkeit; (e) Speicherbegrenzung; (f) Integrität und Vertraulichkeit.

15.157 Zusätzlich ist als weiteres Schlagwort die Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen zu beachten (Art. 5 Abs. 2 DSGVO).

113 Vgl. auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 298.

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Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.162 Teil 15

1. Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz Die „Rechtmäßigkeit“ der Verarbeitung personenbezogener Daten wurde bereits oben beschrieben und die möglichen Rechtsgrundlagen für Eigentümergemeinschaften untersucht.

15.158

Es wurde erläutert, dass die „Einwilligung“ betroffener Personen grundsätzlich keine geeignete Praxis-Grundlage für die Datenverarbeitung durch Eigentümergemeinschaften darstellen kann. Allerdings ist eine Einwilligung erforderlich, wenn die Datenverarbeitung über die im Nachfolgenden zu erörternden Grundsätze hinausgeht. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ergibt sich bei einer Eigentümergemeinschaft nämlich nur aus den zuvor beschriebenen Vorschriften der DSGVO, wenn die Verarbeitung ausschließlich (berechtigten) Zwecken der gemeinschaftlichen Verwaltung dient. Der Begriff „Treu und Glauben“ ist an dem in der englischen Fassung verwendeten „Fairness“ zu messen114 und darf keinesfalls nach der im deutschen Recht verwendeten Begrifflichkeit ausgelegt werden.115 Europäische Rechtsbegriffe sind – wie schon mehrfach erwähnt – autonom nach europarechtlichen Grundsätzen auszulegen. Angenommen wird, dass das Kriterium „Fairness“ (isoliert betrachtet) keine reale Bedeutung hat, denn eine „vordergründige Billigkeitserwägung“ aufgrund dieses Begriffes rechtfertige sich nicht.116 Schantz meint, „Treu und Glauben“ sei als Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der betroffenen Personen zu verstehen.117

15.159

„Transparenzgebot“ bedeutet, dass den von der Datenverarbeitung betroffenen Personen ein „grundsätzliches Verständnis“ darüber vermittelt werden muss, wie, durch wen und für welche Zwecke ihre Daten verarbeitet werden.118

15.160

Die Eigentümergemeinschaft – vertreten durch den Verwalter – hat demnach die von einer Datenverarbeitung betroffenen Personen – Wohnungseigentümer und Arbeitnehmer – darüber zu informieren, welche Daten wie und für welche Zwecke verarbeitet werden.

15.161

2. Zweckbindung Personenbezogene Daten müssen für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden.

114 Art. 5 Abs. 1 a): Personal data shall be processed lawfully, fairly and in a transparent manner in relation to the data subject (‚lawfulness, fairness and transparency‘); https://eur-lex.euro pa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0679&from=DE. 115 Vgl. dazu auch Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 18 ff., der auch auf die Formulierungen in anderen Sprachen verweist. 116 Vgl. Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 20; siehe auch Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 4. 117 BeckOK DatenschutzR/Schantz, 28. Ed. 1.2.2019, DSGVO Art. 5 Rz. 8. 118 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 5; etwas weniger klar Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 21; Schantz in vgl. auch BeckOK DatenschutzR, 28. Ed. 1.2.2019, DSGVO Art. 5 Rz. 10 f.

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15.162

Teil 15 Rz. 15.163

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.163 Für Wohnungseigentümergemeinschaften und ihre Verwaltung versteht es sich von selbst, dass Daten von Wohnungseigentümern nur für die unmittelbaren Verwaltungszwecke verwendet werden. Die bereits (in Rz. 15.56 f) beschriebenen Daten dürfen nur verwendet werden, um z.B. Wirtschaftspläne oder Jahresabrechnungen zu erstellen, Einladungen zu Eigentümerversammlungen auszusprechen, usw. Eine Weiterverarbeitung der Daten (z.B. durch Übermittlung an Dritte für Werbezwecke) ist – aufgrund des zwischen der Eigentümergemeinschaft/Verwalter und den einzelnen Eigentümern bestehenden wohnungseigentumsrechtlichen Treueverhältnisses – schon bisher und ohne Anwendung der DSGVO keinesfalls zulässig gewesen. 3. Datenminimierung

15.164 Das Schlagwort „Datenminimierung“ der DSGVO bedeutet, dass personenbezogene Daten „dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein“ [müssen]. Das für Wohnungseigentümergemeinschaften und ihre Verwaltung entscheidende Kriterium ist die Beschränkung der Daten auf das „notwendige Maß“. Auch dieses Kriterium kann für die wohnungseigentumsrechtlichen Beziehungen als selbstverständlich angesehen werden. Keine Eigentümergemeinschaft und kein vernünftig handelnder Verwalter wird Interesse daran haben, unnötige Daten zu verarbeiten (zu erheben, zu speichern, pp) und damit die meist schon programmtechnisch beschränkten Datenverarbeitungsressourcen zu überlasten. Für das Wohnungseigentum muss gelten: Daten, die nicht unbedingt für die ordnungsmäßige Verwaltung der Gemeinschaft benötigt werden, sind überflüssig und eine Verarbeitung solcher Daten ist damit unzulässig. 4. Richtigkeit

15.165 Die DSGVO spricht bei dem Stichwort „Richtigkeit“ davon, die personenbezogenen Daten müssten sachlich richtig und „erforderlichenfalls“ auf dem neuesten Stand sein. Von dem Verantwortlichen sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden.

15.166 Deutlich wird, dass personenbezogene Daten schon grundsätzlich richtig sein müssen und auch kontrolliert, unrichtige Daten berichtigt oder gelöscht werden müssen. Die Frage ist, was „unverzüglich“ und was in diesem Zusammenhang „erforderlichenfalls“ bedeutet.

15.167 „Unverzüglich“ wird in deutschen Datenschutzrechtskommentaren an dem deutschen Begriff gemessen und mit „ohne schuldhaftes Zögern“ definiert.119 Hier muss noch einmal an die autonome Auslegung europäischer Rechtsbegriffe erinnert werden, so dass der deutschen Begrifflichkeit – wenn überhaupt – nur mit Vorsicht gefolgt werden sollte. In der DSGVO wird an einer Vielzahl von Stellen der Begriff „unverzüglich“ verwendet, so z.B. in Art. 12 Abs. 3 („unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats“) oder in Art. 33 Abs. 1 („unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden“). Zu Art. 33 Abs. 1 hat der Verordnungsgeber – 119 Vgl. z.B. Grages in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 33 DSGVO Rz. 4; Frenzel in Paal/ Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 41.

1000

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Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten

Rz. 15.171 Teil 15

und dies sollte im Auge behalten werden – den Europäischen Datenschutzausschuss mit der Aufgabe betraut, Leitlinien und Empfehlungen zur Festlegung des Begriffs „unverzüglich“ zu schaffen, Art. 70 Abs. 1 Buchstabe g) DSGVO. Nur vorläufig – bis der Europäische Datenschutzausschutz neue Erkenntnisse offenbart – wird man von dem deutschen Begriff der „Unverzüglichkeit“ ausgehen können. Die Meinungen zu dem (einschränkenden) Merkmal „erforderlichenfalls“ differieren in der datenschutzrechtlichen Literatur. Während Plath eine eher weniger strenge Richtigkeitskontrolle vertritt und meint, die Formulierung „erforderlichenfalls“ verhindere eine „uferlose Nachforschungspflicht“,120 ist Frenzel der Auffassung, die Formulierung in der Verordnung erfordere eine Erfassung und Wertung der konkreten Umstände, was „unterschiedlich zeitaufwendig sein“ könne.121

15.168

Für die Praxis im Wohnungseigentum sollte von der strengsten Auslegung ausgegangen werden und fehlerhafte Daten ohne schuldhaftes Zögern berichtigt oder gelöscht werden. Es ist nicht empfehlenswert, wenn das Ausführungsorgan der Gemeinschaft, der Verwalter, sich selbst eine weniger strenge Auslegung der europäischen Vorgaben zubilligt.

15.169

Das gilt insbesondere für personenbezogene Daten (Namen und Anschriften), die in Miteigentümerlisten, oder als Adressierungen in Wirtschaftsplan- bzw. Abrechnungsunterlagen, Einladungen zu Eigentümerversammlung, Anwesenheitslisten usw. verwendet werden. Das Richtigkeitserfordernis des Art. 5 DSGVO verlangt, dass der Verwalter – jedenfalls vor einer Erstellung, Weiter- oder Herausgabe von Unterlagen – diese Daten auf Unrichtigkeiten und vorzunehmende notwendige Änderungen prüft. Dazu wird dem Verwalter nichts anderes übrig bleiben, beim Grundbuchamt Einsicht in alle Grundbücher zu nehmen.122 Für neubestellte Verwalter ist eine (Erst-)Kontrolle der eingetragenen Eigentümer und der Miteigentumsanteile besonders wichtig, denn Listen und Unterlagen von ausgeschiedenen Verwaltern sind mitunter grob fehlerhaft. Die Erst-Kontrolle nach einer Verwalterbestellung muss sich auch auf die für Abrechnungen, Wirtschaftspläne und Stimmrechte wichtigen Daten (Miteigentumsanteile und anderes) beziehen (vgl. hierzu die Einzelheiten in Teil 2).

15.170

5. Speicherbegrenzung „Speicherbegrenzung“ im europäischen Datenschutz-Sinn bedeutet, dass personenbezogene Daten nur in einer Form gespeichert werden dürfen, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist. 120 Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 13. 121 Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 40; keine konkrete Aussage zum Begriff: Schantz in BeckOK DatenschutzR, 28. Ed. 1.2.2019, DSGVO Art. 5 Rz. 27 ff. 122 Viele Grundbuchämter geben auch Grundbuch-Bestandsblätter heraus (kostenfrei – aber ohne Gewähr, dass der Inhalt der Bestandsblätter mit den tatsächlichen Grundbucheintragungen übereinstimmt). Aus diesen Bestandsblättern können die Grundbuchnummern, die Gemarkung, Flur und Flurstück, Lage und Größe des Grundstücks, die Eigentümer und deren dem Grundbuchamt bekannten Anschriften (die aber in der Regel nicht aktuell sind) entnommen werden.

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1001

15.171

Teil 15 Rz. 15.172

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.172 Solange die Eigentümergemeinschaft besteht und die einzelnen von der Datenverarbeitung betroffenen Personen Miteigentümer der Gemeinschaft sind, erfordert der Zweck „Verwaltung des Wohnungseigentums“ auch die dauerhafte Speicherung von personenbezogenen Daten.

15.173 Sobald aber der Verwaltungszweck weggefallen ist und die personenbezogenen Daten für die Verwaltungstätigkeit nicht mehr erforderlich sind, müssen die Daten gelöscht werden. Scheidet also ein Eigentümer aus der Gemeinschaft aus, dürfen seine Daten auch nur noch begrenzte Zeit gespeichert bleiben – solange sie z.B. für die Abwicklung von (gegenseitigen) Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit Zahlungsrückständen oder Zahlungsforderungen des ausgeschiedenen Eigentümers notwendig sind.

15.174 M.E. kann die Eigentümergemeinschaft deshalb Daten solange gespeichert lassen, bis die Verjährung von (gegenseitigen) Ansprüchen eingetreten ist – u.U. und im Einzelfall auch solange, wie die Daten für eine ordnungsmäßige Verwaltung benötigt werden (Einzelfallbetrachtung).

15.175 Zur Klarstellung: Eine Verwendung von personenbezogenen Daten ausgeschiedener Personen steht gleichwohl unter dem Vorbehalt der „Richtigkeit“. Die Berechtigung zur weiteren Speicherung entschuldigt nicht die Verwendung veralteter Daten. Tauchen solche Daten in Eigentümerlisten, Einladungen, Jahresabrechnung pp auf, verstößt das gegen die DSGVO. 6. Integrität und Vertraulichkeit

15.176 Die Begriffe „Integrität und Vertraulichkeit“ wird man für die europäische Rechtsnorm so ähnlich auslegen können, wie das Bundesverfassungsgericht es in seiner Entscheidung vom 27.2.2008, betreffend das Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Fassung v. 20.12.2006) getan hat.123 Das Bundesverfassungsgericht führte dort aus, dass vom Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme das Interesse geschützt ist, dass die verarbeiteten und gespeicherten Daten vertraulich bleiben. Ein Eingriff in das Grundrecht sei anzunehmen, „wenn die Integrität des geschützten informationstechnischen Systems angetastet wird, indem auf das System so zugegriffen wird, dass dessen Leistungen, Funktionen und Speicherinhalte durch Dritte genutzt werden können“. Eine abweichende europarechtliche Auslegung oder Begriffsdefinition ist nicht existent.

15.177 Europarechtlich trifft aufgrund des Art. 5 DSGVO den Verantwortlichen für die Datenverarbeitung (hier die Eigentümergemeinschaft) die Schutzpflicht eines Garanten zur Abwehr von Gefahren für die verarbeiteten Daten; der Verantwortliche muss Maßnahmen gegen die Verarbeitung von Daten durch Dritte und gegen mögliche Schadensereignisse ergreifen.124

15.178 Die Eigentümergemeinschaft muss also dafür sorgen, dass ihr Auftragsverarbeiter (der Verwalter) alle Schutzmaßnahmen ergreift, damit Daten nicht durch unbefugte Dritte „verarbeitet“, insbesondere verändert, in sonstiger Weise genutzt oder „gestohlen“ werden – und die Eigentümergemeinschaft muss diese Schutzmaßnahmen auch prüfen. Dass die personenbezogenen Daten sowohl von der Eigentümergemeinschaft als auch vom Verwalter vertrau123 BVerfG, Urt. v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 = CR 2008, 306 = ITBR 2008, 75 = NJW 2008, 822. 124 Frenzel in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 5 DSGVO Rz. 47; Schantz in BeckOK DatenschutzR, 28. Ed. 1.2.2019, DSGVO Art. 5 Rz. 35 f.

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Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten

Rz. 15.182 Teil 15

lich behandelt werden müssen, dürfte – auch nach den bisher schon für Wohnungseigentümergemeinschaften geltenden Grundsätzen – selbstverständlich sein. 7. Rechenschaftspflicht, Art. 5 Abs. 2 DSGVO Aus Art. 5 Abs. 2 DSGVO ergibt sich die Verantwortung für die Einhaltung der beschriebenen Grundsätze und eine Rechenschaftspflicht.

15.179

Hier wird der „Verantwortliche“ angesprochen – im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum ist das, wie mehrfach betont, die Eigentümergemeinschaft, die durch ihr Ausführungs-Organ Verwalter handelt. Sie muss gegenüber den Datenschutz-Behörden den Nachweis führen, dass die Grundsätze eingehalten worden sind und sie trägt auch gegenüber den einzelnen Eigentümern die Verantwortung.

X. Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten Die „Verarbeitung“ gemäß der Begriffsbestimmung des Art. 4 Nr. 2 DSGVO umfasst jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang, der im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten steht. Es ist deshalb sinnvoll, sich die wichtigsten einzelnen Vorgänge und personenbezogenen Daten anzuschauen, die bei der Verarbeitung durch die Eigentümergemeinschaft anfallen, nämlich die Speicherung, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung sowie Bereitstellung, und zu klären, wie mit den Daten – die grundsätzlich verarbeitet werden dürfen – umgegangen werden darf.

15.180

1. Die Bereitstellung von Objektunterlagen per Download Viele Verwalter bieten für die von ihnen verwalteten Eigentümergemeinschaften einen besonderen Service an – den Download von Objektunterlagen über das Internet.

15.181

Das ist sicher ein sinnvolles und unproblematisches Angebot, wenn es sich um Unterlagen handelt – wie die Hausordnung, den Energieausweis für das Gebäude oder die Versicherungsverträge –, die regelmäßig keine personenbezogenen Daten enthalten. Die Frage ist jedoch, ob es problematisch sein kann, wenn auch auf Unterlagen zugegriffen werden kann, die personenbezogene Daten enthalten, wie z.B. bei der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung,125 dem Teilungsvertrag (§ 3 WEG),126 bei Miteigentümerlisten, Versammlungsprotokollen, Anwesenheitslisten, Vertretungsvollmachten, Jahresabrechnungen, Wirtschaftsplänen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Eigentümer einerseits einen grundsätzlichen Anspruch darauf haben, in die der Gemeinschaft gehörenden Verwaltungsunterlagen Einblick zu nehmen (was sich auch auf die Abrechnungsunterlagen und Wirtschaftspläne ande125 Die TE/GO können die personenbezogenen Daten der aufteilenden natürlichen Person enthalten; nur solche werden vom Schutzbereich der DSGVO erfasst. Gewerbliche Unternehmen, die die TE/GO errichten und deren personenbezogene Daten dort auftauchen, sind nicht vom Schutzbereich der DSGVO erfasst, vgl. Art. 1 Abs. 1 DSGVO. 126 Der Teilungsvertrag nach § 3 WEG enthält die persönlichen Daten der Vertragsparteien.

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15.182

Teil 15 Rz. 15.182

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

rer Eigentümer bezieht),127 und von den Verwaltungsunterlagen im notwendigen Umfang auch Kopien zu fertigen; andererseits haben die Wohnungseigentümer auch einen Anspruch auf Herausgabe einer Miteigentümerliste128 und einer Kopie des Gebäudeversicherungsvertrages (oder zumindest Angaben über Versicherer, Versicherungsnummer und Kontaktadresse).129 Betrachtet man diese Rechte, kann eine Bereitstellung der genannten Unterlagen zum Download kein datenschutzrechtliches Problem darstellen.

15.183 Hinsichtlich aller Unterlagen ist – selbstverständlich – sicherzustellen, dass der Zugriff durch gemeinschaftsfremde Dritte verhindert wird, soweit sie nicht aufgrund vertraglicher Beziehungen darauf zugreifen müssen (z.B. Rechtsanwälte bei Hausgeldklagen o.ä.), vgl. dazu auch Art. 32 DSGVO. Das bedeutet auch, dass für den Zugriff auf den Internet-Servicedienst keine „einfachen“ Passwörter verwendet werden dürfen (wie „12345678“), sondern nur Passwörter vergeben und zur Anmeldung zugelassen werden, die möglichst sicher sind, also mindestens 8 Stellen und sowohl Großbuchstaben, Ziffern und Sonderzeichen enthalten. Dass der Speicherort (Server des Verwalters) auch im Übrigen sicher zu sein hat (geschützt durch „Firewall“ und andere Funktionen eines Sicherheitskonzepts) – und die Gemeinschaft sich davon überzeugen muss – dürfte klar sein. 2. Personenbezogene Daten bei einzelnen Verwaltungsangelegenheiten

15.184 In Rz. 15.56 sind die in einer Eigentümergemeinschaft anfallenden personenbezogenen Daten bereits aufgelistet worden. Gespeichert und verwendet werden diese Daten zulässiger Weise für verschiedene gemeinschaftliche Verwaltungsangelegenheiten. a) Jahresabrechnungen/Wirtschaftspläne

15.185 Für die ordnungsgemäße Erstellung von Jahresabrechnungen/Wirtschaftsplänen wird eine Vielzahl von personenbezogenen Daten benötigt. Diese Daten dürfen verarbeitet werden: – Vor und Nachname, – Wohnanschrift, – Kontoverbindung (für SEPA-Basislastschriften)130, – Erwerbs- und Veräußerungsdatum (Eintragung in Abt. I des Grundbuches), 127 LG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2012 – 25 S 8/12, ZMR 2012, 850; OLG München, Beschl. v. 9.3.2007 – 32 Wx 177/06, MDR 2007, 769 = WuM 2007, 215 = NJW-RR 2007, 1516; LG Karlsruhe, Urt. v. 17.2.2009 – 11 S 13/07, ZWE 2009, 325 (nur LS); KG, Beschl. v. 22.12.1986 – 24 W 5516/86, NJW-RR 1987, 462, 463; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.4.1976 – 3 W 8/76, MDR 1976, 758; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.12.1971 – 20 W 155/71, NJW 1972, 1376; Staudinger/Häublein (2018), § 28 Rz. 327; Becker in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 28 Rz. 157. 128 BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 266/16, MDR 2018, 919 = NZM 2018, 685 = WuM 2018, 591; Schreiner, Die Vorlage einer Eigentümerliste bei Gericht, NZM 2011, 761; Drasdo, Pflicht des Verwalters zur Herausgabe einer aktuellen Miteigentümerliste, NZM 2009, 742. 129 Vgl. zu den Rechten der einzelnen Miteigentümer bei der Gebäudeversicherung den Teil 18 (Versicherungsfragen), insbesondere Rz. 18.224 ff. 130 „Lastschriftverfahren“.

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Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten

Rz. 15.187 Teil 15

– Status-Angaben „werdender Wohnungseigentümer“ (Datum des Erwerbsvertrags, Eintragungsdatum einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch, Datum Besitzerlangung durch Übergabe),131 – Bezeichnung der im Eigentum stehenden Wohnung lt. Teilungserklärung, – Bezeichnung zugehöriger Tiefgaragenplätze/Parkplätze/Einstellflächen lt. Teilungserklärung, – Bezeichnung der dem Eigentümer zugeordneten Sondernutzungsflächen lt. Gemeinschaftsordnung, wenn für diese gesonderte Kosten anfallen, – Kosten-Verteilungsschlüssel (Miteigentumsanteile, qm usw.), – Personenzahl, die für die Abrechnung des Sondereigentums anzusetzen ist, – Verbrauchsdaten (Heizungsverbrauch, Kalt- und Warmwasserverbrauch), – tatsächlich gezahlte Hausgeldvorschüsse, Beiträge zur Instandhaltungsrücklage, Sonderumlagen, – nachrichtlich: – Sollbeträge aus Hausgeldvorschuss-Verpflichtungen – Sollbeträge aus Beiträgen zur Instandhaltungsrücklage – Sollbeträge aus Sonderumlagen-Beschlüssen, – Zahlungsrückstände Alle in den vorstehenden Spiegelstrichen genannten Einzeldaten gehören entweder zwingend oder doch sinnvoller Weise zu den Daten, die für eine wohnungseigentumsrechtliche Abrechnung benötigt werden. Sie sind zu verarbeiten und können auch von allen Wohnungseigentümern abgefragt werden. Diese Informationen können auch allen Wohnungseigentümern zur Kenntnis gebracht werden. Datenschutzbehörden der Länder haben sich bereits mit datenschutzrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum beschäftigt. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht erwähnt z.B. in seinem Tätigkeitsbericht 2017/2018, in mehreren Fällen hätten sich Wohnungseigentümer darüber beschwert, dass der Verwalter im Rahmen der Jahresabrechnung allen Eigentümern die sie betreffende Einzelabrechnung zur Kenntnis gegeben habe.

15.186

Das Bayerische Landesamt hat diese Beschwerden zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Beschwerden auf einem nicht zutreffenden Verständnis der Rechte und Pflichten in einer Eigentümergemeinschaft beruhten. Da die Eigentümer diejenigen seien, die über die Jahresabrechnung beschließen, müsste ihnen der Verwalter als Beschlussvorlage neben der Gesamtabrechnung auch die Einzelabrechnungen als Beschlussgegenstand vorlegen, weil sie andernfalls über etwas beschließen, was ihnen nicht bekannt ist. Es liege mithin in der rechtlichen Konstruktion der Eigentümergemeinschaft begründet, dass jeder Eigentümer über alle

15.187

131 Vgl. zur werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rz. 10 ff.

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Teil 15 Rz. 15.187

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Einzelabrechnungen informiert werden müsse. Dies umfasse auch die Information über das Abrechnungssaldo, welches auf das einzelne Wohnungseigentum entfällt.132 Diesen Ausführungen des Bayerischen Landesamts kann vollumfänglich zugestimmt werden. Es kann hier dahinstehen, ob der Verwalter verpflichtet ist, alle Einzelabrechnungen an alle Eigentümer zu verteilen,133 der Verwalter – der auch insoweit für die und im Interesse der Eigentümergemeinschaft handelt – darf dies jedenfalls aus datenschutzrechtlicher Sicht.

15.188 Auch im Tätigkeitsbericht für 2015/2016 beschäftigte sich das Bayerische Landesamt schon mit einer ähnlichen Frage, nämlich damit, ob der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft datenschutzrechtlich berechtigt ist, allen Eigentümern vor einer Eigentümerversammlung eine „Saldenliste“ zuzuschicken, die den Stand der Hausgeldzahlungen der einzelnen Eigentümer und somit auch deren etwaige Rückstände bei den Hausgeldzahlungen aufführt. Das Landesamt stellte eine wohnungseigentumsrechtliche Pflicht fest, in der zur Beschlussfassung vorzulegenden Jahresabrechnung den Stand der Hausgeldzahlungen der einzelnen Eigentümer auszuweisen. Aufgrund dieser wohnungseigentumsrechtlichen Notwendigkeit sei die Versendung einer „Saldenliste“ auch datenschutzrechtlich zulässig.134

15.189 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.10.2017 ändert an den wohnungseigentumsrechtlichen Grundlagen m.E. nichts.135 Eine „Saldenliste“ hat der BGH nicht als notwendigen Bestandteil einer Jahresabrechnung angesehen, weshalb es für die Ordnungsmäßigkeit einer Beschlussfassung über die Jahresabrechnung nicht schädlich ist, wenn der Verwalter eine solche nicht vor der Versammlung versandt hat. Die Jahresabrechnung sei, so der BGH, als reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung zu führen, weshalb für den Wohnungseigentümer ohne weiteres erkennbar sei, ob die Hausgeldzahlungen die angefallenen Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums decken. Sei eine Differenz entstanden, könne der Eigentümer „bei dem Verwalter nachfragen, ob diese darauf beruht, dass die anderen Wohnungseigentümer ihre Beiträge nach Maßgabe des beschlossenen Wirtschaftsplans im Abrechnungsjahr nicht gezahlt haben“. Es bleibt also dabei, dass der Verwalter für die Eigentümergemeinschaft eine Rechenschaftspflicht bezüglich der Zahlungen der einzelnen Eigentümer hat. Besteht eine solche Pflicht, kann eine solche datenschutzrechtlich auch ohne Anfrage durch eine „Saldenliste“ erfüllt werden. Der BGH hat in der genannten Entscheidung auch darauf hingewiesen, „sowohl die Einzel- als auch die Gesamtabrechnung [könne] den buchhalterischen Stand des Hausgeldkontos unter Einbeziehung der Rückstände aus den Vorjahren informatorisch aufzeigen“.

15.190 Einen weiteren interessanten Fall griff das Bayerische Landesamt in seinem Tätigkeitsbericht 2017/2018 auf. In einem Beschwerdeverfahren rügte ein Wohnungseigentümer, der seine Wohnung veräußert hatte, der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft habe ihm eine anteilige Abrechnung für seine Eigentumszeit verweigert, weshalb dem neuen Eigentümer auch die personenbezogenen Daten des Veräußerers – also die ihn treffenden Lasten- und Kostenbeiträge sowie die geleisteten Hausgeldvorschüsse – zur Kenntnis gegeben würden. 132 Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht 2017/2018, S. 105; https:// www.lda.bayern.de/media/baylda_report_08.pdf. 133 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, WuM 2018, 110 = NZM 2018, 233 = ZMR 2018, 343, sowie in diesem Handbuch den Teil 6 (Stichwort „Saldenliste“). 134 Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht 2015/2016, S. 115; https:// www.lda.bayern.de/media/baylda_report_07.pdf. 135 BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, WuM 2018, 110 = NJW 2018, 942 = MietRB 2018, 108 = MDR 2018, 789 (LS).

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Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten

Rz. 15.192 Teil 15

Das Landesamt wies jedoch auch diese Beschwerde zurück und stellte klar, der Verwalter habe sich rechtlich – insbesondere datenschutzrechtlich – einwandfrei verhalten. Nach der wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung gehe mit dem Ausscheiden eines Eigentümers der Anspruch auf Abrechnung gezahlter Beitragsvorschüsse auf dessen Nachfolger über.136 Der ausgeschiedene Eigentümer habe im Fall eines Ausscheidens deshalb keinen Anspruch auf eine gesonderte Abrechnung.137 Dem neuen Eigentümer, der zivilrechtlich Anspruchsinhaber werde, müssten die Angaben zu den Beitragspflichten des Voreigentümers bekannt gegeben werden. Die Bekanntgabe der Daten ist, so das Landesamt, nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO legitimiert, weil es sich ab dem Eigentumsübergang rechtlich um Daten zu einem Rechtsverhältnis zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Neueigentümer handelt. Eine solche Datenverarbeitung müsse der alte Eigentümer hinnehmen. Auch diese Position des Landesamtes ist datenschutzrechtlich – und aufgrund der wohnungseigentumsrechtlichen Hintergründe – richtig. Datenschutz wird häufig als ein Vehikel für andere Zwecke benutzt, was die hier angesprochenen Fälle durchscheinen lassen,138 was aber auch Praxiserfahrungen zeigen:

15.191

– Eigentümer, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sind, wollen verhindern, dass die anderen Eigentümer ihre Zahlungsrückstände erfahren und damit ihre finanzielle und auch moralische Integrität anzweifeln könnten. – Ausgeschiedene Eigentümer setzen den Datenschutz als Drohung ein, um bequem Ziele zu erreichen, für die sie einen anderen Weg – nämlich den Weg über Auseinandersetzung mit ihrem Erwerber – hätten gehen müssen. – Der Datenschutz wird für einen Streit mit einem „ungeliebten“ Verwalter eingesetzt. – Der Datenschutz wird von (unseriösen) Verwaltern vorgeschoben, um konkrete Nachprüfungen zu verhindern. b) Eigentümerversammlungen Für Eigentümerversammlungen werden ebenfalls zahlreiche personenbezogene Daten benötigt, nämlich Daten, die überhaupt erst die Einladungen zur Eigentümerversammlung möglich machen, sowie solche Daten, die die ordnungsgemäße Durchführung einer Versammlung und die Protokollierung der Versammlungsergebnisse gewährleisten:

136 OLG Hamm, Beschl. v. 8.10.2007 – 15 W 385/06, MDR 2008, 558 = ZMR 2008, 228 = MietRB 2008, 111; KG, Beschl. v. 31.1.2000 – 24 W 7323/98, WuM 2000, 326 = NZM 2000, 830 = ZWE 2000, 224; KG, Beschl. v. 31.1.2000 – 24 W 7617/99, NZM 2001, 241 = ZWE 2000, 274. 137 Vgl. auch Teil 6, Rz. 6.13 und Teil 5, Rz. 5.54 ff. 138 Bei den Datenschutzbehörden der Länder scheinen sich sehr viele Eingaben und Beratungen mit den Themen „Wohnen, Miete, Nachbarschaft“ zu beschäftigen; der Tätigkeitsbericht zum 31.12.2017 des Hessischen Datenschutzbeauftragten berichtet von 328 Eingaben und Beratungen (von insgesamt 2.189); https://datenschutz.hessen.de/sites/datenschutz.hessen.de/files/2017_ 46_TB_1.pdf.

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15.192

Teil 15 Rz. 15.192

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

– Vor und Nachname, – Wohnanschrift, – Bezeichnung der im Eigentum stehenden Wohnung lt. Teilungserklärung, – Bezeichnung zugehöriger Tiefgaragenplätze lt. Teilungserklärung (soweit hiermit Miteigentumsanteile und Stimmrechte verbunden sind), – Miteigentumsanteile, – Stimmrechtsanteile (Miteigentumsanteile oder sonstige Stimmrechtskriterien) – Anwesenheitslisten (Kombination von Eigentümernamen, Sondereigentumsnummern, Stimmrechtswertigkeiten, Vertreternamen), – Vertretungsvollmachten für Eigentümerversammlungen, – Namensnennungen in Protokollen (bei Antragstellungen, Wortmeldungen, namentlichen Abstimmungen, Wahlen zum Beirat).

15.193 Diese Daten müssen verarbeitet werden und die Wohnungseigentümer haben einen Anspruch darauf, dass ihnen diese Daten auf Verlangen in der Versammlung (oder danach) mitgeteilt werden. Die Daten können z.B. für die Frage relevant sein, ob jemand eine ordnungsgemäße Vertretungsvollmacht für die Versammlung besitzt oder ob jemand unter Verstoß gegen das Nicht-Öffentlichkeits-Prinzip an der Versammlung teilnimmt, der dazu – wegen einer Ausschlussklausel in der Gemeinschaftsordnung – nicht berechtigt ist. Relevant sind die Daten (u.a.) aber auch zur Feststellung, ob die Beschlussfähigkeit gegeben ist und ob die Abstimmungsergebnisses richtig festgestellt werden, wer für bestimmte Anträge gestimmt hat, usw.

15.194 Für die „Nachbearbeitung“ der Eigentümerversammlung sind die Daten ebenfalls notwendig und erforderlich, wie sich sogleich im Rahmen des nächsten Abschnitts zeigt. c) Gerichtliche Verfahren

15.195 Gerichtliche Verfahren, an denen der Verband, die Wohnungseigentümern und der Verwalter beteiligt sind, können vielfältig sein. Beispielhaft sollen einige Verfahren aufgezählt werden.

15.196 Hausgeld-Zahlungsklagen: Bei solchen Klagen, die ihre Grundlagen in Beschlüssen über Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen oder Sonderumlagen finden, sind die benötigten Daten abhängig von den Nachweiserfordernissen gegenüber dem Gericht und von der Verteidigungsstrategie des beklagten Eigentümers. In vielen Fällen benötigt die Eigentümergemeinschaft (Verband) als Klägerin alle Daten, die in Rz. 15.185 aufgeführt worden sind (die Kontoverbindung wird erst bei der Zwangsvollstreckung benötigt). Außerdem werden Protokolle von Eigentümerversammlungen erforderlich sein, um die erforderlichen Beschlussfassungen nachweisen zu können und Mahnungsdaten zum Nachweis vorgerichtlicher Aufforderungen. Auch die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung (die allerdings in der Regel keine relevanten personenbezogenen Daten enthalten) werden benötigt. Eine Miteigentümerliste wird für das Klageverfahren Verband – Wohnungseigentümer nicht benötigt.

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Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten

Rz. 15.199 Teil 15

Insolvenzverfahren:139 Fällt ein Eigentümer in die Insolvenz, benötigt die Eigentümergemeinschaft für die Anmeldung von Ansprüchen beim Insolvenzverwalter ebenfalls eine Vielzahl von Unterlagen (Daten), die mit den Daten-Erfordernissen bei Hausgeld-Zahlungsklagen übereinstimmen. Zu weiteren notwendigen Daten zählen das Eröffnungsdatum des Insolvenzverfahrens und eventuell weitere Verfahrensdaten (z.B. Anzeige der Masseunzulänglichkeit, § 208 InsO).

15.197

Beschlussanfechtungsverfahren: Leitet ein Wohnungseigentümer eine Anfechtungsklage gegen einen oder mehrere Beschlüsse einer Eigentümerversammlung ein, benötigt er Unterlagen mit personenbezogenen Daten zur Vorlage bei Gericht.

15.198

Vorzulegen ist dem Gericht stets das Protokoll der angegriffenen Eigentümerversammlung. Je nach Prozessverlauf, Prozessstrategie und verfolgtem Ziel von Kläger- und Beklagtenseite müssen auch die Anwesenheitsliste der angegriffenen Versammlung und die Vertretungsvollmachten für die Versammlung vorgelegt werden. Die Anfechtung von Jahresabrechnungsbeschlüssen erfordert die Vorlage aller oder doch einiger Unterlagen, die oben (Rz. 15.185) beschrieben wurden. Aus § 43 Abs. 1 Satz 2 WEG ergibt sich für den Kläger einer Beschlussanfechtungsklage eine zwingende Pflicht zur Vorlage einer Miteigentümerliste; die Liste ist dem Gericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorzulegen.140 Der klagende Wohnungseigentümer hat Anspruch auf Aushändigung einer aktuellen und richtigen Eigentümerliste; sie muss auch die ladungsfähigen Anschriften der Miteigentümer enthalten.141 Zur anwaltlichen Praxis gehört es, den Verwalter nach der Beauftragung mit einer Beschlussanfechtung um eine ordnungsgemäße – auf der Grundlage einer Grundbucheinsicht erstellten – Miteigentümerliste zu bitten. Verwalter reagieren darauf mitunter mit der Übersendung einer Liste, in der alle Kontaktdaten der Wohnungseigentümer aufgeführt sind – also nicht nur Namen und Anschriften, sondern auch Telefonnummern, Telefaxnummern und E-Mail-Adressen. In diesem Zusammenhang ist auch die Praxis von manchen Verwaltern zu betrachten, im E-Mail-Verkehr (in der Zeile „an“ und/oder „cc“) alle Empfänger offen auszuweisen. Nicht selten fordern auch Miteigentümer eine Liste mit Angabe der Telefonnummern, Telefaxnummern oder E-Mail-Adressen, um mit den anderen Eigentümern telefonieren oder auf kurzem Wege und kostengünstig korrespondieren zu können.

139 Vgl. zu den Einzelheiten Teil 23. 140 § 43 Abs. 1 Satz 2 WEG stellt eine Erleichterung gegenüber §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO dar. 141 Vgl. zur Vorlagepflicht und zum Anspruch u.a. BGH, Urt. v. 20.5.2011 – V ZR 99/10, WuM 2011, 481 = ZWE 2011, 328 = MietRB 2011, 250; BGH, Urt. v. 8.7.2011 – V ZR 34/11, ZWE 2011, 450 = ZMR 2011, 976 = NZM 2011, 782; BGH, Urt. v. 28.10.2011 – V ZR 39/11, ZWE 2012, 82 = NZM 2012, 199 = NJW 2012, 997; BGH, Urt. v. 14.12.2012 – V ZR 162/11, MDR 2013, 325 = ZWE 2013, 96 = ZMR 2013, 291 = MietRB 2013, 79; BGH, Urt. v. 4.5.2018 – MDR 2018, 919 = WuM 2018, 591 = ZMR 2018, 839 = MietRB 2018, 269.

Köhler

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15.199

Teil 15 Rz. 15.200

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.200 Es stellen sich deshalb die Fragen, ob datenschutzrechtliche Bestimmungen es zulassen, dass – der Verwalter eine Liste mit Telefon- und/oder Faxnummern und/oder E-Mail-Adressen versendet, – der Verwalter in seiner E-Mail-Korrespondenz die E-Mail-Adressen aller Empfänger offenlegt, – ein Eigentümer die Herausgabe einer Liste mit Telefon- und/oder Faxnummern und/oder E-Mail-Adressen verlangt und der Verwalter dem Ansinnen folgen muss.

15.201 Bisher hat sich nur ein Gerichtsverfahren mit der dritten Frage beschäftigt.142 Diesem erstund zweitinstanzlichen Verfahren aus Düsseldorf lag zugrunde, dass Miteigentümer einer Eigentümergemeinschaft vom Verwalter im Jahr 2017 verlangten, die E-Mail-Adressen der Miteigentümer zu aktualisieren und ihnen mitzuteilen, damit sie in der Lage sind, über Pflichtverletzungen des Verwalters zu berichten. Im Jahr 2012 hatte der Verwalter in einer Eigentümerversammlung bekannt gegeben, „er wolle [versuchen] von möglichst allen Eigentümern eine E-Mail-Verbindung zu erhalten, so dass unter Verwendung dieser Kontaktdaten die Information weitestgehend erfolgen solle‘“. Über die inzwischen gesammelten E-Mail-Adressen versendete der Verwalter regelmäßig Rundschreiben, wobei für alle Empfänger alle E-Mail-Adressen sichtbar waren. Die Herausgabe einer Liste mit aktualisierten E-Mail-Adressen verweigerte der Verwalter aber „aus datenschutztechnischen Gründen“, woraufhin die Miteigentümer Klage auf Herausgabe einer Liste mit Namen, Postanschrift und E-Mail-Adresse aller Eigentümer erhoben. Amtsgericht Düsseldorf und Landgericht Düsseldorf wiesen die Klage ab, wobei sie auch datenschutzrechtliche Gesichtspunkte heranzogen.143 Das Amtsgericht zog in seiner Entscheidung vom 17.1.2018 Vorschriften der alten Fassung des BDSG heran (die Neufassung des BDSG trat – zusammen mit dem Wirksamwerden der DSGVO – am 25.5.2018 in Kraft); das Landgericht erwähnt zwar die Datenschutz-Grundverordnung, beschäftigt sich jedoch nur allgemein mit der DSGVO und dem durch die Verordnung „nochmals gestärkten Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ der Wohnungseigentümer.

15.202 Eine nähere Beschäftigung mit der DSGVO wäre nach meiner Auffassung in der 2. Instanz zwingend gewesen, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung (4.10.2018) war die DSGVO schon wirksam geworden und es hätten deren Vorschriften konkret erörtert und herangezogen werden müssen.144 Insbesondere hätte dabei der Frage nachgegangen werden müssen, ob von einem Anspruchsgegner nach dem Wirksamkeits-Zeitpunkt der DSGVO noch etwas verlangt werden kann, was nach der DSGVO nicht mehr zulässig ist. 142 AG Düsseldorf, Urt. v. 17.1.2018 – 291a C 62/17, ZMR 2018, 453; LG Düsseldorf, Urt. v. 4.10.2018 – 25 S 22/18, ZMR 2019, 61 = ZWE 2019, 181 = MietRB 2019, 82. 143 AG Düsseldorf, Urt. v. 17.1.2018 – 291a C 62/17, ZMR 2018, 453; LG Düsseldorf, Urt. v. 4.10.2018 – 25 S 22/18, ZMR 2019, 61 = ZWE 2019, 181 = MietRB 2019, 82. 144 Für eine zivilrechtliche Entscheidung ist die Rechts- und Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung maßgebend, vgl. nur BGH, Urt. v. 26.2.1953 – III ZR 21/50, BGHZ 9, 101; BGH, Beschl. v. 6.7.1983 – IVb ZB 842/81, MDR 1984, 37 = NJW 1983, 2443; vgl. auch Erwägungsgrund 171 zur DSGVO, sowie Pauly in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 99 DSGVO Rz. 4. Falsch ist deshalb die Ansicht von Moussa, Anm. zur Entscheidung LG Düsseldorf v. 4.10.2018, ZWE 181, 183, der meint, der Fall sei noch nach dem BDSG a.F. zu beurteilen gewesen.

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Die konkrete Verarbeitung personen-/gemeinschaftsbezogener Daten

Rz. 15.207 Teil 15

Die Herausgabe von E-Mail-Adressen, wie auch von Telefon- oder Telefaxnummern ist datenschutzrechtlich unzulässig, wenn nicht eine ausdrückliche Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO dafür vorliegt, denn von Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO ist eine solche „Verarbeitung“ (Offenlegung) nicht mehr gedeckt.145

15.203

Für die ordnungsgemäße Verwaltung von Wohnungseigentum sind diese Daten nicht zwingend erforderlich und auch für eine gerichtliche Auseinandersetzung kommt es auf die Daten „Telefonnummer“, „Telefaxnummer“ und „E-Mail-Adresse“ nicht an. Ein Gericht benötigt diese Angaben für das Betreiben des Gerichtsverfahrens nicht. Welche Meinung haben die Datenschutzbehörden zur Weitergabe von solchen Daten? Beschäftigt haben sich, soweit ersichtlich, nur wenige Behörden mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen und deren Weitergabe oder deren Offenlegung durch „an“-Angaben oder „cc-Angaben“ in E-Mails, die an mehrere Eigentümer zugleich versandt wurden.

15.204

Die Auffassung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht zu diesen Punkten ist eindeutig. Die postalische Adresse genüge für Verwaltungszwecke und Kontaktaufnahmen durch Wohnungseigentümer, der Verwalter dürfe deshalb „keine Telefonnummern und/oder E-Mail-Adressen der Eigentümer an die anderen Eigentümer streuen“, sofern der einzelne Eigentümer dazu nicht seine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO erteilt hat.146

15.205

Die Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Saarlandes hat sich mit der Weitergabe von Kontaktdaten (Telefonnummern oder E-Mail-Adressen) an Handwerker beschäftigt und kommt zum Ergebnis, dass eine solche Weitergabe nicht zulässig ist, sofern nicht eine Einwilligung gegeben wurde.147

15.206

Es kann als Ergebnis festgehalten werden:

15.207

– Der Verwalter darf eine Eigentümerliste, die auch Telefon-, Telefaxnummern und E-MailAdressen enthält, nicht weitergeben, – der Verwalter hat kein Recht, in E-Mails an mehrere Empfänger die E-Mail-Adressen von allen Empfängern offen auszuweisen,148 – ein Eigentümer hat keinen Anspruch auf Herausgabe einer Liste mit Telefon-, Telefaxnummern und/oder E-Mail-Adressen,149 – der Verwalter hat keine Pflicht (und keine Berechtigung), dem Ansinnen auf Herausgabe einer solchen Liste zu folgen.

145 Moussa meint in seiner Anm. zur Entscheidung LG Düsseldorf v. 4.10.2018, ZWE 181, 183, Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) DSGVO sei nicht einschlägig, weil die einzelnen Wohnungseigentümer nicht Vertragspartner des Verwaltervertrages seien. Das geht m.E. am Kern vorbei. Es kommt auf den „Vertrag“ zwischen den einzelnen Eigentümern an, vgl. die Ausführungen Rz. 15.144 ff. zu Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO. 146 Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht 2017/2018, S. 106 f.; https:// www.lda.bayern.de/media/baylda_report_08.pdf. 147 Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit 2017/2018, S. 120; https://datenschutz.saarland.de/fileadmin/tberichte/tb27_1718.pdf. 148 So auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 304. 149 So auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 304.

Köhler

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Teil 15 Rz. 15.208

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.208 Ausnahme: Haben die einzelnen Eigentümer eine Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO für die Speicherung, Offenlegung und Bereitstellung der hier genannten Daten gegeben, dürfen die Daten so verwendet werden, wie in den drei oben gestellten Fragen angesprochen.

15.209 In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere interessante Frage. Kann eine Eigentümergemeinschaft durch Beschluss einer Eigentümerversammlung eine Einwilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO „kreieren“? Nehmen wir an, ein Mehrheitsbeschluss wird gefasst, der einerseits eine Bitte an die Eigentümer enthält, die drei genannten Datenkategorien dem Verwalter mitzuteilen, und andererseits, dass die dann erfolgende tatsächlich Übermittlung als „Einwilligung“ gewertet werde. Die Einwilligung ist, wie schon erwähnt, formfrei.150 Ein solcher Mehrheitsbeschluss ist gleichwohl nichtig. Zum einen kann die rechtliche Wertung einer Handlung nicht durch Beschluss geregelt werden (fehlende Beschlusskompetenz),151 zum anderen ist die Einwilligung eine höchstpersönliche Angelegenheit, die nicht auf Stellvertreter übertragen werden kann.152 Eine kollektive Entscheidung kann diese (höchst-)persönlich vorzunehmende Einwilligung nicht ersetzen.

15.210 In der in Rz. 15.201 ff. erörterten Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf ist auch angesprochen worden, dass der einzelne Eigentümer ein Einsichtsrecht in die Verwaltungsunterlagen habe und sich dabei „auch Kenntnis über diverse E-Mail-Adressen anderer Wohnungseigentümer verschaffen mag […] die er in der Folge – in eigener Verantwortung – nutzen kann“.153 Für die gerichtliche Entscheidungen kam es auf das Einsichtsrecht nicht an, jedoch ist hier klarzustellen, dass aus datenschutzrechtlicher Sicht ein Eigentümer keinen Anspruch darauf hat, beim Einblick in die Verwaltungsunterlagen solche personenbezogenen Daten, wie Telefonnummer oder E-Mail-Adresse, zu ermitteln154 und später zu verwenden. Weder der Verwalter noch die Eigentümergemeinschaft, für die der Verwalter handelt, dürfen diese Daten offenlegen.155

XI. Software-Angebote für die Wohnungswirtschaft und Datenschutz 15.211 Es wurde dargestellt, dass bei der Eigentümergemeinschaft eine Vielzahl von Daten im Sinne der DSGVO „verarbeitet“ werden dürfen. Für diese Verarbeitung existieren auf dem Markt zahlreiche Software-Programme unterschiedlicher Anbieter. Einige angebotene Programmfunktionen erscheinen bei einer kursorischen Betrachtung aus datenschutzrechtlicher Sicht 150 Zur Formfreiheit vgl. Art. 7 Abs. 2 DSGVO und den daraus ableitbaren Umkehrschluss; siehe im Übrigen Art. 4 Nr. 11 DSGVO und Erwägungsgrund 32; Plath in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 7 DSGVO Rz. 7. 151 So auch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 304. 152 Ernst in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 4 DSGVO Rz. 65. 153 LG Düsseldorf, Urt. v. 4.10.2018 – 25 S 22/18, ZMR 2019, 61 = ZWE 2019, 181 = MietRB 2019, 82. 154 Richtig Moussa, Anm. zu LG Düsseldorf v. 4.10.2018, ZWE 2019, 182, 183 (unter III.). 155 Immer unter der Voraussetzung, dass keine Einwilligung der einzelnen betroffenen Wohnungseigentümer vorliegt.

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Köhler

Software-Angebote für die Wohnungswirtschaft und Datenschutz

Rz. 15.217 Teil 15

problembehaftet. Allerdings sind die programmtechnischen Einzelheiten nicht ohne weiteres erkennbar. Es soll deshalb lediglich das Problembewusstsein der Eigentümergemeinschaften und der Verwalter geweckt und eine nähere Prüfung angeregt werden. Es soll aber auch auf die Pflichten der Eigentümergemeinschaft hingewiesen werden, die sie nach der DSGVO hat. Die Eigentümergemeinschaft ist Verantwortliche im Sinne der DSGVO für die in der Gemeinschaft anfallende Verarbeitung von personenbezogenen Daten und muss demgemäß generell dafür einstehen, dass Daten ordnungsgemäß verarbeitet werden und auch, dass die SoftwareProgramme, mit denen die Daten bearbeitet werden, die datenschutzrechtlichen Bedingungen einhalten. Die bereits erwähnte Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen für die ordnungsgemäße Verarbeitung der Daten bezieht sich auch hierauf.

15.212

Zu beachten sind dabei von der Eigentümergemeinschaft die Vorgaben des Art. 24 DSGVO. Danach muss der Verantwortliche (unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände, der Zwecke der Verarbeitung, der Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen) geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen, damit sichergestellt wird (und der Nachweis dafür erbracht werden kann), dass die DSGVO eingehalten wird. Es müssen vom Verantwortlichen auch in einem angemessenen Verhältnis Maßnahmen zum Datenschutz ergriffen werden; vgl. hierzu auch Art. 26 Abs. 1 DSGVO.

15.213

Die Eigentümergemeinschaft hat deshalb gegenüber ihrem weisungsgebundenen Ausführungs-Organ Verwalter, dem die technisch-organisatorische Behandlung der Datenverarbeitung übertragen ist, eine Kontrollpflicht und Einwirkungspflicht.

15.214

Die Kontrollpflicht bezieht sich darauf, dass die Eigentümergemeinschaft beim Verwalter 15.215 überprüfen muss, ob die betrieblichen Ressourcen für eine – im Sinne des Datenschutzrechts – ordnungsgemäße Datenverarbeitung ausreichen und den Anforderungen entsprechen können. Die Gemeinschaft selbst als teilrechtsfähiger Verband kann diese Kontrolle nur durch von der Eigentümerversammlung bestimmte Personen ausüben. Sie hat deshalb Personen zu bitten und diese durch Beschluss zu bestimmen, die eine solche Kontrolle tatsächlich aufgrund ihrer Ausbildung und Kenntnisse ausüben können. Das können Mitglieder des Beiratsgremiums sein. Falls im Beirat die notwendigen Kenntnisse und Befähigungen nicht vorhanden sind oder der Beirat zu einer Prüfung nicht bereit ist (weil diese Aufgabe außerhalb der gesetzlichen Pflichten des Beirats angesiedelt ist), können auch andere befähigte Personen mit der Aufgabe betraut werden (u.U. sogar gemeinschaftsfremde Fachleute – die allerdings in der Regel Kosten berechnen). Die beauftragten Personen haben sodann allgemein zu untersuchen, ob die Datenverarbeitungsressourcen des Verwalters (gleichgültig, ob es sich um einen erneut oder einen neu zu bestellenden Verwalter handelt) generell geeignet sind, die datenschutzrechtlichen Belange einzuhalten. Sie haben aber weiterhin auch zu prüfen, welche Software der Verwalter für die technisch-organisatorische Behandlung der gemeinschaftlichen Daten verwenden will und ob diese auch datenschutzrechtlich akzeptabel ist. Das erfordert für jedes Programm einen genauen Nachweis der Programmabläufe, Modulfunktionen, Auswertungsmöglichkeiten und der Speicherungsart und des Speicherungsorts.

15.216

Wird festgestellt, dass das vom Verwalter verwendete Programm datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht entspricht oder die Daten in einem als unsicher deklarierten Drittland (Art. 45, 46 DSGVO) auf Servern abgelegt werden, hat die Gemeinschaft (durch die Eigen-

15.217

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Teil 15 Rz. 15.217

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

tümerversammlung) eine Einwirkungspflicht. Sie muss dem Verwalter eine Weisung erteilen, das Programm nicht für ihre Belange zu verwenden oder es nachbessern zu lassen oder die Daten nur in bestimmter Weise und an einem bestimmten Ort zu speichern – notfalls darf sie den Verwalter nicht weiter oder neu bestellen.

15.218 Grundsätzlich ist zu empfehlen, dass die Eigentümergemeinschaft nur ein datenschutzrechtlich zertifiziertes Datenverarbeitungsprogramm (vgl. Art. 42, 43 DSGVO, § 39 BDSG) für die Verarbeitung zulässt. Eine Zertifizierung ist zwar freiwillig, bietet aber eine gewisse Gewähr dafür, dass Daten ordnungsgemäß verarbeitet werden. Die Verantwortlichkeit der Eigentümergemeinschaft für eine datenschutzrechtlich ordnungsgemäße Verarbeitung wird durch eine Zertifizierung allerdings nicht gemindert, Art. 42 Abs. DSGVO.

15.219 Wenn man sich mit den Software-Angeboten für Verwaltungsprogramme beschäftigt, ergeben sich durchaus gravierende Zweifel, ob alle angebotenen Programme datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen; jedenfalls in einzelnen Modulen liegt ein Verstoß gegen Datenschutzrecht nah. Diese Module dürften aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht verwendet werden – wenn sie vom Programm nicht getrennt werden können, darf das Programm insgesamt nicht verwendet werden. Viele Software-Firmen bieten beispielsweise eine objektübergreifende Adressverwaltung mit Kontaktverwaltung an. Diese Adressverwaltung vermischt die personenbezogenen Daten (Namen und Adressen) verschiedener Gemeinschaften und gestattet einen „gemeinschaftsübergreifenden“ Zugriff auf personenbezogene Daten. Das verstößt gegen Kriterien aus Art. 5 DSGVO: – Rechtmäßigkeit (eine Vermischung von Daten kann schon nicht mehr von den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 6 getragen sein), – Zweckbindung (eine übergreifende Datenspeicherung und ein übergreifender Datenzugriff geht über den Zweck „Verwaltung einer Eigentümergemeinschaft“ hinaus),156 – Datenminimierung (die gemeinsamen Daten sind weder angemessen noch auf das notwendige Maß beschränkt), – Integrität und Vertraulichkeit (die gemeinsamen Daten können bei einer solchen Verarbeitung nicht vertraulich behandelt werden, weil die Eigentümer ein Einsichtsrecht in alle Verwaltungsunterlagen haben).

15.220 In verschiedenen Angeboten von Software-Firmen findet sich auch das Angebot eines „Dokumentenmanagement-Systems“, das den Verwalter bei der automatischen Archivierung von Dokumenten und der Volltextsuche nach Dateinamen unterstützen soll. Ein integrierter Kalender soll den Verwalter bei dem „Termin- und Vorgangsmanagement“ unterstützen und eine Verknüpfung mit dem Adressbuch ermöglichen. Teilweise sollen auch Fotos und Grundrisse der Objekte eingespeichert werden können.

156 Bekanntlich ist auch die Verwaltung mehrerer Eigentümergemeinschaft über eine „Dachgemeinschaft“ nicht zulässig, vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 23.10.2017 – 19 S 38/17, ZWE 2018, 457; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.2003 – 3 Wx 223/02, ZMR 2003, 765 = GuT 2003, 196 = OLGReport Düsseldorf 2003, 430; AG Mettmann, Urt. v. 3.8.2009 – 26 C 104/08, ZMR 2009, 959; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1999 – 16 Wx 78/99, ZMR 2000, 561 = NZM 1999, 1105 = OLGReport Köln 2000, 48; OLG Hamm, Beschl. v. 9.10.2003 – 15 W 14/02, ZMR 2005, 721 = OLGReport Hamm 2004, 201 = NZM 2004, 787.

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Software-Angebote für die Wohnungswirtschaft und Datenschutz

Rz. 15.225 Teil 15

Auch solche Funktionen sind m.E. datenschutzrechtlich unzulässig, wenn sich das Dokumentenmanagement-System auf die Dokumente (Daten) mehrerer Eigentümergemeinschaften bezieht. Das gilt auch bei Fotos und Grundrissen. Inwieweit (außerhalb des Management-Systems für mehrere Gemeinschaften) durch Fotos und Grundrisse datenschutzrechtliche Belange berührt werden können, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.157

15.221

Problematisch ist Software für die Datenverarbeitung eigener Firmen-Zwecke des Verwalters oder für Zwecke der Eigentümergemeinschaften, wenn diese Software eine Dokumentation von Mitarbeiter-Tätigkeiten beinhaltet.

15.222

Verwaltungssoftware mit einer integrierten Dokumentation aller Arbeitsschritte für die 15.223 Mitarbeiter der Verwalter wird von den Software-Firmen durchaus häufiger angeboten. Mit der Dokumentation sollen einerseits Mitarbeiter, so die Werbeaussage, den Überblick über ihre Aufgaben behalten, andererseits könne der Verwalter selbst auch Zeit und Kosten einsparen und ebenfalls den Überblick behalten. Objektiv wird man diese Dokumentation als eine Überwachungsfunktion betrachten müs- 15.224 sen, weil sich der Verwalter die Arbeitsschritte seiner Mitarbeiter jederzeit ansehen und auswerten kann. Hier könnten bei der Programmgestaltung oder Angebotsgestaltung datenschutzrechtliche Erfordernisse übersehen worden zu sein – Hinweise auf das Erfordernis von Einwilligungen der Arbeitnehmer oder der Notwendigkeit kollektiver Vereinbarungen finden sich jedenfalls in der Werbeaussage nicht. Sollte eine solche Software auch für gemeinschaftliche Zwecke eingesetzt werden – z.B., um Tätigkeiten eines Hausmeisters von diesem erfassen zu lassen – ist das in zweierlei Hinsicht höchst problematisch. Die Software verstößt gegen die Regeln des Datenschutzrechts, die in Art 88 DSGVO, § 26 BDSG niedergelegt sind. In keiner der beiden Vorschriften wird eine Überwachungsfunktion in einem Datenverarbeitungsvorgang grundsätzlich für zulässig erklärt.158 Aber auch arbeitsrechtlich ist dieser Verstoß problematisch. Wenn es um „Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext“ geht (Art. 88 DSGVO, § 26 BDSG) und aus einem Datenverarbeitungsvorgang, der z.B. mit der Überwachung eines Arbeitnehmers zusammenhängt, arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen worden sind,159 wird aufgrund Art. 5 Abs. 2 DSGVO gegenüber einem Arbeitsgericht der Nachweise erforderlich sein, dass die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO eingehalten wurden.160 Wird also eine solche Überwachungsfunktion verwendet und eine Kündigung auf daraus abgeleitete Erkenntnisse gestützt, dürfte die Wirksamkeit dieser Kündigung außerordentlich fraglich sein.161 157 Vgl. den „Foto-Fall“ des LG Köln, Urt. v. 8.1.2009 – 29 S 67/08, NZM 2009, 283 = ZMR 2009, 551; dazu auch Drasdo, Die Informationspflichten des Wohnungseigentumsverwalters, ZMR 2013, 81. 158 Besondere Ausnahme: § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG (Aufdeckung von Straftaten). 159 Fristlose Kündigung, aber auch fristgerechte Kündigung, wenn die Grenze des § 23 KSchG (10 Arbeitnehmer) überschritten wird. 160 Zu weiteren Einzelheiten: Stamer/Kuhnke in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 26 BDSG Rz. 137 ff. 161 Rechtsanwälte, die Arbeitnehmer eines Verwalters in einem Kündigungsschutzprozess vertreten (wegen fristloser Kündigung oder auch wegen fristgerechter Kündigung, wenn der Verwalter

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15.225

Teil 15 Rz. 15.226

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.226 Ähnliches kann auch bei einer Software angenommen werden, die die Möglichkeit bietet, mit „Reporting Tools“ Berichte und Analysen über die unternehmensspezifischen Aufgaben und Bereiche des Verwaltungsunternehmens anzufertigen. Wenn dieses Reporting Tool die Analyse von Arbeitnehmer-Tätigkeiten beinhaltet, dürfte dieses Tool insoweit unzulässig sein.

15.227 Programmanbieter werben auch mit einer „Cloudlösung“ für die Verwaltungssoftware – was bedeutet, dass Daten nicht auf einem eigenen Rechner des Verwaltungsunternehmens, sondern – über das Internet – auf einem fremden Datenspeicher gespeichert werden. Das hat den Vorteil, dass über das Internet auch von überall und nicht nur vom stationären Büro auf die Daten zugegriffen werden können. Allerdings sind hierbei zwei Themen relevant – Datensicherheit und außereuropäischer Datenspeicher.

15.228 Die Zugriffsmöglichkeit über das Internet erhöht das Risiko, dass sich ein unberechtigter Dritter Zugang zu den Daten verschafft und sie „abgreift“ (z.B. Adressen, Bankverbindungen, pp). Die „Cloud“ muss also einen hohen Sicherheitsstandard aufweisen, damit ein solcher Zugriff verhindert wird. Bei Datenspeichern, die im außereuropäischen Ausland angesiedelt sind, ist die Zulässigkeit einer Speicherung generell fraglich. Zu beachten sind die Art. 45 und 46 DSGVO; diskutiert wurde das Problem der außereuropäischen Datenverarbeitung (Speicherung) im Rahmen der „Safe-Habor“-Grundsätze.162 Es ist also von der Eigentümergemeinschaft stets zu prüfen, ob die „Cloud“-Speicherung sicher ist, wo die Daten gespeichert werden und ob weitere Überlegungen bezüglich der Grundsätze und Bedingungen der Art. 45, 46 DSGVO anzustellen sind.

XII. Die Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft 15.229 Über die Informationspflichten, die eine Eigentümergemeinschaft gemäß Art. 13 und 14 DSGVO treffen könnte, gibt es – soweit ersichtlich – weder in der Literatur noch in den Kommentaren einschlägige Ausführungen.163

15.230 Die Informationspflichten, die die Verordnung vorschreibt, hängen eng mit dem für das Datenschutzrecht wichtigen Transparenz-Grundsatz des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO zusammen. Personenbezogene Daten sollen nach dem Willen des europäischen Verordnungsgebers in einer für die betroffenen Personen nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden, mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt), werden auf die DSGVO und dabei insbesondere auf Art. 5 Abs. 2 achten müssen. 162 Zu „Safe Habor“ siehe die Schrems-Entscheidung des EuGH, Urt. v. 6.10.2015 – C-362/14, CR 2015, 633 = NJW 2015, 3151 = NZA 2015, 1373; im Übrigen umfassend Pauly in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 45 DSGVO Rz. 8 bis 25. 163 Der Beitrag von Eisenschmid, Informationspflichten nach der DSGVO, WuM 2019, 353, ist hinsichtlich wohnungseigentumsrechtlicher und wohnungswirtschaftlicher Belange nicht aufschlussreich; es werden die aus der DSGVO und dem BDSG resultierenden Informationspflichten lediglich ganz allgemein beschrieben. Vgl. jetzt aber ansatzweise Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 300, die allerdings dem Verwalter (als dem angeblich „Verantwortlichen“) die Informationspflicht auferlegt.

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Die Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft

Rz. 15.235 Teil 15

weshalb nach Art. 13 DSGVO164 der Verantwortliche auch „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen hat, um die von der Datenverarbeitung betroffenen Personen über diese Verarbeitung zu informieren. Die Informationspflicht, die auch Eigentümergemeinschaften trifft, erscheint auf den ersten Blick umfangreich, wenn man sich Art. 13 Abs. 1 Buchstaben a) bis f) DSGVO und Art. 13 Abs. 2 Buchstaben a) bis f) DSGVO anschaut. Bei näherer Betrachtung sind die Informationspflichten jedoch überschau- und handhabbar. 1. Die Informationspflichten gegenüber Miteigentümern Die nach Art. 13 Abs. 1 Buchstaben a) bis f) DSGVO vorgesehenen Informationspflichten – soweit für Eigentümergemeinschaften überhaupt relevant – sind:

15.231

– Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen und des Vertreters des Verantwortlichen.

15.232

Bei einer Eigentümergemeinschaft sind das: die Bezeichnung der Eigentümergemeinschaft gemäß § 44 Abs. 1 WEG, und (als Vertreter der Gemeinschaft) die Benennung des bestellten Verwalters mit genauem Namen/genauer Firmenbezeichnung, Anschrift und weiteren Kontaktdaten.

15.233

– Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten. Für Eigentümergemeinschaften entfällt diese Information, weil ein Datenschutzbeauftragter von Eigentümergemeinschaften nicht bestellt werden muss.165 – Verarbeitungszwecke der personenbezogenen Daten und die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.

15.234

Der Verarbeitungszweck bei einer Eigentümergemeinschaft ist die ordnungsgemäße Verwaltung der Eigentümergemeinschaft mit – u.a. – Abhaltung von Eigentümerversammlungen, Erstellung von Wirtschaftsplänen und Jahresabrechnungen, Durchführung von gerichtlichen Verfahren, usw. Die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung ergibt sich für die Eigentümergemeinschaft aus Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) DSGVO. Für weitere Daten (Telefonnummern, Telefaxnummern, E-Mail-Adressen) kann die Verarbeitung nur auf einer Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO beruhen.

15.235

– Die Empfänger der personenbezogenen Daten. Empfänger von personenbezogenen Daten (in Wirtschaftsplänen, Jahresabrechnungen, Miteigentümerlisten pp) sind bei der Eigentümergemeinschaft regelmäßig alle Wohnungseigentümer. Außerdem sind das auch, neben dem Verwalter, weitere Auftragsverarbeiter, die personenbezogene Daten für die Eigentümergemeinschaft verarbeiten, wie z.B. Heizkostenabrechnungsfirmen.

164 Art. 14 DSGVO dürfte für Eigentümergemeinschaften nicht einschlägig sein. 165 Vgl. Rz. 15.111 ff.

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Teil 15 Rz. 15.236

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

15.236 Art. 13 Abs. 2 Buchstaben a) bis f) DSGVO sehen weitere Informationen vor; nach Abs. 2 müssen betroffenen Personen die folgenden Informationen gegeben werden:

15.237 – Information über die Dauer der Datenspeicherung oder die Kriterien für die Speicherungsdauer. Für die Verwaltungszwecke der Eigentümergemeinschaften werden personenbezogene Daten dauerhaft gespeichert – das ist zwar selbstverständlich, gleichwohl aber mitzuteilen –, solange der Eigentümer Mitglied der Gemeinschaft ist und soweit es um „Stammdaten“ geht.166 Geht es um Daten, die Ansprüche auslösen können – Forderungen aus Wirtschaftsplänen, Jahresabrechnungen usw. –, ist die Speicherdauer von der möglichen Verjährungsfrist abhängig, gespeichert wird also solange, bis eine Verjährung eingetreten ist. Scheidet ein Miteigentümer aus der Gemeinschaft aus, werden die Daten solange gespeichert, solange noch eine Verjährungsfrist läuft.

15.238 – Information über das Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten, auf Berichtigung oder Löschung sowie auf Widerspruch gegen die Verarbeitung. Diese Rechte können gegenüber der Eigentümergemeinschaft nur eingeschränkt geltend gemacht werden. Es kann aber eine Berichtigung und Löschung bei fehlerhaften Daten in Betracht kommen. Eine Einschränkung der Verarbeitung kann bei Daten, die zwingend für die Verwaltung der Gemeinschaft erforderlich sind, nicht verlangt werden. Auch ein Widerspruch gegen die Verarbeitung kann bei zwingend notwendigen Daten nicht gegeben sein.

15.239 – Ist für die Verarbeitung von Daten eine „Einwilligung“ gegeben worden und beruht deshalb die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO, ist über das Recht des jederzeitigen Widerrufs der Einwilligung für die zukünftige Verarbeitung zu informieren. Diese Informationspflicht ist einschlägig, wenn die Eigentümergemeinschaft/der Verwalter von den einzelnen Eigentümern Daten (Telefon-, Telefaxnummern, E-Mail-Adressen) gesammelt hat, die für die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben nicht zwingend notwendig sind, und für die Verarbeitung (vgl. hierzu noch einmal Art. 4 Nr. 2 DSGVO) eine Einwilligung erhalten hat.

15.240 – Information über das Recht, sich bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren, Eine Information, welche Aufsichtsbehörde zuständig ist und welche Kontaktadresse sie hat, ist nicht erforderlich.167

15.241 Nach dem Wirksamwerden der DSGVO stellte sich sogleich die Frage, ob alle Wohnungseigentümergemeinschaften ihren Miteigentümer die vorstehenden Informationen geben müssen, obwohl die einzelnen Eigentümergemeinschaften seit Jahren bestehen und alle Beteiligten 166 Die – im Gegensatz zu z.B. Abrechnungsdaten – nicht variablen Daten der Eigentümer. 167 Paal/Hennemann in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2018, Art. 13 DSGVO Rz. 29; Kamlah in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 13 DSGVO Rz. 21.

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Die Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft

Rz. 15.246 Teil 15

selbstverständlich Kenntnis darüber haben, mit welchen Daten die Verwaltungstätigkeiten (nämlich die Erstellung von Jahresabrechnungen, Ausspruch von Versammlungseinladungen usw.) ausgeübt wurden. Hier kann Abs. 4 des Art. 13 DSGVO herangezogen werden, der eine Informationspflicht aufgrund der DSGVO für den Fall verneint, dass die betroffene Person „bereits über die Information verfügt“. Bei einer Eigentümergemeinschaft ist das der Fall. Es ist völlig ausgeschlossen, dass Eigentümer nicht wissen, wer die Eigentümergemeinschaft als Verwalter verwaltet und welche Daten für die einzelnen Verwaltungstätigkeiten benötigt und genutzt werden. Im Übrigen kann für die Eigentümergemeinschaften in datenschutzrechtlicher Hinsicht auch ein Vergleich mit der Situation von Vereinen angestellt werden. Für Vereine vertritt das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht die Ansicht, „Bestandsmitgliedern“ (das sind Mitglieder, deren Daten der Verein bereits vor dem Geltungsbeginn der DSGVO 25.5.2018 erhoben hat) müssten die vorgenannten Informationen nicht erteilt werden. Neu-Mitglieder, die ab dem 25.5.2018 in den Verein eintreten, müssten allerdings über die Informationen nach Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO in Kenntnis gesetzt werden.

15.242

Diese Position ist sinnvoll und richtig. Für Eigentümergemeinschaften kann man also festhalten, dass die Eigentümer, die vor dem Wirksamwerden der DSGVO (25.5.2018) ihr Eigentum erworben haben, über die Datenverarbeitung nicht informiert werden müssen. Nur den Eigentümern, die nach dem Stichtag in die Gemeinschaft eintreten, müssen die Informationen gemäß Art. 13 DSGVO übermittelt werden. 2. Die Informationspflichten gegenüber Arbeitnehmern Von den Informationspflichten, die in Art. 13 und 14 DSGVO vorgesehen sind, gibt es keine Ausnahme für Arbeitsverhältnisse (durch § 26 Abs. 2 Satz 4 BDSG wird das noch bekräftigt), so dass auch hier die bereits geschilderten Informations-Grundsätze gelten.

15.243

Neben dem (als bekannt vorauszusetzenden) Namen und den Kontaktdaten der Verantwortlichen und ihres Vertreters (Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwalter), sind insbesondere der Zweck der Datenverarbeitung (Lohnabrechnung, EntgeltfortzahlungskostenAbwicklung, Sozialbeitrags- und Lohnsteuerabführung pp) und die einzelnen verarbeiteten Daten zu nennen.

15.244

Arbeitnehmer haben das Recht, eine Einwilligung zur Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu widerrufen, und die Arbeitgeberin Wohnungseigentümergemeinschaft muss über dieses Recht informieren (§ 26 Abs. 2 Satz 4 BDSG). Dieses Recht (und die korrespondierende Pflicht) ist aber eher theoretischer Natur und kann jedenfalls nicht die schon gesetzlich zu verarbeitenden Daten betreffen (vgl. Rz. 15.128 und 15.133), sondern nur Daten, deren Verarbeitung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und in deren Verarbeitung der Arbeitnehmer freiwillig eingewilligt hat.

15.245

In der arbeitsrechtlichen Praxis werden die Informationspflichten gegenüber einem Arbeitnehmer – jedenfalls bis auf wenige „Datenausnahmen“ (Telefonnummer/E-Mail-Adresse des Arbeitnehmers) – schon durch Angaben in Arbeitsverträgen und durch ausgedruckte (oder in Textform übermittelte) Lohnabrechnungen erfüllt.

15.246

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Teil 15 Rz. 15.246

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Informations-Ausnahme des Art. 13 Abs. 4 DSGVO (keine Informationspflicht, wenn den betroffenen Personen die Informationen bereits vorliegen) gilt auch hier.

XIII. Die Auskunftsrechte Betroffener 15.247 Neben der Informationspflicht des Verantwortlichen nach Art. 13 DSGVO (und Art. 14 DSGVO) hat der europäische Verordnungsgeber in Art. 15 DSGVO168 auch ein Bestätigungsund ein Auskunftsrecht der Personen kreiert,169 die von einer Verarbeitung personenbezogener Daten betroffen sind (Abs. 1, Eingangssatz): „Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten“ […].

15.248 Das Auskunftsrecht bezieht sich im Wesentlichen auf die gleichen Punkte, die schon bei der Informationspflicht erörtert wurden:170 – die Verarbeitungszwecke; – die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; – die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden; – die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; – das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; – das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; – (wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden) Informationen über die Herkunft der Daten.

15.249 Aufgrund der korrespondierenden Beziehungen zwischen Informationspflichten und Auskunftsrechten kann hier auf die bei den Informationspflichten gemachten Ausführungen verwiesen werden. Bestehen Informationspflichten der Eigentümergemeinschaft, bestehen auch Auskunftsrechte der betroffenen Personen.

15.250 Neben dem Auskunftsrecht enthält Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auch eine Pflicht des Verantwortlichen gegenüber den betroffenen Personen, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.171 Das hat kostenfrei zu erfolgen (Umkehrschluss aus Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO). 168 Vgl. hierzu auch den Erwägungsgrund 63. 169 Zweistufiges Auskunftsrecht: Kremer, Das Auskunftsrecht der betroffenen Person in der DSGVO, CR 2018, 560, 561. 170 Aufzählung soweit für das Wohnungseigentum von Bedeutung. 171 Zu den differierenden Meinungen, ob es sich bei dem Anspruch auf Kopie um einen eigenständigen Anspruch handelt vgl. Härting, Was ist eigentlich eine „Kopie“, CR 2019, 219; sowie König, Das Recht auf eine Datenkopie im Arbeitsverhältnis, CR 2019, 295.

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Die Auskunftsrechte Betroffener

Rz. 15.258 Teil 15

Die Ansprüche – auf Auskunft und Kopien – richten sich allein gegen den Verantwortlichen (also hier die Eigentümergemeinschaft) und nicht gegen den Auftragsverarbeiter (den Verwalter);172 allerdings hat der Auftragsverarbeiter den Verantwortlichen zu unterstützen.173

15.251

Für das Verhältnis im Wohnungseigentum bedeutet das: Anspruchsgegnerin ist allein die Eigentümergemeinschaft, auch wenn der Verwalter als Ausführungs-Organ der Gemeinschaft für die Eigentümergemeinschaft tätig werden muss.

15.252

Der Anspruch auf Kopien der personenbezogenen Daten umfasst nicht, dass die Kopien et- 15.253 wa besonders erläutert oder aufbereitet werden müssten174 – es genügt eine Kopie der „Rohdaten“. 1. Die Auskunftsrechte der Arbeitnehmer Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaften haben – wie jede andere betroffene Person – aufgrund Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Auskunftsrecht. Daneben besteht auch das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.

15.254

Hinsichtlich der personenbezogenen Daten wird man differenzieren müssen. Handelt es sich 15.255 um Daten, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften (vgl. Rz. 15.133) verarbeitet werden müssen, besteht ein Auskunftsrecht und ein Kopie-Recht in vollem Umfang. Soweit es sich aber um Daten handelt, die – wie gezeigt – aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verarbeitet (gespeichert, aufbewahrt und gegenüber den Behörden der Sozialversicherung und Steuer nachgewiesen) werden müssen, besteht ein Auskunftsrecht und ein Kopie-Recht des Arbeitnehmers hinsichtlich dieser Daten nicht, wenn die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde (und eine Verarbeitung zu anderen Zwecken ausgeschlossen ist), § 34 Abs. 1 BDSG.175

15.256

Gerade die Kopie-Erteilung wird einen erheblichen – und wohl unverhältnismäßigen – Aufwand bedeuten,176 wenn man alle Daten für die Sozialversicherung und Steuer (und eventuell andere Behörden) in Kopie zur Verfügung stellen müsste. 2. Die Auskunftsrechte der Wohnungseigentümer Grundsätzlich muss man den einzelnen Wohnungseigentümern ein Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO zubilligen. Allerdings wird man einige Besonderheiten zu berücksichtigen haben.

15.257

In der Verwaltungspraxis für eine Wohnungseigentümergemeinschaft dienen die bereits an mehreren Stellen aufgeführten personenbezogenen Daten von Wohnungseigentümern einer ordnungsmäßigen Verwaltung und sind (bis auf die erwähnten „Ausnahme“-Daten Telefon-

15.258

172 M.E. falsch Beckers, Umgang mit Eigentümerdaten, ZWE 2019, 297, 301, die die Auffassung vertritt, die Rechte des Eigentümers bestünden gegenüber dem Verwalter. 173 Kremer, Das Auskunftsrecht der betroffenen Person in der DSGVO, CR 2018, 560. 174 Kremer, Das Auskunftsrecht der betroffenen Person in der DSGVO, CR 2018, 560, 563. 175 Härting, Was ist eigentlich eine „Kopie“, CR 2019, 219, 222; König, Das Recht auf eine Datenkopie im Arbeitsverhältnis, CR 2019, 295, 300 („Aufbewahrungsdaten“). 176 Es handelt sich um eine Einzelfallprüfung! Vgl. König, Das Recht auf eine Datenkopie im Arbeitsverhältnis, CR 2019, 295, 300.

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1021

Teil 15 Rz. 15.258

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

nummern, Telefaxnummern, E-Mail-Adressen) für das Verwaltungshandeln insgesamt oder doch für einzelne Aspekte zwingend erforderlich. Insbesondere sind diese Daten allen Wohnungseigentümern bekannt.

15.259 Eine ausdrückliche Einschränkung des Auskunftsrechts bei schon bekannten Daten enthält weder die DSGVO noch § 34 BDSG,177 muss aber wohl analog Art. 13 Abs. 4 DSGVO bezüglich Bestandsdaten hinzugedacht werden.

15.260 Personenbezogene Daten werden den Wohnungseigentümern schon aufgrund der wohnungseigentumsrechtlichen Pflichten regelmäßig zur Verfügung gestellt, nämlich durch die Erstellung von Wirtschaftsplänen und Jahresabrechnungen und durch die damit zusammenhängende Durchführung von Eigentümerversammlungen. Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen enthalten sowohl Bestandsdaten (Namen, Anschriften, Sondereigentums-Bezeichnung, Kostenverteilungsschlüssel usw.) als auch Nicht-Bestandsdaten (nämlich die konkreten, aber variablen Abrechnungsdaten – für Verbrauch, Personenzahl usw.).

15.261 Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht und auch die datenschutzrechtliche KopiePflicht dürften durch diese Praxis beim Wohnungseigentum eingeschränkt sein – nur bei den Daten, die über die für die Verwaltung von Wohnungseigentum zwingend erforderlichen Daten hinausgehen, dürften Auskunftsrechte und Kopie-Pflichten bestehen.

XIV. Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Verstößen 15.262 Bei datenschutzrechtlichen Verstößen können durchaus erhebliche Sanktionen drohen, wie sich aus dem umfassenden Katalog des Art. 83 DSGVO ergibt.

15.263 Art. 83 DSGVO legt den Rahmen und die Höhe der Geldbußen für die datenschutzrechtlichen Verstöße fest.178 Die Gestaltung und Festlegung von Sanktionen für datenschutzrechtliche Verstöße, die keine Geldbußen nach Art. 83 DSGVO auslösen, sind aufgrund der Zuweisungsklausel des Art. 84 DSGVO auf die nationalen Gesetzgeber übertragen worden. Für Deutschland sind solche Sanktionen in die §§ 41, 42 und 43 BDSG aufgenommen worden. In § 41 BDSG wird die grundsätzliche Anwendung der Bußgeld- und Strafverfahrens-Vorschriften geregelt, in § 43 BDSG die konkreten Strafandrohungen und in § 43 BDSG die konkreten Bußgeldandrohungen.

15.264 Die Normen des DSGVO, gegen die verstoßen werden kann und bei denen entweder Geldbußen nach der DSGVO oder Bußgelder und Strafverfahren nach dem BDSG drohen, können leicht anhand der konkreten Kataloge in Art. 83 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 6 DSGVO sowie in § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1 BDSG festgestellt werden.

177 Wieder ein Anzeichen dafür, dass weder der deutsche Gesetzgeber noch die deutschen Bundestags- und EU-Parlamentarier die Besonderheiten bei Eigentümergemeinschaften bedacht haben. 178 Die Datenschutzbehörden haben sich in einer Sitzung der DSK am 25.6.2019 auf ein Konzept zur Berechnung der Bußgelder bei einem Verstoß gegen die DSGVO verständigt; die Einzelheiten sind nunmehr bekannt gemacht worden (https://www.datenschutzkonferenz-online.de/me dia/ah/20191016_bu%C3%9Fgeldkonzept.pdf).

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Köhler

Gerichtsstand bei datenschutzrechtlichen Verstößen

Rz. 15.270 Teil 15

Während Art. 83 Abs. 1 DSGVO vorgibt, dass Geldbußen in jedem Einzelfall wirksam, ver- 15.265 hältnismäßig und abschreckend sein sollen, legt Art. 83 Abs. 2 DSGVO die Kriterien fest, nach denen die in den folgenden Absätzen 4, 5 und 6 genannten Geldbußen verhängt werden sollen. Bei Sanktionen nach dem BDSG müssen die in den Absätzen 1 und 2 des Art. 83 DSGVO festgelegten Grundsätze beachtet werden,179 was sich schon aus dem Vorrang der europäischen Normen ergibt. Geht es in der rechtsanwaltlichen Praxis um drohende Geldbußen, Bußgelder oder Strafverfahren im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Verstößen im Wohnungseigentum, ist „Nur“-Wohnungseigentumsrechtlern die Zusammenarbeit mit Datenschutz- und Strafrechtlern dringend zu empfehlen, um Stellungnahmen und Rechtsbehelfe gegenüber Datenschutzbehörden von allen Seiten rechtlich abzusichern.

15.266

XV. Gerichtsstand bei datenschutzrechtlichen Verstößen Art. 79 DSGVO postuliert, dass für die von der Datenverarbeitung betroffenen Personen ein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter möglich sein muss. Dazu bestimmt Abs. 2, dass die Gerichte des Mitgliedsstaats für Klagen zuständig sind oder wahlweise Gerichte des Mitgliedsstaats, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Diese Vorschrift zielt erkennbar auf multinational tätige Unternehmen ab.

15.267

§ 44 BDSG regelt daneben, dass die betroffene Person Klagen gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter an dem Ort erheben können, an dem sich eine Niederlassung des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters befindet. Außerdem könnten Klagen auch am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person erhoben werden.

15.268

Für das Wohnungseigentum kollidieren die nationalen Vorschriften des § 44 Abs. 1 Stz 2 BDSG und § 43 Nr. 2 WEG, jedenfalls soweit es um den Klageort „des gewöhnlichen Aufenthalts“ geht.

15.269

Ich bin der Auffassung, dass Miteigentümern, die sich wegen eines Datenschutz-Verstoßes 15.270 mit der Eigentümergemeinschaft gerichtlich auseinandersetzen wollen, ein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf im Sinne des Art. 79 DSGVO zur Verfügung gestellt wird, wenn das örtlich für die Eigentümergemeinschaft zuständige Gericht im Verfahren nach §§ 43 ff. WEG entscheidet. Dort ist auch die vom Gesetzgeber des WEG vorausgesetzte und erwartete wohnungseigentumsrechtliche Kompetenz und Orts- und Sachnähe für die Eigentümergemeinschaft und ihre Eigentümer vorhanden. Kernpunkt einer Auseinandersetzung bildet m.E. das Wohnungseigentumsrecht – und das Datenschutzrecht ist nur Nebengebiet. Erneut ist allerdings an § 44 BDSG zu erkennen, dass der deutsche Gesetzgeber nicht ansatzweise die Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedacht hat.

179 Vgl. dazu Becker in Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 41 BDSG Rz. 2.

Köhler

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Teil 15 Rz. 15.271

Datenschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

XVI. Datenschutzbehörden 15.271 In jedem Bundesland gibt es für die Aufgaben des Datenschutzes nach der DSGVO und dem BDSG Landesdatenschutzbeauftragte und Aufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich. Diese veröffentlichen regelmäßig ihre Datenschutzberichte und Stellungnahmen zu bestimmten Themen. Diese Veröffentlichungen sind zwar nicht verbindlich und nach meiner Auffassung inhaltlich keineswegs auch immer richtig, können aber gleichwohl Hinweise geben, wie die jeweilige Behörde ein bestimmtes Datenschutzproblem beurteilt. Es ist damit möglich, sich hierauf einzustellen und – im Falle einer drohenden Auseinandersetzung mit der Behörde – die eigene Argumentation hierauf auszurichten und der behördlichen Meinung den „wohnungseigentumsrechtlichen Boden“ zu entziehen. Die Kontaktdaten einschließlich der Internet-Adressen aller Landesdatenschutzbeauftragten und Aufsichtsbehörden der Länder können über die Internetseite des BfDI – Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abgerufen werden.180

180 https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Anschriften_Links/anschriften_links-node.html;jsessionid =1E7D5DB8BC2910CA5748239BA1E63E3A.2_cid354.

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Köhler

Teil 16 Hausordnungsfragen – inhaltliche Gestaltung und Beschlusskompetenzen I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.1

4. Aufstellung durch das Gericht . . . . . .

16.8

II. Entstehung der Hausordnung . . . . .

16.3

III. Adressaten der Hausordnung . . . . .

16.9

1. Entstehung durch Vereinbarung . . . .

16.3

1. Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . .

16.9

2. Entstehung durch Beschluss . . . . . . .

16.5

2. Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.10

3. Entstehung durch Verwalterbeauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.6

IV. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.12

I. Einleitung Nach § 21 Abs. 5, Nr. 1 WEG entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, eine Hausordnung aufzustellen. Durch die Hausordnung wird die Verwaltung und Nutzung des Gemeinschaftssowie des Sondereigentums geregelt.1 Die Hausordnung enthält im Wesentlichen Verhaltensvorschriften, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen,2 wobei insbesondere die §§ 13 und 14 WEG, das öffentliche Recht und Verkehrssicherungspflichten zu beachten sind.

16.1

Der Inhalt der Hausordnung hat sich nach der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums und nach dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu richten, wobei auch Regelungen über den ordnungsgemäßen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, etwa der gemeinschaftlichen Grundstücksflächen getroffen werden können. Die Regelungen in der Hausordnung müssen daher ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG oder einem ordnungsmäßigen Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG entsprechen.3

16.2

II. Entstehung der Hausordnung 1. Entstehung durch Vereinbarung Nach § 15 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sonder- sowie des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung regeln. Wie eingangs dargestellt, soll gerade dieser Gebrauch (auch) durch die Hausordnung geregelt werden. Es steht den Eigentümern daher frei, eine Hausordnung zu vereinbaren.4

1 BayObLG, Beschl. v. 23.10.2003 – 2Z BR 63/03, ZMR 2005, 132. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.3.2006 – 20 W 430/04, NJW-RR 2007, 377; LG München I, Urt. v. 2.8.2010 – 1 S 4042/10, ZMR 2010, 991 = ZWE 2010, 399. 3 LG München I, Urt. v. 10.1.2013 – 36 S 8058/12, ZWE 2013, 413 = ZMR 2013, 475; LG Hamburg, Urt. v. 15.4.2015 – 318 S 125/14, ZMR 2015, 572 = ZWE 2016, 90; LG Frankfurt, Urt. v. 14.7.2015 – 2-9 S 11/15, ZWE 2016, 218 = ZMR 2016, 56. 4 Elzer, ZMR 2006, 733.

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16.3

Teil 16 Rz. 16.4

Hausordnungsfragen – inhaltliche Gestaltung und Beschlusskompetenzen

16.4 Derartige Vereinbarungen sind grundsätzlich jederzeit möglich. Es kann sich jedoch bereits in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung eine Regelung zur Hausordnung befinden. Ist dies der Fall, handelt es sich nach zutreffender Ansicht um eine förmliche Vereinbarung.5 Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Hausordnung grundsätzlich Beschlusscharakter zukommen soll. Die Motivation für diese Ansicht dürfte sich daraus ableiten, dass Beschlüsse leichter zu ändern sind. Wurde die Hausordnung durch eine Vereinbarung aufgestellt, kann sie nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich nur durch eine weitere Vereinbarung geändert oder aufgehoben werden.6 Die Auslegung der Gemeinschaftsordnung kann jedoch ergeben, dass die Regelungen nicht „beschlussfest“ sein sollten. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Hausordnung nicht die Beschlusskompetenz der Eigentümer nach § 21 Abs. 3 WEG beschränken sollte, kann eine konkludente Öffnungsklausel angenommen werden.7 Gegebenenfalls empfiehlt sich eine Klarstellung in der entsprechenden Notarurkunde, dass es sich bei der Hausordnung um einen unechten Bestandteil der Gemeinschaftsordnung handelt bzw. die Aufnahme einer ausdrücklichen Öffnungsklausel.8 Es besteht daher keine Veranlassung, die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Hausordnung als Beschluss zu behandeln, zumal die Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses fehlt. Beides ist grundsätzlich konstitutive Voraussetzung für eine Beschlussfassung.9 2. Entstehung durch Beschluss

16.5 Wurde die Hausordnung nicht vereinbart oder enthält die Gemeinschaftsordnung eine (konkludente) Öffnungsklausel, können die Wohnungseigentümer nach §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 5, Nr. 1 WEG eine Hausordnung beschließen. 3. Entstehung durch Verwalterbeauftragung

16.6 Abgesehen von der unmittelbaren Aufstellung der Hausordnung durch Vereinbarung oder Beschluss, kann die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vorsehen, den Verwalter zur Aufstellung einer für alle Wohnungseigentümer verbindlichen Hausordnung zu bevollmächtigen. In diesem Fall ist die vom Verwalter aufgestellte Hausordnung für alle Wohnungseigentümer in gleicher Weise verbindlich, wie eine von den Wohnungseigentümern durch Mehrheitsbeschluss getroffene Regelung. Wie eine solche steht auch die vom Verwalter aufgestellte Hausordnung unter dem Vorbehalt einer Änderung durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer oder gerichtliche Entscheidung. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums steht nach § 21 Abs. 1 WEG den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Zwar macht die genannte Vorschrift eine Ausnahme, soweit nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer etwas anderes bestimmt ist. Die Zuweisung der Kompetenz zum Aufstellen einer Hausordnung an den Verwalter in einer Gemeinschaftsordnung ist aber nicht dahin zu 5 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1991 – BReg 2 Z 154/91, WuM 1992, 157 = NJW-RR 1992, 343; Elzer, ZMR 2006, 733; Merle in Bärmann, § 21, Rz. 78a; Hügel/Elzer, § 21, Rz. 61; Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, § 21 Rz. 57; a. A. BayObLG, Beschl. v. 20.11.1997 – 2Z BR 93/97, WuM 1998, 114 = NJW-RR 1998, 443, LG München I, Urt. v. 23.11.2017 – 36 S 3100/17, ZWE 2018, 176. 6 Bezüglich des Rechtscharakters von Beschlüssen und Vereinbarungen wird auf Teil 3, Rz. 3.118 ff. sowie bezüglich der Vereinbarung von Öffnungsklauseln auf Teil 3, Rz. 3.86 ff. verwiesen. 7 Hügel/Elzer, § 21 Rz. 61. 8 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1991 – BReg 2 Z 154/91, WuM 1992, 157 = NJW-RR 1992, 343. 9 BGH, Beschl. v. 23.8.2001 – V ZB 10/01, BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339 = MDR 2001, 1283, m.w.N.

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Adressaten der Hausordnung

Rz. 16.10 Teil 16

verstehen, dass die Wohnungseigentümer sich dieser Zuständigkeit entäußern. Die Kompetenz des Verwalters ist vielmehr lediglich im Sinne der Vorbereitung und Hilfestellung bezüglich der Zusammenfassung der Gebrauchsregelungen, welche die Hausordnung darstellen, aufzufassen. Denn der Verwalter ist in erster Linie Sachwalter der Eigentümerinteressen. Er hat aber nicht den Wohnungseigentümern etwa gegen deren Mehrheitswillen Gebrauchs- und Verwaltungsregeln vorzuschreiben.10 Durch einen Beschluss kann der Verwalter nicht zur Aufstellung einer Hausordnung ermächtigt werden. Diesbezüglich fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz, da die Möglichkeit der Übertragung der Erstellung der Hausordnung weder durch das Gesetz noch durch eine Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen ist.11

16.7

4. Aufstellung durch das Gericht Wird keine Hausordnung aufgestellt, obwohl dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann die Hausordnung nach §§ 21 Abs. 8, Abs. 5, Abs. 4, 43 Nr. 1 WEG durch das Gericht aufgestellt werden.12 Die durch das Gericht aufgestellte Hausordnung hat Beschlusscharakter und kann durch Beschlussfassung geändert oder aufgehoben werden.13

16.8

III. Adressaten der Hausordnung 1. Wohnungseigentümer Die Hausordnung ist unabhängig davon, ob sie durch Vereinbarung, Beschluss oder durch den Verwalter aufgestellt wurde zunächst nur für die Wohnungseigentümer bindend. Die Bindungswirkung geht so weit, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Abs. 2 WEG verpflichtet ist, für die Einhaltung der Hausordnung durch weitere Personen zu sorgen, die seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb angehören oder denen er sonst die Benutzung der im Sonderoder Miteigentum stehenden Grundstücks- oder Gebäudeteile überlässt.

16.9

2. Mieter Mieter sind an die Eigentümerhausordnung grundsätzlich nicht unmittelbar gebunden. Sie sind kein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, sodass sie nicht von dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern erfasst werden. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Verträge nur die daran unmittelbar beteiligten Parteien binden. Wie eingangs bereits dargelegt, muss der vermietende Wohnungseigentümer jedoch dafür Sorge tragen, dass auch seine Mieter die Hausordnung befolgen. Befindet sich daher im 10 KG, Beschl. v. 18.11.1991 – 24 W 3791/91, WuM 1992, 81 = ZMR 1992, 68; BayObLG, Beschl. v. 5.12.1991 – BReg 2 Z 154/91, WuM 1992, 157 = NJW-RR 1992, 343; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.5.1987 – 8 W 89/87, NJW-RR 1987, 976 = WuM 1988, 30; BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 2Z BR 96/01, ZMR 2002, 64 = NJW 2001, 3635. 11 LG Frankfurt, Urt. v. 11.6.2014 – 2-13 S 168/13, NJW-RR 2014, 1226 = ZMR 2014, 820. 12 OLG Hamm, Beschl. v. 27.1.1969 – 15 W 485/68, MDR 1969, 484 = NJW 1969, 884; BGH, Versäumnisurt. v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, MDR 2002, 1012 = NJW 2002, 2712 = ZWE 2002, 461. 13 KG Berlin, Beschl. v. 28.2.1996 – 24 W 8306/94, NJW-RR 1996, 779 = ZMR 1996, 392; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.1.2009 – 20 W 384/07, NJW-RR 2009, 949 = ZMR 2009, 860.

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16.10

Teil 16 Rz. 16.10

Hausordnungsfragen – inhaltliche Gestaltung und Beschlusskompetenzen

Mietvertrag sinnvollerweise eine Regelung, die die Eigentümerhausordnung in den Mietvertrag einbezieht, muss sich auch der Mieter daran halten.14

16.11 Auch ohne eine Aufnahme der Hausordnung in den Mietvertrag ist der Mieter jedoch an Gebrauchsbeschränkungen gebunden, die zum Inhalt des Sondereigentums geworden sind, weil der vermietende Eigentümer nicht mehr Rechte übertragen („vermieten“) kann, als ihm selbst zustehen.15

IV. Inhalt 16.12 Die in der Hausordnung enthaltenen Regelungen müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Es muss klar erkennbar sein, welches Verhalten erlaubt und welches verboten ist. Wenn ein Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen Beschlussmängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit.16 Von diesen Grundsätzen ausgehend gilt Folgendes:

16.13 Ein allgemeines Verbot der Hundehaltung liegt nicht mehr im Rahmen der Regelung des ordnungsmäßigen Gebrauchs und kann daher nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden.17 Ein dennoch gefasster Beschluss ist wirksam, wenn er nicht angefochten wurde, da er nicht in den Kernbereich des Sondereigentums eingreift.18 Regelungen zum Anleinzwang auf dem Gemeinschaftseigentum müssen sich an den konkreten Umständen des Einzelfalles orientieren. Eine generelle Beurteilung als zulässig oder unzulässig verbietet sich.19 Eine mehrheitlich beschlossene Beschränkung der Tierhaltung auf eine Katze bzw. einen Hund pro Wohneinheit ist wirksam und bindet auch den Sondereigentümer, der bislang 2 Hunde hält.20 Dementsprechend kann auch die Beschränkung der Tierhaltung auf 2 Tiere pro Wohnung beschlossen werden.21 Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann hinsichtlich der Haustierhaltung mehrheitlich beschließen, dass zukünftig die Anschaffung von Haustieren von der Zustimmung der Verwaltung und des Beirats abhängig gemacht wird.22 In einer Hausordnung kann auch bestimmt werden, dass bei Nichtbeachtung der Vorschriften über die Tierhaltung bei drei erfolglosen schriftlichen Abmahnungen die Tierhaltung vom Verwalter untersagt werden muss.23 Auch die Regelung in einer beschlossenen Hausordnung über das Verbot,

14 BGH, Urt. v. 12.12.2003 – V ZR 180/03, BGHZ 157, 188 = ZMR 2004, 335 = MDR 2004, 681. 15 BGH, Urt. v. 18.1.1995 – XII ZR 30/93, ZMR 1995, 480 = NJW-RR 1995, 715; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.3.1993 – 2 U 124/92, NJW-RR 1993, 981. 16 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955 = MDR 1999, 28. 17 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.3.1982 – 8 W 8/82, ZMR 1983, 322 = MDR 1982, 583. 18 BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, BGHZ 129, 329 = NJW 1995, 2036 = MDR 1995, 895. 19 BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 163/14, MDR 2015, 757 = NJW-RR 2015, 1037; vgl. auch LG Frankfurt, Urt. v. 14.7.2015 – 2-9 S 11/15, ZMR 2016, 56 = ZWE 2015, 413. 20 OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2003 – 4 W 15/03, WuM 2003, 161 = NZM 2003, 242. 21 LG Lüneburg, Urt. v. 15.5.2012 – 9 S 73/11, ZMR 2012, 728; KG, Beschl. v. 8.4.1998 – 24 W 1012/97, NJW-RR 1998, 1385 = ZMR 1998, 658. 22 Saarl. OLG, Beschl. v. 7.5.1999 – 5 W 365/98 – 105, NZM 1999, 621. 23 BayObLG, Beschl. v. 9.2.1994 – 2Z BR 127/93, NJW-RR 1994, 658 = MDR 1994, 582.

