186 116 18MB
German Pages 24 [52] Year 1916
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze Lerausgegeben von den
Privatdozenten Dr. Hans Spethmann und Dr. Erwin Scheu Die vorliegende Sammlung will in anregender und anschaulicher Form ein klares Bild der Kriegsschauplätze entwerfen, um es jedem zu ermög lichen, den amtlichen Nachrichten von den Vorgängen auf den Kampf gebieten mit Verständnis folgen zu können. Die Darstellung wird durch zahlreiche Abbildungen und Skizzen wirkungsvoll unterstützt. Es liegen vor: 1. Die wirtschaftliche« Grundlagen der kriegführende« Mächte. Von Profeffor Dr. 21. Oppel-Bremen. Lest 2. Kohlennot und Kohlenvorräte im Weltkriege. Von Ge heimem Bergrat Profeffor Dr. Frech-Breslau. Lest 3. Der Kanal mit seinen Küsten- «nd Flottenstützpunkten. Von Privatdozent Dr. L. Spethmann-Berlin. Lest 4. Antwerpen. Geographische Lage «nd wirtschaftliche Bedeutung. Von Dr. Lans Praesent-Greifswald.
Lest
Lest
Lest Lest Lest Lest Lest Lest
In Vorbereitung befinden fich: 5. Der russisch - türkische Kriegsschauplatz. Von Dr. jur. et phil. Lugo Grothe-Leipzig. 6. Die Küsten Englands. Das Kampfgebiet nuferer Flotte. Von Privatdozent Dr. L. Spethmann-Berlin. 7. Die Bogefeu «nd ihre Kampfstätte«. Von Redakteur Adrian Mayer-Straßburg. 8. Der deutsche Kriegsschauplatz zwischen Maas «nd Mosel. Von Dr. Karl Wolff-Leipzig. 9. Japan «nd die Japaner. Von Dr. Ed. Erkes-Leipzig. 10. Natur und Wirtschaft Polens. Von Profeffor Dr. F. Lötzsch-Berlin. 11. Natur «nd Wirtschaft Rußlands. Von Dr. Erwin ScheuLeipzig.
Ferner find vorläufig in Ausficht genommen: Flandern und seine Küste«. Belgien. Die KriegSschanplätze in Ost Der Snezkanal «nd seine po litische Bedeutung. preußen. Deutschlands Kolonien im Welt Die Kriegsschauplätze in Ser kriege. bien.
Jedes Heft im Umfange von zirka 3 Drnckboge« kostet M. —.80
Verlag von Veit & Comp. in Leipzig, Marie«ftr.18
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze Herausgeber
Dr. Hans Spethmann und Dr. Erwin Scheu in Berlin
in Leipzig
Heft 4
Dr. Hans Praesent
Antwerpen Geographische Lage und wirtschaftliche Bedeutung
Leipzig Verlag von Veit & Comp. 1915
Antwerpen Geographische Lage und wirtschaftliche Bedeutung Von
Dr. Hans Praesent in Greifswald
Mit 8 Abbildungen im Text und 1 Karte
Leipzig Verlag von Veit & Comp. 1915
Copyright 1915 by Veit L Comp. in Leipzig.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
*Var in der ersten Oktoberwoche vorigen Jahres unser aller lebhafte Erwartung auf die Lage in und um Antwerpen gerichtet, so nahm das kleine Land Belgien schon von den ersten Kriegslagen an unser besonderes Interesse in Anspruch.
Die Auffindung geheimer Akten in Brüssel hat deutlich be wiesen, daß die belgische Negierung vermutlich schon seit 1906 im Bündnis mit England und Frankreich stand, also bereits
seit acht Jahren die eigene Neutralität mißachtet hatte, und heute erscheint uns der rasche Einbruch deutscher Truppen in
Belgien, der den Anlaß zur Kriegserklärung Englands gegeben hatte, als eine ganz selbstverständliche und berechtigte strategische Maßnahme, um dem beabsichtigten
französischen Aufmarsch
und Durchmarsch durch Belgien schnell zuvorzukommen.
Bekanntlich spielten sich zunächst die Ereignisse mit er staunlicher Schnelligkeit ab.
Schon am 7. August fiel Lüttich
mit seinen zwölf Außenforts in unsere Lände, und am 20. August zogen unsere Truppen, ohne ernsteren Widerstand zu finden, in Brüssel ein. Die zweite wichtige Maasfestung, Namur mit
seinen neun Forts, wurde am 26. August eingenommen. Damit waren die militärisch wichtige Maaslinie sowie große Teile Süd-
und Mittelbelgiens in unserer Land, und die belgische Re gierung hatte sich programmäßig, wie es in vielen Militär
zeitschriften vorher besprochen war, mit den Resten des belgischen Leeres in den dritten großen Festungsbereich des Landes, nach 5
Antwerpen zurückgezogen. deutschen
Leeresleitung
Die
wurden
Absichten
weiteren
einige
erst
Wochen
der
später
klarer, als am 28. September der erste Schuß gegen die äußere Fortlinie von Antwerpen abgegeben wurde.' Am 1. Oktober
erfolgte die Eroberung des Forts Wavre-St. Catherine und der Eisenbahnschanze Düffel (vgl. die Karte nach Seite 16,
deren photographische Wiedergabe die Firma Wagner & Debes
in Leipzig freundlichst gestattete).
Gleichzeitig wurde das Fort
Waelhem eingeschloffen und Termonde besetzt.
Damit war
schon eine bedeutende Lücke in die Befestigungen der Nethe- und Dylelinie gerissen.
Koningshoyckt und
Am 3. Oktober waren die Forts Waelhem,
Lierre mit den Zwischenwerken
gefallen,
womit die Bresche in der äußeren Fortlinie wesentlich erweitert war.
Am 5. Oktober erfolgte die Nachricht, daß auch die
Forts
Kessel und
Broechem,
die
den
rechten
Flügel des
deutschen Angriffes durch flankierendes Feuer belästigen konnten,
zum Schweigen gebracht seien.
Am 7. Oktober wurde das
Fort Broechem genommen, der Netheabschnitt von Infanterie
und Artillerie überschritten und eine
englische und belgische
Brigade zwischen äußerem und innerem Fortgürtel auf Ant werpen zurückgeschlagen.
Am Mitternacht des 7. bis 8. Oktober
begann die Beschießung der Stadt, und gleichzeitig erfolgte der Angriff auf die inneren Forts.
Bereits am 9. Oktober
abends konnte das Große Hauptquartier die lapidaren Sätze
melden: „Leute vormittag find mehrere Forts der inneren Be
festigungslinie von Antwerpen gefallen.
Die Stadt befindet
sich seit heute nachmittag in deutschem Besitz.
Der Komman
dant und die Besatzung haben den Festungsbereich verlassen.
Nur einzelne Forts sind noch vom Feinde besetzt. von Antwerpen wird dadurch nicht beeinträchtigt."
Der Besitz
And am
10. Oktober war die Stadt einschließlich sämtlicher Forts in
deutschen Länden.
6
Was Alexander von Parma 1585 erst nach 14 Monaten gelang, das vollendete deutsche Kraft in der kurzen Zeit von 12 Tagen, trotzdem Antwerpen mit seinen eben erst fertig ge
wordenen neuen Außenforts imstande sein sollte, sich mindestens
12 Monate gegen 250000 Feinde zu halten.
Freilich hatte
man wohl wegen der riesigen Ausdehnung der äußeren Be festigungslinie von einer eigentlichen Belagerung abgesehen und
den direkten Durchbruch vorgezogen, d. h. die auf der Anmarsch richtung von Brüssel her gelegenen Forts wurden zuerst an
gegriffen und zerstört, bis der Gürtel zerrissen war, und dann wurde die Bresche, soweit wie nötig, mit Lilfe der modernen Neben dem tapferen Opfermut unserer
Artillerie erweitert.
siegreichen Truppen und
der wohlüberlegten und geschickten
Handhabung der schweren Geschütze verdanken wir diesen wich
Erfolg
tigen
zielbewußten
einer
Leeresleitung
unter
dem
General von Beseler. Weder Einzelheiten der strategischen und technischen Seite der Einnahme Antwerpens, noch die militärische und politische
dieser
Bedeutung
Eroberung
sollen
im
folgenden
erörtert
werden, sondern der Besitz der Stadt, die jetzt unter deutscher
Verwaltung wieder aufzuleben beginnt, soll den Blick zurück
lenken
auf das
Antwerpen
vor
dem
Kriege
und
es soll versucht werden, die wichtigste belgische Landelsmetro-
pole von
geographischen Gesichtspunkten
aus
zu
skizzieren,
wobei über die Lage der Stadt, ihre Geschichte, ihre Lafen-
anlagen
und
ihren
Lande!
das
Wissenswerteste
mitgeteilt
werden wird.
Llm die geographische Lage Antwerpens recht verstehen zu können, müssen wir einen Blick auf das Land werfen, zu dem
es gehört.
