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German Pages 258 Year 2021
Benjamin Gleede Antiochenische Kosmographie?
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur (TU) Archiv für die Ausgabe der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Begründet von O. von Gebhardt und A. von Harnack Herausgegeben von Christoph Markschies und Annette von Stockhausen
Band 191
Benjamin Gleede
Antiochenische Kosmographie? Zur Begründung und Verbreitung nichtsphärischer Weltkonzeptionen in der antiken Christenheit
Herausgegeben durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften von Christoph Markschies und Annette von Stockhausen
ISBN 978-3-11-074957-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-075002-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-075009-6 ISSN 0082-3589 Library of Congress Control Number: 2021936725 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Die nachstehende Arbeit entstand im Zuge eines etwas langwierig und verwinkelt verlaufenen Editionsprojekts zu den unter Justins Namen überlieferten Quästionensammlungen eines Nestorianischen „Flacherdlers“. Ihre Fertigstellung wurde im Wesentlichen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bzw. die durch diese finanzierte Heisenbergstelle am Lehrstuhl für Kirchengeschichte II der Universität Tübingen ermöglicht. Besonderer Dank gebührt in diesem Rahmen meinen Freund Nestor Kavvadas, der mir seine Expertise in den syrischen Studien mit unermüdlicher Bereitwilligkeit und Scharfsichtigkeit zur Verfügung stellte. Hinsichtlich der Drucklegung ist besonders der Beitrag Annette von Stockhausens hervorzuheben, welche dem digital minderbemittelten Autoren durch ihre intime Vertrautheit mit den Möglichkeiten des neuen Zeitalters die Überwindung unüberwindlich scheinender handwerklicher Schwellen souverän in die Hände spiele konnte. Gewidmet sei das Buch meinem Onkel, StD a.D. Herold Mönch, dessen Begeisterung für die Astronomie Generationen von Schülern verläßlich davon abhielt, auf Ideen zu verfallen, wie sie im Nachstehenden diskutiert werden. Tübingen, April 2021 Benjamin Gleede
https://doi.org/10.1515/9783110750027-201
Inhalt Vorwort | V 1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3
Einleitung | 1 Genese und Qualität des Konsenses hinsichtlich der sphärischen Kosmographie | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Doxographie | 10 Nichtsphärische Kosmographie in AT, parabiblischer Literatur und Judentum | 14 Die Henochtradition | 16 Die griechische Baruchapokalypse | 21 Rabbinisches Judentum und christliche Visionsliteratur | 24 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor | 29 Überschaubare Anfänge (Theophilus und Laktanz) | 29 Vermeintliche Gegenanzeigen (Euseb und Hilarius) | 33 Eine neue Mode mit syrischen Wurzeln | 37 Die Wurzeln der antisphärischen Opposition (Euseb v. Emesa, Ephraem) | 40 Die Diskussionslage in Diodors direktem Umfeld (Apollinaris v. Laodizea) | 43 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor | 49 Diodor v. Tarsus | 51 Johannes Chrysostomus | 56 Severian v. Gabala | 66 Theodor v. Mopsuestia | 74 Kosmographische Splitter | 75 Ein theodorianischer Text über das Firmament: Authentizität und Implikationen | 83 Theodoret v. Kyros | 95 Gennadius v. Konstantinopel | 104 Ps.-Justin | 107 Narsai v. Nisibis | 117 Die christliche Topographie | 128 Kosmographische Grundlinien der Topographie | 128 Zur Theologizität der Topographie | 134 Zur Bedeutung von Christologie und Eschatologie | 148
VIII | Inhalt 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4
Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors | 155 Eznik v. Kołb | 157 Jakob v. Sarug | 163 Ps.-Caesarius | 169 Ps.-Elishe Vardapet | 180 Syrische Populärwissenschaft | 183 Das Stomathalassa-Dossier und sein Verhältnis zu Ps.-Dionysius | 185 Zur Kosmographie des Stomathalassa und Ps.-Dionysius | 189 Die Atalya-Theorie | 193 Zum Antihellenismus der Syrer | 195
5 5.1 5.2
Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition | 198 Das Gegenbeispiel des Westens | 198 Spezifikum und Bedeutung der antiochenischen Kosmographie | 209
6 6.1
Appendix | 215 Diodor zu den Supplementtexten der mosaischen Kosmogonie (Ps 103,1–6; 148,1–7) | 215 Eine patristische Doxographie zur Kosmographie: Niketas v. Herakleia zu Ps 103,2 f. | 221
6.2
Bibliographie | 229 Register | 240
1 Einleitung Über den Ursprung der gemeinhin als „antiochenisch“ bezeichneten „Schule“ wissen wir letztlich nicht viel mehr, als was uns Sokrates in seinem biographischen Abriß zu Johannes Chrysostomus berichtet: Als Schüler des Rhetors Libanius habe der spätere Bischof seine Mitschüler Theodor v. Mopsuestia und Maximus v. Seleukia überredet, „das gewinnorientierte Leben hinter sich zu lassen und dem einfachen Leben nachzugehen“, woraufhin sich alle drei dem Asceterium Diodors von Tarsus anvertrauten, welcher „viele Bücher geschrieben hat, dabei aber nur auf den bloßen Buchstaben der göttlichen Schriften achtete, deren tieferen Sinn jedoch verwarf“.¹ Daß die vier späteren Bischöfe sich hier auch theologisch austauschten bzw. die ersteren drei von letzterem in antiallegorischer Exegese unterwiesen wurden, wird nicht explizit gesagt, darf aber wohl vorausgesetzt werden. Jedenfalls gab die besonders bei Diodor und Theodor,² jedoch auch bei Chrysostomus³ zu beobachtende Reserve gegen die Allegorese Anlaß zu dem dogmengeschichtlichen Gemeinplatz, daß die wiederum besonders von Diodor und Theodor entwickelte dyophysitische Christologie, also ihr Interesse am historisch konkreten Menschen Jesus mit ihrem Interesse am historischen Literalsinn besonders des AT verbunden werden und als konsequenter Gegenentwurf zur alexandrinischen, auf Allegorie fußenden Christologie von oben gewertet werden müsse. Daß
1 Sokrates, Historia ecclesiastica VI, 3,4–6 (GCS NF 1, 314). Vgl. auch Theodoret, Historia ecclesiastica V, 40,1 f. (GCS NF 5, 347 f.). Dazu: R. Leconte, „L’Asceterium de Diodore“, in Mélanges bibliques rédigés en honneur d’André Robert (Paris 1957), 531–36 sowie R. C. Hill, „Diodore of Tarsus as spiritual director“, Orientalia christiana periodica 71 (2005), 413–30, welcher Diodors Auslegung von Ps 51 als Skizze des geistlichen Programms des Asketerion interpretiert. Der – in mancherlei Hinsicht berechtigten – Tendenz der neueren Forschung, den Begriff ‚Schule‘ stark zu relativieren und eher von einer spätestens bei Euseb v. Emesa (vgl. B. ter Haar Romeny, A Syrian in Greek dress: the use of Greek, Hebrew and Syriac biblical texts in Eusebius of Emesa’s commentary on genesis [Leuven 1997], 140–48; L. van Rompay, „Antiochene biblical Interpretation: Greek and Syriac“, in The book of Genesis in Jewish and Oriental Christian interpretation [hg. J. Frishman; Leuven 1997], 103–23) oder gar bereits bei Theophilus (so W. Liebeschuetz, East and West in Late Antiquity. Invasion, Settlement, Ethnogenesis and Conflicts of Religion [Leiden 2015], 408–22) beginnenden antiochenischen Tradition (der Auslegungsmethodik) zu sprechen, wird im vorliegenden Zusammenhang deswegen nicht entsprochen, da, wie Kapitel 3 aufzeigen wird, in den Fragen der Kosmographie Diodor tatsächlich ganz spezifische Impulse gegeben hat, die sich lediglich bei direkt oder indirekt von ihm abhängigen Autoren finden. 2 Für Diodor vgl. bes. die Einleitung zum Kommentar von Ps 118 in dem ihm zugeschriebenen Kommentar (L. Mariès, „Extraits du commentaire de Diodore de Tarse sur les Psaumes: Préface du commentaire, Prologue du Psaume cxviii“, Recherches de science religieuse 10 [1919], [79–101] 90–101), für die Theodor die Reste der syrischen Übersetzung seines Traktats gegen die Allegoristen (CSCO 435, 3–14). Zum Hintergrund vgl. R. C. Hill, Reading the Old Testament in Antioch (Leiden/Boston 2005), 107–16 und 139–50. 3 Vgl. D. Ciarlo, „Terminologia esegetica in Giovanni Crisostomo“, in Giovanni Crisostomo, Bd. 1 (Rom 2005), (185–220) 185–89; H. Degen, Die Tropen der Vergleichung bei Johannes Chrysostomus: Beitrag zur Geschichte von Metapher, Allegorie und Gleichnis in der griechischen Prosaliteratur, Olten 1921, 22–34. https://doi.org/10.1515/9783110750027-001
2 | 1 Einleitung diese Konstruktion umso problematischer wird, je mehr Autoren als genuine Vertreter dieser „antiochenischen Schule“ gewertet werden sollen, versteht sich nahezu von selbst und wurde in der neueren Forschung, besonders was die Unterschiede in der exegetischen Methodik betrifft,⁴ wiederholt herausgestellt. Von daher erscheint es angebracht, auch einen weiteren inhaltlichen Grundzug, der der „antiochenischen“ Theologie häufig zugeschrieben wird,⁵ einmal gründlich und umfassend unter die Lupe zu nehmen: das wörtlich-historische Verständnis des Schöpfungsberichtes und die daraus resultierende antiptolemäische Kosmographie.
1.1 Genese und Qualität des Konsenses hinsichtlich der sphärischen Kosmographie Die gängigen Überblicke zur antiken Geo- und Kosmographie⁶ lassen jedenfalls an zwei Dingen kaum einen Zweifel: Einerseits war die Bestreitung der sphärischen Gestalt von Erde und Himmel in der christlichen Spätantike eine Minderheitenposition, am konsequentesten und prominentesten vertreten durch besagte Schule Diodors, besonders in 4 Vgl. J. N. Guinot, „La frontière entre allégorie et typologie. École alexandrine, école antiochienne“, Recherches de science religieuse 99 (2011), 207–28. 5 Vgl. z.B: W. Wolska-Conus, „Geographie“, RAC 10 (Stuttgart 1978), (155–222) 173–77. Auch G. Ricciotti, La cosmologia della Bibbia e la sua transmissione fino a Dante (Brescia 1932), 43–65 situiert seine „biblische Kosmologie“ primär im Umkreis Antiochiens, liefert dabei aber letztlich nur eine wenig weiterführende Paraphrase von Severian, Kosmas und des Paradiestraktats des Moses bar Kepha, welcher sich als Monophysit in seinem Hexaemeronkommentar jedoch klar für die Kugelgestalt der Welt ausspricht (Der Hexaemeronkommentar des Moses bar Kepha, hg. L. Schlimme, Bd. 2 [Wiesbaden 1977], 540 f.). 6 H. Berger, Die Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen (Leipzig ²1903) präsentiert relativ einlinig-teleologisch die Entwicklung von den Ioniern bis Ptolemäus. E. Bunbury, A History of ancient Geography among the Greeks and Romans from the earliest Ages till the fall of the Roman Empire, 2 Bde. (Oxford ²1883; repr. New York 1959), breiter und detailreicher angelegt, geht ausführlich auf die mythischen Ursprünge der Geographie ein, gipfelt aber ebenfalls bei Ptolemäus, jedoch mit einem 50-seitigen Anhang zum Verfall der Geographie nach Ptolemäus bei den Periegeten und Historikern bis hin zur anonymen Geographie von Ravenna. Ernsthaftes Interesse am Fortleben alternativer Theorien zeigt nur C. Beazley, The dawn of modern Geography, 2 Bde. (New York 1949), der zeitlich an Bunbury anknüpft und das vierte bis dreizehnte Jahrhundert behandelt. Hier findet sich in Bd. I, 243–390 ein immens abschätzig gehaltener Überblick über die geographische Theorie der Spätantike, wo die Kirchenväter insgesamt, wenn auch hauptsächlich durch unterlassenen Widerspruch, als Komplizen der Primitivität des Diodor, Severian und Kosmas abgestempelt werden sollen (vgl. bes. 274 f. und 328–32). Dieser polemischen Überzeichnung treten die späteren Überblicke von J. Hamel, Die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde im europäischen Mittelalter bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (Münster 1996) und besonders die ausführliche Arbeit von R. Krüger, Eine Welt ohne Amerika, 2 Bde. (Berlin 2000), auf die lateinische Tradition von Cicero bis Adam von Bremen fokussiert, entgegen, welcher seine Ergebnisse nochmals zugespitzt präsentiert in Moles globosa, globus terrae und arenosus globus in Spätantike und Mittelalter. Eine Kritik des Mythos von der Erdscheibe (Berlin 2012).
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Gestalt der christlichen Topographie des sogenannten Kosmas Indikopleustes. Andererseits läßt sich jedoch ein eindeutiger Zeitpunkt, zu dem die sphärische Konzeption als so eindeutig bewiesen und universell anerkennt gelten könnte, daß die Kritik daran mehr oder weniger komplett abrisse, nicht namhaft machen. Wollen wir die sogenannte antiochenische Position historisch herleiten und einordnen, ist somit zunächst eine kurze Skizze der Entwicklung und Durchsetzung der sphärischen Vorstellung vonnöten. Entwickelt wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach in Unteritalien durch Parmenides zu Beginn des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, und zwar auf rein metaphysischer Grundlage.⁷ Daß sie sich daher im fünften Jahrhundert selbst noch keineswegs universell durchsetzt, sondern durch Philosophen wie Anaxagoras, Leukipp und Demokrit explizit bestritten⁸ und durch geographisch versierte Historiker wie Herodot schlicht ignoriert wird,⁹ ist weitaus weniger überraschend als das relativ jähe Verstummen des Großteils dieser Stimmen im Verlauf des vierten Jahrhunderts, sicherlich nicht zuletzt aufgrund des Gewichts der Autoritäten des Platon und Aristoteles. Ersterer wandelt ganz deutlich auf Parmenides’ Spuren, wenn er bereits im Phaidon die Frage nach Kugelform oder Flachheit der Erde für letztlich nur teleologisch entscheidbar hält (97de)¹⁰ und dementsprechend im Timaios dem Kosmos die Kugelform als die einzige für dessen Autarkie, allumfassenden Charakter und Gleichheit mit sich selbst geeignete zuweist (33b-d). Diese Kreisform entspricht ebenfalls den metaphorischen Kreisbewegungen der Allseele, welche auch die Planeten (vgl. 38c-d; 40a-c) und die zentral gelegene Erde zur Partizipation daran anregt. Letztere kann man im Kreis umwandeln und immer auf die himmlische Peripherie blicken, so daß es kein wirkliches oben und unten gibt (63a). Wissenschaftsgeschichtlich aussagekräftiger, wenn auch weniger wirkmächtig ist die Debatte über Form, Position und Bewegung der Erde bei Aristoteles in De caelo II,13–14. Danach stützen sich die Verteidiger einer flachen Erde primär auf zwei Argumente, den Augenschein eines geradlinigen Horizonts besonders bei Sonnenauf- und -untergang (294a1–7) sowie die Tatsache ihrer Ruhe mitten im All (294a8–10). Während über ersteres Argument natürlich schnell mit einem Verweis auf die Größe des Erdumfangs
7 Vgl. K. Popper, The World of Parmenides: Essays on the Presocratic Enlightenment (London 1998), 106–13. 8 Vgl. den konzisen Überblick bei F. Bakker, Epicurean Meteorology. Sources, Method, Scope and Organization (Leiden/Boston 2016), 165–68, sowie L. Montagnini, „La questione della forma della terra: Dalle origini alla tarda antichita“, Studi sull’ Oriente Cristiano 13 (2009), (31–68) 36–46. Darüber hinaus: D. L. Couprie, When the Earth was flat. Studies in Ancient Greek and Chinese Cosmology (Amsterdam 2018), der ausführlich auf Anaximander, Anaximenes, Xenophanes und Anaxagoras (47–240) eingeht. 9 Nach Historiae III,104 (hg. H. B. Rosén, Historiae, Bd. 1 [Leipzig 1987], 320) ist es in Indien zur Zeit des Sonnenaufgangs am heißesten, während sich die heißeste Tageszeit nach Westen hin nach hinten verschiebt – entsprechend dem Lauf der Sonne von Ost nach West über die flache Erde hin. 10 Wie die Entscheidung auf dieser Basis ausfällt, zeigt erst – indirekt – der Schlußmythos mit seinem berühmten Vergleich der wahren Erde mit einem Fußball (110b). Zur Problematik dieses Textes vgl. allerdings D. Fehling, „Das Problem der Geschichte des griechischen Weltmodells vor Aristoteles“, Rheinisches Museum für Philologie 128 (1985), (195–231) 196–202.
4 | 1 Einleitung hinweggegangen werden kann, nötigt letzteres zu einer ausführlicheren Erörterung über Ruhe und Bewegung der Erde, bei der die Rolle der Gestalt der Erde vielfach ein wenig aus dem Blick gerät. Ganz deutlich ist sie lediglich bei Thales, dem zufolge die Erde flach sein muß, weil sie wie ein Stück Holz auf dem Wasser schwimmt (294a28-b1), und bei Anaximenes, Anaxagoras und Demokrit, welche sie wie ein Segel von der Luft getragen sein lassen (294b14–23). Wie Aristoteles Auslassungen gegen die Pythagoräer und Empedokles verdeutlichen, geht es ihm nicht primär um den Beweis der Kugelgestalt der Erde, sondern um die Theorie der Elementarbewegung, aus deren korrekter Konzeption sich, wie in II,14 näher entwickelt wird, die richtige Ansicht über Gestalt, Position und Bewegung der Erde im Sinne der absoluten Ruhe einer kugelförmigen Erde im Zentrum des Alls von selbst ergibt. Hat man erst einmal eingesehen, daß sich die bereits erwiesene Ewigkeit der natürlichen Ordnung der Dinge nur auf der Basis der Unterscheidung zwischen natürlicher und gewaltsamer Bewegung der Elemente erklären läßt (vgl. bes. 296a32–34), so daß das Element Erde sich schlechthin von Natur aus zum Zentrum bewegt und dort verbleibt, kommt man an der Konzeption der Erde als einer im Zentrum ruhenden Kugel nicht mehr vorbei (297a8–30). Dennoch supplementiert er diese Konzeption durch empirische Argumente zunächst astronomischer Natur, den Hinweis auf den für die Mondphasen verantwortlichen runden Erdschatten (297b23–30), sowie die Veränderung des Sternenhimmels von Norden nach Süden, welche nur aufgrund sich kontinuierlich verschiebender Blickrichtung des Beobachters erklärlich scheint (297b1–98a9). Von besonderem Interesse erscheint jedoch ein weiteres Argument, hinsichtlich dessen Verifikation uns Aristoteles leider im Dunkeln läßt: Die Fallvektoren schwerer Objekte zum Untergrund seien nicht parallel, sondern entsprechend abgewinkelt, was bei flachem Untergrund unerklärbar wäre (297b17–23) – eine Behauptung, die nach Paul Moraux aufgrund ähnlicher Beobachtungen erklärbar sein könnte, wie sie später Eratosthenes anläßlich seiner berühmten Messung des Erdumfangs anstellte: Hatte Eratosthenes die Abweichung des Gnomonschattens von Norden nach Süden bei (mehr oder weniger) parallelem Einfall der Sonnenstrahlen zugrunde gelegt, um die Erdkrümmung zu bestimmen und daraus ihren Umfang zu errechnen, so könnte bereits Aristoteles oder seine Quelle (Eudoxos von Knidos?) die besagte Beobachtung aufgrund der Abweichung der jeweiligen Fallwinkel schwerer Objekte vom Einfallswinkel der Sonnenstrahlen verifiziert haben,¹¹ was im Aristotelestext dann allerdings in äußerster Verkürzung präsentiert werden würde. Jedenfalls scheint für Aristoteles eine Verteidigung der augenscheinlichen, flachen Gestalt der Erde nicht mehr als solche philosophisch widerlegungsbedürftig, sondern lediglich insofern sie sich aus (defizienten) Theorien zu Bewegung und Lage der Erde und der diese fundierenden Elementarbewegungen ergibt. Die geographische und astronomische Fachdiskussion im Hintergrund der philosophischen Erörterung scheint jedenfalls bereits in vielerlei Hinsicht auf die Errungenschaften des Hellenismus vorauszuweisen:
11 Aristoteles, Du ciel, hg. P. Moraux (Paris 2003), CXXXI Anm. 2 mit fig. 3.
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Pytheas von Marseille stellte auf seiner parallel zum Alexanderzug erfolgten Nordexpedition nicht nur detaillierte Beobachtungen zur unterschiedlichen Länge von Sommertagen und Winternächten an, sondern maß den Gnomonschatten im Prinzip auch schon nach derselben Methode,¹² welche es Eratosthenes hundert Jahre später ermöglichte, den Erdumfang auch nach heutigen Maßstäben mit erstaunlicher Exaktheit zu berechnen.¹³ Dennoch scheint es in der praktischen Geographie eine Zeitlang gedauert zu haben, bis man sich von den alten kreisförmigen ionischen Weltkarten, besonders derjenigen des Hekataios, löste, wie die Kritik von Herodot und Aristoteles deutlich macht.¹⁴ Noch Ephoros von Kyme, ein Zeitgenosse des Aristoteles, scheint die bewohnte Erde in der Nachfolge des Corpus Hippocraticum als flaches Rechteck betrachtet zu haben¹⁵ und wird noch von Kosmas ausdrücklich dafür gelobt und zitiert.¹⁶ Doch auch grundsätzlichere philosophische Kritik an der sphärischen Kosmologie verstummt keineswegs. Besonders Epikur ist berüchtigt für seinen Versuch einer sensualistischen Destruktion der mit der Geographie unmittelbar verknüpften mathematischen Astronomie: Ist die platonische, lediglich teleologisch-providentiell verständliche beste aller Welten (vgl. Tim 29a) ihrer Autarkie und Selbstbezogenheit entsprechend konsequent sphärisch konzipiert, muß der ebenso konsequente Gegenentwurf zufälliger Atomkollisionen im endlosen Vakuum in möglichst umfassender Hinsicht grundlegend anders aussehen. Epikur ordnet auch die Naturphilosophie durchgehend seiner ethischen Leitmotivation unter, die Seelenruhe des Menschen zu gewährleisten, zunächst durch Aufhebung der Furcht vor Göttern und Tod.¹⁷ Dabei scheint die populärreligiöse Vorstellung von Zorn und Gnade der Götter ebenso beängstigend wie die eherne Notwendigkeit philosophischer Providenzkonzeptionen, welche sich gerade im Platonismus in den mathematischen Verhältnissen unter den Gestirnen und ihren Bahnen
12 Vgl. Bakker, Meteorology, 168. 13 Vgl. K. Geus, Eratosthenes von Kyrene: Studien zur hellenistischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte (München 2002), 233–59 und die neue Sammlung der Fragmente (Eratosthenes’ Geography, hg. D. W. Roller [Princeton 2010], 58–65.263–67), welche dem Leser jedoch leider den Originaltext vorenthält. 14 Herodot, Historiae IV,36 (hg. Rosén I, 372); Aristoteles, Meteorologie II,5 362b12 f. (hg. F. H. Fobes, Meteorologicorum libri quattuor [Oxford 1929], 72). 15 Vgl. die kommentierte online-Ausgabe von V. Parker in Brill’s New Jacoby 70 (https://referenceworks.brillonline.com/entries/brill-s-new-jacoby/ephoros-70-a70) frg. 30a-c mit der Interpretation bei Berger, Erdkunde, 108 f. Entscheidend scheint die Argumentation mit fixen Auf- und Untergangspunkten der Sonne in Sommer und Winter. Andere doxographische Berichte vermischen gerne die Behauptung der Rechteckigkeit der Ökumene mit derjenigen der Erde, so etwa wenn bei Agathemeros (Geographiae informatio I,2 [hg. C. Mullerus, Geographi graeci minores, Bd. 2 [Paris 1882], 471]) Demokrit zusammen mit Eudoxos von Knidos genannt werden. 16 Topographia II,79 f. (SC 141, 395 f.). Gleich im Anschluß will er allerdings auch Pytheas für sich in Anspruch nehmen und unterschiebt ihm die Behauptung ewiger Nächte bei den Barbaren, welche für Kosmas im Schatten des Nordgebirges leben (s. u. bei Kap. 4 Anm. 1). 17 Kyriai Doxai 1–2 (Diogenes Laertios, Vitae philosophorum X, 139; LCL 185, 662 f.).
6 | 1 Einleitung manifestiert. Demgegenüber ist für Epikur ein großer Bereich der Naturwissenschaft unmittelbarer menschlicher Anschauung, dem einzigen für ihn akzeptablen Wahrheitskriterium, entzogen und daher für den phänomengetreuen Wissenschaftler allein durch das Prinzip multipler Erklärungsansätze gleicher Plausibilität zu behandeln.¹⁸ So lasse sich nach dem Brief an Pythokles nicht eindeutig klären, ob Sonne, Mond und die anderen Gestirne jeden Tag verlöschen und neu entzündet werden, oder aber nachts unter der Erde hindurchziehen.¹⁹ Ob der Mond das Licht von der Sonne oder aus sich selbst heraus habe, sei ebenso wenig eindeutig zu bestimmen wie die Entstehung der Mondphasen, welche ebenso gut aus der Gestalt des Mondkörpers selbst, durch Luftspiegelung oder auch das Dazwischentreten unterschiedlichster Objekte deutbar sein könnten.²⁰ Dementsprechend muß natürlich auch für Sonnen- und Mondfinsternis keineswegs der runde Erd- bzw. Mondschatten bemüht werden, sondern auch hier ist die momentane Auslöschung ebenso wahrscheinlich wie das Dazwischentreten der „Erde oder von etwas anderem unsichtbaren derartigen“.²¹ Unterschiede in der Länge von Tag und Nacht erklären sich ebenso durch Geschwindigkeitswechsel der Sonne,²² von der ebenso wenig wie bei den anderen Gestirnen ausgemacht ist, ob sie sich von selber bewegt oder zusammen mit ihrer himmlischen Sphäre.²³ Am meisten Anlaß zum Spott gab jedoch bereits in der Antike die These, daß Sonne, Mond und Sterne ebenso groß oder wenig größer seien, als sie erscheinen²⁴ – eine Behauptung, die einerseits die absolute Zuverlässigkeit unserer direkten Wahrnehmung stützen soll, andererseits aber auch eine zentrale Rolle für die Verteidigung einer flachen Erde spielen könnte: Sind die Gestirne deutlich kleiner und weniger weit von der Erde entfernt, wäre sowohl die aristotelische Beobachtung eines sich von Norden nach Süden verändernden Sternenhimmels als auch die von Pytheas und Eratosthenes bemühten Abweichungen im Gnomonschatten mit einer flachen Erde vereinbar,²⁵ wie es auch Kosmas in Topographia VI,2–13 in ähnlicher Weise zu belegen versucht. Auch die nachdrückliche Verteidigung der Möglichkeit morgendlicher Neuschöpfung der Sonne²⁶ scheint mit der Gleichzei-
18 Vgl. Ep. ad Pythoclem 85–88 (LCL 185, 614 f.). 19 Ep. ad Pythoclem 92 (LCL 185, 620). 20 Ep. ad Pythoclem 94 (LCL 185, 622). 21 Ep. ad Pythoclem 96 (LCL 185, 624). Nach der in der Glosse notierten Parallele im 12. Buch über die Natur könne sich der Mond sogar schlicht in irgendeiner Form zurückziehen. Zum Postulat eines zusätzlichen unsichtbaren Objekts, welches später in der Atalya-Theorie (s. u. Kap. 4 Anm. 210 f.) wieder auflebte vgl. auch Lukrez, De rerum natura V, 717–19.756 f. (hg. M. Deufert, De rerum natura libri VI [Leipzig 2019], 214 f.) und Aetius, Placita II, 24,6 mit Parallelen (hg. J. Mansfeld/D. Runia, Aetiana, Bd. 5/2 [Leiden 2020], 1025.1031). 22 Ep. ad Pythoclem 98 (LCL 185, 624 f.). 23 Ep. ad Pythoclem 92 (LCL 185, 620). 24 Ep. ad Pythoclem 91 (LCL 185, 618 f.). 25 Vgl. Bakker, Meteorology, 171 f. und 236–39. 26 Vgl. Lukrez, De rerum natura V, 650–79.701–4.758–61 (hg. Deufert, 212 f.216).
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tigkeit des Sonnenaufgangs auf der gesamten Erde deren Flachheit zu implizieren.²⁷ Kurioserweise fehlen allerdings direkte und explizite Äußerungen darüber, daß Epikur die Erde tatsächlich wie seine atomistischen Vorgänger Leukipp und Demokrit für flach gehalten hat. Zwar karikiert Lukrez eine sphärisch-zentripetale Kosmologie in ganz ähnlicher Weise wie später Laktanz: Daß Gewichte auf der Unterseite der Erde gleichsam an der Decke ruhen, wo sie hier nach unten fallen, und Tiere dort ebenso wenig nach unten abstürzen wie sie hier nach oben wegfliegen, wird anscheinend ebenso als Produkt eines „eitlen Irrtums“ dargestellt wie der alternierende Wechsel von Tag und Nacht auf Erdober- und -unterseite.²⁸ Letzteres scheint nun allerdings in V, 654 f. ausdrücklich als möglich zugestanden zu werden, wenn die Sonne ebenso wie bei Epikur des Nachts entweder verlischt oder ihren Kurs unter der Erde fortsetzt. Wir können Lukrez also nicht schlichtweg das Gegenteil der karikierten Ansicht als eigene Meinung unterschieben, geht es ihm im Kontext von Buch I zunächst ja lediglich um die Abweisung jeglicher wesentlich zentripetalen Bewegung im Universum zugunsten des linear-parallelen Atomfalls. Anders als besagte Passage erwarten lassen könnte, bringt nämlich die Kosmogonie des fünften Buchs keineswegs eine durchweg antizentrifokale Verteidigung eines linear-vertikal geschichteten Kosmos. Vielmehr ballen sich dort die Erdatome in der Mitte unseres Kosmos zusammen und scheiden durch Druck von außen sukzessive die leichteren Wasser-, Luft- und Feueratome aus, welche sich ihrem Gewicht entsprechend doch wohl sphärisch um eine sphärische Erde herumgruppieren.²⁹ Dennoch braucht die Erde im Zentrum eine Stütze, nämlich die Luft, mit der sie organisch verwachsen ist wie Leib und Seele, so daß sie ebenso mühelos getragen wird, wie wir unsere Glieder tragen.³⁰ Frederik Bakkers umfassende Untersuchung und Einordnung dieses widersprüchlichen Befundes kommt zu dem Ergebnis, daß die Epikuräer wahrscheinlich niemals thetisch eine flache Erde vertraten, sondern diese Gestalt der Erde nur als eine Möglichkeit unter vielen betrachteten, ebenso wie die Kosmoi nach Epikur ganz unterschiedliche Gestalten haben können, hauptsächlich um die von den Astronomen und Astrologen postulierten Notwendigkeiten ins Reich des Mythos zu verweisen.³¹ Sein Insistieren auf fehlenden expliziten Zeugnissen für die exakte Gestalt der Erde bei den Epikuräern könnte man allerdings durch einen Text 27 Vgl. Bakker, Meteorology, 241 f. 28 De rerum natura I, 1052–67 (hg. Deufert, 41 f.): Illud in his rebus longe fuge credere, Memmi, / in medium summae quod dicunt omnia niti, / atque ideo mundi naturam stare sine ullis / ictibus externis neque quoquam posse resolvi, / summa atque ima quod in medium sint omnia nixa / (ipsum si quicquam posse in se sistere credis), / et quae pondera sunt sub terris omnia sursum / nitier in terraque retro requiescere posta, / ut per aquas quae nunc rerum simulacra videmus. / Et simili ratione animalia suppa vagari / contendunt neque posse e terris in loca caeli / reccidere inferiora magis quam corpora nostra / sponte sua possint in caeli templa volare; / illi cum videant solem, nos sidera noctis / cernere, et alternis nobiscum tempora caeli / dividere et noctes parilis agitare diebus. 29 De rerum natura V, 432–508 (hg. Deufert, 203–6). 30 De rerum natura V, 534–63 (hg. Deufert, 207). 31 Meteorology, 256–63.
8 | 1 Einleitung konterkariert sehen, der seiner Aufmerksamkeit offensichtlich entgangen ist, den Ora maritima des Rufus Avienus, eines Geographen des vierten Jahrhunderts. Anläßlich einer Beschreibung der Rhônequelle in den Alpen schreibt dieser den Epikuräern die bereits in den Augen des Aristoteles archaische Konzeption einer Rotation der Sonne um das Nordgebirge zu,³² hinter dessen westlichem Ende sie des Abends verschwinde, um des Morgens am östlichen wieder aufzutauchen,³³ was klar eine flache Erde vorauszusetzen scheint. So wichtig dieses Zeugnis im vorliegenden Kontext ist, insofern es die bleibende Präsenz solcher archaischer Theorien noch für die Geographie des vierten nachchristlichen Jahrhunderts bezeugt, so wenig historischer Wert kann ihm für die Lehre Epikurs oder seiner Schule im Speziellen zugemessen werden, da sie so ziemlich allem widerspricht, was wir aus dem Munde Epikurs und seiner Schüler über den Lauf der Sonne hören. Somit werden die Epikuräer in der Tat keine dogmatischen Verfechter einer flachen Erde gewesen sein. Dennoch blieben die verschiedenen von ihnen aufgeworfenen Alternativerklärungen für diverse astronomische und meteorologische Phänomene ein Pfahl im Fleisch der etablierten Wissenschaft, welche sich schon zu Lukrezens Zeiten ganz dominant auf sphärischen Bahnen bewegt haben muß. Dies wird besonders in V,705–70 deutlich, wo die auf dem sphärischen Modell basierenden Standarderklärungen für Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternisse nochmals mit gelegentlich durch die Autorität der Chaldäer abgesicherten, ebenso plausiblen Alternativerklärungen kontrastiert werden. Daß dadurch der durch Eratosthenes erreichte Stand der Wissenschaft nicht mehr grundsätzlich erschüttert werden konnte, erhellt aus den in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entstandenen Standardwerken des Strabo und Ptolemäus, welche
32 Meteorologie II,1 354a27–33 (hg. Fobes, 48): περὶ δὲ τοῦ τὰ πρὸς ἄρκτον εἶναι τῆς γῆς ὑψηλὰ σημεῖόν τι καὶ τὸ πολλοὺς πεισθῆναι τῶν ἀρχαίων μετεωρολόγων τὸν ἥλιον μὴ φέρεσθαι ὑπὸ γῆν ἀλλὰ περὶ τὴν γῆν καὶ τὸν τόπον τοῦτον, ἀφανίζεσθαι δὲ καὶ ποιεῖν νύκτα διὰ τὸ ὑψηλὴν εἶναι πρὸς ἄρκτον τὴν γῆν. Prominent vertreten ist diese Konzeption durch die sogenannte babylonische Weltkarte, auf der im Norden (bzw. oben) eine „große Mauer, wo die Sonne nicht sichtbar ist“ markiert wird (vgl. W. Horowitz, Mesopotamian Cosmic Geography [Winona Lake 1998], 23). Direkter Nachfolger dieser Theorie ist die Anschauung von der Nord-Süd-Neigung der Erdoberfläche bei Diogenes und Anaxagoras (Aetius, Placita II, 8,1; hg. Mansfeld/Runia V/2, 858). 33 Ora maritima 651–73 (hg. D. Stichtenoth, Ora maritima [Darmstadt 1968], 48): Scis nam fuisse eiusmodi sententiam / Epicureorum non occasu premi / Nullo subire gurgites nunquam occuli / Sed obire mundum obliqua coeli currere / Animare terras alere lucis pabulo / Conuexa cuncta et inuicem regionibus / certis negari candidam phoebi facem / Resi / Meridianum cum secuerit orbitam / Cum lumen axi atlantico inclinauerit / Vt in supremos ignem hyperboreos agat / Ac hemonioco qua semet ortui ferat / Discreta in aethrae flectitur curuo ambitu / Metamque transit cumque nostro obtutui / Iubar negari terra nox coelo ruit / Caeceque nostra protinus tenebrae tegunt / Dies attillos clara tunc inluminat / Septentrianis qui superposito regent / Cum rursus umbra noctis arctoos habet / Genus omne nostrum splendidum ducit diem. Zur Füllung der Lücke vgl. A. Kiessling, „Ῥίπαια ὅρη“, PRE II/1 (Stuttgart 1920), (846–916) 852 f.
1.1 Genese und Qualität des Konsenses hinsichtlich der sphärischen Kosmographie
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beide relativ kurz gefaßte Beweise für die Kugelgestalt der Erde vorausschicken,³⁴ offensichtlich um einen erreichten Konsens festzuhalten, nicht um ihn erst zu etablieren. Die umfassendste zusammenhängende Erörterung der Kugelgestalt der Erde findet sich bei dem stoischen Astronomen Kleomedes (um 200 n. Chr.), der jedoch nur deswegen eingehender auf das Thema zu sprechen kommt, weil er durch die Kugelgestalt der Erde diejenige des Alls beweisen möchte. Nach Kleomedes gab es zwar einige „ältere Naturwissenschaftler“, die die Erde dem Augenschein folgend für flach gehalten haben, „die unsrigen [scil. die Stoiker], alle Fachwissenschaftler und die meisten aus der sokratischen Schule“ hielten sie jedoch für rund,³⁵ und zwar aus folgenden Gründen: – Der Horizont, also der Zeitpunkt von Sonnenauf- und -untergang, ist nicht überall derselbe, sondern ändert sich von Ost nach West: Sonnen- und Mondfinsternisse werden im Osten zu einer späteren Tageszeit beobachtet als im Westen. – Der Himmelspol, markiert durch den großen Wagen, steht im Norden höher am Himmel als im Süden. – Der Sternenhimmel ist nicht überall identisch, sondern verändert sich entsprechend der geographischen Breite. – Die Tage sind nicht überall gleich lang. – Schiffsreisende entdecken zunächst die höchsten Punkte des nahenden Landes, da alles Niedrigere durch die Wölbung des Meeresspiegels verdeckt wird.³⁶ Wenn der Konsens hinsichtlich der Kugelgestalt der Erde in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten also in der Tat so umfassend und durch viele jedermann nachvollziehbare Phänomene ausgewiesen war, bedarf es also in der Tat einiger Erklärung und Spezifikation, daß und inwiefern die Vorstellung von einer flachen Erde in der Spät34 Geographica I, 1,20 (hg. S. Radt, Strabons Geographika, Bd. 1 [Göttingen 2002], 26 f.); Syntaxis mathematica I,4 (hg. J. Heiberg, Claudii Ptolemaei opera quae exstant omnia, Bd. 1 [Leipzig 1898], 14–16). Vgl. die Zusammenstellung bei Bakker, Meteorology, 169–75. 35 Caelestia I,5 (hg. R. Todd, Cleomedis Caelestia [Leipzig 1990], 27): Πλείους τοίνυν διαφοραὶ περὶ τοῦ κατὰ τὴν γῆν σχήματος παρὰ τοῖς παλαιοτέροις τῶν φυσικῶν γεγόνασιν. Οἱ μὲν γὰρ αὐτῶν αὐτῇ τῇ κατὰ τὴν ὄψιν φαντασίᾳ ἀκολουθήσαντες πλατεῖ καὶ ἐπιπέδῳ τῷ σχήματι κεχρῆσθαι αὐτὴν ἀπεφήναντο. Ἕτεροι δὲ ὑπονοήσαντες, ὅτι μὴ ἂν διέμενε τὸ ὕδωρ ἐπ’ αὐτῆς, εἰ μὴ βαθεῖα καὶ κοίλη τὸ σχῆμα ἦν, αὐτῷ τούτῳ κεχρῆσθαι τῷ σχήματι ἔφασαν αὐτήν. Ἄλλοι δὲ κυβοειδῆ καὶ τετράγωνον εἶναι αὐτὴν ἀπεφήναντο, τινὲς δὲ πυραμοειδῆ. Οἱ δὲ ἡμέτεροι καὶ οἱ ἀπὸ τῶν μαθημάτων πάντες καὶ οἱ πλείους τῶν ἀπὸ τοῦ Σωκρατικοῦ διδασκαλείου σφαιρικὸν εἶναι τὸ σχῆμα τῆς γῆς ἀπεφήναντο. 36 Vgl. die Zusammenfassung Caelestia I,5 (hg. Todd, 30 f.): Πρῶτον μὲν γὰρ μεταπίπτουσιν ἐπ’ αὐτῆς οἱ ὁρίζοντες, ἔπειτα οὐ τὰ αὐτὰ παρὰ πᾶσιν ὁρᾶται ἄστρα πρὸς ἄρκτῳ καὶ μεσημβρίᾳ, οὐδὲ τὸ τοῦ πόλου ὕψος οὐδὲ τὸ μέγεθος τοῦ ἀρκτικοῦ οὐδὲ τὰ μεγέθη τῶν ἡμερῶν τε καὶ νυκτῶν· ἅπερ ἅπαντα δείκνυσι σαφῶς, ὅτι σφαιρικόν ἐστι τὸ περὶ τὴν γῆν σχῆμα. Ἐν ἑτέρῳ γὰρ σχήματι οὐδὲν τῶν φαινομένων γίνεσθαι δυνατόν, ἀλλ’ ἐπὶ μόνης τῆς σφαίρας ἐπιφαίνεσθαι τὰ τοιαῦτα τῶν συμπτωμάτων δυνατόν. Καὶ μὴν ὁπόταν ἐν πελάγει γῇ πελάζειν μέλλωμεν, πρώταις ταῖς ἀκρωρείαις ἡ ὄψις ἐντυγχάνει, τὰ δὲ ἄλλα ὑπὸ τῆς κυρτότητος ἐπιπροσθεῖται. Ähnliche Argumente bringt Philoponos für die Kugelgestalt des Himmels in De opificio III, 9 und 12 (hg. W. Reichardt, De opificio mundi [Leipzig 1897], 127–31.144–48).
10 | 1 Einleitung antike dennoch in mancherlei Hinsicht bekannt und lebendig blieb. In welcher Form konnte die christliche Theologie des vierten (Diodor) bis sechsten Jahrhunderts (Kosmas) überhaupt auf sie verfallen?
1.2 Nichtsphärische Kosmographie in der Doxographie Für den griechisch-römischen Kulturraum könnte man hier zunächst an Homer denken, der ja auch unter den Christen weiter gelesen und kultiviert wurde, jedoch seine archaische Kosmologie in fast noch verklausulierterer Form präsentierte als das Alte Testament. Abgesehen vom die Welt umgebenden Okeanosstrom, aus dem die Gestirne auf- und in den sie wieder hineintauchen,³⁷ gibt es hier kaum konkrete kosmographische Äußerungen, so daß ihm Strabo in der Nachfolge der Stoiker gegen Eratosthenes und andere ein unzweifelhaftes Bewußtsein von der Kugelgestalt der Erde unterstellen konnte.³⁸ Eine weitaus größere Rolle dürfte dementsprechend die Doxographie spielen, welche besonders die verschiedenen vorsokratischen Ansichten über die Gestalt von Erde und Kosmos weiter tradierte, ohne sie inhaltlich zu kommentieren. Bekanntlich bedienten sich bereits die frühesten christlichen Apologeten dieser Handbücher, um die Widersprüche zwischen den Philosophen und Wissenschaftlern aufzuweisen, sie zu widerlegen und ins Lächerliche zu ziehen. Bereits Hermias erwähnt in einschlägigem Kontext Thales Theorie, daß die Erde auf dem Wasser schwimme.³⁹ Nur einige Jahrzehnte später baut die Hippolyt zugeschriebene Refutatio omnium haeresium darauf auf, hat jedoch gar nicht mehr die heidnischen Philosophen als eigentliches Ziel, sondern die christlichen Häretiker, deren durchgängige Abhängigkeit von der Philosophie sie erweisen will, um ihnen dieselben gottlosen, inkohärenten und absurden Ansichten über Gott und dessen Schöpfung zu unterstellen, wie besonders die älteren Naturphilosophen sie hegten.⁴⁰ Interessant sind in diesem Zusammenhang dann natürlich primär die altionischen Anschauungen über das Prinzip und die Gestirne (als heidnische Götter), deren Materialismus den Leser offensichtlich ebenso befremden und als eklatanter Widerspruch zur Auffassung von ihrer Göttlichkeit erscheinen soll, wie im Fall der Gestalt der Erde, ihrer Position und Funktion innerhalb des Kosmos. Thales steht hier sicherlich paradigmatisch, der Gott mit dem Wasser identifiziert und nicht nur die Erde darauf schwimmen, sondern auch alles andere dadurch bewirkt
37 Vgl. Ilias VII, 422; VIII, 485; XIX, 1. Traditionell kosmologisch gedeutet wurde die Schildbeschreibung der Ilias, welche durchaus eine flache Erde andeuten könnte (vgl. XVIII, 607 f.). 38 Geographica I, 1,2–21 (hg. Radt I, 2–30). 39 Irrisio 10 (SC 388, 106). 40 Vgl. bes. Refutatio I pro 11 (PTS 25, 56): ἀρξάμενοι τοίνυν ἐροῦμεν, τίνες οἱ παρ’ Ἕλλησι πρῶτοι φιλοσοφίαν φυσικὴν ἐπιδείξαντες — τούτων γὰρ μάλιστα γεγένηνται κλεψίλογοι οἱ τῶν αἱρέσεων πρωτοστατήσαντες, ὡς μετέπειτα ἐν τῇ πρὸς ἀλλήλους συμβολῇ ἐπιδείξομεν —, ἑκάστῳ τε τῶν προαρξαμένων τὰ ἴδια ἀποδιδόντες γυμνοὺς καὶ ἀσχήμονας τοὺς αἱρεσιάρχας παραστήσομεν.
1.2 Nichtsphärische Kosmographie in der Doxographie
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sein läßt.⁴¹ Seine Nachfolger konzipieren differenzierter, aber genauso materialistisch: Anaximander hält die Erde für einen perfekt im Unendlichen ausbalancierten Zylinder, die astronomischen Phänomene erklärt er durch ein System himmlischer Poren, durch das sich das kosmische Feuer in wechselhafter Form (Mondphasen, Sonnenfinsternisse) manifestiert.⁴² Anaximenes hingegen hielt die Erde für flach, ließ sie auf der Luft schweben und selbst die Gestirne nur oberhalb von ihr rotieren – des Nachts, wie später bei Kosmas, teilweise verdeckt durch die Erhöhungen der Erde.⁴³ Auch für Anaxagoras schwebt eine flache Erde auf Luft, doch läßt er die Gestirne unter ihr zirkulieren und akzeptiert den Heliophotismus des Mondes, muß jedoch darüber hinaus weitere, unsichtbare Himmelskörper postulieren, um Mondphasen, Sonnenund Mondfinsternisse adäquat zu erklären.⁴⁴ Archelaos modifiziert dieses Bild dann dahingehend, daß er die Erde schalenförmig macht, eben um eine Erklärung für das Phänomen der Zeitdifferenz bei Sonnenauf- und -untergang zu finden.⁴⁵ Mit ihm endet dann auch die primär naturphilosophisch orientierte Philosophie und macht mit Sokrates der primär ethisch orientierten Platz, jedoch nicht ohne „allen nachfolgenden Philosophen die Anstöße zu ihren Unternehmungen zu hinterlassen“.⁴⁶ Da en détail schwer ersichtlich ist, inwiefern die in den folgenden Büchern dargestellten, hauptsächlich gnostischen Häresien, ausgerechnet von den dargestellten archaischen naturphilosophischen Konzepten abhängig sein sollen, wird man dies als grundlegenden Hinweis auf den ionischen Materialismus und in diesem Fall offensichtliche mangelnde Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf werten müssen, welche nach der Darstellung des ersten Buches dann eben auch im Bereich der Naturphilosophie selbst die absurdesten Konsequenzen zeitigt. Daß das doxographische Material, aus dem dieses Buch gearbeitet ist, auch in den folgenden Jahrhunderten im christlichen Diskurs präsent bleibt, illustriert wohl am 41 Refutatio I, 1 (PTS 25, 57). 42 Refutatio I, 6,3–5 (PTS 25, 64 f.). 43 Refutatio I, 7,4–6 (PTS 25, 66 f.): Τὴν δὲ γῆν πλατεῖαν εἶναι, ἐπ’ ἀέρος ὀχουμένην· ὁμοίως δὲ καὶ ἥλιον καὶ σελήνην καὶ τὰ ἄλλα ἄστρα πάντα [γὰρ] πύρινα ὄντα ἐποχεῖσθαι τῷ ἀέρι διὰ πλάτος. […] εἶναι δὲ καὶ γεώδεις φύσεις ἐν τῷ τόπῳ τῶν ἀστέρων συμφερομένας ἐκείνοις. οὐ κινεῖσθαι δὲ ὑπὸ γῆν τὰ ἄστρα λέγει, καθὼς ἕτεροι ὑπειλήφασιν, ἀλλὰ περὶ γῆν, ὡσπερεὶ περὶ τὴν ἡμετέραν κεφαλὴν στρέφεται τὸ πιλίον. κρύπτεσθαι δὲ τὸν ἥλιον οὐχ ὑπὸ γῆν φερόμενον, ἀλλ’ ὑπὸ τῶν τῆς γῆς ὑψηλοτέρων μερῶν σκεπόμενον, καὶ διὰ τὴν πλείονα ἡμῶν αὐτοῦ γενομένην ἀπόστασιν. τὰ δὲ ἄστρα μὴ θερμαίνειν διὰ τὸ μῆκος τῆς ἀποστάσεως. Zum Postulat weiterer (unsichtbarer) γεώδεις φύσεις zur Erklärung der Himmelsphänomene vgl. o. zu Epikur (Anm. 21) und u. zur Atalya-Theorie (Kap. 4 Anm. 211). 44 Refutatio I, 8,3–9 (PTS 25, 68 f.). 45 Refutatio I, 9,4 (PTS 25, 70 f.). 46 Refutatio I, 10 (PTS 25, 71): Ἡ μὲν οὖν φυσικὴ φιλοσοφία ἀπὸ Θάλητος ἕως Ἀρχελάου διέμεινε· τούτου γίνεται Σωκράτης ἀκροατής. εἰσὶ δὲ καὶ ἕτεροι πλεῖστοι διαφόρους δόξας προενεγκάμενοι περί τε τοῦ θείου καὶ τῆς τοῦ παντὸς φύσεως· ὧν εἰ πάσας τὰς δόξας ἐβουλόμεθα παραθεῖναι, πολλὴν ἂν ὕλην βιβλίων ἔδει κατασκευάζειν. ὧν δὲ ἔδει, μάλιστα ἐπ’ ὀνόματος ὄντων καί, ὡς εἰπεῖν, κορυφαίων γενομένων, πᾶσι τοῖς μετέπειτα φιλοσοφήσασι ἀφορμὰς δεδωκότων πρὸς τὰ ἐπιχειρούμενα, ὑπομνησθέντες ἐπὶ τὰ ἑξῆς ὁρμήσομεν.
12 | 1 Einleitung besten die Praeparatio evangelica Eusebs. Die hier vorgenommene monumentale Konfrontation von griechischer Philosophie und hebräischer Wahrheit gipfelt bekanntlich darin, daß der Bischof von Cäsarea nach dem Erweis des Altersvorrangs der Hebräer (Buch X) zunächst fundamentale Übereinstimmungen mit den Griechen in wesentlichen Fragen und damit die Abhängigkeit letzterer erweist (Buch XI–XIII), um auf diesem Hintergrund in den letzten beiden Büchern die bleibenden Dissenspunkte ins rechte Licht zu rücken.⁴⁷ Hauptthema ist hier der Kontrast zwischen griechischphilosophischer Sekten- und Widerspruchsvielfalt und hebräisch-theologischer Einmütigkeit.⁴⁸ Angefangen bei der Selbstzerfleischung von Platons Akademie nach dessen Tod (XIV,1–9) setzt er dabei ganz ähnlich wie Hippolyt in XIV,10 zum Rundumschlag gegen die inadäquaten, untereinander und in sich widersprüchlichen Anschauungen über das Göttliche an und behandelt zunächst die Vorsokratiker (XIV,14–17), Skeptiker (XIV,18), Hedonisten und Epikuräer (XIV,19–27), um sich im XV. Buch zunächst Aristoteles (XV,2–13) und der Stoa (XV,14–22) zuzuwenden. Im vorliegenden Zusammenhang am interessantesten ist jedoch der abschließende Teil (XV,23–61), eine Auswahl aus dem doxographischen Handbuch des Ps.-Plutarch, welche die Widersprüchlichkeit und Nutzlosigkeit der griechischen Naturphilosophie insgesamt illustrieren soll.⁴⁹ Hauptangriffspunkt ist auch hier genau wie bei Hippolyt die griechische religion cosmique, „die märchenhaften und geschwätzigen Erläuterungen hinsichtlich des polytheistischen Irrtums“, welche die Griechen „in ehrfurchtgebietenden und naturphilosophischen Erörterungen auf die Elemente und Teile der ganzen Welt übertragen“ hätten.⁵⁰ Dem Vorbild des xenophontischen Sokrates folgend hält Euseb Naturphilosophie also nicht nur für dem Menschen ebenso nutzlos wie unerschwinglich, sondern gar für gott47 Vgl. bes. Praeparatio XV, 1,5 f. (SC 338, 230 f.). 48 Vgl. bes. Praeparatio XIV, 1,2 f. (SC 338, 40 f.); XV, 1,10 f. (SC 338, 234); XV, 32,8–10 (SC 388, 380 f.). 49 Vgl. bes. Praeparatio XV, 1,7 (SC 338, 232: συνέστη διὰ τῆς τῶν Ἑλληνικῶν φωνῶν παραθέσεως. ἧς εἰσέτι δεῦρο τὸν ὕστατον ἐπέχοντες λόγον, πεντεκαιδέκατον ὄντα τῆς ἐν χερσὶ πραγματείας, τὸ λεῖπον τοῖς διεξωδευμένοις ἀποδώσομεν, τὰ σεμνὰ τῆς γενναίας τῶν Ἑλλήνων φιλοσοφίας ἔτι καὶ νῦν εἰς φῶς ἕλκοντες πρὸ ὀφθαλμῶν τε τοῖς πᾶσι τὴν ἐν αὐτοῖς ἀχρηστομάθειαν ἀπογυμνοῦντες καὶ πάντων γε πρότερον παριστῶντες, ὅτι μὴ ἀγνοίᾳ τῶν παρ’ αὐτοῖς θαυμαζομένων, ὀλιγωρίᾳ δὲ τῆς ἐν αὐτοῖς ἀνωφελοῦς σχολῆς ἥκιστα αὐτῶν πεφροντίκαμεν, τῇ τῶν κρειττόνων ἀσκήσει τὰς ἑαυτῶν ἀναθέντες ψυχάς); XV, 1,11 (SC 338, 234: ὥρα καὶ τὸν ἄλλον τῦφον τῶν ἀπ’ Ἀριστοτέλους τῶν τε Στωϊκῶν φιλοσόφων ἄνωθεν ὡς ἀπὸ σκηνῆς κατοπτεῦσαι καὶ τὴν λοιπὴν δὲ πᾶσαν φυσιολογίαν τῶν τὰς ὀφρῦς ἀνατεινομένων συνιδεῖν, ὡς ἂν μάθοιμεν καὶ τὰ παρὰ τοῖσδε σεμνολογούμενα τά τε πρὸς αὐτοὺς αὖ πάλιν ὑπὸ τῶν οἰκείων ἀντιλεγόμενα). Die gesamte Passage findet eine geraffte Entsprechung bei Theodoret, Curatio IV,15–30 (SC 57, 207–212). 50 Praeparatio XV, 22,68 f. (SC 338, 362): ἐν ἐπιτομῇ, παρατέθειμαι, ὥρα πάλιν ἐπανελθόντα τῶν γενναίων φιλοσόφων ὁμοῦ πάντων τὰς θαυμαστὰς ἐπισκέψασθαι φυσιολογίας, ὅτε μάλιστα κοινῶς πάντες Ἕλληνες θεοὺς ὁρατοὺς ἥλιον καὶ σελήνην καὶ τοὺς λοιποὺς ἀστέρας τά τε ἄλλα μέρη τοῦ κόσμου ἡγήσαντό τε καὶ ἐσέφθησαν, καὶ τάς γε μυθικὰς καὶ ληρώδεις αὐτῶν περὶ τῆς πολυθέου πλάνης διηγήσεις σεμνοτέραις δὴ καὶ φυσικαῖς ἀποδόσεσιν ἐπὶ τὰ στοιχεῖα καὶ τὰ τοῦ παντὸς κόσμου μόρια μετενηνόχασι. διό μοι ἀναγκαῖον εἶναι δοκεῖ καὶ τὰς περὶ τῶνδε δόξας ὁμοῦ συναγαγεῖν τάς τε διαστάσεις αὐτῶν καὶ τοῦ τύφου τὸ μάταιον ἐπιθεωρῆσαι.
1.2 Nichtsphärische Kosmographie in der Doxographie
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los und schädlich.⁵¹ Genau dies will er durch die Auswahl aus Ps.-Plutarch belegen, welche die Philosophen nicht nur in ständigem Widerspruch bezüglich der Allerwichtigsten und wesentlichsten Dinge zeigen, der sogenannten „sichtbaren Götter“, Sonne, Mond und Sterne (XV, 23–31). Vielmehr ist ihre gesamte Weltentstehungstheorie sowohl hinsichtlich des großen Ganzen (32–41) und der fernerliegenden himmlischen Phänomene (42–54) als auch hinsichtlich der näherliegenden irdischen Phänomene (54–59) sowie der menschlichen Seele (60–61) ein einziges Nest von Aporien und Widersprüchen.⁵² Die Elemente archaischer Kosmographie, die zu diesem Behufe referiert werden, kennen wir fast alle bereits aus Hippolyt: Neben der Ablehnung der Kugelgestalt der Erde durch Anaximander, Anaximenes, Leukipp und Demokrit (XV, 56) hören wir viel über alternative Astronomie, besonders weit auseinanderdriftende Ansichten zu Form und Bewegung von Sonne und Mond sowie zum Zustandekommen von Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternissen: Die Sonne könnte genauso gut täglich wieder verlöschen (XV, 50,3) oder sich nur oberhalb der Erde bewegen (XV, 47,3), der Mond genauso gut sein eigenes Licht haben (XV, 29). Die (flache) Erde ist nach Diogenes und Anaxagoras – wie später für Kosmas⁵³ – nach Süden geneigt, um die Klimazonen zu erklären (XV, 39,1). Wenn also die Naturphilosophie nicht einmal in der Lage ist, die naheliegendsten Fragen hinsichtlich unserer Erde und ihrer Gestalt eindeutig zu klären, bleibt dem Weisen hinsichtlich dieser Fragen nichts anderes übrig als eine komplette Urteilsenthaltung, um nicht in eitlen Wortgefechten Orientierung und Charakter zu verlieren.⁵⁴ Daß es darüber hinaus noch weiteres einschlägiges doxographisches Material gab, läßt sich mit relativer Sicherheit vermuten. Das Kapitel über die Gestalt der Erde findet sich in fast derselben Form auch noch in der Philosophiegeschichte des Ps.-Galen,⁵⁵ bei Johannes Stobäus dürfte es ursprünglich in ähnlicher Form repräsentiert gewesen sein. Alle drei Texte schöpfen ja nach der Rekonstruktion von Hermann Diels aus der großen, dem ersten Jahrhundert entstammenden doxographischen Sammlung des Aetius,⁵⁶ welche Theodoret v. Kyros in seiner Curatio noch direkt konsultiert,⁵⁷ und wo
51 Vgl. Praeparatio XIV, 11 f.; XV, 62, bes. 62,12 (SC 338, 432). 52 Vgl. Praeparatio XV, 32,8–10 (SC 338, 380 f.). 53 Vgl. u. Kap. 3 Anm. 410. 54 Praeparatio XV, 32,9 f. (SC 338, 380 f.): ὅτε γὰρ αὐτοὶ πρὸς σφᾶς αὐτοὺς ἐναντίοι κατὰ διάμετρον ἔστησαν μάχας τε καὶ πολέμους, πλέον δὲ οὐδὲν καθ’ ἑαυτῶν ἐξῆψαν, τὰ τοῦ πέλας ἕκαστοι φιλοτιμίᾳ λόγων ἀπελέγξαντες, πῶς οὐκ ἂν εἰκότως ἡμῖν ἀσφαλῆ τὴν περὶ τούτων ἐποχὴν γεγονέναι πᾶς ὁστισοῦν ὁμολογήσειε; θήσω δὲ ἑξῆς τοῖς εἰρημένοις ὅσα καὶ περὶ τῶν προσγειοτέρων ἐπηπόρησαν, περὶ γῆς σχήματος καὶ περὶ θέσεως καὶ ἐγκλίσεως αὐτῆς καὶ ἔτι περὶ θαλάσσης, ὡς ἂν εἰδείης ὅτι μὴ μόνων τῶν μετεώρων καὶ μεταρσίων οἱ γενναῖοι διέστησαν, ἀλλ’ ὅτι καὶ ἐν τοῖς περιγείοις διαπεφωνήκασιν. 55 De historia philosophica 82 (hg. H. Diels, Doxographi Graeci [Berlin 1879], 632 f.). 56 Placita III,10 (hg. Mansfeld/Runia V/2, 1265). Zur Forschungslage vgl. H. Bottler, Pseudo-Plutarch und Stobaios: Eine synoptische Untersuchung (Göttingen 2014), 15–50. 57 Vgl. Curatio IV,31 (SC 57, 212): Εἰ δέ τις οἴεται κἀμὲ συκοφαντῆσαι τοὺς ἄνδρας, τὴν παμπόλλην αὐτῶν διαφωνίαν ἐλέγξαντα, ἀναγνώτω μὲν Ἀετίου τὴν Περὶ ἀρεσκόντων ξυναγωγήν, ἀναγνώτω δὲ Πλουτάρχου τὴν Περὶ τῶν τοῖς φιλοσόφοις δοξάντων ἐπιτομήν.
14 | 1 Einleitung auf das Kapitel über die Gestalt der Erde kurioserweise eines über deren Neigung folgte, welches nur Leukipp und Demokrit referierte, also eine flache Erde vorauszusetzen schien.⁵⁸ Ein Vergleich zwischen Hippolyt und Euseb zeigt jedoch bereits relativ gut, daß mindestens die Placita-Literatur relativ schlecht dafür geeignet war, echte theoretische Alternativen zur gegenwärtigen Standardansicht zu eröffnen, da die Theorien nicht im Zusammenhang dargestellt, sondern nach systematischen Gesichtspunkten aufgespalten und auf Stichpunkte reduziert präsentiert wurden: Ließe sich die Konzeption einer Erdscheibe auf der Basis der Berichte des Hippolyt noch halbwegs mit den gängigsten astronomischen und meteorologischen Phänomenen vereinbaren, scheint dies angesichts der von Euseb präsentierten Informationsschnipsel zu einzelnen Themen schon deutlich schwieriger. In den Augen christlicher Theologen war gerade die Placita-Literatur dementsprechend ein sehr willkommenes Mittel, sich einem Großteil der naturphilosophischen Debatten schlicht zu entziehen und sie insgesamt als fruchtlos und für den ethischen Fortschritt kontraproduktiv zu diskreditieren. Auch wenn es also innerhalb der doxographisch fragmentiert weitertradierten griechischen Philosophie und Wissenschaft durchaus Ansatzpunkte gab, den seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert etablierten sphärischen Konsens in Frage zu stellen, müssen die durchschlagenden positiven Impulse dazu doch anderswoher gekommen sein, etwa aus der alttestamentarisch-jüdischen Tradition.
1.3 Nichtsphärische Kosmographie in AT, parabiblischer Literatur und Judentum Nun vertritt das AT ganz ähnlich wie Homer seine archaische Kosmographie in derart metaphorisch verhüllter Form, daß die einschlägigen Texte allein ebenfalls kaum als ausreichend deutlich erscheinen, um eine Opposition gegen den wissenschaftlichen Konsens zu erzwingen.⁵⁹ Im locus classicus der christlichen exegetischen Debatte, Jes 40,22b, ist ganz primär von der Allmacht Gottes die Rede, welche den Himmel nach LXX „aufstellt wie ein Gewölbe“ (στήσας ὡς καμάραν), nach dem masoretischen Text jedoch „ausspannt wie einen Schleier“.⁶⁰ Selbst wenn man diese Metapher tatsächlich als Aussage über die Gestalt des Himmels, und nicht nur über seine Schöpfungsweise deuten wollte, müßte man nicht sofort die eine flache Erde überspannende „Käseglocke“ im
58 Placita III,12 (hg. Mansfeld/Runia V/2, 1280). 59 Zur Problematik einer Rekonstruktion eines halbwegs kohärenten und umfassenden Weltbildes aus den unterschiedlichen alttestamentarischen Schriften vgl. B. Janowski, „Das biblische Weltbild. Eine methodologische Skizze“, in Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (hg. B. Ego u. a.; Tübingen 2001), 3–26. 60 Die Deutung von doq ist nicht ganz eindeutig (vgl. W. Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament [18. Aufl.; Heidelberg 2013], 247: „Feines, Schleier“). Vgl. u. zu Hieronymus (Kap. 5 Anm. 37).
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Blick haben, sondern könnte – wie etwa Euseb⁶¹ – schlicht an die oberhalb der Erde liegende Hemisphäre des Himmels denken. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Rede von Säulen des Himmels (Hi 26,11) und der Erde (Hi 9,6; Ps 74,4)⁶² oder Grundfesten des Himmels (2Sam 22,8) und der Erde (Jes 24,18; Ps 81,5 u. ö.),⁶³ die für metaphorische Deutung noch deutlich offener ist als diejenige von den Wassern, auf denen die Erde ausgebreitet ist (Ex 20,4; Ps 23,2b; 135,6),⁶⁴ welche bereits etwas eindeutiger auf eine schwimmende Erdscheibe verweist, im Prinzip jedoch auch schlicht auf die die Ökumene umgebenden Ozeane gedeutet werden kann. Auch die Beschreibung des Weges der Sonne in Ps 18,5–7, die ihre Hütte verläßt, wie der Bräutigam das Brautgemach, um den Himmel von einem Ende zum anderen zu durchschreiten, klingt einfach zu poetisch, um diese „Hütte“ ganz konkret als Versteck der Sonne während der Nachtzeit zu interpretieren, sobald solche Vorstellungen einmal aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwunden sind. Daß des Weiteren an mehreren Stellen vorausgesetzt zu sein scheint, daß der Himmel nicht nur Enden hat, sondern diese auch noch mit den Enden der Erde koinzidieren (Dtn 4,32; 30,4; Neh 1,9; Jes 13,5), dürfte ebenfalls nur dem für das Problem stark sensibilisierten Leser auffallen, zumal „Ende des Himmels“ ansonsten auch einfach idiomatisch für ‚Himmelsrichtung‘ steht (Jer 25,16). Die einzige deutliche interpretatorische Schwierigkeit für eine konsequent ‚sphärische‘ Lektüre des AT besteht in der Rede vom Firmament und den oberen Wassern (Gen 1,6 f.; Ps 103,3; 148,4), welche das ‚obere Stockwerk‘ des Himmels füllen, damit es bei Bedarf – etwa der Sintflut – seine Schleusen öffnet (Gen 7,11; 8,2). Um diese „oberen Wasser“ im Rahmen eines ptolemäischen Weltbilds zu erklären, wurden seit Origenes unterschiedliche meist allegorische Vorschläge gemacht,⁶⁵ von welchen jedoch auf lange Sicht keiner überzeugen konnte. Daß die Kosmographie „hinter“ diesen Texten, das archaische Weltbild Mesopotamiens, besonders im nahen Osten weiterkultiviert, verdankt sich also nicht primär der Bibel selbst, sondern konkreten, frühjüdischen Trägerkreisen, wie sie zunächst in der apokalyptischen Literatur der zwischentestamentlichen Zeit, besonders den Himmels-
61 Vgl. u. Kap. 2 Anm. 24. 62 Hierher gehören wohl auch die mekōnīm (Grundfesten, Stützpfeiler) aus Ps 103,5 (LXX: ἐθεμελίωσεν τὴν γῆν ἐπὶ τὴν ἀσφάλειαν αὐτῆς). 63 Die Rede von Grundfesten (mōsedōth, θεμέλια) der Erde oder des Erdkreises ist außerordentlich häufig: 2Sam 22,16; Jes 40,21; Jer 31,37; Mi 6,2; Hi 38,4; Ps 17,16; Prv 8,29. 64 In Gen 49,25 verschwinden die unterirdischen Wasser im griechischen Text. 65 Vgl. J. Pépin, Théologie cosmique et théologie chrétienne (Paris 1964), 390–422; C. Köckert, Christliche Kosmologie und kaiserzeitliche Philosophie. Die Auslegung des Schöpfungsberichtes bei Origenes, Basilius und Gregor von Nyssa vor dem Hintergrund kaiserzeitlicher Timaeus Interpretationen (Tübingen 2009), 384–90 und u. Kap. 2 Anm. 33. Die ausgefallenste Fassung wird wohl von Epiphanius, Panarion 46,13 f. (GCS 31, 472) referiert, wo nach einer origenistischen Auslegung von Ps 65,10–12 die oberen Wasser bei der Einkörperung der Seelen eine gewisse, leider nicht näher spezifizierte Rolle spielen sollen, wenn diese vom im dritten Himmel befindlichen Paradies (2Kor 12,2) durch Feuer und auf dem Firmament befindliche Wasser in die Leiber absteigen.
16 | 1 Einleitung reisen, greifbar sind. Diese Gattung knüpft deutlich an biblische Metaphern an und entwickelt diese im Rahmen des jeweiligen kosmologischen Wissens zu einer selbstverständlich mythisch überhöhten Kosmographie, welche im Einzelnen schwer zu interpretieren ist. Dennoch zeigt besonders das astronomische Buch des Henochpentateuch, daß es verfehlt wäre, diese Darstellungen als rein religiös orientierte Jenseitsvisionen ohne Interesse an diesseitigen kosmologischen Problemen abzutun. Die Geheimnisse der Schöpfung, die in diesen Offenbarungen meist von Engeln kundgetan werden,⁶⁶ berühren vielmehr auch ganz konkrete geographische, meteorologische und besonders astronomische Fragen, deren autoritative Beantwortung durch himmlische Weisheit in der einen oder anderen Form auch auf die christlichen Rezipienten fortgewirkt haben muß. Interessanterweise lassen sich die einschlägigen Traditionen dabei fast alle an die im vierten bis dritten vorchristlichen Jahrhundert entstandene Henochliteratur zurückführen, welche dann in christlich überarbeiteter Form besonders in Gestalt des zweiten, nur kirchenslawisch erhaltenen Henochbuchs und der griechischen Baruchapokalypse (3. Baruch) in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte ausstrahlt. Da die Überlieferungsgeschichte der Texte sehr komplex und ihre Einzelinterpretation ebenso schwierig wie umstritten ist, werden wir uns hier darauf beschränken, einige zentrale Motive herauszuarbeiten, welche meist im Anschluß an biblische Sprache die zugrundeliegende archaische Kosmographie möglichst deutlich reflektieren.
1.3.1 Die Henochtradition Die wahrscheinlich zentralste Rolle hierbei spielt die Beschreibung der – ebenfalls wiederholt im AT erwähnten⁶⁷ – „Enden der Erde bzw. des Himmels“, zu denen die Visionäre seit Henoch entrückt werden, um Himmel oder Hölle zu betreten und die Geheimnisse der Welt aus der Distanz zu beschauen. Henoch erreicht zunächst das westliche Ende, sieht dort einen Berg, dessen Gipfel in den Himmel reicht (17,2), vielleicht ähnlich wie der babylonische Sonnenuntergangsberg zu identifizieren mit dem στήριγμα τοῦ οὐρανοῦ, welches nach 18,5 und 33,2 auf den Enden der Erde aufliegt.⁶⁸ Im Anschluß erhält er einen tieferen Einblick in die drei übrigen Elemente, die Luft, 66 Vgl. bes. Hi 38,4–39,30 und M. Stone, „Lists of Revealed Things in the Apocalyptic Literature“, in Magnalia Dei: The Mighty Acts of God, Essays on the Bible and Archaeology in Memory of G. Ernest Wright (hg. F. M. Cross; Garden City 1976), 414–52. 67 Folgende Belege wären zu nennen: Für ἄκρα τοῦ οὐρανοῦ: Dtn 4,32; 30,4; Jes 13,4 f.; Jer 25,16 (vier Himmelsrichtungen); Ps 18,7; ἄκρα γῆς: Dtn 13,8; 28,64; 1Reg 2,10; 3,21; Jud 2,9; 11,21; 1Makk 14,10; Prv 30,4 u. v. m. (vgl. auch Tob 13,13: ἔσχατα τῆς γῆς und Ps 64,6: πέρατα τῆς γῆς). 68 Vgl. auch zum Folgenden den ausführlichen Kommentar von H. Coblentz-Bautch, A Study of the Geography of 1 Enoch 17–19: No One Has Seen What I Have Seen (Leiden/Boston 2003), 59–64 und 91 f. Ein schönes altorientalisches Vorbild für diese Beschreibung des Endes der Erde findet sich in einem Gebet an den Sonnengott Utu (E. Wright, The early History of Heaven [Oxford 2000], 34: Himmelsbasis auf der Erde, Sonnenaufgangsberg und -portal). An späteren Parallelen wäre neben den
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das Feuer und das Wasser. Anscheinend befindet er sich am Eingang zur Unterwelt, wo nicht nur der Abyss, also die Urflut austritt und ihr Wasser in die Welt entläßt (17,8), sondern auch das Feuer sich in Strömen ergießt und mindestens für die Abendrötung der Sonne (17,4), wenn nicht sogar – ähnlich wie das pythagoräische Zentralfeuer – für die Erleuchtung der Sterne insgesamt (23,4) sorgt.⁶⁹ Die Erdscheibe stößt hier also auf die Himmelskuppel und ruht anscheinend – wie in den allerdings deutlich späteren Bilderreden Henochs (69,17) – auf der Urflut, mindestens nach der äußerst plausiblen Emendation des Textes von 18,2 f. durch Charles,⁷⁰ welcher in seiner gegenwärtigen Form die Winde nicht nur zu Trägern des Himmelsgewölbes, sondern auch der Erde machen würde. Die zugrundeliegende räumliche Vorstellung eines flachen, vom Himmelsfirmament überwölbten Erdbodens wird jedenfalls noch dadurch unterstrichen, daß Henoch im Anschluß aus diesem Gefüge heraustritt, um den ewigen Strafort zu sehen, wo weder mehr ein Erdboden unter ihm noch eine Himmelsdecke über ihm existiert (18,12). Obwohl die Flachheit der Erde also nirgends explizit ausgesprochen ist, beruht die ganze Darstellung mit ihrer ständigen Betonung des Vordringens bis an die Enden doch auf horizontaler Begrenztheit (18,5.10.14). Dieser Eindruck wird durch den anschließenden Rundgang um die Erdscheibe⁷¹ noch weiter verstärkt. Hier wird das aus Ägypten und Babylon bekannte Motiv von den Himmelstoren⁷² aufgenommen: Wir lernen, daß das Himmelsgewölbe an jedem seiner vier Enden drei große Tore hat, im Osten und Westen zum Auf- und Untergang der Gestirne (33,3; 35), im Norden und Süden für meteorologische Phänomene, besonders Wind und Regen (34,2; 36,1), und daß über den östlichen Toren noch weitere kleinere angebracht sind, aus welchen die Sterne hervorgehen (36,3). Diese Tore sind offensichtlich verwandt mit den biblischen (Regen-)Schleusen,⁷³ aber auch Vorratskammern (ταμιεῖα oder θησαυροί) unten besprochenen, griechischer Baruch (Anm. 91) und Visio Pauli (Anm. 113 f.), noch das Testament Abrahams 8,3 f. K zu nennen, wo sich Himmels- und Höllenpforte am Okeanos befinden (F. Schmidt, Le Testament grec d’ Abraham [Tübingen 1986], 64). 69 So Wright, History, 121. Fast alles hängt hier an der Deutung der Phrase τὸ πρὸς δυσμὰς πῦρ τὸ ἐκδιῶκόν ἐστιν πάντας τοὺς φωστῆρας τοῦ οὐρανοῦ. Richtig an Wrights Deutung scheint zumindest so viel, daß in 23,1–4 (anders als in 17,4, wo ausschließlich der Sonnenuntergang im Blick ist) um die Rückführung der intermittierenden Aktivität der Himmelslichter auf ein ewiges, vielleicht jenseits der Himmelskuppel operierendes (vgl. Anm. 78 zum astronomischen Buch) Elementarfeuer zu gehen scheint. 70 Danach (The book of Enoch or 1 Enoch [Jerusalem 1973], 39–40) wäre im aramäischen Original ʾarʿā simple Dittographie zu ʾarbʿ, so daß zu lesen wäre: ἴδον τοὺς τέσσαρας ἀνέμους [τὴν γῆν] βαστάζοντας [καὶ] τὸ στερέωμα τοῦ οὐρανοῦ, καὶ αὐτοὶ ἱστᾶσιν μεταξὺ γῆς καὶ οὐρανοῦ. Daß die Himmel auf die Winde gegründet sind, liest man auch bei Joseph und Aseneth 12,2. 71 Zu deren Deutung vgl. J. Stock-Hesketh, „Circles and Mirrors: Understanding 1 Enoch 21–32“, Journal for the Study of the Pseudepigrapha 11 (2000), 27–58. 72 Vgl. Wright, History, 19 f.33 f.; W. Heimpel, „The Sun at Night and the Doors of Heaven in Babylonian Texts“, Journal of cuneiform studies 38 (1986), 127–51. 73 Die ʾarūbōth ha-šamajim begegnen in Gen 7,11; 8,2; 2Reg 7,2.11; Mal 3,10; Jes 24,18 und werden griechisch meist als καταρράκται wiedergegeben, was sowohl Wasserfall als auch Falltür bedeuten
18 | 1 Einleitung des Himmels, welche zunächst meteorologische Phänomene wie Wind (Ps 134,7; Jer 10,13; 51,16), Sturm (Hi 37,9), Schnee, Hagel (Hi 38,22) oder Regen (Ps 32,7) speichern und entlassen können. Vielleicht gehört aber eben auch das Brautgemach der Sonne (Ps 18,7) hierher, zumal wir diese Vorstellung einer himmlischen Rekluse nicht nur in Mesopotamien,⁷⁴ sondern eben auch in der zwischentestamentlichen Literatur auf die Gestirne ausgeweitet finden.⁷⁵ Dieses System von Himmelstoren wird im wohl nur wenig späteren astronomischen Buch (1Hen 72–82) im Dienste exakterer kalendarischer Berechnungen noch weiter verfeinert. Hier finden sich jeweils sechs Tore im Osten und Westen, durch welche Sonne und Mond auf- und untergehen (1Hen 72–75; 78 f.), und zwölf auf die vier Himmelsrichtungen verteilte weitere Tore, welche die Windrose bilden und für die meteorologischen Phänomene zuständig sind (1Hen 76). Dieses relativ komplexe und im Laufe der Überlieferung wohl ziemlich entstellte System soll zunächst die variierenden Auf- und Untergangspunkte von Sonne und Mond und damit die Unterschiede in der Tageslänge (vgl. bes. 1Hen 72), jedoch auch die Mondphasen erklären, und letztlich die Übereinstimmung von Sonnen- und Mondjahr dartun.⁷⁶ Mond und Sonne, beide – wie wiederholt betont wird (72,4; 73,2; 78,2) – gleich groß und „rund wie der Himmel“,⁷⁷ verlassen ein Tor, fahren von Winden getragen auf einem Wagen über dem Himmel, verschwinden in einem anderen Tor, und kehren hinter der Nordseite des Himmelsgewölbes wieder zum Ausgangspunkt zurück (72,5; 73,2). Diesen Toren zugeordnet sind jedoch auch noch kleinere Fenster (72,3), aus denen, der jeweiligen Tageszeit entsprechend, Flammen bzw. Hitze hervorgehen (72,7; 75,4–7).⁷⁸ Die Sonne scheint somit ebenso wenig autark, mindestens in ihrer Erwärmungsfunktion, wie der Mond in seinem Erleuchten. Daß dieser sein Licht zugeteilt oder übertragen bekommt, wird wiederholt festgestellt, meist in einer Form, die den unbefangenen Leser sofort an die Sonne als Quelle denken läßt (73,7; 78,4.10). Hier könnte jedoch späteres astronomisches Allgemeinwissen den ursprünglichen Sinn verfälscht haben: Die Angabe, daß die Helligkeit des Mondes ein Siebtel von derjenigen der Sonne betrage (73,3), geht auf Jes 30,26 zurück und reflektiert wohl eine exegetische Debatte zu Gen 1,16, wonach Gott Sonne und Mond einerseits als „zwei große Lichter“ schafft, den Mond dann aber anscheinend doch zu einem kleinen Licht herabstuft.⁷⁹ Die ursprüngliche kann und somit die ursprüngliche Bedeutung für griechische Leser verschleiert. Nur in Jes 24,18 ist diese mit θυρίδες ἐκ τοῦ οὐρανοῦ klar ersichtlich. 74 Vgl. Wright, History, 33 (Sonne). 75 Vgl. 1Hen 17,2 (Gestirne); 41,5–7 (Sonne und Mond); 71,4 (Gestirne). 76 Vgl. J. Ben-Dov, Head of All Years. Astronomy and Calendars at Qumran in their Ancient Context (Leiden/Boston 2008), 69–118; E. Ratzon, „The Gates Cosmology of the Astronomical Book of Enoch“, Dead Sea Discoveries 22 (2015), 93–111. 77 Also halbkuppelförmig, die Flache Seite der Erde zugewandt? 78 Zu den Fenstern oder „Teilöffnungen“ vgl. Ratzon, Gates Cosmology, 103–5. 79 Vgl. J. Vanderkam, „Scripture in the Astronomical Book of Enoch“, in Things Revealed. Studies in Early Jewish and Christian Literature in Honor of Michael E. Stone (hg. E. Chazon u. a.; Leiden/Boston 2004), (89–103) 99–103.
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Gleichwertigkeit von Sonne und Mond, welche die Rabbinen durchweg hervorheben, ist mit der Erleuchtung des letzteren durch die Sonne kaum vereinbar, so daß man 74,6 vielleicht so auffassen sollte, daß der Mond aus und in den Toren bzw. Fenstern mit Licht aufgefüllt wird, ähnlich wie sich auch die Sonne mit Hitze versorgt. Wie das Genre selbst diese kosmographischen Traditionen perpetuiert, läßt sich gleich in dem wohl in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts entstandenen, vollständig lediglich in slawischer Übersetzung erhaltenen zweiten Henochbuch studieren. Dort wird der Vornoachide nun nicht mehr an die Enden der Erde entrückt, sondern durch – wohl sekundär zu zehn erweiterten – sieben Himmel nach oben geführt, in denen er aber ganz ähnliche meteorologische und astronomische Offenbarungen erhält wie im Wächterbuch an den Enden der Erde. Noch Wright geht in seiner Darstellung davon aus, daß das für die Ascensusvisionen ja wohl seit dem Testament Levis gängige Schema von den sieben Himmeln an den sieben Planeten orientiert ist und griechischen Einfluß offenbart⁸⁰ – zu Unrecht, wie bereits einige Jahre vor Wright von Yarbro Collins gezeigt worden war. Da in keiner der erhaltenen jüdisch-christlichen Texte das Schema in irgendeiner Form mit den sieben Planeten in Verbindung gebracht wird, sondern lediglich im hermetischen Poimandres sowie mehrdeutigen doxographischen Zeugnissen zu den Gnostikern,⁸¹ ist der traditionsgeschichtliche Hintergrund wohl vielmehr in dem von sumerischen magischen Inkantationen bis hin zum Koran (Sure 65,12) immer wieder belegten Schema von den sieben Himmeln und den sieben Erden zu suchen. Im Grunde hätten wir es also mit der altorientalischen Vorstellung vom Weltgebäude mit einer variierenden Anzahl vertikal aufeinandergeschichteter Stockwerke mit unserem Erdboden in der Mitte zu tun,⁸² traditionell gerne ganz massiv vorgestellt als aus unterschiedlichen Steinsorten gefertigt.⁸³ Daß die uns erhaltenen jüdisch-christlichen Himmelsreisen nun allerdings ein solches Bild eindeutig vermitteln oder auch nur durchgehend voraussetzen, wird man nicht sagen können. Vielmehr lassen sich die unterschiedlichen Angaben häufig kaum zu einem kohärenten kosmographischen Bild zusammenfügen, so daß zwar weiterhin in unterschiedlichem Maße ein gewisses kosmographisches Interesse vorhanden gewesen zu sein scheint, jedoch mit im Vergleich zur älteren Henochtradition deutlich geringerer Bedeutung. Dies läßt sich am zweiten Henoch gut illustrieren: Hier wird Henochs im Wächterbuch geschilderte Erfahrung horizontaler Endlichkeit an den Enden der Erde gleichsam in eine vertikale Endlosigkeit projiziert,⁸⁴ welche nur von 80 History, 139–84. Interessant ist sicherlich der Illustrationsversuch durch den Vergleich der Kurzund Langfassung des Testaments Abraham, wo die horizontale Entrückung an den Okeanos durch die Vertikale in den Äther ersetzt zu sein scheint (153 f.), was allerdings auf das Gesamt der beiden Texte betrachtet eine isolierte Beobachtung bleibt. 81 Cosmology and Eschatology in Jewish and Christian Apocalypticism (Leiden/Boston 1996), bes. 47–53. 82 Ebd., bes. 27–30 und 35 f. Zum Koran vgl. D. Janos, „Qur’ānic cosmography in its historical perspective: some notes on the formation of a religious worldview“, Religion 42 (2012), (215–231) 216–20. 83 Vgl. Wright, History, 34 f. 84 Zum Verhältnis von 1 und 2 Hen vgl. A. Yoshiko Reed, „2 Enoch and the Trajectories of Jewish Cosmology: From Mesopotamian Astronomy to Greco-Egyptian Philosophy in Roman Egypt“, Journal
20 | 1 Einleitung Gott selber begrenzt wird. Der Visionär wird hier zunächst in die Luft entrückt, wo seine Füße zunächst in den Wolken keinen Halt finden, bis er auf den ersten Himmel gestellt wird, von wo aus er wohl in den Äther (die mit dem vierten Himmel beginnende unvergängliche Region der Gestirne?) hinaufblicken kann (3,1–3) – die einzige explizite Angabe zur Durchlässigkeit bzw. Durchsichtigkeit der in Frage stehenden Himmel im gesamten Bericht. Hier schaut er kosmographisch noch unmittelbar kohärent die oberen Wasser aus Gen 1,7 (3,3) sowie die Vorratskammern für die meteorologischen Phänomene (5–6), jedoch anscheinend nicht direkt die Gestirne, sondern nur deren leitende Engel (4). Kurioserweise muß er dann nämlich den Strafort für gefallene Engel, die Hölle und das himmlische Paradies durchschreiten, welches ausdrücklich als Grenze zwischen Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit bezeichnet wird und durch den als Weltachse konzipierten Paradiesbaum mit dem irdischen Garten Eden (8,4) und vermittelt über diesen durch die Paradiesströme mit der gesamten Erde in Verbindung stehen soll (8,5 f.),⁸⁵ um erst im vierten Himmel zu Sonne und Mond zu gelangen. An dieser Stelle dürfte ein mit dem ptolemäischen Weltbild aufgewachsener Leser dann endgültig stutzig werden. Es wird nämlich in kalendarisch modifizierter und mythologisch stark ausgeschmückter Form die Himmelstürenkonzeption des astronomischen Buches vorgetragen: Sonnen- und Mondwagen werden nicht mehr schlicht von Winden über den Himmel getragen, sondern von Myriaden von Engeln und Sternen begleitet (11,3–5) und von Fabelwesen gezogen, dem Phönix und dem Chalkedrios (12), deren Lied auch die irdischen Vögel dazu anregt, auf die Gestirne zu reagieren (15,1 f.). Der entscheidendste Unterschied zum astronomischen Buch scheint jedoch darin zu liegen, daß die Sonne nicht mehr durch das westliche Tor das Himmelsgebäude verläßt, um an der Außenseite zurückzukehren. Vielmehr wird ihr nach dem Austritt aus dem westlichen Tor die Flammenkrone abgenommen und sie kehrt lichtlos innerhalb des Himmelsgebäudes zum Ausgangspunkt zurück, um im Morgengrauen neu gekrönt zu werden (14,2 f.).⁸⁶ Sehen wir also von der durch die Funde der koptischen Bruchstücke endgültig als sekundär erwiesenen Einschaltung des Hexaemeron mit den sieben ptolemäischen Sphären (27,3; 30,2–4)⁸⁷ ab, so wird hier schlicht ein Aufstieg durch transparente, vertikal aufeinanderliegende Himmelsschichten berichtet, besetzt von insularen Phä-
of Jewish Thought & Philosophy 22 (2014), (1–24) 10–14. Zur ‚Vertikalisierung’ der Entrückung Henochs vgl. dies., „Enoch, Eden, and the Beginnings of Jewish Cosmography“, in The Cosmography of Paradise: The Other World from Ancient Mesopotamia to Medieval Europe (hg. A. Scafi; London 2016), (67–94) 87 f. 85 Nach 42,3 ist das Paradies „offen bis zum dritten Himmel aber abgeschlossen von dieser Welt“ (C. Böttrich, Das slavische Henochbuch [JSHRZ 7; Gütersloh 1995], 954). 86 Zur Variante der Handschrift J, nach der die Sonne unter der Erde zurückkehrt vgl. A. Kulik, 3 Baruch: Greek-Slavonic Apocalypse of Baruch (Berlin/New York 2010), 267 f. 87 Zur Priorität der Kurz- vor der Langfassung vgl. G. Macaskill, „2 Enoch: Manuscripts, Recensions, and Original Language“, in New Perspectives on 2 Enoch. No longer Slavonic only (hg. A. Orlov/G. Boccaccini; Leiden/Boston 2012), 83–102.
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nomenen (Himmelsozean, Vorratsspeicher, Engelsstrafort, Hölle und Paradies),⁸⁸ die der Durchsichtigkeit mindestens bis in den vierten Himmel nicht im Wege stehen. Wahrscheinlich der griechischen Umwelt folgend wird der Ort von jenseitiger Belohnung und Strafe von den Enden der Erde in den Himmel verlegt,⁸⁹ was sicherlich von einer gewissen Erweiterung des Gesichtskreises zeugt, in dem die Tore für Sonne und Mond als archaisches Relikt an eine horizontale Begrenzung erinnern, welche durch die Gesamtausrichtung des Blicks ins Vertikale allerdings fast gänzlich aus dem Blick gerät. Die zusätzliche mythologische Einkleidung, welche die astronomische Theorie dabei erfährt, wird ptolemäisch geprägte Leser von vornherein davon abgehalten haben, diese allzu wörtlich zu nehmen, so daß der vorliegende Text in der Tat nur sehr wenig dazu beigetragen haben wird, archaische Kosmographie zu kolportieren.
1.3.2 Die griechische Baruchapokalypse Wieder etwas deutlicher ist hier vielleicht die etwas jüngere, in irgendeiner Form wohl dem Origenes bekannte,⁹⁰ griechische Baruchapokalypse. Genau wie der Henoch des Wächterbuchs beginnt der Visionär seine Reise an den Enden der Erde, „wo der Himmel festgemacht ist, und wo ein Fluß war, den niemand überqueren konnte“⁹¹ – der Okeanosstrom. Die Himmel, die er von dort aus betritt, erscheinen nun aber keineswegs durchlässig und transparent, wie im slawischen Henoch, sondern sind durch Tore und nur in vielen Tagesmärschen zu durchquerende Tunnel voneinander getrennt (2,2; 3,1 f.; 11,2). Darin befinden sich – mindestens nach der griechischen Fassung – durchgehend „Ebenen“ (2,3; 3,3; 10,2), was die Vorstellung dicker, abgeflachter Gewölbe evoziert, deren Massivität am zunächst besuchten Strafort für die Erbauer des Turms zu Babel⁹² nochmals eigens eingeschärft wird (2,5): Seine Dicke entspreche genau der Distanz von Ost nach West,⁹³ der Entfernung zwischen Himmel und Erde und der 88 Man könnte etwa an die Himmelsinseln aus Lukians Wahrer Geschichte 1,10 (hg. F. Ollier, Histoire vraie [Paris 1962], 17) u. ö. denken. Besonders die Narratio Zosimi macht ja deutlich, daß der Übergang von Vision zu Fiktion in der Spätantike durchaus fließend sein kann (vgl. u. Anm. 122). 89 Vgl. Kulik, 3 Baruch, 164 f. 90 Ein Buch des Baruch, das über „sieben Welten oder Himmel“ spricht, soll nach De Principiis 2, 3,6 (GCS 22, 122) einigen Leuten als Beleg dafür dienen, daß die sieben Planetensphären als „Welten“ anzusprechen sind. 91 3 Baruch 2,1 (hg. J. Picard, Apocalypsis Baruchi Graece [Leiden 1967], 82): Καὶ λαβών με ἤγαγέν με ὅπου ἐστήρικται ὁ οὐρανός, καὶ ὅπου ἦν ποταμὸς ὃν οὐδεὶς δύναται περᾶσαι αὐτόν, οὐδὲ ξένη πνοὴ ἐκ πασῶν ὧν ἔθετο ὁ θεός. 92 Deren Absicht soll interessanterweise darin bestanden haben, den Himmel zu durchstoßen und zu sehen, aus welchem Material er ist, Ton, Erz oder Eisen (3,7) – anscheinend also in jedem Fall undurchsichtig. 93 So nach der slawischen Fassung (Kulik, 3 Baruch, 133) mit der interessanten Parallele aus der rabbinischen Exegese zu Ps 102,11 f., nach der die Entfernung von der Erde zum Firmament deren Ost-Westerstreckung entspricht (136). Vgl. u. zu Chrysostomus (Kap. 3 Anm. 30).
22 | 1 Einleitung Breite der himmlischen Ebene, welche somit in Gestalt wie Größe in Entsprechung zur irdischen Bodenfläche erscheint. Leider hat die genaue Anzahl und Aufteilung der Himmel innerhalb der Textgeschichte wohl einige Redaktionen erfahren: Kulik geht von einem ursprünglichen Dreierschema aus, das dann sekundär zu einem Fünferoder eventuell Siebenerschema erweitert wurde.⁹⁴ Ursprünglich befand sich Baruch also wohl noch im zweiten Himmel, als er dorthin kam, „woher die Sonne ausgeht“ und ganz ähnlich wie Henoch den Sonnenwagen mit seinem Zugvogel Phönix schaut, dessen Rolle als „Wächter der Ökumene“ nun allerdings breit ausgemalt wird, insofern die erbarmungslose Sonnenhitze nur durch dessen Flügel gedämpft und von der Welt abgehalten wird (6,3–12). Anschließend folgt eine feierliche Beschreibung des Sonnenaufund -untergangsrituals: Die Engel öffnen die 365 Tore des Himmels, der Sonnenwagen zieht im Osten aus, im Westen wieder ein, Engel schirren ihn ab und nehmen wie im slawischen Henoch die Flammenkrone an sich, um sie über Nacht im Himmel erneuern zu lassen (6,13–8,4). Die zunächst überraschende Vervielfältigung der Himmelstore hat Kulik zu dem Postulat veranlaßt, daß die Himmelskuppel nach 3Baruch rotieren müsse, da sowohl die Sonne ihre Position hinsichtlich der am Firmament befestigten Gestirne im Jahreslauf verändere als auch der Sonnenauf- und -untergangspunkt für den Beobachter konstant sei.⁹⁵ Nun ist jedoch nicht nur letztere Behauptung offensichtlich unrichtig, sondern auch die von Kulik angeführten rabbinischen Parallelen scheinen im Gegenteil zu beweisen, daß man mit festen, dem tatsächlich eben leicht variierenden Auf- und Untergangspunkt der Sonne entsprechenden Toren für jeden einzelnen Tag des Jahres rechnete. Problematisch erscheint hingegen die Antwort auf die Frage des Visionärs, wo die Sonne nach dem Hahnenschrei verbleibe: „Alles, was ich dir gezeigt habe, ist im ersten und zweiten Himmel. Und im dritten Himmel zieht die Sonne hindurch und gibt der Welt den Schein“ (7,2), da hier ein Aufgehen der Sonne aus dem zweiten in den dritten Himmel behauptet zu werden scheint. Hier wird die slawische Fassung vorzuziehen sein, nach welche die Sonne schlicht durch den Himmel geht, also wohl den zweiten Himmel durch die Himmelstore verläßt, um dann der Welt ihren Schein zu geben.⁹⁶ Obwohl die Sonne also wie im slawischen Henoch nachts erlischt, zirkuliert sie nicht innerhalb des von der Erde sichtbaren vierten Himmels, sondern betritt das irdische Firmament aus einer himmlischen Rekluse. Auch Mond und Mondphasen scheinen nicht mehr dieselbe Rolle zu spielen wie in der Henochtradition: Die Schilderung des Wagens als Ochsenkarren mit einer weiblichen Gestalt darauf (9,3 f.) unterscheidet sich deutlich von derjenigen des astronomischen Buches, und die Frage des Visionärs nach den Mondphasen wird schlicht durch den Hinweis 94 3 Baruch, 306–29. 95 3 Baruch, 256–59. Eine interessante Parallele findet sich im iranischen Bundahishn 5b.3 (tr. Pakzad, 45), wo 180 Fenster im Westen und 180 im Osten des Himmels angebracht sind, um den täglichen Aufund Untergang der Sonne zu gewährleisten. 96 Vgl. die Übersetzung von Kulik, 3 Baruch, 264: „what I have shown you is in the first and second heavens, in these places the sun goes through heaven; then it gives light to the world “.