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Inhalt

Rz. 16.17 Teil 16

Tiere im Aufzug zur befördern, ist wirksam.24 Die Haltung von Schlangen und Ratten in der Eigentumswohnung stellt keinen ordnungsmäßigen Gebrauch des Sondereigentums dar.25 Die Haltung dreier Hasen und eines Meerschweinchens hält sich noch im Rahmen des sozial üblichen Bewohnens i.S.d. § 13 Abs. 1 WEG, sofern die Tiere in einem ordentlichen Stall im Zimmer gehalten werden. Die Haltung dieser Tiere kann daher nicht durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer untersagt werden. Nach der tradierten soziokulturellen Vorstellung der Allgemeinheit handelt es sich bei einem 1 m langen und 50 cm breiten Schwein mit einem Gewicht von ca. 1 Zentner nicht um ein Haustier. Seine Haltung gehört somit nicht zum wesentlichen Inhalt der Nutzung von Wohnungseigentum.26 Der konkrete Gebrauch eines in der Teilungserklärung bestimmten Sondernutzungsrechts unterliegt der Regelungskompetenz durch eine Hausordnung. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann deshalb mit Mehrheit beschließen, dass der durch ein Sondernutzungsrecht dem Wohnungseigentümer zugewiesene Kfz-Einstellplatz nur von dem Wohnungseigentümer sowie dessen Lebensgefährten und Kindern benutzt werden darf.27

16.14

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist gehalten, einem berufstätigen Wohnungseigentümer die Benutzung der gemeinschaftlichen Waschküche auch am späten Nachmittag zu ermöglichen.28

16.15

Bei der Ergänzung der Hausordnung durch Regelungen zum Grillen in der Wohnanlage haben die Eigentümer einen Ermessensspielraum. Dazu zählt auch ein generelles Grillverbot mittels offener Flamme.29

16.16

Der Beschluss, der dem Hausmeister oder dessen Stellvertreter die ausschließliche Befugnis 16.17 zum Öffnen und Schließen des Hausflurfensters überträgt, ist nichtig. Dieser Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung hat nicht eine Konkretisierung des Gebrauchs, sondern den vollständigen Ausschluss vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums samt der damit verbundenen Gebrauchsvorteile zum Gegenstand. Ein solcher Gebrauchsentzug ist aber keine Regelung des Gebrauchs nach § 15 WEG, weil diese den Mitgebrauch voraussetzt; er ändert vielmehr § 13 Abs. 2 WEG ab. Ein solcher vollständiger Gebrauchsentzug eines Gegenstandes des gemeinschaftlichen Eigentums ist einem Mehrheitsbeschluss nicht zugänglich; der Beschluss ist daher nichtig.30 Mit einer durch Mehrheitsbeschluss getroffenen Schließregelung, wonach die Hauseingangstür eines gemischten Wohn- und Geschäftshauses zu den üblichen Geschäftszeiten frei zum Öffnen bleibt, hält sich eine Gemeinschaft noch im Rahmen des Ermessensspielraums.31 Ein Beschluss überschreitet das Ermessen der Wohnungseigentümer, wenn er für die Nachtstunden vorsieht, dass die Haustür verschlossen zu halten ist; dadurch wird in Notsituationen eine Fluchtmöglichkeit – mit gegebenenfalls tödlichem Risiko – er-

24 LG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2013 – 5 S 43/13, ZWE 2014, 172 = ZMR 2014, 394. a. A. AG Freiburg, Urt. v. 18.4.2013 – 56 C 2496/12, ZMR 2014, 489 = ZWE 2014, 274 (das den Beschluss sogar für nichtig hält). 25 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.7.1990 – 20 W 149/90, NJW-RR 1990, 1430 = ZMR 1991, 113. 26 LG Stuttgart, Beschl. v. 19.12.2011 – 2 S 21/11, WuM 2012, 216 = ZWE 2012, 290. 27 KG Berlin, Beschl. v. 8.9.1995 – 24 W 5943/94, NJW-RR 1996, 586 = ZMR 1996, 279. 28 KG Berlin, Beschl. v. 7.1.1985 – 24 W 4631/84, ZMR 1985, 131 = WuM 1985, 94. 29 LG München I, Urt. v. 10.1.2013 – 36 S 8058/12, ZMR 2013, 475 = ZWE 2013, 413. 30 LG Koblenz, Urt. v. 22.8.2016 – 2 S 15/16, ZWE 2017, 135 = NZM 2017, 377; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.4.1976 – 3 W 8/76, MDR 1976, 758. 31 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.1.2009 – 20 W 384/07, NZM 2009, 440 = NJW-RR 2009, 949.

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Teil 16 Rz. 16.17

Hausordnungsfragen – inhaltliche Gestaltung und Beschlusskompetenzen

schwert.32 In einem überwiegend gewerblich genutzten Objekt, kann es ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, die Hauseingangstür tagsüber nicht abzuschließen, sondern so einzustellen, dass sie durch bloßen Druck von außen geöffnet werden kann.33 Wesentlich für die Entscheidung, ob die Türe verschlossen zu halten ist, ist die Abwägung der widerstreitenden Interessen.34 Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung können die Wohnungseigentümer die Befugnis, den gemeinschaftlichen Heizungsraum zu betreten, beschränken und unter besonderen Umständen auch ausschließen.35 Dem folgend entspricht es dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen, wenn der Zugang zu einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden, mit Zählereinrichtungen für Strom und Gas versehenen Raum den Wohnungseigentümern nur über den Hausmeister oder die Verwaltungsbeiräte ermöglicht wird, weil nur diese im Besitz von Schlüsseln sind.36

16.18 Es liegt grundsätzlich innerhalb des im Rahmen des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümergemeinschaft bestehenden Ermessensspielraums, Ruhezeiten für das Musizieren festzulegen. Dabei darf jedoch keine Ungleichbehandlung verschiedener Lärmquellen erfolgen. Entsprechende Regelungen müssen hinreichend konkret und objektivierbar sein. Eine Regelung, die das Musizieren nur in „nicht belästigender Weise und Lautstärke“ gestattet, ist zu unbestimmt.37 Ein völliges Bade- oder Duschverbot kann nicht beschlossen werden. Es kann allenfalls ein Verbot für bspw. die Nachtzeiten erfolgen. Der Ausschluss des maschinellen Wäschewaschens in der Wohnung bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer und kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Gebrauch von Waschmaschinen ist kein Luxus, sondern erleichtert die häusliche Arbeit. Lediglich ein kleiner Teil der Bevölkerung nutzen außerhalb der Wohnung gelegene Waschküchen oder öffentliche Waschsalons.38

16.19 Regelungen zum Abstellen von Kinderwagen39 und Fahrrädern40 sind möglich. Selbiges gilt für die Aufstellung von Brandschutzvorschriften41 oder die Verteilung der PKW-Stellplätze per Rotationsprinzip.42 Eine Gebrauchsregelung, wonach eine im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Grünfläche von Kindern zum Spielen – mit Ausnahme von Ballspielen – benutzt werden darf, kann mit Mehrheit beschlossen werden.43

16.20 Ein Wohnungseigentümer kann die Festschreibung einer bestimmten von ihm favorisierten Lärmschutzmaßnahme in der Hausordnung (hier: Geschlossenhalten des Kellerfensters) von der Gemeinschaft nicht verlangen. Eine Hausordnung, wonach „das sichtbare Aufhängen und Auslegen von Wäsche, Betten usw. auf Balkonen, Terrasse, im Gartenbereich und in den Fenstern usw. für unzulässig erklärt wird“, kann nicht als Regelung des ordnungsgemäßen Gebrauchs mit Stimmenmehrheit wirksam beschlossen werden. Den Wohnungseigentümern 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

LG Frankfurt, Urt. v. 12.5.2015 – 2-13 S 127/12, MDR 2015, 760 = NJW-RR 2015, 968. LG Koblenz, Beschl. v. 9.8.1991 – 10 T 51/91, n.v. LG Wuppertal, Beschl. v. 30.5.1972 – 6 T 433 7u, Rpfleger 72, 451. BayObLG, Beschl. v. 10.3.1972 – BReg 2 Z 78/71, BayObLGZ 1972, 94. BayObLG, Beschl. v. 19.12.2001 – 2Z BR 167/01, NZM 2002, 256 = WuM 2002, 159. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713 = MDR 1999, 28; LG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2017 – 2-13 S 131/16, ZWE 2017, 457 = NJW-RR 2018, 76. OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.12.2000 – 20 W 414/99, NZM 2001, 1136 = NJW-RR 2002, 82. O LG Hamm, Beschl. v. 3.7.2001 – 15 W 444/00, NJW-RR 2002, 10 = NZM 2001, 1084; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 28.10.1992 – 2 Wx 10/91, WuM 1993, 78 = ZMR 1993, 126. LG München I, Urt. v. 23.11.2017 – 36 S 3100/17, ZWE 2018, 176. OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.3.2006 – 20 W 430/04, NJW-RR 2007, 377. LG München I, Urt. v. 11.5.2017 – 36 S 11050/16, ZMR 2017, 925. Saarl. OLG, Beschl. v. 24.10.1989 – 5 W 187/89, NJW-RR 1990, 24.

1030

Maier

Inhalt

Rz. 16.22 Teil 16

können Regelungen, wonach die jeweiligen Eigentümer für das Bereitstellen der Abfallbehältnisse sowie für den Winterdienst im wöchentlichen Wechsel verantwortlich sind und die Gartenarbeit Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist, durch Hausordnung im Wege eines Mehrheitsbeschlusses nicht rechtsverbindlich auferlegt werden. Die Regelung in der mehrheitlich beschlossenen Hausordnung, wonach die Gestaltung (incl. Aufstellen von Möbeln) des Treppenabsatzes eine Etage tiefer – unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer – den Bewohnern der jeweiligen Etage obliegt, unterfällt nicht der Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft für Gebrauchsregelungen und ist daher unwirksam.44 Ein Burkiniverbot für die gemeinschaftliche Sauna-/Schwimmbadanlage ist nichtig.45 Es besteht keine Beschlusskompetenz für einen Beschluss über ein Verbot der Kontaktaufnahme von Eigentümern zu Mietern anderer Eigentümer ohne deren Wissen.46 Eine Gartenordnung darf den Sondernutzungsberechtigten nicht über Gebühr einschränken.47 Die Wohnungseigentümer können, sofern eine Vereinbarung nicht entgegensteht, durch Mehrheitsbeschluss bestimmen, ob die Heizung auch in den Sommermonaten durchgehend in Betrieb zu halten oder abzustellen ist.48

16.21

Generell dürfen Wohnungseigentümern durch Beschluss keine Pflichten zur tätigen Mithilfe auferlegt werden, die über die gemeinschaftliche Kostentragungslast hinausgehen. Dies umfasst beispielsweise Räum- und Streupflichten. Diesbezüglich fehlt die Beschlusskompetenz. Entsprechende Beschlüsse sind nichtig.49

16.22

44 Zu allen vorstehenden Regelungen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.10.2003 – I-3 Wx 393/02, NJWRR 2004, 376 = NZM 2004, 107. 45 AG Köln, Urt. v. 5.12.2017 – 204 C 97/17, ZWE 2018, 269 = NZM 2018, 828. 46 LG Frankfurt, Urt. v. 17.5.2018 – 2-13 S 31/16, NZM 2018, 628 = ZMR 2018, 852. 47 BayObLG, Beschl. v. 23.10.2003 – 2Z BR 63/03, ZMR 2005, 132. 48 BayObLG, Beschl. v. 26.2.1993 – 2Z BR 117/92, WuM 1993, 291 = WE 1994, 150. 49 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = NJW 2012, 1724 = NZM 2012, 421.

Maier

1031

Teil 17 Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht für die Wohnungseigentümergemeinschaft I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . .

17.1

II. Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.9

III. Vertragspartner auf der Arbeitnehmerseite (Einzelvertrag/ Gruppenvertrag) . . . . . . . . . . . .

17.22

IV. Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen . . . . .

17.35

1. Berechtigung des Verbandes . . .

17.35

2. Berechtigung des Verwalters . .

17.48

V. Vollzeitarbeitnehmer/Teilzeitarbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . .

17.54

VI. Inhalt des Arbeitsvertrages . . . .

17.57

1. Schriftform und Beachtung des Nachweisgesetzes . . . . . . . .

17.60

2. Beginn des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . .

17.69

3. Arbeitsort und Beschreibung der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . .

17.76

4. Arbeitszeitregelung . . . . . . . . . .

17.84

5. Vergütungshöhe . . . . . . . . . . . .

17.96

6. Überstundenvergütung . . . . . . .

17.111

7. Sonderleistungen . . . . . . . . . . .

17.122

8. Urlaubsregelung . . . . . . . . . . . .

17.130

9. Kündigungsfristen . . . . . . . . . .

17.134

VII. Gesetzlich geregelte Arbeitnehmeransprüche und Schutzvorschriften (Lohnfortzahlung/ Mutterschutz/Elternzeit) . . . . .

17.142

VIII. Wohnraumüberlassung . . . . . .

17.162

IX. Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . .

17.170

1. Grundsätzliches zu Kündigungsgründen . . . . . . . . . . . . . .

17.170

2. Ordentliche/fristlose Kündigung – Form der Kündigung . .

17.177

3. Kündigungserklärung . . . . . . . . 17.191a 4. Einzelne Kündigungsfälle . . . . .

17.194

X. Sozialversicherungsrecht . . . . .

17.198

1. Sozialversicherungsrechtlicher Arbeitgeberbegriff . . . . . . . . . . .

17.198

2. Sozialversicherungsrechtliche Risikobereiche . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung der Eigentümergemeinschaft nach § 28g SGB IV . . . . . . . . . . . . . b) Sittenwidrige oder gegen das MiLoG verstoßende Vergütungsvereinbarungen . . . . . c) Angemessene Lohnzahlungshöhe gehört zu ordnungsmäßiger Verwaltung . . . . . . . 3. Beitragsabführung für abhängig Beschäftigte der Eigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . a) Schwarzarbeit . . . . . . . . . . . . b) Umlagen U1 und U2 . . . . . . . c) Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . d) Insolvenzgeldumlage . . . . . . . 4. Beschäftigungsverhältnisse . . . . a) Vollzeitbeschäftigte . . . . . . . . b) Teilzeitbeschäftigte . . . . . . . . aa) Beschäftigte im „Haushaltsscheck-Verfahren“ . bb) Teilzeitbeschäftigung neben anderen Beschäftigungsverhältnissen . . . . cc) Geringfügig Beschäftigte (1) Geringfügig entlohnte Beschäftigung . . . . . . . . . (2) Kurzfristige Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Studentinnen/Studenten als Beschäftigte der Gemeinschaft . . . . . . . . . XI. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

Köhler

17.204 17.208 17.215 17.225

17.228 17.230 17.233 17.235 17.236 17.237 17.237 17.238 17.239 17.241 17.243 17.245 17.252 17.255 17.266

1033

Teil 17 Rz. 17.1

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

I. Allgemeines 17.1 Dieser Teil des Handbuches greift die Behandlung der speziellen Thematik des Verhältnisses von Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht und Wohnungseigentumsrecht neu auf1 und behandelt einige für Eigentümergemeinschaften und Verwalter wichtige Aspekte im Zusammenhang mit den Beschäftigungsverhältnissen der Arbeitnehmer.

17.2 Für die Objekte von Wohnungseigentümergemeinschaften fallen eine Vielzahl von Tätigkeiten an, die für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Eigentümer und auch Dritter (z.B. Besucher) unabdingbar sind. So sind Reinigungsarbeiten, Gartenpflege im Sommer sowie Streu- und Räumarbeiten im Winter notwendig, eine Heizungsanlage ist laufend zu betreuen, Mülltonnen sind zur Abfuhr bereit zu stellen, usw. Enthält die Gemeinschaftsordnung keine wirksame Pflicht der Wohnungseigentümer zur tätigen Mithilfe,2 bedarf die Wohnungseigentümergemeinschaft der Unterstützung durch Personen, die solche Tätigkeiten als Hausmeister, Hauswart, Gärtner oder Reinigungskraft übernehmen.

17.3 Werden Dritte mit der Betreuung des Gemeinschaftseigentums in Form eines Arbeitsverhältnisses betraut,3 ergeben sich nicht nur für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sondern auch für den Verwalter zahlreiche Rechtsfragen und Handlungsverpflichtungen.

17.4 In der Praxis stellen Verwalter einer Eigentümergemeinschaft dem wohnungseigentums- und arbeitsrechtlichen Berater – besonders nach der Übernahme einer neuen Eigentümergemeinschaft – häufig eine „einfache Frage“ zu einem „kleinen arbeitsrechtlichen Fall“, den der Beirat aus der gerade übernommenen Gemeinschaft geklärt haben möchte. „Seit langem“ sei der Beirat mit der Leistung des Hausmeisters nicht mehr zufrieden, dieser habe nicht alle Arbeiten ausgeführt, die der Beirat als Aufgabe des Hausmeisters ansieht. Jetzt sei „das Fass übergelaufen“ und der Beirat wolle endlich wissen, welche Handlungsmöglichkeiten die Gemeinschaft habe und ob sogar auch das Arbeitsverhältnis beendet werden könne.

17.5 Die erste – selbstverständliche – rechtsanwaltliche Frage nach dem Arbeitsvertrag und die Bitte, diesen doch „einfach mal“ per Telefax oder E-Mail zu übermitteln, damit ersichtlich werde, über welche Beschäftigungsdauer, welche Kündigungsfrist und welche Arbeitsaufgaben man denn sprechen könne, offenbart sich regelmäßig als durchaus nicht „einfach“, sondern stellt ei1 Vgl. zu früheren grundlegenden Veröffentlichungen: Köhler, Wohnungseigentum und Arbeitsrecht, PiG Bd. 44, 1995 (Vortrag beim 20. Fachgespräch des ESW, 1994) = wohnen (Zeitschrift der Wohnungswirtschaft Bayern) 1995, 158 = WE 1995, 99; Köhler, Arbeitsrechtliche Probleme bei der Verwaltung von Wohnungseigentum, FS für Seuß zum 70. Geburtstag (1997), S. 197 = WE 1997, 213; Köhler, Wohnraumüberlassung durch die Gemeinschaft an den Hausmeister (Vortrag beim 24. Fachgespräch des ESW 1998), PiG Bd. 56 (1999), S. 181 = WE 1999, 55; Köhler, Die Praxis des Arbeitsrechts bei der Wohnungseigentums-Verwaltung, Bärmann/Seuß, 4. Aufl. (1999), Ergänzungsband, Teil H.; Köhler, Die Aushilfen und die geheimnisvolle Sozialversicherung, DWE 2000, 104 = DWE 2001, 93. 2 Zur „tätigen Mithilfe“ vgl. u.a. BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268; LG Dortmund, Urt. v. 24.4.2018 – 1 S 109/17, ZMR 2018, 615 = ZWE 2018, 363 (Übertragung von Instandhaltungsmaßnahmen); AG Krefeld, Urt. v. 15.12.2017 – 13 C 22/17, ZMR 2018, 378 (Pflicht zur Treppenhausreinigung bejaht); LG Dortmund, Urt. v. 19.4.2016 – 1 S 437/15, ZMR 2016, 642; BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 = MDR 2015, 79 = ZWE 2015, 131 = ZMR 2015, 239. 3 Gewerbliche Auftragsverhältnisse werden hier nicht oder nur hinsichtlich Abgrenzungsfragen erörtert.

1034

Köhler

Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite

Rz. 17.9 Teil 17

ne kleinere oder größere Hürde für den anrufenden Verwalter dar. Entweder weiß der Verwalter „im Moment“ nicht, wo der Vertrag sich in den alten Verwaltungsunterlagen des „Vor-VorVerwalters“ finden lässt oder er muss sich erst beim Beirat erkundigen, ob überhaupt ein schriftlicher Vertrag existiert und ob der Beirat einen solchen vorliegen hat. Sind diese Hürden genommen und gibt es tatsächlich einen schriftlichen Vertrag, steht man mitunter vor der Rätselaufgabe, wer die Parteien des Vertrages waren und jetzt (eventuell durch Vertragsübergang) sind. Die Variationsbreite von „arbeitsrechtlichen“ Vertragspapieren, die nicht nur missverständlich sind,4 sondern mitunter als chaotisch bezeichnet werden müssen, ist nahezu unendlich. Da kann es in der Vergangenheit passiert sein, dass der „Vor-Vor-Verwalter“ auf der Arbeitgeberseite als Vertragspartner im Vertrag auftaucht oder eine nicht näher definierte und auch – mangels weiterer ortsbezogener Angaben – nicht definierbare Wohnungseigentümergemeinschaft. Nicht selten wird auch ein Vertrag vorgelegt, in dem als Arbeitgeber verschiedene, in der Eigentümergemeinschaft längst nicht mehr existente Personen auftauchen. Die Arbeitnehmerseite kann auch schon mal einen „Herrn Schmitz“ ausweisen, ohne dass ein Vorname genannt wird, und die Adresse wird mit „Anschrift bekannt“ definiert. Ebenso „präzise“ wie die Parteibezeichnungen sind dann (fast erwartungsgemäß) Regelungen über die übertragenen Aufgaben oder die anwendbare Kündigungsfrist.

17.6

Wichtigste Gesichtspunkte bei der Gestaltung von Betreuungsverträgen sind klare und unmissverständliche Regelungen und Beschreibungen,

17.7

– wer die Vertragspartner sind, – welche gegenseitigen Leistungspflichten vereinbart wurden und – welche Beendigungsmodalitäten für das Arbeitsverhältnis bestehen. Verwalter, die Gespräche über die Verwaltungsübernahme einer Eigentümergemeinschaft füh- 17.8 ren, sollten sehr deutlich formulieren, dass sie unverzüglich nach der Bestellung zum Verwalter sämtliche gemeinschaftsbezogenen Vertragsunterlagen – also auch die Verträge mit den Arbeitnehmern der Gemeinschaft – benötigen. Diese sind nach Verwalterbestellung zu prüfen und – falls sie irgendwelche Unklarheiten und Ungereimtheiten aufweisen – mit Hilfe von Fachleuten zu bereinigen und zu klären.

II. Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite Arbeitgeberin von Betreuungspersonen sollte ausschließlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als teilrechtsfähiger Verband sein. Andere Konstruktionen sind m.E. fehlerhaft und auch nicht zu empfehlen. Die Arbeitsleistung einer Betreuungsperson findet im Interesse und für Zwecke der Eigentümergemeinschaft und im oder am gemeinschaftlichen Objekt statt. Ausschließlich die Eigentümergemeinschaft sollte – im arbeitsrechtlichen Sinne – berechtigt sein, die Arbeitsleistung von der Betreuungsperson zu verlangen.5

4 Siehe hierzu auch die unglückliche und wenig durchdachte Formulierung über die Weisungsbefugnis in dem Arbeitsvertrag, dessen Inhalt das BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289, zu beurteilen hatte. 5 Siehe BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289.

Köhler

1035

17.9

Teil 17 Rz. 17.10

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.10 Als Arbeitgeber betrachtet wird diejenige Rechtspersönlichkeit eines Arbeitsverhältnisses, die die Dienstleistung vom Arbeitnehmer kraft des Arbeitsvertrages fordern kann, d. h. die Rechtspersönlichkeit, zu der der Arbeitnehmer in einem Verhältnis persönlicher und regelmäßig auch wirtschaftlicher Abhängigkeit steht.6 Dabei verändert sich die Arbeitgeberstellung nicht dadurch, dass die Ausübung der Arbeitgeberfunktion teilweise auf einen Dritten übertragen wird – was für eine Eigentümergemeinschaft ganz typisch ist, wenn sie einen Verwalter bestellt und ihm bestimmte Arbeitgeberfunktionen überträgt.7 Eine Arbeitsgeberin muss rechtlich fähig sein, Verträge abzuschließen – dass die Gemeinschaft der Eigentümer (Verband) diese Fähigkeit hat, ist seit der „Rechtsfähigkeits“-Entscheidung des BGH vom 2.6.20058 klar; diese Position ist vom Gesetzgeber in der Reform 2007 übernommen worden (§ 10 Abs. 6 WEG).

17.11 Eine andere Vertrags-Konstruktion, bei der nicht die Eigentümergemeinschaft, sondern z.B. der Verwalter als Vertragspartner (Arbeitgeber) auftritt, schafft nur Unklarheiten, eröffnet Risiken und entspricht für die Eigentümergemeinschaft auch nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

17.12 Um nur einige Problembereiche bei einer Abweichung von der Ideal-Vertragsgestaltung aufzuzeigen:

17.13 Tritt der Verwalter als Arbeitgeber auf und stellt er die Betreuungsperson der Gemeinschaft zur Verfügung, liegt die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung nicht völlig fern. § 1 AÜG definiert: „Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.“

17.14 Eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ des Verwalters steht wohl außer Zweifel, denn eine solche ist jedes Handeln, mit dem Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt angeboten werden, soweit dies nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse geschieht.9 Dass eine „Arbeitsorganisation“ bei der Eigentümergemeinschaft vorliegt, erscheint nur auf den ersten Blick zweifelhaft, der eingesetzte Arbeitnehmer arbeitet nämlich in der Regel mit den Geräten und Hilfsmitteln10 der Eigentümergemeinschaft im und am Objekt und an ist an eine bestimmte Arbeitszeit, Arbeitsdauer und Arbeitstätigkeit gebunden. Das stellt eine „Arbeitsorganisation“ dar. Eine „Eingliederung in die Arbeitsorganisation“ könnte also durchaus konstruiert werden.11 Das Weisungskriterium ist eng mit der „Eingliederung in die Ar6 BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289; Anm. Drasdo, NJW 2013, 1694; BAG, Urt. v. 9.9.1982 – 2 AZR 253/80, BAGE 40, 145 = ZIP 1983, 486. 7 BAG, Urt. v. 19.3.1992 – 2 AZR 396/91, Juris; BAG, Urt. v. 9.9.1982 – 2 AZR 253/80, BAGE 40, 145 = ZIP 1983, 486; LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.4.2011 – 6 Sa 3/11, Juris, bestätigt von BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289. 8 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = WuM 2005, 530 = MDR 2005, 1156. 9 EuGH, Urt. v. 17.11.2016 – C-216/15, NZA 2017, 41 = EuZW 2017, 68; BAG, Beschl. v. 21.2.2017 – 1 ABR 62/12, BAGE 158, 121 = NZA 2017, 662 („Rot-Kreuz-Schwestern“). 10 Vgl. dazu Hess. LAG, Beschl. v. 11.7.1989 – 4 TaBV 211/88, AiB 1990, 77 (Regalauffüller); LAG Berlin, Urt. v. 25.7.1988 – 12 Sa 9/88, Juris = EzAÜG Nr 337 (Überlassung eines Rufgerätes). 11 Vgl. zur Eingliederung in eine Arbeitsorganisation u.a.: BAG, Urt. v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NJW 2018, 3403 = NZA 2018, 1396; Sächs. Landessozialgericht, Urt. v. 18.12.2018 – L 9 KR 34/13, Juris; BAG, Urt. v. 15.6.1983 – 5 AZR 111/81, BAGE 43, 102 = DB 1983, 2420 = NJW 1984,

1036

Köhler

Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite

Rz. 17.18 Teil 17

beitsorganisation“ verbunden. Hier kann bei den Eigentümergemeinschaften einerseits eine abgestufte Weisungsgebundenheit vorliegen (Weisungen werden durch die Versammlung der Wohnungseigentümer an den Verwalter erteilt und von diesem wiederum an den Arbeitnehmer), andererseits – und dies ist in der Praxis nicht selten – kann es eine unmittelbare Weisungsbefugnis und Weisungsausübung des/der Beiratsvorsitzenden oder des Beiratsgremiums geben. Wird bei der vertraglichen Gestaltung nicht sorgfältig formuliert12 oder – was entscheidend 17.15 ist –13 in der Praxis so gehandelt, dass eine Arbeitnehmerüberlassung konstruiert werden kann, könnte das teuer werden. Eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung stellt nämlich eine Ordnungswidrigkeit dar, die sowohl gegenüber dem Verleiher (also dem Verwalter) als auch gegenüber der Entleiherin (Eigentümergemeinschaft) mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 t geahndet werden kann, § 16 AÜG. Probleme können einem Verwalter auch aus dem Kündigungsschutzgesetz erwachsen. Liegt die Arbeitnehmerzahl des Verwalters über den Grenzen des § 23 KSchG,14 ist bei der Kündigung von Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Wenn die Verwalterbestellung und der Verwaltervertrag enden, könnte sich der Verwalter nur unter den Bedingungen des KSchG von dem für das Objekt der Gemeinschaft tätigen Arbeitnehmer trennen. Das KSchG fordert, dass eine Kündigung „sozial gerechtfertigt“ sein muss. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine durchaus als hoch zu bezeichnende Kündigungs-Hürde: Sozial ungerechtfertigt ist nämlich eine Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 KSchG.15

17.16

Bei Eigentümergemeinschaften kommt dagegen das KSchG wegen der geringen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer so gut wie nie zur Anwendung, so dass die Eigentümerversammlung bei einer Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses relativ frei ist.

17.17

Es gibt nicht wenige größere Verwaltungsbetriebe, bei denen auch ein Betriebsrat gebildet wurde. Ist ein Betriebsrat gebildet, muss vor einer Kündigung der Betriebsrat angehört werden, § 102 BetrVG, und bei personellen Einzelmaßnahmen (z.B. bei einer Versetzung, die wegen des Wegfalls einer Verwaltung erforderlich sein könnte) müssen stets die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachtet werden, § 99 BetrVG.

17.18

12 13 14 15

2912; Kamann, Werkverträge auf dem Prüfstand – Betriebsprüfungen nach der AÜG-Reform, AuA 2018, 16. Vgl. den Fall des BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692 = ZWE 2013, 289, in dem – nicht bezogen auf Arbeitnehmerüberlassung – der Arbeitsvertrag äußerst unglücklich formuliert worden war; der Rechtsstreit betraf einen Hausmeister einer WEG. BAG, Urt. v. 27.6.2017 – 9 AZR 133/16, Juris = ArbRB 2018, 229;BAG, Urt. v. 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 = BB 2017, 123 = ArbRB 2017, 16; Höpfner in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., 2018, § 1 AÜG, Rz. 18 mwN. 5 oder 10 Arbeitnehmer, je nachdem, ob es sich um Alt- oder Neu-Arbeitnehmer handelt (Beginn des Arbeitsverhältnisses vor oder nach dem 31.12.2003); vgl. zu den Einzelheiten: Quecke in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., 2018, § 23 KSchG, Rz. 7 ff. Vgl. zu den Einzelheiten: Quecke/Thies, § 1 KSchG, Rz. 54 ff., in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018.

Köhler

1037

Teil 17 Rz. 17.19

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.19 Arbeitsrechtliche Kündigungen können – sowohl beim Verwalter, der den Vertrag mit der Betreuungsperson geschlossen hat, als auch bei der Eigentümergemeinschaft – schnell zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Wird (für den Verwalter oder für die Eigentümergemeinschaft) ein rechtsanwaltlicher Vertreter beauftragt, entstehen Kosten. Auch wohnungseigentumsrechtlich ausgerichtete Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen müssen wissen, dass in der ersten arbeitsgerichtlichen Instanz keine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt – es kann also weder eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis noch eine Erstattung von Rechtsanwaltskosten verlangt werden, gleichgültig wer obsiegt, § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

17.20 Den rechtsanwaltlichen Vertreter trifft eine Hinweispflicht auf die fehlende Kostenerstattung, § 12a Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Diese Hinweispflicht besteht nicht nur gegenüber einem zu beratenden Verwalter sondern insbesondere auch gegenüber einer zu beratenden Eigentümergemeinschaft. Wird der Hinweis versäumt, können dem rechtsanwaltlichen Vertreter Schadensersatzansprüche drohen.16

17.21 Es ist also – wenn der Verwalter in Vollmacht für die Gemeinschaft ein Mandat erteilt – von rechtsanwaltlicher Seite der Verwalter aufzuklären und bei ihm auch darauf hinzuwirken, dass die Eigentümergemeinschaft über die Kosten aufgeklärt wird.

III. Vertragspartner auf der Arbeitnehmerseite (Einzelvertrag/Gruppenvertrag) 17.22 Auf der Arbeitnehmerseite können eine Person oder auch mehrere Personen stehen, die sich zur gemeinsamen Ausübung bestimmter Tätigkeiten verpflichtet haben („Gruppenarbeitsverhältnis“).17

17.23 Häufig trifft man im Bereich der Gebäudebetreuung – insbesondere bei Eigentümergemeinschaften – auf sogenannte „Ehegattenverträge“, bei denen sich Ehegatten gemeinsam zur Arbeitsleistung für einen gemeinsamen Zweck verpflichten, nämlich als „Hausmeisterehepaar“. Gruppenarbeitsverhältnisse sind grundsätzlich zulässig und wirksam.18

17.24 Kernfrage ist bei solchen Arbeitsverhältnissen, wie sie bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu behandeln sind. Für eine einheitliche Behandlung solcher Arbeitsverhältnisse ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen der einzelnen (Gruppen-)Arbeitnehmer zu dem Arbeitgeber erforderlich, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln.19 Das ist typischer Weise bei Hausmeisterehepaaren (die auch Lebenspartnerschaften sein könnten) der Fall, wenn sie sich gemeinsam zur hausmeisterlichen 16 Vgl. zur Problematik und möglichen Schadensersatzverpflichtungen bei Unterlassen der Belehrung: BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, MDR 2007, 1046 = AnwBl 2007, 628; Hanses, Der Ausschluss der Kostenerstattung im Arbeitsgerichtsverfahren, RVGreport 2015, 401; Weimar, Kostenbelehrungspflicht des Prozessvertreters beim arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren, AuR 2003, 172; Kalb in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., 2018, § 12a ArbGG, Rz. 1. 17 BAG, Urt. v. 21.10.1971 – 2 AZR 17/71, DB 1972, 244 = AP Nr 1 zu § 611 BGB Gruppenarbeitsverhältnis; umfassend zum Gruppenarbeitsverhältnis: Thüsing § 611a BGB, Rz. 135 ff., in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018. 18 BAG, Urt. v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NJW 2013, 104 = NZA 2013, 27 = DB 2013, 124; Franken, Individualrechtliche Fragen der Gruppenarbeitsverhältnisse, Diss. (Universität Bonn) 2005. 19 Vgl. BAG, Urt. v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NJW 2013, 104 = NZA 2013, 27 = DB 2013, 124.

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Vertragspartner auf der Arbeitnehmerseite (Einzelvertrag/Gruppenvertrag)

Rz. 17.30 Teil 17

Betreuung des Eigentumsobjekts im Arbeitsvertrag verpflichtet haben. In einem solchen Fall kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehungen zu allen Arbeitnehmern in ihrem Bestand voneinander abhängig sind. Problematisch ist deshalb bei einem solchen Gruppenarbeitsverhältnis die Kündigungsmög- 17.25 lichkeit.20 Eine Kündigung kann vom Arbeitgeber nur gegenüber allen Mitgliedern des Gruppenarbeitsverhältnisses ausgesprochen werden – oder umgekehrt, nur von allen Mitgliedern der Gruppe gegenüber dem Arbeitgeber –, wenn nicht etwas anderes ausdrücklich vereinbart wurde, oder wenn durch das Ausscheiden eines Arbeitnehmers die an sich gemeinschaftlich zu erbringende Arbeitsleistung weder unmöglich noch wesentlich beeinträchtigt wird.21 Dazu ist jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich und auch unbedingt durchzuführen. Kündigungsgründe brauchen bei fehlender Einzelkündigungsvereinbarung lediglich bei einem Mitglied der Gruppe vorliegen, um eine Kündigung gegenüber allen Mitgliedern der Gruppe aussprechen zu können.22 Ist also eine fristlose Kündigung auszusprechen, reicht es aus, dass bei einem Mitglied der Gruppe Gründe vorliegen, die zur fristlosen Kündigung berechtigen.

17.26

Ist eine Einzelkündigung ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart, kann selbstverständlich die Kündigung nur gegenüber der Person, die die Kündigungsgründe verwirklicht hat, ausgesprochen werden.

17.27

Liegt ein einheitlicher Arbeitsvertrag vor, bei dem nicht einem einzelnen Arbeitnehmer gekündigt werden kann, und fällt eine beteiligte Arbeitnehmerin unter den absoluten Kündigungsschutz des § 17 MuSchG, wird dadurch der gesamte einheitliche Vertrag unkündbar; in einem solchen Ausnahmefall ist dann auch die ordentliche Kündigung gegenüber dem beteiligten (männlichen) Arbeitnehmer unzulässig.23

17.28

Auch der Schutz aus dem SGB IX für Schwerbehinderte ist abhängig von der Möglichkeit einer Einzelkündigung. Ist – bei fehlender ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung einer Einzelkündigung – auch nur ein Mitglied des Gruppenarbeitsverhältnisses schwerbehindert, bedarf die Kündigung der Mitglieder des Gruppenarbeitsverhältnisses der Zustimmung des Integrationsamtes, § 168 SGB IX.24

17.29

Es wird ersichtlich, dass Arbeitnehmerschutzgesetze – die eine Kündigung berühren können – auf alle Gruppenmitglieder angewandt werden müssen, wenn auch nur bezüglich eines Mitglieds ein Schutztatbestand vorliegt und eine Einzelkündigung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht möglich ist.

17.30

20 Vgl. hierzu auch Quecke/Thies, § 1 KSchG, Rz. 6, in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018. 21 BAG, Urt. v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78, BAGE 37, 1 = DB 1982, 1569 = NJW 1984, 1703; zum auflösend bedingten Arbeitsverhältnis einer Ehefrau, wenn dem Ehemann gekündigt wurde, vgl. BAG, Urt. v. 17.5.1962 – 2 AZR 354/60, DB 1962, 969 = BB 1962, 839. 22 BAG, Urt. v. 21.10.1971 – 2 AZR 17/71, DB 1972, 244 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Gruppenarbeitsverhältnis; vgl. auch BAG, Urt. v. 9.2.1960 – 2 AZR 585/57, BAGE 9,44 = AP Nr. 39 zu § 626 BGB. 23 LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1964 – 8 Sa 462/64, BB 1965, 495 (nur Leitsatz). 24 Vgl. Thies, § 168 SGB IX, Rz. 7, in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018.

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Teil 17 Rz. 17.31

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.31 Die Abmahnung eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer dient dazu, dem Arbeitnehmer vor Augen zu führen, dass bestimmte Verhaltensweisen oder Vertragsverstöße vom Arbeitgeber nicht geduldet werden und der Arbeitnehmer im Wiederholungsfalle mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat. Eine solche Konsequenz ist in der Regel die Kündigung. Für die fristgerechte Kündigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist – wenn die Kleinbetriebsklausel des KSchG eingreift – eine vorherige Abmahnung nicht notwendig. Will sich jedoch die Eigentümergemeinschaft den Ausspruch einer fristlosen (außerordentlichen) Kündigung vorbehalten, muss sie bei einem relevanten arbeitsrechtlichen Verstoß des Arbeitnehmers eine Abmahnung aussprechen. Auch im Kleinbetrieb ist nämlich in der Regel25 eine vorherige Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung notwendig.

17.32 Für das Gruppenarbeitsverhältnis bedeutet dies wiederum eine besondere Betrachtung. Ist im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Einzelkündigung vereinbart worden, muss eine Abmahnung gegenüber allen Gruppenmitgliedern erfolgen und nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer, der gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat.26

17.33 Gruppenarbeitsverhältnisse können Vorteile für eine Eigentümergemeinschaft bieten, wenn die Gemeinschaft eine Bindung mehrerer Personen an das Arbeitsverhältnis erreichen will. Sie können aber auch Nachteile aufweisen, wenn die Gruppenmitglieder nicht mehr miteinander auskommen und sich zerstreiten oder ein Mitglied der Gruppe gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt oder die erwartete und vereinbarte Arbeitsleistung nicht mehr erbringt, die Eigentümergemeinschaft aber gerne das Arbeitsverhältnis mit dem anderen Gruppenmitglied aufrecht erhalten möchte.

17.34 Es muss deshalb – nachdem der Verwalter eine sinnvolle Vorarbeit geleistet und Entscheidungsgrundlagen geschaffen hat – von der Eigentümergemeinschaft sehr genau überlegt und entschieden werden, ob tatsächlich ein Gruppenarbeitsverhältnis begründet werden soll, und es müssen in jedem Fall die vertraglichen Regelungen sehr sorgfältig erarbeitet und gestaltet werden. Ohne kompetente wohnungseigentums- und arbeitsrechtliche Unterstützung sind solche arbeitsvertraglichen Regelungen kaum richtig zu gestalten – das zeigt jedenfalls die expost-Betrachtung zahlreicher Verträge, die von Eigentümergemeinschaften vorgelegt werden.

IV. Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen 1. Berechtigung des Verbandes

17.35 Es wurde bereits angesprochen, dass eine Vielzahl von Betreuungsaufgaben für das Objekt der Eigentümergemeinschaft zu erledigen sind, die nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang durch eine Pflicht zur tätigen Mithilfe aufgefangen werden können. Auf die arbeitsrechtliche Voraussetzung für den Abschluss eines Arbeitsvertrages (Rechtsfähigkeit) wurde ebenfalls schon oben hingewiesen. Die Eigentümergemeinschaft muss auch wohnungseigentumsrechtlich zum Abschluss eines Vertrages mit einer Betreuungsperson berechtigt sein. Eine solche 25 Einer Abmahnung bedarf es nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist: zuletzt noch BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 2 AZR 302/16, BAGE 159, 267 = MDR 2017, 1251 = NZA 2017, 1121. 26 LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8.3.2000 – 6 Sa 921/99, NZA-RR 2000, 528 = DB 2001, 931.

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Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen

Rz. 17.40 Teil 17

Berechtigung ist gegeben, wenn die Einstellung der Betreuungsperson ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Schon die Gemeinschaftsordnung kann eine Regelung enthalten, die die Einstellung eines Hausmeisters, eines Hauswarts oder sonstiger Betreuungspersonen zu Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung erklärt.27 Die GO-Regelung muss nicht unbedingt ganz konkret formuliert sein, sondern kann sich auch erst durch Auslegung erschließen – z.B. wenn in der Gemeinschaftsordnung davon die Rede ist, dass der bestellte Verwalter berechtigt sein soll, für das verwaltete Objekt einen Hauswart einzustellen.

17.36

Aber auch, wenn keine solche Regelung in der Gemeinschaftsordnung enthalten ist, entspricht die Einstellung einer Betreuungsperson in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung. Darüber gab es in der Vergangenheit zwar häufiger Auseinandersetzungen zwischen Wohnungseigentümern, der BGH hat aber bereits in einer Entscheidung vom 8.12.1988 festgestellt, dass eine Bestellung zum Hauswart sach- und interessengerecht sein kann, um die bei einem „älteren Haus“ laufend anfallenden kleineren Reparaturen schnell und kostengünstig zu erledigen. Eine Mehrheitsentscheidung über die Einstellung eines solchen Betreuers sei zulässig, selbst wenn die Gemeinschaftsordnung zur Hausmeisterfrage schweigen sollte, so der BGH.28

17.37

Zuvor hatte auch das BayObLG schon entschieden, bei einer größeren Wohnanlage (einem Hotelkomplex und zu vermietenden Eigentumswohnungen) könne es ebenfalls ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, eine Rezeption einzurichten und einen Nachtportier einzustellen.29

17.38

Durch weitere gerichtliche Entscheidungen wurde die Ansicht bekräftigt, dass die Einstellung von Betreuungspersonen (Hausmeister/Hauswart/Reinigungskräfte/Gärtner) grundsätzlich als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung angesehen werden kann. Das BayObLG hatte im Jahr 1991 ausgeführt: „Die Anstellung eines Hausmeisters ist eine Maßnahme zur ordnungsmäßigen Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums i. S. von § 21 Abs. 5 WEG, weil es Aufgabe eines Hausmeisters ist, das Anwesen und damit das gemeinschaftliche Eigentum vor Schaden und Verwahrlosung zu bewahren und die laufend notwendigen Maßnahmen der Pflege und Reinigung durchzuführen und kleine Reparaturen auszuführen“.30 Das Kammergericht zählte 1993 zur Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auch „pflegende, erhaltende und vorsorgende Maßnahmen“, weshalb zu den „Instandhaltungskosten“ auch die Kosten für einen mit solchen Maßnahmen betrauten Hauswart gehören.31

17.39

In späterer Zeit ist die Frage nach der grundsätzlichen Berechtigung einer Eigentümer- 17.40 gemeinschaft, einen Hausmeister (oder Betreuungspersonen) einzustellen, in der Rechtsprechung im Wesentlichen nicht mehr thematisiert worden. Das Amtsgericht Köln, das über einen durchaus kuriosen Fall entscheiden musste, hat dazu in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 nur zurückhaltend Stellung bezogen und ausgeführt, es sei bei einer kleinen Gemeinschaft (4 Einheiten) „eher zweifelhaft“, dass ein Hausmeisterdienst erforderlich sei. Der Beschluss der Eigentümerversammlung, in der geregelt worden war, dass ein Mieter (ein Rechts27 Vgl. dazu auch OLG Hamm, Beschl. v. 31.8.1981 – 15 W 38/81, MDR 1982, 150 = WuM 1985, 299, zum Verhältnis „tätige Mithilfe“ und Regelung in der Gemeinschaftsordnung. 28 BGH, Beschl. v. 8.12.1988 – V ZB 3/88, BGHZ 106, 179 = MDR 1989, 435 = DWE 1989, 68 = ZMR 1989, 266. 29 BayObLG, Beschl. v. 17.11.1987 – 2 Z 92/86, ZMR 1988, 148. 30 BayObLG, Beschl. v. 28.2.1991 – 2 Z 144/90, WuM 1991, 310. 31 KG, Beschl. v. 14.6.1993 – 24 W 5328/92, ZMR 1993, 478 = WuM 1993, 562 = DWE 1993, 121.

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Teil 17 Rz. 17.40

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

anwalt) zum Hausmeister mit einer monatlichen Vergütung von 50 t bestellt wird, hat das Gericht aus anderen Gründen für ungültig erklärt, u.a. weil Haftungsfragen ungeregelt blieben.32

17.41 Obwohl grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass eine Einstellung von Betreuungspersonen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, bleibt gleichwohl die Frage, ob das auch für Eigentümergemeinschaften jeder Größenordnung gilt. Das Amtsgericht Köln hatte es, wie erwähnt, eher als zweifelhaft angesehen, wenn eine kleine Eigentümergemeinschaft einen Hausmeister einschaltet. Sicher könnte man die Frage nach der ordnungsmäßigen Verwaltung am Einzelfall ausrichten, allerdings ist zu fragen, wer die notwendigen Tätigkeiten im und am Objekt verrichten soll, wie z.B. Räum- und Streuarbeiten im Winter, Betreuung der Heizungs- und Warmwasseranlage, Heraus- und Hereinstellen von Abfallbehältern, Reinigung der Flure und Treppenhäuser, Gartenpflege usw.

17.42 Die Miteigentümer einer Eigentümergemeinschaft sind nicht durch eine gegenseitige persönliche Arbeitsleistungspflicht miteinander verbunden, sondern durch eine reine Vermögens-, Kosten- und Verwaltungsbeteiligung. Insofern meine ich, dass es auch für kleine Eigentümergemeinschaften zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört, wenn Betreuungspersonen für die notwendige Verrichtung der Arbeiten im und am gemeinschaftlichen Objekt bestellt und unter Vertrag genommen werden.

17.43 Zur Bekräftigung dieser Position kann auch die Rechtsprechung des BGH herangezogen werden. Der BGH hat klargestellt,33 dass eine Eigentümergemeinschaft (außerhalb einer Vereinbarung und außerhalb der Lasten- und Kostentragung) keine Kompetenz hat, den einzelnen Eigentümern Leistungspflichten aufzuerlegen, insbesondere keine Leistungspflichten, die bezogen sind auf eine turnusmäßige Übernahme der Räum- und Streupflichten für öffentliche Gehwege.

17.44 Wenn diese – außerhalb der Lasten- und Kostentragung angesiedelte – Pflicht nicht auf Eigentümer übertragen werden kann, muss man auch andere Pflichtübertragungen, die ebenfalls außerhalb der Lasten- und Kostentragung liegen, kritisch betrachten. Eine Heizungsbetreuung durch wechselnde Eigentümer steht sicherlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Eigentümer und könnte m.E. auch nicht durch Beschluss auf die Eigentümer übertragen werden.34 Ein turnusmäßiges Heraus- und Hereinstellen von Müllbehältern, insbesondere auch die Flurund Treppenhausreinigung sowie gärtnerische Arbeiten führen immer wieder zu Streitigkeiten in einer Eigentümergemeinschaft, so dass es schon zur Vermeidung solcher Streitigkeiten ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn ein unabhängiger Dritter mit solchen Aufgaben betraut wird und die Eigentümerversammlung die Leistungspflichten in Einzelnen festlegt.35 Dabei kann es auch keine Rolle spielen, ob bestimmte Leistungspflichten „üblicher Wei32 AG Köln, Urt. v. 9.1.2018 – 204 C 87/17, ZMR 2018, 456 = ZWE 2018, 369; die Entscheidung des Amtsgerichtes ist jedoch falsch, soweit es ausführt, „es ist nicht ersichtlich, ob für die Tätigkeit eine spezielle Haftpflichtversicherung durch die Privatperson des Mieters abgeschlossen wird“. Die Absicherung eines Arbeitnehmers durch eine Versicherung obliegt der Gemeinschaft und nicht dem Arbeitnehmer. 33 BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268. 34 Vgl. auch BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 246 = MDR 2015, 79 = ZWE 2015, 131; LG Dortmund, Urt. v. 24.4.2018 – 1 S 109/17, ZMR 2018, 615 = ZWE 2018, 363. 35 Die Entscheidung AG Krefeld, Urt. v. 15.12.2017 – 13 C 22/17, ZMR 2018, 378, in der eine Pflicht zur Treppenhausreinigung bejaht wurde, halte ich ebenso für falsch, wie die Meinung von Merle in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 21 Rz. 99; durch BGH 9.3.2012 überholt: LG München I, Urt. v.

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Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen

Rz. 17.50 Teil 17

se“ in Hausordnungen geregelt sind. Hausordnungsregelungen sind stets nachrangig gegenüber den originären Rechten der Eigentümer, die sich aus den Gesetzen und der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung ergeben. Mein Fazit deshalb: Eine Wohnungseigentümerversammlung darf, auch wenn es sich um eine kleine Eigentümergemeinschaft handelt, den Abschluss von Arbeitsverträgen mit Betreuungspersonen beschließen.

17.45

Die Eigentümergemeinschaft handelt im Sinne ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn sie im Hinblick auf die Größe des gemeinschaftlichen Objekts und die damit zusammenhängenden Betreuungserfordernisse eine Kosten-Nutzen-Analyse vornimmt und prüft, in welchem (zeitlichen und tätigkeitsbezogenen) Umfang und zu welchen Kosten die Einstellung einer Betreuungsperson erforderlich und gewünscht ist. Dies ist auf der Grundlage eines Leistungsund Pflichtenheftes, das auch die zeitliche Dimension der Beauftragung enthält, durch Beschluss festzulegen.

17.46

Selbstverständlich könnte eine Kosten-Nutzen-Analyse auch dazu führen, dass die Gemeinschaft keinen Arbeitnehmer einstellt, sondern die Aufgaben an ein gewerbliches Unternehmen vergibt. Die Eigentümer haben nämlich ein weites Ermessen, ob und in welchem Umfang eine Betreuungsperson eingestellt wird.36

17.47

2. Berechtigung des Verwalters Hat die Eigentümergemeinschaft durch Beschluss entschieden, eine oder mehrere Arbeitsverhältnisse mit Betreuungspersonen abzuschließen,37 muss jemand beauftragt werden, für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses in die Hand zu nehmen und den Arbeitsvertrag konkret zu unterzeichnen. Der berufene Vertreter der Eigentümergemeinschaft ist in diesem Zusammenhang der Verwalter.

17.48

Die Berechtigung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kann sich aus der Gemeinschaftsordnung ergeben, wenn dort geregelt ist, dass der Verwalter berechtigt sein soll, Betreuungspersonen einzustellen.

17.49

Diese Regelung in der Gemeinschaftsordnung – wie auch eine Regelung im Verwaltervertrag – 17.50 hat nach meiner Auffassung nur eine Außenwirkung gegenüber dem einzustellenden Dritten. Im Innenverhältnis zur Eigentümergemeinschaft ergibt sich aus beiden Regelungen kein Recht, ohne einen auf die Einstellung zielenden Beschluss der Eigentümerversammlung eine Betreuungsperson einzustellen und die Konditionen des Arbeitsverhältnisses festzulegen.38 2.8.2010 – 1 S 4042/10, ZWE 2010, 399 = ZMR 2010, 993, ablehnend dazu Becker, Winterdienst – Pflicht zur tätigen Mithilfe durch Beschluss?, ZWE 2010, 397. 36 LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 19.4.2017 – 2-13 S 2/17, WuM 2017, 353 = ZMR 2017, 579 = ZWE 2017, 321. 37 Ohne einen entsprechenden Beschluss ist der Verwalter nicht berechtigt, einen „langfristigen“ Hausmeisterdienstvertrag abzuschließen: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 19.3.2009 – 5 U 109/07, ZMR 2010, 213; OLG Köln, Beschl. v. 26.11.2004 – 16 Wx 184/04, OLGR Köln 2008, 182 = ZMR 2005, 473. 38 Zur Kompetenzübertragung durch Gemeinschaftsordnung vgl. auch LG München I, Urt. v. 17.3.2017 – 36 S 22212/15 WEG, ZMR 2017, 504 (Die notwendigen Entscheidungen über das „Ob“ und „Wie“ von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hat die Eigentümerversammlung grundsätzlich selbst zu treffen); LG München I, Beschl.

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1043

Teil 17 Rz. 17.51

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.51 Falsch ist deshalb nach meiner Auffassung die Entscheidung des AG Mainz vom 31.10.2013, welches ausgeführt hatte, die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Befugnis des Verwalters zur Anstellung eines Hausmeisters und Abschluss eines Dienstvertrages sei keine unzulässige Kompetenzübertragung auf den Verwalter.39 Das zweitinstanzliche Gericht hob diese Entscheidung (m.E. zu Recht) auf und verwies darauf, dass der Vertragsschluss einen Beschluss der Eigentümerversammlung voraussetze, der alle „wesentlichen Vertragskonditionen“ festlege.40

17.52 Lehmann-Richter geht sogar noch weiter als das AG Mainz. Er hält eine Kompetenzübertragung in der Gemeinschaftsordnung für wirksam und meint, auch durch den Verwaltervertrag und einen auf den Verwaltervertrag gerichteten Beschluss könne eine Kompetenzübertragung erfolgen.41 Die von Lehmann-Richter angeführten „praktischen Bedürfnisse“ – Entscheidungen könnten schneller von dem „weniger schwerfälligeren Organ“ Verwalter getroffen werden – sind m.E. rechtlich unerheblich. Durch eine solche Kompetenzübertragung wird in die Selbstverwaltungsrechte der Eigentümer eingegriffen.

17.53 Ob die Gemeinschaft auch beschließen könnte, statt des Verwalters eine Person aus der Mitte der Gemeinschaft zur Unterzeichnung des Vertrages namens des Verbandes zu beauftragen, erscheint im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 8.6.2018 zweifelhaft;42 die Durchführung des Beschlusses (hier: Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses und Abschluss des Arbeitsvertrages) dürfte zu den nach § 27 Abs. 4 WEG nicht entziehbaren Aufgaben des Verwalters gehören. Eine „Dritt-Beauftragung“ einer hierzu bereiten Person kann also nur in Betracht kommen, wenn ein Verwalter nicht bestellt ist.

V. Vollzeitarbeitnehmer/Teilzeitarbeitnehmer 17.54 Die Tätigkeiten als Betreuungsperson einer Eigentümergemeinschaft, sei es als Hausmeister, Reinigungskraft oder Gärtner können in verschiedenen Formen und Tätigkeitsumfängen übernommen werden. Bei großen oder betreuungsintensiven Eigentümergemeinschaften wer-

39 40 41 42

v. 28.6.2007 – 1 T 2063/07, ZMR 2008, 488; teilweise anders: Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2006 – 2 Wx 131/02, ZMR 2006, 546; Kompetenzübertragung erfordere eine Vereinbarung: AG Herne, Urt. v. 17.8.2017 – 28 C 52/16, ZMR 2017, 1014; nicht ordnungsgemäßer Beschluss, der auf eine unzulässige Kompetenzübertragung hinausläuft: LG Dortmund, Urt. v. 21.4.2015 – 1 S 445/14, ZWE 2015, 374 = ZMR 2015, 777; Kompetenzübertragung für Instandsetzungsmaßnahmen bis 5.000 DM durch Verwaltervertrag unzulässig (Vereinbarung sei notwendig): OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, ZMR 1997, 605 = WuM 1997, 639 = WE 1998, 37; zu weitgehend: AG Fürstenfeldbruck, Urt. v. 10.12.2018 – 80 C 1725/17 WEG, ZMR 2019, 301 = BeckRS 2018, 34974, das eine Kompetenzübertragung durch Gemeinschaftsordnung als zulässig ansieht, soweit nicht in den „Kernbereich“ der Wohnungseigentümer-Kompetenzen eingegriffen wird und dadurch komplett „alle Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen“ auf den Verwalter übertragen werden. AG Mainz, Urt. v. 31.10.2013 – 73 C 67/12, ZMR 2014, 246. LG Koblenz, Urt. v. 21.7.2014 – 2 S 72/13, ZMR 2015, 59 = ZWE 2015, 272. Lehmann-Richter, Die Übertragung von Entscheidungskompetenzen im Verwaltervertrag am Beispiel der Vermögensverwaltung, ZWE 2015, 193, 194. BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, WuM 2018, 524 = MDR 2018, 1111 = ZMR 2018, 777; das LG Koblenz, Urt. v. 21.7.2014 – 2 S 72/13, ZMR 2015, 59 = ZWE 2015, 272, hat vor der Entscheidung des BGH gemeint, die Vertragsabschlussberechtigung könne durch Beschluss auch auf Dritte (z.B. den Verwaltungsbeirat) übertragen werden.

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Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.61 Teil 17

den regelmäßig ein (oder sogar mehrere) Hausmeister in Vollzeit, zusätzlich Reinigungskräfte und eventuell noch Gärtner beschäftigt. Bei kleineren Eigentümergemeinschaften kommen Teilzeitkräfte in Betracht, die sich aus Rentnern, Studenten/Studentinnen rekrutieren oder auch aus Personen, die neben der Teilzeittätigkeit bei der Eigentümergemeinschaft noch eine weitere andere Tätigkeit ausüben. Die arbeitsrechtliche Seite der Vertragsbeziehung zwischen dem Verband und dem oder den Arbeitnehmer(n) ist nur in wenigen Punkten anders als bei „normalen“ Arbeitsverhältnissen in der Industrie, im Handel oder in der Dienstleistungsbranche.

17.55

An dieser Stelle muss deshalb ausdrücklich vor dem (leider und gerade bei Verwaltern, Eigentümergemeinschaften und ihren Verwaltungsbeiräten weit verbreiteten) Irrtum gewarnt werden, dass Teilzeitarbeitnehmer weniger Arbeitnehmerrechte haben, als Vollzeitkräfte. Sozialversicherungsrechtlich unterliegen Teilzeitarbeitnehmer teilweise anderen gesetzlichen Regelungen als Vollzeitarbeitnehmer. Weder dieser Umstand noch die Tatsache, dass eine Eigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin regelmäßig unter die in verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen formulierte „Kleinbetriebsklausel“ fällt, rechtfertigt eine Behandlung von Teilzeit- oder Vollzeit-Arbeitnehmern der Gemeinschaft als „Arbeitnehmer 2. Klasse“, die nur geringere Rechte haben.

17.56

VI. Inhalt des Arbeitsvertrages Bei den Inhalten der Arbeitsverträge ist leider festzustellen, dass Eigentümergemeinschaften, insbesondere aber auch deren Verwaltungsbeiräte, dazu neigen, bei der Ausarbeitung von vertraglichen Regelungen mit Betreuungspersonen zu sparen.

17.57

Es zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass hier an der falschen Stelle gespart wird. Eine qualifizierte Beratung vor Abschluss von Arbeitsverträgen ist auch bei kleineren Gemeinschaften sehr zu empfehlen, denn eine Ex-post-Betrachtung vorgelegter Verträge zeigt, dass die vertraglichen Regelungen zu erheblichen – und mitunter teuren – arbeitsrechtlichen Problemen führen können, die bei einer qualifizierte Beratung hätten vermieden werden können.

17.58

Arbeitsvertragliche Regelungen sollten stets konkret auf die praktischen Belange der Eigentümergemeinschaft zugeschnitten werden und auch die wohnungseigentumsrechtlichen Besonderheiten berücksichtigen.

17.59

1. Schriftform und Beachtung des Nachweisgesetzes Eine Schriftform ist für Arbeitsverträge nicht zwingend. Allerdings schreibt § 14 Abs. 4 TzBfG43 für Befristungsabreden verbindlich die Schriftform vor. Soll also ein befristeter Vertrag für die Eigentümergemeinschaft mit einem Arbeitnehmer abgeschlossen werden, ist die Befristung nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart worden ist.

17.60

Es entspricht aber nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nur ein mündlicher Vertrag geschlossen wird. Die Wohnungseigentümer haben Anspruch darauf, dass die konkreten Vertragsinhalte schriftlich vereinbart werden.

17.61

43 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit-und Befristungsgesetz – TzBfG), v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1966), zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 11.12.2018 (BGBl. I S. 2384).

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Teil 17 Rz. 17.62

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.62 Das seit 1995 existierende Nachweisgesetz schreibt im Übrigen vor, dass der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat. In diese Niederschrift sind (soweit für Eigentümergemeinschaften relevant) mindestens aufzunehmen:

17.63 – der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, – der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, – bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, – der Arbeitsort, – eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, – die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, – die vereinbarte Arbeitszeit, – die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, – die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

17.64 Wichtig für die Verwalterpraxis: Ein Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen durch elektronische Form ist ausgeschlossen, § 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG. Enthält der Arbeitsvertrag die vom Nachweisgesetz geforderten Angaben, ist ein gesonderter Nachweis nicht mehr notwendig.

17.65 Das NachwG enthält zwingendes Recht; ein Arbeitnehmer könnte demnach gegenüber der Eigentümergemeinschaft auf Aushändigung des Nachweises bestehen und ihn einklagen, jedenfalls während des bestehenden Arbeitsverhältnisses.44

17.66 Ein Anspruch auf Nachweis verjährt mit der Regelverjährungsfrist, § 195 BGB; weil es sich aber bei der Nichterteilung eines Nachweises um einen Verstoß gegen eine Dauerpflicht handelt, beginnt die Verjährung erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus den Diensten der Gemeinschaft ausscheidet.45 D.h., der Arbeitnehmer könnte jederzeit – auch gegen Ende des Arbeitsverhältnisses – auf den Nachweis klagen.

17.67 Unter Umständen könnte ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auslösen,46 was allerdings eher theoretischer Natur ist, weil ein Schaden selten nachgewiesen werden könnte.

44 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.1.2016 – 5 Ta 161/15, AGS 2016, 237; LAG Bremen, Teilurt. v. 6.9.2004 – 3 Sa 242/03 (und 3 Sa 6/04 und 3 Sa 7/04), Juris = FA 2005, 31 (nur LS). 45 Kliemt, § 2 NachwG, Rz. 64, in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018. 46 Vgl. hierzu BAG, Urt. v. 17.4.2002 – 5 AZR 89/01, BAGE 101, 75 = NZA 2002, 1096 = AP Nr 6 zu § 2 NachwG; BAG, Urt. v. 24.5.2017 – 5 AZR 251/16, Juris = ArbR 2017, 575, dort hatte die Klägerin allerdings keinen schlüssigen Vortrag zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden (Verlust eines Urlaubsanspruchs) erbracht.

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Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.75 Teil 17

Der Verwalter muss im Interesse ordnungsmäßiger Verwaltung sowohl gegenüber der Eigentümergemeinschaft als auch gegenüber einem Arbeitnehmer darauf bestehen, dass ein Vertrag schriftlich abgeschlossen wird, der alle vorgenannten geforderten Punkte enthält.

17.68

2. Beginn des Arbeitsverhältnisses Der Beginn des Arbeitsverhältnisses ist für Eigentümergemeinschaften in der Regel problemlos festzulegen.

17.69

Soll die Betreuungsperson zu einem in fernerer Zukunft liegenden Zeitpunkt die Tätigkeit aufnehmen, besteht immer die Gefahr, dass eine der Vertragsparteien nachträglich die Entscheidung bereut und den Vertrag vor Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstbeginns) wieder aufkündigen will.

17.70

Eine solche Kündigung ist für den Kündigungsempfänger ärgerlich, weil eventuell schon Dispositionen getroffen wurden, die kaum rückgängig gemacht werden können (z.B. könnte auf Seiten des Verbandes der bisherigen Betreuungsperson gekündigt und/oder anderen Bewerbern abgesagt worden sein, die Betreuungsperson wiederum könnte ihr bisheriges Arbeitsverhältnis schon gekündigt haben).

17.71

Eine solche „Vor-Dienstbeginn-Kündigung“ ist zulässig,47 wenn im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich eine ordentliche Kündigung vor Dienstantritt ausgeschlossen wurde.48

17.72

Im Arbeitsvertrag, auch wenn es sich um einen Formular-Arbeitsvertrag handelt,49 kann vereinbart werden, dass eine ordentliche Kündigung vor Dienstantritt nicht ausgesprochen werden darf, und es kann auch eine angemessene Vertragsstrafe für den Fall eines Kündigungsausspruches vor Dienstbeginn im Vertrag festgelegt werden.

17.73

Ist der Ausspruch einer „Vor-Dienstbeginn-Kündigung“ wirksam abbedungen und kündigt gleichwohl eine Seite das Arbeitsverhältnis, macht sich der Kündigende schadensersatzpflichtig; er könnte auch auf Zahlung der vereinbarten angemessenen Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden.50

17.74

Wurde eine „Vor-Dienstbeginn-Kündigung“ im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen, ist bei einer Kündigung die gesetzliche bzw. die vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten. Bei einer Kündigung von Arbeitgeberseite sind – was selbstverständlich sein sollte – eventuelle Arbeitnehmerschutz-Bestimmungen (z.B. das Mutterschutzgesetz) zu beachten, die eine Kündigung ausschließen können.

17.75

47 BAG, Urt. v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03, NZA 2004, 1089 = NJW 2004, 3444. 48 Ein außerordentliches Kündigungsrecht kann bekanntlich nicht wirksam ausgeschlossen werden. 49 BAG, Urt. v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP Nr 49 zu § 307 BGB; BAG, Urt. v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03, NZA 2004, 1089 = NJW 2004, 3444. 50 Vgl. zur Anpassung einer Vertragsstrafe BAG, Urt. v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 = JR 2017, 492.

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Teil 17 Rz. 17.76

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

3. Arbeitsort und Beschreibung der Tätigkeit

17.76 Der Tätigkeitsort, der im Arbeitsvertrag genannt werden soll, ist schon durch den Ort der Liegenschaft der Gemeinschaft bestimmt. Er kann also unproblematisch mit dieser Bezeichnung beschrieben werden.

17.77 Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt bei Arbeitsverträgen ist die richtige und vollständige Ausformulierung der Tätigkeit, die die Betreuungsperson ausüben soll. Besonders wichtig ist dies für die Beschreibung einer Hausmeistertätigkeit. Hier ist der Verwalter gefordert, der – durchaus in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat – einen ausführlichen Leistungsund Aufgabenkatalog für die Betreuungsperson ausarbeiten und diesen Katalog auch in einer Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung stellen muss.

17.78 Von großer Bedeutung sind die umfassende und genaue Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistungen im Rahmen des Winterdienstes und Angaben über die Behandlung von finanziellen Angelegenheiten (Verkauf von Waschmünzen, Leerung der Münzautomaten, regelmäßige Einzahlung auf das Gemeinschaftskonto pp).

17.79 Nicht in den Leistungs- und Aufgabekatalog der Betreuungsperson gehören Tätigkeiten, die zu den Aufgaben des Verwalters gehören. Der Verwalter darf nicht eigene Aufgaben auf den Hausmeister übertragen. Auch nicht in den Katalog gehören Tätigkeiten, die ausgebildeten Fachkräften vorbehalten sind (z.B. Arbeiten an Elektroinstallationen, an Heizungseinstellungen oder an Gasleitungen usw.), es sei denn, die einzustellende Person gehört (nachweislich) selbst zu diesen Fachkräften.

17.80 Ist der Leistungs- und Aufgabenkatalog in der Eigentümerversammlung abgestimmt, ist er zum Gegenstand des Arbeitsvertrages zu machen.

17.81 In diesem Zusammenhang ist dringend davor zu warnen, den Leistungs- und Aufgabenkatalog dem Arbeitsvertrag als lose Anlage beizufügen oder im Arbeitsvertrag nur den Hinweis aufzunehmen, „für die vereinbarten Tätigkeiten wird auf den Leistungs- und Aufgabenkatalog vom … verwiesen, der zum Gegenstand dieses Vertrages gemacht wird“:

17.82 Sinnvoll und empfehlenswert ist es, eine Gesamturkunde zu bilden und den Leistungs- und Aufgabenkatalog in den Vertrag selbst aufzunehmen oder den Katalog fest mit dem Arbeitsvertrag zu verbinden sowie die einzelnen Seiten der beigeheftete Anlage zu unterschreiben oder zu paraphieren.51

17.83 Die Urkundeneinheit zwischen der Haupturkunde (Arbeitsvertrag) und der dazu gehörenden Anlage (Leistungs- und Aufgabenkatalog) kann zwar auch ohne körperliche Verbindung gewahrt sein, wenn sich die Zugehörigkeit der Anlage zur Haupturkunde aus anderen Gründen zweifelsfrei ergibt (so etwa bei wechselseitiger Verweisung und Unterzeichnung der Anlage durch die Parteien des Hauptvertrages),52 gleichwohl ist schon aus Beweiszwecken und im Hinblick auf den wohnungseigentumsrechtlichen Gesichtspunkt „ordnungsmäßige Verwaltung“ die „feste Verbindung“ zu bevorzugen.

51 Vgl. hierzu auch BAG, Urt. v. 6.7.2006 – 2 AZR 520/05, ZIP 2006, 2329 = NZA 2007, 266; BGH, Urt. v. 13.11.1963 – V ZR 8/62, BGHZ 40, 255 = WM 1964, 65. 52 Vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1999 – VII ZR 93/97, MDR 1999, 473 = WE 1999, 184 = WuM 1999, 286 = ZMR 1999, 535; BGH, Urt. v. 25.10.2000 – XII ZR 133/98, NZM 2001, 43.

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Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.90 Teil 17

4. Arbeitszeitregelung Bei der Beschreibung der Arbeitszeit ist nicht nur die Dauer, sondern auch die Lage der Arbeitszeit anzugeben bzw. zu beschreiben.

17.84

Im Rahmen der vertraglichen Arbeitszeitregelung kann auch vereinbart werden, dass die Betreuungsperson zu bestimmten Zeiten und Terminen eine Rufbereitschaft einzuhalten hat (z.B. an Feiertagen). Das kommt vor allem bei Hausmeistertätigkeiten in Betracht; solche Regelungen findet man (jedenfalls ansatzweise) auch in Verträgen zwischen Gemeinschaften und Betreuungspersonen.

17.85

Rufbereitschaft bedeutet, dass die Betreuungsperson verpflichtet ist, auf Abruf außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit die Arbeit aufzunehmen. Während der Rufbereitschaft kann die Betreuungsperson sich an einem Ort ihrer Wahl aufhalten, muss nur ständig erreichbar sein und auch sicherstellen, dass sie innerhalb einer angemessenen Zeit am Arbeitsort erscheinen kann.53

17.86

Ohne eine vertragliche Vereinbarung besteht aber keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich rufbereit zu halten.

17.87

Für Wohnungseigentümergemeinschaften ist es wichtig vertraglich festzulegen, wer den Abruf in der Rufbereitschaft auslösen darf, denn durch den Abruf entstehen Kosten. Es sollte deshalb vertraglich geregelt werden, dass lediglich der Verwalter oder bestimmte Personen aus der Gemeinschaft, z.B. Vorsitzende(r) des Verwaltungsbeirats oder Stellvertreter(in), den Abruf vornehmen dürfen. Das erfordert eine sehr stringente Regelung im Vertrag und auch eine Aktualisierung im Falle von Neuwahlen des Verwalters oder des Beirats.

17.88

Vergütungsregelung für Rufbereitschaften: In der betrieblichen Praxis der Industrie wird 17.89 eine Rufbereitschaft regelmäßig mit einem Pauschalbetrag aufgrund tarifvertraglicher Regelungen vergütet. Eine angemessene Pauschale sollte auch von Wohnungseigentümergemeinschaften vereinbart werden, denn die Betreuungsperson ist in ihrer Freizeitgestaltung nicht nur gering eingeschränkt, wenn sie jederzeit damit rechnen muss, zur Arbeitsleistung gerufen zu werden und ihren Aufenthaltsort auch so wählen muss, dass sie kurzfristig am Ort der Liegenschaft erscheinen kann. Die Rufbereitschaft stellt eine besondere Leistung des Arbeitnehmers dar, die zu vergüten ist.54 Eine vertragliche Pflicht zur Rufbereitschaft ohne Gegenleistung erscheint nicht angemessen.55 Die teilweise vertretene Position, dass Rufbereitschaft keine Arbeitszeit darstellt, wird zu über- 17.90 denken sein,56 denn vom EuGH ist die Rufbereitschaft von belgischen Feuerwehrleuten als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG57 angesehen worden. Der Fall des EuGH hatte allerdings die Besonderheit, dass die Feuerwehrleute sich während der Rufbereitschaft zu Hause aufhalten mussten und ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen konnten. 53 BAG, Urt. v. 20.5.2010 – 6 AZR 1015/08, AP Nr 36 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn = ZTR 2010, 476. 54 Vgl. dazu auch Poeche in Küttner, Personalbuch 2018, Stichwort „Rufbereitschaft“. 55 Vgl. BAG, Urt. v. 29.6.2016 – 5 AZR 716/15, BAGE 155, 318 = NZA 2016, 2083 = NJW 2016, 3675 (bezieht sich allerdings nur auf die anders gelagerte „Bereitschaftszeit“). 56 Vgl. Hess. LAG (Frankfurt), Urt. v. 21.11.2016 – 16 Sa 1257/15, DStR 2017, 1173, das meinte, Rufbereitschaft sei keine mindestlohnpflichtige Arbeitszeit. 57 Celex-Nr. 32003L0088.

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Teil 17 Rz. 17.91

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.91 Wird während der Rufbereitschaft ein Arbeitseinsatz tatsächlich notwendig, besteht ein Anspruch auf „normale“ Vergütung (Stundensatz, berechnet aufgrund der vereinbarten Vergütung und der regelmäßigen Arbeitszeit). Gerade im Hinblick hierauf ist die bereits oben erwähnte vertragliche Festlegung, wer den Abruf auslösen darf, von erheblicher Bedeutung.

17.92 Kein Vergütungsanspruch besteht für die aufgewendete Fahrtzeit (zwischen Aufenthaltsort und Ort des gemeinschaftlichen Objekts).

17.93 Zur Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers bezüglich Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit siehe unter e.

17.94 In Arbeitsverträgen ist es üblich, neben den an den einzelnen Wochentagen zu leistenden Dienstzeiten die Wochenarbeitsstunden anzugeben (z.B. 37 Stunden in der Woche). Um die Arbeitsstunden im Monat zu errechnen, multipliziert man diese Stunden mit 13 (Wochen) und dividiert das Ergebnis durch 3 (Monate).

17.95 Im Vertrag – insbesondere bei Hausmeistern/Hauswarten – ist festzulegen, ob auch der Samstag ein Arbeitstag sein soll. 5. Vergütungshöhe

17.96 Für Eigentümergemeinschaften existieren keine unmittelbar anwendbaren Tarifverträge, die die Arbeitsbedingungen und die Vergütungen für Betreuungspersonen des Verbandes vorgeben könnten. Allerdings gibt es für den Bereich Immobilienwirtschaft Mantel- und Vergütungstarifverträge, die u.a. Anhaltspunkte für die Vergütung der einzelnen Betreuungspersonen geben können. Diese sind z.B. für Nordrhein-Westfalen zwischen dem Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V., Düsseldorf, und den Gewerkschaften ver.di, Düsseldorf, und Bau-Agrar-Umwelt, Düsseldorf und Dortmund, abgeschlossen worden.58 Für andere Tarifgebiete existieren solche Tarifverträge ebenfalls. Auskünfte zum Tarifgebiet des Ortes der Gemeinschaft könnten über den Arbeitgeberverband oder die Gewerkschaften eingeholt werden; Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind jedoch nur zur Überlassung von allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen59 verpflichtet.60 Allgemeinverbindlich sind die Tarifverträge dieser Branche nicht. In der Regel sind die Tarifvertragsparteien aber durchaus hilfsbereit.

17.97 Sehr häufig sind Verwalter von Wohnungseigentum (jedenfalls, wenn es sich um größere Unternehmen handelt) dem Arbeitgeberverband angeschlossen und können somit auch auf die kompletten Tarifvertragswerke zugreifen und den Gemeinschaften Auskünfte zu üblichen Vergütungshöhen und zusätzlichen Vergütungsbestandteilen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen) erteilen.

17.98 Stehen solche Informationen nicht zur Verfügung, kann die Eigentümergemeinschaft sich nur an Marktdaten orientieren, die von Angebot und Nachfrage bestimmt sind, und in der Regel durch Gespräche mit Bewerbern etwas mühsam ermittelt werden müssen.

58 Vgl. „tarifregister.nrw.de“. Stichwort „Wohnungswirtschaft“ (zusammenfassende Übersicht der tariflichen Leistungen). 59 § 5 TVG. 60 Vgl. §§ 5 und 9 TVGDV (Durchführungsverordnung zum TVG).

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Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.105 Teil 17

Im Arbeitsvertrag mit Betreuungspersonen ist die Vergütung konkret zu benennen. Der Verwalter darf nicht – ohne eine Eigentümerversammlung (erneut) zu befragen – eigenmächtig einen ihm vorgegebenen Verhandlungsspielraum bei der Entgeltvereinbarung mit einem Hauswart überschreiten. Ein solches Vorgehen widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung61 und könnte auch zu einer Schadensersatzpflicht des Verwalters führen.

17.99

Besonderes Augenmerk sollten der Verwalter und die Eigentümergemeinschaft auf die Einhaltung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) richten.62 Das MiLoG gilt seit 2014 für alle Arbeitnehmer – mit nur geringen Einschränkungen, die für Eigentümergemeinschaften jedoch nicht einschlägig sein können (vgl. § 22 MiLoG) – und auch (selbstverständlich) für alle Arbeitgeber, also auch für Wohnungseigentümergemeinschaften. Das MiLoG gilt – und das verkennen sehr viele Eigentümer und Verwalter – auch für alle Teilzeit-, Aushilfskräfte und „Minijobber“.63 Nach § 20 MiLoG sind Arbeitgeber (also auch Wohnungseigentümergemeinschaften) verpflichtet, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns zu zahlen.

17.100

Der Mindestlohn wird alle zwei Jahre von einer Mindestlohn-Kommission überprüft und festgesetzt; ihr gehören jeweils drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertreter an (§§ 4 bis 12 MiLoG). Für 2019 beträgt die Mindestlohnhöhe v 9,19 je Arbeitsstunden/Brutto; in 2020 wird der gesetzliche Mindestlohn auf v 9,35 steigen.64

17.101

Es ist gefährlich, gegen das Mindestlohngesetz zu verstoßen – und es entspricht auch woh- 17.102 nungseigentumsrechtlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Eigentümergemeinschaft duldet, dass eine Vergütung gezahlt wird, die unter der Mindestlohngrenze liegt – oder wenn die Eigentümergemeinschaft sogar einen Vertrag durch Beschluss genehmigt, bei dem eine Unterschreitung des Mindestlohnes festzustellen ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches des MiLoG haben die Eigentümer bei der Einstellung von Betreuungspersonen einen wohnungseigentumsrechtlichen Ermessensspielraum hinsichtlich der Vergütungshöhe.65

17.103

Verstöße gegen das MiLoG sind Ordnungswidrigkeiten – so z.B., wenn gegen § 20 MiLoG 17.104 verstoßen wird, also der Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird, § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG. Diese Ordnungswidrigkeit ist mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 v (fünfhunderttausend Euro) bedroht, § 21 Abs. 3 MiLoG. Sozialversicherungsrechtlich richtet sich die Beitragspflicht für das laufende Arbeitsentgelt nach dem Entstehungsprinzip (nicht nach dem Zuflussprinzip)66. Das bedeutet, dass Beitragspflichten in der Sozialversicherung für laufende Arbeitsentgelte, auf die ein Arbeitneh-

61 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.6.1991 – 3 Wx 182/91, WuM 1991, 619. 62 Vgl. dazu Insam/Hinrichs/Tacou, Der Mindestlohn für Arbeitnehmer von Werk- bzw. Dienstleistungsunternehmen – Haftung des Auftraggebers um jeden Preis?!, NZA-RR 2014, 569; Popella, Mindestlohngesetz – Herausforderung und Risiken für Immobilienverwalter, ZWE 2015, 163; Rudkowski, Mindestlohn bei der Verwaltung von Wohnungseigentum, ZWE 2015, 11. 63 Vgl. hierzu auch Jöris, (K)ein Job wie jeder andere?, AuA 2014, 606. 64 Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV2) vom 13.11.2018, BGBl. I S. 1876. 65 BayObLG, Beschl. v. 10.1.1997 – 2Z BR 35/96, WuM 1997, 234 = ZMR 1997, 256 = NJW-RR 1997, 715. 66 Sozialversicherungsrechtlich gilt das Zuflussprinzip bei Einmalzahlungen.

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1051

17.105

Teil 17 Rz. 17.105

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

mer Anspruch hat, schon dann entstehen – und die Beiträge auch abzuführen sind –, wenn die Vergütung noch gar nicht gezahlt wurde.

17.106 Deshalb besteht eine weitere Gefahr, die sich aus § 266a StGB ergibt. § 266a Abs. 1 StGB: „Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

17.107 Werden Mindestlöhne nicht ausgezahlt, entstehen gleichwohl Ansprüche der Sozialversicherungsträger auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) für die gesetzlich geschuldeten Mindestlöhne. Werden diese nicht abgeführt, kann das eine Straftat nach § 266a StGB darstellen.67

17.108 Im Zusammenhang mit der behördlichen Feststellungsmöglichkeit, ob der Mindestlohn auch gezahlt wird, steht eine Verpflichtung der Arbeitgeber zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Nach § 17 MiLoG muss der Arbeitgeber nämlich Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit für alle Beschäftigten festhalten.68 Die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit muss spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages erfolgt sein. Die Aufzeichnungen sind dann für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren – beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt – aufzubewahren. Ein Verstoß gegen diese Aufzeichnungspflicht stellt ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar; sie ist allerding „nur“ mit einer Geldbuße von 30.000 v bedroht, § 21 Abs. 3 MiLoG.

17.109 Es ist in jedem Fall sehr genau vom Verwalter (aber auch von der Eigentümerversammlung) zu prüfen, ob durch offene oder auch versteckte Arbeitszeitausweitungen der Mindestlohn unterschritten wird. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass zusätzliche Arbeitsstunden – über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus – geleistet werden, das vereinbarte Festgehalt aber nicht verändert und auch keine gesonderte Vergütung für die Zusatzstunden gezahlt wird.

17.110 Der Anspruch auf Mindestlohn ist unabdingbar, § 3 MiLoG: „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 [MiLoG] nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.“

67 BGH, Urt. v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385 = wistra 2012, 468 = GuT 2013, 144; vgl. auch Astor-Sauvigny, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortung des Arbeitgebers bei Mindestlohnverstößen unter besonderer Berücksichtigung des § 266a StGB, Diss. 2016 (Universität Mannheim). 68 Vgl. zur allgemeinen Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, die Aufzeichnung von Arbeitszeiten anzuordnen, die Entscheidung der Großen Kammer des EuGH vom 14.5.2019 (Rechtssache C-55/18, MDR 2019, 678 = NZA 2019, 683; Entscheidungstext auch unter „curia.europa.eu“). Eine fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung verstößt gegen die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003. Diese Entscheidung konnte aufgrund der Schlussanträge des Generalanwalts vom 31.1.2019 in dieser Sache nicht überraschen.

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Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.117 Teil 17

6. Überstundenvergütung Im Arbeitsvertrag wird die zu leistende Arbeitszeit festgelegt. Nur für diese festgelegte Zeit steht ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für Arbeitsleistungen zur Verfügung. Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist ein Arbeitgeber nicht (ohne weitere Voraussetzungen) berechtigt, die Leistung von Überstunden anzuordnen.

17.111

Eine solche Voraussetzung kann bei einer Notlage des Arbeitgebers vorliegen (bei Eigentü- 17.112 mergemeinschaft z.B. der Ausfall der Heizung im Winter oder bei einem Wasserrohrbruch). Ist nämlich im Arbeitsvertrag keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Ableistung von Überstunden (Mehrarbeit) vereinbart worden, ist ein Arbeitgeber zur Anordnung von Überstunden nur berechtigt – und der Arbeitnehmer zu einer solchen Leistung nur verpflichte – wenn Treu und Glauben das zulässt und gebietet, z.B. bei der erwähnten Notlage des Arbeitgebers, der anders als mit Anordnung von Überstunden nicht begegnet werden kann. Die Anordnungsmöglichkeit von Überstunden sollte demnach im Arbeitsvertrag – insbesondere, wenn es sich um einen Vertrag mit einem Hausmeister oder Hauswart handelt – konkret geregelt werden. Diese Anordnungsmöglichkeit bedarf aber einer sehr genauen Formulierung, die auf die konkreten Bedürfnisse der Eigentümergemeinschaft ausgerichtet sein muss. Solche Klauseln müssen einer möglichen Inhaltskontrolle nach AGB-Regeln standhalten, insbesondere dürfen sie nicht überraschend sein. Eine Formulierung „Der Arbeitgeber (Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter) ist berechtigt, bei dringenden betrieblichen Erfordernissen Überstunden anzuordnen“ scheint mir nicht klar genug zu sein. Es sollten die aufgrund der Erfahrung des Verwalters möglichen Fälle von zusätzlichen Einsatznotwendigkeiten und die sich daraus ergebenden Anordnungsbefugnis beschrieben werden.

17.113

Eine Regelung die vorsieht, dass „der Beirat“ Überstunden anordnen kann, empfehle ich nicht. Die Anordnungsbefugnis sollte beim Verwalter bleiben.

17.114

Im Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsbereich findet man häufig Arbeitsverträge, in denen eine Anordnungsbefugnis mit einer Pauschal-Abgeltungsregelung verbunden ist. Eine typische arbeitsvertragliche Regelung (zusätzlich zu der zuvor geschilderten Regelung): „Die ersten 10 Überstunden pro Monat sind bereits im Bruttomonatsentgelt enthalten und werden nicht gesondert vergütet bzw. durch Freizeit ersetzt.“69

17.115

Diese Abgeltungsregelung ist, so das BAG, nicht ungewöhnlich und unterliegt auch nicht der ABG-Kontrolle, weil es sich um eine Klausel handelt, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung (Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt) festlegt und es nicht Aufgabe des Gerichts sein kann, über die §§ 305 ff. BGB eine „gerechten Preis“ für die Überstunden zu ermitteln.70

17.116

Ob aber eine kombinierte Regelung (Anordnungsbefugnis und pauschale Abgeltungsregelung) gegen AGB-Regelungen verstößt, ist arbeitsrechtlich weiterhin unklar, denn das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage offen gelassen.71 Ich gehe von einem AGB-Verstoß aus.

17.117

69 Vgl. z.B. LAG Hamm, Urt. v. 22.5.2012 – 19 Sa 1720/11, LAGE § 611 BGB 2002 Überarbeit Nr. 4. 70 BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 332/11, BAGE 141, 324 = NZA 2012, 908 = MDR 2012, 1102; vgl. auch LAG Hamm, Urt. v. 22.5.2012 – 19 Sa 1720/11, LAGE § 611 BGB 2002 Überarbeit Nr. 4. 71 BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 332/11, BAGE 141, 324 = NZA 2012, 908 = MDR 2012, 1102; vgl. aber LAG Hamm, Urt. v. 11.7.2007 – 6 Sa 410/07, AE 2007, 312.

Köhler

1053

Teil 17 Rz. 17.118

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.118 Auch bei der Abgeltungsregelung ist – selbstverständlich – der Mindestlohn nach dem MiLoG zu beachten; durch die Abgeltungsregelung darf der Mindestlohn nicht unterschritten werden.

17.119 Wenn die Eigentümergemeinschaft keine pauschale Abgeltungsklausel verwenden will oder diese nicht beim Arbeitnehmer durchsetzen kann, sollte eine Regelung erfolgen, dass für angeordnete oder mit dem Arbeitnehmer gemeinsam festgelegte Überstundenzeiten eine zusätzliche Vergütung zu zahlen ist (oder zusätzliche Freizeit gewährt wird). Selbstverständlich dürfte sein, dass eine Überstunde mit dem Stundenvergütungssatz abgegolten wird, der sich aus der regelmäßigen Vergütung und den vereinbarten monatlichen Stunden ergibt (siehe Berechnungsmethode unter „Arbeitszeitregelung“).

17.120 Üblich und angemessen ist es, auch noch weitere Vergütungszuschläge zu vereinbaren, z.B. für „normale“ Überstunden ein Zuschlag von 25 %, für Sonntagsarbeit 50 % Zuschlag sowie höhere Zuschläge bei Leistung von Überstunden an hohen Feiertagen (z.B. Ostern, Weihnachten pp). Diese Zuschläge sind im Arbeitsvertrag konkret zu benennen.

17.121 Ein Hinweis erscheint an dieser Stelle notwendig. Viele Arbeitnehmer glauben, wenn sie aus freien Stücken (ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber) mehr Stunden als vertraglich vereinbart leisten, bestünde schon ein Anspruch auf Überstundenvergütung. Das ist allerdings eine Fehlvorstellung. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung von Überstundenvergütung setzt nämlich nicht nur voraus, dass die Überstunden tatsächlich erbracht wurden, sondern auch, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden, oder die Überstunden jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren; der Arbeitnehmer trägt für diese Voraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast.72 7. Sonderleistungen

17.122 Üblich ist in fast allen Branchen, Sonderleistungen zu zahlen, wie zusätzliches Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen. Solche Leistungen sind auch in den Tarifverträgen für die Wohnungswirtschaft fixiert; diese Tarifverträge haben allerdings keine unmittelbare Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse zwischen Wohnungseigentümergemeinschaften und ihren Arbeitnehmern. In Arbeitsverträgen könnte zwar Bezug auf die Tarifverträge genommen werden, was hier aber nicht empfohlen wird. Die Eigentümergemeinschaft sollte besser die Vertragsbedingungen selbstständig aushandeln.

17.123 Für Eigentümergemeinschaften stellt man ganz unterschiedliche vertragliche Abreden mit ihren Arbeitnehmern fest, am häufigsten ist eine Regelung über die Zahlung eines zusätzlichen Weihnachtsgeldes; sehr selten tauchen Regelungen über zusätzliches Urlaubsgeld oder über von der Gemeinschaft zu erbringende vermögenswirksame Leistungen auf.

17.124 Wenn Weihnachtsgeld oder weitere Sonderleistungen gewährt werden sollen, sind diese konkret im Vertrag zu benennen und ihre Zahlungstermine festzulegen. Eventuell ist über Klauseln nachzudenken, die für die Sonderleistung eine Auszahlung verhindern oder eine Rückzahlung bewirken.

72 Vgl. nur BAG, Urt. v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 = NZA 2013, 1100 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.11.2018 – 4 Sa 435/17, Juris.

1054

Köhler

Inhalt des Arbeitsvertrages

Rz. 17.130 Teil 17

Für eine vom Arbeitgeber zusätzlich erbrachte vermögenswirksame Leistung kann keine Auszahlungssperre oder Rückzahlungsklausel vereinbart werden.

17.125

Ist die Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung vereinbart, sollte darauf geachtet werden, dass eine Abhängigkeit zwischen Urlaubsgewährung und zusätzlichem Urlaubsgeld hergestellt wird. Eine solche Akzessorietät ist gegeben, wenn das zusätzliche Urlaubsgeld pro genommenen Urlaubstag gezahlt wird; das Urlaubsgeld hat dann einen von der Arbeitsleistung unabhängigen Charakter.73 Die Vertragsparteien können in diesem Fall auch wirksam vereinbaren, dass die Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist.74 Das zusätzliche Urlaubsgeld muss dann nicht mehr ausgezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde.

17.126

Wird im Arbeitsvertrag die Zahlung eines Weihnachtsgeldes zugesagt, kann daraus die Auszahlungsvoraussetzung abgelesen werden, dass das Arbeitsverhältnis zu Weihnachten noch bestehen soll.75 Außerdem kann die Zahlung auch daran gebunden werden, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende des Geschäftsjahres76 noch besteht.77

17.127

Weihnachtsgeld-Zahlungen können auch mit einer (ausdrücklich zu vereinbarenden) Rückzahlungsklausel versehen werden. Üblich sind Klauseln, die eine Bindung bis zum 31.3. oder zum 30.6. des auf die Zahlung folgenden Jahres vorsehen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu allerdings Grundsätze aufgestellt, die beachtet werden sollten.

17.128

Bei Kleingratifikationen (das BAG sprach 1982 von 200 DM)78 ist keine Rückzahlungsklausel möglich. Ist der Zahlungsbetrag höher als der Betrag einer Kleingratifikation, erreicht aber nicht eine Monatsvergütung, kann eine Bindung bis zum 31.3. des auf die Zahlung folgenden Jahres vereinbart werden.79 Nur wenn als Weihnachtsgratifikation ein voller Monatsbezug oder mehr gezahlt wird, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über den 31. März hinaus zulässig.80 Der Arbeitnehmer darf dann aber zum ersten vertraglich zulässigen Termin nach dem 31.3. aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne eine Rückzahlung des Weihnachtsgeldes befürchten zu müssen.81

17.129

8. Urlaubsregelung Die vertragliche Regelung mit Betreuungspersonen der Eigentümergemeinschaft sollte auch Regelungen über die Urlaubsdauer und – jedenfalls beim Hausmeister/Hauswart – auch eine Regelung über den Urlaubszeitpunkt enthalten. Hinsichtlich des Urlaubszeitpunktes wäre es misslich, wenn ein Hausmeister, der für die Schnee- und Eisbeseitigung zuständig sein soll, gerade zur Winterzeit in Urlaub gehen würde.

73 BAG, Urt. v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 = ZTR 2014, 737. 74 BAG, Urt. v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 = ZTR 2014, 737. 75 BAG, Urt. v. 30.3.1994 – 10 AZR 134/93, AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation = NZA 1994, 651 = NJW 1994, 2911. 76 Wohnungseigentümergemeinschaft: „Wirtschaftsjahr“. 77 BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, DB 2009, 1601 = NZA 2009, 783. 78 BAG. Urt. v. 17.3.1982 – 5 AZR 1250/79, BAGE 38, 178 = MDR 1983, 84; vgl. auch BAG, Urt. v. 17.3.1982 – 5 AZR 1185/79, DB 1982, 1881 (dort 250 DM). 79 BAG, Urt. v. 9.6.1993 – 10 AZR 529/92, BAGE 73, 217 = MDR 1993, 1211 = NZA 1993, 935. 80 BAG, Urt. v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02, BAGE 106, 159 = MDR 2003, 1297 = DB 2004, 82. 81 BAG, Urt. v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03, BAGE 110, 244 = NZA 2004, 924 = MDR 2004, 1061.

Köhler

1055

17.130

Teil 17 Rz. 17.131

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.131 An dieser Stelle soll noch einmal der Hinweis darauf erfolgen, dass alle Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaft, gleichgültig ob hauptberuflich oder nebenberuflich in Vollzeit oder Teilzeit tätig, Anspruch auf Urlaub (bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht) haben. Ein solcher Anspruch kann auch nicht durch Vertrag abbedungen werden, § 13 Abs. 1 Satz BUrlG.

17.132 Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt nach § 3 Abs. 1 BUrlG 24 Werktage. In den schon mehrfach erwähnten Tarifverträgen der Wohnungswirtschaft sind 30 Arbeitstage vereinbart.

17.133 Bei Teilzeitarbeitnehmern ist die Berechnung der ihnen zustehenden Urlaubstage stets mit Rechenoperationen verbunden. Nehmen wir an, die Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaft arbeiten immer nur an den Werktagen außer Samstag. Gesetzlich besteht dann ein Anspruch auf 4 Wochen Urlaub (24 Werktage = 20 Arbeitstage). Arbeitet jemand in Teilzeit, und zwar regelmäßig an zwei Tagen in der Woche, hat die Teilzeitkraft Anspruch auf vier Wochen Urlaub (Befreiung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung). Würde der Urlaub tageweise genommen, bestünde ein Anspruch auf Befreiung von der Arbeitsleistung an 8 Tagen, an denen hätte gearbeitet werden müssen. Dies errechnet sich wie folgt: Nominale Urlaubstage (20 Arbeitstage) geteilt durch die übliche Arbeitstage pro Woche (5 AT), multipliziert mit den tatsächlich zu leistenden Arbeitstagen in der Woche (2 AT). 9. Kündigungsfristen

17.134 Von Bedeutung ist die Festlegung der Kündigungsfristen, und zwar für eine Probezeit und für die Zeit nach erfolgreicher Probezeit.

17.135 Grundsätzlich kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers von beiden Seiten mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden (Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB).

17.136 In einer vereinbarten Probezeit, längsten aber für die Dauer von 6 Monaten, kann von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Das sollte so auch im Vertrag aufgenommen werden.

17.137 Nach Ablauf der Probezeit können sich die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von Gesetzes wegen unterschiedlich entwickeln; § 622 BGB. Für Arbeitnehmer bleibt es für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB, während für die Kündigung durch den Arbeitgeber die zurückgelegte Dauer des Arbeitsverhältnisses entscheidend ist. In der letzten Stufe mit der längsten gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 2 BGB) beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 20 Jahren 7 Monate.

17.138 Die Eigentümergemeinschaft als „Kleinbetriebs“-Arbeitgeberin (weniger als 20 Arbeitnehmer, vgl. § 622 Abs. 5 BGB) kann durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag lediglich die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB abändern, wobei die Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer nicht länger als für den Arbeitgeber sein darf (§ 622 Abs. 6 BGB: „Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.“).

17.139 Eine solche Abänderung mag für einzelne Arbeitsverhältnisse, die von Eigentümergemeinschaften begründet werden, sinnvoll sein. Für wichtigere Betreuungspersonen, wie Hausmeister, kann das nicht empfohlen werden. 1056

Köhler

Gesetzlich geregelte Arbeitnehmeransprüche und Schutzvorschriften

Rz. 17.146 Teil 17

Eine Verkürzung der für Arbeitgeber gesetzlich verlängerten Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB ist nur durch Tarifvertrag möglich oder durch einzelvertragliche Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag, was aber für eine Eigentümergemeinschaft ausscheidet. Eine vertragliche Abänderung der gesetzlich für den Arbeitgeber verlängerten Kündigungsfristen ist also nicht möglich.82

17.140

Möglich ist durch arbeitsvertragliche Regelung allerdings eine mit den verlängerten Arbeitgeber-Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB kongruente Verlängerung der Fristen für den Arbeitnehmer. Zu beachten ist, dass die Fristen für den Arbeitnehmer nicht länger sein dürfen als für den Arbeitgeber (Fristenparität, § 622 Abs. 6 BGB).

17.141

VII. Gesetzlich geregelte Arbeitnehmeransprüche und Schutzvorschriften (Lohnfortzahlung/Mutterschutz/Elternzeit) Arbeitnehmer der Eigentümergemeinschaft haben, wie alle anderen Arbeitnehmer außerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften auch, arbeitsrechtliche Ansprüche. Wie schon mehrfach erwähnt, ist der Irrglaube weit verbreitet, Arbeitnehmer in „Kleinbetrieben“ oder Aushilfskräfte oder Teilzeitkräfte hätten geringere Rechte als Vollzeit-Arbeitsnehmer in Industrie, Handel, Handwerk, Dienstleistung usw. Eine Nichtbeachtung gesetzlicher Ansprüche kann durchaus bittere und teure Folgen haben.

17.142

Jede Nichtbeachtung gesetzlich geregelter Ansprüche und Schutzvorschriften durch Organe der Eigentümergemeinschaft – Verwalter und/oder Wohnungseigentümerversammlung – widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.

17.143

Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für eine Eigentümergemeinschaft tätig sind, haben einen gesetzlichen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle sowie Anspruch auf Feiertags-Vergütung.

17.144

Gegen die Bestimmungen des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz – EntgFG), welches diese unabdingbaren Ansprüche (§ 12 EntgFG) regelt, wird leider sehr häufig verstoßen – insbesondere bei Arbeitsverhältnissen, die geringfügig sind oder die Teilzeitkräfte betreffen.