Die vergleichende Betrachtung einer physikalischen
und einer politischen Karte zeigt, daß das Königreich Belgien trotz seiner Kleinheit verschiedene natürliche Landschaften auf-
7
weist, die sich, mehr oder weniger ineinander übergehend, streifen
weise von Süden nach Norden anreihen. Durchquert man das Land von der luxemburgischen Grenze
bis zur Küste, so gelangt man aus der lothringischen Stufen
landschaft, die noch in den Südzipfel Belgiens hineinreicht und
sich an den alten Ardennenrumpf anlehnt, über die rauhen, schwachbevölkerten, mit Mooren bedeckten Lochflächen der Ar
dennen selbst (Lautes Fagnes) in den Sandstein- und Kalk
boden der Vorardennenregion (Famenne, Condroz), die mit der
Löhenlinie von 200 Metern etwa an dem scharfen Einschnitt des
Sambre-Maastales endet.
Der nun folgende Streifen
Mittelbelgiens besteht teils aus den steinkohlen- und erzreichen
Zndustriebecken bei Mons-Charleroi und um Lüttich, teils aus dem fruchtbaren Tertiärboden Brabants, der eigentlichen Korn
kammer Belgiens.
Die letzte Zone, Niederbelgien, zeigt im
Osten sandreiches, dünnbevölkertes Leidegebiet (Campine), im Westen aber, im eigentlichen West- und Ostflandern den durch
Jahrhunderte lange zähe Arbeit der Flamen erträgnisreich ge
stalteten Sandboden des Leye-Scheldegebiets.
Einen mehr oder
weniger breiten, dem Meere mühsam abgerungenen Marschen streifen trennen von der Nordsee ein fortlaufender Dünenzug, der im Westen bei La Panne seine größte Löhe erreicht, und ein herrlicher Sandstrand, den der Geschäftsgeist des könig
lichen Kaufmanns Leopold II. in seiner ganzen Ausdehnung
zu einem einzigen prächtigen internationalen Seebade gestalten wollte. Der Gegensatz in den Physiognomien dieser Zonen wird
noch verstärkt durch den grundverschiedenen Charakter zweier
Völkergruppen, des leicht beweglichen, französisch sprechenden Wallonen
im
Süden
Flamen im Norden.
und
des
schwerfälligen
konservativen
Die Sprachgrenze zwischen beiden ver
läuft etwa von der Stelle, wo die Maas die Grenze gegen 8
Lolland zu bilden beginnt, in ziemlich gerader Linie nach Westen bis zu dem Gebiet, wo die Leye belgischen Boden betritt. Beide Völker verband nur die gemeinsame katholische Religion
und das künstliche Staatengebilde Belgien, das in den ersten Kriegswochen die Anmöglichkeit seiner Existenzberechtigung voll
auf bewiesen hat.
Man hatte wohl mit Recht behauptet, daß
in keinem anderen Staate der Dualismus der Bevölkerung stärker ausgeprägt sei als in Belgien.
Wo das historische Flandern, das nach Frankreich bis zum Nordrand der Schwelle von Artois hinübergreift, im Osten
durch die trichterförmig sich weitende Anterschelde an das Kempen
land grenzt, war die Lage für die alte Fischersiedelung Ant werpen, 88 Kilometer von der Mündung in die offene Nordsee Wenn auch am Beginne historischer Zeit im Weich
gegeben.
bilde des heutigen Antwerpen noch ein Gewirr unregulierter Flußarme bestanden hat, die die Forschung auf alten Plänen
und das Studium geologischer Profile festlegten, so war doch die Bedeutung der ersten Ansiedelung an dieser Stelle immer
an den Lauf der Schelde geknüpft.
Sie entspringt im hü
geligen Artois nördlich von St. Quentin, betritt bei nur 14 Meter. Löhe Belgien oberhalb von Tournai bereits als schiffbarer
Fluß, wird bis Gent etwa 30 Meter breit bei 2 Meter Tiefe und empfängt dort von links den wichtigsten Nebenfluß, die Leye, wodurch ihre Wassermenge bei 100 Meter Breite erheblich
anschwillt.
Nach Aufnahme der rechten Nebenflüsse Dender
und Rüpel, chis zu dem etwa die Gezeitenwirkung reicht, ist
der Strom 300 Meter breit bei 5 Meter Tiefe. auf dem rechten Afer sich
Bei dem
ausbreitenden Antwerpen ist die
Schelde bis 450 Meter breit.
Nach einigen großen Win
dungen weitet sich der Strom zu einem trichterförmigen Meer
busen.
Arsprünglich gab es zwei Scheldemündungsarme, die
Oosterschelde und die Westerschelde, welche die Inseln Wal-
9
cheren und Beveland umschlossen.
1867 verbaute der Eisen
bahndamm nach Vlissingen die Oosterschelde, die während des
frühen Mittelalters
als Lauptmündungsarm diente;
seitdem
geht der gesamte Schiffsverkehr durch die Westerschelde, die
auch den Namen Lonte führt. (t'Graafschap
Nach Jacob van Grypskerke
van Zeeland tot 1579) soll in ihrem jetzigen
Bett eines der bedeutendsten zeeländischen, im Jahre 1277 von den Meeresfluten verschlungenen Dörfer mit Namen Lonte
gelegen haben. Soviel die Meinungen über die Entstehung der heutigen
Westerschelde auch auseinandergehen, so ist doch zweifellos die Annahme berechtigt, daß Sturmfluten ihr Bett im Verein mit den regelmäßigen Gezeiten verbreitert haben mögen.
Diese
erreichen einen mittleren Unterschied an der Mündung bei Vlis
singen von 3,35 Meter, bei Breskens (gegenüber auf Zeeuwsch Vlaanderen)
3,61 Meter, bei Ter Neuzen 3,85 Meter, bei
Bath (bei der beginnenden Stromweitung) 4,33 Meter, bei
Antwerpen 4,29 Meter,
5,1 Meter.
der
Springtidenhub
beträgt sogar
Der Flutstrom dauert bei Antwerpen 51/2 Stunden
und erreicht 11/2 Seemeilen mittlere Geschwindigkeit; erfolgt
ein Abfließen
darauf
des Wassers durch 63/4 Stunden mit
einer mittleren Geschwindigkeit von l3/4 Seemeilen.
Das Ken
tern des Stromes findet 1/2 Stunde nach Loch- und Niedrig wasser statt. Ein heftiger Gezeitenstrom sorgt also dafür, daß der
Lasen von Antwerpen nicht versandet, worunter bekanntlich die künstlichen Läsen an der offenen belgischen Küste (Ostende, See brügge, Nieuport u. a.) sehr zu leiden haben.
Er erhöht ferner
die Wassertiefe und dient als bewegende Kraft für die ein- und
auslaufenden Seeschiffe, die mit dem Flutstrom bis zum Be ginn der Flußschiffahrt vordringen können, während sie der zu rückflutende Ebbestrom wieder aufs offene Meer hinausträgt.
Der mehrere Kilometer breite Arm der Llnterschelde von Vlis10
singen bis Bath ist nicht in seiner ganzen Ausdehnung schiffbar.
Wie die Seekarte zeigt, liegen viele Sandbänke im Strombett, deren Verlagerungen ständig überwacht werden müssen, und nur
eine schmale, durch schwarze und rote Bojen bezeichnete Fahr rinne muß zudem dauernd durch staatliche Baggerarbeiten offen
gehalten werden, so daß ihre Tiefe bei Mittelniedrigwasser min destens 9 Meter beträgt, damit größere Seeschiffe bequem bei
Ebbe
bis Antwerpen
gelangen
können.
Außerdem herrscht
staatlicher Lotsenzwang, wobei sich belgische und niederländische
Lotsen abwechseln.
Die Lage Antwerpens ist demnach bestimmt, einerseits als möglichst weit nach dem Binnenland vorgeschobener Fluß
mündungshafen (wie Hamburg, Bremen, London), anderer seits liegt es an der Grenze des höheren, sandigen Diluvial bodens und der nördlich sich ausbreitenden tiefgelegenen Mar
schen, deren Boden der Mensch seit dem 9. Jahrhundert durch
Eindeichungen dem Meere entrissen und seiner Kultur dienstbar gemacht hat.
Dazu kommen noch als wesentliche Faktoren die
Meereslage, die Lage zum Hinterland und die politische Zu gehörigkeit; denn es hat Zeiten gegeben, in denen die Bedeutung
des Lafens und seines Handels arg darniederlag.
Die Geschichte der Stadt ist sehr wechselvoll gewesen, wiederholt erlebte sie Perioden blühenden Aufschwunges und starken
Niederganges.
Wie die Gründung der Stadt, so ist auch die
Herkunft ihres Namens in Dunkel gehüllt, über die nur die Sage folgendes zu berichten weiß.
Zur Zeit der Römer lagen
armselige Fischerhütten an der Stelle des heutigen Antwerpen sowie die feste Burg des gefürchteten Riesen Antigon, der die
armen Fischer mit grausamen Maßregeln plagte.
Kam ein
Schiff an seiner Burg vorbei, so ließ er es anhalten und ver langte ein hohes Lösegeld von dem Führer.
Wurde es ihm
verweigert, so ließ er dem Widerspenstigen die rechte Land
11
abhauen und in die Schelde werfen.
Diesem Ereignis soll die
Stadt ihren Namen verdanken; denn im Flämischen bedeutet
ant Land und werpen werfen. nahte.