1.3 Nichtsphärische Kosmographie in AT, parabiblischer Literatur und Judentum
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darauf beantwortet, daß der Mond bei der Übertretung Adams nicht den Anstand hatte, sich zu verbergen (9,5–7). Eine deutlich prominentere Rolle spielt dafür die Hydrographie: Der im slawischen Henoch nur kurz zu Beginn des Aufstiegs erwähnte Himmelsozean wird – vermischt mit Traditionen zum Acherusischen See – in 10,5–10 relativ ausführlich thematisiert und dabei ausdrücklich die Frage nach einem geschlossenen irdischen Wasserkreislauf aufgeworfen: Natürlich kommt auch ein Großteil des Regens aus Verdunstungen des Meeres (10,8 f.), der wahrhaft befruchtende Regen jedoch wird den Wolken von oben aus dem Himmelsozean eingegeben,⁹⁷ ebenso wie der sogenannte „Tau des Himmels“ daher kommt (10,10). Der Welt unter dem Firmament wird also nicht nur von oben Wasser zugeführt, sie führt es auch ins Jenseits ab, nämlich in Gestalt der Himmelsschlange, hier Hades genannt, welcher nicht nur die Sünder frißt, sondern auch dafür verantwortlich ist, daß das Meer angesichts nicht abreißen wollender Zuflüsse nicht über die Ufer tritt (4,5–7).⁹⁸ Daß die oberen Wasser dabei anders als im slawischen Henoch und im Testament Levis nicht mehr direkt auf dem ersten Himmel aufliegen, könnte die rabbinische Ansicht reflektieren, daß das „zwischen“ aus Gen 1,6 einen Abstand in beide Richtungen impliziere.⁹⁹ Insgesamt partizipiert der Text also an der im slawischen Henoch festzustellenden Tendenz, die kosmographischen Fragestellungen etwas zurückzufahren oder ins Mythologische oder Religiöse abzubiegen. Dennoch dürfte den ptolemäisch sozialisierten Leser hier stellenweise etwas intensiveres Stirnrunzeln befallen haben, wenn er relativ deutlich ein massives Weltgebäude mit einer leider nicht mehr genau feststellbaren Anzahl vertikal übereinandergeschichteter Stockwerke vorgestellt bekommt, welche anscheinend nur durch ein kompliziertes Tor- und Kanalsystem miteinander interagieren. Gerade hier steht jedoch wiederum eine ethisch-religiöse Botschaft im Vordergrund: Die massive Abschottung der Himmel ist um des Menschen Sünde willen notwendig (3,7), welche auch ebenso die tägliche Erneuerung der Strahlenkrone der Sonne nezessitiert (8,5) sowie die Unbeständigkeit des Mondes verschuldet hat (9,6 f.). Leser wie Origenes wären also wohl durchaus auch in der Lage gewesen, die Elemente archaischer Kosmographie als metaphorische Einkleidung besagter ethischer Botschaft zu lesen.
97 3 Baruch 10,6 (hg. Picard, 92): Τὸ δὲ ὕδωρ ἐστὶν ὅπερ τὰ νέφη λαμβάνοντα βρέχουσιν ἐπὶ τῆς γῆς, καὶ αὐξάνουσιν οἱ καρποί. 98 Vgl. den materialreichen und instruktiven Kommentar von Kulik, 3 Baruch, 168–71. Insgesamt scheint die Hydrographie in der jüdischen Exegese weitaus eingehender diskutiert worden zu sein als in der christlichen (vgl. M. Rand, „Clouds, Rain, and the Upper Waters: From Bereshit Rabbah to the Piyyuṭim of Eleazar be-rabbi Qillir“, Aleph 9 [2009], 13–39). 99 Vgl. R. Leicht, „Major Trends in Rabbinic Cosmology“, in Hekhalot Literature in Context. Between Byzantium and Babylonia (hg. R. Boustan u. a.; Tübingen 2013), (245–78) 261 f.
24 | 1 Einleitung 1.3.3 Rabbinisches Judentum und christliche Visionsliteratur Dies bedeutet jedoch keine umfassende Verflüchtigung der gesamten einschlägigen kosmographischen Tradition zu lediglich für das Visionsgenre konstitutiven Metaphern. Trotz des Verbots kosmologischer Spekulation in der Mischna (Hagiga 2,1) pflegten die Rabbinen besagte archaische Motive und Konzeptionen nicht nur in Form der Debatte von Detailfragen (Obere Wasser, Himmelstore, Gestirne etc.),¹⁰⁰ sondern auch gesamtkonzeptionell weiter,¹⁰¹ wie etwa aus der im Jerusalemer Talmud überlieferten kosmographischen Skizze des Juda bar Pazzi (4. Jhdt.) erhellt. Diese strickt aus unterschiedlichen Bibelversen folgende Kosmographie: Die Erde ist auf Wasser gegründet (Ps 135,6), dieses ruht auf den Bergen (Ps 103,6), diese wiederum auf der Luft (Am 4,13), und das alles werde von einem Wirbelsturm zusammengehalten (Ps 148,9), sodaß es die (zylindrische) Form eines Amuletts erhalte.¹⁰² Ansonsten setzen die amoräischen Texte wohl dominant eine Kosmologie der zwei Firmamentkuppeln über einer flachen Erde voraus, mit den Gestirnen (nach Neh 9,6) am oberen Firmament, den oberen Wassern kurz darunter und den unteren Wassern (Regenwolken) unter dem ersten Firmament, durchaus verbunden mit auf Alltagsbeobachtung basierenden naturphilosophischen Überlegungen vorsokratischen Typs.¹⁰³ Mit dem babylonischen Talmud scheint sich dann das sieben Himmel-Schema universell durchzusetzen, jedoch im Unterschied zur Henoch-Tradition „devoid of any explicative value for actual phenomena in the physical world“, rein an Tradition und Exegese orientiert.¹⁰⁴ Die von Peter Schäfer untersuchten unterschiedlichen Inventarien der sieben Himmel weisen dabei nur vereinzelt Berührungen zur Henoch-Tradition auf: Sonne, Mond und Gestirne finden sich meist gleich im ersten, manchmal im zweiten Himmel, die Vorratskammern für meteorologische Phänomene jedoch deutlich weiter oben, im vierten oder sechsten Himmel.¹⁰⁵ Erst der wohl bereits gaonische, dem siebten oder achten Jahrhundert entstammende Seder rabba di Bereshit präsentiert wieder ein umfassenderes und innovatives Konzept von als konzentrische Sphären miteinander verbundenen (Schäfer)¹⁰⁶ oder halbkugelförmig ineinander geschachtelten (Leicht)¹⁰⁷ sieben Himmeln und sieben Erden. Tatsächlich werden wir es mit einem insgesamt wohl kaum kohärent kosmographisch zu systematisierenden Sammelsurium von Texten und Traditionen zu tun haben, in dem sich 100 Hierzu bietet der Kuliks Kommentar zu 3 Baruch reichlich Material. 101 Vgl. dazu P. Schäfer, „From Cosmology to Theology: The Rabbinic Appropriation of Apocalyptic Cosmology“, in Creation and Re-Creation in Jewish Thought. FS Joseph Dan (hg. R. Elior u. a.; Tübingen 2005), 39–58. 102 Text und Interpretation bei Leicht, Major Trends, 253–56. 103 So Leicht, Major Trends, 260–67. 104 Vgl. Leicht, Major Trends, 271. 105 „In Heaven as It Is in Hell: The Cosmology of Seder Rabbah di-Bereshit“, in Heavenly Realms and Earthly Realities in Late Antique Religions (hg. R. Boustan; Cambridge 2004), (233–74) 261–66. 106 Heaven, 238–40. 107 Major Trends, 272 f.
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nicht nur das Bild von der Erde als überkuppelter Scheibe getragen von den Flossen des Leviathan findet, welcher wiederum in der Urflut schwimmt,¹⁰⁸ sondern auch eine allerdings deutlich verkomplizierte Schichtenkosmographie nach dem Modell bar Pazzis.¹⁰⁹ Im Großen und Ganzen dürfte jedenfalls dem sogenannten Indienfahrer recht zu geben sein, wenn er im Gegensatz zu Griechen und Manichäern den Juden und Samaritanern das Festhalten am nichtsphärischen, biblischen Weltbild bescheinigt, wenn auch unter Verkennung der eschatologischen Funktion des Firmaments für die Auferstehung.¹¹⁰ Die archaische Kosmographie lebt im Judentum also unvermindert fort, wird aber hauptsächlich in der exegetischen Debatte kultiviert und nicht im naturphilosophischen Diskurs gegen griechische Gegenentwürfe in Stellung gebracht. Bereits in den späteren Aufstiegsvisionen bzw. ihren christlichen Übersetzungen und Bearbeitungen war ja ein gewisses Abnehmen dieses Interesses spürbar gewesen, welches sich in den genuin christlichen Fortführungen des Genres weiter fortsetzt. Soweit ich sehe, wäre hier allein¹¹¹ die Visio Pauli des vierten Jahrhunderts¹¹² zu nennen, welche in der Tat an mindestens einem Punkt aus der Henoch-Tradition bekannte kosmographische Konzepte aufnimmt. Anschließend an 2Kor 12,2–4 wird Paulus hier zunächst in den durch eine Pforte und zwei goldene Säulen abgeschirmten dritten Himmel entrückt und dort von den beiden ebenfalls lebendig entrückten, Henoch und Elias, empfangen (19–20). Danach führt ihn der Engel wiederum hinab an das Firmament und zeigt ihm die ganz in der Tradition des Wächterbuchs konzipierten Enden der Erde, zunächst das östliche mit der Basis und den Türen des Himmels auf dem Okeanos und dem Eingang zum „Land der Verheißung“ (21),¹¹³ und dann das westliche, wiederum mit der
108 N. Sed, „Une cosmologie juive du haut moyen age: La Beraita di Maaseh Beresit“, Revue des études juives 124 (1965), (23–123) 59. 109 Sed, Cosmologie, 65 f. Zu Seds Unterstellung des sphärischen Grundcharakters dieser Konzeptionen vgl. Leicht, Major Trends, 253–55; Schäfer, Heaven, 260. 110 Topographia VI,32 (SC 197, 49): Αἱ δὲ μὴ δοξάζουσαι σφαῖραν, τουτέστιν Ἰουδαῖοι καὶ Σαμαρεῖται, ἀκαίρως δὲ γεγονέναι νομίζοντες τὸ στερέωμα τὸ μεσάσαν τὸν ἕνα χῶρον καὶ ποιῆσαν τοὺς δύο χώρους, ἀκολούθως καὶ αὐτοὶ ἀπιστίᾳ κεκράτηνται, τῶν μὲν Σαμαρειτῶν μήτε ἀνάστασιν, μήτε ἄνοδον ἐν τῷ οὐρανῷ ὁμολογούντων, μήτε δὲ τὴν ψυχὴν ἀθάνατον λεγόντων, ἀλλ’ ἀεὶ γίνεσθαι καὶ ἀπογίνεσθαι ἡμᾶς νομιζόντων, τῶν δὲ Ἰουδαίων ὁμολογούντων μὲν ἀνάστασιν ἀνθρώπων, ἐπὶ γῆς δὲ πολιτεύεσθαι λεγόντων καὶ ἐσθίειν καὶ πίνειν ἡμᾶς καὶ γαμεῖν καὶ γαμίζεσθαι. 111 Wie die erhaltenen koptischen Fragmente der Zefanja-Apokalypse erkennen lassen, war hier eine Unterweltsfahrt in einem Boot beschrieben, an deren Ende sich die Himmel öffnen und das Wasser, das der Visionär in der Unterwelt gesehen hatte, bis zu den Wolken dringt (G. Steindorff, Die Apokalypse des Elias, eine unbekannte Apokalypse und Bruchstücke der Sophonias-Apokalypse [TU 17; Leipzig 1899], 59) – aller Wahrscheinlichkeit nach also die in der Henochtradition ja nur angedeutete altorientalische Vorstellung vom Ruhen der Welt auf der Urflut. 112 Der erste sichere Beleg für die Verwendung des Textes ist Prudentius’ Liber Kathemerinon (vgl. B. Gleede, Parabiblica Latina. Studien zu den griechisch-lateinischen Übersetzungen parabiblischer Literatur unter besonderer Berücksichtigung der apostolischen Väter [Leiden/Boston 2016], 172–75). 113 Der griechische, leider nur in geraffter Form uno codice überlieferte Text scheint an dieser Stelle verwirrt (C. Tischendorf, Apocalypses Apocryphae [Leipzig 1866], 50: καὶ ἔστησέν με ἐπάνω τοῦ ποταμοῦ,
26 | 1 Einleitung Basis des Himmels auf dem Okeanos und dem Eingang zur Hölle.¹¹⁴ Dieses „Land der Verheißung“, der Ort der Seelen der Gerechten während der Zeit bis zur zweiten Parusie Christi, erhält nun alle Attribute eines endzeitlichen Paradieses, das himmlische Jerusalem und die vier ‚verklärten‘ Paradiesströme aus Milch, Honig, Öl und Wein, welche wir aus dem himmlischen Paradies von 2Hen 8,4–6 kennen.¹¹⁵ Dem Duktus von 2Kor 12,2 und 4 folgend käme Paulus also zunächst in den dritten Himmel und anschließend ins irdische Paradies am östlichen Ende der Erde. Eine interpretatorische crux ergibt sich nun jedoch daraus, daß Paulus in dem allerdings nur in der Langrezension enthaltenen Kapitel 45 auch noch in das nicht näher lokalisierte urständliche Paradies geführt wird, „in welchem Adam irrte und sein Weib“ und das wiederum Paradiesflüsse enthält, diesmal jedoch in direktem Anschluß an Gen 2,10–14 beschrieben.¹¹⁶ Da auch hier ähnlich wie in 2Hen 8,4 zunächst auf den Lebensbaum und seine Funktion als Quelle der Flüsse abgehoben wird, könnte man versucht sein, dem Text eine ganz analoge Konzeption eines irdischen und himmlischen Paradieses zu unterstellen. Die Gerechten, denen Paulus dort begegnet, überschneiden sich aber zu einem nicht unwesentlichen Teil mit den Seelen, denen er bereits vorher begegnet war: Elia hatte er bereits am Anfang im dritten Himmel getroffen (20 und 51), die großen und kleinen Propheten traf er bereits
οὗ ἡ ἀρχὴ ἐστήρικτο εἰς τὸν κύκλον τοῦ οὐρανοῦ· ὁ δὲ ποταμός ἐστιν οὗτος ὁ κυκλῶν πᾶσαν τὴν γῆν). Die lateinischen Zeugen sind an dieser Stelle sicher verläßlicher (T. Silverstein/A. Hilhorst, Apocalypse of Paul. A new critical edition of three long Latin versions [Genf 1997], 114): Et iterum deduxit me de firmamento et duxit me super ianuas caeli. Et aperuit hostium et erat initium eius fundatum super flumina quae erant super omnem terram. Et interrogaui angelum dei: Quis est hic fluuius aque? Et dixit mihi: Hic est Oceanus. Dies könnte man so interpretieren, daß Paulus durch die Sonnenaufgangstür den Raum unter dem ersten Firmament betritt und als erstes eben dessen Fundament sieht. Interessanterweise tilgt die Fassung L² (Wien/Graz/Zürich) den Verweis auf das Himmelsfundament in beiden Fällen, macht im ersten Fall sogar aus dem Okeanos einen eigenen Himmel aus blauem Gestein (hg. Silverstein/Hilhorst, 184.190) – sicherlich auf dem Hintergrund einer aufgeklärteren Kosmographie. Daß der Himmel hier ganz explizit auf dem Okeanos festgemacht ist, erinnert an die Pirque Rabbi Eliezer 3,6, wo der Himmel mit Haken am Okeanos festgemacht ist (Kulik, 3 Baruch, 123). 114 Apocalypsis Pauli 31 (hg. Tischendorf, 57): καὶ ἔστησέν με ἐπάνω τοῦ ποταμοῦ τοῦ ὠκεανοῦ τοῦ βαστάζοντος τὸ στερέωμα τοῦ οὐρανοῦ […] καὶ ἦρέν με ἐκ δυσμῶν ἡλίου, καὶ ἦν ἡ ἀρχὴ τοῦ οὐρανοῦ τεθεμελιωμένη ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ τοῦ ὠκεανοῦ. Die lateinischen Versionen (hg. Silverstein/Hilhorst, 136 f.) geben dies relativ wörtlich wieder. 115 Vgl. J. van Ruiten, „The Four Rivers of Eden in the Apocalypse of Paul (Visio Pauli): The Intertextual Relationship of Genesis 2:10–14 and the Apocalypse of Paul“, in Jerusalem, Alexandria, Rome: Studies in Ancient Cultural Interaction in Honour of A. Hilhorst (hg. F. Garcia Martinez u. a.; Leiden 2003), (263–83) 273–81. 116 Zur bisherigen Diskussion des Problems vgl. A. Hilhorst, „A visit to Paradise: Apocalypse of Paul 45 and its background“, in Paradise interpreted: representations of biblical paradise in Judaism and Christianity (hg. G. Luttikhuizen; Leiden 1999), (128–39) 138 f. Für K. Copeland, Mapping the Apocalypse of Paul: Geography, Genre and History (Diss. masch.; Princeton 2001), 179–81 scheint nicht nur ausgemacht, daß es sich in Kap. 45 ff. um ein vom Land der Verheißung zu unterscheidendes himmlisches Paradies handelt, sondern auch, daß die Regionen jenseits von Paulus’ Überschreitung des Okeanos sich herkömmlicher räumlicher Kartographie entziehen.
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am Honigfluß im „Land der Verheißung“ (25 und 49). Will man also an der Priorität der Langfassung festhalten, wird man nicht ohne größere literarkritische Operationen auskommen, um den Bericht kohärent zu machen. Für unsere Zwecke wesentlich ist allein das relativ klare Festhalten an der Vorstellung des Wächterbuchs von einem Eingang zu Belohnungs- und Strafort am östlichen bzw. westlichen Ende der Erde, eventuell Deckungsgleich mit den Toren der Sonne für Auf- und Untergang, welche diese noch einer griechisch-römischen christlichen Leserschaft des vierten und fünften Jahrhunderts vermitteln konnte.¹¹⁷ Daß diese kosmographische Funktion allerdings mit keinem Wort mehr thematisiert wird und der Visionär es auch sonst tunlichst unterläßt, sich vom angelus interpres direkt über Naturphänomene aufklären zu lassen, zeigt die bereits bezeichnete Entwicklung des Genres weg vom Interesse an den Geheimnissen der Schöpfung insgesamt hin zu einer im engeren Sinne ethisch-religiösen Ausrichtung. Was die parabiblische Literatur also zur theologischen Kritik am sphärischen Weltbild beigetragen haben kann, ist ihre Kultivierung einzelner Elemente archaischer Kosmographie, besonders die Beschreibung der Enden der Erde und des Himmels. So wird etwa Abraham in der nach ihm benannten Apokalypse an den Ort entrückt „wo der Himmel an den Ausdehnungen“, wahrscheinlich am Firmament, „festgemacht ist“,¹¹⁸ und vor den Augen des Bartholomäus wird durch die Engel des Westens die Erde wie ein Buch zusammengerollt, um den Blick auf die Urflut freizugeben.¹¹⁹ Ein wenig phantastischer klingt Avitus’ Beschreibung des Paradieses als unzugänglicher Hain auf dem Weltenhaupt jenseits von Indien, „wo man sagt, daß die Enden der Erde sich mit dem Himmel verbinden“¹²⁰ und die Berichte der syrischen Alexanderlegende, wo der große Makedonenkönig ebenfalls erkundet, „worauf der Himmel ruht und was die ganze Schöpfung umgibt“,¹²¹ sowie des Zosimos, der am Okeanosstrom eine das Ende der Welt markierende, für Sonne und Teufel undurchdringliche Wolkenmauer erblickt und dann auf wundersame Weise – ähnlich wie später Jack auf seiner Bohnenstange – durch zwei Bäume ins Land der Seligen getragen wird.¹²² Korrespondierend dazu wäre
117 Die Urfassung der lateinischen Übersetzung muß spätestens im fünften Jahrhundert entstanden sein (Gleede, Parabiblica, 175–77). 118 Apocalypsis Abrahae 15,4 (R. Rubinkiewicz, L’Apocalypse d’Abraham en vieux slave [Lublin 1987], 152). 119 Quaestiones Bartholomaei 3,6 f. (A. Wilmart/E. Tisserant, „Fragments Grecs et Latins de l’Évangile de Barthélémy“, Revue biblique 22 [1913], [161–190.321–368], 326): καὶ ἀπήγαγεν αὐτοὺς ἐν τόπῳ λεγομένῳ Χερουβίμ, ὅ ἐστι τόπος ἀληθείας. καὶ ἔνευσεν τοῖς δυκοῖς ἀγγέλοις καὶ ἐτυλίχθη ‚ὡς βιβλίον‘ ἡ γῆ καὶ ἀπεκαλύφθη αὐτοῖς ἡ ἄβυσσος. 120 De mundi initio I, 211–13 (hg. L. Morisi, De mundi initio [Bologna 1996], 48): Ergo ubi transmissis mundi caput incipit Indis / quo perhibent terram confinia iungere caelo / lucus inaccessa (vgl. den Kommentar S. 113 f.). Kosmas spricht etwa gleichzeitig von einem Anhaften (κολλᾶσθαι) bzw. Festgebundensein (συνδέδεσθαι) des Himmelsgewölbes an der Erdscheibe (Topographia II,17 f.24.36). 121 E. Budge, The history or Alexander the Great (Cambridge 1889), 256. Vgl. u. Kap. 4 Anm. 159–62. 122 Narratio Zosimi 2,6–3,3; 4,8 f. (hg. J. Charlesworth, The history of the Rechabites, Bd. 1: The Greek Recension [Chico 1982], 20 f.30).
28 | 1 Einleitung auch auf die etwa in der Schatzhöhle bezeugte Anschauung von Golgatha als Zentrum der Erde hinzuweisen, wo alle vier Himmelsrichtungen zusammentreffen, sich also die horizontale Erdscheibe von ihren vier Seiten her schließt.¹²³ Ob man sich darüber eher als tendenziell fiktionale Literatur amüsiert oder es tatsächlich kosmographisch ernst genommen hat, wird bereits in der Antike je nach Leserpublikum stark variiert haben. Entscheidend dafür sind, wie bereits bei den einschlägigen Passagen der Bibel selbst, die hermeneutischen Voraussetzungen des Lesers. Erwartungsgemäß werden diese jedoch nur in argumentativen Texten, besonders Bibelkommentaren und teilweise dogmatischen Traktaten der Theologen näher thematisiert, welchen wir uns hiermit zuwenden wollen.
123 Spelunca Thesaurorum 23,15–17; 49,4–6 (CSCO 486,178 f.406). Vgl. den allerdings teilweise irreführenden Kommentar bei A. Su-Min Ri, Commentaire de la Caverne des trésors. Etude sur l’histoire du texte et de ses sources (Leuven 2000), 273 f.
2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor 2.1 Überschaubare Anfänge (Theophilus und Laktanz) Daß ein Großteil der christlichen Theologen vor und nach Nizäa den naturphilosophisch-kosmographischen Detailfragen mit einer teilweise spöttischen Indifferenz gegenüberstand, wurde oben bereits anhand der apologetischen Literatur und deren Umgang mit doxographischen Antiquitäten vor Augen geführt. Es gab allerdings auch lange vor den Theologen der sogenannten antiochenischen Schule prominente Ausnahmen, die ganz dogmatisch-assertorisch das Weltbild der Griechen bestritten und zu widerlegen versuchten. Bereits der älteste erhaltene christliche Kommentar zum Hexaemeron im zweiten Buch von Theophilus’ Ad Autolycum stellt die Wissenschaftlichkeit des sphärischen Weltbilds ausdrücklich in Abrede.¹ In seiner Auslegung des Genesistexts selbst in II,10–19 versteht er 1,1 in dem Sinne als Ausdruck göttlicher Allmacht, daß der erste Himmel „wie ein Dach“ (ὀροφή) vor seinem Fundament, der Erde geschaffen wurde, das Licht „wie ein Trinkgefäß“ (πῶμα) von Erde, Wind und Wassern abschirme und somit „wie ein Gewölbe“ (καμάρα) die gesamte Materie zusammenhalte.² Theophilus versteht also das Weltgebäude in der Tat mit Jes 40,22, wo Gott die Himmel „wie ein Gewölbe erschafft“ und „wie ein Zelt ausbreitet“ als nichtsphärischen Stockwerkbau, indem er diesen Vers interessanterweise bereits auf den ersten, uns unsichtbaren Himmel bezieht, nicht auf das erst in Gen 1,6 geschaffene Firmament, welches für ihn lediglich die Hälfte des vorhandenen Wassers über sich speichert, um Regen zu ermöglichen.³ Das Paradies ist für ihn mit Gen 2,8 f. klar auf der Erde situiert,⁴
1 Ad Autolycum II, 32,4 (PTS 44, 84): Ταῦτα δὲ μὴ ἐπιστάμενοι οἱ συγγραφεῖς βούλονται τὸν κόσμον σφαιροειδῆ λέγειν καὶ ὡσπερεὶ κύβῳ συγκρίνειν αὐτόν. πῶς δὲ δύνανται ταῦτα ἀληθῆ φάσκειν, μὴ ἐπιστάμενοι τὴν ποίησιν τοῦ κόσμου μήτε τὴν κατοίκησιν αὐτοῦ; 2 Ad Autolycum II, 13,2–5 (PTS 44, 59 f.): τὰ γὰρ παρὰ ἀνθρώποις ἀδύνατα δυνατά ἐστιν παρὰ θεῷ. διὸ καὶ ὁ προφήτης πρῶτον εἴρηκεν τὴν ποίησιν τοῦ οὐρανοῦ γεγενῆσθαι τρόπον ἐπέχοντα ὀροφῆς, λέγων· ‚Ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανόν‘, τουτέστιν διὰ τῆς ἀρχῆς γεγενῆσθαι τὸν οὐρανόν, καθὼς ἔφθημεν δεδηλωκέναι. Γῆν δὲ λέγει δυνάμει ἔδαφος καὶ θεμέλιον, ἄβυσσον δὲ τὴν πληθὺν τῶν ὑδάτων, καὶ σκότος διὰ τὸ τὸν οὐρανὸν γεγονότα ὑπὸ τοῦ θεοῦ ἐσκεπακέναι καθαπερεὶ πῶμα τὰ ὕδατα σὺν τῇ γῇ […] ὥσπερ οὖν καμάρα ὁ οὐρανὸς ὢν συνεῖχε τὴν ὕλην βώλῳ ἐοικυῖαν. καὶ γὰρ εἴρηκεν περὶ τοῦ οὐρανοῦ ἕτερος προφήτης ὀνόματι Ἠσαΐας, λέγων· ‚Θεὸς οὗτος ὁ ποιήσας τὸν οὐρανὸν ὡς καμάραν καὶ διατείνας ὡς σκηνὴν κατοικεῖσθαι‘. 3 Ad Autolycum II, 13,7 (PTS 44, 60): Τῇ μὲν οὖν πρώτῃ ὑποθέσει τῆς ἱστορίας, καὶ γενέσεως τοῦ κόσμου, εἴρηκεν ἡ ἁγία γραφὴ οὐ περὶ τούτου τοῦ στερεώματος ἀλλὰ περὶ ἑτέρου οὐρανοῦ τοῦ ἀοράτου ἡμῖν ὄντος, μεθ’ ὃν οὗτος ὁ ὁρατὸς ἡμῖν οὐρανὸς κέκληται στερέωμα, ἐφ’ ᾧ ἀνείληπται τὸ ἥμισυ τοῦ ὕδατος, ὅπως ᾖ τῇ ἀνθρωπότητι εἰς ὑετοὺς καὶ ὄμβρους καὶ δρόσους. τὸ δὲ ἥμισυ ὕδατος ὑπελείφθη ἐν τῇ γῇ εἰς ποτάμους καὶ πηγὰς καὶ θαλάσσας. 4 Ad Autolycum II, 24,3 (PTS 44, 72). https://doi.org/10.1515/9783110750027-002
30 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor wenn auch als speziell ausgezeichneter „Ort zwischen Himmel und Erde“.⁵ Aus dem Satz, daß der Geon, der nach Gen 2,13 das ganze Land Äthiopien umfließt, in Ägypten „als der sogenannte Nil erscheine“,⁶ läßt sich jedoch nicht direkt entnehmen, daß er sich die Paradiesflüsse zunächst unterirdisch dachte, wie es schon bei Philon erwogen⁷ und später auch zur Standardtheorie der christlichen „Paradiesrealisten“ wird.⁸ Dennoch scheint Theophilus mit dieser klaren Positionierung zunächst relativ allein zu stehen. An die Seite stellen ließe sich ihm lediglich eine poetisch-archaisierende Beschreibung des Sonnenlaufs in einem Melito v. Sardes zugeschriebenen Fragment, dessen genaue Interpretation jedoch ebenso unsicher ist wie dessen exakte historische Verortung.⁹ Für die Mehrzahl der frühchristlichen Theolgen hingegen, wie etwa Athenagoras¹⁰ oder den etwas jüngeren Clemens von Alexandrien,¹¹ dürfte die sphärische Konzeption von Himmel und Erde die unhinterfragte Grundlage ihrer Weltsicht gebildet haben.
5 Ad Autolycum II, 24,7 (PTS 44, 73). 6 Ad Autolycum II, 24,4 (PTS 44, 72): ὧν δύο οἱ καλούμενοι Φεισὼν καὶ Γεὼν ποτίζουσιν τὰ ἀνατολικὰ μέρη, μάλιστα ὁ Γεών, ὁ κυκλῶν πᾶσαν γῆν Αἰθιοπίας, ὅν φασιν ἐν τῇ Αἰγύπτῳ ἀποφαίνεσθαι τὸν καλούμενον Νεῖλον. 7 Quaestiones in Genesim I,12 (hg. C. Mercier, Quaestiones et solutiones in Genesim: I et II e versione Armeniaca [Paris 1979], 74). 8 Vgl. u. Kap. 3 Anm. 77. 9 De Baptismo frg. 8b (SC 123, 230 f.): Ἥλιος μὲν, διανοίξας τὸν τῆς ἡμέρας δρόμον πυρίνοις ἱππεύμασι, τῇ περιδινήσει τοῦ δρόμου πυροειδὴς γενόμενος καὶ ὡς λαμπὰς ἐξαφθείς, διακαύσας δὲ τὴν μέσην τοῦ δρόμου ζώνην, ὡς, ἂν πλησίον ὀφθῇ, δέκα ἀκτινοβόλοις ἀστραπαῖς καταφλέξαι τὴν γῆν, δυσωπούμενος κάτεισιν εἰς τὸν ὠκεανόν. Καθάπερ σφαῖρα χαλκῆ, πυρὸς ἔνδοθεν γέμουσα, πολὺ φῶς ἀπαστράπτουσα, λούεται ἐν ὕδατι ψυχρῷ, μέγα ἠχοῦσα, λαμπρυνομένη δὲ ἀπ’ αὐγῆς· τὸ δὲ πῦρ ἔνδοθεν οὐ σβέννυται, ἀλλὰ πάλιν ἀπαστράπτει ἀνακαυθέν· οὕτω δὴ καὶ ὁ ἥλιος, πεπυρωμένος ὡς ἀστραπή, ὅλως οὐ τελευτῶν λούεται ἐν ὕδατι ψυχρῷ, ἀκοίμητον ἔχων τὸ πῦρ· λουσάμενος δὲ βαπτίσματι μυστικῷ, σφόδρα εὐφραίνεται, τὸ ὕδωρ ἔχων τροφήν· εἷς δὲ καὶ ὁ αὐτὸς ὤν, ὡς καινὸς τοῖς ἀνθρώποις ἀνατέλλει ἥλιος, τετονωμένος ἐκ βυθοῦ, κεκαθαρμένος ἐκ λουτροῦ· τὸ δὲ νυκτερινὸν ἐξελάσας σκότος, λαμπρὰν ἐγέννησεν ἡμέραν. Κατὰ δὲ τὸν τούτου δρόμον, καὶ ἡ τῶν ἄστρων κίνησις καὶ ἡ τῆς σελήνης φύσει ἐνεργεῖ· λούονται γὰρ εἰς τὸ τοῦ ἡλίου βαπτιστήριον, ὡς καλοὶ μαθηταί· οἱ γὰρ ἀστέρες μετὰ τῆς σελήνης κατ’ ἴχνος τοῦ ἡλίου διώκουσιν, καθαρὰν ἔχοντες αὐγήν. Trotz der klaren Aufnahme antisphärischer kosmographischer Motive (Himmelstore, Sonnenwagen, nächtliches Erlöschen der Sonne), geht es hier offensichtlich nicht um Kosmographie, sondern um eine möglichst umfassende Analogie für die Taufe: Mit allen rhetorischen Mitteln soll verdeutlicht werden, daß die Taufe im Jordan keine Herabwürdigung Christi bedeutet, wenn selbst die Sonne „mystisch“ getauft wird. Es handelt sich also eher um einen rhetorischen Appell an die literarisch, besonders durch Homer geprägte Vorstellungskraft seiner Hörer als um eine kosmographische Festlegung. 10 Vgl. Legatio 8,3 (PTS 31, 36); 16,1 (51). Vgl. die Übersichten bei H. Inglebert, Les mutations de savoirs (cosmographie, géographie, éthnographie, histoire) dans l’antiquité chrétienne (Paris 2001), 40 f. und F. Schleicher, Cosmographia christiana: Kosmologie und Geographie im frühen Christentum (Paderborn 2014), 41–70. 11 Vgl. etwa Stromata II, 51,1 (GCS 15, 140); V, 35,6 (GCS 15, 350).
2.1 Überschaubare Anfänge (Theophilus und Laktanz)
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Die nächste kritische Stimme findet sich bezeichnenderweise erst bei dem mit Theophilus’ Werk vertrauten Laktanz.¹² Anders als Theophilus bieten dessen Divinae instutitiones nun jedoch keine eigene, an der Auslegung der Genesis orientierte Kosmographie, sondern reihen sich in die besagte apologetische Tradition des Philosophenspotts ein, indem er ganz ähnlich wie wohl nur wenige Jahre nach ihm Euseb die Lehre wie die Lehrer der heidnischen Philosophie durch ihre Widersprüchlichkeit und ihr Scheitern an den eigenen Idealen zu diskreditieren sucht. Erwartungsgemäß kommt er dabei, nach einem grundsätzlichen Angriff auf das Konzept der Philosophie insgesamt (III, 2) zunächst auf den verfehlten Wissensanspruch der Physik (III, 3–6) zu sprechen und vergleicht die eitlen Spekulationen über Sonne, Mond und Sterne mit dem Versuch, Dimensionen und Aufbau einer fernen Metropole zu ermitteln, die keiner ihrer ‚Erforscher‘ je besucht hat.¹³ Danach rechnet er mit Ethik (III, 7–12), Logik (III, 13–16) und den führenden Persönlichkeiten der Philosophie ab (III,17–24), bevor er – in einer Art Ringkomposition – in der peroratio wieder auf das Gesamtkonzept Philosophie zu sprechen kommt (III, 25–30). Genau dieser Ringkomposition könnte es zu verdanken sein, daß er in III, 23 f. von der ethischen Fragwürdigkeit der Philosophen wieder auf deren kosmologische Verirrungen, die Anfälligkeit für haltlose und absurde Thesen überleitet und schließlich in seinen bis hin zu Kopernikus¹⁴ prominenten Ausfall gegen das Antipodenpostulat ausbricht: Daß jemand tatsächlich darauf auf die Behauptung von Regionen verfällt, wo der Menschen „Fußspuren höher liegen als ihre Häupter oder das, was bei uns liegt, umgekehrt da hängt, Getreide und Weizen nach unten gewandt wächst und Regen, Schnee und Hagel nach oben gewandt zur Erde fällt“,¹⁵ ist für Laktanz Zeichen krankhafter, konsequenzmacherischer Überschätzung der eige12 Divinae Institutiones I, 23,2 (hg. E. Heck/A. Wlosok, Divinarum institutionum libri VII, Bd. 1 [München/Leipzig 2005], 106). 13 Divinae Institutiones III, 3,4–6 (hg. Heck II, 206 f.): nam causas naturalium rerum disquirere aut scire uelle sol utrumne tantus quantus uidetur an multis partibus maior sit quam omnis haec terra, item luna globosa sit an concaua et stellae utrumne adhaereant caelo an per aerem libero cursu ferantur, caelum ipsum qua magnitudine, qua materia constet, utrum quietum sit et immobile an incredibili celeritate uoluatur, quanta sit terrae crassitudo aut quibus fundamentis librata et suspensa sit, haec inquam disputando et coniecturis uelle conprehendere tale est profecto, quale si disserere uelimus, qualem esse arbitremur cuiuspiam remotissimae gentis urbem, quam numquam uidimus cuius que nihil aliut quam nomen audiuimus. si nobis in ea re scientiam uindicemus quae non potest sciri, nonne insanire uideamur qui adfirmare id audeamus in quo reuinci possimus? 14 De revolutionibus libri sex, hg. H. M. Nobis (Hildesheim 1984), 5: Non enim obscurum est Lactantium, celebrem alioqui scriptorem, sed mathematicum parum, admodum pueriliter de forma terrae loqui, cum deridet eos, qui terram globi formam habere prodiderunt. Itaque non debet mirum videri studiosis, si qui tales nos etiam ridebunt. 15 Divinae Institutiones III, 24,1 (hg. Heck II, 289): aut est quisquam tam ineptus qui credat esse homines quorum uestigia sint superiora quam capita? aut ibi quae aput nos iacent, inuersa pendere, fruges et arbores deorsum uersus crescere, pluuias et niues et grandines sursum uersus cadere in terram? et miratur aliquis hortos pensiles inter septem mira narrari, cum philosophi et agros et urbes et maria et montes pensiles faciant? Vgl. Kosmas, Topographia IV,23–25 (SC 141, 567–69).
32 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor nen Erkenntniskräfte. Einzig und allein die Tatsache, daß die Gestirne täglich im Osten auf- und im Westen wieder untergehen, sowie ihr Unverständnisses hinsichtlich des dafür verantwortlichen Prozesses hätten die Philosophen zu einer Reihe waghalsiger Schlußfolgerungen geführt und sie über das Postulat eines sphärischen Himmels zur Behauptung einer sphärischen Erde in dessen Zentrum gebracht, welches wiederum nur um den Preis ihrer allseitigen Gleichmäßigkeit und Bewohnbarkeit, also die Behauptung der absurden Kopffüßler aufrecht erhalten werden konnte. Obgleich Laktanz „durch viele Argumente beweisen könnte, daß unmöglich ein Himmel unterhalb der Erde sein kann“, will er es an dieser Stelle genug sein lassen und durch besagten Kettenschluß lediglich das für die Philosophen habituelle Verfallen von schwer erklärbaren Wahrscheinlichkeiten auf unhaltbare Erklärungen mit absurden Konsequenzen illustrieren. Wenn er dafür auf Motive aus dem paganen Philosophenspott zurückgreift, wie wir ihn ganz ähnlich aus dem Munde des Literaten Theon bei Plutarch vernehmen,¹⁶ geht es ihm also offensichtlich überhaupt nicht darum, den wissenschaftlichen Konsens speziell in der Kosmographie zurechtzurücken, sondern um methodische Grundlagenkritik an der Naturphilosophie insgesamt, insofern hier ständig Dinge behauptet werden, die nicht durch Wahrnehmung überprüfbar sind – derselbe Einwand, den bereits Epikur seinem Modell der Alternativerklärungen zugrunde legte.¹⁷ Es kann daher nicht verwundern, daß die wenigen positiven Angaben zur Kosmologie kaum dafür hinreichend sind, ein eigenes Weltbild des Autoren nachzuzeichnen: Die kosmographische Skizze des zweiten Buches der Institutionen erinnert nur insofern an Theophilus, als die Priorität des Himmels vor der Erde betont und vor allem die Gebäudemetaphorik weiter herausgestrichen wird, so daß der Himmel als Wohnung Gottes und die Erde als Wohnung der Menschen erscheint.¹⁸ Von einer Antizipation der antiochenischen Konzeption vom doppelten Habitat läßt sich jedoch nicht sprechen, da das Firmament bei dieser Einteilung keine Rolle spielt. Lediglich aus der Betonung
16 De facie 924a (hg. M. Pohlenz, Plutarchi Moralia, Bd. 5/3 [Leipzig 1960], 40): ᾗ τί παράδοξον οὐκ ἔνεστιν; οὐχὶ τὴν γῆν σφαῖραν εἶναι, τηλικαῦτα βάθη καὶ ὕψη καὶ ἀνωμαλίας ἔχουσαν; οὐκ ἀντίποδας οἰκεῖν ὥσπερ θρῖπας ἢ γαλεώτας τραπέντα ἄνω τὰ κάτω τῇ γῇ προσισχομένους; ἡμᾶς δ’ αὐτοὺς μὴ πρὸς ὀρθὰς βεβηκότας ἀλλὰ πλαγίους ἐπιμένειν ἀπονεύοντας, ὥσπερ οἱ μεθύοντες; οὐ μύδρους χιλιοταλάντους διὰ βάθους τῆς γῆς φερομένους, ὅταν ἐξίκωνται πρὸς τὸ μέσον, ἵστασθαι μηδενὸς ἀπαντῶντος μηδ’ ὑπερείδοντος, εἰ δὲ ῥύμῃ κάτω φερόμενοι τὸ μέσον ὑπερβάλλοιεν, αὖθις ὀπίσω στρέφεσθαι καὶ ἀνακάμπτειν ἀπ’ αὐτῶν; Vgl. ähnlich Lukrez (o. Kap. 1 Anm. 28). 17 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 18. 18 Divinae Institutiones II, 9,2–4 (hg. Heck I, 163): fecit igitur deus primum omnium caelum et in sublime suspendit, quod esset sedes ipsius dei conditoris. deinde terram fundauit ac subdidit caelo, quam homo cum ceteris animalium generibus incoleret. eam uoluit umore circumflui et contineri. suum uero habitaculum distinxit claris luminibus et inpleuit, sole scilicet et lunae orbe fulgenti et astrorum micantium splendentibus signis adornauit. tenebras autem, quod est his contrarium, constituit in terra; nihil enim per se continet luminis, nisi accipiat e caelo: in quo posuit lucem perennem et superos et uitam perpetuam, et contra in terra tenebras et inferos et mortem. tanto enim haec ab illis superioribus distant, quantum mala a bonis et uitia a uirtutibus.
2.2 Vermeintliche Gegenanzeigen (Euseb und Hilarius)
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und theologischen Aufladung der vier Himmelsrichtungen ließe sich vielleicht eine ähnlich ‚horizontale‘ Orientierung im Raum ablesen, wie wir sie in der parabiblischen Literatur fanden,¹⁹ insofern auch die Behauptung, der Westen sei kälter als der Osten,²⁰ bei Diodor wiederkehrt.²¹
2.2 Vermeintliche Gegenanzeigen (Euseb und Hilarius) Daß nun auch der gebildete Origenist Euseb von Cäsarea, der ja in seiner Praeparatio evangelica die Frage nach der Gestalt der Welt unter die unlösbaren, am besten mit skeptischer Urteilsenthaltung zu behandelnden philosophischen Quisquilien rechnet,²² in dieselbe Richtung tendiert, wurde von Frank Schleicher vermutet, obgleich der Kommentar zu Jes 40,22, auf den er sich dafür stützen möchte,²³ ganz klar feststellt: „Naturbetrachtungen über die Form der Erde anstellend tut er sie als kugelförmig kund. Daher hatte er sie auch Kreisel genannt und gesagt: ‚der den Kreisel der Erde in der Hand hat‘ (Jes 40,22a)“. Wenn Euseb also im direkten Anschluß davon spricht, daß der Prophet „die Halbkugel über der Erde“ mit einem Gewölbe und einem Zelt vergleiche, welche den Innenraum der Schöpfung von der göttlichen Wohnstatt jenseits davon trenne,²⁴ will er offensichtlich nicht, wie Schleicher meint, die beobachterperspektivische Beschreibung des Propheten für bare Kosmographie nehmen, sondern diese durch die Rede von der Hemisphäre dahingehend präzisieren, daß natürlich unter der Erde eine ebensolche Halbkugel zu beobachten sei. Somit übernimmt er auch Origenes’ Deutung des Rades aus Ps 76,19 (Φωνὴ τῆς βροντῆς σου ἐν τῷ τροχῷ) und stellt fest: „Also ist das Rad der Kosmos, da er kugelförmig ist und sich im Kreise bewegt“.²⁵ Euseb 19 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 71. 20 Divinae Institutiones II, 9,7 f. (hg. Heck I, 164): deinde alteras partes eadem ratione dimensus est, meridiem ac septentrionem, quae partes illis duabus societate iunguntur. ea enim quae est solis calore flagrantior, proxima est et cohaeret orienti, at illa quae frigoribus ac perpetuo gelu torpet, eiusdem est cuius extremus occasus. nam sicut contrariae sunt lumini tenebrae, ita frigus calori. 21 Vgl. u. Kap. 3 Anm. 21. 22 Vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 53. 23 Cosmographia christiana, 61 f. 24 In Is II,18 (GCS 25/9, 256): εἶτα πάλιν ἀναβὰς ἀπὸ τῆς γῆς τῷ λόγῳ τὴν ἁψῖδα τὴν οὐράνιον, τό τε ὑπὲρ γῆν ἡμισφαίριον καμάρας δίκην ἐπαιωρημένον τοῖς πᾶσιν ἀποθαυμάζειν καὶ τὸν συστησάμενον τὸν οὐρανὸν ἐννοῆσαι ὁπόσης ἐστὶ δυνάμεως παρορμᾷ, λογίσασθαί τε ὡς οὐκ ἀργῶς αὐτὸν ὑπεστήσατο, σκηνῆς δὲ δίκην ἄνωθεν μὲν ἐφηπλωμένον κατὰ τῶν εἴσω οὐρανοῦ πάντων, τοῖς δ’ ἐπέκεινα οὐρανοῦ θεῖον ὑπεστρῶσθαι ἐνδιαίτημα. ὥσπερ δὲ γῦρον τὸ τῆς γῆς ὠνόμασε στοιχεῖον φυσιολογήσας, οὕτω τὸ ὑπὲρ γῆς ἡμισφαίριον ἁψῖδι καμάρας ὡμοίωσε τὸ ἅπλωμα τοῦ οὐρανοῦ παραβάλλων σκηνῇ διατεταμένῃ. 25 PG 23, 897CD: Ἔστι μὲν οὖν τροχὸς ὁ κόσμος σφαιροειδὴς ὢν, κυκλοφορητικῶς τε κινούμενος. Zu Origenes vgl. PG 12, 1540C (Ὁ τροχὸς ἢ τὸν αἰῶνα σημαίνει τοῦτον, ἢ τὸν κόσμον τὸν αἰσθητὸν), die neue Hom. in Ps 76 IV,2 f. (GCS NF 19, 343–46), sowie u. Anm. 67 und 71. Die „Wasser in den Obergemächern“ (Ps 103,3) identifiziert Euseb schlicht als Regenwasser der Wolken (PG 23, 1273B) und auch die „Türen des Himmels“ werden metaphorisch interpretiert (PG 23, 917C: Θύρας δὲ οὐρανοῦ ἀνοιγνυμένας τὰς οὐρανίους νόει πράξεις. Πάντα γὰρ τὰ παραδόξως ὑπὸ τοῦ Θεοῦ πεπραγμένα θεῖα καὶ οὐράνια ἦν·
34 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor könnte also an dieser Stelle ganz getrost außen vor bleiben, wäre unter seinem Namen nicht folgendes Katenenfragment zu Ps 23,2 überliefert: „Wenn der Erde nicht das göttliche Wort, meint er, vorgestanden hätte, und wenn die göttliche Weisheit sie nicht auf diese Weise gegründet hätte, wäre sie längst durch die natürliche Schwere irgendwo hinuntergefallen und in der Tiefe verschwunden. Doch die wundertätige und Staunen wirkende Kraft des Allherren war stärker als sie, die eine so große Masse und so große Fülle der Erde, die gesamte Ökumene und ihre Bewohner hoch oben auf den Rücken der Wasser schweben haben wollte. Daher heißt es ‚er hat sie auf Meeren gegründet‘. Denn die schwere und seelenlose Erde hielt sich nicht selbst auf den Tiefen der Meere fest, sondern der Schöpfer von allem, der Sohn Gottes, der wollte, daß das feste und schwere Element Erde durch göttliche Schöpferkraft über den Rücken der Wasser dahinfährt und oberhalb der feuchten Natur steht, und sie auf diese Weise fundiert hat. Und durch eine andere Überlegung tut er dar, daß die Erde nicht aus Zufall entstand und nicht aufs Geratewohl, sinn- und gedankenlos mit einer solchen Gestalt versehen ist. Daher fügt er an: ‚und er hat sie auf Flüssen bereitet‘. Wenn sie nämlich als Ganze glatt und gleichmäßig wäre der Kugel der Griechen entsprechend, wäre sie niemals für die Entstehung der Flüsse zugänglich gewesen noch geeignet für Ackerbau, da von allen Seiten die auf sie eindringenden Regengüsse abflössen. Genauso wenig gäbe es aber andererseits, wenn sie im Gegenteil eine entfaltete und zu ebenen Flächen entspannte Tafel wäre, auf ihr Flüsse, weder die aus dauersprudelnden Quellen entspringenden noch die aus stürmischen Regenfällen entstehenden. Dann hätten sie sie nämlich von vornherein völlig überschwemmt und weder für Samen, noch Pflanzen, noch Ackerbau aufnahmefähig gemacht. Auch für die Einwohner selbst wäre sie dann nicht brauchbar geworden, da von der Wasserflut alles überschwemmt und weggespült worden wäre. […] Jetzt aber ist sie so eingerichtet, daß sie zu Bergen und Tälern, Hügeln und Schluchten geformt ist, so daß sowohl die Flüsse ihren Durchlauf ungehindert durchführen, als auch die Berge, Haine und Pflanzen den Tieren zugeteilt sind, als auch die Länder und Ebenen als Wohnung und Ackerbaufläche für die Menschen ausgesondert sind“.²⁶
ἃ δὴ καὶ ἀνθρώποις ἀποκέκλειστο, ὅτε μὴ ἐγίγνετο· ὅτε δὲ παραδόξως ἐγίγνετο, ὥσπερ θύρας τινὰς οὐρανίους ἀνέῳγεν αὐτοῖς). 26 PG 23, 220C-21B (Text korrigiert nach Baroccianus gr. 235, fol. 226v-27v): Εἰ μὴ γὰρ Λόγος αὐτῆς, φησὶν, ἐπεστάτει θεῖος, καὶ εἰ μὴ σοφία Θεοῦ τοῦτον αὐτὴν τεθεμελιώκει τὸν τρόπον, πάλαι ἂν φυσικῷ βάρει κάτω που φερομένη κατὰ βυθῶν κεχωρήκει. Ἀλλ’ ἦν ἄρα κρείττων αὐτῆς ἡ θαυματουργὸς καὶ παραδοξοποιὸς τοῦ τῶν ὅλων Κυρίου δύναμις, ἢ τὸν τοσοῦτον ὄγκον καὶ τὸ τοσοῦτον τῆς γῆς πλήρωμα, ὅλην τε τὴν οἰκουμένην καὶ τοὺς κατοικοῦντας αὐτὴν ἄνω φέρεσθαι μετέωρον ὑπὲρ τὰ νῶτα τῶν ὑδάτων βεβούληται. Διὸ, αὐτὸς ἐπὶ θαλασσῶν ἐθεμελίωσεν αὐτὴν, εἴρηται. Οὐ γὰρ αὐτὴ ἑαυτὴν ἡ βαρεῖα καὶ ἄψυχος γῆ ἐπὶ τῶν βυθῶν τῆς θαλάσσης ἐστήριξεν, ἀλλ’ ὁ πάντων δημιουργὸς ὁ τοῦ Θεοῦ Υἱὸς, ὃς τὸ στερέμνιον καὶ βαρὺ τῆς γῆς στοιχεῖον θεϊκῇ δημιουργίᾳ ὑπὲρ νώτων ὀχεῖσθαι θαλάσσης καὶ ὑπεράνω τῆς ὑγρᾶς φύσεως ἑστάναι βουληθεὶς, καὶ τοῦτον αὐτὴν θεμελιώσας τὸν τρόπον. Καὶ καθ’ ἕτερον δὲ λογισμὸν παρίστησι τὸ μὴ αὐτόματον ὑποστῆναι τὴν γῆν, μηδὲ ὡς ἔτυχεν, εἰκῆ καὶ ἀλόγως, τὸ τοιοῦτον αὐτῇ περιβεβλῆσθαι σχῆμα· διὸ ἐπιλέγει· Καὶ ἐπὶ ποταμῶν ἡτοίμασεν αὐτήν. Εἰ μὲν γὰρ ὅλη δι’ ὅλου λεία καὶ ὁμαλὴ κατὰ τὴν σφαῖραν τῶν Ἑλλήνων ὑπῆρχεν, οὐκ ἄν ποτε τῆς τῶν ποταμῶν συστάσεως δεκτικὴ ἐγεγόνει· οὐδ’ ἂν εἰς γεωργίαν ἐπιτηδεία, ἐκρεόντων ἁπανταχόθεν τῶν εἰς αὐτὴν φερομένων ὄμβρων· ὡς αὖ πάλιν ἐκ τοῦ ἐναντίου, εἰ πλὰξ ἦν μία ἡπλωμένη καὶ ἀνειμένη εἰς πεδιάδας χώρας, οὐδ’ οὕτως συνέστησαν ἐν αὐτῇ ποταμοί· οἵ τ’ ἐξ ἀεννάων πηγῶν φερόμενοι, οἵ τε ἐκ τῶν χειμερινῶν ὄμβρων συνιστάμενοι· πάλαι δ’ ἂν ἐπικλύσαντες πᾶσαν, οὔτε σπέρμασιν, οὔτε φυτοῖς, οὔτε γεωργίαις ἐπιτηδείαν αὐτὴν παρεῖχον· ἀλλ’ οὐδὲ αὐτοῖς τοῖς οἰκήτορσιν γεγόνει ἂν χρήσιμος, πάντων
2.2 Vermeintliche Gegenanzeigen (Euseb und Hilarius)
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Dies klingt nun in der Tat zunächst so, als müsse die Erde wie bei Thales auf dem Wasser schwimmen, um nicht im Abgrund zu versinken, und als werde – ähnlich wie im Philosophenspott des Theon²⁷ – der „Kugel der Griechen“ aufgrund der offensichtlichen Ungleichmäßigkeit der Erdoberfläche abgewiesen. Sollte der Euseb des Psalmenkommentars also lediglich den Kosmos für rund, die Erde jedoch für eine – wenn auch nicht völlig ebenmäßige – auf dem Wasser schwimmende Scheibe gehalten haben? Dagegen spricht nicht nur der spätere Rekurs auf die Lehre von den fünf Klimazonen, welche ausdrücklich mit einer „Antökumene“ auf der Südhalbkugel rechnet,²⁸ sondern zu Ps 94,5 sogar ausdrücklich feststellt, daß das feuchte Element, „auf dem die Erde gegründet sei“, ebenso dem Herrn gehöre, ebenso wie „das Element Erde, das kugelförmig ist, wie man sagt, oder auch sonst auf eine gewisse Weise geformt ist“.²⁹ Trotz der hier angebrachten (der Einstellung der Praeparatio entsprechenden) Relativierung erübrigt sich auch bei genauer Lektüre des oben zitierten Textes die Folgerung tatsächlicher Zurückweisung der Kugelgestalt. Anders als Thales geht es Euseb ja eben nicht um eine naturphilosophische Erklärung der Lage der Erde als Ganzer, sondern vielmehr um eine Suspendierung der natürlichen Ordnung der Elemente durch wundersame göttliche Schöpferkraft: Daß die bewohnten Kontinente ähnlich wie Inseln auf den Wassern schwimmen,³⁰ will er als Ausweis der göttlichen Providenz preisen, ebenso wie die unebenmäßige Einrichtung der Erdoberfläche, welche eben weder ebenmäßig rund noch ebenmäßig flach ist. ἐπικλυζομένων καὶ κατασυρομένων ὑπὸ τῆς τῶν ὑδάτων πλημμύρας. […] νυνὶ δὲ οὕτως κατεσκευάσθη, ὡς εἰς ὄρη καὶ νάπας, βουνούς τε καὶ φάραγγας ἐσχηματίσθαι· ὡς καὶ ποταμοὺς τὰς ἑαυτῶν διεξόδους ἀκωλύτως ποιεῖσθαι· ὄρη τε καὶ ἄλση καὶ φυτὰ ζώοις ἀπονέμεσθαι· χώρας τε καὶ πεδιάδας εἰς οἰκήσεις καὶ γεωργίας ἀνθρώποις ἀφωρίσθαι. 27 Vgl. o. Anm. 16. 28 Zu Ps 47,3 (PG 23, 421B). Erdscheibenkosmographien rechnen schlicht mit einer Zunahme der Hitze von Norden nach Süden und kommen somit auf lediglich drei Klimazonen, kalt, warm/bewohnbar und verbrannt. Unbeschadet dessen praktiziert auch Euseb, wie viele spätere (vgl. u. Kap. 5 Anm. 28), die kreisförmige Beschreibung der Ökumene in zweidimensionaler ‚Landkartenperspektive‘ (De laudibus Constantini 6,6 [GCS 7, 207 f.]: ἀέρα δ’ ἐκτείνας εἰς βάθος ἄνωθεν ἐξ ὕψους, πλάτη τε καὶ μήκη τοῦ σύμπαντος κόσμου τῇ τούτου ψυχώσας δυνάμει, πτηνοῖς ἅπασιν ἀνῆκε μορφοῦσθαι, τοῖς δι’ ἀέρος φερομένοις ἀφανέσι τε καὶ ὁρωμένοις μέγα πέλαγος ἐξαπλώσας διανήχεσθαι. γῆν δ’ ἐν μέσῳ κέντρου δίκην σταθμησάμενος, ὠκεανῷ ταύτην περιέβαλε [σμαραγεῖ τε πόντος ἐπ’ αὐτῇ], τῷ τῆς περιβολῆς κυανῷ χρώματι καλλωπιζομένην). 29 PG 23, 1212C: Ἀλλὰ γὰρ μάνθανε, ὅτι καὶ τὸ πᾶν στοιχεῖον τῆς ὑγρᾶς οὐσίας, ἐφ’ ᾧ ἐστερέωται ἡ γῆ, αὐτοῦ ἔργον ὑπάρχει· οὐ μόνον κτῆμα ὂν, ἀλλὰ καὶ ποίημα αὐτοῦ. Τὴν μὲν οὖν θάλασσαν, δι’ ἧς τὸ πᾶν στοιχεῖον τῆς ὑγρᾶς οὐσίας δηλοῦται, αὐτὸς ἐποίησε· τὴν δὲ ξηρὰν αἱ χεῖρες αὐτοῦ ἔπλασαν […]. Ἔοικε δὲ τὸ τῆς γῆς στοιχεῖον, σφαιροειδὲς ὂν, ὥς φασιν, ἢ καὶ ἄλλως κατά τινα τρόπον ἐσχηματισμένον, λόγῳ Θεοῦ καὶ αὐτὸ τὴν τοιάνδε πλάσιν εἰληφέναι. 30 Besonders innerhalb der antiken Erdbebentheorie gab es detaillierte Vorstellungen über unterirdische Flüsse und sogar Meere, auf denen die Kontinente ruhen (vgl. Seneca, Naturales quaestiones VI, 7 f.; hg. H. M. Hine, L. Annaei Senecae Naturalium quaestionum libri [Stuttgart/Leipzig 1996], 241–45]). Interessant für eine mögliche Lektüre biblischer Metaphern ist auch die Demokrit zugeschriebene Hypothese, daß Teile der Erdoberfläche von Säulen oder Pfeilern getragen werden, welche – erschüttert durch unterirdische Luftströme – Erdbeben auslösen (Naturales quaestiones VI, 20,6; hg. Hine, 261).
36 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor Sehr ähnlich liegt der Fall auch im, wohl genau wie Euseb stark von Origenes abhängigen, Psalmkommentar des Hilarius v. Poitiers († 367/68). Im Kommentar zu Ps 135,5 f. wird dort in unmittelbarem Anschluß an die Feststellung, daß die Erde in der Mitte mindestens zweier Himmelssphären „aufgehängt und befestigt und so durch einen Bleibeort gelenkt wurde, daß sie durch von überall her identische Maße und Gewichte ausgewogen und unterfüttert stehen blieb“,³¹ der Vers 6 folgendermaßen ausgelegt: „Daß die Erde aber nicht in eine Richtung abgetaucht ist, zeigt der heilige Geist im Anschluß auf, indem er sagt: ‚der die Erde auf Wasser gegründet hat, denn seine Barmherzigkeit währt ewiglich‘. Die Anlage der vorliegenden Behandlung läßt es nicht zu, weiter zu fragen. Es sei genug, gelernt zu haben, daß die Erde mit schwankender Festigkeit über Wassern steht, beschattet von der Decke des gemäßigteren Himmels, dieses Firmaments, das wie ein Fell ausgedehnt [Ps 103,2] und wie ein Rauch verfestigt [Jes 51,6] die oberen von den unteren Wassern trennt. Daß sie als schwankende von Wassern gehalten wird, liegt sicher auch daran, daß seine Barmherzigkeit ewig währt“.³²
Dies könnte man so lesen, als würde Hilarius weiterführenden kosmographischen Überlegungen eine Absage erteilen, wenn man nicht gar mit Schleicher Hilarius’ Erdkugel auf die untere kosmische Hemisphäre füllendem Wasser schwimmen lassen wollte.³³ Daß wiederum beides abwegig und genau wie bei Euseb unter „terra“ an dieser Stelle das bewohnte Land auf der Erdkugel zu verstehen ist, wird aus einer Parallele in der Auslegung von Ps 2,8 deutlich, wo die „Enden der Erde“, die der Messias besitzen soll, auf das die Erde umgrenzende Wasser gedeutet werden, was in der Tat nichts anderes Dementsprechend deutet auch Augustins wörtliche Auslegung die Stelle (Gen ad litteram II,4 [CSEL 28/1, 34]) auf die Kontinente. 31 In Ps 135,11 (CCL 61B, 168): Sub inferiore autem superioris circuli caelo, quod firmamentum nuncupauit, terram inferius collocauit. Quam mediam suspendens et confirmans ita manendi sede moderatus est, ut paribus undique mensuris ponderibus que librata et substrata consisteret, ut is, qui infinitus est Deus, primo illi superioris caeli circulo supereminens aequalibus ex omni transfusione sua spatiis omnia, uirtutis suae spiritu in usum ac naturam animantium temperato, ea quae crearentur attingeret. 32 In Ps 135,12 (CCL 61B, 169): Quod autem terra non sit in unam demersa regionem, consequenter Spiritus sanctus ostendit dicens: Qui firmavit terram super aquam, quoniam in saeculum misericordia eius. Altius nos quaerere ratio tractatus praesentis et loci non sinit. Satis sit terram super aquas pendula firmitate consistere, ex prophetica auctoritate didicisse, inumbratam caeli temperatioris obtentu, hoc firmamento, quod extensum tamquam pellis et solidatum tamquam fumus aquas supernas infernas que discernat. Certe aquis pendulam contineri et in hoc, sicut in omnibus, ea causa est, quoniam in saecula misericordia eius. Die „Temperierung“ des Himmels geschieht nach § 10 ähnlich wie in der antiochenischen Konzeption durch die oberen Wasser, nur daß bei Hilarius interessanterweise gerade der erste Himmel „temperiert“ werden muß, um den geistigen Wesen die Nähe Gottes erträglich zu machen. Hier wirkt sicherlich die origenistische Allegorese der oberen Wasser nach (vgl. o. Kap. 1 Anm. 65), Dementsprechend scheinen diese auch in der Auslegung von Ps 148,1–6 unter diejenigen „himmlischen Kräfte“ gerechnet zu werden, die anders als die in vv. 7–12 aufgezählten irdischen Kreaturen nach v. 6 nicht vergehen (In Ps 148,3.5 [CCL 61B, 298 f.]). 33 Cosmographia christiana, 314.
2.3 Eine neue Mode mit syrischen Wurzeln
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bedeuten kann, als daß die Kontinente wie bei Euseb von Wasser umgeben sind und auf dem Wasser schwimmen.³⁴ Mindestens bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts gibt es also – mit Ausnahme vielleicht des Theophilus – keine direkten Angriffe auf die sphärische Kosmographie, die über die etwas aggressivere Anwendung des apologetischen Philosophenspotts bei Laktanz hinausgingen. Die Frage ist nun, inwiefern sich mit dem radikalen gesellschaftlichen Macht- und Prestigegewinn der christlichen Theologie in der Zeit zwischen Konstantin und Theodosius daran etwas Wesentliches ändert.
2.3 Eine neue Mode mit syrischen Wurzeln Zunächst ist hier festzustellen, daß beobachtungsperspektivische Beschreibungen und Metaphern, wie diejenige vom Himmelszelt, Himmelsgewölbe und Weltgebäude, damals viel zu gängig waren, als daß daraus unbedingt kosmologische Folgerungen gezogen werden müßten. So können die pseudoklementinischen Rekognitionen einerseits ganz ähnlich wie die „antiochenischen“ Theologen von der Welt als zweistöckigem Gebäude mit dem Firmament als das englische vom menschlichen Habitat trennende Zwischendecke sprechen³⁵ und andererseits die sphärische Kosmologie „secundum Graecorum philosophos“ ohne weitere Reserven als Beleg der göttlichen Vorsehung anführen.³⁶ Und auch wenn sich der Homilet Asterius nicht eindeutig andernorts im Sinne einer sphärischen Kosmographie äußert, wird man seinen Hinweis auf „das sichtbare Firmament, den Mantel der Welt, das Dach der Schöpfung, die Abdeckung des öffentlichen Hauses, das nicht alternde Dach, das Gewölbe aus gefrorenem Wasser, die Kristallschale, die gleichmäßige Überdachung, das goldbeschriebene Buch, silberbesprenkelt mit Sternen, das blau gefärbte Gemach, die fackelerleuchtete Brautkammer, in dem Sonne und Mond wie Braut und Bräutigam sitzen (Ps 18,6)“³⁷ trotz der
34 In Ps 2,32 (CCL 61, 59): Non enim ita in profundum demersa terra est aut in latitudinem extensa aut prolata in altum est, ut non undique secus aut circumfusae aut subiacentis sibi naturae contineatur obiectu. Hanc enim infernae uastitudinis demersa et immensa abyssus sustentat, hanc circumfusi et superni aeris spiritus inumbrat atque ambit. Quod autem subiecta sibi abysso suspensa sit, propheta testatur dicens: Ipse super maria fundauit eam et super flumina praeparauit eam et rursum: Qui firmauit terram super aquas. Et hanc immensam atque infinitam uastitatem abyssum scriptura solita est nuncupare, cum, Iona intra cetum oranti, dicitur: Abyssus multa circumfudit me. 35 Recognitiones 9, 3,1 (GCS 7/2, 258): Deus per filium suum creavit mundum tamquam duplicem domum, interiectu firmamenti huius quod caelum appellatur distinctam, et in superiori quidem angelicas habitare virtutes, in isto autem visibili mundo nasci hominum multitudinem dedit, ex quibus eligeret amicos filio suo, cum quibus laetaretur et qui ei tamquam sponso ut dilecta sponsa pararentur. Vgl. u. Kap. 3 Anm. 6 und 62. 36 Recognitiones 8, 21 (GCS 7/2, 229 f.). 37 Hom. 29,12 (hg. M. Richard, Asterii Sophistae Commentariorum in Psalmos quae supersunt [Oslo 1956], 234): θεώρησον τὸ φαινόμενον στερέωμα, τὸν τοῦ κόσμου περίβολον, τὸν τῆς κτίσεως ὄροφον, τὴν τῆς
38 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor Häufung nichtsphärischer Metaphern nicht sofort im Sinne einer antiptolemäischen Kosmographie interpretieren dürfen. Ein Großteil der Autoren der Wende vom vierten zum fünften Jahrhundert scheint immer noch im Sinne des alten apologetischen Indifferentismus zu sprechen, wenn etwa Isidor von Pelusium die ethische Unfruchtbarkeit astronomischer Spekulationen betont,³⁸ Makarius Magnes spöttisch die vorhandenen Theorien über Form und Größe der Erde Jesu Gleichnis vom Senfkorn gegenüberstellt³⁹ oder Basilius die Kosmogonie des Moses geradezu dafür preist, daß sie sich nicht in derlei Überlegungen einläßt, sondern sich auf das den Menschen nützliche beschränkt: „Nur weil viele, die über die Welt geschrieben haben, viel über die Gestalt der Erde gesprochen haben, ob sie Kugel oder auch ein Zylinder sei, ob die Erde einer Scheibe ähnlich und von allen Seiten gleichmäßig abgedrechselt oder schalenförmig und hohl in der Mitte ist (auf all diese Konzeptionen wurden nämlich die Kosmologen gebracht, indem jeder den anderen widerlegte), werde ich nicht dazu gebracht werden, unseren Schöpfungsbericht für wertloser zu halten, weil Moses, der Diener Gottes, sich nicht über Gestalten ausgelassen hat“.⁴⁰
In der Tat hatte er sich in der ersten Homilie auch nur indirekt und mit einigem Vorbehalt zum sphärisch-geozentrischen Weltbild bekannt: Soweit es „die Erbauung der
πανδήμου οἰκίας κεράμωσιν, τὴν ἀπαλαίωτον στέγην, τὴν ὑδατοπαγῆ καμάραν, τὴν κρυστάλλινον φιάλην, τὴν ὁμαλὴν ὑποχάρτωσιν, τὴν χρυσογράμματον βίβλον, τὴν ἀργυρόστικτον τοῖς ἄστροις, τὸν κυανοβαφῆ θάλαμον, τὸν πυρσοφόρον παστόν, ἐν ᾧ ἥλιος καὶ σελήνη ὡς νυμφίος προκάθηνται. In Hom. 21,8 (hg. Richard, 162 f.: ῏Ω θεοφιλέστατε ἄνθρωπε, σκηνοπηγία σοι ἔστω ἡ φαινομένη τοῦ κόσμου σκηνή, ἡ παντὸς ἁπλώματος καὶ σινδόνος καὶ καταπετάσματος συστελλομένη ταχύτερον, ὅταν δὲ κελεύῃ ὁ θεός, ὁ πήξας τὸν οὐρανὸν ὡς καμάραν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν κατοικεῖν) scheint er Jes 40,22 keineswegs auf die Form des Himmels, sondern lediglich auf die Leichtigkeit seiner Errichtung durch Gott zu beziehen. σκηνοπηγία bedeutet hier auch keineswegs Laubhütte, sondern heißt schlicht ‚Zelterrichtung‘ (gegen Schleicher, Cosmographia, 187). 38 Ep. II, 100 (PG 78, 545A): Τί γὰρ πρὸς ἀρετὴν συμβαλεῖται τὸ περιεργάζεσθαι ἡλίου δρόμον, καὶ σελήνης κύκλον, καὶ ἀστέρων θέσιν, καὶ γῆς σχῆμα καὶ διάστημα, καὶ ὅσα ἄλλα οἱ δοκησίσοφοι πολυπραγμονοῦντες, τῆς μὲν ἀληθείας καὶ τῆς τῷ ὄντι σοφίας διήμαρτον, εἰς ἀδολεσχίαν δὲ τὸν βίον ἐδαπάνησαν; Ebenso Ep. II, 273 (PG 78, 704A): Τὸ λέγειν ἢ σφαῖραν εἶναι τὸν οὐρανόν, ἢ ἡμισφαίριον καὶ τὸ πολυπραγμονεῖν, ἡλίου μὲν τὸν ὠκύτατον δρόμον, σελήνης δὲ μειώσεις τε καὶ αὐξήσεις, καὶ τῶν ἄστρων τὴν θέσιν· καὶ τὸ ζητεῖν περὶ γῆς, ἢ κύλινδρός ἐστιν ἢ λικνοειδής, ἢ κέντρον τοῦ παντός, καὶ τὸ τὰ ἐκείνου ἢ ταύτης διαστήματα εἰδέναι, τί συμβάλλεται εἰς ἀρίστην πολιτείαν, ἐγὼ μὲν οὐ συνορῶ. 39 Apokritikos IV, 17,2 f. (TU 169, 378). 40 Hexaemeron 9,1 (GCS NF 2, 147): Οὐδὲ ἐπειδὴ οἱ τὰ περὶ κόσμου γράψαντες πολλὰ περὶ σχημάτων γῆς διελέχθησαν, εἴτε σφαῖρά ἐστιν, εἴτε κύλινδρος, εἴτε καὶ δίσκῳ ἐστὶν ἐμφερὴς ἡ γῆ, καὶ ἐξίσου πάντοθεν ἀποτετόρνευται, ἢ λικνοειδής ἐστι, καὶ μεσόκοιλος (πρὸς πάσας γὰρ ταύτας τὰς ὑπονοίας οἱ τὰ περὶ τοῦ κόσμου γράψαντες ὑπηνέχθησαν, τὰ ἀλλήλων ἕκαστος καταλύοντες), οὐ παρὰ τοῦτο προαχθήσομαι ἀτιμοτέραν εἰπεῖν τὴν ἡμετέραν κοσμοποιίαν, ἐπειδὴ οὐδὲν περὶ σχημάτων ὁ τοῦ Θεοῦ θεράπων Μωϋσῆς διελέχθη, οὐδὲ εἶπε δέκα καὶ ὀκτὼ μυριάδας σταδίων τὸ περίμετρον ἔχειν τῆς γῆς· καὶ τὸ ἀπ’ αὐτῆς σκίασμα, ἐν τῇ ὑπὸ γῆν τοῦ ἡλίου κινήσει, ἐπὶ πόσον χωρεῖ τοῦ ἀέρος οὐ διεμέτρησε· καὶ πῶς τοῦτο τῇ σελήνῃ προσενεχθὲν τὰς ἐκλείψεις ποιεῖ. Ἐπειδὴ τὰ μηδὲν πρὸς ἡμᾶς ὡς ἄχρηστα ἡμῖν ἀπεσιώπησεν· ἆρα τούτου ἕνεκεν ἀτιμότερα ἡγήσομαι τῆς μωρανθείσης σοφίας τὰ τοῦ Πνεύματος λόγια;
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Kirche“ betrifft, seien die biblischen Antworten zu Wesen und Gestalt von Himmel und Erde völlig ausreichend, so daß für den Himmel zunächst in der Tat lediglich auf Jes 40,22 verwiesen wird und der Leser den Eindruck gewinnt, Basilius halte den Himmel für schlicht kuppelförmig.⁴¹ Interessanterweise scheint sich Basilius nun wohl bewußt zu sein, daß die einzigen Schriftaussagen über die Gestalt der Erde deren Fundierung auf Säulen oder Wassern betreffen und daß diese sich in wesentlichen Punkten mit der vorsokratischen Doxographie zu der Frage berühren. Darum ruft er zunächst die Anschauungen des Anaximenes und Thales in Erinnerung, weniger um sie als inkohärent zu verwerfen, sondern eher um die ganze Fragestellung nach einem naturphilosophisch bestimmbaren letzten Grund als fruchtlos zu diskreditieren.⁴² Daher sei auch die biblische Rede von den Säulen der Erde und den Wassern, auf denen sie gegründet sei, anders zu verstehen. Erstere bezeichne schlicht die der Erde eigene, von Gott eingegebene Kohäsionskraft, letztere die Tatsache, daß die gesamte Erde von Wasser umspült sei.⁴³ Abschließend wird – als einzige ohne Gegenargumente – die aristotelische Ansicht vorgestellt: Die Erde ruht im Zentrum aufgrund ihrer natürlichen Bewegung und Ausgeglichenheit und muß damit – auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird – rund sein. „Wenn dir etwas von dem Gesagten etwas Wahrscheinliches zu haben scheint, wende deine Verwunderung auf die Weisheit Gottes, die dies so eingerichtet hat. Das Erstaunen über das Größte wird nämlich nicht gemindert, wenn man die Art und Weise, auf die etwas Wundersames geschieht, herausfindet. Wenn aber nicht, soll in jedem Fall das Einfache des Glaubens stärker sein als die vernünftigen Beweise“.⁴⁴
41 Hexaemeron 1,8 (GCS NF 2, 14 f.): Καὶ περὶ τοῦ σχήματος δὲ ἱκανὰ ἡμῖν τὰ παρ’ αὐτοῦ, εἰπόντος ἐν δοξολογίᾳ Θεοῦ· Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν. Wenn Ps.-Eustathius diese Stelle aufnimmt und sie hinsichtlich der Erde mit einem Verweis auf Ps 135,6 kombiniert, um die Überlegenheit der Weisheit der Schrift gegenüber der selbstwidersprüchlichen Wissenschaft zu demonstrieren (PG 18, 709B), erscheint es zunächst verständlich, wenn Inglebert (Interpretatio christiana, 54 f.) ihn zum Vertreter des biblizistischen Weltbildes abstempelt, der Basilius dann ähnlich wie Ps.-Caesarius im Lichte Severians läse. Verfolgt man dessen Hexaemeron allerdings weiter, stößt man zunächst auf eine die Erde umspannende und das Urlicht ausschließende Himmelskugel (709C), eine Deutung der oberen Wasser auf bekannte meteorologische Phämonene (712A-C) und schließlich klar sphärischheliophotistische Erklärungen des Mondlichts sowie des Wechsels von Tag und Nacht (720A). Zur Basiliusbenutzung bei Ps.-Eustathius insgesamt vgl. F. Zoepfl, Der Kommentar des Pseudo-Eustathius zum Hexaemeron (Münster 1927), 28–35. 42 Hexaemeron 1,8 f. (GCS NF 2, 15 f.). 43 Hexaemeron 1,9 (GCS NF 2, 16 f.): Ἀλλὰ κἄν ποτε ἐν ψαλμοῖς ἀκούσῃς· Ἐγὼ ἐστερέωσα τοὺς στύλους αὐτῆς· τὴν συνεκτικὴν αὐτῆς δύναμιν στύλους εἰρῆσθαι νόμισον. Τὸ γὰρ, Ἐπὶ θαλασσῶν ἐθεμελίωσεν αὐτὴν, τί δηλοῖ, ἢ τὸ πάντοθεν περικεχύσθαι τῇ γῇ τὴν τοῦ ὕδατος φύσιν; Πῶς οὖν ῥυτὸν ὑπάρχον τὸ ὕδωρ καὶ ἐπὶ τὸ πρανὲς πεφυκὸς καταπίπτειν, μένει ἀπαιωρούμενον καὶ οὐδαμοῦ ἀπορρέον; Soweit ich sehe, werden die „Säulen der Erde“ (Hi 9,6; Ps 74,4) auch von den Antisphärikern durchweg metaphorisch verstanden, im Sinne von „fester Bestand“ (Theodoret, In Ps 74,4 [PG 80, 1468C]) oder gar – mit Origenes – auf die Apostel und Gläubigen gedeutet (Apollinaris, In Ps 74,4 [frg. 114a; PTS 15, 44]; Polychronios, In Hi 9,6 [PTS 48, 10]). 44 Hexaemeron 1,10 (GCS NF 2, 18) mit der abschließenden Kautele: Τούτων δ’ ἄν σοι δοκῇ τι πιθανὸν εἶναι τῶν εἰρημένων, ἐπὶ τὴν οὕτω ταῦτα διαταξαμένην τοῦ Θεοῦ σοφίαν μετάθες τὸ θαῦμα. Οὐ γὰρ
40 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor Basilius Zustimmung zur aristotelisch-ptolemäischen Weltsicht erfolgt damit in der Tat nur indirekt und unter Vorbehalt. Jedenfalls ist er weit davon entfernt, diese seinen Hörern als unhinterfragbares Faktum zuzumuten, sondern stellt es angesichts von Ps 23,2 ausdrücklich jedem frei, die Erde auf Wassern fundiert zu sehen, solange dadurch die Schöpferkraft als eigentlicher Stabilisierungsfaktor der Erde nicht kompromittiert wird.⁴⁵ Man wird also vermuten dürfen, daß es mindestens unter dem Publikum des Basilius in der Tat Leute gab, denen die Konvergenz zwischen alttestamentlichen und vorsokratischen Aussagen nicht entgangen war und die auf dieser Basis mindestens ihre Zweifel hegten am durch die Fachwissenschaft vertretenen ptolemäischen Weltbild. Bevor wir auf die Frage nach deren möglicher Identität näher eingehen, müssen wir zunächst noch einen Blick auf ihre möglichen Hintergründe werfen.
2.3.1 Die Wurzeln der antisphärischen Opposition (Euseb v. Emesa, Ephraem) In der Tat lassen sich nämlich solche Zweifler in der Tradition des Theophilus⁴⁶ nicht nur innerhalb der Schule Diodors, sondern vereinzelt auch bereits vor und außerhalb von ihr nachweisen. Bereits Eusebs Nachfolger auf dem Bischofsthron von Cäsarea, Acacius, findet in seinem Genesiskommentar anläßlich eines Vergleichs der Schrift mit den δόξαι τῶν φυσικῶν aufgrund von Jes 40,22 und der gesamtbiblischen Rede von den ἄκρα τοῦ οὐρανοῦ (Jes 13,4 f.; Ps 18,7 und Mt 24,31 werden zitiert) in letzterer eher einen halbkreisförmigen Himmel, läßt aber wohl daneben auch die gegenteilige Interpretation des Origenes gelten.⁴⁷ Etwa zur gleichen Zeit entstehen zwei Genesiskommentare berühmter Syrer, welche, obwohl keineswegs gänzlich unbeleckt von griechischem Bildungsgut,⁴⁸ dennoch um einiges ungeschminkter altorientalisch-jüdische Traditionen transportieren und somit auch, wie die Benutzung des Euseb von Emesa durch Basilius⁴⁹ und Diodor⁵⁰ oder Ephraems durch Severian⁵¹ zeigt, in die griechischsprachige ἐλαττοῦται ἡ ἐπὶ τοῖς μεγίστοις ἔκπληξις, ἐπειδὰν ὁ τρόπος καθ’ ὃν γίνεταί τι τῶν παραδόξων ἐξευρεθῇ· εἰ δὲ μὴ, ἀλλὰ τό γε ἁπλοῦν τῆς πίστεως ἰσχυρότερον ἔστω τῶν λογικῶν ἀποδείξεων. 45 Hexaemeron 1,9 (GCS NF 2, 17): Ἀλλὰ ἀνάγκη, κἂν γῆν καθ’ ἑαυτὴν εἶναι δῶμεν, κἂν ἐπὶ τοῦ ὕδατος αὐτὴν ἀποσαλεύειν εἴπωμεν, μηδαμοῦ ἀναχωρεῖν τῆς εὐσεβοῦς διανοίας, ἀλλὰ πάντα ὁμοῦ συγκρατεῖσθαι ὁμολογεῖν τῇ δυνάμει τοῦ κτίσαντος. 46 Vgl. S. Voicu, „Teofilo e gli Antiocheni posteriori“, Augustinianum 46 (2006), 375–87. 47 Collectio coisliniana 39 (CCG 15, 37 f.). 48 Vgl. U. Possekel, Evidence of Greek philosophical concepts in the writings of Ephrem the Syrian (Leuven 1999). Hieronymus schätzt die profane Bildung des Euseb von Emesa sogar höher ein als diejenige Diodors (De viris illustribus 119; hg. A. Ceresa-Gastaldo, Gli uomini illustri: de viris illustribus [Florenz 1988], 220: Exstant eius […] et multa alia ad Eusebii magis Emiseni characterem pertinentia, cuius cum sensum secutus sit, eloquentiam imitari non potuit propter ignorantiam saecularium litterarum). 49 L. van Rompay, „L’ informateur syrien de Basile de Césarée. A propos de Genèse 1,2“, Orientalia Christiana Periodica 58 (1992), 245–251. 50 Vgl. B. ter Haar Romeny, „Eusebius of Emesa’s Commentary on Genesis and the Origins of the Antiochene School“, in The Book of Genesis in Jewish and Oriental Christian Interpretation (hg. J. Frishman; Leuven 1997), 125–142. 51 Vgl. u. Kap. 3 Anm. 75.
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Debatte einbringen. In Eusebs vollständig nur in armenischer Übersetzung erhaltenem Quästionenkommentar zur Genesis finden sich in der Tat einige interessante kosmographische Details: Unter den für die Konstitution des Alls wesentlichen Elementen, die Mose (als dem Leser selbstverständlich) in Gen 1,1–2 übergangen habe, finden sich nicht nur die „Berge, die das All stützen und sich bis zu den Enden der Erde ausdehnen“ (das bei Ephraem beschriebene Paradiesgebirge?), sondern auch die Wasser, auf denen die Erde nach Ps 135,6 gestützt und befestigt ist.⁵² Das Firmament ist an der sichtbaren Erde befestigt⁵³ und stabil, so daß die Sterne – entgegen dem Wortlaut von Gen 1,17 – nicht eigentlich am Himmel befestigt sein können, sondern sich in nächster Nähe und unterschiedlicher Geschwindigkeit daran entlang bewegen müssen, da ja nicht nur Josua (10,12) und Jesaja (38,8) die Sonne stillstehen bzw. rückwärts laufen ließen, sondern bereits Homer sie aus den Fluten des Okeanos auftauchen, über den Himmel wandern und wieder untertauchen ließ.⁵⁴ Daß sich dabei der Mond auch einmal unter die Sonne schiebt, um eine Sonnenfinsternis zu verursachen, ist anscheinend nicht ausgeschlossen, solange nur an der Selbstbewegung der Planeten festgehalten wird.⁵⁵ Über die genaue Lage des Paradieses oder die Paradiesflüsse wird leider nicht viel gesagt, außer daß es irdisch sein muß und sich nicht genau sagen läßt, ob auch jetzt noch Menschen in dessen Nähe wohnen.⁵⁶ Mit Ausnahme der Beweglichkeit der Gestirne wird hier also keine der archaisch anmutenden kosmographischen Vorstellungen eigens begründet, ja nicht einmal näher erklärt, obgleich der zweisprachige und nach dem Zeugnis des Hieronymus mindestens rhetorisch sehr gebildete Autor⁵⁷ um die deutlich abweichenden griechischen Konzeptionen gewußt haben muß. Der Problemkreis scheint ihm also schlicht nicht vordringlich genug, um sich darüber in ausführlichere Debatten einzulassen. Ein analoger Befund ergibt sich bei dem wohl nur wenig später verfaßten Kommentar des schon zu Lebzeiten berühmten Ephraem, dessen kosmographische Angaben tendenziell noch diffuser sind. Klar ist hier lediglich so viel, daß er die von Euseb vertretene Fundierung der Erde auf Wasser ablehnt.⁵⁸ Wenn er das Firmament ganz pointiert als „Mitte des Alls“ bezeichnet, welches dessen obere von seiner unteren Hälfte strikt 52 TEG 15, 28 f. 53 TEG 15, 36. 54 Eine offensichtlich sehr ansprechende Passage, die auch in den griechischen (TEG 15, 194 f.) und syrischen (374 f.) Katenen erhalten ist. 55 TEG 15, 40 f. 56 TEG 15, 74. 57 De viris illustribus 91 (hg. Ceresa-Gastaldo, 196): Eusebius Emisenus elegantis et rhetorici ingenii innumerabiles et qui ad plausum populi pertineant confecit libros magisque historiam secutus ab his qui declamare volunt studiosissime legitur. 58 In Gen I,21 (CSCO 71, 20); II,3 (27). Die Behauptung von Possekel, Evidence, 100, daß Ephraem gegen Bardaisan die Notwendigkeit einer Fundierung der Erde innerhalb des Vakuums verteidige, scheint mir den Sinn des zitierten Textes ins Gegenteil zu verkehren: Ephraem argumentiert, daß ein Gott, der die Welt im Nichts aufhängen kann (Hi 26,7), diese auch aus dem Nichts schaffen können müsse.
42 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor trenne,⁵⁹ evoziert dies in der Tat das Bild vertikaler Zweistöckigkeit. Dabei scheint allerdings der Raum über dem Firmament völlig anderer Art zu sein als der darunter, da das dort allein verbliebene obere Wasser nicht nur übernatürlichen Zwecken diene (nicht als Regenwasser, sondern als Tau des Segens und Flut der Strafe⁶⁰), sondern auch aufgrund der Formlosigkeit der Umgebung keine Möglichkeit habe, sich zu bewegen.⁶¹ Daß somit bereits die Grenzen der sichtbaren Welt selbst für Ephraem herkömmliche Räumlichkeit transzendieren, scheint auch aus seiner Vorstellung des Paradieses ersichtlich: Zwar situiert der Kommentar ebenso wie die wahrscheinlich früheren Paradieshymnen den schönen Garten auf einem Berg jenseits des Okeanosstroms, welchen die in der Ökumene als Donau, Nil, Euphrat und Tigris bekannten Paradiesflüsse unterlaufen, um schließlich am jeweiligen Ort wieder hervorzubrechen.⁶² Wenn dieses Paradiesgebirge jedoch nach den Hymnen einerseits den Okeanosstrom komplett umgibt,⁶³ andererseits jedoch in konzentrischen Kreisen auf den Baum der Erkenntnis hin orientiert ist, wäre dies in der Tat höchstens als kegelförmiger, Erde und Himmel überspannender Berg vorstellbar, dessen Innenseite das uns sichtbare Firmament bildet.⁶⁴ Firmament und Paradies scheinen also für Ephraem in der Tat die Grenze der räumlich sichtbaren Welt zu markieren und somit nicht mehr innerhalb des dreidimensionalen Raums kartographierbar zu sein. Obwohl er also durchaus Elemente archaisierender Kosmographie verwendet und tradiert, etwa relativ klar für die eigene Leuchtkraft des Mondes eintritt,⁶⁵ fühlt er sich ebenso wenig wie Euseb von Emesa berufen, diese
59 In Gen I,17 f. (CSCO 71, 18). 60 Für jüdische Parallelen vgl. Kulik, 3 Baruch, 299–304. 61 In Gen I,13 (CSCO 71, 15). 62 In Gen II,6 (CSCO 71, 29); De Paradiso II,9 (CSCO 174, 7). Daß irdische Lokalisation sowie das Postulat unterirdischen Verlaufs der Paradiesströme durchaus auch mit einem sphärischen Weltbild vereinbar war, zeigt Philostorgios (vgl. D. Meyer, „Die unsichtbaren Flüsse: Geographie, Geophysik und Medizin in Philostorgios, Kirchengeschichte III, 9–10“, in Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption [hg. J. Althoff u. a.; Trier 2004], 87–110). 63 De Paradiso I,8 (CSCO 174, 3); II,6 (6). 64 S. Brock, St. Ephrem: Hymns on Paradise (New York 1990), 54. Der Versuch von A. Palmer, „Paradise restored“, Oriens Christianus 87 (2003), 1–47 diese Kosmographie wörtlich zu nehmen und den Paradiesberg auf dem Okeanosstrom zu platzieren, so daß die Flüsse, auf dem Gipfel als Fontänen ausgestoßen, unter ihm durchflößen und dann in der vom Paradies überkuppelten Welt entsprängen, dürfte nicht überzeugen. Zum iranischen Hintergrund des Motivs vom weltumspannenden Gebirge vgl. S. Minov, „Gazing at the Holy Mountain: Images of Paradise in Syriac Christian Tradition“, in The Cosmography of Paradise: The Other World from Ancient Mesopotamia to Medieval Europe (hg. A. Scafi; London 2016), (137–162) 150–53. 65 Der Mond ist wie die Sonne aus dem Urlicht des ersten Tages geschaffen (In Gen I,9 [CSCO 71, 13]; I,20 [19]) und leuchtet bei seiner Schöpfung als Vollmond (In Gen I,24 f. [21]). Die griechische Doxographie verzeichnet den selbstleuchtenden Mond nach Anaximander, Xenophanes und Berossos noch für den Sophisten Antiphon, doch wird sie auch noch später durch Epikuräer und andere unbekannte in Erwägung gezogen (Aetius, Placita II, 28,1.4; hg. Mansfeld/Runia V/2, 1065.1073 f.1076).
2.3 Eine neue Mode mit syrischen Wurzeln
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in ein kohärentes Bild zu bringen und dieses gegen das griechische Gegenmodell zu verteidigen. Jedenfalls wird man davon ausgehen können, daß diese im syro-antiochenischen Raum immens prominenten Autoren auch im Publikum des Basilius nicht ohne Einfluß blieben – ein Eindruck, der sich noch weiter verstärkt, wenn man sich die einschlägige Diskussion der letzten Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts, besonders in Antiochien, näher betrachtet.
2.3.2 Die Diskussionslage in Diodors direktem Umfeld (Apollinaris v. Laodizea) Je weiter wir nämlich auf die Jahrhundertwende zu gehen, desto mehr verdichten sich die Hinweise, auf antisphärische Reserven in der Kosmographie, vereinzelt sogar im lateinischsprachigen Bereich. Der sicherlich von griechischer Häresiographie beeinflußte Filastrius v. Brescia berichtet wohl in der 380er Jahren von einer Häresie, die die Sterne für „am Himmel befestigt“ hält, was daher „gegen den katholischen Glauben“ und viel „eher der heidnischen Nichtigkeit und der eitlen Meinung der Philosophen als der christlichen Wissenschaft“ entsprechend befunden wird, weil so Gott die Allmacht abgesprochen wird, die Gestirne durch seine Engel nach Mt 5,45 und Bar 3,31.34 f. aus den biblisch-apokalyptischen „Vorratskammern“ hervorgehen und wieder dorthin verschwinden zu lassen.⁶⁶ Frappierend an den griechischsprachigen Zeugnissen ist nun die breite konfessionelle Streuung entsprechender Anschauungen, die sich nun eben nicht nur bei den Dyophysiten der antiochenischen Schule finden, sondern ebenfalls bei ihrem christologischen Widerpart Apollinaris von Laodizea. Dieser wandte sich in seinem fragmentarisch erhaltenen Psalmenkommentar mit folgenden Worten gegen
66 Diversarum hereseon liber 133 (CCL 9, 297 f.): Est heresis quae stellas infixas putat esse in caelo, non de thesauris locis que absconditis atque a deo dispositis in uesperum iussu diuino repente procedere, statutis que horis suo lumini cursum ministerium que indictum agnoscere: quod contrarium alienum que fidei catholicae inuenitur, si ita qui senserit, magis que paganae uanitatis et filosoforum inanis sententiae quam christianae scientiae habere consortium demonstrabitur. Scriptura enim omnipotentiam dei ita edocet, ut in breui e diuersis thesauris concurrere atque discurrere sidera nuntiauerit, ornamento que caeli nocti que lucis que causa ex parte sint a deo praestita atque commodata, diuersis que horarum spatiis uelut ad sua loca rursum redire statuta sint, ut e quibus locis exire iubentur cottidie, ad ea loca reuerti iterum praesidente angelo et compellente, cursum debitum praeterire nullo modo possint, hinc que humano generi effusa christi clementia omni manifestaretur humano generi, quod iustis et iniustis in hoc mundo parem concesserit gratiam bonitatis adnuntians: qui solem suum oriri facit super iustis et iniustis, et pluit super bonos et malos; et: nouerunt sidera, inquit, thesauros suos, et cursum dispositum cottidie. Zu den „thesauri“ vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 73, 85 und 105. In der Schule Diodors scheinen diese nicht kosmographisch konkret genommen worden zu sein (vgl. Chrysostomus, In Hi 38,22 [PTS 35, 188]: οὐχ ὅτι ἀποθῆκαί εἰσιν, ἀλλ’ ὅτι οὕτως ἑτοίμως ὥσπερ ἐκ θησαυρῶν ἐκβάλλων δείκνυσιν αὐτά, ὅταν βούληται). Ähnliches dürfte auch für die „Himmelsfenster“ gelten (vgl. Theodoret, In Is 7 [SC 295, 192]: Τὴν ἐποψίαν τοῦ θεοῦ τῶν ὅλων διὰ τούτων δεδήλωκεν zu 24,18).