17.145

Das ist schon deshalb nicht verständlich und auch wohnungseigentumsrechtlich nicht tolerierbar, weil die als Arbeitgeberin auftretende Wohnungseigentümergemeinschaft sowohl bei Krankheit ihrer Arbeitnehmer als auch bei schwangerschaftsbedingtem Ausfall von Arbeitnehmerinnen einen Ausgleich durch das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG)83 erhalten kann. Bei Kleinbetrieben (nach dem AAG nicht mehr als 30 Arbeitnehmer) werden von den Krankenkassen nach § 1 AAG 80 %84 des im Krankheitsfalle gezahlten Arbeitsentgelts sowie die Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung erstattet, wie auch in vollem Umfang den gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld sowie das bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt.

17.146

82 BAG, Urt. v. 29.1.2015 – 2 AZR 280/14, BAGE 150, 337 = NZA 2015, 673 = NJW 2015, 2205. 83 Aufwendungsausgleichsgesetz vom 22.12.2005 (BGBl. I S. 3686), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 10 des Gesetzes vom 23.5.2017 (BGBl. I S. 1228). 84 Statt dieses %-Satzes können die Krankenkassen durch Satzung einen geringeren Erstattungssatz bei den Lohnfortzahlungskosten im Krankheitsfalle festlegen, § 9 Abs. 2 AAG.

Köhler

1057

Teil 17 Rz. 17.147

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.147 Die für die Krankenkassen entstehenden Kosten werden nach dem Kostendeckungsprinzip durch Umlagen auf die beteiligten Arbeitgeber umgelegt (Umlagen U1 und U2 – die Umlage U1 betrifft die Entgeltfortzahlungskosten bei Krankheit, die Umlage U2 die Erstattung der Aufwendungen bei Mutterschaft), vgl. § 7 AAG.85

17.148 Fällt bei einer Teilzeitkraft, die arbeitsvertraglich in der Woche nur an bestimmten Tagen arbeiten muss, der Arbeitstag auf einen gesetzlichen Feiertag (gleich ob bundesweiter oder regionaler gesetzlicher Feiertag), besteht auch für diesen Tag ein Lohnanspruch (und zwar in der Vergütungshöhe, wie sie bei tatsächlicher Arbeitsleistung angefallen wäre). Die eigentlich zu leistende Arbeitszeit muss aber gerade wegen des gesetzlichen Feiertages ausfallen.

17.149 Im Krankheitsfalle hat ein Arbeitnehmer (Vollzeit-, Teilzeit-, Aushilfsarbeitnehmer) einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von 6 Wochen, § 3 Abs. 1 EntgFG. Für neu eingestellte Arbeitnehmer gilt eine Wartezeit von 4 Wochen, so dass ein Arbeitnehmer bei Erkrankung in den ersten vier Wochen des Beschäftigungsverhältnisses einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst ab dem ersten Tag der 5. Woche hat – dann aber für die gesetzliche Dauer von 6 Wochen.86 Die Dauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung verringert sich also nicht um die ersten vier Wochen.

17.150 § 5 EntgFG regelt die Pflicht eines Arbeitnehmers, seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“

17.151 Arbeitnehmer sind, wie sich aus dem Gesetz ergibt, verpflichtet, der Arbeitgeberin (Eigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter) die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen, was zumindest telefonisch erfolgen muss. Es ist empfehlenswert, im Arbeitsvertrag nicht nur die Methode für die Erst-Information konkret festzulegen, sondern auch die Frist für die Vorlagepflicht einer ärztlichen Bescheinigung zu verkürzen und zu regeln, dass eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen und unverzüglich an den Verwalter87 zu übermitteln ist.

17.152 Nach § 7 EntgFG kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern, solange der Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachkommt – es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Verletzung seiner Pflicht nicht zu vertreten. Es handelt sich für den Arbeitgeber nur um ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht, hat der Arbeitnehmer nämlich seine Pflicht später erfüllt und die Arbeitsunfähigkeit für den gesamten Zeitraum nachgewiesen, ist die Vergütung nachzuzahlen.

85 Zu weiteren Einzelheiten vgl. Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, Stand 4/2018, Kap. 6, S. 357 ff. und Ruppelt in Küttner, Personalbuch 2018, Stichwort „Kleinbetrieb“ – unter „Sozialversicherungsrecht“. 86 BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 476/98, BAGE 91, 370 = NZA 1999, 1273 = VersR 2000, 345. 87 Dessen Namen und Anschrift dem Arbeitnehmer bei einem Verwalterwechsel nach Abschluss des Arbeitsvertrages nachweisbar mitgeteilt werden muss.

1058

Köhler

Gesetzlich geregelte Arbeitnehmeransprüche und Schutzvorschriften

Rz. 17.159 Teil 17

Das Mutterschutzgesetz schützt alle Frauen, die einer Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV88 nachgehen. Damit ist selbstverständlich verbunden, dass auch die Wohnungseigentümergemeinschaft die Schutzbestimmungen des MuSchG beachten muss.

17.153

Grundsätzlich ist eine Arbeitnehmerin der Eigentümergemeinschaft nicht verpflichtet, der Eigentümergemeinschaft Mitteilung von der Schwangerschaft zu machen. „Berechtigte Interessen“ der Eigentümergemeinschaft an einer Information bestehen in der Regel nicht. Wenn die Arbeitnehmerin über die Schwangerschaft informiert, muss der Verwalter nach § 27 MuSchG der zuständigen Aufsichtsbehörde89 unverzüglich Mitteilung machen, „Dritten“ jedoch darf er die Informationen nicht unbefugt weitergeben. Als „Dritte“ in diesem Sinne können nicht die Eigentümerversammlung oder der Verwaltungsbeirat angesehen werden; allerdings dürfte es selbstverständlich sein, dass die Information diesen Gremien gegenüber in angemessener Form erfolgt.

17.154

Bei Vorliegen einer Schwangerschaft sind wichtige Schutzvorschriften für die werdende Mutter zu beachten (vgl. zu den Einzelheiten §§ 3–7 und §§ 9–15 MuSchG), bei deren Nichtbeachtung Geldbußen nach dem OWiG oder sogar Strafen drohen, vgl. §§ 32 und 33 MuSchG.

17.155

Es besteht ein absolutes Kündigungsverbot (§ 17 MuSchG); eine Kündigung, die gleichwohl 17.156 ausgesprochen wird, ist nichtig (wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird). In den letzten sechs Wochen vor der Niederkunft besteht ein relatives Beschäftigungsverbot. Der Arbeitgeber darf nämlich die Schwangere nicht beschäftigen, soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt hat.90 Nach der Entbindung besteht für die Dauer von 8 Wochen91 ein absolutes Beschäftigungsverbot. Auch wenn die Frau sich zur Arbeitsleistung bereit erklärt haben sollte, darf sie nach der Entbindung nicht beschäftigt werden.

17.157

Im Falle eines Beschäftigungsverbotes, auch eines solchen nach § 16 MuSchG (ärztliches Beschäftigungsverbot), kann die Eigentümergemeinschaft, wie schon oben bei der Lohnfortzahlung beschrieben, nach dem AAG eine Erstattung der Lohnkosten von der Krankenkasse erlangen.

17.158

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Eigentümergemeinschaft – z.B. ein Hausmeister oder eine Hausmeisterin – können auch Elternzeit (vgl. §§ 15–21 BEEG92) in Anspruch nehmen und sind in dieser Zeit vor einer Kündigung geschützt, § 18 BEEG.

17.159

88 § 7 Abs. 1 SGB IV: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“ 89 Welche Aufsichtsbehörde in den Bundesländern zuständig ist, kann auf der Internetseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frau und Jugend, unter „Themen – Familie – Familienleistungen – Mutterschaftsleistungen“ ermittelt werden. 90 Diese Bereitschaftserklärung kann von der Schwangeren jederzeit widerrufen werden. 91 Auf 12 Wochen verlängerte Frist bei Frühgeburt, Mehrlingsgeburten, Behinderung des Kindes, § 3 Abs. 2 MuSchG. 92 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.1.2015 (BGBl. I S. 33), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 9 des Gesetzes vom 23.5.2017 (BGBl. I S. 1228).

Köhler

1059

Teil 17 Rz. 17.160

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.160 Urlaubsansprüche können für die Elternzeit vom Arbeitgeber anteilig (1/12 für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit) gekürzt werden, vgl. § 17 BEEG. Diese Erklärung muss aber vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem/der Arbeitnehmer(in) zugegangen sein.93

17.161 Ein Verwalter würde sich gegenüber der Eigentümergemeinschaft schadensersatzpflichtig machen, wenn er die Eigentümerversammlung nicht über die Möglichkeit der Abgabe einer solchen Erklärung informiert oder sie – wenn die Gemeinschaft eine solche Erklärung beschlossen und den Verwalter zur Abgabe beauftragt und bevollmächtigt hat – nicht rechtzeitig abgibt. Der Verwalter sollte deshalb frühzeitig die Eigentümerversammlung hierüber informieren und keinesfalls versäumen, die Erklärung während der laufenden Elternzeit abzugeben.

VIII. Wohnraumüberlassung 17.162 In größeren Eigentümergemeinschaften gibt es durchaus Fälle, in denen die Gemeinschaft einem Hausmeister oder einer Hausmeisterin eine Wohnung zur Verfügung stellen will. Manche Teilungserklärungen sehen vor, dass eine bestimmte Wohnungseigentumseinheit im Gemeinschaftseigentum verbleibt und als Hausmeisterwohnung verwendet werden soll.94 Es gibt aber auch Fälle, in denen die Eigentümergemeinschaft von einem Wohnungseigentümer eine Wohnung anmietet, um diese dann dem/der Hausmeister(in) zur Verfügung zu stellen.

17.163 Ob die Anmietung einer nicht im Gemeinschaftseigentum stehenden Wohnung zur Weitervermietung an Hausmeister als ordnungsmäßige Verwaltung betrachtet werden kann, hängt entscheidend ab von der Größe des gemeinschaftlichen Objekts, von der damit zusammenhängenden Betreuungsnotwendigkeit, einer Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und außerdem davon, ob Betreuungspersonen überhaupt bereit sein könnten, in das Objekt der Gemeinschaft einzuziehen. Die Frage nach der Ordnungsmäßigkeit kann also nur im Einzelfall und nicht generell mit Ja oder Nein beantwortet werden.

17.164 Unterscheiden wird zwischen einer Werkmietwohnung (§ 576 BGB) und einer Werkdienstwohnung (§ 576b BGB).95 Bei dem ersten Typ wird aus Anlass des Arbeitsvertrages neben dem Arbeitsvertrag auch noch ein separater Mietvertrag geschlossen;96 beim zweiten Typ wird kein gesonderter Mietvertrag geschlossen, sondern die Wohnungsüberlassung wird ausschließlich im Arbeitsvertrag geregelt.

93 BAG, Urt. v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, BAGE 151, 360 = NZA 2015, 989 = MDR 2015, 1307. 94 Vgl. zu den zahlreichen arbeits- und wohnungseigentumsrechtlichen Aspekten: Weimar, Der Hausmeister bei Eigentümergemeinschaften, DWE 1978, 45; Köhler, Wohnraumüberlassung durch die Gemeinschaft an den Hausmeister (Vortrag beim 24. Fachgespräch des ESW 1998), PiG Bd. 56 (1999), S. 181 = WE 1999, 55; Köhler, Die Praxis des Arbeitsrechts bei der WohnungseigentumsVerwaltung, Bärmann/Seuß, 4. Aufl. (1999), Ergänzungsband, Teil H., Seite 62 ff. (umfassende Darstellung zu den Problemen); Riecke, Problemfall Hausmeisterwohnung: Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum – Werkmiet- bzw. Werkdienstwohnung – Miet- und Gehaltsabrechnung – Kostenverteilung, WuM 2003, 663; Kahlen, Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Vermieter, ZMR 2005, 766; Drasdo, Die Abrechnung der Betriebskosten der Hausmeisterwohnung und des Verwaltungsbüros in der Wohnungseigentümergemeinschaft, WuM 2018, 185; Griese in Küttner, Personalbuch 2018, Stichwort „Dienstwohnung“. 95 Zur Abgrenzung siehe auch LAG Köln, Urt. v. 4.3.2008 – 11 Sa 582/07, ZMR 2008, 963. 96 Vgl. auch Bruns, Die Werkmietwohnung, NZM 2014, 535.

1060

Köhler

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Rz. 17.171 Teil 17

Mieterhöhungen können bei der Werkmietwohnung nach den Vorgaben der §§ 557 ff. BGB 17.165 verlangt werden, weil ein vom Arbeitsvertrag gesondertes Mietverhältnis begründet wurde. Bei der Werkdienstwohnung scheidet jedoch ein solches Erhöhungsverlangen mangels eines selbstständigen Mietvertragsverhältnisses aus.97 Bei einer Kündigung von Werkswohnungen gelten hinsichtlich der mietrechtlichen Seite die §§ 576, 576b BGB.

17.166

Arbeitsrechtlich ist es möglich, das Mietverhältnis für die Werkmietwohnung unabhängig vom Fortbestehen des Arbeitsvertrages durch Kündigung zu beenden. Ist allerdings eine Benutzungspflicht für die Wohnung arbeitsvertraglich vereinbart, ist eine solche Kündigung arbeitsrechtlich nicht möglich.

17.167

Eine separate Kündigung der Wohnung ist bei Werkdienstwohnungen nicht möglich, es kann nur das Arbeitsverhältnis insgesamt aufgekündigt werden. Würde nur die Wohnung gekündigt, stellte das eine unzulässig Teilkündigung dar.98 Zu beachten ist bei der Werkdienstwohnung § 576b BGB – die einschlägigen mietrechtlichen Schutzvorschriften für die Beendigung eines Mietverhältnisses sind auch bei dieser Wohnung zu beachten.99

17.168

Für Streitigkeiten über Werkdienstwohnungen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.100 Das erklärt sich daraus, dass bei der Werkdienstwohnung die mietrechtliche Seite in den Arbeitsvertrag integriert ist und kein eigenständiges Mietverhältnis besteht.

17.169

IX. Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. Grundsätzliches zu Kündigungsgründen Häufig wird von Verwaltern und Verwaltungsbeiräten die Frage gestellt, welche Gründe für die Kündigung eines Arbeitnehmers der Eigentümergemeinschaft vorliegen müssen, um das Arbeitsverhältnis wirksam kündigen zu können.

17.170

Die durchaus strengen Vorgaben des KSchG sind für Eigentümergemeinschaften nicht einschlägig, denn es ist kaum vorstellbar, dass das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die niedrige Zahl von Arbeitnehmern – und die Kleinbetriebsklausel in § 23 KSchG – bei Eigentümergemeinschaften Anwendung finden könnte.101 Die Eigentümer sind deshalb bei einer Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses relativ frei und müssen die Voraussetzungen des KSchG für eine Kündigung nicht einhalten.

17.171

97 Vgl. BAG, Urt. v. 15.12.1992 – 1 AZR 308/92, WuM 1994, 353 = PersR 1993, 468; ArbG Nürnberg, Urt. v. 11.10.2012 – 9 Ca 663/12, WuM 2013, 239; vgl. auch Pitz-Paal, Mieterhöhung bei Hauswartdienstwohnung nach beendetem Hauswartvertrag, Grundeigentum 2009, 1230. 98 LAG Hamm, Urt. v. 11.6.2012 – 17 Sa 1100/11, Juris. 99 BAG, Urt. v. 18.9.2007 – 9 AZR 822/06, BAGE 124, 92 = ZTR 2008, 382. 100 LAG Köln, Beschl. v. 12.7.2018 – 9 Ta 102/18, Juris; LG Berlin, Beschl. v. 29.11.2012 – 63 T 198/12, ZMR 2013, 533, Anm. Riecke, IMR 2013, 177 und Wink, Info M 2013, 197. 101 Vgl. dazu die Grenzen des § 23 KSchG: 5 oder 10 Arbeitnehmer, je nachdem, ob es sich um Alt- oder Neu-Arbeitnehmer handelt (Beginn des Arbeitsverhältnisses vor oder nach dem 31.12.2003); zu den arbeitsrechtlichen Einzelheiten: Quecke in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., 2018, § 23 KSchG, Rz. 7 ff.

Köhler

1061

Teil 17 Rz. 17.172

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.172 Die Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG ist verfassungsgemäß; der Gesetzgeber war befugt, eine solche Klausel in das Gesetz aufzunehmen. Die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben sind aber auch nicht völlig schutzlos einer Kündigung ausgeliefert, sondern werden durch die zivilrechtlichen Generalklauseln, §§ 138 und 242 BGB, vor sittenwidrigen oder treuwidrigen Kündigungen geschützt.102 Auch aus § 612a BGB (Maßregelungsverbot) ergibt sich ein Schutz für Kleinbetriebs-Arbeitnehmer.

17.173 Verstöße gegen das Maßregelungsverbot im Zusammenhang mit Kündigungen von Arbeitsverhältnissen zeigen exemplarisch zwei Entscheidungen. Das LAG Chemnitz erklärte eine Kündigung eines Arbeitgebers für unwirksam, der einer Arbeitnehmerin (Disponentin einer Funkzentrale) kündigte, weil sie sich nach Einführung des Mindestlohngesetzes weigert, ein Vertragsänderungsangebot anzunehmen, mit der das MiLoG umgangen werden sollte.103 Im zweiten Fall, den das Arbeitsgericht Berlin zu entscheiden hatte, ging es um einen Hauswart einer Wohnungseigentümergemeinschaft, der seit Jahren mit einer monatlichen Vergütung von 315 t bei 14 Wochenstunden beschäftigt wurde (Stundensatz demnach t 5,19). Nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes ging es in Verhandlungen der streitenden Parteien um eine Anpassung der Vergütung an die Stundensätze des Mindestlohngesetzes. Die Arbeitgeberin bot daraufhin einen geänderten Arbeitsvertrag an, in dem die Vergütung nunmehr 325 t betragen sollte, die monatliche Arbeitszeit sollte jedoch nur noch 32 Stunden betragen. Als der Arbeitnehmer die Unterzeichnung ablehnte, wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Diese Kündigung wurde völlig zu Recht vom Arbeitsgericht Berlin für unwirksam erklärt.104

17.174 Sittenwidrige Kündigungen sind in der Arbeitswelt kaum zu finden. Bei der Beurteilung, ob eine sittenwidrige Kündigung vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Sittenwidrigkeit einer Kündigung kann jedenfalls nicht auf Gründe gestützt werden, die in den Schutzbereich des KSchG fallen. Sittenwidrigkeit ist nur in krassen Fällen anzunehmen, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.105

17.175 Typische Tatbestände treuwidriger Kündigungen, die gegen § 242 BGB verstoßen, sind ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form und eine Kündigung, die den Arbeitnehmer diskriminiert.106 Auch eine Kündigung, die nur dazu dient, zivilrechtliche Zahlungsansprüche eines Hauswarts aus dem Mietvertrag abzuwehren, verstößt gegen Treu und Glauben, § 242 BGB.107

102 BVerfG, Beschl. v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97,69 = BGBl I 1998, 742 = NJW 1998, 1475. 103 Sächs. LAG (Chemnitz), Urt. v. 24.6.2015 – 2 Sa 156/15, Juris = ArbuR 2015, 417. 104 ArbG Berlin, TeilUrt. v. 17.4.2015 – 28 Ca 2405/15, Juris (mit beeindruckender Begründung und umfassenden Zitat-Darstellungen); die von der Beklagten eingelegte Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg (21 Sa 923/15) wurde zurückgenommen. 105 Vgl. nur BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 2 AZR 15/00, BAGE 97, 92 = MDR 2001, 941 = NZA 2001, 833; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.9.2016 – 7 Sa 18/17, Juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.5.2016 – 14 Sa 82/16, LAGE § 23 KSchG Nr. 29. 106 BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 2 AZR 15/00, BAGE 97, 92 = MDR 2001, 941 = NZA 2001, 833; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 8.5.2012 – 5 Sa 168/11, Juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 24.1.2012 – 5 Sa 153/11, Juris = NZA-RR 2012, 475 (LS); vgl. auch Uhl, Anwendbarkeit und Rechtsfolgen des § 15 AGG bei diskriminierenden Kündigungen, Diss. 2016 (Universität Augsburg). 107 LAG Berlin, Urt. v. 24.3.1988 – 4 Sa 5/88, Juris = MM 1988, 25.

1062

Köhler

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Rz. 17.180 Teil 17

Arbeitnehmer in Kleinbetrieben versuchen häufig, die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes zu erreichen, was aber regelmäßig nicht zum Erfolg führt. So auch der Hausmeister einer großen Eigentümergemeinschaft mit ca. 450 Sondereigentumseinheiten, der versuchte, einen gemeinsamen Betrieb zu konstruieren, bestehend aus der Eigentümergemeinschaft und dem Betrieb des Verwalters. Bei einer solchen Konstruktion wäre aufgrund der zusammengerechneten Beschäftigtenzahl tatsächlich das Kündigungsschutzgesetz anwendbar gewesen. Die von dem beschäftigten Hausmeister vorgenommene Konstruktion ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen,108 blieb aber in allen drei arbeitsrechtlichen Instanzen erfolglos.109 Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist kündigungsrechtlich als eigenständige Arbeitgeberin anzusehen.

17.176

2. Ordentliche/fristlose Kündigung – Form der Kündigung Auf die Kündigungsfristen für eine ordentliche Kündigung, die in § 622 BGB aufgeführt sind, wurde bereits oben hingewiesen. Diese Kündigungsfristen sind auch im Kleinbetrieb einzuhalten, weshalb es für den Verwalter wichtig ist, frühzeitig eine Entscheidung über eine ordentliche Kündigung herbeizuführen.

17.177

Für eine fristlose Kündigung gilt § 626 BGB. Danach kann jeder Vertragspartner das Arbeitsverhältnis kündigen, wenn ihm – aufgrund von Tatsachen – die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf einer (ordentlichen) Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten ist.

17.178

Auf ein Abmahnungserfordernis als Vorstufe einer fristlosen Kündigung wurde bereits oben 17.178a (unter „3. Vertragspartner auf der Arbeitnehmerseite“) hingewiesen. Entspricht die erteilte Abmahnung nicht den notwendigen Erfordernissen, kann das dazu führen, dass eine fristlose Kündigung arbeitsrechtlich nicht haltbar ist.

17.179

Notwendiger Inhalt einer Abmahnung: – Eine ganz konkrete Beschreibung des Verhaltens, das beanstandet wird, – Hinweis, dass durch dieses Verhalten arbeitsrechtliche Pflichten verletzt werden, – Aufforderung, für die Zukunft das Verhalten zu ändern, – Hinweis darauf, dass im Wiederholungsfalle mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist (Kündigung). Viele Abmahnungen, die im Streitfall von Verwaltern vorgelegt werden, weisen diese Voraussetzungen nicht auf, sondern sind „verschwommen“ formuliert, inhaltlich unklar oder enthalten keine Konsequenz-Androhung.

108 Vgl. Köhler, Wohnungseigentum und Arbeitsrecht, PiG Bd. 44, 1995 (Vortrag beim 20. Fachgespräch des ESW, 1994) = wohnen (Zeitschrift der Wohnungswirtschaft Bayern) 1995, 158 = WE 1995, 99. 109 ArbG Köln, Urt. v. 16.5.1991 – 14 Ca 298/91; LAG Köln, Urt. v. 6.11.1991 – 7 Sa 627/91, ZMR 1991, 205 = NZA 1992, 413 = LAGE § 23 KSchG Nr 9; BAG, Urt. v. 2.4.1991 – 2 AZR 574/91, WE 1995, 116; vgl. auch BAG, Urt. v. 9.9.1982 – 2 AZR 253/80, BAGE 40, 145 = ZIP 1983, 486 (die Arbeitgeberstellung geht nicht dadurch verloren, dass Arbeitgeberfunktionen teilweise einem Dritten – einer Verwaltungsgesellschaft – übertragen werden).

Köhler

1063

17.180

Teil 17 Rz. 17.181

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.181 Wichtig ist, dass die fristlose Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen erfolgen kann – gerechnet ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kündigungsberechtigte von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Kündigung berechtigen.110

17.182 Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Kündigungsberechtigte, auf den es für die Kenntnis von Kündigungsgründen ankommt, die Wohnungseigentümerversammlung. Sie ist das Organ des Verbandes, das über einen Kündigungsausspruch entscheiden kann. Das Organ Wohnungseigentümerversammlung ist ein Kollegialorgan, das seinen Willen durch Beschluss bilden muss. Für die Wissenszurechnung kommt es deshalb „nur auf die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung an“.111 Entscheidend ist deshalb nur, wann der Eigentümerversammlung die Tatsachen, die zu einer Kündigung berechtigen, „unterbreitet“ werden. Auf frühere Informationen an Wohnungseigentümer/Beirat oder Tagesordnungspunkt-Benennungen in der Einladung kommt es nicht an. Auf diese Weise bleibt der Eigentümerversammlung als dem zur Kündigung befugten Organ in vollem Umfang die gesetzliche Ausschlussfrist als Überlegungsfrist erhalten und wird nicht vorweg ganz oder teilweise durch die Zeit aufgezehrt, die die Einberufung der Versammlung erfordert.112

17.183 Allerdings darf der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Abhaltung einer Eigentümerversammlung nicht unangemessen verzögern, weil die Eigentümergemeinschaft sich sonst so behandeln lassen muss, als sei ihr Beschlussorgan „mit der billiger Weise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden.“113 Das bedeutet, dass ein Verwalter unverzüglich eine (außerordentliche) Eigentümerversammlung einberufen muss, sobald ihm Kündigungsgründe zur Kenntnis gelangen, die bei objektiver Betrachtung eine fristlose Kündigung nach sich ziehen könnten. In dieser Versammlung sind sodann die Kündigungsgründe vorzutragen und eine Entscheidung des Gremiums herbeizuführen.

17.184 Der Verwaltungsbeirat ist kein kündigungsberechtigtes Gremium; jedenfalls ist mir eine klare und wirksame Regelung in einer Gemeinschaftsordnung nicht bekannt, die einen Verwaltungsbeirat ermächtigen könnte – an Stelle einer Eigentümerversammlung – über eine Kündigung eines Arbeitnehmers des Verbandes zu entscheiden.

17.185 Gelegentlich findet man in Gemeinschaftsordnungen Regelungen über den Abschluss und die Kündigung von Arbeitnehmern des Verbandes, die den Verwalter zur Entscheidung und dem Ausspruch der notwendigen Erklärungen ermächtigen. 110 Vgl. zu diesem Problem bereits umfassend: Köhler, Die Praxis des Arbeitsrechts bei der Wohnungseigentums-Verwaltung, Bärmann/Seuß, 4. Aufl. (1999), Ergänzungsband, Teil H., Seite 92 ff. 111 So schon Köhler, Die Praxis des Arbeitsrechts bei der Wohnungseigentums-Verwaltung, Bärmann/Seuß, 4. Aufl. (1999), Ergänzungsband, Teil H., Seite 92 ff.; vgl. dazu (und dem ähnlichen Problem einer Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers): BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 = NJW 1998, 3274 = NZA 1998, 1005 = DB 1998, 1608; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, MDR 200, 1423 = NJW-RR 2002, 173; OLG München, Urt. v. 25.3.2009 – 7 U 4835/08, NZG 2009, 665 = OLGR München 2009, 465 = ZIP 2009, 1377. 112 So BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 = NJW 1998, 3274 = NZA 1998, 1005 = DB 1998, 1608, zur GmbH-Gesellschafterversammlung; falsch deshalb Pauli/Dimsic, Die Begründung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter, ZMR 2016, 89, 91 – unter c. 113 Siehe BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89 = NJW 1998, 3274 = NZA 1998, 1005 = DB 1998, 1608.

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Köhler

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Rz. 17.191a Teil 17

Bereits oben, im Rahmen der Vertrags-Abschlussberechtigung habe ich darauf hingewiesen, dass eine solche Regelung in der Gemeinschaftsordnung – wie auch eine Regelung im Verwaltervertrag – nur eine Außenwirkung gegenüber dem Dritten haben kann, was also nur eine formelle Ermächtigung zur Erklärung einer Kündigung im Namen der Gemeinschaft bedeutet. Im Innenverhältnis zur Eigentümergemeinschaft ergibt sich kein Recht, ohne einen auf die Kündigung zielenden Beschluss der Eigentümerversammlung einem Arbeitnehmer eine Kündigung auszusprechen.

17.186

Damit bleibt eine Kündigungsentscheidung weiterhin bei dem zuständigen Organ, der Eigentümerversammlung. Hat die Eigentümerversammlung eine Entscheidung über eine Kündigung gefasst, muss der Verwalter sich daran halten – insbesondere auch, wenn die Versammlung eine Kündigung abgelehnt hat. Verstößt der Verwalter gegen den Willen der Eigentümer, kann er u.U. fristlos abberufen werden.114

17.187

Von Vorratsbeschlüssen, die den Verwalter oder andere Personen zu einer Kündigung ohne vorherige Anrufung einer Eigentümerversammlung berechtigen könnten, rate ich ab.115 Solche Beschlüsse kranken sehr häufig an der notwendigen inhaltlichen Bestimmtheit.116

17.188

Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen, § 623 BGB; eine Kündigung, bei der die Schriftform nicht eingehalten wurde, ist unheilbar unwirksam. Das ist bei einer fristgebundenen Erklärung von erheblicher Bedeutung.

17.189

Es ist eine weitverbreitete Fehlvorstellung, dass Kündigungen immer „begründet“ werden 17.190 müssten. Nur bei einer fristlosen Kündigung muss der Kündigende den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen, wenn der Gekündigte dies fordert, § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB. Dem gegenüber muss die ordentliche Kündigung keine Begründung für den Ausspruch der Kündigung enthalten. Lediglich in einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und Gemeinschaft könnte eine Begründung für den Kündigungsausspruch sinnvoll und eventuell auch notwendig sein. Die erwähnte Fehlvorstellung rührt wohl daher, dass in vielen Tarifverträgen – mitunter auch in Arbeitsverträgen – eine Kündigungsbegründung gefordert wird.

17.191

3. Kündigungserklärung Ist die Kündigungsentscheidung von der Eigentümerversammlung getroffen worden, muss jemand die schriftliche Kündigungserklärung gegenüber dem Arbeitnehmer abgeben. Der berufene Vertreter des Verbandes ist dabei der Verwalter. Um nicht später einem Streit über die durch § 27 WEG begründeten Befugnisse des Verwalters ausgesetzt zu sein, sollte die Vollmacht zum Ausspruch der Kündigung in dem Versammlungsbeschluss über die Kündigung des Arbeitnehmers enthalten sein. Der Verwalter sollte sich dann auch eine Vollmacht nach § 27 Abs. 6 WEG erteilen lassen oder die Beschlussniederschrift von den in § 24 Abs. 5 WEG

114 AG Hanau, Urt. v. 3.7.2013 – 37 C 383/12, Juris; vgl. dazu auch die Berufungsentscheidung LG Frankfurt/Main, Urt. v. 3.12.2014 – 2-13 S 143/13, WuM 2015, 113 = NJW 2015, 2130. 115 Ebenso zu Recht: Pauli/Dimsic, Die Begründung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter, ZMR 2016, 89, 91 f. 116 Vgl. zu einem Beschluss, der einen Verwalter zum Abschluss eines Hausmeistervertrages bevollmächtigen soll, LG Koblenz, Urt. v. 21.7.2014 – 2 S 72/13, ZMR 2015, 59 = ZWE 2015, 272.

Köhler

1065

17.191a

Teil 17 Rz. 17.191a

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

genannten Personen unterzeichnen und die Unterschriften notariell beglaubigen lassen (analog § 26 Abs. 4 WEG).117

17.192 Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde ist im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 20.2.2014 geboten, auch wenn in dem dort entschiedenen Fall ein außerhalb der Gemeinschaft stehender Dritter betroffen war, der von einer Bevollmächtigung des Verwalters keine Kenntnis haben muss.118 Bei Betreuungspersonen, insbesondere bei Hausmeistern/Hauswarten, kann man davon ausgehen, dass diese die Vertretungsberechtigung des Verwalters kennen. Eine Kenntnis von der Bevollmächtigung des Verwalters kann nämlich bei einer Hausmeisterin/einem Hausmeister „aus der Zusammenschau einer ganzen Reihe von Fakten im Verlauf des gelebten Arbeitsverhältnisses liegen (z.B. angefangen von der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit Vertretungszusatz; die Handhabung der Urlaubsgewährung etc.)“.119 Gleichwohl sollte, um eine Zurückweisung nach § 174 BGB zu vermeiden, die Vollmacht urkundlich nachgewiesen und der Kündigung beigefügt werden.120

17.193 Ist in dem Beschluss der Eigentümerversammlung keine spezielle Bevollmächtigung für den Ausspruch der Kündigung enthalten, könnten eventuell in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag enthaltene Bevollmächtigungen als Nachweis der Berechtigung zum Ausspruch der Kündigung dienen. Dazu müsste aber eine notarielle Ausfertigung der Gemeinschaftsordnung (§ 47 BeurkG) vorgelegt werden oder eine – möglichst ebenfalls notariell beglaubigte – Kopie des Verwaltervertrages. Außerdem müsste auch die aktuelle Bestellung zum Verwalter nachgewiesen werden, wie auch der wirksame Beschluss über den Verwaltervertrag. Eine Nachweismethode, die wenig praktikabel und nicht empfehlenswert ist. 4. Einzelne Kündigungsfälle

17.194 Hier werden zur Illustration arbeits- und wohnungseigentumsrechtlich interessanter Kündigungsfälle drei Entscheidungen dargestellt.

17.195 Angriff auf einen Versammlungsbeschluss: Die Verwalterin einer Eigentümergemeinschaft kündigte auf der Grundlage eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung der Arbeitnehmerin der Gemeinschaft das Arbeitsverhältnis auf. Die Arbeitnehmerin war gleichzeitig auch Eigentümerin der Gemeinschaft und focht den Versammlungsbeschluss über die Kündigung gerichtlich an. Der Versammlungsbeschluss wurde rechtskräftig für ungültig erklärt. Sodann erhob die Arbeitnehmerin Klage vor dem Arbeitsgericht und wollte, unter Hinweis auf die wohnungseigentumsrechtliche Entscheidung, festgestellt wissen, dass die Kündigung unwirksam ist. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos.121 Das Landesarbeitsgericht München wies die Klage zurück, weil die arbeitsgerichtliche Klage erst ein Jahr nach der Kündigung erhoben worden war und die Klägerin die fehlende Vertretungsmacht nicht rechtzeitig gerügt hatte. Dabei spiele, so das Gericht, auch keine Rolle, dass der Versammlungsbeschluss über die Kündigung nachträglich für ungültig erklärt wurde. Die Eigentümergemeinschaft habe durch 117 Vgl. zum Nachweis der Bevollmächtigung auch Pauli/Dimsic, Die Begründung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter, ZMR 2016, 89, 93 f. 118 BGH, Urt. v. 20.2.2014 – III ZR 443/13, BGHZ 200, 195 = MDR 2014, 452 = ZWE 2014, 181. 119 LAG Saarland, Urt. v. 22.2.2017 – 2 Sa 38/16, ZWE 2017, 236. 120 So schon Köhler, Die Praxis des Arbeitsrechts bei der Wohnungseigentums-Verwaltung, Bärmann/Seuß, 4. Aufl. (1999), Ergänzungsband, Teil H., Seite 96 f. 121 LAG München, Urt. v. 29.4.2009 – 11 Sa 952/08, NJW-Spezial 2009, 594.

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Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.199 Teil 17

die Verteidigung in der arbeitsgerichtlichen Klage die Genehmigung der Kündigung schlüssig erteilt. „Einvernehmen mit dem Beirat“: Der Kläger, einziger Arbeitnehmer der Wohnungseigen- 17.196 tümergemeinschaft, ist der Auffassung, die ihm vom Verwalter ausgesprochene Kündigung sei deshalb rechtsunwirksam, weil der Verwaltungsbeirat ihr nicht zugestimmt habe. Nach dem Verwaltervertrag bedürfe es zu seiner Kündigung des „Einvernehmens mit dem Verwaltungsbeirat“. Weil das nicht erfolgt sei, fehle die notwendige Zustimmung des Beirats. Vor dem Landesarbeitsgericht blieb die Klage – nachdem zuvor das Arbeitsgericht Oberhausen der Klage stattgegeben hatte – erfolglos.122 Mit „Einvernehmen“ sei kein Zustimmungserfordernis verbunden, sondern nur eine interne Abstimmung. Außerdem sehe die Gemeinschaftsordnung das Erfordernis eines Einvernehmens nicht vor, weshalb die Klausel im Verwaltervertrag als unzulässige Einschränkung der Rechte des Verwalters angesehen werden müsste. Vollmacht aufgrund Gemeinschaftsordnung: Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft 17.197 kündigte dem bei der Gemeinschaft beschäftigen Hauswart. In der Gemeinschaftsordnung war fixiert, dass der Verwalter ermächtigt ist, einen Hausmeister „anzustellen“. Dazu meinte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, dass „anstellen“ über den Begriff „einstellen“ hinausgehe und deshalb von dieser Regelung in der Gemeinschaftsordnung auch eine Kündigung gedeckt sei. Das LAG meinte auch, es erscheine widersinnig, der Gemeinschaftsordnung lediglich das Recht der Verwalterin zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zu entnehmen, zur Beendigung jedoch das umständliche und zeitraubende Verfahren eines Eigentümerbeschlusses zu fordern. Aufgrund der einzuhaltenden Ladungsfrist von einem Monat hätte eine Eigentümerversammlung nur schwerlich rechtzeitig stattfinden können, um eine Kündigungsfrist einzuhalten. Aufgrund der vereinbarten Quartalskündigungsfrist wäre eine Verzögerung von drei Monaten eingetreten. Es sei wenig praktikabel, eine Eigentümerversammlung mit über 200 Eigentümern einzuberufen, um über die Kündigung beschließen zu lassen.123

X. Sozialversicherungsrecht 1. Sozialversicherungsrechtlicher Arbeitgeberbegriff Oben (unter „2.Vertragspartner auf der Arbeitgeberseite“) wurde der arbeitsrechtliche Arbeitgeberbegriff erwähnt. Sozialversicherungsrechtlich wird demgegenüber eine etwas andere Definition in § 7 Abs. 1 SGB IV verwendet:

17.198

„Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“ Die neuere Rechtsprechung beschreibt den sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberbegriff genauer. So hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seiner Entscheidung vom 28.2.2018 formuliert: „Unter Arbeitgeber im sozialrechtlichen Sinne ist bei juristischen Personen und bei Gesellschaften nicht der persönliche Träger des Direktionsrechts, sondern derjenige zu verstehen, dem 122 LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2001 – 17 Sa 1210/01, ZMR 2002, 303. 123 LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.1.2008 – 13 Sa 1988/07, Juris.

Köhler

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17.199

Teil 17 Rz. 17.199

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

der Anspruch auf die Arbeitsleistung zusteht, der den Lohn schuldet und dem der wirtschaftliche Ertrag der Arbeitsleistung zukommt. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass bei versicherungspflichtigen Arbeitnehmern „der Arbeitgeber“ die Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen hat (§ 28e SGB IV) und dabei den Arbeitnehmeranteil vom Lohn in Abzug bringen darf (§ 28g SGB IV). … Arbeitgeber im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist also im Zweifel derjenige, der den Lohn schuldet.“124

17.200 Diese Begrifflichkeiten und Definitionen treffen auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu; der Verband ist derjenige, dem die Arbeitsleistung zusteht und dem der „wirtschaftliche Ertrag“ der Arbeitsleistung zukommt, außerdem hat er (bewirkt durch den Verwalter) die Arbeitnehmeranteile vom Lohn/Gehalt abzuziehen und die Gesamtbeiträge zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zu zahlen.

17.201 Selbst wenn also das Direktionsrecht vollständig auf den Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen worden wäre, ändert das nichts an der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberstellung der Eigentümergemeinschaft.

17.202 Die Eigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin muss selbstständig prüfen, ob – und in welchem Umfang – die Beschäftigten der Gemeinschaft der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Diese Aufgabe wird, entweder ausdrücklich durch Gemeinschaftsordnung oder durch Verwaltervertrag125 oder auch stillschweigend durch Verwalterbestellung, auf den Verwalter übertragen.

17.203 Der Verwalter muss also für die Eigentümergemeinschaft die notwendige Prüfung vornehmen und muss sich, wenn er die notwendigen Kenntnisse nicht hat, auf eigene Kosten fachkundiger Hilfe bedienen. Die Krankenkassen (Einzugsstellen) bieten eine solche Hilfestellung kostenfrei, denn sie entscheiden über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV). 2. Sozialversicherungsrechtliche Risikobereiche

17.204 Bei allen Arbeitgebern, auch bei Eigentümergemeinschaften, finden in regelmäßigen Abständen, nämlich alle vier Jahre (§ 28p SGB IV), sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen statt.126 Dabei wird von den Sozialversicherungsträgern geprüft, ob Beschäftigte ordnungsgemäß angemeldet wurden (vgl. dazu den umfassenden Katalog des § 28a SGB IV), ob die richtigen Beiträge vom Lohn/Gehalt einbehalten wurden und der Gesamtversicherungsbeitrag für die Sozialversicherung und die Unfallversicherung der Beschäftigten ordnungsgemäß abgeführt worden ist. Prüfungsgegenstand sind auch die bereits geschilderten Umlagen U1 und U 2 nach dem AAG.127 Besonderes Augenmerk legen die Betriebsprüfer auf die Prüfung von (tatsächlich oder vermeintlich) beitragsfreien Beschäftigungen, von Mini-Job-Verhältnissen und – neuerdings – auch auf die Prüfung von Vergütungshöhen nach dem MiLoG. 124 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 28.2.2018 – L 2 R 258/17, Juris = NZS 2018, 422 (LS). 125 Vgl. zu einer solchen vertraglichen Übertragung OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, NZM 2001, 862 = ZMR 2001, 913. 126 Sehr instruktiv: Rittweger/Zieglmeier, Anwaltliche Tätigkeit in der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung, AnwBl 2015, 660. 127 Vgl. oben unter 7.

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Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.212 Teil 17

Die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung findet bei den Verwaltern der Wohnungseigentümergemeinschaften statt. Die Arbeitgeberin „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ (vertreten durch den Verwalter) muss den Prüfern alle „Entgeltunterlagen“ vorlegen. Der Begriff der „Entgeltunterlagen“ geht weiter als der Begriff „Lohnunterlagen“. Hieraus wird abgeleitet, dass der zu prüfenden Bereich neben der Lohnbuchhaltung auch die Finanzbuchhaltung umfasst und deshalb auch diese Finanzbuchhaltungsunterlagen vorgelegt werden müssen.128

17.205

„Finanzbuchhaltungsunterlagen“ sind bei der Wohnungseigentümergemeinschaft die Buchungsunterlagen und Belege für die Einnahmen- und Ausgabenrechnung des Verwalters als Grundlage der erstellten bzw. zu erstellenden Jahresabrechnungen. Mit Hilfe dieser Unterlagen ist für die Betriebsprüfer die Klärung möglich, ob ein sozialversicherungspflichtiges oder sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

17.206

Der sozialversicherungsrechtliche Prüfungsumfang ergibt ein deutliches Risikopotential für die Eigentümergemeinschaft und den Verwalter, der gegenüber der Eigentümergemeinschaft haften könnte.

17.207

a) Haftung der Eigentümergemeinschaft nach § 28g SGB IV Ein brisantes und teures Risiko für die Eigentümergemeinschaft und den Verwalter resultiert aus § 28g SGB IV. Beitragsschuldner für den Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) ist, wie schon erwähnt, die Eigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin (§ 28e SGB IV).

17.208

Unterlässt die Eigentümergemeinschaft bei der Lohn- oder Gehaltsabrechnung den Abzug des Arbeitnehmeranteils für die Sozialversicherung, weil sie oder ihr Verwalter die Sozialversicherungspflicht ihrer Beschäftigten falsch beurteilt hat,129 und führt damit auch den Gesamt-Sozialversicherungsbeitrag nicht in der richtigen Höhe ab, fordern die Sozialversicherungsträger diese Beiträge nach.

17.209

Das kann dazu führen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft sowohl den Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil tragen muss. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin hat zwar einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Zahlung des Arbeitnehmeranteils, ein unterbliebener Abzug darf aber nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur, wenn der Abzug ohne Verschulden der Eigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin unterblieben ist, § 28g SGB IV.

17.210

Ist der Arbeitnehmer bereits aus den Diensten der Eigentümergemeinschaft ausgeschieden, verschärft sich das Haftungsrisiko, denn die Eigentümergemeinschaft kann nur in seltenen Ausnahmefällen (vgl. dazu § 28g Satz 4 SGB IV iVm § 28o Abs. 1 SGB IV) eine Erstattung der Arbeitnehmeranteile von dem ehemaligen Arbeitnehmer verlangen.

17.211

Im Hinblick auf die im Sozialversicherungsrecht geltende besondere Verjährungsfrist können Forderungen der Sozialversicherungsträger auf Beitragszahlungen durchaus weit in die Vergangenheit reichen und beträchtliche Höhen erreichen. Beitragszahlungen verjähren näm-

17.212

128 LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.10.2013 – L 4 R 4066/13 ER-B, Juris. 129 Z.B. bei fehlerhafter Annahme, dass eine komplette oder teilweise Sozialversicherungsfreiheit besteht.

Köhler

1069

Teil 17 Rz. 17.212

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

lich erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind; Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren sogar erst in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 SGB IV).

17.213 Im Ergebnis kann also eine vorsätzliche oder fahrlässige Fehleinschätzung der Sozialversicherungspflicht des Arbeitnehmers für die Eigentümergemeinschaft und/oder den Verwalter teuer werden.

17.214 Die Eigentümergemeinschaft muss nach Erlass eines Nachforderungsbescheides erst einmal die Beiträge an die Sozialversicherungsträger zahlen und müsste sodann den Verwalter wegen des unterbliebenen Arbeitnehmerbeitrag-Abzugs außergerichtlich oder gerichtlich in Regress nehmen, wenn die Gemeinschaft dem Verwalter ein alleiniges Verschulden oder ein Mit-Verschulden nachweisen könnte.130 b) Sittenwidrige oder gegen das MiLoG verstoßende Vergütungsvereinbarungen

17.215 Ein weiteres Risiko betrifft die Vergütungshöhe. Sozialversicherungsträger prüfen nicht nur, ob die Vergütungshöhe als sittenwidrig eingestuft werden kann, sondern auch, ob das Mindestlohngesetz eingehalten wurde.131 Für die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Mindestlohngesetzes sind zwar vorrangig die Behörden der Zollverwaltung zuständig, die Zollverwaltung hat aber mit den Trägern der Sozialversicherung zusammen zu arbeiten und diesen ihre Feststellungen bei Mindestlohnverstößen mitzuteilen. Wenn aufgrund der Feststellungen der Zollverwaltung oder aufgrund einer (zusätzlichen) Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern sind, erlässt der zuständige Sozialversicherungsträger sodann die Nachforderungsbescheide. Dabei werden sogenannte Phantomlöhne festgesetzt, die zur Grundlage der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsberechnung gemacht werden.

17.216 Ähnliches geschieht, wenn die Jobcenter der Agenturen für Arbeit Sozialleistungen an einen Beschäftigten erbringen, weil ohne diese Sozialleistungen die Sicherung des Lebensunterhalts des Beschäftigten (vgl. z.B. § 20 SGB II) nicht gewährleistet ist.

17.217 Jobcenter machen dann Lohnzahlungsansprüche aus übergegangenem Recht gegen den Arbeitgeber geltend. Die Überleitungsvorschrift ist § 115 Abs. 1 SGB X: „Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.“ Zu den vorgenannten Risikobereichen einige Fälle:

17.218 Einer „gemeinsamen Einrichtung“ nach § 44b SGB II132 wurde der Differenzlohn zwischen

dem (sittenwidrig niedrigen) Lohn und dem ortsüblichen Lohn zugesprochen (1.700 t und

130 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, NZM 2001, 862 = ZMR 2001, 913 (hier lastete das Gericht der Gemeinschaft ein Mitverschulden an); Köhler, Verwalterentlastung, Beiratsprüfung und ähnlich gefährliche Handlungen, ZMR 2001, 865. 131 Auf einige Aspekte (auch sozialversicherungsrechtlicher Art) wurde bereits oben unter 6.e. hingewiesen. 132 § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II: „Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung.“ Eine solche Einrichtung wird allgemein als „Arbeitsgemeinschaft“ („ARGE“) bezeichnet.

1070

Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.223 Teil 17

1.920 t), weil die „gemeinsame Einrichtung“ an die betroffenen Arbeitnehmer Leistungen nach dem SGB II erbracht hatte und das LAG Berlin-Brandenburg auf die Klage der gemeinsamen Einrichtung (aus gem. § 115 SGB X übergegangenem Recht) einen sittenwidrig niedrigen Lohn feststellte.133 Eine Arbeitnehmerin erhielt vom Arbeitgeber einen Stundenlohn von 3,78 t; parallel dazu erbrachte das Jobcenter an die Arbeitnehmerin „Leistungen der Grundsicherung“ (Arbeitslosengeld II) nach dem SGB II. Das leistende Jobcenter machte gegenüber dem Arbeitgeber aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) Ansprüche auf Zahlung der Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und der ortsüblichen Vergütung geltend, weil der Stundenlohn ein „sittenwidriger Hungerlohn“ sei, weshalb die Arbeitnehmerin auf Sozialleistungen angewiesen gewesen sei. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung von 5.744,18 t verurteilt.134

17.219

Wenn ein Arbeitgeber sittenwidrig zu niedrige Löhne zahlt, kann das Jobcenter von dem Arbeitgeber die Aufstockungsbeträge erstattet verlangen, die es im Rahmen der Grundsicherung als Hilfe zum Lebensunterhalt an Arbeitnehmer leisten musste.135

17.220

Soweit eine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II an einzelne erwerbsfähige Hilfsbedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II) zahlt, die gleichzeitig in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis tätig sind, in dem sie sittenwidrig niedrig vergütet werden, geht der nicht erfüllte Teil der Arbeitsentgeltforderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf die ARGE nach § 115 SGB X über. Erstinstanzlich wurde der Arbeitgeber bereits zur Zahlung von 6.617,42 verurteilt, zweitinstanzlich zur Zahlung von weiteren 534,04 t.136

17.221

Das Jobcenter kann von einem Arbeitgeber Aufstockungsbeträge, die es im Rahmen der Grundsicherung als Hilfe zum Lebensunterhalt an Arbeitnehmer leisten muss, weil der Arbeitgeber sittenwidrige Löhne zahlt, erstattet verlangen. Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung angemessener Löhne, die der Arbeitgeber nur zu einem kleinen Teil erfüllt, gehen auf das Jobcenter bis zur Höhe der geleisteten Hilfen über, sofern die Arbeitnehmer bei Zahlung des angemessenen Lohnes nicht hilfebedürftig wären, ansonsten in Höhe der Differenz zwischen geleisteter Hilfe und trotz angemessener Lohnzahlung zustehender Aufstockungsbeträge. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung von 10.726,11 t verurteilt.137

17.222

Ein Steuerberater wurde mit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen konfrontiert; hiergegen wendete es sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Der StB hatte mit einem Arbeitnehmer vereinbart, dass dieser ein Kraftfahrzeug zur Privatnutzung gestellt bekommt und damit das Gehalt „abgegolten“ sein sollte. Außerdem wurde vereinbart, dass ein zusätzlich als Geldbetrag auszuzahlendes Gehalt jeweils „so bemessen [werde], dass der Arbeitnehmer seine Lohnsteuer und seinen Anteil an der Sozialversicherung leisten“ könne. Der Sozialversicherungsträger führte eine Betriebsprüfung durch und forderte

17.223

133 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.11.2014 – 6 Sa 1148/14, Juris = BB 2014, 3060 = ArbuR 2014, 491 (die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen: ArbG Cottbus, Urt. v. 9.4.2014 – 13 Ca 10477/13, Juris = LAGE § 138 BGB 2002 Nr 8 = ArbRB 2014, 258); LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.11.2014 – 6 Sa 1149/14, Juris = BB 2014, 3060. 134 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.4.2016 – 15 Sa 2258/15, LAGE § 138 BGB 2002 Nr 12. 135 ArbG Frankfurt (Oder), Urt. v. 13.11.2014 – 3 Ca 472/14, Juris. 136 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 2.11.2010 – 5 S 91/10, Juris = ArbRB 2011, 111. 137 ArbG Eberswalde, Urt. v. 10.9.2013 – 2 Ca 428/13, LAGE § 138 BGB 2002 Nr 6 = ZFSH/SGB 2014, 54.

Köhler

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Teil 17 Rz. 17.223

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

sodann 3.517,86 t als Sozialversicherungsbeiträge nach. Begründung: Der Beschwerdeführer habe mit seinem Arbeitnehmer Sachleistungen vereinbart, indem er diesem ein Firmenfahrzeug zur privaten Nutzung überlassen habe. Bei Umrechnung des tatsächlich ausbezahlten Geldbetrages an den Arbeitnehmer ergebe sich bei der vereinbarten Arbeitszeit von 22,5 Stunden wöchentlich ein tatsächlich gezahlter Barstundenlohn zwischen 3,33 EUR und 3,77 EUR pro Stunde. Das verstoße gegen das MiLoG. Durch Sachleistungen würden die Pflichten aufgrund des MiLoG nicht erfüllt. Sozialversicherungsbeiträge seien daher auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns138 pro geleisteter Stunde zu zahlen und nicht aus dem um die Sachbezüge geminderten Stundenlohn. Aus einem zusätzlich nach dem Mindestlohngesetz dem Arbeitnehmer geschuldeten Entgelt von 5.618,19 EUR wurden deshalb entsprechende Beiträge nachgefordert, nämlich in Höhe von 3.232,36 EUR (+ der angefallenen Säumniszuschläge139).

17.224 Diese Entscheidung ist zwar „nur“ im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen, der Senat des Bayerischen Landessozialgerichts hatte jedoch an der Rechtsmäßigkeit des zugrunde liegenden Bescheids des Sozialversicherungsträgers „nicht nur keine ernsthaften Zweifel“, sondern im Hinblick auf eine Entscheidung des BAG vom 25.5.2016, in der das BAG ausdrücklich festgestellt hatte, dass der Mindestlohn sich nach der „Entgeltleistung in Form von Geld“ bestimmt,140 „überhaupt keine Zweifel mehr“. c) Angemessene Lohnzahlungshöhe gehört zu ordnungsmäßiger Verwaltung

17.225 Die hier gezeigten Beispiele machen deutlich, dass es sozialversicherungsrechtlich teuer werden kann, Vergütungshöhen unangemessen oder fehlerhaft festzulegen. In diesem Zusammenhang soll auch noch einmal an den bereits erwähnten § 266a StGB erinnert werden.

17.226 Ein Verstoß gegen gesetzliche Regeln kann – unabhängig davon, dass ein solcher Verstoß auch gesamtgesellschaftlich nicht zu tolerieren ist – niemals ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Es entspricht deshalb auch wohnungseigentumsrechtlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn für Arbeitnehmer der Gemeinschaft unangemessene oder gegen das MiLoG verstoßende Vergütungen festgesetzt werden.

17.227 Weder der Verwalter sollte sich auf eine solche gesetzeswidrige Handlungsweise einlassen, noch sollte die Eigentümerversammlung daran (steuernd oder tolerierend) teilnehmen; beide Organe der Eigentümergemeinschaft setzen sich – und den Verband – völlig unnötigen Haftungs-, Anfechtungs- und Kostenrisiken aus.141

138 Zum Zeitpunkt der Entscheidung noch 8,50 t je Stunde. 139 Säumniszuschläge: 1 % pro Monat der Säumnis, § 24 SGB IV. 140 BAG, Urt. v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202 = MDR 2016, 1392 = NZA 2016, 1327. 141 Völlig unverständlich deshalb die Handlungsweise eines WEG-Verwalters in dem Fall des ArbG Berlin, TeilUrt. v. 17.4.2015 – 28 Ca 2405/15, Juris; der WEG-Verwalter hatte versucht, das MiLoG mit einer (um es ganz zurückhaltend auszudrücken) „dubiosen“ Vereinbarung zu umgehen und, als der Arbeitnehmer nicht „mitspielte“, ihm zu kündigen (vgl. dazu schon oben unter 9.a). Die eingelegte Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg (21 Sa 923/15) wurde vernünftiger Weise zurückgenommen.

1072

Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.232 Teil 17

3. Beitragsabführung für abhängig Beschäftigte der Eigentümergemeinschaft Grundsätzlich sind abhängig Beschäftigte bei Eigentümergemeinschaften in allen Bereichen der Sozialversicherung versicherungspflichtig, so dass auch Beitragspflichten zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung bestehen und die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die zuständige Einzugsstelle abzuführen sind.

17.228

Nur bei gesetzlich geregelten Befreiungstatbeständen kann eine Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht in Betracht kommen.

17.229

a) Schwarzarbeit Wird zwischen einem Arbeitgeber und einem abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmer) ver- 17.230 abredet, dass die gesamte Vergütung oder Teile hiervon „schwarz“ ausgezahlt wird (ohne also die Vergütung der Steuer und der Sozialversicherung zu unterwerfen), stellt dies einen Verstoß gegen das SchwarzArbG142 dar und kann strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen (§ 266a StGB). Dass daneben auch Ordnungswidrigkeiten vorliegen können, weil sozialversicherungsrechtliche Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt werden, soll ergänzend erwähnt werden (vgl. § 209 SGB VII). Während der BGH die an einem Werkvertrag beteiligten Parteien bei einem Verstoß gegen das SchwarzArbG ausdrücklich schutzlos stellte,143 hat das BAG klargestellt, dass ein Verstoß gegen das SchwarzArbG bei einer arbeitsvertraglichen Abrede nur die Nichtigkeit des Vertragsteils bewirkt, der gegen das SchwarzArbG verstößt.144

17.231

Die sozialrechtlichen Folgen einer solchen „Schwarzgeld“-Abrede ergeben sich aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV;145 das vereinbarte „schwarze“ Entgelt wird als Nettolohn betrachtet, von dem aus auf einen Bruttobetrag hochgerechnet wird, um von diesem Bruttobetrag die Sozialversicherungsbeträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile) zu berechnen und beim Arbeitgeber einzufordern.146 Ein sehr teures Ergebnis – nicht nur, weil die Bruttobeträge zu Buche schlagen, sondern auch, wenn man an § 28g SGB IV denkt.

17.232

142 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) v. 23.7.2004 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes v. 18.7.2017 (BGBl. I S. 2739). 143 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 11.6.2015 – VII ZR 216/14, BGHZ 206, 69 = MD 2015, 823 = NZA 2015, 941; BGH, Urt. v. 10.4.2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 = MDR 2014, 650 = NZA 2014, 784; siehe aber auch BGH, Urt. v. 14.12.2016 – IV ZR 7/15, MDR 2017, 140 = VersR 2017, 240 = NZA 2017, 545 (Erwerb von GmbH- und Kommanditbeteiligungen). 144 BAG, Urt. v. 26.2.2003 – 5 AZR 690/01, BAGE 105, 187 = MDR 2003, 1185 = NZA 2004, 313; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 25.11.2008 – 5 Sa 174/08, Juris. 145 § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV beinhaltet lediglich eine sozialrechtliche, keine arbeitsrechtliche Folge: BAG; Urt. v. 17.3.2010 – 5 AZR 31/09, BAGE 133, 332 = MDR 2010, 1125 = NZA 2010, 881; Hess. LAG, Urt. v. 17.10.2014 – 10 Sa 816/14, Juris. 146 Die Größenordnung einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen kann leicht durch Berechnungstools, die im Internet auffindbar sind, ermittelt werden.

Köhler

1073

Teil 17 Rz. 17.233

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

b) Umlagen U1 und U2

17.233 Hinsichtlich der Umlagen (U1 und U2), die aufgrund des bereits mehrfach erwähnten AAG147 zu entrichten sind, ist deutlich zu machen, dass dieses Umlageverfahren eine Zwangsversicherung darstellt.148 Bei der Umlage U1 müssen alle Arbeitgeber, die bis zu 30 Arbeitnehmer beschäftigen, teilnehmen, bei der Umlage U2 alle Arbeitgeber. Fallen Arbeitgeber in den Kreis der Beteiligten, ist kein besonderer Antrag für die Teilnahme notwendig. Eine Befreiung von der Versicherung ist nicht möglich.

17.234 Auch Wohnungseigentümergemeinschaften müssen diese Umlagen also zahlen, wenn sie Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen beschäftigen; daran besteht auch wohnungseigentumsrechtlich ein Interesse, denn es handelt sich um eine Entgeltfortzahlungsversicherung, mit der die Eigentümergemeinschaft gegen Risiken aus der Entgeltfortzahlung bei Krankheit (U1) und bei Mutterschutz (U2) abgesichert wird. c) Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung

17.235 Für die Beschäftigten einer Eigentümergemeinschaft sind auch die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen; diese Beiträge werden von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft festgesetzt und eingezogen. Hausbesorgungs-Tätigkeiten für Wohnungseigentümergemeinschaften gehören zur Gefahrtarifstelle 10 und der Gefahrklasse 3,73. Nach dieser Gefahrklasse richten sich die von der Berufsgenossenschaft erhobenen Beiträge.149 d) Insolvenzgeldumlage

17.236 Zu den Aufgaben der Berufsgenossenschaften gehörte bis Ende 2008 auch der Einzug der Insolvenzgeldumlage.150 Nachdem die Krankenkassen ab 1.1.2009 auch für den Einzug der Insolvenzgeldumlage (und ihre Weiterleitung an die Agentur für Arbeit) zuständig wurden,151 versuchten sie, auch Wohnungseigentümergemeinschaften mit dieser Umlage zu belasten. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2014 jedoch geklärt, dass Eigentümergemeinschaften nicht zur Insolvenzgeldumlage herangezogen werden können und deshalb für diese Umlage nicht zahlungspflichtig sind.152 Das BSG hat ausgeführt, dass die als Arbeitgeberin am Rechtsverkehr teilnehmende Wohnungseigentümergemeinschaft nicht in die Insolvenzgeldumlage einzubeziehen ist, weil ein Insolvenzverfahren über deren Verwaltungsvermögen (§ 10 Abs. 7 WEG) kraft gesetzlicher Anordnung in § 11 Abs. 3 WEG nicht stattfindet und daher auch Ansprüche ihrer Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld ausscheiden.153 147 Vgl. oben unter 7. 148 LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.12.2009 – L 16 (5) KR 211/08, Juris; der Arbeitnehmerbegriff im AAG ist sozialversicherungsrechtlich auszulegen: SG Hamburg, Urt. v. 20.6.2011 – S 6 R 887/10, Juris. 149 Beitragsberechnung: Bruttoarbeitsentgelte multipliziert mit dem Wert der Gefahrklasse (das ergibt die „Beitragseinheiten“ BE), diese BE werden mit 1/100stel des „Beitragsfußes“ multipliziert, um auf den endgültigen Unfallversicherungs-Beitrag zu kommen. 150 Letztmalig 2009 wurde in den Bescheiden der Berufsgenossenschaften für 2008 die Insolvenzgeldumlage festgesetzt. 151 § 359 SGB III. 152 BSG, Urt. v. 23.10.2014 – B 11 AL 6/14 R, BSGE 117, 171 = ZWE 2015, 230 = ZIP 2015, 601; siehe auch Hess. LSG, Urt. v. 5.12.2013 – L 1 KR 180/12, ZWE 2014, 144 = ZInsO 2014, 1508. 153 Gesetzliche Grundlage für das von der Agentur für Arbeit zu leistenden Insolvenzgeld: § 165 SGB III.

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Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.241 Teil 17

Insoweit, so das BSG, gleichen Wohnungseigentümergemeinschaften den in § 358 Abs. 1 Satz 2 SGB III genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 4. Beschäftigungsverhältnisse a) Vollzeitbeschäftigte Wird von der Wohnungseigentümergemeinschaft ein(e) Hausmeister(in) in Vollzeit beschäftigt, kommen bei dem Verwalter und den Wohnungseigentümern kaum Zweifel auf, dass solche Beschäftigten in vollem Umfang in allen Bereichen der Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Pflegeversicherung) versicherungs- und beitragspflichtig sowie umlagepflichtig nach dem AAG sind.

17.237

b) Teilzeitbeschäftigte Sozialversicherungsrechtlich problematisch können Teilzeitkräfte sein, denn bei solchen Arbeitnehmern könnten Befreiungstatbestände vorliegen, die von Verwaltern (und Wohnungseigentümerversammlungen) sehr sorgfältig geprüft werden müssen, um nicht zu einer fehlerhaften – und damit später vielleicht Kosten verursachenden – Einschätzung zu gelangen.

17.238

aa) Beschäftigte im „Haushaltsscheck-Verfahren“ Eine Zeit lang wurde in Kreisen der Wohnungseigentumsverwaltung diskutiert, ob für geringfügige Beschäftigte einer Wohnungseigentümergemeinschaft das „Haushaltsscheck-Verfahren“ angewandt werden kann. Durch das Bundessozialgericht ist allerdings geklärt, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht an diesem „Haushaltsscheck-Verfahren“ teilnehmen und deshalb auch nicht von den pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen und dem vereinfachten Verfahren profitieren kann.

17.239

Die für geringfügige Beschäftigungen in Privathaushalten vorgesehenen Pauschalbeträge154 17.240 sind für Wohnungseigentümergemeinschaften nicht anwendbar, weil Wohnungseigentümergemeinschaften nicht zu den „privaten Haushalten“ zählen. Geringfügige Beschäftigungen, die der Erfüllung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, sind weder durch einen „privaten Haushalt“ begründet noch sind die verrichteten Tätigkeiten solche, die sonst gewöhnlich durch Mitglieder des „privaten Haushalts“ erledigt werden; die zu erfüllenden gemeinschaftsorientierten Aufgaben sind von der jeweiligen privaten Sphäre (der einzelnen Wohnungseigentümer) losgelöst und speziell der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (dem Verband) übertragen.155 bb) Teilzeitbeschäftigung neben anderen Beschäftigungsverhältnissen In einigen Eigentümergemeinschaften werden Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt, die nicht nur für die Eigentümergemeinschaft tätig sind, sondern auch für andere Arbeitgeber. Solche Arbeitnehmer (und die jeweiligen Arbeitgeber) sind beitragspflichtig bis zur jeweils gelten-

154 § 8a Satz 2 SGB IV iVm § 249b Satz 2 SGB V und § 172 Abs. 3a SGB VI. 155 BSG, Urt. v. 29.8.2012 – B 12 R 4/10 R, SozR 4-2400 § 8a Nr 1 = USK 2012 – 147 = NZA 2013, 1408; dem BSG folgt auch das Hess. LSG, Urt. v. 5.12.2013 – L 1 KR 180/12, ZWE 2014, 144 = ZInsO 2014, 1508; vgl. auch Wilhelmy, Mini-Jobs in Wohnungseigentümergemeinschaften, DWE 2013, 101.

Köhler

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17.241

Teil 17 Rz. 17.241

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

den Beitragsbemessungsgrenze (BBG).156 Überschreiten die bei den einzelnen Arbeitgebern zusammengerechneten Arbeitsentgelte die Beitragsbemessungsgrenze, wird das jeweils beitragspflichtige Arbeitsentgelt für jeden Arbeitgeber nach dem prozentualen Verhältnis der Arbeitsentgelte ermittelt.157 Wird die Beitragsbemessungsgrenze schon bei einem Arbeitgeber überschritten, ist gleichwohl eine Verhältnisberechnung vorzunehmen; die Beiträge, die die einzelnen Arbeitgeber abführen müssen, sind auf der Grundlage der festgestellten VergütungsVerhältnisse zu berechnen.

17.242 Beispiel für die Verhältnisberechnung eines Rentenversicherungsbeitrages (BBG 6.700 t West × jeweiliges Entgelt, Ergebnis dividiert durch Gesamtentgelt): Arbeitgeber 1 zahlt ein Arbeitsentgelt von 4.000 t, Arbeitgeber 2 zahlt 2.900 t. Verhältnisberechnung für Arbeitgeber 1: 3.884,06 t beitragspflichtiges Entgelt; Arbeitgeber 2: 2.815,94 t beitragspflichtiges Entgelt. Die zusammengerechneten Entgelte überschreiten die BBG von 6.700 t nicht. cc) Geringfügig Beschäftigte

17.243 Sehr häufig schließen (kleinere) Wohnungseigentümergemeinschaften Arbeitsverträge für geringfügige Beschäftigungen ab.

17.244 Geringfügige Beschäftigungen werden sozialversicherungsrechtlich unterschieden nach der Entlohnung und der Beschäftigungsdauer. § 8 Abs. 1 SGB IV unterscheidet nämlich zwischen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung158 und einer kurzfristigen Beschäftigung159. In den folgenden Ausführungen können dazu nur die wichtigsten und grundlegenden Regelungen beschrieben werden. (1) Geringfügig entlohnte Beschäftigung

17.245 Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB IV vor,

wenn das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) regelmäßig 450 t im Monat nicht überschreitet. Die Grenze von 450 t gilt für die alten und neuen Bundesländer. Unerheblich sind dabei die wöchentliche Arbeitszeit und die Anzahl der monatlichen Arbeitseinsätze.

17.246 Aber Achtung hinsichtlich des Mindestlohnes, der sich aus dem MiLoG ergibt. Der gesetzliche Mindestlohn darf durch die Tätigkeitszeit nicht unterschritten werden.160

17.247 Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ist versicherungsfrei in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung, keine Versicherungspflicht besteht in der Pflegeversicherung. In der

156 Beitragsbemessungsgrenzen 2019 (Monatsbeträge): Rentenversicherung/Arbeitslosenversicherung 6.700 t (West) und 6.150 t (Ost), Krankenversicherung/Pflegeversicherung 4.537,50 t (West und Ost). Für 2020 voraussichtliche BBG (nach Referentenentwurf): RV/ALV 6.900 t (West) und 6.450 t (Ost), KV/PflV 4.687,50 t (West und Ost). 157 Vgl. zu den Einzelheiten und Besonderheiten: Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, Kap. 6, Abschnitt 6.7.1 (Seite 118). 158 § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 159 § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. 160 Vgl. auch Beck/Blümmel, Die Auswirkung des Mindestlohns insbesondere auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Grundeigentum 2014, 1633.

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Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.251 Teil 17

Rentenversicherung besteht grundsätzlich Versicherungspflicht mit einigen komplizierten Besonderheiten:161 – Für Arbeitnehmer, die seit dem 1.1.2013 eine geringfügig entlohnte Beschäftigung aufnehmen oder aufgenommen haben, besteht die Möglichkeit, sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen (§ 6 Absatz 1b SGB VI). – Arbeitnehmer, die vor dem 1.1.2013 eine nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung versicherungsfreie geringfügig entlohnte Beschäftigung aufgenommen haben, bleiben in dieser Beschäftigung versicherungsfrei in der Rentenversicherung, solange die Voraussetzungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung (Arbeitsentgelt bis regelmäßig 400 Euro im Monat) vorliegen (§ 230 Absatz 8 Satz 1 SGB VI). Sie haben weiterhin die Möglichkeit, den Verzicht auf die Versicherungsfreiheit zu erklären (§ 230 Absatz 8 Satz 2 SGB VI); sie sind dann rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer. – Arbeitnehmer, die in ihren vor dem 1.1.2013 aufgenommenen geringfügig entlohnten Beschäftigungen nach § 5 Absatz 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verzichtet haben, bleiben rentenversicherungspflichtig ohne die Möglichkeit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Dauer der Beschäftigung (§ 229 Absatz 5 SGB VI). Wichtig für Wohnungseigentümergemeinschaften ist, dass bei nebeneinander ausgeübten mehreren geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen bei verschiedenen Arbeitgebern die Arbeitsentgelte aus den einzelnen Beschäftigungen zusammengerechnet werden, um die Geringfügigkeitsgrenze von 450 t zu prüfen. Wird bei der Zusammenrechnung die Grenze von 450 t überschritten, liegt keine geringfügig entlohne Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB IV mehr vor. Das gilt auch, wenn neben zwei geringfügig entlohnten Beschäftigungen, die infolge Zusammenrechnung zur Versicherungspflicht führen, eine weitere geringfügig entlohnte Beschäftigung aufgenommen wird.

17.248

Eine Zusammenrechnung ist allerdings nicht vorzunehmen, wenn eine geringfügig entlohnte Beschäftigung mit einer kurzfristigen Beschäftigung zusammentrifft.

17.249

Arbeitnehmer, die bereits einer mehr als geringfügigen Hauptbeschäftigung nachgehen, können daneben nur eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ausüben.162 Der zweite und jeder weitere 450-Euro-Minijob wird mit der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet und löst regelmäßig eine Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung aus.

17.250

Für Verwalter ist es deshalb notwendig, dass sie in dem Arbeitsvertrag der Gemeinschaft mit dem/der Arbeitnehmer/in eine Verpflichtung zur Information über die Aufnahme weiterer Beschäftigungen fixieren. Außerdem sollte der Verwalter regelmäßig eine schriftliche Erklärung abfordern, ob und in welchem Umfang die geringfügig beschäftigte Person eine weitere entgeltliche Tätigkeit ausübt.

17.251

161 Einzelheiten: Minn in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, Kap. 3, Abschnitt 3.2.1 (Seite 42 ff.). 162 § 8 Absatz 2 Satz 1 SGB IV iVm § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB V bzw. § 5 Absatz 2 Satz 2 SGB VI.

Köhler

1077

Teil 17 Rz. 17.252

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

(2) Kurzfristige Beschäftigung

17.252 Für Wohnungseigentümergemeinschaften kommen Beschäftigungen, die im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) ausgeübt werden, kaum in Betracht. Die notwendigen Tätigkeiten von Betreuungspersonen sollen nämlich auf Dauer ausgeübt werden, was gerade nicht von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gedeckt ist.

17.253 Die Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigungen sind zwar dauerhaft auf drei Monate bzw. 70 Arbeitstage im Jahr (diese Grenzen gelten auch kalenderjahrüberschreitend!) verlängert worden,163 allerdings liegt eine kurzfristige Beschäftigung nicht mehr vor, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt und das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 450 t monatlich überschreitet164 oder wenn die Tätigkeit regelmäßig und nicht nur gelegentlich ausgeübt wird.165

17.254 Das ist insbesondere der Fall, wenn sich die Arbeitseinsätze ständig wiederholen sollen (was für die Betreuung des Gemeinschaftseigentums typisch ist). Selbst wenn also vertraglich ein Einsatz auf 70 Arbeitstage im Jahr beschränkt worden wäre, gleichwohl aber aus der Natur der Tätigkeit eine Regelmäßigkeit abgelesen werden kann, liegt keine Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor. dd) Studentinnen/Studenten als Beschäftigte der Gemeinschaft

17.255 In einigen kleineren Eigentümergemeinschaften werden für Betreuungstätigkeiten – Hausmeistertätigkeiten in geringerem Umfang oder Reinigungstätigkeiten – auch Studenten oder Studentinnen angestellt. Handelt es sich dabei um geringfügig entlohnte Tätigkeiten, richten sich die sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbedingungen nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB IV,166 ansonsten nach den besonderen Vorschriften für Werkstudenten.

17.256 Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, werden als Werkstudenten bezeichnet. Sie sind, das soll hier noch einmal betont werden, „normale“ Arbeitnehmer, die jedoch sozialversicherungsrechtlich besonders behandelt werden.

17.257 Werkstudenten sind sozialversicherungsfrei in der Kranken-,167 Pflege-168 und Arbeitslosenversicherung,169 wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen,170 nämlich – eine förmliche Immatrikulation an einer Hochschule oder Fachhochschule erfolgt ist, – das Studium Zeit und Arbeitskraft ganz überwiegend in Anspruch nimmt, – die Tätigkeit als Werkstudent(in) nicht mehr als 20 Wochenstunden in Anspruch nimmt,

163 164 165 166 167 168 169 170

Vgl. dazu die „Geringfügigkeits-Richtlinien“ des GKV-Spitzenverbandes vom 21.11.2018. BSG, Urt. v. 5.12.2017 – B 12 R 10/15 R, Juris = SoR 4-2400 § 8 Nr 7. BSG, Urt. v. 7.5.2014 – B 12 R 5/12 R, Juris = SozR 4-2400 § 8 Nr 6. Vgl. dazu Landsberg, Werkstudenten und kurzfristige Beschäftigung, Personalpraxis und Recht 2018, 90. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. § 20 Abs. 1 SGB XI iVm § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III. Vgl. zu den Einzelheiten: Minn in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, Kap. 3, unter 3.6.1 (Seite 126 ff.).

1078

Köhler

Sozialversicherungsrecht

Rz. 17.264 Teil 17

– ein „studentisches Erscheinungsbild“ vorliegt, d.h., das Studium die Hauptbetätigung ist und die Beschäftigung lediglich eine Nebentätigkeit darstellt. Werkstudenten (und die Wohnungseigentümergemeinschaft als Arbeitgeberin) sind jedoch nicht von der Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge befreit; § 5 SGB VI sieht nur eine Versicherungsfreiheit für Studenten vor, die ein nach der Studienordnung vorgeschriebenes Praktikum ableisten (ein solches Praktikum bei Wohnungseigentümergemeinschaften ist nicht vorstellbar).

17.258

Auch die Umlagen U1 und U2 sind bei der Beschäftigung von Studenten von der Eigentümergemeinschaft zu zahlen.

17.259

Wenn die genannten Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegen, kommt es auf die Höhe der gezahlten Vergütung nicht an.

17.260

Für Verwalter ist es unabdingbar, dass sie sich Immatrikulationsbescheinigungen für die von 17.261 der Gemeinschaft beschäftigte Werkstudenten vorlegen lassen, und zwar für jedes Semester. Nach § 8 BVV171 sind die Immatrikulationsbescheinigungen zu den Entgeltunterlagen zu nehmen. Allein die Vorlage von Immatrikulationsbescheinigungen reicht für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht aus.172 Es muss die weitere Prüfung hinzukommen, ob noch ein „studentisches Erscheinungsbild“ vorliegt, was schwierig ist. Sicher dürfte aber sein, dass beschäftigte Studenten sich ernsthaft dem Studium widmen müssen, d.h., vorgeschriebene Zwischenprüfungen ablegen, an Klausuren oder sonstigen Leistungsnachweisen usw. teilnehmen müssen. Gerade bei „Langzeitstudenten“ mit einer deutlichen Überschreitung der von der Studienordnung vorgesehenen Semesterzahl kann das (regelmäßig) problematisch werden.

17.262

Ein solcher „Langzeitstudent“ wurde einer Eigentümergemeinschaft zum Verhängnis; sie wur- 17.263 de nämlich nach einer Betriebsprüfung auf eine erhebliche Nachzahlung (in Höhe von DM 56.194,42) von Arbeitnehmer-173 und Arbeitgeberbeiträgen zu den einzelnen Sozialversicherungssparten in Anspruch genommen.174 Die Eigentümergemeinschaft hatte in diesem Fall seit Jahren einen „Studenten“ beschäftigt, der neben seiner Tätigkeit als Hausmeister der Gemeinschaft vier Kinder zu betreuen hatte (die Ehefrau war berufstätig) und breit angelegte Studiengänge mit durchaus beachtlicher Semesterzahl belegt hatte (47 Semester evangelische Theologie, 45 Semester Geografie, 43 Semester Soziologie und 40 Semester Psychologie). Von einem ernsthaften Studium und einem „studentischen Erscheinungsbild“ gingen die Sozialversicherungsprüfer nicht mehr aus. Der beteiligte Verwalter wurde zwar von der Eigentümergemeinschaft auf Schadensersatz (im Hinblick auf den von ihr gezahlten Arbeitnehmeranteil) in Anspruch genommen, musste aber aufgrund der Besonderheiten des Falles lediglich einen kleinen Ersatzbetrag leisten. 171 Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensverordnung). 172 BSG, Urt. v. 11.11.2003 – B 12 KR 5/03 R, Juris = USK 2003-32; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.4.2018 – L 1 KR 318/16, Juris = NZA 2018, 918. 173 An § 28g SGB IV darf an dieser Stelle noch einmal erinnert werden. 174 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, NZM 2001, 862 = ZMR 2001, 913 (hier lastete das Gericht der Gemeinschaft ein Mitverschulden an); Köhler, Verwalterentlastung, Beiratsprüfung und ähnlich gefährliche Handlungen, ZMR 2001, 865.

Köhler

1079

17.264

Teil 17 Rz. 17.265

Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

17.265 Bei der oben genannten Stundenzahl von 20 Stunden handelt es sich nicht um eine starre Grenze,175 gleichwohl sollte die Stundenzahl von 20 Stunden bei Tätigkeiten für Eigentümergemeinschaften nicht überschritten werden.

XI. Steuerrecht 17.266 Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer); der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten, § 38 Abs. 1 und Abs. 3 EStG. Das bedeutet, die Wohnungseigentümergemeinschaft muss für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Lohnsteuer berechnen und vom gezahlten Lohn/Gehalt einbehalten und sodann an das zuständige Finanzamt abführen. Diese Pflichten sind vom Verwalter für die Eigentümergemeinschaft zu erfüllen und sind in der Regel unproblematisch.

17.267 Werden allerdings die gesetzlichen Lohnsteuerbeträge nicht oder nicht in vollem Umfang an die Finanzbehörde abgeführt, haftet die Eigentümergemeinschaft für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer, § 42d Abs. 1 EStG. Soweit die Haftung der Eigentümergemeinschaft reicht, sind sie und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner; das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen, § 42d Abs. 3 EStG.

17.268 Im Steuerrecht gibt es unterschiedliche Verjährungsregelungen, nämlich eine Festsetzungsverjährung und eine Zahlungsverjährung. Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Lohnsteuer vier Jahre, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO176. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in der die Steuer entstanden ist, § 170 Abs. 1 AO.

17.269 Die Frist für die Zahlungsverjährung beträgt (bis auf Sonderfälle)177 fünf Jahre, § 228; die Zahlungsverjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Zahlungsanspruch erstmalig fällig geworden ist, § 229 AO.

17.270 Sowohl die Festsetzungsverjährung als auch die Zahlungsverjährung sind von Amts wegen zur berücksichtigen.

17.271 Die Eigentümergemeinschaft hat – durch den Verwalter – die einbehaltene Lohnsteuer bei der Finanzbehörde anzumelden. Sie muss ein ordnungsgemäßes Lohnkonto führen, § 41 EStG; die nach § 4 Abs. 1 und 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sowie nach § 41 des EStG aufzuzeichnenden Daten des Lohnkontos sind der Finanzbehörde über eine digitale Schnittstelle elektronisch bereitzustellen, § 4 Abs. 2a LStDV.

175 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.1998 – B 12 KR 22/9 R, MDR 1999, 619 = SozVers 1999, 305; BayLSG, Urt. v. 15.2.2017 – L 10 AL 285/15, Juris = info also 2017, 161. 176 Zu längeren Fristen in Sonderfällen vgl. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. 177 In Fällen der §§ 370, 373 oder 374 AO zehn Jahre.

1080

Köhler

Teil 18 Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.1

II. Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.7

1. Risikoabdeckung der „Verbundenen Gebäudeversicherung“ . . a) Feuerschäden . . . . . . . . . . . . . b) Leitungswasserschäden . . . . . . c) Sturm- und Hagelschäden . . . d) Elementarschäden . . . . . . . . . . e) Fakultative Risikoeinschlüsse .

18.15 18.28 18.43 18.54 18.62 18.68

2. Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht-Versicherung . . . . . . .

18.70

3. WHG-Haftpflichtversicherung . .

18.96

4. Glasversicherung . . . . . . . . . . . . 18.103 III. Versicherungsvertrag für den Verwaltungsbeirat (VermSchHV) . . . . . . . . . . . . . . . 18.107 IV. Versicherungsverträge für den Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften . . . . . . . . . 18.118 1. Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (§ 34c Abs. 2 Nr. 3 GewO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.119 2. Haftpflichtversicherung für den Bürobetrieb . . . . . . . . . . . . . 18.133 3. Vertrauensschaden-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.139 V. Vertragsabschlussberechtigung . 18.148 1. Ordnungsmäßige Verwaltung als Maßstab für Versicherungsabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.149 2. Berechtigung des Verwalters, für den Verband zu handeln . . . . 18.153 VI. Kündigung von Versicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.159 1. Entscheidung über Kündigung . . 18.160 2. Kündigung, insbesondere nach Versicherungsfall . . . . . . . . . . . . 18.162 3. Abgabe der Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.175

4. Formale Kündigungs-„Hürden“ bei der Feuerversicherung. . . . . . 18.180 VII. Selbstbeteiligungen bei der Gebäudeversicherung . . . . . . . . . 18.187 1. Selbstbeteiligung wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.189 2. Vereinbarte Selbstbeteiligung . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlusskompetenz zur Einführung einer Selbstbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . c) Verteilung der Selbstbeteiligung und besondere Verteilungsbeschlüsse . . . . . . . . . .

18.192 18.192 18.196 18.198

VIII. Abwicklung von Versicherungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.206 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.206 2. Differenzierung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwicklung von Schäden im Gemeinschaftseigentum . . . . . b) Abwicklung von Schäden im Sondereigentum . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches Recht des Sondereigentümers gegenüber dem Versicherer, § 43 VVG . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkung der Rechte durch die VGB der Versicherer? . . . . . . . . . . . . . . cc) Abgabe notwendiger Erklärungen gemäß § 44 Abs. 2 VVG (Klage des Versicherten) . . . . . . . . . . dd) Zustimmungserklärungen notwendig für die außergerichtliche Korrespondenz? . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behandlung der Entschädigungszahlungen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufrechnung bei eigenen (Hausgeld-)Ansprüchen des Verbandes . . . . . . . . . . . . . . . .

18.281

Köhler

1081

18.214 18.218 18.224

18.229 18.234

18.258

18.268 18.276

Teil 18 Rz. 18.1

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

I. Einleitung 18.1 Eine zügige Bearbeitung von Rechtsfällen an den Berührungspunkten zwischen Wohnungseigentums- und Versicherungsrecht hatte sich für mich in den ersten Kanzleijahren als schwierig herausgestellt. Literatur zur effektiven Bearbeitung solcher Mandate stand nicht zur Verfügung und Spezialliteratur zum Thema „Versicherung und Wohnungseigentum“ konnte an zwei Händen abgezählt werden.1

18.2 Die Rechtsfälle und das Interesse an dem Thema führten im Laufe der Jahre zu mehr als 40 Aufsätzen, Vorträgen, Seminaren und Entscheidungsbesprechungen und auch zur Übernahme des versicherungsrechtlichen Teils im Loseblattwerk von Deckert,2 wobei die Veröffentlichung zu einem großen Teil zusammen mit dem Versicherungsökonom Hans Dieter Jansen verfasst wurden.3

18.3 Seither haben sich erfreulicher Weise auch andere Autoren mit den Beziehungen zwischen Versicherungs- und Wohnungseigentumsrecht beschäftigt, wobei sich insbesondere Armbrüster4 und Dötsch5 seit Jahren regelmäßig diesen Spezialthemen widmen und wichtige Impulse für Problemlösungen geben.

18.4 Die Verwalterverbände haben sich (teilweise erfolgreich) bemüht, die Inhalte von Versicherungsverträgen durch die Formulierung von Versicherungsbedingungen für die einzelnen Versicherungssparten positiver im Hinblick auf die Belange von Wohnungseigentümergemeinschaften, deren Verwaltern und den einzelnen Wohnungseigentümern zu gestalten.

1 Soweit ersichtlich, gab es nur folgende Veröffentlichungen, die sich mit dem Verhältnis Wohnungseigentum/Versicherung beschäftigten: Bischoff, Der weite versicherungsrechtliche Horizont des Wohnungseigentums, VersR 1958, 577; Ausborn, Die privatrechtliche Gebäudeversicherung bei Wohnungseigentümergemeinschaften, Diss. Hamburg 1963; Ausborn, Wohnungseigentum und privatrechtliche Gebäudeversicherung, Karlsruhe 1964; Martin, Veräußerung von Wohnungseigentum und § 69 VVG; VersR 1974, 409; Geller, Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und Haftpflichtversicherung, RuS 1976, 157; Korff, Kündigung von Versicherungsverträgen durch den Verwalter, DWE 1979, 38; Martin, Zur Kündigung von Versicherungsverträgen durch den Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft, VersR 1979, 80; Röll, Wohnungseigentum und Versicherungen, DWE 1980, 6. 2 Die Eigentumswohnung (ETW), Gruppe 9/II (Haufe-Verlag); von 1990 bis 2004 Verfasser Jansen/ Köhler, danach bis 2012 Köhler Alleinverfasser. 3 Vgl. u.a. Jansen/Köhler, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des WEG-Verwalters, DWE 1990, 6; Jansen/Köhler, Haftpflichtversicherungen des WEG-Verwalters, DWE 1990, 78; Jansen/Köhler, Noch einmal: Versicherung im Wohnungseigentum, WE 1990, 194. 4 Vgl. nur: Armbrüster, Rückgriff des Gebäudeversicherers gegen Wohnungseigentümer, ZWE 2000, 204; Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109; Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201; Armbrüster, Versicherungsschutz für WEG-Verwalter, ZMR 2018, 107. 5 Vgl. nur: Dötsch, Mitversicherung des WEG-Verwalters in der Grundbesitzerhaftpflichtversicherung – Warum eigentlich?, ZMR 2013, 785, Dötsch, Gebäudeversicherung der Wohnungseigentümer, ZMR 2014, 169; Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353.

1082

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.11 Teil 18

Der Gesetzgeber hat im (vermeintlichen) Interesse der Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümergemeinschaften bei der Neufassung des § 34c GewO6 ein versicherungsrechtliches Problem aufgegriffen und bestimmt, dass ein Verwalter von Wohnungseigentum den Abschluss einer „Berufshaftpflichtversicherung“ nachweisen muss, wenn er die nunmehr notwendige Gewerbeerlaubnis für eine Tätigkeit als Verwalter von Wohnungseigentum erlangen will.

18.5

Die Diskussion über das Verhältnis von Wohnungseigentums- und Versicherungsrecht sowie über Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Verwaltung von Wohnungseigentum und der Abwicklung von Versicherungsfällen ist jedoch noch lange nicht beendet. Viele Fragen bedürfen noch einer Antwort.

18.6

II. Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften Es ist eine wichtige Aufgabe des Verwalters, bei Übernahme einer neuen Wohnungseigentü- 18.7 mergemeinschaft zu prüfen, welche Versicherungsverträge tatsächlich existieren und welche abgeschlossen werden müssen oder sollten. Der Verwalter muss dazu anhand der existierenden gemeinschaftlichen Versicherungsverträge ermitteln, welche Risiken abgedeckt sind, welche zusätzlichen Risiken eventuell (kostenfrei oder gegen zusätzliche Prämie) noch abgesichert werden können (oder sollten) und welche Risikoausschlüsse bisher und auch in der Zukunft bestehen. Das erfordert einen erheblichen Aufwand und eine umfassende Kenntnis der im Versicherungsmarkt existierenden Vertragsbedingungen sowie der Angebotspalette unterschiedlicher Versicherer. Eine Zusammenarbeit mit spezialisierten, aber unabhängigen Versicherungsmaklern ist sinnvoll.

18.8

In den meisten Gemeinschaftsordnungen wird konkret beschrieben, welche Versicherungsrisiken abgedeckt werden sollen. So lautet eine übliche Formulierung: „Für das gemeinschaftliche Eigentum und das Sondereigentum als Ganzes sind folgende Versicherungen abzuschließen: Eine verbundene Gebäudeversicherung als gleitende Neuwertversicherung sowie eine Grundbesitzerhaftpflichtversicherung.“

18.9

In § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG ist nur vom Abschluss einer Feuerversicherung des „gemeinschaftlichen Eigentums“ und einer Versicherung gegen „Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht“ die Rede. Der Gesetzgeber hat damit festgelegt, welche Versicherungsabschlüsse auf jeden Fall ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen – das bedeutet jedoch nicht, dass Versicherungen für andere Sparten nicht abgeschlossen werden dürften oder nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprächen.7

18.10

Ordnungsmäßige Verwaltung ist ein etwas diffuser Begriff, der sich nur aus verschiedenen Be- 18.11 stimmungen des Wohnungseigentums ableiten lässt, zusammenfassend aber definiert werden

6 § 34c GewO in der ab 15.12.2018 gültigen Fassung (Gesetz zur Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes und der Gewerbeordnung vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2354). 7 Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201.

Köhler

1083

Teil 18 Rz. 18.11

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

kann als „Maßnahme, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des Gemeinschaftseigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet ist.“8

18.12 Ein Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung unterliegt keiner Verjährung, so dass auch der Anspruch auf Abschluss ordnungsgemäßer Versicherungsverträge unverjährbar ist.9

18.13 Wenn es um die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geht, muss man anerkennen, dass zur ordnungsmäßigen Verwaltung auch die versicherungsmäßige Abdeckung weiterer (über die gesetzliche Beschreibung hinausgehender) Risiken gehören kann, z.B. eine versicherungsmäßige Abdeckung einer Inanspruchnahme aufgrund des Wasserhaushaltsgesetzes.

18.14 Über seine Prüfungsergebnisse muss der Verwalter die Wohnungseigentümer informieren und – falls erforderlich – über die Ergänzung oder Erweiterung des Versicherungsschutzes Beschlüsse fassen lassen. 1. Risikoabdeckung der „Verbundenen Gebäudeversicherung“

18.15 Üblich ist der Abschluss einer „verbundenen Gebäudeversicherung“, mit der das Gebäude der Eigentümergemeinschaft abgesichert werden soll. Der Vertrag für eine „verbundene Gebäudeversicherung“ vereinigt für ein Versicherungsobjekt mehrere (eigentlich selbstständige) Versicherungssparten in einem Vertrag, nämlich die Feuerversicherung, Leistungswasserversicherung, Sturm- und Hagelversicherung. Neben diesen Sparten können auch noch weitere Risikoabdeckungen in den verbundenen Vertrag aufgenommen werden, z.B. die Elementarschadenversicherung.

18.16 Versicherungsrechtlich wird nicht zwischen dem Gemeinschaftseigentum und dem Sondereigentum unterschieden.10 Die früheren und die neuesten Versicherungsbedingungen (VGB 2016) für verbundene Gebäudeversicherungen formulieren:

18.17 Versicherte Sachen sind die im Versicherungsschein bezeichneten Gebäude,11 deren Gebäudebestandteile,12 deren Gebäudezubehör,13 Terrassen auf dem Versicherungsgrundstück, die unmit-

8 Merle in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 21 WEG Rz. 27 m.w.N. 9 BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 177/11, MDR 2012, 834 = WuM 2012, 397 = ZWE 2012, 325. 10 Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109; Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, zeigt den Hintergrund prägnant auf „Die Versicherungswirtschaft erspart sich so die mitunter schwierige Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum“. 11 Gebäude im Sinne der VGB: mit dem Erdboden verbundene Bauwerke. 12 Gebäudebestandteile im Sinne der VGB: in ein Gebäude eingefügte Sachen, die durch ihre feste Verbindung mit dem Gebäude ihre Selbständigkeit verloren haben. Dazu gehören auch Einbaumöbel oder Einbauküchen, die individuell für das Gebäude gefertigt und mit einem großen Einbauaufwand an das Gebäude angepasst sind (nicht dazu gehören Anbaumöbel oder Anbauküchen, die serienmäßig vorgefertigt wurden). 13 Gebäudezubehör im Sinne der VGB: bewegliche Sachen, die sich im Gebäude befinden oder außen am Gebäude angebracht sind und der Instandhaltung oder überwiegenden Zweckbestimmung des versicherten Gebäudes dienen; Müllboxen sowie Klingel- und Briefkastenanlagen auf dem Versicherungsgrundstück zählen dazu.

1084

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.22 Teil 18

telbar an das Gebäude anschließen. Weitere Grundstücksbestandteile14 sind nur versichert, soweit dies ausdrücklich vereinbart ist.15 Demnach ist von einem Gebäude-Versicherungsvertrag sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch das Sondereigentum erfasst. Im Hinblick auf das Sondereigentum spricht man von einem Versicherungsvertrag für fremde Rechnung16 – während die Eigentümergemeinschaft Versicherungsnehmerin ist, sind die einzelnen Eigentümer die Versicherten (und zwar sowohl hinsichtlich ihres Sondereigentums als auch hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils am gemeinschaftlichen Eigentum).17 Nur wenn auch Verwaltungsvermögen von der Gebäudeversicherung erfasst wird (z.B. bei Grundstückszubehör), ist die Versicherungsnehmerin identisch mit der Versicherten.18

18.18

Die einzelnen Wohnungseigentümer (als Versicherte) zählen versicherungsrechtlich nicht zu den „Dritten“ im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG, so dass der Versicherer keinen Regress gegen einen Wohnungseigentümer, der den Schaden vermeintlich oder tatsächlich leicht fahrlässig verursacht hat, geltend machen kann.19

18.19

Auch Ansprüche der Wohnungseigentümer untereinander sind wegen versicherter Schäden regelmäßig ausgeschlossen.20

18.20

Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verband versicherbare Risiken für das Gemeinschafts- und Sondereigentum durch den Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung absichert und dabei als Versicherungsnehmerin auftritt. Eine Gebäudeversicherung nur für sein (gesamtes) Sondereigentum kann ein Wohnungseigentümer nach der deutschen Versicherungspraxis nicht erlangen.

18.21

Das Wohnungseigentumsgesetz erwähnt in § 21 Abs. 5 Nr. 3 eine Feuerversicherung zum Neuwert.21 Wird in einer Gemeinschaftsordnung nicht konkret eine „gleitende Neuwertversicherung“ für die Gebäudeversicherung vorgeschrieben, entspricht es nach meiner Auffas-

18.22

14 Weitere Grundstücksbestandteile: die mit dem Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks fest verbundenen Sachen. 15 Muster-VGB 2016 (Stand 15.11.2018) des GDV; abrufbar auf https://www.gdv.de. Diese MusterVGB sind für die Versicherer nicht verbindlich und haben nur empfehlenden Charakter, so dass abweichende Formulierungen (oder Regelungen) möglich sind. 16 § 43 Abs. 1 VVG. 17 BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = VersR 2016, 1564 = ZWE 2017, 30; OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133 = ZMR 2008, 401 = WuM 2008, 366; Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 1; sehr deutlich Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109; Greiner, Der Leitungswasserschaden in der Verwaltungspraxis, NZM 2013, 481, 485. 18 Vgl. Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341; Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 355, li. Sp. 19 BGH, Urt. v. 28.3.2001 – IV ZR 163/99, VersR 2001, 713 = MDR 2001, 867 = ZMR 2001, 717 (zu § 67 Abs. 1 VVG a.F., jetzt § 86 Abs. 1 VVG). 20 BGH, Urt. v. 10.11.2006 – V ZR 62/06, WuM 2007, 33 = ZWE 2007, 32 = MDR 2007, 390 (ebenso Vorentscheidung OLG München, Urt. v. 2.2.2006 – 19 U 3162/05, VersR 2006, 1214); Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341, 342 m.w.N.; Schmid, Versicherungen im Wohnungseigentum, VersR 2015, 168. 21 „Neuwert“ könnte auch als der Neuwert zum Zeitpunkt der Bauerrichtung angesehen werden, was aber m.E. sinnwidrig wäre.

Köhler

1085

Teil 18 Rz. 18.22

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

sung gleichwohl allein ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn eine gleitende Neuwertversicherung abgeschlossen wird. Durch diese wird eine automatische Anpassung der Versicherungssumme an die gestiegenen Baukosten gewährleistet, so dass die Wohnungseigentümer stets ausreichend abgesichert sind und der Versicherer die Neubaukosten erstattet.

18.23 Um den Gebäudeneubauwert festlegen zu können, benutzt die Versicherungswirtschaft den „Wert 1914“22 als fiktiven Rechenwert. Der „Wert 1914“ ist der Neubauwert des zu versichernden Gebäudes zu den Preisen des Jahres 1914. Um den aktuellen Neubauwert zu errechnen, wird der „Wert 1914“ mit dem aktuellen Baupreisindex multipliziert und das Ergebnis durch 100 dividiert.23

18.24 Der Wert 1914 wird in der Regel anhand eines Summenermittlungsbogens des Versicherers festgestellt. In diesem Ermittlungsbogen fragt der Versicherer nach Bewertungsmerkmalen des Gebäudes (z.B. Fassaden- und Dachausführung, Decken, Wänden und Fußböden usw.), die sodann klassifiziert werden („einfache“ bis „sehr gute Ausstattung“) und Punktzahlen bekommen. Daraus kann der Versicherer den Wert 1914 ableiten. Wird ein solcher, vom Versicherer vorgegebener Summenermittlungsbogen verwendet, verzichtet der Versicherer regelmäßig bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen auf die Einrede der Unterversicherung.24

18.25 Theoretisch könnte der Wert 1914 auch durch ein Gutachten eines vom Versicherer anerkannten Sachverständigen ermittelt werden (was teuer ist) oder durch Rückrechnung der bekannten Bauerstellungskosten auf die Kosten des Jahres 1914. Für Wohnungseigentumsanlagen sind die Bauerstellungskosten allerdings selten bekannt,25 so dass diese Ermittlungsmethode kaum Anwendung findet.