Doch die Stunde der Rache
Der tapfere Römer Salvius Brabo drang unerschrocken
mit seinen Kriegern in die Burg, tötete den Tyrannen und
hieb ihm den Kops und die rechte Land ab, die er in die Schelde schleuderte.
Der Steen am Scheldekai (Abb. 1), ein
Nest der ehemaligen Burg von Antwerpen, birgt noch heute
Abb. 1.
Scheldekai und Skeens Museum. (Verlag Dr. $. Stoebtner, Berlin.)
im Museum den oft erneuerten Kopf des Antigon, der früher
in allen Festzügen mitgeführt wurde, und auf dem Groote
Markt steht seit 1887 die schöne Bronzegruppe des Brabobrunnens von Lambeaux, dessen Gestalten an die Sage erinnern. Auch das Antwerpener Wappen führt neben einer Zwingburg
zwei abgeschlagene Lände.
Die zweifelhafte Etymologie des
Namens erklärt man wohl auch: aan’t werp — an der Werst,
ane de Werp — am Lasen.
Im siebenten Jahrhundert wird die Stadt zum erstenmal erwähnt, und sie soll schon ein wichtiger Handelsplatz gewesen sein, als die Normannen sie 836 zerstörten.
Aber das Helle
Licht der Geschichte fällt erst im Beginne des zehnten Jahr
hunderts auf Antwerpen, als man begann, die Scheldeufer zu befestigen, und die Stadt entwickelte sich allmählich zu einem
bedeutenden Seehafen.
Der Höhepunkt der Entwicklung wurde
um die Mitte des 16. Jahrhunderts erreicht, sie wurde der erste Träger des ostindischen Sandels.
Der Meeresarm des Iwyn,
dem Brügge seinen Aufschwung verdankte, war versandet, wie auch die übrigen Wasserstraßen, die an die flandrische Flach
küste führten; denn die fortgesetzten Kriege ließen die Sorgfalt in der Überwachung und Ausbaggerung der Säfen und Kanäle erlahmen.
So hatten schon 1505 die Fugger ihr Kontor von
Brügge nach Antwerpen verlegt und 1545 folgten ihnen die wichtigen Niederlassungen der Sansestädte.
Andererseits war
für das rasche Aufblühen Antwerpens die Tatsache wichtig, daß am Anfänge des 15. Jahrhunderts die Strömungen starker
Sturmfluten die bis dahin schmale und seichte Westerschelde
immer mehr vertieften, so daß der Seeverkehr nunmehr durch
sie anstatt durch den Ümweg der Oosterschelde Antwerpen er reichen konnte.
Ferner begann der neu gefundene Seeweg der
Portugiesen nach Ostindien die Schätze Südasiens über Lissa bon anstatt über Venedig nach Antwerpen zu lenken, das auch
ein Stapelplatz für die Waren aus der Neuen Welt wurde. Ein zuverlässiger Gewährsmann jener Glanzzeit, der Florentiner
Ludwig Guicciardini, der mehrere Jahre als Gesandter in den Niederlanden lebte, hat uns in seiner Belgiae descriptio, die
auch ins Deutsche übersetzt erschien (Basel 1580), ein anschau liches Bild von der Stadtverfassung, den Bewohnern und dem
reichen Sandel des Antwerpen um 1560 festgehalten.
Wir
hören bei ihm, daß die Stadt 13500 Säuser gezählt habe, die
13
etwa 100000 Einwohner bargen, und lesen mit wachsendem Er staunen, welche Fülle verschiedenartiger Produkte von unge
heurem Wert aus zahlreichen Ländern hier zusammenströmte.
Aus allen Weltteilen lagen Schiffe auf der Schelde, über 100 fuhren täglich ab und zu und Antwerpens Märkte zogen aus
Abb. 2. Die Kathedrale. (Photographieverlag von E. fl. Seemann, Leipzig.)
allen Ländern Kaufleute herbei,
überall trifft man heute noch
die Schätze der prachtliebenden Patrizier aus dieser Zeit.
Die
Meisterwerke der Baukunst gipfeln in der berühmten Kathe drale (Abb. 2), die als schönste und größte gotische Kirche in
den Niederlanden beschrieben wird, deren Ban 1352 begann
14
und am Beginne des 16. Jahrhunderts unter Leitung der beiden
Architekten van Waghemaker stand, bis das Mittelschiff 1616 eingewölbt werden konnte. (Abb. 3)
und
das
Abb. 3.
Die alten Zunfthäuser am Markt
sehenswerte
Museum Plantin-Moretus,
Alte Zunfthäuser am Markt.
(Photographieverlag von E. H. Seemann, Leipzig.)
jenes wohlerhaltene Geschäfthaus des berühmten Buchdrucker geschlechtes legen ebenso beredtes Zeugnis ab, wie die vielen
Kunstwerke der bekannten Antwerpener Malerschule, des alten
Quinten Matsys (1466—1530), der die Stadt zum Vorort der niederländischen Kunst machte, des Jacob Jordaens (1593
15
—1678) und des großen Rubens (1577—1640) sowie seines Schülers van Dyck (1599—1641), deren Hauptwerke schon in
die Jahre des beginnenden Niederganges jener Glanzzeit fallen. Der Verfall dieses reichen Lebens begann nämlich unter der Herrschaft Philipps II. Durch religiöse Wirren und Bürgerkriege
geschwächt, vermochte die Stadt dem Ansturm und der Plünde rung durch spanische Soldatenhorden (1576) nicht standzuhalten. Bekanntlich hat Schiller uns in seinen „kleinen historischen Schriften" die „Belagerung von Antwerpen durch den Prinzen von Parma in den Jahren 1584 und 1585" spannend geschildert. Nach 14 Monaten gelang es, die Stadt durch Hunger zur Übergabe zu zwingen. Der Verfall des Handels geschah um
so rascher, als der Westfälische Frieden (1648) die Schelde für die Schiffahrt gänzlich sperrte.
Anderthalb Jahrhunderte war Antwerpens Handel lahmgelegt, und die Zahl der Einwohner, die 1584 bis 1589 bereits von 85000 auf 55000 gesunken war, betrug 1790 nur noch 40000.
Da begann eine neue Blütezeit, als Frankreich 1792 Ant werpen einverleibt und 1795 von den Holländern die Freigabe der Scheldemündung erzwungen hatte, indem der Vertrag von La Äaye (17. Mai 1795) im 18. Artikel festsetzte: „L’Escaut et le Hondt appartiendront en commun aux republiques frangaise et batave et les navires des deux nations y auront un egal acces libre de tonte entrave.“
Wir werden später
noch erörtern, weshalb die Stadt Napoleon I. so viel verdankt. Die englische Scheldeexpedition 1809, die schon damals vom Krämergeist beseelt, dem unbequemen niederländischen Wett
bewerb entgegentreten sollte, mißlang völlig. Die geschicht lichen Ereignisse der folgenden Jahrzehnte brachten Antwerpen wechselndes Geschick. Nach Napoleons Abdankung wurde die Stadt nach langer tapferer Verteidigung durch den General Carnot 1814 dem Grafen von Artois und den Verbündeten 16
Kriegsgeographische Zeitbilder.
Lest 4: Antwerpen.
1n tela i
erdentit
Ouybekes
Z
«recken
fi ui w
SUmajid
Karte von Antwerpen und Umgebung, Maßstab etwa 1
Hw&naa? ,,
.
y-V '!->• etwa 1:250000 (nach Ä. Wagner L E. Debes, Leipzig).
PypeUiei
übergeben.
Antwerpen kam nun mit Belgien an die als selb
ständiger Staat wiederhergestellten Niederlande, die ihre end gültige Gestalt als Königreich unter Regierung der dränier durch die Schlußakte des Wiener Kongresses erhielten.
Die
französische Iulirevolution des Jahres 1830 griff auf Belgien
über, das sich von Lolland losriß.
Seitdem datiert die Un
abhängigkeit Belgiens, dessen Neutralität durch Vertrag von
London am 15. November 1831 garantiert wurde.
Noch ein
mal sah die durch den niederländischen General Chassö tapfer verteidigte Zitadelle von Antwerpen eine Belagerung, bis sie
sich am 23. Dezember 1832 übergab.
Die Scheldeschiffahrt
wurde frei, aber es bestand nun noch ein Lindernis zur freien Entwicklung: der den Lolländern, die bekanntlich auch heute noch im Besitz der Scheldemündung sind, zugestandene Schelde
zoll.
Erst 1863 wurde er abgelöst für 36 Millionen Franks,
von welchen ein Drittel auf Belgien, der Rest auf die ver schiedenen, bei der Schiffahrt beteiligten Staaten fiel, und mit
diesem Jahre beginnt für die Stadt sozusagen ein neues
Zeitalter, in dem sie in fortlaufender Entwicklung die heutige hohe Blüte erreichen konnte. Die folgende Tabelle der Einwohnerzahlen spiegelt das
rasche Wachstum in der neuen Blütezeit wieder: 1830:
Mit
73000
1880:
169000
1846:
88000
1890:
224000
1856:
103 000
1900:
273000
1866:
117000
1910:
302000
1876:
151000
1911:
307000
den
nahe
verwachsenen Vororten
Berchem
und
Borgerhout dürfte Antwerpen heute einen Siedelungskomplex
von etwa 400000 Einwohnern darstellen.