44 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor die origenistische Interpretation von Ps 76,19 LXX (φωνὴ τῆς βροντῆς σου ἐν τῷ τροχῷ) im Sinne einer kugelförmigen Welt⁶⁷: „Einen ätherischen Kreis legt er zugrunde, in dem sich die Sterne drehen, wie Kühe die Tenne umkreisen. Einen kugelförmigen Himmel nach der Lehre der Heiden kann man in den göttlichen Worten nicht finden, so daß wir über der Erde und unter der Erde einen radförmigen Umlauf annehmen könnten. Die göttlichen Schriften präsentieren nämlich Wasser, keinen Himmel unter der Erde (Ps 135,6), und über dem Himmel Wasser, die wie ein Dach darüberliegen: ‚Es breitet nämlich‘, heißt es, ‚den Himmel aus wie ein Fell der dessen Obergemächer mit Wasser bedeckt‘ (Ps 103,2 f.). Von einem Ende zum anderen laufe die Sonne, von Osten nach Westen, heißt es (Ps 18,7), aber nicht, daß sie auch nur einen noch so geringen Teil ihres Tages vom Westen wieder zurück läuft. Und es heißt: ‚Der den Himmel hinstellt (nicht ‚der ihn im Kreis herumtreibt‘) und ausspannt wie ein Zelt, darin zu wohnen‘ (nicht ‚wie einen Kreis, um herumzurotieren‘) (Jes 40,22). Und ‚vom äußersten Fundament des Himmels‘, sagt Jesaja (13,5), ‚kommen diejenigen, die aus dem fernen Land kommen‘, so daß der Himmel ein festes Fundament hat und steht, aber nicht in Kreis umherläuft. Doch dies nur als kurze Erinnerung, damit wir uns nicht zu den Fiktionen der Heiden davontragen lassen und die göttlichen Schriften vernachlässigen“.⁶⁸
Apollinaris erweist sich hier als extrem versierter Exeget, der in der Tat fast alle einschlägigen Stellen auf engstem Raum beisammen hat, welche für die alttestamentarische Kosmographie relevant sind:⁶⁹ Wenn die Erde auf Wasser gegründet ist, kann sie weder rund noch vom Himmel umgeben sein und von Gestirnen umrundet werden, sondern ist flach wie ein Dreschplatz, welchen die Gestirne oberhalb, im „ätherischen Kreis“⁷⁰ 67 Daß diese Interpretation auf Origenes zurückgeht, verrät Acacius v. Caesarea, Collectio coisliniana 39 (CCG 15, 37 f.). Von Origenes übernimmt sie Euseb (vgl. o. Anm. 25) und später auch Cyrill von Alexandrien (PG 69, 1193B). 68 Frg. 123a (PTS 15, 48): Κύκλον ἡμῖν αἰθέριον ὑποβάλλει καθ’ ὃν τὰ ἄστρα ὑποδινεῖται καθάπερ ἅλωνα βόες περιελίττοντες. σφαιροειδῆ γὰρ οὐρανὸν κατὰ τὸν Ἑλλήνων λόγον οὐκ ἔστιν ἐν τοῖς θείοις λογίοις εὑρεῖν, ἵν’ ὑπὲρ γῆς τε καὶ ὑπὸ γῆς τὴν τροχοειδῆ περιφορὰν ἐννοήσωμεν. ὕδωρ γὰρ ὑπὸ γῆν, οὐκ οὐρανόν, αἱ θεῖαι γραφαὶ παριστᾶσι καὶ ὑπὲρ οὐρανὸν δὲ ὕδατα τέγους δίκην ὑπερκείμενα. Ἐκτείνων γάρ φησι τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέρριν ὁ στεγάζων ἐν ὕδασι τὰ ὑπερῷα αὐτοῦ. ἀπ’ ἄκρου τε εἰς ἄκρον ἥλιον διαθεῖν, ἀπ’ ἀνατολῆς εἰς δύσιν, λέγεται καὶ οὐχὶ μέρος ἐλάχιστον αὐτοῦ τῆς ἡμέρας ἐκ δύσεως ἀνατρέχειν· καὶ Ὁ στήσας φησὶν οὐρανόν (οὐχ ὁ κύκλῳ περιάγων αὐτόν) καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν κατοικεῖν (οὐχ ὡς κύκλον περιελίττεσθαι)· καὶ Ἀπ’ ἄκρου θεμελίου οὐρανοῦ φησιν Ἡσαΐας ἔρχεσθαι τοὺς ἐκ γῆς πόρρωθεν ἐρχομένους, ὥστε τεθεμελιωμένου τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἑστῶτος ἀλλ’ οὐχὶ κύκλῳ περιθέοντος. ἀλλὰ ταῦτα μὲν βραχείας ὑπομνήσεως χάριν πρὸς τὸ μὴ ἐκφέρεσθαι ἡμᾶς πρὸς τὰ Ἑλλήνων πλάσματα τῶν θείων ἀμελοῦντας γραφῶν. Das von Mühlenberg gedruckte τέλους δίκην ὑποκείμεναι ist offensichtlich sinnlos. Die Lesung des wohl in der Tat besten Zeugen (Vindobonesis theologicus gr. 8, fol. 110r) ist lediglich im Fall von ὑποκείμεναι eindeutig. Der periphrastische Zeuge Parisinus gr. 139, fol. 172r bietet: ὕδωρ γὰρ ὑπὸ γῆν, οὐκ οὐρανὸν δηλοῦσιν ἡμῖν, ὡσπεροῦν ὑπὲρ οὐρανὸν δέρρεως τρόπον ἐκτετάμενον. Dies erscheint mir als aus dem folgenden Zitat improvisierte Überspielung einer vielleicht unverständlichen Junktur. 69 Vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 60–65. 70 Der Ausdruck αἰθέριος κύκλος scheint hier relativ unspezifisch für den Himmel verwendet zu werden (vgl. Ps.-Basilius v. Seleukia, Vita Theclae 22; hg. G. Dagron, Vie et miracles de Sainte Thècle [Brüssel 1978], 258).
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bzw. himmlischen Rad,⁷¹ wie Ochsen umrunden und der gemeinsam mit dem Himmelsgewölbe seinen Abschluß findet. Dies muß er auch in der Auslegung von Ps 103 nochmals unterstrichen haben, wo er zunächst (zu 103,3a) die Kreisform und Rotation des Himmels ablehnte⁷² und anschließend (zu 103,5 f.) in einer ganz an die Hörererwartungen des Basilius⁷³ erinnernden Weise das Gegründetsein der Erde auf Wasser als gänzlich wunderhaftes erklärt, „nicht als könnte der unterliegende Abyss sie stützen oder fundieren, sondern sie deckt ihn wie ein Kleid, so daß das Stützwerk unerklärlich ist und göttlicher Kraft zugehört, nicht der Natur der Elemente“.⁷⁴ Wie im Anschluß noch näher zu beleuchten sein wird, vertritt Apollinaris damit eine antisphärische Kosmographie, die sich in wesentlichen Punkten von derjenigen der Schule Diodors unterscheidet, welche nach Hi 26,7 überhaupt kein materielles Fundament der Erde anerkennen will,⁷⁵ und vor allem die „Obergemächer Gottes“ aus Ps 103,3.13 mit dem Raum über dem Firmament identifiziert, wogegen Apollinaris hier ganz schlicht den himmlischen Luftraum als oberstes Stockwerk des Kosmos angesprochen sieht.⁷⁶ Darüber hinaus existieren zwei weitere explizit antisphärische, jedoch eindeutig nicht der Schule Diodors entstammende Katenenfragmente, deren Zuschreibung an Apollinaris m. E. in beiden Fällen erwogen werden könnte. Die Beschreibung des Ausbruchs der Sintflut in Gen 7,11, wonach „die Quellen der Urflut aufbrechen und die Wasserfälle des Himmels sich auftun“ veranlaßte einen bei Prokop offensichtlich ausführlicher als in der Genesiskatene referierten Exegeten zu folgender Auslassung: „Indem er, wird behauptet, von den ‚Quellen der Urflut‘ und den ‚Wasserfällen des Himmels‘ spricht, macht er deutlich, daß das Wasser die gesamte sichtbare Schöpfung umfaßt und daß gewisse Leute fälschlicherweise glauben, der Himmel sei eine ständig rotierende Kugel. Der Himmel steht nämlich als Weg für die Sterne, die auf ihm entlanglaufen, ohne an ihm befestigt zu sein. Die Erde jedoch wurde wieder unsichtbar und unzubereitet, indem zur Wiederherstellung der früheren Formlosigkeit die Wasser von oben und von unten wieder zur alten Kontinuität zusammenliefen“.⁷⁷ 71 Wie Origenes (s. o. Anm. 67) und anders als die Antiochener gibt Apollinaris dem „Rad“ also auch eine kosmologische Relevanz. Diese sehen hier seit Diodor (Vindobonensis theologicus gr. 8, fol. 111v) lediglich die Räder der Streitwagen der Feinde, welche die Israeliten verfolgen (vgl. Ps 76,16). 72 Frg. 173 (PTS 15, 70): Οὐ σφαιρηδὸν οὐρανὸς τῷ παντὶ περίκειται καὶ περιθεῖ ἀλλὰ στεγάζει γῆν τεταμένος περὶ αὐτήν, μονίμῳ καὶ ἑδραίᾳ τῇ στάσει στεγαζόμενος ἄνωθεν ὕδασιν. 73 Vgl. o. Anm. 45. 74 Frg. 175 (PTS 15, 70): Τὸ θαυμαστὸν λέγει τῆς ἱδρύσεως θεοῦ δυνάμεως δεῖγμα τὸ γῆν οὖσαν στοιχεῖον τὸ βαρύτατον ὑπὲρ ὑδάτων πεπῆχθαι καὶ μένειν δι’ αἰῶνος ἀμετακίνητον, οὐ δή που τῆς ὑπούσης ἀβύσσου στηρίζειν αὐτὴν δυναμένης οὐδὲ ἑδρασούσης ἀλλ’ ἱματίων τρόπῳ σκεπούσης, ὡς εἶναι τὴν ἕδραν ἄρρητον καὶ θεοῦ δυνάμεως, οὐ στοιχείων φύσεως. 75 Zu Chrysostomus’ Mittelstellung hinsichtlich dieses Problems vgl. u. Kap. 3 Anm. 34. 76 Frg. 177 (PTS 15, 71): ῾Υπερῷα θεοῦ τὸν ἀέρα καλεῖ καθάπερ ἐπὶ μιᾶς οἰκίας τοῦ παντὸς κόσμου. ἔργον δὲ τοῦ υἱοῦ λέγει τὸν ὑετὸν ἀφ’ οὗ καρποῦται πλησμονὴν ἡ γῆ. ἔργον δὲ τὴν ἐκ θαλάσσης ἀναγωγὴν τῶν ὑδάτων ἂν λέγοι. Zur Schule Diodors vgl. bes. Absch. 3.4.2. 77 GCS NF 22, 203: λέγων δέ, φασί, ‚πηγὰς ἀβύσσου’ καὶ ‚καταράκτας οὐρανοῦ’ δηλοῖ ὅτι πᾶσαν τὴν ὁρατὴν κτίσιν ὕδωρ περιέχει καὶ ὅτι κακῶς οἴονταί τινες σφαῖραν εἶναι τὸν οὐρανὸν ἀεὶ κινουμένην·
46 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor Die Grundannahmen (Wasser oberhalb des Himmels und unterhalb der Erde, frei bewegliche Sterne) würden, wie gesehen, sehr gut zu Apollinaris passen, allerdings mindestens ebenso gut auf Eusebius von Emesa.⁷⁸ Nach unserer Kenntnis sind dies die beiden einzigen in der Katene und bei Prokop zitierten Autoren, in deren Kosmographie die Urflut eine bedeutende Rolle spielt, was an sich sicher noch kein zwingender Grund für eine Zuschreibung an einen der beiden wäre. Daß allerdings an vorliegender Stelle Prokop seine Katenenvorlage offensichtlich durch Konsultation des einschlägigen Originalwerks abrundet, schränkt die Auswahl doch um einiges ein⁷⁹: Zwar kämen angesichts dessen immer noch beide Infrage, doch da Euseb nach dem Zeugnis der armenischen Übersetzung seines Kommentars ausscheidet, spricht in der Tat sehr viel für Apollinaris. Ähnlich argumentieren ließe sich hinsichtlich eines Katenenfragments zu Ps 103,2, welches in der Überlieferung sicher fälschlicherweise Athanasius zugeschrieben wird:⁸⁰ „Gleichzeitig legt er die Gestalt dar und die Leichtigkeit des Schöpferhandelns. Wie es nämlich für einen Menschen leicht ist, eine Zeltplane auszuspannen, so auch für Gott, einen nichtseienden Himmel zu machen. Gleichzeitig deutet er aber auch noch einen anderen hohen Gedanken an, daß wir auf dem Weg zu einem anderen Leben sind, daß das Gegenwärtige Schatten des Kommenden ist, und daß wir noch nicht im Allerheiligsten angekommen sind, sondern uns noch im Zelt des
ὁ γὰρ οὐρανὸς ἕστηκεν ὁδὸς τῶν ἄστρων τρεχόντων οὐ πεπηγότων ἐν αὐτῷ. ἐγένετο δὲ πάλιν ἡ γῆ ἀόρατος καὶ ἀκατασκεύαστος ἐπὶ τῆς προτέρας ἀμορφίας τῶν ἄνωθεν ὑδάτων καὶ τῶν κάτωθεν αὖθις συνδραμόντων εἰς τὴν ἀρχαίαν συνάφειαν. 78 Rein inhaltlich würde vielleicht noch mehr für Euseb sprechen, da auch für ihn das Firmament „inmitten der Urflut“ (TEG 15, 34; später aufgenommen bei Chrysostomus, Hom. in Ps 148,2 [PG 55, 486]) begründet ist, die Sterne sich frei am Himmel bewegen und ebenfalls die Bemerkung zur Wiederkehr des Tohuwabohu zu seiner Interpretation als Unsichtbarkeit und Schmucklosigkeit der Erde infolge von Überflutung zu passen scheint (ebd., 28). Die armenische Übersetzung der relevanten Passage in Eusebs Kommentar macht jedoch den Eindruck einer relativ geschlossenen Erörterung der vermeintlichen Widersprüche innerhalb der Sintflutgeschichte, was die Anzahl der Tiere und die Zeitangaben betrifft (ebd., 92–96). Warum der armenische Übersetzer besagte, etwa als Ausfall gegen den im Kontext angegriffenen Bardaisan gedachte Bemerkung übergangen haben sollte, läßt sich nicht angeben. 79 Vgl. GCS NF 22, XXV. Das einschlägige Katenenfragment 703 (TEG 2, 129) umfaßt nur die Bemerkung zum Himmel, nicht diejenige zur Erde. 80 Bei Monfaucon findet sich der Text in PG 27 unter den pseudathanasianischen Psalmscholien der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts (vgl. G. Dorival, Les chaînes exégétiques Grecques sur les Psaumes, Bd. 5 [Leuven 2018], 318–20), zu denen er jedoch schon deshalb nicht ursprünglich gehören kann, weil er eindeutig aus einem ausführlicheren Kommentar stammt (vgl. G. Vian, Testi inediti di commento ai Salmi di Atanasio [Rom 1978], 77). Er findet sich im Parisinus Gr. 139 fol. 336v und dessen Geschwister Marcianus Gr. Z 17 fol. 318v beide Male eindeutig dem Athanasius zugeschrieben, zwischen Hesychius und einem Apollinaris zugewiesenen, in Wirklichkeit jedoch dem Psalmkommentar Theodorets entstammenden, ganz ähnlich beginnenden Stück (PG 80, 1696A: Τὴν τῆς δημιουργίας εὐκολίαν διὰ τούτων ἐδήλωσεν; ὡς γὰρ ἀνθρώπῳ ῥᾴδιον δέρριν ἐκτεῖναι πρὸς τὸ ποιῆσαι σκηνὴν, οὕτως ὁ τῶν ὅλων Θεὸς τὰ μεγάλα τῶν οὐρανῶν διεπέτασε κύτη, λόγῳ μόνῳ χρησάμενος). Vielleicht hat somit eine Siglenverwechslung dazu geführt, den Namen des Apollinaris von unserem auf das folgende Stück zu übertragen.
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gegenwärtigen Lebens befinden. Das Zelt gehört nämlich zu den provisorischen Dingen. […] So wird es auch eine andere Lebensweise geben, die sich vom vergänglichen Himmel unterscheidet, und ein Aufhören des Gegenwärtigen, das besser ist. Es wird nämlich einen neuen Himmel und eine neue Erde geben. Doch wollen wir hören, was die Propheten über den Himmel sagen, damit wir die Mäuler derer stopfen, die sich angesichts ihres (Philosophen-)Bartes Großes einbilden, die von der Zukunft tönen und behaupten, unter der Erde sei ein Himmel. Gegen diese stellt sich der Prophet und sagt: ‚der den Himmel ausspannt wie ein Fell‘. Ein Fell ist keine Kugel wie nach deren Geschwätz, sondern gleicht einem Halbkreis bzw. einer Halbkugel“.⁸¹
Inhaltlich offenbart sich auch hier ein der Schule Diodors deutlich zuwiderlaufendes Profil: Ganz im Gegensatz mindestens zu den von Theodor geprägten Antiochenern verbindet diese Passage also die Ablehnung des sphärischen Weltbilds direkt mit der Einschärfung eschatologischer Diskontinuität⁸²: Das Firmament ist nicht notwendige Grundlage für das künftige Dasein der Auferstehungsleiber, sondern provisorisches Zelt, welches am Ende abgetan wird und einer völlig neuen Welt Platz macht. Obwohl sich konkretere inhaltliche Berührungen mit Apollinaris nicht ergeben, scheint doch einiges dafür zu sprechen, daß die Fehlzuweisung des in der Katene folgenden, ähnlich beginnenden Theodorettexts an Apollinaris ursprünglich auf diese Passage gemünzt war.⁸³ Alles in allem könnte man also in der Tat geneigt sein, den anscheinend in fast allen konfessionellen Lagern präsenten antiptolemäischen Biblizismus viel eher ei81 PG 27, 436B-D (korrigiert nach den Handschriften): Ὁμοῦ καὶ τὸ σχῆμα παρέστησε καὶ τὴν εὐκολίαν τοῦ δημιουργήσαντος. Καθάπερ γὰρ ἀνθρώπῳ ῥᾴδιον ἐκτεῖναι δέρριν, οὕτω καὶ τῷ Θεῷ τὸν οὐκ ὄντα ποιῆσαι οὐρανόν. Ἅμα δὲ καί τι ἕτερον ᾐνίξατο νόημα ὑψηλὸν, ὅτι πρὸς ἕτερον βίον ὁδεύομεν, καὶ τὰ παρόντα σκιὰ τῶν μελλόντων, καὶ οὐδέπω πρὸς τὰ ἄδυτα ἀφικνούμεθα, ἀλλ’ ἔτι ἐν σκηνῇ ἐσμεν τῷ παρόντι βίῳ. Ἡ γὰρ σκηνὴ τῶν λυομένων. Καὶ μετ’ ὀλίγα· Οὕτω καὶ τοῦ οὐρανοῦ τοῦ ἀλλασσομένου ἕτερος ἔσται τρόπος ζωῆς καὶ λῆξις τῆς παρούσης ἀμείνων. Ἔσται γὰρ ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή. Ἀλλ’ ἀκουσώμεθα ὅσα περὶ οὐρανοῦ λέγουσιν οἱ προφῆται, ἵνα τὰ στόματα τῶν ἐπὶ τῷ πώγωνι μέγα φρονούντων ἐμφράξωμεν· οἳ τὰ ἐπελθόντα φθεγξάμενοι, καὶ ὑπὸ γῆν οὐρανὸν εἶναι λέγουσι· πρὸς οὓς ἱστάμενος ὁ προφήτης ἔλεγε· Ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέῤῥιν. Ἡ δέῤῥις οὐ σφαῖρά τίς ἐστι κατὰ τὴν ἐκείνων ληρωδίαν· ἀλλ’ ἡμικυκλίῳ τινὶ καὶ ἡμισφαιρίῳ προσέοικεν. Ὅπερ οὖν ἕτερος προφήτης δηλῶν ἔλεγεν· Ὁ στήσας ὡς καμάραν τὸν οὐρανὸν, καὶ διατείνας ὡς σκηνὴν κατοικεῖν ἐπὶ τῆς γῆς. Καὶ πάλιν, ὅτι Οὐ περιδονεῖται· ἀλλ’ ἕστηκε πεπηγώς. Οὕτω φησὶν ὁ προφήτης, Ὁ πήξας τὸν οὐρανόν. Καὶ τὴν λεπτότητα δὲ αὐτοῦ τὴν εἰς ἄκρον παριστῶν ἔλεγεν, ὅτι Ὁ οὐρανὸς ὡσεὶ καπνὸς ἐστερεώθη. Zur Bezeugung und Verwertung dieses Textes in der Niketaskatene vgl. Appendix 2. 82 Sollte das Fragment tatsächlich von Apollinaris stammen, wäre diese jedoch stark relativiert (vgl. L. Vianès-Abou Samra, „L’ eschatologie d’Apollinaire de Laodicée à travers les Fragments sur les Psaumes“, Annali di storia del’ esegesi 21 [2004], [331–371] 348 f.). 83 Nach der Rekonstruktion Dorivals dürfte der Text auf die zweite palästinische Katene zurückgehen, welche den überschaubaren Autorenkreis der Urkatene (Origenes, Asterius, Euseb, Basilius, Gregor v. Nazianz, Didymus, Apollinaris, Chrysostomus, Theodoret, Kyrill) durch systematischeren Rückgriff auf Apollinaris sowie die zusätzliche Einbeziehung von Hesychius, Severus v. Antiochien, vielleicht auch Theodor, Ps.-Athanasius und Diodor, erweitert (Les chaines exégétiques grecques sur les Psaumes, Bd. 1 [Leuven 1986], 232–44). Ist diese Liste tatsächlich komplett, dürfte Apollinaris der mit Abstand aussichtsreichste Kandidat für die Urheberschaft des Fragments sein.
48 | 2 Nichtsphärische Kosmographie in der Theologie vor Diodor nem besonders syropalästinischen christlichen common sense als einer besonderen antiochenischen Schultradition zuzuschreiben, der in den letzten Jahrzehnten des vierten Jahrhunderts mindestens die kleinasiatische theologische Diskussion der relevanten Fragen weithin dominiert zu haben scheint. Die antiochenische Schule scheint also hier einer Mode zu folgen, so daß im Folgenden zu fragen sein wird, wie sie diese Mode genau gestaltet und vor allem wie wichtig ihre Impulse für die Debatte des fünften und sechsten Jahrhunderts werden. Nur so läßt sich die Frage beantworten, ob es tatsächlich primär genuin theologische Impulse sind, die Autoren wie Kosmas zum Angriff auf den wissenschaftlichen Konsens veranlassen, oder vielmehr lokale Traditionen und aufbrechende kulturelle Differenzen zwischen Griechen und Syrern dabei eine bedeutendere Rolle spielen. Besagte theologische Impulse wären dann weiterhin daraufhin zu befragen, ob sie in der Tat als genuin „antiochenisch“, also diodorianisch bzw. theodorianisch bezeichnet werden können, oder ob in der späteren Opposition gegen ‚Ptolemäus‘ auch noch ganz andersartige religiöse Vorstellungen und Theologumena zum Tragen kommen, welche bei den sogenannten Antiochenern nicht nachweisbar sind.
3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Wenn wir uns jetzt der Schule Diodors selbst zuwenden, um deren exaktes Weltbild, dessen biblische Begründung sowie die theologischen Motive dahinter untersuchen, wäre natürlich die Hauptfrage, inwiefern sich hier ein ganz spezifisches Profil ergibt, welches von anderen Bestreitungen des sphärischen Weltbilds in charakteristischer Weise abweicht. Da die ältesten Quellen, vor allem das Werk Diodors und Theodors, nur sehr fragmentiert auf uns gekommen sind, wird es an dieser Stelle vonnöten sein, das gesuchte Profil in seiner klarsten und ausführlichsten Entfaltung bei Kosmas kurz antizipierend zu skizzieren, um von dort aus das ältere Belegmaterial nach kontinuierlichen Traditionslinien zu befragen. An verschiedenen Stellen seiner Topographie (bes. IV,4–6 und VII,83–86) gibt der Indienfahrer dankenswerterweise konzise Zusammenfassungen seines Weltbildes und notiert seine zentralen biblischen Belege: Nach Gen 1,1 gelten Himmel und Erde, nicht eine allumfassende Himmelskugel, als alles Geschaffene begrenzender und umfassender Raum. Dieser Raum ist nach Jes 40,22 oben durch den ersten Himmel abgeschlossen, unter dessen Kuppel am zweiten Tag das Firmament „wie ein Fell“ waagrecht als Zwischendecke eingezogen wurde, um darüber das Wasser zu speichern (Ps 103,2 f.). Daß die Schrift ferner von „Enden (ἄκρα) des Himmels und der Erde“ (Dtn 4,32; 13,8; Ps 18,7; Jer 25,16 u. m.) spricht und den Himmel fest stehen läßt (Jes 42,5; Hbr 8,2), erweist den unteren Teil des ersten Himmels mit Hi 38,38 („Wer zählt die Wolken in Weisheit und hat den Himmel zur Erde geneigt? Der Staub ist hingeschüttet wie die Erde, ich habe ihn jedoch wie einen Würfel an einen Stein geklebt“) als an die Erdplatte angehefteten festen Würfel,¹ welcher nach Hi 26,7 („der die Erde über dem Nichts aufhängt“) und Ps 103,5 („er hat sie auf ihre eigene Festigkeit gegründet“) durch nichts getragen wird als Gottes Kraft.² Dieses Weltbild wird nun allerdings dadurch 1 Der ausführlichste erhaltene Kommentar zu diesem Vers dürfte von dem Homöer Julian stammen, ist jedoch leider durch eine Lücke entstellt, die aber nicht überdecken kann, daß dieser aus dem Vers zusammen mit Jes 40,22 und Ps 103,2 ganz anders als Kosmas einen kegelförmigen (wohl an den Polen zugespitzten), fünfzonigen Himmelsglobus herauslas (PTS 14, 274; dazu: Aetius, Placita II, 12 [hg. Mansfeld/Runia V/2, 896–902]), der wohl eine sphärische, fünfzonige Erde im Zentrum erfordert (Firmament und obere Wasser versteht er jedenfalls schlicht als Regenwolken [In Hi 36,27 f.; PTS 14, 234]). Von einer etwas kryptischen Bemerkung bei Chrysostomus (vgl. u. Anm. 47) abgesehen wird die Stelle dann erst wieder bei Kosmas und Philoponus (De opificio III,10 [hg. Reichardt, 139 f.]) in einschlägigem Zusammenhang diskutiert. 2 Ausführlicher begründet wird dieses Gerüst in II,6–23 (vgl. dazu u. bei Anm. 401–4). Interessant ist ebenfalls ein Vergleich mit der „Antwort“ des Philoponus in De opificio III,10, wo Jes 40,22, Ps 103,2, Jes 51,6, Koh 1,2–7, Hi 38,37 f. und Ps 18,7 als mit dem sphärischen Weltbild konform erwiesen werden. Hi 26,7 f. wurde bereits in III,7 als Beleg für die im Zentrum des Alls freischwebende Erde uminterpretiert, https://doi.org/10.1515/9783110750027-003
50 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor immens theologisch aufgeladen, daß Kosmas das „Obergeschoß“, also den Raum zwischen der Zwischendecke des Firmaments und dem Gewölbe des ersten Himmels, mit der βασιλεία τῶν οὐρανῶν identifiziert, also demjenigen Ort, welcher nach Mt 25,34 gleich bei der Grundlegung des Kosmos (Gen 1,1) für die Christen eingerichtet wurde, wo der zum Himmel aufgefahrene Jesus diese erwartet und nach Hbr 8,1 f. bis zum Auferstehungstag die himmlische Liturgie zelebriert. Da sowohl der auferstandene Jesus als auch später die leiblich auferstandenen Christen bleibend räumlich verfaßt sind, müssen sie für Kosmas bleibend einen bestimmten Ort im Raume einnehmen, den Ort der μέλλουσα κατάστασις, das himmlische Vorbild für das Allerheiligste der Stiftshütte: den Raum über dem Firmament. Wer diesen Raum in eine Vielzahl von Himmelssphären auflöst, stellt Christi Auffahrt und sessio ad dexteram ebenso in Frage wie die leibliche Auferstehung der Christen und beraubt die Christenheit somit des Grundes ihrer Hoffnung.³ Hier erreicht die Schärfe, mit der gegen die Vertreter des sphärischen Weltbilds polemisiert wird, eine mit der Polemik eines Laktanz oder Apollinaris nicht vergleichbare Qualität, da die Weltsicht ersterer geradewegs mit dem Glauben an eine ewige, durch den Lauf der Gestirne, nicht den göttlichen Heilsplan bestimmte Welt ohne jeden Raum für die christliche Hoffnung gleichgesetzt wird. Daß dieser „Raum“ ein kosmologisch lozierbarer sein muß, ergibt dabei scheinbar wie von selbst aus der bleibenden räumlichen Verfaßtheit des menschlichen Körpers Christi, also dem „antiochenischen“ Insistieren auf der Realität von dessen menschlicher Natur, sowie die Gleichsetzung der beiden Weltstockwerke, des veränderlichen und unveränderlichen Habitats (οἰκητήριον, ἐνδιαίτημα, καταγώγιον), mit den beiden Katastasen und deren Ableitung aus einer typologischen Auslegung der Stiftshütte ganz „antiochenischen“ Deutungsmustern entspricht. Das Spezifikum einer „antiochenischen“ Kosmographie, sollte sie existiert haben, dürfte sich also nicht in der bloßen Ablehnung des ptolemäischen Weltbilds erschöpfen, wie wir sie bereits bei Euseb v. Emesa und Ephraem fanden. Vielmehr gilt es im Folgenden, die theologische Begründung dieser Ablehnung sowie die Herleitung des stattdessen vertretenen „biblischen“ Weltbildes bei den einschlägigen Autoren genauer zu untersuchen, um festzustellen, ob die tatsächlich zutiefst von „antiochenischen“ Impulsen geprägte Kosmologie des Kosmas, welcher zwar den späteren nestorianischen Katholikos Mar Aba als seinen Lehrer,⁴ niemals aber Diodor oder Theodor erwähnt, als Höhepunkt einer in den Kernpunkten bereits von den beiden letzteren angestoßenen Lehrentwicklung gelten kann, oder tendenziell eher als naiv-realistische Verballhornung von deren Theologie, namentlich von Theodors Katastasenlehre, zu gelten hat. und in III,11 folgen Jes 42,5; 48,13 und andere vermeintliche Belege zur Unbeweglichkeit von Erde und Gestirnen, unter anderem Ps 103,5. Die gesamte Erörterung zeigt recht deutlich, daß Philoponus gegen eine deutlich breitere Front biblizistischer Bestreiter des ptolemäischen Weltbildes argumentiert, keinesfalls allein oder primär gegen Kosmas (vgl. u. bei Anm. 134 f.). 3 Vgl. bes. Topographia IV,9 (SC 141, 547) und 17 (SC 141, 561). 4 Topographia II,2–3 (SC 141, 307–9).
3.1 Diodor v. Tarsus |
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3.1 Diodor v. Tarsus Über den Genesiskommentar des möglichen Urhebers einer „antiochenischen“ Kosmologie unterrichten uns leider nur die wenigen Fragmente der Collectio Coisliniana. Danach hat Gott am Anfang, anscheinend gleich nach der Schöpfung der Engel den unsichtbaren, oberen Himmel geschaffen,⁵ welcher den Engeln ebenso zu Schutz und Wohnung dienen soll, wie den Menschen erst der am zweiten Tag geschaffene sichtbare, untere Himmel, das Firmament.⁶ Hier begegnet die für Diodors Schule später so typische Rede von der Welt als Gebäude, genauer als Doppelhabitat mit unterschiedlichen Wohnbedingungen für vergängliche und unvergängliche Bewohner zum ersten Mal, wobei allerdings die Engel noch nicht wie in der später bei Theodor unter das Firmament verbannt werden.⁷ Eine explizite Attacke gegen die sphärische Kosmologie findet sich hingegen nur in einem Fragment, welches an Filastrius erinnert: Gen 1,17 so zu verstehen, daß die Gestirne am Himmel befestigt seien, während dieser selbst rotiere, bedeute – besonders angesichts der Tatsache, daß in 2,15 dasselbe Verb (ἔθετο) für die Etablierung der Menschen im Paradies verwendet werde – nichts anderes als „einen heidnischen Lehrsatz in die Kirche einzuführen“.⁸ Daß er hier selbst verschärft hat, wissen wir aus seiner direkten Quelle, Euseb v. Emesa, wo die Philosophen ganz schlicht und unpolemisch auf die unterschiedliche Geschwindigkeit der Gestirne hingewiesen werden, um die Schriftlehre von der Beweglichkeit von Sonne und Mond in ihr Recht zu setzen.⁹ Leider geben die restlichen Überbleibsel des Kommentarwerks darüber hinaus so gut wie gar nichts für unsere Frage her.¹⁰ Lediglich der leider immer noch nicht komplett kritisch edierte Kommentar zu den Psalmen enthält einiges relevantes Material, welches in charakteristischer Weise von 5 Frg. 16 (CCG 15, 17): Μετὰ τὰς ἀοράτους καὶ νοερὰς οὐσίας οὐρανὸν ὁ θεὸς κατασκευάζει εὐθὺς μετὰ τῆς γῆς, οὐ τὸν ὁρώμενον – δευτέρᾳ γὰρ οὗτος ἡμέρᾳ γίνεται –, ἀλλὰ τὸν ἀνωτέρῳ, ὃν ὁ Δαυὶδ oὐραvὸv oὐραvοῦ καλεῖ. Anders als sein Schüler Theodor (s. u. bei Anm. 134) scheint er nicht auf die Simultaneität von Himmels- und Engelschöpfung zu insistieren. 6 Frg. 43bis (ebd., 43): Διὰ τί τὸ στερέωμα κέκληται οὐρανός; Ὅτι ὅπερ ταῖς ἀοράτοις δυνάμεσιν ὁ ὑπὲρ αὐτών οὐρανός, τοῦτο ἡμῖν ὁ ὁρώμενος ἄνωθεv, ἡμᾶς φυλάττωv καὶ στέγη τοῖς ὑπ’ αὐτόν ὤν, καθάπερ ὁ ὑπὲρ αὐτὸν ταῖς ἀοράτοις οὐσίαις. 7 Vgl. u. Anm. 22 und 149–60. 8 Frg. 52bis (CCG 15, 51): Μηδεὶς δὲ ἀκούων ‚καὶ ἔθετο αὐτοὺς ὁ θεὸς ἐν τῷ στερεώματι τοῦ οὐρανοῦ ὥστε φαίνειν ἐπὶ τῆς γῆς‘ συμπεπῆχθαι τὸν ἥλιον καὶ τὴν σελήνην καὶ τοὺς ἀστέρας ἐν τῷ οὐρανῷ νομιζέτω, δόγμα τῇ ἐκκλησίᾳ ἐθνικὸν ἐπεισάγων, καὶ κινεῖσθαι τὸν οὐρανὸν οἰόμενος φέροντα τὰ ἐκεῖθεν λάμποντα. 9 TEG 15, 194–96 (Cat. 105–7). Weiteres zu Euseb o. bei Kap. 2 Anm. 54 f. 10 Gesammelt sind die Oktateuchfragmente bei J. Deconinck, Essai sur la chaine de l’octateuque (Paris 1912), 90–167, dessen Ausgabe für Genesis und Exodus durch diejenigen von Francoise Petit (CCG 15; TEG 10/11) ersetzt ist (zu den anonymen, wahrscheinlich Diodor zuzuschreibenden Zitaten vgl. dies., „Diodore de Tarse dans la tradition caténtique sur la Genèse et l’Exode“, Le Museon 112 [1999], 363–79). An neutestamentlichem Material gibt es immer noch lediglich die Römerbrieffragmente bei K. Staab (Pauluskommentare aus der griechischen Kirche [Münster 1933], 83–112).
52 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor der wichtigen Quelle Euseb v. Emesa abweicht. Die für Eusebs wie Apollinaris’¹¹ Zurückweisung des sphärischen Weltbilds grundlegende Behauptung eines unterirdischen Meers aufgrund von Ps 23,2 und 135,6 wird hier nämlich klar abgelehnt, da hier nur von der für die Wohltemperiertheit der Elementarqualitäten nötigen „Durchfeuchtung“ der Erde die Rede sei.¹² Hinsichtlich des Himmels stellt der Autor zu 18,7 fest, daß der Vers die Vertreter von dessen Kugelgestalt „schön und heimlich widerlegt“, da „Kugel und Kreis keine Enden haben“,¹³ und bemerkt zu 148,4, daß David „wie Moses nach dem früheren Himmel das Firmament als zweiten Himmel entstanden sein läßt, wobei der verbliebene Teil des Wassers verborgen wurde und als Grund das Firmament, als Dach aber den höheren Himmel hatte“.¹⁴ Etwas ausführlicher beschrieben wird die Funktion der oberen Wasser als Kühlung des Firmaments gegen die Sonnenhitze¹⁵ sowie die anscheinend kuppelförmig gedachte Gestalt des Firmaments zu 103,2 f.: „Auch am zweiten Tag scheint nämlich das Firmament entstanden zu sein. Es entstand jedoch inmitten des ganzen Wassers auf der Erde, so daß es die Mehrzahl des Wassers über sich trug und speicherte. Da es nämlich in Kontakt zur Sonne, dem heißesten und mehr als das Feuer brennenden Gestirn, stehen sollte, stellte er der Befeuerung von unten die Befeuchtung von oben entgegen, wie bei dem Kessel, der Wasser hält und von unten befeuert wird, so daß durch den schrittweisen Verbrauch des befeuerten Wasser das dazwischen stehende Firmament nicht durch die Befeuerung von unten beschädigt wird. ‚Der seine Obergemächer mit Wasser bedeckt‘ sagt er anstelle dieses Firmaments, welches in zweiter Linie auch selbst Himmel genannt wird. ‚Wie ein Fell‘ sagt er aber anstelle von ‚wie ein härenes Zelt‘ oder etwas Derartiges. Denn auch ein solches Zelt, wenn seine Rückseite gekrümmt ist, wird an den Enden von beiden Seiten ausgehöhlt und gestrafft“.¹⁶
11 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 74. 12 In Ps 23,2 (CCG 6, 140): Τὸ γὰρ ‚ἐπὶ θαλασσῶν’ οὐ λέγει ὅτι ἐπίκειται ἡ γῆ τοῖς ὕδασιν, ἀλλ’ ὅτι ἀναμέμικται πανταχοῦ καὶ φυλάττει τὴν ἰδίαν οὐσίαν τῇ τοῦ πεποιηκότος οὕτως ἰσχύϊ. Der Kommentar zu 103,5 betont die natürliche Unbeweglichkeit der Erde (s. u. Appendix 1), 135,6 scheint nicht en détail kommentiert worden zu sein (vgl. u. Anm. 64). 13 CCG 6, 112. 14 Vgl. u. Appendix 1. 15 Interessanterweise beschreibt auch Bereshit Rabba 4,5 (hg. J. Theodor/H. Albek, Midrāš bĕ-rêšît rabbā, Bd. 1 [Jerusalem 1965], 28 f.) das Firmament als ein von unten erhitztes Wasserbecken, so daß hier nicht (primär) die Wasser dazu dienen, das Firmament zu kühlen, sondern vielmehr die Gestirne das über ihnen befindliche Salzwasser erhitzen müssen, um es zu Süßwasser zu destillieren. Kyrill von Jerusalem (Katechese IX,5 [hg. W. Reischl/J. Rupp, Opera quae supersunt omnia, Bd. 1 [München 1848; repr. Hildesheim 1967], 244]) erblickt in den überhimmlischen Wassern jedoch noch lediglich ein Reservoir gegen Trockenheit und verweist für den Ausgleich von feuriger Natur der Gestirne und wässriger des Himmels aus Gottes im feurigen Hagel auf Ägypten demonstrierte Wunderkraft (Ex 9,23). 16 Vgl. die Edition der Appendix. Der unedierte Teil des Kommentars ist leider nur teilweise in der Expositio Patrum Gaecorum in Psalmos des Balthasar Corderius (Antwerpen 1643–46) greifbar. Zu den hier relevanten Psalmen vermengt Corderius ihn leider, wie auch sonst oft, mit anderem Material (vgl. CCG 6, CXVf). Jede Konsultation der unedierten Teile (bes. zu den kosmologisch relevanten Partien 76,19; 88,12; 101,26 f.; 113,23 f. und 135,5 f.) muß also immer an den glücklicherweise digital zugänglichen handschriftlichen Zeugen rückprüfen.
3.1 Diodor v. Tarsus |
53
Diese sowohl von Severian¹⁷ als auch Theodor rezipierte Theorie wird eine große Karriere vor sich haben, anders als die auch sprachlich schwierige Beschreibung des ‚Himmelszeltes‘. Diese könnte nämlich den Eindruck vermitteln, als würde Diodor dieses für kuppelförmig gekrümmt halten, also gegen Theophilus und die späteren ‚Antiochener‘ Jes 40,22 auf das Firmament beziehen, obgleich sie primär den Akt des Ausspannens beschreibt: Ebenso wie sich eine Tierhaut durch Straffung an den Enden zu einem Zelt wölbt, so auch der Himmel. Wenn das Firmament selbst also gar nicht unbedingt der Form nach „gewölbt“ ist, würde sich auch die bereits vor Diodor aufgeworfene Frage nicht stellen, wie es dann die oberen Wasser halten kann.¹⁸ Dagegen lehrt uns jedoch ein höchst interessantes Überbleibsel seines ansonsten für die vorliegende Problemstellung unergiebigen dogmatischen Werkes,¹⁹ daß er die Sache im Prinzip genauso sah wie die anderen ‚Antiochener‘, nämlich das wirklich ausführliche Referat des De fato im 223. Codex der Bibliothek des Photius. Leider haben allerdings Diodors kosmologische Argumente den gebildeten Byzantiner nicht im Mindesten überzeugt, so daß er uns dazu keinerlei konkrete Angaben macht. So wissen wir, daß die Kapitel 21–24 zu Beginn des dritten Buches (die Kapitelzählung setzt nicht mit dem jeweiligen Buch neu ein) eine Widerlegung der Kugelgestalt des Alls enthielten, weil Diodor der Ansicht war, „daß durch eine solche Position das Schicksal eingeführt werde“,²⁰ eine Folgerung, die Photius ebenso wenig für notwendig hält, wie deren 17 Vgl. u. Anm. 74 und 90. Auch Basilius weist darauf hin, daß das Firmament angesichts des feurigen Äthers gekühlt werden müsse, macht dafür jedoch die Verdunstung der irdischen Wasser verantwortlich (Hexaemeron III,7; GCS NF 2, 50): Τὸν δὲ αἰθέρα τίς ἀμφιβάλλει μὴ οὐχὶ πυρώδη εἶναι καὶ διακαῆ; ὃς εἰ μὴ τῷ ἀναγκαίῳ τοῦ ποιήσαντος αὐτὸν ὅρῳ κατείχετο, τί ἂν ἐκώλυσεν αὐτὸν πάντα φλογίζοντα καὶ καταπιμπρῶντα τὰ συνεχῆ, πᾶσαν ὁμοῦ τὴν ἐν τοῖς οὖσιν ἐξαναλῶσαι νοτίδα; Διὰ ταῦτα ὕδωρ ἀέριον, νεφουμένου τοῦ ἄνω τόπου ἐκ τῆς ἀναφορᾶς τῶν ἀτμῶν, οὓς ποταμοὶ, καὶ κρῆναι, καὶ τενάγη, καὶ λίμναι, καὶ πελάγη πάντα προΐενται, ὡς ἂν μὴ πάντα πυρακτῶν ὁ αἰθὴρ ἐπιλάβοι· ὅπου γε καὶ τὸν ἥλιον τοῦτον ὁρῶμεν, ὥρᾳ θέρους διάβροχον πολλάκις καὶ τεναγώδη χώραν ἐν βραχυτάτῃ χρόνου ῥοπῇ ἄνικμον παντελῶς καὶ ξηρὰν καταλιμπάνοντα. Augustin berichtet sogar von einer noch elaborierteren Theorie christlicher Sphäriker, wonach der kühlende Wasserdampf für die vergleichsweise Kälte der Planeten jenseits der Sonne, besonders des Saturns verantwortlich sein soll (Gen ad litteram II,9 [CSEL 28/1, 38 f.]). 18 Vgl. Basilius, Hexaemeron III,4 (GCS NF 2, 43) mit dem Referat der Diskussion bei Prokop, In Gen 1,6 (GCS NF 22, 33 f.). 19 Vgl. R. Abramowski, „Der theologische Nachlaß des Diodor von Tarsus“, Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaft 42 (1949), 19–69; Ergänzungen bei M. Heimgartner, „Neue Fragmente aus den Schriften Diodors von Tarsos: ,Gegen Apollinaris‘, ,Gegen die Manichäer‘ und ,Über die Seele‘“, in Apollinarius und seine Folgen (hg. S.-P. Bergjan u. a.; Tübingen 2015), 185–204. Die Fragmente 9 f., 21 und 28a bei Abramowski bezeugen zwar eine extrem realistische Auffassung von Auferstehungsleib und Himmelfahrt, ziehen daraus aber keinerlei kosmologische Konsequenzen. 20 Bibliotheca, Cod. 223 210a41-b4 (hg. R. Henry, Bibliothèque, Bd. 4 [Paris 1965], 13 f.): Ἐν δὲ τῷ τρίτῳ πειρᾶται μὲν διά τε τοῦ κα′ κεφαλαίου καὶ τοῦ κβ′, καὶ μὴν καὶ τοῦ γ′ καὶ κ′ καὶ δ′, ἐλέγχειν τοὺς τὸν οὐρανὸν σφαιρικὸν ὑποτιθεμένους, οὐ μέντοι γε διὰ τῶν ἰσχὺν ἐχόντων οἱ ἔλεγχοι πρόεισι. Τὸ σφαιρικὸν δὲ οὐ βούλεται συγχωρεῖν τῷ οὐρανῷ διότι νομίζει τὴν εἱμαρμένην ἐκ τῆς τοιαύτης εἰσάγεσθαι θέσεως. Καίτοι οὐδεμία τοῦτο ἀπόδειξις ἐκβιάζεται. Zu Diodors Argumentation gegen den Fatalismus vgl. D. Amand, Fatalisme et liberté dans l’antiquité grecque (Louvain 1945), 469–79.
54 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Wiederaufnahme in den letzten beiden Kapiteln des Buchs für berichtenswert: „Was er nämlich zur Widerlegung dessen vorbringt, daß der Himmel eine Kugel ist, dürften gemeinsame Probleme sein auch für diejenigen, die ihn für eine Halbkugel halten oder ein Gewölbe oder eine andere derartige Form“ (211b42–212a3).²¹ Nachdem das siebte Buch mit einem Abschnitt über Philosophen geschlossen hatte, die die Wirkkraft der Sterne ebenfalls ablehnen, aufgrund ihres Festhaltens an der wissenschaftlichen Astronomie der Astrologie jedoch prognostische Fähigkeiten zubilligen, damit aber nur „die gröbste Gottlosigkeit der Astrologen abgeschüttelt, nicht aber die exakte Wahrheit erreicht haben“ (220b1–3), scheint das achte Buch mit einer Art Abriss der Schöpfungsund Heilsgeschichte begonnen zu haben: „Zwei Himmel, sagt er, seien entstanden, einer höher als der sichtbare, der gemeinsam mit der Erde ins Dasein trat, und der sichtbare. Unter diesen beiden spielt der eine die Rolle des Dachs, der andere, was die Erde anbelangt, ebenfalls die Rolle des Dachs, was jedoch den darüberliegenden Himmel anbelangt die Rolle des Bodens und der Basis. Und es gebe eine Erde. Die himmlischen Regionen seien den höheren Kräften zugeteilt, die unterhimmlischen aber den sichtbaren Wesen. Der Himmel aber sei keine Kugel, sondern behalte die Form eines Zelts oder Gewölbes. Und für diese Annahme bringt er, wie er meint, Schriftzeugnisse vor, nicht nur für die Gestalt, sondern auch bezüglich Auf- und Untergang der Sonne. Er gibt aber auch Gründe für das Zunehmen und Abnehmen von Tagen und Nächten an und beschäftigt sich intensiv mit einigem anderen derartigen, was, wie ich meine, keinerlei Beweiskraft hat, auch wenn es ein Ableger der Schriftauslegung ist“.²²
Ebenso wie im Fragment 43bis der Collectio Coisliniana versteht Diodor also auch hier das Firmament als Zwischendecke zwischen zwei Habitaten, dem irdischen und den
21 Ob auch die Thematisierung der Klimata im vierten Buch (212a4–19) mit der Ablehnung der Kugelgestalt der Erde bzw. der von dieser implizierten fünf Klimazonen zusammenhing, wie Schleicher, Cosmographia, 175 will, scheint mir fraglich. Der Text spricht nicht von einer kontinuierlichen Zunahme der Temperatur von Nord nach Süd, sondern unterscheidet vier Klimazonen, unbewohnbar kalt, unbewohnbar heiß, kaum bewohnbar heiß, kaum bewohnbar kalt, und stellt fest, daß allein die Sonne für diese Unterschiede verantwortlich sein kann. Sollte Diodor hier in der Tradition Herodots (o. Kap. 1 Anm. 9) die vier Himmelsrichtungen vor Augen haben und den Osten – ähnlich wie schon Laktanz (o. Kap. 2 Anm. 20) – als Sonnenaufgangsregion als für kaum bewohnbar heiß und den Westen als Sonnenuntergangsregion für kaum bewohnbar kalt halten? Dies würde gut zu Theodors Kommentar zu Ps 74,7 f. (hg. R. Devreesse, Le commentaire de Théodore de Mopsueste sur les psaumes (I - LXXX) [Vatikan 1939], 503) passen, wo auch das nördliche und südliche Klima – im Gegensatz zum westlichen und östlichen – als unbewohnbar bezeichnet werden. 22 Cod. 223 220b5–19 (hg. Henry IV, 42 f.): δύο μὲν οὐρανοὺς λέγει γεγενῆσθαι, ἕνα μὲν τοῦ ὁρωμένου ἀνώτερον, ὃν καὶ συνυφεστάναι τῇ γῇ, θάτερον δὲ τὸν ὁρώμενον· δύο δὲ ὄντων τὸν μὲν ὀροφῆς ἐπέχειν λόγον, τὸν δὲ ὡς μὲν τὴν γῆν ὀροφῆς ὡσαύτως, ἐδάφους δὲ καὶ βάσεως ὡς τὸν ὑπερέχοντα. Καὶ γῆν δὲ μίαν. Καὶ τὰ μὲν οὐράνια ταῖς κρείττοσιν ἀπονενεμῆσθαι δυνάμεσι, τοῖς ὁρωμένοις δὲ τὰ ὑπουράνια. Μὴ σφαῖραν δὲ τὸν οὐρανὸν εἶναι, ἀλλὰ σκηνῆς καὶ καμάρας διασῴζειν σχῆμα. Καὶ ταύτης τῆς ὑπολήψεως γραφικάς, ὡς οἴεται, προβάλλει μαρτυρίας, οὐ μόνον περὶ τοῦ σχήματος, ἀλλὰ καὶ περὶ δύσεως καὶ περὶ ἀνατολῆς ἡλίου. Αἰτιολογεῖ δὲ καὶ τὴν τῶν ἡμερῶν καὶ νυκτῶν αὐξομείωσιν, καὶ ἄλλα τινὰ τοιαῦτα πολυπραγμονεῖ, ὡς ἔμοιγε δοκεῖ, τὸ ἀναγκαῖον οὐκ ἔχοντα, εἰ καὶ τοῖς ἱεροῖς λογίοις προσφύεται.
3.1 Diodor v. Tarsus | 55
himmlischen, eine Vorstellung, welche dann im Anschluß an Theodors Katastasenlehre kosmotheologische Karriere machen wird. Wie er diese des Näheren konzipierte und kosmologisch begründete, erfahren wir aus Photius leider nicht. Dürfen wir sein Referat beim Wort nehmen, so hat Diodor Jes 40,22 anscheinend wie Theophilus auf den ersten Himmel bezogen und den Bereich zwischen Firmament und erstem Himmel, anders als später Kosmas, den Engeln zugeteilt. Leider läßt es uns auch hinsichtlich der sonstigen theologischen Valenzen dieser Kosmologie für Diodor, mit Ausnahme der antifatalistischen und -äternalistischen, völlig im Dunkeln. Daß Diodor die Stiftshütte ganz grundsätzlich – einer verbreiteten, bereits jüdischen Vorstellung folgend²³ – für ein Abbild der Welt hielt, bezeugt vielleicht ein in den Handschriften mehrheitlich ihm, aber auch Theodor zugeschriebenes Fragment der Collectio Coisliniana: „Weil das Zelt nämlich Abbild der Schöpfung war, über die Moses erzählt, mußte es ein Zelt für die gesamte Schöpfung werden, welches die Gestalt des größten Tempels trug, damit die Menschen erkannten, daß die Israeliten den Herrn des Alls zu sich herabgestiegen hatten, nicht als an menschliche Gravuren und Plastiken gebundenen, sondern als wie der Herr des Ganzen dem Abbild des Alls einwohnenden“.²⁴
Da das Fragment offensichtlich aus einer Kommentierung von Hbr 8,5 stammt, wurde es bislang in der Forschung mehrheitlich Theodors Hebräerbriefkommentar zugeschlagen.²⁵ Sollten jedoch unsere unten zu Chrysostomus geäußerten Vermutungen zutreffen, daß dieser seine in der Weihnachtshomilie vorgetragene Hebräerbriefauslegung im Wesentlichen aus Diodor bezieht,²⁶ wäre nicht nur diese Zuschreibung neu
23 Vgl. Philo, De vita Mosis II,74–108 (hg. L. Cohn/P. Wendland, Philonis Alexandrini opera quae supersunt, Bd. 4 [Berlin 1902], 217–26); Josephus, Antiquitates III,180–87 (LCL 242, 402–6) und P. Schäfer, „Tempel und Schöpfung. Zur Interpretation einiger Heiligtumstraditionen in der rabbinischen Literatur“, Kairos 16 (1974), 122–33. Unter den christlichen Vorläufern und Parallelen rezipiert lediglich Clemens substantielle Elemente der kosmologischen Auslegung, wogegen Origenes, Methodius, Gregor v. Nyssa oder Kyrill von Alexandrien relativ konsequent ekklesiologisch bzw. christologisch deuten (vgl. A. Holder, „The Mosaic tabernacle in early Christian exegesis“, Studia Patristica 25 [1993], 101–106; A. Conway-Jones, Gregory of Nyssa’s tabernacle imagery in its Jewish and Christian contexts [Oxford 2014], 35–46). Besonders die von Philon erwogene (Vita Mosis II, 98), bei Clemens (Stromata V, 6,35,6–36,1 [GCS 15, 350]) aufgenommene und ausgebaute Deutung der beiden Cherubim auf die Hemisphären des Kosmos zeigt sehr schön, daß die konkrete Durchführung der Analogie innerhalb eines ptolemäischen Weltbildes deutlich anders ausfallen muß als in einem nichtptolemäischen: Die für die ‚antiochenische‘ Tradition zentrale Deutung des Vorhangs auf das Firmament findet sich bei Juden und ‚Alexandrinern‘ nicht. 24 Collectio coisliniana 20 (TEG 10, 37 f.): Ἐπειδὴ γὰρ ἡ σκηνὴ τύπος ἦν τῆς κτίσεως, περὶ ἧς Μωσῆς ἱστορεῖ, καὶ ἀξιοῦντι δὲ τῷ θεῷ συνεῖναι τοῖς ἀνθρώποις, ἔδει σκηνὴν γενέσθαι τῆς κτίσεως ὅλης τοῦ μεγίστου αἰώνος τὸ σχήμα φέρουσαν, ἵνα γινώσκωσιν οἱ ἄνθρωποι ὅτι οἱ Ἰσραηλῖται τὸν τοῦ παντὸς κύριον ἔχουσι συγκατιόντα, οὐκ ἐν κολαπτοῖς καὶ γλυφαῖς ἀνθρώπων προσδούμενον, ἀλλ’ οἷα δεσπότην τῶν ὅλων τῷ τοῦ παντός άφομοιώματι ἐγκατοικοῦντα. 25 Vgl. B. ter Haar Romeny, „Early Antiochene commentaries on Exodus“, Studia Patristica 33 (1997), (114–19) 117. 26 Vgl. u. Anm. 53 und 62 f.
56 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor zu bedenken, sondern auch die christologische und eschatologische Dimension der antiochenischen Kosmographie im Kern schon bei ihrem ersten Urheber zu finden. Wie er ansonsten über die Himmelfahrt und den Aufenthaltsort der Auferstehungsleiber dachte, ist den kläglichen Resten seines Oeuvres nämlich leider nicht mehr zu entnehmen. Als Ergebnis ist somit nur festzuhalten, daß Diodor unseres Wissens nach der erste Autor war, der einen breit angelegten, theologisch aufgeladenen Angriff auf die pagane wissenschaftliche Kosmologie auf der Basis der heiligen Schrift startete: Nach seinem in der Suda erhaltenen Schriftenkatalog schrieb er noch mehrere Werke über astronomische Theorien (Περὶ σφαίρας καὶ τῶν ζ′ ζωνῶν καὶ τῆς ἐναντίας τῶν ἀστέρων πορείας, Περὶ τῆς ῾Ιππάρχου σφαίρας, Πῶς θερμὸς ὁ ἥλιος), sowie gegen die Philosophen, unter anderem Κατὰ Ἀριστοτέλους περὶ σώματος οὐρανίου.²⁷ Die konkreten Konturen dieses Erbes sind allerdings, wenn überhaupt, nur noch den Werken seiner Schüler und Schülersschüler zu entnehmen.
3.2 Johannes Chrysostomus Daß Diodors wohl berühmtester Schüler gerade an diesem Teil von dessen Erbe anknüpft, wird man sicherlich nicht behaupten können, geht doch das, was sich in seinem Werk an Polemik gegen die pagane Wissenschaft findet, kaum über die grundlegendsten Gemeinplätze hinaus. So betont er im Traktat über die Unbegreiflichkeit Gottes ganz explizit, daß die menschliche Vernunft überhaupt nicht in der Lage sei, verläßliche kosmologische Aussagen zu treffen. Nur aus der Schrift – Jes 40,22 – könne sie lernen, daß der Himmel kuppelförmig sei und die ganze Welt umfasse, über seine Natur jedoch vermöge sie gar nichts sicheres zu sagen,²⁸ ein Gedanke, der in der 28. Römerbriefhomilie noch eindrücklicher ausgeführt wird: „Auch wenn du über den Himmel etwas erfahren willst, ob er als solcher bestehen bleibt oder verwandelt wird, wird sie dir antworten und sprechen: ‚Die Himmel werden wie ein Kleid veralten
27 Suidae Lexicon, hg. A. Adler, Bd. 2, Leipzig 1931, 103. Zu den unterschiedlichen Werkkatalogen Diodors vgl. L. Abramowski, „Diodore de Tarse“, DHGE 14 (Turnhout 1960), (496–504) 498–500. 28 De incomprehensibili Dei natura II (SC 28, 154 f.): Καὶ ἵνα μάθῃς ὅτι τοῦτό ἐστιν ἀληθές, μηδὲν περὶ τῶν ἄνω διαλεχθῶμεν, ἀλλ’ εἰ βούλει κάτω πρὸς τὴν ὁρωμένην κτίσιν τὸν λόγον ἀγάγωμεν. Οὐχ ὁρᾷς τουτονὶ τὸν οὐρανόν; ὅτι μὲν καμάρας εἰκόνα διασῴζει ἴσμεν, καὶ τοῦτο αὐτὸ οὐκ ἀπὸ λογισμῶν, ἀλλ’ ἀπὸ τῆς θείας Γραφῆς μαθόντες· καὶ ὅτι πᾶσαν περιλαμβάνει τὴν γῆν, καὶ τοῦτο ἴσμεν, ὁμοίως παρ’ ἐκείνης ἀκούσαντες· τίς δὲ τὴν οὐσίαν ἐστὶν ἀγνοοῦμεν. Εἰ δέ τις διϊσχυρίζοιτο καὶ φιλονεικοίη, λεγέτω τί τὴν οὐσίαν ἐστὶν ὁ οὐρανός· ἆρα κρύσταλλος πεπηγώς; ἆρα νέφος πεπυκνωμένον; ἆρα ἀὴρ παχύτερος; Ἀλλ’ οὐδεὶς ἂν ἔχοι σαφῶς οὐδὲν εἰπεῖν. Ἔτι οὖν ἀποδείξεως, εἰπέ μοι, δεῖσθε πρὸς τὸ μαθεῖν τὴν μανίαν τῶν τὸν Θεὸν εἰδέναι λεγόντων; Τοῦ οὐρανοῦ τοῦ ὁρωμένου καθ’ ἡμέραν τὴν φύσιν οὐκ ἔχεις εἰπεῖν, καὶ τοῦ ἀοράτου Θεοῦ μετὰ ἀκριβείας ἐπαγγέλλῃ τὴν οὐσίαν εἰδέναι; Καὶ τίς οὕτως ἀναίσθητος ὡς μὴ τὴν ἐσχάτην τῶν ταῦτα λεγόντων καταγινώσκειν μανίαν;
3.2 Johannes Chrysostomus
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und wie einen Umhang wirst du sie zusammenrollen, Gott, und sie werden verwandelt werden‘ (Ps 101,27). Und wenn du etwas über seine Gestalt hören möchtest, höre wiederum: ‚der den Himmel ausspannt wie ein Fell‘ (Ps 103,2). Und wenn du etwas mehr über dessen Rückseite wissen willst, wird sie dir wiederum sagen: ‚der seine Obergemächer mit Wasser deckt‘ (Ps 103,3). Und sie bleibt nicht einmal hier stehen, sondern spricht auch über die Breite und Höhe zu dir und zeigt, daß beide gleichlang sind. ‚So weit nämlich‘, heißt es, ‚der Osten vom Westen entfernt ist, hat er eure Ungerechtigkeiten von euch entfernt. Der Höhe des Himmels über der Erde entsprechend hat er seine Barmherzigkeit bestärkt über diejenigen, die ihn fürchten‘ (Ps 102,12.11). Und wenn du dich um die Grundfesten der Erde kümmerst, wird sie dir auch diese nicht verbergen, sondern du wirst sie singen und sagen hören: ‚auf Wassern hat er sie gegründet‘ (Ps 23,2)“.²⁹
Singulär innerhalb der „antiochenischen Tradition scheint hier zunächst Chrysostomus’ Aufnahme der rabbinischen Konzeption, daß nach Ps 102,11 f. die Ost-WestErstreckung der Erde genauso lang sein müsse wie die Strecke von der Erde zum Himmel.³⁰ Noch interessanter ist jedoch, daß er gegen Diodor und die meisten anderen „Antiochener“ das klare Zeugnis des Psalters ernst genommen hat und genau wie Apollinaris die Erde auf Wasser gegründet sein läßt, natürlich wiederum unter ausdrücklicher Hervorhebung wundersamer göttlicher Umkehr der Elementarordnung: Daß Gott die Erde nach Ps 103,5 „auf ihrer Sicherheit“ gegründet hat, bedeutet nicht nur eine übernatürliche Aufhebung der natürlichen Bewegung der Elemente, nach der die Erde im Wasser versinken müßte,³¹ sondern auch eine Aussetzung von dessen
29 Hom. in Rm 28,2 (PG 60, 652ab): Κἂν περὶ οὐρανοῦ θέλῃς μαθεῖν, πότερον μένει τοιοῦτος ἢ μεταβάλλεται, σαφῶς ἀποκρινεῖταί σοι καὶ ἐρεῖ, ὅτι Οἱ οὐρανοὶ ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται, καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον ἑλίξεις αὐτοὺς, ὁ Θεὸς, καὶ ἀλλαγήσονται. Καὶ περὶ τοῦ σχήματος ἂν θέλῃς ἀκοῦσαι, ἀκούσῃ πάλιν· Ὁ ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέῤῥιν. Κἂν περὶ τῶν νώτων αὐτοῦ βουληθῇ τις πλέον εἰδέναι, ἐρεῖ σοι πάλιν· Ὁ στεγάζων ἐν ὕδασι τὰ ὑπερῷα αὐτοῦ. Καὶ οὐδὲ ἐνταῦθα ἵσταται, ἀλλὰ καὶ περὶ τοῦ πλάτους καὶ τοῦ ὕψους σοι διαλέγεται, δεικνὺς ταῦτα ἰσόμετρα ὄντα· Καθ’ ὅσον γὰρ, φησὶν, ἀπέχουσιν ἀνατολαὶ ἀπὸ δυσμῶν, ἐμάκρυνεν ἀφ’ ἡμῶν τὰς ἀνομίας ἡμῶν. Κατὰ τὸ ὕψος τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τῆς γῆς ἐκραταίωσε Κύριος τὸ ἔλεος αὐτοῦ ἐπὶ τοὺς φοβουμένους αὐτόν. Κἂν τῆς γῆς τὰ θεμέλια περιεργάσῃ, οὐδὲ ταῦτά σε ἀποκρύψεται, ἀλλ’ ἀκούσῃ ψάλλοντος αὐτοῦ καὶ λέγοντος, Ὅτι ἐπὶ θαλασσῶν ἐθεμελίωσεν αὐτήν. Κἂν περὶ τῶν σεισμῶν ἐπιθυμήσῃς μαθεῖν πόθεν γίνονται, ἀπαλλάξει σε πάσης ἀπορίας, οὕτω λέγων· Ὁ ἐπιβλέπων ἐπὶ τὴν γῆν, καὶ ποιῶν αὐτὴν τρέμειν. Διὰ τί οὕτω μέγας ὁ οὐρανός; Καὶ τοῦτο ἐρεῖ, ὅτι Οἱ οὐρανοὶ διηγοῦνται δόξαν Θεοῦ. Διὰ τί νὺξ καὶ ἡμέρα ἐγένετο; Οὐχ ἵνα φαίνωσι καὶ ἀναπαύωσι μόνον, ἀλλ’ ἵνα καὶ παιδεύωσιν· Οὐ γάρ εἰσι λαλιαὶ οὐδὲ λόγοι, ὧν οὐχὶ ἀκούονται αἱ φωναὶ αὐτῶν. Πῶς ἡ θάλασσα περίκειται τῇ γῇ; Ἄβυσσος ὡς ἱμάτιον τὸ περιβόλαιον αὐτῆς· οὕτω γὰρ τὸ Ἑβραϊκὸν ἔχει. 30 Vgl. Kulik, 3 Baruch, 136. 31 A. Malingrey, „Fragments du commentaire de Jean Chrysostome sur les psaumes 103 à 106“, in Texte und Textkritik. Eine Aufsatzsammlung (hg. J. Dummer u. a.; TU 133; Berlin 1987), (351–78) 354: ποίαν ἀφάλειαν ὦ προφήτα; ὅπου τοσοῦτον ὕδωρ ὑπόκειται καὶ πέλαγος ἀμήχανες τὸ φέρον ὑπὲρ τῶν νώτων αὐτὴν; καὶ γὰρ ἀλλαχοῦ τοῦτο δηλῶν ἔλεγε· τῷ θεμελιώσαντι τὴν γῆν ἐπὶ ὕδωρ. […] ἐπειδὴ γὰρ ὁ θεμέλιος οὐκ ἀσφαλὴς, ἀλλὰ σφόδρα σαθρὸς ἦν ἐν αὐτῇ, τὴν ἀσφάλειαν ἔθηκεν ὁ ποίησας. τίς δὲ αὐτὴ ἡ ἀσφάλεια; ἡ δύναμις τοῦ ἐργασαμένου. ἐν γὰρ τῇ χειρὶ αὐτοῦ τὰ πέρατα τῆς γῆς. Γῆς ἄρα ἀσφάλεια τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ τὸ πάντων ἰσχυρότερον, δι᾿ οὗ καὶ γέγονεν οὐκ οὖσα ἐξ ἀρχῆς καὶ οὖσα διατηρεῖται καὶ ταῦτα ὑδάτων ἐπικειμένων. […] ἐπειδὴ γὰρ ὕδωρ ἤκουσας ὑποκεῖσθαι τῇ γῇ, μὴ φοβήθης, φησíν. ὁ μὲν γὰρ λογισμὸς δέος εἰσάγει, ἡ δὴ πρὸς τὸν ποιήσαντα πίστις ἅπασαν ἐκβάλλει τὴν ἀγωνίαν.
58 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor zersetzender Kraft, welcher mit der Zeit nicht nur Holz, sondern auch Eisen und Stein vernichtet.³² Daß der Abyss nach Ps 103,6 wie ein Gewand umschlingt kann daher trotz des im Prinzip unpassenden Pronomens („Sein [scil. Gottes] Überwurf ist der Abyss wie ein Gewand“) nur auf den die Erde umschließenden Okeanosstrom gedeutet werden.³³ Wie er andernorts erklärt, betrachtet er dabei Hi 26,7 und Ps 23,2/135,6 ausdrücklich als äquivalent: „Auf Wassern zu stehen ist nämlich dasselbe, wie über dem Nichts zu hängen“, nämlich auf keinerlei zureichendem Grund, sondern allein durch göttliche Allmacht stabilisiert zu werden.³⁴ Im Großen und Ganzen scheint er also den biblizistischen Standpunkt seines Lehrers teilen, doch dahingehend überspitzt, daß jegliche kosmologische Forschung oder Argumentation fruchtlos sei und man sich schlicht mit den Aussagen der heiligen Schrift begnügen müsse. Warum die Tage im Sommer länger und im Winter kürzer sind, erklärt Chrysostomus ausdrücklich für unerklärbar, ebenso wie die einer Erdscheibenkosmographie entsprechende angebliche Unbewohnbarkeit des äußersten Nordens aufgrund von Kälte und des Südens aufgrund der Hitze.³⁵ Auch in seiner Genesisauslegung³⁶ greift er somit immer wieder auf den Meister zurück, dies jedoch – soweit wir das kontrollieren können – fast unter kompletter 32 Vgl. Ad populum Antiochenum 9,3 (PG 49, 107 f.). 33 Malingrey, „Fragments“, 354 f. 34 Ad populum Antiochenum 9,4 (PG 49, 108): Καὶ τίς οὐκ ἂν ἐκπλαγείη ταῦτα καὶ θαυμάσειε, καὶ θαῤῥῶν ἂν εἴποι, οὐχὶ φύσεως εἶναι ἔργα, ἀλλὰ τῆς ὑπὲρ φύσιν Προνοίας; Διὰ ταῦτά τίς φησιν· Ὁ κρεμάσας τὴν γῆν ἐπ’ οὐδενός· ἄλλος δέ τις, Ἐν τῇ χειρὶ αὐτοῦ τὰ πέρατα τῆς γῆς· καὶ, ὅτι Ἐπὶ θαλασσῶν ἐθεμελίωσεν αὐτήν. Καὶ δοκεῖ μὲν ἐναντία ταῦτα εἶναι, πολλὴν δὲ ἔχει τὴν συμφωνίαν. Ὁ γὰρ εἰπὼν, ὅτι Ἐπὶ τῶν ὑδάτων ἐθεμελίωσεν αὐτὴν, ταυτὸν εἶπε τῷ εἰρηκότι, ὅτι ἐπ’ οὐδενὸς αὐτὴν ἐκρέμασε· τὸ γὰρ ἐπὶ ὑδάτων ἑστάναι ἴσον ἐστὶ τοῦ κρέμασθαι ἐπ’ οὐδενός. Ποῦ οὖν κρέμαται καὶ ἕστηκεν; Ἄκουσον τοῦ αὐτοῦ λέγοντος· Ἐν τῇ χειρὶ αὐτοῦ τὰ πέρατα τῆς γῆς· οὐχ ὅτι χεῖρας ἔχει ὁ Θεὸς, ἀλλ’ ἵνα μάθῃς ὅτι ἡ δύναμις αὐτοῦ ἡ προνοοῦσα πάντων, αὕτη ἐστὶν ἡ συγκρατοῦσα καὶ διαβαστάζουσα τὸ σῶμα τῆς γῆς. Wie eine ganz ähnliche Auslegung besagter Stellen durch einander mit einem sphärischen Weltbild verbunden werden kann, zeigt Didymus, In Ps 23,2 (hg. M. Gronewald, Psalmenkommentar, Bd. 2 [Bonn 1968], 42): ἴσον ἐστὶν τὸ λεγόμενον ἐνταῦθα τῷ εἰρημένῳ οὕτω· ‚τῷ στερεώσαντι τὴν γῆν ἐπὶ τὸ ὕδωρ‘, καὶ ὑπὸ τοῦ Ἰώβ· ‚κρεμάζων γῆν ἐπ’ οὐδενός‘· εἰ γὰρ ἐν θαλάσσῃ τεθεμελίωται, οὐκ ἔχει θεμέλιον σκληρὸν καὶ ἀντίτυπον, ἀλλ’ ἐν τοῖς ὕδασι ἔχει τὸ κρεμάσθαι. καὶ πᾶν μὲν ὕδωρ ἀντερίζον ἔδαφος ἔχει. ἐπειδὴ δὲ ἡ θάλασσα ἔχει ὑποκείμενον ἔδαφος, πάντως κἀκεῖνο δεῖ ἔχειν τι ὑποκείμενον. οὐκ εὑρίσκεται δὲ ἄλλο ἢ τὸ ὑγρόν. διὰ τοῦτο λέγει ἐπὶ θαλασσῶν τεθεμελιῶσθαι τὴν γῆν. αὐτὴ πρὸς ἑαυτὴν συνστρεφομένη κρατεῖ ἑαυτήν. οὐκ ἔδαφος ἀντερίζον σκληρὸν ἐᾷ αὐτὴν οὕτω τετάχθαι, ἀλλὰ αὐτὴ περὶ ἑαυτὴν στρέφεται. ἀμέλει γοῦν καὶ Ἑλλήνων οἱ λόγι λέγουσιν, ὅτι εὐθεῖαι πεμπόμεναι ἀπὸ τοῦ κύκλου - εὐθεῖαι δὲ οὐκ αἰσθηταί, ἀλλὰ λόγῳ θεωρεῖται - διακρατοῦσιν αὐτὴν ἐν τῷ μεσαιτάτῳ. καὶ τοῦτό ἐστιν τὸ ἐπὶ μηδενὸς αὐτὴν κρεμάσθαι. 35 In Eph 19,4 (PG 62, 132): Εἰπὲ δή μοι, τί δήποτε οὕτω μικρὸν αὐτὸν εἰργάσατο, καὶ τοσοῦτον ἀπέχοντα τοῦ ὕψους τοῦ οὐρανοῦ, ὡς καὶ ἀμφιβάλλειν περὶ τῶν ἄνω φαινομένων; τίνος δὲ ἕνεκεν τὰ βόρεια ἀοίκητά ἐστι, καὶ τὰ νότια; Εἰπὲ δή μοι, διὰ τί γέγονεν ἡ νὺξ χειμῶνος μὲν μακροτέρα, θέρους δὲ ἐλάττων; διὰ τί ψῦχος τοσοῦτον, διὰ τί καῦμα, διὰ τί σῶμα θνητόν; Καὶ μυρία σε ἕτερα ἐρωτῶ, καὶ ἐὰν θέλῃς, οὐ παύσομαί σε ἐρωτῶν, καὶ ἐν ἅπασί μοι διαπορήσεις. Daß Chrysostomus also nicht mit einer (potentiellen) Antökumene auf einer Südhalbkugel rechnet, ist hier deutlicher als bei Diodor (vgl. o. Anm. 21). 36 Einschlägig sind hier fast ausschließlich die gemeinhin 388/89 angesetzten die gesamte Genesis abdeckenden 67 Homilien. Die wohl einige Jahre vorher gehaltenen acht Sermones in Gen 1–3 (vgl. SC 433, 11 f.) konzentrieren sich fast ganz auf Gottesebenbildlichkeit und Fall. Lediglich Serm 1,3 werden
3.2 Johannes Chrysostomus
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Absehung von dessen kosmologischer Argumentation und Polemik: So wird etwa die Richtigstellung zu Gen 1,17, daß ἔθετο hier nicht im Sinne von ἔπηξεν zu verstehen (und somit als Fixieren der Sterne auf einer rotierenden Himmelssphäre zu deuten) sei, gänzlich ohne Polemik als Hinweis auf die auch durch die Gestirnsbewegung bedingte Ordnung und Schönheit des Himmels vorgetragen.³⁷ Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, daß man in den Homilien weitaus mehr über den Nutzen des Fastens und Almosengebens erfährt als über die kosmologischen Vorstellungen ihres Autoren. Weder zu Wesen, Gestalt und Bewegung des Himmels noch der Erde oder der Gestirne finden sich explizite Festlegungen und die Vexierfrage nach der Natur des Firmaments wird ausdrücklich suspendiert.³⁸ Vielmehr wird die ‚traditionelle‘, antiptolemäische Kosmologie wie selbstverständlich vorausgesetzt, wenn Chrysostomus Gen 1,1 mit Theophilus³⁹ insofern als herausragenden Beleg für die göttliche Allmacht wertet, als hier der der Erde offensichtlich als Dach aufsitzend vorgestellte Himmel vor dieser geschaffen werde: „Sieh auch aus der Art und Weise der Erschaffung selbst die göttliche Natur durchscheinen, wie sie der menschlichen Gewohnheit ganz gegenläufig die Schöpfung verfertigt, indem sie vorher den Himmel ausspannt und dann erst die Erde darunter breitet, zuerst das Dach und dann das Fundament. Wer hat dies gesehen? Wer gehört? Bei einer menschlichen Verfertigung könnte das niemals geschehen. Wenn aber Gott befiehlt, weicht alles seinem Willen und gibt nach“.⁴⁰
die Grundzüge der Schöpfungstheologie exponiert, im Wesentlichen – manchmal bis in den Wortlaut hinein – Hom. 2,3 antizipierend (vgl. die Synopse ebd., 18 f.). 37 Hom. in Gen 6,5 (PG 53, 59): Τί ἐστιν, Ἔθετο; Ὡς ἂν εἴποι τις, ἔπηξεν; Μὴ γένοιτο· ὁρῶμεν γὰρ αὐτοὺς πολλάκις ἐν μιᾷ καιροῦ ῥοπῇ πολὺ διάστημα διατρέχοντας, καὶ οὐδέποτε ἐν ἑνὶ τόπῳ ἱσταμένους, ἀλλὰ τὸν οἰκεῖον δρόμον ἀποπληροῦντας, ὃν τρέχειν ἐτάχθησαν παρὰ τοῦ Δεσπότου. Τί οὖν ἐστι τὸ, Ἔθετο; Ἀντὶ τοῦ, προσέταξεν αὐτοὺς εἶναι ἐν τῷ οὐρανῷ. Καὶ γάρ ἐστιν ἰδεῖν προϊοῦσαν τὴν Γραφὴν, καὶ ἀλλαχοῦ λέγουσαν, ὅτι Ἔθετο τὸν Ἀδὰμ ἐν τῷ παραδείσῳ, οὐκ ἐπειδὴ ἐνέπηξεν αὐτὸν τῷ παραδείσῳ, ἀλλ’ ὅτι προσέταξεν αὐτὸν εἶναι ἐν τῷ παραδείσῳ. Τὸν αὐτὸν δὴ τρόπον καὶ περὶ τῶν ἀστέρων εἴποιμεν ἂν, ὅτι προσέταξεν αὐτοὺς ἐν τῷ στερεώματι τοῦ οὐρανοῦ ὄντας, τὸ οἰκεῖον φῶς ἐκπέμπειν ἐπὶ τῆς γῆς. Ἐννόησον γάρ μοι, ἀγαπητὲ, ποίων λειμώνων καὶ παραδείσων οὐκ ἂν εἴη τερπνότερον ἰδεῖν ἐν μέσῃ τῇ νυκτὶ τὸν οὐρανὸν κατηστερωμένον, καὶ καθάπερ τισὶν ἄνθεσι τῇ διαφορᾷ τῶν ἄστρων καλλωπιζόμενον, καὶ πολὺ τὸ φῶς εἰς τὴν γῆν αὐτοὺς καταπέμποντας; 38 Hom. in Gen 4,3 (PG 53, 42): Ἀλλὰ τί ἄν τις εἴποι τοῦτο εἶναι τὸ στερέωμα; Ὕδωρ πεπηγὸς, ἀλλ’ ἀέρα τινὰ συνεστραμμένον, ἀλλ’ ἑτέραν τινὰ οὐσίαν; Οὐκ ἄν τις ἁπλῶς τῶν εὖ φρονούντων διισχυρίσαιτο. Ἀλλὰ προσήκει πολλῇ τῇ εὐγνωμοσύνῃ κεχρημένους δέχεσθαι τὰ λεγόμενα, καὶ μὴ περαιτέρω τῆς οἰκείας φύσεως ὑπερβαίνοντας διερευνᾶσθαι τὰ ὑπὲρ ἡμᾶς, ἀλλὰ τοῦτο μόνον εἰδέναι καὶ κατέχειν παρ’ ἑαυτοῖς, ὅτι τῷ προστάγματι τοῦ Δεσπότου παρήχθη τὸ στερέωμα τὸν χωρισμὸν τῶν ὑδάτων ἐργαζόμενον, καὶ τὰ μὲν κάτω κατέχον, τὰ δὲ ἄνω μετέωρα ὑπὲρ τῶν οἰκείων νώτων φέρειν δυνάμενον. 39 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 2. 40 Hom. in Gen 2,3 (PG 53, 30): Ὅρα καὶ ἐξ αὐτοῦ τοῦ τῆς δημιουργίας τρόπου τὴν θείαν φύσιν διαλάμπουσαν, ὡς ἀπεναντίας τῇ ἀνθρωπίνῃ συνηθείᾳ τὴν δημιουργίαν ποιεῖται, πρότερον τὸν οὐρανὸν τείνας, καὶ τότε τὴν γῆν ὑποστορέσας· πρότερον τὸν ὄροφον, καὶ τότε τὸν θεμέλιον. Τίς εἶδε; τίς ἤκουσεν; Ἐπὶ μὲν γὰρ τῆς ἀνθρωπίνης δημιουργίας οὐκ ἂν τοῦτο γένοιτ’ ἄν ποτε. ὅταν δὲ ὁ Θεὸς κελεύῃ, πάντα τῷ βουλήματι αὐτοῦ εἴκει καὶ παραχωρεῖ. Vgl. Sermo 1,3,231–36 (SC 433, 166). Auch zu Hi 38,7b
60 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Ein ähnlicher Schriftpositivismus zeigt sich auch in der auf den ersten Blick etwas überraschenden Zuordnung von erstem Himmel und Firmament: Wenn Chrysostomus anscheinend nicht nur gegen Diodor, sondern eigentlich auch gegen den Wortlaut von Gen 1,8 strikt darauf besteht, daß es nur einen Himmel gibt, nämlich den ersten, das Firmament als Scheidewand zwischen den oberen und unteren Wassern jedoch nur Himmel genannt werde, so tut er dies wohl hauptsächlich um des Wortlauts von Gen 1,1 willen. Der heilige Geist spricht sensu stricto nur von einem Himmel, die am zweiten Tag geschaffene Wasserscheide hingegen heißt nur ‚Himmel‘, um ihren Nutzen zu verdeutlichen.⁴¹ Um diese These zu untermauern fügt er sogar eigens einen kleinen Exkurs über die Entstehung der Septuaginta ein, um die im AT gelegentlich vorkommende pluralische Rede von Himmeln als bloßes Echo des hebräischen plurale tantum shamajim zu entlarven.⁴² Daß diese Kautele für ihn vielleicht keine allzu fundamentale Wichtigkeit besaß, könnte man der Tatsache entnehmen, daß er angesichts der Entrückung des Paulus in den dritten Himmel (2Kor 12,2) überhaupt keine Probleme mit einer Mehrzahl von Himmeln zu haben scheint, sondern sich etwa in De compunctione II,2 lebhaft ausmalen kann, wie die Flamme der Liebe des Apostels die Spitze der Himmelskuppel durchstößt, durch das luftige oder sonst wie geartete Medium zwischen diesem und dem nächsten Himmel dringt und schließlich auch diesen noch übersteigt,⁴³ und in hält er fest, daß der Himmel die Erde (um von ihr gestützt zu werden) berührt (PTS 35, 191: ὁρᾷς, ὅτι τῆς γῆς αὐτῆς ἅπτεται; τοῦτο γάρ ἐστιν ἔκλινεν). 41 Hom. in Gen 4,3 (PG 53, 42): Καὶ πῶς, φησὶ, τινὲς βούλονται λέγειν πολλοὺς οὐρανοὺς γεγενῆσθαι; Οὐκ ἀπὸ τῆς θείας Γραφῆς ταῦτα διδασκόμενοι, ἀλλ’ ἐξ οἰκείων λογισμῶν ὁρμώμενοι. Ὁ γὰρ μακάριος Μωϋσῆς οὐδὲν τούτων πλέον ἡμᾶς διδάσκει· εἰπὼν γὰρ, Ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ Θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν· εἶτα τὴν αἰτίαν διδάξας δι’ ἣν ἀόρατος ἐτύγχανεν ἡ γῆ, ὑπὸ τοῦ σκότους καὶ τῶν ὑδάτων τῆς ἀβύσσου καλυπτομένη, μετὰ τὴν τοῦ φωτὸς δημιουργίαν τάξει τινὶ καὶ ἀκολουθίᾳ χρώμενός φησι· Καὶ εἶπεν ὁ Θεὸς, Γενηθήτω στερέωμα. Εἶτα τὴν χρείαν αὐτοῦ τούτου τοῦ στερεώματος μετὰ ἀκριβείας διδάξας, καὶ εἰπὼν, Ὥστε διαχωρίζειν ἀναμέσον ὕδατος καὶ ὕδατος, αὐτὸ τοῦτο τὸ στερέωμα οὐρανὸν ἐκάλεσε τὸ τῶν ὑδάτων χωρισμὸν ἐργασάμενον. Τίς ἂν οὖν λοιπὸν μετὰ τὴν τοσαύτην διδασκαλίαν ἀνάσχοιτο τῶν ἁπλῶς ἐξ οἰκείας διανοίας φθέγγεσθαι βουλομένων, καὶ ἀπεναντίας τῇ θείᾳ Γραφῇ πολλοὺς οὐρανοὺς λέγειν ἐπιχειρούντων; Vgl. ebd. 4,4 (43): ἐπεὶ εἰ πολλοὶ ἦσαν, οὐκ ἂν παρέλειπε τὸ Πνεῦμα τὸ ἅγιον μὴ διὰ τῆς γλώττης τοῦ μακαρίου τούτου προφήτου διδάξαι ἡμᾶς καὶ τῶν ἄλλων τὴν δημιουργίαν. Ταῦτα ἀκριβῶς κατέχετε, παρακαλῶ, ἵνα δύνησθε ἐπιστομίζειν τοὺς ἐναντία τῇ Ἐκκλησίᾳ δόγματα ἐπεισφέρειν βουλομένους, καὶ εἰδῆτε μετὰ ἀσφαλείας τῶν ἐν ταῖς θείαις Γραφαῖς κειμένων τὴν δύναμιν. Ähnlich votiert auch Theodoret (u. Anm. 224) und später der ostsyrische Genesiskommentar von Dyarbakir (CSCO 484, 19 f.). 42 Hom. in Gen 4,4 (PG 53, 42 f.); vgl. ebenso In Ps 148,1 (PG 55, 485 f.): Οὐρανοὺς δὲ οὐρανῶν ἐνταῦθα λέγων, οὐ πλῆθος ἐνδείκνυται, ἀλλ’ οὐρανὸν οὐρανοῦ τὸν αὐτὸν λέγει. Τῇ γὰρ Ἑβραίων φωνῇ τὸν οὐρανὸν ἔθος οὐρανοὺς καλεῖν· καθάπερ καὶ ἑτέρωθί φησιν· Ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ· τὴν δὲ γῆν ἔδωκε τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων. Καὶ τὸ ὕδωρ τὸ ὑπεράνω τῶν οὐρανῶν. Ἤκουες καὶ Μωϋσέως λέγοντος, ὅτι τῶν ὑδάτων τὰ μὲν εἴασε κάτω, τὰ δὲ ὑπὲρ τῶν νώτων τῶν οὐρανίων μετεωρίζεσθαι παρεσκεύασεν, ἐν τῷ μέσῳ τῆς ἀβύσσου πήξας τὸ στερέωμα, καὶ ὑπὲρ τῶν νώτων ἀφεὶς τὰ ὕδατα μένειν. 43 PG 47, 413. Vgl. auch die Auslegung der Stelle in Hom in 2Kor 26,1 (PG 61, 575 f.), welche die Existenz eines dritten Himmels ebenfalls mit keinem Wort problematisiert. Zur Bedeutung der Stelle für das Pau-
3.2 Johannes Chrysostomus
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der unten noch etwas näher zu betrachtenden Auslegung von Ps 135,5 („er hat die Himmel in Verständigkeit geschaffen“) scheint er die Existenz zweier Himmel geradezu als konstitutiv für Gottes Schöpfergüte anzusehen.⁴⁴ Obwohl Chrysostomus also wahrlich keinen Wert auf die Entwicklung einer kohärenten kosmologischen Konzeption legt, scheint er ähnlich wie Diodor mit einer feststehenden Himmelskuppel,⁴⁵ welche durch das Firmament in zwei Stockwerke geteilt wird und auf einer flachen Erdplatte oder aber den diese umgebenden Wassern aufliegt,⁴⁶ zu rechnen. Über die exakte Form des Ganzen scheint er sich dabei allerdings – abgesehen von einer etwas kryptischen Katenennotiz zu Hi 38,38⁴⁷ – keine genauen Vorstellungen zu machen, wenn er sich ausdrücklich über die Konstanz der oberen Wasser verwundert, welche doch vor allem im Falle einer Kuppelform des Firmaments längst abgeflossen sein müßten,⁴⁸ ein Problem, das sein Lehrer Diodor ja unter Verweis auf die gestützte Zeltdecke gelöst hatte.⁴⁹ Und wo dieser die oberen Wasser als Erklärung dafür bemüht hatte, daß das Firmament die Hitze der Sonne erträgt, zieht es Chrysostomus vor, sich darüber zu wundern, daß diese die Sonne nicht auslöschen, ohne auf ihre kosmologische Funktion näher einzugehen.⁵⁰ Anläßlich einer Erörterung unterschiedlicher Ausformungen der Elemente unterscheidet er sieben lusbild des Chrysostomus insgesamt vgl. A. Heiser, Die Paulusinszenierung des Johannes Chrysostomus: Epitheta und ihre Vorgeschichte (Tübingen 2012), 485–526. 44 Vgl. u. Anm. 62 f. 45 Vgl. Ad populum Antiochenum 12,2 (PG 49, 128): οὐ γὰρ μόνον ἐποίησεν αὐτὴν, ἀλλὰ καὶ γενομένην ἐργάζεσθαι παρεσκεύασεν, οὔτε πᾶσαν ἀκίνητον ἀφεὶς, οὔτε πᾶσαν κινεῖσθαι κελεύσας· ἀλλ’ οὐρανὸς μὲν ἀκίνητος ἕστηκε, καθάπερ ὁ προφήτης φησὶν, Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν, καὶ διατείνας αὐτὸν ὡσεὶ σκηνὴν ἐπὶ τῆς γῆς· ὁ δὲ ἥλιος μετὰ τῶν ἄστρων τῶν λοιπῶν καθ’ ἑκάστην τρέχει τὴν ἡμέραν· καὶ γῆ πάλιν πέπηγε, τὰ δὲ ὕδατα βαδίζει διαπαντός. 46 Vgl. In Eph 19,3 (PG 62, 131): Εἰ μηδεὶς ἐφεστὼς ἦν, ἀλλ’ ἀπὸ ταυτομάτου πάντα συνειστήκει, τίς τὴν καμάραν ταύτην τὴν οὕτω καλὴν, τὴν οὕτω μεγάλην, τὸν οὐρανὸν λέγω, περιδινήσας ἐπὶ τῆς γῆς ἔστησεν, ἢ καὶ ἐπὶ ὑδάτων; 47 In Hi 38,38b (PTS 35, 191): τὸ πεπηγὸς καὶ βέβαιον καὶ τὸ σχῆμα δὲ αὐτοῦ παρέστησεν εἰπὼν ὥσπερ κύβον τὸ ἡμισφαίριον ἤτοι τὸ ἄνωθεν μὴ εἶναι οὕτως, ἀλλὰ τετράγωνον. Ist dies korrekt überliefert und nicht durch Raffung entstellt, kann es nur bedeuten: „Die Festigkeit und Stabilität sowie dessen Form legt er dar, indem er die Halbkugel als Würfel anspricht, also daß das Obere nicht so (scil. halbkugelförmig), sondern viereckig sei“. 48 Ad populum Antiochenum 9,4 (PG 49, 108 f.): Τὰ νῶτα τοῦ οὐρανοῦ τοῦ φαινομένου ὕδατα περιλαμβάνει πάντοθεν, καὶ οὐ καταῤῥεῖ, οὐδὲ ἐξίσταται, καίτοι γε οὐκ ἔστι τοιαύτη τῶν ὑδάτων ἡ φύσις· ἀλλ’ εἰς μὲν τὰ κοῖλα συντρέχει ῥᾳδίως· ἐπειδὰν δὲ κεκυρτωμένον ᾖ σῶμα, διολισθαίνει πάντοθεν, καὶ οὐκ ἂν αὐτοῦ οὐδὲ μικρὸν σταίη μέρος ἐπὶ τοῦ τοιούτου σχήματος. Ἀλλ’ ἰδοὺ τὸ παράδοξον τοῦτο γέγονεν ἐπὶ τῶν οὐρανῶν· καὶ τοῦτο αὐτὸ πάλιν ὁ προφήτης αἰνιττόμενος λέγει· Αἰνεῖτε τὸν Κύριον, τὰ ὕδατα τὰ ὑπεράνω τῶν οὐρανῶν. Καὶ οὔτε τὸ ὕδωρ τὸν ἥλιον ἔσβεσεν, οὔτε ὁ ἥλιος ἐπὶ τοσοῦτον χρόνον βαδίζων κάτωθεν τὸ ἐπικείμενον ἀνεξήρανεν ὕδωρ. 49 Vgl. o. Anm. 16 und 18. 50 Nach In Eph 12,2 (PG 62, 90) sind es (gegen Schleicher, Cosmographia, 198) eindeutig die πηγαὶ καὶ λίμναι καὶ ποταμοὶ καὶ θάλασσαι, also die irdischen Wasser, die die Sonnenhitze durch ihre Ausdünstung im Zaum halten, nicht die oberen.