18.26 Für die Prämienberechnung26 benutzen die Versicherer einen gleitenden Neuwertfaktor. Dieser wird vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) ermittelt, ist aber für die Versicherungsunternehmen nicht verbindlich und kann demnach von Versicherer zu Versicherer variieren.27 Der Neuwertfaktor setzt sich zusammen aus den vom Statistischen Bundesamt festgestellten Werten „Baupreisindex für Wohngebäude“ (zu 80 %) und „Tariflohnindex für das Baugewerbe“ (20 %).

18.27 Bei den Verhandlungen vor Abschluss eines Versicherungsvertrages zwischen Wohnungseigentümergemeinschaft und Versicherer stellen die Versicherer stets in Textform Fragen, die für die Bewertung ihres Risikos wichtig sind (z.B. nach leerstehenden Wohnungen oder Gewerberäumen, nach dem Anteil Wohnungen/Gewerbeflächen, nach objektnahen Risiken – wie naheliegenden Gewerbebetriebe, von denen ein besonderes Risiko ausgeht –, nach dem bisherigen Schadensverlauf usw.). Diese Fragen müssen von der Gemeinschaft (vertreten

22 Auch „Gebäudeversicherungswert 2014“ genannt; vgl. Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 202, mit weiteren Literatur-Hinweisen. 23 Den Baupreisindex stellt das Statistische Bundesamt (www.destatis.de) regelmäßig fest. 24 Vgl. dazu die Muster-Versicherungsbedingungen des GDV (https://www.gdv.de). 25 Die Bauträger haben (verständlicher Weise) kein Interesse, diesen Wert bekanntzugeben. 26 Prämienberechnung: Wert 1914 × Promille-Beitragssatz × gleitender Neuwertfaktor = JahresNettoprämie. 27 Für 2019 variiert er bei den Versicherern (auch abhängig von den verwendeten VGBs) tatsächlich zwischen 18,55 und 18,8.

1086

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.35 Teil 18

durch den Verwalter) wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden (vorvertragliche Obliegenheiten).28 a) Feuerschäden Nach § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG gehört der Abschluss einer Feuerversicherung (zum Neuwert) zur ordnungsmäßigen Verwaltung, kann also (schon von Gesetzes wegen) von jedem Wohnungseigentümer eingefordert werden.

18.28

Diese Bestimmung im Wohnungseigentumsgesetz war insbesondere deshalb vom Gesetzgeber eingeführt worden, um zu gewährleisten, dass der Erwerb von Wohnungseigentum auch darlehensfinanziert erfolgen kann. Ohne eine Absicherung gegen das Feuerrisiko wären Kreditinstitute kaum bereit gewesen, Darlehen für den Erwerb der Wohnung zu gewähren.

18.29

Feuer im Sinne der üblichen Versicherungsbedingungen ist Brand, Blitzschlag, Explosion, Anprall oder Absturz eines Luftfahrzeuges. Die einzelnen hier genannten versicherten Gefahren werden in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen stets näher umschrieben.

18.30

Brand ist z.B. ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.

18.31

Sengschäden werden deshalb nicht vom „Brand“-Begriff erfasst und sind (bis auf Sonderfälle, die in den Versicherungsbedingungen beschrieben werden) von der Erstattung ausgeschlossen.

18.32

Ein bestimmungsgemäßer Herd wären z.B. das Feuer in einem offenen Kamin, die Wachskerzen am Weihnachtsbaum usw. Diesen „bestimmungsgemäßen Herd“ müsste das Feuer verlassen und auf andere Gegenstände übergegriffen haben (Teppich vor dem Kamin, Weihnachtsbaum usw.) – und sich dadurch durch eigene Kraft ausbreiten können.

18.33

Nimmt ein Erwerber von Wohnungseigentum einen Kredit auf, verlangen die Kreditinstitute stets den Nachweis einer ausreichenden Feuerversicherung, lassen sich den Kredit durch Hypothek oder Grundschuld absichern und melden bei dem Versicherer ihre Hypothek oder Grundschuld an.

18.34

Im Fall einer normalen Kündigung zum Versicherungsablauf greifen dann die §§ 144, 148 18.35 VVG ein. Diese erhöhen die Kündigungshürde im Interesse der Grundpfandrechtsgläubiger. Hat ein Grundpfandgläubiger seine Hypothek/Grundschuld beim Versicherer angemeldet, ist nämlich eine normale Ablauf-Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer mindestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrags nachgewiesen hat, dass das Grundstück nicht (mehr) mit einer Hypothek/Grundschuld belastet war oder dass der/die Hypotheken- bzw. Grundschuldgläubiger der Kündigung zugestimmt hat.29

28 Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201. 29 Vgl. dazu auch Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 205, der zu Recht darauf hinweist, dass bei §§ 144, 148 VVG die Versicherungsnehmer-Eigenschaft der Eigentümergemeinschaft keine Rolle spielt.

Köhler

1087

Teil 18 Rz. 18.36

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.36 Der Grundpfandgläubiger wird darüber hinaus auch noch durch die §§ 1128 BGB, 142 VVG geschützt.

18.37 Der Gebäude-Versicherer kann nach § 1128 BGB die Versicherungssumme mit (befreiender) Wirkung gegenüber dem Hypothekengläubiger (oder Grundschuldgläubiger) an den Versicherten erst zahlen, wenn er (oder der Versicherte) den Eintritt des Schadens dem Grundpfandgläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist. Hat der Grundpfandgläubiger seine Hypothek/Grundschuld bei dem Versicherer angemeldet, kann der Versicherer mit Wirkung gegenüber dem Grundpfandgläubiger an den Versicherten nur zahlen, wenn der Grundpfandgläubiger der Zahlung schriftlich zugestimmt hat.

18.38 § 142 Abs. 1 VVG bestimmt außerdem, dass der Gebäudefeuerversicherer dem (angemeldeten) Grundpfandgläubiger anzuzeigen hat, wenn dem Versicherungsnehmer „für die Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird“. Bleibt also die Eigentümergemeinschaft eine Folgeprämie schuldig und wird unter Fristsetzung gemahnt, erfahren das alle (beim Versicherer angemeldeten) Grundpfandgläubiger der einzelnen Wohnungseigentümer.

18.39 § 142 Abs. 2 VVG sieht zusätzlich vor, dass der Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalles innerhalb einer Woche, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem (angemeldeten) Grundpfandgläubiger anzuzeigen hat – ausgenommen sind unbedeutende Schadensfälle.

18.40 Häufig stellen Verwalter und/oder Wohnungseigentümer die Frage, ob der Versicherer bei Brandstiftung die Leistung verweigern kann. Brandstiftung durch einen gemeinschaftsfremden Dritten ist selbstverständlich abgesichert; problematisch könnte nur die „Eigen-Brandstiftung“ eines Wohnungseigentümers sein. Für Eigentümergemeinschaften gibt es hierzu jedoch in den üblichen Versicherungsbedingungen (z.B. VGB 2016)30 eine versicherungsmäßige Besonderheit: Ist der Versicherer wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer ganz oder teilweise leistungsfrei, bleibt er den übrigen Wohnungseigentümern zur Leistung verpflichtet. Das gilt für das Sondereigentum der übrigen Eigentümer und deren Miteigentumsanteile am Gemeinschaftseigentum.31

18.41 Hat also einer der Eigentümer „gezündelt“, wirkt sich das nur gegenüber diesem einzelnen Eigentümer aus. Ihm gegenüber ist der Versicherer leistungsfrei. Dessen Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum muss der Versicherer nicht entschädigen.

18.42 Die übrigen Wohnungseigentümer können gleichwohl Entschädigung für diesen Miteigentumsanteil verlangen, wenn diese zusätzliche Entschädigung verwendet wird, um das gemeinschaftliche Eigentum wiederherzustellen. In diesem Fall muss der „zündelnde“ Wohnungseigentümer allerdings dem Versicherer die zusätzlich gezahlte Entschädigung ersetzen.

30 Muster-VGB 2016, Stand 15.11.2018, des GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. – abrufbar unter www.gdv.de. 31 Siehe auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 362, li. Sp.; zweifelhaft ist die dort vertretene Ansicht, „mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit“ habe diese „Sonderregelung viel von ihrer Bedeutung verloren“. Die VGB stellen ausdrücklich auf die Wohnungseigentümer ab (und nicht auf den Verband) und formulieren: „Wenn der Versicherer wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer ganz oder teilweise leistungsfrei ist, bleibt er den übrigen Wohnungseigentümern zur Leistung verpflichtet.“ Das gilt nach den VGB auch für Teileigentümer.

1088

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.48 Teil 18

b) Leitungswasserschäden Nach einem Bericht des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft aus dem Jahr 2017 tritt in Deutschland alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden auf und die „Hauptstadt“ der Leitungswasserschäden ist Köln – die Schadenshäufigkeit liegt dort extrem weit über dem Bundesdurchschnitt.32 2015 haben – nach der gleichen Quelle – die Gebäudeversicherer ca. 2,3 Milliarden Euro für die Regulierung von Leitungswasserschäden aufbringen müssen. Ursache von Leitungswasserschäden sind sehr häufig das Alter der Leitungen oder auch Ausführungsfehler bei der Installation von Leitungen.

18.43

Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften müssen deshalb im Hinblick auf die sehr große Anzahl von Leitungswasserschäden besonders darauf achten, dass für alte Leitungssysteme Sanierungsbeschlüsse gefasst werden, Ausführungsfehler bei Neuinstallationen vermieden werden und eine ordnungsgemäße versicherungsmäßige Absicherung der Gemeinschaft besteht.33

18.44

Unter die Leitungswasser-Versicherung fallen: Leitungswasserschäden und Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden.

18.45

Um „Leitungswasserschäden“ annehmen zu können, muss Wasser (oder Betriebsflüssigkei- 18.46 ten der Heizungs- und Klimaanlagen oder Wasserdampf) bestimmungswidrig ausgetreten sein, nämlich (u.a.) aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, Heizungs- oder Klimaanlagen, Wasserlösch- oder Berieselungsanlagen, Wasserbetten oder Aquarien. Innerhalb von Gebäuden sind versichert frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Roh- 18.47 ren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen, damit verbundene Schläuche) oder der Heizungs- und Klimaanlagen – vorausgesetzt wird dabei aber, dass die Rohre kein Bauteil von Heizkesseln, Boilern oder vergleichbaren Anlagen sind. Versichert sind auch frostbedingte Bruchschäden an Badeeinrichtungen, Waschbecken, (Wasser-)Toiletten, Wasser- und Absperrhähnen, Ventilen, Geruchsverschlüssen, Wassermessern (einschließlich der Anschlussschläuche), sowie frostbedingte Bruchschäden an Heizkörpern, Heizkesseln, Boilern oder vergleichbaren Teilen von Heizungs- und Klimaanlagen. Sogar Rohre von Solarheizungsanlagen auf dem Dach gelten als Rohre innerhalb des Gebäudes. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden sind bei frostbedingten und sonstigen Bruchschäden an Zuleitungsrohren der Wasserversorgung oder an Rohren von Heizungs- oder Klimaanlagen versichert, wenn diese Rohre der Versorgung versicherter Gebäude oder Anlagen dienen und die Rohre sich auf dem Versicherungsgrundstück befinden und der Versicherungsnehmer die Gefahr dafür trägt.34 32 Medieninformation des GDV vom 3.7.2017, „Alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden in Deutschland“, abrufbar unter www.gdv.de. 33 Zu durchaus grundlegenden Überlegungen vgl. Nußbaum, Haftung der Wohnungseigentümer für Leitungswasserschäden, NZM 2003, 617. 34 Bei Eigentümergemeinschaften tragen die Miteigentümer gemeinschaftlich die Gefahr, auch wenn die Eigentümergemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnimmt (vgl. § 10 Abs. 1, Abs. 6 Satz 3 WEG, sowie Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 WEG Rz. 337 zu „wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks“). Bei der VGB-Bestimmung über die Gefahrtragung zeigt sich (wieder einmal) die fehlende Kongruenz von Wohnungseigentums- und Versicherungsrecht.

Köhler

1089

18.48

Teil 18 Rz. 18.49

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.49 Nicht versichert über die Leitungswasser-Versicherung sind Regenwasser aus Fallrohren; Plansch- oder Reinigungswasser, Grundwasser, Wasser aus stehenden oder fließenden Gewässern, Überschwemmung oder Witterungsniederschläge oder ein durch diese Ursachen hervorgerufener Rückstau.

18.50 Die oben bei Bandschäden erwähnte Besonderheit für Verträge mit Wohnungseigentümergemeinschaften (Leistungsfreiheit des Versicherers wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer, gleichwohl Entschädigungsanspruch der übrigen Eigentümer) könnte auch bei den (über den verbundenen Gebäudeversicherungsvertrag abgesicherten) Leitungswasserschäden eingreifen.

18.51 Bei dem Versicherungsrisiko „Leitungswasser“ ist eine Obliegenheit zu beachten, die auch für Verwalter besonders wichtig ist. Nach den VGB (auch den VGB 2016) müssen nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile (also einzelne Wohnungen) zu jeder Jahreszeit genügend häufig kontrolliert werden. Außerdem sind dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. In der kalten Jahreszeit müssen alle Gebäude und Gebäudeteile beheizt werden. Alternativ sollen wasserführende Anlagen und Einrichtungen abgesperrt oder entleert werden.

18.52 Wenn durch Frost Leitungswasser-Schäden entstehen, prüfen die Versicherer regelmäßig die Erfüllung dieser Obliegenheit und könnten bei Verstoß ganz oder teilweise die Entschädigungsleistung verweigern.35 Deshalb sollten Verwalter die Eigentümer „ihrer“ Eigentümergemeinschaften regelmäßig vor Beginn der Heizperiode darauf hinweisen, dass Wohnungen auch bei Abwesenheit beheizt werden müssen, um Rohrbruchschäden durch Frosteinwirkung zu verhindern, und auch bei längerer Abwesenheit für eine regelmäßig Kontrolle gesorgt werden muss. Ein Absperren und Entleeren wasserführender Leitungen von und zu den einzelnen Wohnungen ist selten möglich.

18.53 In Eigentümergemeinschaften werden zwar auch leerstehende Wohnungen von anderen Einheiten „mitgeheizt“, gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass leerstehende Wohnungen in exponierten Lagen von Frosteinwirkungen betroffen sein können. c) Sturm- und Hagelschäden

18.54 Naturgewalten haben 2017 fast 3 Milliarden Euro Versicherungsschäden (an Häusern, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetrieben, Landwirtschaft) verursacht. Auf Sturm und Hagel entfielen ca. 2,6 Milliarden Euro.36

18.55 Das zeigt die Bedeutung und Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Absicherung auch für die Objekte von Eigentümergemeinschaften. Der Verwalter hat hier eine zentrale Bedeutung, weil er die bestehende versicherungsmäßige Absicherung des gemeinschaftlichen Objekts prüfen und der Eigentümerversammlung die aus objektiver Sicht notwendigen Maßnahmen vorschlagen muss. 35 Vgl. zu einem speziellen Fall – der Versicherer versäumt die Umstellung des Versicherungsvertrages auf neuere Versicherungsbedingungen – Armbrüster, Unverhoffte Entlastungen für Verwalter bei vor 2008 geschlossenen Wohngebäudeversicherungen, ZWE 2012, 120, unter Bezug auf die Entscheidung BGH, Urt. v. 12.10.2011 – IV ZR 199/10, BGHZ 191, 159 = MDR 2012, 27 = ZWE 2012, 11. 36 Naturgefahrenreport 2018, Medieninformation v. 9.10.2018 des GDV, „90 Prozent aller Schäden entstehen durch Sturm und Hagel“, abrufbar unter www.gdv.de.

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Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.63 Teil 18

Als Sturm wird nach den Versicherungsbedingungen eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach der Beaufortskala bezeichnet.37 Windstärke 8 entspricht einer Windgeschwindigkeit von mindestens 62 km pro Stunde.

18.56

Die aufgetretene Windstärke für einen Schadenort kann meist über die Wetterämter sehr kon- 18.57 kret nachgewiesen werden. Die Versicherer habe aber in ihren Versicherungsbedingungen auch die Möglichkeit anderer Nachweise eröffnet. Der Versicherungsnehmer kann z.B. nachweisen, dass in der Umgebung des Versicherungsgrundstücks durch eine wetterbedingte Luftbewegung Schäden an Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet wurden. Die Sturmversicherung ist seit längerer Zeit erweitert um Hagelschäden. Der Versicherer tritt ein, wenn die versicherte Sache durch Hagel zerstört oder beschädigt wird. Bei diesem Wetterereignis ist die Windstärke irrelevant.

18.58

Allerdings entschädigten die Versicherer nach der Hagelkatastrophe 1984 die Geschädigten im Rahmen der Sturmschaden-Versicherung, weil bei diesem Wetterphänomen Windstärken von 8 oder mehr auftraten und die wenigsten Versicherten auch gegen Hagelschäden abgesichert waren.

18.59

Bei diesem Hagelunwetter im Juli 1984 waren im Großraum München Gesamtschäden in Hö- 18.60 he von ca. 8 Mrd. EUR verursacht worden – und das in einem Gebiet von lediglich 5 km Breite und 300 km Länge. Erst diese Hagelkatastrophe weckte das Bewusstsein, dass nicht nur landwirtschaftliche Betriebe eine Hagelabsicherung benötigen, sondern auch ganz „normale“ Gebäudeeigentümer. In der Folge wurden deshalb fast alle Gebäudeversicherungsverträge um den Hagel-Versicherungsschutz ergänzt.

18.61

d) Elementarschäden Zunehmend stärkere Wetterereignisse38 – deren Folgekosten gerade nicht von den „klassischen“ Versicherungssparten der Gebäudeversicherung abgedeckt werden – haben bei der Versicherungswirtschaft zur Entwicklung von zusätzlichen (und durchaus sinnvollen) Deckungskonzepten und zum Angebot einer „Elementarschaden“-Deckung geführt. Wird das „Elementarschaden-Versicherungspaket“39 in den Gebäudeversicherungsvertrag eingeschlossen, ist die Eigentümergemeinschaft gegen die Kostenrisiken aus Überschwemmungen (auch aufgrund Starkregens), Erdbeben, Erdsenkung und Erdrutsch sowie Schneedruck oder Lawinen abgesichert.

18.62

Nicht abgesichert sind Sturmflut und Grundwasser, das unterirdisch ins Gebäude eindringt („drückendes Wasser“).

18.63

37 Das stimmt mit der seefahrerischen Terminologie nicht überein; dort wird erst ab 9 Bft (48 kn < 76 kmh) von „Sturm“ gesprochen. 38 Für Elementar-Schäden hat die Versicherungswirtschaft im Jahr 2018 ca. 500 Mio Euro an Entschädigung gezahlt (Quelle: Medieninformation des GDV vom 29.4.2019, „Unwetterbilanz 2018: NRW am härtesten getroffen“, abrufbar unter www.gdv.de). 39 Die Absicherung ist regelmäßig nur „im Paket“ zu erhalten – einzelne Risiken versichern die Versicherer in der Regel nicht.

Köhler

1091

Teil 18 Rz. 18.64

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.64 Zu den Kosten, die die Versicherer im Rahmen der Elementarschadendeckung übernehmen, gehören sowohl die Kosten einer Schadensfeststellung als auch die Kosten der Wiederherstellung (Aufräumen, Abbruch, Reparatur oder Renovierung, evtl. sogar Neubau) der versicherten Sache.

18.65 Auch wenn nur einzelne und nicht alle genannten Risiken bei einer Eigentümergemeinschaft auftreten könnten, ist der Einschluss empfehlenswert und kann bei kritischer Abwägung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses auch ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

18.66 Wenn man bedenkt, dass die Versicherer im Jahr 2018 ca. 500 Mio Euro an Versicherungsentschädigung bei Elementarschäden geleistet haben, jedoch nur ca. 43 % der Gebäude in Deutschland abgesichert waren,40 zeigt sich das bestehende Gefahrenpotential und die erhebliche Versicherungsschutz-Lücke, die für Eigentümergemeinschaften im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung unbedingt geschlossen werden sollte.

18.67 Versicherer verlangen bei einem bestehenden Gebäudeversicherungsvertrag meist nur geringe Zuschlagsprämien – gleichwohl sind aber das Versicherungsangebot und die entstehenden Kosten vom Verwalter sehr genau zu prüfen, bevor er der Eigentümerversammlung den Einschluss empfiehlt und einen Beschluss fassen lässt. e) Fakultative Risikoeinschlüsse

18.68 Die Versicherer bieten bei der Verbundenen Gebäudeversicherung neben der Elementarschaden-Abdeckung noch zahlreiche weitere Versicherungseinschlüsse an, die der Verwalter genau nach Inhalt, Umfang41 und Kosten prüfen muss. Sind nach Auffassung des Verwalters zusätzliche Versicherungseinschlüsse empfehlenswert, hat er die Eigentümerversammlung hierüber entscheiden zu lassen.

18.69 Zusätzlich können u.a. versichert werden: – Weitere Grundstücksbestandteile auf dem Versicherungsgrundstück: u.a. Carports und Gartenhäuser bis zu einer (zu vereinbarenden) Grundfläche, Grundstückseinfriedungen (auch Hecken), Wege- und Gartenbeleuchtungen. – Regenfallrohre, die innerhalb der Gebäude verlaufen. (Abgesichert sind frostbedingte und sonstige Bruchschäden, durch die Wasser bestimmungswidrig aus den Fallrohren ausgetreten ist.) – Kosten für die Beseitigung von Rohrverstopfungen in Ableitungsrohren innerhalb und außerhalb der versicherten Gebäude. – Gebäudebeschädigungen an dem Gebäude der Eigentümergemeinschaft durch unbefugte Dritte. (Ist ein unbefugter Dritter in das Gebäude der Eigentümergemeinschaft eingebrochen, eingestiegen oder mit falschen Schlüsseln oder anderen Werkzeugen eingedrungen (oder hat er es versucht), ersetzt der Versicherer auch die erforderlichen und tatsächlich ange40 Prozentsatz geschätzt vom GDV, vgl. Information des GDV „Mehrheit der Gebäude in Deutschland nicht richtig gegen Naturgefahren versichert“ vom 25.4.2019, abrufbar unter www.gdv.de. 41 Üblich ist, die Entschädigung je Versicherungsfall – und teilweise auch zusätzlich je Versicherungsperiode – auf einen im Versicherungsvertrag vereinbarten Betrag zu begrenzen.

1092

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.73 Teil 18

fallenen Kosten, um die Schäden an Türen, Schlössern, Fenstern, Rollläden und Schutzgittern zu beseitigen. Das gilt allerdings nur, soweit sie dem allgemeinen Gebrauch der Gemeinschaft unterliegen.) – Beseitigung umgestürzter Bäume. (Der Versicherer ersetzt die erforderlichen und tatsächlich angefallenen Kosten, um Bäume oder deren Teile von dem Versicherungsgrundstück zu entfernen, abzutransportieren und zu entsorgen. Voraussetzung ist aber, dass die Bäume durch Blitzschlag oder Sturm umgestürzt, abgeknickt oder derart beschädigt worden sind, dass sie entfernt werden müssen und eine Regeneration der Bäume nicht zu erwarten ist.) – Graffitischäden. (Der Versicherer ersetzt die erforderlichen und tatsächlich angefallenen Kosten, um Schäden durch Graffiti zu beseitigen. Ein Graffitischaden liegt vor, wenn ein unbefugter Dritter Außenseiten von versicherten Sachen durch Farbe oder Lacke verunstaltet. Der Versicherungsnehmer, also die Eigentümergemeinschaft vertreten durch den Verwalter, muss einen Graffitischaden unverzüglich dem Versicherer und der Polizei melden, sonst könnte der Versicherer leistungsfrei werden.) Graffitischäden sind gerade in innerstädtischen Bereichen sehr häufig anzutreffen und für die Beseitigung sind meist auch sehr hohe Kosten aufzuwenden, so dass es durchaus prüfenswert ist, ob ein solcher Einschluss erfolgen sollte. Versicherer verlangen bei der Absicherung von Graffitischäden neben der Begrenzung der Entschädigungssumme in der Regel auch noch eine Selbstbeteiligung. 2. Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht-Versicherung Die Versicherung der Wohnungseigentümer gegen eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung, § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG.

18.70

Das Wohnungseigentumsgesetz erwähnt eine „angemessene“ Haftpflichtversicherung. Angemessen muss insbesondere die Deckungssumme für Haftpflichtschäden sein. Es gibt Wohnungseigentümergemeinschaften, die nur eine Standarddeckungssumme für Personen- und Sachschäden in Höhe von 2 Millionen Euro (oder sogar eine noch niedrigere Deckungssumme) haben; solche Summen dürften nicht mehr zeitgemäß und auch nicht „angemessen“ sein. Die Haftungsrisiken einer Eigentümergemeinschaft sind vielfältig und können zu beträchtlichen Schadenszahlungen führen. Zu empfehlen sind deshalb deutlich höhere Deckungssummen für die Haftungsabsicherung bei Personen-, Sach- und Vermögensschäden.

18.71

Versichert ist nach den „AVB HuG HV 2016“42 die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als privater Haus- und/oder Grundstücksbesitzer für das im Versicherungsschein beschriebene Gebäude und Grundstück.

18.72

Bei Gemeinschaften von Wohnungseigentümern ist der Verband (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) die Versicherungsnehmerin. Das ergibt sich jetzt ohne weiteres aus der Teilrechtsfähigkeit des Verbandes. Es ist deshalb grob fehlerhaft, wenn im Versicherungs-

18.73

42 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, Stand April 2016, abrufbar unter www.gdv.de.

Köhler

1093

Teil 18 Rz. 18.73

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

vertrag (Versicherungsschein) der Verwalter statt der Eigentümergemeinschaft als Versicherungsnehmer auftaucht.43

18.74 Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht der Versicherungsnehmerin (Eigentümergemeinschaft), die aus dem gemeinschaftlichen Eigentum resultiert. Es geht also in erster Linie um die Absicherung von Risiken und Gefahren, die ihre Grundlage im Gemeinschaftseigentum haben.

18.75 Die AVB umschreiben das so: „Versicherungsschutz besteht für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“ Haftungsgrundlagen können unter anderem sein:

18.76 – § 823 BGB Dazu zählt die Verletzung der Streu-, Räum-, Reinigungs- und Instandhaltungspflichten (Verkehrssicherungspflichten)44; bei einer Übertragung dieser Pflichten auf Dritte (externe Dienstleister, Hausmeister oder Hauswart pp) muss die Eigentümergemeinschaft (durch ihren Verwalter) die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten überwachen.45

18.77 – § 823 BGB in Verbindung mit Schutzgesetzen Schutzgesetz kann z.B. § 1004 BGB sein, wobei § 1004 BGB voraussetzt, dass jemand als Störer verantwortlich ist (eine Beeinträchtigung, die ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht, reicht hierfür nicht aus; die Beeinträchtigung muss wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen).46

43 Vgl. auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 356, li. Sp. 44 Vgl. hierzu auch Felz, in diesem Handbuch, Teil 9; Dötsch/Greiner, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, ZWE 2014, 343; Donath, Compliance im Rahmen des WEG am Beispiel der Verkehrssicherungspflicht – Möglichkeiten für die Wohnungseigentümergemeinschaft und den Hausverwalter, ZWE 2013, 199; Gottschalg, Die Verkehrssicherungspflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Wohnungseigentümer und des Verwalters, DWE 2009, 81; Wenzel, Die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht durch den Wohnungseigentumsverwalter, ZWE 2009, 57; Schmid, Die Verkehrssicherungspflicht in Wohnungseigentumsanlagen; ZWE 2009, 295; Schmid, Verkehrssicherungspflicht in Miet- und Wohnungseigentumsobjekten, VersR 2009, 906; Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 2 f. 45 BGH, Urt. v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, MDR 1985, 311 = VersR 185, 243 = ZMR 1985, 121; vgl. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 13.2.2014 – 1 U 77/13, NZM 2014, 591 ZWE 2014, 313 (WEG überträgt Pflichten auf 82-jährigen Rentner); vgl. dazu auch Abramenko, Die Übertragung des Winterdienstes und ihre Überwachung bei älteren Beauftragten, ZWE 2014, 308; BGH, Urt. v. 22.7.1999 – III ZR 198/98, BGHZ 142, 227 = MDR 1999, 1316 = NJW 1999, 3633; LG Konstanz, Urt. v. 4.7.1995 – 2 O 272/94, Juris = BWGZ 1997, 600. 46 Vgl. BGH, Urt. v. 23.4.1993 – V ZR 250/92, BGHZ 122, 283 = MDR 1993, 760 = VersR 1993, 844 = NW 1993, 1855; OLG Köln, Urt. v. 22.12.2015 – 25 U 16/15, Juris = IBR 2016, 344 (Kurzwiedergabe).

1094

Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.83 Teil 18

18.78

– § 1004 BGB Ein auf § 1004 BGB gestützter Beseitigungsanspruch kann auch eine Haftungsgrundlage sein, bei der der Versicherer eintreten muss, wie eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1999 zeigt. Dort ging es um die Beseitigung von Baumwurzeln, die in eine Abwasserleitung eines Nachbargrundstücks hineingewachsen waren.47 Der Versicherer hatte die Deckung verweigert; der BGH meinte jedoch, dass Versicherungsschutz bestehe. Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB sei als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen einzuordnen. Der Anspruch auf Beseitigung habe dieselbe wiederherstellende Wirkung wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch.

18.79

18.80

– § 836 BGB Bei der Ablösung von Gebäudeteilen können die Wohnungseigentümer (gemeinschaftlich) für die eintretenden Schäden haften. Das Verschulden wird vermutet. Die Beweislastverteilungsregel des § 836 BGB ist aufgrund dessen erheblich günstiger für den Geschädigten als die Regel in § 823 BGB.48 Die Wohnungseigentümer müssten bei einer Ablösung von Gebäudeteilen die Vermutung ihres Verschuldens widerlegen.49

18.81

– § 836 BGB in Verbindung mit § 838 BGB Vielfach ist bei Verwaltern von Wohnungseigentum nicht das Bewusstsein vorhanden, dass sie, neben der Wohnungseigentümergemeinschaft (als Verband), bei der Ablösung von Gebäudeteilen eines von ihnen verwalteten Gebäudes auch persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können. § 838 BGB ist hierfür die Haftungsgrundlage: „Wer die Unterhaltung eines Gebäudes oder eines mit einem Grundstück verbundenen Werkes für den Besitzer übernimmt oder das Gebäude oder das Werk vermöge eines ihm zustehenden Nutzungsrechts zu unterhalten hat, ist für den durch den Einsturz oder die Ablösung von Teilen verursachten Schaden in gleicher Weise verantwortlich wie der Besitzer.“

18.82

Die Definition des § 838 BGB „beschreibt“ auch das Verhältnis zwischen einem Verwalter von Wohnungseigentum und dem Verband. Die Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG die „gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer“ wahr, die sie ihrerseits wiederum durch die Bestellung eines Verwalters im Wesentlichen auf den Verwalter überträgt.

18.83

Die Bedeutung dieser Haftungsbestimmungen für den Verwalter macht eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1993 sehr deutlich.50 Hat der Verwalter nach § 27 WEG für die ordnungsgemäße Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen, trifft ihn nach der zutreffenden Ansicht des BGH aufgrund § 838 BGB auch die Einstandspflicht für einen Schaden, der durch die Ablösung von Teilen des verwalteten Gebäudes verursacht worden ist. 47 BGH, Urt. v. 8.12.1999 – IV ZR 40/99, MDR 2000, 393 = VersR 2000, 311 = NJW 2000, 1194. 48 Vgl. hierzu auch Horst, Sturmschäden – Behandlung und Abwicklung in der anwaltlichen Praxis, MDR 2000, 1161. 49 Vgl. zur Entkräftung der Vermutung Wilhelmi in Erman, BGB, 15. Aufl., § 836 BGB Rz. 9. 50 BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, WuM 1993, 273 = ZMR 1993, 322 = NJW 1993, 1782 = VersR 1993, 759 = MDR 1994, 45; nach Zurückverweisung durch den BGH: OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.6.1995, 10 U 178/91, MDR 1996, 470 = DWE 1996, 186.

Köhler

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Teil 18 Rz. 18.84

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.84 – § 14 Nr. 4 WEG Hat ein Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 4 WEG zu dulden, dass die Gemeinschaft in sein Sondereigentum eingreift, um das gemeinschaftliche Eigentum instand zu setzen oder instand zu halten, kann das einen schadensersatzbegründenden (und für den Versicherer im Rahmen der Haftpflichtversicherung einen die Erstattung auslösenden) Tatbestand darstellen, so der BGH.51 In dem vom BGH entschiedenen Fall waren umfangreiche Sanierungsarbeiten im Zusammenhang mit einer Schwammbeseitigung durchgeführt worden; im Anschluss machten mehrere Eigentümer Schadensersatzansprüche (Mietausfall pp) geltend. Der Haftpflichtversicherer verneinte seine Einstandspflicht, weil die Ausschlussklausel („Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum“) eingreife. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass der Anspruch durch diese Klausel nicht abbedungen ist – diese Klausel könne nur so verstanden werden, dass lediglich unmittelbare Sachschäden, nicht jedoch Folgeschäden von der Leistungspflicht ausgenommen sind.

18.85

Nach 2003 sind die Versicherungsbedingungen jedoch so verändert worden, dass in den Fällen der geschilderten Art Versicherungsschutz ausgeschlossen wird: „Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben jedoch Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.“

18.86

Eine Chance auf Versicherungsdeckung bestünde in den Fällen des § 14 WEG nur, wenn die Eigentümergemeinschaft noch einen „Altvertrag“ hätte, bei dem die Versicherungsbedingungen aus den Jahren vor 2003 die Grundlage bildeten.

18.87 Bei der Haftpflichtversicherung für die Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es mitversicherte Personen.

18.88 Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht der Personen, die durch Arbeitsvertrag mit der Verwaltung, Reinigung, Beleuchtung und sonstigen Betreuung des Gebäudes und des Grundstückes beauftragt sind. Voraussetzung: Die Ansprüche werden aufgrund von Schäden erhoben, die im Zusammenhang mit der Ausführung der Arbeitnehmertätigkeiten entstanden sind.

18.89 Mitversichert ist auch die gesetzliche Haftpflicht des Verwalters52 und der Wohnungseigentümer bei Betätigung im Interesse und für Zwecke der Gemeinschaft. Dabei sind versichert: – Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter; – Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; – gegenseitige Ansprüche von Wohnungseigentümern bei Betätigung im Interesse und für Zwecke der Gemeinschaft.

18.90 Wie schon oben erwähnt, gibt es eine Ausschlussklausel: „Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben jedoch Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden.“ 51 BGH, Urt. v. 11.12.2002 – IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182 = MDR 2003, 389 = WuM 2003, 226 = VersR 2003, 236. 52 Siehe auch Dötsch, Mitversicherung des WEG-Verwalters in der Grundbesitzerhaftpflichtversicherung – Warum eigentlich?, ZMR 2013, 785.

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Köhler

Versicherungsverträge für Wohnungseigentümergemeinschaften

Rz. 18.97 Teil 18

Besonders bei Haftpflichtschäden für den Verwalter wichtig:53 In den Versicherungsbedingungen sind umfangreich Obliegenheiten beschrieben, die ein Versicherungsnehmer zu beachten hat. Die Erfüllung dieser Obliegenheiten ist Aufgabe des Verwalters, weshalb er sich die Bestimmungen über die Obliegenheiten im Schadenfall sehr genau ansehen sollte. Sinnvoller Weise legt ein Verwalter für sich und seine Mitarbeiter eine „to-do-Liste“ an, auf die er bei dem Eintritt eines Schadens unmittelbar zugreifen kann; darin sollten die Kontaktdaten des Versicherers (bzw. des Versicherungsvertreters), Versicherungsnummer und die wichtigsten Obliegenheiten aufgelistet sein.

18.91

Sobald dem Verwalter ein Schadensfall bekannt wird, muss er dem Versicherer den Versicherungsfall unverzüglich melden, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden; sodann muss er nach Möglichkeit für die Minderung des eingetretenen Schadens und für die Verhinderung weiterer Schäden sorgen und dazu die Weisungen des Versicherers einholen und auch befolgen.

18.92

Der Versicherer hat nach der Schadensmeldung die Haftpflichtfrage zu prüfen, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren und bei berechtigten Ansprüchen die Eigentümergemeinschaft bzw. den/die Mitversicherten von Schadensersatzverpflichtungen freizustellen.

18.93

Wird gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, die versicherten Wohnungseigentümer und/oder weitere Versicherte ein Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend gemacht, ist dem Versicherer die Führung des Verfahrens zu überlassen. D.h., der Verwalter darf in diesem Fall ohne Zustimmung des Versicherers keinen Rechtsanwalt mit der Abwehr der Klage beauftragen; entstehende Kosten müsste der Versicherer nicht tragen. Den Auftrag an einen Rechtsanwalt erteilt nach den Versicherungsbedingungen allein der Versicherer (namens der Eigentümergemeinschaft bzw. der versicherten Personen).

18.94

Die Eigentümergemeinschaft (oder eine über den Vertrag der Gemeinschaft versicherte Person) sollte keinesfalls ohne Zustimmung des Versicherers Anerkenntnisse abgeben oder Vergleiche schließen, denn solche binden den Versicherer nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte.54 Zwischen dem Versicherer und der Eigentümergemeinschaft (bzw. den mitversicherten Personen) könnte sich nach einer unberechtigten Handlungsweise ein Streit darüber entwickeln, ob der Anspruch „auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte“ – ein solcher Streit sollte in jedem Fall vermieden werden.

18.95

3. WHG-Haftpflichtversicherung Die (allgemeine) Versicherung der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht deckt nach den üblichen Versicherungsbedingungen keine Schadensersatzansprüche aus Gewässerschäden.

18.96

Für Eigentümergemeinschaften, die eine Öl-Heizungsanlage betreiben und ihr Heizöl in einem unter- oder oberirdischen Tank lagern,55 besteht das permanente Risiko, dass Heizöl aus dem Tank ausläuft, das Grundwasser verschmutzt und dadurch einen Dritten schä-

18.97

53 Zu den Obliegenheiten bei Gebäudeschäden siehe unter „Abwicklung von Versicherungsschäden“ Rz. 18.206 ff. 54 Vgl. aber § 105 VVG. 55 Bei der Versicherungsprämie wird häufig danach unterschieden, ob das Heizöl in einem oberirdischen oder unterirdischen Tank lagert.

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Teil 18 Rz. 18.97

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

digt.56 Selbst wenn bei der Befüllung des Heizöltanks Öl auslaufen sollte, ist eine Haftung der Eigentümergemeinschaft nicht ausgeschlossen.57 Diese Risiken sollten abgesichert werden.

18.98 Nach § 89 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) kann nämlich eine „Haftung für Änderungen der Wasserbeschaffenheit“ eintreten: „Wer in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder wer in anderer Weise auf ein Gewässer einwirkt und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert, ist zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet.“58

18.99 Es handelt sich hier um eine Gefährdungshaftung, die unbegrenzt ist, weshalb der Abschluss einer Versicherung gegen Gewässerschäden (bzw. die Einbeziehung in die Haftpflichtversicherung) bei einer Eigentümergemeinschaft mit einem Heizöltank zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört. Selbst wenn der Tank stillgelegt, aber noch im Gebäude der Gemeinschaft vorhanden ist, sollte unbedingt eine Klärung mit dem Haftpflichtversicherer erfolgen, in wie weit eine versicherungsmäßige Absicherung noch notwendig ist oder welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine Haftungsabsicherung obsolet werden zu lassen (z.B. Sandverfüllung des Tanks).

18.100 Versichert ist bei Abschluss einer WHG-Haftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers (Wohnungseigentümergemeinschaft) für unmittelbare oder mittelbare Folgen einer nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit eines Gewässers einschließlich des Grundwassers (Gewässerschäden). Vermögensschäden werden wie Sachschäden behandelt.

18.101 Der Versicherer übernimmt nicht nur die eigentlichen Gewässerschäden, sondern auch Aufwendungen, selbst erfolglose, die der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Rettungskosten),59 sowie außergerichtliche Gutachterkosten.

18.102 Selbstverständlich ist, dass der Versicherer nur in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme eintritt, weshalb unbedingt darauf geachtet werden muss, dass eine ausreichende Versicherungssumme vereinbart wird. 4. Glasversicherung

18.103 Fraglich ist, ob der Abschluss einer zusätzlichen Glasversicherung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen könnte, soweit sie nicht in der Gemeinschaftsordnung als verbindlich festgeschrieben wurde.

18.104 Glasschäden sind im Rahmen der Gebäudeversicherung mit abgedeckt, wenn sich die dort abgesicherten Risiken verwirklicht haben (Brand, Blitzschlag, Anprall oder Absturz eines 56 Vgl. zu WHG-Haftung u.a.: OLG Frankfurt, Urt. v. 8.12.2004 – 7 U 57/04, VersR 206, 647 = RuS 2006, 190; LG Hamburg, Urt. v. 28.9.1994 – 401 O 47/94, VersR 1995, 1344. 57 Vgl. LG Arnsberg, Urt. v. 4.12.2018 – 4 O 31/18, Juris; AG Iserlohn, Urt. v. 27.2.2006 – 45 C 325/04, Juris; LG Detmold, Urt. v. 22.8.2005 – 1 O 113/05, Juris; Pfälzisches OLG, Beschl. v. 9.3.2004 – 7 U 205/03, Juris; BGH, Urt. v. 14.6.1993 – III ZR 135/92, VersR 1993, 1155 = NJW 1993, 2740 = MDR 1994, 258. 58 Vgl. ergänzend die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) v. 18.4.2017, BGBl. I S. 905. 59 Z.B. Ausbaggern von verseuchtem Erdreich, um das Grundwasser zu schützen.

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Köhler

Versicherungsvertrag für den Verwaltungsbeirat (VermSchHV)

Rz. 18.110 Teil 18

Luftfahrzeugs, Sturm, Hagel usw.). Wurde die Elementarschadengefahr zusätzlich abgesichert, tritt der Versicherer auch beim Eintritt von Elementargefahren (z.B. Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch, usw.) für beschädigte Glasscheiben ein. In vielen Gemeinschaftsordnungen sind außerdem die Instandsetzungsverpflichtungen für die Fenster- und Balkontürscheiben auf die jeweiligen Sondereigentümer übertragen, so dass auch im Hinblick hierauf nur ein geringes Bedürfnis bestehen kann, die sonstigen Scheiben gegen Glasbruch abzusichern.

18.105

Der Abschluss einer Glasversicherung für die im Gemeinschaftseigentum stehenden Glasflächen entspricht deshalb nach meiner Meinung in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

18.106

III. Versicherungsvertrag für den Verwaltungsbeirat (VermSchHV) Der Verwaltungsbeirat hat nach § 29 WEG die Aufgabe, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen. Der Wirtschaftsplan, die Jahresabrechnung, eine Rechnungslegung und die Kostenanschläge sollen vor einem Beschluss durch eine Wohnungseigentümerversammlung vom Verwaltungsbeirat geprüft und mit dessen Stellungnahme versehen werden.

18.107

Bei diesen gesetzlichen Aufgaben – auch wenn sie von Gesetzes wegen beschränkt sind – können dem Verwaltungsbeirat durchaus Fehler unterlaufen, die zu einer Haftung der (handelnden oder auch nicht-handelnden) Beiratsmitglieder gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft führen könnten. Haftungsprozesse gegen Verwaltungsbeiräte sind allerdings äußerst selten; der Fall des OLG Düsseldorf zeigt auch deutlich, dass die eigentlichen Haftungsrisiken außerhalb des in § 29 WEG genannten gesetzlichen Aufgabenbereichs und im Bereich der freiwillig vom Beirat übernommenen Aufgaben liegen.60 Pauschale Aussagen, Beiräte hätten ein „nicht unerhebliches Haftungsrisiko“,61 finden jedenfalls in der rechtsanwaltlichen Praxis keine Bestätigung.

18.108

Trotzdem wollen immer mehr Verwaltungsbeiräte durch eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gegen Haftungsrisiken abgesichert werden, wobei die Beiträge durch die Eigentümergemeinschaften bezahlt werden sollen.

18.109

Ein Beschluss, der den Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für den (unentgeltlich tätigen) Verwaltungsbeirat auf Kosten der Eigentümergemeinschaft vorsieht, soll nach einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahr 2004 ordnungsmäßiger Ver-

18.110

60 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, ZMR 1998, 104 = MDR 1998, 35 = WuM 1998, 50; das OLG hatte ein Mitglied des Verwaltungsbeirats einer Eigentümergemeinschaft zu Schadensersatz verpflichtet, weil der Verwaltervertrag vom Beirat fehlerhaft abgeschlossen worden war (also Tätigkeit außerhalb des § 29 WEG). 61 So Hogenschurz in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 29 WEG Rz. 31; Hogenschurz, Verwalter und Verwaltungsbeirat – Teil III: Haftung und Versicherung des Verwaltungsbeirats, MietRB 2014, 279, der allerdings den Haftungsrahmen dezidiert darstellt; Armbrüster in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 2 WEG Rz. 258; Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 121. richtig dagegen Lehmann-Richter in Staudinger (2018) § 21 WEG Rz. 138: „Gefahr eines schadenstiftenden Verhaltens … [ist] nicht sehr groß“.

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Teil 18 Rz. 18.110

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

waltung entsprechen.62 Die zügige und effektive Erfüllung der Beiratsaufgaben liege im Interesse der Eigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentümer seien daran interessiert, geeignete Verwaltungsbeiräte zu gewinnen, die sich nicht durch mögliche Haftungsrisiken abschrecken lassen und den erforderlichen Entscheidungen auch nicht deshalb ausweichen, weil eine Fehlbeurteilung mit der Folge einer möglichen Schadensersatzpflicht nicht auszuschließen ist. Die Tätigkeit der Beiratsmitglieder werde gefördert, wenn sie sicher sein könnten, zumindest bei einem fahrlässigen Fehlverhalten, wie es immer einmal vorkommen könne, maximal mit dem Versicherungs-Eigenschadenanteil zu haften.63

18.111 Dieser Argumentation folgt die ganz herrschende Meinung ohne Abstriche; gleichwohl vermag sie nicht zu überzeugen. Die Haftung der konkreten Beiratsmitglieder kann schon durch Beschluss auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden,64 weshalb der Abschluss einer Haftpflichtversicherung auf Kosten der Gemeinschaft nach meiner Auffassung nicht im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung liegt.65

18.112 Die Haftpflichtversicherer decken auch nicht alle Risiken ab, z.B. kann schuldhaftes Verhalten bei Abschluss eines Verwalter- und Versicherungsvertrages ebenso ausgeschlossen sein, wie die Aufgabenübernahme außerhalb des von § 29 WEG umschriebenen gesetzlichen Rahmens.

18.113 Hinzu kommt noch, dass bei dem Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung eine „Gegnerfinanzierung“ erfolgen würde. Wird nämlich eine VermögensschadenHaftpflichtversicherung abgeschlossen, gehört zu den vorrangigen Aufgaben des Haftpflichtversicherers die Abwehr von Ansprüchen des Anspruchstellers.66

18.114 Allein die Tatsache, dass Versicherer für Verwaltungsbeiräte ein Absicherungskonzept entwickelt haben, welches sie verkaufen wollen, und auch eine unternehmensfinanzierte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager durchaus üblich ist (D&O-Versicherung – Directors and Officers Liability),67 lässt nicht den Schluss zu, dass die beschlussweise

62 KG, Beschl. v. 19.7.2004 – 24 W 203/02, WuM 2004, 564 = ZMR 2004, 780 = NZM 2004, 743; a.A. AG Linz, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 UR II 46/02 WEG, ZMR 2003, 459; AG Hamburg-Wandsbek, Beschl. v. 11.10.2007 – 702 II 58/06, ZMR 2008, 335; a.A. (nur ausnahmsweise entspreche ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung) Schmid, Versicherungen im Wohnungseigentum, VersR 2015, 168, 170. 63 Vgl. in diesem Sinne auch Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 121; Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 1, 4; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, München 2002, Rz. 402. 64 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.1987 – 20 W 448/86, OLGZ 1988, 188 (für den „Bauausschuss“ einer Eigentümergemeinschaft); Scheuer, (Mit-)Versicherung des Beirats in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, ZWE 2012, 115; Hogenschurz in Jennißen, WEG 5. Aufl., § 29 Rz. 30; Staudinger/Lehmann-Richter (2018) § 29 WEG Rz. 88. 65 Köhler, Zwei WEG- und Versicherungsprobleme, ZMR 2002, 891; im Ergebnis (jedoch mit Einschränkungen) a.A. Scheuer, (Mit-)Versicherung des Beirats in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, ZWE 2012, 115, 118. 66 Zu diesen „Funktionen“ des Haftpflichtversicherers im Schadenfall: Armbrüster, Haftpflichtund Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117. 67 Vgl. dazu Armbrüster in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 2 Rz. 258; Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 121.

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Köhler

Versicherungsvertrag für den Verwaltungsbeirat (VermSchHV)

Rz. 18.117 Teil 18

Einführung einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Beiräte auf Kosten der Eigentümergemeinschaft ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Anders als im gesellschaftsrechtlichen Bereich ist der Abschluss einer – der D&O-Versicherung ähnlichen – Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Beiräte nicht einmal mittelbar vom Gesetzgeber anerkannt. Für Vorstände einer Aktiengesellschaft bestimmt § 93 Abs. 2 AktG, dass bei dem Abschluss einer Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit durch die (Aktien-)Gesellschaft, „ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen“ ist. Hier wird also die D&O-Versicherung für AG-Vorstände mittelbar anerkannt, für den Bereich des Wohnungseigentums ist das bisher vom Gesetzgeber aber nicht aufgegriffen worden.

18.115

Soll eine solche Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gleichwohl abgeschlossen werden, sind die Kosten und die Bedingungen sehr genau zu prüfen, insbesondere

18.116

– die notwendige Deckungssumme, – die Einschlüsse (umfasst die Versicherungsdeckung nur die gesetzlichen Aufgaben nach § 29 WEG oder auch die von der Eigentümergemeinschaft konkret zusätzlich in Auftrag gegebenen – und freiwillig von den Beiräten übernommenen – Tätigkeitsfelder?),68 – die Ausschlüsse (Vorsatz, wissentliche Pflichtverletzung, grobe Fahrlässigkeit,69 Mitwirkung am Abschluss von Versicherungsverträgen?), – die eventuellen Selbstbeteiligungen und Eigenschaden-Anteile.70 – die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Rückwärtsversicherung – eine solche Rückwärtsversicherung soll Verstöße abdecken, die in der Vergangenheit liegen, welche aber dem Versicherungsnehmer und/oder Versicherten (Beiratsmitglied) bis zur Abgabe der Vertragserklärung nicht bekannt waren.71 Wird keine auf die vorstehenden Fragen ausgerichtete Prüfung sowie keine Kosten-NutzenAnalyse vorgenommen, kann ein Versammlungsbeschluss auch schon aus diesen Gründen als nicht ordnungsgemäß betrachtet werden.

68 Wenn man die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für VermSchHV-Beiräte liest, trifft man häufig auf die (wenig überraschende) Bedingung, dass „Versicherungsschutz [nur] besteht für die Tätigkeit des Versicherungsnehmers oder der versicherten Personen als Mitglied eines Verwaltungsbeirates gemäß § 29 Absatz 2 und 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG)“, vgl. zur notwendigen Prüfung auch Scheuer, (Mit-)Versicherung des Beirats in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, ZWE 2012, 115, 117 f. 69 Vgl. dazu § 103 (Herbeiführung des Versicherungsfalles) „Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.“; sowie Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 118 r. Sp. 70 Eigenschaden-Anteil: Das ist der Anteil, den das Beiratsmitglied aufgrund seiner gesetzlichen Miteigentumsanteile (oder der Kostenanteile gemäß Gemeinschaftsordnung) an dem Schaden mittragen müsste. 71 Vgl. zur Rückwärtsversicherung § 2 VVG.

Köhler

1101

18.117

Teil 18 Rz. 18.118

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

IV. Versicherungsverträge für den Verwalter von Wohnungseigentümergemeinschaften 18.118 Für den Verwalter einer Eigentümergemeinschaft gibt es einige Versicherungen, die im Hinblick auf seine gewerbliche Tätigkeit wichtig sein können. Bei Bestellung eines neuen Verwalters, aber auch bei einer Wiederbestellung des Verwalters ist es durchaus sinnvoll, die versicherungsmäßige Absicherung des zu bestellenden Verwalters abzufragen. 1. Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (§ 34c Abs. 2 Nr. 3 GewO)

18.119 Bisher war die Frage nach einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung vor der Bestellung (Wiederbestellung) eines Verwalters opportun, jedoch nicht zwingend.

18.120 Nachdem der Gesetzgeber jedoch in § 34c GewO eine Erlaubnispflicht für „Wohnimmobilienverwalter“ eingeführt und die Erlaubniserteilung von dem Nachweis einer „Berufshaftpflichtversicherung“ abhängig gemacht hat,72 entspricht es nur noch ordnungsmäßiger Verwaltung, einen Wohnungseigentumsverwalter zu bestellen, der die erforderliche Erlaubnis hat und auch gegenüber der Eigentümergemeinschaft den Nachweis einer Haftpflichtversicherung erbringt.

18.121 Der Begriff der „Berufshaftpflichtversicherung“ in der Gewerbeordnung ist etwas ungenau,73 der Sinn der Regelung und die Absicht des Gesetzgebers erschließt sich erst bei einem Blick in die Materialien des GewO-Änderungsgesetzes.74 Die aufgrund der Gewerbeordnung erlassene MaBV75 präzisiert den Begriff aus der Gewerbeordnung durch § 15 MaBV in der richtigen Weise (wenn auch nur im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen): „Der Versicherungsvertrag muss Deckung für die sich aus der gewerblichen Tätigkeit als Wohnimmobilienverwalter ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden gewähren. Der Versicherungsvertrag muss sich auch auf solche Vermögensschäden erstrecken, für die der Versicherungspflichtige nach § 278 oder § 831 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzustehen hat, soweit die Erfüllungsgehilfen oder Verrichtungsgehilfen nicht selbst zum Abschluss einer solchen Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet sind.“

18.122 Vermögensschäden sind nach den üblichen Versicherungsbedingungen (und den versicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten) solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten. Als Sachen gelten auch Geld und geldwerte Zeichen.

72 Vgl. zu dem Referentenentwurf des BMWi Heinemann, Berufszulassungsregelungen für gewerbliche Wohnungseigentumsverwalter, MietRB 2016, 117. 73 Vgl. dazu auch Armbrüster in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 2 WEG Rz. 257; Armbrüster, Versicherungsschutz für WEG-Verwalter, ZMR 2018, 107, 108, li. Sp. 74 Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für gewerbliche Immobilienmakler und Verwalter von Wohnungseigentum“ der Bundesregierung vom 2.11.2016, BT-DrS 18/10190; zu Recht kritisch zur beschränkten gesetzlichen Verpflichtung: Armbrüster, Weiterbildungspflicht und Pflicht-Haftpflichtversicherung für Wohnimmobilienverwalter, ZWE 2018, 105, 109 f. 75 Verordnung über die Pflichten der Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger, Baubetreuer und Wohnimmobilienverwalter (Makler- und Bauträgerverordnung – MaBV), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9.5.2018 (BGBl. I S. 550).

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Köhler

Versicherungsverträge für den Verwalter

Rz. 18.129 Teil 18

Nach der MaBV muss der Versicherungsvertrag bei einem im Inland zugelassenen Versi- 18.123 cherungsunternehmen abgeschlossen werden und eine Mindestversicherungssumme von 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall aufweisen sowie 1.000.000 Euro für alle Versicherungsfälle eines Jahres. Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung können nach der MaBV im Versicherungsvertrag ausgeschlossen werden. Der Markt für Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen der Wohnungseigentumsverwalter entwickelt sich aufgrund der gesetzlichen Neuregelung, so dass sich auch die Versicherungsbedingungen bei den einzelnen Versicherern unterscheiden können. Für Verwalter ist es jedenfalls sinnvoll, sich Angebote verschiedener Versicherer geben zu lassen und die Versicherungsbedingungen, die Haftungssummen und die Haftungsbegrenzungen sowie die Versicherungsprämien sehr genau zu prüfen.

18.124

Wohnungseigentümergemeinschaften sollten sich, auch wenn der Verwalter (oder der Bewerber um das Verwalteramt) eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nachgewiesen hat, nicht in (trügerischer) Sicherheit wiegen. Der Gesetzgeber hat die Eigentümer nur vermeintlich umfassend geschützt.

18.125

Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gibt nur dem Versicherungsnehmer Ver- 18.126 sicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung seiner beruflicher Tätigkeit – von ihm selbst oder einer Person, für die er einzutreten hat – begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Schließt also der Verwalter für seine Verwaltungstätigkeit eine Vermögensschaden-Haft- 18.127 pflichtversicherung ab, werden nur der Verwalter und das Risiko abgesichert, dass er durch die Gemeinschaft (oder evtl. auch durch einzelne Eigentümer) in Anspruch genommen wird.76 Zu diesem Versicherungsschutz gehört auch, dass der Versicherer den Verwalter vor unberechtigten Schadensersatzansprüchen schützen muss und ihm notfalls auch Rechtsschutz für gerichtliche Auseinandersetzungen zu gewähren hat (Abwehrpflicht).77 Wenn die Eigentümergemeinschaft den Verwalter auf Ersatz des Vermögensschadens in Anspruch nehmen will, muss sie also mit dem Widerstand eines finanzkräftigen Versicherers rechnen, der durchaus bereit sein kann, den gerichtlichen Instanzenzug auszuschöpfen. Über die gerichtliche Abwehr von Ansprüchen entscheidet der Versicherer, der hierzu auch den entsprechenden Auftrag (namens des versicherten Verwalters) an eine Rechtsanwaltskanzlei erteilt. Im Wesentlichen entscheidet auch der Versicherer – und nicht allein der Verwalter –, ob Ansprüche mit bindender Wirkung für den Versicherer anerkannt werden sollen und ob ein evtl. Vergleich geschlossen werden soll.

18.128

Ansprüche wegen entstandener Vermögensschäden können die Eigentümergemeinschaft oder auch einzelne Eigentümer nicht unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen – es sei denn, der Verwalter ist in die Insolvenz gefallen oder der Verwalter ist „unbekannten Aufenthalts“, § 115 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 VVG.

18.129

76 Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 119; eine allgemeine (kurze) Übersicht bietet Bruns, Das Hausgeldinkasso – 3. Teil: Prophylaxe, Haftungs- und Versicherungsfragen, Abrechnung, ZWE 2018, 433, 438. 77 Zu diesen „Funktionen“ des Haftpflichtversicherers im Schadenfall: Armbrüster, Haftpflichtund Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117.

Köhler

1103

Teil 18 Rz. 18.130

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.130 Kriminelle Handlungen (und andere wissentliche Pflichtverletzung)78 decken Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen regelmäßig nicht ab. Insofern sind Wohnungseigentümergemeinschaften und die Eigentümer in vielen Fällen (mit strafrechtlichem Hintergrund) auch nicht mittelbar abgesichert.79 In solchen Fällen würde also auch nicht helfen, wenn die Gemeinschaft einen (erfolgreichen) Insolvenzantrag gegen den Verwalter bei Gericht stellt, um danach unmittelbar gegen den Versicherer vorgehen zu können.

18.131 Zum Ausschluss von Erfüllungsschäden oder Schäden im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen kann auf Armbrüster verwiesen werden.80

18.132 Trotz dieser durchaus vorhandenen lückenhaften Absicherung sollte die Eigentümergemeinschaft fordern, dass der Verwalter vor Bestellung/Wiederbestellung – und in regelmäßigen Abständen während der Bestellungszeit – das Bestehen einer ausreichenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nachweist. 2. Haftpflichtversicherung für den Bürobetrieb

18.133 Die Pflicht in § 34c GewO zum Nachweis einer „Berufshaftpflichtversicherung“ könnte, wenn man nur den Gesetzestext liest, auch so verstanden werden, dass der Verwalter eine allgemeine Haftpflichtversicherung nachweisen muss, die jegliches Risiko im Zusammenhang mit der Berufsausübung abdecken soll – z.B. auch das Risiko, das vom Verwalter-Büro ausgeht.

18.134 Empfängt nämlich der Verwalter in seinem Büro Verwaltungsbeiräte, interessierte Eigentümer oder sonstige Besucher, können diese Besucher Schäden erleiden, wenn z.B. der Zustand der Büroräume Mängel oder Gefahrenquellen aufweist.

18.135 Die Absicherung solcher Risiken fällt jedoch nicht unter die von der GewO geforderte Berufshaftpflichtversicherung. Das erschließt sich bei einem Blick in die Gesetzesmaterialien. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung findet sich auf Seite 10 als Begründung für die Gesetzesergänzung, dass „es sinnvoll und erforderlich [sei], für Wohnungseigentumsverwalter den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung einzuführen, da durch unsachgemäße Verwaltung erhebliche unmittelbare und mittelbare Vermögensnachteile für die Wohnungseigentümer entstehen können.“ Deshalb sei auch eine bundeseinheitliche Regelung „zwingend erforderlich“, denn landesrechtliche Regelungen würden zu einer Rechtszersplitterung führen und „das mit dem Gesetz angestrebte Ziel eines hohen und bundeseinheitlichen Verbraucherschutzniveaus durch die Einführung eines Sachkundenachweises […] sowie die Absicherung der Wohnungs-

78 Die VermSchHV-Versicherungsbedingungen enthalten regelmäßig die Formulierung: „Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen vorsätzlicher Schadenverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.“ Vgl. dazu auch Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 119. 79 Vgl. Köhler, Risiko WEG-Verwalter – Risikomanagement einer Wohnungseigentümergemeinschaft, DWE 2017, 4. 80 Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiräte, ZWE 2010, 117, 120, dort auch zur Frage, ob Prozesskosten einen erstattungsfähigen Schaden darstellen.

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Köhler

Versicherungsverträge für den Verwalter

Rz. 18.141 Teil 18

eigentümer vor Vermögensschäden durch die Einführung einer Berufshaftpflichtversicherung für Wohnungseigentumsverwalter könnte nicht erreicht werden.“81 Richtiger Weise ist in der MaBV deshalb auch nur von einer Absicherung der „Vermögensschäden“ die Rede. Wenn der Gesetzgeber von „Vermögensschäden“ spricht, muss ihm auch die Definition82 dieser Schäden bewusst gewesen sein – dass nämlich Vermögensschäden keine Personenschäden oder Sachschäden sind.

18.136

Eine gesetzliche Pflicht zur Abdeckung von Schäden an Leib und Leben, die Eigentümer im Büro des Verwalters erleiden könnten, besteht demnach für den Verwalter nicht. Dass eine solche Absicherung gleichwohl sinnvoll ist, steht außer Frage.

18.137

Eine Eigentümergemeinschaft kann deshalb neben dem Nachweis einer VermögensschadenHaftpflichtversicherung nicht auch noch den Nachweis einer allgemeinen Haftpflichtversicherung verlangen. Eine Frage nach einer solchen Absicherung ist allerdings opportun und die Beantwortung der Frage mag auch bei einer Neu- oder Wiederbestellung eine (kleine) Rolle spielen können.

18.138

3. Vertrauensschaden-Versicherung Eine weitere sinnvolle – jedoch ebenfalls nicht gesetzlich vorgeschriebene – Absicherungsmöglichkeit für den Verwalter ist der Abschluss einer Vertrauensschaden-Versicherung.83

18.139

Durch eine solche Versicherung werden nicht die Wohnungseigentümer oder die Eigentümergemeinschaft geschützt, wie sich aus den üblichen Allgemeinen Bedingungen für die Vertrauensschadenversicherung (AVB VSV)84 ergibt: „Versicherungsschutz besteht für Schäden, die einem versicherten Unternehmen von einer identifizierten Vertrauensperson durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Schadenersatz verpflichten, unmittelbar zugefügt werden. Eine Entschädigung setzt voraus, dass das versicherte Unternehmen den Grund und die Höhe der ihm gegenüber bestehenden Schadenersatzpflicht der Vertrauensperson nachweist.“

18.140

Geschützt wird also das Verwaltungsunternehmen, wenn es eine solche Versicherung abgeschlossen hat. Vertrauenspersonen des versicherten Unternehmens (also hier des Verwalter-Unternehmens) können deren Arbeitnehmer sein oder auch deren Geschäftsführer oder Vorstände.85 Wenn die Geschäftsführer oder Vorstände mit mehr als 20 % direkt oder indirekt an dem versicherten Verwaltungs-Unternehmen beteiligt sind, zählen sie nicht zu

18.141

81 „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für gewerbliche Immobilienmakler und Verwalter von Wohnungseigentum“ der Bundesregierung vom 2.11.2016, BT-DrS 18/10190. 82 Siehe die bereits oben angeführte Versicherungs-Definition. 83 Siehe auch Armbrüster, Versicherungsschutz für WEG-Verwalter, ZMR 2018, 107, 109; Kennerknecht, Firmeninterner Risikoschutz (Vertrauensschadenversicherung), Immobilien Praxis und Recht 1999, 13. 84 Die AVBs der Versicherer, z.B. der Axa, Allianz, Euler-Hermes (ein Unternehmen der Allianz) sind weitgehend identisch. 85 Vorstände von Aktiengesellschaften – Aktiengesellschaften, die im Verwaltungsgeschäft tätig sind, gibt es, sie sind aber nicht sehr häufig.

Köhler

1105

Teil 18 Rz. 18.141

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

den Vertrauenspersonen, gegen deren Fehlverhalten das Verwaltungsunternehmen abgesichert ist.

18.142 Haben der Inhaber des Verwaltungs-Unternehmens oder ein Geschäftsführer/Vorstand (mit mehr als 20 % Gesellschaftsbeteiligung) eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen, die zum Schadenersatz verpflichtet, leistet der Vertrauensschaden-Versicherer nicht. Hier greift der ganz allgemeine Grundsatz ein, dass eigene vorsätzliche Handlungen nicht versicherbar sind.

18.143 In den bekannten „Königswinter-Fällen“ wäre wegen dieses Grundsatzes kein Vertrauensschaden-Versicherer eingetreten, selbst wenn eine Vertrauensschaden-Versicherung bestanden hätte. Ein selbstständiger Verwalter aus Königswinter bei Bonn hatte über Jahre Gelder (Instandhaltungsrücklagen von Eigentümergemeinschaften) veruntreut und wurde vom Landgericht Bonn wegen gewerbsmäßiger Untreue in 66 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 3 Monaten verurteilt sowie in weiteren 62 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten.86

18.144 Verwalterverbände haben Rahmenverträge mit Versicherern abgeschlossen, über die ihre Verbandsmitglieder gegen Vertrauensschäden versichert sind. Die Bedingungen dieser Rahmenverträge unterscheiden sich zum Teil erheblich hinsichtlich der Höhe der abgesicherten Beträge und des dem jeweiligen Verband insgesamt vom Versicherer zur Verfügung gestellten Deckungsvolumens.

18.145 Für eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Vertrauensschaden-Versicherung nebensächlich, denn sie muss bei einem Schaden, der z.B. durch untreues Verhalten ihres Verwalters oder seiner Arbeitnehmer eingetreten ist, erst einmal den Anspruch gegenüber dem Verwalter geltend machen, beweisen und eventuell gerichtlich durchsetzen, bevor die Vertrauensschaden-Versicherung dem Verwalter den Betrag erstattet, der als Schaden bei der Eigentümergemeinschaft feststellbar ist.

18.146 Die Vertrauensschaden-Versicherung ist deshalb für den Verwalter nur als eine Art „Rückversicherung“ zu betrachten,87 die ein Verwalter aber auch nutzen sollte.

18.147 Bei der Vertrauensschaden-Versicherung besteht auch Versicherungsschutz für Versicherungsfälle, die vor Versicherungsbeginn verursacht wurden (Rückwärtsversicherung). Wie bei allen Rückwärtsversicherungen darf der versicherte Verwalter aber zum Zeitpunkt des Versicherungsvertrags-Abschlusses noch keine Kenntnis von dem Versicherungsfall gehabt haben.

86 LG Bonn, 9. Große Strafkammer, Urt. v. 20.3.2018, 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 2/18, Juris; LG Bonn, 9. Große Strafkammer, Urt. vom 5.6.2018, 29 KLs – 400 Js 1236/13 – 1/17, ZWE 2018, 421; betrachtet man diese und weitere Fälle, stellt sich schon die Frage, warum solche VerwalterHandlungen so lange unentdeckt bleiben konnten (vgl. dazu auch Köhler, Risiko WEG-Verwalter – Risikomanagement einer Wohnungseigentümergemeinschaft, DWE 2017, 4). 87 Bei der „echten“ Rückversicherung werden versicherte Risiken vom Erstversicherer auf Rückversicherungsunternehmen übertragen (typisch ist das bei der Versicherung von Luftfahrtgefahren; dort ist stets eine Vielzahl von Rückversicherern mit einer bestimmten Quote an dem Risiko des Erstversicherers beteiligt).

1106

Köhler

Vertragsabschlussberechtigung

Rz. 18.157 Teil 18

V. Vertragsabschlussberechtigung Bei der Vertragsabschlussberechtigung stellen sich zwei Fragen: zum einen die Frage, welche Versicherungen die Wohnungseigentümergemeinschaft abschließen darf, zum anderen die Frage, welche Vollmachten der Verwalter von Gesetzes wegen, aufgrund einer Gemeinschaftsordnung oder aufgrund von Beschlüssen hat, Versicherungsverträge abzuschließen.

18.148

1. Ordnungsmäßige Verwaltung als Maßstab für Versicherungsabschlüsse Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat sich zu orientieren an der gesetzlichen Vorgabe des § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG. Ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen deshalb schon von Gesetzes wegen der Abschluss einer Feuerversicherung und der Abschluss einer Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung.

18.149

Vorgaben hinsichtlich der weitergehenden Absicherung von versicherbaren Risiken kann auch die Gemeinschaftsordnung enthalten. Auch insofern ist die Gemeinschaft an diese Vorgaben gebunden.

18.150

Die Einzelheiten, inwieweit die Absicherung weiterer Versicherungsrisiken ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, wurden bereits oben bei der Erörterung der einzelnen Versicherungssparten dargestellt.

18.151

Als teilrechtsfähiger Verband ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen ord- 18.152 nungsmäßiger Verwaltung berechtigt, Versicherungsverträge als Versicherungsnehmerin abzuschließen. 2. Berechtigung des Verwalters, für den Verband zu handeln Die Berechtigung des ordnungsgemäß bestellten Verwalters, für den Verband Versicherungsverträge abzuschließen, kann sich aus Beschlüssen, der Gemeinschaftsordnung oder unmittelbar aus dem Wohnungseigentumsgesetz ergeben.

18.153

Ist der Verwalter durch Versammlungsbeschluss beauftragt und bevollmächtigt, bestimmte Versicherungsverträge namens der Eigentümergemeinschaft abzuschließen, ergibt sich die Berechtigung und Verpflichtung im Innenverhältnis schon aus § 27 WEG.

18.154

Ist in der Gemeinschaftsordnung die Absicherung bestimmter Versicherungsrisiken beschrieben und dem Verwalter die Aufgabe des Versicherungsabschlusses übertragen, ergibt sich im Innenverhältnis auch insoweit die Berechtigung und Verpflichtung des Verwalters.

18.155

Probleme mit Versicherern im Außenverhältnis beim Abschluss von Versicherungsverträgen 18.156 gibt es regelmäßig nicht. Gleichwohl sollte der Verwalter gegenüber dem Versicherer seine Abschlussberechtigung durch Vorlage einer konkreten Vollmacht (§ 27 Abs. 6 WEG) oder durch Vorlage der Gemeinschaftsordnung oder der Abschrift des Versammlungsbeschlusses nachweisen (in den beiden letzten Fällen ist es sinnvoll, eine beglaubigte Ausfertigung bzw. Abschrift vorzulegen). Problematisch ist nur noch, wenn in der Gemeinschaftsordnung keine Bestimmung über den Abschluss von Versicherungsverträgen enthalten ist. In der Vergangenheit habe ich die Auffassung vertreten, aus der Berechtigung des Verwalters gemäß § 27 WEG, für die Instandsetzung Köhler

1107

18.157

Teil 18 Rz. 18.157

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen, ergebe sich eine Annexkompetenz für den Abschluss von Versicherungsverträgen.88 Diese Auffassung gebe ich auf.

18.158 Ein Verwalter bedarf zum Abschluss oder zur inhaltlichen Änderung von Versicherungsverträgen, wenn keine konkrete Regelung in der Gemeinschaftsordnung über Versicherungsabschlüsse enthalten ist, einer Beauftragung und Bevollmächtigung durch Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung.89

VI. Kündigung von Versicherungsverträgen 18.159 Die Kündigung von Versicherungsverträgen unterliegt den gleichen Grundsätzen, wie sie beim Abschluss dargestellt wurden. 1. Entscheidung über Kündigung

18.160 Eine Entscheidung über die Kündigung eines Versicherungsvertrages obliegt einer Eigentümerversammlung,90 die durch Mehrheitsbeschluss darüber befinden muss – sofern nicht ausnahmsweise die Gemeinschaftsordnung eine ausdrückliche (und alleinige) Entscheidungsbefugnis des Verwalters91 zur Kündigung von Versicherungsverträgen enthält.92

18.161 Eine Kündigung (oder Aufhebung) von Versicherungsverträgen muss (selbstverständlich) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, so dass eine Kündigung von Versicherungsverträgen, deren Abschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hat, nur dann beschlossen werden darf, wenn – gleichzeitig eine verbindliche Übernahmezusage eines anderen Versicherers mit angemessenen (wiederum ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden) Versicherungsbedingungen, Versicherungskosten und Versicherungsabdeckungen vorliegt, oder – keine Notwendigkeit mehr besteht, den Versicherungsvertrag fortzuführen (z.B., wenn die WHG-Haftpflichtversicherung wegen der Stilllegung, Entfernung oder Sandverfüllung des bisherigen Öltank obsolet wird).

88 So meine Meinung u.a. bei Deckert, ETW, Loseblattwerk, Gruppe 9 II (1990 – 2012); vgl. dazu die kritische Anmerkung bei Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 1, 4 (unter VI. 1. c); Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 202. 89 Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 355, li. Sp. 90 Differenzierend Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 205 l.Sp. unter c). 91 Zur Kündigungsberechtigung eines Verwalters siehe auch Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 1, 7. 92 Nach AG Offenbach, Urt. v. 17.8.2011 – 310 C 106/10, ZMR 2013, 149, soll ein Verwalter aufgrund einer Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung berechtigt sein, bei drohender fristloser Kündigung der Feuerversicherung den Versicherungsvertrag zu kündigen und mit einem anderen Anbieter einen neuen Vertrag für die Gemeinschaft abzuschließen.

1108

Köhler

Kündigung von Versicherungsverträgen

Rz. 18.169 Teil 18

2. Kündigung, insbesondere nach Versicherungsfall Bei den Sachversicherungen (also bei einem Feuerversicherungsvertrag oder einem verbundenen Gebäudeversicherungsvertrag mit oder ohne eventuellem Elementarschadeneinschluss) kann jede Vertragspartei den Vertrag nach einem Schadenfalls kündigen, § 92 VVG. Dabei sind die in § 92 Abs. 2 und 3 VVG genannten Kündigungsfristen und Kündigungsmöglichkeiten zu beachten.

18.162

Bei verbundenen Versicherungsverträgen ist – wie bei jedem anderen Vertrag auch – zu beachten, dass eine Teilkündigung des Vertrages ohne ausdrückliche anderweitige Vereinbarung nicht möglich ist; einzelne Versicherungssparten können dann also nicht isoliert gekündigt werden.

18.163

Bei einer Hagelversicherung kann der Versicherer nur zum Schluss der Versicherungsperiode kündigen, § 92 Abs. 3 VVG.

18.164

Bereits oben wurde auf Besonderheiten bei der Kündigung eines Feuerversicherungsvertrages hingewiesen – Zustimmung des Realgläubigers oder Nachweis, dass das „Grundstück“ (also die Eigentumswohnungen) nicht mehr mit Grundpfandrechten belastet ist. Diese besondere „Kündigungserschwerung“ gilt nicht bei einer Kündigung nach einem Versicherungsfall.

18.165

Bei der Haftpflichtversicherung kann nach § 111 VVG ebenfalls jede Vertragspartei den Versicherungsvertrag kündigen, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt hat.

18.166

Bei der WHG-Versicherung kann das Versicherungsverhältnis nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen93 von beiden Seiten gekündigt werden, wenn vom Versicherer eine Zahlung von Sanierungskosten geleistet wurde, der Versicherer den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung zu Unrecht abgelehnt hat oder dem Versicherungsnehmer eine Klage über einen unter den Versicherungsschutz fallenden Anspruch auf Erstattung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen/Pflichten gerichtlich zugestellt wird. Frist für die Kündigung: ein Monat nach der Zahlung von Sanierungskosten, der Ablehnung oder der Zustellung der Klage.

18.167

Eine Kündigung nach Versicherungsfall ist für eine Eigentümergemeinschaft stets problematisch.

18.168

Kündigt der Versicherer, muss schnellstens ein neuer Versicherer gefunden werden, was meist mit Schwierigkeiten und mit höheren Versicherungsprämien oder mit dem Angebot der Vereinbarung einer Selbstbeteiligung bei Schadenfällen verbunden ist. Für den Verwalter stellt eine solche Kündigung einen zusätzlichen Aufwand dar, denn er muss die notwendigen Angebote einholen, die Versicherungsbedingungen vergleichen und Verhandlungen führen und schließlich muss er – sofern er nicht ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung zum selbstständigen Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt ist – eine Eigentümerversammlung einberufen, die über die vorgelegten Versicherungsangebote und den Vertragsabschluss entscheiden muss.

18.169

93 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Umweltschadensversicherung (USV), Musterbedingungen des GDV (www.gdv.de).

Köhler

1109

Teil 18 Rz. 18.170

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.170 Will die Eigentümergemeinschaft kündigen, muss der Verwalter die Kündigung vorbereiten und schon frühzeitig Alternativ-Angebote von anderen Versicherern einholen, um die Frist für die Kündigung nach einem Schadenfall einhalten zu können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Versicherer stets die Versicherungsfälle der letzten fünf Jahre prüfen und nur geringes Interesse an einem Vertragsabschluss haben, wenn in der Vergangenheit größere Schäden aufgetreten sind. Deshalb sollte niemals eine Kündigung nach einem Schadenfall ausgesprochen werden, wenn nicht bereits eine feste Vertragszusage eines anderen Versicherers vorliegt.

18.171 Für eine Kündigung zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit besteht für eine Eigentümergemeinschaft in der Regel kein besonderes Bedürfnis, weil eine Änderung oder Ergänzung der Versicherungsbedingungen mit dem derzeitigen Versicherer meist völlig problemlos von Statten gehen kann.

18.172 Eine Kündigung von Seiten der Eigentümergemeinschaft könnte aber erwogen werden, wenn der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Versicherungsprämie erhöht (ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend ändert) oder den Schutzumfang vermindert (ohne die Prämie zu senken). In diesen Fällen kann die Eigentümergemeinschaft den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers mit sofortiger Wirkung kündigen, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung, § 40 VVG. In seiner Erhöhungs- oder Veränderungsmitteilung muss der Versicherer auf das Kündigungsrecht hinweisen.

18.173 Aber auch hier ist Vorsicht angesagt, denn andere Versicherer werden eventuell auch nur Vertragsbedingungen anbieten, die den Absichten des bisherigen Versicherers ähnlich sind.

18.174 Ist bei dem Gebäudeversicherungsvertrag der Eigentümergemeinschaft eine gleitende Neuwertversicherung vereinbart, wird – wie schon oben gezeigt – der „Gebäudewert 1914“ als fiktiver Rechenwert benutzt, um den aktuellen Neubauwert zu errechnen und die Versicherungsleistung im Schadenfall hierauf auszurichten. Eine Prämienanpassung, die hierauf beruht, berechtigt selbstverständlich nicht zur Kündigung, denn der Schutzumfang wird – wie die Prämie – angepasst. 3. Abgabe der Kündigungserklärung

18.175 Hat die Wohnungseigentümerversammlung den Beschluss gefasst, einen Versicherungsvertrag zu kündigen, muss der Verwalter als Organ der Gemeinschaft die Kündigungserklärung gegenüber dem Versicherer abgeben.

18.176 Hierbei hat der Verwalter darauf zu achten, dass die Kündigungserklärung zur rechten Zeit beim Versicherer eingeht. Trifft den Verwalter für einen verspäteten Zugang oder eine fehlerhafte Kündigungserklärung ein Verschulden, kann er für Schäden, die der Eigentümergemeinschaft hierdurch entstehen, in Regress genommen werden.

18.177 Eine besondere Form für die Kündigung von Versicherungsverträgen, die für die Wohnungseigentümergemeinschaften relevant sind, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Der Verwalter sollte bei der Kündigungserklärung aber stets die sicherste Variante wählen, um einen Nachweis des Kündigungszugangs zu ermöglichen. Als der sicherste Weg erscheint die Zustellung einer schriftlichen Kündigung durch Boten (mit Empfangsbekenntnis des Versicherers), per Einschreiben-Übergaberückschein oder per Gerichtsvollzieher. Wurde ein neuer Versiche1110

Köhler

Kündigung von Versicherungsverträgen

Rz. 18.183 Teil 18

rungsvertrag abgeschlossen, bietet sich an, den neuen Versicherer mit der Kündigung des alten Versicherungsvertrages zu beauftragen. Eine solche Kündigung wird zwischen den beiden Versicherern meist problemlos abgewickelt. Weil der Verwalter in rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Eigentümergemeinschaft handelt, muss er seine Vollmachtsurkunde im Original vorlegen. Dazu können die bereits oben – bei Vertragsabschluss – genannten Nachweisvarianten genutzt werden. Fehlt der Nachweis der Vollmacht und weist der Versicherer die Kündigung aus diesem Grunde unverzüglich zurück, wird die Erklärung unwirksam, § 174 BGB.

18.178

Meint der Versicherer, eine Kündigungserklärung sei unwirksam, muss der Versicherer die Erklärung unverzüglich zurückweisen, sonst kann er sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen.

18.179

4. Formale Kündigungs-„Hürden“ bei der Feuerversicherung. Bereits bei den „Feuerschäden“ wurde auf die Besonderheit hingewiesen, die sich bei der normalen Kündigung zum Versicherungsablauf aus den §§ 144, 148 VVG ergeben.94 Hat ein Grundpfandgläubiger seine Hypothek/Grundschuld beim Versicherer angemeldet, ist eine normale Ablauf-Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer erschwert, weil der Versicherungsnehmer mindestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrags nachzuweisen hat, dass das Grundstück nicht mit der Hypothek/Grundschuld belastet war (oder nicht mehr damit belastet ist) oder dass der Hypotheken- bzw. Grundschuldgläubiger der Kündigung zugestimmt hat.95

18.180

Ist die Feuerversicherung in den verbundenen Gebäudeversicherungsvertrag integriert, bezieht sich diese Kündigungshürde auf den gesamten Vertrag. Der verbundene Gebäudeversicherungsvertrag kann nicht teilweise (hinsichtlich der Versicherungsrisiken außer Feuerrisiko) gekündigt werden, eine Teilkündigung des Vertrags wäre eine Gesamtvertragsänderung, die einseitig nicht möglich ist.

18.181

Es ist umstritten, ob der Versicherer vom Versicherungsnehmer die Nachweise anfordern muss oder ob er einfach die Frist ablaufen lassen kann. Das LG Dortmund vertritt die (wohl richtige) Auffassung, der Versicherer müsse den kündigenden Versicherungsnehmer auf die erforderliche Zustimmung der Hypothekengläubiger hinweisen.96 Anderer Ansicht ist das Amtsgericht Bremen, das meint, ein Vertragspartner sei grundsätzlich nicht gehalten, der anderen Partei (zu seinen Ungunsten) rechtliche Belehrungen zu erteilen.97

18.182

Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft darf im eigenen Interesse und im Interesse der Eigentümergemeinschaft nur den sichersten Weg gehen; er muss die Voraussetzungen einer Kündigung sehr genau prüfen und die Kündigung langfristig vorbereiten.

18.183

94 Vgl. dazu erneut Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 205 (unerheblich für §§ 144, 148 VVG, dass die Gemeinschaft Versicherungsnehmerin ist). 95 Vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 15.7.1987 – 20 U 48/87, MDR 1987, 1028 = NJW-RR 1988, 217 = VersR 1988, 394. 96 LG Dortmund, Urt. v. 8.10.1998 – 11 S 102/98, NZM 2000, 359 = NVersZ 2000, 145. 97 AG Bremen, Urt. v. 10.8.2017 – 9 C 82/17, RuS 2018, 481 (m.E. ist die Entscheidung falsch – sie berücksichtigt nicht das besondere Treueverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer).

Köhler

1111

Teil 18 Rz. 18.184

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.184 D.h., der Verwalter muss lange vor einem Ausspruch der beabsichtigten Kündigung alle Miteigentümer sowohl in der Eigentümerversammlung, in der über den Versicherungswechsel beschlossen wird, als auch noch einmal gesondert bei Übersendung des Versammlungsprotokolls über den beabsichtigten Wechsel des Versicherers informieren und darum bitten, die Grundpfandgläubiger (mit genauer Anschrift und deren Darlehensnummern) zu benennen.

18.185 Den Rücklauf der Informationen muss der Verwalter im Auge behalten und in die Grundbücher sehen, ob alle Grundpfandgläubiger von den einzelnen Eigentümern genannt wurden. Danach erst kann der Verwalter die Grundpfandgläubiger anschreiben98 und um Zustimmung zur Kündigung des Versicherungsvertrags oder um Mitteilung bitten, ob das Grundpfandrecht erloschen ist. Eine Kündigung darf der Verwalter erst aussprechen, wenn alle Zustimmungen bzw. Erklärungen der Grundpfandgläubiger bei ihm vorliegen.

18.186 Eine Kündigung, bei der die Bestimmungen der §§ 144, 148 VVG nicht eingehalten wurden, ist unwirksam. In der Praxis sind einige Kündigungen, die von Verwaltern namens der Eigentümergemeinschaft ausgesprochen wurden, an dieser Hürde des VVG gescheitert.

VII. Selbstbeteiligungen bei der Gebäudeversicherung 18.187 Selbstbeteiligungen (in der Versicherungswirtschaft früher auch als Selbstbehalt bezeichnet) kommen bei Verträgen für Wohngebäudeversicherungen durchaus häufiger vor.

18.188 Selbstbeteiligungen beruhen bei Eigentümergemeinschaft auf Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen (z.B. VGB 2016) oder sie können individuell zwischen Versicherer oder Versicherungsnehmer vereinbart worden sein. 1. Selbstbeteiligung wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer

18.189 Für Wohnungseigentümergemeinschaften gibt es einen speziellen Fall der Selbstbeteiligung, der in den VGB 201699 konkret beschrieben ist. Wenn der Versicherer nämlich wegen des Verhaltens einzelner Wohnungseigentümer (ein Eigentümer wird z.B. zum Brandstifter) ganz oder teilweise leistungsfrei ist, bleibt der Versicherer gleichwohl den übrigen Wohnungseigentümern (bzw. der Eigentümergemeinschaft) zur Leistung verpflichtet, was sich sowohl auf das Sondereigentum der übrigen Eigentümer als auch auf deren Miteigentumsanteile am Gemeinschaftseigentum bezieht.

18.190 Nicht oder nur teilweise entschädigt wird das Sondereigentum und der Miteigentumsanteil desjenigen Wohnungseigentümers, gegenüber dem der Versicherer ganz oder teilweise leistungsfrei ist. Die übrigen Wohnungseigentümer können gleichwohl eine Entschädigung für diesen Miteigentumsanteil verlangen, wenn diese Entschädigung dazu verwendet wird, das gemeinschaftliche Eigentum wiederherzustellen. Der Wohnungseigentümer, gegenüber dem der Versicherer ganz oder teilweise leistungsfrei ist, muss dem Versicherer die gezahlte zusätzliche Entschädigung ersetzen.

98 Die einzelnen Eigentümer sind wohl auch aufgrund der Treuepflicht gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet, tätig zu werden und ihre Grundpfandgläubiger ebenfalls anzuschreiben. 99 Muster-VGB des GDV, abrufbar unter www.gdv.de.

1112

Köhler

Selbstbeteiligungen bei der Gebäudeversicherung

Rz. 18.197 Teil 18

Geht es bei dieser, speziell auf Wohnungseigentümergemeinschaften ausgerichteten Regelung um die Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums nach einem Versicherungsfall, erleiden die (übrigen) Eigentümer keinen finanziellen Schaden, so dass diese (theoretischen) Selbstbeteiligungsbeträge auch nicht zu Kostenverteilungsfragen bezüglich der Jahresabrechnung führen.

18.191

2. Vereinbarte Selbstbeteiligung a) Allgemeines Eine Selbstbeteiligung kann auch individuell vereinbart werden, was insbesondere von Versicherern gefordert wird, wenn gehäuft Schadenfälle (insbesondere Leitungswasserschäden) auftreten.100 Versicherer kündigen dann den Versicherungsvertrag, bieten aber gleichzeitig eine Fortsetzung des Versicherungsvertrages unter der Bedingung an, dass sich der Versicherungsnehmer mit einer Selbstbeteiligung im Schadenfall einverstanden erklärt.

18.192

Ein Verwalter ist nicht berechtigt, ohne Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung mit einem Versicherer einen Selbstbehalt zu vereinbaren, selbst wenn dem Verwalter in der Gemeinschaftsordnung die Berechtigung zum Abschluss und zur Kündigung eines Versicherungsvertrages übertragen wurde.

18.193

Eine Selbstbeteiligung wird bei jedem Schadenfall in der vereinbarten Höhe von der Entschädigungszahlung des Versicherers abgezogen oder der Versicherer zahlt im Schadenfall keine Entschädigung, weil der Schaden den Selbstbeteiligungsbetrag nicht überschreitet.

18.194

Die Selbstbeteiligungs-Vereinbarung bezieht sich bei der Gebäudeversicherung zwangsläufig sowohl auf Schäden im Gemeinschaftseigentum als auch auf Schäden im Sondereigentum, weil versicherungsrechtlich gerade nicht nach diesen Begriffen differenziert wird (vgl. oben 2. a)) – deshalb können sowohl die Anteile belastet sein, die die einzelnen Wohnungseigentümer für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums aufzubringen haben, als auch die einzelnen Wohnungseigentümer hinsichtlich der Kosten für die Instandsetzung ihres Sondereigentums.

18.195

b) Beschlusskompetenz zur Einführung einer Selbstbeteiligung Die Belastung mit Selbstbeteiligungsbeträgen bei Schäden am Sondereigentum führt zu der weiteren Frage, ob eine Eigentümerversammlung überhaupt die Beschlusskompetenz haben kann, eine Selbstbeteiligung auch für das Sondereigentum zu beschließen.101

18.196

Wenn in der Gemeinschaftsordnung festgelegt wurde, dass das „Gebäude als Ganzes mit allen Bestandteilen und Zubehörteilen“ gegen Feuer, Leitungswasser, Sturm versichert werden muss, hat nach meiner Auffassung die Eigentümerversammlung eine solche Beschlusskompetenz nicht. Es ist dann nämlich sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch das Sondereigentum in voller Höhe zu versichern. Eine separate Absicherung nur des Sondereigentums in seiner

18.197

100 Vgl. den Beitrag Nußbaum, Haftung der Wohnungseigentümer für Leitungswasserschäden, NZM 2003, 617, unter II. „Ein (abschreckendes) Beispiel“. 101 Diese Frage spricht Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 112, leider nicht an.

Köhler

1113

Teil 18 Rz. 18.197

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

Gesamtheit durch den einzelnen Wohnungseigentümer ist nicht möglich. Ein Beschluss über die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung erfordert deshalb die ausdrückliche Zustimmung aller Sondereigentümer.102 c) Verteilung der Selbstbeteiligung und besondere Verteilungsbeschlüsse

18.198 Wurde eine Selbstbeteiligung wirksam festgelegt und mit dem Versicherer vereinbart, ist bei einem Schaden, der sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch das Sondereigentum betroffen hat, die vom Versicherer angerechnete Selbstbeteiligung im Verhältnis der jeweils angefallenen Schadenssummen (Schadensbetrag GE/Schadensbetrag SE) anteilmäßig auf die Gemeinschaft und den betroffenen Sondereigentümer zu verteilen.103

18.199 Die dem Sondereigentümer zustehende Versicherungserstattung ist bei einer Auszahlung um diesen Anteil zu kürzen.

18.200 Der auf alle Eigentümer (bezüglich des Anteils am geschädigten Gemeinschaftseigentum) entfallende Selbstbeteiligungsbetrag ist in der Jahresabrechnung auf alle Eigentümer zu verteilen, und zwar nach dem Kostenverteilungsschlüssel, der für „Instandhaltungen/Instandsetzungen“ anzuwenden ist.104 Konkret handelt es sich bei diesem Selbstbeteiligungsbetrag um die Differenz zwischen Schadensbeseitigungskosten und dem tatsächlich vom Versicherer gezahlten Ersatzbetrag.

18.201 Es gibt Eigentümergemeinschaften, die – besonders im Hinblick auf Leitungswasserschäden – beschlossen haben, dass eine anfallende Selbstbeteiligung von denjenigen Eigentümern zu tragen ist, „die von einem Schaden betroffen“ sind oder „in deren Sondereigentum sich die schadhaften Wasserrohre befinden“.105

18.202 Für das eigene Sondereigentum ist der jeweilige Eigentümer sowieso zuständig, so dass der schon oben genannte Grundsatz eingreift, wonach der Erstattungsbetrag für den Schaden am Sondereigentum um die anteilige Selbstbeteiligung gekürzt wird. Soweit es aber um eine darüber hinausgehende Kostentragung geht (also um den Anteil am gemeinschaftlichen Schaden, der bei allen Eigentümern verbleibt), werden mit solchen Beschlüssen den einzelnen Eigentümern besondere Leistungspflichten auferlegt, die über die im Gesetz (und Gemeinschaftsordnung) festgelegte Verpflichtung zur Kostentragung hinausgeht. Dies halte ich –

102 Keine konkrete Antwort auf die Frage „Beschlusskompetenz“ gibt Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353; Greiner, Der Leitungswasserschaden in der Verwaltungspraxis, NZM 2013, 481, 496, hält unkritisch einen Mehrheitsbeschluss angesichts eines „Beurteilungsspielraums“ für rechtmäßig. 103 Vgl. auch Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 112, mit einem etwas anderen Ansatz; vgl. auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 365, der zwischen versicherungsrechtlichen und wohnungseigentumsrechtlichen Überlegungen differenziert – auf versicherungsrechtliche Überlegungen kann es m.E. jedoch nicht ankommen; fast identisch schon Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341, 347 ff., und Dötsch, Gebäudeversicherung der Wohnungseigentümer, ZMR 2014, 169 ff. 104 Wohl anders: Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 835. 105 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2003 – 16 Wx 124/03, NZM 2003, 641.

1114

Köhler

Selbstbeteiligungen bei der Gebäudeversicherung

Rz. 18.205 Teil 18

auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH106 – für unzulässig. Eine solche Regelung verstößt m.E. auch gegen den Grundsatz der verschuldensabhängigen Haftung.107 Soweit die Ansicht vertreten wird, die Beschlusskompetenz zur Regelung der Kostentragung für die Selbstbeteiligung ergebe sich aus § 16 Abs. 3 WEG, weil die Wohnungseigentümer aufgrund dieser Bestimmung den Umlageschlüssel für die „Betriebs- und Verwaltungskosten“ (Versicherungskosten) durch Mehrheitsbeschluss ändern könnten, ist das falsch.108 Richtig ist zwar (selbstverständlich), dass die Prämien für eine Wohngebäudeversicherung Betriebskosten (auch im Sinne des § 2 BetrKV) darstellen; die Selbstbeteiligung kann jedoch nicht deshalb als „Bestandteil der Versicherungsprämie“ angesehen werden, weil „die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Versicherungsprämie“ habe.109

18.203

Der Selbstbeteiligungsbetrag gehört zu den Instandsetzungskosten. Er fällt nämlich nur an, 18.204 weil das Gemeinschaftseigentum instandgesetzt werden muss, die Instandsetzungskosten aufgrund eines Schadensfalles jedoch vom Versicherer nicht vollständig erstattet werden. Somit ist dieser Betrag in der Jahresabrechnung auch als Posten der Instandsetzung zu behandeln und auf alle Eigentümer zu verteilen.110 „Betriebskosten“ im Sinne der §§ 16 Abs. 3 WEG, 556 BGB, 2 BetrKV sind diese Instandsetzungskosten gerade nicht; in § 2 BetrKV ist zwar von „Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung“ die Rede, nicht jedoch von „Selbstbeteiligungen“.111 Eine Kontrollüberlegung bestätigt das. Gibt die Eigentümergemeinschaft nach einem Schadenfall Instandsetzungsarbeiten (mit Zustimmung des Versicherers) in Auftrag und geht sie (was ganz typisch ist) hinsichtlich der Handwerkerkosten in Vorlage, käme wohl niemand ernsthaft auf die Idee, die aufgewendeten Beträge (und die späteren Erstattungsbeträge, insbesondere bei jahresübergreifenden Geldflüssen)112 in der Jahresabrechnung als „Versicherungskosten“ zu deklarieren und nach einem eventuell in der Gemeinschaftsordnung für solche Kosten fixierten Verteilungsschlüssel zu verteilen; solche Kosten werden – selbstver106 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = ZMR 2000, 771; BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 193/09, MDR 2010, 1108 = ZWE 2010, 359 = ZMR 2010, 777; BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = WuM 2012, 398 = ZWE 2012, 268; BGH, Urt. v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 326 = MDR 215, 79 = ZWE 2015, 131; BGH, Urt. v. 13.5.2016 – V ZR 152/15, WuM 2016, 577 = MDR 2016, 1133 = ZWE 2016, 374; BGH, Urt. v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, WuM 2011, 313 = ZMR 2011, 573 = ZWE 2011, 256. 107 Ebenso Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 112, r.Sp.; Armbrüster in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 1 Rz. 253; vgl. hierzu auch AG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2002 – 1 II 173/01 WEG, ZMR 2002, 980, sowie Köhler, Zwei WEG- und Versicherungsprobleme, ZMR 2002, 891. 108 So auch Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 835; Horst, Rechtsfolgen eingetretener Wasserschäden im Sonder- und Gemeinschaftseigentum, DWE 2017, 48, 53 (keine Beschlusskompetenz); vgl. zu weiteren Verteilungs-Überlegungen Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 369 f. 109 AG Lemgo, Urt. v. 13.11.2017 – 16 C 17/17, NJW-RR 2018, 526 = NZM 2018, 405. 110 Vgl. zu einem ähnlichen Verteilungsmodell Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 372. 111 Richtig deshalb Schmid, Mietrechtliche Aspekte der Gebäudeversicherung, MietRB 2015, 178: „Selbstbehalte sind […] keine Zahlung an die Versicherung, sondern eine Begrenzung von deren Leistungen“; falsch demgegenüber Wolf zur Nieden, Umlagefähigkeit von „Selbstbehalten“ in der Gebäudeversicherung, NZM 2013, 369. 112 Zahlungen der Eigentümergemeinschaft im Jahr 1, Erstattung durch den Versicherer im Jahr 2.

Köhler

1115

18.205

Teil 18 Rz. 18.205

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

ständlich – als Instandhaltungskosten (im Zusammenhang mit einem Schadensfall) ausgewiesen.

VIII. Abwicklung von Versicherungsfällen 1. Allgemeines

18.206 Nach einem Schadenfall hat der Verwalter als Vertreter (Repräsentant) der Wohnungseigentümergemeinschaft (Versicherungsnehmerin) drei wichtige Obliegenheiten, die er für die Eigentümergemeinschaft wahrnehmen muss, nämlich eine Anzeigepflicht, eine Schadenbegrenzungspflicht und eine Informationspflicht.113 Die Obliegenheiten im Schadenfall sind in den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungssparten sehr genau beschrieben.

18.207 Der Verwalter muss den Versicherer auf schnellstem Wege, und im eigenen Interesse beweisbar, über den eingetretenen Schaden in Kenntnis setzen (per Telefax, E-Mail, telefonisch oder mündlich).114

18.208 Erhält der Verwalter bei der Meldung des Schadens bestimmte Weisungen des Versicherers, muss er diese befolgen.

18.209 Weiter muss der Verwalter dafür sorgen, dass für die Minderung des Schadens gesorgt und die Eintrittsmöglichkeit weiterer Schäden begrenzt wird, soweit dies machbar und der Eigentümergemeinschaft zumutbar ist.115 Eventuelle diesbezügliche Weisungen des Versicherers muss der Verwalter beachten.