Die Bevölkerung ist,
abgesehen von etwa 10000 Deutschen und 18000 Lolländern, praesent, Antwerpen.
2
17
fast ausschließlich flämisch.
Die Ausdehnung der Stadt ist
naturgemäß durch die Festungsanlagen,
auf die wir noch
zurückkommen werden, stark beengt worden, doch zeigt ein Gang
durch die äußeren Stadtteile auf dem alten ausgelassenen Mauer
kranz schöne neue Läuserzeilen.
Ein bekannter deutscher Städte
baumeister, I. Stuebben, nahm an der Aufstellung der Pläne
für eine künstlerische Stadterweiterung lebhaften Anteil.
Im
Gegensatz zu anderen Flußmündungsstädten hat sich Antwerpen,
abgesehen von dem
begrenzten Läuserkomplex des napoleo
nischen Forts Tete de Flandre, nicht auf das andere Afer entwickelt; das linke Scheldeuser ist zum Teil sumpfiges, für Bebauung
ungeeignetes
Gebiet,
doch
neuerdings durch Baggergut aufgehöht.
wurden
die Polder
Lier sei auch neben
dem gleich zu besprechenden Landet erwähnt, daß Antwerpen bedeutende
Industrietätigkeit
aufweist:
Diamantschleifereien,
Branntweinbrennereien, Brauereien, Seifenfabriken, Zigarren fabrikation, Reismühlen, Zucker-, Baumwollen-, Spitzen- und
Zwirnindustrien sind in erster Linie vertreten. Jedoch die Lauptbedeutung
Größe der Landelsschiffahrt,
der Stadt beruht auf der
der ausgedehnte Lafenanlagen
dienen, auf die wir nunmehr einen Blick werfen wollen.
Die gesamten Lafenanlagen Antwerpens lassen sich in zwei große Gruppen teilen, die Kais an der offenen Schelde und die Bassins, die durch Schleusen von der Schelde getrennt
sind und sich zum größten Teil im Norden der Stadt befinden, zum kleineren auch im Süden.
Steht man auf den erhöhten
Terrassen an der Schelde, z. B. auf dem Kai van Dyck nahe
dem Steens Museum, so schweift der Blick den langen Strom entlang an Kaimauern, Eisenbahngeleisen und Schuppen und
einer langen Reihe von Dampfern, die längsseits hintereinander ihre Ladung löschen.
Das sind die Kais für die großen
Seedampfer, die Antwerpen regelmäßig für kurze Zeit an* 18
laufen (Abb. 4).
Der Norddeutsche Lloyd und die Ostafrika
linie haben hier beispielsweise ihre festen Anlegeplätze.
Nach
einem Vertrage vom 10. Januar 1874, nach dem der Staat die
Mauer, die Stadt die Ladeeinrichtungen zu bauen unternahm, entstanden hier zunächst die 3,5 Kilometer langen Scheldekais, die 1898—1901 eine Verlängerung um 2 Kilometer südwärts
erfuhren.
Der Bau der Kaimauern auf Senkkästen machte
Abb. 4.
teilweise
Scheldekai, Kathedrale und Steens Museum.
erhebliche Schwierigkeiten,
Senkungen und Riffe auftraten.
indem
nachträglich
noch
Die Wassertiefe beträgt bei
Ebbe 8 Meter, bei Flut 12,3 Meter, die Kaikante befindet sich 2,6 Meter über dem mittleren Flutspiegel.
Längs des Äsers
laufen zwei bis drei Eisenbahngeleise, zahlreiche hydraulische Kräne dienen dem Verladen, und Schuppen an Schuppen reiht sich als Lager für die Waren.
Ganze von der Äafenstraße.
Ein hohes Gitter trennt das
Im Süden schließt sich noch der 19
neue Petroleumhafen an, der sich bis 1905 im Amerika bassin befand (f. u.) mit einer 300 Meter langen Landungs brücke aus Eisenbeton.
Abb. 5.
Die Dampfer pumpen ihre Ladungen
Skizze der Hafenbecken und der neuen Projekte.
durch Rohrleitungen von 30 Zentimeter Durchmesser unmittelbar in die etwas landeinwärts gelegenen Petroleumbehälter. Die Bassinhäfen umfassen jetzt zehn Becken im Norden
der Stadt, die 'durch drei Schleusen mit der Schelde in Ver bindung stehen, und aus drei Bassins für kleinere Flußschiffe im südlichen Antwerpen (Abb. 5). 20
Die ältesten gehen auf die
Anregungen Napoleons I. zurück, der 1803 Antwerpen besuchte
und nicht nur die große strategische Bedeutung dieses Platzes erkannte und seinen Plänen nutzbar machen wollte, sondern auch ein großes Verständnis für die Förderung der Seeschiffahrt
besaß.
Er verordnete den Bau eines großen Arsenals, von
Werften, Kais und von zwei Innenbecken für Kriegsschiffe, da
Abb. 6. Bassin Bonaparte. er sich
hier
rumpelung
Äauptstützpunkt für die
einen
Englands
schaffen
wollte.
So
geplante Über
entstanden das
kleinere Becken Bonaparte (1), das am 1. Januar 1811, und
das größere Guillaume (2),
das am 29. November 1812
feierlich eröffnet wurde (Abb. 6).
Der Gang der Geschichte,
Waterloo und der erste Pariser Frieden veranlaßte die hollän
dische
Regierung,
Antwerpen diese
Äandelsschiffahrt zu
überlassen.
Bassins
Damit
späterhin
für
bekam Antwerpen
einen Dockhafen, der durch eine 18 Meter weite einfache Tor schleuse mit der Schelde in Verbindung stand.
Der Vorteil
dieser Becken besteht darin, daß der Wasserspiegel bei dem be
trächtlichen Gezeitenunterschied (4,29 Meter) immer auf gleicher
Das Niveau bleibt stets etwa 30 Zenti
Löhe gehalten wird.
meter unter der mittleren Fluthöhe.
Bei dieser Konstanz ver
meidet man also das Mitgehen der Schiffe mit den Schwan
kungen des Wasserspiegels, was bei der Benutzung von Lade einrichtungen
von
wesentlichem Gewinn ist.
Demgegenüber
besteht nur die große Anbequemlichkeit, daß man die Schleuse nur kurze Zeit für das Ein- und Ausfahren der Schiffe öffnen
kann.
Zwei Stunden vor Lochflut wird die Schleuse geöffnet
und eine Stunde nachher wieder geschlossen, so daß sich der
Verkehr jeweils in drei Stunden abwickeln muß. Trotz dieses Äbelstandes ist wegen des großen Gezeitenunterschiedes dieses System auch für die neueren Becken und zwei weitere Schleusen
beibehalten worden. Der Ausschwung des Landels, insbesondere die Ablösung
des Scheldezolls 1863 ließen neue Becken entstehen.
1860
wurde das Bassin du Kattendijk (3) mit einer Kammer
schleuse zur Schelde von 24,8 Meter Weite eröffnet, wurde es
verlängert,
schlossen sich
nach
die
Tiefe
beträgt 7 Meter.
dem Binnenlands zu das
1881 Daran
Bassin aux
Bois (4, 1864—1873), so benannt wegen seiner Landungs
brücke aus Lolz mit 8 Meter Tiefe, das Campinebecken (5)
mit Ladevorrichtungen für Erz und Kohle und das Asia-
becken (6), in das von Osten her der zur Maas führende Campinekanal mündet.
Diese waren bis zum Jahre 1873 vollendet.
Zwei weitere, nördlicher gelegene Dockbecken, das Lefebvre-
oder Afrika- (7) und das Amerikabecken (8) wurden 1881
bis 1886 ausgehoben (9 Meter tief), ersteres mit mächtigen Getreidesilos für 325000 Lektoliter, letzteres bis 1905 22
als
Petroleumhafen dienend und seitdem für den allgemeinen Lande!
Das Afrikabecken verbindet eine neue 180 Meter
geöffnet.
lange und 22 Meter breite Kammerschleuse, die sog. Royers-
schleuse, die seit Anfang 1907 im Betrieb ist und 7 Millionen
Franks Baukosten verursachte, mit der Schelde.
Sie gestattet
sogar bei jedem Wasserstande die Benutzung. Als erste Bassins
eines neuen
großartigen
auf das wir gleich zu
Projektes,
sprechen kommen, wurden 1907 eingeweiht das Kanalbassin (9)
mit 250 Meter
Breite und
625 Meter
Länge
und
das
Becken I mit 180 Meter Breite und 540 Meter Länge und
Tiefe von
einer
9—10 Meter.
Der Flächeninhalt dieser
zehn Becken wird mit 861850 Quadratmeter angegeben, das
Gesamtareal der Anlagen
auf
13600 Metern Kaimauern.
Die Fläche aller Schuppen beträgt
1046000 Quadratmeter mit
rund 250000 Quadratmeter, die Waffertiefe schwankt zwischen 6,6 und 10,1 Meter. Äber 300 Kräne verschiedener Art dienen
der Schiffsverladung. weg mit Elektrizität.