62 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Arten von Wasser, trennt also sowohl das unterirdische Wasser relativ klar vom Quellund Meerwasser, als auch das überirdische vom Wolken-, Luft- und Himmelswasser,⁵¹ was wiederum an die jüdische Unterscheidung des irdischen Wasserkreislaufs von den überirdischen, göttlichen Segen und Strafe wirkenden Einspeisungen erinnert.⁵² Obwohl er also die Kosmographie seines Lehrers mindestens in groben Zügen teilt, hat sie für ihn doch einen deutlich anderen Stellenwert: Sie soll nicht primär erklären, sondern vielmehr zum Staunen über die göttliche Schöpferkraft anleiten, nicht die Philosophen mit deren eigenen Mitteln widerlegen, sondern ihnen die Unfruchtbarkeit ihres Ansatzes aufweisen. Daß er den Details der Kosmographie somit irgendwelche tiefergehende theologische Bedeutung zumißt, ist nach dem bislang ausgeführten nicht zu erwarten. Immerhin vertritt er mancherorts relativ klar eine offensichtlich aus dem Hebräerbrief gewonnene kosmologisch-typologische Auslegung der Stiftshütte: „Und er baut sich einen Tempel nach dem Abbild des gesamten Kosmos, des wahrnehmbaren und des intelligiblen. Wie es nämlich Himmel und Erde gibt und dazwischen als Scheidewand dies Firmament, so befahl er, daß auch jener (Tempel) werden sollte. Und indem er diesen Tempel in zwei Bereiche zerteilte und in der Mitte einen Vorhang aufhängen ließ, ließ er den Bereich außerhalb des Vorhangs für jeden zugänglich, den Bereich innerhalb jedoch unzugänglich und unsichtbar für alle mit der einzigen Ausnahme des Hohepriesters. Und daß dies nicht unsere Vermutung ist, sondern der Tempel tatsächlich als Abbild des ganzen Kosmos verfertigt wurde, höre, was Paulus darüber sagt, wenn er über den zum Himmel fahrenden Christus sagt: ‚Denn Christus ging nicht in ein handgemachtes Heiligtum ein, ein Abbild des wahren‘ (Hbr 9,24) und zeigt dabei, daß das hiesige nur ein Abbild des wahren ist. Daß auch der Vorhang das Allerheiligste so vom äußeren Heiligtum abtrennte, wie dieser Himmel das über ihm Befindliche von allem uns Zugänglichem abgrenzt, höre wie er auch dies angedeutet hat, indem er den Himmel ‚Vorhang‘ nannte. In seinen Ausführungen über die Hoffnung, daß wir diese als sicheren und festen Anker der Seele besitzen, fügt er nämlich an: ‚Und sie betritt das Innere des Vorhangs, wo Jesus als Vorläufer für uns einging‘ (Hbr 6,19 f.), über den Himmel droben. Siehst du, wie er den Himmel einen Vorhang genannt hat“.⁵³
51 In Ps 134,3 (PG 55, 391): Καὶ γὰρ τοῦ ὕδατος τὸν μέν ἐστι πηγαῖον, τὸ δὲ θαλάττιον, τὸ δὲ ἀέριον, τὸ δὲ ἐν νεφέλαις, τὸ δὲ οὐράνιον, τὸ δὲ ὑπεράνω τῶν οὐρανῶν, τὸ δὲ ὑπόγειον. Daß er im selben Zusammenhang das Feuer der Sonne von dem des Mondes und der Gestirne unterscheidet, dürfte darauf hindeuten, daß er den Mond für selbstleuchtend hält (vgl. In Gen 6,5 [PG 53, 59]: Ὥσπερ γὰρ οὐκ ἔστιν ἐν ἡμέρᾳ ἰδεῖν ἀστέρας ἐν τῷ οὐρανῷ διατρέχοντας (τὸ γὰρ τοῦ ἡλίου φῶς τῇ πολλῇ φαιδρότητι ἀποκρύπτει ἐκείνων τὴν χρείαν), οὕτως οὐδὲ ἥλιος ἐν νυκτὶ ἂν φανείη ποτὲ, ἀρκούσης τῆς σελήνης ἐπὶ τῷ οἰκείῳ φωτὶ καταυγάσαι τῆς νυκτὸς τὸ ζοφῶδες). Für Sonnenfinsternisse ist er aber dennoch ursächlich verantwortlich (In Eph 12,2 [PG 62, 90]). 52 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 97 f. 53 In diem natalem 4 (PG 49, 355): Καὶ ποιεῖται τὸν ναὸν πρὸς τὴν εἰκόνα τοῦ κόσμου παντὸς, τοῦ τε αἰσθητοῦ καὶ νοητοῦ. Καθάπερ γάρ ἐστι γῆ καὶ οὐρανὸς, καὶ μέσον διάφραγμα τὸ στερέωμα τοῦτο· οὕτω κἀκεῖνον ἐκέλευσε γενέσθαι. Καὶ εἰς δύο διατεμὼν τὸν ναὸν τοῦτον, καὶ καταπέτασμα ἀφεὶς μέσον, τὸ μὲν ἔξω τοῦ καταπετάσματος πᾶσι συνεχώρησεν εἶναι βατὸν, τὸ δὲ ἔνδον ἄβατον καὶ ἀθέατον πᾶσι, πλὴν τοῦ ἀρχιερέως μόνου. Καὶ ὅτι οὐχ ἡμέτερος ταῦτα στοχασμὸς, ἀλλ’ ἐν τύπῳ τοῦ κόσμου παντὸς ὁ ναὸς κατεσκεύαστο, ἄκουσον τί φησιν ὁ Παῦλος, περὶ τοῦ Χριστοῦ λέγων εἰς τὸν οὐρανὸν ἀναβάντος· Οὐ γὰρ εἰς χειροποίητα ἅγια εἰσῆλθεν ὁ Χριστὸς, ἀντίτυπα τῶν ἀληθινῶν· δεικνὺς ὅτι τὰ ἐνταῦθα ἀντίτυπα ἦν τῶν ἀληθινῶν. Ὅτι δὲ καὶ τὸ καταπέτασμα διεῖργε τὰ Ἅγια τῶν ἁγίων ἀπὸ τῶν
3.2 Johannes Chrysostomus
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Ganz wie später Kosmas identifiziert Chrysostomos hier also – nach Hbr 9,24b – das Allerheiligste mit dem ersten Himmel, dementsprechend das Heilige mit der Erde und – nach Hbr 6,19 – das Firmament (den sichtbaren Himmel) mit dem Vorhang.⁵⁴ Überraschenderweise fehlt diese Identifikation jedoch in den Hebräerhomilien. Diese enthalten nur ganz vereinzelte Andeutungen zur kosmologischen Bedeutung der Stiftshütte, am deutlichsten vielleicht noch zu 8,2, wo die Beschreibung des Himmels als „wahres Zelt, das der Herr aufgestellt hat (ἔπηξεν), kein Mensch“ sowohl die Bewegung als auch die Kugelgestalt des Himmels ausschließen soll.⁵⁵ Zu den in 9,2 aufgezählten Zentralelementen der kosmographischen Typologie, Leuchter, Tisch und Schaubrote heißt es nur ganz lapidar: „Dies sind Symbole der Welt“.⁵⁶ Das „innerhalb des Vorhangs“ von 6,19 f. steht jedoch zunächst nur ganz unspezifisch für „in den Himmel“.⁵⁷ Zu 9,3 und 10,20 scheint die Sache dann dadurch verkompliziert zu werden, daß der Vorhang an letzterer Stelle ausdrücklich als „Fleisch Christi“ gedeutet wird. Chrysostomus hat es also mit einem Hohepriester zu tun, der nicht nur auch einen Vorhang durchschreitet, sondern auch ein Zelt, das Allerheiligste, den Himmel (9,11.24) sowie sein eigenes Fleisch betritt. Seine ‚Lösung‘, daß sich dies alles gleichsetzen bzw. parallelisieren lasse, da es in jedem Fall um ‚Behausung‘ bzw. ‚Abschirmung‘ der Gottheit vor dem irdischen Auge gehe,⁵⁸ läßt den Leser ziemlich im Unklaren, was die Gesamtkonzeption betrifft. Nur so viel scheint klar zu werden, daß die Gleichsetzung ἁγίων τῶν ἔξω, καθάπερ οὗτος ὁ οὐρανὸς τὰ ὑπὲρ αὐτὸν ἀποτειχίζει τούτων τῶν καθ’ ἡμᾶς ἁπάντων, ἄκουσον πῶς καὶ τοῦτο ᾐνίξατο, τὸν οὐρανὸν καταπέτασμα καλέσας. Περὶ γὰρ τῆς ἐλπίδος λέγων, ὅτι ὡς ἄγκυραν αὐτὴν ἔχομεν τῆς ψυχῆς ἀσφαλῆ τε καὶ βεβαίαν, ἐπήγαγε· Καὶ εἰσερχομένην εἰς τὸ ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος, ὅπου πρόδρομος ὑπὲρ ἡμῶν εἰσῆλθεν Ἰησοῦς, ὑπὲρ τὸν οὐρανὸν ἄνω. Ὁρᾷς πῶς καταπέτασμα τὸν οὐρανὸν ἐκάλεσεν; 54 Vgl. auch In illud habentes (PG 51, 275): ὅπερ οὖν καὶ αὐτὸς πάλιν Ἑβραίοις ἐπιστέλλει, οὑτωσὶ λέγων περὶ τῆς πίστεως· Ἣν ὡς ἄγκυραν ἔχομεν τῆς ψυχῆς ἀσφαλῆ, καὶ βεβαίαν, καὶ εἰσερχομένην εἰς τὸ ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος. Ἵνα γὰρ ἀκούσας ἄγκυραν, μὴ νομίσῃς κάτω καθέλκεσθαι, δείκνυσιν, ὅτι καινή τις αὕτη τῆς ἀγκύρας ἡ φύσις, οὐ κάτω πιέζουσα, ἀλλ’ ἄνω κουφίζουσα τὴν διάνοιαν, καὶ πρὸς τὸν οὐρανὸν μεθιστῶσα, καὶ εἰς τὸ ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος χειραγωγοῦσα· καταπέτασμα γὰρ ἐνταῦθα τὸν οὐρανὸν ἐκάλεσε. Τίνος ἕνεκα, καὶ διὰ τί; Ὅτι καθάπερ τὸ καταπέτασμα ἀπὸ τῆς ἔξω σκηνῆς διεῖργε τὰ ἅγια τῶν ἁγίων, οὕτω δὴ καὶ ὁ οὐρανὸς οὗτος, ὥσπερ καταπέτασμα, μέσος τῆς κτίσεως παρεμβεβλημένος ἀπὸ τῆς ἔξω σκηνῆς, τοῦτ’ ἔστι, τοῦ κόσμου τούτου τοῦ βλεπομένου, διείργει τὰ ἅγια τῶν ἁγίων, τὰ ἄνω λέγων καὶ τὰ ὑπὲρ αὐτῶν, ὅπου πρόδρομος ὑπὲρ ἡμῶν εἰσῆλθε Χριστός. Auf die Entsprechung zwischen Firmament und Vorhang deuten in jeweils anderen Gesamtdeutungszusammenhängen auch der Midrash BeMidbar Rabba sowie der (allerdings vielleicht erst mittelalterliche) Midrash Tadshe (vgl. S. Laderman, Images of Cosmology in Jewish and Byzantine Art. God’s Blueprint of Creation [Leiden/Boston 2013], 261 f.). 55 Hom. in Hbr 14,1 (PG 63, 111): Ποῦ τοίνυν εἰσὶν οἱ λέγοντες κινεῖσθαι τὸν οὐρανόν; ποῦ εἰσιν οἱ σφαιροειδῆ αὐτὸν εἶναι ἀποφαινόμενοι; ἀμφότερα γὰρ ταῦτα ἀνῄρηται ἐνταῦθα. 56 Hom. in Hbr 15,1 (PG 63, 117): Ταῦτα σύμβολα τοῦ κόσμου. 57 Hom. in Hbr 11,2 (PG 63, 92). 58 Hom. in Hbr 15,2 (PG 63, 119): Ὁρᾷς πῶς καὶ σκηνὴν καὶ καταπέτασμα καὶ οὐρανὸν τὸ σῶμα καλεῖ; Διὰ τῆς μείζονος καὶ τελειοτέρας, φησὶ, σκηνῆς· εἶτα, Διὰ τοῦ καταπετάσματος, τουτέστι, τῆς σαρκὸς αὐτοῦ· καὶ πάλιν, Εἰς τὸ ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος· καὶ πάλιν· Εἰσερχομένην εἰς τὰ Ἅγια τῶν ἁγίων,
64 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor des Vorhangs mit dem sichtbaren Himmel, die sich an anderer Stelle findet, aufgrund von 10,20 untragbar schien. Wenn er sie in anderen Homilien dennoch benutzt, spricht also viel dafür, daß sie nicht aus seinen eigenen Überlegungen erwachsen, sondern vielmehr anderswoher übernommen ist, aller Wahrscheinlichkeit nach von seinem Lehrer Diodor. Ebenso wie Chrysostomus also Elemente der kosmologischen Typologie aufgreifen und wieder verwerfen kann, ist er im Allgemeinen weit entfernt davon, allzu weitreichende theologische Konsequenzen daraus zu ziehen und gar das Allerheiligste Christi wie Kosmas eindeutig kosmologisch lozieren zu wollen. Vielmehr schärft er in Hom. 16,3 sehr wortgewandt die konsequente Spiritualisierung des Himmelsbegriffes ein: Der Himmel sind wir, die Kirche, sofern unsere Seelen durch tugendhafte Reinigung mit Christus gleichförmig werden.⁵⁹ Somit ist es auch kaum verwunderlich, daß Chrysostomus zwar relativ konkret die Auffahrt des Menschen Christus durch die verschiedenen Himmelsregionen beschreiben kann,⁶⁰ sich aber auf keine kosmographische Lokalisation dieses aufgefahrenen Leibes oder später der Auferstehungsleiber einläßt. Gegenüber einer solchen Lokalisation der Hölle zeigt er jedenfalls ganz expliziten Widerwillen und verortet diese am ehesten noch „irgendwo außerhalb dieses gesamten Kosmos“.⁶¹
ἐμφανισθῆναι τῷ προσώπῳ τοῦ Θεοῦ. Τίνος οὖν ἕνεκεν τοῦτο ποιεῖ; Ἡμᾶς διδάξαι βουλόμενος, καθ’ ἕτερον καὶ ἕτερον σημαινόμενον, τὸν αὐτὸν λόγον ὄντα. Οἷόν τι λέγω, καταπέτασμα ὁ οὐρανός ἐστιν· ὥσπερ γὰρ ἀποτειχίζει τὰ ἅγια καταπέτασμα, καὶ ἡ σὰρξ κρύπτουσα τὴν θεότητα· καὶ σκηνὴ ὁμοίως ἡ σὰρξ, ἔχουσα τὴν θεότητα· καὶ σκηνὴ πάλιν ὁ οὐρανός· ἐκεῖ γάρ ἐστιν ἔνδον ὁ ἱερεύς. 59 PG 63, 125 f. vgl. auch Hom. in Hbr 14,2 (ebd., 112). 60 Hom. in Ascensionem 3,38–45 (SC 562, 172): οὐχ ὁρᾷς, ἀπὸ τοῦ ᾅδου πρὸς τὴν γῆν τὸ διάστημα ὅσον; ἀπὸ τῆς γῆς πάλιν πρὸς τὸν οὐρανόν; ἀπὸ τοῦ οὐρανοῦ πάλιν πρὸς τὸν οὐρανὸν τὸν ἀνώτερον; ἀπ’ ἐκείνου πρὸς τοὺς ἀγγέλους, πρὸς τοὺς ἀρχαγγέλους, πρὸς τὰς ἄνω δυνάμεις, πρὸς αὐτὸν τὸν θρόνον τὸν βασιλικόν; Τοῦτο ὅλον τὸ διάστημα καὶ τὸ ὕψος τὴν φύσιν τὴν ἡμετέραν ἀνήγαγε. Die Editorin (ebd. 173 Anm. 2) will hier eine Aufnahme der traditionellen Konzeption von sieben Himmeln erkennen. Mir scheint eher die antiochenische Konzeption zweier wahrnehmbarer Himmel angelologisch ‚aufgestockt‘ worden zu sein. Kosmas jedenfalls kommentiert einen ganz ähnlichen Passus aus einer sonst nicht nachweisbaren Chrysostomushomilie über das Almosen (Topographia X,46 [SC 197, 287]: τέμνει τὸν ἀέρα, παρέρχεται τὴν σελήνην, τέμνει τὰς ἀκτῖνας τοῦ ἡλίου, εἰς αὐτὰς ἀνέρχεται τὰς ἀψῖδας τοῦ οὐρανοῦ· ἀλλ’ οὔτε ἐκεῖ ἵσταται, ἀλλὰ καὶ τὸν οὐρανὸν τοῦ οὐρανοῦ παρατρέχει, καὶ τοὺς δήμους τῶν ἀγγέλων παρέρχεται καὶ τοὺς χοροὺς τῶν ἀρχαγγέλων καὶ τὰς ἀνωτέρας ὅλας Δυνάμεις, καὶ αὐτῷ παρίσταται τῷ θρόνῳ τῷ βασιλικῷ) in eben diesem Sinne (X,52). 61 Hom. in Rm 31,3 (PG 60, 673 f.): Καὶ ποῦ, φησὶ, καὶ ἐν ποίῳ χωρίῳ αὕτη ἔσται ἡ γέεννα; Τί γάρ σοι τούτου μέλει; τὸ γὰρ ζητούμενον, δεῖξαι ὅτι ἔστιν, οὐχ ὅπου τεταμίευται καὶ ἐν ποίῳ χωρίῳ. Τινὲς μὲν γὰρ μυθολογοῦντές φασιν, ὅτι ἐν τῇ κοιλάδι τοῦ Ἰωσαφὰτ, ὃ περὶ πολέμου τινὸς εἴρηται παρελθόντος, καὶ νῦν τοῦτο εἰς τὴν γέενναν ἕλκοντες· ἡ δὲ Γραφὴ οὐ τοῦτό φησιν. Ἀλλ’ ἐν ποίῳ τόπῳ, φησὶν, ἔσται; Ἔξω που, ὡς ἔγωγε οἶμαι, τοῦ κόσμου τούτου παντός. Καθάπερ γὰρ τῶν βασιλείων τὰ δεσμωτήρια καὶ τὰ μέταλλα πόῤῥω διέστηκεν, οὕτω δὴ καὶ τῆς οἰκουμένης ταύτης ἔξω που ἔσται ἡ γέεννα. Zur Sache auch J. Guinot, „Eschatologie et écriture en milieu antiochen à partir du IIe siècle“, in Ders., Théodoret de Cyr. Exegète et théologien, Bd. 2 (Paris 2012), (87–125) 117 f. und die große Materialsammlung von S. Schiwietz, „Die Eschatologie des hl. Johannes Chrysostomus und ihr Verhältnis zur origenistischen“, Der Katholik 12 (1913) 445–455; 13 (1914) 45–63.200–216.271–281.436–448.
3.2 Johannes Chrysostomus
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Dennoch verleiht die Auslegung von Ps 135,5 der Theorie von den zwei Habitaten in ganz ähnlicher Weise eschatologische Valenz, wie die spätere antiochenische Tradition, und läßt Gott von Anfang an einen zweiten Himmel schaffen, um uns von der Erde, dem unserem vergänglichen Zustand angemessenen Habitat (καταγώγιον),⁶² hinwegzuversetzen, da er ja selbst keinen weiteren Himmel als Wohnraum gebraucht hätte.⁶³ Auch wenn dieser nicht ausdrücklich mit dem Raum jenseits des Firmaments identifiziert wird, könnte man auch hier vermuten, den Meister Diodor zu hören,⁶⁴ wie er von Theodor systematisch weitergedacht wurde. Ansonsten hören wir nämlich nicht sehr viel zum Schicksal der außermenschlichen Kreatur bei Chrysostomus, und die wenigen Andeutungen deuten alle auf Verwandlung statt Vernichtung: Die Sonne etwa soll gegen Mt 24,29 nicht verdunkelt, sondern lediglich überstrahlt werden,⁶⁵ und Jesu Ankündigung des Vergehens von Himmel und Erde (Mt 24,35) scheint wiederholt per impossibile interpretiert zu werden, also daß Jesu Worte nicht einmal dann vergehen würden, wenn das Allerdauerhafteste, Himmel und Erde, in sich zusammenfielen.⁶⁶ Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß Chrysostomos zwar die Grundzüge der Kosmographie seines Lehrer bejaht und – im vorliegenden Zusammenhang am bedeutendsten – auch deren ursprüngliche Verbindung zur Konzeption des Hebräerbriefs vom himmlischen Hohepriesteramt Christ zu bezeugen scheint, beidem jedoch insgesamt wenig theologische Valenz zubilligt: Auch in seiner intensiven Polemik gegen Astrologie und Fatum kommt er völlig ohne kosmologische Argumente aus,⁶⁷ welche in seiner Sicht ja auch lediglich die inhaltlich wie ethisch-religiös fruchtlose Annäherungsweise der Philosophen an die Natur reproduzieren würden.
62 In Ps 135,2 (PG 55, 401): ‚Τῷ στερεώσαντι τὴν γῆν ἐπὶ τῶν ὑδάτων‘. Ὅρα πάλιν κἀνταῦθα τὴν φιλανθρωπίαν. Ἐπειδὴ γὰρ ἐγενόμεθα θνητοὶ, καὶ ἐν πολλαῖς χρείαις κατέστημεν, οὐδὲ οὕτως ἐγκατέλιπεν, ἀλλὰ καὶ ἐνταῦθα κατάλληλον ἡμῖν καταγώγιον δέδωκε τὸν μεταξὺ χρόνον, καὶ τοσούτων τὴν γῆν δειγμάτων τῆς αὐτοῦ φιλανθρωπίας ἐνέπλησεν, ὡς μηδὲ λόγῳ παραστῆναι δύνασθαι. 63 In Ps 135,1 (PG 55, 401): Καὶ οὐκ ἐποίησεν οὐρανὸν ἕνα μόνον, ἀλλὰ καὶ ἕτερον, ἐκ προοιμίων δεικνὺς, ὅτι οὐκ ἐναφίησιν ἡμᾶς τῇ γῇ, ἀλλ’ ἐκεῖ μεταστήσει. Εἰ γὰρ μὴ ἔμελλεν ἐκεῖ μεθιστᾷν, τίνος ἕνεκεν καὶ οὐρανὸς παρήγετο; Οὐ γὰρ δὴ αὐτῷ χρήσιμον τοῦτο τὸ στοιχεῖον· οὐδενὸς γὰρ δεῖται· ἀλλὰ τοὺς ἀπὸ γῆς ἐκεῖ μεθιστᾷν βουλόμενος, παρεσκεύασε τὰ οἰκήματα. 64 Diodors Kommentar scheint Ps 135 lediglich ganz summarisch, ohne Detailexegese abgehandelt zu haben (Parisinus Coislinianus 275, fol. 335rv; Vindobonensis theologicus gr. 8, fol. 248v). 65 Hom. in Mt 76,3 (PG 58, 697: καὶ γὰρ Ὁ ἥλιος σκοτισθήσεται, οὐκ ἀφανιζόμενος, ἀλλὰ νικώμενος τῷ φωτὶ τῆς παρουσίας αὐτοῦ). Die Auslegung von Ps 148,6 betont primär die irdische Dauerhaftigkeit der Geschöpfe und geht auf die Eschatologie nicht ein (In Ps 148,2; PG 55, 487). 66 Hom. in Mt 77,1 (PG 58, 702: Ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ γῆ παρελεύσεται, οἱ δὲ λόγοι μου οὐ μὴ παρέλθωσι· τουτέστι, τὰ πεπηγότα ταῦτα καὶ ἀκίνητα εὐκολώτερον ἀφανισθῆναι, ἢ τῶν λόγων τῶν ἐμῶν τι διαπεσεῖν). Vgl. ähnlich Hom. in illud: Vidi dominum 4,2 (SC 277, 144 f.). 67 Vgl. Amand, Fatalisme, 497–532.
66 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor
3.3 Severian v. Gabala Der Stellvertreter des Chrysostomus in Konstantinopel während dessen ausgedehntem Antiochienaufenthalt im Jahr 401 und spätere Konspirant gegen diesen nimmt im vorliegenden Überblick schon deswegen eine zentrale Position ein, weil er – Hauptgewährsmann des Kosmas – bei aktueller Quellenlage als ergiebigster Zeuge für eine antiptolemäische Kosmographie aus der klassischen Zeit der patristischen Literatur gelten dürfte. So stellt er in seiner wohl im Frühjahr 401 gehaltenen⁶⁸ dritten Homilie über die Schöpfung unmißverständlich klar: „Er hat den Himmel nicht als Kugel erschaffen, wie die Dummschwätzer philosophieren. Er hat nämlich keine sich herumwälzende Kugel geschaffen, wie der Prophet sagt: ‚Der den Himmel aufrichtet wie ein Gewölbe und ihn ausspannt wie ein Zelt‘ (Jes 40,22). Niemand von uns ist so gottlos, den Dummschwätzern zu glauben. Die Propheten sagen, daß der Himmel Anfang und Ende hat. Deswegen geht die Sonne nicht auf, sondern kommt. Die Schrift sagt: ‚Die Sonne ging hinaus in die Welt und Lot kam nach Segor‘ (Gen 19,23). Somit ist klar, daß die Sonne nach der Schrift ausgegangen, nicht aufgegangen ist. Und anderswo heißt es: ‚Vom Ende des Himmels ist ihr Ausgang‘ (Ps 18,7), nicht Aufgang. Wenn es eine Kugel ist, hat es kein Ende. Was nämlich von allen Seiten rund ist, wo hat das ein Ende? Sagt das nun allein David, nicht auch der Erlöser? Höre ihn sagen: ‚Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt, wird er seine Engel mit Trompetenschall und lauter Stimme aussenden, und sie werden seine Auserwählten sammeln von einem Ende des Himmels zum anderen‘ (Mt 24,31)“.⁶⁹
Anschließend folgt eine ebenso detaillierte wie archaisierende Erklärung des Laufs der Sonne, wonach diese – Koh 1,5 f. zufolge – im Westen beginnt, an den Grenzen des Himmelsgewölbes in Richtung Norden entlangzulaufen und dabei durch die Wasser des Okeanos „wie unter einer Mauer“ abgeschirmt wird, um wieder zur Ostseite zu68 Vgl. R. E. Carter, „The Chronology of Twenty Homilies of Severian of Gabala“, Traditio 55 (2000), (1–17) 12–16. 69 Hom. in Creationem III,4 (PG 56, 452): Ἐποίησεν οὖν τὸν οὐρανόν, οὐ σφαῖραν, ὡς φιλοσοφοῦσιν οἱ ματαιολόγοι· οὐ γὰρ ἐποίησε σφαῖραν κυλιομένην, ἀλλ’ ὥς φησιν ὁ προφήτης· ‚Ὁ ποιήσας τὸν οὐρανὸν ὡς καμάραν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνήν’· καὶ γὰρ οὐδεὶς ἡμῶν οὕτως ἀσεβής, ὥστε πεισθῆναι τοῖς ματαιολόγοις, καὶ μὴ τοῖς προφητικοῖς λόγοις, οἵπερ λέγουσιν ὅτι ἀρχὴν καὶ τέλος ἔχει ὁ οὐρανός· διὰ τοῦτο οὖν καὶ ὁ ἥλιος οὐκ ἀναβαίνειν λέγεται παρ’ αὐτοῖς, ἀλλ’ ἐξέρχεσθαι· λέγει γὰρ ἡ Γραφή· ‚Ἐξῆλθεν ὁ ἥλιος ἐπὶ τὴν γῆν‘, οὐκ ἀνῆλθε, καὶ πάλιν φησίν· ‚Ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἡ ἔξοδος αὐτοῦ, καὶ τὸ κατάντημα αὐτοῦ ἕως ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ‘, οὐκ ἄνοδος· εἰ δὲ σφαῖρά ἐστιν, ἄκρον οὐκ ἔχει· τὸ γὰρ πανταχόθεν περιφερὲς ποῦ ἔχει τὸ ἄκρον; Ἆρα οὖν ὁ Δαυῒδ μόνος τοῦτο λέγει, ἢ καὶ ὁ Σωτήρ; Ἄκουσον αὐτοῦ τοῦ Κυρίου λέγοντος· Ὅταν ἔλθῃ ὁ Υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐν τῇ δόξῃ αὐτοῦ, ἀποστελεῖ τοὺς ἀγγέλους αὐτοῦ μετὰ μεγάλης σάλπιγγος καὶ φωνῆς μεγάλης, καὶ συνάξουσι τοὺς ἐκλεκτοὺς αὐτοῦ ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἕως ἄκρου αὐτοῦ. Wie das Zitat des Textes bei Kosmas, Topographia X,31 beweist, ist das ὁ ἥλιος πῶς τρέχει bei Migne in den Text eingedrungene Glosse. Daß mit dem ‚Himmel‘ letztlich das Firmament gemeint sein muß, geht nicht nur aus dem unmittelbar vorhergehenden Staunen über dessen Schöpfung aus Wasser hervor, sondern noch deutlicher aus der anschließenden Darstellung des Sonnenlaufs, für welche man sich ein dem Erdboden „aufliegendes Gewölbe“ vorstellen soll (452,55 f.). Severian scheint Jes 40,22 somit anders verstanden zu haben als seine Gewährsmänner.
3.3 Severian v. Gabala
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rückkehren.⁷⁰ Ohne explizit auf die aus der Henochtradition bekannten Himmelstore zu rekurrieren,⁷¹ läßt er dabei die Sonne ihren Aufgangspunkt so verlagern, daß sie im Winter weiter im Süden aufgeht, wodurch sich ihre Bewegung innerhalb der Himmelskuppel, der Tag, verkürzt, wogegen sich diejenige außerhalb der Himmelskuppel, die Nacht, verlängert.⁷² Severian scheint also durchaus ein Bewußtsein davon zu besitzen, welche Rolle die (diachronen) Unterschiede in der Tageslänge beim Erweis der Kugelgestalt der Erde spätestens seit Pytheas spielten,⁷³ ignoriert allerdings die synchronen, der geographischen Breite entsprechenden. Jedenfalls finden sich ähnlich naiv anmutende ‚physiologische‘ Erklärungen auch zum Firmament und den oberen Wassern, welche das Firmament vor der Hitze der Gestirne schützen und deren Strahlen auf die Erde reflektieren sollen,⁷⁴ zum Unterschied zwischen Mond- und Sonnenjahr, welcher mit Ephraem aus der vorzeitigen Fülle des Mondes bei dessen (außerhalb des Himmels erfolgter!) Verfertigung resultieren soll,⁷⁵ zur Entstehung der Wolken, welche als göttliche Schläuche aus dem Meer Wasser
70 Hom. in Creationem III,5 (PG 56, 452 f.): Νόμισον εἶναι καμάραν ἐπικειμένην τῇ ἐκκλησίᾳ ἐπὶ ἀνατολὴν μὲν κατὰ τὸν τύπον τῆς ἑῴας, ἄρκτον δὲ ἐκεῖσε καὶ μεσημβρίαν ἐνθάδε καὶ δύσιν ἐκεῖ, εἶτα τὸν ἥλιον ἀνατέλλοντα καὶ μέλλοντα δύνειν, οὐχ ὑπὸ γῆν δύνοντα, ἀλλὰ τὰ βόρεια μέρη διατρέχοντα καὶ ὥσπερ ὑπό τινα τοῖχον κρυπτόμενον, μὴ συγχωρούντων τῶν ὑδάτων φανῆναι αὐτοῦ τὸν δρόμον, καὶ τρέχοντα κατὰ τὰ βόρεια μέρη καὶ καταλαμβάνοντα τὴν ἀνατολὴν πάλιν. Ἀλλὰ πόθεν τοῦτο δῆλον ἔσται; Λέγει γοῦν ὁ μακάριος Σολομῶν ἐν τῷ Ἐκκλησιαστῇ, γραφὴ δέ ἐστιν αὕτη μαρτυρουμένη, οὐ παραγραφομένη· ‚Ἀνατέλλει γάρ, φησίν, ὁ ἥλιος καὶ δύνει ὁ ἥλιος καὶ εἰς τὸν τόπον αὐτοῦ ἕλκει· ἀνατέλλων αὐτὸς ἐκεῖ πορεύεται πρὸς νότον καὶ κυκλοῖ πρὸς βορρᾶν· κυκλοῖ κυκλῶν, καὶ ἐπὶ κύκλους αὐτοῦ ἐπιστρέφει τὸ πνεῦμα.’ Wiederum ist der Kosmastext (X,33) dem bei Migne abgedruckten vorzuziehen: Severian demonstriert seinen Hörern das Gemeinte an einer Kirchenkuppel, was spätere Kopisten nicht mehr verstanden. Für eine genauere Analyse vgl. J. Zellinger, Die Genesishomilien des Severian v. Gabala (Münster 1916), 79–83, der auch Severians „Wasser“ recht plausibel als Okeanos identifiziert, ebenso wie Kiessling, „Ῥίπαια ὅρη“, 864. Zu den Problemen des Ps.-Caesarius mit dieser Identifikation vgl. u. Kap. 4 Anm. 134 f. 71 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 72 und 76. 72 Hom. in Creationem III,5 (PG 56, 453): Κατὰ μεσημβρίαν τρέχοντα, καὶ τὸν βοῤῥᾶν κυκλοῦντα λοιπὸν μάθε ἐν τῇ τοῦ χειμῶνος καταστάσει· ἐπειδὴ οὐκ ἀπὸ μέσης τῆς ἀνατολῆς ἀνατέλλει, ἀλλὰ περὶ τὸ κλίμα τῆς μεσημβρίας πλαγιάζει, καὶ ὀλίγον τεμὼν διάστημα, ποιεῖ μικρὰν ἡμέραν· δύσας δὲ καὶ πάλιν κύκλον τρέχων, ποιεῖ μακρὰν νύκτα. Ἴσμεν, ἀδελφοὶ, ὅτι ὁ ἥλιος οὐ πάντως ἀπὸ τοῦ αὐτοῦ κέντρου προέρχεται. Πῶς οὖν γίνονται μικραὶ αἱ ἡμέραι; Πλησιάζει αὐτοῦ ἡ ἀνατολὴ τῷ κλίματι τῆς μεσημβρίας· εἶτα οὐ τὴν ὑψηλὴν ἐλθὼν, ἀλλὰ τὴν πλαγίαν συντεμὼν, τὰς ἡμέρας ποιεῖ μικράς. Δύσας δὲ εἰς τὸ ἄκρον τῆς δύσεως, ἀνάγκην ἔχει κυκλεῦσαι διὰ τῆς νυκτὸς δύσιν ὅλην καὶ ἄρκτον ὅλην, καὶ ἀνατολὴν ὅλην, καὶ φθάσαι ἐπὶ τὸ ἄκρον τῆς μεσημβρίας· καὶ ἀνάγκη μεγάλην γενέσθαι τὴν νύκτα. Ὅταν μέντοι ἐξισοῦται τῷ μήκει, καὶ ἴσον βῆμα ἔχῃ, ἰσημερίαν ποιεῖ. Πάλιν κλίνας κατὰ τὸν βοῤῥᾶ[ν], ὥσπερ χειμῶνος εἰς μεσημβρίαν, καὶ εἰς τὰ ἄκρα τοῦ βοῤῥᾶ ἀναβαίνων, ὑψοῦται καὶ μεγάλην ποιεῖ τὴν ἡμέραν· ὀλίγον δὲ μικρὸν ἔχων τὸν κύκλον, μικρὰν ποιεῖ τὴν νύκτα. 73 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 12. 74 Hom. in Creationem II,3 f. (PG 56, 442 f.); III,3 (PG 56, 450). Vgl. Zellinger, Genesishomilien, 77. 75 Hom. in Creationem III,2 (PG 56, 449). Die Gegenüberstellung bei Zellinger, Genesishomilien, 84 f. zeigt deutlich die Abhängigkeit von Ephraems Kommentar (vgl. o. Kap. 2 Anm. 65).
68 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor schöpfen und nach seinem Befehl sukzessive abregnen,⁷⁶ und zum „unterirdischen Chaos“, in welches die Paradiesflüsse eintreten, um irgendwo in der Welt wieder zu entspringen, damit man das Paradies nicht finden kann, indem man ihnen folgt.⁷⁷ Stellt man sich ein an den erbaulich-moralischen Stil des Chrysostomus gewohntes Auditorium vor, wird man sich kaum verwundern, daß Severian den Vorwurf zu hören bekam, φυσιολογία, nicht θεολογία zu betreiben.⁷⁸ Als Antwort bietet er eine ebenso charakteristische wie wenig aussagekräftige theologische Begründung für seine kosmologischen Überlegungen: Nach der Theologie sei die φυσιολογία die wichtigste Grundfeste (κρηπίς) der Frömmigkeit, weshalb auch alle Propheten, Apostel und sogar Jesus selbst φυσιολογία betrieben hätten, um an den sichtbaren die unsichtbaren Dinge zu verdeutlichen, und weil es die ἀκριβὴς τῶν δογμάτων ἀκρόασις so erfordere.⁷⁹ In der Tat bestehen die Beispiele, die er bringt, fast nur in relativ beliebigen illustrierenden Gleichnissen (1Kor 14,7–11; Hi 4,10 f.; Jes 31,4; Mk 4,30–31.26–28; Mt 16,2), lediglich den Ausführungen des Paulus über die unterschiedlichen Arten von Leibern (1Kor 15,39–41) könnte vielleicht eine für die theologische Konzeption des Auferstehungsleibes tragende Bedeutung zugeschrieben werden. Es entsteht also der Verdacht, daß Severian sich theologisch nicht so ganz im Klaren ist, warum er gerade dieses Weltbild gegen die Heiden verteidigen muß, außer um ganz allgemein die göttliche Schöpfermacht sowie die der paganen Wissenschaft überlegene Weisheit der Schrift herauszustellen.⁸⁰ Immerhin erscheint er anders als Chrysostomos in seiner kosmologischen Konzeption so konsistent, daß er auch angesichts des paulinischen Entrückungsberichtes festhält, daß unter dem dritten Himmel nicht wirklich ein eigener Himmel zu verstehen ist, und daß das Paradies – als davon nochmals zu unterscheidendes – tatsächlich ein physischer Ort auf dieser Erde ist, welchen nach Adam zunächst der Schächer am Kreuz und danach der entrückte Paulus als erste wieder betraten.⁸¹
76 Hom. in Creationem III,6 (PG 56, 454 f.). 77 Hom. in Creationem V,6 (PG 56, 479). Vgl. ähnlich Theodoret, Qu. in Gen. 29 (hg. N. Fernandez Marcos/A. Saenz-Badillos Theodoreti Cyrensis Quaestiones in Octateuchum [Madrid 1979], 32), vielleicht im Anschluß an Philon (vgl. o. Kap. 2 Anm. 7). 78 Hom. in Creationem V,1 (PG 56, 471): Ἤκουσά τινων ἐγκαλούντων, ὅτι τις χρεία ἦν εἰπεῖν περὶ πυρὸς καὶ ὕδατος, ὅτι τρίζει τὸ πῦρ ὕδατος ἐπιβαλλομένου; Ἡμεῖς, φησὶ, φυσιολογίαν οὐ θέλομεν μανθάνειν, ἀλλὰ θεολογίαν. 79 Hom. in Creationem V,1 (PG 56, 471 f.): Δεῖ δὲ εἰδέναι, ὅτι ταῦτα τὰ ῥήματα ἀργῶν ἐστι καὶ ῥᾳθύμων. Μετὰ γὰρ τὴν θεολογίαν ἡ φυσιολογία κρηπῖδα παρέχει τῇ εὐσεβείᾳ· εἰ δὲ ἐκβάλλουσι φυσιολογίαν, ἐγκαλείσθωσαν τοῖς προφήταις, μεμφέσθωσαν τοῖς ἀποστόλοις. Ὁ Ἀπόστολος φυσιολογεῖ· [1Kor 15,39–41] Διατί φυσιολογεῖ Παῦλος, καὶ ἀπὸ μουσικῶν ὀργάνων ἐγκαλεῖ, καὶ λέγει· [1Kor 14,7–11] Τί κοινὸν εἶχεν ἡ Παύλου γλῶσσα πρὸς αὐλὸν καὶ κιθάραν; Ἀλλὰ φυσιολογεῖ ἀπὸ τῶν φαινομένων, ἵνα παραστήσῃ τὰ νοούμενα. Τίς ἦν χρεία ἐν τῇ βίβλῳ τοῦ Ἰὼβ φυσιολογηθῆναι τοσαῦτα; [Hi 4,10 f.] etc. 80 Vgl. bes. Hom. in Creationem III,5 (PG 56, 453): Οὐ παῖδες ἑλλήνων ἐδίδαξαν ἡμᾶς ταῦτα […]. ἡ γραφὴ δὲ ἡμῶν, ἡ θεία διδάσκαλος, ἡ γραφὴ ἡμᾶς παιδεύει, φωτίζει. 81 Vgl. bes. das Katenenfragment zu 2Kor 12,2–5 (Staab, Pauluskommentare, 297): τὸ δὲ ἕως τρίτου οὐρανοῦ τοῦ διαστήματος ἔφη τὸ τρίτον· εἰ γὰρ ἦν ἕως τριῶν οὐρανῶν ἀνελθών, πάντως ἂν ἐκεῖ τὰ
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In der bisherigen – sehr überschaubaren – Forschung wurde bislang hauptsächlich auf der Basis von Zellingers Quellenanalyse⁸² angenommen, daß Severian diese Grundkonzeption von Diodor übernimmt, obwohl er als syrischer Muttersprachler⁸³ auch reichen Gebrauch vom Genesiskommentar Ephraems, den Homilien des Chrysostomus und dem Ad Autolycum des Theophilus macht. Somit könnte man sicherlich versucht sein, viele der oben erwähnten kosmologischen Details, welche sich so weder bei Ephraem noch bei einer der erwähnten noch einer anderen möglichen Quelle (etwa Eusebius v. Emesa) finden, mindestens vermutungsweise Diodor zuzuschreiben. Die Grundlage dafür ist jedoch auf den ersten Blick etwas mager. Von den 18 zum Vergleich heranziehbaren Diodorfragmenten, weisen nur vier (halbwegs) charakteristische Ähnlichkeiten zu Severians Schöpfungshomilien⁸⁴ auf: Für die Absetzung des am ersten Tag geschaffenen, „oberen“ Himmels vom sichtbaren Firmament berufen sich beide Autoren auf den in Ps 113,24 genannten „Himmel des Himmels“,⁸⁵ beide bekämpfen ohne Namensnennung eine allegorische Auslegung von Gen 1,2 f., welche die Finsternis auf den Teufel und das Licht auf den Sohn deutete,⁸⁶ beide betonen angesichts von Gen 2,23 die prophetische Gabe Adams⁸⁷ und beide weisen die Frage nach dem Ursprung der Röcke aus Fell durch einen Verweis auf Gottes Allmacht ab.⁸⁸ Dazu kommt allerdings eine wichtige Parallele aus dem unedierten Teil von Diodors Psalmkommentar, nämlich genau zu 103,3, demjenigen Vers, den Severian neben ἄρρητα ῥήματα ἤκουσεν καὶ οὐκ ἐν τῷ παραδείσῳ. καὶ μηδεὶς οἰέσθω τὸν παράδεισον εἶναι ὑπὲρ τὸν οὐρανόν· κατὰ γὰρ ἀνατολὰς πεφύτευται ἐπὶ τῆς γῆς ἐν τῷ τόπῳ τῷ Ἐδέμ, ὅθεν καὶ ὁ Ἀδὰμ ἐπλάσθη ὡς Μωϋσῆς ἱστορεῖ. Zum Schächer vgl. die Homilie De caeco nato (PG 59, 552). 82 Genesishomilien, 56: „Severian […] ist Antiochener strengster Observanz. Sein Hexaemeronskommentar präsentiert sich aber der Hauptsache nach als ziemlich unselbständige Arbeit. Inhaltlich tradiert er fast ausschließlich antiochenisch-syrisches Gedankengut, wie er es in seiner Schule vorgefunden hat. In welchem Umfange er bei Diodor von Tarsus (gest. vor 394) Anleihe genommen, ist bei den spärlichen Überresten aus den exegetischen Werken dieses Meisters der antiochenischen Schule nicht zu sagen. Allem Anscheine nach hat er den Aufriß seines Weltgebäudes bei ihm geholt“. Vgl. auch S. Voicu, „Severien de Gabala“, Dictionnaire de Spiritualité 14 (Paris 1990), (752–63) 760, wo die Abhängigkeit von Diodor aus der exegetischen Fachbegrifflichkeit erschlossen wird. Zur Nähe zu Diodor in der Paulusexegese vgl. Staab, Pauluskommentare, XXXIf („Ja es scheint, daß er gleich Chrys. und Theodor v. M. zu den Füßen Diodors gesessen und manche Darlegungen des Meisters für seine eigenen Kommentare übernommen hat“). 83 Vgl. Sokrates, Historia ecclesiastica VI, 11,2 (GCS NF 1, 329): Σεβηριανὸς δὲ δοκῶν πεπαιδεῦσθαι, οὐ πάνυ τῇ φωνῇ τὴν Ἑλληνικὴν ἐξετράνου γλῶσσαν· ἀλλὰ καὶ Ἑλληνιστὶ φθεγγόμενος Σύρος ἦν τὴν φωνήν. 84 Diodors in frg. 83 (CCG 15, 86 f.) ausgesprochene scharfe Kritik an der Identifikation von göttlichem Hauch (Gen 2,7) und Rationalseele wird von Severian in der Homilie Quomodo animam acceperit Adam aufgenommen (vgl. TEG 1, 145 [frg. 208]), nicht jedoch in den Schöpfungshomilien (Hom. in Creationem V,4 f. [PG 56, 476]). 85 Hom. in Creationem I,4 (PG 56, 433) vgl. Collectio coisliniana 16 (CCG 15, 17). 86 Hom. in Creationem I,5 (PG 56, 435) vgl. Collectio coisliniana 28 (CCG 15, 28 f.). 87 Hom. in Creationem V,8 (PG 56, 482) vgl. Collectio coisliniana 100 (CCG 15, 103). 88 Hom. in Creationem VI,7 (PG 56, 492 f.) vgl. Collectio coisliniana 118 (CCG 15, 120).
70 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor 113,24 zur Begründung für die Unterscheidung der beiden Himmel anführt.⁸⁹ Dort wird ziemlich genau diejenige ‚Physiologie‘ des Firmaments skizziert, die Severian in Homilie II,3 breiter ausführt, nämlich daß die oberen Wasser durch die Feuchtigkeit von oben das Firmament gegen die Hitze von Sonne und Gestirnen schützen müssen, wie einen Kessel (λέβης), welcher ohne Wasser darin auf einer Feuerstelle platziert bersten würde.⁹⁰ Die wirklich deutlichen Parallelen zu Diodor konzentrieren sich also tatsächlich auf die grundlegenden Anfangspassagen. So unterscheidet sich besonders Severians Auslegung der Versuchungsgeschichte so stark von Diodor, daß man ab und zu fast den Eindruck haben könnte, Severian würde gegen dessen Naturalismus und Literalismus anpredigen, wenn er etwa die natürliche Klugheit der Schlange betont, welche der Teufel sich zunutze macht,⁹¹ oder sich psychologisch fast durchweg sehr geschickt in die Psychologie des Versuchungsvorgangs versetzt, anstatt sich wie Diodor die vordergründigen Ungereimtheiten des Textes notdürftig zurechtzubiegen.⁹² Der Grundunterschied jedoch scheint mir in der Rolle der Typologie zu liegen, welche bei Severian – bei aller Reserve gegen die Allegorese⁹³ – eigentlich ständig praktiziert ist, in den Diodorfragmenten hingegen fast vollkommen fehlt: Der gesamten Konzeption von Gottesebenbildlichkeit und Fall wohnt bei Severian eine christologische Dynamik inne, welche sowohl Gottes Zulassung des Falles,⁹⁴ wie auch die inhaltliche Bestimmung der Gottesebenbildlichkeit⁹⁵ und die Verfehlung Adams⁹⁶ umgreift und bestimmt.
89 Hom. in Creationem I,4 (PG 56, 433). 90 Vgl. o. Anm. 16 mit Hom. in Creationem II,3 (PG 56, 442): Κρυσταλλώδης ἦν ὁ οὐρανὸς ἀπὸ ὑδάτων παγείς· ἐπειδὴ δὲ ἔμελλε δέχεσθαι ἡλίου φλόγα καὶ σελήνης καὶ ἄστρων ἄπειρα πλήθη, καὶ ἦν ὅλος πυρὸς πεπληρωμένος, ἵνα μὴ οὕτως ὑπὸ τῆς θερμότητος λυθῇ ἢ φλεχθῇ, ἐπέστρωσε τοῖς νώτοις τοῦ οὐρανοῦ τὰ πελάγη ἐκεῖνα τῶν ὑδάτων, ἵνα λιπαίνῃ καὶ ἐπαλείφῃ αὐτοῦ τὰ νῶτα, καὶ οὕτως ἀντέχῃ πρὸς τὴν φλόγα καὶ μὴ φρύγηται. Ἔχεις δὲ καὶ ὑπόδειγμα· ὥσπερ σήμερον, ἐὰν ἐπιθῇς λέβητα ἐπάνω πυρός, ἐὰν μὲν ὕδωρ ἐπάνωθεν ᾖ, ἀντέχει πρὸς τὸ πῦρ, ἐὰν δὲ μὴ ἔχῃ, διαλύεται, οὕτως ὁ Θεὸς ἀντέστησεν ἀντίπαλον τῷ πυρὶ τὸ ὕδωρ, ἵνα ἔχῃ ἀρκοῦσαν τὴν διαμονὴν διὰ τῶν ἀλειφόντων αὐτὸν ὑδάτων. 91 Hom. in Creationem VI,1 f. (PG 56, 485 f.) gg. Collectio coisliniana 103 (CCG 15, 106). 92 Hom. in Creationem VI,3.6 (PG 56, 487.491) gg. Collectio coisliniana 106 und 109 (CCG 15, 108 f.113 f.). 93 Vgl. Hom. in Creationem IV,2 (PG 56, 459); VI,7 (PG 56, 492). Seinen Grundsatz formuliert er in Contra Judaeos 1 (PG 61, 796): Φεῦγε τὰς βεβιασμένας ἀλληγορίας. ἔστιν ὅτε αὐτὴ ἡ γραφὴ δίδωσιν ὀφθαλμοὺς εἰς θεωρίαν, ἔστιν ὅτε αὐτὴ τροπολογεῖν διδάσκει. Ὅταν μέντοι γυμνὴ ἢ θεωρία ἢ ἱστορία προκέηται, μὴ βιάζου τὰ ἀνέφικτα, ἀλλὰ λάμβανε τὴν ἀκρόασιν ἀκόλουθον. 94 Hom. in Creationem IV,8 (PG 56, 467) gg. Collectio coisliniana 115 (CCG 15, 118 f.). 95 Nach Hom. in Creationem V,8 (PG 56, 475) besteht diese primär in der (durch Christus wiederherzustellenden) göttlichen Heiligkeit und Tugend und nur in zweiter Linie in der von Diodor (Collectio coisliniana 70; CCG 15, 57 f.) eingeschärften Herrschaftsgewalt. Vgl. R. Carter, „The Image of God in Man and Woman according to Severian of Gabala and the Antiochene Tradition“, Orientalia Christiana Periodica 69 (2003), 163–78. 96 Nach Hom. in Creationem VI,5 (PG 56, 490 f.) sind die Protoplasten nur deswegen für die Versuchung, sein zu können wie Gott, anfällig, weil ihnen ein natürliches Verlangen nach Vergöttlichung innewohnt, welches in Christus erfüllt wird.
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Sicherlich hat dieser Unterschied auch mit den unterschiedlichen Genera des wissenschaftlichen Kommentars und der erbaulichen Homilie zu tun, doch läßt sich auch sonst feststellen, daß Severian bei aller Beteuerung der Bedeutung der φυσιολογία eine konkrete theologische Auswertung der antiptolemäischen Kosmologie, wie wir sie teilweise bei Chrysostomus fanden und bei Theodor finden werden, an keiner Stelle erkennen läßt. Dies beginnt schon bei der marginalen Rolle, die die antipagane Polemik bei Severian zu spielen scheint: Die wichtigsten Gegner sind mit Abstand christliche Häretiker, hauptsächlich Arianer, und die gelegentlichen antipaganen Ausfälle betreffen – mit Ausnahme des eingangs zitierten – nicht einmal im Falle der zu Gen 1,14 obligatorischen Polemik gegen die Astrologie konkrete kosmologische Diskrepanzen.⁹⁷ Wenn er in der Christologie ähnlich wie Diodor und Chrysostomus die Unterscheidung der Naturen und die Konstanz des menschlichen Leibes betont, scheint er dabei jedoch, wie vor allem die ausführliche Behandlung der Frage in der Homilie zu Himmelfahrt und Anfang der Apostelgeschichte vor Augen führt, keinerlei kosmographische Konsequenzen zu ziehen: Daß die Nägelmale nicht nur beim Auferstanden (Joh 20,20.27), sondern auch in der zweiten Parusie (Sach 12,10; Joh 19,37) sichtbar sein werden, schärft hier zunächst die – von seiner Fähigkeit zur Formwandlung⁹⁸ – offensichtlich unbeschadete – substantielle Identität des Leibes Christi ein.⁹⁹ Jesus fährt dementsprechend als Mensch, in menschlicher Gestalt zum Himmel¹⁰⁰ und benutzt die Wolke als Gefährt, ebenso wie er bei der Wiederkunft viele Gefährte mit sich führen wird (Mt 26,64), um auch die Apostel zu entrücken (1Thess 4,16 f.).¹⁰¹ Der Vorgang selbst wird also zunächst örtlich konkret gefaßt, sogar Hbr 4,14 und 9,24 zitiert, dabei jedoch in keiner Weise eine Gleichsetzung der himmlischen Heiligtums mit dem Raum über dem Firmament insinuiert.¹⁰² Vielmehr kommt es nur ganz prinzipiell darauf an, daß Christus den Geist auf die Erde gebracht hat, um unseren Leib als Unterpfand und An-
97 Hom. in Creationem III,3 (PG 56, 450). Eine schöne Parallele zu dieser oberflächlichen Art des Umgangs mit der paganen „religion cosmique“ bietet die Homilie zu den drei Männern im Feuerofen, wo unter Aufzählung aller Schöpfungswerke ganz allgemein gegen die Vergötzung der Natur polemisiert wird (PG 56, 598 f.). 98 Hom. in Ascensionem 14 (R. Bishop/N. Rambault, „Severian of Gabala, In ascensionem et in principium Actorum [CPG 4187]. Introduction and Critical Edition“, Sacris erudiri 56 [2017], [113–235] 199): ἔφαίνετο γὰρ ἄλλῃ φωνῇ, ἄλλῃ μορφῇ, ἄλλῳ σχήματι. Dies dürfte wohl auch die Durchdringung verschlossener Türen ermöglichen, was ebd. § 7 erwähnt, aber nicht eigens thematisiert wird. 99 Vgl. Hom. in Ascensionem 29–31 (hg. Bishop/Rambault, 214–17). Die Qualität des aufgefahrenen und wiederkehrenden Auferstehungsleibs Christi erörtert die nur armenisch erhaltene Homilie In illud: Libri aperti sunt (Seueriani siue Seberiani Gabalorum episcopi homiliae, hg. J. B. Aucher [Venedig 1827], 237 f.): Wie das Feuer im Eisen seine Gestalt nicht verliert, sondern sich lediglich qualitativ verändert, so wird auch der Leib Christi in wiedererkennbarer Gestalt zurückkehren, doch „ganz ins Leben getaucht“. 100 Hom. in Ascensionem 32–34 (hg. Bishop/Rambault, 217–19), bes. 32 (128): τῷ σχήματι γὰρ τῆς σαρκὸς ἀνελήφθη, τῇ [scil. θείᾳ] αὐθεντίᾳ δὲ ἐπορεύετο. 101 Hom. in Ascensionem 36 f. (hg. Bishop/Rambault, 221–24). 102 Hom. in Ascensionem 37 (hg. Bishop/Rambault, 223).
72 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor ker der Errettung mit in den Himmel zu nehmen,¹⁰³ was – wie besonders der Vergleich mit Elia und Henoch zeigt¹⁰⁴ – im Ergebnis mehr ist als ein reiner Translokationsprozeß. Die ja bereits bei Chrysostomus nicht konsequent vertretene Identifikation des Vorhangs (Hbr 6,19; 10,20) mit dem Firmament¹⁰⁵ ist somit für Severian nicht zu belegen, zumal dieser die Stiftshütte auch sonst relativ konsequent christologisch-ekklesiologisch deutet. Besonders in der Homilie In Christum pastorem et ovem macht der deutlich, daß die Stiftshütte nach Hbr 8–9 einerseits auf das „gesamte Leben“ gedeutet werden kann, mit dem Heiligen als Symbol des alten und dem Allerheiligsten als Symbol des neuen Bundes, andererseits aber, noch angemessener, auf Christus selbst, wo nach Hbr 10,20 eben das Fleisch als Vorhang fungiert, welcher den menschlich-sichtbaren vom göttlich-unsichtbaren Aspekt des Erlösers trennt.¹⁰⁶ Somit finden wir auch keine wirkliche Spur der Habitatkonzeption, wenn man nicht die Fragmente zu 2Kor 5,1 f. als deren individualistische Umdeutung (auf irdischen und Auferstehungsleib) betrachten will.¹⁰⁷ Was nun die eschatologischen Valenzen seiner Kosmographie betrifft, ergeben sich zwar einige oberflächliche Ähnlichkeiten mit den ‚Antiochenern‘, insofern auch Severian die Dauerhaftigkeit von (erstem) Himmel und Gestirnen betont, jedoch spielt das Firmament bzw. der Raum darüber dabei nicht die geringste Rolle. In unmittelbarem Anschluß an die offensichtlich diodorische Theorie des Firmaments wird nämlich in Aussicht gestellt, daß sich am Ende der Tage die oberen Wasser zurückziehen, damit das Firmament schmelzen kann, und so der Himmel sich zusammenrollen wird wie eine Buchrolle und die Sterne zur Erde fallen werden (Jes 34,4).¹⁰⁸ Dies bedeutet jedoch
103 Hom. in Ascensionem 38 (hg. Bishop/Rambault, 224 f.). Damit wäre die lange Diskussion der himmlischen Intercessio Christi in In incarnationem 587–676 (hg. F. Regtuit, Homily on the incarnation of Christ (CPG 4204) [Amsterdam 1992], 282 f.) zu vergleichen, welche ebenfalls keinerlei topographische Andeutung macht. 104 Hom. in Ascensionem 35 (hg. Bishop/Rambault, 220): Ἠλίας […] εἰς ὕψος ἀνῆλθεν, οὐρανὸν δὲ οὐκ ἔφθασε […] Ἐνὼχ μετετέθη ἄνω οὐκ ἀναληφθείς· μετετέθη ἀπὸ τόπου εἰς τόπον, οὐκ ἀπὸ γῆς εἰς οὐρανόν. Ἠλίας ἀνελήφθη ὡς εἰς τὸν οὐρανόν. Οὐδεὶς ἀναβέβηκεν εἰς τὸν οὐρανόν, εἰ μὴ ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, ὁ ὢν ἐν τῷ οὐρανῷ. Auch später in §§ 37–39 scheint mitzuschwingen, daß die himmlische „Rechte Gottes“ ebenso wenig eindeutige kosmographische Koordinaten hat wie der Geist Gottes auf Erden. 105 Vgl. o. Anm. 53–58. 106 In Christum pastorem 2 (PG 52, 829 f.). Vgl. In Hbr 9,11 (Staab, Pauluskommentare, 350): Ὥσπερ ἡ σκηνὴ κατεσκευάσθη ἐπὶ Μωϋσέως ὥστε τὰς λατρείας γίνεσθαι, οὕτω μείζων ἡ σκηνὴ αὕτη, τῆς χάριτος ἡ σύστασις, τὸ σῶμα τοῦ Χριστοῦ κεφαλὴν ἔχον τὸν Χριστόν. 107 In 2Kor 5,1 f. (Staab, Pauluskommentare, 290): οἰκίαν δὲ δύο λέγει, τὴν θνητὴν καὶ τὴν προσδοκωμένην· καὶ δύο οἰκητήρια, τὴν φθορὰν καὶ τὴν ἀφθαρσίαν, ὅτι τὸ μὲν ἀπολυόμεθα, τὸ δὲ ἐπενδυόμεθα. οἰκητήριον δὲ λέγει τὸ ἐξ οὐρανοῦ τὴν ἐξ οὐρανῶν ἀφθαρσίαν, καθὸ οὐκ ἔστι χειροποιητὴ ἀλλὰ θεοῦ δωρεά. Der auch später von Kosmas favorisierte Begriff οἰκητήριον ist hier allerdings von Text (5,2) vorgegeben. In den Hom. in Creationem IV,3 (PG 56, 460) wird jedenfalls lediglich die Erde als menschliches οἰκητήριον apostrophiert. 108 Hom. in Creationem II,4 (PG 56, 442): Λέγεται δὲ, ἀδελφοὶ, ὅτι ἐν τῇ ἡμέρᾳ τῆς κρίσεως ὑποχωρεῖ τὸ ὕδωρ τὸ ἄνω, καὶ ὁ οὐρανὸς λύεται μὴ ἔχων τῶν ὑδάτων τὴν σύστασιν, καὶ ἄστρα πίπτει μὴ ἔχοντα ὁδὸν
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andererseits keinesfalls eine Vernichtung des Himmels oder der Gestirne, deren quantitative wie qualitative Konstanz als ἀίδιον ἔργον er nicht nur in den Schöpfungshomilien betont.¹⁰⁹ In der großen Inkarnationshomilie wird ausgehend von Jes 65,17 zusätzlich festgestellt, daß mit der Erneuerung des Menschen in Christus auch die Gestirne nicht verschwinden, sondern als ab- und zunehmende erneuert werden, so daß Sonne und Mond in völlig neuem Licht erstrahlen werden (Jes 30,26),¹¹⁰ und zu Hbr 1,12–14 wird die dem zuwiderlaufende Voraussage Jesu, daß Sonne und Mond ihren Schein verlieren und die Sterne zur Erde fallen werden (Mt 24,29), dahingehend abgebogen, daß hier nicht von einem grundlegenden Eingriff in die natürliche Ordnung die Rede sei, sondern nur im Blick auf und gemessen an der Erscheinung des ewigen Sohnes gesagt werde, daß die Sterne ihren Schein verlieren und in der Nichtigkeit ihres Daseins dahinschwinden.¹¹¹ Ähnlich wie später Ps.-Justin¹¹² zieht er also aus der kosmologischen Funktion des Firmaments ganz andere Konsequenzen als die meisten Theodorianer, hält also dessen Nutzen für zeitlich begrenzt und rechnet es nicht, wie Himmel und Sterne, im Rahmen seiner naturalisierenden Eschatologie zu den guten, unbedingt erhaltenswerten Geschöpfen. Einen Maßstab für deren Auswahl liefert er uns dabei leider nicht, obgleich sich etwa die in den Schöpfungshomilien ganz grundlegende, von Ephraem inspirierte Unterscheidung zwischen am ersten Tag aus dem Nichts geschaffener Schöpfungsmaterie (Himmel, Erde, Elemente) und den an den folgenden Tagen aus deren Weiterverarbeitung entstandenen Dingen,¹¹³ dafür angeboten hätte. ἢ βάσιν. Ταῦτα οὖν οὐ λέγομεν ἁπλῶς, ἀλλ’ ἡ Γραφὴ διδάσκει· Εἰλιγήσεται γὰρ ὁ οὐρανὸς ὡς βιβλίον (ἀντὶ τοῦ, φρυγόμενος· τὸ γὰρ φρυγόμενον εἰλεῖται), καὶ τὰ ἄστρα πεσεῖται ὡς φύλλα ἀμπέλου. Der Abschnitt wird von Kosmas, welcher in Topographia VII ja die Unzerstörbarkeit des (ersten) Himmels verteidigen möchte, in X,28 f. (SC 197, 267) wohl bewußt weggelassen. 109 Hom. in Creationem III,5 (PG 56, 453): Εἶτα ἐποίησε τὸν ἥλιον, ἀδιάλειπτον φωστῆρα, τὴν σελήνην, καὶ ἀποδυομένην τὸ κάλλος, καὶ ἀμφιεννυμένην πάλιν. Δείκνυσι δὲ τὸ ἔργον τὸν τεχνίτην. Ἀνεκλιπὴς ὁ τεχνίτης, ἀΐδιον τὸ ἔργον. Οὐ γὰρ ἀναλίσκεται τὸ φῶς τῆς σελήνης, ἀλλὰ κρύπτεται. Γίνεται δὲ καὶ εἰκὼν ἡμῶν τῶν θνητῶν ἀνθρώπων. Ἐννόησον πόσους αἰῶνας ἔχει ἀνατέλλουσα. […] Διατί; Ἐπειδὴ εἰκών ἐστι τῶν ἡμετέρων σωμάτων. Vgl. Hom. in Creationem IV,3 (PG 56, 460), wonach es bei den Gestirnen „weder der Zahl noch der Größe nach möglich ist ihnen etwas hinzuzufügen. Als solche, die in der Selbigkeit der Natur verbleiben sollten, bedürften sie keines vermehrenden Segens“. 110 In Incarnationem 550–58 (hg. Regtuit, 280): Ὅτε τοίνυν μέλλει ὁ ἄνθρωπος ἀνακαινίζεσθαι, γίνεται ὁ οὐρανὸς καινός, οὐκ ἀφανιζόμενος, ἀλλ’ ἀνακαινιζόμενος τῇ καινῇ κτίσει. Ἥλιος καινός, σελήνη καινή, ἄστρα καινὰ προσθήκην λαμβάνοντα καὶ αὔξησιν· λέγει γὰρ ὁ προφήτης· ‚Ἔσται ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή.’ Ἰδοὺ ἀνακαινίζεται ἡ κτίσις, καὶ οὐ ψεύδεται ὁ ἐπαγγειλάμενος. Ὅσην λαμβάνει προσθήκην ὁ ἄνθρωπος, λαμβάνει καὶ τὰ στοιχεῖα. Πόθεν τοῦτο; Λέγει Ἡσαΐας· ‚Ἔσται γὰρ τὸ φῶς τοῦ ἡλίου ἑπταπλάσιον, καὶ τὸ φῶς τῆς σελήνης ὡς ὁ ἥλιος.’ Εἶδες, πῶς οὐκ ἐψεύσατο ὁ θεὸς τὴν ἐπαγγελίαν, ἀλλ’ ἀνεκαίνισε τὴν κτίσιν; Ἀρχηγὸς δὲ τοῦ ἀνακαινισμοῦ Χριστός. 111 Staab, Pauluskommentare, 347: Οὐ μεταβολὴν λέγει φύσεως γινομένην, ἀλλὰ κατὰ σύγκρισιν, ὅτι ἐγχωρεῖ ταῦτα ἀπολέσθαι μᾶλλον καὶ ὥσπερ ἀπόλλυται ὅσον πρὸς παράθεσιν τῆς τοῦ υἱοῦ ἀϊδιότητος. καὶ γὰρ ὁ κύριος προλέγων τὴν δευτέραν παρουσίαν, ἀστέρας μὲν πεσεῖσθαι λέγει, οὐκέτι δὲ ἥλιον ἢ σελήνην ἢ οὐρανόν. 112 Vgl. u. Anm. 305–7. 113 Vgl. Zellinger, Genesishomilien, 69 f.
74 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Die βασιλεία τῶν οὐρανῶν, von der er ähnlich wie Theodor und später Kosmas unter Berufung auf Mt 25,34 feststellt, sie sei dem göttlichen Vorherwissen um Adams Fall entsprechend „vor dem Paradies“ geschaffen,¹¹⁴ identifiziert er jedenfalls nicht mit dem Raum über dem Firmament, sondern scheint sie, wie die nahtlose Überleitung zur Erörterung der Präexistenz des Sohnes vor aller Schöpfung zeigt, für eine geistige, vorkosmische Größe zu halten.
3.4 Theodor v. Mopsuestia Im Fall des zweifellos bedeutendsten Autors der „antiochenischen“ Schule und seines wichtigsten Werkes zur Kosmographie, dem einem Alphaeus gewidmeten dreibändigen Genesiskommentar, stoßen wir leider auf ein grundlegendes quellenkritisches Problem: Hält man sich nur an die wenigen erhaltenen Katenenfragmente sowie die bis heute überlieferten Passagen der syrischen Übersetzung, ergeben sich nur äußerst allgemeine Grundzüge von Theodors Kosmographie, welche aus dem Rest des erhaltenen Werkes auch höchstens notdürftig ergänzt werden können. Die beträchtliche Zahl an nachgewiesenen Benutzern des Kommentars – aus dem fünften und sechsten Jahrhundert wären Theodoret v. Cyrus, Gennadius von Konstantinopel, Narsai, Jakob von Sarug, Prokop v. Gaza, Johannes Philoponus (und vielleicht auch Eznik von Kołb) zu nennen, aus späterer Zeit die ostsyrischen Genesiskommentare, besonders der Anonymus Dyarbakir, Theodor bar Koni und Ishodad v. Merv – tut uns allerdings so gut wie nie den Gefallen, ihre Rückgriffe auf den großen Interpreten auch nur halbwegs exakt auszuzeichnen.¹¹⁵ Sie können also weder komplett außen vorgelassen noch uneingeschränkt als Quelle für Theodors Ansichten herangezogen werden. Wir werden im Folgenden also am besten zunächst das fragmentarische Bild auf der Basis Theodors eigener Werke nachzuzeichnen suchen, um danach zu überprüfen, inwiefern dieses durch das Zeugnis besagter Autoren in einigermaßen gesicherter Weise ergänzt werden kann.
114 Hom. in Creationem IV,8 (PG 56, 467): τὸν Ἀδὰμ εἶδεν ἁμαρτάνοντα, προεώρα καὶ τοὺς ἐξ αὐτοῦ μέλλοντας δικαίους, ἔβλεπεν αὐτὸν ἐκβαλλόμενον τοῦ παραδείσου· ἀλλὰ προεώρα, ὅτι ἡτοίμασται αὐτῷ βασίλειον. Τὸ δὲ θαυμαστὸν, πρὸ τοῦ παραδείσου ἡ βασιλεία ἐγένετο· Θαυμάζεις ὅτι Ἀδὰμ ἐξεβλήθη τοῦ παραδείσου; Θαύμασον ὅτι πρὸ τοῦ παραδείσου ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν αὐτῷ ἡτοίμαστο. Λέγει ὁ Σωτήρ· Δεῦτε, οἱ εὐλογημένοι τοῦ Πατρός μου, κληρονομήσατε τὴν ἡτοιμασμένην ὑμῖν βασιλείαν ἀπὸ καταβολῆς κόσμου. 115 Eine reiche Materialsammlung für die Rekonstruktion von Theodors Genesiskommentar aus den ostsyrischen Autoren bietet T. Jansma, „Investigations into the early Syrian fathers on Genesis. An approach to the exegesis of the Nestorian church and to the comparison of Nestorian and Jewish exegesis“, Oudtestamentische Studien 12 (1958), 69–181, in Form eines laufenden Kommentars zu dem im Ms Seert 21 (XVII) enthaltenen anonymen Pentateuchkommentar.
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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3.4.1 Kosmographische Splitter Durchforstet man nun das durch die Überlieferung zwar sehr fragmentierte, alles in allem aber immer noch recht beachtliche erhaltene Werk Theodors nach konkreteren Äußerungen zur Kosmographie, so wird man fast durchweg enttäuscht: Die vollständig erhaltenen Kommentare zum Dodekapropheton,¹¹⁶ Johannesevangelium¹¹⁷ und den kleinen Paulinen¹¹⁸ enthalten weder eingehendere kosmographische Ausführungen, noch äußern sie sich genauer zu den kosmographischen Implikationen von Himmelfahrt, sessio ad dextram oder leiblicher Auferstehung. Auch die Fragmente zum Matthäusevangelium,¹¹⁹ den großen Paulinen¹²⁰ und die Reste der dogmatischen Werke¹²¹ bieten ein ähnliches Bild. Vielleicht am enttäuschendsten ist der negative Befund in den nicht ganz unbeträchtlichen Resten des Psalmenkommentars, wobei hier allerdings zu bedenken ist, daß uns gerade zu den kosmologisch wichtigen Psalmen 103 und 148 lediglich die stark kürzende lateinische Fassung Julians von Aeclanum zur Verfügung steht.¹²² Auch der Schöpfungsabschnitt in den katechetischen Homilien bleibt sehr im Allgemeinen, so daß wir für die konkrete Gestaltung der Kosmographie tatsächlich primär auf die Fragmente des Genesiskommentars angewiesen sind. Leider ist auch deren Ertrag mager, konzentrieren sich doch sowohl die griechisch¹²³ wie die 116 Der Kommentar insgesamt unterstreicht dominant die Vorläufigkeit der alttestamentlichen Offenbarung, exegesiert also hauptsächlich historisch und hält sich mit dogmatischen Ausgriffen sehr zurück (vgl. Theodori Mopsuesteni Commentarius in XII Prophetas, hg. H. N. Sprenger [Wiesbaden 1977], 121 f.). 117 Natürlich wird zum Prolog auf die Parallelität zu Gen 1 sowie die Mitschöpferschaft des Wortes eingegangen (CSCO 115, 13–17; 25–28/116,8–11; 16–19), allerdings ohne in irgendein kosmologisches Detail zu gehen. Vgl. aber u. Anm. 139. 118 Theodori episcopi Mopsuesteni in epistulas beati Pauli commentarii, hg. H. B. Swete, 2 Bde. (Cambridge 1880/82). Vgl. aber die angelologischen Andeutungen u. Anm. 148 f. 119 Hier interessieren im vorliegenden Zusammenhang allenfalls die Äußerungen zur Eschatologie in frg. 102 (TU 61, 132). 120 Auch hier wird, etwa zu Rm 8,19 (Staab, Pauluskommentare, 137 f.), nur im Hinblick auf die Funktion des Menschen als kosmisches Band über die sichtbare und unsichtbare Welt gesprochen. 121 In den Fragmenten von De incarnatione wird zwar die Bedeutung der Himmelfahrt immer wieder hervorgehoben, allerdings ohne kosmographische Präzisierungen (bes. frg. 1–2; PTS 65, 233 f.). Ebenso unergiebig sind die von Swete, Commentarii II, 312–39 gesammelten restlichen Fragmente, wo lediglich in Contra Apollinarem, frg. 3 die Bedeutung der sessio ad dextram unterstrichen wird (hg. Swete II, 314). 122 Zu der wichtigen Stelle Ps 103,3 liest man hier lediglich (CCL 88A, 334): Superiora caeli appellat dorsa eius; quoniam ergo super caelum hoc visibile teste Moyse fusae aquae sunt – qui ait firmamentum inter aquarum medium fabricatum, - tectum autem semper solo imponitur, hoc est quod ait: caelum hoc texisti aquis superpositis. Auch die von Devreesse gesammelten griechischen Fragmente zu Ps 1–80 belassen es bei vagen Andeutungen zu den beiden Himmeln und zum Lauf der Gestirne (Le Commentaire de Théodore de Mospueste sur les Psaumes [Rom 1939], 65 f.; 117; 526). Die Reste der syrischen Übersetzung zu Ps 118 und 138–48 (CSCO 435/46) bieten gar nichts Verwertbares. 123 Kritische Editionen finden sich in CCG 15 und TEG 1, neun weitere Fragmente zur Gottebenbildlichkeit bei F. Petit, „L’homme créé à l’image de dieu. Quelques fragments grecs inédits de Théodore
76 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor syrisch¹²⁴ erhaltenen Reste fast völlig auf Gottesebenbildlichkeit und Paradiesgeschichte. Lediglich die auch aus Diodor bekannte Richtigstellung zu Gen 1,17, daß ἔθετο hier keineswegs die Bewegung der Gestirne ausschließen solle, findet sich aufgenommen, jedoch ohne die von Diodor eingetragene antipagane Spitze.¹²⁵ Glücklicherweise hat uns allerdings eine der von Sachau edierten Handschriften noch eine längere Passage aus Theodors Einleitung zu seinem Kommentar erhalten, in der er ganz im Geiste Diodors die heidnische Kosmologie attackiert. Aufgrund der nun bereits mehrfach angedeuteten Spärlichkeit der Informationen zu Theodors Kosmologie soll dieser Text hier trotz seines repetitiven Charakters im Ganzen zitiert und besprochen werden: „Daß ich die Geschichten der Heiden hier vorbringe, erschien mir als überflüssig, da jene für die Lehre, welche hier vorgelegt wird, überhaupt nichts Nützliches enthalten, weil diese sich in verschiedenen und verworrenen Irrtümern befinden, etwas, was wirklich über kein einziges Fundament oder irgendwelche echte Beständigkeit verfügt. Nur dasjenige aber, was ihnen gerade begegnet, und was auch immer sie zufällig trifft oder sie sich ausdenken, wagen sie nach Belieben zu behaupten, und überliefern es in Büchern an die Späteren, wobei sie in Wahrheit nach dem Wort der Schrift ‚im Geist der Hurerei umherirren und von dem Gott, welcher der Schöpfer der Schöpfung ist, abgefallen sind‘ (Hos 4,12). Und daher können sie auch nicht bezüglich dessen, was von ihm her entstanden ist, erkennen, wie es geschaffen wurde, aber somit auch nicht bezüglich der Form, von der sie behaupten, daß die Welt damit versehen sei, wenn doch der Himmel angeblich wie eine Kugel rotiert und die Erde dagegen den Zentralpunkt eines Zirkels darstellt, da sie die Erde durch eine Form der Geometrie, also der Erdmeßkunst, messen.¹²⁶ Nicht bin ich jetzt gewillt,¹²⁷ etwas zu sagen gegen die Köpfe dieser Torheit, denn die Abhandlung gegen sie würde vieler Worte bedürfen, wenn es denn der Fall ist, daß jemand genau mit ihnen diskutieren möchte, da uns diese Zeit nicht für die Menge der Einwände gegen sie ausreicht. Sie haben nämlich die Form für den Himmel gefunden, die dem trunkenen Zustand ihrer Gedanken angemessen ist. Und wie sie mit dem Preis und dem wahren Dank auch nicht ein wahres Fundament in ihrer Seele haben, so denken sie auch vom Himmel, daß er keinen beständigen Ort hat, sondern ständig rotiert, zumal ihm ständige Bewegung und endlose Rotation zukommt – eben dies, was in Wahrheit der Dummheit ihrer Erfindungen entspricht, sie, die freilich hierhin und dorthin in ihren Lehrmeinungen rotieren, sich beständig in Fragen, welche solche wie diese sind, wälzen, obgleich sie die Wahrheit bis zum heutigen Tag nicht gefunden haben. Da sie nicht einmal mit sich selbst in der Lehre bezüglich dieser Dinge übereinstimmen und auch nicht untereinander, passiert ihnen freilich das, was gewöhnlich den Betrunkenen geschieht – sie, die aufgrund des Rausches, von dem sie benebelt sind, von der Erde, auf der sie aufgestellt sind, annehmen, daß sie wie dasjenige sei, was heftig durchgeschüttelt wird und rotiert. de Mopsueste“, Le Muséon 100 (1987), 269–81. Immer noch nützlich ist also der zusammenfassende Überblick über die Reste bei R. Devréesse, Essai sur Théodore de Mospueste (Vatikan 1948), 5–25, obwohl er natürlich nicht alles heute bekannte Material verzeichnet. 124 Theodori Mopsuesteni fragmenta syriaca, hg. E. Sachau (Leipzig 1869), 9–21 (zu Gen 1,26–2,10); R. Tonneau, „Théodore de Mopsueste: Interprétation du livre de la Genèse“, Le Museon 66 (1953), 45–64 (zu Gen 3,14–24); T. Jansma, „Théodore de Mopsueste: Interprétation du livre de la Genèse. Fragments de la version syriaque“, Le Museon 75 (1962), 63–92 (zu Gen 4,15–8,14). 125 Cat. frg. 104 (TEG 1, 83) vgl. o. Anm. 8. 126 Hier postuliert Sachau, Fragmenta, 7 eine Lücke. Ich sehe diese Notwendigkeit nicht unbedingt. 127 Lege meththepīs pro methṭepīs (Sachau, Fragmenta, 10,20).
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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Wenn also der Himmel tatsächlich existiert, muß er stabil sein und nicht erschüttert, wie die Grenze, die ihm von seinem Schöpfer gesetzt ist, welcher aus diesem Grund dem Himmel und der Erde einen festen Stand und ein wahres Fundament gegeben hat, welche, zumal sie außerhalb sind, das All auch umgeben als Bewahrung, welche dafür genügt, was sich innerhalb befindet. Wie die Grenze, die ihnen von Gott zur Bewegung gesetzt ist, können sie †geben…†,¹²⁸ da sie sich innerhalb davon befinden, doch bewegt werden außerhalb der Grenze, welche ihnen gesetzt ist, können sie nicht. Von diesen Dingen aber zu glauben, daß sie ewig seien und den Anfang der Existenz nicht anderswoher empfangen haben, das also, was sie glauben, daß es bei der Kugelgestalt der Fall sei, zeugt von großer Dummheit, insofern als etwas Ewiges keinen Körper und keine Gestalt hat und weder zusammengesetzt ist noch begrenzt. Die Kugelgestalt aber ist nicht einmal annähernd von dieser Natur, sondern wenn sie ein Körper ist, ist sie auf jeden Fall zusammengesetzt, hat eine Gestalt und ist begrenzt nach dem Gesetz der Körper. All dieses also zusammen mit dem ihm ähnlichen anderen, was sie sich ausdenken, gehört zur Dummheit derjenigen Leute, die durch einen bösen Geist die ganze Zeit umherirren, zumal es keinen Halt für ihren Irrtum gibt, da es ja unmöglich ist, daß diejenigen, die den Schöpfer des Alls nicht kennen und die Unterrichtung über die Schöpfung nicht von dort empfangen haben, einen Halt für ihren Irrtum finden. Wie viel sich diese auch immer wegen ihrer Fündlein rühmen, daß sie aus der Rotation des Himmels und dieser neuen Kugel die Wissenschaft der Astronomie zusammensetzen, †… kommt (?)†¹²⁹ mir zu lachen über ihre Dummheit, da ich von ihnen glaube, daß sie Leuten gleichen, die in ihren Träumen umherstreifen, Leuten, die gerade auf ihrem Bett liegen, sich dabei in diesem Moment nicht bewußt sind, wo sie sich befinden, und glauben, daß sie tatsächlich fliegen und in die Höhe aufsteigen. Genauso verhält es sich auch mit diesen, weil sie das, was vor ihren Füßen liegt, nicht untersuchen und nicht in der Lage sind, sich anständig um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Hinsichtlich der Kugel †was …†¹³⁰ wird genannt das Geblöke ihrer Münder, weil sie annehmen, daß ihre Dummheit ihnen zur Auffindung aller Dinge, die existieren, genüge, zumal sie uns sogar über die Konstellation der Gestirne erzählen, von welcher die Erfindung der Astrologie ihren Anfang genommen hat, uns dabei aber nichts anderes kundtun, als daß sie dumm sind. Wenn wir nämlich entsprechend der Konstellation der Gestirne, wie ihre Rede behauptet, unzüchtig und keusch, trunksüchtig und enthaltsam, gerecht und frevelhaft, und, um es kurz zu sagen, gut und böse sind, worin erscheinen wir noch als den Tieren überlegen, wenn wir nicht in der Lage sind, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, das Böse nicht hassen und das Gute nicht lieben, sondern gezwungenermaßen der Konstellation der Gestirne entsprechend zum Guten und Bösen hindirigiert werden, wie diese behaupten und deren Geschichte lehrt?“¹³¹
Genau betrachtet erfahren wir aus diesem Abschnitt sogar noch weniger über die Kosmographie Theodors als wir aus dem Bericht des Photius über diejenige Diodors erfuhren.¹³² Der Grundtenor ist dennoch der gleiche: Die pagane Kosmologie ist deswegen
128 Sachaus ansonsten sehr adäquate Übersetzung (Fragmenta, 7: „secundum terminum, qui iis a deo positus est, moveri possunt, dum sunt intra terminum“) überdeckt hier eine offensichtliche Korruptel im Text. 129 Nach Sachau, Fragmenta, 12,15 sind hier drei Buchstaben unleserlich. 130 Auch hier scheint wohl eine Verbform unleserlich (Sachau, Fragmenta, 12,22). 131 Sachau, Fragmenta, 10,6–13,10. 132 Vgl. o. Anm. 22.
78 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor abzulehnen, weil sie die Grundlage bildet für den Irrglauben an die Ewigkeit der Welt und das durch die Gestirne verhängte Schicksal, also sowohl die Existenz des Schöpfers als auch die Freiheit und Verantwortung des Menschen in Frage stellt. Anstelle der apologetischen Argumente Diodors, welche uns Photius leider verschweigt, scheint Theodor nun aber lediglich Häme und Spott über die Dünkeltrunkenheit der Philosophen zu setzen, welche meinen, Himmel und Erde in Gedanken aus den Angeln heben und somit der eigenen denkerisch wie moralischen Instabilität angleichen zu können – eine attraktive Pointe, die noch bis in die christliche Topographie nachhallt.¹³³ Daß er dementsprechend ankündigt, sich mit diesen „Geschichten“ (thashe‛jotho; hier wohl: μῦθοι) überhaupt nicht näher auseinandersetzen zu wollen, könnte einen zusammen mit dem Zeugnis des Philoponus zu weitreichenderen Schlüssen verleiten, was den kosmographischen Gesamtgehalt von Theodors Genesiskommentar betrifft: Philoponus, der es sich in seinem Hexaemeronkommentar ja gerade zum Ziel gesetzt hat, die wissenschaftliche Kosmologie gegen den Biblizismus eines Theodor und seiner Nachfolger zu verteidigen, referiert nämlich einerseits recht detailliert Theodors Argumente gegen die Präexistenz der Engel und zur Natur des Unkörperlichen (De opificio I,8–22), zum Verhältnis von Finsternis, Nacht und Tag (II,15–23) und zur Gottesebenbildlichkeit (VI,9–17), präsentiert jedoch nicht ein einziges in den Passagen zu Gestalt und Bewegung von Himmel (III,8–12) und Erde (IV,2). Im ersteren Abschnitt begegnet lediglich eine Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Schriftbeweisen der „Schüler Theodors“ (οἱ ἀπὸ Θεοδώρου) gegen eine Kugelgestalt des Himmels, wonach diese Schüler, vielleicht auch der Meister, den Himmel für einen halbierten Zylinder,¹³⁴ also eine Art Tonnengewölbe mit rechteckiger Grundfläche gehalten hätten. Wäre hier in der Tat der erste Himmel im Blick, würde die Stelle schlicht auf ein etwas vergröberndes Referat der Ansicht des Kosmas hinauslaufen. Ist jedoch, wie der Kontext vielleicht eher nahelegt, der den menschlichen Sichthorizont konstituierende zweite Himmel gemeint, hätte Philoponus die Konzeption eines Doppelgewölbes im Blick, was gut zu der bei Prokop bezeugten Diskussion über die Außenseite des Firmaments und deren Eignung zur Speicherung der oberen Wasser passen würde.¹³⁵
133 Vgl. Topographia II,100 (SC 141, 421: ἀεὶ κατὰ τὴν αὐτῶν ὑποθήκην πλανώμενοι ἀστάτῳ φορᾷ περιφέρονται σὺν τῇ ἑαυτῶν σφαίρᾳ, παῦλαν τούτων μὴ ἐλπίζοντες); V,248 (SC 159, 363: πλανώντων καὶ πλανωμένων, μετὰ τῆς ἑαυτῶν σφαίρας ἅμα κυλιόμενοι ταῖς φρεσίν). 134 De opificio III,10 (hg. Reichardt, 132): ἥμισυ δὲ σφαίρας ὑπάρχει τὸ ὑπὲρ γῆν· οὔτε δὲ κυλίνδρου, ὡς τοῖς Θεοδώρου δοκεῖ, οὔτε ᾠοειδοῦς ἐστιν ἥμισυ, οὔτε ἄλλου τινὸς σχήματος· διχοτομουμένων γὰρ τούτων κατὰ μῆκος τὰ ἑκάστου διχοτομήματα περατοῦσιν εὐθεῖαι γραμμαὶ καὶ τὸ μῆκος ἔχουσι τοῦ πλάτους μεῖζον. μέση δὲ πάντων ἡ γῆ δέδεικται τὸ κέντρον ἐπέχουσα τοῦ παντὸς καὶ διὰ τοῦτο πρὸς οὐδὲν ἀποκλίνουσα, ἀλλ’ ἴσον τοῦ τε ἀνατολικοῦ σημείου καὶ τοῦ δυτικοῦ, βορείου τε καὶ νοτίου διέστηκεν. 135 In Gen 1,6 (GCS NF 22, 33). Vgl. zu Diodor o. Anm. 16.
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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In jedem Fall kann diese Notiz des Philoponus kaum als authentisches Zeugnis für Theodors Genesiskommentar gelten, da dieser, wie ich anderswo umfassender zu begründen suche,¹³⁶ aller Wahrscheinlichkeit nach den kompletten Kommentar überhaupt nicht vor sich hat, sondern auf der Basis eines während des Dreikapitelstreits entstandenen malevolenten Theodorflorilegiums arbeitet. Jedoch auch der syrische Text gibt, wie er uns überliefert ist, in seinem enorm repetitiven und stellenweise stark simplifizierenden Charakter den Anschein, als könnte man hier einen der vereinfacht umgeschriebenen Theodortexte vor Augen haben, die Abraham von Beth Rabban, der Nachfolger des Narsai († 502) an der Schule von Nisibis, anfertigen ließ, da er bemerkte, daß die ursprünglichen Theodorübersetzungen für die Schüler sprachlich viel zu kompliziert waren.¹³⁷ So macht mir besonders das (angedeutete) Argument dafür, warum eine Kugel als Körper aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht ewig sein könne einen stark simplifizierten Eindruck, ebenso wie die Behauptung, „aus der Rotation des Himmels und dieser neuen Kugel“ sei die Wissenschaft der Astronomie zusammengesetzt. Sollte nämlich mit der „neuen Kugel“ nicht einfach die „neu erfundene Kugelgestalt es Alls“, sondern vielleicht spezifischer die jenseits der rotierenden Planeten durch die Astronomen postulierte ἀπλανὴς σφαῖρα gemeint gewesen sein, welche Philoponus ja mit dem Urhimmel von Gen 1,1 identifiziert sehen wollte (De opificio I,7), wäre der Text deutlich voraussetzungsreicher und würde für eine um einiges tiefer gehende Auseinandersetzung mit der paganen Wissenschaft sprechen, als er in seiner jetzigen Form zu erkennen gibt. Daß Theodor nämlich ansonsten an kosmologischen Fragen nicht – wie Chrysostomus – uninteressiert war, belegen etwa die auch in Julians kürzender Übersetzung noch recht ausführlichen Darlegungen zum Schaltjahr im Kommentar zu Ps 10,2, wo er auch Andeutungen zu den fixen Bewegungsbahnen der Gestirne am Himmel macht, leider aber nicht erklärt, wie er sich deren Rückkehr zum Ausgangspunkt vorstellt.¹³⁸ Daß die Nacht nicht durch das Verschwinden der Sonne unter der Erde zustande kommt, erklärt jedenfalls der Johanneskommentar, nach dem sich die ständig scheinende Sonne in der Nacht einfach weiter „von uns entfernt“.¹³⁹ Ishodad v. Merv (um 850) schreibt dem 136 Vgl. „Christian Apologetics or Confessional Polemics? Context and Motivation of Philoponus’ De opificio mundi“, in Light on creation. Ancient Commentators in Dialogue and Debate on the Origin of the World (hg. G. Roskam u. a.; Tübingen 2017), (157–167) 162–64. 137 Barhadbeshabba Arbaia, Historia Ecclesiastica 32 (PO 9, 622). Vgl. dazu A. Vööbus, „Abraham de-beth rabban and his role in the hermeneutic traditions of the school of Nisibis“, Harvard theological review 58 (1965), (203–14) 209 f. 138 Hg. Devreesse, 65 f. 139 In Joh 20,1 (CSCO 116, 245 [115,342]): Solet enim scriptura diem unum merito vocare nocem diemque, quia sol, post cursum suum per totam noctem diemque totum, faciebat principium diei sequentis, revertens ad locum suum in occidente. De quo clare testimonium reddit Moyses dicens: fuit vespere et fuit mane, dies unus; […] Iamvero evidens est ab eo diem vocari tempus nocturnum diurnumque. Et bene quidem, quia sol in perpetuo suo cursu illuminat omnem locum in quo est, ita ut semper tempus diurnum habeatur propter solem semper lucentem. Apud nos autem discrepant eius tempora, et tunc censemus diem haberi
80 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Interpreten die Auffassung zu, die sich (fußend auf Koh 1,6) später auch bei Kosmas findet, daß die Sonne nämlich nachts in den Bergen des Nordens verschwinde und hinter ihnen zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehre.¹⁴⁰ Nun begegnet dieselbe Notiz allerdings auch beim Anonymus Dyarbakir, wohl einer der Quellen Ishodads,¹⁴¹ in einer detaillierteren Fassung, daß nach Theodor das Licht von uns weg wandere und der Finsternis Platz mache, während andere die Berge des Nordens oder die Engel für sein Verschwinden verantwortlich machen. Doch erinnert der Wortlaut des Anonymus so sehr an besagte Stelle aus Theodors Johanneskommentar,¹⁴² daß man m. E. nicht unbedingt davon ausgehen muß, Ishodad würde hier schlicht den Anonymus vergröbern, sondern auch letzterem die Korrektur einer ihm selbst, Ishodad und Theodor bar Koni gemeinsamen Quelle zuschreiben könnte. Da bar Koni und der Anonymus die beiden Ansichten jedoch relativ gleichlautend ohne Vertreter präsentieren, ist doch sehr wahrscheinlich, daß die Identifikationen in beiden Fällen erst von Ishodad vorgenommen wurden, vielleicht ja auf der Basis von Theodors Koheletkommentar, dessen syrische Übersetzung Ishodad in seinem eigenen offensichtlich benutzt. Leider gibt allerdings deren Text, so wie er zu Koh 1,6 erhalten ist, keinen eindeutigen Aufschluß in der Frage, da der entscheidende Passus durch eine Lücke entstellt ist: „‚Sie geht nach Süden‘. Dies bedeutet freilich: Zu einer bestimmten Zeit steigt sie hinab in den Süden, was unter uns den Winter bewirkt. ‚Und sie zieht ihren Kreis nach Norden‘: Dann wieder wird sie nämlich zu den nördlichen Bergen hinausgeführt, wenn nämlich die Sommerzeit kommt. So … die Unterschiedlichkeit ihres Laufs. Es gibt keine Abfolge von Tag und Nacht, wenn sie sie uns nicht gibt“.¹⁴³
Hier werden zunächst einmal, ähnlich wie bei Severian, die Jahreszeiten durch eine Nord-Südverschiebung der Sonne erklärt: Weil die Sonne weiter im Süden aufgeht und dann nicht voll aufsteigt, sondern schnell zur Seite abdreht, werden nach Severian die Tage im Winter kürzer.¹⁴⁴ Was dies nun allerdings genau mit den Bergen des Nordens und mit der Abfolge von Tag und Nacht zu hat, will aus dem Theodortext nicht klar werden. Interessant ist allerdings, daß Theodor einem Katenenfragment zufolge aus demselben Vers auch herauszulesen scheint, daß der Wind die Sonne bewegt:
quando sol apud nos videtur; noctem vero appellamus tempus quo a nobis distat sol. Vgl. zu Ps.-Justin u. Anm. 297. 140 In Gen 1,5 (CSCO 126, 23). Dahinter steckt natürlich eine archaische Tradition, von der Aristoteles bereits in Meteorologie II 1 354a27–32 berichtet (vgl. Kiessling, „Ῥίπαια ὅρη“, passim). 141 Vgl. L. van Rompay in CSCO 484, XLVII-LII. 142 Anonymus, In Gen 1,5 (CSCO 483, 11,17–19) vgl. Theodor, In Joh 20,1 (CSCO 115, 342,24–27). 143 Das syrische Fragment des Ecclesiastes-Kommentars von Theodor, hg. W. Strothmann (Wiesbaden 1988), 20. Ishodad (CSCO 229, 200) kürzt die Passage und bietet somit keinerlei Hilfe zur Auffüllung der Lücke. 144 Hom. in Creationem III,5 (PG 56, 453).
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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„Vom Wind sagt er, daß er seine Kreise zieht, aber von der Sonne sagt er, daß sie den Pfad beschreitet, welchen die Bewegung der Luft sie bringt, auf ihm reist sie beständig, vollendet ihren Kurs und Kreislauf und kommt wieder an ihrem gewohnten Bestimmungsort an, indem sie der Luft vorhergeht, geht sie sanft und ohne Hindernis darauf“.¹⁴⁵
Ishodad, der seinen Erörterungen den Kommentar Theodors anscheinend zugrunde legt, kommentiert diese Einschätzung mit einem Hinweis auf die Engel, die nach Meinung gewisser Leute den Lauf von Sonne und Mond kontrollieren.¹⁴⁶ Ob er darin einen Widerspruch zur aus Theodor übernommenen Meinung sieht, macht er nicht explizit. Klar ist jedenfalls, daß man auch die unter späteren Ostsyrern sehr verbreitete Lehre,¹⁴⁷ daß die Gestirnsbewegung letztlich nur durch die Wirkung der Engel zu erklären sei, in Theodors Pauluskommentaren mindestens vorbereitet sehen kann, wenn dort wiederholt betont wird, daß die geistigen Mächte den sichtbaren Elementen „vorstehen“, um sie „dem Nutzen der Menschen entsprechend zu bewegen“¹⁴⁸ und zu Kol 1,16 sogar explizit die Gestirne genannt werden.¹⁴⁹ Sein Hauptbeleg hierfür scheint in Eph 2,2 zu liegen, wo der Teufel als ἄρχων τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀερός bezeichnet wird, also genau in demjenigen Vers, den später auch Eznik von Kołb¹⁵⁰ und Kosmas (Topographia II,83) als „Aufhänger“ für besagte Lehre bezeichnen. Nun ist die erste Entfaltung dieser Lehre bei Kosmas in Topographia II, 83–100 nicht nur von einer Vielzahl einzelner theodorischen Gedanken und Motiven durchzogen,¹⁵¹ sondern könnte insgesamt als illustrierende Ausbreitung von Theodors Verständnis von Rm 8,19 gelesen werden. Unter der Kreatur, die dort als der Vergänglichkeit unterworfen sehnlich die Offenbarung der 145 Syrische Katenen aus dem Ecclesiastes-Kommentar des Theodor von Mopsuestia, hg. W. Strothmann (Wiesbaden 1988), 4. Für Kosmas besagt die Stelle, daß die Sterne „in der Luft“ durch Engel bewegt werden, also nicht auf rotierenden Himmelssphären befestigt sind (Topographia IX,12). 146 CSCO 229, 200 f. 147 Vgl. neben Narsai (u. Anm. 370–79) den Kommentar von Dyarbakir (CSCO 484, 16.23) und Ishodad (CSCO 126, 36.74). Auch Philoponus schreibt diese Auffassung „den Vorstehern der Lehre Theodors“ zu (De opificio I,12; hg. Reichardt, 28). 148 Zu Rm 8,19 (Staab, Pauluskommentare, 137): ἐφεστᾶσι δὲ αὐτοῖς αἱ νοηταὶ φύσεις πρὸς τὸ ἡμῖν ὠφέλιμον αὐτὰ κινοῦσαι; zu Eph 1,10 (hg. Swete I, 129): rationabiles uero uirtutes insistunt pro nobis uisibilibus, ut commoueant ea secundum nostram necessitatem; zu Eph 2,2 (hg. Swete I, 143): omnes inuisibiles uirtutes imminent uisibilibus ut commoueant ea, secundum communem omnium necessitatem; zu Kol 1,16 (hg. Swete I, 268): hi, qui insistebant uisibilibus naturis, et commouebant eas pro nostra utilitate secundum positum sibi terminum. 149 Hg. Swete I, 271: Et alii quidem imminent aeri, alii uero soli, alii autem lunae, alii uero stellis, alii etiam aliis aliquibus, ut commoueant omnia secundum inpositum sibi a Deo terminum ad hoc ut omnia consistere possint. 150 De Deo 305 (PO 28, 646 f.). 151 Vgl. die Fußnoten von Wolska in SC 141,402–416. Hinzuzufügen wäre noch die abschließende Bemerkung in Topographia II,100 (SC 141,421: ἀεὶ κατὰ τὴν αὐτῶν ὑποθήκην πλανώμενοι ἀστάτῳ φορᾷ περιφέρονται σὺν τῇ ἑαυτῶν σφαίρᾳ, παῦλαν τούτων μὴ ἐλπίζοντες), welche als Anspielung auf Theodors oben breit zitierte Parallele zwischen instabilem Weltbild und instabilem Charakter gelesen werden kann.