18.210 Schließlich muss der Verwalter die der Eigentümergemeinschaft obliegende Informationspflicht erfüllen. Er muss dem Versicherer (unverzüglich) wahrheitsgemäß jede Auskunft erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist und er muss die eventuell vom Versicherer angeforderten Belege beibringen.116

18.211 Verletzt der Verwalter diese Obliegenheiten, können der Eigentümergemeinschaft (und den eventuell mitversicherten Personen) daraus erhebliche Nachteile erwachsen (die bis zur Leistungsfreiheit des Versicherers gehen könnten, vgl. die Einzelheiten in § 28 VVG), was dann auch – bei Verschulden des Verwalters – einen Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft (oder mitversicherter Personen) gegen den Verwalter auslösen könnte.

18.212 Der Verwalter sollte sich also für jede Eigentümergemeinschaft eine schnell greifbare Liste erstellen, aus der er die wichtigsten Informationen entnehmen kann – Versicherer mit Kontaktinformationen, Versicherungsvertreter, Versicherungsnummern, zu erfüllende Obliegenheiten usw. 113 Vgl. Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 203 r.Sp. 114 Vgl. z.B. BGH, Urt. v. 12.7.2017 – IV ZR 151/15, MDR 2017, 1303 = VersR 2017, 1076 = NZM 2018, 50. 115 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.2.2000 – 4 U 77/99, RuS 2001, 379 = OLGR Düsseldorf 2001, 534. 116 Vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 13.4.2016 – IV ZR 152/14, VersR 2016, 793 = NJW-RR 2016, 921.

1116

Köhler

Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.218 Teil 18

Theoretisch müssen die Obliegenheiten nicht nur von der Versicherungsnehmerin (Eigentümergemeinschaft) erfüllt werden, sondern bei der Gebäudeversicherung auch von den Versicherten (also den Wohnungseigentümern, jedenfalls hinsichtlich eines Schadens im Sondereigentum), §§ 30, 31 VVG. In der Praxis wird jedoch von den Versicherern soweit ersichtlich hierauf nicht abgestellt; die Einhaltung der Obliegenheiten durch die Versicherungsnehmerin bzw. den Repräsentanten (Verwalter) ist für die Versicherer wichtig. Gleichwohl ist insoweit Vorsicht angesagt und einem betroffenen Eigentümer eine Kontaktaufnahme mit dem Versicherer dringend zu empfehlen.

18.213

2. Differenzierung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum Dem Verwalter obliegt nach Bestellung und Aufnahme der Verwaltertätigkeit die Abwicklung von Versicherungsfällen für die Eigentümergemeinschaft. Bei der Gebäudeversicherung (evtl. auch bei einer Glasversicherung) ist zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum zu differenzieren;117 bei den Haftpflichtversicherungen (Grundbesitzerhaftpflicht und WHGHaftpflicht) kommt eine diesbezügliche Differenzierung regelmäßig nicht in Betracht. Die folgenden Ausführungen beziehen sich deshalb nur auf die Gebäudeversicherung.

18.214

Wie schon oben, unter 2. a), erwähnt, erfasst die Gebäudeversicherung sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch das Sondereigentum. Die Eigentümergemeinschaft ist Versicherungsnehmerin; bezüglich des Sondereigentums der einzelnen Eigentümer schließt die Gemeinschaft für diese Versicherten einen Versicherungsvertrag für fremde Rechnung ab, § 43 VVG.118

18.215

Die oben beschriebenen grundlegenden Obliegenheiten muss der Verwalter für die Versicherungsnehmerin Eigentümergemeinschaft und im Interesse der versicherten Sondereigentümer erfüllen. Bei der konkreten Abwicklung des Schadens beschränkt sich die Tätigkeit des Verwalters aber auf das Gemeinschaftseigentum, die einzelnen geschädigten Sondereigentümer müssen die Abwicklung ihres Schadens im Sondereigentum selbst übernehmen.

18.216

Auf welche Gebäudeteile sich die Handlungspflicht des Verwalters bezieht, muss der Verwalter prüfen. Dazu muss er wissen und ermitteln, welche Gebäudeteile im Gemeinschaftseigentum stehen und welche im Sondereigentum – der Verwalter hat also eine rechtliche und tatsächliche Prüfung vorzunehmen.119 Bei der Behebung eines Schadens, insbesondere eines Leitungswasser- oder Feuerschadens, sind fast immer sowohl Gemeinschafts- als auch Sondereigentum betroffen, so dass die Schadensabwicklung schwierig aufzuteilen ist.

18.217

a) Abwicklung von Schäden im Gemeinschaftseigentum Die Abwicklung von Schäden im Gemeinschaftseigentum gehört zu den Aufgaben des Verwalters aufgrund seiner Organstellung. Bei der Erfüllung der Aufgabe muss der Verwalter 117 Vgl. Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 204. 118 BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = VersR 2016, 1564 = ZWE 2017, 30; OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133 = ZMR 2008, 401 = WuM 2008, 366; Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109. 119 Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 829.

Köhler

1117

18.218

Teil 18 Rz. 18.218

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

beachten, dass sie den ständigen Kontakt und Abstimmungen mit dem Versicherer erfordert. Der Versicherer kann – und muss u.U. – dem Verwalter die notwendige Weisungen und Hinweise für die Instandsetzung der geschädigten Gebäudeteile geben.

18.219 Der Verwalter muss dafür sorgen, dass die Schadensstellen für Schadensschätzer oder Vertreter des Versicherers zugänglich sind. Falls er bei einer solchen Schadensschätzung den Eindruck gewinnt, dass der Versicherer die Höhe des Schadens nicht richtig beurteilt, kann erwogen werden, ein nach den VGB (2016) vorgesehenes Sachverständigenverfahren vom Versicherer zu verlangen. Die Einzelheiten, insbesondere Benennungsrecht, Verfahren und Kosten sind in den VGB ausführlich beschrieben. Für den Verwalter ist wichtig zu berücksichtigen, dass für den von der Eigentümergemeinschaft benannten Gutachter Kosten anfallen, so dass er ohne Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung ein solches Sachverständigenverfahren nicht verlangen darf.

18.220 Der Verwalter darf ohne Zustimmung des Versicherers die Schadenstelle nicht verändern,120 und er muss dafür sorgen, dass eine Weisung des Versicherers zur Minderung des eingetretenen Schadens auch befolgt wird.

18.221 Aufträge zur Behebung der Schäden an Handwerker darf er ohne Zustimmung des Versicherers nicht erteilen. Dem Versicherer sind die Angebotsunterlagen zur Prüfung zu überlassen.

18.222 Hinweis: Der Verwalter bedarf zur Vergabe von Schadenbeseitigungsaufträgen – sofern es sich nicht um Bagatellschäden handelt, die er im Rahmen laufender Verwaltung beheben lassen dürfte – eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung.

18.223 Vom Verwalter sind die vom Versicherer zu erbringenden Entschädigungsleistungen zu überwachen und (selbstverständlich) ordnungsgemäß zu verbuchen und über die Jahresabrechnung abzurechnen oder – wenn Zahlungen für ein geschädigtes Sondereigentum eingegangen sind – an den betroffenen Wohnungseigentümer auszuzahlen.121 Über die Abwicklung des Schadensfalles hat der Verwalter im Rahmen einer Eigentümerversammlung Bericht zu erstatten und (rechtzeitig) auf eine Möglichkeit zur Kündigung des Versicherungsvertrages hinzuweisen. b) Abwicklung von Schäden im Sondereigentum

18.224 Weder die Eigentümergemeinschaft noch der Verwalter der Eigentümergemeinschaft sind – über die oben beschriebenen grundlegenden „Erst“-Obliegenheiten hinaus – verpflichtet, die Schadensabwicklung für Schäden im Sondereigentum zu übernehmen.122 120 Vgl. z.B. Saarländisches OLG, Urt. v. 19.9.2012 – 5 U 68/12, MDR 2012, 1416 = NJW-RR 2013, 89 = VersR 2013, 180. 121 Vgl. hierzu auch (Eigentümerwechsel-Fall) BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = VersR 2016, 1564 = ZMR 2016, 974. 122 OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133 = ZMR 2008, 401 = WuM 2008, 366; BayObLG, Beschl. v. 3.4.1996 – 2Z BR 5/96, BayObLGZ 1996, 84 = WuM 1996, 445 = NJW-RR 19996, 1298 = VersR 1997, 848; KG, Beschl. v. 9.10.1991 – 24 W 1484/91, ZMR 1992, 34 = WuM 1991, 707 = NJW-RR 1992, 150; h.M.: Armbrüster, Versicherungsschutz für Wohnungseigentümer und Verwalter, ZMR 2003, 1, 6; Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 110; Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 204; Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen

1118

Köhler

Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.230 Teil 18

Allerdings wäre die Eigentümergemeinschaft als Versicherungsnehmerin (und der Verwalter als ihr Vertreter) nach § 45 Abs. 1 VVG zu einer Schadensabwicklung gegenüber dem Versicherer befugt – sie könnte aufgrund des § 45 Abs. 1 VVG „über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen“.

18.225

Empfehlenswert ist das jedoch aus meiner Sicht weder für die Eigentümergemeinschaft noch für den Verwalter, weil damit unnötige Risikoverlagerungen (aufgrund der Obliegenheiten, die bei der eigentlichen Schadensabwicklung zu beachten sind) und auch Haftungsrisiken einhergehen.123

18.226

Der Verwalter (als Vertreter der Eigentümergemeinschaft) ist jedoch verpflichtet,124 den von 18.227 einem Schaden betroffenen Wohnungseigentümer zu unterstützen, was bedeutet, dass er dem an seinem Sondereigentum geschädigten Wohnungseigentümer alle Angaben zu machen hat, die der Sondereigentümer für die Schadensabwicklung benötigt – dazu zählen insbesondere Name und Kontaktdaten des Versicherers, Versicherungsschein-Nummer, genaue Versicherungsnehmer-Bezeichnung.125 Wird durch die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums auch das Sondereigentum berührt, muss der Verwalter den Sondereigentümer informieren und sich auch mit diesem abstimmen. Hat der Verwalter – ohne eine vorherige konkrete Vereinbarung mit dem Sondereigentümer getroffen zu haben – eine Schadensabwicklung auch bezüglich des Sondereigentums begonnen, kann er diese Tätigkeit jederzeit einstellen und sich auf die Abwicklung des Schadens im Gemeinschaftseigentum beschränken. Allerdings darf er die Schadensabwicklung im Sondereigentum nicht zur Unzeit einstellen und er muss den betroffenen Sondereigentümer über die Beendigung seiner Tätigkeit unverzüglich informieren.

18.228

aa) Grundsätzliches Recht des Sondereigentümers gegenüber dem Versicherer, § 43 VVG Wie schon ausgeführt, handelt es sich bei der Versicherung des Sondereigentums um eine Versicherung für fremde Rechnung, § 43 VVG. Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen nach § 44 Abs. 1 VVG dem Versicherten die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu.

18.229

Soweit es sich um Schäden am Gemeinschaftseigentum handelt, können nur alle Wohnungseigentümer gemeinsam handeln, nämlich aufgrund einer gemeinschaftlichen Willensentscheidung – „Versammlungsbeschluss“. Bei Schäden im Sondereigentum beziehen sich die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer nur auf diese Schäden.

18.230

Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 829; Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341, 344; Horst, Rechtsfolgen eingetretener Wasserschäden im Sonder- und Gemeinschaftseigentum, DWE 2017, 48, 50. 123 Vgl. dazu auch Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 111. 124 Zweifelnd an der Unterstützungspflicht des Verwalters (Nebenpflicht des Verwalters): Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 357 r. Sp. 125 KG, Beschl. v. 9.10.1991 – 24 W 1484/91, ZMR 1992, 34 = WuM 1991, 707 = NJW-RR 1992, 150; Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201, 204; Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 830.

Köhler

1119

Teil 18 Rz. 18.231

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.231 Nach der gesetzlichen Regelung kann also der einzelne, von einem Schadenfall in seinem Sondereigentum betroffene Wohnungseigentümer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag außergerichtlich gegenüber dem Versicherer geltend machen.

18.232 Daran hindert auch § 44 Abs. 2 VVG nicht; diese Bestimmung sperrt nur Verfügungen eines Versicherten und die gerichtliche Geltendmachung, wenn keine Zustimmung des Versicherungsnehmers vorliegt oder der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins ist (letzteres dürfte bei Wohnungseigentümergemeinschaften aber ausgeschlossen sein).126

18.233 Bei der notwendigen Korrespondenz mit dem Versicherer und der Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber diesem geht es nicht um Verfügungen. bb) Einschränkung der Rechte durch die VGB der Versicherer?

18.234 In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die noch für viele Gebäudeversicherungsverträge gelten, findet sich unter dem Stichwort „Versicherung für fremde Rechnung“ die folgende Formulierung (oder eine ganz ähnliche)127: „Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für das Interesse eines Dritten (Versicherten) schließen. Die Rechte aus diesem Vertrag stehen nur dem Versicherungsnehmer und nicht auch dem Versicherten zu. Das gilt auch, wenn der Versicherte den Versicherungsschein besitzt. Der Versicherer kann vor Zahlung der Entschädigung an den Versicherungsnehmer den Nachweis verlangen, dass der Versicherte seine Zustimmung dazu erteilt hat. Der Versicherte kann die Zahlung der Entschädigung nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers verlangen.“128

18.235 Aufgrund solcher Bestimmungen vertreten Gerichte die Auffassung,129 dass ein einzelner geschädigter Wohnungseigentümer keine Ansprüche aus dem von einer Eigentümergemeinschaft geschlossenen Versicherungsvertrag geltend machen kann, selbst wenn dem geschädigten Wohnungseigentümer der Versicherungsschein vorläge oder die Eigentümergemeinschaft zugestimmt hätte.130 126 Vgl. auch Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 830. 127 Greiner, Der Leitungswasserschaden in der Verwaltungspraxis, NZM 2013, 481, 486, erörtert die damals angewendeten VGB 2010 (Anm.: diese VGB können aber auch heute noch Vertragsgegenstand sein). 128 So z.B. die VGB 2005 und VGB 88 (Wohngebäude, Stand Januar 2008), ebenso die AFB 2010 (Feuerversicherung, GDV 0100, Version 1.4.2014), die AStB 2010 (Sturm, GDV 0400, Version 1.4.2014), die AWB 2010 (Leitungswasser, GDV 0300, Version 1.4.2014), die AGlB 2010 (Glas, GDV 0500, Version 1.1.2013) und die AHagB 2010 (Hagel, GDV 1000, Version 1.1.2011) – bis auf die VGB 2005 und VGB 88 kann auf alle Versicherungsbedingungen über www.gdv.de zugegriffen werden. 129 Auch Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 110, vertritt ohne weiteres diese Auffassung; Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341, 344, meint, dass „ein Versicherer verständlicherweise keine Freude daran haben wird, … in großen Einheiten mit einer Vielzahl Geschädigter Brieffreundschaften zu beginnen“ – hierauf kann es m.E. bei der Abwägung von Verbraucher- und Versicherungsindustrie-Interessen wohl kaum ankommen. 130 LG Frankfurt, Urt. v. 10.2.2017 – 2-08 O 153/16, Juris; nachfolgend OLG Frankfurt, Beschl. (nach § 522 ZPO) v. 16.3.2018 – 3 U 59/17, VersR 2018, 931 = RuS 2018, 543; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.5.2018 – 3 U 59/17, VersR 2018, 931 = NJW-RR 2018, 1243 = NZM 2018, 911; OLG Köln, Urt. v. 6.5.2003 – 9 U 143/02, RuS 2003, 371 = NJW-RR 2003, 1612 (zusätzliches

1120

Köhler

Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.240 Teil 18

Ein Verwalter wird außerdem nicht als berechtigt angesehen, Erklärungen für die Eigentümergemeinschaft abzugeben.131

18.236

In den neuesten Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB 2016) sind solche Bestimmungen nicht mehr enthalten.132 Gelten diese VGB, heißt das, der Versicherer kann die außergerichtliche Schadenskorrespondenz und die Schadensabwicklung mit dem Versicherten (Wohnungseigentümer) versicherungsrechtlich nicht mehr verweigern.

18.237

Hat der Versicherer in dem Gebäudeversicherungsvertrag mit der Eigentümergemeinschaft noch ältere Bedingungen verwendet (oder ist der Versicherungsvertrag noch nicht auf neue Bedingungen umgestellt), ist danach zu fragen, ob die oben angeführten VGB-Bestimmungen überhaupt wirksam sind.133

18.238

Dabei stellt sich sogleich die Frage nach einer Gültigkeit im Sinne der AGB-Regelungen des BGB. Das OLG Frankfurt/Main sieht durch die Verwendung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (in der Entscheidung ging es um die VGB 2005) keinerlei Ansatzpunkt für einen Verstoß gegen § 307 BGB und hat in seinem Beschluss vom 16.3.2018 u.a. ausgeführt:134

18.239

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird – insbesondere bei einer derart unmissverständlichen Formulierung [der VGB 2005] – nicht im Gesetzestext danach suchen, wie die Rechtlage ohne Verwendung der VGB 2005 wäre, um dann festzustellen, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen gegenüber dem nachgiebigen Recht abweichende Regelungen treffen. Irgendeine Unsicherheit kann allenfalls durch einen solchen, in der Regel nur von Juristen vorgenommenen, Abgleich entstehen. Ein typischer Versicherungsnehmer wird vielmehr ausschließlich den ihm vom Versicherer übersandten Versicherungsbedingungen die Rechtslage entnehmen. Hätte die Klägerin lediglich dies im vorliegenden Fall getan, dann wäre sie im Streitfall über den einzigen, tatsächlich bestehenden Weg, ihre Ansprüche durchzusetzen, vollständig und richtig informiert gewesen, zumal § 35 Nr. 2 Satz 2 VBG 2005 nur die Befugnis zum Empfang der Versicherungsleistung, nicht aber die Klagebefugnis betrifft.

18.240

131 132 133

134

Problem: „fehlende Abtretungsbefugnis“ des Verwalter); LG Köln, Urt. v. 3.11.2003 – 24 O 278/02, RuS 2004, 290 (ebenfalls zusätzliches Problem: „fehlende Abtretungsbefugnis“ des Verwalters; nachgehend OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2004 – 9 U 196/03, RuS 2004, 290; vgl. auch Saarländisches OLG, Urt. v. 13.1.2016 – 5 U 61/14, ZfSch 2017, 156 (Treuwidrigkeit des Versicherers, wenn er den Einwand fehlender Aktivlegitimation verspätet erhebt); BGH, Urt. v. 11.3.1987 – IVa ZR 240/85, RuS 1987, 155 = NJW-RR 1987, 856 (Fahrzeughändler- und -Handwerkerversicherung); OLG Hamm, Urt. v. 6.10.2004 – 20 U 53/04, NJW-RR 2005, 113 = VersR 205, 934 (Kfz-Kaskoversicherung). OLG Köln, Urt. v. 6.5.2003 – 9 U 143/02, RuS 2003, 371 = NJW-RR 2003, 1612; LG Köln, Urt. v. 3.11.2003 – 24 O 278/02, RuS 2004, 290; nachgehend OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2004 – 9 U 196/03, RuS 2004, 290. Zugriff auf die (für die Versicherer nicht verbindlichen) Muster-VGB 2016 über www.gdv.de. Unkritisch und wenig überzeugend: Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 358, die „neueren VGB“ seien „bedenkenfrei“ – wobei aber nicht klar wird, welche VGB überhaupt gemeint sein sollen. Für juristisch nicht akzeptabel und verfehlt halte ich die resignierende Feststellung von Greiner, Der Leitungswasserschaden in der Verwaltungspraxis, NZM 2013, 481, 486, gegen die beschränkenden Bestimmungen der VGB sei „nichts weiter auszurichten“. OLG Frankfurt, Beschl. (nach § 522 ZPO) v. 16.3.2018 – 3 U 59/17, VersR 2018, 931 = RuS 2018, 543.

Köhler

1121

Teil 18 Rz. 18.240

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

Anders als die Klägerin meint, stellt § 35 VGB 2005 keinen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG dar. Es kann nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich vereinbart werden, dass nur der Versicherungsnehmer – und nicht der Versicherte – zur Geltendmachung des Versicherungsanspruchs berechtigt sein soll. Der Versicherte ist nach einer solchen Klausel auch dann nicht legitimiert, wenn er den Versicherungsschein besitzt oder wenn der Versicherungsnehmer zugestimmt hat. Derartige Klauseln sind nicht nach § 307 BGB zu beanstanden, da der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran hat, es nur mit dem Versicherungsnehmer zu tun zu haben (keine Überprüfung der Versicherteneigenschaft, kein Prozesskostenrisiko im Hinblick auf den Versicherten, keine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl unbekannter Personen, keine Doppelklage des Versicherungsnehmers und des Versicherten auf die Versicherungsleistung, keine Einvernahme des Versicherungsnehmers als Zeugen).

18.241 Das OLG Frankfurt meint also, der „typische Versicherte“ habe die Versicherungsbedingungen so zu akzeptieren, wie der Versicherer sie ihm vorgibt und dürfe sie auch nicht – insbesondere nicht mit juristischem Beistand oder Sachverstand – hinterfragen. Außerdem habe der Versicherte die gewichtigen Interessen des Versicherers zu erkennen und zu berücksichtigen.135

18.242 Die Begründung des OLG Frankfurt erscheint mir in Stil und Inhalt äußerst fragwürdig. Außer der „Klarheiten-Regelung“ des § 307 Abs. 1 BGB hat der dortige Senat weitere Gesichtspunkte nicht einmal ansatzweise erwogen und nur kritiklos auf alte Rechtsprechung Bezug genommen, die die VGB-Regelungen als wirksam erachtet hatten. Verwendet wurde auch nur versicherungsrechtliche Literatur,136 einen Blick in wohnungseigentumsrechtliche Literatur ersparte sich der Senat.

18.243 Soweit es um die gerichtliche Geltendmachung geht, könnte man noch (bei großzügiger Betrachtung) eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den VGB-Bestimmungen und der gesetzlichen Regelung des § 44 Abs. 2 VVG feststellen. Von Gesetzes wegen kann der Versicherte seine Rechte gerichtlich nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers oder bei Besitz des Versicherungsscheins geltend machen. Dabei hatte der Gesetzgeber tatsächlich den Schutz des Versicherers im Auge gehabt.

18.244 Nachdenken sollte man aber über Regelungen in Versicherungsbedingungen, die Rechte des Versicherten über die Maßstäbe der Absätze 1 und 2 des § 44 VVG hinaus beschneiden und ihm entweder jedes Recht verweigern oder die gerichtliche Geltendmachung auch bei Besitz des Versicherungsscheins oder bei Zustimmung des Versicherungsnehmers.

18.245 Hier wird man auch als „durchschnittlicher oder typischer“ Versicherungsnehmer und/oder Versicherter die bestehende Unsicherheit über vorhandene oder nicht-vorhandene Rechte durch Abgleich zwischen den (allgemeinen und speziellen) gesetzlichen Regelungen und den VGB zu beseitigen suchen. Dabei kann man aber nicht bei der Lektüre des Wortlauts der VGB stehen bleiben, sondern muss u.a. auch den § 307 BGB insgesamt – und auch die gesamte andere Rechtsordnung – betrachten. 135 Nur zurückhaltende Kritik, verbunden mit einem Hinweis auf § 305c Abs. 2 BGB, äußert Dötsch in seiner Anmerkung zur Entscheidung des OLG Frankfurt, NZM 2018, 913. 136 Bekanntlich gibt es zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein „Meinungs- und Zitatenkartell“ (vgl. nur die kritische Stimme von Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, 2. Aufl., Einl. Rz. 133), weil das kommentierende Schrifttum weitgehend in der Hand von Mitarbeitern der Versicherer liegt oder aus den Federn von Versicherern nahestehenden Rechtsanwälten stammt.

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Köhler

Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.249 Teil 18

§ 307 Abs. 2 BGB nimmt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers durch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Zweifel an, wenn die Bestimmungen (hier also die VGB)137 „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ nicht zu vereinbaren sind. Zu den gesetzlichen Regelungen zählen alle Gesetze im formellen wie im materiellen Sinn.138

18.246

Bei Versicherungsverträgen mit Wohnungseigentümergemeinschaften müssen deshalb auch die gesetzlichen Grundlagen des Wohnungseigentumsrechts berücksichtigt werden. Das ist im Fall der Gebäudeversicherung auch deshalb geboten, weil die Versicherer selbst in ihren VGBs auf Vertragsbeziehungen zu Wohnungseigentümergemeinschaften abstellen.139

18.247

Bei Gebäudeversicherungen, die Wohnungseigentümergemeinschaften abschließen, werden 18.248 die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer nur deshalb über den gemeinschaftlichen Versicherungsvertrag abgesichert, weil – vom aufteilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in den Gemeinschaftsordnungen dies vorsehen, – der Gesetzgeber den Abschluss einer Feuerversicherung für das gemeinschaftliche Eigentum sowie eine Grundbesitzerhaftpflichtversicherung zu einer Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung erklärt hat, – versicherungsrechtlich jedoch zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum nicht unterschieden wird, – die Versicherungswirtschaft sich die Klärung der mitunter schwierigen Abgrenzungsfrage, was zum Gemeinschafts- und Sondereigentum gehört, ersparen will,140 – der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund der Handhabung der Versicherer keine ausreichende Möglichkeit hat, sich für sein gesamtes Sondereigentum allein (ohne Umweg über die Eigentümergemeinschaft) abzusichern, – der Gesetzgeber die Beziehungen zwischen Wohnungseigentumsrecht und Versicherungsrecht (bei Schaffung des WEG und bei späteren Gesetzesnovellen des WEG und des VVG) nicht sinnvoll durchdacht und geregelt hat. Wohnungseigentumsrechtlich werden die Befugnisse hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums von den Befugnissen bezüglich des Sondereigentums streng getrennt. Die Eigentümergemeinschaft und der Verwalter sind nicht befugt, in die Rechte des Sondereigentümers und in das Sondereigentum einzugreifen; umgekehrt ist der einzelne Wohnungseigentümer auch nicht befugt, ohne Ermächtigung der Gemeinschaft (erteilt durch Beschluss einer Eigentümerversammlung) Maßnahmen bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums zu ergreifen oder gemeinschaftliche Rechte geltend zu machen.141 137 Allgemeine Versicherungsbedingungen (VGB u.a.) sind ohne Zweifel „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ im Sinne des BGB. 138 Vgl. nur Roloff in Erman, BGB, 15. Aufl. § 307 BGB Rz. 24. 139 Vgl. die Bestimmungen über das „Verhalten einzelner Wohnungseigentümer“ und die daraus eventuell folgende Leistungsfreiheit des Versicherers nur gegenüber diesem Wohnungseigentümer – oben unter „Feuerschäden“ und „Leitungswasserschäden“. 140 Vgl. dazu Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, r. Sp. 141 Ausnahme: Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG.

Köhler

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18.249

Teil 18 Rz. 18.250

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.250 Der einzelne Eigentümer kann also wohnungseigentumsrechtlich – und auch verfassungsrechtlich abgesichert – alle seine Rechte aus dem Sondereigentum alleine geltend machen und über sein Eigentum frei verfügen. Das gilt selbstverständlich auch bei allen Schäden, die ein einzelner Wohnungseigentümer in Bezug auf sein Sondereigentum erleidet. Lediglich durch die besondere Versicherungskonstruktion sind ihm versicherungsrechtliche Schranken gesetzt.

18.251 Werden die Rechte des Wohnungseigentümers durch die von den Versicherern vorgegebenen VGB über das gesetzliche Maß des § 44 Abs. 2 VVG hinaus beschränkt, ist das mit den aus dem WEG resultierenden Rechten (und Pflichten) des einzelnen Eigentümers nicht mehr zu vereinbaren. Der einzelne Wohnungseigentümer wäre – obwohl er sonst über sein Eigentum frei verfügen kann und in seinen Handlungsmöglichkeiten nur durch die vom WEG gezogenen Grenzen beschränkt ist – bei versicherungsrechtlichen Angelegenheiten stets auf das Wohlwollen, die Einsichtsfähigkeit und die Mitwirkung der Eigentümergemeinschaft und auf die Durchführung von Maßnahmen durch die Eigentümergemeinschaft angewiesen und müsste auch bezüglich seines Sondereigentums dieses Handeln (und damit die Eingriffe in sein Eigentum und seine Verfügungsmacht) hinnehmen.

18.252 Solche Eingriffe ohne gesetzliche Grundlage sind mit den wesentlichen Grundgedanken des Wohnungseigentumsrechts nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen; bei den verwendeten „pro VGB“-Argumenten handelt es sich in Bezug auf die Situation von Eigentümergemeinschaften nur um nicht zu Ende gedachte Pseudo-Argumente ohne relevanten Inhalt. Betrachtet man die „Argumente“ des OLG Frankfurt, wird das schnell klar:

18.253 – Die „Überprüfung der Versicherteneigenschaft“: Sie ist einfach, nämlich durch Anforderung und Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszuges. – „Prozesskostenrisiko im Hinblick auf den Versicherten“: Entweder ist die Argumentation des Versicherten bei einem Schadenfall durchgreifend, dann trägt der Versicherer zu Recht die Kosten des Rechtsstreits, weil er die Angelegenheit schon aufgrund außergerichtlicher Korrespondenz hätte regeln können (das gleiche Ergebnis würde eine Klage der Versicherungsnehmerin wegen des Schadens im Sondereigentum haben) oder der Versicherte hat hinsichtlich der geltend gemachten Schadensbeträge Unrecht (dann trägt er auch die Kosten). – „Auseinandersetzung mit einer Vielzahl unbekannter Personen“: Das liegt ersichtlich neben der Sache, denn die Versicherten sind dem Versicherer entweder schon durch die Anmeldungen der Grundpfandgläubiger bekannt (vgl. §§ 144, 148 VVG)142 oder werden ihm durch die notwendige Vorlage von Grundbuchauszügen spätestens bei der Geltendmachung von Ansprüchen durch einzelne Wohnungseigentümer bekannt gemacht. Wer als Versicherer Geschäfte mit einer Eigentümergemeinschaft macht und sich auf Versicherungsverträge mit ihr einlässt, muss auch die „Vielzahl“ von Personen akzeptieren (eine „Rosinen-Picker-Mentalität“ ist verfehlt). – „Doppelklage des Versicherungsnehmers und des Versicherten auf die Versicherungsleistung“: Es gibt die folgenden Klage-Konstellationen: – Klage des Versicherten wegen Schäden an seinem Sondereigentum; klagt der versicherte Wohnungseigentümer unsinniger Weise auch auf Ersatz von Schäden im Gemeinschaftseigentum, muss die Klage kostenpflichtig abgewiesen werden; 142 Sowie die bereits oben zu den Grundpfandrechten gemachten Ausführungen.

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Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.259 Teil 18

– Klage der Versicherungsnehmerin (Wohnungseigentümergemeinschaft) wegen Schäden im Gemeinschaftseigentum; – Klage der Versicherungsnehmerin wegen Schäden, die sich auf das Gemeinschaftseigentum und das Sondereigentum beziehen; eine solche Klage müsste hinsichtlich der Schäden im Sondereigentum abgewiesen werden, wenn zuvor wegen der gleichen Schäden eine Klage des Versicherten (mit Zustimmung gemäß § 44 Abs. 2 VVG) erhoben wurde; – Klage der Versicherungsnehmerin wegen Schäden, die sich auf das Sondereigentum eines Versicherten bezieht; hier gilt das gleiche wie im vorherigen Spiegelstrich. – Eine „Doppelklage“, bei der Versicherer ein Risiko hätte, kann es ersichtlich nicht wirklich geben. – „Einvernahme des Versicherungsnehmers als Zeugen“: Die Versicherungsnehmerin „Wohnungseigentümergemeinschaft“ kann bekanntlich nicht als „Zeugin“ vernommen werden. Vernommen werden kann aber der Verwalter – und das unabhängig davon, ob die Versicherungsnehmerin oder der Versicherte Ansprüche gerichtlich geltend macht.

18.254

Der Versicherungsvertrag mit den oben geschilderten VGB ist, auch wenn der Wohnungseigentümer versicherungsrechtlich kein Dritter im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG ist, insoweit und bezüglich des Sondereigentums ein Vertrag zu Lasten Dritter.143

18.255

VGB-Regelungen, die die Rechte des Versicherten, mehr als in § 44 Abs. 2 VVG vorgesehen, beschränken, sind deshalb m.E. unwirksam.144 Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen versicherten Wohnungseigentümern und Versicherern dürfen solche Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht zum Nachteil des Versicherten angewendet werden.

18.256

Ich bin darüber hinaus auch der Auffassung, dass Eigentümergemeinschaften keine GebäudeVersicherungsverträge abschließen dürfen, die eine solche beschränkende Bedingung enthalten. Ein gleichwohl gefasster Beschluss über den Abschluss eines Vertrages mit einer solchen Bedingung widerspräche ordnungsmäßiger Verwaltung – und wäre wohl sogar nichtig.145

18.257

cc) Abgabe notwendiger Erklärungen gemäß § 44 Abs. 2 VVG (Klage des Versicherten) § 44 Abs. 2 VVG sieht vor, dass der Versicherte eine Zustimmung des Versicherungsnehmers benötigt, wenn er über seine Rechte verfügen oder die Rechte gerichtlich geltend machen will.

18.258

Um Verfügungen geht es bei der Abwicklung von Schadenfällen grundsätzlich nicht. Problematisch ist deshalb nur der Fall, dass der Versicherte (der Wohnungseigentümer) gegen den Versicherer klagen will. Hierzu muss er sich rechtzeitig – nämlich vor dem Eintritt einer möglichen Verjährung – darum bemühen, die Zustimmung zur Klageerhebung zu erlangen.

18.259

143 So auch Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 831. 144 Wenig überzeugend, weil ohne konkrete Auseinandersetzung mit dem Problem: Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 358, li. Sp. 145 Ähnlich mit beachtlicher Begründung Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 831.

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Teil 18 Rz. 18.260

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.260 Hier stellt sich die Frage, ob eine Eigentümerversammlung als Organ der Versicherungsnehmerin über die Zustimmung zur Klage des einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Versicherer entscheiden muss oder ob der Verwalter ohne Einschaltung einer Versammlung die Erklärung wirksam abgeben darf.

18.261 Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass in einigen gerichtlichen Entscheidungen die Auffassung vertreten wird, der Verwalter habe keine Befugnis zur Abgabe einer Zustimmung zur Klageerhebung.146 Auch die Literatur stimmt dieser Auffassung – allerdings mit einem gewissen Unbehagen – zu und verlangt die Beschlussfassung einer Eigentümerversammlung.147

18.262 Im Grundsatz spricht nichts dafür, dass eine solche Maßnahme tatsächlich eine Beschlussfassung erfordern sollte. Durch die Zustimmung zur Prozessführung werden keine Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinschaft geregelt, sondern lediglich die Angelegenheit eines Wohnungseigentümers, der aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 2 VVG formal einer Zustimmung zum Nachweis seiner Befugnisse gegenüber dem Versicherer bedarf.

18.263 Insbesondere werden durch eine solche Zustimmung keine Ansprüche der Eigentümergemeinschaft abgetreten, wie das OLG Köln fälschlich meint.148 Wenn es sich um Schäden am Sondereigentum handelt, kann die Gemeinschaft keine eigenen Ansprüche haben. Das OLG Köln hatte die Erklärung eines Verwalters, dass die Wohnungseigentümerin (Klägerin) berechtigt sei, „im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Regulierung des Rohrbruchschadens … vorzunehmen“, als nicht in der Kompetenz des Verwalters liegende Abtretung gewertet, was m.E. selbst dann neben der Sache liegt, wenn (wie in dem entschiedenen Fall) auch der Verwalter laienhaft von einer „Abtretung“ gesprochen hat.

18.264 Betrachtet man im Übrigen einige Entscheidungen des BGH, die sich nicht mit Versicherungsangelegenheiten befassen, kann man sehr leicht zu der Auffassung kommen, dass für einen Beschluss über Angelegenheiten eines Sondereigentümers keine Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung vorhanden ist.149

18.265 Das Reformgesetz zum VVG ist kurz nach der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (Bundestagsbeschluss vom 14.12.2006) am 5.7.2007 vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden.150 Dabei hat der Gesetzgeber offensichtlich übersehen, dass es im Hinblick auf die Regelung in § 44 Abs. 2 VVG notwendig ist, für die Versicherungsverträge von Wohnungseigen-

146 OLG Köln, Urt. v. 6.5.2003 – 9 U 143/02, RuS 2003, 371 = NJW-RR 2003, 1612; LG Köln, Urt. v. 3.11.2003 – 24 O 278/02, RuS 2004, 290; nachgehend OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2004 – 9 U 196/03, RuS 2004, 290. 147 Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 830; Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 358. 148 OLG Köln, Urt. v. 6.5.2003 – 9 U 143/02, RuS 2003, 371 = NJW-RR 2003, 1612. 149 BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 305/16, MDR 2018, 333 = NJW 2018, 1254 = ZMR 2018, 242 (§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG bezieht sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, nicht aber auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte), BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 305/16, MDR 2018, 333 = NJW 2018, 1254 = ZMR 2018, 242 (Beschlussnichtigkeit, soweit er sich auf das Sondereigentum bezieht). 150 Kurze Hinweise zu den Auswirkungen des 2007 novellierten VVG auf Verwalter von Wohnungseigentum gibt Armbrüster, Die Abwicklung von Gebäudeschäden mit dem Versicherer, ZWE 2009, 109, 112 f.

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Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.271 Teil 18

tümergemeinschaften dem Verwalter eine Befugnis zur Abgabe einer formalen Zustimmungserklärung (analog § 27 Abs. 1 Nr. 8 WEG) zu erteilen. Solange kein Gericht den Mut hat, diese Gesetzeslücke durch Rechtsprechung zu schließen, wird man weiter von einem rein formalen Akt ausgehen müssen, bei dem die Eigentümerversammlung letztlich auch nur eine Entscheidungsmöglichkeit haben kann – nämlich die Erteilung der Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche aus dem Schaden am Sondereigentum.

18.266

Wenn eine Eigentümerversammlung aus nichtigen Gründen (z.B., weil die Eigentümer- 18.267 Mehrheit sich immer schon über den beantragenden Eigentümer geärgert hat) eine positive Beschlussfassung verweigert und dadurch ein eventueller Schaden entsteht, wird man als beratender Rechtsanwalt (neben anderen Maßnahmen – Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) durchaus eine Schadensersatzklage gegen die eine Zustimmung verweigernden Eigentümer in Betracht ziehen müssen.151 dd) Zustimmungserklärungen notwendig für die außergerichtliche Korrespondenz? Oben (unter 2.) hatte ich schon ausgeführt, warum ich vom Gesetz abweichende Versicherungsbedingungen für unwirksam halte. Nach meiner Meinung kann also der einzelne geschädigte Wohnungseigentümer außergerichtlich Ansprüche gegen den Versicherer geltend machen, auch wenn die VGB die Geltendmachung von Ansprüchen ausschließen, oder – bei einem Anspruch auf Zahlung der Entschädigung – die Zustimmung des Versicherungsnehmers verlangen.

18.268

Liegen einem Wohngebäude-Versicherungsvertrag die neuesten VGB 2016 zugrunde, wird 18.269 der Wohnungseigentümer bei der außergerichtlichen Korrespondenz keine Schwierigkeiten mit dem Versicherer haben. Er sollte aber selbstverständlich vorsorglich seine Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft durch Vorlage eines aktuellen Grundbuches nachweist. Nimmt der Versicherungsvertrag jedoch auf ältere VGB Bezug, kann es Schwierigkeiten geben; Versicherer weigern sich häufig, mit dem einzelnen geschädigten Wohnungseigentümer zu korrespondieren. Entweder lehnt der Versicherer jede Korrespondenz ab, weil nur die Gemeinschaft (vertreten durch den Verwalter) die Korrespondenz wegen Versicherungsansprüchen führen dürfe oder verlangt Zustimmungserklärungen der Eigentümergemeinschaft zum Nachweis der Korrespondenz- und Anspruchsberechtigung.

18.270

In diesen Fällen könnte man als Wohnungseigentümer einen Grundsatzstreit mit dem Versicherer führen und über die Wirksamkeit der VGB und die Berechtigung einzelner Versicherten, Ansprüche gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, streiten. Hierzu würde der Wohnungseigentümer nach § 44 Abs. 2 VVG aber wiederum eine Zustimmungserklärung der Eigentümergemeinschaft als Versicherungsnehmerin benötigen.

18.271

151 Eine Inanspruchnahme des Versicherers bei nichtiger Weigerung der übrigen Eigentümer (vgl. dazu die Fälle des OLG Hamm, Urt. v. 3.3.1995 – 20 U 335/94, NJW-RR 1995, 1419 = VersR 1996, 1234 und des OLG Köln, Urt. v. 18.1.2000 – 9 U 90/99, RuS 2000, 250 = NZM 2000, 887) ist risikobehaftet; vgl. auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 358, li. Sp.

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Teil 18 Rz. 18.272

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

18.272 Sinnvoller ist dann jedoch, die Eigentümergemeinschaft dazu zu veranlassen, – eine Zustimmungserklärung abzugeben (falls der Versicherer eine solche als ausreichend deklariert hat), oder – gestützt auf § 45 Abs. 1 VVG die Ansprüche im Interesse des einzelnen geschädigten Wohnungseigentümers geltend zu machen (falls der Versicherer generell die außergerichtliche Korrespondenz mit dem Versicherten verweigert).

18.273 Die Rechtsprechung nimmt zwar an, dass der Versicherte den Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsvertrag für fremde Rechnung nicht ohne weiteres dazu zwingen kann, Ansprüche im Interesse des Versicherten gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. Aus dem Innenverhältnis Versicherungsnehmer – Versicherter kann sich jedoch eine Pflicht des Versicherungsnehmers ergeben.152

18.274 Eine solche Pflicht besteht m.E. aufgrund der gemeinschaftsinternen Treupflicht, wenn der Versicherer sich weigert, mit dem Versicherten den Schaden abzuwickeln und darauf verweist, dass allein die Eigentümergemeinschaft als Versicherungsnehmerin den Schaden abwickeln dürfe.153

18.275 Steht ein Rechtsstreit an, bei dem es allein um das Interesse des einzelnen geschädigten Wohnungseigentümers geht, muss der Wohnungseigentümer allerdings der Gemeinschaft wegen der entstehenden Rechtsstreitkosten vorab eine angemessene Sicherheitsleistung erbringen.154 c) Behandlung der Entschädigungszahlungen des Versicherers

18.276 Bei den Entschädigungszahlungen eines Versicherers aufgrund von Schäden an dem Versicherungsgegenstand (Gebäude, Gebäudebestandteile, Gebäudezubehör, Terrassen pp) ist zu differenzieren zwischen den Beteiligungen der Eigentümer am geschädigten gemeinschaftlichen Eigentum und dem geschädigten Sondereigentum – einerseits stehen die Entschädigungszahlungen (Gemeinschaftseigentum betreffend) allen Eigentümern zu, andererseits (Sondereigentum betreffend) dem jeweils geschädigten Sondereigentümer.155

18.277 An dieser Stelle soll an § 1128 BGB erinnert werden. Der Gebäude-Versicherer kann nach § 1128 BGB die Versicherungssumme mit (befreiender) Wirkung gegenüber dem Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger an den Versicherten erst zahlen, wenn er (oder der Versicherte) den Eintritt des Schadens dem Grundpfandgläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist. Hat der Grundpfandgläubiger seine Hypothek/Grundschuld bei dem Versicherer angemeldet, kann der Versicherer mit Wirkung gegen den Grundpfandgläubiger an den Versicherten nur zahlen, wenn der Grundpfandgläubiger der Zahlung schriftlich zugestimmt hat. 152 So schon BGH, Urt. v. 7.5.1975 – IV ZR 209/73, BGHZ 64, 260 = NJW 1975, 1273. 153 Zur Frage des Vorgehens des geschädigten Wohnungseigentümers, wenn der Verband die Anspruchsdurchsetzung verweigert, vgl. Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 832. 154 Vgl. wegen der Rechtsstreitkosten auch Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 832; Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 359. 155 Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201.

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Abwicklung von Versicherungsfällen

Rz. 18.283 Teil 18

Hat die Eigentümergemeinschaft Entschädigungszahlungen vom Versicherer erhalten,156 müssen diese – sofern Gemeinschafts- und Sondereigentum betroffen sind – einerseits auf die gemeinschaftlichen Instandsetzungskosten verrechnet werden und andererseits die Beträge, die auf den Schaden im Sondereigentum entfallen, an den betroffenen Sondereigentümer ausgezahlt werden.

18.278

Der BGH hat dazu ausgeführt, dass zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten im Innenverhältnis ein Treuhandverhältnis besteht, das den Versicherungsnehmer auch aufgrund des Bereicherungsverbots verpflichtet, den ihm nicht zustehenden Entschädigungsbetrag einzuziehen und an den Geschädigten auszukehren.157 Wechselt das Eigentum während der Schadensabwicklung, so der BGH, hat derjenige Eigentümer (ehemaliger oder jetziger) den Auszahlungsanspruch, in dessen Eigentumszeit sich der Anspruch ergeben hat (vgl. § 95 Abs. 1 VVG).158

18.279

Ein Verwalter, der Beträge, die einem Sondereigentümer zustehen, nicht oder nicht unverzüglich an diesen auszahlt, könnte sich wegen Untreue (§ 266 StGB) strafbar machen.

18.280

d) Aufrechnung bei eigenen (Hausgeld-)Ansprüchen des Verbandes Es wird in der Literatur vertreten, die Eigentümergemeinschaft könne, wenn sie die Entschädigungsleistung vom Versicherer für den einzelnen versicherten Wohnungseigentümer in Empfang genommen hat, gegen die Auszahlungsansprüche des Wohnungseigentümers mit eigenen Ansprüchen aus (z.B.) Hausgeldrückständen aufrechnen.159 Eine solche Aufrechnung halte ich jedoch nicht für zulässig.160

18.281

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem einzelnen Wohnungseigentümer als Versichertem ein Treuhandverhältnis besteht, welches ein Bereicherungsverbot bewirkt.161

18.282

Die Frage, ob der Versicherungsnehmer gegenüber dem Anspruch des Versicherten auf Auskehrung der Versicherungssumme mit seiner eigenen Forderung aufrechnen kann, ist auf der Grundlage des zum Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht entwickelten Aufrechnungsverbots zu beantworten. Dieses Aufrechnungsverbot ergibt sich aus der Eigenart des durch treuhänderische Beziehungen geprägten Rechtsverhältnisses und aus den Grundsätzen von Treu und Glauben. Entscheidend ist dabei, ob der Versicherte mit der unverzüglichen Auszahlung

18.283

156 Dötsch, Gebäudeversicherung im Spannungsverhältnis zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum, ZWE 2015, 341, 344, spricht davon, dass der Verband als eine Art „Inkassostelle“ fungiere. 157 BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = WuM 2016, 707 = ZMR 2016, 974; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, ZWE 2008, 133 = ZMR 2008, 401 = WuM 2008, 366; vgl. auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 359, r. Sp. 158 Vgl. auch Dötsch, Gebäudeversicherung in Eigentumswohnanlagen: Ein Überblick, NZM 2018, 353, 360, li. Sp. 159 Abramenko, Pflichten des Verwalters bei der sicherungsrechtlichen Abwicklung von Schäden im Sondereigentum, ZMR 2015, 827, 834. 160 Köhler, Aufrechnung durch den Verband – Entschädigungsleistungen eines Versicherers vs. Hausgeldansprüche, MietRB 2019, 252 ff.; vgl. auch Bub/Bernhard, Anm. zu BGH v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, FD-MietR 2016, 382256. 161 BGH, Urt. v. 16.9.2016 – V ZR 29/16, MDR 2016, 1333 = WuM 2016, 707 = ZMR 2016, 974.

Köhler

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Teil 18 Rz. 18.283

Versicherungsrechtliche Fragen im Wohnungseigentum

des Erlangten rechnen darf. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn mit der Zahlung des Versicherers der Versicherungszweck erfüllt werden sollte (unmittelbarer Ersatz des versicherten Schadens). Es erscheint treuwidrig, wenn der Versicherungsnehmer seine versicherungsrechtliche Stellung ausnutzt, um mit Forderungen aus anderen Rechtsverhältnissen aufzurechnen.162

18.284 § 46 Satz 2 VVG ist nicht einschlägig, weil es sich dabei nur um Ansprüche aus dem gleichen Rechtsverhältnis – also aus dem gleichen Schadenfall – handeln kann.

162 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 4.4.1973 – IV ZR 130/71, MDR 1973, 658 = NJW 1973, 1368 = VersR 1973, 634; BGH, Urt. v. 29.9.1954 – II ZR 292/53, BGHZ 14, 342; RG, Urt. v. 27.3.1939 – IV 275/38, RGZ 160, 52.

1130

Köhler

Teil 19 Baurecht im WEG-Mandat I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.1

1. Anwendbarkeit des seit 1.1.2018 geltende Bauvertragsrechts . . . . . . a) Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . b) Werklieferungsvertrag . . . . . . . . c) Bauvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbraucherbauvertrag . . . . . . . e) Architekten-/Ingenieurvertrag . .

19.1 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7

2. Bauträgervertrag; anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . aa) Bauträgerleistungen . . . . . . bb) Anwendbare Vorschriften des gesetzlichen Werkvertragsrechts und des Kaufrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung des Werkvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergütung und Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . bb) Mängelhaftung . . . . . . . . . (1) Vereinbarte Beschaffenheit (2) Gesamter Vertragsinhalt maßgeblich . . . . . . . . . . . . (3) Widersprüchliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . (4) Funktionaler Herstellungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Vereinbarte Wohnfläche . . cc) Verjährung der Mängelrechte . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abnahme . . . . . . . . . . . . . . (1) Abnahmefiktion nach aktueller Rechtslage . . . . . . (2) Abnahmefiktion nach bis zum 31.12.2017 geltender Rechtslage . . . . . . . . . . . . . (3) Vertragliche Vereinbarungen zur Abnahme des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . (aa) Vereinbarung von Teilabnahmen . . . . . . . . . . . . . (bb) Abnahme durch Vertreter . (cc) Keine Vergemeinschaftung der Abnahme . . . . . . . . . . .

19.8 19.8 19.9

19.11 19.12 19.12 19.14 19.15 19.16 19.17 19.18 19.19 19.20 19.21 19.22 19.23

19.24 19.25 19.26 19.27

(dd) Folgen einer auf Grundlage einer unwirksamen Klausel erklärten Abnahme . . . . . . (ee) Faktische Verlängerung der Mängelhaftung durch Nachzüglererwerber . . . . . . (ff) Besitzverschaffung . . . . . . . ee) Fälligkeit der Vergütung – Abschlagszahlungen (Raten) . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kein freies Kündigungsrecht des Erwerbers . . . . . . gg) Keine Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . c) Anwendung des Bauvertragsrechts des BGB . . . . . . . . . . . . . . aa) Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme . . . . . . . . . . . . . . bb) Schlussrechnung . . . . . . . . . cc) Abnahme . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendung des Verbraucherbauvertragsrechts . . . . . . . . . . . . aa) Baubeschreibungspflicht . . . (1) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Darstellung . . . . . . . . . . . . . (3) Baubeschreibung unvollständig oder unklar . . . . . . bb) Sicherung von Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzliche Regelung . . . . . (2) Regelung im Bauträgervertrag erforderlich . . . . . . . (3) Sicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB neben den Absicherungen nach der MaBV . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sicherungszweck . . . . . . . . . (5) Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . cc) Erstellung und Herausgabe von Unterlagen . . . . . . . . . . dd) Unabdingbare Vorschriften . e) Regelungen aus dem Kaufrecht .

19.28 19.29 19.30 19.31 19.32 19.33 19.34 19.35 19.38 19.39 19.40 19.41 19.42 19.43 19.44 19.45 19.46 19.47

19.48 19.49 19.50 19.51 19.53 19.54

3. Werkvertrag/Bauvertrag . . . . . . . . a) Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . aa) Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag . . . . . . . . . . (1) Rechtsnatur der VOB/B . . .

19.55 19.56 19.56 19.57

Aschenbrenner/Gantert

1131

Teil 19

Baurecht im WEG-Mandat

(2) Ordnungsgemäße Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . (3) Inhaltskontrolle der VOB/B – Privilegierung der VOB/B . . . . . . . . . . . . . (aa) Verwendung der VOB/B gegenüber Unternehmern, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichem Sondervermögen . . . . . . . . (bb) Verwendung der VOB/B gegenüber einem Verbraucher oder Vereinbarung der VOB/B nicht als Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ausnützen der Öffnungsklauseln in der VOB/B . . . . (dd) VOB/B-Regelungen, die einer isolierten Inhaltskontrolle nicht standhalten . . . (4) Die WEG als Verbraucher . bb) Vertragsparteien . . . . . . . . (1) Die WEG als Verband . . . . (2) Die einzelnen Eigentümer einer WEG . . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung des Erfolgssolls vom Leistungs-, Baubzw. Vertragssoll . . . . . . . . (1) Erfolgssoll . . . . . . . . . . . . . (2) Leistungs-, Bau- bzw. Vertragssoll . . . . . . . . . . . . dd) Vergütungsabrede . . . . . . . (1) Einheitspreisvereinbarung . (2) Pauschalpreisvereinbarung (aa) Detailpauschalpreisvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Globalpauschalpreisvereinbarung . . . . . . . . . . . (3) Stundenlohnvereinbarung . (4) Fehlende Vergütungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bauvertragliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertragserfüllungssicherheit und Herstellungssicherheit für Verbraucher nach § 650m Abs. 2 und 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vertragserfüllungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Herstellungssicherheit für Verbraucher nach § 650m Abs. 2 und 3 BGB . . . . . . .

1132

Aschenbrenner/Gantert

19.58 19.59

19.60

19.61 19.62 19.63 19.64 19.65 19.65 19.66 19.67 19.68 19.69 19.70 19.71 19.74 19.75 19.76 19.77 19.78 19.79

19.80 19.80 19.82

(2) (3) (4) (5)

Gewährleistungssicherheit . Vorauszahlungssicherheit . . Einbehalte . . . . . . . . . . . . . Verjährung der gegen den Bürgen gerichteten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bauausführungsphase . . . . . aa) Abschlagszahlungen . . . . . . (1) Fälligkeit von Abschlagszahlungen im BGB-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fälligkeit von Abschlagszahlungen im VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Während der Ausführung erkannte Mängel . . . . . . . . (1) Beim BGB-Vertrag . . . . . . . (2) Beim VOB-Vertrag . . . . . . . cc) Nachträge . . . . . . . . . . . . . (1) Nachträge beim BGB-Vertrag . . . . . . . . . . . (aa) Einvernehmliche Änderungsvereinbarung . . . . . . . (bb) Anordnungsrecht des Bestellers, Gegenstand einer Änderungsanordnung . . . . (cc) Vergütungsanpassung bei Anordnungen gemäß § 650b Abs. 2 BGB . . . . . . . (dd) Die sog. Bauverfügung . . . . (2) Nachträge beim VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . (aa) Anordnung von Änderungen des Bauentwurfs . . . . . (bb) Anordnung zusätzlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . (cc) Wirksamkeit der Anordnung von Änderungs- oder Zusatzleistungen durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Vergütung von Änderungsleistungen . . . . . . . . . . . . . (ee) Vergütung von Zusatzleistungen . . . . . . . . . . . . . (ff) Nachlässe . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Leistungsverweigerungsrecht wegen Ablehnung einer Vergütungsänderung . . . . . . . . . . . . . . dd) Bauhandwerkersicherung, § 650f BGB . . . . . . . . . . . . (1) Die gesetzliche Regelung . . (2) Die Bedeutung des § 650f BGB für die WEG . . . . . . .

19.83 19.84 19.85 19.87 19.88 19.88 19.89 19.92 19.94 19.94 19.95 19.97 19.97 19.99 19.100 19.101 19.104 19.106 19.106 19.108

19.110 19.111 19.112 19.116

19.117 19.118 19.118 19.127

Baurecht im WEG-Mandat

ee) Sicherungshypothek des Bauunternehmers, § 650e BGB . . . . . . . . . . . . c) Abnahme der Bauleistung und Rechtswirkungen der Abnahme . aa) Besonderheiten beim VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . bb) Abnahme nach Kündigung d) Abrechnung und Rechnungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beim BGB-Vertrag . . . . . . . (2) Beim VOB-Vertrag . . . . . . bb) Erfordernis der Erstellung der (prüffähigen Schluss-) Rechnung . . . . . . . . . . . . . (1) Beim BGB-Vertrag . . . . . . . (aa) Beim Werkvertrag . . . . . . . (bb) Beim Bauvertrag . . . . . . . . (2) Beim VOB-Vertrag . . . . . . (3) Die Abrechnung des gekündigten Bauvertrags . . . . cc) Fälligkeit der Vergütung – Rüge der fehlenden Prüfbarkeit . . . . . . . . . . . . dd) Verjährung des Werklohnanspruchs . . . . . . . . . . . . . (1) Regelmäßige Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonderfall Bauträgervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Verjährung ohne Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . (4) Beginn der Verjährung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . (5) Das Recht zur Selbstaufstellung der Schlussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Prozessuales . . . . . . . . . . . . e) Die Gewährleistungsphase . . . . . aa) Die mangelhafte Werkleistung – dreigliedriger Mangelbegriff . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit der §§ 634 ff. BGB vor der Abnahme? . . . . . . . . . . . . . cc) Das Nacherfüllungsrecht des Auftragnehmers . . . . . . dd) Mitverantwortlichkeit des Auftraggebers und anderer Baubeteiligter . . . . . . . . . .

19.128 19.133 19.135 19.137 19.140 19.140 19.140 19.141 19.143 19.143 19.144 19.145 19.146 19.148 19.151 19.156 19.156 19.157 19.158 19.159 19.160 19.161 19.163 19.164 19.165 19.166

Teil 19

(1) Sowiesokosten . . . . . . . . . . (2) Vorteilsausgleichung . . . . . (3) Mitverschulden des Auftraggebers . . . . . . . . . . . (4) Sicherheit für den Auftragnehmer wegen der vom Auftraggeber zu tragenden Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Gesamtschuldnerausgleich . ee) Die Mängelansprüche im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . (1) Anspruch auf Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . (aa) Berechtigte Verweigerung der Nacherfüllung . . . . . . . (bb) Fristsetzung zur Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . (2) Rücktritt vom Vertrag . . . . (3) Schadensersatz . . . . . . . . . . (aa) Schadensersatz statt der Leistung – kleiner und großer Schadensersatz . . . . (bb) Mangelfolgeschäden – Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Schadensersatz beim VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . (4) Selbstvornahme und Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . (5) Minderung . . . . . . . . . . . . . (aa) Beim BGB-Vertrag . . . . . . . (bb) Besonderheiten beim VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . ff) Verjährung der Mängelansprüche . . . . . . . . . . . . . (1) Verjährung der Mängelansprüche beim BGB-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verjährung der Mängelansprüche beim VOB-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Verlängerung“ der Verjährungsfrist durch schriftliche Mangelrüge . . . . . . . . . (4) „Verlängerung“ der Verjährungsfrist durch Mangelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . (5) Geltung der gesetzlichen Verjährungsfristen nach § 13 Abs. 7 Nr. 4 VOB/B . . (6) Organisationsverschulden .

19.203 19.204

Aschenbrenner/Gantert

1133

19.167 19.168 19.169

19.170 19.171 19.174 19.174 19.175 19.176 19.177 19.183 19.184 19.188 19.189 19.192 19.194 19.194 19.195 19.196 19.197 19.199 19.201 19.202

19.167

Teil 19

Baurecht im WEG-Mandat

(7) Exkurs: Verjährung des Anspruchs auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen, der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands . . . . . . . (8) Neubeginn der Verjährung wegen Anerkenntnisses . . . (9) Hemmung der Verjährung (aa) Hemmung durch Verhandeln . . . . . . . . . . . . (bb) Weitere Hemmungstatbestände . . . . . . . . . . . . (cc) Primäranspruch und Sekundäransprüche . . . . . . f) Vorzeitige Vertragsbeendigung . aa) Freie Auftraggeberkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kündigungserklärung . . . . . dd) Zeitpunkt der Kündigung . ee) Teilkündigung . . . . . . . . . . ff) Wirkungen der Kündigung gg) Fälligkeit des Werklohns . . . hh) Abrechnung . . . . . . . . . . . . ii) Mängel der erbrachten Teilleistung . . . . . . . . . . . . . jj) Ansprüche des Auftraggebers nach der Kündigung . . kk) Vertragliche Kündigungsrechte beim VOB-Vertrag . . 4. Architekten-/Ingenieurvertrag . . . a) Regelungen im BGB . . . . . . . . . aa) Anwendbare Vorschriften des Werk- und Bauvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen nach § 650b Abs. 2 BGB . . . cc) Sonderkündigungsrecht nach der sog. Zielfindungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teilabnahme . . . . . . . . . . . . b) HOAI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.205 19.206 19.207 19.207 19.208 19.209 19.210 19.210 19.211 19.212 19.214 19.215 19.216 19.217 19.218 19.220 19.221 19.222 19.223 19.223 19.224 19.225 19.226 19.227 19.228

II. Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . 19.229 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . 19.229 a) Vertragsrechtliche Einordnung des Erwerbsvertrags . . . . . . . . . . 19.229 b) Gemeinschaftsbezogenheit einzelner Mängelrechte . . . . . . . 19.234

1134

Aschenbrenner/Gantert

c) Rechtsinhaberschaft und Durchsetzungsbefugnis . . . . . . . d) Gläubigerstellung . . . . . . . . . . . . e) Entstehung und Mitglieder der (ggf. werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . f) Der „werdende“ Verband Wohnungseigentümergemeinschaft .

19.238 19.240 19.243 19.246

2. Die Regelung im WEG . . . . . . . . . . a) Der geborenen Ausübungsbefugnis unterliegende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der gekorenen Ausübungsbefugnis unterliegende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung der Ausübungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgetretene Ansprüche . . . . . . .

19.247

3. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . a) Pflichten des Verwalters . . . . . . . b) Primäre Mängelansprüche . . . . . c) Sekundäre Mängelansprüche . . . aa) Entscheidungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft . . bb) Kleiner Schadensersatz . . . . cc) Minderung . . . . . . . . . . . . . d) Stimmrechtsfragen . . . . . . . . . . . e) Abschluss von Vergleichen . . . . .

19.258 19.258 19.262 19.266

4. Auswirkungen auf die Rechtsausübung des Einzelnen . . . . . . . . a) Grundsätzlich Durchsetzungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwerb vom Ersterwerber . . bb) Bereits gesetzte Fristen . . . . cc) Prozessuale Auswirkung auf ein laufendes Verfahren, wenn die Gemeinschaft von ihrer Ausübungsbefugnis Gebrauch macht . . . . . . . . . b) Keine Beeinträchtigung gemeinschaftsbezogener Interessen . . . . aa) Rücktritt und großer Schadensersatz . . . . . . . . . . (1) Grundsätzlich vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung und fruchtloser Fristablauf erforderlich . . . . . . . (2) Bereits entstandener Rückabwicklungsanspruch . . . . . (3) Rechtsmissbrauch und unerhebliche Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.249 19.252 19.255 19.257

19.266 19.267 19.270 19.274 19.275 19.276 19.276 19.277 19.278

19.280 19.281 19.281

19.282 19.284 19.287

Baurecht im WEG-Mandat

(4) Vertraglicher Ausschluss des Rücktrittsrechts . . . . . . (5) Rücktrittsfolgen . . . . . . . . . (6) Großer Schadensersatz . . . . bb) Mangelauswirkung nur im Bereich des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mangelfolgeschäden . . . . . . dd) Wenn nur noch einzelne Wohnungseigentümer durchsetzbare Ansprüche haben . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungsverweigerungsrechte . . aa) Fälligkeit der Baufortschrittsraten . . . . . . . . . . . . bb) Zum Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . (1) Zeitliche Grenze . . . . . . . . . (2) Wirkung des Leistungsverweigerungsrechts . . . . . . (3) Höhe des Leistungsverweigerungsrechts und Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . (4) Anspruch auf Besitzeinräumung und Eigentumsumschreibung . . . . . . . . . . d) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufrechnung des Bauträgers . . . . . . . . . . . . . bb) Aufrechnung eines einzelnen Erwerbers . . . . . . . . . . (1) Kostenerstattungs- und Vorschussanspruch . . . . . . . (2) Sekundäre Mängelansprüche . . . . . . . . . . . . . . cc) Ermächtigung zur Anspruchsdurchsetzung . . . . . 5. Grenzen der Beschlusskompetenz a) Ansprüche von Erwerbern ohne Eigentümerstatus (Nachzüglererwerber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auf Rückabwicklung gerichtete Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht behebbare Mängel . . . . . . d) Berechtigte Verweigerung der Nachbesserung . . . . . . . . . . . . . e) Einschränkung der Beschlusskompetenz durch die Teilungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Mittelverwendung . . . . . . . . . . . aa) Selbstvornahmekostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . bb) Kostenerstattung . . . . . . . . cc) Kleiner Schadensersatz . . . .

19.289 19.290 19.297 19.299 19.302

19.304 19.305 19.305 19.308 19.310 19.311 19.313 19.314 19.319 19.321 19.322 19.322 19.325 19.327 19.332 19.333 19.337 19.338 19.340 19.342 19.343 19.344 19.349 19.352

Teil 19

dd) Minderung . . . . . . . . . . . . . 19.356 ee) An wen sind erlangte Geldmittel auszukehren? . . . . . . 19.360 g) Ausübungsbefugnis auch hinsichtlich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums . . . . . . 19.361 6. Wenn die Gemeinschaft nicht oder nicht weiter aktiv wird oder Beschlüsse ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen . . . . . . a) Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruch auf Wahrnehmung der Ausübungskompetenz . . . . . c) Stillstand nach Wahrnehmung der Ausübungskompetenz . . . . . d) Anfechtung ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechender Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.364 19.364 19.368 19.369 19.370

7. Umsetzung von Beschlüssen und Vergütung des Verwalters . . . . . . . 19.373 a) Handlungspflichten des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.373 b) Besondere Vergütung? . . . . . . . . 19.377 8. Verjährungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verjährungshemmung durch Aktivitäten des Verbands . . . . . . b) Verjährungshemmung durch Aktivitäten eines einzelnen Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermittlung verjährter Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leistungsverweigerungsrecht und Aufrechnung trotz Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Arglistiges Verschweigen von Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sekundärhaftung des Bauträgers? . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verwirkung von Mängelrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . a) Zweiterwerber . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche vertragliche Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bürgschaft nach § 7 MaBV . . . . d) Verbrauchersicherheit nach § 632a BGB . . . . . . . . . . . . . . . .

19.379 19.380 19.383 19.385 19.387 19.390 19.392 19.393 19.394 19.394 19.396 19.399 19.402

III. Mängel am Sondereigentum . . . . . 19.403 1. Durchsetzungsbefugnis des Sondereigentümers . . . . . . . . . . . . 19.403

Aschenbrenner/Gantert

1135

Teil 19 Rz. 19.1

Baurecht im WEG-Mandat

a) Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücktritt, Schadensersatz und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rücktritt und großer Schadensersatz . . . . . . . . . . bb) Kleiner Schadensersatz und Minderung . . . . . . . . . cc) Insbesondere: Wohnflächenunterschreitung . . . . . c) Leistungsverweigerungsrecht und Aufrechnung . . . . . . . . . . .

19.404 19.405 19.405 19.406 19.407

19.443 19.443 19.444 19.449 19.450 19.453

19.421

2. Klagen wegen Mängeln . . . . . . . . . a) Prozessführungsrecht und Sachlegitimation . . . . . . . . . . . . aa) Ansprüche des Verbands . . . bb) Gesetzliche Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewillkürte Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klage auf Nacherfüllung . . . . . . c) Kostenvorschuss- und Schadensersatzklage . . . . . . . . . . aa) Kostenvorschussklage . . . . . bb) Klage auf kleinen Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klage auf Minderung . . . . .

19.422 19.423 19.427 19.428 19.431

3. Die Streitverkündung in Bausachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.471 a) Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren . . . . . . . . 19.473 b) Klage gegen den Bauträger . . . . . 19.476

19.432

4. Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachters . . . . . . . . . . 19.479

19.433 19.433 19.440

6. Werklohnklage des Unternehmers oder Bauhandwerkers . . . . . . . . . . 19.485

19.411

2. Grundsätzlich keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft für Sondereigentumsmängel . . . . . . . . . . . . . 19.415 3. Ermächtigung des Verbands . . . . . 19.417 4. Irrtümliche Instandsetzung von Sondereigentum durch die Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . 19.420 IV. Gerichtliche Verfahren (Besonderheiten) . . . . . . . . . . . . . . 19.421 1. Das selbständige Beweisverfahren a) Befugnis zur Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens . b) Das zuständige Gericht . . . . . . . c) Der Beweisantrag . . . . . . . . . . . . d) Die Beweisaufnahme . . . . . . . . . e) Ende des Beweisverfahrens . . . . f) Unterbrechung durch Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . g) Wirkungen des selbständigen Beweisverfahrens . . . . . . . . . . . . aa) Hemmung der Verjährung . bb) Verwertung . . . . . . . . . . . . .

h) Gegenstandswert, Kosten und Kostenentscheidung . . . . . . . . . . aa) Gegenstandswert . . . . . . . . bb) Gerichtskosten . . . . . . . . . . cc) Anwaltsgebühren und Anrechnung bei nachfolgendem Hauptsacheverfahren . dd) Kostenerstattung . . . . . . . . . i) Kostenerstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft . . . . . . .

19.455 19.456 19.456 19.457 19.458 19.461 19.462 19.462 19.467 19.468

5. Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . 19.482

I. Grundlagen 1. Anwendbarkeit des seit 1.1.2018 geltende Bauvertragsrechts

19.1 Das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren trat am 1.1.2018 in Kraft und gilt für alle ab dem 1.1.2018 geschlossenen Verträge.

19.2 Für alle vor dem 1.1.2018 geschlossenen Verträge gilt die bis zum 31.12.2017 geltende Rechtslage.

1136

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Grundlagen

Rz. 19.5 Teil 19

a) Werkvertrag Wie nach der alten Rechtslage ist jeder Vertrag über die vollständige oder teilweise Herstellung 19.3 eines Bauwerks oder einer Außenanlage, über Arbeiten an einem Bestandsgebäude oder einer bestehenden Außenanlage oder über sonstige Baumaßnahmen – ebenso ein Vertrag über Abbrucharbeiten – ein Werkvertrag. Das Werkvertragsrecht wurde jedoch teilweise geändert (§§ 631 bis 650 BGB), zudem wurden der Bauvertrag (§§ 650a bis 650h BGB) und der Verbraucherbauvertrag (§§ 650i bis 650o BGB) besonders geregelt, und darüber hinaus gibt es jetzt Sonderregelungen für den Architekten- und Ingenieurvertrag (§§ 650q bis 650t BGB) und für den Bauträgervertrag (§§ 650u bis 650v BGB). b) Werklieferungsvertrag Vom Werkvertrag ist der Werklieferungsvertrag abzugrenzen. Für einen Vertrag, der beispielsweise die Lieferung eines herzustellenden Bauprodukts regelt, gilt nach § 650 BGB Kaufrecht.

19.4

Handelt es sich dagegen um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung, kommt es auf die Bedeutung der Leistungen an: Der BGH hat über § 651 BGB a.F. Kaufrecht angewendet, wenn bei der Lieferung einer Einbauküche die vereinbarten Montageleistungen von untergeordneter Bedeutung sind und nicht den Schwerpunkt des Vertrags bilden.1 Ein Vertrag über die Herstellung und Lieferung einer an ein bestehendes Haus angepassten Aufzugsanlage – Senkrechtlift – ist dagegen ein Werkvertrag.2 (Näheres hierzu unter Rz. 19.55 ff.). c) Bauvertrag Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon (§ 650a Abs. 1 BGB). Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist (§ 650a Abs. 2 BGB). Nicht geregelt ist, ob ein Bauvertrag vorliegt, wenn es sich um andere Maßnahmen (z.B. Instandsetzungsmaßnahmen) handelt, die für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht von wesentlicher Bedeutung sind. Die Beantwortung der Frage ist jedoch wichtig, weil für den Bauvertrag ergänzend zu den werkvertraglichen Regelungen weitere Regelungen gelten. Da der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung darauf abzielt, ob es sich nach Vertragsdauer und -umfang um einen auf längerfristige Zusammenarbeit angelegten Vertrag handelt oder nicht, wird hier die Auffassung vertreten, dass für einen Vertrag über ein Werk, das für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht von wesentlicher Bedeutung ist, die allgemeinen Regelungen des Werkvertragsrechts, nicht aber die §§ 650a ff BGB, gelten. (Näheres hierzu unter Rz. 19.55 ff.). 1 BGH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15. 2 BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17.

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19.5

Teil 19 Rz. 19.6

Baurecht im WEG-Mandat

d) Verbraucherbauvertrag

19.6 Ein Verbraucherbauvertrag ist ein Vertrag, durch den der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes („aus einer Hand“)3 oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird (§ 650i Abs. 1BGB). Demnach ist längst nicht jeder Vertrag über Baumaßnahmen, der mit einem Verbraucher geschlossen wird, ein Verbraucherbauvertrag. Fraglich ist jedoch, was erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude sind? Diese Erheblichkeitsschwelle ist nach der Gesetzesbegründung bei Umbaumaßnahmen überschritten, im Zuge derer nur noch die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt; demgegenüber sind der Einbau von nur einer neuen Heizung, neuen Fenstern und Türen oder die Neueindeckung eines Daches keine „erheblichen“ Umbauten.4 Für Verbraucherbauverträge gelten ergänzend die §§ 650j bis 650n BGB, die weitgehend unabdingbar sind (§ 650o BGB). e) Architekten-/Ingenieurvertrag

19.7 Erstmals enthält das BGB auch eine Definition des Architekten-/Ingenieurvertrages: Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen (§ 650p Abs. 1 BGB). (Näheres hierzu unter Ziff. 4.) 2. Bauträgervertrag; anwendbare Vorschriften a) Legaldefinition

19.8 Der Bauträgervertrag wurde mit der Reform des Bauvertragsrechts in § 650u Abs. 1 BGB definiert: Ein Bauträgervertrag ist ein Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu übertragen. aa) Bauträgerleistungen

19.9 Unter § 650u Abs. 1 Satz 1 BGB fallen die Errichtung und der Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks. Gemeint sind Einfamilien-, Mehrfamilien-, Reihenhäuser und Wohnanlagen, ebenso Häuser, die gewerblichen Zwecken dienen. „Umbau“ bedeutet die Umgestaltung mit wesentlichen Eingriffen in Konstruktion und Bestand, insbes. die Sanierung von Altbauten.5

19.10 Fraglich ist, ob § 650u BGB – und damit Werkvertragsrecht – auch für zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits fertiggestellte Bauwerke gilt:

3 OLG Köln, Beschl. v. 23.3.2017 – 16 U 153/16 (zu § 312g BGB). 4 OLG Stuttgart, Urt. v. 19.9.2017 – 6 U 76/16; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.2017 – 16 U 153/16. 5 Sprau in Palandt§ 650u BGB Rz. 7.

1138

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Grundlagen

Rz. 19.14 Teil 19

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum alten Recht war wegen Mängeln an der Bausubstanz Werkvertragsrecht für bereits fertiggestellte, aber noch neue Bauwerke anzuwenden.6 Ausschließlich Kaufvertragsrecht war dagegen im Fall der Veräußerung einer vom Bauträger vermieteten Wohnung drei Jahre nach Fertigstellung anzuwenden.7 Mangels irgendwelcher Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung zum neuen Bauvertragsrecht kann man wohl davon ausgehen, dass dies auch künftig so gesehen wird. Was im Fall der Veräußerung von Wohnungen, die der Bauträger kürzer als drei Jahre vermietet hat, gilt, ist offen.8 bb) Anwendbare Vorschriften des gesetzlichen Werkvertragsrechts und des Kaufrechts Für die Herstellungsverpflichtung des Bauträgers gelten die Vorschriften des Untertitels 1, 19.11 also Werk, Bau- und Verbraucherbauvertragsrecht, nicht die Vorschriften des Untertitels 2, also die Regeln zum Architekten- und Ingenieurvertrag. Diese umfassende Verweisung wird jedoch durch § 650u Abs. 2 BGB erheblich relativiert. Für den Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück oder auf Übertragung oder Bestellung des Erbbaurechts gelten die Vorschriften über den Kauf, § 650u Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB. b) Anwendung des Werkvertragsrechts aa) Vergütung und Abschlagszahlungen Im Bauträgervertrag wird zumeist ein Pauschalpreis für die vom Bauträger geschuldeten Leistungen vereinbart. Da diese Leistungen meist nur sehr ungenau beschrieben werden, handelt es sich i.d.R. um einen sog. Globalpauschalvertrag. Der Bauträger ist verpflichtet, alle Leistungen zu erbringen, die zur Herstellung eines den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden und für den vorgesehenen Vertragszweck geeigneten Bauwerks erforderlich sind.

19.12

Der gesetzliche Anspruch auf Abschlagszahlungen gem. § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB wird für den Bauträgervertrag durch § 650v BGB insofern verdrängt, als Abschläge nur in Betracht kommen, wenn sie „vereinbart“ wurden.

19.13

Ist die vom Bauträger erbrachte Teilleistung nicht vertragsgemäß, kann der Erwerber nach § 632a Abs. 1 Satz 2 BGB die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung, i.d.R. das Doppelte der für die Mängelbeseitigung erforderlichen (Fremdbeseitigungs-)Kosten, verweigern (§ 641 Abs. 3 BGB). Zu beachten ist, dass der Erwerber auch bei wesentlichen Mängeln auf das Leistungsverweigerungsrecht (mit Druckzuschlag) beschränkt ist, während er nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage bei wesentlichen Mängeln der erbrachten Leistungen die gesamte Abschlagszahlung verweigern kann. bb) Mängelhaftung Die Sach- und Rechtsmängelhaftung des Bauträgers richtet sich für seine Herstellungsverpflichtung gem. § 650u Abs. 1 BGB nach Werkvertragsrecht. Dies gilt auch für bereits fertig6 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, Rz. 23. 7 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, Rz. 25. 8 Pause, NZBau 2017, 22.

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19.14

Teil 19 Rz. 19.14

Baurecht im WEG-Mandat

gestellte, noch neue Häuser oder Wohnungen, vgl. oben 2.a)aa) sowie für neue Sanierungsobjekte.9 (1) Vereinbarte Beschaffenheit

19.15 Für die Beantwortung der Frage, ob ein Mangel vorliegt, ist zunächst die (ggf. per Auslegung zu ermittelnde) Beschaffenheitsvereinbarung maßgeblich. Sodann ist auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, die gewöhnliche Verwendung und die übliche Beschaffenheit zurückzugreifen (§ 633 Abs. 2 BGB). Soweit der Bauträger bzgl. des Grundstücks keine Herstellungspflichten übernommen hat, ist Kaufrecht anwendbar. Die Beschaffenheitsvereinbarung ergibt sich aus dem (ggf. auszulegenden) Bauträgervertrag, wobei auch einseitige Vorstellungen einer Seite eine Rolle spielen können, wenn sie der anderen Seite bekannt sind und diese den Vertrag in ihrer Kenntnis abschließt.10 Keine Rolle spielen Vorstellungen einer Partei, für die sich im Vertrag keine Anhaltspunkte finden. (2) Gesamter Vertragsinhalt maßgeblich

19.16 Für die Frage, welche Beschaffenheit vereinbart wurde, ist der gesamte Vertragsinhalt, insbesondere die Leistungsbeschreibung, zu der häufig dem Bauträgervertrag zugrunde gelegte Pläne gehören, maßgeblich. Wird eine einem Bauträgerverträgen zugrunde gelegte Teilungserklärung nachträglich geändert, ohne dass der Vertragspartner zugestimmt hat, handelt es sich bei der vom Vertrag abweichenden Teilungserklärung vom Grundsatz her auch um eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit. Welche Anforderungen an die Beschaffenheit zu stellen sind, ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung, aber auch aus den anerkannten Regeln der Technik sowie den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, Auflagen und Beschränkungen. Auch allgemeine Anpreisungen, z.B. in Verkaufsprospekten, können von Bedeutung sein,11 sofern sich im Vertrag ein Anhaltspunkt dafür findet, dass entsprechende Angaben Vertragsinhalt werden sollen.12 Schließlich können nach § 650k Abs. 2 BGB werbende Aussagen, auch wenn sich im Vertrag kein Anhaltspunkt dafür findet, dafür eine Rolle spielen, wie eine Leistungsbeschreibung nach der Verkehrssitte zu verstehen ist. (3) Widersprüchliche Angaben

19.17 Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, wie mit widersprüchlichen Angaben umzugehen ist. Zur Auflösung eines Widerspruchs mag die allgemeine Regel, wonach detaillierte Beschreibungen im Zweifel allgemeinen vorgehen,13 hilfreich sein. Und der Wortlaut der Leis9 BGH, Urt. v. 8.3.2007 – VII ZR 130/05; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.2015 – 24 U 92/14. 10 BGH, Urt. v. 8.1.2004 – VII ZR 181/02; Urt. v. 28.2.1997 – V ZR 27/96. 11 BGH, Urt. v. 7.5.1987 – VII ZR 366/85; Urt. v. 11.7.1997 – V ZR 246/96; Urt. v. 25.10.2007 – VII ZR 205/06; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 26.9.2013 – 12 U 115/12. 12 BGH, Urt. v. 17.2.2000 – IX ZR 32/99; Urt. v. 6.11.2015 – V ZR 78/14. 13 BGH, Urt. v. 11.3.1999 – VII ZR 179/98 (vgl. zur Thematik auch KG, Urt. v. 27.8.2019 – 21 U 160/18, NJW 2020, 771.

1140

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Grundlagen

Rz. 19.22 Teil 19

tungsbeschreibung ist gegenüber Plänen jedenfalls dann vergleichsweise maßgeblich, wenn damit die Leistung im Einzelnen genau beschrieben wird, sofern sich die Pläne nicht genau am konkreten Bauvorhaben orientieren.14 (4) Funktionaler Herstellungsbegriff Die vom Bauträger zu erbringende Leistung muss grundsätzlich funktionstauglich und zweckentsprechend sein. Im Bereich des Wohnungsbaus ist die schlüsselfertige Herstellung nach der Verkehrssitte der Regelfall, dagegen ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Sanierungsund Renovierungsleistungen bei Verträgen über die Veräußerung sanierter Altbauten geschuldet sind.15

19.18

(5) Vereinbarte Wohnfläche Abweichungen von der vereinbarten Wohnfläche stellen grundsätzlich einen Mangel der Bauleistung dar, wobei ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist, auf welcher Berechnungsgrundlage die Wohnflächen berechnet sind,16 z.B. DIN 283, II. Berechnungsverordnung, DIN 277 oder Wohnflächenverordnung.

19.19

cc) Verjährung der Mängelrechte § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB regelt die Verjährung der Mängelrechte eines Erwerbers wegen Baumängeln. Bei einem Bauwerk beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre und beginnt nach § 634a Abs. 2 BGB mit der Abnahme.

19.20

dd) Abnahme § 640 BGB regelt die Abnahme. Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte 19.21 Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden (§ 640 Abs. 1 BGB). Allerdings gelten nach alter und aktueller Rechtslage unterschiedliche Voraussetzungen für eine fiktive Abnahme. (1) Abnahmefiktion nach aktueller Rechtslage Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Bauträger dem Erwerber nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und dieser die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Erwer14 BGH, Urt. v. 5.12.2002 – VII ZR 342/01. 15 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 („Verspricht der Veräußerer eines Altbaus eine Sanierung bis auf die Grundmauern, darf der Erwerber dies grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten. Etwas Anderes kann sich ergeben, wenn die berechtigte Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der gesamten Vertragsumstände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jeweiligen Gegebenheiten des Bauwerks darauf nicht gerichtet ist.“); Brandenburgisches OLG, Urt. v. 13.6.2013 – 12 U 162/12 (zum Schallschutz einer komplett sanierten Altbauwohnung); OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.10.2016 – 21 U 120/15 (Bauträger muss Keller bei Sanierung eines Altbaus abdichten); KG, Urt. v. 19.2.2019 – 21 U 40/18. 16 BGH, Urt. v. 30.11.1990 – V ZR 91/89; zu Geringfügigkeitsklauseln vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1999 – V ZR 398/98 und zu Circa-Angaben vgl. OLG München, Urt. v. 4.11.2010 – 13 U 4074/09.

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19.22

Teil 19 Rz. 19.22

Baurecht im WEG-Mandat

ber ein Verbraucher, so treten diese Rechtsfolgen nur ein, wenn der Bauträger den Erwerber zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis muss in Textform erfolgen, vgl. § 640 Abs. 2 BGB. Für die Fiktion kommt es also nicht darauf an, ob wesentliche Mängel vorliegen oder nicht, sofern das Werk fertiggestellt ist, wobei nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung die rein quantitative Fertigstellung genügt.17 (2) Abnahmefiktion nach bis zum 31.12.2017 geltender Rechtslage

19.23 Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Hierbei kommt es also entscheidend darauf an, ob das Werk abnahmefähig ist, so dass der Fiktion der Abnahme das Vorliegen eines wesentlichen Mangels entgegensteht. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur aktuellen Rechtslage. (3) Vertragliche Vereinbarungen zur Abnahme des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums

19.24 Nach der gesetzlichen Regelung kann der Bauträger die Abnahme grundsätzlich erst verlangen, wenn das gesamte, dem einzelnen Erwerber geschuldete, Werk (d.h. das Sonder- und Gemeinschaftseigentum) fertig gestellt ist. Es genügt also nicht, dass die im Einzelfall veräußerte Wohnung vertragsgemäß fertig gestellt ist. (aa) Vereinbarung von Teilabnahmen

19.25 Bauträgerverträge enthalten häufig Regelungen, die Teilabnahmen des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums, und ggf. sogar gesonderte Abnahmen von Teilen des Gemeinschaftseigentums (z.B. Außenanlagen, Garagen oder Tiefgaragen), vorsehen, was grundsätzlich auch in AGB des Bauträgers zulässig ist.18 Die Vereinbarung von Teilabnahmen ist allerdings nur möglich, wenn damit gleichzeitig die Besitzübergabe verbunden ist und wenn es sich um selbständig bewertbare Teile der gesamten Leistung handelt.19 Wird das Gemeinschaftseigentum in mehreren Schritten abgenommen, obwohl nur eine Teilabnahme des Gemeinschaftseigentums vereinbart wurde, wird das Gemeinschaftseigentum erst mit der letzten Abnahmehandlung abgenommen.20 (bb) Abnahme durch Vertreter

19.26 Das Recht zur Abnahme steht dem jeweiligen Erwerber zu. Vertretungsregelungen in Bauträgerverträgen, die den einzelnen Erwerber unangemessen benachteiligen, sind unwirksam. Unwirksam sind insbesondere folgende Regelungen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums:

17 Es handelt sich also um einen anderen Fertigstellungsbegriff in § 3 Abs. 2 MaBV, vgl. BT-Drs. 18/8486, S. 49. 18 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, Rz. 29; BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 185/81; a.A. Sterner, BauR 2012, 1160, 1162. 19 BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 185/81; Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 224/98; LG München I, Urt. v. 23.4.2015 – 8 O 6509/15. 20 OLG Nürnberg, Urt. v. 12.12.2006 – 9 U 429/06.

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Grundlagen

Rz. 19.28 Teil 19

– Beauftragung eines Abnahmevertreters (z.B. eines Sachverständigen oder des Verwalters), der von den Erwerbern unwiderruflich für die Erklärung der Abnahme bevollmächtigt wird,21 auch wenn der Abnahmevertreter mittelbar bestimmt wird, indem der Erstverwalter als Abnahmevertreter festgelegt wird und dieser durch den Bauträger in der Teilungserklärung bestimmt wurde bzw. bestimmt werden kann.22 – Bestellung des Bauträgers zum Erstverwalter mit Bevollmächtigung zur Abnahme durch den Erwerber.23 – Eine Abnahmeklausel im Bauträgervertrag, wonach „die Abnahme des sonstigen Gemeinschaftseigentums und der Garage nach vollständiger Fertigstellung durch den Verwalter und mindestens zwei von der Eigentümerversammlung gewählten Käufern erfolgt und diese Personen vom Käufer unwiderruflich zur Abnahme und Vornahme aller hierzu erforderlichen oder zweckdienlichen Maßnahmen und Erklärungen bevollmächtigt werden“.24 Höchstrichterlich ist noch nicht entschieden, ob Abnahmeklauseln am Transparenzgebot scheitern, wenn sie keinen Hinweis auf die Widerruflichkeit der Vollmacht enthalten.25 (cc) Keine Vergemeinschaftung der Abnahme Eine Regelung in einer Gemeinschaftsordnung ist nichtig, soweit sich eine auf der Grundlage eines Beschlusses der Eigentümerversammlung erklärte Abnahme auch auf sog. Nachzüglererwerber erstrecken soll.26 Eine Regelung der Abnahme in der Gemeinschaftsordnung ist wohl grundsätzlich nicht möglich,27 weil in die Gemeinschaftsordnung nur Regelungen gehören, die das Verhältnis der Eigentümer untereinander betreffen.

19.27

Im Ergebnis gilt nichts Anderes für einen Beschluss der Wohnungseigentümer, der einen Nachzüglererwerber binden soll.28 (dd) Folgen einer auf Grundlage einer unwirksamen Klausel erklärten Abnahme Die Erwerber werden durch eine Abnahme, die auf der Grundlage einer unwirksamen Abnahmeklausel erfolgt, nicht gebunden.29

21 OLG München, Urt. v. 15.12.2008 – 9 U 4149/08; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2011 – 8 U 106/10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2012 – 23 U 112/11; LG Hamburg, Urt. v. 11.3.2010 – 328 O 179/09. 22 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2012 – 23 U 112/11, bestätigt durch BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12; OLG München, Urt. v. 6.12.2016 – 28 U 2388/16 Bau. 23 BGH, Urt. v. 30.6.2016 – VII ZR 188/13 (Vorinstanz: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 13.6.2013 – 12 U 162/12). 24 OLG Nürnberg, Urt. v. 26.4.2018 – 13 U 1908/16. 25 BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12. 26 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15. 27 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15; OLG München, Urt. v. 6.12.2016 – 28 U 2388/16; OLG München, Beschl. v. 26.1.2015 – 9 U 1995/14; LG München I, Urt. v. 7.4.2016 – 36 S 17586/15 WEG; vgl. aber auch OLG Stuttgart, Urt. v. 12.5.2015 – 10 U 114/14 für die wechselseitige Bevollmächtigung des sondernutzungsgebundenen Gemeinschaftseigentums für in Wohnungseigentum aufgeteilte Reihenhausanlagen. 28 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15; OLG München, Urt. v. 6.12.2016 – 28 U 2388/16; OLG München, Beschl. v. 26.1.2015 – 9 U 1995/14; LG München I, Urt. v. 7.4.2016 – 36 S 17586/15 WEG. 29 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15.

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19.28

Teil 19 Rz. 19.28

Baurecht im WEG-Mandat

Und eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme und Nutzung des Gemeinschaftseigentums scheidet in diesen Fällen regelmäßig aus. Denn wird aufgrund einer Regelung im Bauträgervertrag der Eindruck erweckt, es bedürfe wegen der bereits erfolgten Abnahme des Gemeinschaftseigentums keiner Abnahme durch den Erwerber, kann die Ingebrauchnahme und anschließende Nutzung des Gemeinschaftseigentums keinen für eine konkludente Abnahme erforderlichen Abnahmewillen des Erwerbers zum Ausdruck bringen.30 Demnach befinden sich die betreffenden Bauträgerverträge noch im Erfüllungsstadium. Der Bauträger kann sich jedoch als Klauselverwender nach § 242 BGB nicht auf eine unwirksame Abnahmeklausel und damit darauf, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde, berufen31 (z.B. auf Verjährung des Erfüllungsanspruchs). Unabhängig davon hätte der Erwerber in einem solchen Fall immer noch die Möglichkeit, die Abnahme auch noch nach Jahren zu erklären und dadurch die Geltendmachung der Mängelrechte zu ermöglichen. (ee) Faktische Verlängerung der Mängelhaftung durch Nachzüglererwerber

19.29 Da die Verjährungsfrist für die Mängelansprüche mit der Abnahme beginnt und ein sog. Nachzüglererwerber eine vorab erklärte Abnahme nicht gegen sich gelten lassen muss,32 beginnt die aus seinem Vertrag resultierende Gewährleistungsfrist erst mit der Abnahme durch ihn zu laufen. Da er ebenfalls einen Anspruch auf mangelfreie Herstellung des gesamten Gemeinschaftseigentums hat, haftet der Bauträger faktisch so lang, bis die Mängelrechte des letzten Nachzüglererwerbers verjährt sind. (ff) Besitzverschaffung

19.30 Der Bauträger schuldet die Verschaffung des Besitzes des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums sowohl aufgrund seiner Herstellungsverpflichtung (als Bestandteil der Abnahme), sowie aufgrund der Verweisung in § 650u Abs. 1 Satz 3 BGB auf § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 3 MaBV ist der Besitz mit Bezugsfertigkeit des Vertragsgegenstandes Zug um Zug gegen Bezahlung der Bezugsfertigkeitsrate zu verschaffen. Weigert sich der Bauträger, kann der Erwerber u.U. eine einstweilige Verfügung (§§ 935, 940 ZPO) erwirken.33 ee) Fälligkeit der Vergütung – Abschlagszahlungen (Raten)

19.31 Vom Grundsatz her wird die Vergütung beim Werkvertrag mit der Abnahme fällig. Das gilt auch für den Bauträgervertrag, sofern keine Abschlagszahlungen gemäß § 3 Abs. 2 MaBV vereinbart werden. 30 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 49/15; BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2011 – 8 U 106/10; LG Hamburg, Urt. v. 11.3.2010 – 328 O 179/09; LG München I, Urt. v. 2.7.2008 – 18 O 21458/07; OLG München, Beschl. v. 15.12.2008 – 9 U 4149/08; eine konkludente Abnahme kommt z. B. durch Zahlung des Kaufpreises und fehlende Mängelrügen in Betracht, vgl. LG Schweinfurt, Urt. v. 23.1.2015 – 22 O 135/13; bestätigt durch OLG Bamberg v. 9.12.2015 – 8 U 23/15). 31 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15; BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 49/15; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.4.2018 – 13 U 1908/16. 32 BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 72/84; OLG Frankfurt, Urt. v. 30.9.2013 – 1 U 18/12; LG Hamburg, Urt. v. 11.3.2010 – 328 O 179/09; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 5.6.2009 – 14 U 10/09; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 8.4.2013 – 2 U 1123/12. 33 KG, Urt. v. 4.10.2017 – 21 U 79/17.

1144

Aschenbrenner/Gantert

Grundlagen

Rz. 19.33 Teil 19

Für Bauträgerverträge, die nach dem 31.12.2017 abgeschlossen wurden, ist § 650g Abs. 4 BGB zu beachten. Danach wird die Vergütung erst nach der Abnahme und Vorlage einer Schlussrechnung fällig. Sofern die Zahlungsbedingungen gegen die §§ 307 ff. BGB oder gegen § 12 MaBV verstoßen, wird der Vergütungsanspruch des Bauträgers erst mit der Abnahme fällig; Beispiele: – Vereinbarung von zehn statt der maximal zulässigen sieben Raten34 – Vereinbarung, dass der gesamte Erwerbspreis bei Besitzübergabe gegen Stellung einer Bürgschaft von 3,5 % des Gesamterwerbspreises zu zahlen ist35 – Fehlende Festlegung der sieben Raten im Vertrag36 Hat der Erwerber aufgrund unwirksamer Zahlungsbedingungen bereits Zahlungen geleistet, kann er diese nach § 817 Satz 1 BGB vom Bauträger zurückfordern, wobei sich dieser in dem Umfang, wie ihm die Entgegennahme der Zahlungen bei Vereinbarung eines wirksamen Zahlungsplans nach § 3 Abs. 1 MaBV und unter Berücksichtigung des tatsächlichen Baufortschritts gestattet gewesen wäre, auf § 813 BGB berufen und die geleisteten Beträge behalten darf.37 ff) Kein freies Kündigungsrecht des Erwerbers Nach dem seit 1.1.2018 geltenden § 650u Abs. 2 BGB kann der Bauträgervertrag nicht frei gekündigt werden.38 Auch nach der Rechtsprechung zur bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage konnte der Bauträgervertrag nicht frei gekündigt werden.39

19.32

gg) Keine Kündigung aus wichtigem Grund Nach dem seit 1.1.2018 geltenden § 650u Abs. 2 BGB kann der Bauträgervertrag – anders als 19.33 nach alter Rechtslage – auch nicht aus wichtigem Grund gekündigt werden,40 weil eine vollständige Rückabwicklung des Vertrags den wechselseitigen Interessen von Bauträger und Erwerber hinlänglich gerecht werde. Der Rücktritt kann für den Erwerber jedoch fatale Folgen haben. Denn er verliert bei einer Insolvenz des Bauträgers die Auflassungsvormerkung, weil er gegenüber dem Berichtigungsanspruch des Insolvenzverwalters kein Zurückbehaltungsrecht hat.41 Das hat der Gesetzgeber offenbar nicht gesehen. Da ein auf die noch nicht ausgeführten Bauleistungen beschränkter Teilrücktritt (§ 323 Abs. 5 BGB) unmöglich ist,42 hat ein Erwerber, der nach § 3 MaBV gesicherte Abschlagszahlungen geleistet hat, nach neuem Recht praktisch keine Möglichkeit, sich vom Bauträgervertrag zu lösen.

34 35 36 37 38 39

BGH, Urt. v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99; OLG Celle, Urt. v. 6.8.2003 – 7 U 36/03. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 7.5.2010 – 4 U 126/08. LG Karlsruhe, Urt. v. 12.2.2016 – 10 O 477/15. BGH, Urt. v. 22.3.2007 – VII ZR 268/05. Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 72. BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83; KG Urt. v. 22.12.1998 – 27 U 429/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.10.2016. 40 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 72. 41 BGH, Urt. v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99; BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07. 42 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 323 Rz. 24; MünchKomm/Ernst, § 323 Rz. 201.

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1145

Teil 19 Rz. 19.34

Baurecht im WEG-Mandat

c) Anwendung des Bauvertragsrechts des BGB

19.34 Der Verweis in § 650u Abs. 1 BGB auf die Vorschriften des Untertitels 1 meint das Werkvertragsrecht und das Bauvertragsrecht, wobei dem Bauvertragsrecht aufgrund der Regelung in § 650u Abs. 2 BGB fast keine Bedeutung zukommt. aa) Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme

19.35 Wurde der Bauträgervertrag nach dem 31.12.2017 abgeschlossen, kann der Bauträger im Fall der verweigerten Abnahme vom Erwerber verlangen, dass dieser an einer Feststellung des Zustands des Vertragsgegenstands mitwirkt, vgl. § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650g Abs. 1 BGB. Dadurch soll ein späterer Streit darüber, wer später festgestellte Mängel verursacht hat, vermieden werden.43 Nach dem Gesetzeswortlaut kann die Mitwirkung an der Zustandsfeststellung verlangt werden, wenn die Abnahme „unter Angabe von Mängeln“ verweigert wurde. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies nicht auch möglich sein sollte, wenn eine Übergabe des Vertragsgegenstands erfolgt, der Abnahme allerdings noch die fehlende Fertigstellung entgegensteht. Fraglich ist, ob im Fall der Vereinbarung einer Teilabnahme eine Teil-Zustandsfeststellung verlangt werden kann, wenn die Teilabnahme „unter Angabe von Mängeln“ verweigert wurde.44

19.36 Bleibt der Erwerber einem vereinbarten oder einem vom Bauträger innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Zustandsfeststellung fern, kann der Bauträger die Zustandsfeststellung auch einseitig vornehmen. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Erwerber infolge eines Umstands fernbleibt, den er nicht zu vertreten hat und den er dem Bauträger unverzüglich mitgeteilt hat. Der Bauträger hat die einseitige Zustandsfeststellung mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu versehen und sie zu unterschreiben und dem Erwerber eine Abschrift der einseitigen Zustandsfeststellung zur Verfügung zu stellen, vgl. § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650g Abs. 2 BGB.

19.37 Ist das Vertragsobjekt dem Erwerber verschafft worden, und ist in der Zustandsfeststellung ein offenkundiger Mangel nicht angegeben, wird vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Erwerber zu vertreten ist. Diese Vermutung gilt allerdings nicht, wenn der Mangel nach seiner Art nicht vom Erwerber verursacht worden sein kann, vgl. § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650g Abs. 3 BGB. bb) Schlussrechnung

19.38 Wurde der Bauträgervertrag nach dem 31.12.2017 abgeschlossen, ist die Vergütung nach § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650g Abs. 4 BGB zu entrichten, wenn der Erwerber den Vertragsgegenstand abgenommen hat oder die Abnahme nach § 641 Abs. 2 BGB entbehrlich ist und der Bauträger ihm eine prüffähige Schlussrechnung erteilt hat. Die Schlussrechnung ist prüffähig, wenn sie eine übersichtliche Aufstellung der erbrachten Leistungen enthält und für den Erwerber nachvollziehbar ist. Die Schlussrechnung gilt als prüffähig, wenn der Erwerber nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat.