Die Beleuchtung geschieht fast durch Abb. 7, die ich Michaelsens vergleichen
der Darstellung der festländischen Nordseewelthäfen entnehme (E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1912), zeigt im Diagramm die allmähliche Entwicklung von Lafenfläche und -tiefe, Abb. 8 ein
vollbesetztes Bassin mit Kaimauer, Kran, Schienenweg und Speicher.
3m Westen der Stadt liegen, mit der Schelde durch eine
Schleuse verbunden, drei Becken für die Kleinschiffahrt, die
Bassins aux Charbons (11), des
Bateliers (12) und
aux Briques (13) mit einer Wasserfläche von 39000 Quadrat
meter und 4,8 Meter Tiefe. Zahlreiche Eisenbahngeleise führen an alle Becken heran
und dienen so dem Amschlag, da in Antwerpen die Bahn etwa 65°/o aller umgesetzten Güter weiterbefördert.
Lafen
deshalb
zum
Typus
eines
Man zählt den
Dock-Eisenbahn-Am-
23
Abb. 7.
Entwicklung der Lafenfläche und -tiefe. (Nach Michaelsen.)
24
schlaghafens.
Weite Güterbahnhöfe im Norden und Süden
der Stadt stellen die Wagen zu Zügen zusammen.
schnittlich
gehen von hier täglich
Durch
1500 Waggons nach dem
Binnenlands ab.
Die immer größer werdenden Raummaße der Schiffe und
der immer lebhafter werdende jährliche Handelsverkehr, den die
Abb. 8.
Segelschiffhafen und Ladeeinrichtungen.
Statistik nachwies, ließen in den letzten Jahren großzügige
Projekte festere Gestalt ännehmen.
Es handelt sich bei der
Verbesserung des Hafens um eine Vergrößerung des Areals um das Dreifache und eine Geradelegung des Scheldelaufes
zwischen Austruwel und Alt-Kruischans bei Fort Lillo, die
auch. wegen der Schwierigkeiten der Schiffahrt in dem krüm
mungsreichen Strom geboten schien.
Bei einem dieser Projekte
kürzt die 9 Kilometer lange, durch niedriges, eingedeichtes Ge25
lände führende Durchstechung, die sog. Grande Coupure,
den Wasserweg zur Stadt um 3 Kilometer ab.
Ihr parallel
soll ein Lafenkanal von 250 Meter Breite laufen, von dem
aus einzelne, fingerförmig fich abzweigende Hafenbecken von je 1200 Meter Länge und
200 Meter Breite mit zusammen
168 Lektar Wasserfläche je nach Bedarf ausgehoben werden
können.
Die Wassertiefe soll 12 Meter betragen.
Die Ver
bindung der neuen Lafenanlagen mit der Schelde erfolgt durch eine dreifache Schleuse, deren Kammern je 300 Meter Länge
und 33 Meter Breite besitzen.
Außerdem sind ein Wendeplatz
von 500 Meter Durchmesser sowie mehrere Trockendocks vor gesehen.
Der alte Scheldearm soll als Industriehafen ein
gerichtet werden, das Zwischengelände kann Industrieanlagen
aufnehmen (Abb. 5). Es ist keine Frage, daß dieses Projekt, dessen Kosten man
auf 200 Millionen Franks veranschlagt hat, eine Großzügigkeit
ohne gleichen besitzt, wodurch der Lasen auf viele Jahre den
größten Ansprüchen genügen wird.
Der Gedanke der Durch
stechung geht übrigens schon auf das Jahr 1874 zurück, als
M. Stessels, der Direktor des hydrographischen Scheldebureaus, ein ähnliches Projekt dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten einreichte, das von dem englischen Ingenieur Lawkshaw, der
Erfahrungen beim
Suezkanal
gesammelt
hatte,
gutgeheißen
wurde. 1881 bis 1893 wurden neue Pläne ausgearbeitet, und
1893 nahm der Minister der öffentlichen Arbeiten de Bruyn den Gedanken der Durchstechung wieder auf.
Kein Geringerer
als unser Wasserbauingenieur Franzius, der geniale Erbauer
des Bremer Freihafens und der Anterweserkorrektion, begut achtete 1895 den Plan.
Die Jahre 1897 bis 1904 vergingen
mit wissenschaftlichen Untersuchungen des Wasserhaushalts der Schelde und ihrer Gezeiten und gaben so dem Projekt die
notwendige Basis. 26
Wer weiß,
ob
und
wann nunmehr diese großartigen
Pläne zur Ausführung gelangen? Die Becken II und III waren bisher noch im Bau, sie sollen eine Fläche von 67 Lektar be
decken mit 5600 Metern neuen Kaimauern und ihre Tiefe soll
10,7 bis 11,65 Meter betragen.
Die Belgier prahlten schon
vor zehn Jahren, wie eine Abhandlung über die Projekte mit
dem Satze schließt: „Anvers sera alors, dans quelque dix ans, le plus grand port du monde, plus grand que Hambourg,
Londres ou New York, plus grand que tous les ports de
France, il sera aussi le mieux outille et le plus commode!“ Ein Gang durch die Lafenanlagen läßt uns manche für
Antwerpen charakteristische Eigentümlichkeiten erkennen.
Dazu
gehören z. B. die sog. Nationen, das sind streng geschloffene und organisierte Lastträger- und Rollkutschervereinigungen, von
denen es etwa 50 gibt, jede mit einer begrenzten Anzahl von
Mitgliedern (Natiebazen und Natiegasten). heute
Sie Hallen noch
an ihren jahrhundertealten Traditionen fest und jede
bildet für sich einen kleinen demokratischen Staat mit einem Ältesten an der Spitze. An jedem Monatsende wird der ge
meinsame Gewinn verteilt.
Die zweckmäßigsten Lafenanlagen sind nutzlos, wenn der Weltverkehr fehlt, der sie beleben soll.
Von hervorragender
Bedeutung für die Weiterentwicklung eines Lafens ist also seine Meereslage, d. h. seine Lage zu den jeweilig am stärksten
bevorzugten Bahnen des Weltverkehrs, und sein Linterland,
d. h. der hinter dem Lasen liegende Teil des Landes, der von ihm die eingeführten Produkte des Weltmarktes empfängt und
andererseits seine Erzeugnisse zur Ausfuhr über die ganze Erde hin übermittelt.
ES ist klar, daß die Bedeutung dieses Linker
landes weniger von seiner absoluten Größe, als vielmehr von seiner wirtschaftlichen Stellung, seiner eigenen Produktionskraft und seiner Absatzfähigkeit abhängig ist.
Ein Blick auf eine Erdkarte zeigt die günstige Meeres -
läge Antwerpens.
Der Lauptschauplatz des Weltverkehrs,
der seit dem Altertum und Mittelalter wiederholt wechselte — man denke an die Bedeutung des Mittelmeeres in der Antike und der Ostsee zur Lansazeit — ist heute der nördliche atlan
Gewaltig ist der Menschen- und Güteraustausch
tische Ozean.
zwischen den Läsen des nördlichen Amerika und des nordwest lichen Europa. Wie in einem Knotenpunkte laufen die Linien im Ärmelkanal zusammen, und verhältnismäßig dicht beieinander wetteifern die Welthäfen Lamburg, Bremen, Rotterdam, Ant
Von den festländischen Nord
werpen, London und Liverpool.
seehäfen liegt Antwerpen am günstigsten und am nächsten der Weltverkehrsstraße
Meeresarmes.
des England
von Frankreich
trennenden
Daher laufen ihn z. B. viele deutsche Linien
auf der Leimreise zuerst an.
Aber auch für den Austausch
zwischen den europäischen Läsen selbst liegt Antwerpen als bequemer Mittelpunkt zwischen Le Lavre, London und den holländischen Plätzen. Von reicher Mannigfaltigkeit ist das Linterland Ant
werpens.
Das Stromsystem der Schelde hat wegen seiner
Kürze für Antwerpen nicht die Bedeutung als Zufahrtsstraße
wie etwa die Elbe für Lamburg oder der Rhein für Rotter
dam, und doch ist dieser Fluß, dessen Wassergebiet nur etwa 20000 Quadratkilometer umfaßt und der wie alle seine Neben
flüsse kanalisiert ist, einer der verkehrsreichsten Flüsse Mittel
europas.
Dieses begrenzte Einzugsgebiet des Landels ist jedoch
sehr bald durch Kunststraßen, Kanäle und Eisenbahnen erheblich
erweitert worden.
Leute zählt Antwerpen zu seinem Linter
land ganz' Belgien,
das
nordöstliche Frankreich und West
deutschland, wo sich seine Interessensphäre mit der der hollän
dischen Läsen kreuzt.
Belgien war bekanntlich im Gegensatz
zu dem benachbarten Lolland, das mit dem Bahnbau zögerte,
28
einer der ersten Staaten, der den Wert der Eisenbahnen für die Güterbewegung erkannte und steht heute noch an Eisen
bahn-, Personen- und Güterverkehrsdichte unter allen Ländern der Erde an erster Stelle.