82 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Kinder Gottes erhofft, versteht Theodor nämlich primär die Engel, welche als von Gott dazu verordnet, die sichtbare Welt in für den Menschen nützlicher Weise zu lenken und so das durch dessen leibseelische Natur etablierte kosmische Band aufrecht zu erhalten, angesichts des Sündenfalls an dieser Hoffnung verzweifelten, sich gegen den Menschen wandten und nur durch die Verheißung Gottes, besagtes Band in Christus wiederherzustellen bei der Stange gehalten werden konnten.¹⁵² Dies wird bei Kosmas so weitergesponnen, daß die Engel – strikt unter das Firmament verbannt – als veränderliche Wesen mit den Wechselfällen der Menschen mitleiden müssen und erst am Ende davon erlöst werden, wenn die Sterne nach Mt 24,29 zur Erde fallen werden und damit nicht mehr von den Engeln bewegt werden müssen (Topographia II,97 f.; IX,13 f.). Dies klingt nach einer mindestens sehr radikalen Zuspitzung von Theodors Auslegung von Römer 8, wo lediglich gesagt wird, daß die sichtbare Kreatur κοινωνίᾳ τοῦ πράγματος der Vergänglichkeit dient, die Engel jedoch nur, insofern sie diese wahrnehmen (und betrauern).¹⁵³ Auffallen muß jedoch, daß Theodor sich hier ebenso wie im Genesiskommentar auf 1Kor 4,9 beruft, um die Engel als Teil der (irdischen) Schöpfung auszuweisen, im Römerbriefkommentar zu dem Zweck, ihr Mitleiden mit den Menschen zu demonstrieren,¹⁵⁴ im Genesiskommentar, um ihre Simultanschöpfung mit dem Himmel zu erweisen,¹⁵⁵ an letzterer Stelle kombiniert mit Ps 148,1–4. Wenn sich die Topographie nun in zwei späteren Passagen genau derselben Stellenkombination bedient, um besagte Beschränkung der Engel zu untermauern (V,245; VII,48–55), beweist auch dies lediglich eine Inspiration der Konzeption durch Theodor, nicht die volle Vorwegnahme.
152 Vgl. bes. zu Rm 8,19 (Staab, Pauluskommentare, 137–39); zu Eph 1,10 (hg. Swete I, 128–30) und zu Kol 1,16 (hg. Swete I, 267–71). 153 Staab, Pauluskommentare, 139. Auch die genaue Rolle von Teufel und Dämonen, welche bei Kosmas breit und in immer neuen Anläufen geschildert wird (vgl. auch Topographia III,28.33), bei Theodor jedoch höchstens andeutungsweise, bedürfte einer näheren Untersuchung. 154 Staab, Pauluskommentare, 137: ἓν σῶμα τὴν σύμπασαν κτίσιν ἐποίησεν ὁ θεός, ὅθεν καὶ κόσμος λέγεται πάντα, εἴτε ὁρατὰ εἴτε ἀόρατα, ὡς ἐν τῇ πρὸς Κορινθίους φησὶν ὅτι θέατρον ἐγενήθημεν τῷ κόσμῳ καὶ ἀγγέλοις καὶ ἀνθρώποις. ἐπειδὴ τοίνυν διαφορά τίς ἐστιν ἐν αὐτοῖς, τὸ τὰ μὲν εἶναι ὁρατά, τὰ δὲ ἀόρατα, βουλόμενος εἰς ἓν τὰ πάντα συνῆφθαι, πεποίηκε τὸν ἄνθρωπον ἐξ ὁρατοῦ μὲν συγκείμενον τοῦ σώματος καὶ συγγενοῦς τῇ φαινομένῃ κτίσει—ἐκ γῆς γὰρ σύγκειται καὶ ἀέρος καὶ ὕδατος καὶ πυρός—, ἀοράτου δὲ τῆς ψυχῆς καὶ οἰκείας τοῖς ἀοράτοις. καὶ δὴ πεποίηκεν αὐτὸν ὥσπερ τι φιλίας ἐνέχυρον τοῖς πᾶσιν· χρήσιμα μὲν γὰρ αὐτῷ τὰ φαινόμενα, ὡς αὐτῇ τῇ πείρᾳ μανθάνομεν, ἐφεστᾶσι δὲ αὐτοῖς αἱ νοηταὶ φύσεις πρὸς τὸ ἡμῖν ὠφέλιμον αὐτὰ κινοῦσαι. Vgl. auch Contra Macedonianos 9 (PO 9, 644 f.), wo 1Kor 4,9 mit 1Kor 2,12 kontrastiert wird, um die Geschöpflichkeit der Engel von der göttlichen Herkunft des Geistes abzusetzen. 155 Apud Philoponum, De opificio I,18 (hg. Reichardt, 44): Τούτου δὲ μάρτυς αὐτάρκης καὶ ὁ μακάριος Παῦλος λέγων ὅτι ,θέατρον ἐγενήθημεν τῷ κόσμῳ καὶ ἀγγέλοις καὶ ἀνθρώποις’. γέλοιον δὲ εἰ μέρος μὲν τοῦ κόσμου κατὰ τὴν τοῦ μακαρίου Παύλου φωνὴν ὁμοίως τοῖς ἀνθρώποις εἰσίν, νομίζοιντο δὲ εἶναι πρὸ κόσμου’.
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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Ein wenig weiter führt höchstens eine Notiz aus den späteren ostsyrischen Kommentatoren: Sowohl der Anonymus Dyarbakir als auch (wohl von diesem abhängig¹⁵⁶) Ishodad v. Merv berichten von einer wohl bereits durch Ephraem¹⁵⁷ angestoßenen Diskussion um den Ort der Entstehung des Firmaments bzw. der Frage, wo die damals bereits existierenden Entitäten (Engel, Licht, Finsternis, Luft) dabei verblieben sind, und schreiben dem Interpreten die Position zu, daß sich die Wasser im flüssigen Zustand bis zu dem Ort erhoben haben, an dem das Firmament entstehen sollte, um sich dort augenblicklich zu verfestigen und so die „feinstofflichen“ Größen Engel, Luft und Finsternis im flüssigen Zustand durchdrangen und unter sich ließen.¹⁵⁸ Diese Nachricht findet eine gewisse Bestätigung durch Narsai, der eine längere Passage seiner Weltentstehungshomilien (Hom. II, 306–25) eben dieser Diskussion widmet und sich trotz allen von ihm selbst beklagten Verständnisschwierigkeiten letztlich der für Theodor bezeugten Ansicht zuwendet – ein Zeichen, daß er sie tatsächlich bei einer der für ihn wichtigsten Autoritäten vorfand, und somit bereits Theodor der Ansicht zuneigte, daß die Engel bei der Schöpfung (zunächst) unter dem Firmament verbleiben (foshu l-thaḥath),¹⁵⁹ was an sich natürlich längst nicht so viel besagt, wie bei Kosmas daraus wird, auch wenn Narsai dessen Position in den wesentlichen Zügen vorwegnimmt.¹⁶⁰
3.4.2 Ein theodorianischer Text über das Firmament: Authentizität und Implikationen Tatsächlich weiterführend erscheint mir allerdings eine bislang in der Theodorforschung, soweit ich sehe, komplett unbeachtet gebliebene Notiz zu Theodors Auffassung vom Firmament aus Isaak von Ninive, dem ostsyrischen Mystiker der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts. Dort begegnet ein ebenso isoliertes wie im vorliegenden Zusammenhang hochinteressantes Zeugnis über ein fosūqo hū d-‛al raqī‛o, also 156 Vgl. o. Anm. 141. 157 Nach In Gen I,17–20 (CSCO 152, 18 f.) muß das Firmament in der Mitte des Alls am Abend des zweiten Tages geschaffen worden sein, um Licht, Finsternis und Wind weder über noch unter sich zu beschließen. 158 CSCO 484, 18: „Le bienheureux Interprète, avec le reste des docteurs, transmettent ce qui suit: les eaux, disent-ils, s’élevèrent à l’état liquide, jusqu’à l’endroit où le firmament devait s’établir et c’est là qu’en un clin d’oeil il fut durci et étendu. Mais la lumière, parce qu’elle était (à l’état) diffus, ainsi que les anges et l’air et les ténèbres, étant donné que leur subtilité ne les empêchait pas de passer à travers les eaux, restèrent en bas“ (vgl. CSCO 156, 27 und die weiteren Parallelen bei Jansma, „Early Syrian fathers“, 117). Zur wahrscheinlich auch hier zugrundezulegenden diffusen Konzeption ontologischer „Subtilität“ vgl. die Ausführungen zum Geistbegriff in Hom. catecheticae IX,8, wonach alles, was nicht konkret körperlich wahrnehmbar ist, aufgrund seiner „Subtilität“ Geist genannt werden kann. 159 CSCO 483, 13. Vgl. den Prokoptext u. Anm. 180. 160 Vgl. u. Anm. 370–79. Kosmas selbst scheint diese spezielle Debatte nicht zur Kenntnis zu nehmen. In seiner ausführlichsten Darstellung der Entstehung des Firmaments (Topographia II,20) steht das Gefrieren aus Wasser und das Ausspannen auf halber Höhe des Weltgebäudes einfach unvermittelt nebeneinander.
84 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor einen „tomus“ oder einen Abschnitt über das Firmament, wo Theodor eine Behauptung aufgestellt haben soll, welche als heilsgeschichtliche Weiterführung der diodorischen Konzeption von den beiden Habitaten verstanden werden könnte,¹⁶¹ und die eine ziemlich enge Parallele in einem langen, seiner Herkunft nach unsicheren Abschnitt über das Firmament in den Eclogae ad Genesin des Prokop v. Gaza findet: Theodor, De firmamento
Prokop, Eclogae ad Gen 1,6 33–38
Jetzt nämlich also, wo wir uns in diesem Zustand (thūqono: κατάστασις) befinden, leben wir in dieser Region hier, welche sich freilich zwischen diesem, sichtbaren Himmel und der Erde befindet. Doch im zukünftigen Zustand, wenn wir unvergänglich und frei von Bedürfnissen werden, werden wir alle im Himmel leben, dem Ort, an dem Christus, unser Herr, der, welcher aus uns und für uns angenommen wurde, jetzt ist, im Himmel, er, der auch gezeigt hat, daß dort unsere Wohnstatt (‛ūmran) ist.¹⁶²
Der für den gegenwärtigen Zustand passende Aufenthaltsort ist nun die Region, in der wir uns jetzt befinden, zwischen der Erde und dem Firmament. Für den kommenden und göttlicheren aber ist es der Aufenthalt im Himmel als unveränderlich gewordene, wo sich auch jetzt Christus nach seiner Heilsveranstaltung etabliert hat, wie der selige Paulus sagt: „[folgt Hbr 6,18–20]“.¹⁶³
Bei Prokop begegnet dieser Abschnitt im Kontext einer längeren Ausführung über das Firmament, welche in der für den Eklogenkommentar typischen Weise¹⁶⁴ unterschiedliche Quellen miteinander vermischt: Aus der Basilius entnommenen Bemerkung, daß das Firmament deswegen vom ersten Himmel unterschieden werden müsse, weil sich beides nach Namen und Nutzen voneinander unterscheidet, folgt eine keiner erhaltenen Quelle zuzuordnende kurze Bemerkung über die Unmöglichkeit widersprüchlicher Wiederaufnahmen oder Rückbezüge in der Schrift,¹⁶⁵ welche zu einer Erörterung über den Nutzen des Firmaments von ebenso unklarer Herkunft überleitet.
161 Vgl. o. Anm. 6 und 62. 162 Tractatus spirituales 1,19 (Ms Bodleian Library, Syriacus e 7 [X], fol. 23r). Vollständig zugänglich ist der Text bislang allein in der italienischen Übersetzung P. Bettiolos, Discorsi Spirituali (Magnano ²1990), hier: 55. 163 GCS NF 22, 31: Εἶποι δ’ ἄν τις καὶ πρὸς τὸ μέλλον ἡρμόσθαι τῶν γεγονότων τὴν ποίησιν· προὔκειτο γὰρ θεῷ διπλῆν ποιήσασθαι τῆς κτίσεως τὴν κατάστασιν, τὴν μὲν τρεπτὴν καὶ φθαρτήν, ὁποία νῦν ἐστιν ἡ παροῦσα, τρεπτὰ ταῖς γνώμαις ἔχουσα καὶ τὰ μὴ φύσει φθειρόμενα λογικά τε καὶ νοερά, τὴν δὲ τῶν παρόντων ἐλευθέραν κακῶν Χριστοῦ τῆς τοιαύτης κατὰ τὴν οἰκονομίαν κατάρξαντος, ἧς καὶ πάντες τευξόμεθα μετὰ τὴν ἔνδοξοv καὶ δευτέραν αὐτοῦ παρουσίαν. Τῇ μὲν οὖν παρούσῃ καταστάσει πρέπον ἐνδιαίτημα τὸ χωρίον, ἐν ᾧ νῦν ἐσμεν, τὸ μεταξὺ τῆς γῆς καὶ τοῦ στερεώματος τῇ δὲ μελλούσῃ καὶ θειοτέρᾳ τὸ διάγειν ἐν οὐρανῷ γεγονότας ἀτρέπτους, ἔνθα καὶ νῦν ὁ Χριστὸς κατὰ τὴν οἰκονομίαν καθέστηκεν, ὡς ὁ μακάριος Παῦλός φησιν… 164 Zur Arbeitsweise Prokops vgl. K. Metzler in GCS NF 22, XXIII–XXV. 165 In Gen 1,6 6–13 (GCS NF 22, 30 f.).
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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Letztere findet bei genauerem Hinsehen eine ziemliche genaue strukturelle Entsprechung nicht nur bei den späteren Ostsyrern, namentlich Theodor bar Koni und Ishodad v. Merv, sondern auch in einem Fragment des an vielen Stellen ganz deutlich von Theodor abhängigen Genesiskommentars des Gennadius v. Konstantinopel.¹⁶⁶ Die Ostsyrer präsentieren nämlich eine ebenso kondensierte wie schematisierte Liste von vier (bar Koni) bzw. fünf (Ishodad) Gründen für die Schöpfung des Firmaments, welche bei genauerem Hinsehen auf einer dem bei Prokop und Gennadius Vorfindlichen ziemlich genau entsprechenden Erörterung basiert haben muß: – Das Firmament mußte Wasser beiseite schaffen, um die Freilegung des Landes als Wohnung der Menschen zu ermöglichen, indem es ein Drittel davon selbst inkorporierte und ein weiteres Drittel über sich staute (1).¹⁶⁷ – Das Firmament dient als Sitz der Gestirne, welche am ersten Himmel zu weit von der Erde weg gewesen wären (2). – Das Firmament ist der uns sichtbare Vertreter des ersten Himmels, der außerhalb unserer Sichtweite gelegen hätte (3). – In der kommenden Welt soll das Firmament den Gerechten als Erde dienen (4). – Die Schöpfung des Firmaments unterrichtet die Engel darüber, daß Gott auch dessen Urbild, den ersten Himmel, geschaffen hat (5). Im Anschluß daran folgt bei Ishodad wie bei bar Koni ein Verweis auf die aus Diodor bekannte kühlende Funktion der oberen Wasser.¹⁶⁸ Vergleicht man diese Liste nun mit Prokop und Gennadius, ergeben sich bei aller fundamentalen Gemeinsamkeit auch einige signifikante Unterschiede: Zwar führt der erste Grund auch bei Prokop die Liste an und wird nur bei Gennadius an die zweite Stelle verschoben, doch scheinen beide (ganz explizit Gennadius) nur eine Zweiteilung der Wassermenge zu kennen, keine Drittelung.¹⁶⁹ Auch der zweite Grund differiert, was die Begründung und Einbettung in die Liste anbelangt: Hält bar Koni lediglich fest, daß die Sterne nahe an der Erde sein mußten,¹⁷⁰ fügt Ishodad als Begründung hinzu, daß es sonst auf der Erde finster und kalt geworden wäre, was sich bei Prokop in etwas
166 Vgl. u. Anm. 269–73. 167 Dieser Gedanke ist erstmals wohl im zweiten der Hippolyt zugeschrieben Fragmente zur Genesis belegt (GCS 29/2, 51 f.): Τῆς γὰρ τοῦ ὕδατος περισσείας ἐπιφερομένης εἰς τὸ πρόσωπον τῆς γῆς, διὸ καὶ ‚ἀόρατος ἦν ἡ γῆ καὶ ἀκατασκεύαστος‘, ἡνίκα ἠθέλησεν ὁ πάντων δεσπότης ὁρατὸν τὸ ‚ἀόρατον‘ ποιῆσαι, τότε δὴ τότε τὸ τρίτον μέρος τῶν ὑδάτων πήγνυσιν ἐν μέσῳ, τὸ τρίτον δὲ εἰς τὸ ἄνω ἐχώριζεν, ἀναλαμβάνων τῇ ἑαυτοῦ δυνάμει ἅμα τῷ στερεώματι, τὸ δὲ τρίτον εἰς τὸ κάτω κατέλιπε πρὸς χρῆσιν καὶ ‚ἀπόλαυσιν‘ τοῖς ἀνθρώποις. 168 CSCO 55, 32; CSCO 156, 28. 169 In Gen 1,6 15–17 (GCS NF 22, 31); Collectio coisliniana 52,21–27 (CCG 15, 49). Wie In Gen 1,6 88 f. (GCS NF 22, 33) zeigt, kennt Prokop die Dritteltheorie, wenn sich aus dem Kontext auch leider nicht mehr erschließen läßt, woher. 170 CSCO 55, 31.
86 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor ausführlicherer Form findet.¹⁷¹ Gennadius scheint hier am tiefsten einzugreifen und präsentiert als Gründe drei und vier seiner Liste, daß das Firmament einerseits die Sterne beherbergen, andererseits aber auch die oberen Wasser über sich speichern mußte, um nicht durch die Hitze ersterer zu schmelzen,¹⁷² integriert also das bei den Ostsyrern direkt im Anschluß, bei Prokop aber erst deutlich später gebotene Lehrstück¹⁷³ in die Liste selbst. Der dritte Grund scheint prima facie bei beiden griechischen Autoren komplett zu fehlen, könnte allerdings, wenn man sich den Wortlaut bei Prokop näher ansieht, aus dem zweiten Grund entwickelt worden sein: „Andererseits, da der erste (Himmel) zu den Dingen auf der Erde in einem inkommensurablen Abstand steht, so daß der Gesichtssinn auf ihn hin unwirksam ist, ist dieses schicklich dazwischen hineingetreten und hat den Abstand kommensurabel gemacht, welchem auch die Sterne zugeordnet werden und somit aufgrund des maßvollen Abstands die irdischen Wirkungen gut vollbringen sollten“.¹⁷⁴
Hier ist zwar nicht, wie bei den Ostsyrern, von einer durch die Schrift inspirierten Begierde, den Himmel zu schauen, die Rede, wohl aber von der Unerreichbarkeit des oberen Himmels durch den Gesichtssinn, so daß man den von Prokop gebotenen griechischen Text in der Tat als Keimzelle hinter den Gründen zwei und drei der ostsyrischen Liste vermuten könnte. Ähnlich kompliziert liegt der Fall auch bei dem nur bei Ishodad vorhandenen fünften Grund der Liste. Dieser führt bei Gennadius die Liste an, wiederum in ausführlicherer Form, und ist auch aus Theodors Einleitung zu seinem Genesiskommentar bekannt, wo die göttliche Pädagogik den Engeln gegenüber als zentrales Kriterium für die Schöpfungsreihenfolge eingeführt wird: Um den Engeln zu demonstrieren, daß er fähig sei, sowohl komplett Neues als auch das Vorhandene aus dem Nichts zu schaffen, schuf Gott zunächst das Licht aus dem Nichts, dann das Firmament als Analogat zum Himmel aus Wasser, und ganz zum Schluß die menschliche Seele als Analogat zu den Engeln wiederum aus nichts.¹⁷⁵ Bei Prokop begegnet dieser Gedanke erst etwa zwei Seiten später, nach einem wohl hauptsächlich aus Basilius geschöpften Abschnitt über den Namen ‚Himmel‘ (57–84) mit dem Prokop diejenige Sektion abschließt, in 171 CSCO 156, 28,7–12; In Gen 1,6 17–25 (GCS NF 22, 31). 172 Collectio coisliniana 52,27–42 (CCG 15, 49 f.). Zur Problematik dieses Textes vgl. u. Anm. 271. 173 In Gen 1,6 165–82 (GCS NF 22, 36). 174 In Gen 1,6 17–21 (GCS NF 22, 31): …τοῦτο δὲ τοῦ πρώτου τοῖς ἐπὶ γῆς ἀσύμμετρον ἔχοντος την ἀπόστασιν, ὡς ἀργεῖν περi τοῦτον τὴν θέαν, μέσος οὗτoς παρελθὼν εἰκότως ταύτην ἐμέτρησεν, ἐφ’ oὗ ἔμελλον καὶ oἱ φωστῆρες ταχθέντες τῇ μετρίᾳ διαστάσει καλῶς τὰ περὶ γῆν ἐνεργεῖν. Εἰ γὰρ νῦν ὁ ἥλιος πόρρω γιγνόμενος ἀσθενεστέραν ἔχει τὴν προσβολήν, ὡς ἐν ἀμυδρῷ φωτὶ καὶ κρύει τὰ καθ’ ἡμᾶς ἀφιέναι, τί χρῆ λέγειν, εἰ κατ’ οὐρανὸν τὸν πρώτον ἐτέτακτο; ἀοίκητος γὰρ ἂν ὑπῆρχεν ἡ γῆ κατὰ τὰ νῦν αὐτῆς μέρη κατεψυγμένα. Wohlweislich ist von keiner Befestigung der Gestirne am Firmament die Rede (vgl. o. Anm. 125)! 175 Collectio coisliniana 52,1–19 (CCG 15, 48 f.); CSCO 156, 28,20–23; zu Theodor vgl. Philoponus, De opificio I,18 und 22 (hg. Reichardt, 44.54).
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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der er die für seine Begriffe anscheinend unstrittigen Kommentare zur Stelle anführt, um anschließend die kontroverse Sektion¹⁷⁶ zu Substanz und Form des Firmaments und den oberen Wassern in einer Weise zu gestalten, die ihn in der Kontrastierung verschiedener Meinungen sicherlich weiter von den Quellen wegführt. Prokop könnte also sowohl den Erziehungsgedanken (der mit der Mehrheitsmeinung derjenigen, die den Vater zur restlichen Dreieinigkeit sprechen lassen, kontrastiert wird) als auch die Physiologie der oberen Wasser (welche gegen eine allegorische Interpretation derselben einsteht) genau wie Gennadius und Ishodad in seiner Quelle in unmittelbarem Zusammenhang vorgefunden und nur um seines Einteilungsprinzips willen auseinandergerissen haben. Wenn somit auch nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden kann, daß Prokop diese „antiochenischen“ bzw. „theodorischen“ Passagen direkt aus Theodors Genesiskommentar übernimmt, so scheint mir die besagte Liste bzw. die Erörterungen, aus der sie hervorgegangen ist, doch den mit Abstand wahrscheinlichsten Kontext dafür abzugeben, was wir bei Isaak als Fragment aus Theodors „Abschnitt über das Firmament“ lesen, gerade wenn man bedenkt, daß Prokop bzw. die Urkatene ihrer Sammlung wahrscheinlich Kyrill v. Alexandrien als spätesten Autoren zugrunde gelegt haben.¹⁷⁷ Die „antiochenischen“ Alternativen zu Theodor würden damit massivst zusammenschrumpfen, und wir könnten uns relativ sicher sein, im gesamten Zusammenhang bei Prokop den Interpreten selbst zu hören. Werfen wir also noch einmal einen Blick auf die Passage im Kontext, verglichen mit der Entsprechung bei Gennadius. Prokop, Eclogae ad Gen 1,6
Gennadius, Collectio Coisliniana frg. 52
Man könnte wohl sagen, daß für das Kommende die Schöpfung des Gewordenen angepaßt ist. Da Gott nämlich beschlossen hatte, einen zweifachen Zustand (κατάστασις) der Schöpfung einzurichten, den einen veränderlich und vergänglich, wie jetzt der gegenwärtige ist, wo sich selbst die von Natur nicht vergehenden vernünftigen und geistigen Wesen ihrem Entschluß nach veränderlich verhalten, den anderen aber frei vom gegenwärtigen Übel, wie ihn Christus in seiner Heilsveranstaltung inauguriert hat, dessen wir auch alle teilhaftig werden nach seiner herrlichen und zweiten Ankunft. Der für den gegenwärtigen Zustand passende Aufenthaltsort (ἐνδιαίτημα) ist nun die Region, in der wir uns jetzt befinden, zwischen der Erde und dem Firmament.
Zusätzlich dazu zeigt sich die exakte Vorsehung Gottes hinsichtlich aller Dinge in der maßvollen Teilung der Natur des Wassers sowie in der Tatsache, daß von alters her unsere Rettung in Christus vorherbestimmt wurde, indem Gott gleich von Anfang an die Schöpfung in zwei Zustände eingeteilt und entsprechend jedem von beiden auch den passenden Aufenthalt(-sort) vorbereitet hat.
176 Zu diesem Vorgehen vgl. sein Proömium (GCS NF 22, 1). 177 Vgl. B. ter Haar Romeny, „Procopius of Gaza and his library“, in From Rome to Constantinople. Studies in Honor of Averil Cameron (hg. H. Amirav; Leuven 2007), (173–90) 183–86. Prokop scheint hingegen komplett unabhängig von der Collectio coisliniana (ebd., 185)!
88 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Prokop, Eclogae ad Gen 1,6
Gennadius, Collectio Coisliniana frg. 52
Für den kommenden und göttlicheren aber ist es der Aufenthalt im Himmel als unveränderlich gewordene, wo sich auch jetzt Christus nach seiner Heilsveranstaltung etabliert hat, wie der selige Paulus sagt: „[folgt Hbr 6,18–20].“ ‚Inneres des Vorhangs‘¹⁷⁸ nennt er den Ort über dem Himmel, Hohepriester nennt er Christus als denjenigen der den Zustand ‚regiert‘. Bei ihm nämlich werden wir sein zusammen mit den unsichtbaren Mächten, wenn es denn wahr ist, daß ‚engelsgleich und Söhne Gottes sind, welche der Auferstehung teilhaftig sind‘ (Lk 20,36) und Paulus sagt: ‚Wir werden emporgerissen werden in die Wolken zur Begegnung mit dem Herrn, und werden so immer beim Herrn sein‘ (1Thess 4,17). Somit existieren für den zweifachen Zustand zwei Aufenthaltsorte (καταγώγια). Und der Himmel, der jetzt für uns die Funktion des Daches erfüllt, wird diejenige des Bodens übernehmen. Der erste ist nämlich wie ein Himmel des Himmels [folgt Ps 113,24]. Er überragt jenen nämlich um so viel wie jener uns.¹⁷⁹ So freilich wird der kommende Zustand der Heiligen sein. Daher nennt die Schrift einen solchen auch Königsherrschaft der Himmel.¹⁸⁰
Denen nämlich, die veränderlich und affizierbar (deswegen auch unter dem Gesetz) sind, hat er diese irdische Wohnstatt geschenkt. Denjenigen aber, die durch die Gnade Christi zur Vollkommenheit und gänzlichen Sündlosigkeit überführt wurden, wird er die Himmel weit öffnen, „wo als Vorläufer Jesus für uns eingegangen ist“ (Hbr 6,20), nämlich das Firmament, wie er es von dessen Schöpfungsakt her benannt hat“.¹⁸¹
178 Hier muß dem Zitat folgend der Genitiv zu konjizieren sein: Der „Ort über dem Himmel“ ist natürlich der Raum hinter dem Vorhang, nicht der Vorhang selbst. 179 Die Herausgeberin möchte diesen Satz Theodoret, Qu. in Gen 11 (vgl. u. Anm. 225) zuweisen, doch begegnet dort lediglich der Gebäudevergleich sowie die Psalmstelle ohne den hier entscheidenden soteriologisch-eschatologischen Kontext. 180 GCS NF 22, 31 f.: Εἴποι δ’ ἄν τις καὶ πρὸς τὸ μέλλον ἡρμόσθαι τῶν γεγονότων τὴν ποίησιν· προὔκειτο γὰρ θεῷ διπλῆν ποιήσασθαι τῆς κτίσεως τὴν κατάστασιν, τὴν μὲν τρεπτὴν καὶ φθαρτήν, ὁποία νῦν ἐστιν ἡ παροῦσα, τρεπτὰ ταῖς γνώμαις ἔχουσα καὶ τὰ μὴ φύσει φθειρόμενα λογικά τε καὶ νοερά, τὴν δὲ τῶν παρόντων ἐλευθέραν κακῶν Χριστοῦ τῆς τοιαύτης κατὰ τὴν παρόντων ἐλευθέραν κακῶν Χριστοῦ τῆς τοιαύτης κατὰ τὴν οἰκονομίαν κατάρξαντος, ἧς καὶ πάντες τευξόμεθα μετὰ τὴν ἔνδοξον καὶ δευτέραν αὐτοῦ παρουσίαν. τῇ μὲν οὖν παρούσῃ καταστάσει πρέπον ἐνδιαίτημα τὸ χωρίον, ἐν ᾧ νῦν ἐσμεν, τὸ μεταξὺ τῆς γῆς καὶ τοῦ στερεώματος· τῇ δὲ μελλούσῃ καὶ θειοτέρᾳ τὸ διάγειν ἐν οὐρανῷ γεγονότας ἀτρέπτους, ἔνθα καὶ νῦν ὁ Χριστὸς κατὰ τὴν οἰκονομίαν καθέστηκεν, ὡς ὁ μακάριος Παῦλός φησιν·[…] ἐσώτερον μὲν καταπέτασμα τὸν ὑπὲρ τὸν οὐρανὸν τόπον ὀνομάζων, ἀρχιερέα δὲ καλῶν τὸν Χριστὸν ὡς τῆς καταστάσεως ,ἄρξαντα’· σὺν αὐτῷ γὰρ ἐσόμεθα μετὰ τῶν ἀοράτων δυνάμεων, εἴπερ ἀληθὲς τὸ ἰσάγγελοι γάρ εἰσι καὶ εἰσὶν υἱοὶ θεοῦ τῆς ἀναστάσεως υἱοὶ ὄντες καὶ Παῦλος δέ φησιν ὅτι· ἁρπαγησόμεθα ἐν νεφέλαις εἰς ἀπάντησιν τῷ κυρίῳ, καὶ οὕτως πάντοτε σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα, ὥστε πρὸς τὰς διττὰς καταστάσεις διάφορα καταγώγια. καὶ ὁ νῦν ἡμῖν ὀροφῆς τάξιν ἐπέχων οὐρανὸς ἐν ἐδάφους μέρει γενήσεται· ὁ γὰρ πρῶτος ὥσπερ οὐρανός ἐστιν οὐρανοῦ (καὶ ὁ Δαβὶδ γὰρ λέγει· ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ κυρίῳ, τὴν δὲ γῆν ἔδωκε τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων)· ὑπέρκειται γὰρ τούτου τοσοῦτον ὅσον οὗτος ἡμῶν. τοιαύτη τοίνυν ἡ μέλλουσα τῶν ἁγίων κατάστασις· ὅθεν καὶ βασιλείαν οὐρανῶν ἡ γραφὴ τὴν τοιαύτην καλεῖ. 181 CCG 15, 51: Ἔτι πρὸς τούτοις, ἡ ἀκριβὴς περὶ πάντων τοῦ θεοῦ πρόγνωσις ἀπεδείκνυτο τῇ τε μετρίᾳ τῆς τῶν ὑδάτων φύσεως διαιρέσει, καὶ τῷ ἐξ ἀρχαίου τὴν ἐν Χριστῷ σωτηρίαν ἡμῶν προωρίσθαι,
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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In der Tat ließe sich der Gennadiustext mit dem Verweis auf die göttliche Vorsehung als „Aufhänger“ und dem Abschluß des Arguments in dem bereits in seiner systematischen Wichtigkeit für die antiochenische Kosmologie aus Chrysostomus bekannten Zitat von Hbr 6,19 f. sehr gut als kürzend-adaptierende Übernahme des Prokoptextes lesen, welchen Gennadius dann mindestens in sehr ähnlicher Form in Theodors Genesiskommentar vorgefunden hätte. Interessant ist auch, daß die Argumentation mit den unsichtbaren Mächten und Lk 20,36 vorauszusetzen scheint, daß diese sich anders als bei Kosmas und in der späteren Tradition bereits jetzt jenseits des Firmaments befinden, so daß, wie oben bereits angedeutet,¹⁸² Katastasenlehre und Angelologie erst im späteren Theodorianismus nach dem Muster der Topographie vereinheitlicht worden wären. Dennoch geben einige Details des Textes Anlaß zum Zweifel: Könnte man das Übergehen der „Dritteltheorie“ der Wasserverteilung zu Beginn der gesamten Passage¹⁸³ aufgrund der mangelnden Eindeutigkeit der Formulierung noch verschmerzen, so läßt sich hinsichtlich des gerade Zitierten dennoch fragen, ob Theodor Kosmas tatsächlich so weitgehend antizipiert hat, daß selbst die Gleichsetzung des Bereichs über dem Firmament mit der Königsherrschaft der Himmel bei ihm bereits vollzogen war, welche Kosmas doch allem Anschein nach primär auf die Verwendung Mt 25,34 bei Severian gründete (Topographia VII,19 vgl. X,37),¹⁸⁴ während Theodor andernorts die Königsherrschaft ganz pointiert mit Auferstehung bzw. Wiederkunft Christi zu identifizieren scheint.¹⁸⁵ So wird Mt 26,29 in Hom. catecheticae 15,13 folgender maßen ausgelegt: „Königsherrschaft Gottes sagt er zu der Auferstehung, weil er unter denen, die von den Toten auferstanden sind, in der kommenden Welt die Königsherrschaft Gottes aufrichten wird“.¹⁸⁶ Sicherlich widerspricht dies dem bei Prokop zitierten Text insofern nicht, als auch dieser keine direkte Identifikation der Königsherrschaft mit besagtem Bereich vornimmt, sondern ebenso wie die katechetische Homilie den Zustand der Unveränderlichkeit in der kommenden Welt im Auge hat. Dennoch sind es gerade die katechetischen Homilien zu Taufe und Eucharistie, die in ihren Ausführungen zum Hohepriestertum Christi sowohl die besten Anknüpfungsals auch die bedenklichsten Differenzpunkte zu dem aus Isaak und Prokop Erhobenen ἄνωθεν εὐθὺς εἰς δύο καταστάσεις τὴν κτίσιν διελομένου θεοῦ, καὶ κατάλληλον εὐτρεπικότος ἑκάστῃ καὶ ἐπιτήδειον τὴν καταγωγήν. Τρεπτοῖς μὲν γὰρ οὖσιν ἔτι καὶ παθητοῖς, διὰ δὲ τοῦτο καὶ ὑπὸ νόμον, τὴν ἐπίγειον ταύτην οἴκησιν ἐδωρήσατο· μεθισταμένοις δὲ Χριστοῦ χάριτι πρὸς τὸ τέλειόν τε καὶ παντελῶς ἀναμάρτητον, ἀναπετάσει τοὺς οὐρανούς, ὅπου πρόδρομος ὑπὲp ἡμῶν εἰσῆλθεν Ἰησοῦς, στερέωμά γε μὲν, ὡς ἐκ τῆς δημιουργίας προσεῖπεν αὐτόν. 182 Vgl. o. Anm. 149–60. 183 Vgl. o. Anm. 167. 184 In der Topographie wird zwölfmal auf diesen Vers Bezug genommen (vgl. den Index von Wolska, SC 197, 448). 185 Vgl. P. Bruns, Den Menschen mit dem Himmel verbinden: eine Studie zu den katechetischen Homilien Theodors v. Mopsuestia (Leuven 1995), 394. 186 Les homélies catéchétiques de Théodore de Mopsueste, hg. R. Tonneau / R. Devréesse (Vatikan 1949), 480.
90 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor im erhaltenen Werk Theodors bieten. Gleich zu Beginn der ersten Taufhomilie begegnet eine relativ enge Parallele zu den zitierten Fragmenten: „Zwei Zelte hat der selige Mose gemacht, von denen er in einer göttlichen Vision erfahren hatte. Das erste nannte man ‚Heiliges‘, das zweite jedoch ‚Allerheiligstes‘. Und dies erste war ein Abbild dieser Lebensweise und Wohnstatt welche auf der Oberfläche dieser Erde ist, auf der wir jetzt leben. Dieses zweite aber, welches ‚Allerheiligstes‘ genannt wird, ist das Abbild derjenigen Regionen, welche sich über diesem sichtbaren Himmel befinden, wohin unser Herr Christus, er, der für unser Heil angenommen wurde, aufgefahren ist und sich jetzt befindet. Und er gewährt auch uns den Aufstieg dorthin, damit wir dort sind und bei ihm bleiben, wie das, was der selige Paulus sagte: ‚wohin vorher Christus für uns eingegangen ist und nach der Ordnung Melchisedeks Hohepriester für immer wird‘ (Hbr 6,20)“.¹⁸⁷
Hier scheint die bei Isaak nur implizit vorgenommene kosmographische Lozierung der zweiten Katastase und des aufgefahrenen Menschen Jesus in „den Regionen, welche sich über dem sichtbaren Himmel“ nun wie bei Prokop explizit gemacht, und zwar auf derselben exegetischen Basis Hbr 6,19 f. Auffällig ist außerdem, daß weder der Prokoptext noch die Katechese den Vorhang aus 6,19 mit Chrysostomus¹⁸⁸ und der späteren ostsyrischen Tradition direkt mit dem Firmament identifizieren – eine Identifikation, die interessanterweise auch in einem anderen relevanten, offensichtlich aus Theodors Hebräerkommentar stammenden Fragment (zu Ex 25,8 f. in der Collectio Coisliniana) fehlt, welches eines umfassende typologische Exegese des Stiftshütteninventars bietet: Der Tisch für die Schaubrote soll für das Jahr mit seinem fruchtbringenden Jahreszeitenwechsel (eine Interpretation, die eigentlich erst aus Narsai¹⁸⁹ und Kosmas recht verständlich wird), sowie der siebenarmige Leuchter für (Wochen-)Tage und Planeten stehen. Das Inventar des Allerheiligsten verweist aber dominant auf Ereignisse oder Aspekte göttlicher Heilsgeschichte (die Lade steht für Fürsorge und Erkenntnis Gottes, Gesetzestafeln und Aaronsstab für ethischen und liturgischen Gottesdienst, Mannakrug für Gottes Fürsorge in der Wüste, goldener Opferalter für Gottgefälligkeit des Dienstes und die Cherubim auf der Lade für die Präsenz der Engel) und der Vorhang dazwischen wird überhaupt nicht erwähnt.¹⁹⁰ In den Katenenfragmenten zum Hebräerbrief heißt es: „Genau wie er Mose befahl, die Stiftshütte einem bestimmten Vorbild entspricht als Symbol der Welt einzurichten, schrieb Gott ihm vor, einen abgegrenzten Bereich zu schaffen, welcher seitens der Vorhänge mitten vom anderen abgetrennt war. So entstand auch später der Tempel nach demselben Vorbild“.¹⁹¹ 187 Hom. catecheticae XII,3 (hg. Tonneau/Devreesse, 326). 188 Vgl. o. Anm. 53 f. 189 Vgl. u. Anm. 357. Eine entsprechende Exegese des Schaubrottisches begegnet auch im jüdischen Midrash Tadshe (Laderman, Images, 262 f.). 190 Collectio coisliniana 21 (TEG 10, 38 f.). 191 Staab, Pauluskommentare, 209: ὥσπερ δὲ σύμβολον τοῦ κόσμου κατασκευάσαι κατά τινα τύπον τὴν σκηνὴν τῷ Μωϋσεῖ κελεύων, ὁ θεὸς προσέταξεν αὐτῷ περίβολον ποιῆσαι ἀπὸ τῶν καταπετασμάτων μέσῳ διειλημμένον ἑτέρῳ· οὕτω δὲ καὶ ὁ ναὸς κατὰ τὸν αὐτὸν ὕστερον ἐγένετο τύπον.
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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Setzt er hier den „abgegrenzten Bereich“, das Allerheiligste,¹⁹² ganz deutlich mit dem (oberen) Himmel gleich, so scheint der Plural „Vorhänge“ deren direkter Identifikation mit dem Firmament auch eher zu widersprechen, als sie zu implizieren. Man könnte also vermuten, daß Theodor ähnlich wie der Chrysostomus der Hebräerhomilien¹⁹³ angesichts von Hbr 10,19 f., wo der Vorhang ausdrücklich mit Christi Körper identifiziert wird,¹⁹⁴ eine direkte Gleichsetzung mit dem Firmament vermieden hat, natürlich ohne die kosmographische Grundkonzeption Diodors deswegen aufzugeben. Hinsichtlich deren Modifizierung im Rahmen der Katastasentheorie lernen wir daraus zunächst nichts, sondern können lediglich feststellen, daß die Zurückhaltung hinsichtlich besagter Identifizierung als weiteres Indiz für die Zuschreibung des Prokoptexts an Theodor gelten darf, gerade wenn man deren Dominanz innerhalb der sonstigen erhaltenen „antiochenischen“ Tradition bedenkt. Wendet man sich nach diesem detailexegetischen Streifzug allerdings wieder den Tauf- und Abendmahlskatechesen zu, könnten schon wieder Zweifel auftreten. In der an die oben zitierte Stelle anschließenden relativ breiten Darlegung zum Erwerb des himmlischen Bürgerrechts in der Taufe (XII,12–21) oder zum himmlischen Priestertum Christi (XV,15–24), werden die angesprochenen „Regionen jenseits des sichtbaren Himmels“ nicht einmal ansatzweise kosmologisch konkretisiert. Sie werden beschrieben als, „eine Art Stadt“, in der Christus „seine Königsherrschaft hat“, das obere Jerusalem nach Gal 4,26 und Hbr 12,22 f., „voll von zehntausenden Engeln und auch Menschen ohne Zahl, welche allesamt unsterblich und unveränderlich sind“,¹⁹⁵ als „herausragende Natur und erhöhte Wohnstatt, welche über alle Versuchungen der Bosheit Satans erhöht und über alle Sünde erhoben und entfernt ist“.¹⁹⁶ Nimmt man diese Ausführungen als Theodors letztes Wort zu der Angelegenheit, könnte man sich des Eindruck wohl kaum erwehren, daß jegliche kosmologische Konkretion dieser himmlischen Bürgerschaft dem Bischof von Mopsuestia fernlag.
192 Vgl. zu Hbr 7,3 (Staab, Pauluskommentare, 207: ὥσπερ τοίνυν οὐχ ἡ τοῦ τόπου φύσις ἦν ἄβατος, ἐφ’ οὗ δὴ τὸν ἐνδότερον οἶκον κατεσκευάσθαι συνέβαινεν, ἀλλ’ ἡ κατασκευὴ καὶ τὸ νόμιμον καὶ ἡ τοῦ τόπου ἀφιέρωσις ἄβατον ἐποίει τὸν τόπον, ὅμως σύμβολον ἔφη εἶναι τοῦτο τῶν οὐρανῶν, οὕτω κἀνταῦθα βουλόμενος τὸν Χριστὸν ἀρχιερέα δεῖξαι κατὰ τὴν τάξιν Μελχισεδέκ, λέγει τὰ κατ’ ἐκεῖνον οὐ τὴν φύσιν ἐξηγούμενος, ἀλλὰ τὴν κατ’ αὐτὸν διήγησιν ἀπὸ τῆς θείας τιθεὶς γραφῆς καὶ ἀπ’ ἐκείνης ἐμφαίνων τὸ ὅμοιον) und auch die Auslegung von Hbr 8,1–5 in Hom. catecheticae XV,16 f. (hg. Tonneau/Devreesse, 489 f.). 193 Vgl. o. Anm. 55–59. 194 Vgl. seine Bezugnahme auf diese Verse im Kommentar zu Ps 44,8 (hg. Devreesse, 290). Daß beide Auslegungen sich nicht ausschließen müssen, zeigt Chrysostomus (o. Anm. 53–59). 195 Hom. catecheticae XII,12 (hg. Tonneau/Devreesse, 340). Vgl. Hom. catecheticae XI,11 (hg. Tonneau/Devreesse, 302): Der Himmel gleicht einem göttlichen Hofstaat, welcher durch ständige Zugänglichkeit des Herrschers einerseits und Unverletzlichkeit der entsprechenden Sitten andererseits gekennzeichnet ist. 196 Hom. catecheticae XII,20 (hg. Tonneau/Devreesse, 356).
92 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Allerdings sollte man ein solches letztes Wort sicherlich viel eher von einem wissenschaftlichen Kommentar als von einer einführenden Taufkatechese erwarten. Vergleicht man also die im zweiten Zitat ausgesprochene Verbindung von Unveränderlichkeit und Sicherheit mit einer bei Philoponus angeführten Stelle aus Theodors Genesiskommentar, könnte man hier nämlich durchaus eine weitere Andeutung für eine kosmographische Untermauerung der Katastasenlehre erblicken, welche sich so in den Katechesen nicht ausgesprochen findet. Bei Philoponus wird gesagt, daß Gott den angenommenen Menschen deswegen mit sich selbst vereint und in den Himmel versetzt hat, „damit er nicht nur in der Höhe befindlich von der ganzen Schöpfung angebetet wird, sondern nämlich auch in jeder Hinsicht furchteinflößend und unantastbar ist für das Entgegengesetzte, als einer der keinerlei Veränderung oder Verwandlung mehr erleiden kann“.¹⁹⁷ Sollte für Theodor, ähnlich wie für Aristoteles und die platonische Tradition,¹⁹⁸ der erste Himmel deswegen Anfechtungs- und Veränderungsfreiheit garantieren, weil er vom Schöpfer als abgeschottete Region der Gegensatzfreiheit eingerichtet wurde? Die Ausführungen zu Beginn der Einleitung des Genesiskommentars könnten dafür sprechen: Dort betont er einerseits den Unterschied zwischen von Gott direkt aus dem Nichts erschaffenen Dingen, wozu die in der Wendung „Himmel und Erde“ zusammengefaßten (also wohl der erste Himmel, die Erde, die Engel und die Elemente), das Licht und die menschliche Seele zählen, und den aus geschaffenem Substrat geformten.¹⁹⁹ Andererseits insistiert er auf dem Unterschied zwischen Innerem und Äußerem, Umschließendem und Umschlossenen: Ebenso wie die Seele des Menschen nicht hätte
197 De opificio VI,10 (hg. Reichardt, 247 f.): ,ἀκριβέστερον’ φησίν ,ὁ θεὸς τὰ τῆς εἰκόνος ἡμῖν διασῶσαι βουλόμενος ἄνθρωπον ἐξ ἡμῶν ἕνα λαβὼν ἀθάνατόν τε καὶ ἄτρεπτον ποιήσας εἰς οὐρανὸν ἀνήγαγεν ἑαυτῷ συνάψας, ἵνα μὴ μόνον εἰς ὕψος τυγχάνων παρὰ πάσης προσκυνῆται τῆς κτίσεως, ἀλλὰ γὰρ καὶ κατὰ πάντα φοβερός τε καὶ ἀνεπιβούλευτος ᾖ τοῖς ἐναντίοις ἅτε μηδεμίαν παρατροπὴν ἢ ἀλλοίωσιν ὑπομένειν οἷός τε ὤν’. Die kosmologisch konkretere Version, daß „der Herr Christus auf dem Rücken des Firmamentes sei und den ersten Himmel über sich hätte, wie wir das Firmament über uns haben“ schreibt Philoponus jedoch nur unspezifisch den Theodorianern zu (De opificio I,12; hg. Reichardt, 29). 198 Vgl. De caelo I,3 (hg. Moraux, 7–10). 199 Was Theodor hier des Näheren im Sinn hat, dürfte sehr schön durch eine Passage aus Kosmas erläutert werden, welche allerdings von Wolska als nachträgliche Glosse eingestuft wurde (Topographia III,30; SC 141, 467): Ἐπισημαντέον δὲ ὅτι ἐπ’ ὄψεσι τῶν ἀγγέλων πρῶτον πάντων καὶ ὕστερον πάντων δύο οὐσίας ἐκ τοῦ μὴ ὄντος εἰς τὸ εἶναι παρήγαγε, μίαν μὲν τὴν πρώτην, τὸ φῶς, καὶ τὴν ἑτέραν, τὴν ἡμετέραν ψυχήν, τὴν μίαν ὁρατὴν καὶ αἰσθητὴν καὶ ἄλογον, καὶ τὴν ἄλλην ἀόρατον καὶ νοερὰν καὶ λογικήν. Τὰ δὲ ἄλλα πάντα ἐκ τῶν ὄντων παρήγαγε, διὰ τούτου πάλιν διδάξαι αὐτοὺς προθέμενος ὡς αὐτὸς εἴη πάντων τῶν κτισμάτων ἀλόγων τε καὶ λογικῶν, αἰσθητῶν καὶ νοητῶν, ὁρατῶν καὶ ἀοράτων ποιητής, ἐκ τοῦ μὴ ὄντος εἰς τὸ εἶναι αὐτὰ παραγαγών. Im selben Sinne auch Gennadius, Collectio coisliniana 52 (CCG 15, 48 f.). Begegnete die grundlegendere Unterscheidung zwischen ‚Primär‘- und ‚Sekundärgeschöpfen‘ schon bei Severian in der Nachfolge Ephraems (o. Anm. 113), wird deren im Nestorianismus verbreitete Ausarbeitung zur Lehre von den sieben schweigend geschaffenen Urelementen (Himmel, Erde, Luft, Wasser, Feuer, Engel, Finsternis), welchen dann Licht und Seele zur Unterrichtung der Engel folgen, erst durch den Genesiskommentar von Dyarbakir (um 800) auf Theodor zurückgeführt (CSCO 484, 10.12).
3.4 Theodor v. Mopsuestia
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geschaffen werden können, ohne vorher den sie umschließenden Körper aus Erde zu formen, so konnten auch die Engel nicht geschaffen werden, ohne vorher den diese umschließenden Himmel, der ihnen Ort, Halt und Grenze gibt, aus dem Nichts ins Dasein zu rufen.²⁰⁰ Auch wenn Philoponus sicherlich polemisch überzieht, wenn er diese Anschauung zum Anlaß nimmt, den Antiochenern insgesamt (welche in der Tat mehrfach an diese Gedanken Theodors anknüpfen²⁰¹) jedes Verständnis für die Natur des Unkörperlichen abzusprechen (De opificio I,16 f.), zitiert er dennoch eine höchst interessante Frage Theodors zu den nach Origenes und anderen angeblich vor dem ersten Himmel entstandenen Engeln: „Wenn diese der Umschriebenheit unterliegen, ist es notwendig, zu fragen, welcher Ort sie vorher enthielt, in welchem sie umschrieben waren, so wie sie sich jetzt an diesem Platz befinden“.²⁰² Wenn diese Frage also bei den umschriebenen Engeln nicht nur berechtigt, sondern sogar unumgänglich ist, sollte sie es dann im Falle des erhöhten homo assumptus und der Auferstehungsleiber nicht sein? Leider lassen seine Äußerungen zum Auferstehungsleib sowohl des Herren als auch der Gläubigen im Stich. Sicher ist nur, daß er mit einer grundlegenden Transformation rechnete, wenn er etwa Joh 20,26–29 mit folgenden Worten kommentiert: „Und weil er geistlich aus dem Grab auferstand, lichthaft, fein und wendig, tritt er leicht durch verschlossene Türen und wo er will ohne Behinderung ein, obwohl nicht ein anderer auferstanden ist, sondern genau derjenige der gestorben ist, doch in der Herrlichkeit der Unsterblichen, uns unverständlich im gegenwärtigen Zustand“.²⁰³ Hinsichtlich der Himmelfahrt des assumptus homo und
200 Vgl. Sachau, Fragmenta, 6–10 (syr.) / 3–6 (lat.). Vgl. apud Philoponum, De opificio I,16 (hg. Reichardt, 35 f.): θαυμαστὸν μὲν οὖν ἔμοιγε φαίνεται τό τινας οἴεσθαι πρὸ οὐρανοῦ τε καὶ γῆς τὰς ἀοράτους καὶ λογικὰς οὐσίας ὑπὸ θεοῦ γεγονέναι, ἃς ἔνδον τε τούτων εἶναι καὶ περιγεγράφθαι ὑπ’ αὐτῶν διὰ πάσης παιδευόμεθα τῆς θείας γραφῆς. ποῖος γὰρ δὴ παραδέξεται λόγος τὰ ἐντὸς πρὸ τῶν ἐκτὸς ὑπάρχειν καὶ πρὸ τῶν περιεχόντων εἶναι τὰ περιεχόμενα; ἀνάγκη δὴ ἄρα κἀκεῖνο ζητεῖν ὅπου τότε ἦσαν αἱ νῦν τῷδε περιγεγραμμέναι τῷ τόπῳ. 201 Vgl. neben Theodoret (u. Anm. 220) und Kosmas (u. bei Anm. 401) die Anschauung von der lediglich vergleichsweisen Unkörperlichkeit von Engeln und Seelen, welche sich bereits bei Diodor (s. Appendix zu Ps 103,4) und später bei Ps.-Justin (Quaestiones gentilium 4,2 [GCS NF 29, 7 f.]: Καί, καθόλου εἰπεῖν, πᾶν ἐνούσιον τὸ ὑπό τινος μὴ δυνάμενον κρατεῖσθαι ἀσώματον ὑπάρχει τῷ μὴ δυναμένῳ κρατῆσαι αὐτό, καὶ πᾶν ἐνούσιον δυνάμενον κρατεῖσθαι ὑπό τινος σῶμά ἐστι τῷ κρατοῦντι αὐτό.) und Junilius Africanus (Paul dem Perser) findet (H. Kihn, Theodor von Mopsuestia und Junilius Africanus als Exegeten. Nebst einer kritischen Textausgabe von des letzteren Instituta regularia divinae legis [Freiburg 1880], 498: Haec vero incorporea accipienda sunt, non sicut deus incorporeus dicitur; eius enim conparatione nihil incoporeum est, sicut neo inmortale nec invisibile. Alius enim modus est, quo haec verba soli divinitati conveniunt, alius quo de creaturis loquitur sicut animabus vel angelis). 202 Apud Philoponum, De opificio I,17 (hg. Reichhardt, 41): περιγραφῇ δὲ ὑποκειμένων ἀνάγκη ζητεῖν τίς τόπος εἶχεν αὐτὰς πρότερον, ἐν ᾧπερ ἦσαν περιγεγραμμέναι, καθάπερ νῦν εἰσιν ἐν τούτῳ τῷ χώρῳ. 203 CSCO 115, 357 f. Vgl. die Ausführungen zum Fleisch-Begriff In Rom 7,5 (Staab, Pauluskommentare, 132) und In 1Kor 15,36–38 (Staab, Pauluskommentare, 194 f.): Τοῦτο λέγει· ἐὰν μὴ διαφθαρῇ ὃ σπείρεις, οὐ ζωοποιεῖται, καὶ οὐδὲ αὐτὸ φύεται ἀλλὰ γένεσις ἑτέρῳ γίνεται, καὶ ταῦτα ποιεῖ ἡ τοῦ θεοῦ δύναμις. ἅπερ τις τεκμαιρόμενος οὐκ ὀφείλει ἀπιστῆσαι τῇ ἀναστάσει. Ὥσπερ καὶ ἡ ὕελος ἐξ ἄμμου μέν ἐστιν,
94 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor seiner Wiederkunft betont er jedoch nicht nur (mit Act 1,11) die Identität der (verklärten) Menschheit Jesu, sondern stellt ausdrücklich fest, daß es sich beide Male um einen Transport „von Ort zu Ort“ (men dūko l-dūko).²⁰⁴ Nimmt also die besagten Ausführungen des Genesiskommentars tatsächlich systematisch ernst, ließe sich nicht nur fragen, ob dieser „Ort“ des Erhöhten nicht tatsächlich ganz konkret zwischen Firmament und erstem Himmel gedacht werden muß, sondern ob der erste, direkt von Gott aus dem Nichts erschaffene Himmel als ultimativer Ort und Umschreibung sogar der Geistwesen ähnlich wie für Kosmas auch schon für Theodor eine ganz fundamentale und letztlich ewige Größe dargestellt hat. Wie bei Severian²⁰⁵ und Ps.-Justin²⁰⁶ zu sehen, wurde auch schon vor Kosmas (Topographia VII) von antiochenischen Theologen unter Berufung auf Ps 148,6 die Unzerstörbarkeit des ersten Himmels vertreten. Sollte Theodor ähnliches im Sinn gehabt haben, wenn er besagten Vers – in der gekürzten Übersetzung Julians – kommentiert: „Nicht nur hat er allen das Dasein gegeben, sondern einigen auch die Dauerhaftigkeit, anderen die Ewigkeit, dessen Befehl das unerschrockene Gebieten und die ewige Festlegung der Bedingungen ist“?²⁰⁷ Der Kommentar zu Koh 1,4 spricht auch für eine Ewigkeit der Grundbestandteile der Schöpfung, konkretisiert dies aber nur hinsichtlich der Elemente: „‚Die Erde besteht ewig‘, das heißt freilich, daß die Welt ewig besteht. Er will aber damit kundtun, daß die Welt ewig besteht, nämlich daß, obgleich diese Naturen nicht vergehen, dennoch viel Verwandlung in ihnen besteht, weil es so angenehm ist vor Gott, daß er es aufrecht erhält, daß obwohl es darin viel Verwandlung gibt, und es einmal so und einmal so läuft, genau seine Sache aufrecht erhalten werde. Dies ist sicherlich ein Zeichen für die Kunstfertigkeit des Schöpfers, daß es in Ewigkeit bestehen kann, obwohl darin beständig schwere Veränderungen passieren“.²⁰⁸
Die Beantwortung der Frage, ob Theodor also tatsächlich ersten Himmel und Firmament für ewig gehalten hat oder nicht, wird somit letztlich von einer Gesamteinschätzung von Theodors Schriftstellerei und deren Überlieferung, besonders innerhalb der οὐκέτι δὲ ἄμμος ἀλλ’ ἕτερόν τι παρ’ ἐκεῖνο ἀφ’ οὗ γέγονεν, καὶ ὁ στάχυς ὡσαύτως οὐκέτι κόκκος ἀλλὰ στάχυς ἕτερόν τι παρὰ τὸν κόκκον, οὕτως καὶ ἐν τῇ ἀναστάσει βέλτιον τὸ σῶμα μετασκευάζεται ὡς μηκέτι σὰρξ καὶ αἷμα ἀλλ’ ἀθάνατόν τι καὶ ἀδιάφθορον ζῶον. Zur antimaterialistischen Tendenz in Theodors Eschatologie vgl. auch Bruns, Homilien, 391 f. 204 Hom. catecheticae VII,13 (hg. Tonneau/Devreesse, 182). Origenes dagegen lehnte jedes konkretlokale Mißverständnis der Himmelfahrt strikt ab (vgl. J. G. Davies, He ascended into heaven. A study in the history of doctrine [London 1958], 91–93). 205 Vgl. o. Anm. 109. 206 Vgl. u. Anm. 316. 207 In Ps 148,5 (CCL 88A, 395): Non solum existentiam omnibus tribuit, sed etiam diuturnitatem aliis, aliis aeternitatem dedit; cuius statuta est intemerata praeceptio et condicionum aeterna distinctio. 208 Hg. Strothmann, 19. Daß mit „diesen Naturen“ wohl primär die Elemente gemeint sind, erhellt aus dem parallelen Katenenfragment (hg. Strothmann, 3): „‚Und die Erde, also die Welt, bleibt in Ewigkeit bestehen‘, dies will besagen: die Elemente, also Erde, Wasser, Feuer und Luft (bleiben ewig). Sie befinden sich zwar in Transformation, doch werden ihre Zustände und Ausschmückungen zu einem Ende kommen“.
3.5 Theodoret v. Kyros |
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ostsyrischen Tradition abhängen. Sollte der uns erhaltene Bestand tatsächlich repräsentativ und die spekulativen Sonderlehren, die Theodor etwa durch das fünfte Konzil zugeschrieben werden, alle nur spätere Erfindung der Schule oder Verzerrungen der Gegner darstellen, wird man geneigt sein, die hier präsentierten Indizien für eine Antizipation der Sicht des Kosmas als überinterpretiert abzutun.²⁰⁹ Nimmt man jedoch an, daß nicht nur die Überlieferung und die Übersetzungen Theodor nach Kriterien der „Massentauglichkeit“ gefiltert und vielleicht sogar korrigiert haben, sondern daß vielleicht sogar schon er selbst eine gewisse Vorsicht darin walten ließ, seine nicht konsensfähigen Positionen für ein breites Publikum gedachten Schriften wie den katechetischen Homilien anzuvertrauen,²¹⁰ dürfte man Zeugnissen wie demjenigen des Isaak ein höheres Gewicht zubilligen: Nimmt man es mit dem Zeugnis der anderen Benutzer von Theodors Genesiskommentar zusammen, wird doch relativ unabweisbar, daß er sich darin deutlich ausführlicher kosmographisch geäußert hat, als die erhaltenen Fragmente erahnen lassen, und vor allem diese Kosmographie auch tatsächlich theologisch ausgewertet hat. Wie diese Äußerungen und ihre Auswertung des Näheren aussahen, wäre dann höchstens noch der Rezeptionsgeschichte Theodors zu entnehmen, welche in den anschließenden Abschnitten darum einen zusätzlichen Fokus bilden soll.
3.5 Theodoret v. Kyros In etwa gleichzeitig mit dem Tode Diodors geboren, dürfte Theodoret, der große Kämpfer für die Autorität der beiden ‚antiochenischen‘ Lehrer zwischen den Konzilien von Ephesus (431) und Chalkedon (451), auch Theodor allem Anschein nach niemals persönlich getroffen haben. Umso häufiger bezeugt er seine Ehrerbietung beiden gegenüber in seinen Werken,²¹¹ was den Historiker naturgemäß zu dem Versuch verführt, besonders das fragmentarische exegetische Werk der beiden Meister aus den in großem Umfang
209 Zu einer solchen Skepsis neigt etwa L. van Rompay, „Quelques remarques sur la tradition syriaque de l’oeuvre exégétique de Théodore de Mopsueste“, in IV Symposium Syriacum 1984 (hg. H. Drijvers; OCA 229; Rom 1987), 33–43. 210 So hat beispielsweise N. Kavvadas wahrscheinlich machen können, daß Theodor die ihm seit Devreesse (Essai sur Théodore, 103) von der Forschung fast einhellig (vgl. Bruns, Homilien, 396–401) hauptsächlich aufgrund einer Stelle aus der lateinischen Übersetzung des Kommentars zu 1Thess 1,9 (hg. Swete II,45 f.) abgesprochene Lehre von Allversöhnung tatsächlich in seinem Traktat gegen die Vertreter der Erbsünde anvisiert hat („On the Relations between the Eschatological Doctrine of Isaac of Nineveh and Theodore of Mopsuestia“, Studia Patristica 45 [2010], 245–250). Die ungewöhnliche Rezeption eines uns so aus dem überlieferten Werk nicht bekannten Theodor bei den Ostsyrern dokumentiert auch L. Abramowski, „Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah“, The Harp 4 (1991), 67–83. 211 Zu Theodor vgl. J. N. Guinot, „L’importance de la dette de Théodoret de Cyr à l’égard de l’exégèse de Théodore de Mopsueste“, Orpheus 5 (1984), (68–109) 70–78. Zu Diodor vgl. L. Abramowski,
96 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor erhaltenen Bibelkommentaren Theodorets zu supplementieren. Daß dies methodisch äußerst problematisch ist, wurde in breit angelegten Untersuchungen von Jean Noel Guinot aufgezeigt: Besonders im Falle Theodors gilt Theodorets Bewunderung zuallererst dem dogmatischen Lehrer, wogegen er sich mit dessen alttestamentlicher, weitgehend auf die ἱστορία beschränkter Exegese nicht recht begnügen will.²¹² Auch kann nach Guinot nicht davon ausgegangen werden, daß Theodoret die Exegesen seiner Lehrer an einem Punkt einfach plagiiert, sondern seine Rezeption ist durchgehend von einem gewissen Eigenständigkeitsmoment geprägt.²¹³ Für die vorliegende Untersuchung könnte dies allerdings auch eine Chance bedeuten, da trotz des gegenüber Chrysostomus oder Severian doch deutlich ausgeprägteren wissenschaftlichen Interesses Theodorets die Probleme der Kosmographie nicht direkt im Fokus seines Interesses gestanden zu sein scheinen. Im der materiellen Welt gewidmeten vierten Buch seiner apologetischen Summe, der Graecorum affectionum curatio, spielen sie jedenfalls kaum eine Rolle: Die Frage, welche Gestalt die Welt habe und wie er sich bewege (IV,16), wird dort ebenso wie fast die gesamte Astronomie (IV,22–24) unter diejenigen nutzlosen Gedankenspiele gerechnet, über die Philosophen sich auf ewig sinnlos streiten, ohne der Wahrheit auch nur einen Schritt näher zu kommen (IV,25–30).²¹⁴ Was Theodoret an die Stelle dieser fruchtlosen Auseinandersetzungen setzen möchte, ist die Bewunderung für die im Weltenbau sich offenbarende Schöpfermacht, welche er besonders in den ersten beiden Reden über die göttliche Providenz in schillernden Farben ausmalt: Danach ist es allein die göttliche Schöpfermacht, welche die natürlichen Bewegungen der Elemente so lenkt, daß das nach oben strebende Feuer nach unten scheint und wärmt, und das nach unten strebende Wasser sich oben zu Wolken verdichtet und auf die Erde herabregnet,²¹⁵ so temperiert, daß weder das kristallin-gefrorene Firmament von der Hitze der Sonne geschmolzen noch diese von dessen Feuchtigkeit gelöscht wird,²¹⁶ so daß dem an sich vergänglichen Himmel
„Der Streit um Diodor und Theodor zwischen den beiden ephesinischen Konzilien“, Zeitschrift für Kirchengeschichte 67 (1955), (252–287) 285–87. 212 Guinot, „L’importance“, bes. 108 f. 213 Vgl. J. N. Guinot, „Théodoret de Cyr: Exégète ou compilateur?“, in Théodoret de Cyr. Exégète et théologien, Bd. 1 (Paris 2012), 395–414. 214 Vgl. auch De providentia 10 (PG 83,740C-41C). 215 Vgl. De providentia 1 (PG 83, 565 [bes. B: φύσις αὐτοῖς τοῦ ποιήσαντος ὅρος]) und 2 (PG 83, 577C-81B). 216 De providentia 1 (PG 83, 564A-C): Τούτου χάριν, τοσούτου περὶ αὐτὸν πυρὸς ὀχουμένου, ἡλίου φημὶ, καὶ σελήνης, καὶ τῶν ἄλλων φωστήρων, ἐν τοσούτοις ἐνιαυτῶν κύκλοις οὐ τήκεται, οὐ ξηραίνεται, οὐκ ἐμπίπραται· ταύτας γὰρ τοῦ πυρὸς ἡ φύσις τὰς ἐνεργείας ὑπὸ τοῦ πεποιηκότος ἐδέξατο. […] Ἀλλ’ οὐδὲν τούτων ὁ οὐρανὸς ὑπομένει. Οὐ τήκει γὰρ αὐτοῦ τὸ κρυσταλλῶδες τοσαύτη οὖσα τοῦ πυρὸς ἡ οὐσία, οὐδὲ λυμαίνεται τῇ λειότητι, οὐδὲ χαλαρὸν ποιεῖ τὸ σφαιροειδὲς αὐτοῦ σχῆμα· ἀλλ’ ἣν ἐξ ἀρχῆς ἔλαχε στάσιν, ταύτην εἰς τέλος διαφυλάττει. Ὁ γὰρ στήσας αὐτὸν ὡσεὶ καμάραν, καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν κατοικεῖσθαι, τὰς ἐναντίας φύσεις εἰς φιλίαν συνήγαγε. Καὶ οὔτε τοῦ πυρὸς ἡ φύσις ὑπὸ τοῦ πλήθους σβέννυται τῶν ὑδάτων, οὔτε τὸ κρυσταλλῶδες, ἢ ἀερῶδες, ἢ νεφελῶδες οὐράνιον σῶμα, τῇ τοῦ πυρὸς οὐσίᾳ πλείστῃ οὔσῃ τήκεται καὶ φθείρεται· ἀλλ’ ἐκ γειτόνων ἀλλήλοιν οἰκοῦντες,
3.5 Theodoret v. Kyros |
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dauernder Bestand verliehen wird.²¹⁷ Naturphilosophische Erklärung soll also letztlich durch teleologisches Naturverstehen ersetzt werden, welches gerade astronomische Vorgänge ganz von deren Nutzen für den Menschen her interpretiert.²¹⁸ Könnte dies bedeuten, daß er – an kosmographischen Details und deren naturphilosophischer Erklärung uninteressiert – die Grunddaten seiner Weltkonzeption einfach von seinen Lehrern übernimmt, ohne sie großartig kritisch zu reflektieren? In den Quaestiones in Genesim²¹⁹ jedenfalls macht sich der Einfluß Theodors gleich in der dritten Frage bemerkbar, wo ganz im Sinne des Mopsuesteners festgestellt wird, daß die Engel nicht vor Himmel und Erde geschaffen worden sein können, da sie eine umschriebene Substanz hätten und damit einen Ort bräuchten, an dem sie existieren.²²⁰ In Frage elf wird dann das Problem der Anzahl der Himmel in grundsätzlich an Diodor,²²¹ hinsichtlich ihrer Substanzverschiedenheit jedoch an Theodor²²² und hinsichtlich ihrer Benennung an Chrysostomus²²³ gemahnenden Weise erörtert: Im τὰς πολεμίας κρύπτουσιν ἐνεργείας, καὶ τῷ τοῦ πεποιηκότος λόγῳ πεισθέντες, τὴν δι’ αἰῶνος φιλίαν ἐσπείσαντο, καὶ ταῦτα ἄψυχα ὄντα, καὶ νοῦν κυβερνήτην οὐκ ἔχοντα, ἀλλ’ ὅμως μένει τὸν ἐξ ἀρχῆς ὅρον φυλάττοντα. Vgl. Curatio IV, 64 f. (SC 57,222 f.): Ἐναπέθετο δὲ καὶ οἷς δεδημιούργηκεν, εἰς ὅσον ταῦτα ξυνεστάναι βούλεται χρόνον, δύναμιν ἀποχρῶσαν. Διά τοι τοῦτο καὶ ἡ γῆ μεμένηκεν, οἵαπερ ἐξ ἀρχῆς ἐγεγόνει, καὶ ἡ θάλαττα οὔτε σμικρύνεται οὔτε αὔξεται, καὶ ὁ ἀὴρ ἣν ἐξ ἀρχῆς ἔλαχε φύσιν, ἄσυλον διετήρησε, καὶ ὁ ἥλιος δὲ τήκειν οὐ δύναται καὶ διαλύειν, ὃ διαθέει στερέωμα, οὔτε μὴν τὸ στερέωμα, ὑγρὸν ὄν, θερμὸν ὄντα τὸν ἥλιον σβέννυσιν· ἕκαστον γάρ, ὃν ἐξ ἀρχῆς ἔλαχε, διεφύλαξε κλῆρον. Τὰς γὰρ ἐναντίας φύσεις ὑγροῦ καὶ ξηροῦ, καὶ αὖ πάλιν ψυχροῦ καὶ θερμοῦ, ξυνήγαγεν εἰς φιλίαν ὁ ποιητής. Ὅταν τοίνυν τούτων ἕκαστον ἴδωμεν, καὶ τὸν μὲν ἥλιον νῦν μὲν τὰ βόρεια, νῦν δὲ τὰ νότια, ἄλλοτε δὲ τὰ μέσα τοῦ οὐρανοῦ διαθέοντα, καὶ τὴν σελήνην αὐξομένην καὶ φθίνουσαν, καὶ τοὺς ἀστέρας κατὰ καιρὸν ἀνίσχοντάς τε καὶ δυομένους καὶ ἀμήτου καιρὸν καὶ σπόρου σημαίνοντας καὶ τοῖς ναυτιλλομένοις χειμῶνα καὶ γαλήνην μηνύοντας, μὴ ταῦτά γε, ὦ φίλοι ἄνδρες, θεοποιήσωμεν, ἀλλὰ τὸν τούτων ποιητὴν καὶ δημιουργὸν καὶ κυβερνήτην ἀνυμνήσωμεν καὶ διὰ τῶν ὁρωμένων πρὸς τὸν ἀόρατον ἐκδημήσωμεν. 217 De providentia 1 (PG 83, 561D-64A): Σκοπήσατε παρ’ ὑμῖν αὐτοῖς, τίς ὁ συνέχων τὰς οὐρανίους ἁψίδας· πῶς ἐν τοσαύταις ἐτῶν χιλιάσιν ἀγήρως ἔμεινεν ὁ οὐρανὸς, οὐδεμίαν μεταβολὴν ἐκ τοῦ χρόνου δεξάμενος, καὶ ταῦτα παθητὴν ἔχων τὴν φύσιν, ὡς ὁ μακάριος διδάσκει Δαβίδ· ‚Αὐτοὶ (οὐρανοὶ) φησὶν, ἀπολοῦνται, σὺ δὲ διαμένεις, καὶ πάντες ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται, καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον ἑλίξεις αὐτοὺς, καὶ ἀλλαγήσονται, σὺ δὲ ὁ αὐτὸς εἶ, καὶ τὰ ἔτη σου οὐκ ἐκλείψουσιν’. Ἀλλ’ ὅμως καὶ παθητὴν ἔχων καὶ φθαρτὴν τὴν οὐσίαν, ἔμεινεν οἷός περ ἦν, τῷ τοῦ πεποιηκότος κατεχόμενος λόγῳ. Ὁ γὰρ δημιουργήσας αὐτὸν λόγος, συνέχει καὶ κατέχει, καὶ τὸ σταθερὸν αὐτῷ καὶ ἑδραῖον μέχρις ἂν ἐθέλῃ χαρίζεται. 218 Vgl. bes. De providentia 1 (PG 83, 565D-573D) und Quaestiones in Gen 15 (hg. Marcos/Saenz, 17 f.). 219 J. N. Guinot, „Les sources de l’exégèse de Théodoret de Cyr“, in Théodoret de Cyr I, (367–93) 389 f. identifiziert als deren Quellen Theodors Genesiskommentar, die Genesishomilien des Chrysostomus, vielleicht Epiphanius’ Panarion und allen voran Diodors Kommentare zum Oktateuch. 220 Quaestiones in Gen 3 und 4 (hg. Marcos/Saenz, 6 f.9 mit dem bei Theodor beliebten 1Kor 4,9). Zu Theodor vgl. o. Anm. 154. 221 Vgl. o. Anm. 22. 222 Vgl. o. Anm. 199 f. Zur Unterscheidung zwischen aus Nichts und aus etwas geschaffenen Dingen vgl. auch Quaestiones in Gen 14, wonach die Sterne aus dem Licht des ersten Tages geschaffen wurden (genauso Severian in der Nachfolge Ephraems [Anm. 75]). 223 Vgl. o. Anm. 41.
98 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor eigentlichen Sinne Himmel sei nur der erste, aus Nichts geschaffene Himmel, das aus Wasser verfestigte Firmament nur im abgeleiteten Sinne, da es für uns die Funktion des Himmels erfülle und die Wasser zerteile, um von oben gegen die Sonnenhitze gekühlt und nach unten die Luft feucht und kühl zu halten.²²⁴ Die Mißverständnisse bezüglich einer weitergehenden Vielzahl von Himmeln beruhten hingegen nur auf dem hebräischen plurale tantum shamajim und würden durch Ps 113,24 eindeutig korrigiert: Wenn „der Himmel des Himmels dem Herrn“ gehöre, sei deutlich, daß „wie dieser Himmel für uns das Dach ist und die Erde der Boden, so der sichtbare Himmel den darüber liegenden Himmel als Dach“ habe.²²⁵ Frage 15 schließlich greift die aus Severian bekannte Theorie eines von Nordosten nach Südosten wandernden Aufgangspunkts der Sonne auf, um nicht primär die unterschiedliche Tageslänge durch den Jahreslauf, sondern die Temperaturunterschiede während der Jahreszeiten zu erklären.²²⁶ Ein ähnlicher Eindruck ergibt sich auch aus dem Psalmenkommentar, der – mit den Worten Guinots – „relecture critique“ des diodorischen Kommentars.²²⁷ Hier wird 224 Quaestiones in Gen 11 (hg. Marcos/Saenz, 14): ὁ δὲ πρότερος οὐρανὸς οὐκ ἐκλήθη στερέωμα, ἀλλ’ οὐρανὸς ἐξ ἀρχῆς ὠνομάσθη· οὗτος γὰρ ἐξ αὐτοῦ τοῦ πράγματος τὴν προσηγορίαν ἐδέξατο, ἐπειδὴ γὰρ ἐκ τῆς ῥοώδους τῶν ὑδάτων οὐσίας συνέστη, καὶ ἡ ῥυτὴ φύσις στεγανωτάτη γέγονε καὶ στερέμνιος προσηγορεύθη στερέωμα. εἶτα ὡς ἄνωθεν ἐπικείμενος, καὶ τοῦ προτέρου οὐρανοῦ τὴν χρείαν ἡμῖν πληρῶν, οὐρανὸς προσωνομάσθη. διχῆ δὲ διεῖλε τῶν ὑδάτων τὴν φύσιν ὁ τῶν ὅλων Θεός· καὶ τὰ μὲν ἄνωθεν ἐπιτέθεικε τῷ στερεώματι, τὰ δὲ κάτω καταλέλοιπεν ἵνα τὰ μὲν ἄνωθεν ἐπικείμενα τῇ τε ὑγρότητι καὶ ψυχρότητι μὴ συγχωρῇ τῷ πυρὶ τῶν φωστήρων λωβᾶσθαι τὸ στερέωμα, τὰ δὲ κάτω μεμενηκότα διατρέφῃ τοῖς ἀτμοῖς τὸν ἀέρα διαυαινόμενον καὶ ξηραινόμενον ὑπὸ τοῦ ἄνωθεν ἐπικειμένου πυρός. Der paulinische dritte Himmel wird im Kommentar ad locum (PG 82, 448C: Τὸ δὲ, ἕως τρίτου οὐρανοῦ, τινὲς ἔφασαν τοῦ ἀπὸ γῆς εἰς οὐρανὸν διαστήματος τὸ τρίτον αὐτὸν εἰρηκέναι, τοσοῦτον μὲν ἀπαχθέντα, καὶ τῶν ἀῤῥήτων ῥημάτων ἀκηκοότα) kurz unter Verweis auf die bereits aus Severian (o. Anm. 81) bekannte Exegese abgefertigt. 225 Quaestiones in Gen 11 (hg. Marcos/Saenz, 15): ἐπεὶ ἐν ἑτέρῳ ψαλμῷ σαφέστερον ἡμᾶς τοῦτο διδάσκουσα καὶ παραλιποῦσα τὸ τῆς γλώττης ἐκείνης ἰδίωμα οὕτως ἔφη· ‚ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ’, ὡς εἶναι δῆλον, ὅτι καθάπερ οὗτος ὁ οὐρανὸς ἡμῖν ἐστιν ὄροφος, ἡ δὲ γῆ ἔδαφος, οὕτως ὁ ὁρώμενος οὐρανὸς ὄροφον ἔχει τὸν ὑπερκείμενον οὐρανόν. Vgl. In Is 12 (SC 295, 410): Εἶτα διδάσκει ὡς οὐ μόνον τῆς γῆς ἐστι ποιητὴς ἀλλὰ καὶ τῶν οὐρανῶν δημιουργός· Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν κατοικεῖν. Ἐπειδὴ γὰρ ἐδάφει μὲν ἔοικεν ἡ γῆ, μιμεῖται δὲ καμαροειδῆ καὶ θολοειδῆ ὄροφον ὁ οὐρανός, εἰκότως σκηνῇ αὐτὸν ἀπείκασεν. Jes 40,22 wird von Theodoret auch sonst mehrfach zitiert, allerdings nur als allgemeiner Beleg für die göttliche Schöpfermacht, niemals als konkret kosmologische Aussage (vgl. etwa Discretio V, 5,3 [GCS NF 26, 155]). 226 Quaestiones in Gen 15 (hg. Marcos/Saenz, 17): Ὁ ἥλιος ἀνίσχων μὲν καὶ δυόμενος τὰς ἡμέρας ποιεῖ· εἰς δὲ τὰ νότια καὶ τὰ βόρεια μέρη διατρέχων, τὸν ἐνιαύσιον κύκλον ἀποτελεῖ. οὗτος καὶ τὰς τροπὰς ἐργάζεται, ἃς καιροὺς ὠνόμασεν ἡ θεία γραφή· ἀπὸ γὰρ τοῦ ἰσημερινοῦ τόπου πρὸς τὰ βόρεια μεταβαίνων τὸ ἔαρ ποιεῖ· εἶτα ἐκεῖθεν ἐπανιὼν μέχρι τούτων τῶν ὅρων, τὴν θερινὴν κατασκευάζει τροπήν· προϊόντος δὲ αὐτοῦ ἐντεῦθεν ἐπὶ τὰ νότια, τὸ μετόπωρον γίνεται· ἐπανιὼν δὲ αὖθις, τὸν χειμῶνα ποιεῖ. Zu Severian vgl. o. Anm. 72. 227 „L’ In Psalmos de Théodoret: une relecture critique du commentaire de Diodore de Tarse“, in Théodoret de Cyr I, 277–306. Die Kontinuität in der antiochenischen Psalmenexegese betont auch J. O’Keefe, „A Letter that Killeth: Toward a Reassessment of Antiochene Exegesis, or Diodore, Theodore, and Theodoret on the Psalms“, Journal of Early Christian Studies 8 (2000), 83–103.
3.5 Theodoret v. Kyros
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zu Ps 18,2²²⁸ und 148,1.4²²⁹ die aus den Quästionen bekannte Konzeption der beiden Himmel in fast derselben Form wiederholt, lediglich zu 113,24 dahingehend präzisiert, daß der obere Himmel Wohnstatt Gottes nicht im örtlichen Sinne, sondern aufgrund seines unmittelbaren Verkehrs mit den – gegen Theodor (?) und Kosmas²³⁰ – dort angesiedelten Engeln genannt werde.²³¹ Wiederholt aufgenommen wird auch Diodors Ablehnung eines unterirdischen Meers,²³² da die Erde vielmehr von Wasser umgeben und durchzogen sei, nach 103,5 lediglich auf ihre eigene Festigkeit und Unbeweglichkeit gegründet.²³³ Ebenso typisch für Theodorets wenig ausgeprägtes kosmologisches Interesse wie für den eklektischen Umgang mit den Kommentaren seiner Lehrer ist 228 PG 80, 992B-D: Οὐρανοῦ δὲ καὶ στερεώματος ἐμνημόνευσεν ἀκολούθως τῇ τοῦ μεγάλου Μωσέως διδασκαλίᾳ. Καὶ γὰρ ἐκεῖνος πρῶτον εἶπε γεγενῆσθαι τὸν οὐρανὸν, εἶτα διηγεῖται καὶ τὴν τοῦ στερεώματος δημιουργίαν· ὃν πάλιν οὐρανὸν οὐρανῶν προσηγόρευσε, φησί. Τὸ δὲ πληθυντικὸν ὄνομα τῶν οὐρανῶν ξενιζέτω μηδένα. Ἔθος γὰρ τῇ Γραφῇ ποτὲ μὲν ἑνικῶς, ποτὲ δὲ πληθυντικῶς ὀνομάζειν. Καὶ ἑνικῶς μὲν ὁ μακάριος ὀνομάζει Δαβίδ· ‚Οὐρανὸς γὰρ, φησὶ, τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ.’ Καὶ πάλιν· ‚Τῷ περιβάλλοντι τὸν οὐρανὸν ἐν νεφέλαις.’ Πληθυντικῶς δὲ πάλιν ὁ αὐτὸς, ‚Αἰνεῖτε αὐτὸν, φησὶν, οἱ οὐρανοὶ τῶν οὐρανῶν.’ Τὴν αὐτὴν δὲ ἔχει σημασίαν τὸ, ‚Ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ.’ Ὁ μὲν γὰρ ὁρώμενος οὐρανὸς, οἷόν τις ὄροφος κατεσκευάσθη τῇ γῇ· ὁ δὲ ἀνώτερος τοῦτό ἐστι τούτῳ, ὅπερ οὗτος τῇ γῇ. Διὰ δὴ τοῦτο οὐρανὸς οὐρανοῦ καλεῖται, καὶ οὐρανοὶ οὐρανῶν ὀνομάζονται. Ἔστι δὲ ἰδεῖν καὶ πόλεις παρ’ ἡμῖν διπλῆν τὴν ὀνομασίαν ἐχούσας. Καὶ γὰρ καὶ Ταρσὸν λέγομεν καὶ Ταρσοὺς, τὴν μίαν πόλιν· καὶ Θήβην καὶ Θήβας, τὴν αὐτὴν πόλιν. Οὕτω Μυκήνην τε καὶ Μυκήνας ἐκάλουν οἱ παλαιοὶ, μίαν πόλιν εἰδότες τὴν πληθυντικῶς ὀνομαζομένην. Ταῦτα δέ μοι οὐχ ἁπλῶς εἴρηται, ἀλλὰ διὰ τοὺς πολλοὺς οὐρανοὺς ἀριθμεῖν πειρωμένους. 229 PG 80, 1985CD.1988CD: Δύο οὐρανοὺς ὑπὸ τοῦ Θεοῦ γεγενῆσθαι ὁ μέγας ἡμᾶς ἐδίδαξε Μωσῆς·τόνδε σὺν τῇ γῇ γεγενημένον, καὶ τὸν ὕστερον μέσον τῶν ὑδάτων προσταχθέντα γενέσθαι, ὃν καὶ στερέωμα προσηγόρευσε. Διὰ τοῦτο ἐκ τῶν οὐρανῶν, καὶ ἐκ τῶν ὑψίστων, ὑμνεῖσθαι προσέταξε τὸν Θεόν· ἀντὶ τοῦ, καὶ τοὺς ἐν τούτῳ καὶ τοὺς ἐν ἐκείνῳ διάγοντας τῶν ἀσωμάτων χορούς. Ἐπειδὴ καὶ ὁ θεῖος Μωσῆς οὐδὲν ἡμᾶς περὶ τῆς τῶν νοερῶν φύσεων δημιουργίας ἐδίδαξεν, ἀναγκαίως ὁ Προφήτης ἐνταῦθα καὶ τὴν τούτων ἐποιήσατο μνήμην. Διὸ καὶ προσφέρειν τῷ Ποιητῇ τὸν ὕμνον παρεγγυᾷ. […] Τῷ στερεώματι διεχώρισεν ὁ Θεὸς τῶν ὑδάτων τὴν φύσιν, τῇ ἀῤῥήτῳ σοφίᾳ τὴν ἐπὶ πλεῖστον αὐτοῖς διανομίαν μηχανώμενος. Καὶ ἐπὶ τῶν πεπηγότων ὑδάτων τὸ ἄπειρον τῶν φωστήρων ὁδεύειν προσέταξε πῦρ· ὕδωρ δὲ καὶ πῦρ ἐναντία ἀλλήλοις· ἀλλ’ ὅμως οὔτε τοῖς ὕδασι τὸ πῦρ κατασβέννυται, οὔτε τὸ πεπηγὸς ὕδωρ τῷ ἀπείρῳ πυρὶ κατατήκεται. Δείκνυσι δὲ ταῦτα τοῦ Θεοῦ τὴν ἄῤῥητον δύναμιν. Πληθυντικῶς δὲ τοὺς οὐρανοὺς ὠνόμασεν, οὐ πολλοὺς τούτους εἰδὼς, ἀλλὰ τῇ Ἑβραίων ἀκολουθήσας φωνῇ· πληθυντικῶς γὰρ τούτους ἐκεῖνοι καλοῦσιν, ὡς ἡμεῖς Ἀθήνας, καὶ τὰς Θήβας. Ἀμέλει οὓς ἐνταῦθα οὐρανοὺς οὐρανῶν ἐκάλεσεν, ἑτέρωθι οὐρανὸν οὐρανοῦ προσηγόρευσεν. ‚Ὁ οὐρανὸς γὰρ, φησὶ, τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ.’ 230 Vgl. o. Anm. 149–60. 231 PG 80, 1796BC: Αὐτὸς μὲν γὰρ ἐνδιαίτημα ἔχει τὸν οὐρανὸν, οὐ τὸν ὁρώμενον τοῦτον, ἀλλὰ τὸν τούτου ὑπέρτερον, ὃν οὗτος ὄροφον ἔχει, καθάπερ τοῦτον ἡμεῖς. Ἐνδιαιτᾶται δὲ τῷ οὐρανῷ τῶν ὅλων ὁ Κύριος, οὐ περιγεγραμμένην ἔχων τὴν φύσιν, ἀλλὰ τοῖς ἐκεῖ πολιτευομένοις τῶν ἁγίων ἀγγέλων χαίρων χοροῖς. Τὴν μέντοι γῆν τῷ γένει τῶν ἀνθρώπων ἀπένειμεν. Οὐ τοίνυν Ἰουδαίων προμηθεῖται μόνον, ἀλλὰ καὶ πάντων ἀνθρώπων, οἷς καὶ τὴν γῆν οἰκητήριον δέδωκεν. 232 Vgl. o. Anm. 12. 233 PG 80, 1697AB: ‚Ὁ θεμελιῶν τὴν γῆν ἐπὶ τὴν ἀσφάλειαν αὑτῆς.’ Ὁ δὲ Ἀκύλας, καὶ ὁ Σύμμαχος, ἐπὶ τῆς ἕδρας αὐτῆς. ‚Οὐ κλιθήσεται εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος.’ Αὐτὴν γὰρ ἐφ’ ἑαυτὴν ἑδράσας, δέδωκεν αὐτῇ τὸ ἀκίνητον, καὶ τοῦτον διαμενεῖ τὸν τρόπον, ἐφ’ ὅσον ἂν αὐτὸς ἐθελήσει. Οὕτω καὶ ἀλλαχοῦ φησι, Κρεμνῶν γῆν ἐπ’ οὐδενός. ‚Ἄβυσσος ὡς ἱμάτιον τὸ περιβόλαιον αὐτοῦ.’ Τὸ αὐτοῦ ἀντὶ τοῦ αὐτῆς
100 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor jedoch, daß er den locus classicus Ps 103,2 f. gerade nicht auf die Form des sichtbaren Himmels deutet, sondern hier lediglich einen metaphorischen Hinweis auf die Leichtigkeit und Souveränität des Schöpfungshandelns findet.²³⁴ Auch die Wolken, auf denen Gott nach 103,3 daher schreiten soll, sublimiert er aufgrund ihrer Schnelligkeit zum wahrnehmbaren Symbol für dessen Allgegenwart und verweist als Parallelen auf die Lichtwolken anläßlich von Jesu Verklärung und Himmelfahrt, ohne allerdings ausdrücklich auch diese zum bloßen Symbol zu erklären.²³⁵ So weit wäre er wahrscheinlich dann doch nicht gegangen,²³⁶ auch wenn nach dem bislang Ausgeführten keine übermäßige theologische Verwertung der von seinen Lehrern überkommenen Kosmographie von ihm zu erwarten ist. Immerhin übernimmt er auch die allegorische Deutung der Stiftshütte und zwar denselben Grundlinien folgend, die wir schon bei Chrysostomus festgestellt haben: Nach dem Kommentar zu Hbr 9,1 entsprechen die beiden durch den Vorhang getrennten Bereiche der Stiftshütte ganz klar den beiden durch das Firmament getrennten Bereichen der Welt, eine Gleichsetzung, die schon zu 6,19²³⁷ und 8,2²³⁸ auf unspezifischere Art und Weise angedeutet worden war: „‚Das weltliche Heiligtum‘. Die Stiftshütte hat er so genannt, weil sie als Abbild für die ganze Welt steht. Sie ist nämlich durch den Vorhang in der Mitte zweigeteilt, und ein Teil von ihr wurde ‚Heiliges‘, der andere ‚Allerheiligstes‘ genannt. Und das Heilige ahmte den Lebenswandel auf
τέθεικεν. Οὕτω γὰρ καὶ ὁ Ἀκύλας καὶ ὁ Θεοδοτίων ἡρμήνευσαν· Ἄβυσσον ὡσεὶ ἔνδυμα περιέβαλες αὐτήν. Ἄβυσσον δὲ καλεῖ τὴν ὑγρὰν οὐσίαν ἡ θεία Γραφή. Οὕτω καὶ ἐν ἀρχῇ τῆς κτίσεως ὁ μακάριος ἔφη Μωσῆς· ‚Ἡ δὲ γῆ ἦν ἀόρατος καὶ ἀκατασκεύαστος, καὶ σκότος ἐπάνω τῆς ἀβύσσου.’ Ἐπειδὴ τοίνυν πανταχόθεν ὕδασιν ἡ γῆ περιέχεται, καὶ τὰ μεγάλα μὲν καὶ ἄπλωτα πελάγη ταύτης ἐστὶ τέρμα, μέσην δὲ αὐτὴν διατέμνει ἕτερα ἄττα πλείονα, εἰκότως ἔφη τὴν ἄβυσσον καθάπερ ἱμάτιον ἐπικεῖσθαι τῇ γῇ. Vgl. auch die Kommentare zu 23,2 (ibid. 1029BC) und 135,6 (1921C: Καὶ τοῦτο δὲ ἀξιάγαστον, καὶ τὴν ἀνθρωπίνην ὑπερβαῖνον διάνοιαν, καὶ πανταχόθεν τὴν γῆν περικλυζομένην τοῖς ὕδασιν ἑστάναι, καὶ ἐπὶ τῆς οἰκείας φύσεως διαμένειν). Kosmologisch nicht besonders konkret werden die Aussagen zum Dahinfahren der Sonne auf dem Firmament zu 18,6 f. (ebd., 993C) und zur Unbeseeltheit der Gestirne zu 146,4 (ebd., 1980C). 234 PG 80, 1696A: Τὴν τῆς δημιουργίας εὐκολίαν διὰ τούτων ἐδίδαξεν. Ὡς γὰρ ἀνθρώπῳ ῥᾴδιον δέῤῥιν ἐκτεῖναι καὶ ποιῆσαι σκηνὴν, οὕτως ὁ τῶν ὅλων Θεὸς τὰ μεγάλα τῶν οὐρανῶν διεπέτασε κήτη, λόγῳ μόνῳ χρησάμενος. Diese Formulierung fand auch Eingang in die bei Pitra unter dem Namen des Origenes edierten Scholien (vgl. J. Pitra, Analecta sacra spicilegio solesmensi parata, Bd. 3: Patres antenicaeni [Venedig 1883], 201). 235 PG 80, 1696BC. 236 Der Kommentar zu 1Thess 4,17 etwa sagt ganz schlicht (PG 82, 649B): Ὥσπερ γὰρ αὐτὸς ὁ Δεσπότης ἐπὶ νεφέλης φωτεινῆς ἀνελήφθη· οὕτω καὶ οἱ εἰς αὐτὸν πεπιστευκότες, οἵ τε ἐκ νεκρῶν ἀνιστάμενοι, καὶ οἱ ἔτι περιόντες, ἐπὶ νεφελῶν ὀχούμενοι ὑπαντήσουσι τῷ τῶν ὅλων Κριτῇ, καὶ σὺν αὐτῷ διάγοντες τὸν ἀπέραντον αἰῶνα διατελέσουσι. 237 PG 83, 721B: Καταπέτασμα τὸν οὐρανὸν ἐκάλεσε. Τὴν γὰρ τῶν οὐρανῶν βασιλείαν ὑπέσχετο δώσειν τοῖς εἰς αὐτὸν πεπιστευκόσιν ὁ Κύριος. 238 PG 82, 736A: Σκηνὴν δὲ τὸν οὐρανὸν ἐκάλεσεν, οὗ δημιουργὸς αὐτὸς ὢν, ὡς ἄνθρωπον λειτουργεῖν ὁ Ἀπόστολος εἴρηκε.