43 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 59. 44 So Retzlaff, BauR 2017, 1781, 1825.

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Grundlagen

Rz. 19.42 Teil 19

cc) Abnahme Bei Bauträgerverträgen, die vor dem 1.1.2018 abgeschlossen wurden, wird aufgrund der Verweisung in § 632a Abs. 2 BGB auf den Zahlungsplan des § 3 Abs. 2 MaBV die letzte Rate unabhängig von der Abnahme fällig.

19.39

Anders sieht die Rechtslage für später abgeschlossene Bauträgerverträge wegen der klaren Regelungen in § 650u Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB aus: Danach sind für die Frage nach der Fälligkeit der Vergütung auch die Regelungen über die Abnahme in §§ 641, 650g Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB zu beachten. Daraus ergibt sich, dass die Abnahme Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung ist. Damit gilt für den Bauträgervertrag – wie für den einfachen Werkvertrag –, dass vereinbarte Abschlagszahlungen (Raten) bei Erreichung des vorausgesetzten Baufortschritts und die Schlusszahlung bei Abnahme fällig werden. d) Anwendung des Verbraucherbauvertragsrechts Wegen der Verweisung in § 650u Abs. 1 Satz 2 BGB gelten für nach dem 31.12.2017 abgeschlossene Bauträgerverträge auch die Vorschriften über den Verbraucherbauvertrag, sofern der Erwerber Verbraucher ist.

19.40

aa) Baubeschreibungspflicht Nach § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 650j, 650k BGB i.V.m. Art. 249 § 2 EGBGB gilt die Baubeschreibungspflicht auch für den Bauträgervertrag.45 Daneben sind die öffentlich-rechtlichen Informationspflichten nach den §§ 10, 11 MaBV zu beachten sind.

19.41

Der Bauträger muss den Erwerber gemäß § 650j BGB i.V.m. Art. 249 § 1 EGBGB vor der notariellen Beurkundung des Bauträgervertrages in Textform über die Einzelheiten der zu erbringenden Bauleistung im Umfang der Vorgaben des Art. 249 § 2 und § 3 EGBGB informieren. Der Bauträger muss also dem Erwerber vor dem Notartermin die Baubeschreibung zur Verfügung stellen. (1) Inhalt In der Baubeschreibung sind die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks (= Beschaffenheit i. S. v. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB) in klarer Weise darzustellen. Sie muss mindestens folgende Informationen enthalten: 1. allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes oder der vorzunehmenden Umbauten, ggf. Haustyp und Bauweise, 2. Art und Umfang der angebotenen Leistungen, gegebenenfalls der Planung und der Bauleitung, der Arbeiten am Grundstück und der Baustelleneinrichtung sowie der Ausbaustufe, 3. Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte, 4. ggf. Angaben zum Energie-, zum Brandschutz- und zum Schallschutzstandard sowie zur Bauphysik,

45 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 62.

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1147

19.42

Teil 19 Rz. 19.42

Baurecht im WEG-Mandat

5. Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktionen aller wesentlichen Gewerke, 6. ggf. Beschreibung des Innenausbaus, 7. ggf. Beschreibung der gebäudetechnischen Anlagen, 8. Angaben zu Qualitätsmerkmalen, denen das Gebäude oder der Umbau genügen muss, 9. ggf. Beschreibung der Sanitärobjekte, der Armaturen, der Elektroanlage, der Installationen, der Informationstechnologie und der Außenanlagen. Der Bauträger ist demnach verpflichtet, erforderlichenfalls auch die Eigenschaften, die nicht ausdrücklich in Art. 249 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aufgezählt sind, zu beschreiben. Zudem hat die Baubeschreibung gemäß Art. 249 § 2 Abs. 2 EGBGB verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks zu enthalten. Steht der Beginn der Baumaßnahme noch nicht fest, ist ihre Dauer anzugeben. (2) Darstellung

19.43 Die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks sind „in klarer Weise“ darzustellen. Demnach genügt die technisch präzise Beschreibung, eine für einen Verbraucher verständliche Darstellung ist auf den ersten Blick nicht erforderlich.46 Zu beachten ist allerdings, dass vorformulierte und vom Bauträger gestellte Baubeschreibungen dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB genügen und damit letztlich auch verständlich sein müssen.47 (3) Baubeschreibung unvollständig oder unklar

19.44 Soweit die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist, ist der Vertrag unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände, insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbeschreibung, auszulegen. Zweifel bei der Auslegung des Vertrages bezüglich der vom Bauträger geschuldeten Leistung gehen zu dessen Lasten (§ 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650k Abs. 2 BGB). Für Bauträgerverträge, die vor dem 1.1.2018 abgeschlossen wurden, gilt nach der Rechtsprechung des BGH das Gleiche.48 Für die Bestimmung des Komfort- und Qualitätsstandards sind nach der gesetzlichen Regelung sämtliche vertragsbegleitenden Umständen maßgeblich, z.B. Exposés, Prospekte, Werbetafeln, Aussagen von Vertriebsvertretern des Bauträgers, auch wenn die betreffenden Angaben nicht beurkundet wurden, was der BGH für die bis zum 31.12.2017 geltende Rechtslage verneint hat.49 bb) Sicherung von Abschlagszahlungen

19.45 Wird Ratenzahlung vereinbart, gilt für nach dem 31.12.2017 abgeschlossene Verträge gemäß § 650u Abs. 1 Satz 2 BGB auch § 650m Abs. 2 und 3 BGB, nicht jedoch § 650m Abs. 1 BGB.

46 47 48 49

Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 73 f. BGH, Urt. v. 4.6.2009 – VII ZR 54/07 (zum Schallschutz). BGH, Urt. v. 21.11.2013 – VII ZR 275/12; BGH, Urt. v. 14.6.2007 – VII ZR 45/06. BGH, Urt. v. 6.11.2015 – V ZR 78/14.

1148

Aschenbrenner/Gantert

Grundlagen

Rz. 19.49 Teil 19

(1) Gesetzliche Regelung Die Regelungen in § 650m Abs. 2 und 3 BGB entsprechen im Wesentlichen den Regelungen in § 632a Abs. 3 und 4 BGB a.F.

19.46

Danach ist dem Erwerber bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel in Höhe von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung zu leisten. Es handelt sich damit um eine Vertragserfüllungssicherheit. Auf Verlangen des Bauträgers ist die Sicherheitsleistung durch Einbehalt dergestalt zu erbringen, dass der Erwerber die Abschlagszahlungen bis zu dem Gesamtbetrag der geschuldeten Sicherheit zurückhält. Sicherheiten können auch durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich des BGB zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden. (2) Regelung im Bauträgervertrag erforderlich Da die Vertragserfüllungssicherheit neben den §§ 3, 7 MaBV der Sicherstellung einer vertragsgerechten Erfüllung dient,50 muss der Notar bei der Beurkundung über diese zusätzliche Sicherungsmöglichkeit belehren und eine entsprechende Vertragsgestaltung vorsehen.51

19.47

Für den Bauträger ist dies außerordentlich wichtig, da sein Vergütungsanspruch im Fall der Unwirksamkeit des Zahlungsplans erst mit der Abnahme fällig würde. (3) Sicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB neben den Absicherungen nach der MaBV Der Erwerber kann die Sicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB neben den Absicherungen nach § 3 Abs. 1 MaBV oder nach § 7 MaBV verlangen.52

19.48

(4) Sicherungszweck Die Sicherheit ist „für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel“ zu leisten, d.h., dass der Erwerber in folgenden Fällen auf die Vertragserfüllungssicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB zurückgreifen kann: – Verzug des Bauträgers mit der geschuldeten Leistung (§ 286 BGB): – Gesichert sind Schadensersatzansprüche, Vertragsstrafenansprüche53 und Ansprüche auf pauschalierten Schadensersatz. – Die vom Bauträger erbrachte Leistung weist wesentliche Mängel auf: Gesichert sind Mängelansprüche bis zur Abnahme und die bei der Abnahme vorbehaltenen Restarbeiten, da die Leistung insoweit noch gar nicht vollständig hergestellt wurde. Kritisiert wird, dass Ansprüche wegen unwesentlicher Mängel nicht gesichert werden.54 Da der Besteller die Abnahme wegen einer Vielzahl kleinerer Mängel, die in der Summe die Wesentlichkeitsschwelle des § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB übersteigen, verweigern kann,55 wäre es konsequent, dass die Sicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB auch Ansprüche wegen unwesentlicher Mängel sichert. 50 51 52 53 54 55

BGH, Urt. v. 24.1.2008 – III ZR 156/07. Vgl. Basty, DNotZ 2008, 891, 897; aber auch BGH, Urt. v. 8.11.2012 – VII ZR 191/12. Vgl. Kutter in Beck’sches Notar-Handbuch, Kap. A II Rz. 78a. BGH, Urt. v. 7.6.1982 – VIII ZR 154/81; BGH, Urt. v. 15.3.1990 – IX ZR 44/89. Vgl. Pause/Vogel, NZBau 2015, 667, 670. OLG München, Urt. v. 15.1.2008 – 13 U 4378/07.

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1149

19.49

Teil 19 Rz. 19.50

Baurecht im WEG-Mandat

(5) Abdingbarkeit

19.50 Da § 650m Abs. 2 BGB beim Verbraucherbauvertrag dispositiv ist – dies folgt aus § 650o BGB – sind auch beim Bauträgervertrag von den Regelungen in § 650m Abs. 2 und 3 BGB abweichende individualvertragliche Vereinbarungen möglich. Eine vom Bauträger vorformulierte Regelung, die die Sicherheit ausschließt oder verringert, wäre jedoch wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 15 b) BGB unwirksam. cc) Erstellung und Herausgabe von Unterlagen

19.51 § 650u Abs. 1 Satz 2 BGB verweist auch auf § 650n BGB. Danach hat der Unternehmer rechtzeitig vor Beginn der Ausführung einer geschuldeten Leistung diejenigen Planungsunterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden wird. Die Pflicht besteht nicht, soweit der Verbraucher oder ein von ihm Beauftragter die wesentlichen Planungsvorgaben erstellt. Spätestens mit der Fertigstellung des Werks hat der Unternehmer diejenigen Unterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt worden ist. All dies gilt entsprechend, wenn ein Dritter, etwa ein Darlehensgeber, Nachweise für die Einhaltung bestimmter Bedingungen verlangt und wenn der Unternehmer die berechtigte Erwartung des Verbrauchers geweckt hat, diese Bedingungen einzuhalten.

19.52 Das Ziel des Gesetzgebers war es, dass der Erwerber vom Bauträger die Bauunterlagen erhält, die er z.B. für spätere Unterhaltungsmaßnahmen benötigt.56 Dieses Ziel wird jedoch durch die Anwendbarkeit des § 650n BGB nicht erreicht. Denn die Unterlagen, die für Behörden benötigt werden, sind typischerweise nicht identisch mit denen, die für Instandhaltung, Instandsetzung und etwaige Umbauten benötigt werden. Über die sich aus § 650n BGB ergebenden Pflichten zur Erstellung und Herausgabe von Unterlagen hinaus kann sich im Wege der Auslegung des Bauträgervertrages ergeben, dass der Bauträger dem Erwerber bestimmte Unterlagen aushändigen muss.57 § 650o BGB steht dem nicht entgegen, da dies für den Verbraucher nicht nachteilig ist. dd) Unabdingbare Vorschriften

19.53 Handelt es sich bei dem Erwerber um einen Verbraucher, sind nach § 650o BGB Abweichungen von den Regelungen der §§ 640 Abs. 2 Satz 2, 650i bis 650l und 650n BGB zum Nachteil des Erwerbers unzulässig. e) Regelungen aus dem Kaufrecht

19.54 Für den Anspruch des Erwerbers auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück oder auf Übertragung oder Bestellung des Erbbaurechts sind gemäß § 650u Abs. 1 BGB die Vorschriften über den Kauf anwendbar. Demnach haftet der Bauträger für Mängel des Grund-

56 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 65. 57 OLG Köln, Urt. v. 13.5.2015 – 11 U 96/14.

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Grundlagen

Rz. 19.58 Teil 19

stücks – wie auch schon nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage58 – nach den Regelungen der kaufrechtlichen Mängelhaftung.59 3. Werkvertrag/Bauvertrag Die gesetzlichen Regelungen des Werkvertragsrechts, insbesondere die Regelungen über die Abnahme und die Mängelrechte, und die Regelungen des Bauvertragsrechts sind (teilweise) auch für den Bauträgervertrag maßgeblich, da nach § 650u Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich der Errichtung oder des Umbaus „die Vorschriften des Untertitels 1 Anwendung (finden), soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.“ Keine Anwendung finden nach § 650u Abs. 2 BGB die §§ 648, 648a, 650b bis 650e, 650k Abs. 1 sowie die §§ 650l und 650m Abs. 1 BGB.

19.55

a) Vertragsabschluss aa) Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag Solange der Bauvertrag im BGB nicht geregelt war, wurde die „Gesetzeslücke“ mit der VOB/B geschlossen. Die VOB/B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) wird im Auftrag des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) vom Deutschen Institut für Normung e.V. als DIN 1961 herausgegeben.

19.56

Öffentliche Auftraggeber sind gesetzlich verpflichtet, die VOB/B in ihren Verträgen zu vereinbaren. Aber auch in der privaten Bauwirtschaft spielt die VOB/B nach wie vor eine maßgebliche Rolle. Dies liegt zum einen daran, dass das gesetzliche Bauvertragsrecht mitunter erhebliche Abweichungen von den vertrauten VOB/B-Regelungen enthält (z.B. in §§ 650b und § 650c BGB), zum anderen daran, dass die VOB/B in Fachkreisen bekannt und Usus ist. (1) Rechtsnatur der VOB/B Die VOB/B stellt im Grunde einen vorformulierten Mustervertrag dar. Wird die VOB/B bei Abschluss eines Bauvertrags von einer Partei der anderen gestellt, handelt es sich um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB.60

19.57

(2) Ordnungsgemäße Einbeziehung Für die ordnungsgemäße Einbeziehung der VOB/B in einen Vertrag gelten die allgemeinen Regelungen. Danach reicht der bloße Hinweis auf die Geltung der VOB/B gegenüber einem Verbraucher nicht aus, vielmehr muss dem Verbraucher auch die Möglichkeit verschafft werden, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Regelungen Kenntnis zu nehmen (§ 310 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 305 Abs. 2 BGB). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Vertragspartner

58 BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04; Urt. v. 27.4.1984 – V ZR 137/83. 59 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8486, S. 27. 60 BGH, Urt. v. 16.12.1982 – VII ZR 92/82, BauR 1983, 362; BGH, Urt. v. 2.10.1997 – VII ZR 44/97, ZfBR 1998, 27; BGH, Urt. v. 24.7.2008 – VII ZR 55/07, BauR 2008, 1603 = BGHZ 178, 1 = NZBau 2008, 640.

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1151

19.58

Teil 19 Rz. 19.58

Baurecht im WEG-Mandat

des Verwenders im Baugewerbe tätig oder im Baubereich bewandert ist,61 oder wenn er sich rechtsgeschäftlich von einem erfahrenen Fachmann vertreten lässt.62 (3) Inhaltskontrolle der VOB/B – Privilegierung der VOB/B

19.59 Die Regelungen der VOB/B unterliegen vom Grundsatz her der gesetzlichen Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB). (aa) Verwendung der VOB/B gegenüber Unternehmern, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichem Sondervermögen

19.60 Wird die VOB/B als Ganzes („insgesamt“) gegenüber Unternehmern, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichem Sondervermögen verwendet, findet ausnahmsweise keine Inhaltskontrolle der einzelnen Regelungen statt (§ 310 Abs. 1 S. 3 BGB). „Insgesamt“ wird die VOB/B nach der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Rechtsprechung vereinbart, wenn sie ohne Abweichungen vereinbart wird. (bb) Verwendung der VOB/B gegenüber einem Verbraucher oder Vereinbarung der VOB/B nicht als Ganzes

19.61 Wird die VOB/B gegenüber einem Verbraucher verwendet oder enthalten vorrangige Vertragsregelungen auch nur geringfügige inhaltliche Abweichungen, ist die isolierte Inhaltskontrolle eröffnet. (cc) Ausnützen der Öffnungsklauseln in der VOB/B

19.62 Ob das Ausnützen der in der VOB/B enthaltenen sog. Öffnungsklauseln (vgl. § 13 Abs. 4 oder § 17 Abs. 4 VOB/B) zum Wegfall der Privilegierung führt, hat der BGH bis dato nicht entschieden.63 (dd) VOB/B-Regelungen, die einer isolierten Inhaltskontrolle nicht standhalten

19.63 Der BGH hat in der Vergangenheit bereits einige VOB/B-Klauseln isoliert für unwirksam erklärt: – § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B a. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftragnehmer64 – § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B bei Verwendung gegenüber einem Verbraucher65 – § 13 Nr. 4 VOB/B a. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftraggeber66 – 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B a. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftragnehmer67

61 BGH, Urt. v. 16.12.1982 – VII ZR 92/82; BGH, Urt. v. 10.6.1999 – VII ZR 170/98. 62 OLG Hamm, Urt. v. 17.1.1990 – 26 U 112/89, NJW-RR 1991, 277; OLG Hamm, Urt. v. 3.12.1997 – 12 U 125/97, OLGReport 1998, 90. 63 Nach den Öffnungsklauseln kann im Vertrag etwas anderes vereinbart werden (bejahend z.B. OLG Hamm, Urt. v. 17.7.2008 – 21 U 145/06, BauR 2009, 137; verneinend: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 8.11.2007 – 12 U 30/07, IBR 2008, 320). 64 BGH, Urt. v. 31.1.1991 – VII ZR 291/88. 65 BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05; Urt. v. 15.4.2004 – VII ZR 130/03. 66 BGH, Urt. v. 10.10.1985 – VII ZR 325/84; Urt. v. 28.11.2002 – VII ZR 4/00; Urt. v. 15.4.2004 – VII ZR 129/02; Urt. v. 8.3.1984 – VII ZR 349/82. 67 BGH, Urt. v. 17.9.1987 – VII ZR 155/86.

1152

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Grundlagen

Rz. 19.67 Teil 19

– § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B n. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftragnehmer68 – § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B a. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftraggeber69 – § 16 Nr. 6 VOB/B a. F. bei Verwendung gegenüber dem Auftragnehmer70 Da sich die Inhaltskontrolle am gesetzlichen Leitbild orientiert, und da mit der Einführung des gesetzlichen Bauvertragsrecht das gesetzliche Leitbild stellenweise erheblich verändert wurde, ist davon auszugehen, dass insbesondere die Regelungen in den §§ 1 und 2 VOB/B zum Anordnungsrecht des Auftraggebers zu den Vergütungsfolgen künftig isoliert nicht mehr halten werden. Der DVA hatte zunächst eine Überarbeitung der VOB/B angekündigt, später dann aber verlautbaren lassen, dass das am 1.1.2018 in Kraft getretene Bauvertragsrecht im BGB zunächst keine Änderungen bei der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) nach sich ziehen sollte. (4) Die WEG als Verbraucher Nach dem Beschluss des OLG München vom 25.9.2008 ist der teilrechtsfähige Verband als Verbraucher zu qualifizieren, wenn die WEG nicht ausschließlich aus Unternehmern besteht.71 Danach entfällt die Privilegierung der VOB/B, wenn sie vom Auftragnehmer in den Vertrag mit einer solchen WEG einbezogen wird; ihre Regelungen unterliegen in diesem Fall der isolierten Inhaltskontrolle.

19.64

bb) Vertragsparteien (1) Die WEG als Verband Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann als eigenes Rechtssubjekt eigene Rechte und Pflichten erwerben. Vergibt der Verband nach vorherigem Beschluss der Eigentümerversammlung einen Auftrag an einen Handwerker oder Planer, ist er selbst Vertragspartei. Hierauf sollte bei Abfassung des Vertragsrubrums geachtet werden.

19.65

(2) Die einzelnen Eigentümer einer WEG Werden im Vertrag einzelne oder alle Wohnungseigentümer einer Anlage bezeichnet, kommt der Vertrag mit jedem einzelnen Eigentümer zu Stande, sofern die Auslegung nicht etwas anderes ergibt.

19.66

cc) Abgrenzung des Erfolgssolls vom Leistungs-, Bau- bzw. Vertragssoll Der Auftragnehmer schuldet nach § 631 BGB einen bestimmten Werkerfolg (Erfolgssoll). Danach muss er alle für die Herstellung des funktionstauglichen Werkes erforderlichen Leistungen erbringen. Dieser Erfolg ist abzugrenzen von dem vertraglich mit einem Preis versehenen Leistungsumfang (Leistungs-, Bau- bzw. Vertragssoll). Idealerweise entsprechen sich Erfolgsund Leistungssoll – hiervon gehen jedenfalls die Vertragsparteien regelmäßig aus. Tatsächlich

68 BGH, Urt. v. 19.3.1998 – VII ZR 116/97; Urt. v. 9.10.2001 – X ZR 153/99; Urt. v. 22.1.2004 – VII ZR 419/02; Urt. v. 10.5.2007 – VII ZR 226/05; Urt. v. 12.7.2007 – VII ZR 186/06; Urt. v. 24.3.2016 – VII ZR 201/15. 69 BGH, Urt. v. 20.8.2009 – VII ZR 212/07. 70 BGH, Urt. v. 21.6.1990 – VII ZR 109/89. 71 OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wz 118/08, DNotZ 2009, 221 = NJW 2008, 3574 = NZM 2008, 894 = ZMR 2009, 137.

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1153

19.67

Teil 19 Rz. 19.67

Baurecht im WEG-Mandat

reicht jedoch mitunter die Erbringung der vertraglich mit einem Preis versehenen Leistungen nicht aus, um den geschuldeten Werkerfolg zu erreichen. (1) Erfolgssoll

19.68 Der Auftragnehmer schuldet nach Werkvertragsrecht grundsätzlich die Leistungen, die zur Erbringung des werkvertraglichen Erfolgs erforderlich sind, auch wenn nach dem Vertrag die Erbringung anderer Leistungen geschuldet ist,72 oder wenn einzelne Leistungen im vertraglichen Leistungsverzeichnis gar nicht aufgeführt wurden. (2) Leistungs-, Bau- bzw. Vertragssoll

19.69 Die vereinbarte Vergütung bezieht sich auf das sich aus der vertraglichen Leistungsbeschreibung ergebende Leistungssoll (auch als Bau- oder Vertragssoll bezeichnet), nicht auf das Erfolgssoll. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem zu Grunde liegenden Vertrag um einen Einheits- oder einen Pauschalpreisvertrag handelt, oder ob eine funktionale Leistungsbeschreibung vorliegt. Festzuhalten ist, dass der nach Werkvertragsrecht zum Erfolg verpflichtete Auftragnehmer im Einzelfall Leistungen schulden kann, die vom Leistungssoll nicht umfasst sind. Wie diese Fälle vergütungsrechtlich zu handhaben sind, hängt davon ab, welche Vergütungsabrede die Parteien getroffen haben. Der Auftragnehmer muss den Auftraggeber ggf. bereits im Zuge der Leistungserbringung über die Erforderlichkeit der Erbringung weiterer Leistungen informieren. dd) Vergütungsabrede

19.70 Die Vergütungsabrede bezieht sich auf das vertragliche Leistungssoll, nicht auf das Erfolgssoll. Welche der nachfolgend dargestellten Vergütungsabreden im Einzelfall sinnvoll ist, ist jeweils aus der Sicht des einzelnen Vertragspartners zu beurteilen. Es ist möglich (und durchaus üblich), verschiedene Vergütungsabreden in einem Bauvertrag zu kombinieren. (1) Einheitspreisvereinbarung

19.71 Beim Einheitspreisvertrag wird die vom Auftragnehmer geschuldete Leistung in der Regel in einem nach Positionen gegliederten Leistungsverzeichnis ihrer Art nach beschrieben und mit geschätzten Vordersätzen/Mengenansätzen zu einem bestimmten Festpreis vereinbart. Dieser Preis bezieht sich auf eine Einheit der unter der einzelnen Position bezeichneten Masse/Menge.

19.72 Der Auftraggeber schuldet die Vergütung, die sich aus der Multiplikation der durch das Aufmaß ermittelten tatsächlich erbrachten Massen/Mengen mit dem Einheitspreis ergibt (Positionspreis), wobei sich die Gesamtvergütung aus der Summe der Positionspreise ergibt.

19.73 Weichen die tatsächlich verbauten Mengen/Massen von den geschätzten Vordersätzen ab, wirkt sich das grundsätzlich nicht auf den vereinbarten Einheitspreis aus, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist (z.B. § 2 Abs. 3 VOB/B).

72 BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 = BauR 1984, 510.

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Grundlagen

Rz. 19.78 Teil 19

(2) Pauschalpreisvereinbarung Beim Pauschalvertrag vereinbaren die Parteien einen Gesamtpreis für eine bestimmte oder bestimmbare Leistung. Der Preis wird – nicht wie beim Einheitspreisvertrag – einzelnen Leistungselementen zugeordnet, sondern es handelt sich bei dem Preis um die „Pauschale“ für die vereinbarte Leistung. Es ist zwischen dem Detailpauschalvertrag und dem Globalpauschalvertrag zu unterscheiden.

19.74

(aa) Detailpauschalpreisvereinbarung Im Detailpauschalvertrag werden im Leistungsverzeichnis nur die Vordersätze pauschaliert. Der Preis für die aufgeführten Leistungspositionen bleibt also vom Grundsatz her gleich, egal, welche Mengen tatsächlich verbaut werden.

19.75

(bb) Globalpauschalpreisvereinbarung Im Gegensatz zum Detailpauschalvertrag werden beim Globalpauschalvertrag im Leistungsverzeichnis nicht nur die Massen/Mengen pauschaliert, vielmehr wird die gesamte Vertragsleistung pauschaliert und eine bestimmte Vergütung festgelegt. Globalpauschalverträge sind meist das Verhandlungsergebnis einer nur funktional für einen bestimmten Leistungsbereich ausgeschriebenen Leistung. Im Globalpauschalvertrag wird nicht festgelegt, welche Leistungen der Auftragnehmer im Einzelnen zu erbringen hat, um den vereinbarten werkvertraglichen Erfolg zu bewirken. Der Auftragnehmer hat ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB. Bauträgerverträge sind typischerweise Globalpauschalverträge.

19.76

(3) Stundenlohnvereinbarung Beim Stundenlohnvertrag vereinbaren die Parteien eine nach Zeitaufwand zu berechnende Vergütung, wobei üblicherweise ein bestimmter Stundensatz festgelegt wird. Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Werklohns ist also die Anzahl der Stunden, die der Auftragnehmer für die Erbringung der geschuldeten Leistung benötigt hat. Den Parteien steht es frei, besondere vertragliche Voraussetzungen für die Stundenlohn- 19.77 abrechnung zu vereinbaren. Beim VOB-Vertrag werden Stundenlohnarbeiten nach § 2 Abs. 10 VOB/B nur vergütet, wenn sie als solche vor ihrem Beginn ausdrücklich vereinbart worden sind. Aber auch im BGB-Vertrag wird die Stundenlohnabrede häufig als Rahmenvereinbarung derart gestaltet, dass eine Abrechnung auf Stundensatzbasis nur für vertraglich noch nicht vorgesehene Leistungen vereinbart wird, wobei zu beachten ist, dass es in diesen Fällen stets einer besonderen Beauftragung der nach Stundensätzen zu vergütenden Leistung bedarf; die bloße Ermächtigung eines Bauleiters, Stundenlohnnachweise abzuzeichnen, beinhaltet nach der Rechtsprechung des BGH nämlich keine Bevollmächtigung, Stundenlohnarbeiten zu beauftragen.73 (4) Fehlende Vergütungsabrede Der Auftraggeber schuldet nach § 631 Abs. 1 BGB die vereinbarte Vergütung. Haben die Vertragsparteien jedoch nur eine Leistungspflicht, nicht aber die Vergütung vereinbart, regelt § 632 Abs. 1 BGB, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Nach § 632 73 BGH, Urt. v. 14.7.1994 – VII ZR 186/93, NJW-RR 1995, 80; BGH, Urt. v. 24.7.2003 – VII ZR 79/02, BauR 2003, 1892 = MDR 2003, 1413 = NJW-RR 2004, 92.

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19.78

Teil 19 Rz. 19.78

Baurecht im WEG-Mandat

Abs. 2 BGB ist in diesen Fällen die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. § 632 BGB ist einschlägig, wenn feststeht, dass eine Vergütungsvereinbarung nicht getroffen wurde. Im Prozess hat der Auftragnehmer zu beweisen, dass eine vom Auftraggeber behauptete Vergütungsvereinbarung nicht zu Stande gekommen ist.74 ee) Bauvertragliche Sicherheiten

19.79 In der Regel vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags, dass der Auftragnehmer eine Sicherheit für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und für etwaige Mängelansprüche des Auftraggebers leisten muss. Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, schuldet der Auftragnehmer weder eine Vertragserfüllungs- noch eine Gewährleistungssicherheit. Dies gilt auch für den VOB-Vertrag, da § 17 VOB/B nicht die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung, sondern lediglich die Modalitäten der Sicherheitsleistung regelt. Neben diesen Sicherheiten ist die Vorauszahlungssicherheit zu nennen. Diese Sicherheit macht Sinn, wenn der Auftraggeber den (vorleistungspflichtigen) Auftragnehmer – ganz oder zum Teil – bezahlt, bevor die Zahlung fällig wird, also bevor der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung vertragsgemäß erbracht hat.75 (1) Vertragserfüllungssicherheit und Herstellungssicherheit für Verbraucher nach § 650m Abs. 2 und 3 BGB (aa) Vertragserfüllungssicherheit

19.80 Die Vertragserfüllungssicherheit dient der Absicherung der Ansprüche des Auftraggebers auf die vollständige, rechtzeitige und mangelfreie Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung (u.a. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrags aufgrund Auftragnehmerinsolvenz76 oder aufgrund aus anderen Rechtsgründen berechtigter Auftraggeberkündigung, Ansprüche auf Ersatz von Verzugsschäden oder von Vertragsstrafen,77 aber auch Ansprüche wegen Mängeln der Leistung, sofern der Auftraggeber sich diese bei der Abnahme vorbehalten hat), dagegen grundsätzlich nicht der Absicherung von Rückforderungsansprüchen aufgrund von Überzahlungen78 oder von Ansprüchen wegen erst nach der Abnahme gerügter Mängel.

19.81 Unwirksam sind AGB, nach denen der Auftragnehmer die Sicherheit in Form einer Bürgschaft auf erstes Anfordern leisten soll, weil dem Auftragnehmer Liquidität entzogen wird, wenn der Auftraggeber die Bürgschaft zieht; zudem würde dem Auftragnehmer das Risiko, dass der Auftraggeber dann insolvent wird, auferlegt.79 Auch Klauseln, die den Auftragnehmer verpflichten, eine 10%ige (selbstschuldnerische) Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen und 74 BGH, Urt. v. 23.1.1996 – X ZR 63/94, NJW-RR 1996, 952; BGH, Urt. v. 6.12.2001 – VII ZR 241/00; BGH, Urt. v. 9.4.1981 – VII ZR 262/80, BGHZ 80/257 = BauR 1981, 388. 75 Weiterführende Erläuterungen zum Thema, insbesondere zu Sicherheiten in Form von Bürgschaften und Einbehalten, die in der Praxis die typischen Sicherungsmittel darstellen, bei Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, IBR Reihe, Stand: 15.5.2018. 76 BGH, Urt. v. 17.12.1987 – IX ZR 263/86, ZIP 1988, 222 ff. 77 BGH, Urt. v. 15.3.1990 – IX ZR 44/89, NJW-RR 1990, 811. 78 OLG Celle, Urt. v. 4.6.1997 – 6 U 186/96, BauR 1997, 1057; OLG Celle, Urt. v. 5.6.2003 – 14 U 184/02, BauR 2004, 1307 f. 79 BGH, Urt. v. 18.4.2002 – VII ZR 192/01, BauR 2002, 1239 ff.; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, BauR 2002, 1533 ff.; zur Unwirksamkeit von Klauseln, wonach die Vertragserfüllungssicherheit wahlweise durch Bürgschaft auf erstes Anfordern oder gem. § 17 Abs. 7 und 6 VOB/B durch Einbehalt von fälligen Abschlagszahlungen und Einzahlung auf ein gemeinsames Sperrkonto zu leisten ist, vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2008 – VII ZR 51/07, BauR 2008, 995.

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Grundlagen

Rz. 19.86 Teil 19

den Auftraggeber berechtigen, auf fällige Abschlagszahlungen nur 90 % auszuzahlen, sind wegen Übersicherung des Auftraggebers unwirksam.80 Schließlich sind Klauseln, die den Zeitpunkt für die Rückgabe der Sicherheit indirekt verlängern oder die Höhe der Sicherheit unklar regeln, unwirksam. (bb) Herstellungssicherheit für Verbraucher nach § 650m Abs. 2 und 3 BGB

19.82

Näheres vgl. oben unter Rz. 19.48 ff. (2) Gewährleistungssicherheit Die Gewährleistungssicherheit dient dazu, etwaige Mängelansprüche des Auftraggebers sicherzustellen. Wenn auch nach dem gesetzlichen Leitbild (§ 641 BGB) die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten ist, erkennt die Rechtsprechung dieses Sicherungsinteresse des Auftraggebers als schutzwürdig an.81 Auftraggeber-AGB, die den Auftragnehmer zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft verpflichten, sind im Einzelfall kritisch auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.

19.83

(3) Vorauszahlungssicherheit Mit einer Vorauszahlungssicherheit wird der Anspruch des Auftraggebers, der den Werklohn 19.84 (ganz oder zum Teil) vor Fälligkeit gezahlt hat, abgesichert. Ob Auftraggeber-AGB, wonach der Auftragnehmer zur Stellung einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet wird, wirksam sind, wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden. Da jedoch dem Auftragnehmer durch die Inanspruchnahme der Bürgschaft sofort Liquidität entzogen wird und da er zudem das Risiko einer späteren Insolvenz des Auftraggebers trägt, dürften entsprechende Auftraggeber-AGB unwirksam sein. (4) Einbehalte Einbehalte stellen in der Praxis – neben Bürgschaften – ein typisches Sicherungsmittel dar. 19.85 Häufig vereinbaren die Bauvertragsparteien, dass der Auftraggeber Teilbeträge von seinen Abschlagszahlungen als Sicherheit einbehalten darf, bis die vereinbarte Sicherungssumme erreicht ist, und dass die jeweils einbehaltenen Beträge auf ein Sperrkonto, über das beide nur gemeinsam verfügen können („Und-Konto“), einzuzahlen sind. Unwirksam sind Auftraggeber-AGB, wonach der Auftraggeber berechtigt sein soll, einen Betrag von 5 % der Schlussrechnungssumme für einen bestimmten Zeitraum seit der Abnahme bzw. seit der letzten Zahlung unverzinslich oder verzinslich, einzubehalten.82 Auch Klauseln, wonach der Auftragnehmer eine Bürgschaft auf erstes Anfordern leisten und der Auftraggeber berechtigt sein soll, Einzahlung des Einbehalts auf ein Sperrkonto zu verlangen, sind unwirksam.83

80 BGH, Urt. v. 9.12.2010 – VII ZR 7/10, BauR 2011, 677; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 16.3.1999 – 11 U 107/98, BauR 2001, 1450 ff. 81 BGH, Urt. v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, BauR 1997, 829 f. 82 BGH, Urt. v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, BauR 1997, 829; OLG Hamm, Urt. v. 19.1.1988 – 21 U 110/87, BauR 1988, 731; Pfälzisches OLG, Urt. v. 10.3.1994 – 4 U 143/93, BauR 1994, 509 ff.; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 16.3.1999 – 11 U 107/98, BauR 2001, 1450 ff. 83 BGH, Urt. v. 24.5.2007 – VII ZR 210/06, BauR 2007, 1575 f.

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1157

19.86

Teil 19 Rz. 19.87

Baurecht im WEG-Mandat

(5) Verjährung der gegen den Bürgen gerichteten Forderung

19.87 Der Anspruch gegen den Bürgen verjährt nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist, also nach drei Jahren seit dem Schluss des Jahres, in dem er entstanden ist und die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlagen. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, wird die Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft mit Eintritt der Fälligkeit der Hauptschuld fällig.84 Zu beachten ist, dass die Fälligkeit nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig ist.85 Dies birgt ein gewisses Risiko für den Auftraggeber, da die Forderung gegen den Bürgen verjähren kann, bevor der Auftraggeber seinen Anspruch beziffern kann. b) Die Bauausführungsphase aa) Abschlagszahlungen

19.88 Während der Bauausführung spielen Abschlagszahlungen sowohl bei Zugrundeliegen eines Bauträgervertrags als auch bei Zugrundeliegen eines BGB- oder VOB-Bauvertrags eine bedeutende Rolle für den Vorleistungspflichtigen. Es handelt sich hierbei um vorläufige Zahlungen auf der Grundlage vorläufiger Berechnungen.86 Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die erbrachte Leistung nach der Fertigstellung endgültig abzurechnen, das Recht des Auftragnehmers, Abschlagszahlungen zu verlangen, erlischt. Das Gleiche gilt für den Fall der Beendigung des Vertrags durch Kündigung oder in anderer Weise. In der Bezahlung einer Abschlagsrechnung liegt grundsätzlich kein Anerkenntnis.87 Dementsprechend kann der Auftraggeber etwaige nach Schlussrechnungsreife ermittelte Überzahlungen zurückfordern.88 (1) Fälligkeit von Abschlagszahlungen im BGB-Vertrag

19.89 Der Unternehmer kann vom Besteller nach § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten, nach dem Vertrag geschuldeten, Leistungen verlangen. Sind die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Besteller nach § 632a Abs. 1 Satz 2 BGB die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern.

19.90 Nach § 632a Abs. 1 BGB a.F. wird eine Abschlagszahlung bei Vorliegen wesentlicher Mängel gar nicht erst fällig, nach der seit 1.1.2018 geltenden Regelung in § 632a Abs. 1 BGB dagegen schon.

19.91 Der Auftragnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Freiheit von Mängeln bzw. für die Höhe der Mangelbeseitigungskosten.89 84 Hierzu auch: OLG Celle, Urt. v. 25.8.2011 – 13 U 115/10, openjur 2012, 52160. 85 BGH, Urt. v. 29.1.2008 – XI ZR 160/07, BauR 2008, 986 = BGHZ 175, 161 = DB 2008, 1969 = DNotZ 2008, 511 = MDR 2008, 636 = NJW 2008, 1729 = NZBau 2008, 377 = NZM 2008, 372 = WM 2008, 729 = ZfBR 2008, 469 = ZIP 2008, 733. 86 BGH, Urt. v. 9.1.1997 – VII ZR 69/96, BauR 1997, 468; BGH, Urt. v. 15.4.2004 – VII ZR 471/01, BauR 2004, 1146 = MDR 2004, 993 = NJW-RR 2004, 957. 87 BGH, Urt. v. 11.1.2007 – VII ZR 165/05, IBR 2007, 120. 88 BGH, Urt. v. 11.2.1999 – VII ZR 399/97, BauR 1999, 516 = BauR 1999, 635 = BGHZ 140, 365 = NJW 1999, 1867. 89 BGH, Urt. v. 24.10.1996 – VII ZR 98/94, BauR 1997, 129; BGH, Urt. v. 4.7.1996 – VII ZR 125/95, BauR 1997, 133; BGH, Urt. v. 6.12.2007 – VII ZR 125/06.

1158

Aschenbrenner/Gantert

Grundlagen

Rz. 19.95 Teil 19

(2) Fälligkeit von Abschlagszahlungen im VOB-Vertrag Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B kann der Auftragnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen einschließlich Umsatzsteuer in möglichst kurzen Zeitabständen oder zu den vereinbarten Zeitpunkten verlangen. Die Leistungen sind durch eine prüfbare Aufstellung, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglichen muss, nachzuweisen.

19.92

Ist die teilerbrachte Leistung mangelhaft, ist der Auftraggeber gem. § 320 BGB berechtigt, einen angemessenen Betrag90 von der Abschlagsforderung so lange einzubehalten, bis der Auftragnehmer seiner Mangelbeseitigungspflicht nach § 4 Abs. 7 VOB/B nachgekommen ist.91 Auch hier spielt die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln für die Fälligkeit einer Abschlagszahlung keine Rolle. Für die Darlegungs- und Beweislast für die Freiheit von Mängeln bzw. für die Höhe der Mangelbeseitigungskosten gelten die Ausführungen unter (1) entsprechend.

19.93

bb) Während der Ausführung erkannte Mängel (1) Beim BGB-Vertrag Beim BGB-Vertrag hat der Auftraggeber grundsätzlich keine Möglichkeit, auf die Beseitigung von bereits während der Ausführung erkannten Mängel hinzuwirken.92 Er muss vielmehr abwarten, bis die vertraglich vereinbarte oder die übliche Leistungszeit abgelaufen ist. Betroffenen Auftraggebern ist – unabhängig davon, dass sie den Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung auffordern sollten – zu raten, die Mängel genau zu dokumentieren, um später die Abnahme ggf. unter Bezugnahme auf die Dokumentation des (möglicherweise dann verdeckten) Mangels verweigern zu können.

19.94

(2) Beim VOB-Vertrag Beim VOB-Vertrag hat der Auftragnehmer nach § 4 Abs. 7 VOB/B Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen. Hat er den Mangel bzw. die Vertragswidrigkeit der Leistung verschuldet, hat er auch den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zur Mängelbeseitigung nicht nach, muss ihm der Auftraggeber eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen und diese mit der Kündigungsandrohung verbinden, wenn er den Vertrag nach § 8 Abs. 3 VOB/B beenden und die Rechte aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B geltend machen will; die Fristsetzung alleine reicht nicht aus! Nach der Symptomtheorie des BGH93 muss der Auftraggeber mit der Mängelrüge die Mangelerscheinungen genau beschreiben; auf diese Weise macht er den Mangel selbst zum Gegenstand seiner Rüge. Die Mängelbeschreibung muss aus sich heraus verständlich sein und dem Auftragnehmer zu erkennen geben, was der Auftraggeber von ihm will.

90 Als Richtwert kann die Regelung in § 641 Abs. 3 BGB dienen. 91 Ingenstau/Korbion/Locher, VOB, 17. Aufl., § 16 VOB/B Abs. 1 Rz. 12 m.w.N.; BGH, Urt. v. 21.12.1978 – VII ZR 269/77, BauR 1979, 159; BGH, Urt. v. 21.4.1988 – VII ZR 65/87, BauR 1988, 474. 92 Hierzu auch: Joussen, BauR 2009, 319 ff. 93 Vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1985 – VII ZR 60/83, BauR 1985, 355; BGH, Urt. v. 21.2.2000 – VII ZR 192/98, BauR 2001, 630; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 113/00, BauR 2001, 1897; BGH, Urt. v. 18.1.1990 – VII ZR 260/88, BGHZ 110, 99 = BauR 1990, 356.

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1159

19.95

Teil 19 Rz. 19.95

Baurecht im WEG-Mandat

Zu beachten ist – wie oben erwähnt -, dass das Selbstvornahmerecht erst entsteht, wenn der Auftraggeber den Vertrag ordnungsgemäß gekündigt hat. Der Auftraggeber muss also den Vertrag kündigen, bevor er den Mangel der Leistung durch einen Dritten beseitigen lassen kann.

19.96 Da § 4 Abs. 7 VOB/B einer isolierten Inhaltskontrolle wohl nicht standhalten würde, wenn der Auftraggeber die VOB/B in den Vertrag einbezogen hat, sollten sich Auftraggeber gut überlegen, ob sie nach § 4 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B vorgehen sollen. Denn das Risiko, dass die Privilegierung der VOB/B entfällt, ist in der Praxis regelmäßig sehr hoch. cc) Nachträge (1) Nachträge beim BGB-Vertrag

19.97 Nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage kann grundsätzlich keine der Vertragsparteien den Inhalt des geschlossenen Vertrags einseitig ändern. Nur ausnahmsweise kann der Auftraggeber nach § 242 BGB das Recht haben, einseitig zusätzliche notwendige Leistungen anzuordnen.94 Sofern das vereinbarte Leistungssoll nicht ausreicht, den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeizuführen, ergibt sich aus dem im Werkvertragsrecht geltenden Kooperationsgebot, dass die Parteien verpflichtet sind, eine Nachtragsvereinbarung zu schließen.

19.98 Das hat sich mit Einführung des Bauvertragsrechts ins BGB geändert. Für den Bauvertrag – nicht für den Werkvertrag (!) – sind die Regelungen des § 650b BGB zu beachten. Demnach sind die Vertragsparteien – aufgrund ihrer Kooperationsverpflichtung – verpflichtet, im Fall eines zulässigen Änderungsbegehrens des Bestellers Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung anzustreben. Erst, wenn die Vertragsparteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung erzielen, kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist dann verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, einer Anordnung nach § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, d.h. einer Anordnung einer Änderung des vereinbarten Werkerfolgs, jedoch nur, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. Einer Anordnung einer Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist (§ 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB), muss der Unternehmer also grundsätzlich nachkommen. (aa) Einvernehmliche Änderungsvereinbarung

19.99 Nach der Regelung in § 650b Abs. 1 BGB sollen die Parteien im Fall eines Änderungsbegehrens des Bestellers eine einvernehmliche Regelung über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung anstreben. Hierfür muss der Unternehmer grundsätzlich ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung erstellen. Die Parteien sind aufgrund ihrer Kooperationsverpflichtung zum Verhandeln verpflichtet, ein Einigungszwang besteht jedoch nicht. (bb) Anordnungsrecht des Bestellers, Gegenstand einer Änderungsanordnung

19.100 Können sich die Parteien nicht einigen, kann der Besteller nach 30 Tagen ab Zugang seines Änderungsbegehrens beim Unternehmer die Änderung in Textform anordnen (§ 650b Abs. 2 BGB).

94 BGH, Urt. v. 25.1.1996 – VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392 = BauR 1996, 378.

1160

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Grundlagen

Rz. 19.104 Teil 19

Gegenstand einer Änderungsanordnung können nur Änderungen des vereinbarten Werkerfolgs nach § 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB oder Änderungen, die zur Erreichung des Werkerfolgs notwendig sind nach § 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB, sein. Änderungen der Bauumstände, insbesondere der Bauzeit, sind von § 650b BGB nicht umfasst. Ordnet der Besteller eine Änderungsleistung in der gehörigen Form an, hat der Unternehmer diese Anordnung zu befolgen. Der Unternehmer kann die Leistung also nicht unter Hinweis darauf, dass eine Einigung über die Vergütung nicht zustande gekommen ist, verweigern. Etwas anderes gilt nur, wenn der Besteller von Vorneherein sagt, dass er für den betreffenden Nachtrag nichts bezahlen werde. (cc) Vergütungsanpassung bei Anordnungen gemäß § 650b Abs. 2 BGB § 650c BGB regelt die Höhe des Vergütungsanspruchs des Unternehmers für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB vermehrten oder verminderten Aufwand.

19.101

Nach § 650c Abs. 1 BGB ist die Höhe des Vergütungsanspruchs nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. Maßgeblich sind also die tatsächlich erforderlichen Kosten, nicht die Urkalkulation. Der Unternehmer hat für die Ermittlung der Vergütung jedoch ein Wahlrecht: Er kann zur Berechnung der Vergütung „für den Nachtrag“ auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen. Dies wird mit der gesetzlichen Vermutung begründet, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach § 650c Abs. 1 BGB entspricht. Der Unternehmer kann also einzelne Nachträge nach der Urkalkulation, andere nach den tatsächlich erforderlichen Kosten abrechnen („Cherry-Picking“).

19.102

Ist der Besteller der Meinung, dass die auf der Basis der Urkalkulation ermittelte Nachtragsvergütung für einen einzelnen Nachtrag höher ist, als die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn, hat er die Möglichkeit, dies dem Unternehmer entgegenzuhalten. Bei der Berechnung von Abschlagszahlungen kann der Unternehmer 80 % einer in einem Angebot nach § 650b Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder keine anderslautende gerichtliche Entscheidung (s. sogleich Rz. 19.104 ff.) ergeht. Sofern der Unternehmer diesen Weg wählt und keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht, wird die geschuldete Mehrvergütung erst nach der Abnahme des Werks fällig. Abschlagszahlungen nach § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB, die die nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB geschuldete Mehrvergütung übersteigen, sind dem Besteller zurückzugewähren und ab ihrem Eingang beim Unternehmer zu verzinsen (§ 650c Abs. 3 BGB).

19.103

Diese 80 %-Regelung ist sehr umstritten, weil Sie den Unternehmer motiviert, das dem Besteller auf ein Änderungsbegehren hin zu unterbreitende Angebot entsprechend zu erhöhen und eine Einigung damit faktisch zu verhindern. (dd) Die sog. Bauverfügung Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung in Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b Abs. 2 BGB oder die Vergütungsanpassung gem. § 650c BGB ist es nach Beginn

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1161

19.104

Teil 19 Rz. 19.104

Baurecht im WEG-Mandat

der Bauausführung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 650d BGB).

19.105 Die Möglichkeit der sog. Bauverfügung wurde zum 1.1.2018 neu ins BGB eingeführt. Ob diese Vorschrift in der Praxis eine größere Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. (2) Nachträge beim VOB-Vertrag (aa) Anordnung von Änderungen des Bauentwurfs

19.106 Liegt ein VOB-Vertrag zu Grunde, kann der Auftraggeber nach § 1 Abs. 3 VOB/B Änderungen des Bauentwurfs – durch einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung – anordnen.95 Nach bisheriger Auffassung wurde der Begriff des Bauentwurfs eng ausgelegt; das Anordnungsrecht des Auftraggebers bezieht sich danach nur auf solche Leistungsinhalte, die zur technischen Bauausführung und den dazugehörigen Bauumständen gehören.

19.107 Da das Anordnungsrecht und die sich aus einer Anordnung ergebende Vergütung seit dem 1.1.2018 gesetzlich geregelt sind, stellt sich die Frage, inwieweit die gesetzliche Regelung als Leitbild anzusehen ist und inwieweit Abweichungen davon als unangemessen zu beurteilen sind. (bb) Anordnung zusätzlicher Leistungen

19.108 Der Auftraggeber kann nach § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B – wiederum durch einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung – auch verlangen, dass der Auftragnehmer nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, mit ausführt, außer wenn dessen Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden (§ 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B).

19.109 Auch diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit die gesetzliche Regelung als Leitbild anzusehen ist und inwieweit Abweichungen davon als unangemessen zu beurteilen sind, da das Anordnungsrecht und die sich aus einer Anordnung ergebende Vergütung seit dem 1.1.2018 gesetzlich geregelt sind. (cc) Wirksamkeit der Anordnung von Änderungs- oder Zusatzleistungen durch Dritte

19.110 Zu beachten ist, dass die für die Wirksamkeit einer Willenserklärung geltenden Regelungen – und damit insbesondere die Vertretungsregelungen – anwendbar sind. Das heißt, dass z.B. ein Architekt nur dann Änderungs- oder Zusatzleistungen beauftragen kann, wenn er entsprechend bevollmächtigt wurde.96 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass Bauleiter oder anderes technisches Personal keine originäre Vollmacht haben, Zusatz- und Änderungsaufträge zu vergeben. (dd) Vergütung von Änderungsleistungen

19.111 Werden durch eine Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3 VOB/B die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung 95 BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 346/01, BauR 2004, 495 = NJW-RR 2004, 449; BGH, Urt. v. 14.7.1994 – VII ZR 186/93, BauR 1994, 760; Thode, ZfBR 2004, 214 ff. 96 BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 346/01, BauR 2004, 495.

1162

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Grundlagen

Rz. 19.115 Teil 19

geändert, ist nach der Rechtsfolgenregelung des § 2 Abs. 5 VOB/B unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten ein neuer Preis zu vereinbaren, wobei dies vor der Ausführung geschehen soll. Typischerweise geschieht dies in Form der Annahme eines Nachtragsangebots. Einigen sich die Parteien dementsprechend vorab über die Vergütung, ist der vereinbarte Preis verbindlich. Der Vergütungsanspruch für die geänderte Leistung entsteht – unabhängig davon, ob eine Vergütungseinigung vorab erfolgt – mit der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts.97 Kommt eine entsprechende Einigung nicht zu Stande, ist nach § 2 Abs. 5 VOB/B ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren; nach der Entscheidung des BGH zur Vergütungsanpassung im Fall des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B,98 dessen Wortlaut identisch mit dem des § 2 Abs. 5 VOB/B ist, ist der neue Preis nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu bemessen. Mit dieser Entscheidung hat der BGH der jahrzehntelangen Praxis der Preisermittlung auf Basis der fortgeschriebenen Urkalkulation (nach der Korbion’schen Formel: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.“) eine Absage erteilt. Die Partei, die die Vergütungsänderung für sich geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die geänderte Vergütung.99 Sie hat die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 VOB/B darzulegen und im Streitfall zu beweisen. (ee) Vergütung von Zusatzleistungen Nach der Rechtsfolgenverweisung des § 2 Abs. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung, wenn der Auftraggeber nach § 1 Abs. 4 VOB/B eine vertraglich nicht vorgesehene Leistung fordert, wobei er den Anspruch vor der Ausführung der Leistung ankündigen muss.

19.112

Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung und soll „möglichst“ vor Beginn der Ausführung vereinbart werden.

19.113

Wird eine Vergütung vereinbart, ist diese maßgeblich. Aber auch hier gilt: Der Vergütungsanspruch entsteht bereits mit der Leistungsanordnung.100

19.114

Während die Ankündigung des Vergütungsanspruchs nach älterer Rechtsprechung grundsätzlich Voraussetzung für den Vergütungsanspruch war,101 soll der Vergütungsanspruch nach jüngerer Rechtsprechung dann nicht verloren gehen, wenn die Ankündigung im Einzelfall zum Schutz des Auftraggebers entbehrlich war oder wenn das Versäumnis ausnahmsweise entschuldigt ist.102

19.115

97 98 99 100 101 102

BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 346/01, BauR 2004, 495. BGH, Urt. v. 8.8.2019 – VII ZR 34/18, MDR 2019, 1186. KG, Urt. v. 22.8.2005 – 10 U 54/01, IBR 2007, 64. BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 346/01, BauR 2004, 495 = NJW-RR 2004, 449. BGH, Urt. v. 20.12.1990 – VII ZR 248/89, BauR 1991, 210 (215) = NJW-RR 1991, 534. BGH, Urt. v. 23.5.1996 – VII ZR 245/94, BGHZ 133, 44 = BauR 1996, 542; BGH, Urt. v. 8.11.2001 – VII ZR 111/00, BauR 2002, 312 = NJW 2002, 750; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.2002 – 22 U 25/02, BauR 2005, 438.

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1163

Teil 19 Rz. 19.116

Baurecht im WEG-Mandat

(ff) Nachlässe

19.116 Die Beantwortung der Frage, ob für das ursprünglich vereinbarte Bausoll vereinbarte Nachlässe auch auf Zusatzleistungen zu gewähren sind, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln.103 (3) Kein Leistungsverweigerungsrecht wegen Ablehnung einer Vergütungsänderung

19.117 Nachdem es für das Entstehen und die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs keiner Vereinbarung über die neue Vergütung bedarf, kann der Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht nicht alleine darauf stützen, dass sich der Auftraggeber weigert, sich mit ihm über die Vergütung zu einigen.104 Verweigert dagegen der Auftraggeber zu Unrecht endgültig eine geänderte bzw. zusätzliche Vergütung für eine entsprechende Leistung, kann der Auftragnehmer die Ausführung der betreffenden Leistungen verweigern.105 An eine endgültige Verweigerung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. dd) Bauhandwerkersicherung, § 650f BGB (1) Die gesetzliche Regelung

19.118 Nach § 650f BGB, der bis auf die Regelung in Absatz 6 Nr. 2 inhaltlich dem § 648a BGB a.F. entspricht, kann der Unternehmer106 vom Besteller Sicherheit für die – auch in Zusatzaufträgen – vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 % des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, sowie für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten, verlangen. Auf eine Gefährdung der Vergütung – wie etwa bei § 321 BGB – kommt es dabei nicht an. Anders als beim Anspruch nach § 650e BGB kommt es auch nicht auf die Wertsteigerung des Grundstücks an, sondern auf die vereinbarte Vergütung.

19.119 Besteller ist vom Grundsatz her jeder, der Leistungen an einem Bauwerk oder einer Außenanlage oder Architektenleistungen in Auftrag gibt, und zwar unabhängig davon, ob er auch Eigentümer des Grundstücks ist. Auch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist Besteller, wenn sie im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums Bauverträge abschließt.

19.120 Nach § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a.F. schied eine Bauhandwerkersicherung aus, wenn eine natürliche Person Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhau103 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.9.1992 – 23 U 224/91, BauR 1993, 479; OLG Hamm, Urt. v. 13.1.1995 – 12 U 84/94, BauR 1995, 564; BGH, Urt. v. 24.7.2003 – VII ZR 79/02, BauR 2003, 1892 = NJW-RR 2004, 92. 104 OLG Celle, Urt. v. 26.5.1993 – 6 U 139/92, IBR 1995, 415; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.7.2004 – 21 U 178/03, BauR 2006, 531. 105 BGH, Urt. v. 24.6.2004 – VII ZR 271/01, BauR 2004, 1613 = NJW-RR 2004, 1539; BGH, Urt. v. 13.3.2008 – VII ZR 194/06, NJW 2008, 2106 = MDR 2008, 739; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 19.10.2005 – 4 U 151/04, BauR 2006, 529; OLG Jena, Urt. v. 22.3.2005, BauR 2005, 1161 (1171); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.1995 – 21 U 219/94, BauR 1995, 707; OLG Celle, Urt. v. 25.10.2001 – 14 U 74/00, BauR 2003, 890; OLG Dresden, Urt. v. 21.11.1997 – 7 U 1905/97, BauR 1998, 565 (568). 106 § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB spricht nur noch vom „Unternehmer“, nicht mehr vom „Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon“, wie § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.; dies macht jedoch keinen inhaltlichen Unterschied, weil § 650f BGB nach § 650a Abs. 1 Satz 2 BGB nur für Bauverträge gilt.

1164

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Grundlagen

Rz. 19.125 Teil 19

ses (mit oder ohne Einliegerwohnung) ausführen ließ. Hintergrund für diese Regelung war, dass der Gesetzgeber das Ausfallrisiko des Auftragnehmers als gering bewertete, weil solche Bauvorhaben üblicherweise solide finanziert seien und die natürliche Person lebenslang für den Werklohnanspruch hafte. Eine Sicherheit schied daher wohl auch für diejenigen Privatpersonen, die Bauleistungen an ihrer einzelnen Eigentumswohnung in Auftrag gegeben haben, aus,107 nicht aber, wenn der Verband Sanierungsaufträge für das Gemeinschaftseigentum vergeben hat. Bei Verträgen, die nach dem 31.12.2017 abgeschlossen wurden/werden, scheidet eine Bauhandwerkersicherung nur aus, wenn der Besteller Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB oder um einen Bauträgervertrag nach § 650u BGB handelt (§ 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB).

19.121

Der Auftragnehmer kann die Sicherheit in jeder Phase des Bauvorhabens, also vom Zeitpunkt 19.122 des Abschlusses des Vertrags bis zur Bezahlung der vollen Vergütung – auch noch nach der Abnahme – verlangen, vgl. § 650f Abs. 1 Satz 3 BGB. Ein überhöhtes Sicherungsverlangen führt grundsätzlich nicht zum Entfall des Sicherungsanspruchs. Die Frage ist, ob der Auftraggeber dennoch verpflichtet ist, dem Auftragnehmer rechtzeitig Sicherheit in angemessener Höhe anzubieten oder ob er diese auch übergeben muss.108 Unabhängig davon riskiert der Auftragnehmer im Falle einer schuldhaften Zuviel-Forderung, sich nach §§ 241 Abs. 2, 280 BGB schadensersatzpflichtig zu machen. Zu beachten ist, dass nach § 650f Abs. 1 S. 3 BGB etwaige Mängel der vom Auftragnehmer erbrachten (Teil-)Leistung für den Anspruch auf Sicherheitsleistung irrelevant sind. Steht dem Auftraggeber allerdings bereits ein auf Zahlung gerichteter Mängelanspruch zu, ist ein erstmals danach gestelltes Sicherungsverlangen des Auftragnehmers unbeachtlich. Das Gleiche gilt, wenn eine dem Auftragnehmer zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist abgelaufen ist, bevor die dem Auftraggeber vom Auftragnehmer gesetzte Frist zur Stellung einer Sicherheit ihrerseits abläuft.

19.123

Lässt der Auftraggeber eine ihm gesetzte, angemessene Frist zur Sicherheitsleistung fruchtlos verstreichen, kann der Auftragnehmer nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung besteht sofort nach Ablauf der angemessenen Frist. Wird der Vertrag gekündigt, führt dies zur Zweiteilung des Vertrags109 und zur Notwendigkeit der Abnahme des Teilwerks, wenn der Auftragnehmer den hierauf entfallenden Werklohn fällig stellen will.110

19.124

Will der Auftragnehmer den Vertrag nicht kündigen und sich auch nicht darauf beschränken, lediglich die Leistung zu verweigern, kann er die Sicherheit einklagen.111 Der Auftraggeber hat jedoch die Wahl, welche Art von Sicherheit er leistet. Auch dann, wenn der Auftragnehmer eine Bauhandwerkersicherungshypothek an dem Baugrundstück des Auftraggebers eintragen lassen hat, kann er regelmäßig weiterhin über § 650f BGB vorgehen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Sicherungshypothek

107 108 109 110 111

OLG München, Urt. v. 15.1.2008 – 13 U 4378/07, IBR 2008, 576. OLG Düsseldorf v. 6.10.2009 – 21 U 130/08, IBR 2010, 25. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 9. Teil Rz. 8, 42 f. Messerschmidt/Voit/Cramer, Privates Baurecht, 2008, „FoSiG-update“, § 648a Rz. 106. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 12.4.2010 – 17 O 11183/09, IBR 2010, 336.

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1165

19.125

Teil 19 Rz. 19.125

Baurecht im WEG-Mandat

mündelsicher oder jedenfalls auch von der Rangstelle her (annähernd) gleichwertig ist.112 Umgekehrt ist dagegen nach § 650f Abs. 4 BGB der Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek ausgeschlossen, wenn der Auftragnehmer bereits eine Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 oder 2 BGB erlangt hat.

19.126 Nach § 650f Abs. 7 BGB ist eine von den Vorschriften der Absätze 1–5 abweichende Vereinbarung unwirksam. Die Vertragsparteien können jedoch wirksam von § 650f BGB abweichende Sicherheiten vereinbaren. Hierauf ist § 650f BGB dann nicht anwendbar.113 Verlangt der Auftragnehmer in einem solchen Fall daneben Sicherheit nach § 650f BGB, muss er sich eine bereits gewährte Sicherheit anrechnen lassen. (2) Die Bedeutung des § 650f BGB für die WEG

19.127 Nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft als Auftraggeberin von Bauleistungen auf Verlangen des Auftragnehmers eine Sicherheit leisten muss und der Auftragnehmer die Leistung verweigern, den Vertrag kündigen oder die Sicherheit einklagen kann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist sie gut beraten, wenn sie zum Zeitpunkt der Beauftragung über die nötigen Mittel verfügt. Die Frage, ob sie sich strafrechtlich relevant verhält, wenn sie einen Bauvertrag schließt, ohne über die nötige finanzielle Ausstattung zu verfügen, soll hier nicht thematisiert werden. ee) Sicherungshypothek des Bauunternehmers, § 650e BGB

19.128 Nach § 650e BGB, der inhaltlich dem § 648 BGB a.F. entspricht, hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, seine Ansprüche aus dem mit dem Auftraggeber geschlossenen Vertrag dinglich abzusichern, sofern dieser Eigentümer des Baugrundstücks ist. Er kann verhältnismäßig schnell eine Vormerkung in das Grundbuch eintragen lassen und den Auftraggeber – insbesondere, wenn dieser das Grundstück veräußern will – damit unter Druck setzen. Der Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung ist im Wege der einstweiligen Verfügung – rangwahrend – titulierbar.

19.129 Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Bauleistungen zur Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums vergeben, ist, sofern sich die Wohnungseigentümer nicht ausnahmsweise selbst verpflichtet haben, Schuldner des Vergütungsanspruchs der Verband (§ 10 Abs. 6 S. 2 WEG), der jedoch nicht Eigentümer des Gebäudegrundstücks ist. Die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek scheidet damit vom Wortlaut des § 650e BGB her aus.

19.130 Für Verbindlichkeiten des Verbands, die während der Zugehörigkeit bestimmter Wohnungseigentümer zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind, haften diese neben114 dem Verband (nicht subsidiär!) nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Miteigentumsanteils (§ 10 Abs. 8 S. 1 WEG). Sie sind aber nicht „Besteller“ im Sinne des § 650e BGB. Dennoch kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Leistungen des Auftragnehmers wirtschaftlich letztlich den einzelnen Wohnungseigentümern zugutekommen. Denn sie sind es, die die Gemeinschaft beherrschen und das Gemeinschaftseigentum nutzen. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben115 müssen sie sich deshalb im Bereich der dinglichen 112 113 114 115

OLG Dresden, Urt. v. 30.10.2007 – 6 U 1213/06, BauR 2008, 1161 (1163). BGH, Urt. v. 11.5.2006 – VII ZR 146/04, BGHZ 167, 345. Derleder/Fauser, ZWE 2007, 2. BGH, Urt. v. 22.10.1987 – VII ZR 12/87, BauR 1988, 88.

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Grundlagen

Rz. 19.135 Teil 19

Haftung wie „Besteller“ behandeln lassen.116 Der Auftragnehmer kann sich hinsichtlich seines noch nicht befriedigten Vergütungsanspruchs für bereits erbrachte Leistungen eine Sicherungshypothek (bzw. eine Vormerkung für diese) in das Wohnungsgrundbuch eines, mehrerer oder auch aller Wohnungseigentümer – in Höhe der jeweiligen Haftungsquote – eintragen lassen. Die Eintragung einer Gesamthypothek ist dagegen nicht möglich.117 Soweit der Auftragnehmer für seinen Vergütungsanspruch eine Sicherheit nach § 650f Abs. 1 oder 2 BGB erlangt hat, ist ein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek ausgeschlossen (§ 650f Abs. 4 BGB).

19.131

Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung einer Sicherungshypothek ist sowohl sachlich wie auch örtlich das Gericht zuständig, bei dem die Hauptsache zu verhandeln ist (§§ 937, 943 ZPO). Hauptsacheklage ist hierbei die Klage auf Einräumung der Sicherungshypothek.118 Nach § 942 Abs. 2 ZPO kann darüber hinaus das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist, die einstweilige Verfügung erlassen. Dies gilt auch dann, wenn der Fall nicht dringlich ist.

19.132

c) Abnahme der Bauleistung und Rechtswirkungen der Abnahme Die Abnahme ist die mit der körperlichen Hinnahme des Werkes verbundene Billigung desselben als der Hauptsache nach vertragsgemäße Leistung.119 Demnach kann die Übergabe des Sondereigentums nicht zu einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums führen.120

19.133

Mit der Abnahme wird das vertragliche Erfüllungsstadium beendet, und die Leistungsverpflichtung des Auftragnehmers konzentriert sich auf das abgenommene Werk. Außerdem beginnt mit der Abnahme – ebenso mit endgültiger Abnahmeverweigerung121 – die Frist für die Verjährung von Mängelansprüchen zu laufen. Der Auftragnehmer trägt die Leistungs- und die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme. Darüber hinaus ist die Abnahme grundsätzlich Voraussetzung für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs. Die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers entfällt mit der Abnahme; von diesem Zeitpunkt an sind die gegenseitigen Vertragsverpflichtungen Zug um Zug abzuwickeln. Der Auftragnehmer trägt bis zur Abnahme die Beweislast für die Mangelfreiheit, sie dreht sich mit der Abnahme um, sofern nicht ein Vorbehalt nach § 640 Abs. 3 BGB erklärt wurde. Nach § 641 Abs. 4 BGB ist der Werklohn mit der Abnahme gesetzlich zu verzinsen, sofern er nicht gestundet ist.

19.134

aa) Besonderheiten beim VOB-Vertrag Nach § 12 Abs. 2 VOB/B kann der Auftragnehmer die Teilabnahme in sich abgeschlossener Leistungen verlangen. Nach der Rechtsprechung muss es sich um abgeschlossene, als selbstän-

116 A.A.: Drasdo, NJW-Spezial 2008, 513 (514). 117 Elzer in Riecke/Schmid, § 10 WEG Rz. 520 f.; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 10 WEG Rz. 99. 118 BayObLG, Beschl. v. 15.6.2000 – 2Z BR 46/00, ZIP 2000, 1263; OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2003 – 16 W 33/03, NJW-RR 2003, 1529. 119 BGH, Urt. v. 24.11.1969 – VII ZR 177/67, NJW 1970, 421; BGH, Urt. v. 15.11.1973 – VII ZR 110/71, BauR 1974, 67; BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 185/81, BauR 1983, 573. 120 BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 185/81, ZfBR 1983, 260. 121 BGH, Urt. v. 8.7.2010 – VII ZR 171/08, NJW 2010, 3573.

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1167

19.135

Teil 19 Rz. 19.135

Baurecht im WEG-Mandat

dig und von den übrigen Teilleistungen unabhängig anzusehende Teilleistungen, die sich in ihrer Gebrauchsfähigkeit abschließend beurteilen lassen, handeln.122

19.136 Bei der in § 4 Abs. 10 VOB/B geregelten technischen Abnahme handelt es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Abnahme, sondern nur um eine technische Kontrolle der bis dato erbrachten Leistungen, wenn diese später nicht mehr möglich ist.123 bb) Abnahme nach Kündigung

19.137 Auch im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Werkvertrages ist die Abnahme der bis dato erbrachten Leistung Voraussetzung dafür, dass die Wirkungen der Abnahme eintreten, insbesondere, dass die Frist für die Verjährung von Mängelansprüchen zu laufen beginnt,124 aber auch, um die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs auszulösen.

19.138 Für den VOB-Vertrag ergibt sich dies aus der Regelung in § 8 Abs. 7 VOB/B, wobei die fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B ausgeschlossen ist.125 Die Abnahmefiktion gemäß § 640 Abs. 1 S. 3 BGB a.F. soll dagegen möglich sein.126 Dies gilt dann wohl auch für die Abnahmefiktion nach § 640 Abs. 2 BGB.

19.139 Zu beachten ist, dass die Abnahme auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann, z.B. durch die beanstandungslose Fortführung der vom gekündigten Auftragnehmer erbrachten Leistung oder durch die Nutzung der von einem Dritten nachgebesserten Leistung.127 d) Abrechnung und Rechnungsprüfung aa) Die Vergütungsvereinbarung (1) Beim BGB-Vertrag

19.140 In der Regel schließen die Bauvertragsparteien eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, wie die vom Auftragnehmer zu erbringende Werkleistung zu vergüten ist (vgl. § 631 Abs. 1 BGB). Ist jedoch ein Werkvertrag zu Stande gekommen und steht fest, dass die Parteien keine Vereinbarung über die Vergütung getroffen haben, und ist darüber hinaus die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten, regelt § 632 Abs. 1 und 2 BGB, dass und in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet ist. Der Vergütungsanspruch ergibt sich auch für den Fall, dass sich die Parteien auf zusätzliche oder geänderte Leistungen (ggf. konkludent) einigen, ohne eine Vergütungsvereinbarung zu treffen, aus § 632 BGB. Davon zu unterscheiden sind die Fälle von Anordnungen nach § 650b Abs. 2 BGB; hierfür ist § 650c BGB einschlägig. (2) Beim VOB-Vertrag

19.141 § 632 BGB ist auch bei Zugrundeliegen eines VOB-Vertrags anwendbar, sofern dieser keine Vergütungsvereinbarung enthält; der Umstand, dass die Parteien die VOB/B vereinbart ha122 BGH, Urt. v. 21.12.1978 – VII ZR 269/77, BauR 1979, 159. 123 BGH, Urt. v. 6.5.1968 – VII ZR 33/66, BGHZ 50, 160 f. 124 BGH, Urt. v. 19.12.2002 – VII ZR 103/00, BauR 2003, 689 = BGHZ 153, 244 = NJW 2003, 1450. 125 Thode, ZfBR 1999, 116 (123). 126 Brügmann/Kenter, NJW 2003, 2121 (2124). 127 BGH, Urt. v. 11.5.2006 – VII ZR 146/04, BGHZ 167, 345.

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Grundlagen

Rz. 19.146 Teil 19

ben, wird in der Regel dafür sprechen, dass die zu erbringenden Leistungen entgeltlich zu erbringen sind. Die von der h.M. in der Literatur vertretene Einheitspreisvermutung wurde bisher vom 19.142 BGH nicht anerkannt.128 Der Auftragnehmer muss daher auch bei Zugrundeliegen eines VOB-Vertrags die Behauptung des Auftraggebers, wonach ein Pauschalpreis vereinbart worden sein soll, widerlegen. Beinhaltet jedoch der VOB-Vertrag eine Vergütungsvereinbarung, gilt § 632 BGB nicht für Nachtragsarbeiten, die ohne gesonderte Vergütungsabrede ausgeführt werden (vgl. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B).129 Werden jedoch andere zusätzliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B beauftragt, ist zu unterscheiden, ob es sich um unabhängige Anschluss- oder Folgeaufträge handelt (dann greift § 632 BGB) oder nicht (dann greift § 2 Abs. 6 VOB/B). bb) Erfordernis der Erstellung der (prüffähigen Schluss-) Rechnung (1) Beim BGB-Vertrag Liegt ein BGB-Vertrag zu Grunde, ist nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage die Stellung einer (prüffähigen) Rechnung für die Fälligkeit der Forderung (i.S.d. Verjährungsvorschriften) nicht erforderlich. Der Auftraggeber kann jedoch mit der Zahlung des Werklohns nicht in Verzug geraten, wenn er mangels prüfbarer Abrechnung gar nicht in der Lage ist, seine Zahlungsverpflichtung zu beurteilen.130

19.143

(aa) Beim Werkvertrag

19.144

Die obigen Ausführungen gelten nach wie vor für den Werkvertrag, § 641BGB. (bb) Beim Bauvertrag Nach § 650g Abs. 4 BGB ist die Vergütung zu entrichten, wenn der Besteller das Werk abgenommen hat oder die Abnahme nach § 641 Abs. 2 BGB entbehrlich ist, und der Unternehmer dem Besteller eine prüffähige Schlussrechnung erteilt hat. Die Schlussrechnung ist prüffähig, wenn sie eine übersichtliche Aufstellung der erbrachten Leistungen enthält und für den Besteller nachvollziehbar ist. Sie gilt als prüffähig, wenn der Besteller nicht innerhalb von 30 Tagen nach ihrem Zugang begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat.131

19.145

(2) Beim VOB-Vertrag Liegt ein VOB-Vertrag zu Grunde, hat der Auftragnehmer seine Leistungen nach § 14 VOB/B prüfbar abzurechnen, wobei immer auf das Informations- und Kontrollinteresse des Auftraggebers abzustellen ist.132 Der Auftragnehmer kann die Schlussrechnung stellen, sobald er die geschuldeten Leistungen erbracht hat; auf die Abnahme kommt es insoweit nicht an.

128 BGH, Urt. v. 9.4.1981 – VII ZR 262/80, NJW 1981, 1442 = BauR 1981, 338. 129 § 632 BGB gilt allerdings für Zusatzleistungen nach § 2 Abs. 9 VOB/B. 130 BGH, Urt. v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, NJW 2006, 3271; BGH, Urt. v. 20.10.1988 – VII ZR 302/87, BauR 1989, 87 (89). 131 Dabei hat sich der Gesetzgeber an der entsprechenden Regelung in § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B orientiert. 132 BGH, Urt. v. 26.10.2000 – VII ZR 99/99, NJW 2001, 521.

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19.146

Teil 19 Rz. 19.146

Baurecht im WEG-Mandat

Beim Pauschalpreisvertrag ergeben sich normalerweise keinerlei Probleme; wurde der Vertrag vollständig durchgeführt, muss der Auftragnehmer lediglich die vereinbarte Pauschalsumme abrechnen. Beim Einheitspreisvertrag ist dagegen auf die Reihenfolge der Positionen aus dem Angebot/ Leistungsverzeichnis und auf die Verwendung der gleichen Bezeichnungen für die einzelnen Leistungspositionen zu achten, außerdem ist der Rechnung das Schlussaufmaß beizufügen. Nachträge sind – wie auch beim Pauschalpreisvertrag – besonders zu kennzeichnen.

19.147 Die Frage, ob eine Rechnung inhaltlich richtig ist oder nicht, ist irrelevant für die Frage nach der Prüfbarkeit der Rechnung.133 (3) Die Abrechnung des gekündigten Bauvertrags

19.148 Schwierigkeiten bereitet in der Praxis immer wieder die Abrechnung nach der vorzeitigen Beendigung eines Werk- oder Bauvertrags.

19.149 Beim Einheitspreisvertrag sind die erbrachten Leistungen nach Vertragspreisen, die nicht erbrachten sind – bei freier Vertragskündigung – grundsätzlich positionsweise unter konkreter Darlegung der ersparten Aufwendungen nach § 648 S. 2 BGB, der § 649 BGB a.F. entspricht, abzurechnen.134 Auf die Vermutungsregelung des § 648 S. 3 BGB wird hingewiesen.135

19.150 Beim Pauschalpreisvertrag ist aus dem Gesamtpreis ein anteiliger Pauschalpreis für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu ermitteln. Für die Prüfbarkeit der Rechnung kommt es maßgeblich auf die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen an.136 Nach der Rechtsprechung muss der Auftragnehmer grundsätzlich zunächst ermitteln, welche Leistungen insgesamt für die vereinbarte Pauschale geschuldet waren; dazu muss er – sofern er nicht vor Abschluss des Pauschalvertrags ein detailliertes Angebot mit Einzelpreisen, auf das zurückgegriffen werden kann, erstellt hat137 – nachträglich ein detailliertes Leistungsverzeichnis erstellen, wobei er Preiskorrekturen bei den Einzelpreisen vornehmen muss, sofern er bei der Kalkulation des Pauschalpreises ganze Leistungspositionen vergessen hat.138 Bei der Bildung des Pauschalpreises gewährte Nachlässe sind zu berücksichtigen. Nur ausnahmsweise – wenn zum Zeitpunkt der Vertragskündigung 95 % der Bauleistungen oder mehr erbracht wurden – kann der Auftragnehmer auf das Aufmaß sämtlicher erbrachter Leistungen verzichten. Es genügt dann, wenn er die fehlenden Leistungen mengenmäßig und preislich erfasst.139 Bei freier Kündigung kann der Auftragnehmer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B auch den „entgangenen Gewinn“ abrechnen (vgl. § 648 BGB).

133 134 135 136

BGH, Urt. v. 6.7.2000 – VII ZR 22/98, BauR 2000, 1485. BGH, Urt. v. 14.1.1999 – VII ZR 277/97, NJW-RR 1999, 745. BGH, Urt. v. 28.7.2011 – VII ZR 45/11, IBR 2011, 570. BGH, Urt. v. 4.7.1996 – VII ZR 227/93, NJW 1996, 3270; BGH, Urt. v. 2.5.2002 – VII ZR 325/00, NJW-RR 2002, 1177; BGH, Urt. v. 25.7.2002 – VII ZR 263/01, NJW-RR 2002, 1532. 137 BGH, Urt. v. 4.7.1996 – VII ZR 227/93, NJW 1996, 3270. 138 Brandenburgisches OLG, Urt. v. 17.5.2006 – 4 U 208/98, IBR 2006, 612. 139 OLG Hamm, Urt. v. 10.1.2006 – 24 U 94/05, IBR 2006, 383; OLG Celle, Urt. v. 4.1.2007 – 13 U 244/05, IBR 2008, 427.

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Rz. 19.156 Teil 19

cc) Fälligkeit der Vergütung – Rüge der fehlenden Prüfbarkeit Liegt ein BGB-Werkvertrag zu Grunde, ist die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB).

19.151

Liegt ein BGB-Bauvertrag zu Grunde, gilt die Schlussrechnung als prüffähig, wenn der Be- 19.152 steller nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat. Fälligkeitsvoraussetzung ist zudem die Abnahme (§ 650g Abs. 4 BGB). Liegt ein VOB-Vertrag zu Grunde, wird der Anspruch auf Schlusszahlung alsbald nach Prü- 19.153 fung und Feststellung fällig, spätestens innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung. Die Frist verlängert sich auf höchstens 60 Tage, wenn sie aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist und ausdrücklich vereinbart wurde. Werden Einwendungen gegen die Prüfbarkeit unter Angabe der Gründe nicht bis zum Ablauf der jeweiligen Frist erhoben, kann der Auftraggeber sich nicht mehr auf die fehlende Prüfbarkeit berufen. Die Prüfung der Schlussrechnung ist nach Möglichkeit zu beschleunigen. Verzögert sie sich, so ist das unbestrittene Guthaben als Abschlagszahlung sofort zu zahlen (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B). Fälligkeitsvoraussetzung ist zudem die Abnahme. Grundsätzlich kann der Auftraggeber die Prüfungsfrist voll ausnützen, er sollte allerdings die ihm übermittelte Schlussrechnung unverzüglich nach Zugang daraufhin prüfen, ob alle notwendigen Unterlagen beigefügt wurden und fehlende Unterlagen unverzüglich anfordern, um sich den Einwand der mangelnden Prüfbarkeit der Rechnung nicht abzuschneiden.140

19.154

Will der Auftraggeber den Einwand der Nichtprüfbarkeit erheben, muss er innerhalb der Prü- 19.155 fungsfrist konkret darlegen, welche Teile der Schlussrechnung aus welchen Gründen nicht prüfbar sein sollen. Die pauschale Zurückweisung der Rechnung als nicht prüffähig genügt nicht.141 Verklagt der Auftragnehmer den Auftraggeber in einem solchen Fall auf Werklohn, reicht es allerdings nicht, sich auf die Fälligkeit der Schlussrechnung wegen rügelosen Ablaufs der Frist zu berufen, vielmehr ist die Berechtigung der Forderung substantiiert darzulegen; im Prozess muss also der Auftragnehmer doch eine prüfbare Rechnung erstellen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).142 dd) Verjährung des Werklohnanspruchs (1) Regelmäßige Verjährungsfrist Der Werklohnanspruch verjährt sowohl beim BGB-Vertrag als auch beim VOB-Vertrag innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjährt der Anspruch nach § 199 Abs. 4 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an.

140 OLG Nürnberg, Urt. v. 9.7.1999 – 6 U 3845/98, BauR 1999, 1316 = NJW-RR 1999, 1619 = OLGReport 1999, 348. 141 OLG Dresden, Urt. v. 27.1.2006 – 12 U 2705/99, BauR 2008, 139. 142 BGH, Urt. v. 23.9.2004 – VII ZR 173/03, BauR 2004, 1937 = NJW-RR 2005, 167; BGH, Urt. v. 22.12.2005 – VII ZR 316/03, IBR 2006, 128.

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19.156

Teil 19 Rz. 19.157

Baurecht im WEG-Mandat

(2) Sonderfall Bauträgervertrag

19.157 Umstritten ist, wann der Vergütungsanspruch des Bauträgers verjährt. Nach Auffassung des OLG München unterliegt der Vergütungsanspruch (auch bzgl. der einzelnen Raten nach § 3 Abs. 2 MaBV) der Regelverjährung nach § 195 BGB, weil es um den werkvertraglichen Teil des Bauträgervertrags geht.143 Dagegen wird eingewendet, dass es sich bei der Vergütung um einen einheitlichen Entgeltanspruch handelt, für welchen nicht (wie vor der Schuldrechtsreform) die kurze Verjährungsfrist für werkvertragliche Leistungen gelten kann, da für den Vergütungsanspruch bei Grundstückskaufverträgen mit § 196 BGB eine Spezialnorm geschaffen wurde.144 Demnach soll – auch für die Ansprüche aus den einzelnen Abschlagsrechnungen – die zehnjährige Verjährungsfrist gelten. (3) Keine Verjährung ohne Fälligkeit

19.158 Die Verknüpfung der Fälligkeit des Werklohnanspruchs mit der Rechnungsstellung hat zur Folge, dass der Anspruch überhaupt nicht verjährt, wenn der Auftragnehmer keine prüfbare oder überhaupt keine Schlussrechnung vorlegt.145 Es kommt dann darauf an, ob die Forderung verwirkt ist. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Auftraggeber nach rügelosem Ablauf der Prüffrist nicht auf die fehlende Prüfbarkeit berufen kann. Auch dann, wenn das Kontroll- und Prüfungsinteresse des Auftraggebers erfüllt ist; obwohl die Rechnung objektiv nicht prüffähig ist, wird der Werklohnanspruch fällig und die Verjährungsfrist beginnt zu laufen.146 (4) Beginn der Verjährung im Einzelfall

19.159 Liegt eine nicht prüffähige Rechnung vor, beginnt die Verjährung des Vergütungsanspruchs mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prüffrist abgelaufen ist, sofern keine qualifizierte Rüge der Nichtprüfbarkeit erfolgt ist. Rügt jedoch der Auftraggeber die Nichtprüfbarkeit der Rechnung innerhalb der Prüffrist qualifiziert und ist er nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB gehindert, sich auf die fehlende Prüfbarkeit zu berufen, beginnt die Frist gar nicht zu laufen.147 Hat der Auftraggeber die Rechnung geprüft, beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem er dem Auftragnehmer das Prüfungsergebnis mitgeteilt hat. (5) Das Recht zur Selbstaufstellung der Schlussrechnung

19.160 Nach der Regelung in § 14 Abs. 4 VOB/B kann der Auftraggeber selbst auf Kosten des Auftragnehmers eine prüfbare Rechnung aufstellen, wenn dieser keine prüfbare Rechnung einreicht, obwohl ihm der Auftraggeber dafür eine angemessene Frist gesetzt hat. In diesem Fall wird die

143 OLG München, Beschl. v. 16.2.2015 – 9 U 3997/14. 144 Vgl. Vogel, NZM 2017, 681, 684. 145 BGH, Urt. v. 21.6.2001 – VII ZR 423/99, BauR 2001, 1610 = NZBau 2001, 574; BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 288/02, BauR 2004, 316 (384) = NJW-RR 2004, 445, Leitmeier, NZBau 2009, 345. 146 OLG München, Urt. v. 3.2.1993 – 27 U 232/92, BauR 1993, 346. 147 Beginn der Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem die Umstände, die den Verstoß gegen Treu und Glauben begründen, nach außen getreten sind, vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 288/02, BGHZ 157, 118 = NJW-RR 2004, 445.

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Grundlagen

Rz. 19.162 Teil 19

Werklohnforderung mit dem Zugang der Rechnung beim Auftragnehmer – auch dann, wenn die Rechnung nur zum Teil prüffähig war – fällig.148 ee) Prozessuales Wird die Werklohnforderung im Prozess nicht schlüssig dargelegt, ist eine hierauf gerichtete Klage – ggf. nach entsprechenden richterlichen Hinweisen – abzuweisen.

19.161

Wie oben bereits angesprochen, entsprechen die für die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung entwickelten Grundsätze weitgehend den Anforderungen für den schlüssigen Vortrag des Werklohnanspruchs. Wird eine Werklohnklage nicht schlüssig begründet, ist sie (endgültig) abzuweisen.149 Es ist also fatal für den Auftragnehmer, Werklohnklage auf der Grundlage einer mangels Rüge fällig gewordenen, aber nicht prüffähigen Rechnung zu erheben, ohne diese im Prozess „prüfbar“, d.h. schlüssig zu machen.150 Beim gekündigten VOB-Vertrag sieht die Sache anders aus: Die Fälligkeit der sich aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung ergebenden vergütungsgleichen Ansprüche des Auftragnehmers hängt nach § 8 Abs. 7 VOB/B von der Erteilung einer prüfbaren Rechnung ab.151 Eine Werklohnklage ist abzuweisen, wenn es an einer prüfbaren Rechnung fehlt und der Auftraggeber nicht nach Treu und Glauben daran gehindert ist, sich hierauf zu berufen. Stützt das Gericht die Klageabweisung darauf, dass die Rechnung nicht prüfbar und daher der Anspruch nicht fällig war, ist die Klage als „derzeit unbegründet“ abzuweisen, sie darf nicht wegen fehlender Substantiierung der Werklohnforderung endgültig als unbegründet abgewiesen werden.152 In diesem Fall kann der Auftragnehmer seinen Werklohn – gestützt auf eine neue Schlussrechnung – erneut einklagen. Die Vorlage einer neuen Schlussrechnung im Prozess stellt keine Klageänderung dar, da Streitgegenstand die Werklohnforderung, nicht die Rechnung, ist.153 Geschieht dies erst in der zweiten Instanz (nach Klageabweisung in der ersten Instanz) und ist diese Rechnung Fälligkeitsvoraussetzung, handelt es sich nicht um ein neues Angriffsmittel im Sinne der Präklusionsvorschriften, weshalb diese neue Tatsache nicht als verspätet zurückgewiesen werden kann.154 Dies gilt allerdings nicht in den Fällen, in denen die Schlussrechnung keine Fälligkeitsvoraussetzung ist bzw. in den Fällen, in denen die Fälligkeit mangels rechtzeitiger Erhebung einer qualifizierten Rüge der fehlenden Prüfbarkeit bereits eingetreten ist.

148 BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 288/02, BauR 2004, 316 (384) = BGHZ 157, 118 = NJW-RR 2004, 445. 149 Bei ausreichender Schätzgrundlage hat das Gericht die dem Auftragnehmer zustehende Vergütung zu schätzen, vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2003 – X ZR 62/01, BauR 2003, 880; BGH, Urt. v. 13.5.2004 – VII ZR 424/02, BauR 2004, 1441 = NJW-RR 2004, 1385; BGH, Urt. v. 17.6.2004 – VII ZR 337/02, BauR 2004, 1443 = NJW-RR 2004, 1384; BGH, Urt. v. 8.12.2005 – VII ZR 50/04, IBR 2006, 129; BGH, Urt. v. 22.12.2005 – VII ZR 316/03, IBR 2006, 128. 150 BGH, Beschl. v. 14.6.2007 – VII ZR 230/06, IBR 2007, 531. 151 BGH, Urt. v. 30.10.1997 – VII ZR 222/96, BauR 1998, 185. 152 BGH, Urt. v. 11.2.1999 – VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 = BauR 1999, 635. 153 BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 103/01, BauR 2002, 1588 = NJW-RR 2002, 1596; BGH, Urt. v. 8.10.2003 – VII ZR 335/02, NJW-RR 2004, 167; BGH, Urt. v. 18.12.2003 – VII ZR 124/02, BauR 2004, 695 = NJW-RR 2004, 526. 154 BGH, Urt. v. 9.10.2003 – VII ZR 281/02, BauR 2003, 1559 = NJW-RR 2003, 1321; BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 229/03, BauR 2005, 1959 = NJW-RR 2005, 1687.

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19.162

Teil 19 Rz. 19.162

Baurecht im WEG-Mandat

Bei der Erläuterung/Präzisierung einer vorhandenen Rechnung ohne grundlegende Änderung der Abrechnungsstruktur handelt es sich nicht um ein neues Angriffsmittel.155 e) Die Gewährleistungsphase

19.163 In § 634 BGB sind die Ansprüche des Auftraggebers wegen Mängeln der Werkleistung zusammengefasst, wobei der Anspruch auf Nacherfüllung im Mittelpunkt steht. Mit ihm korrespondiert das Nacherfüllungsrecht des Auftragnehmers; der Auftraggeber muss dem Auftragnehmer nämlich grundsätzlich ermöglichen, Mängel seiner Leistung selbst zu beseitigen. Die weiteren Mängelansprüche kann der Auftraggeber – nach seiner Wahl – erst dann geltend machen, wenn der Auftragnehmer von seinem Nacherfüllungsrecht nicht innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist Gebrauch macht. Die Mängelansprüche sind – bis auf den Schadensersatzanspruch – verschuldensunabhängig, wobei der auf den Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichtete Schadensersatzanspruch unabhängig von einer Fristsetzung besteht. aa) Die mangelhafte Werkleistung – dreigliedriger Mangelbegriff

19.164 Der Sachmangel ist in § 633 Abs. 2 BGB definiert. Danach ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art des Werkes erwarten kann. Sofern das Werk zwar die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, die Funktion des Werkes aber nicht erreicht wird, liegt ein Mangel vor, für den der Unternehmer verantwortlich ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Mangel auf verbindliche Vorgaben des Bestellers zurückzuführen ist und der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflichten erfüllt hat. Denn der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll.156 bb) Anwendbarkeit der §§ 634 ff. BGB vor der Abnahme?

19.165 Vor der Abnahme sind die Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts anwendbar. Demnach kann der Auftraggeber vor Ablauf der Fertigstellungsfrist dem Auftragnehmer eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen und nach ergebnislosem Verstreichen der Frist Schadensersatz verlangen (§ 281 BGB) oder vom Vertrag zurücktreten (§ 323 BGB). Umstritten war lange, ob dem Auftraggeber die sich aus § 634 BGB ergebenden Rechte bereits vor der Abnahme zustehen. Der BGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann; soweit sich aus früheren Entscheidungen des BGH etwas anderes ergeben könnte, hält der BGH daran ausdrücklich nicht fest.157

155 BGH, Urt. v. 26.6.2003 – VII ZR 281/02, BauR 2003, 1559 = NJW-RR 2003, 1321. 156 BGH, Urt. v. 8.11.2007 – VII ZR 183/05. 157 BGH, Urt. v. 19.1.2017 – VII ZR 193/15.

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Grundlagen

Rz. 19.167 Teil 19

Von diesem Grundsatz gibt es nach der zitierten Entscheidung des BGH folgende Ausnahme: Der Besteller kann die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne vorherige Abnahme geltend machen, wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist, jedenfalls für den Fall, dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Die Leitsätze der Entscheidung lauten: „1. Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen. 2. Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.“ cc) Das Nacherfüllungsrecht des Auftragnehmers Wenn auch der Auftragnehmer in der Regel keinen durchsetzbaren Anspruch auf Vertragserfüllung hat, so folgt aus § 637 Abs. 1 BGB das „Recht zur zweiten Andienung“. Der Auftraggeber kann nämlich nur dann auf Zahlung von Geld gerichtete Mängelansprüche geltend machen, wenn er dem Auftragnehmer zuvor erfolglos eine (angemessene) Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Das Recht des Auftraggebers zur Zurückweisung des Nacherfüllungsangebots des Auftragnehmers nach Ablauf der angemessenen Frist steht unter dem Vorbehalt, dass seine Ausübung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf, z.B. bei geringfügiger Fristüberschreitung, sofern der Auftraggeber noch keine Disposition getroffen hat.

19.166

Das Nacherfüllungsrecht des Auftragnehmers erlischt, wenn er die Mangelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert.158 Der Auftraggeber kann jedoch (weiterhin) Nacherfüllung verlangen, wenn der Auftragnehmer sein Nacherfüllungsrecht bereits verloren hat. Tut er dies, ist er gehindert, die rechtzeitig angebotene Nacherfüllung abzulehnen und auf Geld gerichtete Mängelansprüche geltend zu machen. dd) Mitverantwortlichkeit des Auftraggebers und anderer Baubeteiligter (1) Sowiesokosten Der Auftraggeber hat vom Grundsatz her etwaige Vorteile, die er aufgrund der Mängelhaftung des Auftragnehmers erlangt, auszugleichen.159 Er muss sich daher mit den sog. Sowie-

158 BGH, Urt. v. 20.4.2000 – VII ZR 164/99, BauR 2000, 1479. 159 BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – VII ZR 140/88, BauR 1990, 84; BGH, Urt. v. 18.1.1990 – VII ZR 171/88, BauR 1990, 360; BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344 = BauR 1984, 310; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 392/00, BauR 2002, 86; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – VII ZR 41/06, IBR 2007, 188 (189).

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19.167

Teil 19 Rz. 19.167

Baurecht im WEG-Mandat

sokosten, d.h. mit den Kosten, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vorneherein teurer geworden wäre, an der Haftung des Auftragnehmers beteiligen.160 (2) Vorteilsausgleichung

19.168 Nach der einhelligen Rechtsprechung muss sich der Auftraggeber grds. keinen Abzug „Neu für Alt“ entgegen halten lassen.161 Dagegen ist er nach dem Wortlaut des § 635 Abs. 4 BGB, der auf die §§ 346 bis 348 BGB verweist, verpflichtet, etwaige Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) herauszugeben, was jedoch in der Literatur umstritten ist. Diese Wertung folgt aus den Besonderheiten des Werkvertragsrechts, wonach der Auftraggeber gerade einen Anspruch auf eine neue, mangelfreie Sache hat. Aber ein Abzug „neu für alt“ kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn sich ein Mangel verhältnismäßig spät auswirkt und der Auftraggeber bis dahin keine Gebrauchsnachteile hatte, z.B. bei der Erstattung von Sanierungskosten für ein Flachdach, wenn dieses eine Lebenserwartung von 25 Jahren hat und bereits 12 Jahre beanstandungsfrei benutzt werden konnte. Kommt ein Abzug in Betracht, müssen die Vor- und Nachteile im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu einer Rechnungseinheit verbunden und der Abzug nach § 287 ZPO geschätzt werden. (3) Mitverschulden des Auftraggebers

19.169 Trifft den Auftraggeber ein Mitverschulden an der Mangelhaftigkeit des Werkes, muss er sich nach § 254 BGB an den Kosten der Mangelbeseitigung in angemessenem Umfang beteiligen.162 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass in der Regel die vom Auftraggeber mit Planungsleistungen Beauftragten (z.B. Architekten, Ingenieure und andere Sonderfachleute) Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers sind, so dass er sich deren Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. (4) Sicherheit für den Auftragnehmer wegen der vom Auftraggeber zu tragenden Kosten

19.170 Der Auftragnehmer hat einen Anspruch auf Erstattung der anteiligen Kosten der von ihm durchgeführten Mangelbeseitigung, wenn der Auftraggeber verpflichtet ist, einen Teil seiner Mängelhaftung mit zu tragen.163 Macht der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer auf Zahlung von Geld gerichtete Ansprüche geltend, muss der sich den entsprechenden Betrag abziehen lassen. Verlangt der Auftraggeber vorprozessual Nacherfüllung, muss er dem Auftragnehmer auf dessen Verlangen hin Sicherheit in Höhe des von ihm zu tragenden Teils der Kosten leisten,

160 BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – VII ZR 140/88, BauR 1990, 84; BGH, Urt. v. 18.1.1990 – VII ZR 171/88, BauR 1990, 360; BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344 = BauR 1984, 310; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 392/00, BauR 2002, 86; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – VII ZR 41/06, IBR 2007, 188 (189); BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 = BauR 1984, 510; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – VII ZR 176/91, BauR 1993, 722. 161 BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 392/00, NJW 2002, 141. 162 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BauR 1984, 395. 163 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BauR 1984, 395 ff.