Ende 1911 gab es in Belgien mit
den Kleinbahnen 8533 Kilometer Schienenwege,
daraus be
rechnet sich die Dichte seines Eisenbahnnetzes auf 3,5 Kilometer
auf jeden Quadratkilometer Landes.
Schon in den dreißiger
Jahren verband Antwerpen eine Bahn mit Köln und dadurch
mit dem mitteleuropäischen Verkehrsnetz.
Linien über alle Grenzen Belgiens.
1843 gingen schon
Leute laufen nach Deutsch
land die wichtigsten Linien von Antwerpen aus über Roermond
nach München-Gladbach, Crefeld, Düsseldorf, über Laffelt,
Maastricht nach Aachen, über Mecheln, Loewen, Lüttich, Verviers
nach Köln,
über Brüssel,
Namur, Luxemburg nach
Lothringen, und eine noch größere Zahl von Bahnen verbindet Antwerpen durch die reichen belgischen Landschaften mit den wichtigen Industriezentren des nordöstlichen Frankreich.
Alt und ausgedehnt sind die künstlichen Binnenschiff fahrtswege,
die den Güterverkehr nach Antwerpen leiten.
Die Maas ist auf dreifachem Wege mit der Schelde verbunden, durch den Kanal von Namur-Charleroi (Sambre)-Mons-Conds, durch den Kanal von Charleroi nach Brüssel und durch den alten,
aus dem Jahre 1561 stammenden Kanal von Willebroeck, dessen großartige Neugestaltung Brüssel selbst größeren Seedampfern zugänglich machen soll, und schließlich durch den Campinekanal, der in weitem Bogen durch das Kempenland und Limburg
nach Maastricht führt.
Der Lauf der Maas selbst weist auf
Ostfrankreich und steht andererseits mit dem Rhein in Ver bindung.
Der südlich von Cambrai in die Schelde einmündende
Kanal von St. Quentin verbindet das Seine-Oise-Sommegebiet
mit der Schelde.
Dazu kommen die zahlreichen Kanäle, welche
die siandrischen Flüsse untereinander verknüpfen und des milden 29
ozeanischen Klimas wegen, in dem die mittlere Temperatur des kältesten Monats nicht unter den Gefrierpunkt sinkt (mittlere
Ianuartemperatur von Ostende +1,3°, von Lille +2,2°), fast
das ganze Jahr hindurch dem Verkehr offen stehen.
Die neuen Projette eines direkten Kanals von Antwerpen zum Rhein, der durch Lolland gehen müßte, dürften den Wider
spruch Rotterdams
erfahren.
Augenblicklich
liegen —
wir
folgen einem noch im Juli 1914 von der Landelskammer in Düsseldorf veranlaßten Vorttag
— drei verschiedene Pläne
vor, den Niederrhein mit der Schelde in Antwerpen zu ver binden, nämlich ein Plan Lentrichs, von Crefeld über Venlo
nach Antwerpen, ein Plan von Valentin, von Neuß über München-Gladbach, Sittard, Maastricht, Lasselt, Lerenthals
nach Antwerpen,
und
ein nur in rohen Amriffen bekannter
Plan Schneiders, von Bonn oder Köln über Düren, Sittard, Maastricht, Lasselt, Lerenthals nach Antwerpen.
Daß jeder Rhein-Scheldekanal den Niederlanden Nachteile bringt, liegt auf der Land; denn er weitet den Wirtschaftskreis Antwerpens aus, daher müssen die Niederlande Gegner eines
solchen Kanals sein.
Vielleicht würden sie einem Kanals Neuß
oder Crefeld-Maastricht oder Venlo freundlich gegenüberstehen,
sobald einmal die Maas völlig kanalisiett ist und der dem deutschen Kanal erwachsende Verkehr Lolland wieder zufließt oder von ihm
ausgeht.
Ein solcher Kanal würde aber, wie ein Blick auf die
Karte zeigt, nur wenige Vorteile für das durchzogene deutsche
Gebiet haben.
Man darf übrigens den Verlust, den Rotterdam
durch - den neuen Kanal erfahren würde, auch nicht überschätzen.
Während der Nheinverkehr mit belgischen Läsen 1912 nur 5:/2 Mill. Tonnen von Belgien und 3 Mill. Tonnen nach Belgien betrug, gingen vom Rhein nach den Niederlanden 10 Mill. Tonnen und kamen dotther 15,6 Mill. Tonnen.
Es
wird Antwerpen sicher gelingen, einige Fottschritte zu machen,
30
aber wieviel von dem Verkehr des für den Maffenumschlag vor
züglich geeigneten Lafens Rotterdam zugunsten Antwerpens ab gezogen werden könnte, ist keineswegs zu übersehen.
Wenn kein
Verkehr von Rotterdam nach Antwerpen abgelenkt wird, würde
dem Kanal nur soviel Verkehr neu zuwachsen, als der bisher schon zwischen Belgien und dem Rhein vorhandene Wafferverkehr
selbst wächst. Die wahre Bedeutung der Läsen Rotterdam und Antwerpen für den westdeutschen Verkehr ist übrigens noch recht
wenig aufgehellt, sie spielen jedenfalls nicht die gleiche Rolle und es kann nicht ein Lasen an die Stelle des anderen treten.
Die Meereslage und die politische Gestaltung Belgiens bringen es mit sich, daß dieses ein Durchgangsland und Ant
werpen hauptsächlich ein Durchgangshasen zwischen einem
Weltmeere mit hochentwickelter Schiffahtt und dichtbevölketten und kulturell hochstehenden Staaten ist.
Das muß man im
Auge behalten, wenn man den Eigenhandel, die Nationalität der Schiffe und die Frequenz betrachten will oder gar Vergleiche
mit anderen Läsen zu ziehen beabsichtigt.
Antwerpen folgt in
der Größe des Schiffsverkehrs unmittelbar Lamburg, obwohl
es seinen Lande! in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ganz neu aufbauen mußte. In einzelnen Artikeln ist es ein wichtiger Weltmartt geworden, in Weizen und Läuten Argentiniens, im
westafrikanischen Elfenbein, zeitweise auch in Kautschuk, im Ge-
treibe Südrußlands und in einigen Erzeugnissen Ostasiens. Aber
in anderen Artikeln wird sein Lande! weit von deutschen und englischen Läsen übertroffen.
Selbstverständlich beherrscht, es
den Lande! mit dem belgischen Kongostaat,
Aus diesem
wurden eingeführt in Kilogramm: Kakao
1909 1910 1911 1912
745000 906000 775400 762000•
Elfenbein
Kopal
Kautschuk
327000 300000 305000 341000
854000 1024600 1547200 3026857
3492000 3105000 3175000 3229978 ZI
Der geringe Anteil einer eigenen belgischen Flotte am Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der belgischen Landelsffotte seit 1850:
Landet ist besonders bemerkenswert.
Segelschiffe
1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1911
156 108 55 24 10 4. . 5 8
Dampfer
Gesamttonnen gehalt
5 8 12 42 46 69 99 93
34919 33111 30149 75666 75946 113259 191132 166420
'
1912 betrug der Anteil der eigenen Flotte am Landet nur 9°/„,
es ist also vorwiegend ein Lasen für fremde Schiffe/ besonders für deutsche und englische. Belgisches Kapital wagt sich nur zaghaft an eigene Reederei, obwohl oftmals verschiedene An
regungen dazu gegeben wurden. Scheldeauswärts liegen Werften, und um den Schiffbau zu heben, besteht seit 1900 sogar Zoll freiheit für die betreffenden Materialien. Wenn auch die Red Star-Line, die nach Nordamerika fährt, und die Compagnie
Beige Maritime du Congo unter belgischer Flagge laufen, so ist jene nur ein Teil der amerikanischen American-Line, und diese gehört zu dem Unternehmen der Liverpooler Firma Elder Dempster & Co., sogar belgisches Kapital soll wenig daran be teiligt sein. Kleinere belgische Reebereien fahren nach dem Schwarzen Meere.
Es ist im engen Nahmen dieser Schrift leider unmöglich, auf die mancherlei interessanten Eigenheiten des Antwerpener Seehandels einzugehen und auch nur die Probleme anzugeben, die z. B. bei der Konkurrenz zwischen Antwerpen und Rotter
dam, wie wir oben schon andeuteten, oder den deutschen Nord seehäfen eine Rolle spielen. Wichtig ist, festzuhalten, daß Ant32
werpen derLaupthafen für das belgische Wirtschaftsleben ist. Das dicht bevölkerte Belgien, das auf rund 30000 Quadrat kilometer 7x/2 Millionen Menschen nähren muß (das ergibt mit
250 Menschen auf dem Quadratkilometer eine fünfmal dichtere
Besiedelung
auf dem gleichen
als
Raum Pommerns), ist
hauptsächlich Industriestaat, in dem die landwirtschaftliche Pro
duktion zum eigenen Bedarf nicht ausreicht.
Also muß es in
erster Linie Getreide, Kaffee, Zucker, sowie Erze, Kohlen und
Äolz zur Ergänzung der eigenen Rohstoffe für die Industrie
einführen
und
dafür fertige
Industrieprodukte
wie
Eisen-,
Textil- und Glaswaren, sowie chemische Erzeugnisse ausführen.