3.5 Theodoret v. Kyros
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der Erde nach, das Allerheiligste aber den Aufenthaltsort (ἐνδιαίτημα) der Himmel. Der Vorhang selbst nämlich erfüllte die Funktion es Firmaments. Die göttliche Schrift lehrte uns nämlich, daß es zwei Himmel gibt [folgt Gen 1,6 f.; Ps 113,24]. Dieser Himmel ist nämlich unser Dach, erfüllt jedoch für die unsichtbaren Mächte die Funktion des Bodens“.²³⁹
Hier wird nun auch ausdrücklich die Habitattheorie aufgegriffen, wenn auch ohne ausgesprochene eschatologische Valenz. Ähnlich wie bei Chrysostomus wird vielmehr schon zu 9,11 auf eine christologische Deutung umgeschwenkt und das „wahre Zelt“, anders als zu 8,2, nicht mehr mit dem Himmel, sondern mit der menschlichen Natur Christi gleichgesetzt,²⁴⁰ und auch der Vorhang ist nach dem Wortlaut von 10,20 hier wie sonst bei Theodoret primär mit der menschlichen Natur Christi verbunden.²⁴¹ Es entsteht also wiederum der Eindruck, daß er zu 8,2 eine traditionelle, wohl wie bei Chrysostomus von Diodor übernommene Auslegung einfach reproduziert, ohne sie sich voll zu eigen zu machen oder gar fortzuentwickeln. Auch durch die doch recht ausführliche Allegorisierung der Stiftshütte in der 60. Quaestio in Exodum wird dieser Eindruck bei genauerem Hinsehen eher bestätigt als widerlegt. Zunächst wird erneut das Grundschema von den beiden Himmeln bzw. der Teilung des kosmischen Raums in zwei Stockwerke durch das durch den Vorhang symbolisierte Firmament exponiert.²⁴² Was danach folgt, kennen wir fast alles aus dem Theodorfragment der Collectio coisliniana²⁴³ und kann fast wie ein supplementie-
239 PG 82, 737D-40A: Ἀλλὰ πρὸ τῶν ἄλλων ἁπάντων περὶ τῆς σκηνῆς διαλέγεται. ‚Τό τε ἅγιον κοσμικόν.’ Τὴν σκηνὴν οὕτως ἐκάλεσε, τύπον ἐπέχουσαν τοῦ κόσμου παντός. Καταπετάσματι γὰρ μέσῳ διῃρεῖτο διχῆ, καὶ τὰ μὲν αὐτῆς ἐκαλεῖτο ἅγια, τὰ δὲ Ἅγια τῶν ἁγίων. Καὶ ἐμιμεῖτο τὰ μὲν ἅγια τὴν ἐν τῇ γῇ πολιτείαν· τὰ δὲ Ἅγια τῶν ἁγίων τὸ τῶν οὐρανῶν ἐνδιαίτημα. Αὐτὸ δὲ τὸ καταπέτασμα τοῦ στερεώματος ἐπλήρου τὴν χρείαν. Δύο γὰρ εἶναι οὐρανοὺς ἐδίδαξεν ἡμᾶς ἡ θεία Γραφὴ, ὧν τὸν μὲν πρῶτον μετὰ τῆς γῆς ἐδημιούργησεν ὁ Θεὸς, τὸν δὲ δεύτερον τῇ δευτέρᾳ πεποίηκεν, εἰρηκώς· ‚Γενηθήτω στερέωμα ἐν μέσῳ τοῦ ὕδατος.’ Εἶτα ἐπήγαγε· ‚Καὶ ἐκάλεσεν ὁ Θεὸς τὸ στερέωμα οὐρανόν.’ Οὕτω καὶ ὁ μακάριος λέγει Δαβίδ· ‚Ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ.’ Οὗτος γὰρ ὁ οὐρανὸς ἡμῶν μέν ἐστιν ὄροφος, ταῖς δὲ ἀοράτοις δυνάμεσιν ἐδάφους χρείαν πληροῖ. Καθάπερ τοίνυν οὗτος ἀπὸ τῶν ἄνω τὰ κάτω διείργει, οὕτω τὸ καταπέτασμα μέσον τῆς σκηνῆς διατεταμένον ἐχώριζεν ἀπὸ τῶν ἁγίων τὰ Ἅγια τῶν ἁγίων. 240 PG 82, 741B: Ἐνταῦθα σκηνὴν ἀχειροποίητον τὴν ἀνθρωπείαν φύσιν ἐκάλεσεν, ἣν ἀνέλαβεν ὁ Δεσπότης Χριστός. Οὐ γὰρ κατὰ γαμικὸν γεγένηται νόμον, ἀλλὰ τὸ πανάγιον Πνεῦμα τὴν σκηνὴν κατεσκεύασε. Τὸ δὲ, οὐ τῆς κτίσεως ταύτης, ἀντὶ τοῦ, Οὐ κατὰ νόμον φύσεως τῆς ἐν τῇ κτίσει πολιτευομένης. Zu Chrysostomus o. Anm. 58. 241 PG 82, 752B vgl. Eranistes (hg. G. Ettlinger, Eranistes [Oxford 1975], 76); In Ps 44,9 (PG 80,1193A); Discretio V, 13,3 (GCS NF 26, 177 f.). 242 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 140): εἶχε δὲ αὐτὴ τῆς κτίσεως τὴν εἰκόνα. ὥσπερ γὰρ τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν δημιουργήσας ὁ δεσπότης Θεός, μέσον πάλιν ἐξέτεινε τὸ στερέωμα, καὶ διώρισε τὰ ὑπερῷα τῶν κάτω· οὕτω μίαν μὲν γενέσθαι προσέταξε τὴν σκηνήν, τριάκοντα μὲν πήχεων τὸ μῆκος, δέκα δὲ τὸ εὖρος ἔχουσαν· ἐν μέσῳ δὲ τὸ παραπέτασμα διατείνας, ἐν τύπῳ τοῦ στερεώματος διχῇ διεῖλεν αὐτὴν καὶ τὸ μὲν παρὰ τὴν θύραν μέρος ἐκάλεσεν ἅγια, τὸ δὲ τοῦ παραπετάσματος ἔνδον, ἅγια ἁγίων ὠνόμασε καὶ ὥσπερ λέγει Δαβὶδ ‚ὁ οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ τῷ Κυρίῳ, τὴν δὲ γῆν ἔδωκε τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων’. 243 Vgl. o. Anm. 90.
102 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor render Kommentar dazu gelesen werden. Das Allerheiligste enthält, als Symbol des Himmels, nicht nur die die „unkörperlichen Mächte“ repräsentierenden Cherubim,²⁴⁴ sondern auch, als Raum der Epiphanie des unsichtbaren und unfaßbaren Gottes, „die Symbole von dessen größten Gaben“: die Gebotstafeln für die Gesetzgebung, den Stab Aarons für das Priesteramt, das Manna für die Speisung in der Wüste.²⁴⁵ Nach einer summarischen Bestätigung dieser Auslegung durch die zentralen Verse aus dem Hebräerbrief, 9,24 und 6,19 f., geht Theodoret zur Auslegung des äußeren Bereichs als Symbol des Irdischen über, immer noch deutlich den Spuren Theodors folgend: Der siebenarmige Leuchter wird nicht, wie bei Philon,²⁴⁶ Josephus²⁴⁷ und Clemens,²⁴⁸ auf die sieben Planeten bzw. den Himmel, sondern mit Theodor auf die Wochentage bzw. die Zeit bezogen.²⁴⁹ Theodors Auslegung des Schaubrottischs, nicht wie bei Philon und Clemens auf den zwischen Himmel (Leuchter) und Erde (Räucheraltar) vermittelnden Nordwind,²⁵⁰ sondern (mit seinen zwölf Broten und vier Seiten) auf das zwölfmonatige Jahr,²⁵¹ dessen Verlauf die Umwandlung der vier Elemente so befördert, daß dem Menschen daraus hinreichend Nahrung erwächst, wird bei Theodoret auf den Hinweis zusammengestrichen, daß sowohl der Schaubrottisch und seine Ausstattung als auch der goldene Räucheraltar für die Früchte des Feldes stünden.²⁵² Daß Theodoret dementsprechend noch einiges mehr aus Theodors uns nur in besagtem kurzen Fragment greifbarer Auslegung übernommen haben wird, sollte man der Tatsache entnehmen können, daß für Theodor das Gold des innen, im Vorhof befindlichen Räucheraltars auf die Gottgefälligkeit der die Tugend symbolisierenden Rauchopfer hindeutet, wogegen Theodoret lediglich komplementär hinsichtlich des außerhalb der Stiftshütte befindlichen ehernen Schlachtopferaltars feststellt, daß dessen Material und Position auf die Vorläufigkeit und Hinfälligkeit der jüdischen Opfer vor Gott hindeuteten.²⁵³ Leider liefert uns Theodoret allerdings keine weiteren Details, welche Licht auf die Kosmographie Theodors bzw. die kosmologischen Implikationen seiner Katastasenlehre werfen könnten: Daß das vierfarbige Gewebe der Vorhänge die vier Elemente
244 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 140,22 f.) vgl. Theodor, Collectio coisliniana 21,22–27 (TEG 10, 39). 245 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 140,23–141,7) vgl. Theodor, Collectio coisliniana 21,11–18 (TEG 10, 38 f.). 246 De vita Mosis II,103 (hg. Cohn/Wendland IV, 225). 247 Antiquitates III,182 (LCL 242, 402 f.). 248 Stromata V, 6,34,8 (GCS 15, 349). 249 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 141,24–26) vgl. Theodor, Collectio coisliniana 21,7–10 (TEG 10, 38). 250 Vita Mosis II,104 f.; Stromata V, 6,35,3. 251 So schon Josephus, Antiquitates III,181 (LCL 242, 402). 252 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Sáenz, 141,26–142,2) vgl. Theodor, Collectio coisliniana 21,1–7 (TEG 10, 38). 253 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 142,2–7) vgl. Theodor, Collectio coisliniana 21,18–22 (TEG 10, 39).
3.5 Theodoret v. Kyros
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symbolisiert, ist ganz traditionell,²⁵⁴ und daß die Türostung auf die Unterordnung der Sonne unter ihren Schöpfer hindeute, führt auch nicht wirklich weiter. Insgesamt wird die Bedeutung dieses recht achtlos gestalteten Textes, insofern er viele Details der Stiftshütte zwar beschreibt, aber nicht ausdeutet, hauptsächlich darin liegen, daß er ein weiteres starkes Indiz für die Rückführung der Verankerung der Grundkonzeption „antiochenischer“ Kosmographie in der Stiftshüttentypologie des Hebräerbriefs bei Diodor und Theodor liefert. Daß man auch im Rahmen von Theodors Christologie und Eschatologie nicht wirklich auf weitere kosmographisch relevante Überlegungen trifft, kann nach dem bislang Ausgeführten nicht verwundern. Die leibliche Auffahrt und Wiederkunft Christi ist für ihn eigentlich nur als Beleg für die Wahrung der menschlichen Natur von Interesse: Sowohl der Leib des Herrn als auch der unsrige behält seine Gestalt, da er nur als gestalthafter sichtbar sein kann,²⁵⁵ wird jedoch verklärt zur Unveränderlichkeit und – bei uns nach Verdiensten in diesem Leben abgestuften – Lichthaftigkeit.²⁵⁶ Wie er wiederholt betont, gebietet es die Gerechtigkeit Gottes, daß dieselben körperlichen Organe und Glieder, die in diesem Leben mit der Seele zusammen gerecht bzw. ungerecht gehandelt haben, dafür auch im Jenseits den entsprechenden Lohn empfangen.²⁵⁷ Weiterer eschatologischer Konkretisierung scheint er jedoch abgeneigt: Genau wie Theodor weist er allzu materialistische Vorstellungen ab,²⁵⁸ besteht aber dennoch auf der Treue des Schöpfers zu seiner Kreatur. Auch wenn er von im eigentlichen Sinne unvergänglichen Kreaturen nichts zu sagen weiß,²⁵⁹ geht er doch ausdrücklich davon aus, daß die gesamte Schöpfung in die eschatologische Erneuerung mit einbezogen ist.²⁶⁰ 254 Quaestiones in Ex 60 (hg. Marcos/Saenz, 142,25–143,6) vgl. Philo, Vita Mosis II,88 (hg. Cohn/Wendland IV, 221); Josephus, Antiquitates III,183 (LCL 242, 403); Clemens, Stromata V, 6,32,2 f. (GCS 15, 347). 255 Vgl. bes. Eranistes II (hg. Ettlinger, 149–51). 256 Vgl. Eranistes II (hg. Ettlinger, 150); In 1Kor 15,38–41 (PG 82, 364B-65B); In Phil 3,21 (ebd., 584C): Τὸ δὲ μετασχηματίσει, οὐκ ἐπὶ τῆς μεταποιήσεως τοῦ σχήματος τέθεικεν, ἀλλ’ ἐπὶ τῆς ἀπαλλαγῆς τῆς φθορᾶς. Σύμμορφον δὲ τῷ σώματι τῆς δόξης αὐτοῦ, τὸ ἡμέτερον ἔφη γεγενῆσθαι σῶμα, οὐ κατὰ τὴν ποσότητα τῆς δόξης, ἀλλὰ κατὰ τὴν ποιότητα· φωτοειδὲς γὰρ ἔσται καὶ τοῦτο. Im Kommentar zu Eph 4,10 (ebd., 536A) wird die Himmelfahrt – mindestens implizit – wie bei Theodor (vgl. o. Anm. 204) als örtliche Bewegung bezeichnet. 257 So Discretio V, 21,1 f. (GCS NF 26, 191 f.) und der schöne Dialog zwischen Seele, Leib und dem Richter in De providentia 9 (PG 83, 729A-32C). 258 Vgl. etwa Discretio V, 22,1.3 (GCS NF 26, 192 f.). Einen Überblick über die wichtigsten Theodorettexte zur Eschatologie überhaupt gibt Guinot, „Eschatologie“, 97–100. 259 Vgl. In Ps 148,6 (PG 80, 1989B): ‚Ἔστησεν αὐτὰ εἰς τὸν αἰῶνα, καὶ εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος· πρόσταγμα ἔθετο, καὶ οὐ παρελεύσεται.’ Οὐ μόνον δὲ ἐδημιούργησεν, ἀλλὰ καὶ προμηθούμενος αὐτῶν διατελεῖ· ὅθεν καὶ τὸ διαρκὲς ἔχουσιν, ὡς ἂν αὐτὸς ἐθελήσῃ. Οὐδὲ γὰρ τοὺς ὑπ’ αὐτοῦ τεθέντας ὅρους παραβῆναι δυνήσεται. 260 Vgl. In Ps 101,27 (PG 80, 1684B): Ἅπαντα γὰρ τὰ ὁρώμενα καταγηράσει, καὶ ἱματίων μιμήσεται παλαιότητα· σὺ δὲ αὐτὰ ἀλλάξεις, καὶ νεουργήσεις, καὶ ἄφθαρτα ποιήσεις ἀντὶ φθαρτῶν. Τοῦτο καὶ ὁ
104 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor
3.6 Gennadius v. Konstantinopel Die Abhängigkeit des ersten Patriarchen von Konstantinopel nach Chalkedon (sed. 458–71) von Theodor v. Mopsuestia besonders in den Resten seines Genesiskommentars wurde in der Forschung längst gesehen: Sowohl in den methodischen Grundentscheidungen wie Konzentration auf den Literalsinn oder restriktive Anwendung der Typologie als auch in vielen der erhaltenen Einzelexegesen wandelt Gennadius viel deutlicher auf den Spuren Theodors²⁶¹ als der etwas ältere Theodoret.²⁶² Bezogen auf die im vorliegenden Zusammenhang besonders interessante Auslegung von Gen 1–3 bedeutet dies, daß von den vierzehn in der Collectio coisliniana erhaltenen Fragmenten sieben ganz deutliche Anleihen bei Theodor enthalten, auch wenn diese manchmal in sehr origineller Weise weitergesponnen werden: In ihren Grundlinien einfach übernommen zu haben scheint er nicht nur Theodors Erklärung von Gen 1,26,²⁶³ sondern auch dessen Rekonstruktion der Ereignisse rund um die Vertreibung aus dem Paradies,²⁶⁴ inklusive der notorisch gezwungenen Uminterpretation der „Röcke aus Fell“ auf Baumrinde, welche Theodors Postulat eines absoluten Abschlusses der Schöpfungstätigkeit am sechsten Tag voraussetzt.²⁶⁵ Die auch für Theodor zentrale Ablehnung einer Präexistenz der Engel²⁶⁶ wird hingegen ganz grundlegend systematisch untermauert durch einen Angriff auf die platonische Ideenwelt sowie die ontologische Grundprämisse der Priorität des Geistigen vor dem Körperlichen.²⁶⁷ Für unsere Zwecke am interessantesten θεσπέσιος Ἀπόστολος ἔφη· ‚Ὅτι καὶ αὐτὴ ἡ κτίσις ἐλευθερωθήσεται ἀπὸ τῆς δουλείας τῆς φθορᾶς, εἰς τὴν ἐλευθερίαν τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ Θεοῦ.’ 261 Vgl. bes. L. v. Rompay, „Gennadius of Constantinople as a Representative of Antiochene Exegesis“, Studia Patristica 19 (1989), 400–5. 262 Vgl. o. Anm. 212. 263 Vgl. v. Rompay, „Gennadius“, 403. 264 Im Fragment 95 (CCL 15, 98 f.) begegnen die Deutung der Scham als „Sündenbremse“ (vgl. Theodor, Collectio coisliniana 110 [ebd., 116]), die Gleichsetzung von Baum der Erkenntnis und Feigenbaum (vgl. Theodor, Collectio coisliniana 96 [99 f.]) und die zeitliche Ansetzung des Falls am sechsten Schöpfungstag (vgl. Theodor apud Philoponum, De opificio I,12 [hg. Reichardt, 30]; In Gen frg. 460 [TEG 1, 295 f.]). Die Überlegungen zur „stochastischen“ Begabung der Schlange in Collectio coisliniana 108 (CCL 15, 110 f.) erinnert in der strikten Bestreitung jedes überlegenen prophetischen Wissens des Teufels an Diodors umständliche Herleitung der Versuchungsfrage der Schlange aus deren beschränkten Wissensvoraussetzungen (frg. 106 [ebd., 108 f.]). Die im selben Fragment erfolgte Deutung der Öffnung der Augen als Kräftigung (nach 1Reg 14,27.29) scheint hingegen sein eigener Einfall zu sein und ist mit den in den beiden anschließenden Fragmenten gegebenen Deutungen Diodors und Theodors eigentlich unvereinbar. Nur prima facie im Widerspruch zu Theodor steht hingegen m. E. die Deutung der Cherubim als „zur Erscheinung eines Schwerts gestaltete unsichtbare Macht“ (frg. 124 [ebd., 127]). Gennadius scheint einfach das von Theodor abgelehnte „traditionelle“ Verständnis der Cherubim in dessen Deutung des Phänomens als „machtvolle und furchtbare Erscheinung“ (frg. 125 [ebd., 128]) zu integrieren. 265 Collectio coisliniana 118bis (CCG 15, 121). 266 Vgl. o. Anm. 200. 267 Collectio coisliniana 14 (CCL 15, 13–15). Der Text wurde eingehend analysiert von C. Riedweg, „Gennadios I von Konstantinopel und die platonisierende Exegese des alttestamentlichen Schöpfungs-
3.6 Gennadius v. Konstantinopel |
105
ist natürlich das schon anläßlich des Theodorzitats bei Isaak von Ninive diskutierte²⁶⁸ Fragment 52 zum Firmament. Rekapitulieren wir nochmals die Verhältnisse aus der Gennadiusperspektive: Was hier präsentiert wird, ist eine Liste von Gründen für die Schöpfung des Firmaments, welche wir ganz ähnlich in einer aller Wahrscheinlichkeit nach Theodor entnommenen Passage bei Prokop und später sowohl bei Theodor bar Koni als auch bei Ishodad v. Merv finden. Wie gesagt beginnt Gennadius die Erörterung bei der pädagogischen Wirkung, den die Schöpfung des Firmaments auf die Engel ausüben solle.²⁶⁹ Gennadius scheint dies als Scharnierstück zu benutzen, um zu der von ihm wie oben beschrieben modifizierten Aufzählung der beiden „physiologischen“ Gründe für die Schöpfung des Firmaments überzuleiten, also daß der Transfer eines Großteils des Wassers oberhalb des Firmaments einerseits das Freiwerden der Erde als Wohnstatt für Mensch und Tier ermöglichte²⁷⁰ und andererseits diesem diejenige Kühlung verlieh, deren es als Sitz der große Hitze ausstrahlenden Gestirne, besonders der Sonne, bedürfte. Wenn dabei vielleicht sogar in Anspielung auf Tim 33a die Dauerhaftigkeit des Firmaments betont wird (es soll „ohne schlaff oder alt zu werden auf immer verbleiben“),²⁷¹ erinnert dies durchaus an die Betonung der Unvergänglichkeit des Himmels, wie wir sie wohl etwas später bei Ps.-Justin²⁷² und ganz prononciert im siebten Buch der christlichen Topographie finden. Anschließend folgt bei Gennadius der oben zu Theodor bereits zitierte Abschnitt über die Schöpfung des Firmaments als Ausdruck der göttlichen Vorsehung, welcher dem vierten Grund der Ostsyrer entspricht: Der göttlichen Einteilung der Schöpfung in zwei ‚Katastasen‘ entspreche diejenige in zwei der jeweiligen Katastase angemessene καταγωγαί, die irdische für die wandel- und affizierbaren Wesen, die himmlische, zu der nach Hbr 6,20 Jesus bereits vorausgegangen ist, für die Vollkommenen und Sündlosen.²⁷³ Gennadius bezeugt also schon für die Mitte des fünften Jahrhunderts eine sich lediglich hinsichtlich der dritten Position deutlich unterscheidende, ausführlichere Vorform der bei den Ostsyrern des achten Jahrhunderts gängigen Liste, welche somit, wenn sie nicht direkt auf Theodor zurückgeht, eine bereits innerhalb des griechischsprachigen berichts“, in Philohistor. Miscellanea in honorem C. Laga (hg. A. Schoors/P. Van Deun; Leuven 1994), 177–91. 268 Vgl. o. Anm. 163. 269 Collectio coisliniana 52,1–19 (CCG 15, 48 f.); CSCO 126, 26,7–10 (156, 28); Zu Theodor vgl. o. Anm. 175. 270 Collectio coisliniana 52,21–27 (CCG 15, 49); CSCO 126, 25,22–25. 271 Collectio coisliniana 52,27–42 (CCG 15, 49 f.). Der von Petit gebotene Text ist in Z. 31 klar defekt. Es muß wohl am Ende der Zeile eine Lücke statuiert werden. Zum sachlichen Hintergrund vgl. o. Anm. 16. 272 Vgl. u. Anm. 316–18. 273 Collectio coisliniana 52,42–52 (CCG 15, 50). Leider haben die Ostsyrer den Wortlaut extrem verknappt. Bei Ishodad und Theodor bar Koni heißt es fast wortgleich: „und viertens, damit es in der neuen Welt die Stelle der Erde für die Gerechten einnehme“ (CSCO 55, 31; 126, 26). Zum Vergleich von Theodor und Gennadius vgl. o. Anm. 166–83.
106 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Theodorianismus erfolgte Systematisierung von Gedanken Theodors darstellen muß, ohne konstitutiven Einfluß der syrischen Schultradition. Jedenfalls haben wir in Gennadius einen veritablen Theodorianer vor uns, welcher anders als etwa Severian keinen syrischen Hintergrund zu haben scheint und die Theologie des Meisters (soweit wir das beurteilen können) anders als etwa Theodoret auf allen Gebieten systematisch rezipiert und weiterentwickelt, besonders was die Katastasenlehre betrifft. Während dieser Begriff nämlich bei Theodoret so gut wie nie im theodorisch-technischen Sinne verwendet wird,²⁷⁴ gibt es in den spärlichen Gennadiusfragmenten zur Genesis und den Paulusbriefen mehrere Stellen, an denen ganz Theodors Konzeption relativ explizit anklingt. Nach dem Kommentar zu Rm 5 herrscht in Form der Auferstehungsgewißheit zwar schon der neue Zustand,²⁷⁵ jedoch nur bei den Gläubigen und nicht bei allen, weshalb die Ordnungen des alten Zustands, wie Gesetz und staatliche Obrigkeit auch weiterhin fortbestehen und auch von den Christen geehrt werden müssen.²⁷⁶ Obwohl Gennadius Theodors Auslegung von Rm 8,20 auf die Engel zwar erwägt,²⁷⁷ aber nicht uneingeschränkt übernimmt oder weiterspinnt, schließt er diese doch ebenso wie später Kosmas ganz explizit auch in den „veränderlichen Zustand“ mit ein²⁷⁸ und macht sie mit Hbr 1,14 zur dem Menschen dienstverpflichteten Kreatur, auch wenn er im Proömium zum Römerbriefkommentar diese – später auch von Philoponus in De opificio VI,9 scharf gegeißelte – Position „seiner Partei“ nicht ausführlicher verteidigen möchte.²⁷⁹ Daß er die Engel also wahrscheinlich ähnlich wie Theodor für – als Planeten- und Elementarbeweger – hinter den Prozessen der vergänglichen Katastase am Werk und dieser dienstbar erblickte, ist für unseren Zusammenhang jedoch nicht ganz so interessant wie ein Fragment aus seiner Hebräerbriefauslegung zur Stiftshütte. Dort bezeichnet er das Allerheiligste mit seinem Inventar als Symbol der kommenden Katastase, wie alles außerhalb Befindliche Symbol der jetzigen Katastase war.²⁸⁰
274 Die einzigen Belege, die ich finden konnte, sind In Ps 6,1 (PG 80,901B) und In Cant 6,10 (PG 81,177BC). 275 Vgl. bes. zu Rm 5,12–14 (Staab, Pauluskommentare, 363). 276 Vgl. zu Rm 13,1 (Staab, Pauluskommentare, 406). 277 Zu Rm 8,20 (Staab, Pauluskommentare, 381): ἢ καὶ διὰ τοὺς ἀγγέλους τυχόν, ἵνα ἀπὸ τοῦ κρείττονος μέρους ὡς περὶ τῆς πάσης αὐτῆς ᾖ τὸ λεγόμενον. 278 Zu Rm 8,21 (Staab, Pauluskommentare, 381): ἴσμεν γὰρ ὅσην νῦν ἡ τῶν στοιχείων κτίσις ἀλλοίωσιν ὑφίσταται καὶ φθοράν, καὶ μὴν καὶ τοὺς ἀγγέλους ὅτι μήπω φύσει τὸ ἄτρεπτον ἔχουσιν, ἐπιστάμεθα· οὐκ ἀπὸ τῶν ἐκπεπτωκότων μόνον καὶ διὰ τοῦτο πεσόντων ἐξ οὐρανοῦ, ἀλλὰ καὶ ἀφ’ ὧν Παῦλος ἔφη περὶ αὐτῶν ὡς ἐνδεχομένων τὸ ἁμαρτεῖν· κἂν γὰρ ἡμεῖς, φησί, κἂν ἄγγελος ἐξ οὐρανοῦ εὐαγγελίζηται ὑμῖν παρ’ ὃ εὐηγγελισάμεθα ὑμῖν, ἀνάθεμα ἔστω. 279 Collectio coisliniana 68 (CCG 15, 66): Τάχα δ’ ἄν τισι προσταίη τὸ καὶ περὶ τῶν ἀγγέλων ταὐτὸ τοῦτο φάσκειν ἡμᾶς, οὕς Παύλῷ παραπέμψαντες φάσκοντι πάντας αὐτοὺς εἶναι λειτουργικὰ πνεύματα εἰς διακονίαν ἀποστελλόμενα διὰ τοὺς μέλλοντας κληpονομεῖν σωτηρίαν, αὐτοὶ τῆς πρός αὐτοὺς φιλονεικίας ἀπαλλαξόμεθα. 280 Collectio coisliniana 22 (TEG 10, 39 f.). Zu Theodor (und Theodoret) vgl. o. Anm. 190–92 und Anm. 242–45.
3.7 Ps.-Justin
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Dabei versteht er die Einrichtung des Allerheiligsten fast genauso wie Theodor: Der Räucheraltar weist auf die Gottgefälligkeit, das Manna auf die himmlische Speisung, der Aaronsstab auf das Priestertum, die Tafeln in der Lade auf die Gesetzgebung und das ἱλαστήριον auf die göttliche Präsenz unter den Engeln, nur daß alles neutestamentarisch spezifiziert wird, sprich als Christusgnade, Abendmahl, durch Christus legitimiertes Priesteramt, geistliches Gesetz auf den Herzenstafeln (Hbr 8,10) und göttliche Präsenz in Gestalt des bischöflichen Lehramts. Auch die Interpretation der äußeren Gegenstände unterscheidet sich nur leicht: Der Leuchter wird traditionell auf die Planeten bzw. das sichtbare Licht bezogen, nicht auf die Woche, der Schaubrottisch nicht auf das Jahr, sondern auf die Erde. Nur die Schaubrote deuten wie bei Theodor auf die Früchte der Erde.²⁸¹ Gennadius erweist sich damit als zwar im Einzelnen durchaus auch recht origineller, in den systematischen Grundzügen jedoch relativ treuer Schüler Theodors, der dessen Katastasenlehre ebenso fortführte wie seine Auslegung des Schöpfungsberichts sowie des Hebräerbriefs, mindestens soweit wir dies heute noch verifizieren können. Wie er nämlich zu den mit diesen systematischen Grundentscheidungen verbundenen christologischen sowie eschatologischen²⁸² Problemstellungen Position bezog, lassen die kümmerlichen Reste seines Werkes leider nicht mehr ersichtlich werden.
3.7 Ps.-Justin Wahrscheinlich spätestens seit der Zeit des Photius kursierten unter Justins Namen vier Texte, welche Adolf v. Harnack Diodor v. Tarsus zugeschrieben hatte,²⁸³ und welche größtenteils in außergewöhnlichem Maße durch die Auseinandersetzung mit der Philosophie bestimmt sind: Zwei Quästionensammlungen, die Quaestiones et responsiones ad orthodoxos und die Quaestiones gentilium ad christianos, und zwei Widerlegungen heidnischer Philosophen, die Confutatio Aristotelis und die Quaestiones christianorum ad gentiles. Dieses Corpus geriet erst jüngst wieder in den Fokus einiger wissenschaftlicher Aufmerksamkeit: Die Entdeckung zweier neuer Texte, der Quaestiones contra gentiles de relatis und der Capita contra theopaschitas, sowie deren Zuordnung zu ein 281 Vgl. auch Staab, Pauluskommentare, 422 sowie o. Anm. 190. 282 Die besagte Passage aus Collectio coisliniana 52 (o. Anm. 181) ließe sich in der Tat so lesen, daß, ebenso wie die Menschen in der Auferstehung aus wandelbaren zu unwandelbaren werden, dies bereits bei der Schöpfung mit dem zum Firmament verarbeiteten Wasser geschah. Evtl. wird dies bestätigt durch folgenden Kommentar zu Rm 1,20 (Staab, Pauluskommentare, 357): εἰ γὰρ ὅτι γενητός ἐστιν ἐκ τῶν τροπῶν τε καὶ ἀλλοιώσεων αὐτοῦ κατεμάθομεν, δῆλον ὅτι γε γενόμενος ὑπὸ τοῦ πάντως ἀγενήτου καὶ ἀτρέπτου γεγένηται, ὃς ὑπερβολὴν δυνάμενος οὐδὲ ἐν τοσαύτῃ ὄντα μεταβολῇ τῶν στοιχείων διὰ τὸ ἡμῖν χρειῶδες συμφερομένων εἰς ἄλληλα, ἀφίησιν ἀπολέσθαι ἀλλ’ ὑφεστῶτα καὶ ἀκατάλυτα ἔτι διακρατεῖ. 283 Diodor von Tarsus. Vier pseudojustinische Schriften als Eigentum Diodors nachgewiesen (TU 21; Leipzig 1901).
108 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor und demselben Autoren und historische Einordnung eröffnen ein deutlich schärfer umrissenes Bild seiner Persönlichkeit, als die kritische Auseinandersetzung mit Harnack es zu zeichnen vermochte.²⁸⁴ Wir haben es wohl tatsächlich mit einem Nestorianer zu tun, der aller Wahrscheinlichkeit nach vor der chalkedonischen Restauration unter Justin (519) tätig ist. Dieser Autor hat sich, namentlich in der Gestalt der Confutatio Aristotelis, in einer Weise mit philosophischen Quellen auseinandergesetzt, die innerhalb der antiken christlichen Literatur ihres gleichen sucht.²⁸⁵ In der Präfatio zu der ersten der neu entdeckten Quästionensammlungen gibt er sogar ausdrücklich an, die Philosophen mit ihren eigenen Mitteln bekämpfen zu wollen, nimmt ständigen Rekurs auf die aristotelischen Kategorien²⁸⁶ und läutet damit denjenigen Umgang mit der Philosophie ein, welche mit dem sechsten Jahrhundert fast umfassende Dominanz erhalten sollte: ihre Formalisierung und Reduktion auf die logisch-ontologischen Grundkonzepte, welche von der Theologie besonders in der Formulierung des trinitarischen und christologischen Dogmas zum Einsatz gebracht werden. Der Großteil des Materials zur Kosmographie findet sich jedoch nicht in diesen Auseinandersetzungen mit der Philosophie im engeren Sinne, sondern in den thematisch ganz breit gefächerten beiden Quästionensammlungen, welche unter dem Namen Theodorets zur Langrezension der Quaestiones ad orthodoxos vereinigt wurden.²⁸⁷ Hier wird unser Autor mit sieben Fragen konfrontiert, welche die Natur von Himmel, Sternen und Elementen betreffen: Aus qu. 70, 72 und 77 wird deutlich, daß er das antiochenische Grundschema von den zwei substantiell verschiedenen (κατ᾿οὐσίαν δύο) Himmeln, erster Himmel und Firmament, teilt, welche nach qu. 73 dem locus classicus Jes 40,22²⁸⁸ zufolge (der Vers wird in qu. 105 gegen die Mehrheit der Antiochener²⁸⁹ klar auf das Firmament bezogen, wobei sich die Tradition hier nie ganz festgelegt zu haben scheint²⁹⁰) als gleichmäßig halbrundes Gewölbe vom Wasser getragen werden,
284 Vgl. GCS NF 29, XII. 285 Vgl. D. Runia, „Aristotle in the Greek Patres“, Vigiliae Christianae 43 (1989), (1–34) 14. 286 Vgl. GCS NF 29, XXVIf. 287 Zum Verhältnis der beiden Rezensionen vgl. B. Gleede, „The Ps.-Justinian Corpus of Erotapokriseis and Apologetical Treatises. In Search of an Author and a Historical Setting“, in Questioning the World. Greek Patristic and Byzantine Question-and-Answer Literature (hg. P. van Deun u. a.; Turnhout 2021), Absch. 1 bei Anm. 34–38 (im Druck). Bequemlichkeitshalber soll hier sowohl der Text als auch die Nummerierung der von Papadopoulos-Kerameus edierten Langfassung zitiert werden, obgleich die Anordnung der Kurzrezension die ursprüngliche ist. 288 Die eigentümliche Textform Ὁ τανύσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν (hg. A. Papadopoulos-Kerameus, Θεοδωρητοῦ ἐπισκόπου πόλεως Κύρρου πρὸς τὰς ἐπενεχθείσας αὐτῷ ἐπερωτήσεις παρά τινος τῶν ἐξ Ἀιγύπτου ἐπισκόπων ἀποκρίσεις [Petersburg 1897; repr. Leipzig 1975], 71,18 f.; 97,2) anstelle von στήσας entspringt wohl einer Kontamination mit (oder textlichen Beeinflussung durch?) Hiob 9,8. 289 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 3 und Kap. 3 Anm. 22. 290 Severian (Anm. 69), Chrysostomus (Anm. 28) und Theodoret (Anm. 225) sprechen ebenso allgemein vom „Himmel“ wie qu. 73.
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welches wiederum von der Erde und damit rein durch das göttliche Gebot aus Hi 26,7 getragen wird.²⁹¹ In qu. 70 ist dabei sicher etwas verwunderlich, daß gegen das bei den ‚Antiochenern‘ immer wieder zu beobachtende Insistieren auf der bestimmten Zahl der Himmel nach Mose²⁹² dieser die Himmel auf einmal überhaupt nicht gezählt haben soll.²⁹³ Daß dann allerdings zur Erklärung der biblischen Rede von mehreren Himmeln nicht auf Chrysostomus’ Hinweis auf shamajim als plurale tantum rekurriert, sondern die Vielzahl als Pluralität himmlischer διαστήματα erklärt wird, ist kein echtes Abweichen von der „antiochenischen“ Tradition, sondern schlicht eine Generalisierung der dort gebräuchlichen Auslegung des in der Frage angesprochenen dritten Himmels aus 2Kor 12,2.²⁹⁴ Auch die in qu. 104 etwas näher entfaltete Theorie des Firmaments entspricht mit dem Hinweis auf die kühlende Funktion der oberen Wasser der Tradition, fügt jedoch hinzu, daß diese das Firmament auch gegen den ‚Auftrieb‘ von Winden und feurigen Gestirnen beschweren müssen,²⁹⁵ ebenso wie die Erklärung des Wechsels von Tag und Nacht ähnlich wie etwa Theodor²⁹⁶ auf das lineare Wegziehen der Sonne abhebt,²⁹⁷ seltsamerweise aber die traditionellen Erklärungen für deren Rückkehr zum Ausgangspunkt (‚Berge des Nordens‘)²⁹⁸ unterdrückt. 291 Zu Hi 26,27 vgl. o. Anm. 2 und 34. 292 Vgl. o. Anm. 42 und 224. 293 Hg. Papadopulos, 68 f.: Ὁ Μωσῆς μὲν ἡμῖν τοὺς οὐρανοὺς ἀριθμῶν οὐ παρέδωκεν οὔτε ἕνα οὔτε δύο οὔτε πλείονας· εἴωθεν δὲ ἡ γραφὴ τὰ διαστήματα τῶν διαστημάτων ἐν τῷ ἀέρι ὑπερκείμενα οὐρανοὺς ὀνομάζειν. 294 Vgl. o. Anm. 81. Der bei Papadopoulos-Kerameus edierte Text des Jerusalemer Manuskripts ist durch eine im Pariser Justinkodex fehlende Glosse entstellt: ἐκ τῆς ἀκολουθίας οὖν τῶν κειμένων φωνῶν νοοῦμεν οὐρανοὺς κατ’ οὐσίαν μὲν δύο [καὶ πρὸς τούτοις ἕτερον, οὗπερ τῆς θέας ἔτυχεν ὁ μακάριος Παῦλος,] κατὰ διαστήματα δὲ καὶ πλείονας. οὕτω δὲ νοουμένων τῶν οὐρανῶν οὐδεμία ἐναντίωσις ἐν τοῖς λόγοις ὑπολειφθήσεται. Unser Autor kennt keinen dritten, paulinischen Himmel neben den beiden substantiell verschiedenen, sondern ein späterer Bearbeiter sah in der knappen Replik den ‚Paulusteil‘ der Frage (καὶ οὐκ εἶπεν ἕως τρίτου μέρους τοῦ οὐρανοῦ, ἀλλὰ ἀπολύτως ‚ἕως τρίτου οὐρανοῦ‘) unbeantwortet, wie auch durch die Wiederaufnahme der Grundunterscheidung in Qu. 77 bestätigt wird. 295 Hg. Papadopulos, 95 f.: Κἂν ὑπὸ τὸν οὐρανόν εἰσιν οἱ φωστῆρες, ἀλλ’ ἡ φορὰ τῆς τῶν πυρωδῶν οὐσιῶν ἐνεργείας κατὰ φύσιν ἐπὶ τὰ ἄνω γίνεται. διὸ εὔλογον αἰτίαν ἀποδεδώκασιν οἱ εἰρηκότες πρὸς διαμονὴν τοῦ στερεώματος πεφορτῶσθαι τοῦ οὐρανοῦ τὰ νῶτα τοῖς ὕδασιν. οὐ τοῦτο δὲ μόνον ἐστὶν αἴτιον τοῦ εἶναι τὰ ὕδατα ἐν τοῖς νώτοις τοῦ οὐρανοῦ, τὸ ἀχείρωτον αὐτὸν εἶναι τῇ ὑποκειμένῃ φλογὶ τῶν φωστήρων, ἀλλὰ καὶ τὸ βαρεῖσθαι αὐτὸν ἐπὶ τὸ κάτω ὑπὸ τοῦ πλήθους τῶν ἐν νώτοις αὐτοῦ ὑδάτων καὶ μὴ δονεῖσθαι ὑπὸ τῆς βιαίας τῶν ἀνέμων φορᾶς, καὶ τὸ τὴν ἄκραν ἐξ αὐτῶν ἐπὶ τὸ κάτω πέμπεσθαι ψυχρότητα, ἀφ’ ἧς μιγείσης τῇ ἄκρᾳ τοῦ ἡλίου θερμότητι ἀποτελεῖται τῶν ἀέρων ἡ σύγκρασις πρὸς τὴν διαμονὴν τῶν ἐπὶ τῆς γῆς ζῴων τε καὶ φυτῶν. 296 Vgl. o. Anm. 139. Auch die Erklärung, wie die ersten drei Tage ohne Gestirne gemessen bzw. unterschieden werden konnten, in qu. 76 dürfte auf Theodor zurückgehen (vgl. apud Philoponum, De opificio II,15). 297 Hg. Papadopulos, 70: Εἰ ὁμολογουμένως πολλά ἐστιν ἕτερα τὰ ἐν τῷ αὐτῷ καὶ ἴσῳ ἐπιπέδῳ ὄντα καὶ διὰ τὸ μῆκος τοῦ διαστήματος κεκρυμμένα ὄντα τῆς ὄψεως, οἷον τὰ πλοῖα τὰ ἐν τῇ θαλάσσῃ ὑπ’ ἀλλήλων μὴ ὁρώμενα, τοῦ πλάτους τῇ τῶν ὑδάτων ἐπιφανείᾳ περιορίζοντος τὴν ὄψιν περαιτέρω μὴ ἀνατείνεσθαι τοῦ ὁρίζοντος, τί θαυμαστόν, εἰ καὶ ἐπὶ τῶν φωστήρων γίνεται ἡ ἐπίκρυψις διὰ τὴν αὐτὴν αἰτίαν; 298 Vgl. o. Anm. 140.
110 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Unser Autor scheint also die von der traditionellen „antiochenischen“ Exegese überkommenen Antworten nicht einfach zu reproduzieren, sondern gehört einer Gemeinschaft an, für die nicht nur mit Diodor und Theodor feststeht, daß das ptolemäische Weltbild ein heidnischer Mythos ist,²⁹⁹ sondern die produktiv an den sich aus dem „biblischen“ Weltbild ergebenden Fragen und Problemen weiterarbeitet. So wird in Frage 72 ein geheimnisvoller ἀπὸ φιλοσόφων ὅσιος ἀνήρ zitiert, welcher den Zusammenhalt von Himmelsgewölbe und Erdscheibe durch den Vergleich mit einem dem menschlichen Körper aufgepfropften Schröpfkopf erklärt hat, da der Zusammenhalt beider sich aus der gegenseitigen Sogwirkung (ἀνθολκή) ergebe³⁰⁰ – ein Vergleich, der von unserem Autor lediglich für den ersten Himmel gelten gelassen wird, nicht jedoch für das Firmament. Noch reflektierter gibt sich die folgende Frage: Wenn das christliche Himmelsgewölbe sich ebenso ἐν τόπῳ befindet wie die heidnische Himmelskugel, inwiefern soll sich dann das christliche Weltbild im Vorteil befinden, was die Klärung des Wesens des Raums und seiner Grenzen anbetrifft? Hier wird in der Tat ein Grundproblem des aristotelischen Raumbegriffs angesprochen, welches auch in Confutatio Aristotelis 28 anläßlich von Physik IV,5 212b7–10 aufgegriffen wird.³⁰¹ Wird dort allerdings lediglich darauf hingewiesen, daß die Himmelskugel sich unmöglich bewegen könnte, wenn sie sich nicht im Raum befände, erhält man auch hier zunächst nur die wenig konstruktive Antwort, daß die Christen ja gar nicht leugnen würden, daß die Welt im Raum sei und sich somit keines Selbstwiderspruchs schuldig machten. Was er im Anschluß als ‚Vermutung über den Raum aus unseren Vorgaben‘ vorträgt, scheint allerdings völlig am eigentlichen Problem vorbeizugehen und sich lediglich auf die Struktur des innerweltlichen Raums zu beziehen: Genau wie ein in jeder Hinsicht gleichmäßig gewölbter, hohler Körper der alltäglichen Erfahrung nach (durch Einschluß einer Luftblase) auf dem Wasser schwimmen kann, werde das Himmelsgewölbe durch die Wasser getragen, welche ihrerseits, wie gesagt, durch die Erde und Gottes Gebot gestützt sind.³⁰²
299 Dies wird besonders aus den Fragen 73 (Εἰ διὰ τὸ καθ’ Ἕλληνας σφαῖραν ὄντα καὶ κινεῖσθαι τὸν οὐρανὸν…) und 104 (ὁ σφαῖραν τὸν οὐρανὸν προσαγορεύων μῦθος) deutlich. 300 Der Schröpfkopf taucht auch bei Basilius, Hexaemeron III,7 (GCS NF 2, 49 f.) zur Veranschaulichung des Wasserverbrauchs auf der Erde auf. Zwar wird er dort nicht direkt mit dem Firmament verglichen, doch könnte ein solcher Vergleich durch den Kontext nahegelegt worden sein (vgl. u. zu Ps.-Caesarius Kap. 4 Anm. 110). 301 CAp IV, 152 f.: Εἰ τὸ κατὰ φορὰν κινητὸν καθ’ αὑτό που, κατὰ φορὰν δὲ κινητὸς ὁ οὐρανός, καὶ καθ’ αὑτὸ ἄρα ἀνάγκη εἶναί που τὸν οὐρανόν. Εἰ δὲ μὴ τὸ δεύτερον, οὐδ’ ἄρα τὸ πρῶτον· ἀχώριστα γὰρ ἀλλήλων, καὶ τῇ ἀναιρέσει τοῦ θατέρου ἀκολουθεῖ ἡ τοῦ δευτέρου ἀναίρεσις. Εἰ οὐκ ἔστιν ὁ οὐρανὸς ἐν τόπῳ καθ’ αὑτό, πῶς κυκλικὴν φορὰν φερόμενος τῶν μερῶν αὐτοῦ τὰ μὲν ἄνω γίνεται κάτω, τὰ δὲ κάτω γίνεται ἄνω; Ἄνω δὲ καὶ κάτω ὢν τοῖς ἑαυτοῦ μέρεσι, πῶς οὐκ ἔστι ψευδὲς τὸ λέγειν τὸν οὐρανὸν μὴ εἶναι ἐν τόπῳ; Zum Hintergrund vgl. R. Sorabji, The Philosophy of the Commentators 200–600 AD. A Sourcebook, Bd. 2: Physics (London 2004), 231–33 und 244–48. 302 Hg. Papadopulos, 71: περὶ δὲ τοῦ τόπου ἐκ τῶν καθ’ ἡμᾶς στοχαζόμεθα περὶ αὐτοῦ, ὅτι ὥσπερ παρ’ ἡμῖν ὅταν ᾖ περιφερὲς σῶμα, ὁμαλόν τε καὶ κοῖλον καὶ πανταχόθεν ἰσοπερίμετρον, ἐὰν πωμασθῇ
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Daß der Himmel auf Wasser ruhen soll, gänzlich einzigartig in der antiochenischen Tradition, erinnert zwar an apokalyptische Traditionen (Visio Pauli),³⁰³ wonach der Himmel auf dem die Enden der Erde markierenden Okeanosstrom aufruht, scheint jedoch der in der vorherigen Antwort akzeptierten Schröpfkopfvorstellung zu widersprechen – es sei denn, man bezöge Himmel an letzterer Stelle auf das Firmament, was angesichts des Themas der Frage, dem Ort des umfassenden Himmels, kaum wahrscheinlich ist. Wir werden es also mit einer wenig durchdachten ad hoc-Antwort zu tun haben, was sich mit dem mangelnden Interesse unseres Autors an konkreteren kosmologischen (kosmographischen) Fragen decken würde, welches er besonders in der Confutatio Aristotelis an den Tag legt. Obwohl man nicht ganz sicher sein kann, daß der Text vollständig überliefert ist, muß in den der Widerlegung von De caelo I–III gewidmeten Abschnitten 46–65 deutlich ins Auge stechen, daß die ja größtenteils aus der platonischen ‚Kreismetaphysik‘ gespeisten und damit besonders für einen Christen sehr angreifbaren Argumente für die Kugelgestalt des Alls in II,4 komplett ausgespart und die Darlegung der Kreisbewegung von Himmel und Gestirnen in II,5–9 lediglich gelegentlicher interner Inkohärenz geziehen wird (Confutatio 54–59), der Tendenz des gesamten Traktats entsprechend ohne die leiseste Andeutung eines positiven Gegenentwurfs. Mit Diodors und Theodors fundamentaltheologischer Opposition gegen das sphärische Weltbild aufgrund seiner konkreten Gestalt und deren Implikationen dürfte dies in der Tat wenig gemein haben, so daß es auch nicht weiter verwundert, wenn jeglicher Hinweis auf eine theologische Deutung der Himmelskuppel in Form einer dem Hebräerbrief entnommenen Konzeption des himmlischen Priestertums Christi fehlt. Im Gegenteil könnte man der in qu. 104 f. skizzierten ‚Eschatologie des Firmaments‘ sogar eine Ablehnung der örtlichen Konkretisierung der Katastasenlehre, wie wir sie spätestens bei Gennadius fanden, entnehmen: Die in Frage 105 vorgebrachte Sorge des Fragestellers, daß Stellen wie Jes 34,4 oder Mk 13,25par im Sinne einer kompletten Vernichtung des Firmaments verstanden werden könnten, wird – ähnlich wie bei Severian³⁰⁴ – geradezu brutal abgewiesen mit dem Hinweis darauf, daß zur Etablierung eines neuen Himmels und einer neuen Erde die Vernichtung des Firmaments nötig sei, auch um dem heidnischen Aberglauben an die Ewigkeit des Himmels den Boden
ἐπὶ τὰ ὕδατα, βαστάζεται ἐπὶ τῶν ὑδάτων, τούτῳ τῷ τρόπῳ βαστάζεται ὁ οὐρανὸς ὑπὸ τῶν ὑδάτων. ‚ὁ τανύσας‘, φησί, ‚τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν‘· τῷ τῆς καμάρας ὀνόματι τὸ περιφερὲς ἐδήλωσε τοῦ σώματος τοῦ οὐρανοῦ. βαστάζει οὖν τὸν μὲν οὐρανὸν τὰ ὕδατα, τὰ δὲ ὕδατα ἡ γῇ, τὴν δὲ γῆν τὸ θεῖον πρόσταγμα· ‚ὁ κρεμάσας γὰρ τὴν γῆν‘ φησίν ‚ἐπ’ οὐδενός‘. Der Text des vorausgehenden Abschnitts ist gestört: Das im Parisinus gr. 450 nicht vorhandene παντελῶς ἀνῄρηται ἡ τοιαύτη κατάγνωσις (71,10 f.) muß entweder athetiert oder in Z. 13 nach δεικνυμένου verstellt werden. Der Text klingt dann zwar auf den ersten Blick tautologisch (was zu der Korruption Anlaß gegeben haben wird), ergibt aber – im Gegensatz zur bei Papadopoulos abgedruckten Gestalt – Sinn. 303 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 113 f. 304 Vgl. o. Anm. 108.
112 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor zu entziehen.³⁰⁵ Noch interessanter ist allerdings die vorhergehende Frage, welche in mehrfacher Hinsicht die Theorie der oberen Wasser problematisiert: Wenn diese das Firmament zum Schutz gegen die Hitze der Gestirne „einfetten“³⁰⁶ sollen, müßte dies doch bedeuten, daß sie (mit Gen 1,17) an demselben befestigt sind und somit doch durch den Himmel bewegt werden. Ist letzteres jedoch heidnischer Mythos, wozu sind sie dann gut, besonders wenn sie am Ende der Zeit doch zu verhindern scheinen, daß die Gerechten „oben“ (was im Kontext nur bedeuten kann: oberhalb des Firmaments) ihren Lohn und die Gottlosen „unten“ ihre Strafe erhalten?³⁰⁷ Nach der oben bereits referierten kurzen naturphilosophischen Klarstellung³⁰⁸ enthält letzterer Einwand dieselbe brüske Abfuhr wie die Sorge um das Fortbestehen des Firmaments in der folgenden Frage: Die Vergeltung wird im neuen Himmel und der neuen Erde erfolgen, nicht im aus dem jetzigen Zustand bekannten „oben“ und „unten“.³⁰⁹ Diese Betonung des Erneuerungsaspektes wohl auch gegen eine lokalisierende Lesart der Katastasenlehre³¹⁰ überrascht vor allem deshalb, weil die Eschatologie unseres Autors ansonsten sehr konkret-materialistisch geprägt ist: Nicht nur werden die Auferstehungsleiber genau dieselbe Gestalt haben wie auf Erden (qu. 74),³¹¹ selbst in-
305 Hg. Papadopulos, 97: ἀνάγκη γὰρ τῇ εἰσαγωγῇ τοῦ κρείττονος οὐρανοῦ τοῦ καινῶς γινομένου ἀναιρεῖσθαι τὸ στερέωμα, ὡς ἄχρηστον ὂν πρὸς ἐκείνην τὴν κατάστασιν, ἵνα τῇ αὐτοῦ ἀπωλείᾳ κἂν τότε τὸ μάταιον τοῦ περὶ τῆς ἀγεννησίας τε καὶ ἀφθαρσίας τοῦ οὐρανοῦ φρονήματος μάθωσιν οἱ ἀίδιόν τε καὶ ἀγένητον θεόν τε καὶ ἔμφρονα τοῦτον εἰρηκότες. 306 So schon Severian (o. Anm. 90). 307 Hg. Papadopulos, 95: Εἰ τὰ νῶτα τοῦ οὐρανοῦ πεφόρτωται ὕδασι, καθώς φησιν ἡ γραφή, ὅπερ τινὲς ἔφασαν γεγονέναι διὰ τὴν πυρώδη τῶν φωστήρων οὐσίαν, ὥστε τοῖς ἐπικειμένοις τὸν οὐρανὸν πιαινόμενον ὕδασι τῇ ὑποκειμένῃ τῶν φωστήρων φλογὶ μένειν ἀχείρωτον, πῶς οἱ ταῦτα λέγοντες ἀληθεύουσι, τῶν φωστήρων οὐκ ἐν τῷ οὐρανῷ, ἀλλ’ ὑπὸ τὸν οὐρανὸν κινουμένων; εἰ δὲ τούτους ἐν τῷ οὐρανῷ λέγοιεν εἶναι, πῶς τὴν κινητικὴν ἐνέργειαν ἔχουσι, τοῦ οὐρανίου σώματος τὸ ἀκίνητον ἔχοντος; εἰ δὲ σὺν τῷ οὐρανῷ τὰ ἄστρα λαμβάνει τὴν κίνησιν, πῶς οὐκ ἀληθεύσειεν ὁ σφαῖραν τὸν οὐρανὸν προσαγορεύων μῦθος; εἰ δὲ τοῦτο μὲν ἀπρεπές, τὸ δὲ προλεχθὲν περὶ τῶν φωστήρων νοῆσαι ἀκόλουθον, πῶς οὐκ ἄχρηστος τῶν ἄνω ὑδάτων ἡ σύστασις; τί δὲ καὶ αὐτὴ ἐν τῇ συντελείᾳ γενήσεται, ἄνω μὲν τῶν δικαίων, κάτω δὲ τῶν ἁμαρτωλῶν τὰς τῶν πρακτέων ἀμοιβὰς τότε μελλόντων κομίζεσθαι; Der Einwand ist sichtlich ganz primär aus Problemstellungen der theodorianischen Tradition geboren. Ihn mit Pépin, Théologie cosmique, 425 f. mit Porphyrios’ Kritik an der christlichen Schöpfungs- und Auferstehungskonzeption zu verbinden, muß dementsprechend als verfehlt erscheinen. 308 Vgl. o. Anm. 295. 309 Hg. Papadopulos, 96: ἐν δὲ τῇ συντελείᾳ, οὐκ ἐν τῷ νῦν οὐρανῷ καὶ ἐν τῇ νῦν γῇ κομίζονται τῶν πρακτέων τὰς ἀμοιβὰς οἱ ἄνθρωποι, ἀλλ’ ἐν τῷ καινῷ οὐρανῷ καὶ ἐν τῇ καινῇ γῇ, κατὰ τὸ εἰρημένον [folgt Jes 25,17; Ps 101,26 f.; Hag 2,7]. 310 Daß unser Autor diese im Prinzip kannte und mindestens auf ganz grundlegender Ebene akzeptierte, dürfte durch seine wiederholte und auch pointierte Rede von der jetzigen, vergänglichen und künftigen, unvergänglichen Katastase (Quaestiones Christianorum 1 qu; 1,5 [CAp V, 246.260]/ Quaestiones gentilium 6,1; 11,11.20 [GCS NF 29, 9.13.15] / Quaestiones ad orthodoxos 29; 86; 105; 123 u. ö.) doch zu belegen sein. 311 Daß die als Säuglinge Verstorbenen eine Ausnahme bilden, wird in qu. 74 nur angedeutet (hg. Papadopulos, 72: ἔπειτα δὲ ἵνα μὴ νομισθῇ δημιουργῶν καινοὺς ἀνθρώπους καὶ μὴ τοὺς τεθνηκότας
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klusive der Geschlechtsteile, welche an den vergangenen Zustand und Gottes Fürsorge für die sterbliche Menschheit erinnern sollen (qu. 26), sondern auch bezüglich des Auferstehungsleibs Christi wird keinerlei Spiritualisierung zugegeben: Mit Diodor³¹² und gegen Theodor³¹³ bleibt er παχυμερές und geht als solcher kraft eines Allmachtsakts durch verschlossene Türen (Joh 20,19), ebenso wie er also solcher auf dem See wandelte und Petrus dort wandeln ließ (qu. 128). Grundsätzlicher auch hinsichtlich der außermenschlichen Schöpfung wird das Problem in den qu. 106 und 140 behandelt: Dort steht in Frage, ob die Elemente nicht doch gänzlich vernichtet werden sollten, wenn sie für den verklärten Menschen zum einen unnütz geworden sind, weil er ja keine Luft mehr atmen und kein Wasser mehr trinken muß (qu. 106), zum anderen in ihrer Vergötzung durch das Heidentum sogar schädlich für ihn waren und somit zusammen mit den anderen Götzen nach Jer 10,11 vernichtet werden müßten. Die Antwort unseres Autors lautet in beiden Fällen dahingehend, daß es sich bei der biblischen Rede vom Ende der Welt niemals um eine komplette Vernichtung, eine ἀνυπαρξία τῆς ὑποστάσεως αὐτῶν handeln kann, sondern lediglich ihre παλαιότης abgeschafft wird.³¹⁴ Diese wird in qu. 106 mit 1Kor 7,31 als auf den sündhaft-vergänglichen Zustand des Menschen bezogenes σχῆμα τοῦ κόσμου bestimmt, also diejenige Funktion der Grundelemente der Schöpfung, welche sie zur Erhaltung dieses Zustands ausübten. Exemplifiziert wird dies dort nur an der Luft, welche auch dem verklärten Menschen noch zur Fortbewegung dienlich sein soll,³¹⁵ wogegen er des Firmaments nach dem in den beiden vorhergehenden Quästionen ausgeführten anscheinend nicht mehr bedarf. Dies muß man im Auge behalten, wenn man sich den philosophischen Traktaten zuwendet und dort überraschender Weise gleich in der Vorrede zur Confutatio zu hören bekommt, daß es vergängliche und unvergängliche Teile der Schöpfung gibt, und ebenso wie Tiere und Pflanzen nach dem göttlichen Befehl aus Gen 1,22 entstehen und vergehen, der Himmel, die Gestirne und die unsichtbaren Mächte nach Ps 148,6 unverἀνιστῶν, διὰ τοῦτο ἕκαστον τῶν ἀνισταμένων ἐν τῇ οἰκείᾳ ἐγείρει μορφῇ, οὐκ ἀώρῳ μέντοι τῇ ἡλικίᾳ) und in qu. 26 dahingehend spezifiziert, daß Gott ihnen die vollbürtige πνευματικὴ ἡλικία, also die Aufnahmefähigkeit für die geistlichen Güter verleihen wird. 312 Vgl. o. Anm. 19. 313 Vgl. o. Anm. 203. 314 Hg. Papadopulos, 130 f.: καὶ καθώς περ ὅταν λέγῃ ἡ θεία γραφὴ περὶ τοῦ οὐρανοῦ καὶ τῆς γῆς, ὅτι ‚αὐτοὶ μὲν ἀπολοῦνται σὺ δὲ διαμένεις καὶ πάντες ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον ἑλίξεις αὐτοὺς καὶ ἀλλαγήσονται‘, οὐ τὴν ἀνυπαρξίαν τῆς ὑποστάσεως αὐτῶν σημαίνει τῷ τῆς ἀπωλείας ὀνόματι, ἀλλὰ τῆς παλαιότητος αὐτῶν, οὕτω καὶ ἐνταῦθα τῶν θεῶν λέγει τὴν ἀπώλειαν, οὐ πρὸς σημασίαν τῆς ἀνυπαρξίας τῆς ὑποστάσεως αὐτῶν, ἀλλὰ τῆς ὀνομασίας αὐτῶν, καθ’ ἣν σὺν τοῖς μέρεσι τῆς κτίσεως θεοὶ ὑπὸ τῶν πεπλανημένων ἀνθρώπων ἐκλήθησαν. 315 Hg. Papadopulos, 97 f.: Εἰ κατὰ τὸν ἀπόστολον Παῦλον ‚παράγει τὸ σχῆμα τοῦ κόσμου τούτου‘, δῆλον ὅτι ἐξ ἀνάγκης καὶ τὰ ἄλλα πάντα, τὰ τοῦ σχήματος ἕνεκεν τοῦ κόσμου γεγονότα, συμπαραχθήσεται τῷ τοῦ κόσμου σχήματι, εἰσαχθήσεται δὲ ‚καινὸς οὐρανὸς καὶ καινὴ γῆ‘, ἐν οἷς μέλλει δίδοσθαι δικαίοις τε καὶ ἀδίκοις ἡ τῶν πρακτέων ἀμοιβή. τῷ δὲ ἀέρι, εἰ καὶ πρὸς ἀναπνοὴν τότε οὐ χρῄζομεν, ἀλλὰ πρὸς τὴν κίνησίν τε καὶ τοπικὴν μετάβασιν ἀναγκαίως αὐτῷ χρησόμεθα· ‚ἁρπαγησόμεθα‘ γάρ, φησίν, ‚ἐν νεφέλαις εἰς ἀπάντησιν τοῦ κυρίου εἰς ἀέρα‘.
114 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor gänglich, ἄφθαρτοι, bleiben³¹⁶ – anscheinend gegen einen Großteil der christlichen, besonders apologetischen Tradition und auch gegen den Wortlaut von Quaestiones ad orthodoxos 105.³¹⁷ Letzterer Widerspruch wird allerdings aufgelöst durch die Parallele in Quaestiones Christianorum 5,2, wo präzisiert wird, daß der Himmel nicht, wie Gott, dem Wesen nach unvergänglich ist, sondern nur kraft des göttlichen Willens „zum Nutzen der hiesigen Dinge, und nach Erfüllung dieser Nutzfunktion zu einer anderen Art von Unvergänglichkeit überführt wird“.³¹⁸ Ganz auf der Linie von Quaestiones ad orthodoxos 106 wird die eschatologische Umwandlung hier also als Umstrukturierung der χρεία der Schöpfungselemente für den verklärten Zustand beschrieben. Wie läßt sich diese mindestens terminologisch erstaunliche Rede von der Unvergänglichkeit des Himmels jedoch in die christliche Tradition einordnen, welche doch zumindest im apologetischen Kontext³¹⁹ fast durchweg auf das auch philosophisch ja kaum in Frage gestellte,³²⁰ von unserem Autor in Quaestiones gentilium 9 jedoch explizit und recht ausführlich³²¹ bestrittene Axiom von der Vergänglichkeit alles Gewordenen baute? Man könnte versucht sein, dieses Problem einfach dadurch zu lösen, daß man schlicht eine abgeschwächte Bedeutung von ἄφθαρτος im Sinne von „dauerhaft“ unterstellt, und die Stellen damit in die Tradition der Providenzelogien einreiht, welche
316 CAp IV, 102: Ἢ γὰρ ἐν ἀφθαρσίᾳ διαμένει τὰ μέρη τοῦ κόσμου, ὡς ὁ οὐρανὸς καὶ τὰ οὐράνια καὶ αἱ ἀόρατοι δυνάμεις, ἢ ἐν τῷ γίνεσθαί τε καὶ φθείρεσθαι, ὡς τὰ ἐπὶ γῆς ζῶά τε καὶ φυτά. Καὶ ὥσπερ τὸ γεγονὸς οὐκ ἂν ἐγένετο μὴ ἐκείνου προστάξαντος Γενηθήτω, οὕτως οὐδ’ ἂν διέμεινε μὴ ἐκείνου θεμένου τὸ πρόσταγμα, τοῖς μὲν ἀφθάρτοις τοῦ ἑστάναι εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος, τοῖς δὲ ἐν γενέσει καὶ φθορᾷ τοῦ Αὐξάνεσθε καὶ πληθύνεσθε καὶ πληρώσατε τὴν γῆν. 317 Vgl. o. Anm. 305. περὶ τῆς ἀγεννησίας τε καὶ ἀφθαρσίας τοῦ οὐρανοῦ ist hier gleichsam als Hendiadyoin zu lesen: Es geht um den gegenstandslosen Glauben an eine ‚beidseitig‘ ewige Welt, nicht um die Ablehnung von Unentstandenheit und Unvergänglichkeit jeweils für sich genommen. 318 CAp IV, 325 f.: Οἶκον δὲ καὶ θρόνον λέγομεν τοῦ θεοῦ τὸν οὐρανόν, οὐχ ὡς τοῦ θεοῦ τούτου πρὸς οἴκησιν ἢ πρὸς καθέδραν χρῄζοντος, ἀπεριγράπτου καὶ ἀνενδεοῦς παντελῶς ὑπάρχοντος· ἀλλ’ ἵνα μή, πρὸς τὸ μέγεθος τῆς αὐτοῦ ὑποστάσεως καὶ τὸ ἄφθαρτον τῆς οὐσίας αὐτοῦ ἀφορῶντες, θεὸν τοῦτον ἢ ἰσότιμον θεῷ ὑπολάβωμεν […]. Καὶ εἰ ἄφθαρτον λέγομεν τὸν οὐρανὸν τανῦν, οὐ συνωνύμως αὐτὸν τῷ θεῷ ὀνομάζομεν ἄφθαρτον· ὁ μὲν γὰρ θεὸς ἀκτίστως ἐκ τῆς αὑτοῦ οὐσίας καὶ ἀϊδίως τὸ ἄφθαρτον ἔχει, ὁ δὲ οὐρανὸς κτιστῶς ἐκ τῆς τοῦ θεοῦ βουλήσεως ἔχει τὸ ἄφθαρτον πρὸς τὴν χρείαν τῶν τῇδε, καὶ πληρωθείσης τῆς χρείας εἰς ἕτερον τρόπον ἀφθαρσίας μεταφέρεται. 319 Vgl. Aetius, Placita I, 5,3 (hg. Mansfeld/Runia V/1, 324 mit Parallelen und Quellen auf 333–35); Athenagoras, Legatio 19,1 (PTS 31,58 f.); Ps.-Justin, Cohortatio 20,2; 23 (PTS 32, 50.55); Didymus, Contra Manichaeos (PG 39, 1088); Adamantius II,6–8 (GCS 4, 122–26); Kyrill v. Alexandrien, De incarnatione 683 (SC 97, 204 f.); In Isaiam I,4 (PG 70, 173B); Thesaurus (PG 75, 448D). Zur Debatte vgl. B. Gleede, Platon und Aristoteles in der Kosmologie des Proklos. Ein Kommentar zu den 18 Argumenten für die Ewigkeit der Welt bei Johannes Philoponos (Tübingen 2009), 187–202. 320 Auch die Vertreter einer gewordenen, aber unvergänglichen Welt, wie Attikos oder Philon v. Alexandrien halten im Prinzip an dem Axiom fest und erklären die Unvergänglichkeit für übernatürlich (vgl. Gleede, Platon und Aristoteles, 200 f.). 321 In GCS NF 29, 10 f. liefert unser Autor sieben Argumente gegen die (von Aristoteles in De caelo I, 11 f. umständlich hergeleitete) wechselseitige Implikation von γενητὸν und φθαρτὸν bzw. ἀγένητον und ἄφθαρτον.
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auch christlicherseits die Weisheit des Schöpfers angesichts der perfekten Stabilität besonders der himmlischen Ordnung in höchsten Tönen zu preisen weiß.³²² Dagegen spricht einerseits sicherlich die philosophische Bildung des Autors, sein Wissen um die Konnotationen des Begriffs sowie die damit einhergehende prinzipielle Verankerung seiner einschlägigen Position (Quaestiones gentilium 9), andererseits vielleicht aber auch seine Zugehörigkeit zur „antiochenischen“ Tradition, in deren Nachfolge Kosmas das gesamte siebte Buch seiner christlichen Topographie hindurch gegen Philoponus die Unzerstörbarkeit allerdings beider Himmel verteidigen wird: Auch für Kosmas ist Ps 148,6 eine zentrale Belegstelle dafür, daß, wie der inkarnierte Christus durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt hindurch derselbe bleibt, jedoch „Leiden und Tod überwindet, so auch die gesamte Schöpfung nicht zugrunde geht, sondern dieselbe bleibt und zum besseren überführt wird“,³²³ und auch für Kosmas beinhaltet dies nach 2Pt 3,12 f. eine tiefgreifende Reinigung der Elemente und nach 1Kor 7,31 einen tiefgreifenden Wandel in deren Funktion: „Die Abfolge von Tag und Nacht wird aufhören, die Sterne werden nicht mehr ihren Lauf vollenden, die Luft wird sich nicht mehr bewegen, und weder Wasser noch Erde werden Früchte wachsen lassen, sondern ein bestimmter anderer Zustand wird eingeführt werden, der den unsterblichen, unvergänglichen und unveränderlichen Menschen und Engeln angemessen ist“.³²⁴ Nun gibt es sicherlich auch signifikante Unterschiede zu Kosmas, welcher wohl nicht ganz zufällig niemals von einem ἄφθαρτος οὐρανός spricht, sondern lediglich von ἀδιάλυτος bzw. ἀκατάλυτος: Eine Vernichtung des Firmaments wäre nach der wohl
322 Vgl. etwa Chrysostomus, De incomprehensibili Dei natura II (SC 28, 130 f.): Οὐχ ὁρᾷς τουτονὶ τὸν οὐρανόν, πῶς καλός, πῶς μέγας, πῶς τῷ ποικίλῳ τῶν ἄστρων ἐστεφάνωται χορῷ; πόσον διήρκεσε χρόνον; Πεντακισχίλια γὰρ καὶ πλείω λοιπὸν ἕστηκεν ἔτη, καὶ τὸ πλῆθος τοῦ χρόνου οὐκ ἐπήγαγεν αὐτῷ γῆρας· ἀλλ’ ὥσπερ σῶμα νέον καὶ σφριγῶν ἀνθοῦσαν ἔχει καὶ ἐνακμάζουσαν αὐτῷ τῆς ἡλικίας τὴν ὥραν, οὕτω δὴ καὶ οὐρανὸς ὅπερ ἐξ ἀρχῆς ἔλαχε κάλλος διετήρησε καὶ οὐδὲν ὑπὸ τοῦ χρόνου γέγονεν ἀσθενέστερος. Ἀλλὰ τοῦτον τὸν καλόν, τὸν μέγαν, τὸν φαιδρόν, τὸν κατηστερωμένον, τὸν διαρκῆ, τὸν ἐπὶ τοσοῦτον ἑστηκότα χρόνον, ὁ Θεὸς οὗτος, ὃν σὺ περιεργάζῃ καὶ τῇ τῶν οἰκείων λογισμῶν ὑποβάλλεις περιγραφῇ, ὡς ἂν εἰ παίζων τις καλύβην ποιήσειεν, οὕτω μετ’ εὐκολίας εἰργάσατο. 323 Topographia VII, 66 (SC 197,127): Ὥσπερ γὰρ καὶ ὁ Χριστὸς κατὰ σάρκα ἀναστὰς ἀπὸ τῶν νεκρῶν οὐκ ἄλλος ἦν Χριστὸς παρὰ τὸν τετελευτηκότα, ἀλλ’ αὐτὸς ἦν ὁ καὶ τὸν θάνατον ὑπομείνας ὁμοίως καὶ τὴν ἀνάστασιν, κρείττων γενόμενος παθῶν καὶ θανάτου, οὕτως καὶ πᾶσα ἡ κτίσις μὴ ἀπολλυμένη, ἀλλ’ ἡ αὐτὴ ὑπάρχουσα ἐπὶ τὸ κρεῖττον μεθίσταται· ‚Ἔστησε γὰρ αὐτὰ εἰς τὸν αἰῶνα καὶ εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος, πρόσταγμα ἔθετο καὶ οὐ παρελεύσεται’. 324 Topographia VII, 67 (SC 197,127 f.): Τὸ ἐν ταῖς οὖν Καθολικαῖς εἰρημένον ‚ἐν ᾗ οὐρανοὶ πυρούμενοι λυθήσονται, στοιχεῖα δὲ καυσούμενα τήκεται· καινοὺς δὲ οὐρανοὺς καὶ καινὴν γῆν’ τοῦτον ἔχει τὸν νοῦν, ὅτι ῥοιζηδόν, ὡς ἐν ῥιπῇ ὀφθαλμοῦ, ὥσπερ ἐν χωνευτηρίῳ πυρούμενοι καὶ καθαριζόμενοι, τὴν ἐπὶ τὸ κρεῖττον ἀλλαγὴν ὑπομένουσι τὰ στοιχεῖα πάντα, καὶ οἱ οὐρανοὶ καὶ ἡ γῆ, καινῶν αὐτῶν τούτων γινομένων καὶ τῇ καταστάσει τῆς πολιτείας ἐναλλαττομένων, ὡς τὸ παρὰ τῷ Παύλῳ λεγόμενον· ‚Παράγει γὰρ τὸ σχῆμα τοῦ κόσμου τούτου’, ὡσανεὶ ἡ νῦν πολιτευομένη κατάστασις, τῆς διαδοχῆς τῆς νυκτὸς καὶ τῆς ἡμέρας παυομένης, καὶ τῶν ἄστρων δρόμον μὴ τελούντων, καὶ τοῦ ἀέρος μὴ κινουμένου, μήτε τοῦ ὕδατος μήτε τῆς γῆς φυούσης καρπούς, ἀλλ’ ἑτέρας τινὸς καταστάσεως ἐπεισαγομένης, ἁρμοζούσης ἀθανάτοις καὶ ἀφθάρτοις καὶ ἀτρέπτοις ἀνθρώποις καὶ ἀγγέλοις.
116 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor an Theodor anschließenden Konzeption von dessen Funktion als „Boden“ der zweiten Katastase natürlich ein absolutes Unding, und auch bzgl. des ersten Himmels setzen die Erörterungen in Topographia VII,60–67 voraus, daß er ebenso unveränderlich ist, wie der darin auf seine Wiederkunft wartende verklärte Christus. Dennoch läßt sich m. E. gut ersehen, wo im theodorianischen Erbe sowohl Ps.-Justin mit seinem unvergänglichen und zu verklärenden als auch Kosmas mit seinem unauflösbaren und bereits verklärten Himmel ansetzen: Wie im Abschnitt zu Theodor bereits erläutert, galt der erste Himmel dem Mopsuestener als ultimativer Rahmen und Matrix aller geschaffenen Wirklichkeit. Genau wie beim menschlichen Leib wurde er als sichtbarer Behälter vor seinem unsichtbaren Inhalt geschaffen, um diesem Ort und Grenze zu verleihen.³²⁵ Bei Kosmas scheint dieser Gedanke so weitergedacht zu sein, daß dieser absolute Rahmen alles als in sich selbst unveränderlich in sich beschließt, wogegen Ps.-Justin in Analogie zum menschlichen Leib, welcher natürlich der Verklärung bedarf, auch den himmlischen „Leib“ der Engel für verklärungsbedürftig gehalten hat. Ob und inwiefern Ps.-Justin dies auch mit einer spezifischen modifizierten Ansicht über den erhöhten Leib Christi und dessen himmlischen Gottesdienst verknüpft hat, ist leider nicht (mehr) ersichtlich, da seine knappen christologischen Äußerungen besonders in Quaestiones ad orthodoxos 7 f. und den Capita contra theopaschitas zu dieser Frage nichts hergeben, was sicherlich auch für das mangelnde Interesse des Autors an christologischen Detailfragen sprechen könnte. Sein ganzes Unternehmen eines doch relativ breit angelegten philosophisch-apologetischen Unternehmens mitten im erbarmungslosen Toben der christologischen Auseinandersetzungen dürfte ihn als eine Art Querkopf ausweisen, welcher auch mit seiner eigenen Tradition ziemlich eigenwillig umging. Nach allem, was wir über die Eschatologie der klassischen antiochenischen Lehrer wissen, scheint er deren ‚anti-materialistischer‘ Tendenz³²⁶ nur insoweit gefolgt zu sein, als er mit Rm 14,17 einen krassen „jüdischen“ Materialismus abwies (Quaestiones ad orthodoxos 123), ansonsten aber vielleicht in noch höherem Maße als diese auf die Kontinuität der geschaffenen Wirklichkeit im Eschaton insistierte. Auch seine Vorstellung vom Zwischenzustand schließt sich im Grundsatz Theodor an, indem er das Paradies ebenfalls für einen physischen, vom Himmel strikt zu unterscheidenden Ort hält, an dem die Seelen der Verstorbenen verweilen (Quaestiones ad orthodoxos 87 f.),³²⁷ jedoch – gegen die bei den Ostsyrern gängige Vorstellung vom dortigen ‚Schlaf‘ der ohne ihren Körper inaktiven Seele³²⁸ – über ein spezielles Erkenntnisvermögen verfügen, um die Freuden des Paradieses auch wahrzunehmen, nämlich diejenige 325 Vgl. o. Anm. 200. 326 Vgl. o. Anm. 203. 327 Theodors einschlägige Konzeption ist hauptsächlich aus Dadisho Qatraya zu rekonstruieren (vgl. Abramowski, „Dadisho“, 79–82). Für Ps.-Justin scheinen nach Quaestiones ad orthodoxos 97 nicht nur die Seelen der Gerechten, sondern wie bei Narsai (u. Anm. 358) auch die Körper von Henoch, Elia und aller durch den irdischen Jesus auferweckten im Paradies zu verweilen. 328 Vgl. Bruns, Homilien, 410–16.
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Wahrnehmungsfähigkeit, mit der die Seele sich selbst, die Engel und Dämonen erkennt (Quaestiones ad orthodoxos 88).³²⁹ Daß die Autorität Theodors für ihn alles andere als sakrosankt war, wird jedenfalls aus Quaestiones ad orthodoxos 62 deutlich: Dort wird dessen Auslegung der Röcke aus Fell unter expliziter Zurückweisung seines zentralen Arguments, also wohl unter Kenntnis des Autors besagter Auslegung, unmißverständlich abgelehnt.
3.8 Narsai v. Nisibis Mit Narsai, dem Hauptverantwortlichen für die Übersiedlung der Perserschule von Edessa nach Nisibis (nach 457), haben wir erstmalig nicht nur einen durch Theodor mehr oder weniger beeinflußten Theologen, sondern einen bekennenden Jünger des seligen Interpreten vor uns, dessen Lobrede auf die drei Lehrer den ersten uns greifbaren Schritt zur umfassenden Kanonisierung der Schriften und Kommentare Theodors durch den ostsyrischen Katholikos Gregorios I. (605)³³⁰ darstellt. Diese Lobrede, welche von Luise Abramowski als eine Art programmatische Antrittsrede des ersten Leiters der Schule von Nisibis interpretiert wurde,³³¹ präsentiert Diodor, Theodor und Nestorius als das Dreigestirn verfolgter und verkannter Lehrer der Orthodoxie, jedoch in recht ungleicher Weise: Scheint über Nestorius nicht viel mehr bekannt zu sein, als die Art, in der er in Ephesus das Opfer des verbrecherischen Kyrill wurde, kommt Diodor primär als Lehrer der beiden anderen in den Blick, welcher als heroischer Kämpfer gegen die Häretiker Nestorius nach Konstantinopel und Theodor nach Mopsuestia entsendet.³³² Anschließend wird anscheinend ganz symmetrisch erfolgreiches Wirken und
329 Diese eigentümliche Theorie körperloser Wahrnehmung wird in der nachfolgenden Quästio näher erläutert (hg. Papadopulos, 83 f.): Πᾶσαι αἱ κτισταί τε καὶ λογικαὶ οὐσίαι διπλᾶς ἔχουσι καταληπτικὰς δυνάμεις, αἰσθητικήν τε καὶ νοητικήν· αἰσθητικὴν μὲν τὴν ἐννοηματικὴν λεγομένην, καθ’ ἣν καταλαμβάνουσιν ἑαυτάς τε καὶ ἀλλήλας· νοητικὴν δέ, καθ’ ἣν δέχονται τὴν γνῶσιν τοῦ ὑπὲρ ἐκείνας. οὐ συνεργίᾳ οὖν τοῦ σώματος αἱ ψυχαὶ τῶν αἰσθητῶν λαμβάνουσι τὴν αἴσθησιν, ἀλλ’ αὐτὴ ἡ ψυχὴ αἴσθησις οὖσα τῇ ἑαυτῆς παρουσίᾳ αἰσθητικὸν τὸ ζῷον ποιεῖ. καὶ ὡς μὲν πρὸς τὸ ζῷόν ἐστιν αἴσθησις, ὡς δὲ πρὸς ἑαυτὴν αἰσθητική, καὶ οὐδέποτε γίνεται νεκρά· ἡ γὰρ νέκρωσις τοῦ ἐμψύχου, θνητοῦ ὑπάρχει καὶ οὐχὶ τῆς ψυχῆς. συνεργίας οὖν δέεται τοῦ σώματος πρὸς τὴν κατάληψιν τῶν αἰσθητῶν τὸ ἔμψυχον καὶ ἡ ἐμψυχία, οὐχὶ ἡ ψυχή· ἄλλο γὰρ τὸ ἔμψυχον καὶ ἄλλο ἡ ψυχή, ὥσπερ ἄλλο τὸ κατὰ μετουσίαν καὶ ἄλλο τὸ κατ’ οὐσίαν. 330 Vgl. A. Becker, Fear of God and the Beginning of Wisdom. The School of Nisibis and the Development of Scholastic Culture in Late Antique Mesopotamia (Philadelphia 2006), 113–25. 331 „Narsai, Homilie XI über die Väter, die Lehrer“, The Harp 20 (2006), 333–49 und daran anschließend N. Kavvadas, „Narsais Homilie Über die Väter, die Lehrer Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia und Nestorios“, Sacris erudiri 51 (2012), 215–232. 332 F. Martin, „Homélie de Narsès sur les trois docteurs Nestoriens“, Journal asiatique 14 (1899), (446–92) 458 f. Vgl. die Übersetzung: „Homélie de Narsès sur les trois docteurs Nestoriens II“, Journal asiatique 15 (1900), (446–525) 481–83.
118 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Verkennung beider beschrieben, allerdings so, daß der Nestoriuspassus³³³ lediglich die Darstellung der drei ökumenischen Konzilien Nizäa, Konstantinopel und Chalkedon,³³⁴ einleiten soll, der Theodorabschnitt jedoch nicht nur ein eigenständiges Stück Theodorhagiographie bildet, sondern diesen sogar als Erleuchter der Menschheit preist, der die Welt allererst gelehrt habe, die Schrift umfassend zu verstehen.³³⁵ Dies wird in Narsais persönlicher Stellungnahme zu seiner Konziliengeschichte, wo die Verdorbenheit der Parteigänger Kyrills ganz scharf mit dem Vorbild Theodors kontrastiert wird, noch einmal wieder aufgegriffen und zugespitzt: Nicht nur die gesamte Menschheit ist durch Theodor gleichsam aus dem Schlaf weitgehenden Unverstands der Schrift erweckt worden,³³⁶ sondern auch Narsai selbst verdankt allein ihm die Fähigkeit theologisch zu reden, zu verstehen, zu streiten, alles, von Anfang bis Ende.³³⁷ Dies ist sicherlich rhetorische Übertreibung, jedoch bei einem Blick auf Narsais Memre sicherlich alles andere als völlig aus der Luft gegriffen. Trotz des äußerst fragmentarischen Erhaltungszustands von Theodors Genesiskommentar meint Philippe Gignoux in seiner bereits recht eingehenden Analyse der Quellen Narsais diesen als „la source essentielle“ der Memre über die Weltschöpfung identifizieren zu können,³³⁸ und dies obwohl sich deren poetische Gattung und Sprachform doch insgesamt sehr stark von den bislang diskutierten wissenschaftlichen Kommentaren und Traktaten Theodors und seiner Schüler unterscheidet. Dieser erbaulich-literarischen Form wird es nicht zuletzt geschuldet sein, daß der Dichter weder seine Quellen ausdrücklich nennt noch in größerem Umfang gegen bestimmte Gegner polemisiert.³³⁹ Somit finden sich auch keinerlei explizite Abgrenzungen gegen die pagane Philosophie oder deren Weltbild, ebenso wenig wie eine konzise Darstellung und Begründung des Eigenen. Dennoch lassen die drei Schilderungen der Schöpfung des Firmaments relativ klar besagte „Liste“ von Gründen für dessen Erschaffung durchscheinen, deren Kerngedanken wir oben mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Theodor zurückführen konnten: Wie Narsai wiederholt betont, besteht das Firmament sowohl aus Wasser als auch teilt es die Wasser in zwei „Hälften“, also zwei gleiche Teile für den Raum darüber und darunter.³⁴⁰ Zwar wird nicht explizit gesagt, daß dadurch auf der Erde trockener Wohnraum geschaffen werden soll, doch ist gut ersichtlich, wie es zu oben zwischen Prokop/Gennadius und den Ostsyrern festgestellten Spannung zwischen Drittelung
333 Martin, „Homélie I“, 462–65 / „Homélie II“, 487–92. 334 Vgl. L. Abramowski, „Das Konzil von Chalkedon in der Homilie des Narses über die drei nestorianischen Lehrer“, Zeitschrift für Kirchengeschichte 66 (1954/55), 140–43. 335 Martin, „Homélie I“, 459–462/ „Homélie II“, 483–85. 336 Martin, „Homélie I“, 474 f./ „Homélie II“, 505 f. 337 Martin, „Homélie I“, 475/ „Homélie II“, 506. 338 PO 34, (470-)495. 339 Die einzige nennenswerte Ausnahme bildet der polemische Exkurs gegen Bardaisan und Mani in Hom. in Creationem V, 381–414 (PO 34, 661 f.). 340 Vgl. Hom. in Creationem I, 47–54 (PO 34, 528); II, 295–305 (574); III, 140–43 (592).
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und Halbierung des Wassers kommen konnte,³⁴¹ bildet doch die Dreiteilung der Wassermenge gleichsam den Ausgangspunkt des Schöpfungsaktes, die zwei flüssig gebliebene „Hälften“ jedoch dessen Resultat (Hom. I, 48.53 f.; II, 299; III, 147 f.). An einer Stelle deutet er sogar an, daß die Erde ganz analog zum Firmament auf (verhärtetem) Wasser gegründet worden sei, wohl in Aufnahme von Ps 23,2/135,6.³⁴² Der nur bei Ishodad als fünftes in die Liste inkorporierte und bei Gennadius die Liste einleitende Grund, die Aufklärung der Engel über Gottes Schöpfermacht, wird bei Narsai (seit Hom. I, 10) immer wieder erwähnt und in II, 343 f., im Anschluß an die zweite Darstellung der Schöpfung des Firmaments, direkt mit dieser verbunden. Am deutlichsten repräsentiert sind jedoch die Gründe zwei bis vier, in folgender Passage der dritten Homilie: „Wie ein nahes Dach (bzw. Decke: thaṭlīlo) hat er das Firmament in der Mitte gemacht, damit es nahe zu sehen sei und zwischen Wasser und Wasser teile. Oh Gleichgewicht, welches nicht wankt, welches die Wasser gleichmäßig verteilt, einen Teil (bzw. Hälfte: pelgo) für die Erde zu ihrem Nutzen und einen Teil für die Rückseite des Firmaments! Oh Künstler, der alles einrichtet, dessen Erkenntnis unerreichbar ist, der, während er das Werk noch gar nicht begonnen hat, bereits weiß, was ihm nützt! Er war im Begriff, am Firmament Lichter aufzuhängen, Feuersubstanzen, und speicherte Wasser über ihm, damit es nicht vom Feuer verbrannt wird. Ebenfalls wusste der Schöpfer, als er noch gar nicht geschaffen hatte, was existiert, daß eine andere Wohnstatt nützlich sein würde für die Vernunftbegabten am Ende der Zeiten, und deswegen schuf der das Firmament wie ein Dach in der Mitte, damit es für uns am Ende die Stelle der Erde einnehme für unsere Ruhe“.³⁴³
Hier klingt zunächst der dritte Grund der Ostsyrer an, die Sichtbarkeit des Himmels. Anschließend wird der zweite Grund, die Funktion als Sitz der Gestirne, wie bei Gennadius, mit der schon aus Diodor bekannten Erklärung der oberen Wasser als Kühlmittel verbunden.³⁴⁴ Was den vierten Grund betrifft, finden wir sogar eine wörtliche Übereinstimmung zwischen Narsai und den späteren Ostsyrern: Das Firmament wird „die Stelle der Erde einnehmen“ (nehwē dūkath ’ar‛o) für „uns“ (Narsai) bzw. „die Gerechten“ (bar Koni/Ishodad),³⁴⁵ was sehr gut die griechisch bei Prokop überlieferte Behauptung Theodors (?), der jetzige Himmel werde die Stelle des Bodens einnehmen (ὁ νῦν ἡμῖν ὀροφῆς τάξιν ἐπέχων οὐρανὸς ἐν ἐδάφους μέρει γενήσεται),³⁴⁶ aufnehmen könnte. Glücklicherweise läßt es Narsai nicht wie die Späteren bei dieser kurzen Andeutung bewenden, sondern greift das Thema der doppelten „Wohnstatt“ (‛ūmro) wiederholt auf, ein Begriff der auch im Theodorfragment über das Firmament bei Isaak von Ninive auftaucht und im Griechischen den καταγώγια bei Prokop³⁴⁷ bzw. der καταγωγή bei 341 342 343 344 345 346 347
Vgl. o. Anm. 169. Hom. in Creationem I, 84 f. (PO 34, 530). Hom. in Creationem III, 145–56 (PO 34, 592). Vgl. o. Anm. 16 und Hom. in Creationem I, 50 (PO 34, 528). CSCO 55, 31/126, 26 (s. o. Anm. 168). Vgl. auch Hom. in Creationem I, 56 (PO 34, 528). GCS NF 22, 32. In Gen 1,6 50 f. (GCS NF 22, 32).
120 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Gennadius³⁴⁸ entsprechen dürfte. Ganz wie in den griechischen Kommentaren ist diese doppelte Wohnstatt nämlich den beiden Katastasen, der vergänglich-affizierbaren und der unvergänglich-affektlosen angepaßt (Hom. I, 91–98), und ganz wie bei Gennadius wird die Einrichtung der zukünftigen bereits vor der jetzigen als herausragender Ausdruck göttlicher Vorsehung gepriesen.³⁴⁹ Darüber hinaus sieht er beide Katastasen bzw. Wohnstätten wie später auch Kosmas (Topographia IX,23) durch die beiden Paradiesbäume symbolisiert, was für uns insofern interessant ist, als in diesem Zusammenhang genau wie bei Prokop die kommende Katastase mit der βασιλεία τῶν οὐρανῶν (malkūth rūmo)³⁵⁰ gleichgesetzt zu werden scheint. Narsai präsentiert die kosmographische Verortung der Katastasen also bereits als Gemeinplatz seiner Tradition, welcher nicht mehr problematisiert zu werden braucht, sondern einfach exegetisch weitergesponnen werden kann: „Zwei Wohnstätten machte für die Schöpfung derjenige, der alles einrichtet, zwei Wohnräume (medjorē) statte er aus und baute zwei Welten. Er machte die untere, welche passend für das Sterbliche werden sollte, und er lagerte darin und füllte sie an mit Früchten, die für die Leiber nützlich sind. Er machte die obere zur passenden Wohnstatt, angefüllt mit Gütern, damit sich darin die geistigen Wesen auf geistige Weise erfrischen. Für die Irdischen machte er irdische Dinge, und den Himmlischen versprach er himmlische Güter. Über zwei Wohnstätten dachte er nach, der Allwissende, und bevor Himmel und Erde entstanden, betrachtete er sie. Vorgängig ist nämlich sein Liebeswille vor deren Begründung, und geformt wurden ihm durch seinen Willen die Werke, die er machte. Er vollendete und baute Himmel und Erde als weites Haus, und lagerte darin und füllte sie mit großem Reichtum für diejenigen, die darin wohnen“.³⁵¹
Interessanterweise spricht Narsai hier selten von zwei Katastasen bzw. Zuständen (thūqonē),³⁵² sondern eher in lokal konnotierten Bezeichnungen wie Wohnstatt oder Welt (bzw. Äon: ‛alam). Auch zu Beginn seiner Homilie über den Bau der Stiftshütte, der fünften der sechs von Frishman herausgegebenen ‚biblischen Homilien‘, preist er zunächst den Schöpfer der zwei Welten, der vergänglichen und der unvergänglichen, welche deren Schöpfer im Bau der Stiftshütte den Menschen an einem zeitlichen Modell 348 Collectio coisliniana 52, 47 (CCG 15, 50). 349 Hom. in Creationem I, 99–102 (PO 34, 532); III, 350 f. (606) vgl. o. Anm. 181. Bei Prokop wird dieser Aspekt lediglich in der Einleitung zum letzten Abschnitt durch die Bemerkung, daß die Schöpfung „für das Kommende angepaßt sei“ angedeutet (vgl. o. Anm. 180). 350 Hom. in Creationem I, 201 f. (PO 34, 538). 391 f. (560); IV, 65–84 (614) und die ähnlichen Passagen in den Evangelienhomilien (Hom. in Parabolas I, 175–82 und III, 257 f.; hg. E. Pataq Siman, Cinq homélies sur les paraboles évangeliques [Paris 1984], 19 f.59). Zu Theodor vgl. o. bei Anm. 185 f. Daß diese Identifikation auch für die syrische Tradition durchaus ungewöhnlich war, zeigt etwa die gegenteilige Erörterung bei Aphrahat, Demonstratio XXII, 24 (hg. J. Parisot, Patrologia syriaca, Bd. 1 [Paris 1894], 1037), wonach Firmament und Erde (wahrscheinlich) komplett vergehen, Gott aber sein Reich überall aufrichten könnte, auch auf der Erde. 351 Hom. in Creationem I, 91–104 (PO 34, 532). 352 Eine der wenigen Ausnahmen z. B. Hom. in Creationem I, 201. Der thūqon steht in den Weltschöpfungshomilien aber meistens für einen bestimmen Schöpfungsakt.
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vor Augen führen wollte, fährt dann jedoch mit folgendem Referat der göttlichen Anweisungen an Mose fort: „Sieh zu, forme schön das passende Abbild der zwei Welten, und stelle es auf die Erde vor die Betrachter, damit sie darüber nachdenken. Mach ein Zelt nach dem Typos, nach dem ich Himmel und Erde gestaltet habe, und sobald es aufgebaut ist, teile es in zwei ohne Teilung. Hänge einen Vorhang auf zwischen dem einen und dem anderen und trenne sie, genau wie das Firmament, das ich ausgespannt habe, die beiden Katastasen trennt. Durch ein Gewand aus Wasser³⁵³ habe ich mein Werk in zwei Wohnstätten aufgeteilt“.³⁵⁴
Anschließend folgen die nunmehr hinlänglich bekannten allegorischen Erklärungen des entsprechend der Deutung des Ganzen den beiden „Einrichtungen“ oder „Lebensweisen“ (dūborē; V, 83) zugeordneten Stiftshütteninventars: Der äußere, vergängliche Bereich beinhaltet zunächst Schaubrottisch und siebenarmigen Leuchter, welche in der Nachfolge Theodors³⁵⁵ auf den Jahres- (V,113–22) und Wochenlauf (V, 104.132–40) und insgesamt den lebenserhaltenden Kreislauf von Saat und Ernte gedeutet werden, wozu allerdings die Deutung des Leuchters um den traditionellen Bezug auf die Planeten ergänzt werden muß.³⁵⁶ Durch diese läßt sich dann auch die Ausrichtung beider Objekte, Schaubrottisch im Norden und Leuchter im Süden (Ex 26,35), näher interpretieren: Die Sterne bescheinen von Süden die den Jahreszeiten entsprechend in vier Reihen angeordneten Brote³⁵⁷, was allerdings erst aus Kosmas recht verständlich wird. Daß die Sterne „im südlichen Bereich“ angeordnet sind und „nach Norden“ blicken „auf die Art und Weise der Sphäre der Sonne“ (V, 126 f.) kann eigentlich nur bedeuten, daß sie wie bei Kosmas im Osten aufgehen, dann tagsüber nach Süden wandern, um nachts hinter den Bergen des Nordens an ihren Ausgangspunkt zurückzukehren (Topographia II,34.37). Gerade im Vergleich zu Kosmas muß allerdings auch auffallen, daß die für diesen ganz zentrale wellenförmige Zierleiste, welche nach Ex 25,11 den Schaubrottisch umgibt und für den christlichen Geographen den die bewohnte Erde umgebenden und im Osten vom Paradies absondernden Okeanosstrom symbolisiert (Topographia II,36) fehlt. Dabei ist das irdische Paradies für Narsai nicht nur von theologischer Wichtigkeit, 353 naḥtho d-majo ist eine bei Narsai beliebte Bezeichnung für das Firmament (vgl Hom. in Creationem I, 57; V, 77). 354 Hom. Biblicae V, 41–47 (hg. J. Frishman, The Ways and Means of the Divine economy. An Edition, Translation and Study of Six Biblical Homilia by Narsai [Diss. masch.; Leiden 1992], 90). An dieser Stelle sei Frau Prof. Frishman herzlich für die prompte Bereitstellung einer digitalen Fassung ihrer leider immer noch unpublizierten Arbeit gedankt. 355 Vgl. o. Anm. 190. 356 Hom. Biblicae V, 104.125–31.307–9 (hg. Frishman, 92 f.98) vgl. o. Anm. 246–48. 357 Hier konfligiert eine Tradition, wonach die 12 Brote in Reihen zu drei jeweils an den vier Enden des Tisches liegen (so Kosmas, Topographia II,36; V,34), mit Lev 24,6, wonach es zwei Reihen zu sechs Broten sein sollen.