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Grundlagen

Rz. 19.172 Teil 19

da es diesem nicht zugemutet werden kann, insoweit in Vorleistung zu treten.164 Ein Anspruch auf Auszahlung des Zuschusses besteht nicht. Verklagt der Auftraggeber den Auftragnehmer auf Mangelbeseitigung, wird sein Anspruch Zug um Zug gegen Zahlung des Zuschusses ausgeurteilt mit der Folge, dass der Auftraggeber Zahlung des Zuschusses zunächst lediglich anbieten und die Sicherheit in entsprechender Höhe erst leisten muss, wenn sich der Auftragnehmer auf das Angebot hin bereit erklärt, die Mängel zu beseitigen.165 Verklagt der Auftragnehmer den zuschusspflichtigen Auftraggeber auf Zahlung von Werklohn, und macht der Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln der Leistung geltend, kommt es zu einer doppelten Zug um Zug Verurteilung.166 (5) Gesamtschuldnerausgleich Sind mehrere Baubeteiligte für einen Mangel verantwortlich, haften sie gegenüber dem Auf- 19.171 traggeber gesamtschuldnerisch, sofern ihre Verpflichtungen nach der Interessenlage des Gläubigers vom Grundsatz her inhaltsgleich sind. Nach der Rechtsprechung ist eine Gesamtschuld anzunehmen, wenn und weil die Baubeteiligten als Zweckgemeinschaft zusammenwirken, wenn also jeder auf seine Art für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen hat, den der Auftraggeber dadurch erleidet, dass sie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen mangelhaft erbracht haben.167 Eine Gesamtschuld ist möglich zwischen Bauausführendem und bauleitendem Architekten, sofern der Mangel der Bauleistung auf eine Verletzung der Herstellungspflichten einerseits und der Bauaufsichtspflichten andererseits zurückzuführen ist.168 Auch zwischen planendem und bauleitendem Architekt ist eine gesamtschuldnerische Haftung möglich.169 Zu beachten ist, dass sich der Auftraggeber ein etwaiges Planungsverschulden seines Architekten gegenüber anderen Baubeteiligten grundsätzlich anrechnen lassen muss; der Haftungsanteil des jeweiligen Bauausführenden ist dementsprechend von vorneherein verkürzt.170 Weiter ist eine Gesamtschuld möglich im Verhältnis mehrerer Bauausführender untereinander, wenn sie einen Mangel verursacht haben, dies allerdings nur, wenn sich ihre Leistungen und ihre Nacherfüllungsleistungen überschneiden.171 164 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BauR 1984, 395 ff.; BGH, Urt. v. 23.9.1976 – VII ZR 14/75, BauR 1976, 430 (432). 165 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 286/82, BauR 1984, 401 ff. (auch zur Vollstreckung eines solchen Urteils). 166 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 286/82, BauR 1984, 401 ff. (auch zur Vollstreckung eines solchen Urteils). 167 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 23/66, BGHZ 51, 275, 277 = NJW 1969, 653. 168 BGH, Beschl. v. 1.2.1965 – GSZ 1/64, BGHZ 43, 227 = NJW 1965, 1175; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – VII ZR 1/00, BauR 2003, 1536. 169 BGH, Urt. v. 29.9.1988 – VII ZR 182/87, BauR 1989, 97. 170 BGH, Urt. v. 27.11.2008 – VII ZR 206/06, IBR 2009, 90 (91 ff.). 171 BGH, Urt. v. 16.5.1974 – VII ZR 35/72, BauR 1975, 130 f.; BGH, Urt. v. 26.6.2003 – VII ZR 126/02, BauR 2003, 1379; BGH, Urt. v. 8.11.2007 – VII ZR 183/05, IBR 2008, 77 ff.; Stamm, NJW 2003, 2941; Stamm, ZfBR 2007, 107; BGH, Urt. v. 7.7.2001 – VII ZR 471/99, BauR 2001, 1414.

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19.172

Teil 19 Rz. 19.173

Baurecht im WEG-Mandat

19.173 Der Gesamtschuldnerausgleich richtet sich nach § 426 BGB, wonach jeder Gesamtschuldner vom anderen Ausgleich in Höhe des Anteils seiner Mitverantwortung verlangen kann. ee) Die Mängelansprüche im Einzelnen (1) Anspruch auf Nacherfüllung

19.174 Der (verschuldensunabhängige) Nacherfüllungsanspruch (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB bzw. § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 1 VOB/B) ist auf Beseitigung eines Mangels der Leistung des Auftragnehmers gerichtet, nicht auf Beseitigung etwaiger Mangelfolgeschäden.172 Er ist – nach Ablauf der Fertigstellungsfrist – sofort fällig; eine Fristsetzung ist zur Anspruchsdurchsetzung nicht erforderlich.173

19.174a Nach § 640 Abs. 3 BGB besteht der Nacherfüllungsanspruch nicht bezüglich solcher Mängel, die dem Auftraggeber bei der Abnahme bekannt waren, wenn er sich seine Rechte wegen dieser Mängel bei der Abnahme nicht vorbehalten hat; dabei kommt es auf die positive Kenntnis an, Kennenmüssen genügt nicht. Gleichwohl sind Auftragnehmer gut beraten, sich nicht auf § 640 Abs. 3 BGB zu berufen, da die Mangelbeseitigung für ihn in der Regel die günstigste Variante sein dürfte. Der Auftraggeber muss ggf. die Sowiesokosten zur Nacherfüllung beisteuern (vgl. oben Rz. 19.167 ff.). Kann der Auftraggeber vom Auftragnehmer die Beseitigung eines Mangels verlangen, kann er nach der Fälligkeit die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern, wobei in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten („Druckzuschlag“) angemessen ist (§ 641 Abs. 3 BGB).

19.174b Der Nacherfüllungsanspruch kann – sowohl beim BGB-Vertrag als auch beim VOB-Vertrag – mündlich geltend gemacht werden. Die schriftliche Aufforderung zur Mängelbeseitigung bewirkt jedoch beim VOB-Vertrag nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B ggf. eine Verlängerung der Verjährungsfrist für die Ansprüche wegen des gerügten Mangels.174 Danach verjährt nämlich der Anspruch auf Beseitigung der gerügten Mängel in 2 Jahren vom Zugang des schriftlichen Verlangens an, jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach § 13 Abs. 4 VOB/B oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist. Auf die Regelung in § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 3 VOB/B wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen. Danach beginnt nach Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung für diese Leistung eine Verjährungsfrist von 2 Jahren neu, die jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach § 13 Abs. 4 VOB/B oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist endet; Auftragnehmer vergessen jedoch mitunter, den Auftraggeber zur Abnahme der Mangelbeseitigungsleistung aufzufordern. Beim BGB-Vertrag hat dagegen die schriftliche Mängelrüge keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche; dies wird häufig verkannt

19.174c Bei der Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruchs ist unbedingt darauf zu achten, dass die Mangelerscheinung genau beschrieben wird, damit der Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung in der Lage ist. Nach der vom BGH entwickelten Symptomtheorie reicht es aus, die Mangelerscheinung genau zu bezeichnen, denn damit wird der Mangel selbst zum Gegenstand 172 Bzgl. Mangelfolgeschäden kann, sofern der Auftragnehmer diese zu vertreten hat, Schadensersatz nach § 280 BGB verlangt werden. 173 BGH, Urt. v. 8.7.2004 – VII ZR 317/02, NJW-RR 2004, 1461. 174 BGH, Urt. v. 30.10.1958 – VII ZR 24/58, NJW 1959, 142.

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Grundlagen

Rz. 19.176 Teil 19

der Mangelrüge.175 Die technischen Ursachen muss der Auftraggeber nicht benennen; sie sind nach der Symptomtheorie im Rahmen einer Mangelrüge nicht maßgebend. Der Auftraggeber macht mit einer diese Voraussetzungen erfüllenden Mängelrüge alle Ursachen der genannten Symptome und damit den Mangel selbst in vollem Umfang zum Gegenstand seines Mängelbeseitigungsverlangens. Das hat insbesondere für die Fälle Bedeutung, in denen die angegebenen Mangelerscheinungen nur an bestimmten Stellen des Bauwerks aufgetreten sind, während ihre Ursache das ganze Gebäude oder andere Bereiche erfasst.176 Aus diesem Grund ist die Aufforderung, einen Mangel nur an denjenigen Stellen zu beseitigen, an denen er in Erscheinung getreten ist, nicht als Begrenzung des Mängelbeseitigungsverlangens zu verstehen.177 (aa) Berechtigte Verweigerung der Nacherfüllung Der Auftragnehmer kann die Nacherfüllung berechtigterweise verweigern, wenn sie unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB – dem Auftraggeber stehen dann die Rechts aus den §§ 280, 283–285, 311a und 326 BGB zu), in den Fällen des § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, wenn ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, wenn er sich mit Recht darauf beruft, dass die Kosten der Nacherfüllung unverhältnismäßig hoch sind (§ 635 Abs. 3 BGB), wenn er den Mangel nicht beseitigen kann, weil der Auftraggeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, wenn der Nacherfüllungsanspruch untergegangen ist, weil der Auftraggeber von einem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hat (z.B. Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz statt der Leistung)178 oder in den Fällen des § 640 Abs. 3 BGB.

19.175

(bb) Fristsetzung zur Nacherfüllung Wie bereits ausgeführt, ist eine Fristsetzung zur Durchsetzung des Anspruchs auf Nacherfüllung nicht erforderlich.179 Gleichwohl ist es dem Auftraggebers dringend zu empfehlen, dem Auftragnehmer eine (angemessene) Frist zur Nacherfüllung zu setzen, da er grundsätzlich erst nach fruchtlosem Fristablauf die weiteren Mängelansprüche geltend machen kann.180 Angemessen ist die Frist, innerhalb derer es dem Auftragnehmer unter größten Anstrengungen möglich ist, die Mangelbeseitigung durchzuführen.181 Zu beachten ist, dass das Setzen ei-

175 BGH, Urt. v. 25.9.1967 – VII ZR 46/65 (zur Lage des Mangels); BGH, Urt. v. 8.10.1992 – VII ZR 272/90, BauR 1993, 112 (115) (zur Zwangsvollstreckung); BGH, Urt. v. 31.3.2005 – VII ZR 369/02 und BGH, Urt. v. 24.2.2005 – VII ZR 225/03, NJW 2005, 1650 (zur Bezugnahme auf ein Privatgutachten); BGH, Urt. v. 9.10.2008 – VII ZR 80/07, IBR 2009, 14; BGH, Urt. v. 7.3.1985 – VII ZR 60/83, BauR 1985, 355; BGH, Urt. v. 21.12.2000 – VII ZR 192/98, BauR 2001, 630; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 113/00, BauR 2001, 1897; BGH, Urt. v. 18.1.1990 – VII ZR 260/88, BGHZ 110, 99 = BauR 1990, 356; BGH, Urt. v. 26.3.1992 – VII ZR 258/90, BauR 1992, 503; BGH, Urt. v. 28.9.1989 – VII ZR 167/88, BauR 1990, 81; BGH, Urt. v. 7.7.2005 – VII ZR 59/04 (zur Symptomtheorie des BGH). 176 BGH, Beschl. v. 24.8.2016 – VII ZR 41/14. 177 OLG Naumburg, Urt. v. 5.8.2016 – 7 U 17/16; BGH, Urt. v. 26.3.1992 – VII ZR 258/90. 178 Kein Untergang des Nacherfüllungsanspruchs durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1975 – VII ZR 222/73, NJW 1976, 143. 179 BGH, Urt. v. 8.7.2004 – VII ZR 317/02, NJW-RR 2004, 1461. 180 Eine Aufforderung, einen Mangel unverzüglich zu beseitigen, kann bedeuten, dass die Mangelbeseitigung in angemessener Frist zu erbringen ist, vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 432/00, BauR 2002, 782 = BGHZ 149, 283 = NJW 2002, 1274. 181 BGH, Urt. v. 11.6.1964 – VII ZR 216/62; BGH, Urt. v. 13.4.1961 – VII ZR 109/60, Jurion RS 1961, 15410.

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19.176

Teil 19 Rz. 19.176

Baurecht im WEG-Mandat

ner zu kurz bemessenen Frist nicht wirkungslos ist, sondern den Lauf der angemessenen Frist in Gang setzt.182

19.176a Es genügt grundsätzlich nicht, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Frist zur Aufnahme der Mangelbeseitigungsarbeiten und zum Nachweis der Beauftragung eines Dritten setzt.183 Gleichwohl kann es sinnvoll sein, im Einzelfall so vorzugehen. Denn reagiert der Auftragnehmer auf eine entsprechende Aufforderung nicht, und handelt es sich um umfangreiche Mangelbeseitigungsarbeiten, deren Dauer nicht abschätzbar ist, dann kann es sein, dass es dem Auftraggeber nicht zugemutet werden kann, abzuwarten, weil der Eindruck entstehen kann, dass der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zur Beseitigung der Mängel nicht nachkommen wird.184

19.176b Das Setzen einer Frist ist nach § 323 Abs. 2 und § 637 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, wenn er die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Auftraggeber im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit gebunden hat oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist oder wenn sie dem Auftraggeber nicht zugemutet werden kann. (2) Rücktritt vom Vertrag

19.177 Beim Rücktritt handelt es sich um eine Gestaltungserklärung, mit der ein Rückabwicklungsverhältnis begründet wird.185 Erklärt der Auftraggeber den Rücktritt vom Vertrag, ist die weitere Erfüllung desselben ausgeschlossen; der Auftraggeber kann danach nicht mehr Erfüllung verlangen. Allerdings kann er nach dem Rücktritt noch Schadensersatz verlangen (§ 325 BGB). Bestimmt der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs eine Frist zur Nacherfüllung, kann er nach erfolglosem Verstreichen der angemessenen Frist den Rücktritt vom Vertrag erklären. Ausnahmsweise ist die Fristsetzung – nach § 323 Abs. 2 BGB bzw. unter den in § 636 BGB genannten Voraussetzungen – entbehrlich. Ausnahmsweise kann der Auftraggeber bereits vor Ablauf der Fertigstellungsfrist zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass der Auftragnehmer diese wegen des Mangels nicht einhalten kann (§ 323 Abs. 4 BGB) oder wenn ihm das Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.186

182 BGH, Urt. v. 1.10.1970 – VII ZR 224/68, WM 1970, 1421; BGH, Urt. v. 24.6.1986 – X ZR 16/85, WM 1986, 1255. 183 BGH, Urt. v. 23.2.2006 – VII ZR 84/05, DNotZ 2006, 678; Knütel, BauR 2002, 689 (690). 184 BGH, Urt. v. 8.7.1982 – VII ZR 301/80, BauR 1982, 496; BGH, Urt. v. 23.2.2006 – VII ZR 84/05, DNotZ 2006, 678; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.9.1999 – VII ZR 456/98, BauR 2000, 98 und BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 93/01, NJW-RR 2004, 303 = NJW 2004, 1525 (zur Aufforderung, die Bereitschaft zur Mangelbeseitigung innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären oder zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Mangelbeseitigung zu beginnen). 185 BGH, Urt. v. 10.7.1998 – V ZR 360/96, NJW 1998, 3268. 186 Wenn z.B. bereits während der Herstellung ungewöhnlich viele Mängel auftreten, vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2008 – VII ZR 201/07, IBR 2008, 566.

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Grundlagen

Rz. 19.181 Teil 19

Der Rücktritt ist ausgeschlossen bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB)187 und in den Fällen des § 323 Abs. 6 BGB. Häufig wird der Rückgewähranspruch nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen sein, weil die Leistung im Fall des Rückbaus zerstört oder unbrauchbar würde. Dann ist jedoch nicht der objektive Wert der Leistung, die nicht zurückgegeben werden muss, zu ersetzen (vgl. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB), vielmehr nur der objektive Wert, der beim Auftraggeber verbleibt.

19.178

Beim Bauträgervertrag ist der Erwerber nach dem Rücktritt grundsätzlich zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen verpflichtet, allerdings kann diese Verpflichtung nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 BGB ausgeschlossen sein (wenn z.B. die vom Bauträger erworbene Wohnung bereits weiterveräußert wurde). Probleme können dann auftreten, wenn das Grundstück zwischenzeitlich belastet wurde, da es grundsätzlich frei von zwischenzeitlichen Belastungen zurückzugeben ist.188

19.179

Der Rücktritt vom Bauträgervertrag ist nur zu empfehlen, wenn die aus der Rückabwicklung entstehenden Ansprüche des Erwerbers abgesichert sind. Eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert zwar auch den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ab,189 zu bedenken ist jedoch, dass die Höhe des Anspruchs auf den Erwerbspreis beschränkt ist.190 Das Risiko, auf den Kaufnebenkosten (z.B. Grunderwerbssteuer, Notarkosten, Maklerprovision) sitzenzubleiben, ist zu bedenken.

19.180

Nach § 346 Abs. 1 BGB muss der Auftraggeber nach dem Rücktritt die gezogenen Nutzungen herausgeben, Gebrauchsvorteile sind zu ersetzen (§ 100 BGB).191

19.181

In § 347 Abs. 2 BGB ist der Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen geregelt, der z.B. dann zum Tragen kommt, wenn der Erwerber seine Eigentumswohnung vor dem Rücktritt vom Vertrag umgestaltet oder notwendige Reparaturen vorgenommen hat.192 Andere als notwendige Verwendungen sind nur zu ersetzen, wenn dadurch eine Wertsteigerung eingetreten ist. Daneben ist ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen gem. § 284 BGB möglich.193

187 OLG München, Urt. v. 8.3.2019 – 20 U 3637/18 Bau („Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist. Davon ist auszugehen, wenn die Mängelbeseitigungskosten unter fünf Prozent des Kaufpreises liegen.“). 188 Näheres hierzu vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2008 – V ZR 131/07, IMR 2009, 1018. 189 BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BauR 2006, 1747 = NJW 2006, 3275; BGH, Urt. v. 8.12.2009 – XI ZR 181/08, IBR 2010, 144 (148, 149). 190 Zum Anspruch gegen die finanzierende Bank vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04, BauR 2005, 866 = BGHZ 162, 157 = NJW 2005, 1356. 191 Zur Rückabwicklung des Erwerbs von Wohnungseigentum, das vermietet wurde, vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2006 – VII ZR 228/04, NJW 2006, 3062; zur Rückabwicklung des Erwerbs von selbstgenutztem Wohnungseigentum vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 325/03, BauR 2006, 103 = NJW 2006, 53. 192 BGH, Urt. v. 14.6.2002 – V ZR 79/01, NJW 2002, 3478; BGH, Urt. v. 20.6.1975 – V ZR 206/74, BGHZ 64, 333 (339); BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, NJW 1996, 921 (922). 193 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848.

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1181

Teil 19 Rz. 19.182

Baurecht im WEG-Mandat

19.182 Offen ist die Frage, ob der Rücktritt im VOB-Vertrag ausgeschlossen ist. Die VOB/B enthält nämlich keine ausdrückliche Regelung zum Rücktritt, weshalb die Auffassung vertreten wird, dass der Rücktritt vom VOB-Vertrag ausgeschlossen sei.194 (3) Schadensersatz

19.183 Nach § 634 Nr. 4 BGB kann der Auftraggeber vom Auftragnehmer Schadensersatz nach den §§ 280, 281, 283 und 311a BGB verlangen, wenn das Werk mangelhaft ist und wenn der Auftragnehmer den Mangel schuldhaft verursacht hat. Es geht hierbei „nur“ um Ersatz für Schäden, die in einem Ursachenzusammenhang mit einem Mangel der vertraglich geschuldeten Leistung stehen. Für Schäden, die nicht auf einem Baumangel beruhen, gelten dagegen die allgemeinen Bestimmungen (§§ 280 ff. BGB).195 Es wird zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und dem Schadensersatz neben der Leistung unterschieden.196 (aa) Schadensersatz statt der Leistung – kleiner und großer Schadensersatz

19.184 Der Auftraggeber kann nach § 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat und diese fruchtlos verstrichen ist. Der Anspruch ist auf Ersatz der Schäden gerichtet, die durch eine Nacherfüllung verhindert werden könnten (Kompensation des Erfüllungsinteresses). Sofern der Auftraggeber die vom Auftragnehmer erbrachte Leistung behält, steht ihm ein Anspruch auf den sog. kleinen Schadensersatz, wonach er den durch die mangelhafte Ausführung verursachten Schaden verlangen kann, zu. Er kann aber auch – sofern der Mangel erheblich ist – die ganze Leistung zurückweisen und den sog. großen Schadensersatz (Schadensersatz statt der ganzen Leistung) verlangen (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).

19.185 Der Anspruch kann grundsätzlich nur unter der Voraussetzung verlangt werden, dass eine vom Auftraggeber zur Mängelbeseitigung gesetzte angemessene Frist erfolglos verstrichen ist. Die Fristsetzung ist ausnahmsweise – unter den in § 281 Abs. 2 BGB sowie unter den in § 636 BGB genannten Voraussetzungen – entbehrlich. Zu beachten ist, dass eine unangemessene Frist nicht wirkungslos ist, sondern den Lauf der angemessenen Frist in Gang setzt.

19.186 Verlangt der Auftraggeber Schadensersatz statt der Leistung, ist der Anspruch auf die Leistung insoweit ausgeschlossen; erst zu diesem Zeitpunkt erlischt der Erfüllungsanspruch (§ 281 Abs. 4 BGB).

19.187 Nach der Entscheidung des BGH vom 22.2.2018 – VII ZR 46/17 – kann der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Auftragnehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung!).

194 BGH, Urt. v. 29.10.1964 – VII ZR 52/63, BGHZ 42, 232. 195 Der Auftraggeber muss im Prozess die Pflichtwidrigkeit darlegen und beweisen, d.h. den Mangel, der Auftragnehmer kann sich ggf. exkulpieren (§ 280 BGB). 196 BGH, Urt. v. 7.2.2019 – VII ZR 63/18.

1182

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Grundlagen

Rz. 19.190 Teil 19

– Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. – Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Nach wie vor kann der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann er Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.197 (bb) Mangelfolgeschäden – Schadensersatz neben der Leistung Bei einem Mangelfolgeschaden handelt es sich um einen Schaden, der außerhalb („neben“) der vertraglich geschuldeten Leistung eintritt (z.B. Folgeschäden am Bauwerk oder früher als „entfernte Mangelfolgeschäden“ bezeichnete Schäden). Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung und ihr fruchtloser Ablauf sind daher keine Voraussetzung für den Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens nach § 280 Abs. 1 BGB.198

19.188

(cc) Schadensersatz beim VOB-Vertrag § 13 Abs. 7 VOB/B ist nur nach der Abnahme einschlägig; vor der Abnahme besteht ein Schadensersatzanspruch nur nach § 4 Abs. 7 VOB/B. Der Schadensersatzanspruch nach § 13 Abs. 7 VOB/B bezieht sich nur auf Schäden, die auf einem Mangel der Bauleistung beruhen.

19.189

In § 13 Abs. 7 VOB/B sind drei selbständige Schadensersatztatbestände enthalten, wobei – unter Nr. 1 der Schadensersatzanspruch für die Verletzung bestimmter höchstpersönlicher Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit) geregelt ist, – unter Nr. 2 der Schadensersatzanspruch bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Mängeln. – Unter Nr. 3 sind die Ansprüche auf Schadensersatz wegen Schäden an der baulichen Anlage einerseits und wegen darüberhinausgehender Schäden andererseits geregelt. Die einzelnen Tatbestände enthalten jeweils weitere Voraussetzungen, wobei allen gemeinsam ist, dass sie das Verschulden des Auftragnehmers (§ 276 BGB) voraussetzen, und dass der Auftragnehmer auch für seine gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen haftet (§ 10 Abs. 1 VOB/B i.V.m. § 278 BGB). Beim Schadensersatzanspruch nach § 13 Abs. 7 VOB/B handelt es sich um ein zusätzliches Recht des Auftraggebers, das ihm neben dem Nacherfüllungsanspruch (§ 13 Abs. 5 VOB/B) und dem Minderungsrecht (§ 13 Abs. 6 VOB/B) zusteht. 197 BGH, Urt. v 22.2.2018 – VII ZR 46/17. 198 BGH, Urt. v. 7.2.2019 – VII ZR 63/18.

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19.190

Teil 19 Rz. 19.190

Baurecht im WEG-Mandat

Auch diesbezüglich ist zu unterscheiden, ob ein konkreter Schaden durch eine Nacherfüllung hätte behoben werden können oder nicht. Besteht der Schaden aus dem Mangel, steht dem Auftraggeber nur dann ein Schadensersatzanspruch zu, wenn er dem Auftragnehmer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (§ 13 Abs. 5 VOB/B), eine Fristsetzung nicht erforderlich war oder wenn die Voraussetzungen der Minderung (§ 13 Abs. 6 VOB/B) vorliegen und der Schaden durch die Minderung noch nicht vollständig abgegolten ist, es sei denn, dass sich der Auftragnehmer zu Recht auf den Einwand „der unverhältnismäßigen Nacherfüllungskosten“ beruft (dann ist der Schadensersatz auf die Minderung beschränkt.)199 Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Minderung hat der Auftraggeber nach fruchtlosem Verstreichen einer dem Auftragnehmer gesetzten Nacherfüllungsfrist die Wahl: Er kann (sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen) Schadensersatz verlangen oder die Minderung erklären.

19.191 Während die Tatbestände des § 13 Abs. 7 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/B unproblematisch sind (ihre Einführung beruht auf § 309 Nr. 7a) bzw. 7b) BGB), ist die Regelung unter § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B etwas komplexer: Es ist zu unterscheiden zwischen dem in S. 1 geregelten sog. „kleinen Schadensersatz nach VOB/B“ wegen unmittelbarer (Bauwerks-)Mängel und dem in S. 2 geregelten sog. „großen Schadensersatz nach VOB/B“ wegen darüberhinausgehender Folgeschäden. Großer und kleiner Schadensersatz im BGB und in der VOB/B sind also nicht deckungsgleich. Der zuerst genannte Anspruch ist begrenzt auf den infolge der Leistung entstandenen, nach Nacherfüllung oder Minderung verbliebenen Schaden an der baulichen Anlage selbst, der große Schadensersatz nach VOB/B umfasst sämtliche darüber hinausgehende Schäden, sofern sie ursächlich auf die mangelhafte Leistung des Auftragnehmers zurückzuführen sind.200 (4) Selbstvornahme und Vorschuss

19.192 Der Auftraggeber kann wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Auftragnehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert (§ 637 Abs. 1 BGB).201 Die Fristsetzung ist in den Fällen des § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich, aber auch dann, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Auftraggeber unzumutbar ist (§ 637 Abs. 2 BGB). Nach § 637 Abs. 3 BGB kann der Auftraggeber vom Auftragnehmer einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der (verschuldensunabhängige) Anspruch nach § 637 BGB tritt an die Stelle des Nacherfüllungsanspruchs, es handelt sich also um ein primäres Mängelrecht des Auftraggebers, nicht um einen Sekundäranspruch (Kompensation). Aus diesem Grund steht dem Auftraggeber ein Anspruch nach § 637 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur zu, wenn er vom Auftragnehmer die Mangelbeseitigung fordern konnte, dagegen nicht, wenn dieser die Nacherfüllung berechtigterweise verweigert, z.B. weil dem Auftraggeber der Anspruch wegen vorbehaltloser Abnahme gar nicht zusteht (§ 640 Abs. 3 BGB), wegen Un199 Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB, § 13 Abs. 7 VOB/B Rz. 12 ff. 200 Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB, § 13 Abs. 7 VOB/B Rz. 53 ff. 201 Beseitigt der Auftraggeber einen Mangel selbst, ohne dem Auftragnehmer zuvor die Gelegenheit zur Mangelbeseitigung gegeben zu haben, kann er grds. keine Erstattung der Kosten der Selbstvornahme verlangen, auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1965 – VII ZR 124/63, NJW 1966, 39.

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Grundlagen

Rz. 19.194 Teil 19

möglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), wegen eines dem Auftragnehmer zustehenden Leistungsverweigerungsrechts nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB oder nach § 320 BGB, wegen eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB), weil der Auftragnehmer die Nacherfüllung berechtigterweise wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert (§ 635 Abs. 3 BGB), weil der Anspruch infolge der Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Auftraggeber untergegangen ist (vgl. § 281 Abs. 4 BGB) oder weil der Auftraggeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Eine Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die Leistung – ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten – ernsthaft und endgültig verweigert, wenn sie also reine Förmelei wäre.202 Dies ist beispielsweise zu bejahen, wenn der Auftragnehmer an die Beseitigung der Mängel seiner Meinung nach unabdingbare Bedingungen stellt (z.B. Forderung einer Sicherheit oder einer nicht fälligen Abschlagszahlung). Eine Fristsetzung ist ferner entbehrlich, wenn für die Leistung ein bestimmter Termin vertraglich vereinbart war und der Auftraggeber im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses daran geknüpft hat, dass der Auftragnehmer seine Leistung rechtzeitig erbringt (Fixgeschäft).

19.193

(5) Minderung (aa) Beim BGB-Vertrag Bei der Minderung handelt es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht. Erklärt der Auftraggeber die Minderung, trifft er bindend die Wahl zwischen den ihm zustehenden Mängelrechten. Die unberechtigte Minderung entfaltet dagegen keine Bindungswirkung. Ob der Auftraggeber nach der Erklärung der Minderung noch Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann, ist fraglich. Unproblematisch ist die Anwendung des § 280 BGB neben § 638 BGB. Aus der Formulierung des § 638 BGB folgt, dass der Auftraggeber erst nach erfolglosem Ablauf einer dem Auftragnehmer zur Nacherfüllung gesetzten angemessenen Frist mindern kann. Die Fristsetzung ist entbehrlich, soweit sie für den Rücktritt entbehrlich ist. Die Minderung ist auch bei unerheblichen Mängeln möglich (vgl. § 638 Abs. 1 S. 2 BGB). Für die Berechnung der Minderung ist auf den Wert des Werkes zur Zeit des Vertragsschlusses abzustellen, wobei die Minderung durch Schätzung ermittelt werden kann (§ 638 Abs. 3 BGB). Die Minderung erfolgt grds. in Höhe der Nachbesserungskosten,203 es sei denn, der Auftragnehmer verweigert die Nachbesserung wegen Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten, die Nacherfüllung ist unmöglich oder der Auftragnehmer macht die Leistungsverweigerungsrechte nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB geltend (zu den Bedenken nach der aktuellen Entscheidung des BGH vom 22.2.2018 siehe unten Rz. 19.270 ff. Werden der Schätzung die Nacherfüllungskosten zu Grunde gelegt, ist die Umsatzsteuer jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn der Auftraggeber nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.204

202 Die Umstände des Einzelfalles müssen die Annahme, der Auftragnehmer wolle seinen Vertragspflichten nicht nachkommen, so dass es ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung umstimmen lassen würde, rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1993 – X ZR 63/91, NJWRR 1993, 882; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 12/01, BauR 2002, 1135 = NJW 2002, 1571 (1577); BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195. 203 BGH, Urt. v. 24.2.1972 – VII ZR 177/70, BauR 1972, 242. 204 KG, Urt. v. 15.9.2009 – 7 U 120/08, NJW-RR 2010, 65.

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1185

19.194

Teil 19 Rz. 19.194

Baurecht im WEG-Mandat

Hat der Auftraggeber an den Auftragnehmer mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, hat der Auftragnehmer ihm den Mehrbetrag zu erstatten, §§ 346 Abs. 1 und 347 Abs. 1 BGB sind entsprechend anzuwenden (§ 638 Abs. 4 BGB). (bb) Besonderheiten beim VOB-Vertrag

19.195 Der Auftraggeber kann nach § 13 Abs. 6 VOB/B die Minderung erklären, wenn die Mangelbeseitigung für ihn unzumutbar ist, wenn sie unmöglich ist, oder wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde und aus diesem Grund vom Auftragnehmer verweigert wird. ff) Verjährung der Mängelansprüche

19.196 Mit der Abnahme beginnt die Frist für die Verjährung von Mängelansprüchen zu laufen. Dies gilt auch für den gekündigten Bauvertrag. Die Frist für die Verjährung von Ansprüchen wegen Mängeln der bis zur Kündigung erbrachten Leistung beginnt grundsätzlich erst mit der Abnahme der bis dahin erbrachten Leistung.205 (1) Verjährung der Mängelansprüche beim BGB-Vertrag

19.197 Nach § 634a Abs. 1 BGB verjähren „bei einem Bauwerk“ der Nacherfüllungsanspruch, das Selbstvornahmerecht bzw. der Anspruch auf Kostenvorschuss sowie der Schadensersatzanspruch in fünf Jahren. Nicht genannt sind das Minderungs- und das Rücktrittsrecht, weil es sich hierbei um Gestaltungsrechte handelt, so dass eine Verjährung nicht in Betracht kommt. Es ergibt sich aber aus § 634a Abs. 4 und 5 BGB, dass nach § 218 BGB beide Rechte ausgeschlossen sind, wenn der Erfüllungsanspruch oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und wenn sich der Auftraggeber hierauf beruft. Ist die Minderung aus den genannten Gründen unwirksam, steht dem Auftraggeber gleichwohl ein Leistungsverweigerungsrecht in entsprechender Höhe zu, ohne dass es einer Mängelrüge in unverjährter Zeit bedürfte. Er ist nämlich nach § 634a Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 S. 2 BGB berechtigt, „die Zahlung der Vergütung insoweit (zu) verweigern“, als er bei wirksamem Minderungsrecht berechtigt gewesen wäre.

19.198 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gilt die 5-jährige Verjährungsfrist wohl nur für Arbeiten, die für die Erneuerung und den Bestand des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind, nicht generell für alle Arbeiten an einem Bauwerk. Danach verjähren beispielsweise Ansprüche wegen mangelhaft erbrachter Anstrichund ähnlicher Arbeiten zum Zweck der Verschönerung einer Fassade, ebenso Ansprüche wegen mangelhaft erbrachter reiner Abbrucharbeiten, nach zwei Jahren. Für Arbeiten an einem Grundstück gilt die 2-jährige Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB, wobei zu beachten ist, dass bestimmte Arbeiten wegen ihrer Nähe zur Errichtung des Bauwerks oder zum Gebäude nach der Rechtsprechung als Arbeiten am Bauwerk gewertet werden, so z.B. die Pflasterung der Terrasse, der Garagenzufahrt und des Weges zwischen Garage und Haus, das Anlegen des Gartens, die Herstellung der Hofentwässerung, die auf-

205 BGH, Urt. v. 12.1.2012 – VII ZR 76/11, MDR 2012, 341.

1186

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Grundlagen

Rz. 19.200 Teil 19

grund einheitlichen Vertrags übernommen werden,206 oder die Ausschachtung einer Baugrube.207 Die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren gilt nach § 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB für Leistungen, die nicht unter § 634a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB fallen. Hierzu zählen z.B. gutachterliche Arbeiten oder erfolgsbezogene Beraterverträge. Für arglistig verschwiegene Mängel gilt nach § 634a Abs. 3 BGB ebenfalls die regelmäßige Verjährungsfrist, wobei die Verjährung in den Fällen des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB nach S. 2 nicht vor Ablauf von fünf Jahren eintritt. Zu beachten ist, dass diese Verjährungsfristen auch und gerade für verdeckte Mängel, also für Mängel, die bei der Abnahme nicht erkennbar waren, gelten. (2) Verjährung der Mängelansprüche beim VOB-Vertrag In § 13 Abs. 4 VOB/B ist die Verjährung von Mängelansprüchen eigenständig und abweichend von den Regelungen des BGB geregelt. Nach der Regelung in Nr. 1 verjähren

19.199

– Ansprüche wegen Bauwerksmängeln in 4 Jahren, – Ansprüche wegen Mängeln an anderen Werken, deren Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache besteht, in 2 Jahren, – Ansprüche wegen Mängeln an vom Feuer berührten Teilen von Feuerungsanlagen ebenfalls in 2 Jahren und – Ansprüche wegen Mängeln an feuerberührten und abgasdämmenden Teilen von industriellen Feuerungsanlagen in 1 Jahr. Aus § 13 Abs. 4 VOB/B ergibt sich außerdem, dass es den Parteien freisteht, vertraglich eine andere Verjährungsfrist zu vereinbaren; es handelt sich um eine sog. Öffnungsklausel der VOB/B. In § 13 Abs. 4 Nr. 2 und 3 VOB/B ist die Verjährung für Ansprüche wegen Mängeln an bestimmten Anlagenteilen differenziert geregelt. Nach der Regelung in Nr. 1 beträgt die Verjährungsfrist 4 Jahre, sofern nichts anderes vereinbart ist. Diese Frist wird auf 2 Jahre verkürzt, „wenn der Auftraggeber sich dafür entschieden hat, dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsrist nicht zu übertragen“. Zu beachten ist, dass dies nur für Anlagenteile, bei denen die Wartung Einfluss auf die Sicherheit und Funktionsfähigkeit hat, gilt. Der Wartungsvertrag muss den Zeitraum der Mängelhaftung abdecken und spätestens zum Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Abnahme der Bauleistung mit dem Auftragnehmer selbst zu Stande gekommen sein; es genügt nicht, die Wartung an einen anderen zu vergeben. Voraussetzung der Entscheidung des Auftraggebers, dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsfrist nicht zu übertragen, ist jedoch ein Angebot des Auftragnehmers, die Wartung in dem erforderlichen Umfang zu üblichen Bedingungen bis zum Ende der Verjährungsfrist zu übernehmen. Das Angebot muss so zeitig vorliegen, dass der Wartungsvertrag spätestens bei Abnahme der Leistung zustande kommen kann.

206 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2000 – 22 U 194/99, BauR 2001, 648 = NJW-RR 2000, 1336 = OLGReport 2000, 445 = NZBau 2000, 573. 207 BGH, Urt. v. 24.3.1977 – VII ZR 220/75, BGHZ 68, 208 = BauR 1977, 203.

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19.200

Teil 19 Rz. 19.201

Baurecht im WEG-Mandat

(3) „Verlängerung“ der Verjährungsfrist durch schriftliche Mangelrüge

19.201 Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 1 VOB/B ist der Auftragnehmer verpflichtet, alle während der Verjährungsfrist hervortretenden Mängel auf seine Kosten zu beseitigen, wenn es der Auftraggeber vor Ablauf der Frist schriftlich verlangt. Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B verjährt der Anspruch auf Beseitigung der gerügten Mängel in 2 Jahren, gerechnet vom Zugang des schriftlichen Verlangens an, jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach Abs. 4 oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist. Die schriftliche Mängelrüge bleibt wirkungslos, wenn sie zwei Jahre vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist oder früher erhoben wird. Diese Quasi-Unterbrechung kommt auch dann zum Tragen, wenn das schriftliche Mängelbeseitigungsverlangen zwar nicht innerhalb der Regelfrist des § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B, aber innerhalb der vereinbarten Verjährungsfrist erfolgt.208 Aber: Die mehrfache Erhebung der schriftlichen Mängelrüge hat nicht den Effekt, dass die Verjährungsfrist immer wieder aufs Neue um zwei Jahre verlängert wird. Wird die Rüge einmal erhoben, ist sie „verbraucht“. (4) „Verlängerung“ der Verjährungsfrist durch Mangelbeseitigung

19.202 Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 3 VOB/B beginnt nach der Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung für diese Leistung eine Verjährungsfrist von 2 Jahren neu, die jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach Abs. 4 oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist endet. Wird nachgebessert, ist die Verjährung gehemmt, bis die Nachbesserungsleistung vom Auftraggeber abgenommen oder die Abnahme endgültig verweigert wurde.209 (5) Geltung der gesetzlichen Verjährungsfristen nach § 13 Abs. 7 Nr. 4 VOB/B

19.203 Abweichend von den in § 13 Abs. 4 VOB/B aufgeführten Fristen gelten für Schadensersatzansprüche die gesetzlichen Verjährungsfristen, soweit sich der Auftragnehmer durch Versicherung geschützt hat oder hätte schützen können oder soweit ein besonderer Versicherungsschutz vereinbart ist. (6) Organisationsverschulden

19.204 Nach der Rechtsprechung des BGH wird ein Auftragnehmer so behandelt, als sei er arglistig, wenn er seine Organisationspflichten bei der Herstellung und Abnahme des Bauwerks verletzt hat und infolge dieser Verletzung ein Mangel nicht erkannt wurde.210 Seit Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes haftet der Unternehmer im Regelfall maximal zehn Jahre. Der BGH knüpft an die Pflicht des Auftragnehmers, das Werk mangelfrei zu erstellen, an. Dieser muss das Werk vor der Abnahme darauf hin überprüfen, ob es mangelfrei ist. Ist der Auftragnehmer arbeitsteilig organisiert, muss er die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob die Werkleistung bei der Abnahme mangelfrei ist oder nicht. Der Auftragnehmer kann sich der vertraglichen Offenbarungspflicht bei der Abnahme nicht dadurch entziehen, dass er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Pflicht, Mängel zu offenbaren, bedient. Sorgt er bei der Herstellung des Werkes nicht 208 OLG Hamm, Urt. v. 17.7.2008 – 21 U 145/05, BauR 2009, 1913. 209 BGH, Urt. v. 25.9.2008 – VII ZR 32/07. 210 BGH, Urt. v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 = NJW 1992, 1754; BGH, Urt. v. 30.11.2004 – X ZR 43/03, NJW 2005, 893; BGH, Urt. v. 11.10.2007 – VII ZR 99/06, IBR 2008, 17 (18); BGH, Urt. v. 27.11.2008 – VII ZR 206/06, IBR 2009, 90 (92, 93).

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Grundlagen

Rz. 19.207 Teil 19

dafür, dass er oder seine Erfüllungsgehilfen etwaige Mängel erkennen können, so hat er dafür einzustehen, wenn ein Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. Der Auftraggeber ist dann so zu stellen, wie wenn der Mangel dem Auftragnehmer bei der Ablieferung des Werkes bekannt gewesen wäre. Der Bauträger lässt üblicherweise die für die Erstellung des Objekts erforderlichen Leistungen arbeitsteilig erbringen. Die Grundsätze zum Organisationsverschulden gelten deshalb für ihn gleichermaßen.211 (7) Exkurs: Verjährung des Anspruchs auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen, der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands Der Anspruch auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen, der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands unterliegt der dreijährigen Verjährung, wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruchsberechtigte von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangen konnte, beginnt. Die richtige rechtliche Beurteilung der Tatsachen ist für den Beginn der Verjährung nicht erforderlich.212

19.205

Ohne Rücksicht auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verjährt der Anspruch gem. § 199 Abs. 4 BGB spätestens nach 10 Jahren seit seiner Entstehung. Der Anspruch entsteht erst mit Entstehen einer (werdenden) Eigentümergemeinschaft (d.h. mit Besitzübergabe und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten des ersten Erwerbers)213. (8) Neubeginn der Verjährung wegen Anerkenntnisses Erkennt der Auftragnehmer einen Mangelanspruch an, beginnt die Verjährungsfrist für diesen Anspruch vom Zeitpunkt des Anerkenntnisses an nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB von Neuem zu laufen. Ein solches Anerkenntnis kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Der typische Fall eines schlüssigen Anerkenntnisses ist gegeben, wenn der Auftragnehmer seine Leistung auf die Mängelrüge des Auftraggebers hin nachbessert, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise nichts anderes ergibt.

19.206

Die Frist beginnt nur im Zusammenhang mit den Mängeln neu zu laufen, die nach Art und Umfang Gegenstand des Anerkenntnisses waren, wobei nicht auf die Mangelerscheinung, sondern auf den Mangel selbst, also auf die Ursachen der Mangelerscheinung, abzustellen ist. (9) Hemmung der Verjährung (aa) Hemmung durch Verhandeln Die Verjährungsfrist ist nach § 203 BGB gehemmt, wenn die Vertragsparteien über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände verhandeln, und zwar so lange, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

211 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.5.1995 – 17 U 88/33, IBR 1997, 232; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 5. Aufl., Rz. 827 ff. 212 OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2010 – 3 W 1/10, ZMR 2010, 626; hierzu auch: Schmidt, IMR 2010, 360 (zum Anspruch auf Mängelbeseitigung). 213 BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, IMR 2008, 307.

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1189

19.207

Teil 19 Rz. 19.208

Baurecht im WEG-Mandat

(bb) Weitere Hemmungstatbestände

19.208 Neben der Hemmung der Verjährung wegen des Schwebens von Verhandlungen sind in § 204 Abs. 1 BGB eine Reihe weiterer Hemmungstatbestände geregelt, wobei die Hemmung in diesen Fällen frühestens sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet (§ 204 Abs. 2 BGB). Auch durch die Zustellung einer Streitverkündung wird die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Die Zustellung muss zwar nach § 73 S. 2 ZPO förmlich erfolgen, allerdings kann eine formlose Zustellung nach § 189 ZPO heilbar sein.214 Die Hemmungswirkung tritt bereits mit dem Eingang der Streitverkündungsschrift bei Gericht ein, wenn der Anspruch zum Zeitpunkt der demnächst erfolgten Zustellung noch nicht verjährt war.215 Zu beachten: Nur die zulässige Streitverkündung bewirkt die Hemmung der Verjährung.216 Nach § 73 ZPO müssen der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits im Streitverkündungsschriftsatz dargelegt werden. Ebenso führt die Zustellung des Antrags auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB zur Hemmung der Verjährung. Nach einer (unserer Meinung nach diskussionswürdigen) Entscheidung des OLG München vom 20.10.2009 kann sich die Hemmungswirkung auf das gesamte Werk beziehen, wenn Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens eine Vielzahl von Mängeln ist.217 Generell gilt aber der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass jeder Mangel verjährungsrechtlich sein eigenes Schicksal hat.218 Auch diesbezüglich gilt, dass die förmliche Zustellung des Antrags grundsätzlich Voraussetzung für die Verjährungshemmung ist, wobei eine Heilung durch formlose Zustellung in Betracht kommt.219 Zur Vermeidung späterer Diskussionen sollte bei Gericht die förmliche Zustellung beantragt und ein Zustellungsnachweis nach § 169 ZPO erbeten werden. Gegebenenfalls könnte auch Akteneinsicht beantragt werden. (cc) Primäranspruch und Sekundäransprüche

19.209 Die Hemmung der Verjährung des Primäranspruchs gemäß § 634 Nr. 1 BGB bewirkt auch die Hemmung der Verjährung der unter den Voraussetzungen des § 634 Nr. 2–4 BGB folgenden Sekundäransprüche. Hat also eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Ausübung gemeinschaftsbezogener Mängelansprüche an sich gezogen und deren Verjährung – etwa durch Verhandlung – gehemmt, so ist damit auch die Verjährung der dem Einzelerwerber zustehenden Individualansprüche auf Rücktritt bzw. großen Schadensersatz gehemmt. Das gilt jedenfalls solange, bis der Erwerber die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rücktritt oder großen Schadensersatz schafft und gegen den Bauträger geltend macht.220

214 215 216 217 218

BGH, Urt. v. 27.1.2011 – VII ZR 186/09, NJW 2011, 1965. BGH, Urt. v. 17.12.2009 – IX ZR 4/08, IBR 2010, 187. BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 143/06, IBR 2008, 87 (88). OLG München, Urt. v. 20.10.2009 – 9 U 3804/08, IBR 2010, 1248. BGH, Urt. v. 3.12.1992 – VII ZR 86/92, BauR 1993, 221 = BGHZ 120, 329 = NJW-RR 1993, 593 = NJW 1993, 851; OLG Hamm, Urt. v. 16.12.2008 – 21 U 117/08, IBR 2009, 188; OLG Dresden, Beschl. v. 27.11.2008 – 9 U 1128/08, IBR 2009, 61; OLG München, Urt. v. 13.2.2007 – 9 U 4100/06, BauR 2007, 1095 = NJW-RR 2007, 675. 219 BGH, Urt. v. 27.1.2011 – VII ZR 186/09, BauR 2011, 669 ff. 220 OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2010 – 3 W 1/10, ZMR 2010, 626.

1190

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Grundlagen

Rz. 19.212 Teil 19

f) Vorzeitige Vertragsbeendigung aa) Freie Auftraggeberkündigung Der Auftraggeber kann den Werkvertrag nach § 648 BGB jederzeit kündigen, eines Kündigungsgrundes oder einer Begründung der Kündigung bedarf es nicht. Der Auftragnehmer ist dann jedoch berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, wobei er sich dasjenige anrechnen lassen muss, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Auftragnehmer 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

19.210

Die Kündigung eines Bauvertrags bedarf nach § 650h BGB der Schriftform.221 AGB-Regelungen, mit denen der Auftragnehmer das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers ausschließt, sind unwirksam.222 Hat der Auftraggeber den Vertrag gekündigt, muss der Auftragnehmer – wie bei § 326 Abs. 2 S. 2 oder bei § 650f Abs. 5 S. 2 BGB – unbedingt die Abrechnungsgrundsätze des BGH223 beachten, andernfalls kann er auf die gesetzliche Vermutung für die Höhe der ihm zustehenden Vergütung zurückgreifen. bb) Kündigung aus wichtigem Grund In § 648a BGB ist nunmehr das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung224 bereits bisher anerkannte Recht beider Vertragsparteien zur Kündigung aus wichtigem Grund gesetzlich geregelt.

19.211

cc) Kündigungserklärung Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim Vertragspartner wirksam wird. Wird die Kündigung durch einen Bevollmächtigten erklärt, ist § 174 BGB zu beachten.225 Kündigt der Auftraggeber einen Bauvertrag vermeintlich aus wichtigem Grund, obwohl ein solcher nicht besteht, kann diese unwirksame außerordentliche Kündigung als freie Kündigung ausgelegt werden bzw. in eine freie Kündigung umgedeutet werden, sofern nach der Sachlage angenommen werden kann, dass dies dem Willen des Erklärenden entspricht und dieser Wille in der Erklärung gegenüber dem Empfänger derselben zum Ausdruck gekommen ist.226 Will der Auftraggeber vermeiden, dass eine unwirksame außerordentliche Kündigung als freie Kündigung ausgelegt wird, muss er dies ausdrücklich erklären. 221 Dies gilt aufgrund der Verweisungsvorschriften auf für den Verbraucherbauvertrag sowie für den Architekten- und Ingenieurvertrag, nicht jedoch für den einfachen Werkvertrag. 222 BGH, Urt. v. 8.7.1999 – VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294 = NJW 1999, 3261. 223 BGH, Urt. v. 4.5.2000 – VII ZR 53/99; Urt. v. 14.11.2002 – VII ZR 224/01. 224 BGH, Urt. v. 23.5.1996 – VII ZR 140/95, NJW-RR 1996, 792 = NJW 1996, 1346; BGH, Urt. v. 30.6.1983 – VII ZR 293/82, BauR 1983, 459; BGH, Urt. v. 15.11.1962 – VII ZR 113/61, BB 1963, 160. 225 Zu beachten: Nach Zurückweisung der Kündigung mangels Vorlage der Vollmacht ist die Kündigung zu wiederholen, die Nachreichung der Vollmacht genügt nicht! 226 BGH, Urt. v. 26.7.2001 – X ZR 162/99, NZBau 2001, 621.

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19.212

Teil 19 Rz. 19.212

Baurecht im WEG-Mandat

Sofern eine Auslegung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine freie Kündigung nicht möglich ist und der Auftraggeber es nach Ausspruch der Kündigung verhindert, dass der Auftragnehmer seine Arbeiten fortsetzt, kann dieser seinen Vergütungsanspruch ggf. auf den (verschuldensabhängigen) § 326 Abs. 2 BGB stützen.227

19.213 In der Regel stellt eine unwirksame außerordentliche Kündigung des Auftraggebers einen Kündigungsgrund für den Auftragnehmer dar.228 Hat allerdings der Auftragnehmer dem Auftraggeber durch vertragswidriges Verhalten Anlass für die unwirksame außerordentliche Kündigung gegeben, kann der Auftraggeber dem Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Eine außerordentliche Kündigung muss grundsätzlich nicht begründet werden. Es kommt nur darauf an, ob objektiv ein Kündigungsgrund besteht. Etwa bezeichnete Kündigungsgründe binden den Kündigenden daher nicht, er kann grundsätzlich auch Kündigungsgründe nachschieben.229 dd) Zeitpunkt der Kündigung

19.214 Eine Kündigung kann erst nach Vertragsschluss und nicht mehr nach dessen Durchführung erklärt werden. Ein Bauvertrag kann damit nach der Abnahme nicht mehr gekündigt werden, sehr wohl aber, wenn die Abnahme berechtigterweise verweigert wird. ee) Teilkündigung

19.215 Die Zulässigkeit einer (freien oder außerordentlichen) Teilkündigung war bisher umstritten. Nach der Rechtsprechung des BGH erschien eine „freie“ Teilkündigung des Werkvertrags vom Grundsatz her möglich zu sein.230 Problematisch sind wohl insbesondere die Fälle, in denen der Auftraggeber die Teilkündigung in der Weise auf einen Teil der vertraglich geschuldeten Leistungen beschränkt, dass dem Auftragnehmer die Abgrenzung der nicht mehr zu erbringenden Leistungen zu den unverändert zu erbringenden Leistungen unmöglich wird, soweit es um die Abrechnung und die Mängelhaftung geht.231 Nach der aktuellen Rechtslage (§ 648a Abs. 2 BGB) ist eine Teilkündigung möglich, wenn sie sich auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks bezieht.

227 § 326 Abs. 2 BGB enthält eine dem § 648 S. 2 BGB vergleichbare Rechtsfolge, § 648 S. 2 BGB ist jedoch verschuldensunabhängig; zu beachten ist allerdings, dass der BGH die Darlegungslast für die Ersparnis und den anderweitigen Erwerb derzeit noch unterschiedlich sieht: Danach hat der Auftragnehmer bei einem Anspruch aus § 648 S. 2 BGB die Erstdarlegungslast, beim Anspruch aus § 326 Abs. 2 BGB der Auftragnehmer (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 29/99, NJW 2002, 57; BGH, Urt. v. 17.2.2004 – X ZR 108/02, BauR 2004, 882 = NJW-RR 2004, 989). 228 BGH, Urt. v. 5.12.1968 – VII ZR 127/66, BGHZ 51, 190 = NJW 1969, 419; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – VIII ZR 197/02, NJW-RR 2003, 981 = NJW 2003, 2677; BGH, Urt. v. 20.8.2009 – VII ZR 212/07, NJW 2009, 3717. 229 BGH, Urt. v. 6.2.1975 – VII ZR 244/73, BauR 1975, 280; BGH, Urt. v. 18.12.1975 – VII ZR 75/75, BauR 1976, 139; BGH, Urt. v. 22.10.1981 – VII ZR 310/79, BauR 1982, 79; BGH, Urt. v. 25.3.1993 – X ZR 17/92, BauR 1993, 469 = NJW 1993, 1972; BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, BauR 2005, 1477 = NJW 2005, 2771. 230 BGH, Beschl. v. 12.11.2009 – VII ZR 39/07, IBR 2010, 98. 231 Kirberger, BauR 2011, 343 ff.

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Grundlagen

Rz. 19.218 Teil 19

ff) Wirkungen der Kündigung Nach der Kündigung des Vertrags beschränkt sich der Vertragsgegenstand auf die bis zur Kündigung erbrachte Leistung.232

19.216

Der Auftragnehmer hat gegenüber dem Auftraggeber einen Anspruch auf Abnahme der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen, sofern die Teilleistung abnahmefähig ist; die auf die Kündigung zurückzuführende Unvollständigkeit des Werkes ist nicht als Mangel des Teilwerkes zu qualifizieren.233 Der Auftraggeber ist darüber hinaus zur Mitwirkung an der gemeinsamen Aufmaßnahme verpflichtet.234 Nach § 648a Abs. 4 BGB kann nach einer Kündigung jede Vertragspartei von der anderen verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt. Verweigert eine Partei die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder einem von der anderen Partei innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, trifft sie die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Partei infolge eines Umstands fernbleibt, den sie nicht zu vertreten hat und den sie der anderen Partei unverzüglich mitgeteilt hat. gg) Fälligkeit des Werklohns Der Anspruch des Auftragnehmers auf die abschließende Vergütung wird mit der Abnahme der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen fällig.235

19.217

Der Auftragnehmer kann keine Abschlagszahlungen mehr verlangen, wenn der Auftraggeber nach Fertigstellung und Abnahme der Leistung unter Fristsetzung die Vorlage der Schlussrechnung gefordert hat und diese Frist abgelaufen ist.236 Demnach kann der Auftragnehmer nach der Vertragskündigung Abschlagszahlungen für die erbrachte Leistung verlangen, solange der Auftraggeber die Abnahme berechtigterweise verweigert und Vertragserfüllung verlangt.237 Stellt der Auftragnehmer nach der Kündigung des Vertrags und Abnahme der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen keine Schlussrechnung, kann der Auftraggeber Rückzahlung der überzahlten Abschlagszahlungen verlangen, sofern sich aus einer von ihm erstellten, seinem möglichen Kenntnisstand entsprechenden Abrechnung ein Rückzahlungsanspruch ergibt.238 hh) Abrechnung Im Falle einer „freien“ Auftraggeberkündigung ist strikt zu trennen zwischen der Abrechnung der erbrachten Leistung nach § 631 Abs. 1 BGB und (vorbehaltlich der Regelung in

232 BGH, Urt. v. 25.3.1993 – X ZR 17/92, BauR 1993, 469 = NJW 1993, 1972; BGH, Urt. v. 19.12.2002 – VII ZR 103/00, BauR 2003, 689 = BGHZ 153, 244 = NJW 2003, 1450. 233 BGH, Urt. v. 25.3.1993 – X ZR 17/92, BauR 1993, 469 = NJW 1993, 1972. 234 BGH, Urt. v. 22.5.2003 – VII ZR 143/02, BauR 2003, 1207 = NJW 2003, 2678. 235 BGH, Urt. v. 11.5.2006 – VII ZR 146/04, BGHZ 167, 345. 236 BGH, Urt. v. 20.8.2009 – VII ZR 205/07, NJW 2010, 227. 237 BGH, Urt. v. 15.6.2000 – VII ZR 30/99, NJW-RR 2000, 755 = NJW 2000, 2818. 238 Dieser Rückzahlungsanspruch ist kein Bereicherungsanspruch, er ergibt sich vielmehr aus der vertraglichen Abrede (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1999 – VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 = NJW 1999, 1867; BGH, Urt. v. 24.1.2002 – VII ZR 196/00, BauR 2002, 938 = NJW 2002, 1567).

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19.218

Teil 19 Rz. 19.218

Baurecht im WEG-Mandat

§ 648 S. 3 BGB) der Abrechnung der infolge der Kündigung nicht mehr zu erbringenden Leistung nach § 648 S. 2 BGB. Im Falle einer berechtigten außerordentlichen Auftraggeberkündigung steht dem Auftragnehmer kein Anspruch nach § 648 S. 2 BGB zu, sondern nur der Anspruch auf Vergütung der bis zur Kündigung erbrachten Leistung. Stehen dem Auftraggeber wegen der Restleistung Schadensersatzansprüche gegen den Auftragnehmer zu, kann er gegen den Vergütungsanspruch aufrechnen. Der Bundesgerichtshof hat Abrechnungsgrundsätze entwickelt, die bei der Abrechnung des gekündigten Bauvertrags unbedingt zu beachten sind.239

19.219 Der Auftragnehmer kann nach einer Kündigung – egal ob nach einer freien Auftraggeberkündigung oder nach einer außerordentlichen Kündigung – grds. den Werklohn für die erbrachte Leistung verlangen,240 wobei er seinen Vergütungsanspruch aus der vertraglich vereinbarten Vergütung für die gesamte Vertragsleistung ableiten muss. Er muss die erbrachte Leistung genau bezeichnen, von der nicht erbrachten abgrenzen und diese dann bewerten. Leistungsabgrenzung und Leistungsbewertung sind sowohl für eine prüfbare Abrechnung wie auch für eine schlüssige Werklohnklage unerlässlich. Im Fall einer „freien“ Auftraggeberkündigung hat der Auftragnehmer zusätzlich nach § 648 S. 2 und 3 BGB einen um die ersparten Aufwendungen bzw. um den anderweitigen oder böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb gekürzten Vergütungsanspruch für die infolge der Kündigung nicht mehr zu erbringenden Leistungen.241 ii) Mängel der erbrachten Teilleistung

19.220 Hat die vom Auftragnehmer bis zur Vertragskündigung erbrachte Leistung wesentliche Mängel, kann der Auftraggeber die Abnahme der erbrachten Leistung verweigern, der Werklohnanspruch wird nicht fällig. Hat der Auftraggeber die bis zur Kündigung erbrachte, mangelhafte Leistung abgenommen, steht ihm nach § 641 Abs. 3 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe des Doppelten der Mängelbeseitigungskosten zu. Der Vertrag besteht nach der Kündigung wegen des nicht gekündigten Teils fort.242 Aus diesem Grund berührt die Kündigung des Vertrags grds. nicht die Mängelrechte des Auftraggebers. Der Auftraggeber darf dem Auftragnehmer nach der Kündigung des Vertrags grds. nicht das Nacherfüllungsrecht wegen Mängeln der bis zur Kündigung erbrachten Leistung abschneiden.

239 BGH, Urt. v. 21.12.1995 – VII ZR 198/94, BauR 1996, 382 = BGHZ 131, 362 = NJW 1996, 1282. 240 BGH, Urt. v. 10.5.1990 – VII ZR 45/89, NJW-RR 1990, 1270; BGH, Urt. v. 25.3.1993 – X ZR 17/92, BauR 1993, 469 = NJW 1993, 1972; BGH, Urt. v. 12.2.2003 – X ZR 62/01, BauR 2003, 880. 241 § 648 S. 3 BGB ist nur auf nach dem 1.1.2009 entstandene Schuldverhältnisse anzuwenden (Art. 229 § 19 Abs. 1 EGBGB). 242 BGH, Urt. v. 25.6.1987 – VII ZR 251/86, BauR 1987, 689; BGH, Urt. v. 21.12.2000 – VII ZR 488/99, NJW-RR 2001, 383; BGH, Urt. v. 8.7.2004 – VII ZR 317/02, NJW-RR 2004, 1461.

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Grundlagen

Rz. 19.227 Teil 19

jj) Ansprüche des Auftraggebers nach der Kündigung Hat der Auftraggeber den Vertrag berechtigterweise außerordentlich gekündigt und hat der Auftragnehmer dies zu vertreten, steht dem Auftraggeber wegen etwaiger Fertigstellungsmehrkosten gegen den Auftragnehmer nach §§ 280, 281 BGB ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch zu.

19.221

kk) Vertragliche Kündigungsrechte beim VOB-Vertrag Die VOB/B enthält in § 8 VOB/B detaillierte Regelungen zur freien und zur außerordentlichen Auftraggeberkündigung und in § 9 VOB/B zur außerordentlichen Kündigung des Auftragnehmers.

19.222

Der Auftraggeber muss die Kündigung grds. zunächst schriftlich androhen, bevor er den Vertrag aus einem der normierten Gründe kündigen kann. Die Kündigung ist nicht entbehrlich. 4. Architekten-/Ingenieurvertrag a) Regelungen im BGB Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen (§ 650p Abs. 1 BGB).

19.223

aa) Anwendbare Vorschriften des Werk- und Bauvertragsrechts Auf den Architekten- und Ingenieurvertrag ist Werkvertragsrecht anzuwenden, auch einzelne Regelungen des Bauvertragsrechts, und zwar die § 650b sowie die §§ 650e bis 650h BGB (§ 650q Abs. 1 BGB).

19.224

bb) Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen nach § 650b Abs. 2 BGB Für die Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen nach § 650b Abs. 2 BGB gelten die Regelungen der HOAI, soweit diese einschlägig ist (§ 650q Abs. 2 Satz 1 BGB) und infolge der Entscheidung des EuGH243 anzuwenden ist (Näheres dazu s.u. Rz. 19.228 ff.). Dies ist sehr fraglich, da die HOAI in § 10 lediglich Regelungen zur Berechnung des Honorars bei vertraglichen Änderungen des Leistungsumfangs regelt („Einigen sich Auftraggeber und Auftragnehmer …“). Im Übrigen ist die Vergütungsanpassung frei vereinbar, und soweit keine Vereinbarung getroffen wird, gilt § 650c BGB entsprechend (§ 6501 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BGB).

19.225

cc) Sonderkündigungsrecht nach der sog. Zielfindungsphase Nach § 650r BGB steht beiden Vertragsparteien eines Architekten- oder Ingenieurvertrags unter den genannten Voraussetzungen ein Sonderkündigungsrecht zu.

19.226

Für vor dem 1.1.2018 geschlossene Verträge gibt es das nicht. dd) Teilabnahme Nach § 5650s BGB kann der Planer ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der von ihm bis da243 EuGH, Urt. v. 4.7.2019 – Rs. C-377/17.

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19.227

Teil 19 Rz. 19.227

Baurecht im WEG-Mandat

hin erbrachten Leistungen verlangen und damit die Verjährungsfrist für etwaige Ansprüche wegen Mängeln die bis dahin erbrachten Leistungen in Gang setzen. Für vor dem 1.1.2018 geschlossene Verträge gibt es das nicht; es wurde jedoch häufig eine Teilabnahme nach Erbringung der Leistungen der Leistungsphase 8 vereinbart. b) HOAI

19.228 Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) regelt die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in Deutschland. Es handelt sich um zwingendes öffentliches Preisrecht. Die HOAI ist leistungsbezogen, nicht berufsbezogen. Nach der HOAI kann die Vergütung vertraglich vereinbart werden, allerdings nur in einem engen zeitlichen und preislichen Rahmen (vgl. § 7 Abs. 1 HOAI) sowie unter Einhaltung des Schriftformerfordernisses. Wird die Vergütung nicht schriftlich bei Vertragsschluss vereinbart, gilt zwingend die Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI. Nach dem Urteil des EuGH vom 4.7.2019 hat jedoch die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, 2 Buchst. g und Abs. 3 Richtlinie 2006/123/EG verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.244 Seither werden unterschiedliche Meinungen zur Unanwendbarkeit der Regelungen in § 7 Abs. 1 und Abs. 5 HOAI vertreten.245 Den Streit unter den Oberlandesgerichten wird der BGH entscheiden müssen.

II. Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum 1. Vorüberlegungen a) Vertragsrechtliche Einordnung des Erwerbsvertrags

19.229 Wohnungseigentum wird in der Praxis überwiegend von einem Bauträger erworben. Gegenüber dem Erwerber verpflichtet sich der Bauträger zum einen zur Übertragung eines Miteigentumsanteils am Grundstück, zum anderen zur vertragsgemäßen Herstellung des Bauwerks. Schon vor der Reform des Bauvertragsrechts wurde der Bauträgervertrag allgemein als typengemischter Vertrag angesehen, der sowohl kaufvertragliche, werkvertragliche als auch Elemente des Geschäftsbesorgungsrechts enthielt.246 Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch und Schiffregisterverfahren wurde unter anderem ein neuer § 650u ins BGB eingefügt. Dieser bestimmt in seinem Absatz 1, dass beim Bauträgervertrag hinsichtlich der Errichtung oder des Umbaus die Vorschriften des Untertitels 1 gelten, also die Vorschriften zum Werk-, Bau- und Verbraucherbauvertragsrecht. Hinsichtlich des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück oder auf Bestellung des Erbbaurechts finden nach der zitierten Rechtsfolgenverweisung 244 EuGH, Urt. v. 4.7.2019 – Rs. C-377/17. 245 OLG Hamm, Urt. v. 23.7.2019 – 21 U 24/18 – Revision beim BGH – VII ZR 174/19; OLG Celle, Urt. v. 14.8.2019 – 14 U 198/18 – Revision beim BGH – Revision VII ZR 205/19; OLG Celle, Urt. v. 17.7.2019 – 14 U 188/18 – Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH – VII ZR 179/19; OLG Celle, Urt. v. 23.7.2019 – 14 U 182/18; KG, Urt. v. 19.8.2019 – 21 U 20/19. 246 BGH, Urt. v. 5.4.1979 – VII ZR 308/77, BauR 1979, 337; BGH, Urt. v. 12.7.1984 – VII ZR 268/83, BauR 1984, 634; BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, NJW 1985, 925; siehe hierzu auch oben Rz. 19.11.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.231 Teil 19

die Vorschriften über den Kauf Anwendung. Grundstücksmängel werden beispielsweise bei vorhandenen Altlasten oder allein schon bei Verdacht von Kontaminierungen247 zu prüfen sein. Hinweis: Mit Ausnahme der Art. 8 und 9, die bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten sind, ist das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung am 1.1.2018 in Kraft getreten. Die Neuregelungen sind nach Art. 229 § 39 EGBGB auf Verträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 abgeschlossen wurden oder werden. Für bis zu diesem Datum abgeschlossen Verträge gelten noch die Vorschriften des BGB und der Verordnung über Abschlagszahlungen in der alten Fassung.

Werkvertragsrecht gilt nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung248 nicht nur dann, wenn es sich bei dem erworbenen Objekt um ein neu errichtetes Haus oder eine neu errichtete Eigentumswohnung handelt. Die werkvertraglichen Vorschriften sind vielmehr auch dann heranzuziehen, wenn das Vertragsobjekt zum Zeitpunkt des Erwerbs vom Bauträger bereits fertig gestellt ist. Dies jedenfalls dann, wenn zwischen Fertigstellung und Verkauf keine größere Zeitspanne liegt. Wann diese Zeitspanne überschritten ist, also vom Kauf einer Gebrauchtwohnung gesprochen werden kann, hat der BGH abschließend noch nicht entschieden. Nach einer älteren Entscheidung249 soll Werkvertragsrecht auch dann noch anzuwenden sein, wenn eine Eigentumswohnung erst zwei Jahre nach Errichtung der Wohnanlage veräußert wird. Kaufrecht hat der BGH demgegenüber in einem Fall angenommen, bei dem eine von einem Bauträger erstellte und zuvor vermietete Wohnung etwa drei Jahre nach Errichtung veräußert wurde.250

19.230

Der Erwerb einer Eigentumswohnung ist auch dann nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, wenn ein Altbau in Eigentumswohnungen umgebaut wird und dem Veräußerer vertraglich eine Herstellungsverpflichtung obliegt, die einer Neuerrichtung vergleichbar ist.251 Ein wichtiges Kriterium hierfür ist der Umfang der geschuldeten Bauleistungen. Kommen diese nach Bedeutung und Umfang einer Neuerrichtung gleich, haftet der Veräußerer nach den Regeln des Werkvertragsrechts. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeiten zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits abgeschlossen sind.252 Die Haftung nach den werkvertraglichen Regeln beschränkt sich hierbei nicht nur auf die tatsächlich ausgeführten Umbauarbeiten, sondern besteht gleichermaßen für die in diesem Bereich befindliche Altbausubstanz.253 Beschränkt sich dagegen die im Veräußerungsvertrag übernommene Herstellungsverpflichtung auf Ausbesserungs- oder Renovierungsarbeiten, die nach Bedeutung und Umfang mit einer Neuerrichtung nicht vergleichbar sind, greift die werkvertragliche Haftung nur für diese Arbeiten, im Übrigen gilt Kaufrecht.254

19.231

247 OLG München, Urt. v. 3.4.1998 – 21 U 4350/97, NJW-RR 1999, 455; OLG München, Urt. v. 21.4.1994 – 32 U 2088/94, NJW 1995, 2566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.8.1996 – 9 U 99/95, NJW 1996, 3284. 248 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, NZBau 2016, 551 = NJW 2016, 2878. 249 BGH, Urt. v. 9.1.2003 – VII ZR 408/01, BauR 2003, 535. 250 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, NZBau 2016, 353 = NJW 2016, 1575. 251 BGH, Urt. v. 28.9.2006 – VII ZR 303/04, NZM 2006, 902; BGH, Urt. v. 26.4.2007 – VII ZR 210/05, NZM 2007, 519. 252 BGH, Urt. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, NZBau 2005, 216 = NJW 2005, 1115 = BauR 2005, 542. 253 BGH, Urt. v. 26.4.2007 – VII ZR 210/05, NJW 2007, 3275. 254 BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04, BauR 2006, 99 = NJW 2006, 214 = NZM 2006, 21.

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Teil 19 Rz. 19.232

Baurecht im WEG-Mandat

19.232 Die obigen Grundsätze dürften auch bei Verträgen, die nach Inkrafttreten der Bauvertragsrechtsreform abschlossen wurden oder werden, maßgeblich sein.255

19.233 Der Beantwortung der Frage, ob Werkvertrags- oder Kaufrecht anzuwenden ist, kommt erhebliche praktische Bedeutung zu. Ein Selbstvornahmerecht sowie einen Anspruch auf Kostenerstattung kennt das Kaufrecht nicht.256 Ist Werkvertragsrecht einschlägig, kann der Veräußerer die Sachmängelhaftung formularmäßig nicht wirksam ausschließen, selbst dann nicht, wenn die formelhafte Freizeichnung in einem notariellen Individualvertrag enthalten ist.257 Eine Ausnahme ist dort zu machen, wo der Notar mit dem Erwerber die Freizeichnung unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert hat. Soweit Kaufrecht anwendbar ist, kann der Ausschluss der verschuldensunabhängigen Sachmängelgewährleistung in einem Individualvertrag auch bei Verwendung einer formelhaften Klausel wirksam erfolgen. Eine notarielle Belehrung über Umfang und Bedeutung des Gewährleistungsausschlusses ist in diesem Fall nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.258 b) Gemeinschaftsbezogenheit einzelner Mängelrechte

19.234 Im Bauträgervertrag verpflichtet sich der Verkäufer gegenüber jedem einzelnen Erwerber zur vertragsgerechten – und damit auch mangelfreien – Herstellung des konkret erworbenen Sondereigentums sowie des gesamten Gemeinschaftseigentums. Wie Sonder- und Gemeinschaftseigentum vertragsgerecht herzustellen sind, ist dem jeweiligen individuellen Kaufvertrag zu entnehmen. Welche Mängelrechte dem einzelnen Erwerber zustehen, ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und dem Gesetz, vornehmlich also aus den §§ 634 ff. BGB. Für ab dem 1.1.2018 abgeschlossene Bauträgerverträge verweist § 650u BGB auf die Anwendung der Vorschriften des Untertitels 1.

19.235 Mängel am Sondereigentum eines einzelnen Erwerbers (also etwa fleckiger Anstrich der Innenwände, schlecht verlegtes Parkett etc.) werden üblicherweise Interessen der anderen Erwerber oder Wohnungseigentümer nicht tangieren; dies jedenfalls dann nicht, wenn sich solche Mängel nicht auf das Gemeinschaftseigentum auswirken (Bsp.: Schlechte Verfugung der Fliesen in der Dusche und Fehlstellen in der Duschwannenabdichtung führen zu Feuchteeindringungen in das dahinter liegende Mauerwerk).

19.236 Anders ist die Situation, wenn Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zur Disposition stehen. Dies allein schon wegen der unterschiedlichen Qualität der einzelnen Mängelansprüche.

19.237 Um Divergenzen zu vermeiden, wurde vom Bundesgerichtshof259 im Bauträgerrecht schon relativ frühzeitig der Begriff der Gemeinschaftsbezogenheit entwickelt. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn die individuelle Rechtsverfolgung durch einen einzelnen Wohnungs- oder Teileigentümer entweder die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft aus § 21 Abs. 3, Abs. 5 Ziff. 2 WEG beeinträchtigen oder das schützenswerte Interesse des Bauträgers/Veräußerers an

255 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 72. 256 Hierzu und zu den weiteren Unterschieden: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 72. 257 BGH, Urt. v. 5.4.1979 – VII ZR 308/77, NJW 1979, 1406 = BauR 1979, 337. 258 BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04, BauR 2006, 99. 259 BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258 (265).

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.241 Teil 19

einer einheitlichen Inanspruchnahme verletzen würde.260 Einzelne Erwerber sind deshalb ohne entsprechende Ermächtigung auch nicht befugt, wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum Vereinbarungen mit dem Bauträger über Minderung und Schadensersatz zu treffen. Eine gleichwohl geschlossene Vereinbarung wäre der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber unwirksam.261 c) Rechtsinhaberschaft und Durchsetzungsbefugnis Ansprüche wegen sog. „anfänglicher Baumängel“ resultieren aus dem Kaufvertrag des jeweiligen Erwerbers. Der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft steht insoweit in keinen vertraglichen Beziehungen zum Bauträger, mithin können ihm selbst aus eigenem Recht auch keine Mängelansprüche zustehen.

19.238

Inhaber der gegen den Bauträger gerichteten vertraglichen Ansprüche auf Erfüllung und 19.239 Nacherfüllung einschließlich deren Surrogate (Kostenvorschuss, Kostenerstattung) sowie der sekundären Mängelansprüche (Minderung, kleiner Schadensersatz) und der Rückabwicklungsansprüche (Rücktritt, großer Schadensersatz) ist der einzelne Erwerber. Er hat damit als Rechtsinhaber grundsätzlich auch die Sachbefugnis, diese Rechte zu verfolgen, dies allerdings nur, soweit und solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt werden.262 Nach einer Entscheidung des OLG Köln263 soll dies auch für im Gemeinschaftseigentum begründete Schallmängel gelten. Individuelle Interessen einzelner Eigentümer, von umfangreichen und störenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen verschont zu bleiben, sollen danach kein gemeinschaftsbezogenes Interesse darstellen. d) Gläubigerstellung Jeder einzelne Erwerber kann vom Bauträger die mangelfreie Herstellung der von ihm erworbenen Wohnung oder des sonstigen Sondereigentums sowie des gesamten Gemeinschaftseigentums verlangen. In welcher Weise dies zu erfolgen hat, ergibt sich aus dem konkreten Erwerbsvertrag, vornehmlich also aus den speziell getroffenen vertraglichen Vereinbarungen einschließlich der Baubeschreibung. Diese Festlegungen können in den jeweiligen Erwerbsverträgen differieren. So kann beispielsweise einem Erwerber ein Außenkamin versprochen worden sein, während sich aus den Vertragsplänen oder der Baubeschreibung anderer Erwerber Derartiges nicht ergibt.

19.240

Kommt der Bauträger/Veräußerer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht in gehöriger Weise nach, löst dies Mängelansprüche aus. Soweit das Gemeinschaftseigentum betroffen ist und ein gemeinschaftsbezogener Anspruch (nicht also ein auf Rückabwicklung gerichteter Anspruch – insoweit ist der jeweilige Erwerber Einzelgläubiger)264 geltend gemacht wird, nimmt die herrschende Auffassung in der Literatur Mitgläubigerschaft gemäß § 432 BGB

19.241

260 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, ZMR 2007, 627 (628 f.). 261 KG, Beschl. v. 7.1.2004 – 24 W 210/02, NZBau 2004, 437; OLG Hamm, Urt. v. 18.6.2001 – 17 U 167/99, BauR 2001, 1765. 262 BGH, Urt. v. 27.6.2006 – VII ZR 276/05, BauR 2006, 1747 = NZM 2006, 778; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.2018 – 8 O 55/09, IBRRS 2018, 2119. 263 OLG Köln, Urt. v. 2.3.2018 – 19 U 166/15, IBR 2018, 1034 (nur online). 264 So noch Wenzel in Bärman, WEG, 10. Aufl., Anhang zu § 10 WEG Rz. 13.

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Teil 19 Rz. 19.241

Baurecht im WEG-Mandat

an,265 dies jedenfalls in Bezug auf die primären Mängelrechte. Bezüglich der Sekundäransprüche gehen die Meinungen auseinander. Die Entscheidung, ob wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum nach Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen Minderung oder kleiner Schadensersatz geltend gemacht werden soll, haben die Eigentümer gemeinsam zu treffen. Erfüllung, also Zahlung, kann dann grundsätzlich auch nur an die Gemeinschaft verlangt werden.266 Pause267 ist dem mit beachtlichen Gründen entgegengetreten. Seiner Auffassung nach ergibt sich bereits aus der Natur des Anspruchs (die Minderung ermittelt sich aus dem Minderwert des Vertragsgegenstands des jeweiligen Erwerbers), dass die einzelnen Minderungsansprüche, auch wenn sie von der Gemeinschaft geltend gemacht werden, nicht in Mitgläubigerschaft stehen. Gleiches soll für den Anspruch auf kleinen Schadensersatz gelten. Auch dieser diene nur dem Ausgleich des Schadens, wie er dem einzelnen Erwerber entsteht.

19.242 Hat der Bauträger einem einzelnen Erwerber eine Beschaffenheit des Gemeinschaftseigentums versprochen, die sich mit den Abreden in den Erwerbsverträgen der übrigen Erwerber nicht bzw. nicht vollumfänglich deckt, kann Mitgläubigerschaft hinsichtlich des sich nicht deckenden Teils schon deshalb nicht vorliegen, weil es an der Voraussetzung „mehreren“ mangelt. e) Entstehung und Mitglieder der (ggf. werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft

19.243 Rechtlich wird die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Eintragung eines weiteren Eigentümers neben dem Alleineigentümer (i.d.R. also dem veräußernden Bauträger) in Vollzug gesetzt. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass die Eigentumsumschreibung verzögert, oft erst Jahre nach Kaufvertragsabschluss und Besitzübergabe stattfindet. In diesen Fällen ist es geboten, die Vorschriften des WEG vorverlagert anzuwenden. Bei rein sachenrechtlicher Betrachtung verbliebe ansonsten bis zur Eintragung jedenfalls eines Erwerbers neben dem aufteilenden Bauträger die alleinige Entscheidungs- und Verwaltungsbefugnis bei diesem. Vorverlagert finden deshalb die Vorschriften des WEG bereits dann Anwendung, sobald eine sog. „werdende Gemeinschaft“ zwischen dem Bauträger und den Erwerbern entstanden ist. Den Status eines werdenden Eigentümers erlangt der vom aufteilenden Bauträger erwerbende Käufer einer Wohnung oder sonstigen Teileigentums dann, wenn er eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition erlangt hat. Dies ist dann der Fall, wenn – ein gültiger Erwerbsvertrag zwischen Bauträger und Käufer vorliegt, – der Übereignungsanspruch durch eine Vormerkung gesichert ist und – der Besitz an der Wohnung an den Käufer (regelmäßig nach Zahlung der vorletzten Rate nach MaBV) übergeben wurde268

19.244 Die Mitglieder einer werdenden Gemeinschaft haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Wohnungseigentümer. Sie sind insbesondere zu Eigentümerversammlungen zu laden und besitzen dort sämtliche Teilnahme- und Stimmrechte.269 Dies bedeutet aber auch, dass die wer265 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 921 m.w.N.; OLG Dresden, Urt. v. 17.3.2005 – 4 U 2065/04, BauR 2005, 1221 (Ls.). 266 BGH, Urt. v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, NJW 1991, 2480. 267 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 924 ff. 268 BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, NZM 2016, 266. 269 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, NJW 2012, 2650.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.247 Teil 19

denden Eigentümer in Bezug auf die Verfolgung und Durchsetzung von Mängelansprüchen aus ihren jeweiligen Erwerbsverträgen nicht anders zu behandeln sind als eingetragene Eigentümer.270 Ihren bereits erworbenen Status verlieren werdende Eigentümer nicht dadurch, dass der erste Erwerber im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, die Wohnungseigentümergemeinschaft damit rechtlich in Vollzug gesetzt wird, und somit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht.271

19.245

Auf Erwerber, die den Erwerbsvertrag erst nach Eintragung des ersten Erwerbers im Wohnungsgrundbuch (Entstehung der Vollgemeinschaft) abgeschlossen haben, kann die Rechtsfigur des werdenden Eigentümers nicht angewendet werden.272 Anders ist dies bei Erwerbern, die den Erwerbsvertrag noch vor dem vorgenannten Zeitpunkt abgeschlossen haben, deren Auflassungsvormerkung allerdings erst nach diesem Zeitpunkt eingetragen wurde und denen der Besitz auch erst nach Entstehung der Vollgemeinschaft übergeben wurde.273 f) Der „werdende“ Verband Wohnungseigentümergemeinschaft Beim Erwerb vom aufteilenden Bauträger entsteht auch der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls dann voll, wenn der erste Erwerber neben dem Bauträger ins Grundbuch eingetragen wird.

19.246

Mit der werdenden Eigentümergemeinschaft wird auch der teilrechtsfähige Verband in Vollzug gesetzt.274 Dies jedenfalls im Innenverhältnis der werdenden Wohnungseigentümer. Gleichwohl müssen in der Praxis auch die werdenden Wohnungseigentümer, bezogen auf das gemeinschaftliche Eigentum, Verträge abschließen, ein Verwaltungsvermögen ansammeln etc. Es wird deshalb als sachgerecht angesehen, dass zu diesen Zwecken wiederum ein Verband nach außen auftritt.275 2. Die Regelung im WEG Nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG ist die Ausübung der gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Verband) zugewiesen, gleichermaßen die Ausübung von Rechten, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen Rechten, die von vorneherein der Ausübungskompetenz des Verbands Wohnungseigentümergemeinschaft unterliegen (geborene Ausübungsbefugnis), und solchen, die zwar einen Gemeinschaftsbezug aufweisen, ohne allerdings zwingend auch vom Verband ausgeübt werden zu müssen. Eine Kompetenzverlagerung auf den Verband hängt in diesem Falle vielmehr davon ab, dass die Wohnungseigen-

270 BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53, 59 = ZMR 2008, 805. 271 BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53, 59 = ZMR 2008, 805; OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2005 – 16 Wx 193/05 (unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung); BayObLG, Beschl. v. 19.6.1997 – 2Z BR 35/97, NJW-RR 1997, 1443, 1444. 272 Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl., Rz. 15 zu § 10 WEG. 273 BGH, Urt. v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, NZM 2012, 643 = NJW 2012, 2650. 274 BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, NZM 2016, 266. 275 Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl., Rz. 36 zu § 10 WEG.

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19.247

Teil 19 Rz. 19.247

Baurecht im WEG-Mandat

tümer die Ausübung dieser Rechte auch zur Gemeinschaftssache machen (gekorene Ausübungsbefugnis).276

19.248 Die oben angesprochenen Grundsätze dürfen allerdings nicht zu dem Schluss verleiten, dass der Verband, vertreten durch den Verwalter, immer dann von sich aus tätig werden dürfte, wenn ihm die Ausübungsbefugnis zugewiesen ist. Soweit wirksam durch Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist, haben grundsätzlich die Eigentümer im Rahmen ihrer Selbstverwaltung nach § 21 Abs. 1 WEG eine Entschließung darüber herbeizuführen, ob und ggf. auf welche Weise von der Ausübungsbefugnis Gebrauch gemacht werden soll. Sie haben damit unter anderem durch Beschluss darüber zu entscheiden, – ob die primären Mängelansprüche einschließlich ihrer Surrogate vergemeinschaftet werden sollen, – auf welche Art und Weise die vergemeinschafteten, primären Mängelansprüche verfolgt werden sollen, – ob die sekundären Mängelansprüche, ggf. auf welche Art und Weise, geltend gemacht werden sollen, – wie mit erlangten Mitteln verfahren werden soll. a) Der geborenen Ausübungsbefugnis unterliegende Ansprüche

19.249 Schon ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind die auf Minderung und kleinen Schadensersatz gerichteten Ansprüche Die Entscheidung darüber, ob – bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – statt Nacherfüllung Minderung oder kleiner Schadensersatz geltend gemacht werden soll, haben die Wohnungseigentümer gemeinsam zu treffen.277 Gleichermaßen kann alleine die Wohnungseigentümergemeinschaft die Voraussetzungen für diese Rechte schaffen.278 Auch für ihre Durchsetzung ist die Wohnungseigentümergemeinschaft von vorneherein allein zuständig.279 Allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und den sog. „kleinen Schadensersatz“ fallen dann nicht in den Anwendungsbereich der geborenen Ausübungsbefugnis des Verbands, wenn eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart wurde.280

19.250 Voraussetzung für die Geltendmachung der Sekundäransprüche Minderung und kleiner Schadensersatz ist, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt, grundsätzlich eine vorherige Aufforderung zur Nacherfüllung unter Fristsetzung sowie der fruchtlose Ablauf der (angemessen) gesetzten Frist. Vor Vergemeinschaftung der Primäransprüche ist zur Fristsetzung, ohne vorherige Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft, jeder einzelne Erwerber berechtigt. Der fruchtlose Fristablauf führt nach der seit 1.1.2002 geltenden Rechtslage281 nicht zum Verlust des Nacherfüllungsanspruchs. Die Erwerber können weiterhin wählen, ob sie am Nacherfüllungsanspruch festhalten oder stattdessen die Sekundäransprüche geltend 276 Wenzel, NJW 2007, 1908. 277 BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, BauR 1979, 420 (423). 278 BGH, Urt. v. 23.2.2006 – VII ZR 84/05, BauR 2006, 979 (981) = NZBau 2006, 371 = ZfBR 2006, 457; BGH, Urt. v. 30.4.1998 – VII ZR 47/97, BauR 1998, 783 = ZfBR 1998, 245. 279 Zur Kritik hieran: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 925 ff. 280 BGH, Urt. v. 24.7.2015 – V ZR 167/14, BauR 2015, 1837 = NJW 2015, 2874. 281 Anders die bis 1.1.2002 geltende alte Rechtslage (Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung).

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.254 Teil 19

machen wollen. Dies, obschon umgekehrt der Bauträger mit fruchtlosem Fristablauf seinerseits sein Recht zur zweiten Andienung (Nacherfüllungsrecht) verloren hat. Um die Sekundäransprüche geltend machen zu können kann282 sich die Eigentümergemeinschaft auf die durch einen einzelnen Erwerber erfolgte Fristsetzung und deren fruchtlosen Ablauf berufen, ohne ihrerseits nochmals eine Frist setzen zu müssen.283 Die Entscheidung darüber, ob trotz Ablaufs der Frist der Nacherfüllungsanspruch weiterverfolgt (ggf. durch erneute Fristsetzung), Selbstvornahmekostenvorschuss, kleiner Schadensersatz oder Minderung verlangt werden soll, haben dann die Eigentümer gemeinsam herbeizuführen.284 Berechtigte Interessen des Bauträgers werden dadurch nicht tangiert. Beruft sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Fristsetzung eines einzelnen Erwerbers, muss sie auch dessen Ansprüche aus seinem konkreten Erwerbsvertrag geltend machen. Alternativ dazu hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Möglichkeit, selbst nochmals eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Der Vorteil liegt darin, dass der fruchtlose Ablauf dieser Nacherfüllungsfrist der Wohnungseigentümergemeinschaft die Möglichkeit eröffnet, wahlweise Ansprüche aus den Erwerbsverträgen sämtlicher Mitglieder der Gemeinschaft geltend machen zu können. Diese Option sollte deshalb immer dann bevorzugt werden, wenn der Anspruch des Erwerbers, dessen Fristsetzung sich die Gemeinschaft ansonsten zu eigen machen würde, fraglich ist (etwa wegen Verjährung) oder anderen Erwerbern vertraglich eine Eigenschaft des Gemeinschaftseigentums versprochen wurde, die qualitativ über die vertraglichen Zusagen gegenüber diesem Erwerber hinausgehen.

19.251

b) Der gekorenen Ausübungsbefugnis unterliegende Ansprüche Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann durch einfachen Mehrheitsbeschluss die Verfolgung der primären, auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Baumängelansprüche ihrer Mitglieder aus deren Erwerbsverträgen an sich ziehen.285 Macht sie von dieser Befugnis Gebrauch, fällt ihr auch die alleinige Durchsetzungsbefugnis zu.286 Angesprochen sind der Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch einschließlich seiner Surrogate, also das Verlangen auf Zahlung eines Selbstvornahmekostenvorschusses sowie – nach zuvor erfolgter Mangelbeseitigung – auf Kostenerstattung.

19.252

Dies gilt auch in den Fällen, in denen nur ein einziger Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Herrichtung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums hat. Es ist auch nicht Voraussetzung, dass sämtliche Wohnungseigentümer gleichgerichtete Ansprüche haben. Ansonsten hätte es der teilende Eigentümer in der Hand, durch Zurückbehalten einer Einheit oder durch die Vereinbarung eines wirksamen Gewährleistungsausschlusses mit einem Erwerber die Geltendmachung entsprechender Ansprüche durch den Verband zu verhindern.287

19.253

Die Möglichkeit, Nacherfüllungsansprüche zu vergemeinschaften, besteht auch dann, wenn die Ansprüche des Erwerbers gegen den Bauträger nach Kaufrecht zu beurteilen sind. Dies ist der Fall bei Erwerb „gebrauchten Wohnungseigentums“, also wenn Wohnungen vom Bauträ-

19.254

282 283 284 285 286 287

Ohne dies zu müssen! OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2011 – 19 W 38/10, IMR 2011, 202 = BauR 2011, 1977. Hierzu ausführlich: Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 11. Teil, Rz. 403 ff. BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952. OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.2018 – 8 U 19/14, IBRRS 2018, 2119. BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, BauR 2010, 774 = NJW 2010, 933 = NZBau 2010, 432 = NZM 2010, 204 = ZfBR 2010, 363.

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Teil 19 Rz. 19.254

Baurecht im WEG-Mandat

ger erst einige Zeit (etwa 3 Jahre) nach Fertigstellung der Wohnanlage verkauft werden. Die Ansprüche müssen allerdings jeweils in vollem Umfange auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet sein.288 c) Beschränkung der Ausübungsbefugnis

19.255 Die Ausübungsbefugnis des § 10 Abs. 6 Ziff. 3 Alt. 2 WEG ist auf die Mitglieder der Gemeinschaft beschränkt, sei es als Volleigentümer oder als werdende Eigentümer (zur Differenzierung darf auf Rz. 245 verwiesen werden). Auf Ansprüche aus Erwerbsverträgen von Erwerbern, die diesen Status noch nicht (Nachzüglererwerber) oder nicht mehr (wegen zwischenzeitlicher Veräußerung ihres Wohnungseigentums) haben, kann die Gemeinschaft damit nicht zugreifen. Ein entsprechender Beschluss wäre nichtig. Gleichwohl fehlt auch solchen Erwerbern die Durchsetzungsbefugnis, soweit sie ihre Ansprüche auch in der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht hätten alleine durchsetzen können.289

19.256 Aus § 10 Abs. 6 Ziff. 3 Alt. 2 WEG kann eine Ausübungsbefugnis auch dann nicht abgeleitet werden, wenn der betreffende Anspruch nicht vergemeinschaftungsfähig ist. Dies ist namentlich der Fall bei den auf Rückabwicklung gerichteten Ansprüchen, also Rücktritt und großer Schadensersatz. d) Abgetretene Ansprüche

19.257 Hat der Bauträger eigene Gewährleistungsansprüche gegen die von ihm beauftragten Bauhandwerker an die Erwerber abgetreten, gilt nichts anderes.290 Die Durchsetzungsbefugnis ist dann auf die Verfolgung der Mängelansprüche unmittelbar gegenüber den jeweiligen Subunternehmern bezogen. Zu beachten ist allerdings, dass gegen vom Bauträger beauftragte Bauhandwerker, Unternehmer oder Planer nur Ansprüche aus Erwerbsverträgen verfolgt werden können, in denen auch wirksam eine Abtretung erfolgt ist. Diese Voraussetzung wird in der Praxis oftmals nicht bei allen Erwerbern vorliegen. 3. Umsetzung in der Praxis a) Pflichten des Verwalters

19.258 Mit der Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als (teil-)rechtsfähiger Verband hat sich die Pflichtenstellung des Verwalters verschoben. Als Organ der durch ihn repräsentierten Gemeinschaft hat er dafür Sorge zu tragen, dass der Verband seine Rechte selbst durchsetzt. Zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums gehört auch die Behebung von anfänglichen Baumängeln am Gemeinschaftseigentum. Kann hierfür noch ein Dritter, regelmäßig also der Veräußerer bzw. der Bauträger, herangezogen werden, muss dafür Sorge getragen werden, dass dies auch tatsächlich und in der gebotenen Art und Weise erfolgt und insbesondere bestehende Ansprüche nicht verjähren.

288 BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, IBR 2016, 289, die strittige Frage, ob der Nacherfüllungsanspruch auf Freistellung von den anteilsmäßigen Kosten für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums beschränkt ist, konnte der BGH im entschiedenen Fall offenlassen. 289 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, BauR 2010, 774. 290 BGH, Urt. v. 11.10.1979 – VII ZR 247/78, BauR 1980, 69 (71).

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.263 Teil 19

In erster Linie ist es zwar Sache der Wohnungseigentümer, dafür zu sorgen, dass Baumängel behoben werden. Bei neu errichteten Gebäuden ist allerdings der Verwalter verpflichtet, während des Laufs der Gewährleistungsfrist die Wohnungseigentumsanlage regelmäßig zu begehen, um etwa bestehende Mängel festzustellen.291 Erst recht gilt dies dann, wenn Mängelhinweise seitens der Eigentümer angebracht werden.292 Ihre Grenze findet die Untersuchungspflicht des Verwalters dort, wo sie dem durchschnittlichen Verwalter unter Berücksichtigung seiner eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht mehr zuzumuten ist.

19.259

Der Verwalter muss demnach unter anderem

19.260

– rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche die Wohnungseigentümer auf die drohende Verjährung hinweisen, – die Eigentümer sensibilisieren, dass Verjährung der Ansprüche droht und deshalb eine Begehung durch einen Sachverständigen sinnvoll wäre, – der Gemeinschaft vollziehbare Beschlussvorschläge unterbreiten, – bei bereits festgestellten Mängeln rechtzeitig eine Eigentümerversammlung (ggf. außerordentlich) einberufen und dort wiederum geeignete Beschlussvorschläge zur außergerichtlichen und notfalls gerichtlichen Anspruchsverfolgung unterbreiten. Verletzt der Verwalter seine ihm insoweit obliegenden Verpflichtungen schuldhaft mit der Fol- 19.261 ge, dass Mängelansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können, haftet er den Wohnungseigentümern für den daraus entstehenden Schaden. Hinweis: Vertragspartner des Verwalters ist der Verband. Die aus dem Vertrag erwachsenen Erfüllungs- und Mängelansprüche sind solche des Verbands. Für die am Vertrag nicht beteiligten Wohnungseigentümer ergeben sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung jedoch Schutzwirkungen293 (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter).

b) Primäre Mängelansprüche Um die primären Mängelansprüche (also Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche ein- 19.262 schließlich der Surrogate Selbstvornahmekostenvorschuss und Erstattung der Selbstvornahmekosten) geltend machen zu können, muss die Eigentümergemeinschaft zuvor von ihrer Kompetenz, die Verfolgung dieser Ansprüche an sich ziehen zu können, Gebrauch machen. Dies kann durch einfachen Mehrheitsbeschluss, der – um einer erfolgreichen Anfechtung entgegenzuwirken – ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen sollte, erfolgen. Bei der Beschlussformulierung sollte auf Klarheit geachtet werden, um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.294

291 OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, BauR 2008, 1940 = NZBau 2009, 317 = NZM 2008, 895; BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NJW-RR 2001, 731. 292 OLG Hamm, Beschl. v. 25.7.1996 – 15 W 81/95, NJW-RR 1997, 143. 293 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2006 – 3 Wx 281/05, NJW 2007, 161 (162). 294 Riecke/Vogel in Riecke/Schmid, 5. Aufl., Anh. zu § 8 WEG, Rz. 57b.

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19.263

Teil 19 Rz. 19.263

Baurecht im WEG-Mandat

M 25 Beschluss gemeinschaftliche Verfolgung primärer Mangelansprüche TOP … a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die gemeinschaftliche Verfolgung und Durchsetzung auch der primären Mängelansprüche aus den Erwerbsverträgen ihrer Mitglieder gegen den Bauträgerveräußerer X wegen der am Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage vorhandenen Mängel, wie diese durch den von der Gemeinschaft beauftragten Privatsachverständigen Y in seiner schriftlichen Stellungnahme vom … durch ihrer Symptome beschrieben wurden. b) Die Verwaltung wird beauftragt und ermächtigt, dem Bauträger X vorerst eine angemessene Frist zur fachgerechten Beseitigung der Mängel zu setzen. Kommt der Bauträger seiner Verpflichtung zur fachgerechten Mangelbeseitigung bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht oder nicht in gehöriger Weise nach, ist die Verwaltung beauftragt und ermächtigt, eine(n) in bauund wohnungseigentumsrechtlichen Fragen versierte(n) Anwältin/Anwalt oder eine Anwaltskanzlei auf RVG-Basis mit der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zu beauftragen und zu bevollmächtigen. c) Über die weitere Vorgehensweise wird nach Vorliegen des Beweisgutachtens, ggf. in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung, entschieden.

19.264 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Beschluss dann hinreichend bestimmt, wenn er erkennen lässt, welche tatsächlichen oder vermeintlichen Ansprüche der Wohnungseigentümer vergemeinschaftet werden sollen.295 Ein ausreichend bestimmter Beschluss zur außergerichtlichen und gerichtlichen Verfolgung von Mängelansprüchen bezüglich der gemeinschaftlichen Bausubstanz kann demnach bereits dann vorliegen, wenn der Verwalter nach dem Beschlussinhalt die Mängel der Erwerber gesammelt unter Fristsetzung der Bauträgerin melden soll und ergänzend die Ermächtigung der Verwaltung beschlossen wird, einen Anwalt mit der notfalls gerichtlichen Durchsetzung zu beauftragen.296

19.265 Möglich ist auch ein Mehrheitsbeschluss in die Richtung, dass sich die Wohnungseigentümer darauf beschränken, dem Bauträger/Veräußerer eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen und es für den Fall, dass nicht nachgebessert wird und sich die Wohnungseigentümer hiermit abfinden, dem Einzelnen überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang er individuell seine Ansprüche auf Minderung oder auf kleinen Schadensersatz geltend machen will.297 Ob ein entsprechender Beschluss allerdings ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist besonders kritisch zu hinterfragen. Dies insbesondere dann, wenn es sich um ohne weiteres behebbare Mängel an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums handelt. Ordnungsgemäßer Verwaltung kann ein solcher Beschluss dann entsprechen, wenn der Mangel (etwa fleckiger Fassadenanstrich) keine technische Beeinträchtigung zur Folge hat.

295 BGH, Urt. v. 4.7.2014 – V ZR 183/13, NJW 2014, 2861 = NZM 2014, 708. 296 OLG München, Urt. v. 19.4.2016 – 9 U 3566/15 Bau, BGH, Beschl. v. 18.7.2018 – VII ZR 112/16 (NZB zurückgewiesen), IBR 2018, 3262. 297 BGH, Urt. v. 4.11.1982 – VII ZR 53/82, NJW 1983, 453.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.268 Teil 19

c) Sekundäre Mängelansprüche aa) Entscheidungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft Angesprochen sind der „kleine Schadensersatz“ und die Minderung. Die Entscheidungsbefugnis darüber, dass anstelle der primären Ansprüche ein Sekundäranspruch geltend gemacht werden soll, obliegt grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft, die diese Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss zu treffen hat. Im Beschluss, zu mindern oder den Anspruch auf kleinen Schadensersatz geltend zu machen, ist zugleich die Entscheidung zu sehen, dem Bauträger eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Hierzu ist dann der Verwalter im Zweifel auch ermächtigt.298 Gleichermaßen obliegt es der Entscheidungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft, darüber zu befinden, welcher der beiden genannten Sekundäransprüche, ggf. auch kombiniert, geltend gemacht und durchgesetzt werden soll.299 An die Beschlussfassung sind die überstimmten Wohnungseigentümer gebunden.