Ein Blick auf Tabellen, die die einzelnen Artikel der Ant werpener Einfuhr und Ausfuhr in Tonnenzahl im Vergleich zum Gesamthandel Belgiens erkennen lassen, würde die große Rolle, die Antwerpen als der einzige große Landeshafen im
Amschlaghandel spielt, deutlich zu zeigen vermögen.
Auslaufende Schiffe TonnenAnzahl gehall
Einlaufende Schiffe I TonnenAnzahl gehatt 1860. 1870. 1880. 1890. 1895. 1900. 1905.
Segelschiffe . 1910 . Dampfer . . Zusammen. .
2311 3732 4077 4542 4684 5250 6095 393 6403 6796
512017 1317315 3006701 4499044 5360824 6696370 9861528 224184 12430134 12654318
' Segelschiffe . 1911 . Dampfer . . Zusammen. .
355 6553 6908
194613 13136086 13330699
; :
2410 3450 4006 4582 4668 5246 6065 392 6393 6785
\ ;
361 6567 6928
199230 i 13126551 13325781
!
' ; ;
531217 1277326 2974648 4523228 5318488 6669712 9800149 226686 12398479 12625165
So ist denn der Schiffsverkehr stetig gewachsen. Handel vermehrte sich seit 1870
Der
dem Werte nach um das 33
Fünffache, der Menge nach um das Dreizehnfache. Die letzte amtliche Statistik enthält vorstehende lehrreiche Äbersicht über den Schiffsverkehr im Lasen von Antwerpen. Der Gesamtwarenhandel Antwerpens belief sich 1911 in
der Einfuhr auf 12561 Millionen Kilogramm im Werte von
3080 Millionen Franks und in der Ausfuhr auf 9417 Millionen
Kilogramm im Werte von 2731 Millionen Franks.
Der Ver
kehr der Flußschiffahrt betrug:
Einlaufende Schiffe 39705 39858 43823
1909 1910 1911
Eine
|
1
Tonnen gehalt
1
Auslaufende Schiffe
8208754 8771626 9705585
' i i
39225 39828 43739
Tonnen gehalt i
I
7923093 8762212 9614614
vergleichende Statistik gibt für die führenden
Nordseehäfen an:
Lamburg Schiffes Tonnen 1912 1913
15774 15073
13568000 14185000
i
Antwerpen I Rotterdam Tonnen Schiffe Tonnen Schiffe 5973 7056
11697358 ! 11317 12022101 11443
13473605 13915543
Daraus ergibt sich, daß Antwerpen verhältnismäßig mehr
von größeren Schiffen ^ausgesucht wird als Lamburg, da der Unterschied zwar in ^der Zahl der in den beiden Läsen ver
kehrenden Schiffe sehr bedeutend, jedoch in bezug auf den Ge samttonnengehalt gering ist.
Bei der Beurteilung der Statistik
ist ferner zu beachten, daß Antwerpen vorwiegend Durchgangs
hafen ist, während Lamburg eine Endstation bildet.
Da sehr
viele deutsche Schiffe Antwerpen sowohl auf der Ausreise wie
auf der Leimreise anlaufen, so werdendste hier zweimal, in
ihrem Leimathafen aber nur einmal gezählt.
Man nimmt an,
daß auf diese Weise 400000 bis 500000 Tonnen im Verhältnis
zu den deutschen Läsen doppelt gezählt werden. 34
Dreiviertel
des Anteils der deutschen Schiffe dürsten auf diesen Durch gangsverkehr kommen. Ähnliches gilt auch für den Verkehr
anderer Nationen, wovon aber die Statistik nichts erkennen läßt. Ein weiterer Amstand, der bei einem etwaigen Vergleich über die Größe der Läsen zu berücksichtigen ist, bildet die
Llngleichheit der
Statistik.
In Lamburg gilt für die
Verkehrsstatistik die deutsche Vermessung, in Antwerpen die Der Unterschied dieser beiden Verfahren, bei dem
belgische.
dann auch noch verschieden gewertete Abzüge hinzutreten, beträgt
für dasselbe Schiff rund 13 % zuungunsten der deutschen Ver messung.
Am also diese Zahlen auf einen vergleichbaren Stand
zu bringen, ist es nötig, die in Antwerpen verkehrende Dampfer
tonnage um den Betrag von 13 °/0 zu vermindern.
Trotz alle
dem läßt sich nicht leugnen, daß das prozentuelle Wachstum
Antwerpens größer ist als in Lamburg, so daß die Schelde stadt in dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts unter den
europäischen
Läsen von der siebenten an die vierte
Stelle
gerückt ist und im Seeverkehr das von der vierten an die zweite
Stelle gerückte Lamburg nahezu erreicht hat. Aber die voll ständige Überflügelung Lamburgs durch Antwerpen dürfte nicht
leicht sein.
Lamburg ist immer noch der erste Seehafen des
kontinentalen Europa, der in der Schiffstonnage unmittelbar hinter New Bork und London folgt. Schließlich sei des Antwerpener Auswanderungsver
kehrs gedacht. Die Zahl, deren größten Anteil neuerdings Slawen aus österreich-Angarn und Rußland bildeten, hat immer sehr geschwankt, wie aus folgender Aufstellung hervorgeht:
1850: 1860: 1870: 1880: 1890:
7016 2442 126 19990 38671
1895: 1900: 1905: 1910: 1911:
20690 40763 83815 81497 63922
Nicht nur die Eignung Antwerpens als Seehafen hatte Napoleon I. erkannt, sondern er sah auch, als einer unserer
größten Militärgeographen, mit scharfem und berechnendem
Blick die strategische Bedeutung der Scheldestadt.
Nach
seinem bekannten Ausspruch sollte es „eine gegen das Lerz
Englands gerichtete geladene Pistole" sein als Basis für einen
Angriff auf England und gleichzeitig als Stütze der Konti nentalsperre.
Daher ließ er, wie wir oben sahen, die ersten
Lafenbecken ausheben und ein Arsenal bauen und bewahrte bis
zu seinem Sturze immer ein erhebliches Interesse für Antwerpen.
Als 1831 Belgiens Selbständigkeit und Neutralität garantiert war und Antwerpen 1832 durch die Franzosen im Einverständnis
mit den Engländern für Belgien erobert worden war, trat man
notwendigerweise der Landesverteidigungsfrage näher.
Durch
das Gesetz vom 8. September 1859 wurde die bereits seit acht Jahren ernstlich geplante Neubefestigung Antwerpens als große
zentrale Stellung beschlossen.
So wurde nach den Plänen des
genialen Festungsbaumeisters Brialmont die innere Linie mit den Forts 1 bis 8 und dem Fort Merxem 1860—1870 erbaut, die die alten aufgelassenen Mauern Antwerpens im Süden und
Osten in einer Entfernung von 3—4 Kilometern als 21 Kilo
meter langer Teilring umgibt (vgl. Karte Seite 16).
Später
wurden auf dem linken Afer der Schelde zwei weitere Forts hinzugefügt, die alte Zitadelle geschleift und 1877 sogar mit
Arbeiten an weiter vorgeschobenen Forts begonnen. Gleichzeitig wandte sich das Interesse auf die Maaslinie.
Die 1888—1892
um Lüttich und Namur ausgeführten Forts mit Panzertürmen
hatten die Aufgabe, den Durchmarsch fremder Leere durch das
Maastal zu verhindern, während Antwerpen als Zufluchtsort für Leer und Marine dienen sollte, falls die Neutralität ge brochen würde.
Die sich immer mehr vergrößernden Lafenanlagen, ins-
besondere der Plan der Durchstechung und die wachsende Stadt
brachten es mit sich, daß neue Befestigungspläne aufgestellt wurden.
Durch Gesetz vom 30. März 1906, das vom Parla
ment nach erbitterten Debatten und persönlichen Eingriffen des Königs genehmigt worden ist, wurden für Neuausrüstungen zunächst 32 Millionen Franks ausgeworfen.
Die alten Forts
1 bis 8 sollten durch Eisengitter verbunden werden.
Dazu kam
ein neuer Gürtel von Festungen, bestehend aus schon vorhandenen
fünf Forts und drei Zwischenwerken, sowie aus neu zu bau enden elf Forts und zwölf Zwischenwerken.
Dieser Gürtel
sollte auf dem rechten Scheldeufer den alten im Abstande von vier Kilometern im Norden bis zu zwölf Kilometern im Süden
mit einem Amfange von rund 130 Kilometern umgeben.
Die
Karte zeigt, daß die neuen Forts im Süden über die Rüpel und Nethe hinüberreichen.
Die Gesamtkosten dürften mit den
Nachbewilligungen auf etwa 100 Millionen Franks geschätzt
werden, und die Bauten sollten Ende 1913 abgeschlossen sein. Auf dem rechten Scheldeufer wurden 1909 im Norden — wir folgen den neuesten Darstellungen des Generals von Janson
— die Forts Stabroeck, Brasschaet und Schooten mit [bem Zwischenwerk Capellen fertig; das Fort Ertbrand und zwei
Zwischenwerke waren noch im Bau.