122 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor nämlich als Aufenthaltsort der entrückten Gerechten Henoch und Elia bis zum jüngsten Tag³⁵⁸ und vielleicht auch der verstorbenen Seelen,³⁵⁹ er vertritt auch eine wohl an Ephraem angelehnte³⁶⁰ Theorie der Paradiesströme, wonach diese unvermischt und unversalzen „das Meer“ – also doch wohl den Okeanos – durchdringen, bevor sie an den bekannten Orten der Ökumene wiederum entspringen.³⁶¹ Was nun die Ausdeutung des für den unvergänglichen Bereich stehenden Allerheiligsten betrifft, so übernimmt auch diese zentrale Elemente von Theodor,³⁶² etwa die Deutung des Manna als Erinnerung an die göttliche Fürsorge in der Wüste (V, 161 f.) oder die Interpretation der Lade als Symbol des Dienstes für Gott (V, 163). Der Rauchopferalter wird zwar ebenfalls als Symbol der Gottgefälligkeit bzw. Reinheit der Seele gesehen (V, 151–59), jedoch ohne Bezug auf die für Theodor wesentliche Vergoldung, und auch die Deutung des Aaronsstabes auf die einstige Erwählung des Stammes Levi (V, 162) anstatt auf das Priesteramt an sich und diejenige der Seraphim bzw. Cherubim auf der Lade als Erfüllung des ewigen Lebens (V, 164) anstatt als Erinnerung an den Dienst der Engel unterscheiden sich sichtlich. Besonders der Vergleich mit Kosmas macht deutlich, daß Narsai weitaus mehr an der christologisch-soteriologischen Pointe der Typologie interessiert ist, als an irgendwelchen kosmographischen Implikationen. Der Rest der Homilie thematisiert dementsprechend den Verweischarakter auf Christus als wahren Priester und wahren Tempel Gottes, in dessen Leib und Seele schließlich der Vorverweis der beiden Stiftshüttenbereiche voll eingeholt wird (V, 361–78). Derselbe Doppelcharakter des erhöhten Jesus als Tempel wie Hohepriester Gottes begegnet auch in der Homilie über die Himmelfahrt, jedoch mit umgekehrter Gewichtung. Christi Leib als sichtbares und greifbares Abbild Gottes und definitiver Ort der Verehrung für Engel und Menschen wird nur relativ kurz erwähnt,³⁶³ wogegen der Grundtenor der gesamten Homilie letztlich Hbr 6,19 f.. entnommen ist: Christus ist uns als Hohepriester im Leib in den Himmel, die Region der Unvergänglichkeit, vorangegangen, um uns nach der leiblichen Auferstehung ebenfalls den Weg dorthin zu ebnen. Daß all dies in und an einem irdischen Leib vor sich gehen muß, steht für Narsai dabei völlig außer Frage, da der Auferstandene selbst seine Jünger nicht nur die Wundmale betasten ließ (Joh 20,27) und mit ihnen aß (Lk 24,39–43), sondern sogar versprochen hatte, im Himmelreich erneut mit ihnen zu essen (Lk 22,16) sowie in genau derjenigen Gestalt wiederzukommen, in der sie ihn hatten auffahren sehen (Act 1,11).³⁶⁴ Somit
358 So Hom. Biblicae I, 419–22 und 535 f. Ebd. 347–54 wird betont, daß beide auf wundersame Weise in ihren natürlichen, vergänglichen Leibern bis zum jüngsten Tag im Paradies erhalten werden. 359 Vgl. Ph. Gignoux, „Les doctrines eschatologiques de Narsai (I)“, Oriens Syrianus 11 (1966), (321–52) 333 f. 360 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 62. 361 Hom. in Creationem III, 320–25 (PO 34, 604). 362 Vgl. o. Anm. 190. 363 Hom. christologicae V, 221–34 (PO 40, 176). 364 Hom. christologicae V, 121–54 (PO 40, 168 f.).
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konzentriert er seine gesamte rhetorische Energie auf den Aufweis, daß genau in der Aufnahme eines irdischen, aber doch unveränderlichen Leibes in den Himmel das eigentliche Wunder der Himmelfahrt besteht: Die göttliche Allmacht verdichtet die Luft zu einem Streitwagen, der sichtbare Körper besteigt den Wind, fährt gen Himmel und durchdringt das Firmament, doch ein Gewand aus Licht hindert die Zuschauer daran, zu sehen, wie sein Körper dieses Wunder vollbringen konnte, so daß sie sich mit der Versicherung der Engel begnügen müssen.³⁶⁵ Anstatt einer genaueren Erklärung des ‚Wie‘ und ‚Inwiefern‘ der bleibenden Körperlichkeit Jesu stellt Narsai somit die bloße Versicherung des ‚Daß‘ durch das göttliche Wort: Ebenso wie Christus die Wunden einfach zeigt, ohne zu erklären, wie ihr Verbleib mit der Unaffizierbarkeit seines verklärten Leibes vereinbar sein soll,³⁶⁶ beeindruckt er die die himmlische Versammlung bei seiner Himmelfahrt durch die Subtilität (qalīlūtho) seiner (bleibenden) Masse (jaqīrūtho).³⁶⁷ Angesichts dessen nimmt es nicht Wunder, daß das ‚Wo‘ nicht näher spezifiziert, sondern lediglich das ‚Daß‘ das priesterlichen Diensts Jesu jenseits des Firmaments festgestellt wird: „Ein Sohn unseres Geschlechtes ist es, der aufgestiegen ist und die Herrschaft an der Seite der Seiendheit antrat, und nicht die Seiendheit, die zur Erde herab- und dann aufgestiegen wäre. Unsere Natur ist es, die den Wind bestieg und die Luft zäumte. Und es eskortierten, es trugen ihn vernünftige und vernunftlose Wesen um des Verborgenen willen. Er ist es, der einen neuen Pfad bahnt in der feuchten Luft, er ließ Flügel zum Fluge wachsen gegen die Natur. Er ist es, der die Tore der Höhe öffnete vor den Irdischen, und eintrat, um im Allerheiligsten zu dienen um ihres Lebens willen. Es war nicht kraft der gesetzlichen Ordnung, daß er eintrat, um als Priester zu dienen, sondern, sondern kraft seines eigenen Blutes des neuen Bundes. Nicht um durch irdische Dinge zu dienen, erreichte er es, wie ein (Götzen-)Priester, sondern er betrat den Himmel, um Sühne für alle zu leisten durch das Opfer seines Lebens. Einen Eintritt vollführte er und wurde im
365 Hom. christologicae V, 65–126, bes. 107–114 (PO 40, 169): „Two thoughts excited the earthly ones; and because of both, they kept gazing towards the face of heaven; first, whether it is possible for them to see the gates being opened or whether indeed his bodily structure is changed for him. For they were reflecting on how a body has rent the firmament and how it has entered with (bodily) structure through a closed gate. With this intent he sent them spiritual ones, that he might resolve the fear (and) also the doubt in their minds“. Ganz ähnlich wird die Himmelfahrt einige Jahrzehnte später bei Cyrus von Edessa behandelt: Das Problem, wie Jesu Körper das Firmament durchdringen konnte, versucht er einleitend durch den Vergleich mit dem Wasser zu lösen, welches durch das undurchdringliche Holz des Olivenbaums aufsteigt (In Ascensionem II,4; CSCO 355, 140 f.). In Ascensionem V diskutiert er dann die Rolle der Wolke als Streitwagen für Jesu Siegesprozession (V,4) und Abschirmung seiner übernatürlichen Herrlichkeit vor den Augen der Apostel (V,8) um dann in VI den weißen Kleidern dieselbe Funktion zuzuweisen wie Narsai, nämlich von der Herrlichkeit des geöffneten Firmaments abzulenken (VI,1). Der Herausgeber (CSCO 356, 137 Anm. 4) verweist dazu auf eine Parallele aus Theodors Kommentar zu Gen 3,24, wo der Form der Cherubenerscheinung eine analoge Ablenkungsbzw. Abschreckungsfunktion zugeschrieben wird. 366 Hom. christologicae V, 149 f. (PO 40, 170). 367 Hom. christologicae V, 290 f. (PO 40, 180).
124 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor oberen Heiligtum empfangen, und nie wieder unterbricht die Zeit in ihrer Ausdehnung die Hoheit seines Ranges“.³⁶⁸
Dementsprechend wird sich auch Christi Wiederkunft nach Act 1,11 auf dieselbe, leibliche Weise vollziehen: Die Pforte des Firmaments wird sich erneut auftun und derselbe Leib wiederkehren, um Tote und Lebendige zu richten, und zwar bei aller Verklärung in klar wiederkennbarer Form.³⁶⁹ Bevor wir uns jedoch abschließend Narsais Eschatologie zuwenden, ist noch ein Wort zur kosmologischen Bedeutung seiner Angelologie zu sagen. Wie er in der Einleitung zur sechsten Schöpfungshomilie selbst bemerkt, hatten ihn kosmologische Fragen zwar lange umgetrieben, aber dann wohl doch relativ direkt zur der Frage nach der Intelligenz in bzw. hinter den Naturvorgängen geführt (VI, 53 f.), welche er in dieser und der vorhergehenden Homilie mit einer allumfassenden Rückführung aller natürlichen und historischen Prozesse auf die Engel als universale Vermittler der göttlichen Providenz beantwortet (vgl. bes. VI, 61–106). Dies erinnert natürlich sehr stark an die oben diskutierte Ansicht des Kosmas, die Engel seien in ständigem Dienst am Menschen strikt an ihre Aufgaben unter dem Firmament gebunden und würden (nach Rm 8, 19–23) erst im Eschaton erlöst werden.³⁷⁰ Suchen wir nach Parallelen für diese Ansicht bei Narsai, so ist zunächst festzustellen, daß er seine Theorie des Firmaments nicht damit verbunden zu haben scheint. Zwar diskutiert er relativ breit die Frage, wo das Firmament geschaffen wurde und was dabei mit den bereits existierenden Entitäten, besonders den Engeln, dem Licht und der Luft geschah, und ringt sich dabei, wie oben bereits festgestellt,³⁷¹ letztlich auch zu der durch den Anonymus Dyarbakir Theodor zugeschrieben Ansicht durch, daß Gott die notwendige Portion Wasser an die entsprechende Stelle geliftet und dort augenblicklich habe fest werden lassen.³⁷² Was dabei mit besagten Entitäten nun eigentlich geschieht, erklärt er jedoch nicht, sondern erwähnt sie nur im Zuge der Zurückweisung der rivalisierenden Ansicht, das Firmament sei auf dem Erdboden geschaffen und nach oben geliftet worden, was nach Narsai dazu geführt hätte, daß sie darüber eingesperrt worden wären.³⁷³ In gewisser Hinsicht wird dieses Versäumnis jedoch durch die ausführlichen angelologischen Erörterungen der besagten letzten Schöpfungshomilien ausgebügelt. Zwar wird 368 Hom. christologicae V, 195–208 (PO 40, 174). Vgl. Hom. Biblicae I, 405–38, wo Christi Himmelfahrt mit der Entrückung von Henoch und Elia verglichen wird: Während diese schlicht mit Leib und Seele ins Paradies versetzt wurden, suchte jener zunächst nur mit seiner Seele (wohl während des triduum mortis) das Paradies auf, um dann mit Leib und Seele als Hohepriester in das himmlische Heiligtum einzuziehen. 369 Vgl. Ph. Gignoux, „Les doctrines eschatologiques de Narsai (II)“, Oriens Syrianus 11 (1966), (461–88) 468–75. 370 Vgl. o. Anm. 149–60. 371 Vgl. o. bei Anm. 159. 372 Hom. in Creationem II, 316–25 (PO 34, 574 f.). 373 Hom. in Creationem II, 306–9 (PO 34, 574).
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auch dort niemals ausdrücklich gesagt, daß die Engel unter das Firmament verbannt sind, doch muß bei der immens ausführlichen Erörterung ihrer Aufgaben in der Tat auffallen, daß Gotteslob oder himmlische Liturgie nur ganz am Rande erwähnt werden (VI, 316 f.442), und der ganze Fokus in der Tat auf ihrem Dienst an der vergänglichen Kreatur liegt: Jenseits dieser haben sie keine Macht (VI, 474).³⁷⁴ Theodors Gedanke der göttlichen Pädagogik auch gegenüber den Engeln, welcher für Narsai bereits in der fünften Schöpfungshomilie eine immense Rolle spielt (V, 27–140),³⁷⁵ macht aus ihnen ja zunächst eindeutig beschränkte und veränderliche Geister, welche bei aller Betonung ihrer geistigen, unzusammengesetzten Natur³⁷⁶ und Sündlosigkeit (V, 291–98) in der intimen Bindung an ihre irdischen Aufgaben durchaus materielle Züge tragen können.³⁷⁷ Dementsprechend trägt auch die Beschreibung ihres Involviertseins in die menschlichen Wechselfälle paradoxale Züge, welche durchaus der oben zu Theodor zitierten Auslegung des Kosmas entspricht: „Ohne Bedürfnis ließ er sie wohnen in einer bedürftigen Welt, ohne Mühe betraute er sie mit den Bedürfnissen unseres Lebens. Zu Feuer und Wind machte er sie im Mund des Sohnes Isais [scil. Ps 103,4], doch viel schneller als diese ist der Blick ihrer Gedanken. Auf feurige und windige Art und Weise fliegen sie in der Luft, doch werden sie nicht aufgehalten, weder von Feuer noch von Wind. Zwischen entgegengesetzten Elementen stehen sie mitten darin, doch werden sie nicht verletzt, weder von Frost noch von Hitze. Innerhalb der Abfolge von Tagen und Monaten sind sie eingeschlossen wie alles, doch bedürften sie keines Umschlags vom einen ins bessere. Wie ein Tag ist diese Welt geachtet in ihren Augen“.³⁷⁸
Wie bei Theodor trauern die Engel über den Fall und hätten ihren Glauben an die Menschen längst verloren, wenn nicht das göttliche Heilshandeln sie im Kampf um diesen anspornen würde.³⁷⁹ In diesem Kampf „brauchen sie sich auf und Mühen sich um unser Heil ab, seit sie existieren“ (V, 517), halten sie für uns die ganze Welt am Laufen, bis sie nach Rm 8,19–23 von diesem Dienst erlöst werden und in die eschatologische Ruhe eingehen (VI, 261–300). Diese eschatologische Ruhe bedingt nun für Narsai genau wie für Kosmas mit Mk 13,24 f.par ein Ende der Gestirne, was allerdings für Ersteren gerade nicht ihre
374 So werden anderer Stelle nicht nur die Menschen, sondern auch die Engel durch Christi Himmelfahrt in den Himmel versetzt (vgl. Gignoux, „Doctrine II“, 466). 375 Vgl. auch die Ausführungen zur speziellen Art englischen Hörens auf Gottes Wort und den Glauben der Engel in Hom. in Creationem VI, 351–90 (PO 34, 692 f.). 376 Vgl. Hom. in Creationem V, 187 (PO 34, 648); VI, 385 f. (694). 377 Vgl. bes. die Beschreibung des Verhältnisses der Engel zu den Gestirnen in Hom. in Creationem V, 329–38 (PO 34, 668) oder derer Lenkung atmosphärischer Phänomene in VI, 155–64 (680 f.) und 421 f. (696). 378 Hom. in Creationem V, 299–309 (PO 34, 656). 379 Vgl. Hom. in Creationem IV, 274–83 und bes. Hom. Biblicae I, 5–120, wo nur Henochs gottgefälliges Leben die Engel bei der Stange hält. Ähnlich auch Cyrus v. Edessa, In Ascensionem V, 6 (CSCO 355, 153 f.).
126 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Vernichtung bedeutet, sondern ihre erneute „Aufhebung“ in das ursprüngliche Licht hinein³⁸⁰: „Niemand soll sagen, daß irgendetwas verloren gehen werde von all dem, was existiert hat, denn siehe, alles wird in seiner ureigenen Natur verbleiben und bewahrt werden“, heißt es in Hom. 26,³⁸¹ ein wichtiger Grundsatz von Narsais Eschatologie, der weiter vorne im selben Text noch grundsätzlicher formuliert wird: Weil Gott ewig ist, wolle er, daß all seine Geschöpfe an seiner Ewigkeit teilhaben,³⁸² natürlich aber im Eschaton verwandelt werden. Diese Verwandlung wird nun relativ konsequent als Eingehen in die Unvergänglichkeit und damit Auflösung aller mit der Vergänglichkeit verbundenen Dienst- und Nutzverhältnisse konstruiert: Weil die Gestirne eben nicht mehr dem Jahreslauf dienen und die Elemente nicht mehr gegeneinander opponieren und so die Wandlungsprozesse am Laufen halten müssen, ziehen sie sich gleichsam zurück in ihren Ursprung und kommen dort zur Ruhe.³⁸³ Konkret bedeutet dies für den Auferstehungsleib, daß auch er der Natur nach derselbe bleibt, also klar wiedererkennbar in seinen physiognomischen Zügen und mit prinzipiell denselben physischen und psychischen Erkenntnisvermögen.³⁸⁴ Dennoch scheint Narsai anders als Ps.-Justin³⁸⁵ im Lichte von Mt 22,30 und Gal 3,28 keinen Fortbestand der Geschlechtsteile anzunehmen: Die „Formen der Unterscheidung“ zwischen Mann und Frau „werden verschlungen“ (methbal‛īn ’eskīmē d-pūrshono) und das „Kleid aus Licht“ macht sie gleich³⁸⁶ – eine Metapher für die Verklärung, welche anscheinend nicht nur die immer wieder beschworene Unveränderlichkeit beinhaltet, sondern auch eine gewisse Spiritualisierung: Narsai spricht von der Fähigkeit zu fliegen, welche den Gerechten durch ihre lebenslange ethische Ausrichtung zum Himmel verliehen wird,³⁸⁷ was sicher auf analog ‚paradoxale‘ Weise zu verstehen ist, wie die ‚ätherische Masse‘ des Auferstehungsleibs Christi in der Himmelfahrtshomilie.³⁸⁸ Für den vorliegenden Zusammenhang am inter-
380 Vgl. Gignoux, „Doctrine II“, 475–81. 381 Narsai doctoris Syri homiliae et carmina, hg. A. Mingana, Bd. 2 (Mosul 1905), 63. Zur unterschiedlichen Zählung der Homilien vgl. S. Brock, „A guide to Narsai’s Homilies“, Hugoye 12 (2009), 21–40. 382 Übersetzung nach Gignoux, „Doctrine I“, 325 f.: „[Dieu] existe perpétuellement et il est sans commencement, et il a voulu que les çeuvres qu’il a faites durent sans fin. Il a voulu associer les oeuvres qu’il a faites à sa perpétuité, pour que, lorsqu’elles dureront, elles soient des témoins de sa perpétuité. Il convient que l’Etre [par soi] et son oeuvre durent perpétuellement, car, comme Il est perpétuel, sa création le sera aussi. Ce n’est pas pour un temps qu’Il a créé la création, celui qui créa la création, mais pour qu’elle garde même le temps, dans sa perpétuité“. 383 Hom. 26 (übs. Gignoux, „Doctrine II“, 477–81). 384 Vgl. Gignoux, „Doctrine II“, 481–86. Zur graduellen Steigerung des geistigen Erkenntnisvermögens vgl. Ders., „Les doctrines eschatologiques de Narsai (III)“, Oriens Syrianus 12 (1967), (23–54) 34–37. 385 Vgl. o. bei Anm. 311. 386 Hom. 19 (hg. Mingana I, 325,13 f.). Gignoux, „Doctrine III“, 53 f. sieht hier den Einfluß Afrahats am Werk. 387 Vgl. Gignoux, „Doctrine III“, 29–31. 388 Vgl. o. Anm. 367.
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essantesten ist jedoch, daß die soteriologische Funktion des Firmaments, welche wir bereits bei Theodor (?) und Gennadius im protologischen Kontext statuiert fanden, bei Narsai endlich einmal explizit eschatologisch konkretisiert wird. Nach der Schilderung von Homilie 19 wird Christus bei seiner Wiederkunft zunächst die Toten auferwecken und vor ihren Augen den Antichristen vernichten. Dann wird er die „Pforte der Höhe“ öffnen und ein Licht wird erscheinen, welches den Leibern der Gerechten die Fähigkeit verleiht, aufzusteigen und das Firmament zu betreten, welches vor den Dämonen und Ungerechten verschlossen blieben wird. Damit wird „die Erde wie eine Hölle werden für die Söhne der Erde, und im Ofen ihrer Gedanken werden sie die Täuschung ihrer Laster bedenken“,³⁸⁹ also ewig von der Evidenz gequält werden, wie töricht es war, die Erde mehr geliebt zu haben als die himmlischen Güter. Für die Gerechten hingegen steht „an Stelle der Erde die Ausdehnung des Rückens des Firmamentes, und als Dach der obere Himmel, derjenige, der im Anfang (scil. in Gen 1,1) geschaffen wurde. Sie wohnen am Ort des Lichts, worin die Finsternis nicht herrscht, und es gibt keine Entsprechung für die Annehmlichkeit ihrer geistigen Gelage. Sie mühen sich nicht mehr ab in ihrer Ruhe und verbrauchen sich nicht mehr bei ihren Gelagen. Geistlich genießen sie Güter, die von Ewigkeit her und nicht flüchtig sind, ihre Mühen sind ihre ‚Halleluja‘ und ihre Arbeiten ihr ‚Heilig, heilig‘, und nicht sättigt man sich an den zarten Klängen derer, die die Herrlichkeit der Seiendheit besingen. Dort ist keine Begierde des Fleisches noch Veränderung des Geistes, denn Seele und Leib sind erhoben über Leiden und Veränderung“.³⁹⁰ Mit ganz ähnlichen Worten wie in den Schöpfungshomilien wird hier nun das obere Stockwerk des Weltenbaus geschildert als dasjenige, in dem die Gerechten bei aller Kontinuität ihrer Natur deren Veränderungsprozessen komplett entrückt sind und so ihr ewiges Heil genießen können. Ebenso wird hier allerdings überdeutlich, daß diese Konzeption einer bei Grundlegung der Schöpfung für alle Ewigkeit eingerichteten Zweistöckigkeit der Welt nur dann Sinn ergibt, wenn auch etwas da ist, wogegen das Firmament die Gerechten nach unten beschützt und abschirmt: die „Hölle auf Erden“, die Narsai hier relativ subtil und milde als quälendes Bewußtsein des selbstverschuldeten Verlustes beschreibt.³⁹¹ Was nun mit dem oberen Wassern geschieht, die ja nach Gen 1,6 f. eigentlich das komplette Firmament von oben bedecken, wie der Interlokutor Ps.-Justins anmahnte,³⁹² erfahren wir leider nicht.
389 Hg. Mingana I, 324,20 f. 390 Hg. Mingana I, 325,6–13. 391 Vgl. ähnlich Hom. in Parabolas I,107–115 (hg. Siman, 14). 392 Vgl. o. Anm. 307.
128 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor
3.9 Die christliche Topographie In der von einem später „Kosmas“ betitelten Christen³⁹³ im Grundbestand wohl um 550 verfaßten³⁹⁴ Topographie laufen nun unsere bislang durch mehrere Autoren des vierten bis sechsten Jahrhunderts verfolgten Fäden (fast) alle wieder zusammen. Wie wir sehen konnten, speist sich gerade der eingangs umrissene theologische Hintergrund des Werks ganz stark aus einer theodorianischen Tradition, welche wir mit Hilfe der griechischen (Gennadius, Prokop) und syrischen (Narsai, spätere Kommentatoren) Rezipienten wohl sogar bis zu Theodors Genesiskommentar selbst zurückverfolgen konnten. Somit gilt es jetzt, sich die voluminöse Topographie selbst genauer zu betrachten und nicht nur die Frage zu stellen, wie die antiptolemäische Kosmographie hier weiterentwickelt und begründet wird, sondern auch, wie besagter theologischer Impuls hier genau aufgenommen wurde und welche Rolle er bei der Ausarbeitung der Gesamtkonzeption spielte.
3.9.1 Kosmographische Grundlinien der Topographie Will man sich einen Überblick über die wesentlichen Weiterentwicklungen verschaffen, die Kosmas am Weltbild seiner „antiochenischen“ Vorläufer anbrachte, wird man um eine kurze Inhaltsübersicht über die voluminöse Sammlung von zwölf überlieferten Büchern nicht herumkommen. Schon die Hypothesis läßt allerdings klar werden, daß das Werk im Grundbestand zunächst nur die ersten fünf Bücher umfaßte: Buch I widerlegt die Kosmologie der Heiden, Buch II exponiert diejenige der christlichen Autoritäten, Buch III untermauern deren Wahrheitsanspruch, Buch IV faßt die Gesamtkonzeption anschaulich zusammen und stellt sie bildlich dar, Buch V bestätigt die Wahrheit des Ausgeführten aufgrund einer Beschreibung der Stiftshütte und einer Synopse der prophetischen und apostolischen Zeugnisse.³⁹⁵ Dieses Werk wurde später um andere Texte wohl desselben Autors erweitert, anscheinend in zwei Schritten, welche aus der überlieferten Pinax immer noch deutlich werden: Dort wird nach Buch V klar das Ende der Topographie bezeichnet, Bücher VI–X heißen λόγοι συνημμένοι, und XI–XII zu den Tieren „Indiens“ und dem Alter der heiligen Schriften werden schließlich durch ἔτι ἔξωθεν τῆς βίβλου abgesetzt.³⁹⁶ Etwas nähere Auskunft darüber gibt der Autor im 393 Vgl. SC 141, 15 f. 394 Nach II,56 schreibt der Autor etwa 25 Jahre nach dem Axumitisch-Himyaritischen Krieg (522–25). Die nachträglich angehängten Bücher VI–XII werden also später entstanden sein, das wohl direkt gegen Philoponus polemisierende Buch VII vielleicht sogar erst in den 570er Jahren (vgl. u. Anm. 492). Zur Diskussion dieser Einleitungsfragen vgl. K. Uthemann, „Kosmas Indikopleustesʼ Leben und Werk. Eine Übersicht“, in Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Kirche als Beiträge zu einer historischen Theologie (Berlin/New York 2005), (497–561) 526–31. 395 SC 141, 265–71. Vgl. die knapperen Wiederaufnahmen in II,5 und VII,4. 396 SC 141, 261 f.
3.9 Die christliche Topographie
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Prolog zu VII: Nach VII,4 war Buch VI über die Größe der Sonne wohl als eine Art abrundender Anhang später an die Topographie angehängt worden.³⁹⁷ Die Bücher VII–IX sind hingegen selbständige kleine Traktate: „An Anastasius über die Unzerstörbarkeit des Himmels“ (wohl gegen Philoponus), „Über den Psalm Hiskias und das Rückwärtslaufen der Sonne an Petrus“ und „Über den Lauf der Sterne“. Buch X bietet schließlich ein Väterflorileg zur Bestätigung der in der Topographie vorgetragenen Thesen, bevor mit Buch XI und XII vielleicht Teile des im Prolog erwähnten geographischen Werks die Sammlung abschließen.³⁹⁸ Mit Ausnahme der letzten beiden beziehen sich alle später angefügten Bücher ganz explizit auf die Topographie zurück,³⁹⁹ so daß sie wahrscheinlich sogar vom Autor selbst mit dem abschließenden zehnten Buch zu einer Sammlung vereinigt wurden. Da eine detaillierte Darstellung des Umgangs mit astronomischen und geographischen Einzelproblemen in diesem Rahmen weder möglich noch intendiert ist, sondern lediglich eine Grundcharakteristik der Konzeption gegeben werden soll, wird man sich zunächst wohl am besten an die ersten beiden Bücher halten: Zu Beginn wird hier eine Reihe astronomischer, meteorologischer und geographischer Theorien ins Visier genommen, deren Selbstwidersprüchlichkeit an sich schon die Unterlegenheit heidnischer Wissenschaft der heiligen Schrift gegenüber beweisen soll. So scheitert die Theorie einer ewig rotierenden Himmelskugel angeblich daran, daß diese dafür (mit Aristoteles) aus keinem der irdischen Elemente bestehen dürfte, dies aber angesichts der an ihr beobachtbaren Elementarqualitäten nachweislich tut (I,5–8), das System der Planetenbewegungen scheitert an seiner Überkomplexität und den Widersprüchen innerhalb der unterschiedlichen Epizykelpostulate sowie der absurden Konsequenz einer bewohnten unteren Erdhalbkugel (9–14), eine rotierende Allkugel bräuchte einen Ort, in dem sie rotiert, und könnte auch keine in der Luft schwebende Erdkugel in ihrem Zentrum haben, da dies allen Grundsätzen der natürlichen Elementarbewegung widerspräche und erneut zu dem absurden Postulat von auf dem Kopf stehenden Antipoden auf deren Unterseite führen würde (15–20), die Erklärung der Erdbeben durch unterirdische Lufteinschlüsse ist ebenso absurd (21 f.) wie die Rückführung des Regens auf Verdunstung (23–27) und der Elementartransformation auf je zwei Grundqualitäten (28). Besonders interessant ist der Abschluß, der sich gegen die platonische Anschauung vom Unkörperlichen richtet: Für Kosmas – wie für Theodor⁴⁰⁰ – ist jede Art von Geschöpf begrenzt, und zwar primär durch Himmel und Erde. Engel, Dämonen und Seelen können daher nicht, wie für den Platoniker „überall und nirgends“, unumschrieben sein,⁴⁰¹ sondern ebenso wie die Seele vom Leib umschrieben ist, sind dies 397 Topographia VII,4 (SC 197, 61): ἐν δὲ τῷ ἕκτῳ περὶ μεγέθους ἡλίου, καὶ οὕτως συμπεράναντες τὸ πονημάτιον. 398 So Wolska in SC 141, 36. 399 Vgl. (neben VII,4) Topographia VIII,20; IX,6; X,1. 400 Vgl. o. Anm. 200. 401 Die klassische Exposition der platonischen Auffassung des intelligiblen Seins ist Plotin, Enneade VI 4–5. Daß die Theodorianer diese nicht zu verstehen scheinen, hat bereits Philoponus so geärgert,
130 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor auch Engel und Dämonen durch Himmel bzw. das Firmament (30–32). Dadurch, daß sein Angriff auf die christlichen Sphäriker ausgerechnet in diesem Argument gipfelt, erweist er sich somit bereits ganz zu Beginn des Werks als echter Theodorianer. Die Buch II einleitende ausführlichere Exposition des Eingangs bereits skizzierten kosmologischen Grundschemas knüpft insofern daran an, als zunächst eine ganze Latte von Schriftbelegen dafür geliefert wird, daß Himmel und Erde, nicht eine allumfassende Himmelskugel, als περιεκτικά der gesamten Schöpfung gelten müssen (6–11). Anschließend folgt eine ausführlichere Darlegung des Gegründetseins der Erde auf Nichts nach Hi 26,7 und Ps 103,5: In Luft, Feuer oder Wasser (die gegenläufigen Psalmstellen werden nicht diskutiert) würde sie als schwerere schlicht untergehen. Daß sie im Vakuum jedoch unbeweglich bleibt, wird durch ein drolliges Gedankenexperiment veranschaulicht: Je feinstofflicher das Medium ist, durch das ein Körper fällt, desto weniger Zeit verbraucht er. Wenn also die verbrauchte Zeit mit der Dichte des Mediums stetig abnimmt, kann ohne jedes körperliche Medium überhaupt keine Zeit mehr verbraucht werden und somit auch keine Bewegung stattfinden. Vielmehr besteht eine perfekte Balance zwischen dem Streben des Himmels nach oben und dem der Erde nach unten, welche sich gegenseitig aufheben, da beide fest miteinander verbunden sind – ein Gedanke, der an Ps.-Justins Schröpfkopf⁴⁰² erinnert (12–16). Diese feste Verbindung wird, zusammen mit der genauen Gestalt des Weltgebäudes, im Anschluß (17–19) auf der Basis von Hi 38,37 f. dargelegt: Wenn Gott den Himmel „wie einen Steinwürfel“ an die Erde „geklebt hat“, muß es sich um ein allseitig abgeschlossenes eckiges Gebäude mit (nach Jes 40,22) gewölbtem Dach, also ein Tonnengewölbe handeln, dessen Grundriß entsprechend der Präfiguration im Schaubrottisch⁴⁰³ rechteckig sein muß. In dieses Tonnengewölbe wird dann am zweiten Schöpfungstag exakt auf halber Höhe das Firmament als Zwischendecke aus gefrorenem Wasser eingezogen, welches nach dem beim Wort ‚Himmel‘ (shamajim) Singular und Plural nicht unterscheidenden Sprachgebrauch der Schrift oft zusammen mit dem ersten schlicht als „der Himmel“ angesprochen wird, am prominentesten in Jes 40,22, wo sich das Aufstellen wie ein Gewölbe auf den ersten, das Ausspannen wie ein Zelt jedoch (wie die exakte Parallele Ps 103,2 f.) auf den zweiten Himmel beziehen muß (20–23). Das Firmament gleicht dem ersten Himmel also „dem Aussehen, nicht der Form nach“ (καθ’ ὁμοιότητα τῷ εἴδει, οὐ τῷ σχήματι τοῦ πρώτου οὐρανοῦ), was am Ehesten wohl im Sinne einer flachen Zwischendecke zu interpretieren ist.⁴⁰⁴
daß er sie in einer eigenen, leider verlorenen Schrift diesbezüglich widerlegt hat, deren Grundgedanken aber wohl in De opificio I,16 f., wo er auch darauf verweist, noch greifbar sein dürften. 402 Vgl. o. Anm. 300. 403 Vgl. u. bei Anm. 411–15. 404 So zeigen es zumindest die dem Kosmastext beigegebenen Illustrationen. Hinsichtlich der genauen Form des Firmaments, gerade oder kuppelförmig von innen und/oder außen, scheint in der Tradition keine volle Klarheit zu herrschen (vgl. Anm. 49). Kosmas’ wohl etwas jüngerer Zeitgenosse Ahob Qatraya (zum Autor vgl. B. ter Haar Romeny, „Syriac biblical interpretation from Qatar: Ahob of Qatar“, in The Syriac Writers of Qatar in the Seventh Century [hg. M. Kozah; Piscataway 2014], 133–54) stellt hingegen unmißverständlich klar, daß das Firmament anders als der kuppelförmige erste Himmel flach sein
3.9 Die christliche Topographie
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Der Hauptteil des Buches exponiert die Geographie des Kosmas, zunächst in ihren Grundzügen (24–36): Der Okeanos, der die drei bewohnten Kontinente umgibt, trennt die Ökumene von den „Enden der Erde“, der aus der Henochtradition bekannten Basis des Himmels,⁴⁰⁵ in deren Osten – mit der syrischen Tradition und gegen das aus den griechischen ‚Antiochenern‘ bekannte⁴⁰⁶ – das Paradies liegt und welche Noah und seine Nachfahren bei der Sintflut verließen. Wie bei Ephraem ist der Okeanos also von Land umgeben, wenn auch nicht komplett vom Paradiesberg umringt,⁴⁰⁷ an Narsai erinnert die Theorie der unterirdischen Paradiesströme (81) und die dortige Lokalisierung des Zwischenzustands der gerechten Seelen (110; IX,18).⁴⁰⁸ Relativ originell erscheint jedoch die modifizierte Konzeption des Nordgebirges⁴⁰⁹: Für Kosmas soll die gesamte Erdoberfläche auf eine ganz bestimmte Art von Südosten nach Nordwesten ansteigen, so daß die Erhebung des Nordwestens die Sonne des Nachts verbirgt und den Wechsel von Tag und Nacht bewirkt, eine Theorie, deren hauptsächlich in 31–34 beschriebene Details im jetzigen Kontext in der Tat teilweise so unverständlich erscheinen, daß sie mit A. Kiessling einer deutlich ausgeklügelteren philosophischen Theorie einer geneigten Erdscheibe entnommen sein könnten.⁴¹⁰ Für Kosmas jedenfalls steuert alles auf das in 35 f. erstmals interpretierte Vorbild der Stiftshütte zu, genauer auf das Gegenüber von Schaubrottisch im Norden und Leuchter im Süden, was natürlich die rechteckige, vom Okeanosstrom (dem Wellenfries des Tisches) umgebene Erde symbolisiert, welche durch die (nach Koh 1,5 f.) von Ostern an ihrer flachen Seite entlangwandernden Gestirne von Süden beschienen wird.⁴¹¹ Daß dabei die Sonnenbahn im Winter langsam absinkt, so daß die Sonne länger hinter dem Nordberg verborgen wird, wird nicht explizit gesagt, dürfte aber einer der beigegebenen Miniaturen zu entnehmen sein.⁴¹² Daß Kosmas hingegen angesichts der Neigung der Erdscheibe und seinen Erwägungen zur Größe der Sonne auf der Basis muß, um die oberen Wasser zu halten (Cambridge, University Library, Oriental Ms. 1318, fol. 114r). Eine Edition der Ahob-Fragmente zum Psalter wird von Seth Stadel (Oxford) vorbereitet. 405 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 68. Nach S. Uhlig, „Kannte Kosmas Indicopleustes das astronomische Buch der Henochapokalypse?“, in XXIII. Deutscher Orientalistentag. Ausgewählte Vorträge (hg. E. v. Schuler; Stuttgart 1989), 62–75 läßt sich eine Vertrautheit des Kosmas mit der Henochtradition allerdings nicht nachweisen. 406 Vgl. Inglebert, Interpretatio christiana, 82–87: Gegen dessen transozeanischer Lokalisation in der Schatzhöhle und bei Ephraem betonen Theodoret und Severian die Unauffindbarkeit des (irdischen) Paradieses. 407 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 63. 408 Vgl. o. Anm. 358–61. 409 Dazu o. Anm. 140. 410 Vgl. „Ῥίπαια ὅρη“, 865–70. 411 Weiteres zur Stiftshüttensymbolik u. bei Anm. 439–53. 412 Vgl. B. Schleißheimer, Kosmas Indikopleustes. Ein altchristliches Weltbild (Diss. masch.; München 1959), 32 und o. zu Severian Anm. 72. Zu den Miniaturen vgl. jetzt eingehend M. Kominko, The world of Kosmas: illustrated Byzantine codices of the ‘Christian Topography’ (Cambridge/Mass. 2013), bes. 66–68.
132 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor von Gnomonschatten und Lichteinfallswinkel auch das Klima vom Einfallswinkel der Sonne abhängig machen soll, wie ihm Schleicher anhand von II,33 bescheinigt,⁴¹³ ist nicht auszumachen: Der Abschnitt wiederholt schlicht Theodors Exegese von Ps 74,7 mit der Unterscheidung von vier Klimazonen, den unbewohnbaren im Norden und Süden und den bewohnbar heißen bzw. kalten im Osten und Westen.⁴¹⁴ Sein Hauptaugenmerk richtet Kosmas auf besagte rechteckige Gestalt der Erde, welcher die geographischen Erörterungen und Digressionen in 37–82 vor allem gewidmet sind, bevor er in 83–102 wieder auf den Lauf der Gestirne zurückkommt, diesen durch den Dienst der ebenfalls unter das Firmament beschränkten Engel erklärt und diesen Dienst in seiner Endlichkeit und Abhängigkeit vom Schicksal der Menschheit heilsgeschichtlich einordnet.⁴¹⁵ Erst in 103–110 findet sich dann die direkte christliche Antwort auf die in Buch I aufgeworfenen Probleme paganer Kosmologie: Komplett suspendiert erscheint lediglich die Frage nach der Substanz des Himmels. Der Lauf der Gestirne wird sehr kurz, durch den Verweis auf deren intelligente Steuerung durch die Engel, abgehandelt (103), ebenso wie die Frage nach der Entstehung von Regen (105), Erdbeben (106), der Existenz von Antipoden (107) und leider auch der Begrenztheit von Engeln Dämonen und Seelen (108–110) rein schriftpositivistisch abgewürgt wird. Von gewissem Interesse ist die Auseinandersetzung mit der Elementarlehre, welche man als gemäßigtere Fassung dessen lesen könnte, was wir bei Eznik vorfinden werden:⁴¹⁶ Kosmas scheint hier zunächst die Existenz von Elementarsphären zuzugeben, allerdings mit der Einschränkung, daß diejenigen von Erde und Wasser sich aufgrund deren guter Vermischbarkeit überschneiden. Allerdings will er den Elementen je nur eine Qualität zugestehen und behauptet, die jeweils zweite sei nur aufgrund der guten Vermischbarkeit besonders von Luft und Wasser miteinander und den jeweiligen Extremen hinzugetreten, was vielleicht auch auf die bei Eznik vorgenommene Bestreitung einer Transformation der Elemente ineinander hinauslaufen könnte (104). Man kann sich somit des Eindrucks nicht erwehren, daß kosmographische Details hier in der Tat nur insofern interessieren, als sie dazu verwendet werden können, die heilsgeschichtliche Grundkonzeption der zwei Katastasen bzw. Habitate zu stützen oder in Frage stellen. So bietet auch das in III,12–49 präsentierte Hexaemeron kaum exegetische Details zur Stützung der Konzeption (nicht einmal die Physiologie der oberen Wasser⁴¹⁷ wird diskutiert), sondern konzentriert sich ganz auf die Leitidee der absoluten göttlichen Schöpfermacht, welche den Engeln als endlichen Geistern unter dem Firmament vermittelt werden soll. Noch eklatanter sticht dies in den später angehängten Büchern hervor, besonders im sechsten zum Umfang der Sonne und im neunten „über 413 414 415 416 417
Cosmographia, 252. Vgl. o. Anm. 21. Vgl. o. Anm. 149–60 und u. Topographia VII,48–58. Vgl. u. Kap. 4 Anm. 18. In X,27–29 wird sie aus Severian „nachgeliefert“ (vgl. u. Anm. 496).
3.9 Die christliche Topographie
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den Lauf der Gestirne“. Letzteres bietet eine fragmentarische biblisch-theologische Rechtfertigung des zwölfmonatigen Kalenders. Zunächst ist Kosmas hier sichtlich darum bemüht, gemeinhin akzeptierte astronomische Tatsachen, den Tierkreis und seine Zuordnung zum Jahreslauf als schriftkonform zu erweisen, gleichsam als Rechtfertigung seiner konsequent kosmographischen Lektüre der Schrift ex positivo (IX,4–12), um dann aber recht zügig auf eine rein angelologische Erörterung umzuschwenken und das Schriftzeugnis zu den Engeln als Gestirnsbewegern zu präsentieren (IX,13–28). Für seine Vorgehensweise noch lehrreicher ist jedoch das sechste Buch, welches zunächst seinen eigenen, teilweise durch eigene Messung des Gnomonschattens erarbeiteten „empirischen“ Beweis dafür präsentiert, daß die Sonne deutlich kleiner sei als die Erde und daher gut durch das Nordgebirge verborgen werden könne (VI,1–13). Was hier vorgetragen wird, ist in der Tat eine krude Mischung aus partieller, besonders auf Reisen nach Äthiopien gesammelter Eigenbeobachtung und Experiment (VI,2.8–10), Hörensagen (VI,3) und oberflächlicher wissenschaftlicher Lektüre (VI,4: Klimata; VI,7: Erdschatten).⁴¹⁸ Sein denkerischer Grundfehler scheint jedoch darin zu liegen, daß er sich die Erde nach paganer Vorstellung viel zu klein vorstellt, so daß die Erdrundung deutlich größere Varianzen im Gnomonschatten über die besagten Entfernungen hervorrufen müßte (VI,13). Auf diese Weise kann er die empirische Basis der gegnerischen Theorie im ersten Drittel des Buches abhaken, um die restlichen zwei Drittel darauf zu verwenden, erneut die theologische Bedeutung seiner kosmographischen Theorie, die Katastasenlehre einzuschärfen, und diese als Proprium des wahren Christentums gegenüber Paganismus, Manichäismus und paganisierender Häresie einerseits sowie Juden und Samaritanern andererseits herauszuarbeiten: Wer nicht um die zwei Kammern bzw. Stadien der Schöpfung weiß, ist schlicht kein Christ (VI,34).⁴¹⁹ Es sind also immer die theologischen Leitideen, welche den Gesamtduktus der Argumentation sowie die Eckdaten der Konzeption vorgeben, hauptsächlich die im zweiten Buch in Form der Stiftshüttentypologie und der heilsgeschichtlichen Einordnung des Engeldienstes präsente Lehre von den zwei Katastasen. Dabei scheint Kosmas einerseits ähnlich wie Eznik von syrisch-archaisierenden Traditionen beeinflußt, erweist sich aber andererseits, wie im Folgenden noch näher aufzuweisen sein wird, immer wieder als Schüler Theodors. Insgesamt scheint somit seine hauptsächliche Leistung darin zu bestehen, die verschiedenen exegetischen Impulse der antiochenischen Lehrer zu einem ansatzweise kohärenten kosmographischen System auf der Basis einschlägiger archaisierender wissenschaftlicher Traditionen (Erdscheibentheorie) zu synthetisieren.
418 Ähnlich kompromittierend für seine Kompetenz im Umgang mit wissenschaftlicher Literatur wie sein „Nagelexperiment“ zur Widerlegung des konischen Erdschattens ist auch XII,2.7, wo er der Überzeugung Ausdruck verleiht, Proklos’ Timaioskommentar widme sich authentischen Schriften des Timaios Lokros (anstatt des gleichnamigen Platondialogs) und den berühmten Satz des ägyptischen Priesters an Solon (Tim 22b) einem Salomon in den Mund legt. 419 Gut theodorianisch (vgl. o. Anm. 154) wird mit 1Kor 4,9 festgehalten, daß dies für Menschen und Engel gilt.
134 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor 3.9.2 Zur Theologizität der Topographie Diese Einschätzung der Leitfunktion der Theologie in der Topographie steht dem Bild, das Wanda Wolska von dem von ihr intensiv studierten und edierten Autor zeichnen wollte, besonders in einer Hinsicht entgegen. Ihr zufolge soll ausgerechnet das voluminöse fünfte Buch, welches von der Beschreibung der Stiftshütte anhebend die theologische Untermauerung für die kosmotheologische Katastasenlehre bietet, nicht vom selben Autor stammen, sondern von einem anderen, weniger kosmologisch interessierten Theologen, wohl ebenso wie Kosmas aus dem Zirkel um Mar Aba.⁴²⁰ Diese Hypothese entstand wohl zunächst aufgrund der bedeutenden textlichen Überschneidungen zwischen Topographia V, dem Chronicon paschale und den Vitae prophetarum in der sogenannten Ps.-Dorotheus-Rezension, welche den Text als der Topographie heterogene Kompilation erweisen sollen.⁴²¹ Obgleich sie nicht wirklich zu unserer hauptsächlich aufgrund der ersten beiden Bücher geäußerten Einschätzung des Autoren zu passen scheint, hätte sie dennoch auch im vorliegenden Zusammenhang eine gewisse Attraktivität, weil sich so etwas mehr über die Konsensfähigkeit der Thesen der Topographie innerhalb der theodorianisch geprägten Christenheit sagen ließe. Um sie allerdings qualifiziert beurteilen zu können, muß man doch etwas weiter ausholen und zunächst einen Blick auf die literar- und überlieferungsgeschichtlichen Verhältnisse der besagten drei Texte werfen. 3.9.2.1 Topographie, Chronicon paschale und Ps.-Dorotheus In der Tat wird seit Theodor Schermann davon ausgegangen, daß die Zusammenstellungen christologischer Weissagungen in Topographia V,140–74 aus einer einem Dorotheus v. Tyrus zugeschriebenen christlichen Rezension der frühjüdischen Prophetenviten⁴²² übernommen wurde, welche diesen Viten den jeweils auch in der Topographie vorfindlichen Weissagungskatalog vorschalte, wobei allerdings die Topographie – im Gegensatz zum entsprechenden Abschnitt im Chronicon paschale – die eigentliche Vita durch die für sie typischen παραγραφαί, kleine Exkurse, die das Wesentliche nochmals herausstreichen, ersetze.⁴²³ Erst das Chronicon paschale habe dann, unter Benutzung sowohl des Ps.-Dorotheus als auch (der Quelle) des Kosmas beides wieder vereint.⁴²⁴ 420 Zum Verhältnis des Topographen zu seinem Lehrer sowie den Zeugnissen für dessen in Lehre bei anderen ostsyrischen Autoren vgl. V. Berti, „Mar Aba the Great on Exodus: Fragments from the Commentary of Ishoʿdad of Merv and the Christian Topography of Cosmas Indicopleustes“, Cristianesimo nella storia 38 (2017), 27–50. 421 La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleustès: théologie et science au VIème siècle (Paris 1962), 98. Daß die Abhängigkeitsverhältnisse keineswegs eindeutig so sind, wie Wolska annimmt, sieht auch Uthemann, „Kosmas“, 529. 422 Vgl. A. M. Schwemer, Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae Prophetarum, Bd. 1 (Tübingen 1995), 15 f. 423 Vgl. Prophetarum vitae fabulosae, hg. Th. Schermann (Leipzig 1906), XX: „Cosmas auctor locorum messianicorum non est, cum ab alio praedecessore singula scripturae loca desumpserit et parvis commentaticiis notis adornaverit“. 424 Chronicon paschale, hg. L. Dindorf, Bd. 1 (Bonn 1832), 274–302.
3.9 Die christliche Topographie
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Das fundamentale Problem bei dieser Hypothese ist nun, daß wir uns über Gestalt und Datierung des sogenannten Ps.-Dorotheus keineswegs so sicher sein können, wie Schermann behauptet. In der handschriftlichen Überlieferung wurde ein möglicher authentischer Ps.-Dorotheus nämlich fast völlig durch die Dorotheusbearbeitung eines Prokopios verdrängt, welcher dabei gewesen sein will, als Papst Johannes I. bei seinem Besuch in Konstantinopel (525) aufgrund der Apostelkataloge des Dorotheus das höhere Alter des konstantinopolitanischen Stuhls gegenüber dem römischen eingeräumt habe⁴²⁵ – eine offensichtliche Fälschung, wahrscheinlich des neunten Jahrhunderts.⁴²⁶ Deren authentischere Vorform soll nach Schermann in einem Wiener Kodex des 13. Jahrhunderts (Vindobonensis theologicus gr. 40) greifbar sein,⁴²⁷ wo der Prolog über Dorotheus als Übersetzer und Autor der Apostel- und Prophetenkataloge in leicht abgewandelter Textgestalt den Katalogen der zwölf und der siebzig, allerdings in der sonst Epiphanius zugeschriebenen Rezension, den Vitae prophetarum und schließlich einer Liste der Patriarchen Konstantinopels von Andreas bis Kosmas I. († 1081) vorangestellt ist.⁴²⁸ Obwohl in der Prokopfassung die im Proömium angekündigten Prophetenviten nicht geboten werden, scheint mir alles in allem doch mehr dafür zu sprechen, die gesamte Dorotheusfiktion dem (Ps.-)Prokopios selbst zuzuschreiben, liegt deren Kern doch in der Mehrsprachigkeit des Heiligen, welche, wohl ursprünglich durch Eusebs Notiz über die Hebräischkenntnisse eines antiochenischen Presbyters inspiriert),⁴²⁹ sich im vorliegenden Kontext jedoch gerade auf das Lateinische erstrecken und so (mindestens bei Prokop) den Dorotheus als Autor lateinischer Dokumente zur Alterspriorität Konstantinopels in Rom plausibilisieren soll, welche Prokop dann ins Griechische übertragen habe.⁴³⁰ Nimmt man die Tatsache hinzu, daß das auffälligste Alleinstellungsmerkmal des Textes der Prophetenviten in der Wiener Handschrift in einer späten Hinzufügung über das Grab Sacharjas aus Sozomenos liegt,⁴³¹ dürfte man sich be-
425 Hg. Schermann, 151 f. Vgl. jetzt auch F. Dolbeau, „Une liste latine de disciples et d’apôtres traduite sur la recension grecque du Pseudo-Dorothée“, Analecta Bollandiana 108 (1990), (51–70) 51–54. 426 So auch Schermann, Vitae, XLIf. 427 Dem notorisch unzuverlässigen Apparat Schermanns zufolge kann die 1557 erschienene Übersetzung des Musculus (Ecclesiasticae Historiae autores [Basel 1557], 806–19) nicht auf der Basis dieser Handschrift selbst erstellt sein, welche wohl auch erst in den 1560er Jahren durch Ogier de Busbecq von Konstantinopel nach Wien kam, muß aber kurioserweise, wie schon Lambeck in seinem Katalog der Wiener Handschriften feststellte, auf einer direkt mit dieser verschwisterten basieren (Commentarii de Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi, Bd. 3 [Wien 1776], 431–33 Anm.). 428 Vgl. H. Hunger/O. Kersten, Katalog der griechischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek 3,1: Codices theologici 1–100 (Wien 1976), 78. 429 Historia Ecclesiastica VII, 32,2 f. (GCS NF 6/2, 716 f.). 430 Hg. Schermann, 132 mit 143. 431 Vgl. Schwemer, Prophetenlegenden II, 173. Wie durch Schwemers Snyopse (II, 3*-76*) schön deutlich wird, zeichnet der Text sich ansonsten nicht nur durch kleinere klärende Hinzufügungen (Hes 15: καὶ εἶπεν τὰ ἐν τῷ νάῳ γινόμενα; Dan 15: ὡς ἦν τὸ πρὶν; Nah 3: καὶ ἀπώλεσε), sondern auch größere
136 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor rechtigt sehen, Schermanns Einschätzung dieser Rezension, welcher sie besonders aufgrund der Kürze in den Viten der kleinen Propheten für alt und zuverlässig hielt,⁴³² grundsätzlich zu überdenken: Wäre die Kombination mit den christologischen Testimonien nicht viel besser zu erklären, wenn das Chronicon paschale, dem sowohl Topographia V als auch eine gängige Rezension der Prophetenviten ohne Testimonien vorlag, beides vereint, und diese Synthese später durch einen Prokopiosbearbeiter ein wenig aus der Vitentradition „aufgebessert“⁴³³ und in die Ps.-Dorotheus-Sammlung des Wiener Kodex integriert wurde? Das stärkste Indiz dafür innerhalb der Prophetenviten gibt m. E. die Eliavita. Deren erster, „christologischer“ Teil ist im Chronicon Paschale ganz wie in Topographia V den kleinen Propheten vorangestellt, bevor dann im Anschluß an die großen Propheten, wo die Entsprechungen zu Kosmas abbrechen, der zweite Teil, also die aus der Vitae prophetarum-Tradition bekannte Vita, nachgeschoben wird.⁴³⁴ Während die christologischen Abschnitte zu den anderen Propheten in der Tat hauptsächlich Testimonien aus dem jeweiligen Buch über Christus (sowie etwaige Bezugnahmen im NT) auflisten und damit ein wenig aus Kontext in Topographia V herausstechen, lesen wir zu Elia einen Hymnus auf den ersten Menschen, der den Weg in den Himmel fand, und Vorläufer der zweiten Ankunft Christi, welcher formal wie inhaltlich relativ genau dem entspricht, was wir im Anschluß an die Prophetentestimonien über den Vorläufer der ersten Ankunft Jesu hören, im ähnlich hymnischen Abschnitt über Johannes den Täufer (V, 175). Wenn sich im Chronicon paschale und bei Ps.-Dorotheus also nur der erste Teil dieses relativ sicher zusammengehörigen Rahmens für die Prophetentestimonien findet, ist ihr ursprünglicher Ort ziemlich sicher bei Kosmas, nicht in der wahrscheinlich viel später auf der Basis des Chronicon zusammengestellten Ps.-Dorotheus-Rezension zu suchen.⁴³⁵ Daß Wolska zwar gesehen hat, daß das Chronicon direkt aus Topographia V schöpft,⁴³⁶ den letzten Schritt einer gänzlichen Umkehrung der Abhängigkeitsverhältnisse jedoch nicht gehen wollte, liegt m. E. hauptsächlich an den ständigen Unschärfen im thematischen Fokus des Buches, welche einerseits immer wieder zu literarkritischen Hypothesen einlädt, deren umfassende Begründung andererseits aber auch sekundäre Eingriffe aus, etwa in Jer 6 (λαιὰν γὰρ λέγουσι πᾶν εὐώνυμον > λαλίαν γὰρ ἔχουσιν ἡδυτάτην καὶ πανευώνυμον) und, mit christlichem Einschlag, Hes 16 (καὶ εἰς αὐτὸν ἐλπιοῦσι πάντα τὰ ἔθνη) und Dan 21 (χαρὰ ἐκχυθήσεται > πνεύματος χάρις ἐπὶ γῆς ἐκχυθήσεται). 432 Vgl. Schwemer, Prophetenlegenden I, 16. 433 Im ebenfalls nur uno codice greifbaren Chronicon paschale fehlen am Schluß die vier kurzen Viten Nathans, Achias, Joads und Asarjas (hg. Dindorf I, 302 vgl. hg. Schermann, 54 f.). 434 Hg. Dindorf I, 274 f. (= Topographia V,140) und 301 (= hg. Schermann, 53). 435 Auch die fast standardisierte Einleitungsfloskel οὗτος ὁ X ὁ(ς) ἀξιωθεὶς/ἠξιώθη (προ)ειπεῖν deutet viel eher auf Kosmas als ursprünglichen Kontext, da sie nicht nur auf die dort jeweils vorausgehende Illustration verweist, sondern auch sonst bei Kosmas immer wieder in ähnlichem Kontext vorkommt (vgl. III,67; V,67.88.123 und etwas anders V,66.120 f.127). 436 SC 141, 86–93.
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sehr erschwert: Daß der kosmologische Fokus, welcher in V,245–47 (nach Wolska einer Interpolation des Kosmas⁴³⁷) so klar herausgestrichen wird, über weite Strecken völlig zurücktritt und deutlich andere Interessen stattdessen in den Vordergrund zu treten scheinen, ist ein durchgehendes Merkmal des ganzen Buches, welches sich sowohl in der herausstechenden Gestalt der Prophetentestimonien, als auch in besagtem Eliaabschnitt manifestiert, wo dessen Himmelfahrt überraschenderweise ganz ohne konkrete kosmographische Bezüge figuriert.⁴³⁸ Wir werden also im Anschluß eine ebenso umfassende wie detaillierte literarkritische Analyse versuchen müssen, um fundiert darüber entscheiden zu können, inwiefern Wolskas Versuch, innerhalb dieser Fülle von Material eine konkrete Quellenschrift zu identifizieren, überhaupt erfolgversprechend sein kann. 3.9.2.2 Zu Struktur und Funktion von Topographie V Schon in der die ursprünglichen fünf Bücher der Topographie vorstellenden Hypothesis muß ein gewisser Appendixcharakter des fünften Buches auffallen: Wenn Buch I die Kosmologie der Heiden widerlegen, Buch II diejenige der christlichen Autoritäten darlegen, Buch III deren Wahrheitsanspruch untermauern und Buch IV die Gesamtkonzeption anschaulich zusammenfassen und bildlich darstellen soll, erscheint es wie eine Dublette zu Buch III, wenn in V wiederum dargelegt werden soll, daß die Christen keinen selbsterfundenen Mythen folgen, sondern vielmehr der göttlichen Offenbarung, und zwar in doppelter Hinsicht: erstens insofern Mose das Urbild der Welt auf dem Sinai geschaut hat, nämlich die Stiftshütte mit den zwei Bereichen, welche durch das vom auferstandenen Jesus erstmalig durchschrittene Firmament voneinander geschieden sind,⁴³⁹ zweitens insofern von Adam bis Moses, von Moses bis Johannes dem Täufer, und seit Johannes von allen Aposteln einhellig nur diese beiden Katastasen verkündet wurden und keine weitere.⁴⁴⁰ Wenn dann im Anschluß noch lang und breit auf die
437 Topographie, 102. 438 Topographia V,140 (SC 159, 203): Οὗτος ᾿Ηλίας, ὁ πρῶτος ἀνθρώπων τοῖς ἀνθρώποις ὑποδείξας οὐρανοδρομεῖν, ὁ πρῶτος ἀνθρώπων ὑποδείξας ἀγγέλων καὶ ἀνθρώπων μίαν ὁδόν, ὁ τὴν γῆν λαχὼν οἰκητήριον καὶ τὸν οὐρανὸν ἀθρόον διατρέχων, ὁ θνητὸς ὑπάρχων καὶ τοῖς ἀθανάτοις ἁμιλλώμενος, ὁ χαμαὶ βαδίζων καὶ ὡς πνεῦμα μετὰ ἀγγέλων οὐρανοπορῶν. 439 Hypothesis 6 (SC 141, 267 f.): Εἶτα πάλιν πρὸς τὸν αἰτησάμενον τὰς χριστιανικὰς ὑποθέσεις ὁ πέμπτος λόγος ἐγένετο, δηλῶν ὡς οὐχ ἑαυτοῖς πλασάμενοι, οὔτε νέους μύθους ἐφευρηκότες εἰρήκαμεν ἢ διεγράψαμεν, ἀλλ’ ἐξ ἀποκαλύψεως καὶ προστάξεως Θεοῦ τοῦ τὸν κόσμον δημιουργήσαντος, θεωρήσαντες τὸ ἐκμαγεῖον τοῦ παντὸς κόσμου, τὴν σκηνὴν λέγω τὴν ὑπὸ Μωϋσέως κατασκευασθεῖσαν, ἣν καὶ ἡ Νέα συμφώνως ἐκτύπωμα παντὸς τοῦ κόσμου αὐτὴν ἔφησεν εἶναι, ἣν καὶ διελὼν ὁ Μωϋσῆς διὰ τοῦ καταπετάσματος τὴν μίαν εἰς δύο πεποίηκε, καθάπερ καὶ ὁ Θεὸς ἐξ ἀρχῆς τὸν χῶρον τὸν ἕνα, τὸν ἀπὸ τῆς γῆς ἕως τοῦ οὐρανοῦ, διὰ τοῦ στερεώματος διεῖλεν εἰς δύο χώρους· ἐν τῇ σκηνῇ ἡ ἐξωτέρα καὶ ἐσωτέρα, ἐνταῦθα κατώτερος καὶ ἀνώτερος χῶρος· ὁ κατώτερος μέν ἐστιν ὁ κόσμος οὗτος, ὁ ἀνώτερος δὲ ὁ μέλλων κόσμος, ἔνθα καὶ ὁ Δεσπότης Χριστὸς κατὰ σάρκα ἐκ νεκρῶν ἀναστὰς πρῶτος πάντων ἀνελήλυθε, καὶ οἱ δίκαιοι μετὰ ταῦτα πάλιν ἀνελεύσονται. 440 Hypothesis 7 (SC 141, 269): Καὶ ὅτι ἀπὸ τοῦ Ἀδὰμ μέχρι Μωϋσέως, καὶ ἀπὸ Μωϋσέως ἕως Ἰωάννου, καὶ ἀπὸ Ἰωάννου πάντες οἱ ἀπόστολοι καὶ εὐαγγελισταί, συμφώνως πάντες καὶ διὰ λόγων καὶ διὰ
138 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Illustrationen des fünften Buches und deren verdeutlichende Funktion für die Katastasenlehre hingewiesen wird, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der Leser solle durch die längliche Einführung auf die bisweilen kaum in ihrer Sinnhaftigkeit durchschaubare Ausführlichkeit der Darlegungen von Buch V vorbereitet werden. Dieses scheint zunächst noch ganz bündig an das in IV,25 nochmals gegebene Versprechen einer διαγραφὴ τῆς σκηνῆς anzuknüpfen, indem es ankündigt, „dessen Beschreibung durchzuführen, wie wir sie übernommen haben von dem göttlichsten Lehrer aus der heiligen Schrift, angefangen bei ihrem Auszug aus Ägypten, als die Erstgeborenen der Ägypter starben…“ (V,1). Anschließend folgt allerdings zunächst eine relativ seichte, mit sehr unspezifischer christologischer Typologie durchsetzte Nacherzählung von Exodus und Wüstenwanderung (1–19), bevor Mose dann endlich vom Berg herabsteigt und die Stiftshütte beschrieben, aber, sieht man von dem Verweis auf Hbr 9 in 21 ab, nicht gedeutet wird (20–24). Diese Beschreibung wird in 25–29 durch zwei παραγραφαὶ unterbrochen, von denen die zweite (27–29) die kosmographische Deutung auf der Basis von Hbr 9 erstmals umreißt: Wie der Vorhang der Stiftshütte teilt das Firmament zwei Weltbereiche, den irdischen mit Leuchter, Tisch und Schaubroten, hier gedeutet auf Gestirne, Erde und Feldfrüchte,⁴⁴¹ und den himmlischen, in den Jesus als Hohepriester eingegangen ist. Die folgenden zwei, die Ausstattung der Stiftshütte näher beschreibenden Paragraphen schließen jedenfalls direkt an 24 an und leiten zur detaillierteren Ausdeutung des Inventars über, wobei überraschender Weise im Wesentlichen nur wiederholt wird, was bereits in II,36 und III,51 f. ausgeführt worden war und weitere Präzisierungen zu Leuchter und Schaubrottisch dem neunten Buch (1.8–11) vorbehalten werden: Den Anfang macht hier jedenfalls der Leuchter. Beide traditionelle Deutungen vereinigend⁴⁴² steht dieser sowohl für die sieben Planeten als auch die Wochentage, ähnlich wie bei Narsai⁴⁴³ befindet er sich im Süden des Vorhofs, da die Sterne nach ihrem Aufgang im Osten mit Koh 1,5 f. zunächst nach Süden wandern und auf die von ihnen aus gesehen nördliche Erde scheinen (33). Wie anschließend näher beschrieben, wird diese durch den – als rechteckiges Symbol der Erdplatte ja für Kosmas Geographie absolut fundamentalen⁴⁴⁴ – Schaubrottisch repräsentiert, dessen zwölf Brote auf die zwölf Monate, und dessen vier Ecken auf die vier Jahreszeiten deuten, wie schon
τύπων ἐξεῖπον περὶ τῶν δύο τούτων καταστάσεων, καὶ ὅτι οὐδεὶς αὐτῶν διεφώνησεν, οὔτε πρὸ ταύτης εἰπὼν ἑτέραν, οὔτε μετὰ τὴν δευτέραν τρίτην ὑποθέμενος, ἀλλὰ πάντες ὡς ἐξ ἑνὸς θείου Πνεύματος ἐμπνευσθέντες τὰς δύο μόνας καταστάσεις ἐξεῖπον. 441 Topographia V, 27 (SC 159, 51): Ὁ Ἀπόστολος οὖν τὴν ἐξωτέραν τοῦ κόσμου τούτου τύπον ἐξεῖπε λέγων οὕτως· ‚Εἶχε μὲν γὰρ καὶ ἡ πρώτη δικαιώματα λατρείας, τό τε ἅγιον κοσμικόν· σκηνὴ γὰρ κατεσκευάσθη ἡ πρώτη, ἐν ᾗ ἥ τε λυχνία καὶ ἡ τράπεζα καὶ ἡ πρόθεσις τῶν ἄρτων, ἥτις λέγεται Ἅγια’, ὡσανεὶ τύπον ἐπέχει τοῦ κόσμου τούτου, ἐν ᾧ ἐστιν ἡ γῆ καὶ οἱ καρποὶ καὶ οἱ φωστῆρες. 442 Vgl. o. bei Anm. 246–51. 443 Vgl. o. Anm. 356. 444 Vgl. o. bei Anm. 414 f.
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bei Theodor⁴⁴⁵ und Narsai.⁴⁴⁶ Die auch in Topographia II,36 und III,52 vorgetragene Deutung der wellenförmigen Zierleisten auf den Okeanosstrom und des Zierkranzes (Ex 25,25) auf das Land jenseits davon (34), begegnet in dieser Form bei keinem bekannten antiochenischen Autor, wird aber in anderer Rücksicht bereits von Clemens antizipiert.⁴⁴⁷ Nur hier in der Topographie begegnet der wiederum ganz traditionelle Bezug des vierfarbigen Gewebes des Vorhangs auf die Elemente (35),⁴⁴⁸ sowie der in einer gewissen Spannung zu bislang bekannten antiochenischen Deutungen⁴⁴⁹ stehende Bezug des ἱλαστήριον auf die menschliche Natur Christi aufgrund von Rm 3,25 (36). Nach einer Illustration der Abbildungen auf dem ἱλαστήριον wird dann die Beschreibung der Stiftshütte wieder aufgenommen, indem die Eingangsostung des Hofes zunächst dargelegt (39 f.) und anschließend merkwürdig unterbestimmt kosmologisch ausgedeutet wird: Wie der Mensch von Osten die Welt betrat und sich langsam nach Westen ausbreitete, soll auch die Tür des Heiligtums im Osten, das Allerheiligste als der Himmel, den der Mensch zuletzt betritt, jedoch im Westen stehen (41 f.), woraus sich auch der Unterschied in der Gebetsrichtung zwischen Christentum und Judentum ergibt (43 f.). Darauf folgt schließlich eine Beschreibung des Hohepriestergewandes (45–47) gefolgt von einer recht unentschlossenen Ausdeutung hauptsächlich der Brustplatte auf die zwölf Stämme einer- und die gesamte Menschheit andererseits, bevor die Thematisierung der Wüstenwanderung durch mehrere supplementäre Klärungen zum Abschluß gebracht wird (48–55). Der Passus zur Landnahme (56–65) bildet das Scharnierstück zwischen den beiden großen, in der Hypothesis angekündigten Teilen des Traktats, der Stiftshüttenbeschreibung und des Prophetenkatalogs. Israels Einnahme desjenigen Landes, in dem es den Erlöser erwartet, wird hier relativ geschickt zum Anlaß genommen, die Frage nach dem Sinn der Gesetzgebung und der göttlichen Ökonomie insgesamt zu thematisieren: Ganz im Geiste Theodors und des ostsyrischen Theodorianismus⁴⁵⁰ wird dabei die Erziehung des (Engels- und) Menschengeschlechts als grundlegendes göttliches rationale dargestellt, von Anfang an zwei Zustände zu schaffen, einen veränderlichen, in dem der endliche Geist durch Wohl und Wehe reifen soll, um sich auf diese Weise bewußt für den kommenden, unveränderlichen entscheiden zu können.⁴⁵¹ Die Verbindung des 445 Vgl. o. Anm. 190. 446 Vgl. o. Anm. 357. 447 Stromata VI, 11.87,4 (GCS 15, 475): γῆς δ’, οἶμαι, εἰκόνα ἡ τράπεζα δηλοῖ, τέσσαρσιν ἐπερειδομένη ποσί, θέρει, μετοπώρῳ, ἔαρι, χειμῶνι, δι’ ὧν ὁδεύει τὸ ἔτος. διὸ καὶ κυμάτια στρεπτά φησιν ἔχειν τὴν τράπεζαν, ἤτοι ὅτι περιόδοις καιρῶν κυκλεῖται τὰ πάντα, ἢ καὶ τάχα τὴν ὠκεανῷ περιρρεομένην ἐδήλου γῆν. 448 Vgl. o. Anm. 254. 449 Theodor und Theodoret deuteten die Cherubim auf der Lade auf die Präsenz der Engel (o. Anm. 190 und 244), Narsai auf das ewige Leben (nach Anm. 362). 450 Die Parallelen besonders zu Thomas v. Edessa und Guiwarguis wurden von Wolska, Topographie, 74–85 eingehend besprochen. 451 Vgl. bes. V,59 (SC 159, 95): Πρῶτον δὲ ὁρίσας ταύτην τὴν κατάστασιν, ἐν ᾗπερ καὶ παιδευτηρίῳ χρησίμῳ χρησάμενος πρὸς τὸ ἡμῖν συμβαλλόμενον, θνητήν τε καὶ τρεπτὴν ἀπειργάσατο πρὸς
140 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Todes mit der Sünde Adams ist dabei ein rein pädagogisches Abschreckungsmittel,⁴⁵² welches für die Botschaft vom neuen Menschen Jesus den Weg bereiten soll, dem Erstling der unveränderlichen Katastase, deren Ort von Gott bei Grundlegung der Welt nach dem Vorbild der Stiftshütte festgelegt wurde.⁴⁵³ Da das Volk Israel im verheißenen Land die Mehrzahl der Prophezeiungen auf den verheißenen Christus empfangen hat, soll nun im Anschluß „jeder der Ältesten und Propheten“ beschrieben werden, „damit er seine Botschaft kund mache als einer, der über das Kommen des Herren Christus zu sprechen gewürdigt war, sei es durch Worte oder Taten“ und somit klar werde „welches Ziel die gesamte göttliche Schrift von Anfang bis Ende verfolgt“ (66). Es geht also zunächst um ein Zusammentragen der klaren, am besten vom NT sanktionierten, Christusbezüge, besonders im Wort, aber auch in der Tat, was natürlich schon aufgrund der biblischen Vorgaben für die einzelnen Personen sehr unterschiedlich ausfallen muß. Dennoch scheinen hin und wieder auch anders gelagerte inhaltliche Interessen die Darstellung zu bestimmen. So haben besonders die folgenden Abschnitte zu Adam und Eva, Abel, Henoch und Noah (67–94) eine überraschend klare theologische Intention, welche in immer wieder eingestreuten παραγραφαὶ überdeutlich expliziert wird: Der Tod ist für sich genommen keine Sündenstrafe (οὐ κατ᾿ ὀργήν), sondern gehört ganz natürlicherweise zum vergänglichen Zustand, wo er nicht nur als Abschreckungsmittel dient, sondern auch als erlösende Gnade,⁴⁵⁴ wobei wiederum überraschen muß, daß weder die Entrückung τὸ δύνασθαι ἡμᾶς διακριτικῇ καὶ λογικῇ ἕξει τῶν καλῶν τὴν μετουσίαν κτᾶσθαι, τῶν δὲ κακῶν ἀποστρέφεσθαι. Διὸ καὶ ἡδέα καὶ λυπηρὰ ἔχει ἡ νῦν κατάστασις, ἵνα καθ’ ἑκάστην ἐν αὐτοῖς ἀναστρεφόμενοι τὰ μὲν φεύγωμεν. Die Parallele in VII,75 f. erklärt etwas ausführlicher, daß der Mensch als endlicher Geist durch Erfahrung des Gegenteils das Heil „erlernen“ muß, da er es andernfalls automatisch-unbewußt hätte, wie Tiere und Pflanzen. Interessanterweise fehlt Theodors Schlagwort παράθεσις (vgl. etwa zu Rm 11,5 [Staab, Pauluskommentare, 156 f.]) in den beiden ausführlicheren Erörterungen, taucht jedoch in der kurzen Zusammenfassung in VI,29 auf (SC 197, 45 f.): Ἅπας οὖν ὁ σκοπὸς τῆς οἰκονομίας τοῦ Θεοῦ οὗτός ἐστι· δεῖ γὰρ ὡς ἐν ἀνακεφαλαιώσει συντομώτερον αὐτὸν ἐξειπεῖν· ἠβουλήθη ἐξ ἀγαθότητος ἑτέροις μεταδοῦναι τοῦ εἶναι, δυνάμεώς τε καὶ λόγου καὶ γνώσεως· ἐπειδὴ δὲ οἱ ἐκ μετοχῆς τούτων τυγχάνοντες ἀδυνάτως ἔχουσιν ὑφ’ ἓν γνῶναι καὶ ἔχειν πάντα—ἐπείπερ τοῦτο μόνον ἴδιον Θεοῦ, τὸ δίχα μαθήσεως καὶ πείρας ταῦτα πάντα εἰδέναι, αὐτόχρημα ὢν καὶ δύναμις καὶ λόγος καὶ γνῶσις, γενητῶν δὲ τὸ ἐκ τοῦ πεποιηκότος μετέχειν τούτων ἁπάντων—, πεποίηκεν ἅμα τὰς δύο ταύτας καταστάσεις, τὴν πρώτην μὲν θνητὴν καὶ τρεπτὴν πείρας ἕνεκα καὶ παιδεύσεως τῶν λογικῶν, ἵνα τῇ ποικιλίᾳ τοῦ παντὸς καὶ τῇ παραθέσει τῶν ἐναντίων γυμναζόμενοι πειραθῶμεν ἡδέων καὶ λυπηρῶν, τὴν δευτέραν δὲ ἀθάνατον καὶ ἄτρεπτον εἰς ἀπόλαυσιν τῆς χάριτος αὐτοῦ, πρὸς τὸ διακριτικῇ ἕξει, λόγῳ καὶ πείρᾳ καὶ γνώσει, τῶν καλῶν παραθέσει, τῶν πρώτων τὴν μετουσίαν δέξασθαι ἡμᾶς. 452 Vgl. Topographia V,60 (SC 159, 95): Ἐπιρρίπτει τοίνυν ὁ Θεὸς σοφῶς, καὶ πάνυ σοφῶς, τῇ ἁμαρτίᾳ τοῦ πρωτοπλάστου ἀνθρώπου τὸν θάνατον, ὡς κατ’ ὀργήν, ἵνα μισητὴν αὐτῷ ταύτην ἀπεργάσηται. 453 Topographia V,64 (SC 159, 99): Οὗτος ὁ σκοπὸς πάσης τῆς θεοπνεύστου Γραφῆς, Παλαιᾶς τε καὶ Καινῆς Διαθήκης, καὶ ὅτι κατὰ τὸν τύπον τῆς σκηνῆς, τῆς ἐν τῇ ἐρήμῳ ὑπὸ Μωϋσέως κατασκευασθείσης, δύο χώρους πεποίηκεν ὁ Θεὸς τὸν σύμπαντα κόσμον, λέγω δὴ τοῦτον τὸν κόσμον, ἐν ᾧ θνητοὺς καὶ τρεπτοὺς ὡς ἐν παιδευτηρίῳ ἐδοκίμασε πρῶτον ἡμᾶς διάγειν καὶ πεπειρᾶσθαι λυπηρῶν τε καὶ ἡδέων· χωρὶς γὰρ παιδείας ἀμήχανον μάθησιν γενέσθαι. 454 Topographia V,89 (SC 159, 135: πρὸς ὠφέλειαν καὶ παιδείαν καὶ παῦλαν τῆς ἐνταῦθα μοχθηρᾶς ζωῆς).
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Henochs (82) noch die Beschreibung von Sintflut und Arche (85) in irgendeiner Weise kosmologisch präzisiert oder als Beleg für die einschlägigen Theorien herangezogen werden.⁴⁵⁵ Nachdem das Thema Tod durch eine ausführlichere Noah-Christustypologie zum Abschluß gebracht wurde (92–94), folgen Melchisedek und die Patriarchen, welche nun allerdings noch unspezifischer zum Symbol Christi bzw. der mit ihm begonnenen zweiten Katastase gemacht werden, ohne dies in irgendeiner Form im Rahmen der kosmologischen oder heilsgeschichtlichen Grundkonzeption zu präzisieren⁴⁵⁶ (95–110), was auch bei Mose (111–115) lediglich im Rückverweis auf die bereits wiederholt in der Topographie gegebenen Auslegungen der Stiftshütte,⁴⁵⁷ sowie dem Postulat einer Entsprechung zwischen verheißenem Land und τῶν οὐρανῶν οἰκητήριον (114) geschieht. Die Richter- und frühe Königszeit scheint für unseren Autoren ganz von der Gestalt Davids dominiert, dessen Psalter und seinen Auslegungsproblemen er im folgenden längere Digressionen widmet (116–39), natürlich mit dem Fokus auf Theodors vier messianische Psalmen (2, 8, 44, 109), wobei gerade anläßlich der Behandlung der sessio ad dextram in letzterem wiederum der Verzicht auf kosmographische Präzisierungen auffallen muß.⁴⁵⁸
455 Soweit ich sehe, findet sich eine einschlägige kosmologische Deutung der Arche erst bei den Ostsyrern des achten Jahrhunderts: Joseph Hazzaya trägt in § 167 seines Werks über die Providenz eine auf die drei Decks der Arche hin modifizierte Fassung der theodorianischen Habitatkosmographie vor (On Providence, hg. N. Kavvadas [Leiden/Boston 2016], 177: „Although the ark was [built] to rescue Noah and the children of his house, nonetheless God, the Lord of all, designed it—for [the education of] the angels and of the blessed Noah—as a type of the two worlds. Just as in that tent made by the blessed Moses there were the Holy Place and the Holy of Holies, and this [division] was a type of this world and the [world] to come, thus God depicted symbolically, for the [education of the] holy angels and of the blessed Noah, the world to come by the construction of the ark. Because, in telling him [sc. Noah] to build three decks in the ark, He indicated to him the [existence of the] three „places“: that is, the lower deck was a type of this world, for all serpents dwelled in the lower deck; the middle deck was a type of the firmament that stands under the upper sky above; and all animals and cattle dwelled in it. But the upper [deck] was a type of the upper sky, where Christ and His saints are, for in that upper deck the blessed Noah dwelled, with all birds—the birds being a type of the invisible powers“). 456 Am konkretesten vielleicht noch das Zitat von Hbr 6,20 zu Jakob als Vater Judas (107). 457 Topographia V, 112 (SC 159, 169): Τί δὲ δεῖ λέγειν καὶ περὶ τῆς σκηνῆς τῆς οὔσης ἐκμαγεῖον παντὸς τοῦ κόσμου, ἐν ᾗ καὶ τὸ ἱλαστήριον ἔθετο, τάξιν ἐπέχον τοῦ Δεσπότου Χριστοῦ; Ἀλλ’ ἵνα μὴ μηκύνωμεν τὸν λόγον, πολλάκις αὐτὰ προειρηκότες, ἐπὶ τὴν προφητείαν αὐτοῦ τὴν διὰ τῶν λόγων ἔλθωμεν. 458 Topographia V,131 (SC 159, 191 f.): Τὸ μὲν ‚Κύριος αὐτοῦ’ ὡς Θεὸν σαφῶς προειπών, τὸ δὲ ‚κάθου ἐκ δεξιῶν μου’ σαφῶς τῇ ἀνθρωπότητι ἁρμόζει· τὸ γὰρ ‚κάθου’ τῷ μὴ καθεζομένῳ λέγει· ἡ δὲ θεότης ἵδρυται εἰς τὴν οἰκείαν τιμὴν καὶ δόξαν καὶ μακαριότητα παρ’ ἑτέρου μείζονος μὴ ἐπιτρεπομένη, ἢ προτρεπομένη εἰς τοῦτο· ἀλλ’ ἡ ἀνθρωπότης τοῦ Χριστοῦ ὑπὸ τῆς ἡνωμένης αὐτῇ ἀχωρίστως θεότητος ἐπιτρέπεται, ἀκούουσα· ‚Κάθου ἐξ δεξιῶν μου’, ὡσανεί· Ἐν τῇ ἐμῇ τιμῇ. Οὔτε γὰρ δεξιὰ οὔτε ἀριστερὰ ἔχει ὁ Θεὸς ἀπερίγραφος ὑπάρχων· ἀλλὰ τοῦτο αὐτῇ λέγει ὅτι· Κάθου ἐν τῇ ἐμῇ τιμῇ, ὡσανεί· Εἰς πρόσωπον ἐμόν, ὡς εἰκὼν Θεοῦ παντὶ τῷ κόσμῳ δεικνυμένη.
142 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Anschließend folgt die oben bereits besprochene, durch die Behandlung Elias und des Täufers gerahmte Darstellung der zwölf kleinen und vier großen Propheten (140–76), unterbrochen von einem auch in den abhängigen Quellen erscheinenden Exkurs über die Entstehung der prophetischen Bücher (162–65), welcher einen im vorliegenden Kontext sofort an die Ausführungen zur Entstehung des Psalters erinnern muß (116–18). Doch auch die relativ technische Zusammenstellung der prophetischen Testimonien können nach dem bislang Ausgeführten nicht mehr als eindeutiger Fremdkörper im Duktus des Buches erscheinen, konzentriert sich doch auch der Abschnitt zu Jakob (107 f.) fast völlig auf den Wortlaut von Gen 49,8–12.⁴⁵⁹ Merkwürdig bleiben allenfalls die häufig sehr kurz und unmotiviert erscheinenden παραγραφαὶ, welche vielleicht ursprünglich eher als Beischrift zu den Illustrationen gedacht waren und somit nicht eigentlich dem Text zuzurechnen sind. Der neutestamentliche Teil wird mit einem zur Einleitung des gesamten Prophetenkatalogs analogen systematischen Scharnierstück eingeführt (177–89) und damit auch recht deutlich vom alttestamentlichen Teil abgesetzt als von neuen systematischen Akzenten dominiert: Zwar intendierte auch schon das AT letztlich nichts anderes als Christus und die kommende Katastase, doch scheint erst durch die neutestamentliche Predigt endgültig klar zu werden, daß es lediglich diese beiden Katastasen gibt, keine vorher und keine nachher, und was dies genau für die Eschatologie bedeutet, im negativen wie im positiven. Im negativen (178 f.) wird zunächst der heidnische, auf dem sphärischen Weltbild basierende Ewigkeitsglaube ins Unrecht gesetzt,⁴⁶⁰ ebenso wie die Leugnung der leiblichen Auferstehung durch christliche Häretiker und Juden. Im positiven bedeutet dies die Substantiierung der in Mt 25,34 verheißenen bei Grundlegung der Welt für die Gläubigen vorbereiteten Königsherrschaft (181) durch das einhellige Zeugnis des Mose, welcher nur zwei Bereiche in der Welt kennt (182 f.), wie des Herren Christus, welcher in Mt 25 den Gläubigen den Raum über dem Firmament, den Ungläubigen jedoch den Platz des Teufels anweist, welchen Kosmas wie Narsai⁴⁶¹ wahrscheinlich aufgrund von Jes 14,12 auf der Erde ansetzt (184).⁴⁶² Dennoch
459 Desweiteren könnte man auf die Abschnitte zu Petrus (206–9) und Paulus (216–19) verweisen, welche im Kern ebenfalls aus Testimonienlisten bestehen. 460 Topographia V, 178 (SC 159, 275 f.): Αἰσχυνέσθωσαν τοίνυν Ἕλληνες οἱ συναΐδιον τῷ Θεῷ τὸν κόσμον ὑποτιθέμενοι καὶ προβιοτὴν καταγγέλλοντες καὶ ἀνάστασιν σωμάτων ἀθετοῦντες. Αἰσχυνέσθωσαν καὶ οἱ τούτων ἐπακόλουθοι, οἱ χριστιανίζειν μὲν δοκοῦντες, τῷ δὲ ἔργῳ τὰ τῶν Ἑλλήνων φρονοῦντες, οἱ λέγοντες σφαιροειδῆ εἶναι τὸν οὐρανόν. Οὐδὲν γὰρ ἕτερον καὶ αὐτοὶ λέγουσιν, ὧν οἱ Ἕλληνες καταγγέλλουσιν, ἀεὶ τὸν κόσμον οὕτως ἐν φθορᾷ τῶν σωμάτων εἶναι καὶ ἀνάστασιν σωμάτων μηδέποτε γίνεσθαι, μήτε ἑτέραν κατάστασιν. 461 Vgl. o. bei Anm. 389–91. 462 Die Formulierung κάτω περὶ τὴν γῆν, ἔνθα καὶ ὁ διάβολος κατερρίφη könnte auch an Apk 12,9 denken lassen. Da Kosmas aber ebenso wie der Rest der Ostsyrer die Johannesapokalypse nicht als kanonisch akzeptiert, wird er wohl tatsächlich am ehesten an besagten Jesajavers (πῶς ἐξέπεσεν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ὁ ἑωσφόρος ὁ πρωὶ ἀνατέλλων; συνετρίβη εἰς τὴν γῆν ὁ ἀποστέλλων πρὸς πάντα τὰ ἔθνη) gepaart mit Lk 10,18 denken (vgl. III,27).
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rechnet der Topograph in angesichts seines strikten Insistierens auf der Dualität der Katastasen äußerst überraschender Weise mit einem dreifachen Ausgang: Die fünf törichten Jungfrauen aus Mt 25,1–13 erscheinen ihm als bis zum Firmament eleviert, jedoch nicht eingelassen, befinden sich also in einem merkwürdigen Zwischenzustand „außerhalb der Firmaments“ (185 f.; 241), also irgendwo zwischen Erde und Firmament, wogegen des Apokalypsekommentar des Oecumenius, welcher eine analoge Eschatologie vertritt, die Indifferenten schlicht auf der Erde logieren lassen kann,⁴⁶³ da er für die Verdammten ja noch die unterirdische Hölle zur Verfügung hat. Um also angesichts dessen keine Verunsicherung hinsichtlich der Gesamtkonzeption aufkommen zu lassen, wird sofort die Unsicherheit und Analogizität aller unserer Erkenntnisse über die zukünftige Katastase in Form eines ausführlichen Vergleichs zwischen Auferstehung und Geburt betont (187 f.), bevor dann zum Zeugnis der einzelnen Evangelisten und Apostel über die beiden Katastasen und die christliche Hoffnung übergeleitet wird (189). Diese Themenangabe ist im Vergleich zum Vorhergehenden überraschend klar, ebenso wie die nachfolgende Besprechung der vier Evangelisten, des Petrus, Stephanus und Paulus⁴⁶⁴ überraschend geschlossen (190–226): Alle sieben werden ganz explizit als Zeugen für die künftige Katastase als „himmlische Wohnstatt ([κατ-]οἰκητήριον)“ der Gläubigen thematisiert, sowie für Auferstehung und besonders Himmelfahrt Christi (194, 199 f., 212) als deren Eröffnung. Besonders evident wird dies angesichts der überraschenden Einbeziehung des Stephanus, welche sich direkt dessen Vision vom geöffneten Himmel in Act 7,55 f. verdankt, wo er nach V,214 „Jesus innerhalb des Firmamentes“ erblickte.⁴⁶⁵ Dennoch fügt sich die Passage insofern an den alttestamentlichen Teil an, als sich auch hier nicht nur längere Aneinanderreihungen teilweise recht unspezifischer Testimonien (206–9; 216–19), sondern auch eine in ihrer Funktion nicht ganz durchsichtige Kurzcharakterisierung aller Paulusbriefe nach deren Adressaten findet (222–26), was in gewisser Hinsicht an die Exkurse zur Entstehung von Psalterund Prophetenbüchern erinnert. Der Abschluß des Ganzen setzt ein mit einer Wiederaufnahme von 181–84: Die Übereinstimmung aller Propheten und Apostel, was die in Mt 25,34 ausgedrückte Hoffnung auf den Heilsraum jenseits des Firmaments betrifft, soll nun auf den Punkt gebracht
463 In Apk V,17 (TEG 8, 147): οἱ δέ γε ἧττον ἅγιοι βεβαπτισμένοι δὲ ὅμως, καὶ τὸ σημεῖον φέροντες Χριστῷ ἐπὶ τῶν μετώπων, καὶ οὐ παντάπασιν ἀπεγνωσμένοι, καὶ ῥυπώσαντες κατὰ βάθους ἑαυτοὺς καὶ τὸ βάπτισμα τῇ ἀτοπίᾳ τῶν πράξεων, ἀλλ’ οἷον μέσοι τινὲς ὄντες ἀρετῆς καὶ κακίας μένουσι μὲν ἐν τῇ γῇ, ἀτιμωρητοὶ μέντοι. Weiteres dazu u. Anm. 498. 464 Wenn vom Apostel hier gesagt wird, er spräche ὡς ἤδη γενόμενος ἐν τῇ δευτέρᾳ καταστάσει (216), ist dies keine im Widerspruch zur sonstigen Katastasenlehre (vgl. bes. IX,20) stehende „präsentische Eschatologie“, sondern mit Wolskas Übersetzung irreal zu verstehen. 465 Interessant ist auch die Auslegung des „noli me tangere“ in 203 f.: Die Abfuhr des Auferstandenen an Maria soll die unüberbrückbare Geschiedenheit der beiden kosmologischen Bereiche, des Vergänglichen und Unvergänglichen, demonstrieren.
144 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor werden (227). Als Ausgangspunkt hierfür dient ein aus 2Kor 3,18 gewonnenes Verständnis des Abendmahls: Wenn Teilhabe an Christus in diesem Leben bedeutet, daß wir durch partielle Spiegelung der Herrlichkeit Christi täglich mehr in sein Ebenbild verwandelt werden, kann seine zweite Ankunft nur die völlige Transformation in seinen verklärten Leib bedeuten (228–31). Danach folgt ein Exkurs über die trinitarischen Appropriationen sowie die sukzessive Enthüllung des Trinitätsgeheimnisses in der hl. Schrift (232–40), der in seiner Funktion nicht sofort einsichtig ist. Wahrscheinlich soll er plausibilisieren, inwiefern eine Angleichung an Christus den „Rest“ der Gottheit nicht außen vor läßt, sondern einbezieht. Jedenfalls greift die eschatologische Schlußmahnung in 241–44 auf die Wiederkunft Christi (229) zurück und schärft das bereits in 184 f. gezeichnete Szenario erneut ein, verbunden mit einer Mahnung zur Orthodoxie, welche noch deutlicher als in 178 f. das sphärische Weltbild als ruinös für die christliche Hoffnung herausstreicht und sich darüber mokiert, daß hier (bei diesem Weltbild verpflichteten Christen) die Vorausberechenbarkeit von Sonnenfinsternissen offenbar als höheres Gut eingestuft wird als die Auferstehung des Leibes.⁴⁶⁶ Daß an dieser Stelle ein Schlußgebet mit Doxologie folgt (244), ebenso wie im Anschluß an die folgenden beiden Stücke (247, 257 f.), könnte als Indiz für sekundäre Erweiterung gewertet werden, doch wird hier möglicherweise auch nur der Abschluß des neutestamentlichen Teils markiert. Nach einer kurzen, in ihrer Funktion an ausgerechnet dieser Stelle wieder ein wenig undurchsichtigen παραγραφὴ εἰς τὸν οὐρανὸν mit einer etwas eingehenderen exegetischen Begründung für die in II,83–100 bereits vorgetragene und dann in VII,48–58 wiederholte Beschränkung der Engel auf den Raum unter dem Firmament, scheint nämlich der eigentliche Abschluß des gesamten fünften Buches zu folgen: In § 248 wird der Leser gleichsam auf der Basis der (nach 183 f. und 227) erneut festgestellten Harmonie des Kosmographen Mose mit Christus und der ganzen Schrift von den zwei Katastasen über die besonders zu Beginn des alttestamentlichen Teils herausgestellte pädagogische Natur der vergänglichen Katastase bis zur Stiftshüttentypologie des ersten Hauptteils zurückgeführt,⁴⁶⁷ um dann nochmals die – vom Irrtum der Heiden in stark 466 Topographia V, 243 (SC 159, 355): Τὰ μέγιστα γὰρ βλαβήσονται ἐκείνοις ἐμμένοντες, ὡς μάθημα θεῖον τὰς ἐκλείψεις ψηφίζοντες καὶ προλέγοντες, περαιτέρω τούτου ἐλπίδα μὴ κεκτημένοι, ἀλλὰ πλανῶντες καὶ πλανώμενοι, εἴπου γε καί τις ἀποσυληθεὶς ἱμάτιον ἢ ἕτερόν τι, ὡς προφήταις τούτοις προσιών, ἤκουσε παρ’ αὐτῶν, εἰ ἐπέτυχε ψευσαμένοις, ἀλήθειαν, εἰ δὲ μή, οὐδὲ τοῦτο. Τοιαῦται τῶν ματαιοφρόνων τῶν τὸ σφαιρικὸν σχῆμα τῷ οὐρανῷ δωρουμένων αἱ ἐλπίδες· οὐ δύνανται δὲ περαιτέρω τούτων τι ἐλπίζειν, οὔτε ἀνάστασιν, οὔτε βασιλείαν οὐρανῶν, οὔτε κρείττονα κατάστασιν, ἐπείπερ ἐξεῶσι τὴν σφαῖραν καὶ αὐτὴν ἣν ἔχουσιν ἐλπίδα ἀπόλλυσι. Vgl. ganz ähnlich schon III,67 (SC 141, 507). 467 SC 159, 363: Ὁ σκοπὸς ὅλος τῆς συγγραφῆς καὶ τῆς διαγραφῆς πρὸς τὸ δεῖξαι ὅτι ἀπ’ ἀρχῆς ἕως τέλους ὁ Θεὸς διὰ πάντων τῶν ἀρχαίων ἀνθρώπων, ἔτι τε καὶ τοῦ κοσμογράφου Μωϋσέως καὶ πάντων τῶν προφητῶν καὶ ἀποστόλων, ἐδήλωσεν ἅπερ κατεσκεύασε, δύο καταστάσεις, ταύτην καὶ τὴν μέλλουσαν, δηλώσας καὶ τὸ σχῆμα ἅπαντος τοῦ κόσμου, καὶ ὅτι οἱ χριστιανοὶ μᾶλλον ἕπονται ταῖς ἑαυτῶν ἀρχαῖς δεικνύοντες καὶ τὰ τέλη ἀκόλουθα ταῖς ἑαυτῶν ἀρχαῖς, καὶ ἐν ταὐτῷ μηνύοντες τὴν ἀγαθότητα τοῦ Θεοῦ, τὴν παρέχουσαν παῦλαν τῷ παιδευτηρίῳ τούτῳ καὶ τοῖς ἀγῶσι καὶ τῇ φθορᾷ καὶ
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an Theodors Einleitung zum Genesiskommentar erinnernden Worten abgesetzten⁴⁶⁸ – Gewißheit der christlichen Hoffnung anhand eines letzten Testimonienkatalogs zur leiblichen Auferstehung (249 f.) vor Augen geführt und gepriesen (251) zu bekommen. Den Abschluß bildet eine Gegenüberstellung der Hoffnungslosigkeit nichtchristlicher und häretischer Gruppierungen mit dem orthodoxen Glaubensbekenntnis (252 f.), ein „eschatologischer Vorbehalt“ hinsichtlich der genauen Umstände des Endes, ein Aufruf zum Gebet für den Autor (256) sowie dessen Schlußgebet (257). Nun könnte man, wie bereits angedeutet, angesichts dieses mehrfachen Schlusses in der Tat mit Wolska vermuten, Kosmas habe einen ihm vorgegebenen Text gleichsam gerahmt, eine biblisch-heilsgeschichtliche, kosmologisch eher uninteressierte Erörterung in den Rahmen seiner Topographie eingepaßt. Versucht man dies dann allerdings konkret literarkritisch zu substantiieren, stößt man auf unüberwindliche Schwierigkeiten, da die Gesamtanlage völlig klar und durchdacht ist: Nach der einleitenden Darstellung der Sinaioffenbarung, des Zeugnisses des „Kosmographen Mose“ zur Stiftshütte (I) folgt ganz organisch übergeleitet die Darstellung des alt- (IIa) und neutestamentlichen Zeugnisses (IIb) zu den Katastasen, sicherlich immer wieder durchsetzt mit Zusätzen evtl. späteren Ursprungs, doch ohne plausible Möglichkeit, größere Blöcke auszusondern und kohärent einer Quelle zuzuweisen. Zwar nehmen die irritierenden Digressionen und irrelevant erscheinenden Abschweifungen besonders in bibelkundliche Realien, welche Wolska dazu veranlaßten, den Text eher einem geschwätzigen Theologen als einem auf Präzision bedachten Kosmographen zuweisen zu wollen,⁴⁶⁹ in Teil IIb stark ab, verschwinden aber nicht, wie etwa der Exkurs zu den Paulusbriefen zeigt (222–26). Wolska tendiert daher auch dazu, mehr oder weniger den gesamten Text als importiertes Material zu betrachten, welcher aber, wie die gemeinsame Texttradition und die Rückverweise auf Bücher I–IV zeigen sollen, von vornherein als Anhang zur Topographie gedacht war.⁴⁷⁰ Kosmas redaktionelle Eingriffe scheint sie damit als alles in allem geringfügig einzustufen: Die παραγραφὴ εἰς τὸν οὐρανὸν⁴⁷¹ und das Abschlußgebet soll er hinzugefügt,⁴⁷² dem Leser in dieser Form unverständliche Anreden des Autors der Quelle an die eigene Person jedoch stehen gelassen haben.⁴⁷³ τῷ θανάτῳ, ἀναδείξασαν δὲ ἐν τῷ Δεσπότῃ Χριστῷ ἀθανασίαν, ἀφθαρσίαν, ἀτρεπτότητα, ἁγιασμὸν καὶ δικαιοσύνην αἰώνιον πᾶσι τοῖς ἀνθρώποις, ὥσπερ ἦν ἑτοιμάσας ἀπὸ καταβολῆς κόσμου τὸν δεύτερον χῶρον, τὸν ἐν τοῖς οὐρανοῖς, τὴν δευτέραν κατάστασιν, καθάπερ καὶ διὰ τῆς σκηνῆς πάλιν ἐν τύπῳ προεδήλωσεν ἡμῖν. 468 Topographia V, 248 (SC 159, 363): ἀνέλπιστός ἐστιν ἡ τῶν Ἑλλήνων δόξα μήτε δευτέραν κατάστασιν προσδοκώντων μήτε πιστευόντων ἀνάστασιν ἔσεσθαι τῶν ἡμετέρων σωμάτων, ἀλλὰ πλανώντων καὶ πλανωμένων, μετὰ τῆς ἑαυτῶν σφαίρας ἅμα κυλιόμενοι ταῖς φρεσίν, ἀδύνατον εἶναι νομίζοντες τῷ Θεῷ ἀναστῆσαι τὰ σώματα πάντων τῶν ἀνθρώπων. Zu Theodor vgl. o. Anm. 131. 469 Topographie, 92 f. 470 Vgl. SC 141, 91–93. 471 Topographie, 102. 472 SC 159, 372 f. Anm 1. 473 SC 159, 338 Anm. 1; 354 Anm. 3.