19.266

Hinweis: Schadensersatz und Minderung setzen, von Ausnahmen abgesehen, voraus, dass dem Bauträger zuvor eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde und diese fruchtlos abgelaufen ist. Eine Fristsetzung kann dann entbehrlich sein, wenn der Bauträger die Nacherfüllung unmissverständlich verweigert hat. Das bloße Bestreiten eines Mangels reicht hierfür nicht aus.300

bb) Kleiner Schadensersatz Zu beachten ist, dass nach nunmehriger höchstrichterlicher Rechtsprechung der kleine Schadensersatz grundsätzlich nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen werden kann. Der BGH301 hat hierzu ausgeführt:

19.267

1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).*)

19.268

2.a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.*) b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.*) 3.a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt

298 299 300 301

Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., Anh. zu § 21 WEG Rz. 38. BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, BauR 1979, 420. BGH, Urt. v. 13.7.2011 – VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435. BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463 = NZM 2018, 345; zur Schadenbemessung ausführlich: OLG Frankfurt, Urt. v. 31.8.2018 – 13 U 191/16, IBR 2018, 3495.

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Teil 19 Rz. 19.268

Baurecht im WEG-Mandat

verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.*) b) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will. Ist, obschon grundsätzlich der kleine Schadensersatz verlangt wurde, eine Mängelbeseitigung beabsichtigt, kann für die zu erwartenden Kosten vom Bauträger ein angemessener Vorschuss verlangt werden. Die Absicht der Mangelbeseitigung soll nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt302 grundsätzlich zu unterstellen sein. Zu beachten ist, dass ein Schadensersatzanspruch voraussetzt, dass der Bauträger den Mangel zu vertreten hat. Ist dies – was die Ausnahme sein dürfte – nicht der Fall, muss ein verschuldensunabhängiger Anspruch, also etwa Minderung, gewählt werden.

19.269 Neben den eigentlichen Mangelbeseitigungskosten, also denjenigen, die erforderlich sind, um das mangelhafte Gemeinschaftseigentum in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, sind auch die Kosten zu ersetzen, die notwendig sind, um die Mängelbeseitigung überhaupt erst zu ermöglichen.303 Hierzu können beispielsweise Beräumungskosten (Bsp.: Demontage einer Küchenzeile) oder auch Kosten der Unterbringung der Bewohner in einem Hotel zählen. Ferner fallen hierunter Kosten für Wiederherstellungsmaßnahmen, die dadurch entstehen, dass andere Bauteile oder Installationen beschädigt oder zerstört werden müssen, um die Mangelursache fachgerecht beseitigen zu können. Zu denken ist hierbei etwa an die Demontage eines Parkettbodens, um den schadhaften Estrich erneuern zu können. Soweit Bauteile oder Installationen, die im Sondereigentum stehen, beschädigt oder zerstört werden müssen oder einem oder mehreren Miteigentümern im Zuge der Durchführung der Nachbesserungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum Kosten entstehen, besteht unserer Auffassung nach auch insoweit eine geborene Durchsetzungsbefugnis des Verbands. Die erforderliche Gemeinschaftsbezogenheit kann aus § 14 Nr. 4 WEG abgeleitet werden. Auch hinsichtlich solcher Ansprüche ist damit im Falle der gerichtlichen Geltendmachung eine gesetzliche Prozessstandschaft des Verbands gegeben. cc) Minderung

19.270 Die Minderung, die nunmehr als einseitiges Gestaltungsrecht ausgestaltet ist,304 ist vollzogen, wenn sie dem Bauträger gegenüber erklärt wird. Diese Wahl ist bindend, sofern keine unberechtigte Minderung vorliegt.

19.271 Nach der Minderungsformel des § 638 BGB ist die Vergütung im Verhältnis des Wertes des Werkes in mangelfreiem Zustand zum wirklichen Wert herabzusetzen (vgl. hierzu auch oben I.3.e)ee). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Hierbei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der vereinbarte Kaufpreis dem Wert des Werkes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht.305 Hinweis: Bestehen hiergegen Zweifel, muss im gerichtlichen Verfahren Gegenteiliges substantiiert vorgetragen werden.

302 303 304 305

OLG Frankfurt, Urt. v. 6.10.2016 – 13 U 96/14, IBRRS 2018, 1221. BGH, Urt. v. 10.4.2003 – VII ZR 251/02, BauR 2003, 1211. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil Rz. 227. BGH, Urt. v. 24.2.1972 – VII ZR 177/70, BGHZ 58, 181.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.274 Teil 19

Die Rechtsprechung geht zudem davon aus, dass sich der Minderwert regelmäßig in den Mangelbeseitigungskosten ausdrückt.306 Dies mag nach der aktuellen Entscheidung des BGH vom 22.2.2018 dann gelten, wenn die Mängel tatsächlich beseitigt wurden und deshalb die aufgewendeten Kosten feststehen. Fiktive Mängelbeseitigungskosten dürfen allerdings nach der vorzitierten BGH-Entscheidung nicht mehr zur Minderungsberechnung herangezogen werden können.307 Mitberücksichtigt werden kann im Übrigen auch ein trotz Nachbesserung verbleibender merkantiler Minderwert.308 Ein Berechnung der Minderung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten schied allerdings auch bisher dann aus, wenn, wie etwa bei bestimmten Schallmängeln, die Nachbesserung unmöglich ist oder sich der Bauträger berechtigterweise darauf beruft, dass die Mangelbeseitigung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde.309

19.272

Fraglich ist, wie bei gemeinschaftlicher Geltendmachung die Minderung zu berechnen ist. 19.273 Während zum kleinen Schadensersatz obergerichtliche Rechtsprechung herangezogen werden kann,310 hat sich die Rechtsprechung bisher mit der Minderung nicht auseinandersetzen müssen.311 Soweit auf einen fiktiven Gesamterwerbspreis abgestellt wird,312 hält dem Pause313 mit Recht entgegen, dass bei der Minderung von vorneherein nur auf den Erwerbspreis des jeweiligen Erwerbers unter Berücksichtigung des tatsächlichen Minderwerts seiner Wohnung abgestellt werden kann. Einen fiktiven „Gesamterwerbspreis“ gibt es nicht und damit auch keinen „Gesamtminderungsbetrag“. d) Stimmrechtsfragen Soweit der Bauträger noch Eigentümer einer oder mehrerer Wohnungen ist, ist auch er Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Gleichwohl ist er wegen Interessenkollision nach § 25 Abs. 5 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen,314 sofern und soweit über die Verfolgung gegen ihn gerichteter Mängelansprüche beschlossen werden soll. Dies gilt auch für in unmittelbarem Zusammenhang stehende Beschlussgegenstände,315 und zwar unabhängig davon, ob diese Nebenbestandteil des Beschlusses selbst oder Gegenstand eines gesonderten Beschlusses sind (Beispiel: Finanzierungsbeschluss). Zur Eigentümerversammlung ist der Bauträger aber zu laden, damit auch er seine Vorstellungen in die Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft einbringen kann. Hinsichtlich der Finanzierung ist zu beachten, dass auch der Bauträger, der selbst noch Wohnungseigentümer und damit Mitglied der Gemeinschaft ist, aus dieser Position heraus die für

306 BGH, Urt. v. 24.2.1972 – VII ZR 177/70, BGHZ 58, 181; BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 286/82, BauR 1984, 401. 307 Vgl. etwa: Manteufel, ibr-online-Kommentar VOB, 22.12.2018, § 13 Rz. 464. 308 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 286/82, BauR 1984, 401 = NJW 1984, 1679. 309 BGH, Urt. v. 9.1.2003 – VII ZR 181/00, NJW 2003, 1189; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.1993 – 22 U 286/92. 310 So nunmehr grundlegend: BGH, Urt. v. 22.2.2018, IBR 2018, 196; zur Schadensbemessung: OLG Frankfurt, Urt. v. 31.8.2018 – 13 U 191/16, IBR 2018, 3495. 311 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 948. 312 Riecke/Vogel in Riecke/Schmid, WEG, 5. Aufl., Anhang zu § 8 WEG Rz. 48. 313 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 948. 314 BayObLG, Beschl. v. 11.4.2001 – 2Z BR 27/01, ZMR 2001, 826; BayObLG, Beschl. v. 31.1.1992 – 2 Z 143/91, NJW 1993, 603; Pause/Vogel, ZMR 2007, 577 (583). 315 AG Landsberg, Beschl. v. 10.5.2011 – 1 C 1146/10, IMR 2011, 425.

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19.274

Teil 19 Rz. 19.274

Baurecht im WEG-Mandat

die Anspruchsverfolgung anfallenden Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG anteilig mit zu tragen hat.316 e) Abschluss von Vergleichen

19.275 Hat die Gemeinschaft die primären Mängelansprüche zur Verfolgung und Durchsetzung an sich gezogen oder werden Sekundäransprüche geltend gemacht, kann die Gemeinschaft auch einen Vergleich mit dem Bauträger schließen.317 Der einzelne Erwerber ist dann an einen von der Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Bauträger abgeschlossenen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich gebunden.318 Ein einem Vergleich zustimmender Beschluss muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn der Vergleich einen angemessenen Ausgleich schafft. Will ein Wohnungseigentümer in Frage stellen, dass der Vergleich ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, muss er gegen den Beschluss im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. Ordnungsgemäßer Verwaltung dürfte ein Vergleich jedenfalls dann entsprechen, wenn der Bauträger trotz Verjährung der Ansprüche im Vergleich Zugeständnisse macht. 4. Auswirkungen auf die Rechtsausübung des Einzelnen a) Grundsätzlich Durchsetzungssperre

19.276 Zieht die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss die Verfolgung der primären Mängelansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums an sich, verliert der einzelne Erwerber die Sachbefugnis, diese Rechte eigenständig durchzusetzen.319 Der Eigentümerbeschluss hat insoweit also Außenwirkung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das eigenständige Vorgehen des Erwerbers gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft oder schutzwürdige Interessen des Bauträgers beeinträchtigen kann.320 Kein gemeinschaftsbezogenes Interesse kann aus individuellen Interessen einzelner Eigentümer, von umfangreichen und störenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen verschont zu bleiben, abgeleitet werden.321 Von der Durchsetzungssperre betroffen sind nicht nur die Wohnungseigentümer, sei es als Volleigentümer oder als werdende Eigentümer, sondern auch Erwerber, die diesen Status noch nicht322 oder nicht mehr323 haben. Diese Wirkung tritt „ex nunc“ mit dem Zeitpunkt der Beschlussfassung ein. Soweit einzelne Erwerber bis dahin Rechtshandlungen vorgenommen haben, bleiben diese wirksam.324

316 BayObLG, Beschl. v. 31.1.1992 – BReg 2 Z 143/91, NJW 1993, 603; Fritsch, 2. Aufl., Teil 12 Rz. 123. 317 Offen gelassen in BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 2767/05, BauR 2006, 1747 = NJW 2006, 3275. 318 OLG Köln, Beschl. v. 23.10.2013 – 11 U 109/13, IMR 2014, 257. 319 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, ZMR 2007, 627; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.2018 – 8 U 19/14, IBRRS 2018, 2119. 320 BGH, Urt. v. 6.3.2014 – VII ZR 266/13, BauR 2014, 997. 321 OLG Köln, Urt. v. 2.3.2018 – 19 U 166/15, IBR 2018, 2564 (Behebung von Schallschutzmängeln). 322 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, BauR 2010, 774. 323 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, ZMR 2007, 627. 324 BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258; BGH, Urt. v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.279 Teil 19

aa) Erwerb vom Ersterwerber Eigentümerstatus haben Erwerber, die bereits im Grundbuch als Volleigentümer eingetragen sind, aber auch solche, die vor Volleintragung des ersten Erwerbers den Status eines werdenden Eigentümers erlangt haben (hierzu oben Rz. 19.243). Ein werdender Eigentümer bleibt nach der Rechtsprechung des BGH auch dann Mitglied des Verbands, wenn er die von ihm erworbene Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübergang veräußert.325 Der vom Ersterwerber erwerbende Käufer ist als „Zweiterwerber“ anzusehen. Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wird er erst mit seiner Volleintragung.

19.277

bb) Bereits gesetzte Fristen Soweit und solange die Gemeinschaft die Verfolgung der primären Mängelansprüche noch nicht an sich gezogen hat, ist der einzelne Erwerber nicht gehindert, eigenständig gegen den Veräußerer/Bauträger vorzugehen. Er kann damit den Bauträger unter Fristsetzung zur Nachbesserung auffordern326 und diesen nach fruchtlosem Fristablauf, wiederum unter Fristsetzung, zur Zahlung eines Selbstvornahmekostenvorschusses an die Gemeinschaft auffordern.327 Kommt der Bauträger dem nicht nach, kann der einzelne Erwerber gegen den Bauträger Klage auf Zahlung eines Selbstvornahmekostenvorschusses – freilich nur mit Zahlung an die Gemeinschaft328 – erheben.

19.278

Zieht die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfolgung der Primäransprüche während des Laufs einer von einem einzelnen Erwerber gesetzten Frist an sich, verliert der einzelne Erwerber die materiell-rechtliche Ausübungsbefugnis. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich, ohne neuerliche eigene Fristsetzung,329 auf die zuvor vom Erwerber gesetzte Frist stützen und darauf aufbauend weitergehende Ansprüche geltend machen. Mit fruchtlosem Fristablauf entstehen der Gemeinschaft keine Nachteile. Es steht ihr frei, zu entscheiden, ob sie – ggf. unter erneuter Fristsetzung – weiterhin Nacherfüllung verlangen oder weitergehende Ansprüche gelten machen will. Nach Fristablauf kann sie darüber entscheiden, ob von vorneherein gemeinschaftsbezogene Rechte (also der geborenen Ausübungsbefugnis unterfallende Rechte) oder Ansprüche auf Nacherfüllung einschließlich der Surrogate geltend gemacht werden sollen.330

19.279

Eine Fristsetzung durch die Gemeinschaft erübrigt sich allerdings nach Fristablauf nicht grundsätzlich. Dies ist nach unserer Auffassung nur dann der Fall, wenn die Gemeinschaft lediglich die Ansprüche des Erwerbers oder der Erwerber, welcher oder welche die Frist gesetzt hat/haben, weiterverfolgen will. Ist dies nicht der Fall, muss die Gemeinschaft eine neue Frist setzen.

325 BGH, Urt. v. 24.7.2015 – V ZR 275/14, BauR 2015, 1834 = NJW 2015, 2877; siehe auch BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 (59) = ZMR 2008, 805. 326 BGH, Urt. v. 8.12.2009 – XI ZR 181/08 – BauR 2010. 507 = NZBau 2010, 426 = NJW 2010, 1284. 327 BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 36/76, NJW 1977, 1336. 328 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952. 329 OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2011 – 19 W 38/10, BauR 2011, 1977. 330 OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2011 – 19 W 38/10, IMR 2011, 202.

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Teil 19 Rz. 19.280

Baurecht im WEG-Mandat

cc) Prozessuale Auswirkung auf ein laufendes Verfahren, wenn die Gemeinschaft von ihrer Ausübungsbefugnis Gebrauch macht

19.280 Hat ein einzelner Wohnungseigentümer Klage auf Zahlung eines Selbstvornahmekostenvorschusses erhoben, und entscheiden sich die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss anschließend für die Verfolgung der primären Mängelansprüche durch den Verband, verliert der klagende Eigentümer ab diesem Zeitpunkt die prozessuale Verfügungsbefugnis. Wegen nachträglichen Wegfalls der Prozessführungsbefugnis des klagenden Erwerbers wäre demnach die Klage als unzulässig abzuweisen. Um dies zu vermeiden, muss die Hauptsache für erledigt erklärt werden.331 Über die Kosten ist nach § 91a ZPO zu befinden. Um zu einer sachgerechten Kostenentscheidung zu gelangen, muss das Gericht eine Prozessprognose treffen. Das Ergebnis dieser Prognose wiederum wird wesentlich vom Verfahrensstand abhängen. Befindet sich das Verfahren noch in einem relativ frühen Stadium, wird das Gericht nicht selten Kostenaufhebung anordnen. b) Keine Beeinträchtigung gemeinschaftsbezogener Interessen aa) Rücktritt und großer Schadensersatz

19.281 Durch Ausübung der Gestaltungsrechte Rücktritt und Großer Schadensersatz statt der Leistung werden weder schutzwürdige Belange der Gemeinschaft noch solche des Bauträgers berührt. Beide führen im Ergebnis dazu, dass der Bauträger wieder in die Eigentümerstellung einrückt. Hinweis: Rücktritt und die Geltendmachung des großen Schadensersatzes können, worauf der anwaltliche Berater hinzuweisen hat, riskant sein. Schadensersatz statt der Leistung oder Rücktritt sollten nur dann gewählt werden, wenn die aus der Rückabwicklung entstehenden Ansprüche abgesichert sind.332

(1) Grundsätzlich vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung und fruchtloser Fristablauf erforderlich

19.282 Von den Fällen der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung (also etwa ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung) abgesehen, setzen der Rücktritt und das Verlangen nach großem Schadensersatz voraus, dass dem Veräußerer (Bauträger) vom Erwerber eine angemessene Frist zu Nacherfüllung gesetzt wurde und diese erfolglos abgelaufen ist. Zu einer solchen zweckgebundenen Fristsetzung ist der einzelne Erwerber auch dann noch befugt, wenn die Gemeinschaft beschlossen hat, die primären Mängelansprüche zur Ausübung an sich zu ziehen.333 Dies gilt sogar dann noch, wenn die Gemeinschaft den Bauträger zur Zahlung eines Kostenvorschusses für die Selbstvornahme aufgefordert oder diesen bereits im Wege der Klage gel-

331 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 969; Riecke/Vogel in Riecke/Schmid, WEG, 5. Aufl., Anhang zu § 8 WEG Rz. 10; Ott, ZWE 2017, 106. 332 Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 7. Teil Rz. 19; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 744; zum Sicherungsumfang einer Bürgschaft nach § 7 MaBV: BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BauR 2006, 1747 = NJW 2006, 3275 = NZM 2006, 778; zur Freistellungserklärung: BGH, Urt. v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04, BauR 2005, 866 = NJW 2005, 1356 = NZBau 2005, 278. 333 BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, BauR 2010, 2100 = NJW 2010, 3089 = NZBau 2010, 691 = NZM 2010, 745 = ZfBR 2010, 763.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.283 Teil 19

tend gemacht hat. Dies jedenfalls dann, wenn der Selbstvornahmekostenvorschuss noch nicht bezahlt wurde.334

M 26 Fristsetzung zur Nacherfüllung bei „großem“ Schadensersatz

19.283

Einschreiben/Rückschein An (Bauträger) … … Ort/Datum Bauträgerkaufvertrag vom … hier: Fristsetzung zur Mängelbeseitigung Sehr geehrte Damen und Herren, mit Bauträgervertrag vom … haben Sie uns die Sondereigentumseinheit Nr. … laut Aufteilungsplan in der WE-Anlage in … verkauft. Zwischenzeitlich haben sich nach Abnahme folgende gravierende Mängel am Gemeinschaftseigentum gezeigt, die sie bisher nicht beseitigt haben: … Wir fordern Sie hiermit auf, diese Mängel nunmehr umgehend, spätestens aber bis … (Datum) dauerhaft und fachgerecht zu beseitigen bzw. beseitigen zu lassen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen, werden wir von dem mit Ihnen abgeschlossenen Bauträgervertrag zurücktreten bzw. den so genannten großen Schadensersatz geltend machen. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift)

Ob eine bereits an die Gemeinschaft geleistete Vorschusszahlung den Rücktritt ausschließt, wird kontrovers diskutiert.335 Richtigerweise entfaltet die Vorschusszahlung keine Sperrwirkung für den Rückabwicklungsanspruch. Der Nacherfüllungsanspruch erlischt dadurch nicht. Dies ist erst nach tatsächlicher Mängelbeseitigung der Fall. Nach einer Entscheidung des BGH aus 2014336 soll der einzelne Erwerber allerdings dann keine zweckgerichtete Frist zur Vorbereitung der Rückabwicklung setzen können, wenn von der Gemeinschaft zuvor noch keine Nacherfüllungsfrist gesetzt wurde und dies auch nicht gewollt

334 BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1. 335 Verneinend: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 950; Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rz. 502; bejahend: OLG Hamm, Urt. v. 13.2.2007 – 21 U 69/06, BauR 2007, 761 = NJW-RR 2007, 897 = NZBau 2007, 783. 336 BGH, Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 266/13, BauR 2014, 997.

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Teil 19 Rz. 19.283

Baurecht im WEG-Mandat

ist, da vorerst Maßnahmen der erforderlichen Mängelbeseitigung in einem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden sollen. Hat die Gemeinschaft dem Bauträger eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, kann sich hierauf auch der einzelne Erwerber berufen und nach deren fruchtlosem Ablauf bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen zurücktreten oder den großen Schadensersatz geltend machen. (2) Bereits entstandener Rückabwicklungsanspruch

19.284 Ein bereits entstandener Rückabwicklungsanspruch kann dem einzelnen Erwerber nachträglich nicht mehr genommen werden.337 Zeitlich ist hierbei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem sich das Schuldverhältnis umgewandelt hat, also an die Stelle des Erfüllungsanspruchs die sekundären Mängelansprüche getreten sind. Nach § 634 BGB a.F. war dies der Zeitpunkt des Ablaufs einer angemessenen, mit Ablehnungsandrohung versehenen Nachbesserungsfrist.338 Seit der Schuldrechtsreform ist dies anders. Der Nacherfüllungsanspruch erlischt (erst) mit Ausübung des Rücktritts bzw. mit dem Verlangen nach Schadensersatz statt der Leistung.339 Bessert der Bauträger vorher nach, entfallen die Rechte auf Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung. Gleiches gilt, wenn die Gemeinschaft im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz den Nacherfüllungsanspruch zum Erlöschen bringt. Dies kann zum einen dadurch erfolgen, dass die Gemeinschaft beschließt, Minderung zu verlangen oder einen Vergleich anzunehmen.340

19.285 Hinweis: Will ein Wohnungseigentümer dies vermeiden, muss er versuchen, im Wege der Anfechtungsklage einen den Vergleich akzeptierenden Beschluss für ungültig erklären zu lassen. Erfolgversprechend wird die Anfechtungsklage nur dann sein, wenn der im konkreten Einzelfall geschlossene Vergleich den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.

19.286 Im Übrigen gilt: Ein Vergleich kommt erst dann zu Stande, wenn eine von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Annahme dem Bauträger auch mitgeteilt wird. Bei der Minderung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Erklärung, die erst mit ihrem Zugang wirksam wird. (3) Rechtsmissbrauch und unerhebliche Pflichtverletzung

19.287 Der Ausübung der hier behandelten Gestaltungsrechte durch einen einzelnen Erwerber kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Mangel so geringfügig ist, dass der Erwerber gegen Treu und Glauben handeln würde, wenn er aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes die Rücknahme des Werks und Befreiung von der Vergütungspflicht verlangte.341 Rechtsmissbrauch kann auch dann angenommen werden, wenn sich ein Mangel am Gemeinschaftseigentum weder auf die Nutzung des Gemeinschaftseigentums noch auf die Nutzung des Sondereigentums auswirkt, sondern nur auf

337 BGH, Urt. v. 23.2.2006 – VII ZR 84/05, BauR 2006, 979; vgl. auch: BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BauR 2006, 1747 = NJW 2006, 3275. 338 BGH, Urt. v. 23.2.2006 – VII ZR 84/05, BauR 2006, 979. 339 Palandt/Sprau, 71. Aufl., § 634 BGB Rz. 3. 340 Riecke/Vogel in Riecke//Schmid, WEG, 5. Aufl., Anhang zu § 8 Rz. 45, Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 951. 341 BGH, Urt. v. 5.6.2009 – VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 (233); OLG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2010 – 10 U 26/10; zum Kaufvertrag s.a. BGH, Urt. v. 29.6.1011 – VIII ZR 202/10 (Mängelbeseitigungskosten übersteigen 1 % des Kaufpreises nicht).

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.291 Teil 19

das Sondereigentum anderer Erwerber.342 In der Praxis kann dies beispielsweise dann der Fall sein, wenn unzulässige Schallimmissionen nur andere Wohneinheiten tangieren, nicht aber die des Anspruchstellers. Besteht hierüber allerdings Ungewissheit, obliegt die Beweislast für den Ausschluss des Schadensersatzanspruchs dem Veräußerer. Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung scheiden schließlich auch dann aus, wenn bei 19.288 nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung nur eine unerhebliche Pflichtverletzung des Veräußerers vorliegt (§§ 323 Abs. 5 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3 BGB). Die „unerhebliche Pflichtverletzung“ darf nicht mit einem „unwesentlichen Mangel“ im Sinne des § 640 BGB verwechselt werden. Eine unerhebliche Pflichtverletzung ist dann anzunehmen, wenn ein geringfügiger Mangel, der die Funktionstauglichkeit nicht in Frage stellt, ohne weiteres behoben werden kann. Indiz für die Geringfügigkeit eines Mangels können hierbei die voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung sein.343 Abzustellen ist hierbei unserer Auffassung nach nicht auf die Gesamtkosten, die für die Beseitigung des Mangels am Gemeinschaftseigentum voraussichtlich entstehen, sondern nur auf den Quotenanteil (regelmäßig also den ME-Anteil) des Erwerbers. In dem Falle, dass eine Kompensation beim Bauträger nicht mehr erlangt werden kann, hat er nach § 16 WEG für die Kosten nur in Höhe seines Miteigentumsanteils aufzukommen. Bei der Bewertung, ob eine Pflichtverletzung erheblich oder unerheblich ist, sind Mängel, die noch vor Abgabe der Rücktrittserklärung behoben wurden, außer Betracht zu lassen.344 Für den Kaufvertrag hat der BGH345 entschieden, dass eine den Rücktritt und die Geltendmachung des großen Schadensersatzes ausschließende unerhebliche Pflichtverletzung dann ausscheidet, wenn der Verkäufer über das Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat. (4) Vertraglicher Ausschluss des Rücktrittsrechts Regelungen in einem vom Bauträger vorformulierten Erwerbsvertrag, welche bei Mängeln die Rechte des Käufers auf Rücktritt vom Vertrag ausschließen346 oder einschränken,347 halten überwiegend einer Inhaltskontrolle nicht stand und sind damit unwirksam.

19.289

(5) Rücktrittsfolgen Erklärt ein Erwerber wirksam den Rücktritt, ist der Vertrag rückabzuwickeln. Das bisherige Vertragsverhältnis wandelt sich in ein Rückgewähr- und Abwicklungsverhältnis um.348

19.290

Rückgabe der jeweils empfangenen Leistung

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Empfangene Leistungen sind zurückzugeben (§ 346 BGB). Dies bedeutet in erster Linie, dass vom Bauträger Rückzahlung des erhaltenen Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung in geräumtem Zustand und Rückauflassung, verlangt werden kann. Ist die Eigentumsumschreibung noch nicht erfolgt, ist die Löschung der für den Erwerber eingetragenen Auflassungsvormerkung zu bewilligen.

342 343 344 345 346

OLG Stuttgart, Urt. v. 3.8.2010 – 10 U 26/10, IBR 2010, 1299 (nur online). BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13, IBR 2014, 696. BGH, Beschl. v. 4.2.2016 – IX ZR 133/15, IBR 2016, 245. Urt. v. 24.3.2006 – V ZR 173/05, MDR 2006, 1155 = DNotZ 2006, 828 = BGHZ 167, 19. KG, Urt. v. 3.12.2010 – 21 U 16/09; BGH, Beschl. v. 28.7.2011 – VII ZR 17/11, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. 347 BGH, Urt. v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, IBR 2006, 621. 348 BGH, Urt. v. 10.7.1998 – V ZR 360/96, NJW 1998, 3268.

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Teil 19 Rz. 19.292

Baurecht im WEG-Mandat

19.292 Herausgabe gezogener Nutzungen Soweit der Erwerber oder der Bauträger Nutzungen gezogen hat, sind diese ebenfalls herauszugeben (§ 346 Abs. 1 BGB). Auf Erwerberseite gehören hierzu insbesondere Gebrauchsvorteile, wobei bei vermieteter Wohnung auf die Miete,349 bei Eigennutzung auf eine linear ermittelte Wertminderung350 abgestellt werden kann.351 Auf Bauträgerseite ist etwa an Anlagezinsen oder auch ersparte Schuldzinsen352 zu denken. Werden entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft Nutzungen (also etwa Zinsen) nicht gezogen, greift § 347 Abs. 1 BGB.

19.293 Ersatz für notwendige Verwendungen Notwendige Verwendungen, also etwa Reparaturkosten oder auch gewöhnliche Erhaltungskosten, sind zu ersetzen. Für darüber hinausgehende Verwendungen kann ein Bereicherungsanspruch bestehen; dies allerdings nur, wenn eine Wertsteigerung eingetreten ist. Insbesondere dann, wenn der Erwerber die Eigentumswohnung zwischenzeitlich umgestaltet hat, wird zu hinterfragen sein, ob seine Aufwendungen tatsächlich zu einer Wertsteigerung geführt haben.353

19.294 Wertminderung durch bestimmungsgemäßen Gebrauch Nicht zu ersetzen ist die durch die Nutzung der Wohnung eingetretene Wertminderung (bestimmungsgemäßer Gebrauch).

19.295 Zu beachten ist weiter, dass nach geltender Rechtslage das Recht, bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen Schadensersatz verlangen zu können, nicht ausgeschlossen ist (§ 325 BGB). In Betracht kommen insoweit etwa Vertragskosten (Notarkosten), Grundbuchgebühren, Finanzierungskosten, nutzlos aufgewendete Maklerprovisionen usw.

19.296 In den hier behandelten Fällen des Rücktritts wegen wesentlicher Mängel des erworbenen Objekts ist zudem eine bereits bezahlte Grunderwerbsteuer zurückzuerstatten, da es sich dann um einen grunderwerbsteuerfreien Erwerbsvorgang handelt (§ 16 GrEStG). (6) Großer Schadensersatz

19.297 Schadensersatz statt der Leistung kann dann geltend gemacht werden, wenn der Bauträger die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Zudem muss der Mangel, auf den der Anspruch gestützt wird, erheblich sein. Mit der Geltendmachung des großen Schadensersatzes erlischt der Erfüllungsanspruch, das Vertragsverhältnis wandelt sich in ein Abwicklungsverhältnis um. Zug um Zug gegen Rückauflassung (bzw. Bewilligung der Löschung der Vormerkung) und Rückgabe der Wohnung ist dem Erwerber der Schaden zu ersetzen, der sich durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem im Zeitpunkt der Schadensberechnung vorhandenen Ver-

349 BGH, Urt. v. 12.3.2009 – VII ZR 26/06, BauR 2009, 1140. 350 BGH, Urt. v. 6.10.2005 – VII ZR 325/03, BauR 2006, 103 = NJW 2006, 53. 351 Zur unterschiedlichen Rechtsprechung des V. und VII. Senats vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 732. 352 BGH, Urt. v. 6.3.1998 – V ZR 244/96, NJW 1998, 2354. 353 Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 7. Teil Rz. 24.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.301 Teil 19

mögen des Erwerbers und dem Vermögen, das er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags gehabt hätte, ergibt.354 Erlangte Vorteile sind zu berücksichtigen. AfA-Steuervorteile aus der Nutzungszeit muss sich der Erwerber grundsätzlich nicht anrechnen lassen,355 sofern die Rückabwicklung zu einer Besteuerung führt, ebenso wenig eine im Zusammenhang mit dem Erwerb empfangene Eigenheimzulage,356 falls diese später nicht mehr gewährt wird.

19.298

bb) Mangelauswirkung nur im Bereich des Sondereigentums Wirkt sich ein Mangel an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums nur im Bereich des 19.299 Sondereigentums aus, werden die hiervon nicht betroffenen Eigentümer oftmals kein gesteigertes Interesse daran haben, die Mängelverfolgung zu betreiben. Dies für sich allein genommen genügt allerdings regelmäßig nicht, dem betroffenen Erwerber unbeschränkt die Verfolgung aller Mängelansprüche zuzubilligen. Zu differenzieren ist vielmehr danach, ob der Mangel behebbar ist oder nicht. Vom Grundsatz her ist jeder technische Baumangel (anders u.U. bei rechtlichen Mängeln) behebbar, notfalls durch Abriss des Gebäudes oder wesentlicher Teile hiervon und Neuerrichtung. Bei der erstgenannten Alternative (nicht behebbarer Mangel) ist damit erst einmal § 275 Abs. 1 BGB angesprochen, der die Fälle erfasst, bei denen der Mangel durch technisch und rechtlich mögliche Maßnahmen nicht mehr behoben werden kann oder weil die zur Beseitigung geeigneten Maßnahmen die Grundsubstanz des Gebäudes nicht unwesentlich verändern würden. Liegt ein nicht behebbarer Mangel vor, der sich, ohne dass dadurch der Eigentümergemeinschaft ein weitergehender Schaden entstehen würde, nur im Bereich eines Sondereigentums auswirkt, kann der betroffene Eigentümer auch die hiermit korrespondierenden Sekundäransprüche selbständig geltend machen.357 Der Anspruch beschränkt sich dabei auf die Geltendmachung des Minderwertes oder die typischerweise nicht höhere Wertminderung. Die Möglichkeit, den kleinen Schadensersatz nach den Mängelbeseitigungskosten zu berechnen, scheidet aus.358 Gleiches wird zu gelten haben, wenn der Veräußerer berechtigterweise die Mangelbeseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigert. Zu beachten ist, dass der Anspruch nach §§ 635 Abs. 3, 275 Abs. 2 BGB als Einrede ausgestaltet ist. Beruft sich der Bauträger hierauf nicht, gelten die nachfolgenden Ausführungen.

19.300

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm359 soll ausnahmsweise ein einzelner Eigentümer die Forderung gegen den Bauträger verfolgen können, wenn (wegen mangelnder Schallisolierung der Trennwand zur Nachbarwohnung) für die Mängelbeseitigung lediglich biegeweiche Vorsatzschalen angebracht werden müssen, die auf die Trennwand einfach aufgeklebt oder mit gewöhnlichen Dübeln befestigt werden können.

19.301

354 BGH, Urt. v. 12.3.2009 – VII ZR 26/06, BauR 2009, 1140; Hinweis: Die frühere bundeseinheitlich geregelte Eigenheimzulage gibt es seit 2006 nicht mehr; in Frage kommen aber möglicherweise in den Ländern vorgesehene Zuwendungen (etwa die Bayerische Eigenheimzulage). 355 KG, Urt. v. 29.4.2011 – 6 U 26/10, IBR 2011, 585; BGH, Urt. v. 19.6.2008 – VII ZR 215/06, BauR 2008, 1450 = NJW 2008, 2773. 356 BGH, Urt. v. 12.11.2009 – VII ZR 233/08, BauR 2010, 225 = NJW 2010, 675 = NZM 2010, 291. 357 BGH, Urt. v. 15.2.1990 – VII ZR 269/88, NJW 1990, 1663 = BauR 1990, 353. 358 BGH, Urt. v. 9.1.2003 – VII ZR 181/00, BauR 2003, 533 = NZBau 2003, 214; sowie nunmehr auch BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17. 359 OLG Hamm, Urt. v. 11.3.2010 – 21 U 148/09, NJW-RR 2011, 14.

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Teil 19 Rz. 19.302

Baurecht im WEG-Mandat

cc) Mangelfolgeschäden

19.302 Angesprochen sind insoweit vor allem Schäden, die durch die Nacherfüllung nicht erfasst werden und auch durch eine gelungene Nacherfüllung des Veräußerers nicht beseitigt werden können.360 Hierzu können beispielsweise gehören – Nutzungsausfall, u.U. auch entfallende Eigennutzung361 – Gewinnentgang – Gutachterkosten, die einem einzelnen Erwerber entstanden sind – Hotelkosten zur Ermöglichung der Mangelbeseitigung362

19.303 Ersatzansprüche wegen Schäden der genannten Art kann der betroffene Wohnungseigentümer, so die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, grundsätzlich selbständig geltend machen. dd) Wenn nur noch einzelne Wohnungseigentümer durchsetzbare Ansprüche haben

19.304 Stehen nur noch einigen Erwerbern durchsetzbare Ansprüche wegen anfänglicher Baumängel am Gemeinschaftseigentum zu (etwa weil den Ansprüchen der übrigen Erwerber die Verjährungseinrede entgegengehalten werden kann), entfällt dadurch nicht die Gemeinschaftsbindung mit der Folge, dass diese Erwerber nun ihre Ansprüche uneingeschränkt verfolgen könnten. Auch in diesem Fall hat die Gemeinschaft ein Zugriffsermessen, kann also die Verfolgung der primären Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen.363 c) Leistungsverweigerungsrechte aa) Fälligkeit der Baufortschrittsraten

19.305 Im Bauträgervertrag werden regelmäßig, angelehnt an § 3 MaBV, so genannte Baufortschrittsraten, also Abschläge auf den letztlich geschuldeten Gesamtkaufpreis, vereinbart. Die Fälligkeit knüpft hierbei an das Erreichen im Einzelnen definierter Baufortschritte an. Mit Erreichen des jeweils definierten Bautenstandes tritt grundsätzlich Fälligkeit der konkreten Baufortschrittsrate ein; dies auch dann, wenn an der erbrachten Teilleistung noch Mängel vorliegen. Wegen solcher Mängel hat allerdings der Erwerber ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nebst Druckzuschlag in angemessener Höhe.364 Mit der Reform des Bauvertragsrechts hat sich die vormalige Streitfrage, ob dann, wenn an der erbrachten Teilleistung nicht nur unwesentliche Mängel vorliegen, überhaupt Fälligkeit der entsprechenden Baufortschrittsrate eintritt, zumindest für Sachverhalte ab 1.1.2018 erledigt. Nach dem seit diesem Datum geltenden Recht

360 OLG Bamberg, Urt. v. 25.4.2008 – 6 U 66/07, BauR 2009, 1455. 361 BGH, Urt. v. 20.2.2014 – VII ZR 172/13, BauR 2014, 989 = NJW 2014, 337 = NZBau 2014, 280 = NZM 2014, 357; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2010 – 10 U 87/09, BauR 2010, 1240. 362 BGH, Urt. v. 20.2.2014 – VII ZR 172/13, IBRRS 2014, 1050; BGH, Urt. v. 10.4.2003 – VII ZR 251/02, NJW-RR 2003, 878; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2010 – 10 U 87/09, BauR 2010, 1240. 363 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, BauR 2010, 774 = NJW 2010, 933 = NZBau 2010, 432 = NZM 2010, 204 = ZfBR 2010, 363; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl. Rz. 962; a.A.: OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1990 – 3 U 270/89, NJW-RR 1991, 665 (zum Minderungsanspruch). 364 BGH, Urt. v. 27.10.2011 – VII ZR 84/09, IBR 2012, 24 – allerdings zu einem Fall unter Geltung des § 632a BGB a.F.

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Rz. 19.308 Teil 19

ist der Erwerber von Wohnungseigentum auch bei wesentlichen Mängeln auf das Leistungsverweigerungsrecht beschränkt.365 Die Fälligkeit der Schlussrate aus dem Bauträgervertrag knüpft nach den vertraglichen Vereinbarungen üblicherweise an die Gesamtfertigstellung des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums an. Gesamtfertigstellung liegt dann vor, wenn alle geschuldeten Leistungen vertragsgerecht erbracht wurden. Nach der Formulierung in § 650g Abs. 4 BGB in seiner seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung setzt die Fälligkeit der Schlussvergütung zudem die Abnahme voraus. Diese wiederum kann dann verlangt werden, wenn das erbrachte Werk frei von wesentlichen Mängeln ist. Die vollständige Freiheit von jeglichen Mängeln ist demnach keine Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlussrate.366 Anders bei wesentlichen Mängeln. Diese hindern bereits die Fälligkeit der Abschlussrate.367 Wurde vom Erwerber die Abnahme unter Mangelvorbehalt erklärt, müssen auch die dort festgehaltenen Mängel, also die sog. „Protokollmängel“, beseitigt sein, um die Fälligkeit der Schlussrate herbeizuführen.368 Demgegenüber berühren Mängel, die erst nach diesem Zeitpunkt entdeckt werden, die grundsätzliche Fälligkeit der Schlussrate nicht, können aber vom Erwerber dem Bauträger im Wege des Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden. Ist zur Beurteilung das bis 31.12.2017 geltende Recht heranzuziehen (also bei Verträgen, die bis zu diesem Datum abgeschlossen wurden), kann sich eine andere Beurteilung ergeben. Versteht man auch die Fertigstellungsrate als (letzte) Abschlagszahlung und nicht als Schlusszahlung, wäre die Abnahme keine zusätzliche Fälligkeitsvoraussetzung.369 Unwesentliche Mängel stehen bei dieser Sichtweise der grundsätzlichen Fälligkeit der Schlussrate unbeschadet des Bestehens eines Leistungsverweigerungsrechts nicht entgegen. Im Übrigen ist zu erwägen, ob nach den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen Geringfügigkeit der Mängel die Bezahlung der gesamten Rate verweigert werden darf oder nur ein Teil der Rate.370

19.306

Eine auf Zahlung der nichtfälligen Schlussrate gerichtete Klage wäre als zur Zeit unbegründet abzuweisen.371 Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags kann dem Veräußerer auch dann noch entgegengehalten werden, wenn die Mängelansprüche an einen Dritten, also etwa einen Zweiterwerber, abgetreten wurden.372

19.307

bb) Zum Leistungsverweigerungsrecht Hinsichtlich der Behauptung, dass am Sonder- oder Gemeinschaftseigentum Mängel vorliegen, ist, wie sonst auch, nach Abnahme der Erwerber darlegungs- und beweisbelastet. Anders ist dies bei Protokollmängeln: Steht in Streit, ob diese fachgerecht beseitigt wurden oder nicht, obliegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich dem Veräußerer.373

365 366 367 368 369 370 371 372 373

Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 200. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl. Rz. 335; a.A.: Eisenried, BauR 2008, 754. BGH, Urt. v. 30.4.1998 – VII ZR 47/97, BauR 1998, 783 = NJW 1998, 2967 = NZM 1998, 636. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl. Rz. 336; vgl. auch: BGH, Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 224/98, BauR 2000, 881 = NJW 2000, 1403. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 337. BGH, Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 224/98, BauR 2000, 881 (884); BGH, Urt. v. 25.1.1996 – VII ZR 26/95, BauR 1996; BGH, Urt. v. 10.6.1999 – VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186. BGH, Urt. v. 4.6.1973 – VII ZR 112/71, BauR 1973, 313 (315). BGH, Urt. v. 26.7.2007 – VII ZR 262/05, BauR 2007, 1727. BGH, Urt. v. 23.10.2008 – VII ZR 64/07, BauR 2009, 237 = NZBau 2009, 117.

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19.308

Teil 19 Rz. 19.308

Baurecht im WEG-Mandat

Weitere Voraussetzung für das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts ist, dass der Bauträger noch zur Erfüllung bzw. Nacherfüllung (einschließlich der Surrogate) herangezogen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Bauträger nur subsidiär haftet.374

19.309 Hinweis: In Formularverträgen kann das Leistungsverweigerungsrecht weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden.375

(1) Zeitliche Grenze

19.310 Hat der Verband die Durchsetzung der primären Mängelansprüche in Ansehung des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen, steht dem einzelnen Erwerber ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn und soweit der Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch geltend gemacht wird. Gleiches gilt, wenn nach fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Frist der Selbstvornahmenkostenvorschuss geltend gemacht wird. Dies jedenfalls solange, als ein vom Bauträger verlangter Kostenvorschuss von diesem noch nicht bezahlt wurde.376 Ein Leistungsverweigerungsrecht entfällt aber dann, wenn, ohne dass zuvor Kostenvorschuss verlangt worden wäre, zur Selbstvornahme (Eigennachbesserung) geschritten wird. Gleiches gilt, wenn nach Ablauf einer gesetzten Frist zur Nacherfüllung die Sekundäransprüche Minderung oder kleiner Schadensersatz geltend gemacht werden.377 (2) Wirkung des Leistungsverweigerungsrechts

19.311 Kann sich der Erwerber gegenüber der Restkaufpreisforderung des Bauträgers berechtigterweise auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen, hindert dies in seinem Umfang die Fälligkeit des noch offenen Erwerbspreises (materiell-rechtliche Wirkung des Leistungsverweigerungsrechts). Mangels Fälligkeit kann der Erwerber insoweit mit der Zahlung auch nicht in Verzug geraten. Der Bauträger kann also beispielsweise für den berechtigterweise zurückgehaltenen Restkaufpreis keine Zinsen verlangen.378 Schuldnerverzug liegt insoweit nicht vor.

19.312 Klagt der Bauträger restlichen Kaufpreis ein und beruft sich der Erwerber auf sein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln am Sonder- und/oder Gemeinschaftseigentum, bedarf es nicht unbedingt eines formellen Antrags, um zur Zahlung Zug-um-Zug verurteilt zu werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn ein uneingeschränkter Abweisungsantrag gestellt wird, sofern der Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzubehalten, eindeutig erkennbar ist.379 (3) Höhe des Leistungsverweigerungsrechts und Darlegungslast

19.313 Dem Veräußerer obliegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der vom Erwerber vorgenommene Rückhalt (auch unter Berücksichtigung des Druckzuschlags – derzeit in zweifacher Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten) überhöht ist.380 Dem Erwerber 374 BGH, Urt. v. 26.7.2007 – VII ZR 262/05, BauR 2007, 1724 = NJW-RR 2007, 1612 = NZBau 2007, 639; BGH, Urt. v. 15.5.1992 – VII ZR 204/90, BauR 1992, 622. 375 BGH, Urt. v. 31.3.2005 – VII ZR 369/02, BauR 2005, 1012 = NZBau 2005, 391. 376 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2010 – 21 W 8/10, BauR 2010, 1236. 377 BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, NJW 1979, 2207; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.10.1992 – 5 U 179/91, BauR 1993, 229. 378 BGH, Urt. v. 6.5.1999 – VII ZR 180/98, BauR 1999, 1025. 379 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2010 – 21 W 8/10, BauR 2010, 1236. 380 BGH, Urt. v. 6.12.2007 – VII ZR 125/06, BauR 2008, 510 = NJW-RR 2008, 401 = NZBau 2008, 174; BGH, Urt. v. 4.7.1996 – VII ZR 125/95, BauR 1997, 133, 134 = ZfBR 1997, 31 = NJW 1997, 734.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.317 Teil 19

obliegt es zuvor lediglich, die Mangelerscheinung hinreichend genau zu bezeichnen und den Mangel der vom Bauträger geschuldeten Werkleistung zuzuordnen.381 Machen mehrere Erwerber von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, obliegt es dem Bauträger zusätzlich, dem einzelnen Erwerber mitzuteilen, welche weiteren Käufer Erwerbspreise wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zurückhalten. Gleichermaßen hat er die Tatsachen zu benennen, aufgrund derer sich die Leistungsverweigerungsrechte der Einzelnen reduzieren, und deren Höhe anzugeben. (4) Anspruch auf Besitzeinräumung und Eigentumsumschreibung Nach einer Entscheidung des LG München I aus 2016382 steht den Erwerbern vom Bauträger ein Besitzeinräumungsanspruch dann zu, wenn nur noch die Fertigstellungsrate (3,5 %) sowie 5 % Fertigstellungssicherheit zur Zahlung ausstehen, das Objekt unstreitig nicht fertiggestellt und mangelhaft ist, ferner der vereinbarte Fertigstellungstermin bereits erheblich (8 Monate) überschritten wurde.

19.314

In den Erwerbsverträgen wird regelmäßig festgelegt sein, dass Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung auf den Käufer unter anderem die vollständige Bezahlung des Kaufpreises sein soll. Steht dem Erwerber wegen anfänglicher Mängel an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums ein Leistungsverweigerungsrecht zu (was voraussetzt, dass sich die Mängelansprüche noch im Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsstadium befinden), lässt dies den Restvergütungsanspruch des Veräußerers dem Grunde nach unberührt. Dieser kann ihn lediglich mangels Fälligkeit derzeit noch nicht durchsetzen. Bis zur Klärung können Monate, wenn nicht Jahre, vergehen. Umgekehrt kann der Veräußerer dem Umschreibungsverlangen des Erwerbers bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises seinerseits ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB entgegenhalten. Die Umschreibung müsste demnach grundsätzlich nur Zug um Zug gegen Zahlung des noch offenen Restkaufpreises bewerkstelligt werden.

19.315

Es stellt sich deshalb die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Eigentumsumschreibung vorzeitig verlangt und ggf. – erfolgreich – auch im Wege der Auflassungsklage durchgesetzt werden kann.

19.316

Nach § 320 Abs. 2 BGB ist ein Leistungsverweigerungsrecht des Veräußerers dann ausge- 19.317 schlossen, wenn die Verweigerung nach den konkreten Umständen den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen würde. Dies kann, wenn sich der Veräußerer mit der Mängelbeseitigung in Verzug befindet, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Kaufpreisteils im Verhältnis zum Gesamtkaufpreis der Fall sein.383 Geringfügig dürften im Allgemeinen 1–2 % des Erwerbspreises sein.384 In Bezug darauf, was im konkreten Einzelfall als „geringfügig“ anzusehen ist, ist den Gerichten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt.385 Zur Frage, ob ein Leistungsverweigerungsrecht mindestens in Höhe des ge381 BGH, Urt. v. 7.7.2005 – VII ZR 59/04, BauR 2005, 1626, 1628 = NZBau 2005, 638 = ZfBR 2005, 785; BGH, Urt. v. 8.5.2003 – VII ZR 407/01, BauR 2003, 1247 = NZBau 2003, 501 = ZfBR 2003, 559. 382 LG München I, Beschl. v. 8.4.2016 – 18 O 5774/16, IBR 2016, 1083 (nur online). 383 Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 1.3.2016 – 3 U 12/15, IBRRS 2016, 2466; LG Heilbronn, Urt. v. 11.7.2001 – 2 O 3003/00 IV, BauR 2002, 107; LG Hagen, Urt. v. 30.11.2006 – 6 O 102/03, IBR 2007, 138; s.a. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 24.11.1999 – 21 U 95/99, IBR 2001, 372. 384 Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 11. Teil Rz. 138. 385 BGH, Urt. v. 1.7.1971 – VII ZR 224/69, NJW 1971, 1800.

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Teil 19 Rz. 19.317

Baurecht im WEG-Mandat

ringfügigen Restkaufpreisteils besteht, und zu den Beweislasten hierfür darf auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 19.311 ff.).

19.318 Eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Bauträgervertrag, wonach der Notar angewiesen wird, den Antrag auf Umschreibung erst dann zu stellen, wenn der Kaufpreis voll bezahlt ist, ist unwirksam.386 Ebenfalls unwirksam ist eine vom Bauträger vorformulierte Klausel, wonach er zur Erklärung der Auflassung erst dann verpflichtet sein soll, wenn der Erwerber das Sonder- und das Gemeinschaftseigentum abgenommen hat.387 Wurde der Kaufpreis zwar vollständig bezahlt, aber das Gemeinschaftseigentum berechtigterweise nicht abgenommen, steht dem Veräußerer trotz gegenteiliger Regelung im Erwerbsvertrag ebenfalls kein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite.388 d) Aufrechnung

19.319 Hat ein oder haben mehrere Erwerber/Wohnungseigentümer den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt, ist zu überlegen, ob gegen die Forderung des Veräußerers auch wegen Mängelansprüchen betreffend das Gemeinschaftseigentum die Restkaufpreisforderung ganz oder zum Teil durch Aufrechnung zum Erlöschen (§ 389 BGB) gebracht werden kann. Der Vorteil für den Erwerber liegt auf der Hand: Wird die Restkaufpreisforderung durch Aufrechnung getilgt, kann die Eigentumsumschreibung verlangt und ggf. auch erfolgreich gerichtlich durchgesetzt werden. Ist sichergestellt, dass der durch Aufrechnung erlangte geldwerte Vorteil auch der Gemeinschaft zugutekommt, profitiert auch diese. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bauträger in Vermögensverfall gerät und damit Mängelansprüche ganz oder teilweise nicht mehr durchgesetzt werden können. In umgekehrter Richtung wird auch der Bauträger versuchen, gegen ihn gerichtete Ansprüche durch Aufrechnung abzuwehren.

19.320 Ihrem Gegenstand nach gleichartige Leistungen können nach § 387 BGB gegeneinander aufgerechnet werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere bewirkt werden kann. Voraussetzung ist, dass der Aufrechnende Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung ist. Mit der Forderung eines Dritten kann der Schuldner auch mit dessen Einwilligung nicht aufrechnen.389 aa) Aufrechnung des Bauträgers

19.321 Mangels Gegenseitigkeit der Forderungen kann der Bauträger mit Restvergütungsansprüchen, die ihm gegen einzelne Erwerber zustehen, nicht gegen einen Kostenvorschussanspruch wegen anfänglicher Baumängel am gemeinschaftlichen Eigentum nach § 637 Abs. 3 BGB aufrechnen.390 Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Verband die Verfolgung der primären Mängelansprüche noch nicht an sich gezogen hat und deshalb der Anspruch von einem einzelnen Erwerber geltend gemacht wird. Letzterer kann nämlich, sofern keine entsprechende

386 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – VII ZR 420/00, BauR 2002, 81 = NJW 2002, 140 = NZBau 2001, 452 = NZM 2002, 32. 387 OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.10.2016 – 19 U 172/14, IBRRS 2017, 1920. 388 OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.5.2001 – 2 W 1363/01, BauR 2002, 106. 389 BGH, Urt. v. 17.5.1988 – IX ZR 5/87, NJW-RR 1988, 1146 (1150). 390 KG, Urt. v. 13.8.2010 – 6 U 85/09, BauR 2011, 569 = NZM 2011, 80; BGH, Urt. v. 26.9.1991 – VII 291/90, BauR 1992, 88 = NJW 1992, 435.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.325 Teil 19

Ermächtigung durch die Gemeinschaft vorliegt,391 den Vorschussanspruch nur mit Zahlung an die Gemeinschaft geltend machen.392 Eine Aufrechnung des Bauträgers mit Restvergütungsansprüchen gegenüber Sondereigentümern scheidet damit aus. bb) Aufrechnung eines einzelnen Erwerbers (1) Kostenerstattungs- und Vorschussanspruch Soweit und solange die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen ihrer Ausübungsbefugnis die Verfolgung der primären Mängelansprüche noch nicht an sich gezogen hat, kann der einzelne Erwerber wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum nach fruchtlosem Ablauf einer angemessen gesetzten Nacherfüllungsfrist die Mängel entweder selbst beseitigen lassen und anschließend Kostenersatz fordern oder hierfür vom Bauträger einen Kostenvorschuss verlangen.393 Letzteres freilich nur gerichtet auf Zahlung an die Gemeinschaft.394

19.322

Im ersten Fall (Kostenerstattung nach vorheriger Mängelbeseitigung) kann der einzelne Erwerber ausnahmsweise den Aufwendungsersatz beim Bauträger gerichtet auf Zahlung an sich selbst geltend machen395 und mit diesem Anspruch auch gegen eine bestehende Restkaufpreisforderung aufrechnen. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft nach entsprechender Beschlussfassung die Mängel im Wege der Selbstvornahme beseitigen lassen, steht auch ihr der Anspruch auf Kostenerstattung zu. Gegen offene Kaufpreisansprüche kann der einzelne Erwerber hiermit nicht aufrechnen.

19.323

Wird Selbstvornahmekostenvorschuss begehrt, kann grundsätzlich nur Zahlung an die Ge- 19.324 meinschaft verlangt werden.396 Der Anspruch auf Selbstvornahmekostenvorschuss ist auch nicht teilbar etwa in der Weise, dass der einzelne Erwerber Zahlung nur in Höhe seiner Quote verlangen könnte. Dies wäre systemwidrig.397 Insoweit ist der einzelne Erwerber auch in der Verfügung über seinen Individualanspruch beschränkt. Er ist damit auch nicht in der Lage, damit gegen Restkaufpreisansprüche des Bauträgers aufzurechnen. Insoweit fehlt es an der für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit.398 Hat der Verband die Verfolgung und Durchsetzung der primären Mängelansprüche an sich gezogen, folgt dieses Ergebnis bereits aus der dann für den einzelnen Erwerber bestehenden Durchsetzungssperre. (2) Sekundäre Mängelansprüche Angesprochen sind die Minderung und der kleine Schadensersatz. Hat die Gemeinschaft, nachdem die Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben, Minderung gewählt und es alsdann den einzelnen Erwerbern freigestellt, ihren individuellen Anteil geltend zu machen, führt dies im Ergebnis jedenfalls dann zu einer Reduzierung seines Kaufpreises, wenn sich der konkrete 391 OLG Köln, Urt. v. 10.6.1992 – 13 U 267/91, NJW-RR 1994, 470. 392 BGH, Urt. v. 2.4.2007 – VII ZR 236/05, NZM 2007, 403 = ZMR 2007, 627. 393 BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 36/76, NJW 1977, 1336; BGH, Urt. v. 4.6.1981 – VII ZR 9/80, NJW 1981, 1841; a.A. Staudinger/Bub, Bearb. 2005, § 21 WEG Rz. 265. 394 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NZM 2007, 403 = NJW 2007, 1952 = BauR 3007, 1227 = BGHZ 172, 63. 395 BGH, Urt. v. 21.7.2005 – VII ZR 304/03, BauR 2005, 1623 (1624) = NZM 2005, 792. 396 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, IBR 2007, 318. 397 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 921. 398 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 50/06, ZMR 2007, 630; Thode, IBR 2007, 488; Wenzel, NJW 2007, 1905; a.A., allerdings mit der Verpflichtung, den Aufrechnungsbetrag an die Gemeinschaft auskehren zu müssen: OLG München, Urt. v. 22.5.2007 – 9 U 3081/06, BauR 2008, 373.

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19.325

Teil 19 Rz. 19.325

Baurecht im WEG-Mandat

Erwerber hierauf beruft.399 Einer Aufrechnung bedarf es insoweit nicht. Der Minderungsbetrag bemisst sich in diesem Fall nach dem konkreten Erwerbspreis im Verhältnis zur Belastung durch die Mängel.400

19.326 Zum gleichen Ergebnis wird man nach hier vertretener Auffassung im Übrigen auch kommen müssen, wenn die Gemeinschaft das Gestaltungsrecht der Minderung ausübt. Gemindert wird nicht ein fiktiver Gesamtpreis, sondern vielmehr werden die Erwerbspreise der einzelnen Käufer gemindert. Soweit einzelne Erwerber den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt haben, führt die durch die Gemeinschaft erklärte Minderung dazu, dass Restkaufpreisansprüche in Höhe des auf den individuellen Erwerber entfallenden Minderungsbetrags nicht mehr bestehen. Die Gemeinschaft kann damit beim Bauträger nur noch Minderungsbeträge in überschießender Höhe geltend machen und ggf. gerichtlich durchsetzen. Unrecht geschieht ihr dadurch nicht. Den dann in der Kasse für die beabsichtigte Nachbesserung fehlenden Geldbetrag kann sie nach § 16 Abs. 2 WEG von den betroffenen Eigentümern einfordern. Hinweis: Folgt man der obigen Auffassung, ist bei einer auf Minderung gerichteten Beschlussfassung zu bedenken, dass Ansprüche gegen den vielleicht solventen Bauträger hinsichtlich der geminderten Restkaufpreisteile gegen Ansprüche gegen eventuell nicht oder nicht mehr liquide Eigentümer ausgetauscht werden.

Bei Wahl des kleinen Schadensersatzes wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum ist zu beachten, dass bei beabsichtigter Mängelbeseitigung vor Nachbesserung die Höhe des zur Zahlung an die Gemeinschaft geforderten Betrages nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BGH nicht mehr nach den voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten berechnet werden kann.401 cc) Ermächtigung zur Anspruchsdurchsetzung

19.327 Steht die Solvenz des Bauträgers in Frage oder sind Mängelansprüche dem Grunde nach zweifelhaft, wird die Gemeinschaft und damit auch der beratende anwaltliche Vertreter zu überlegen haben, ob und wie die damit verbundenen Risiken minimiert werden können. Hat ein oder haben mehrere Erwerber den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt, muss geprüft werden, ob und wie dieser Umstand für die Eigentümer nutzbar gemacht werden kann.

19.328 Offene Kaufpreisansprüche können durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden. Der Anspruch, mit dem aufgerechnet wird, muss gleichartig sein. In Frage kommen insoweit die auf Zahlung gerichteten Ansprüche auf Selbstvornahmekostenvorschuss oder auf kleinen Schadensersatz. Solange die Eigentümergemeinschaft die Verfolgung und Durchsetzung der primären Mängelansprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum noch nicht an sich gezogen hat, kann der einzelne Erwerber nach fruchtlosem Ablauf einer angemessen gesetzten Frist zur Mangelbeseitigung Selbstvornahmekostenvorschuss in Ansehung des gesamten Gemeinschaftseigentums und gerichtet auf Zahlung an die Gemeinschaft verlangen.

19.329 Haben die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss die Verfolgung der Primäransprüche zur Gemeinschaftssache gemacht, fehlt dem einzelnen Erwerber die Sachbefugnis, 399 BGH, Urt. v. 4.11.1982 – VII ZR 53/82, NJW 1983, 453; BGH, Urt. v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383 = NJW 1981, 606. 400 BGH, Urt. v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383. 401 BGH, IBR 2018, 196.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.330 Teil 19

den Selbstvornahmekostenvorschuss eigenständig durchzusetzen. Die Eigentümergemeinschaft soll allerdings einen einzelnen Erwerber (Wohnungseigentümer) ermächtigen können, Kostenvorschussansprüche wegen bestehender Mängel am Gemeinschaftseigentum im eigenen Namen geltend zu machen.402 Ob damit schon die für eine Aufrechnungslage erforderliche Gegenseitigkeit hergestellt ist, sollte stets einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Allein die Erteilung einer sog. Einziehungsermächtigung oder die Einwilligung der Gemeinschaft, mit Kostenvorschussansprüchen aufrechnen zu können, dürfte regelmäßig nicht ausreichen, mit der gebotenen Rechtssicherheit eine Aufrechnungslage herzustellen. Dies schon deshalb nicht, weil allein aus einer solchen Ermächtigung noch nicht geschlossen werden kann, ob der ermächtigte Erwerber Zahlung an sich oder an die Gemeinschaft verlangen kann. Hinweis: Ausreichend dürfte aber die Ermächtigung eines einzelnen Erwerbers sein, mit Kostenvorschussansprüchen aufrechnen zu können. Einer Abtretung bedarf es unserer Meinung nach nicht, wenn der Anspruch auch aus dem Vertrag des betroffenen Erwerbers resultiert.403

Die Entscheidung hierüber kann durch Eigentümerbeschluss herbeigeführt werden. Da gemeinschaftsbezogene Interessen tangiert sind, muss ein solcher Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Nach unserer Auffassung ist dies nur dann der Fall, wenn der durch die Aufrechnung erlangte geldwerte Vorteil letztlich auch der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt wird. Dies jedenfalls dann, wenn sich der konkrete Mangel am Gemeinschaftseigentum nicht ausschließlich auf das Sondereigentum des betroffenen Erwerbers auswirkt. Mit der Beschlussfassung ist damit auch sicherzustellen, dass der durch die Aufrechnung erlangte geldwerte Vorteil auch der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt wird. Diese ist dann wiederum verpflichtet, den ihr zur Verfügung gestellten Kostenvorschuss zweckentsprechend einzusetzen, sprich zur Mangelbeseitigung zu verwenden.

M 27 Ermächtigung eines Einzelerwerbers zur Aufrechnung mit Kostenvorschussansprüchen TOP … a) Die Eigentümer beschließen die gemeinschaftliche Verfolgung der primären Mängelansprüche gegen den Bauträgerveräußerer X wegen folgender, am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentumsanlage … festgestellter Mängel: … … b) Der Erwerber (Wohnungseigentümer) … wird ermächtigt, dem Bauträger eine angemessene Frist zur Beseitigung der aufgezeigten Mängel zu setzen und nach deren fruchtlosem Ablauf im eigenen Namen einen Selbstvornahmekostenvorschuss in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten einzufordern und mit diesem Anspruch gegen noch offene Kaufpreisansprüche aufzurechnen, dies allerdings unter der aufschiebenden Bedingung, dass für die durch Aufrechnung erlangten und an die Gemeinschaft abzuführenden Mittel zuvor ausreichend Sicherheit, etwa in Form einer Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung, geleistet wird.

402 OLG Köln, Urt. v. 10.6.1992 – 13 U 267/91, NJW-RR 1994, 470. 403 Grüneberg in Palandt, 71. Aufl., § 387 BGB Rz. 5; vgl aber: OLG Stuttgart, Urt. v. 3.7.2012 – 10 U 33/12, BauR 2012, 1961 = NJW 2013, 699 = NZBau 2012, 771.

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19.330

Teil 19 Rz. 19.330

Baurecht im WEG-Mandat

c) Hieraus (auch im Wege der Aufrechnung) erlangte Mittel oder geldwerte Vorteile hat der Erwerber (Wohnungseigentümer) … der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen. d) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stellt den Erwerber … von den für die Durchsetzung der Ansprüche entstandenen Kosten, insbesondere also Anwalts- und etwa erforderlich werdenden Gerichtskosten, sowie Kosten für die Gestellung einer Sicherheit nach lit. b) frei. e) … evtl. Sonderumlage für entstehende Kosten …

19.331 Soweit der „kleine Schadensersatz“ zur Disposition steht ist zu berücksichtigen, dass nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 22.2.2018404 vor Mangelbeseitigung eine Berechnung des Schadens nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ausscheidet. Ermächtigt die Gemeinschaft einen einzelnen Erwerber, mit einem nur nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechneten Schadensersatzanspruch aufzurechnen, dürfte die Höhe des Vermögenschadens und damit die aufgerechnete Gegenforderung zumindest im Prozess nicht ausreichend dargelegt sein.405 Die Wahl des kleinen Schadensersatzes dürfte zudem dahingehend zu verstehen sein, dass letztlich von einer Mangelbeseitigung Abstand genommen werden soll. Ist eine Mangelbeseitigung (und nur das entspricht in der Regel ordnungsgemäßer Verwaltung) beabsichtigt, kann auch nach der Entscheidung des BGH vom 22.1.2018 vom Bauträger ein Vorschuss auf die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten gefordert werden, zu dessen Geltendmachung (auch im Wege der Aufrechnung) dann ggf. auch ein einzelner Erwerber ermächtigt werden kann. Wegen der Anforderungen an einen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Ermächtigungsbeschluss darf auf die obigen Ausführungen zum Selbstvornahmekostenvorschuss verwiesen werden. 5. Grenzen der Beschlusskompetenz

19.332 In Bezug auf die Verfolgung anfänglicher Baumängel am Gemeinschaftseigentum aus den Erwerbsverträgen besteht eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nur insoweit, als im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung das Ziel die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums ist. Soweit Ansprüche der Erwerber nicht geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen, besteht auch keine Verwaltungskompetenz. Ein dem widersprechender Beschluss wäre nichtig.406 Eine Beschlusskompetenz besteht im Übrigen nur im Verhältnis zu den Mitgliedern der Gemeinschaft. a) Ansprüche von Erwerbern ohne Eigentümerstatus (Nachzüglererwerber)

19.333 Erwerber ohne Eigentümerstatus (also weil sie weder eingetragen noch als werdende Eigentümer angesehen werden) sind, zumindest nach bisheriger Rechtsprechung, keine Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Bestimmungen des WEG über das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer finden auf sie keine – auch keine entsprechende – Anwendung. Mithin hat die Wohnungseigentümergemeinschaft auch keine Möglichkeit, die Ansprüche eines solchen Erwerbers aus dessen individuellem Kaufvertrag zur Verfolgung und Durchsetzung an sich zu ziehen bzw. insoweit überhaupt über Gewährleistungsansprüche zu 404 BGH, IBR 2018, 196. 405 BGH, Urt. v. 21.6.2018 – VII ZR 173/16, NJW-RR 2018, 1038 = NZBau 2018, 523. 406 BGH, Beschl. v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.338 Teil 19

befinden. Ein derartiger Beschluss wäre mangels Kompetenz der Eigentümergemeinschaft nichtig. Dennoch fehlt auch solchen Erwerbern die Ausübungsbefugnis, soweit sie ihre Ansprüche auch in der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht alleine durchsetzen könnten.407 Dieses Manko ist den jeweiligen Erwerbsverträgen immanent, das Vertragsverhältnis wird also bereits mit dieser Beschränkung begründet.408 Von praktischer Bedeutung ist dies insbesondere dann, wenn der Bauträger einem „Nachzüglererwerber“ kaufvertraglich eine Eigenschaft des Gemeinschaftseigentums versprochen hat, die qualitativ über die nach den vorherigen Kaufverträgen geschuldete Beschaffenheit hinausgeht (also etwa erhöhte energetische Eigenschaften).

19.334

Bestehende Ansprüche wegen Mängeln können abgetreten werden. Kann die Eigentümergemeinschaft noch nicht oder nicht mehr (im Fall des Nachzüglererwerbers bzw. wegen zwischenzeitlicher Veräußerung des Wohnungseigentums ohne Abtretung der Mängelansprüche) auf Ansprüche bestimmter Erwerber zugreifen, käme eine Abtretung, etwa an die Gemeinschaft selbst, in Betracht.

19.335

Soweit und solange die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfolgung und Durchsetzung der Primäransprüche noch nicht an sich gezogen hat, ist auch der Nachzüglererwerber ohne Eigentümerstatus nicht gehindert, die Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche aus seinem individuellen Erwerbsvertrag selbständig zu verfolgen. Gleichwohl verbleibt die Entscheidungsbefugnis darüber, welche Beschaffenheit der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums letztlich gewollt ist, bei der Wohnungseigentümergemeinschaft. Hierüber hat sie durch Mehrheitsbeschluss zu befinden. Praktisch relevant ist dies etwa dann, wenn den einzelnen Erwerbern eine unterschiedliche Beschaffenheit des Gemeinschaftseigentums versprochen wurde.

19.336

b) Auf Rückabwicklung gerichtete Ansprüche Die auf Rückabwicklung bezogenen Ansprüche Rücktritt und „großer Schadensersatz“ sind nicht gemeinschaftsbezogen. Bei Ausübung dieser Gestaltungsrechte rückt der Bauträger wieder in die Eigentümerstellung ein. Interessen der Gemeinschaft an der ordnungsgemäßen Herstellung des Gemeinschaftseigentums werden dadurch nicht tangiert.

19.337

c) Nicht behebbare Mängel Kann ein Mangel nicht behoben werden, ist also die Mängelbeseitigung unmöglich, können konsequenterweise erstrittene oder freiwillig bezahlte Mittel auch nicht zur Instandsetzung eingesetzt werden. Fraglich ist deshalb, ob der Wohnungseigentümergemeinschaft dann überhaupt eine Beschlusskompetenz zusteht. Ist die Mangelbeseitigung unmöglich, bestehen weder ein Nacherfüllungsanspruch noch dessen Surrogate. Die Erwerber sind damit letztlich auf die Minderung verwiesen. Eine Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft wird man deshalb nur insoweit annehmen können, als sie darüber entscheiden kann, ob der Minderungsanspruch gemeinschaftlich verfolgt oder ob seine Durchsetzung vielmehr den einzelnen Erwerbern überlassen werden soll (hierzu auch Rz. 19.265).

407 BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, BauR 2010, 774 = NJW 2010, 933 = NZBau 2010, 432 = NZM 2010, 204 = ZfBR 2010, 363. 408 BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, BauR 2007, 1221 (1224).

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19.338

Teil 19 Rz. 19.339

Baurecht im WEG-Mandat

19.339 Wirkt sich ein nicht behebbarer Mangel am Gemeinschaftseigentum nur im Bereich des Sondereigentums eines einzigen Wohnungseigentümers aus, kann dieser das Minderungsrecht bzw. den Schadensersatzanspruch in entsprechender Höhe selbständig geltend machen.409 Ein schützenswertes Interesse der Gemeinschaft, über die Mittelverwendung zu entscheiden, besteht nicht. d) Berechtigte Verweigerung der Nachbesserung

19.340 Der Bauträger kann die Nachbesserung (Nacherfüllung) dann berechtigterweise verweigern, wenn sie für ihn unzumutbar, insbesondere also mit einem finanziellen Aufwand verbunden wäre, der im Verhältnis zum zu erzielenden Ergebnis in keiner vernünftigen wirtschaftlichen Relation stehen würde (wegen der Einzelheiten darf auf Rz. 19.175 verwiesen werden). Den Erwerbern verbleiben in diesem Fall und bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen die Sekundäransprüche. Vom Grundsatz her gemeinschaftsbezogen sind insoweit der Minderungsanspruch sowie der Anspruch auf den sog. „kleinen Schadensersatz“. Letzterer ist der Höhe nach entweder im Wege einer Vermögensbilanz zu ermitteln oder durch Feststellung des Minderwerts.410

19.341 Wohnungseigentumsrechtlich hat dies folgende Konsequenz: Der Entscheidungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft, die die Verfolgung der primären Mängelansprüche an sich gezogen hat, verbleibt, darüber zu befinden, ob die Nacherfüllungsverweigerung ihrer Auffassung nach zu Recht erfolgte oder nicht. Im ersten Fall sind die Eigentümer (Erwerber) darauf zu verweisen, ihre Minderungsansprüche beim Bauträger individuell weiterzuverfolgen. Die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft hat damit ihr Ende gefunden.

M 28 Einzelverfolgung von Minderungsansprüchen bei berechtigtem Unverhältnismäßigkeitseinwand des Bauträgers TOP … … … a) Mit Schreiben vom … hat der Bauträger X die Mangelbeseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten abgelehnt. Die Eigentümer sind sich einig dahingehend, dass der Unverhältnismäßigkeitseinwand des Bauträgers berechtigt ist. Den einzelnen Erwerbern bleibt es unbenommen, ihre weitergehenden Ansprüche aus ihren jeweiligen Erwerbsverträgen gegenüber dem Bauträger X individuell weiterzuverfolgen. Beschlussergebnis: …

409 BGH, Urt. v. 15.2.1990 – VII ZR 269/88, NJW 1990, 1663 = BauR 1990, 353 = BGHZ 110, 258. 410 BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463 = NZBau 2018, 201 = NZM 2018, 345.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.344 Teil 19

b) Für den Fall, dass der Beschlussantrag zu TOP … lit. a) bestandskräftig abgelehnt werden sollte: Die Eigentümer beauftragen und ermächtigen die Verwaltung, von mindestens 3 Fachbetrieben je einen Voranschlag hinsichtlich der erforderlichen Mangelbeseitigungsarbeiten und der hierfür zu veranschlagenden Kosten einzuholen. Sobald diese Voranschläge (mindestens 3) vorliegen, wird die Verwaltung beauftragt und ermächtigt, vom Bauträger X unter Fristsetzung einen (ggf. nach Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat) angemessenen Kostenvorschuss für die durchzuführenden Mangelbeseitigungsmaßnahmen anzufordern. Sofern der Vorschuss bezahlt werden sollte, wird die Eigentümerversammlung über die weitere Vorgehensweise in einer – vom Verwalter einzuberufenden – außerordentlichen Eigentümerversammlung befinden. Gleiches gilt, wenn ein angeforderter Vorschuss nicht bezahlt werden sollte. Beschlussergebnis: …

e) Einschränkung der Beschlusskompetenz durch die Teilungserklärung In der Teilungserklärung ist oftmals vorgesehen, dass Eigentümer für die Instandsetzung von 19.342 Gegenständen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, zuständig sein soll. In einem solchen Fall ist die Gemeinschaft gehindert, gegen den Willen des oder der betroffenen Eigentümer die Mangelbeseitigung an sich zu ziehen oder mit Wirkung auch für diese Eigentümer einen Vergleich abzuschließen. Ein gleichwohl in diese Richtung gefasster Beschluss ist allerdings nicht nichtig. Will sich ein betroffener Eigentümer mit einem solchen Beschluss nicht abfinden, muss er hiergegen fristgerecht mit der Beschlussanfechtungsklage vorgehen. So jedenfalls hat es das OLG München411 in seinen Beschluss vom 23.2.2007 gesehen. f) Mittelverwendung Wie mit vom Bauträger erlangten Geldmitteln (sei es durch freiwillige Zahlung, sei es durch Beitreibung aufgrund eines gerichtlichen Titels) zu verfahren ist, hängt wiederum von dem geltend gemachten Anspruch ab. Eingangs ist allerdings darauf hinzuweisen, dass primäres Ziel der gemeinschaftlichen Durchsetzung der Ansprüche aus den Erwerbsverträgen der Miteigentümer wegen anfänglicher Baumängel die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums ist. Aus diesem Motiv hat auch der Bundesgerichtshof letztlich die Legitimation der Gemeinschaft abgeleitet, auch die primären Mängelansprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum aus den Erwerbsverträgen seiner Mitglieder zur gemeinschaftlichen Verfolgung und Durchsetzung an sich ziehen zu können.

19.343

aa) Selbstvornahmekostenvorschuss Der Selbstvornahmekostenvorschuss ist zweckgebunden und damit von der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Beseitigung der Mängel zu verwenden, wegen derer er vom Veräußerer/Bauträger bezahlt wurde. Dies bedeutet, dass die Wohnungseigentümer spätestens nach Erhalt des Vorschusses im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss eine Entschließung darüber herbeiführen müssen, welche Mangelbeseitigungsmaßnahmen durchgeführt und wer damit (durch den Verband) beauftragt werden soll. Ansonsten läuft die Gemeinschaft Gefahr, dass der Veräußerer/Bauträger den Vorschuss ggf. mit Erfolg zu411 OLG München, Beschl. v. 23.5.2007 – 32 Wx 30/07, BauR 2007, 1461.

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19.344

Teil 19 Rz. 19.344

Baurecht im WEG-Mandat

rückfordert. Der Bauträger kann dies dann, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gemeinschaft ihren Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen.412 Gleichermaßen entsteht ein Rückforderungsanspruch, wenn die Mängelbeseitigung nicht innerhalb angemessener Frist durchgeführt wird.413 Ein Vorschussanspruch scheidet im Übrigen schon dem Grunde nach aus, wenn von vorneherein nicht die Absicht der Mängelbeseitigung, die allerdings erst einmal zu unterstellen ist, besteht.414 Hinweis: Der Anspruch des Bauträgers auf Rückzahlung des Vorschusses verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.415 Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Weiter ist erforderlich, dass zu diesem Zeitpunkt die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgelegen haben.

19.345 Welche Frist für die Mangelbeseitigung als angemessen angesehen werden kann, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln. Von vorneherein verbietet es sich, an starre Fristen anzuknüpfen.416 Ein Beurteilungskriterium ist sicher der Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahme. Abzustellen ist zudem auf die persönlichen Verhältnisse des Bestellers.417 Auf den Verband Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen bedeutet dies, dass regelmäßig vor Inangriffnahme der Mängelbeseitigungsmaßnahmen, wie bereits oben ausgeführt wurde, ein Eigentümerbeschluss herbeigeführt werden muss. Ob hiermit allerdings grundsätzlich bis zur ordentlichen Jahresversammlung zugewartet werden darf, ist zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Steht diese nicht ohnehin in absehbarer Zeit an, muss auch die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung in Erwägung gezogen werden. Klagt der Bauträger auf Rückzahlung des Vorschusses ist dieser jedenfalls dann nicht zurückzuzahlen, wenn im allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz der Vorschuss bereits zweckentsprechend verbraucht wurde, bereits Unternehmer mit der Ersatzvornahme beauftragt wurden und eine Rückforderung treuwidrig wäre (nach dem „dolo agit Grundsatz“) oder zwar noch keine Beauftragung zur Durchführung von Ersatzvornahmearbeiten erfolgt ist, dies aber nach Überzeugung des Gericht unmittelbar bevorsteht.418

19.346 Vom Grundsatz her kann dem Rückforderungsverlangen des Bauträgers dadurch entgegnet werden, dass vom Vorschuss auf einen auf Geld gerichteten Sekundäranspruch übergegangen und mit diesem gegen den Rückforderungsanspruch aufgerechnet wird.419 In die Überlegungen ist allerdings wiederum die Grundsatzentscheidung des BGH vom 22.2.2018 einzubeziehen. Eine Berechnung des Schadensersatzes nach den voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten scheidet aus. Ob bei (weiterhin) beabsichtigter Mangelbeseitigung und Verlangen des kleinen Schadensersatzes nunmehr ohne weiteres auf den Vorschussanspruch gemäß § 634

412 BGH, Urt. v. 5.4.1984 – VII ZR 167/83, BauR 1984, 406 (408) = ZfBR 1984, 185. 413 BGH, Urt. v. 14.1.2010 – VII ZR 108/08, IBR 2010, 134; BGH, Urt. v. 14.1.2010 – VII ZR 213/07, IBR 2010, 137. 414 OLG Frankfurt, Urt. v. 6.10.2016 – 13 U 96/14, IBRRS 2018, 1221; BGH, Beschl. v. 30.8.2017 – VII ZR 285/16 (NZB zurückgewiesen). 415 BGH, Urt. v. 14.1.2010 – VII ZR 213/07, BauR 2010, 618 = NJW 2010, 1195 = NZBau 2010, 236 = ZfBR 2010, 353. 416 So etwa Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB, § 13 Abs. 5 Rz. 213 VOB/B. 417 BGH, Urt. v. 14.1.2010 – VII ZR 108/08, IBR 2010, 134. 418 OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.5.2014 – 22 U 171/13, BauR 2015, 271. 419 BGH, Urt. v. 7.7.1988 – VII ZR 320/87, BGHZ 105, 103 (106) = BauR 1988, 592.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.351 Teil 19

Nr. 4, § 637 BGB, der letztlich dem Selbstvornahmekostenvorschussanspruch nachgebildet ist, übergegangen werden kann ist zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Zu berücksichtigen ist, dass die Entscheidung darüber, ob von den primären Ansprüchen abgerückt und nunmehr stattdessen ein Sekundäranspruch geltend gemacht werden soll, ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft obliegt. Ohne entsprechende Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ist der Verwalter vom Grundsatz her gehindert, einem Rückzahlungsverlangen des Bauträgers ein Verlangen von Schadensersatz entgegenzusetzen.

19.347

Wurde die Mangelbeseitigungsmaßnahme durchgeführt, ist der Vorschuss abzurechnen. Ein etwa verbliebener Überschuss ist an den Veräußerer/Bauträger zurückzuerstatten.420 Verbleibt ein Saldo zu Ungunsten der Erwerber, kann dieser dann als Kostenerstattung nachgefordert werden.

19.348

bb) Kostenerstattung Hat ein einzelner Erwerber, ohne dass die Gemeinschaft zuvor im Rahmen ihrer Ausübungs- 19.349 befugnis die Verfolgung der primären Mängelansprüche an sich gezogen hat, Mängel am Gemeinschaftseigentum nach zuvor erfolgter, fruchtloser Fristsetzung beseitigen lassen, ist er auch befugt, vom Bauträger hierfür Kostenerstattung an sich zu verlangen. Diesen Anspruch kann er erforderlichenfalls auch im eigenen Namen und aus eigenem Recht gerichtlich geltend machen. Beachtet werden muss aber, dass der einzelne Erwerber, sofern kein Fall der Notgeschäftsführung vorliegt, Mängelbeseitigungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum im Wege der Selbstvornahme nur mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer durchführen darf. Liegt diese nicht vor und wird sie auch nachträglich berechtigterweise (etwa weil über die Ordnungsgemäßheit der Nacherfüllung Streit besteht) nicht erteilt, läuft er Gefahr, die von ihm eigenmächtig durchgeführten Maßnahmen wieder rückgängig machen zu müssen.421 Keine Bedenken bestehen unserer Auffassung dagegen, dass der Verband Kostenerstattung verlangen und erlangte Gelder dem Verwaltungsvermögen zuführen darf, wenn von ihm nach vorheriger Beschlussfassung der Eigentümer wegen anfänglicher Baumängel Drittnachbesserungen beauftragt und aus dem Verwaltungsvermögen bezahlt wurden. Um den Kostenerstattungsanspruch erfolgreich gegen den Bauträger durchsetzen zu können, muss allerdings der Verband zuvor die Durchsetzung der primären Mängelansprüche an sich gezogen und dem Bauträger zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben.

19.350

Probleme ergeben sich dann, wenn sich die Gemeinschaft entschließt, anfängliche Baumängel durch ein Drittunternehmen nachbessern zu lassen, ohne zuvor von ihrer Ausübungskompetenz (Ansichziehen) Gebrauch gemacht und den Bauträger ohne Erfolg zur Nacherfüllung aufgefordert zu haben. Dies kann in der Praxis darin begründet sein, dass irrtümlich davon ausgegangen wurde, dass unverjährte Ansprüche gegen den Bauträger nicht mehr bestehen (Stichwort: Organisationsverschulden). Wird voreilig nachgebessert, ohne dem Verpflichteten zuvor sein Recht zur zweiten Andienung (Nacherfüllung) eingeräumt zu haben, scheiden Kostenerstattungsansprüche grundsätzlich aus.

19.351

420 BGH, Urt. v. 5.4.1984 – VII ZR 167/83, BauR 1984, 406. 421 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.7.2000 – 11 Wx 42/00, NZM 2001, 758.

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Teil 19 Rz. 19.352

Baurecht im WEG-Mandat

cc) Kleiner Schadensersatz

19.352 Für die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes wird sich die Eigentümergemeinschaft zweckmäßigerweise dann entscheiden, wenn über den Zeitpunkt und den Umfang der Mängelbeseitigung noch keine Klarheit herrscht. Hinweis: Der Anspruch auf den kleinen Schadensersatz setzt voraus, dass der Veräußerer/Bauträger die Mangelhaftigkeit zu vertreten hat. Im Regelfall wird diese Anspruchsvoraussetzung schon deshalb zu bejahen sein, weil der Mangel meist aus einem Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik resultieren dürfte.

19.353 Der Höhe nach kann der Schadensersatzanspruch nicht mehr nach an den Kosten bemessen werden, die voraussichtlich aufgewendet werden müssen, um den Mangel fachgerecht zu beseitigen.422 Bei beabsichtigter Mangelbeseitigung kann diese durchgeführt und alsdann die aufgewendeten Kosten als Schadensersatz verlangt werden. Zudem kann vor Durchführung der Nachbesserung ein Vorschuss auf den voraussichtlichen Ersatzanspruch geltend gemacht und ggf. auch gerichtlich durchgesetzt werden.

19.354 So erlangte Geldmittel, sei es aufgrund freiwilliger Zahlung des Bauträgers oder aufgrund Zahlung nach Titulierung und ggf. nachfolgender Zwangsvollstreckung, sind zweckgebunden für die Mängelbeseitigung durch einen Drittunternehmer einzusetzen. Dies bedeutet aber auch, dass die Wohnungseigentümer zeitnah über die Ausführung der erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch entsprechende Mehrheitsbeschlussfassung entscheiden müssen. Als Orientierungsmaßstab für die zeitliche Komponente können die Grundsätze herangezogen werden, wie sie für Mangelbeseitigungsmaßnahmen nach Erhalt eines Vorschusses für die Selbstvornahme von der Rechtsprechung herausgearbeitet wurden.

19.355 Ist eine Mängelbeseitigung nicht beabsichtigt, gibt es auch keinen Gemeinschaftsbezug (mehr). Es bleibt dann den einzelnen Erwerbern vorbehalten, die Sekundäransprüche individuell weiter zu verfolgen. Der Schaden ist dann nach den Grundsätzen zu berechnen, wie diese in der Entscheidung des BGH vom 22.2.2018 herausgearbeitet wurden. dd) Minderung

19.356 Der Sekundäranspruch der Minderung wird regelmäßig dann in Erwägung gezogen werden müssen, wenn Mängel an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr oder praktisch nicht mehr behoben werden können. Gleiches gilt, wenn sich der Veräußerer/ Bauträger zu Recht auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand des § 635 Abs. 3 BGB beruft und die Gemeinschaft auch nicht beabsichtigt, dennoch die Mängelbeseitigung durchzuführen. Wird Minderung gewählt, darf diese nicht nach den Mängelbeseitigungskosten berechnet werden.423 Maßgeblich ist vielmehr in aller Regel die Verkehrswertminderung. Hinweis: Dem Unverhältnismäßigkeitseinwand kann ggf. durch das Angebot einer Zuzahlung entgegengewirkt werden.

19.357 Im Falle der erstgenannten Alternative bedeutet dies aber auch, dass die aufgrund der Minderung erlangten Mittel nicht mehr der Zweckbindung, der Gemeinschaft der Wohnungs422 BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463 = NZBau 2018, 201 = NZM 2018, 345. 423 BGH, Urt. v. 9.1.2003 – VII ZR 181/00, BGHZ 153, 279 = BauR 2003, 533 = NZBau 2003, 214 = ZfBR 2003, 356.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.359 Teil 19

eigentümer die für die Herstellung erstmals ordnungsgemäßer Zustände des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Mittel zu verschaffen, dienen können. Der Gemeinschaftsbezug als Legitimation für die erforderliche gemeinschaftliche Willensbildung hat damit bereits im Ansatz faktisch sein Ende gefunden. Der Entscheidungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft vorbehalten bleibt damit nur noch, darüber zu befinden, ob der Minderungsanspruch insgesamt durch den Verband durchgesetzt werden soll oder ob es den einzelnen Wohnungseigentümern anheimgestellt werden soll, ihren individuellen Minderungsanspruch selbständig zu verfolgen. Wird die erstgenannte Alternative gewählt, bezieht sich die Minderung dem Umfange nach auf die Gesamtbeeinträchtigung durch den Mangel am Gemeinschaftseigentum.424 Gemindert wird damit letztlich ein fiktiver Gesamterwerbspreis. Der aufgrund der Minderung erlangte Geldbetrag ist an die Berechtigten auszukehren. Verteilungsmaßstab können hierfür entweder die Miteigentumsanteile oder die Erwerbspreisanteile sein.425 Zu berücksichtigen sind allerdings auch der konkrete Minderwert betroffener Einheiten sowie der Grad der Belastung durch die Mängel.426 Die Entscheidung über den Verteilungsmaßstab haben die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss zu treffen. Im Falle der zweitgenannten Alternative bemisst sich die Minderung nach dem jeweiligen Erwerbspreis im Verhältnis zur Belastung durch die Mängel am Gemeinschaftseigentum.427 Wird die Minderung gemeinschaftlich deshalb geltend gemacht, weil sich der Bauträger berechtigterweise auf den Einwand der Unverhältnismäßigkeit berufen hat, hat die Wohnungseigentümergemeinschaft eine weitere, durch Beschlussfassung zu entscheidende Option. Entscheidet sie sich dafür, die Mängel zu beseitigen, obwohl der aufgrund der Minderung erlangte Betrag hierfür nicht ausreicht, darf sie den Minderungsbetrag auch zum Zweck der Mangelbeseitigung einsetzen. Gleiches gilt, wenn bei einem grundsätzlich nicht behebbaren Mangel durch zu beschließende Maßnahmen die Auswirkungen des Mangels abgeschwächt werden sollen428 (Bsp.: zusätzliche Dämmmaßnahmen). Bei einem negativen Votum ist der Minderungsbetrag an die Berechtigten auszukehren. Hier gilt dann wieder das oben Gesagte.

19.358

Ob die Wohnungseigentümergemeinschaft nach der Wahl der Minderung noch auf den Schadensersatz statt der Leistung (hier: statt der Nacherfüllung) übergehen kann, ist problematisch. Minderung ist etwas gänzlich anderes als Schadensersatz statt der Nachbesserungsleistung. Durch Erklärung der Minderung wird eine abschließende Rechtslage gestaltet, die die spätere Wahl des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung ausschließt.429

19.359

Hinweis: Auf diese Konsequenz hat der Verwalter bei Unterbreitung eines entsprechenden Beschlussvorschlags hinzuweisen.

424 BGH, Urt. v. 6.6.1991 – II ZR 372/89, BGHZ 114, 383 = NJW 1991, 2480 = BauR 1991, 606; a.A.: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 948. 425 BGH, Urt. v. 4.6.1981 – VII ZR 9/80, BGHZ 81, 35 = NJW 1981, 1841 = BauR 1981, 467; BGH, Urt. v. 4.11.1982 – VII ZR 53/82, NJW 1983, 453 = BauR 1983, 84. 426 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, Rz. 961; Kniffka, ZfBR 1990, 159 (162). 427 BGH, Urt. v. 4.11.1982 – VII ZR 53/82, NJW 1983, 453 = BauR 1983, 84; BGH, Urt. v. 6.6.1991 – VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383 = NJW 1991, 2480 = BauR 1991, 606. 428 BGH, Urt. v. 15.2.1990 – VII ZR 269/88, NJW 1990, 1663 (1664). 429 Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil Rz. 227; Sprau in Palandt, § 634 BGB Rz. 5 BGB; Vorwerk, BauR 2003, 1 (13).

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Teil 19 Rz. 19.360

Baurecht im WEG-Mandat

ee) An wen sind erlangte Geldmittel auszukehren?

19.360 Sollen erlangte Geldmittel (Minderungsbetrag, Schadensersatz) ausbezahlt werden, stellt sich die Frage, an wen? Als gesetzlich Ermächtigter oder als gesetzlicher Prozessstandschafter kann der Verband nur Ansprüche seiner Mitglieder verfolgen. Gleichwohl sind insoweit auch „Nichtmitglieder“ an der Durchsetzung ihrer Ansprüche gehindert. Unserer Auffassung nach sind deshalb erlangte Geldmittel nicht nur an die Wohnungseigentümer auszukehren, deren Ansprüche geltend gemacht wurden, sondern auch an die Erwerber, die gleichgerichtete Ansprüche gegen den Bauträger haben. g) Ausübungsbefugnis auch hinsichtlich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums

19.361 Zur Abnahme und den Vereinbarungsmöglichkeiten hierzu darf vorab auf die Ausführungen oben in I.2.b) verwiesen werden. Demnach ist zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich der einzelne Erwerber aus seinem individuellen Erwerbsvertrag heraus nach § 640 BGB berechtigt und verpflichtet,430 dies unbeschadet der Möglichkeit, einen Dritten zur Abnahme bevollmächtigten zu können. Für eine Vergemeinschaftung der Abnahme fehlt damit der Wohnungseigentümergemeinschaft nach der Rechtsprechung des BGH die Beschlusskompetenz. Demnach sind Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Regelung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht nur anfechtbar, sondern nichtig.431

19.362 Gleichwohl hat der Bauträger die Möglichkeit, im Bauträgervertrag Regelungen zu vereinbaren, um eine einheitliche und gleichzeitige Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu erreichen. Diese Regelungen unterliegen aber der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB und dürfen insbesondere das Recht des einzelnen Erwerbers, selbst über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu entscheiden, nicht ausschließen. Unwirksam sind demnach Vertretungsregelungen, die den Erwerber unangemessen benachteiligen. Von der obergerichtlichen Rechtsprechung wurden bspw. Regelungen kassiert, die dem Erwerber suggerieren, dass nur noch der Bevollmächtige abnehmen darf, dass die Vollmacht unwiderruflich sein soll, oder dass der Bevollmächtigte auf Grund der Auswahl sowie Bezahlung durch den Bauträger in dessen „Lager“ steht.432 Unwirksam ist auch die verbindliche Festlegung eines bestimmten Sachverständigen im Bauträgervertrag, wenn dies mit einer Einschränkung des Widerrufsrechts der Einzelerwerber gemäß § 671 Abs. 1 BGB gegenüber den beauftragten Sachverständigen verbunden ist.433 Das gilt gleichermaßen für Regelungen, nach denen ein Sachverständiger durch einen unabhängigen Dritten bestimmt werden soll. Auch eine Regelung, wonach ein Schiedsgutachter über die Abnahmefähigkeit entscheidet, ist unwirksam.434 Wegen Verstoßes gegen grundlegende ge430 BGH, Urt. v. 21.2.1985 – VII ZR 72/84, NJW 1985, 1551. 431 BGH, Urt. v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, NZBau 2016, 551 = ZMR 2016, 711; OLG München, Urt. v. 6.12.2016 – 28 U 2388/16 Bau, BauR 2017, 1041; ausführlich hierzu auch: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rz. 596 ff. 432 BGH, Beschl. v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12, IBR 2013, 686; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2011 – 8 U 106/10; OLG München, Beschl. v. 15.12.2008 – 9 U 4149/08; OLG Koblenz, Urt. v. 17.10.2002 – 5 U 263/02. 433 Vgl. aber OLG Dresden, Urt. v. 8.1.2010 – NZB zurückgenommen VII ZR 38/10 („Die vorformulierte Klausel in einem Bauträgervertrag, wonach das Gemeinschaftseigentum von einem unabhängigen Dritten – hier: dem TÜV – als Vertreter des Erwerbers abgenommen wird, benachteiligt den Erwerber nicht unangemessen und ist wirksam.“). 434 BGH, Urt. v. 10.10.1991 – VII ZR 2/91.

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Anfängliche Baumängel am Gemeinschaftseigentum

Rz. 19.363 Teil 19

setzlichen Regelungen zur Abnahme hat der BGH in seiner Entscheidung vom 30.6.2016435 eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger selbst als Erstverwalter ermöglicht, für unwirksam erklärt.

19.363

Weitere Beispiele unwirksame Abnahmeklauseln: – „Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt über die einzelnen Käufer durch einen vereidigten Sachverständigen, den der Verkäufer auf seine Kosten beauftragt.“436 – „Das gemeinschaftliche Eigentum wird für die Vertragsparteien vom Verwalter der Wohnanlage abgenommen, frühestens aber, wenn mehr als 50 % aller Wohnungen verkauft sind.“437 – „Die Vollmacht des mit der Erklärung der Abnahme beauftragten Sachverständigen ist unwiderruflich.“438 – „Für das Gemeinschaftseigentum findet im Regelfall eine gesonderte Abnahme statt. Der Käufer bevollmächtigt unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, und zwar jeden für sich allein, den nachgenannten vereidigten Sachverständigen, den nach dem Wohnungseigentumsgesetz für das Kaufobjekt bestellten Verwalter sowie den Verwaltungsbeirat mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Das Gemeinschaftseigentum ist somit abgenommen, wenn entweder alle Käufer oder anstelle von Käufern der Sachverständige oder der Verwalter oder der Verwaltungsbeirat das Gemeinschaftseigentum abnimmt.“439 – „Das gemeinschaftliche Eigentum wird für die Wohnungseigentümer durch einen vereidigten Sachverständigen abgenommen.“440 – „Der Verkäufer wird den Verwalter der Wohnanlage von der Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums und der Außenanlagen verständigen und ihn zur Übernahme auffordern. Die Abnahme kann auch durch einen Baufachmann erfolgen, den der Verwalter auf Kosten der Gemeinschaft bestimmt (…) Der Verkäufer bevollmächtigt den in der Teilungserklärung bestellten Verwalter, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen; dieselbe Vollmacht wird dem durch diesen zu bestimmenden Baufachmann erteilt.“441 – „Der Verkäufer wird den Verwalter der Wohnanlage von der Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums und der Außenanlagen verständigen und ihn zur Übernahme auffordern. Die Abnahme kann auch durch einen Baufachmann erfolgen, den der Verwalter auf Kosten der Gemeinschaft bestimmt. […] Der Käufer bevollmächtigt den in der Teilungserklärung bestellten Verwalter, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen; dieselbe Vollmacht wird dem durch diesen zu bestimmenden Baufachmann erteilt.“442 – „Die Abnahme der Anlagen und Bauteile, die im gemeinschaftlichen Eigentum aller Miteigentümer stehen (…), erfolgt für die Wohnungseigentümer (Erwerber) durch einen vom Verwalter zu beauftragenden vereidigten Sachverständigen“.443 – „Die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile und Anlagen werden unabhängig von vorstehender Ziffer 2.a) vom Verwalter unter Hinzuziehung eines vereidigten Sachverständigen unter Errichtung eines gemeinschaftlichen Protokolls übernommen und abgenommen. Der

435 436 437 438 439 440 441 442 443

BGH, Urt. v. 30.6.2016 – VII ZR 188/13, IBR 2016, 3086. OLG München, Beschl. v. 15.12.2008 – 9 U 4149/08. LG Hamburg, Urt. v. 11.3.2010 – 328 O 179/09. OLG Koblenz, Urt. v. 17.10.2002 – 5 U 263/02. BGH, Beschl