Im Osten fehlten noch alle
Befestigungen, vier Forts und drei Zwischenwerke. Im Südosten bis zur Dyle bestanden die Forts Lierre, Wavre und Waelhem
sowie das Zwischenwerk (Eisenbahnschanze) Düffel; zu bauen waren dort noch ein Fort und zwei Zwischenwerke. Auf dem linken Llfer war Fort Rupelmonde fertig, ein Fort und zwei Zwischen
werke blieben noch zu errichten.
Nördlich davon sind die alten
Befestigungen Cruybeke, Zwyndrecht und die Deichbefestigungen beibehalten worden.
Im Jahre 1910 wurde der innere Gürtel
fertig, 1912 folgte die Bestellung der Panzertürme und Ge
schütze vorwiegend bei der bekannten belgischen Firma Cockerill 37
in Seraing bei Lüttich.
Der Scheldelauf unterhalb Antwerpen
(gegen England!) wurde nicht weiter befestigt, dagegen aber die Brückenfestungen Lüttich und Namur.
Die neue Festung
Antwerpen sollte, wie eingangs schon erwähnt, imstande sein, sich mindestens zwölf Monate gegen 250000 Feinde zu halten.
Trotz der neuen Wehrgesetze und Truppenvermehrungen
scheint es in Belgien, was übrigens Moltke schon voraussah, an Mannschaften
zur genügenden Besetzung der Fotts ge
mangelt zu haben.
Die Besetzung des neuen Fottsgüttels von
Antwerpen wurde
allein auf 80000 Mann geschätzt.
groß
beim Anmarsch
der Deutschen
die
Wie
Truppenmenge
in
Antwerpen gewesen ist, inwieweit die sämtlichen Außenforts vollendet waren, welche Gebiete, wie man öfters in den Zeitungen las, mit Sicherheit und Erfolg unter Wasser gesetzt werden
konnten und so dem Angriff Schwierigkeiten bereiteten, entzieht
sich leider noch der genauen Kenntnis.
Die geschichtliche Dar
stellung unseres Generalstabes wird später alle diese Fragen beantwotten.
Jetzt weht in Antwerpen die deutsche Flagge.
Der
blühende Welthandel, den wir zu skizzieren versuchten, liegt
während der Dauer des Krieges völlig darnieder, aber schon ist unter der straffen deutschen Verwaltung wieder Ordnung in
die Stadt eingezogen und der Binnenhandel nach Deutschland wird sich allmählich wieder beleben lassen.
nachten erfuhr man,
Bereits vor Weih
daß das erste Schiff vom Rhein her
wieder in Antwerpen angelangt sei.
Die deutsche Schule,
gegen die sich auch die Zerstörungswut des Pöbels Anfang
August gerichtet hatte, ist wieder eröffnet, ein tteffliches Zeugnis deutscher Kultur in Feindesland!
Sie hat in ihrem Festsaale
Kaisers Geburtstag durch eine erhebende Feier begangen, bei
der alle Führer der deutschen Militär- und Zivilverwaltung der Stadt zugegen waren. 38
Es ist müßig,
heute schon über das einstige Schicksal
Belgiens und die Zukunft Antwerpens zu grübeln und die
schon aufgestellten Vorschläge durch neue zu vermehren.
„Das
belgische Problem" mit seiner inneren Politik, das bereits in
den letzten Friedensjahren immer verwickelter wurde, wird bei Beendigung des Krieges vielleicht am schwersten zu lösen sein.
Möge es unseren Staatsmännern späterhin gelingen, es so zu
lösen, daß der Frieden unter Westeuropas Völkern für abseh bare Zeit ungestört bleiben muß!
Wohl aber haben wir Da
heimgebliebenen, denen es nicht vergönnt ist, an der Front
die gewaltigen Zeitereignisse schmieden zu helfen, das Recht und sogar die Pflicht, uns Rechenschaft zu geben über Wert und Nutzen des Errungenen.
So rückte die Gegenwart auch
die Frage nach der Bedeutung Antwerpens in den Vorder grund und so sollte diese kurze Darstellung zum weiteren Nach denken über Geographie und Wirtschaft von Belgiens größtem
Handelsplatz anregen.
Über Befestigungen im Feldkriege von A. Brialmont Autorisierte Übersetzung von B. von Preffentin Kl. Oktav. Mit neun Tafeln. Preis geheftet 3 Mark Diese Übersetzung des weit verbreiteten Werkes von dem berühm ten Schöpfer der belgischen Festungsanlagen, bietet dem Leser viel Interessantes und bringt u. a. Beispiele von befestigten Schlachtfeldern, befestigten Dörfern, Anweisungen über Schanzenbau u. a. m.
Die Staatstheorien der französischen Nationalversammlung von 1789 Ihre Grundlagen in der Staatslehre der Aufklärungszeit und in den englischen und amerikanischen Verfaffungsgedanken Von Dr. Robert Redslob o. Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Rostock
Lex 8.
Geheftet 12 Mark
Die Arbeit der Nationalversammlung von 1789 wird immer zu den eigentümlichsten Erscheinungen der Weltgeschichte zählen. Die Gedanken der Nationalversammlung halten das ganze Verfassungs leben des 19. Jahrhunderts in ihrem Bann. Die großen Ideen von der natürlichen Freiheit, der Volkssouveränetät, der Gewaltentren nung, der Menschenrechte schlagen die alten Verfassungen in Trümmer und bilden die Staaten des 19. Jahrhunderts. Wenn die Verfassungs arbeit der Nationalversammlung schon wegen ihrer weittragenden Wirkung fesseln muß, so ist sie weiter ein ganz eigenartiges Phäno men durch die Art, wie sie zustande gekommen ist. Die vorliegende Publikation hat sich zur Aufgabe gestellt, die Welt von wissenschaftlichen Prinzipien, aus denen die Nationalversammlung ihre Verfassung abgeleitet hat, schematisch zu ordnen. Sie will den Ursprung dieser Prinzipien aufsuchen in der Staatsphilosophie der Aufklärungszeit, in den englischen und amerikanischen Verfassungsgedanken.
Abhängige Länder Eine Analyse des Begriffs von der ursprünglichen Lerrschergewalt
Von Dr. Robert Redslob o. Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Rostock
Zugleich eine staatsrechtliche und politische Studie über ElsaßLothringen, die österreichischen Königreiche und Länder, KroatienSlavonien, Bosnien-Lerzegovina, Finnland, Island, die Terri torien der nordamerikanischen Union, Kanada, Australien, Südafrika. Lex. 8. Geheftet 12 Mark Die Ausführungen über die einzelnen Länder, die feingezeich neten Gegensätze, die geistreiche Beleuchtung ihrer Verfassung, die Entwicklung des Zusammenhanges zwischen dem inneren Wesen und den äußeren Formen sind so scharfsinnig, kenntnisreich und überzeugend, daß ihre Lektüre ebensoviel Belehrung wie Genuß gewährt. Bewun derungswürdig ist auch die Kunst der Darstellung.
Verlag von VeitüComp., Leipzig, Marienstraße 18
Aus dem Verlage von Veit & Comp. in Leipzig bestelle ich und wünsche Zusendung durch die Post — die Buchhandlung Expl.
Kriegsgeographische Zeitbilder.
Lerausgegeben von den Privatdozenten Dr. £>. Spethmann und Dr. E. Scheu Lest 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 110| 11 u. Fortsetzung | | i I | | | | | | Jedes Lest 80 Pfennig
Brialmont, Über Befestigungen im Feldkriege.
Geheftet M. 3.—.
Redslob, Die Staatstheorien der franz. Nationalversamml. von 1789. Geheftet M. 12.—.
— Abhängige Länder. !
Geheftet M. 12.-.
Schmid, Kriegswirtschaftslehre.
Geheftet M. 2.50.
Betrag ist nachzunehmen — folgt gleichzeitig durch die Post. (Nichtgewünschtes ist durchzustreichen.) Unterschrift:
Ort und Datum:
Bitte deutliche Ädresse!
Bücherzettel An die Buchhandlung
Soeben ist erschienen:
Kriegswirtschaftslehre von
Dr. Ferdinand Schmid o. ö. Professor an der Universität Leipzig
Gr.-Oktav. Preis geheftet M. 2.50 3n dem vorliegenden Buche, das aus einem Zyklus von Vorträgen entstanden ist, die im Januar 1915 im Austrage
des Ausschusses für volkstümliche Kochschulkurse in der Leip ziger Universität gehalten würben, sind die durch den gegen wärtigen Krieg ausgelösten wirtschaftlichen Maßnahmen und Erscheinungen unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammen gestellt. Der berühmte Volks Wirtschaftler hat in dm Kapiteln:
Theoretische Kriegswirtschaftslehre — Wirtschaftliche Heeresverwaltungslehre — Kriegsfinanzwiffenschaft — Kriegswirtschaftspolitik «nd internationale KriegsWirtschaftspolitik
einen reichen und hochinteressanten Stoff zusammmgetragm, so daß dieses aktuelle billige Werk von jedermann mit großem
Nutzen gelesen werden wird.
Verlag von Veit & Comp. in Leipzig, Marienstr. 18