146 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Die Tatsache, daß an keiner Stelle, nicht einmal in einem unbedeutenden exegetischen Detail, der leiseste Widerspruch zur kosmologischen Konzeption des Kosmas aufblitzt, sondern diese in ihren Grundzügen mehrfach getreulich reproduziert und untermauert wird, will sie dementsprechend dadurch erklären, daß der Autor der Quelle „parfaitement au courant des thèses cosmographiques de la Topographie“ sei.⁴⁷⁴ Zur Untermauerung dieser Theorie beruft sie sich lediglich recht allgemein auf die diffus-ausschweifende Machart des Textes, sowie auf dessen im Rest der Topographie angeblich undenkbare spezifisch theologische Einlassungen. Bevor wir letzteres Argument im nächsten Abschnitt eingehender behandeln, sollen hier jedoch zunächst die literarkritischen Überlegungen und damit die Behandlung des ersteren Arguments in Form eines Blicks auf die Funktion von Buch V im Gesamt der Topographie zu Ende gebracht werden. Hier ist in der Tat das zentrale Problem, inwiefern das Buch gerade angesichts seines stattlichen Umfangs überhaupt etwas Neues oder Weiterführendes zu dem in I–IV bereits Gesagten beiträgt, zumal gerade die Behandlung des Aufhängerthemas ‚Stiftshütte‘ den Eindruck macht, als würde hier lediglich der in Buch II/III längst erreichte Interpretationsstand durch ausufernde Nacherzählungen der Exodusgeschichte neu verpackt, zumal die detailliertere Ausdeutung des siebenarmigen Leuchters sowie der Schaubrottisches auf Planeten- und Jahreslauf in IX,1.8–11 beweist, daß hier durchaus noch weitergehende Präzisierung möglich gewesen wäre. Will man also bestimmen, inwiefern das fünfte Buch doch etwas mehr ist als ein geschwätziger frommer Anhang zu der in den ersten vier Büchern entworfenen kosmographischen Konzeption, bietet sich ein Vergleich mit Buch III an, welches ja nach der Hypothesis eigentlich dasselbe Ziel verfolgt, nämlich die Wahrheit der Mosaischen Kosmologie aufgrund ihres durch die Schrift dokumentierten Offenbarungscharakters zu erweisen⁴⁷⁵. Dieses Ziel verfolgt Buch III in der Tat um einiges präziser, wenn es zunächst die astronomischen Verirrungen der Babylonier und Ägypter im Anschluß an den Turmbau und Moses’ Aufstieg zum Offenbarungsmittler darstellt (1–11), um dann die auf dem Sinai an ihn ergangene Offenbarung näher zu beschreiben, zunächst in Form eines regelrechten Hexaemeron, welches den mosaischen Schöpfungsbericht zu erklären und zu plausibilisieren sucht, hauptsächlich unter dem theodorischen Gesichtspunkt der ‚Engelpädagogik‘⁴⁷⁶ (12–49), dann in einem kurzen Verweis auf die Stiftshütte und die in ihr symbolisierten zwei Katastasen (50–55). Danach folgt ein ausführlicher Wunder- und Weissagungsbeweis (56–66), welcher wie Buch V die Über-
474 SC 159, 338 f. Anm. 2. 475 Hypothesis 5 (SC 141, 267): Εἶτα πάλιν ὡσανεὶ τινὸς ἀποροῦντος καὶ λέγοντος· Πόθεν δῆλον εἰ ἀληθεύει Μωϋσῆς καὶ οἱ προφῆται τοιαῦτα λέγοντες; ὁ τρίτος λόγος τὸ ἀξιόπιστον ἀποδείκνυσι Μωϋσέως καὶ τῶν προφητῶν, καὶ ὅτι οὐκ ἀφ’ ἑαυτῶν ἐλάλησαν, ἀλλ’ ἐκ θείας ἀποκαλύψεως ἐμπνευσθέντες καὶ δοκιμασθέντες ἔργῳ καὶ πράγματι, προθεωρήσαντες αὐτὰ οὕτως ἐξεῖπον καὶ οἱ ἐν τῇ Παλαιᾷ καὶ οἱ ἐν τῇ Νέᾳ, καὶ τί τὸ χρήσιμον τῶν σχημάτων τοῦ κόσμου, καὶ πόθεν ἀφορμὴν καὶ ἀρχὴν ἔσχε τῆς σφαίρας ἡ ὑπόνοια. Zu Buch V vgl. o. Anm. 439. 476 Vgl. o. Anm. 175.
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einstimmung des Kosmographen Moses mit Christus sowie den Aposteln und Propheten zum Gegenstand hat, bevor ein Vergleich zwischen menschlichem und göttlichem Wissen die Fehlbarkeit wie geschichtliche Bedingtheit des ersteren herausstreicht und somit Gelegenheit gibt, gegen den paganen Ewigkeitsglauben zu argumentieren (67–79). Abschließend soll dann aufgrund eines langen neutestamentlichen Testimonienkatalogs (81–85) die Hoffnung auf die zweite Katastase als mit Mose übereinstimmende einhellige Botschaft der ganzen Schrift erwiesen werden, welche mit der paganen Kosmologie in jedem Fall unvereinbar⁴⁷⁷ ist (80–88). Obgleich deutlich konziser als das fünfte Buch in seiner Gesamtheit, sieht man hier doch zunächst deutliche Analogien in der Vorgehensweise, besonders was die häufigen Exkurse, die Abschweifung ins für den Gesamtzweck irrelevante exegetische Detail (vgl. bes. III,43–49) und die langen Kataloge biblischer Testimonien betrifft. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Breite: War Buch III ganz primär auf den Schöpfungsbericht des Mose, seine Bestätigung und theologische Untermauerung durch das NT konzentriert, möchte Buch V den Kern der christlichen Hoffnung, die mit Mt 25,34 auf den Punkt gebrachte Katastasenlehre als Skopus der gesamten Schrift erweisen, und dies in der Form, daß zunächst bei dem in Buch III etwas kurz abgehandelten Teil der Sinaioffenbarung, der Stiftshütte angesetzt, und deren Kernbotschaft dann als Zielpunkt beider Testamente erwiesen wird, jedoch mit stark unterschiedlichem Explikationsgrad. Daß, wie oben dargestellt, der neutestamentliche Teil IIb des fünften Buches so viel expliziter und stringenter ist als der alttestamentliche, ist wohl primär der Vorsicht zu verdanken, mit der Kosmas die Typologie im AT angewendet wissen will: Mose hat primär über die erste Katastase gesprochen (III,15), das Mysterium der Trinität sowie die zweite Katastase jedoch lediglich angedeutet (V,239 f.). Somit ist es nur konsequent, wenn der alttestamentliche Teil IIa zunächst die erste Katastase als pädagogisches, durch den natürlichen Tod beendetes Durchgangsstadium beschreibt, die zweite jedoch primär in Form der ganz allgemeinen Hoffnung auf Christus präsentiert. Da der Glaube an Christus jedoch letztlich mit demjenigen an „die Auferstehung der Toten und die bei Grundlegung der Welt vorbereitete Königsherrschaft der Himmel“ (V,251), also die unvergängliche leibliche Existenz im Raum über dem Firmament, identisch ist, müssen im christlichen Rückblick bereits die allgemeineren alttestamentlichen Zeugnisse als Bestätigungen genau dieser Hoffnung 477 Vgl. dazu bes. III,57 f. (SC 141, 495) gegen die paganen Konzepten folgenden Christen: Πῶς δὲ δύνανται οἱ τούτοις προσέχοντες λέγειν ὕδατα εἶναι ἐπάνω τοῦ οὐρανοῦ κατὰ τὴν Γραφήν, ἢ πρώτην καὶ δευτέραν καὶ τρίτην ἡμέραν ἄνευ δρόμου ἡλίου καὶ σελήνης καὶ ἄστρων γενέσθαι; ῍Η καὶ τὸν ἐπὶ τοῦ Νῶε κατακλυσμὸν πῶς ἐκάλυψε πᾶσαν τὴν γῆν καὶ πάλιν ὑπεχώρησαν τὰ ὕδατα; ῍Η πῶς δύνανται πάλιν λέγειν συντέλειαν κόσμου, καὶ παύεσθαι τὸν δρόμον τῶν ἄστρων πιπτόντων, καὶ μηκέτι ἐκ διαδοχῆς ποιεῖν ἡμέρας καὶ νύκτας, καὶ παύεσθαι μὲν καθόλου ταύτην τὴν κατάστασιν, ἀναδείκνυσθαι δὲ ἑτέραν ἀπεξενωμένην καὶ ὑπερβαίνουσαν ταύτην, καὶ εἰσέρχεσθαι τοὺς δικαίους εἰς τὸν ἀνώτερον οὐρανὸν ἐσώτερον τούτου τοῦ ὁρωμένου οὐρανοῦ, ἔνθα ἐστὶν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν […]; ῍Η πῶς δύνανται πάλιν λέγειν μετὰ τὴν συντέλειαν ἑπτὰ ἢ ὀκτὼ ἢ ἐννέα οὐρανούς, ἢ κυκλεύειν πάλιν τὸν οὐρανόν, τὴν παρ’ αὐτῶν λεγομένην σφαῖραν; Εἰς τί χρήσιμον;
148 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor gewertet werden. Der unspezifische Charakter weiter Passagen besonders der ersten beiden Teile (I und IIa) des fünften Buches erklärt sich also nicht nur durch Kosmas’ ‚antiochenische‘ Sicht auf die Heilsgeschichte, sondern auch durch naives Beharren auf der Räumlichkeit aller geschöpflichen Existenz: Wenn die gesamte Schrift von der Unvergänglichkeit der Geschöpfe spricht, ist die Existenz eines Raums für diese Art von Dasein immer schon vorausgesetzt.⁴⁷⁸ Daß dies eigentlich nur der Raum über dem Firmament sein kann, ist so selbstverständlich, daß es gar nicht mehr in jedem Einzelfall betont werden muß – eine Einstellung, welche auch bei der Auswahl von Väterbelegen in Buch X allzu deutlich wird, wo sehr viele Zitate lediglich ganz diffus von einem ewigen Leben droben im Himmel sprechen. Zusammenfassend läßt sich somit zwar keineswegs ausschließen, daß Kosmas gerade in den ersten beiden Teilen auch fremdes Textmaterial verwertet hat, doch besteht nicht der geringste literarkritische Grund, das fünfte Buch als Ganzes oder in größeren Teilen aus der Topographie auszuscheiden. Wolskas These eines nicht vom Topographen selbst stammenden Katastasentraktats ist damit im Prinzip bereits erledigt, zumal auch die von ihr postulierten Spannungen in der Stellung zur Theologie, wie im nächsten Abschnitt näher aufzuzeigen sein wird, die fundamentale Gemeinsamkeit des theologischen Ansatz keineswegs überdecken können, wie besonders die teilweise von Wolska bereits notierten Parallelen zu Buch VII beweisen: In VII,71–77 werden die Grundzüge der Katastasenlehre vollkommen parallel zu V,58–64 exponiert, in VII,80 begegnet dieselbe Eschatologie des dreifachen Ausgangs wie in V,185 und in VII,31 wird die Plausibilität der leiblichen Auferstehung mit ganz ähnlichen Worten gegen die Heiden verteidigt wie in V,248 f.
3.9.3 Zur Bedeutung von Christologie und Eschatologie Theologische Fachterminologie, besonders die dogmatischen termini des trinitarischen und christologischen Dogmas, sind in der Topographie in der Tat äußerst selten bis nicht vorhanden. Οὐσία, φύσις und ὑπόστασις begegnen im christologischen Kontext kein einziges Mal, im trinitarischen lediglich in V,132.179.232–40.253 und VI,28. Wenn Wolska dies allerdings zum Anlaß nimmt, besonders am Schluß des fünften Buches mit dem trinitarischen Exkurs (232–40) und dem Glaubensbekenntnis (253) die Fremdheit des Textes dem Rest der Topographie gegenüber festmachen zu wollen,⁴⁷⁹ wird man ihr nicht nur den ebenfalls dogmatisch-bekenntnishaften Passus aus VI,28, sondern auch die Tatsache entgegenhalten müssen, daß gerade besagtes Glaubensbekenntnis auf Mt 25,34, den nunmehr hinlänglich bekannten Lieblingsvers des Kosmas, mit dem
478 Dies ist vielleicht eine Nachwirkung von Theodors Insistieren auf dem ersten Himmel als Rahmen alles geschöpflichen Daseins (vgl. o. Anm. 200). 479 Topographie, 101 f.
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er bereits seine Hypothesis gipfeln läßt, hin komponiert ist und sich somit, gerade zu deren vorläufigem Abschluß, perfekt in das Ganze der Topographie einfügt.⁴⁸⁰ Ähnlich verhält es sich mit ihren Bedenken hinsichtlich der Christologie, welche außerhalb des Buches V geradezu als „antithéologique“ charakterisierbar sein solle, da die Person Christi ansonsten völlig hinter den Verdiensten seiner Menschheit (Auferstehung und Himmelfahrt) zurücktrete.⁴⁸¹ Auch hier muß man anmerken, daß die Erörterung der zwei Naturen (ohne den Begriff φύσις zu verwenden) im Kommentar zu den messianischen Psalmen (V,123–36), auf welchen sie im Anschluß verweist, zwar durchaus der prominenteste, aber keineswegs der einzige Ort in der Topographie ist, wo die antiochenische Zweinaturenlehre aufgenommen wird.⁴⁸² So wenig ihre Beobachtungen also zur Ausscheidung der fünften Buches aus dem Sammelwerk des Kosmas taugen, so treffend sind sie dennoch im Blick auf eine Gesamtcharakteristik der Christologie des Kosmas: In der Tat wird die Gottheit Christi oder der Logos kaum jemals thematisiert, sondern „toute l’attention va à l’oeuvre de son humanité, avec ses conséquences pour la race humaine et pour la disposition spatiale de l’univers“.⁴⁸³ In der Tat konzentriert sich das christologische Denken des Kosmas fast völlig auf Auferstehung und Himmelfahrt, während Inkarnation⁴⁸⁴ und Kreuzestod⁴⁸⁵ kaum thematisiert werden. Was zählt, ist einzig und allein, daß Jesus Christus als neuer Adam den Tod besiegt und so die neue Katastase inauguriert, indem er als erster mit unvergänglichem Leib den Himmel betritt und damit die Hoffnung der gesamten gläubigen Menschheit vorzeichnet (II, 90–93 u. ö.). Über die Qualität oder exakte Gestalt dieses Auferstehungsleibes wird dabei leider kaum ein Wort verloren. Die Standardeinwände gegen die leibliche Auferstehung, etwa der „Kettennahrungseinwand“⁴⁸⁶ (VII,34) oder das Problem von Alter und Verstümmelung (VII,81), klingen 480 Vgl. auch das kürzere Bekenntnis zum Abschluß von Buch VII (96). 481 Topographie, 92. Zum Christusbild des Kosmas vgl. auch A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche II/4 (Freiburg u. a. 1990), 150–69. 482 Vgl. Topographia II,102 (SC 141, 423): Ὁ ἀθετῶν οὖν τῷ Χριστῷ τὴν ἀνθρωπότητα τελείαν μὴ ὑπάρχειν, οὗτος βέβλαπται μὴ ἐπιστάμενος τὴν μεγάλην οἰκονομίαν τοῦ Θεοῦ καὶ τὸ δόγμα τὸ χριστιανικόν· ὁμοίως καὶ ὁ τὴν θεότητα τελείαν ἀθετῶν, ἔνοχός ἐστι καὶ πάνυ βέβλαπται. Ähnlich auch VI,27. 483 Topographie, 92. 484 Reflektiert wird sie eigentlich nur im Glaubensbekenntnis (V,254). Ansonsten interessiert immer nur die Tatsache der Menschheit Jesu, wie besonders an der Vorstellung der Evangelien ersichtlich ist: Bei Mt (V,190 f.) und Lk (198) wird ausgerechnet der menschliche Stammbaum Jesu hervorgehoben werden, bei Joh wird die Logos- und Inkarnationslehre gleichsam zum Präludium für die menschliche Biographie Jesu degradiert (203): Ἀρξάμενος τοίνυν ἀπὸ τῆς θεότητος μετελήλυθεν εὐθέως καὶ ἐπὶ τὴν ἀνθρωπότητα αὐτοῦ, εἰπὼν καὶ αὐτὸς ὅσα τοῖς ἄλλοις προείρητο, βάπτισμα, πειρασμούς, θάνατον καὶ ἀνάστασιν. 485 Am ausführlichsten wahrscheinlich noch innerhalb der Adam-Christustypologie in II,94 f., wo das Entscheidende allerdings in der Datumsgleichheit zwischen Adams Fall und Kreuzestod liegt. 486 Zu dessen Hintergrund und Geschichte vgl. N. Kiel, Ps-Athenagoras’ De resurrectione: Datierung und Kontextualisierung der dem Apologeten Athenagoras zugeschriebenen Auferstehungsschrift (Leiden 2015), 208–335.
150 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor zwar gelegentlich an, werden jedoch relativ schnell durch den Hinweis auf die sich vielleicht sogar in analogen Naturprozessen manifestierende göttliche Allmacht abgeschmettert. Die außerordentliche Bedeutung, die die Himmelfahrt im Werk des Kosmas besitzt, ergibt sich daraus, daß Jesus nach Joh 3,13 der erste und bislang einzige Mensch, ja eigentlich die einzige Kreatur ist, die das Firmament durchdringen konnte. Paulus wurde nach 2Kor 12,2 (in gut antiochenischer Tradition)⁴⁸⁷ lediglich um ein Drittel des Abstands von der Erde zum Himmel erhoben, um dort über die die Gestirne lenkenden Engelordnungen unterwiesen zu werden, womit für Kosmas auch deren Abstand von der Erde bestimmt wäre, sinkt dann aber wieder hinab ins Paradies jenseits des Okeanosstroms zu den Seelen der Gerechten, wo diese bis zum Tag der Auferstehung unter den Hymnen der Engel bewahrt werden (IX,15–18). In IX,20–25 erscheinen die Sterne sogar als eine Art Barriere, welche für sterbliches Fleisch und Blut – mit 1Kor 15,50 – unmöglich zu durchdringen ist: Wie das Paradies von den Cherubim werden sie von den Engeln bewacht, welche nichts Sterbliches passieren lassen, bis sie durch die Wiederkunft Christi, wenn die Sterne zur Erde fallen (Mk 13,25par), ihres Dienstes entbunden werden. Hatte Narsai mindestens in Ansätzen darüber spekuliert, wie genau dieser Übergang beim Menschen Jesus verlaufen sein könnte,⁴⁸⁸ verrät uns Kosmas lediglich, daß die Seele Jesu während des triduum mortis den Schächer ins Paradies brachte (II,95.110),⁴⁸⁹ nicht jedoch, was genau mit seinem Leib passiert ist. In VII,90 f. findet sich lediglich eine relativ interessante Auslassung darüber, warum die Himmelfahrt in einem sphärischen Weltbild keinesfalls funktionieren würde: Würde Christus bis zur Mondsphäre aufsteigen, würde er entweder durch die retrograden Bewegungen des Mondes gegen die Gesamtbewegung des Alls wie ein Fisch gegen die Strömung mitschwimmen müssen, oder aber gewaltsam mit dem All mitgeschleift werden, was natürlich beides als lächerlich dargestellt wird.⁴⁹⁰ Schwerer scheint allerdings zu wiegen, daß, egal in welche der Sphären man Jesus durch die Himmelfahrt versetzt sieht, dies mit der vom Hebräerbrief vorgegebenen Vorstellung vom hohepriesterlichen Ein-
487 Vgl. o. Anm. 81. 488 Vgl. o. Anm. 367. 489 Ebenso betritt nach Narsai, Hom. Biblicae I, 429 f. (hg. Frishman, 16) zunächst die Seele Jesu (während des triduum mortis) das Paradies, bis sie sich mit dem Körper wiedervereint und schließlich gen Himmel fährt. 490 Topographia VII,90 (SC 197, 159): δεύτερον ὅτι ναστῆς οὔσης τῆς σφαίρας εἰπάτωσαν, εἰ ἅμα τῆς Σελήνης, ὡς ἰχθὺς ἐν ὕδατι, διατέμνει τὸ οὐράνιον σῶμα τὴν ἐναντίαν βαδίζων, ἢ τὴν εὐθεῖαν ἅμα τῷ παντὶ βιαίως κυλίεται, ἅπερ καὶ ταῦτα καταγέλαστα. Ob er tatsächlich eine mindestens halbwegs adäquate Vorstellung von der in der Astronomie postulierten „dem All entgegengesetzten“ Bewegung hat, wird gerade durch die Parallele I,13 in Zweifel gezogen, wo er die Eigenbewegung der Fixsternsphäre (vgl. Ptolemäus, Syntaxis VII,2 [hg. Heiberg II, 12–16]) mit der retrograden Planetenbewegung zu identifizieren scheint. Dies mag allerdings auch bewußter polemischer Übersimplifizierung entspringen, wie im Kontext von VII,90, wo er die Planetensphären wie selbstverständlich mit den ihnen zugeordneten Gottheiten identifiziert.
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zug in die zweite Kammer des Tempels unvereinbar ist: Entweder er befindet sich in einer untergeordneten Sphäre und damit nicht im Allerheiligsten und somit (gegen Eph 1,21) auch nicht über allen Mächten und Gewalten, oder er wäre gegen Hbr 9,6 f. nicht vom ersten ins zweite Zelt eingezogen, sondern hätte mindestens sieben weitere durchschreiten müssen.⁴⁹¹ Kosmas erweist sich damit erneut primär als Exeget, der seine kosmologischen Erwägungen voll und ganz in den Dienst biblisch-theologisch gewonnener Grundüberzeugungen stellt. Daß diese dabei ihrerseits eine gewisse Eigendynamik aufnehmen, Grundpostulate Folgerungen erzwingen, läßt sich vor allem in der Eschatologie der Topographie beobachten, allen voran an der im Kontext einer ja nicht zuletzt gegen den paganen Äternalismus gerichteten christlichen Kosmologie durchaus ungewöhnlichen emphatischen Verteidigung einer Unzerstörbarkeit der Himmel. Stein des Anstoßes für das allein diesem Thema gewidmete siebte Buch scheint in der Tat Philoponus gewesen zu sein, der Pseudochrist, der nach VII,1–3 einerseits das sphärische Weltbild verteidigt, andererseits aber völlig gegen die mit diesem angeblich prinzipiell verbundene Ewigkeit der himmlischen Kreisbewegung den Untergang des Himmels postuliert und somit einen neuen Himmel anstelle des alten einführen möchte (cf. VII,61–64).⁴⁹² Kosmas Gegenargumentation beginnt mit einer Auslassung über das ἰδίωμα der hl. Schrift, also deren exakte Verwendung des Begriffs ‚Himmel‘: Der seit Chrysostomus bekannte Verweis auf das hebräische plurale tantum shamajim⁴⁹³ wird hier so gewendet, daß die Schrift das Einfache als Mehrzahl und das Mehrfache als Einzahl ansprechen kann, so daß sowohl beide Himmel in der Einzahl zusammengefaßt als auch der „Himmel des Himmels“, der erste Himmel, in der Mehrzahl als „Himmel der Himmel“ erscheinen können (5–9; cf. II,21–23). Im weiteren Kontext ist für Kosmas besonders ersterer Punkt wichtig, da sein Argument hauptsächlich auf relativ allge491 Topographia VII,91 (SC 191, 159 f.): τρίτον ὅτι ὑπεράνω αὐτοῦ εἰσιν οἱ ἕτεροι πλανῆται ὑμῶν θεοί, λέγω δὴ Ἑρμῆς, Ἀφροδίτη, Ἥλιος, Ἄρης, Ζεύς, Κρόνος, ὁ πατὴρ τῶν θεῶν ὑμῶν, οἷς δεκαδύο ζῳδίων καὶ οἱ τριάκοντα ἓξ δεκανοί. Καὶ πῶς οὐ ψεύδεται καθ’ ὑμᾶς ὁ Ἀπόστολος φάσκων ‚ὑπεράνω αὐτὸν’ εἶναι ‚πάσης Ἀρχῆς καὶ Ἐξουσίας καὶ Δυνάμεως, καὶ Κυριότητος καὶ παντὸς ὀνόματος ὀνομαζομένου’; Εἰ δὲ ἐν τῇ δευτέρᾳ σφαίρᾳ φήσουσιν αὐτὸν εἶναι, τὰ αὐτὰ πάλιν αὐτοῖς ἀπαντήσεται, καὶ εἰ ἐν τῇ τρίτῃ καὶ ἐν τῇ τετάρτῃ καὶ ἐν τῇ πέμπτῃ καὶ ἐν τῇ ἕκτῃ καὶ ἐν τῇ ἑβδόμῃ καὶ ἐν τῇ ὀγδόῃ καὶ ἐν τῇ ἐνάτῃ εἴπωσιν αὐτὸν ὑπεράνω πάντων, εὑρεθήσεται ψεῦδος τὸ παρὰ τῷ Ἀποστόλῳ εἰρημένον, ὅτι ἀπὸ τῆς πρώτης σκηνῆς, τουτέστιν ἀπὸ τοῦ κόσμου τούτου, ἐπὶ τὴν δευτέραν εἰσελήλυθεν ὁ Χριστός, τουτέστιν εἰς τὸν οὐράνιον χῶρον, αἰωνίαν λύτρωσιν εὑράμενος, ἐνάτης οὔσης καὶ οὐ δευτέρας. 492 Daß Kosmas sich wiederholt darüber mokiert, der Gegner wolle einen neuen Himmel und eine neue Erde anstelle der alten einführen, findet in den früheren Werken des Philoponus keinen rechten Anhalt (in De opificio etwa ist niemals neuem Himmel oder neuer Erde die Rede) und könnte maximal aus der gegen Proklos vorgetragenen Naturphilosophie erschlossen werden. Es paßt hingegen ziemlich genau auf Philoponus wohl erst in den 560er Jahren vorgetragene, selbst im eigenen Lager extrem kontroverse Eschatologie der Diskontinuität (vgl. B. Daley, The hope of the early church. A handbook of patristic eschatology [Cambridge 1991], 195 f.), womit man das siebte Buch allerdings wohl bis zu 20 Jahre nach der ursprünglichen Topographie anzusetzen hätte. 493 Vgl. o. Anm. 42.
152 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor meine Aussagen der Schrift über den Himmel als solchen basiert. Dieses ist nämlich wiederum nahezu rein exegetischer Natur und stützt sich zunächst auf die Botschaft des Paulus an Juden (10–22) und Griechen (23–47): Erstere würden im Hebräerbrief ganz klar darüber unterrichtet, daß der unvergängliche himmlische Hohepriester Jesus in einem unvergänglichen Tempel dienen und dort die verheißene unvergängliche Königsherrschaft für unvergängliche Gläubige in einem unvergänglichen Rahmen etablieren muß. Letztere werden zunächst in 1Kor 15 über die unvergängliche Natur des Auferstehungsleibes und damit genau wie die Juden über die Unvergänglichkeit der zweiten Katastase und ihres Ortes unterrichtet (23–38), werden dann aber auch in den Reden der Apostelgeschichte über die Unvergänglichkeit des auferstandenen Jesus (und seines Ortes) unterrichtet (39–47). Die hier etablierte Abfolge der zwei allein vorhandenen Katastasen, irdisch-vergänglich und himmlisch-unvergänglich, wird im Anschluß durch eine neuerliche Behandlung der Angelologie bestätigt: Auch die Engel sind als veränderliche Geschöpfe unter das Firmament verbannt und werden erst durch die Erneuerung in Christus von ihrem Dienst am Menschen befreit und der überhimmlischen Unvergänglichkeit teilhaftig (48–59). Nachdem er sich und seinen Lesern kurz versichert, daß der Gegner dadurch eigentlich schon überwunden sein sollte (60–62), folgt eine ausnehmend interessante Behandlung zweier höchst unbequemer biblischer Gegeninstanzen gegen seine Konzeption: Dabei meint er mit Mt 24,35 („Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte werden nicht vergehen“) relativ leicht fertig werden zu können, indem er hier schlicht eine lediglich vergleichsweise Vergänglichkeit des Himmels, nämlich verglichen mit dem wesenhaft ewigen göttlichen Wort statuiert sieht (63). Deutlich mehr Schwierigkeiten bereitet ihm 2Pt 3,12 f. („Die Himmel werden sich entzünden und aufgelöst werden und die Elemente entbrennen und schmelzen, doch nach seiner Verheißung erwarten wir neue Himmel und eine neue Erde“), was er zunächst im Sinne einer instantanen Runderneuerung der alten Himmel abbiegen will (64). Dies scheint ihn allerdings selbst nicht ganz zu überzeugen, so daß er sich gezwungen sieht, zur Abwechslung ein rein dogmatisches Argument nachzuschieben: Da der unveränderliche Gott seine Schöpfungstaten nicht bereuen kann,⁴⁹⁴ und er den ganzen Menschen mit Seele und Leib unveränderlich macht, muß derselbe Transformationsprozeß auch all die Elemente einschließen, aus denen der Mensch besteht, weshalb nach Eph 1,10 und 2Kor 5,17 auch in Christus alles zusammengefaßt und neu geschaffen ist, und zwar ohne dabei vernichtet zu werden, da Gottes Werk nach Ps 148,6 in Ewigkeit besteht (65 f.).⁴⁹⁵ Das Wort von der Verbrennung der Himmel und dem Einschmelzen der Elemente muß also entweder auf dieser Linie verstanden oder der zweite Petrusbrief, wie in Großteil der Tradition es vorgibt, als unkanonisch verworfen werden (67–70).
494 Zur „Reue Gottes“ in der Schöpfungsdebatte vgl. Gleede, Platon und Aristoteles, 71 f.189 f. 495 Zur Bedeutung dieser Stelle vgl. o. Anm. 205–7.
3.9 Die christliche Topographie
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Der abschließende Teil bringt dann nur noch die Fundierung des bislang Ausgeführten in der Katastasenlehre (71–77) und – nach Behandlung zweier Einwände (78–81) – eine nochmalige Skizze der kosmologischen Gesamtkonzeption mit den wichtigsten biblischen Belegen (82–88). Wie bereits in Buch V wird hier wieder allzu deutlich, daß das allerwichtigste für Kosmas in der Tat die mit Mt 25,34 auf den Punkt gebrachte Hoffnung auf die zweite Katastase ist, welcher alle kosmologischen und naturphilosophischen Überlegungen strikt untergeordnet werden. Dabei scheint er in der Tat der erste gewesen zu sein, der besonders die kosmologischen Konsequenzen der theodorianischen Konzeption eines unvergänglichen Himmelsstockwerks über dem Firmament umfassend durchdacht und artikuliert hat: Hält noch Severian⁴⁹⁶ mindestens das Firmament klar für vergänglich, geht erst der Theodorianismus Narsais so weit, in seiner Eschatologie relativ klar die Unvergänglichkeit beider Himmel sowie der Erde als Hölle vorauszusetzen,⁴⁹⁷ ohne dies eigens zu thematisieren, was interessanterweise auch in den restlichen Büchern der Topographie nirgends wirklich geschieht. Wie oben bereits gesehen, wird dort (besonders in V,184–188; 241 f.) eine derjenigen Narsais entsprechende Eschatologie in modifizierter Form übernommen,⁴⁹⁸ wenn auch unter ausdrücklichem erkenntnistheoretischem Vorbehalt, was die genaueren Verhältnisse in der zweiten Katastase anbetrifft. Daß man hier auch als Nestorianer völlig anders votieren konnte, zeigt Ps.-Justin, der einerseits anscheinend theodorische Inspirationen hinsichtlich der Unvergänglichkeit des ersten Himmels übernimmt, das Firmament und besonders die oberen Wasser jedoch im Eschaton klar als unnütz vernichtet werden läßt.⁴⁹⁹ Daß Kosmas (ebenso wenig wie Narsai) die bei Ps.-Justin aufgeworfene, innerhalb besagter theodorianischer Konzeption ja sehr naheliegende Frage nach Verbleib und Funktion der oberen Wasser in der zweiten Katastase gar nicht erst stellt, sondern besagte Wasser lediglich wiederholt als Argument gegen die Kugelgestalt der Erde anführt (IV,20 f.; VII,92),⁵⁰⁰ erklärt sich sicherlich nicht nur aus seiner besonders in V,186–188 erklärten 496 Vgl. o. Anm. 90 und 108. Diesen Text muß Kosmas in X,28 f. (SC 197, 267) kupieren, da er die Vernichtung des Firmaments verkündet. 497 Vgl. o. Anm. 389–91. 498 Mt 25,1–13, der einzige von Kosmas präsentierte Belegtext, wird von Narsai in einer eigenen Homilie besprochen, welche allerdings eindeutig für den doppelten Ausgang votiert und die törichten Jungfrauen mit den Sündern auf der Erde bestraft werden läßt (Hom. in Parabolas I,97.183–189 [hg. Siman, 13.20]). Allerdings ist er sich mit Kosmas einig, daß die Tür aus Mt 25,10 für das Firmament steht (Hom. in Parabolas I,102 [hg. Siman, 14]) und auch der einleitende Problemkatalog weist, besonders in Frage nach der Formulierung der Abweisung Jesu in Hom. in Parabolas I,40–42 darauf hin, daß ihm das bei Kosmas bezeugte Verständnis, daß die Törichten als jungfräuliche Symbole des Himmelreichs eben nicht mit den Sündern in die Hölle geschickt, sondern einfach nicht zur Hochzeit eingelassen werden, bereits bekannt ist. Oecumenius jedenfalls stützt seinen „dreifachen Ausgang“ interessanterweise auf das nachfolgende Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14–23), scheint ihn jedoch bei den zehn Jungfrauen nicht zu finden (vgl. TEG 8, 147 [o. Anm. 463]). 499 Vgl. o. Anm. 304–9. 500 Nach V, 245 f. sind die oberen Wasser außerdem das Einzige jenseits des Firmaments und belegen somit die Beschränkung der Engel auf den Bereich darunter.
154 | 3 Nichtsphärische Kosmographie und deren theologische Motivation seit Diodor Zurückhaltung, was detailliertere Aussagen über die Eschatologie anbelangt, sondern auch aus seiner Fixierung auf die Grundgedanken seiner Katastasenlehre. Alles, was hier keinen direkten Platz findet (oder auch als Einwand dagegen nicht so einfach widerlegt werden kann), spart er einfach aus. Wolskas Versuch, den Theologen des fünften Buches vom Kosmographen der restlichen Bücher zu trennen, könnte somit kaum verfehlter sein: Egal welches kosmologische Thema auch erörtert wird, immer wird die Argumentation sehr schnell exegetisch, und immer wird über kurz oder lang auf die Grundprinzipien der Katastasenlehre zurückgekommen. Kosmas will somit primär das sein, als was er sich selbst zu erkennen gibt: ein Xριστιανός, dem es einzig und allein um die christliche Hoffnung auf die unvergängliche Katastase, den einen und umfassenden Skopus der gesamten heiligen Schrift und dessen unmittelbare weltanschauliche Voraussetzungen zu tun ist. In dieser Eigenschaft schreibt er ausschließlich deswegen gegen die paganen Wissenschaften, um diejenigen Christen zu widerlegen, welche deren Lehren letztlich aus völlig unzureichenden Gründen⁵⁰¹ für unwiderlegbar halten, und sich daher vom Indienfahrer als schizophrene „Doppelwesen“ (I,3) und getaufte Auferstehungsleugner (XII,18) beschimpfen lassen müssen. Natürlich wüßten wir gerne genauer, wen er damit im Auge hat und wie sich seiner Optik nach die Mehrheitsverhältnisse darstellten. Besonders das Väterflorilegium hinterläßt den Eindruck, er spreche ganz bewußt im Namen der dyophysitischen Minderheit in Alexandrien gegen die monophysitische Mehrheit (X,1 f.62). Daß es ganz so einfach nicht sein kann, zeigt bereits die Tatsache, daß er als einzigen Gegner Origenes beim Namen nennt,⁵⁰² welcher auch unter Monophysiten stark kompromittiert war, und Johannes Philoponus große Mühe zu haben scheint, seine Monophysiten auf die von ihm intendierte wissenschaftliche Linie zu bringen.⁵⁰³ Wir werden also im nächsten Kapitel untersuchen müssen, inwiefern die nichtsphärische Kosmographie tatsächlich die Grenzen von Schulen und Konfessionen überspannte und ob dies primär als Breitenwirkung der antiochenischen Schultradition zu verstehen ist oder sich – zusätzlich – auch noch aus ganz anderen Quellen speist.
501 Eine herausragende Rolle scheinen hier in der Optik des Kosmas die Erklärung und Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen zu spielen (vgl. Topographia Pr. 4; I,2; II,103; VI,3; IX,5; XII,13.18). 502 Topographia VII,93.95. Angesichts der im sechsten Jahrhundert vieldiskutierten und offiziell verurteilten origenistischen Ansichten zum Auferstehungsleib bietet sich dieser natürlich als Paradigma für den getauften Auferstehungsleugner an. 503 Vgl. Gleede, „Confessional Polemics“, 166 f.
4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Bei aller herausragenden Bedeutung, welche der theodorianischen Theologie für die christliche Topographie zukommt, darf man dennoch nicht übersehen, daß der später Kosmas genannte anonyme Christ sich mit Ausnahme seines in Ägypten wahrscheinlich unbekannten Lehrers Patrikios/Mar Aba niemals ausdrücklich auf Theodor oder andere theodorianische Theologen beruft, sondern wohl ganz bewußt andere Quellen und Autoritäten aufzeigt, die für seine Konzeption maßgeblich sein sollen. Das besagte, dezidiert antimonophysitische Florileg aus allgemein anerkannten Vätern zusammen in Buch X präsentiert allerdings zu einem Großteil lediglich Passagen, die den Himmel diffus „oben“ ansiedeln, und kann letztlich nur aus Chrysostomus (X,46–51) und besonders Severian (X,20–38) echte Belege für die eigenen Thesen liefern. In unserem Zusammenhang interessanter sind die gelegentlichen Verweise auf pagane Literatur und (alt-)orientalische Tradition: Konkrete pagane Gewährsmänner nennt er dabei letztlich nur an einer Stelle, in II,79 f., wo zunächst ein Stück aus dem vierten Buch der Geschichte des Ephoros von Kyme zitiert wird, welcher „wie die heilige Schrift die Lage der Erde und den Umlauf der Gestirne auseinandersetzt“, dann durch einen Verweis auf den Bericht des Pytheas über die langen Winternächte die Konzeption vom Nordgebirge belegt und schließlich durch einen Hinweis auf Xenophanes die Kugelgestalt der Erde abgewiesen werden soll. Letzterer ist Kosmas sicher aus der Doxographie zugeflossen, vielleicht ganz konkret aus Eusebs Praeparatio evangelica XV,57,¹ welche er besonders in Buch XII, dem Fragment zum Alter der mosaischen Bücher, offensichtlich eifrig benutzt. Ob er hinsichtlich des Pytheas, dessen Beobachtungen zu den unterschiedlichen Tageslängen auf unterschiedlichen Breiten ja zu den wichtigsten empirischen Stützen des Erdkugelmodells zählten,² absichtlich selektiv verfälscht oder das Werk gar nicht selbst vor sich hatte, wird sich nicht mehr sagen lassen. Von außerordentlichem Interesse ist jedenfalls der Hinweis auf Ephoros korrekte Ansicht zur Lage der Erde, da somit vielleicht die Quelle für eines der im Vergleich zur sonstigen antiochenischen Position originellen Elemente in der Konzeption des Kosmas identifiziert sein könnte, die Behauptung einer NW-SO-Neigung der Erdscheibe, welche auch „nach den nichtchristlichen Gelehrten“ (κατὰ τοὺς ἔξω) die Mondfinsternisse und den Wechsel von Tag und Nacht erklären können soll.³ Ist das von A. Kiessling vertretene Bild einer umfassenden Renaissance der ionischen Naturwissenschaft im vierten bis sechsten Jahrhundert erst einmal als gewagte Interpolation aus verstreuten, teilweise überinterpretierten Einzelbefunden erkannt,⁴ wird man diese spärlichen Hinweise auf alternative Theorien
1 2 3 4
Vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 52–54. Vgl. o. Kap. 1 Anm. 12. Topographia IV,11 vgl. o. Kap. 3 Anm. 409 f. „Ῥίπαια ὅρη“, 861–74.
https://doi.org/10.1515/9783110750027-004
156 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors innerhalb der griechischen Wissenschaft sicherlich nicht überbewerten, gerade angesichts des zwölften Buches, wo einem massiven Orientalismus das Wort geredet wird. Die mangelnde Übereinstimmung zwischen griechischem und biblischem Bild von Geographie und Geschichte wird hier ausdrücklich der Jugend und Ahnungslosigkeit des griechischen Volks angelastet, wogegen Ägypter und Babylonier Zeitgenossen der biblischen Ereignisse gewesen seien und deren Stätten teilweise bis heute vor Augen hätten (bes. XII,5–7). Allein Timaios Lokros habe die Bedeutung des mosaischen Berichtes ernst genommen, das Paradies jenseits des Okeanos allerdings fälschlicherweise in den Westen auf die Insel Atlantis verlegt (XII,2.8). Auch die Verirrung des sphärischen Weltbilds hätten die Griechen durch die Vermittlung der Phönizier von den Babyloniern empfangen (XII,11–13), doch seien letztere, wie Buch VIII näher ausführt, anders als ihre griechischen Epigonen durch die Lehre des Propheten Jesaja wieder zur Vernunft gekommen, was Kosmas zu einem erstaunlichen Bekenntnis führt: „Da also die Babylonier als erste von allen geraten und vermutet haben, daß der Himmel eine Kugel sei, wurden sie wiederum als erste vom Propheten Jesaja belehrt, daß er keine Kugel ist, sondern ein Gewölbe. Von diesen haben auch wir alle Darstellungsformen übernommen und sie in der Christlichen Topographie niedergeschrieben, unter ausdrücklicher Namensnennung des Lehrers und Tradenten in der Vorrede, des großen Patrikios, der aus dem Land der Chaldäer hierher gekommen war“.⁵
Diese Aussage ist natürlich zunächst für das Selbstverständnis der ostsyrischen Christen der Zeit interessant, die sich anscheinend eher als kulturelle Nachfahren der Babylonier gerieren als der Griechen. Daß dies jedoch ganz konkret an der Kosmographie festgemacht wird, weist in der Tat darauf hin, daß die bereits bei Euseb von Emesa und Ephraem feststellbaren altorientalischen kosmographischen Traditionen hier in irgendeiner Form auch bewußt weitergewirkt haben und gepflegt worden sein müssen. Dies müssen wir im Auge behalten, wenn wir uns denjenigen Autoren des fünften und sechsten Jahrhunderts zuwenden, die in keinem besonderen persönlichen Verhältnis zu dem großen Antiochener oder seinen nestorianischen Schülern stehen. Neben einer exakteren Beschreibung der offensichtlich vorhandenen Breitenwirkung von Diodors Schultradition gilt es dabei besonders, auf alternative Traditionen und Motive zu achten, welche unabhängig von den Anregungen aus dem Asketerion nichtsphärische Kosmographie transportiert und entwickelt haben. Der Anfang muß dabei nach umfassender Quellensichtung bezeichnenderweise außerhalb des römischen Reichs gemacht werden, in Armenien, dessen Bildungstradition zunächst in vielleicht noch höherem Maße als bei den Syrern altorientalische und persische Elemente inkorporierte. 5 Topographia VIII,25 (SC 197, 195): Πρῶτον οὖν πάντων στοχασαμένων καὶ ὑποπτευσάντων τῶν Βαβυλωνίων σφαῖραν εἶναι τὸν οὐρανόν, πρῶτοι πάλιν ἐδιδάχθησαν διὰ ᾿Ησαΐου τοῦ προφήτου ὡς οὐ σφαῖρα τυγχάνει, ἀλλὰ καμάρα· ἐξ ὧν καὶ ἡμεῖς παραλαβόντες τὰ σχήματα πάντα κατεγράψαμεν ἐν τῇ Χριστιανικῇ Τοπογραφίᾳ, ὀνομάσαντες καὶ τὸν διδάσκαλον ἐν τῷ προοιμίῳ τὸν καὶ παραδόντα, λέγω δὴ τὸν μέγαν Πατρίκιον τὸν ἐκ γῆς Χαλδαίων ἐνταῦθα παραγενόμενον.
4.1 Eznik v. Kołb
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4.1 Eznik v. Kołb Dem gemeinhin Eznik von Kołb, Schüler des Mashtoc, zugeschriebenen,⁶ als De Deo oder Adversus haereses betitelten wahrscheinlich ersten Originalwerk der armenischen Literatur überhaupt (um 450) kommt im vorliegenden Zusammenhang deshalb besondere Bedeutung zu, weil es einen sogar noch über Severians Genesishomilien hinausgehenden, ausführlichen und umfassenden Angriff auf die ptolemäische Kosmologie als Inbegriff paganen Sternenkults enthält: Eznik leugnet nicht nur gegen die chaldäischen Astrologen die Beseeltheit der Gestirne und deren Wirkmächtigkeit über unser Leben, sondern betrachtet die Behauptung einer Rotation des Himmels, einer Schichtung der Elemente nach ihrem natürlichen Ort oder einer Beleuchtung des Mondes durch die Sonne als Grundlage der paganen Häresie, als diejenige Weltweisheit, die nach 1Kor 1,29 der Erkenntnis des Schöpfers der Welt im Weg steht anstatt sie zu befördern.⁷ Anders als Severian, das Protegé des Chrysostomus, steht Eznik nun aber nicht direkt in antiochenischer Tradition. Noch drängender als bei ersterem stellt sich also die Frage, ob seine Fundamentalopposition gegen einen auch zur damaligen Zeit weithin akzeptierten Teilbereich griechischer Wissenschaft ebenfalls, durch literarische Vermittlung, in der Nachfolge Diodors und Theodors primär theologisch motiviert, oder doch eher aus lokalen, archaisierenden Traditionen gespeist ist, wie bereits Severian sie aus Ephraem und vielleicht noch anderen, uns unbekannten ähnlichen Quellen rezipierte. Nun galt es seit Josef Bidez und Franz Cumont⁸ als allgemein akzeptiert, daß als eine der wichtigsten Quellen des primär gegen den zoroastrisch-zurvanistischen Dualismus gerichteten Werks das Traktat Theodors gegen die Magier zu gelten hat, welches dieser einem aus Armenien stammenden „Landbischof Mastubios“ gewidmet hatte, nach Bidez und Cumont keinem anderen als Mashtoc, dem Lehrer des Eznik und angeblichen Erfinder des armenischen Alphabets, und welches nach dem Résumé des Photius in den Büchern zwei und drei „die Lehren über den rechten Glauben durchgeht, angefangen bei der Weltentstehung“.⁹ Sollten wir also nach dem eher mageren Ergebnis 6 Die vorhandenen Informationen zur Person des (wahrscheinlichen) Autors sind bequem zusammengestellt in der Einleitung von M. Blanchard und R. Young zu A treatise on God written in Armenian by Eznik of Kołb (Leuven 1998), 11–16. 7 Vgl. bes. De deo 287–93 (PO 28, 496–98.640–42). 8 Les mages hellénisés, Bd. II: Les textes (Paris 1938), 88 f. 9 Photius, Bibliotheca, Cod. 81 63b33–64a5 (hg. Henry I, 187): Ἀνεγνώσθη βιβλιδάριον Θεοδώρου περὶ τῆς ἐν Περσίδι μαγικῆς, καὶ τίς ἡ τῆς εὐσεβείας διαφορά, ἐν λόγοις τρισί. Προσφωνεῖ δὲ αὐτοὺς πρὸς Μαστούβιον ἐξ Ἀρμενίας ὁρμώμενον, χωρεπίσκοπον δὲ τυγχάνοντα. Καὶ ἐν μὲν τῷ πρώτῳ λόγῳ προτίθεται τὸ μιαρὸν Περσῶν δόγμα […] Ἐν δὲ τοῖς λοιποῖς δυσὶ λόγοις τὰ περὶ τῆς εὐσεβοῦς διέρχεται πίστεως, ἀπὸ τῆς κοσμογονίας ἀρξάμενος, καὶ περὶ αὐτῆς τῆς χάριτος ὁμοίως καὶ ἐπιτροχάδην διελθών. Näheres zu dieser Schrift bei N. Kavvadas, „Sasanian Creed or Byzantine Projection?: The Zurvanite Myth and Theodore of Mopsuestia’s Contra Magos“, Ephemerides theologicae Lovanienses 96 (2020), 291–311.
158 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors bei Theodoret endlich eine ertragreichere Sekundärquelle zu Theodors Kosmologie vor uns haben? Louis Mariès war dieser Ansicht und meinte besonders aus der Widerlegung des Zurvanismus, aber auch aus den kosmologischen Erörterungen nicht nur Theodor, sondern auch den zeitweise in Armenien exilierten Diodor heraushören zu können.¹⁰ Philippe Gignoux sah diese These durch eine Reihe von Parallelen zwischen Eznik und den Schöpfungshomilien des Narsai gestützt, welche für eine gemeinsame Abhängigkeit beider von Theodor sprechen könnten.¹¹ Vor allem Mariès literarkritische Überlegungen zur Extrapolation zweier Widerlegungen des Zurvanmythos durch Diodor und Theodor wurden jedoch durch van Rompay in überzeugender Weise widerlegt.¹² Dieser geht jedoch noch einen Schritt weiter und hält einen direkte Benutzung Theodors durch Eznik in der fraglichen Zeit für komplett unwahrscheinlich, da Eznik selbst allem Anschein nach an dem jüngst erfolgten Einlenken der armenischen Kirche und Theologie auf die Linie Kyrills selbst mitgewirkt habe, und sein Lehrer Mashtoc nach der Vita des Koriun in diesem Rahmen Theodors Schriften systematisch vernichten ließ. Alles bei Eznik nachweisbare „antiochenische“ Gedankengut stammt daher nach van Rompay viel eher aus der Tradition der Schule von Edessa.¹³ Sehen wir uns die fragliche Passage also etwas genauer an. Ezniks Widerlegung des zoroastrischen Dualismus gipfelt in einer Widerlegung der Astrologie (212–230) und einer abschließenden Erörterung des Verhältnisses von Übel und göttlicher Vorsehung (231–66): Die Freiheit der Vernunftwesen, so wird abschließend festgestellt, ist für das Böse verantwortlich, nicht der Einfluß belebter Gestirne, welche nach dem klaren Zeugnis der Schrift (Gen 1,14–17–17; Lk 12,54 f.) lediglich dem Menschen als Orientierungszeichen dienen sollen. Diese Feststellung nimmt Eznik zum Anlaß für zwei direkt aufeinanderfolgende Ausfälle gegen die heidnische Kosmologie, einem ersten, allgemeineren gegen die Rotation des Himmels und den Selbststand der Erde bzw. der Schöpfung insgesamt (267–86) und einem zweiten, spezifischeren gegen die Behauptung einer Beseeltheit der Natur im (griechisch-römischen) Heidentum (286–319). Der erste Ausfall begegnet zunächst der Behauptung einer Himmelsrotation 10 „Le De Deo d’Eznik de Kołb“, Revue des Études armeniennes 4 (1924), (113–205) 151–66.198–202. 11 PO 34, 502–509. Das hier zusammengestellte Material ist in der Tat in den meisten Fällen zu vage, um eine gemeinsame schriftliche Quelle zu erweisen. Besonders bei dem im vorliegenden Zusammenhang besonders interessanten Thema der „irdischen Behausung“ des Menschen (ebd., 508) fehlt bei Eznik das für Narsai (und Theodor) charakteristische Gegenüber der „himmlischen Behausung“. Allenfalls die ebd., 507 angeführte Kontrastierung zwischen dem Lärm der göttlichen Schritte (Gen 3,8) und dem sanften Tonfall der göttlichen Frage dürfte auf eine gemeinsame schriftliche Quelle deuten, obwohl auch hier nicht völlig auszuschließen ist, daß der rhetorisch wie narrativ effektive Kontrast unabhängig voneinander in die Erzählung eingetragen wurde. 12 „Eznik de Kołb et Théodore de Mopsueste. À propos d’une hypothèse de Louis Mariès“, Orientalia Lovaniensia periodica 15 (1984), (159–75) 161–67. 13 van Rompay, „Eznik de Kolb“, 168–72.
4.1 Eznik v. Kołb
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mit dem vergleichsweise schlichten Argument der unterschiedlich schnellen Bewegung der Himmelskörper, welche mit einer kontinuierlich in einem Tag um die Erde rotierenden Himmelskugel unvereinbar sei (268), um dann einige klassische Schriftbelege dagegen aufzuführen (Jos 10,12; Jes 38,8; Koh 1,5 f.), inklusive der aus Diodor und Theodor bekannten Richtigstellung zu Gen 1,17.¹⁴ Vielmehr laufe die Sonne nachts „wie die Weisen sagen“ am unteren Rand der Berge des Nordens vorbei,¹⁵ ja könne die Erde gar nicht unterlaufen, da diese nach Hi 26,7 im Nichts aufgehängt sei (270 f.). Nach der Erledigung zweier eher banaler Einwände (272–76) kommt er auf die Unmöglichkeit einer freischwebenden Erdkugel im Zentrum des Kosmos zu sprechen und zitiert zur Illustration ein Beispiel aus seiner wohl wichtigsten astronomischen Quelle, Achilles Tatius, einem nicht mit dem gleichnamigen Romancier zu verwechselnden Astronomen des dritten Jahrhunderts. Dessen später zu einer Einführung zu Arats Phänomena umredigiertes und in dieser Form erhaltenen gebliebenes Werk De sphaera¹⁶ muß Eznik in irgendeiner Form benutzt haben, da er ihm zwei ganz charakteristische Beispiele entnimmt, unter anderem dasjenige vom in einem aufgeblasenen Schlauch schwebenden Weizenkorn zur Illustration der in der mit den Elementen angefüllten Himmelskugel schwebenden Erde (277).¹⁷ Dies erledigt Eznik relativ schnell mit dem Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit der Lehre von der natürlichen Bewegung der Elemente, nach der sich keines davon unter der Erde befinden könne (278)¹⁸ und kommt auf eine innerchristliche Debatte zu sprechen, welche wir bereits aus Diodors¹⁹ und Theodorets²⁰ Psalmenkommentaren kennen: Wie soll die Erde nach Hi 26,7 im Nichts hängen, wenn sie nach Ps 23,2 und 135,6 auf den Wassern gegründet ist? (279) Hierauf antwortet Eznik zunächst mit einer wiederum deutlich aus „antiochenischem“ Fundus geschöpften Erörterung über die gegenseitige Ergänzung biblischer Prophetien, namentlich Gen 1 f. und Ps 148²¹: Ebenso wie der Schöpfungsbericht durch besagten Psalm ergänzt und besonders hinsichtlich der in Gen 2,7 f. undeutlich bleibenden Geschöpflichkeit der menschlichen Seele konkretisiert werde, müßten die interpretierbaren Psalmstellen im Licht der klaren Hiobstelle gedeutet und somit – wie bei Diodor und Theodoret²² –auf das in der Erde enthaltene Wasser bezogen werden (280–85).
14 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 125. 15 Auch hier könnte er evtl. auf „antiochenische“ Autoren Bezug nehmen (vgl. o. Kap. 3 Anm. 140). 16 Vgl. E. Maaß, Commentariorum in Aratum reliquiae (Berlin ²1958), XVI–XVIII. 17 Vgl. Isagoge 4 (hg. Maaß, 34). Vielleicht stammt auch schon der Einwand, der Sonnenaufgang aus dem Meer belege die Kugelgestalt des Himmels (§ 272 f.), aus Achilles, Isagoge 6 (hg. Maaß, 37). 18 Ähnlich später bei Kosmas (o. Kap. 3 Anm. 416). 19 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 12. 20 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 233. 21 Vgl. den in Appendix 1 edierten Kommentar Diodors zu Ps 148,1. 22 De Deo 318 könnte allerdings als Ablehnung des mindestens bei Theodoret explizit zugestandenen Okeanos rund um die Erde gelesen werden, geht aber wohl nur auf die „Wassersphäre“ des Sphärenmodells.
160 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Danach folgt ein Neueinsatz, der wohl auch dazu dienen soll, die gar zu vergröbernde Abweisung der Himmelsrotation zu Beginn der Passage noch ein wenig zu untermauern, explizit jedoch mit der Widerspenstigkeit der Gegner begründet wird, in der sie allem und jedem Leben und Geist zuschreiben (286) – eine Wiederaufnahme des Ausgangspunkts der gesamten kosmologischen Erörterung, welcher ja in der Ablehnung des Einflusses belebter Gestirne auf das menschliche Leben bestanden hatte (266). Im Folgenden wird eine Art Panorama der heidnischen Irrtümer gegeben, angefangen mit einer Aufzählung acht kosmologischer Grundirrtümer (287–91), welche den griechischen Philosophen angeblich nur als Ausflucht für ihre unentschuldbare Verkennung des Schöpfers bzw. Vergötzung und Beseelung der nichtmenschlichen Schöpfung dienen (291–93). Dies wird untermauert durch eine fast wörtlich aus der Anakephalaiosis von Epiphanius Panarion, Kap. 3–8 übernommene Passage über die vier philosophischen Grundsekten und den Ursprung des Heidentums (294–99). Die anschließende Widerlegung dieses „Paganismuspanoramas“ beginnt mit der Attacke auf den Pantheismus: Die Gegner, so Eznik, schreiben unbelebten Dingen wie den Gestirnen ein Leben zu, welches sie als Teil der Substanz Gottes ansehen und somit alles vergötzen (300–3). Dem ist zunächst durch eine Widerlegung der acht kosmologischen Irrtümer (304–19), anschließend durch eine solche der mit Epiphanius beschriebenen Sekten (320–40) sowie einem Gesamtblick auf den Sinn hinter der göttlichen Heilsgeschichte (341–50) entgegenzutreten, wobei im vorliegenden Zusammenhang allein erstere Passage interessiert. Die von Eznik hier angegriffenen neun Irrtümer kreisen letztlich (fast) alle um das sich in der Bewegung offenbarende Leben der Planeten: Die ersten vier betreffen diese Bewegung selbst (287), die letzten fünf deren Voraussetzungen und Wirkungen (288–91). Bei genauerem Hinsehen lassen sich (fast) alle diese Irrtümer auch im uns erhaltenen Text des Achilles Tatius wiederfinden: Daß (1.) der Mond sich deutlich schneller bewegt als die Sonne konnte er dem Abschnitt über das große Jahr entnehmen,²³ daß sich (2.) der Himmel an einem Tag einmal um sich selbst dreht, vielleicht im Abschnitt über den Tierkreis finden.²⁴ Auf (3.) den Unterschied zwischen beweglichen Planeten und an der Himmelssphäre befestigten Sternen wird bei Achilles mehrfach zurückgekommen,²⁵ ebenso wie (4.) auf die im Vergleich zur Bewegung des Gesamtkosmos retrograde Bewegungsrichtung der Planeten.²⁶ Die (5.) Vorstellung von einer die Erde umgebenden Himmelskugel beherrscht die gesamte Erörterung bei Achilles,²⁷ die (6.) vier diese Himmelskugel „erfüllenden“ Elementarsphären bzw. -schichten werden, zusammen mit der Lehre von natürlichem Ort und Bewegung, im Kapitel über das Zustandekommen des Alls 23 24 25 26 27
Isagoge 18 (hg. Maaß, 44). Isagoge 23 (hg. Maaß, 54). Isagoge 10 (hg. Maaß, 39) und 18 (ebd., 45). Isagoge 10 (hg. Maaß, 39) und 20 (ebd., 48). Vgl. die Doxographie in Isagoge 6 (hg. Maaß, 37 f.).
4.1 Eznik v. Kołb
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vorgestellt.²⁸ Das Zustandekommen von (7.) Mond- und (8.) Sonnenfinsternis wird im Abschnitt zu den jeweiligen Planeten erklärt.²⁹ Lediglich der letzte Irrtum, daß (9.) die belebten Gestirne für die Umwandlung der Elemente ineinander verantwortlich seien, ist im uns erhaltenen Text des Achilles nicht zu belegen. Da der Grundirrtum, den Eznik bekämpft, nämlich die Beseeltheit der Gestirne, dafür dort jedoch umso intensiver zum Ausdruck kommt,³⁰ wird unser Autor diese Liste wohl – anders als die folgende Doxographie aus Epiphanius – tatsächlich selbst zusammengestellt und seiner bereits in § 3 des Werks angekündigten Frontstellung entsprechend (Eznik richtet sich gegen die dualistische Verteufelung der Natur ebenso wie gegen ihre Vergötzung durch Beseelung) auch selbst widerlegt haben. Dementsprechend enthält die in 304–19 folgende Widerlegung der neun Irrtümer auch kaum etwas, was auf eine „antiochenische“ oder sonstige griechische Quelle deuten würde. Irrtümer (4.), (2.), (5.), (6.) und (9.) werden relativ schlicht erledigt: Die Vorstellung einer retrograden Bewegung der Sonne sei lächerlich, da dies die Himmelsrichtungen aufhebe (309), ein nächtliches Verbleiben der Sonne am rotierenden Himmel würde die komplette Verfinsterung auch des Himmels nicht erklären (310), eine die Erde und alle Planetensphären umfassende Himmelskugel würde die durch Jes 40,12 vorgegebenen Größenverhältnisse (Erde : Himmel = Finger : Hand) deutlich sprengen (311), und die Tatsache, daß alle Elemente miteinander vermischt und ineinander enthalten seien, mache sowohl die Annahme von Elementarsphären als auch von zirkulärer Elementartransformation unnötig (318 f.). In der Antwort auf (1.) und (3.) lehnt er sogar die wohl auf Theodor zurückgehende, auf Eph 2,2, basierte Theorie von englischen Sternbewegern explizit ab und will die Sterne allein durch Gottes Befehl gelenkt sehen (305), und auch gegen (7.) und (8.) beruft er sich auf eine Theorie „weiser Männer“, welche wohl kaum aus der „antiochenischen Schule“ stammt: Danach spricht vor allem Gen 1,16 für eine Selbständigkeit des Mondes der Sonne gegenüber (313), als Herrscher der Nacht mit eigenem Licht und eigenen Wirkungen (312).³¹ Die Mondphasen müssen also durch eine Art flexibler Schale um den Mond erklärt werden, welche ihn sukzessive aufund zudeckt, was besonders an der Aura des zunehmenden Mondes deutlich werden soll, dem Durchschimmern seines Lichtes durch besagte Schale (314). Obwohl auch in der wissenschaftlichen Astronomie der Griechen dem Mond vielerorts eigenes Licht zugestanden wurde, scheint eine solche Theorie dort ansonsten gänzlich unbekannt.³²
28 Isagoge 4 (hg. Maaß, 32 f.). 29 Isagoge 21 (hg. Maaß, 49 f.) und 19 (ebd., 46 f.). 30 Vgl. bes. Isagoge 5 (hg. Maaß, 35); 13 (ebd., 40 f.) und 23 (ebd., 53). 31 Zur Interpretation dieses schwierigen Textes vgl. Mariès in PO 28, 751 f. (Anm. 746). 32 Vgl. W. Gundel, „Mond“, PRE I/16 (Stuttgart 1933), 76–105, bes. 87–89. Allerdings berichtet auch Augustin von einer Ansicht, wonach der selbstleuchtende Mond seine leuchtende Seite der Erde sukzessive zu- und wieder abwende (Enarrationes in Ps 10,3; CSEL 93/1, 221 f.): cum enim quaeritur unde lumen habeat, alii dicunt suum habere, sed globum eius dimidium lucere, dimidium autem obscurum esse; dum autem mouetur in circulo suo, eamdem partem qua lucet, paulatim ad terras conuerti, ut
162 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Selbst Kosmas erklärt Sonnen- und Mondfinsternis ganz schlicht durch die Ersetzung des Mond- bzw. Erdschattens durch den Schatten der Erderhöhung im Norden und Westen (Topographia IV, 10–15) und sieht ansonsten keinerlei Notwendigkeit, dem Mond im Namen von Gen 1,16 seine Rechte zu sichern. Wir werden es hier also am ehesten mit einem Stück archaisierender Populärkosmologie zu tun haben, wie wir sie in ähnlicher Form bei Severian aus Ephraem und anderen Quellen geschöpft vorfanden.³³ Was die Quellen von Ezniks Kosmologie anbetrifft, ist also der grundsätzlichen Einschätzung van Rompays Recht zu geben. Zwar ist er mit Quellen antiochenischer Theologie bekannt, verarbeitet diese aber hauptsächlich im ersten, grundsätzlichen Teil, besonders in §§ 269–71 zur (Un-)Beweglichkeit von Himmel und Sternen und der Fundierung der Erde. Daß er auch das Grundschema der zwei Himmel wohl bei den Antiochenern fand, erhellt erst aus seiner Widerlegung der markionitischen Rede vom dritten Himmel, wo er deren Zweizahl im Namen von Gen 1,1.8 (allerdings ohne Gebäudemetaphorik und Habitatkonzeption) verteidigt, für die biblische Rede von Himmeln auf das hebräische plurale tantum verweist,³⁴ und das Gegenargument aus 2Kor 12,2 auf dieselbe Weise widerlegt wie Severian: Aus der Tatsache, daß Paulus kurz danach ins irdische Paradies kommt, wird gefolgert, daß mit „dritter Himmel“ nur das dritte Drittel des Abstands zwischen Himmel und Erde gemeint sein kann.³⁵ Ebenso aus der antiochenischen Schule vertraut, wenn auch weniger spezifisch, ist Ezniks Erklärung der Nacht durch die nördlichen Berge oder die Rückführung der Gestirnsbewegung auf Engel. Ob der theologische Impetus, der ihn unter Rekurs auf andere, ihm geläufigere Vorstellung gegen die heidnische Vergötzung/Beseelung ankämpfen läßt, selbst ebenfalls Diodor oder Theodor entstammt, läßt sich wohl nicht mehr sagen. Ezniks Christologie jedenfalls, welche im Brief an Mashtoc ganz kyrillisch anmutet, präsentiert sich in De Deo ganz basal und untechnisch, so daß von dort wohl kein theologischer Impuls auf seine Kosmologie hin zu vermuten ist.³⁶ Letztlich dürfte er im Wesentlichen aus denselben kosmographischen Traditionen schöpfen, wie wir sie schon bei
uideri a nobis possit, et ideo prius quasi corniculatam apparere. nam et si facias pilam ex dimidia parte candidam, et ex dimidia obscuram, si eam partem quae obscura est ante oculos habeas, nihil candoris uides, et cum coeperis illam candidam partem ad oculos conuertere, si paulatim facias, primo cornua candoris uidebis, deinde paulatim crescit, donec tota pars candens opponatur oculis et nihil obscurae alterius partis uideatur; quod si perseueres adhuc paulatim conuertere, incipit obscuritas apparere et candor minui, donec iterum ad cornua redeat et postremo totus ab oculis auertatur ac rursus obscura illa pars sola possit uideri; quod fieri dicunt, cum lumen lunae uidetur crescere usque ad quintam decimam lunam, et rursus usque ad tricesimam minui et redire ad cornua, donec penitus nihil in ea lucis appareat. 33 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 75–77. 34 Vgl. De Deo 377 f. (PO 28, 521 f.669 f.). Bereits in De Deo 1 (PO 28, 417.549) wird der obere Himmel mit dem sichtbaren, aus Wasser und Erde bestehenden Firmament kontrastiert. Zum plurale tantum vgl. Kap. 3 Anm. 42. 35 De Deo 379 f. (PO 28, 522.670) vgl. o. Kap. 3 Anm. 81. 36 Vgl. R. Young, „Notes on Eznik of Kołb’s Discussion of the Incarnation“, St. Nerses theological review 1 (1996), 169–80.
4.2 Jakob v. Sarug
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Ephraem und Euseb von Emesa fanden, und diese in noch etwas oberflächlicherer Form als Severian mit Lesefrüchten griechisch-antiochenischer Theologie garnieren. Er repräsentiert also einen ersten, wichtigen Zeugen für das Konvergenzpotential beider Konzeptionen, auch jenseits eines tatsächlichen antiochenisch-theodorianischen Schulzusammenhangs.
4.2 Jakob v. Sarug Das monophysitische Pendant zum nestorianischen Memre-Dichter Narsai war wohl nur wenige Jahrzehnte jünger als dieser und besuchte die Schule von Edessa wenige Jahre nach dessen Auszug.³⁷ Wie er selbst berichtet, muß er um 470,³⁸ als die Schriften Diodors aus dem Griechischen ins Syrische übersetzt wurden, in Edessa auf das Schrifttum der antiochenischen Schule gestoßen sein: Ein Buch Diodors erschien ihm „voll jeder Fragwürdigkeit und aller Überlegung, die sehr weit von der Wahrheit entfernt war“, und eine weitere Schrift Diodors sowie Theodorets überzeugten ihn dann, daß all deren Werke, ebenso wie diejenigen Theodors, vom Gift der nestorianischen Häresie durchtränkt waren.³⁹ Auch wenn er sich somit durch die Vehemenz und Kompromißlosigkeit der Mönche des Mar Bassus-Klosters genötigt sieht, die antiochenischen Schulhäupter in der schärfsten Form als eigentliche Köpfe derjenigen Häresie zu verurteilen, deren Popularisator Nestorius gewesen ist,⁴⁰ gibt er dennoch zu, ihre Werke in seiner Jugend vielleicht sogar recht intensiv studiert zu haben. Es kann somit nicht verwundern, daß auch seine Hexaemeron-Homilien seit der Analyse Jansmas als eindeutig „tributaire de Théodore“ eingestuft werden,⁴¹ auch wenn Jansma einen direkten Einfluß von Theodors Kommentar auf den monophysitischen Exegeten für ausgeschlossen hielt, sondern an ein „manuel d’exégèse, dans lequel des scolies de l’oeuvre théodorienne pourraient avoir trouvé place“⁴² dachte: ein katenenähnliches Werk, ähnlich der wohl genau aus der fraglichen Zeit stammenden ps.-athanasianischen Expositio in Psalmos. Obgleich ich diese Schlußfolgerung, gerade wenn man die Hexaemeron-Homilien relativ früh in der wohl um 473 beginnenden schriftstellerischen Karriere⁴³ Jakobs ansiedelt, keineswegs für zwingend halte, wird sich die Art und Weise, wie Theodor Jakobs Genesisauslegung beeinflußte, kaum
37 Zum Hintergrund vgl. A. Vööbus, History of the school of Nisibis (Louvain 1965), 24–32. 38 „Vor mehr als 45 Jahren“, behauptet die sicher vor seiner Bischofsweihe (518/19) abgefaßte Ep. 14 (CSCO 110, 58; Übersetzung bei M. Albert, Les Lettres de Jacques de Saroug [Kaslik 2004], 95). 39 Ep. 14 (CSCO 110, 59). 40 Ep. 16 (CSCO 110, 70–72). 41 „L’ Hexaméron de Jacques de Sarug“, L’Orient syrien 4 (1959), (3–14.129–162.253–284) 159. 42 „Hexaméron“, 160. 43 Die biographischen Zeugnisse lassen den um 451 geborenen mit 22 Jahren zu schreiben beginnen (vgl. W. Hage, „Jakob von Sarug“, TRE 16 [Berlin/New York 1987], [470–74] 471).
164 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors eindeutig rekonstruieren lassen. Die Existenz eines solchen, wenn auch keineswegs ungebrochenen, Einflusses verraten bereits die Ausführungen zur Engelschöpfung in der ersten Homilie: Ebenso wie Theodor lehnt Jakob jede Präexistenz der Engel ab,⁴⁴ sieht sie dem davidischen Ergänzungstext Ps 103,4 folgend als gemeinsam mit dem Licht bzw. Feuer geschaffen⁴⁵ und derart über die eigene Existenz im Unklaren befindlich, daß sie durch das göttliche Schöpfungswort erzogen und unterrichtet werden müssen.⁴⁶ Andererseits sind die Engel jedoch anders als bei Theodor weder auf den Raum unter dem Firmament beschränkt noch scheint ihr primärer Zweck im Dienst an Menschen und Natur zu liegen,⁴⁷ sondern vielmehr ganz eindeutig im beständigen Lobpreis Gottes im himmlischen Heiligtum.⁴⁸ Ein ganz ähnliches Bild ergibt die ohne jegliche Polemik gegen pagane Gegenmodelle und oft eher indirekt vorgetragene Kosmographie: Daß die Erde eine flache Scheibe ist, wird nirgends direkt gesagt, am deutlichsten vielleicht in Homilie 3, wo der aus Chrysostomus bekannte Gedanke aufgenommen wird, daß der „Boden des großen Hauses“, also die vom Wasser befreite Erde, erst am dritten Tage, also nach dem diese überdachenden Firmament geschaffen wurde.⁴⁹ In diesem Lichte ist dann auch eine Passage der zweiten Homilie zu interpretieren, wo die körperliche Schöpfung zweimal ʾesfīrā, „Sphäre“, genannt wird: „Diese gesamte Schöpfung besteht aus Körpern und Schatten. Wie eine Sphäre ist sie als Ganze ins Nichts gesetzt. Es gibt keinen Körper weder über ihr, noch unter ihr, noch um sie herum, sondern nur eine Kraft, die sie stützt. Und sie ist aufgehängt und aufgestellt wie ein Vogel im Nichts, und mitten in ihr ist eine chaotische Welt voller Bewegung. Und oberhalb von diesem körpertragenden Rad ist eine Wüste von Licht, wo die (himmlischen) Heerscharen wohnen, und unterhalb von ihnen ist dieses Firmament, wie eine Sphäre, in welchem diese körperlichen Leiber verborgen sind. Es ist festgemacht wie ein Zelt zur Wohnung für Geschlechter und Völker […], wie ein Dach für die gesamte Welt der Menschheit“.
„Sphäre“, im syrischen eine unspezifische Bezeichnung für alles Runde, wird hier deutlich parallel zu „Rad“ (gīglā) verwendet,⁵⁰ ist also nicht im Sinne von ‚Kugel‘ zu
44 Hexaemeron I, 79 f.179–208 (hg. T. Muraoka, Jacob of Serugh’s Hexaemeron [Leuven 2018], 11.23 f.). Zu Theodor vgl. o. Kap. 3 Anm. 200. 45 Hexaemeron I, 261–78 (hg. Muraoka, 28). Theodor verwies hier zunächst auf Ps 148,2 (o. Kap. 3 Anm. 155), doch die zugrundeliegende Anschauung eines sukzessiven Offenbarungsfortschritts von Mose zu David scheint dieselbe. 46 Hexaemeron I, 209 f.231 f.483 f. (hg. Muraoka, 24.44). Vgl. o. Kap. 3 Anm. 175. 47 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 147–54. 48 Hexaemeron I, 211–36 (hg. Muraoka, 24 f.) u. ö. 49 Hexaemeron III, 239–43 (hg. Muraoka, 90). Muraokas epexegetische Auffassung der Genitivverbindung ʾarʿā d-bēth rabbā ist grammatikalisch sicher möglich, im Kontext jedoch weniger sinnvoll (vgl. o. Kap. 3 Anm. 40). Auch nach Hexaemeron II, 149 ist das Firmament zunächst ohne Fundierung. 50 In anderen Texten ist jedoch die Charakterisierung der Welt als „Sphäre“ oder „Rad“ ganz primär, wenn nicht einzig und allein zeitlich konnotiert, im Sinne des gleichbleibenden Rhythmus von Tagen,
4.2 Jakob v. Sarug
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verstehen: Die geschaffene Welt zwischen Firmament und Erde ist eine „Rundung“, welche vom absoluten Nichts umgeben (Hi 26,7) lediglich von Gottes Kraft ge- und erhalten wird und alle Körper mit ihren Bewegungen einschließt, ein „Rad“, welches die körperlichen Geschöpfe trägt und in sich hat, die geistigen jedoch über bzw. auf sich: ein kreisförmiges „Erdgeschoß“ der Wirklichkeit. Das Modell vom zweistöckigen Weltgebäude, das Jakob immer wieder bemüht⁵¹ ist also kosmographisch konkret zu nehmen. Als in sechs Tagen geschaffenes hat es sechs Dimensionen, Höhe, Tiefe, sowie die Erstreckung in die vier Himmelsrichtungen, ist also horizontal durch vier absolute Endpunkte bemessen.⁵² Das Firmament teilt dieses Gebäude in zwei Stockwerke, ein unteres für das Körperliche und ein oberes für das Geistige und scheint nach dem gegen die antiochenischen Tradition nicht auf den ersten Himmel bezogenen Jes 40,22⁵³ kuppelförmig zu sein, wie besonders die Beschreibung der wundersamen Versammlung und des widernatürlichen Stillstands der oberen Wasser auf der „Kanzel“ oder dem „Kamm“⁵⁴ des Firmaments verdeutlicht.⁵⁵ Die Erde ist somit oben und unten von Wasser umgeben, schwimmt also anscheinend mit Ps 23,2/135,6 auf der Urflut,⁵⁶ welche wiederum als Teil der gesamten Schöpfung mit Hi 26,7 im Nichts aufgehängt ist.⁵⁷ Zwar wird auch immer wieder von einer unterirdischen „Hölle“ gesprochen, doch scheinen deren unermeßliche Tiefen dreidimensionale Kosmographie in ähnlicher Weise zu transzendieren⁵⁸ wie der Lichtraum des Himmels jenseits des Firmaments. Dessen konkrete Funktion innerhalb der Schöpfung unterscheidet sich ebenfalls deutlich von dem, was wir aus der theodorianischen Tradition⁵⁹ kennen: Weder verbraucht seine Schöpfung überflüssiges Wasser, noch muß es von den Himmelsfluten gegen die Hitze der Gestirne gekühlt werden. Zwar dient es mit der Gen 1,14 als Sitz der Gestirne, sorgt aber nicht für deren Sichtbarkeit, sondern sperrt vielmehr das erstWochen und Jahren (vgl. neben Hexaemeron IV, 245–28 [hg. Muraoka, 114] besonders VII, 19–54.399–430 [hg. Muraoka, 198 f.224 f.]). 51 Vgl. etwa II, 231–34; VI, 117–20; VII, 251–54 (hg. Muraoka, 66.160.214). Schleichers Verweis (Cosmographia, 219) auf den Dialog zwischen dem Apostel Thomas und dem König von Indien über den himmlischen und irdischen Palast dürfte hingegen nichts austragen, da der apostolische Protagonist hier primär an den Vorstellungen seines Gegenübers anknüpft, um diese zu sublimieren. 52 Hexaemeron VI, 107–10 (hg. Muraoka, 158). Man vgl. die Einteilung der Klimata nach den Himmelsrichtungen bei Diodor und Theodor (o. Kap. 3 Anm. 21). 53 Vgl. Hexaemeron II, 163 f.; III, 69; V, 24; VII, 251 (hg. Muraoka, 60.78.126.214). 54 Zur Deutung von gugōlthā (Hexaemeron II, 55) vgl. E. Mathews, Jacob of Sarug’s Homilies on the Six Days of Creation: The Second Day (Piscataway 2016), 12 Anm. 14. Die Metapher steht offensichtlich parallel zu der vom „Kratersee“ (II, 54). 55 Hexaemeron II, 39–74 (hg. Muraoka, 50–54) mit ausdrücklicher Betonung der Übernatürlichkeit der Lagerungsposition (vgl. o. Kap. 2 Anm. 74 und Kap. 3 Anm. 34). 56 Hexaemeron II, 115–24; III, 47 f.159; (hg. Muraoka, 56 f.76.84). 57 Hexaemeron III, 151–64; V, 342–44; VII, 117 f.161–69.264 (hg. Muraoka, 84.148 f.206.208.216). 58 Vgl. T. Bou Mansour, La théologie de Jacques de Saroug. Bd. 2: Christologie, Trinité, Eschatologie, Méthode exégétique et théologique (Kaslik ²2000), 143–48.305–9. 59 Vgl. Theodors fünf Gründe für die Schöpfung des Firmaments (o. Kap. 3 Anm. 167 f.).
166 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors geschaffene Licht aus der vergänglichen Schöpfung aus, so daß deren ewige Nacht durch die „Leihlichter“ der Gestirne durchbrochen werden muß.⁶⁰ Dies dürfte direkt aus Ephraems Genesiskommentar übernommen sein, wo ebenfalls die erste Nacht durch die aus der Urflut aufsteigenden Wolken und die folgenden durch den Schatten des Firmaments verursacht werden.⁶¹ Dementsprechend wird auch der Himmel über dem Firmament genau wie bei Ephraem als spiritueller Ort des Lichts und der Unveränderlichkeit beschrieben: Die Darstellung der himmlischen Ruhe der oberen Wasser in Hexaemeron II,91–108 liest sich fast wie ein Kommentar zu der kryptischen Bemerkung Ephraems, daß sich die oberen Wasser „im Ungestalteten“ nicht bewegen könnten,⁶² und auch die Betonung der Körperlosigkeit und Unbeschreiblichkeit des von Paulus und Stephanus geschauten Lichtraums⁶³ passen gut zu der von Ephraem insinuierten Transzendenzvorstellung.⁶⁴ Schließlich verdankt sich auch die Theorie der aus dem Urlicht geschaffenen Gestirne⁶⁵ und des völlig selbständigen, natürlichen Wachstums- und Schrumpfungsprozessen vergleichbaren Ab- und Zunehmens des selbstleuchtenden Mondes⁶⁶ deutlich der Inspiration Ephraems. An jüdische Traditionen erinnert sein Rekurs auf Gestirnswagen,⁶⁷ Himmelstore⁶⁸ und -fenster, wobei sich hier der Verdacht rein metaphorischer Redeweise aufdrängt: Tag und Nacht scheint er sich nämlich nicht im Sinne der Henoch-Tradition durch Himmelstore, sondern vielmehr durch das wiederum der antiochenischen Tradition vertrautere Nordgebirge zu erklären, auf welches er auch außerhalb der Hexaemeronhomilien ab und an Bezug nimmt.⁶⁹ Besonders angesichts seiner spiritualisierenden Auffassung vom Himmel ist nun allerdings beachtlich, daß er den für die Antiochener theologisch wichtigsten Punkt in ihrer Theorie des Firmaments, die Katastasen bzw. Habitatenlehre, relativ klar zu übernehmen scheint: Das Firmament bildet auch für Jakob die Grenze zweier Wohn60 Hexaemeron II, 151–82 (hg. Muraoka, 60 f.). Im anschließenden Passus über den Nutzen des Firmaments für die Regulierung der Zeit (II, 183–212) könnte man ein Echo von Theodors zweitem und drittem Grund (Sichtbarkeit des Himmels und der Gestirne von der Erde aus) erblicken, besonders in v. 212, wo das Firmament dem menschlichen Blickfeld halt geben soll. 61 In Gen I,4–6 (CSCO 152, 10 f.). 62 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 61. 63 Hexaemeron II, 213–60 (hg. Muraoka, 64–68). 64 Vgl. o. bei Kap. 2 Anm. 64. Vielleicht spielt hier jedoch auch die rabbinische Ansicht eine Rolle, daß die oberen Wasser nicht vom Firmament gehalten werden, sondern kraft des göttlichen Wortes darüber schweben (Bereshit Rabba 4,3 [hg. Theodor/Albek I, 26 f.]; vgl. Rand, „Upper Waters“, 24). 65 Hexaemeron IV, 13 f.329 f. (hg. Muraoka, 99.120). Vgl. o. Kap. 2 Anm. 65. 66 Hexaemeron IV, 153–79.271–92 (hg. Muraoka, 108 f.116 f.). 67 Hexaemeron IV, 315–17 (hg. Muraoka, 120); Hom. 67, 65 (hg. P. Bedjan, Homiliae selectae, Bd. 2 [Paris 1906], 339/tr. I. Isebaert-Cavuet, Jacques de Saroug: La Fin du monde. Homélies eschatologiques [Paris 2005], 56). Vgl. o. bei Kap.1 Anm. 86 und 95. 68 Hexaemeron II, 12.175.307; IV, 261 f. (hg. Muraoka, 48.62.70.116). Vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 72–78. 69 Hexaemeron IV, 53 f.383 f. (hg. Muraoka, 100.124); E. Mathews, Jacob of Sarug’s Homily on the Creation of Adam and the Resurrection of the Dead (Piscataway 2014), 43 (v. 214).
4.2 Jakob v. Sarug
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stätten, meist in Zelt- oder Hausmetaphorik beschrieben,⁷⁰ in dem das Firmament als Zwischendecke gleichzeitig Dach und Boden bildet: „Und dieses Firmament, das der Herr am zweiten Tag gemacht hat, ist für diejenigen droben wie eine Erde, die unter ihnen ist, Himmel für uns und Erde für sie, die darüber sind, welches das Zeichen (des göttlichen Befehls) befestigt hat, damit es eine Erde für die Oberen werde“.⁷¹
Wozu brauchen nun aber die Engel, gegen Theodor ganz klar primäre Bewohner des oberen Habitats, genau einen Boden? Sollte dieser vielleicht ganz im Sinne Theodors eigentlich für die Auferstehungsleiber vorbereitet sein? Tritt man mit dieser Erwartung an Jakobs zahlreiche eschatologische Homilien heran, wird man auf ganzer Linie enttäuscht. Ganz im Gegensatz zu den Antiochenern läßt er überhaupt keinen Zweifel daran, daß die gesamte vergängliche Schöpfung vernichtet,⁷² auf den Urzustand des Tohuwabohu reduziert wird,⁷³ inklusive der Gestirne, des Himmels und des Firmaments.⁷⁴ Mit den Sternen und ihrem Lauf (Mk 13,24 f. par) kommt für ihn nicht nur die Zeit, sondern auch der Raum an sein Ende, da keine Unterscheidung der Himmelsrichtungen mehr möglich ist.⁷⁵ Obgleich er den Menschen sehr gerne als Mikrokosmos betrachtet,⁷⁶ konzipiert er dessen eschatologische Verklärung gerade nicht in Analogie zur Neuschöpfung des Gesamtkosmos: Berge und Hügel, Sonne und Gestirne werden verschwinden und zu Nichts zerfallen, vom menschlichen Körper jedoch nicht das winzigste Atom vergehen, egal wohin es verstreut ist.⁷⁷ Obwohl er auch betonen kann, daß der auf diese Weise auferstehende Körper „derselbe ist, den die Schlange beschädigt hat“,⁷⁸ geht er doch von einer ganz tiefgreifenden spiritualisierenden Umwandlung dieses Körpers aus: Er wird jeglicher Zusammensetzung entbehren,⁷⁹ vier Elemente und fünf Sinne werden in Einheit und Unbeschränktheit erstehen,⁸⁰ jedoch anscheinend so, daß die menschliche Gestalt – im angemessenen Erwachsenenalter, doch ohne Differenzen in Geschlecht und Hautfarbe⁸¹ – erhalten bleibt. Alle „Glieder mit 70 Hexaemeron II, 32.213 f.233 f.271; III, 240–42 (hg. Muraoka, 50.64.66.68.90). Einmal verwendet er auch den Begriff medjorē (II, 213), den wir ebenfalls bei Narsai fanden (vgl. o. Kap. 3 Anm. 351). 71 Hexaemeron II, 245–48; IV, 97–132 (hg. Muraoka, 66.104 f.). 72 Vgl. die Zusammenstellung der Passagen bei Isebaert, La Fin du monde, 201 sowie Bou Mansour, Jacques de Saroug II, 270–76. 73 Hom. 192, 98 (hg. Bedjan V, 840/tr. Isebaert, 112). 74 Hom. 67, 271 f. (hg. Bedjan II, 848/tr. Isebaert, 69 f.); 192, 367–69 (hg. Bedjan V, 853 f./tr. Isebaert, 128 f.); Mathews, Adam and Resurrection, 47 f. (vv. 325–30). 75 Mathews, Adam and Resurrection, 43 (vv. 261–64). 76 Vgl. K. Alwan, „L’ homme, le microcosme selon Jacques de Sarug“, Parole de l’Orient 13 (1986), 51–78. 77 Hom. 67, 297–327 (hg. Bedjan II, 849 f./tr. Isebaert, 71–73). Sollte Jakob der Ansicht sein, daß der Mensch als Krone und Zusammenfassung der Schöpfung die Welt gleichsam eschatologisch ersetzt? 78 Mathews, Adam and Resurrection, 57 (v. 440). 79 Mathews, Adam and Resurrection, 41 (v. 258). 80 Mathews, Adam and Resurrection, 55 (vv. 403–18). 81 Vgl. Bou Mansour, Jacques de Saroug II, 280–82.
168 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors ihrer Anordnung“ werden auferstehen, sich jedoch fortan komplett ‚geistlich‘ bewegen, durch feste Körper gehen, widerstandslos auf- und niedersteigen „ohne zu fallen“, alle körperlichen Affektionen ablegen.⁸² Darauf, ob sie für diese Art geistlicher Bewegung nicht dennoch einer Art von Raum bedürfen, wird nicht reflektiert, sondern jeder näheren Nachfrage nach der Beschaffenheit der himmlischen Regionen unter Verweis auf deren Unsagbarkeit der Boden entzogen.⁸³ Es kann somit nicht verwundern, daß weder die Himmelfahrt Christi noch die Stiftshütte dieselbe kosmographische Ausdeutung erfahren wie bei den Antiochenern: Die verschiedenen Himmelfahrtsberichte der Schrift scheinen für Jakob gerade die Müßigkeit kosmographischer Spekulationen über Ort und Natur der himmlischen Gefilde zu unterstreichen,⁸⁴ ein irdisches Paradies⁸⁵ als Ort des Zwischenzustandes scheint er nicht zu kennen, und die Stiftshütte wird konsequent christologisch⁸⁶ bzw. ekklesiologisch gedeutet.⁸⁷ Wenn er die antiochenische Habitatenlehre also lediglich in den Hexaemeronhomilien anreißt, aber in keiner Hinsicht deren theologische Ausarbeitung nachvollzieht, dürfte es sich in der Tat nahelegen, besagte Homilien als Jugendwerk der Edessener Zeit zu betrachten, garniert mit später verworfenen Eierschalen antiochenischer Theologie. Letztere dürfte somit aber auch für seine kosmographischen Anschauungen kaum eine grundsätzliche Rolle gespielt haben, zumal er diese ja fast durchgehend schlicht voraussetzt, ohne sie näher zu skizzieren oder eigens dafür zu argumentieren. Daß er sich dabei in einem wichtigen theologischen Grundanliegen, 82 Mathews, Adam and Resurrection, 55 f. (vv. 419–38). 83 Vgl. Hexaemeron II, 215–30 (hg. Muraoka, 64 f.). 84 Vgl. T. Kollamparampil, Jacob of Sarug’s Homily on the Ascension of our Lord (Piscataway 2010), 53–56 (vv. 435–83, wo Christus allerdings auch mit dem Hebräerbrief als ins himmlische Heiligtum einziehender Hohepriester erscheint); S. Kaufman, Jacob of Sarug’s Homilies on Elijah (Piscataway 2009), 425 f. (vv. 685–702). Nach M. Papoutsakis, „United in the Strife That Divided Them: Narsai and Jacob of Serugh on the Ascension of Christ“, Δελτίο Βιβλικών Μελετών 32 (2017), 45–77 läßt sich Jakobs Homilie auf die Himmelfahrt Christi sogar als Polemik gegen Narsais Betonung der menschlichen Natur Christi als Subjekt dieses Ereignisses lesen. 85 Für Jakob sind ‚Eden‘ und ‚Paradies‘ ganz primär synonyme des verlorenen Heils, so daß er das irdische Paradies ebenso in der Person Christi, der Kirche wie der gläubigen Seele erblicken und auch das eschatologische Heil schlicht als Rückkehr ins Paradies beschreiben kann (vgl. Bou Mansour, Jacques de Saroug II, 101–9.225–30). Daß er in der Homilie über den Cherub und den Schächer von einem Feuersee spricht, der vor Erreichen des Paradieses überquert werden muß, scheint sich einer literarischen Tradition zu verdanken, welche ebenfalls bei Romanus Melodus und in einer anonymen syrischen Homilie zum Thema greifbar ist (vgl. J. Glenthøj, „The Cross and Paradise – the Robber and the Cherub in Dialogue“, in In the Last Days: On Jewish and Christian Apocalyptic and its Period [hg. K. Jeppesen u. a.; Aarhus 1994], 60–77). Die merkwürdige Tatsache, daß hinsichtlich der Paradiestopographie weder Narsai noch Jakob die Paradieshymnen des von ihnen ansonsten so geschätzten Ephraem rezipieren, führt Minov, „Holy Mountain“, 162 auf die zunehmende Verwestlichung der syrischen Kirche im fünften Jahrhundert zurück. 86 Vgl. bes. die Auslegung des Schaubrottisches in S. Brock, Jacob of Sarug’s Homily on the veil on Moses’ face (Piscataway 2009), 41 f. (vv. 265–78). 87 Vgl. bes. Hom. 3 über die Einweihung der Kirche und den Propheten Mose (hg. Bedjan I, 40–48).
4.3 Ps.-Caesarius
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gegen alle vermeintliche Naturgesetzlichkeit und -notwendigkeit Gottes wundersame Schöpfermacht herauszustreichen,⁸⁸ durchaus mit Kosmas trifft, dürfte nach dem bislang ausgeführten nicht weiter verwundern. Basilius’ Ermunterung, diese Wunderkraft gerade in Gestalt der funktionierenden Naturgesetzlichkeit zu erkennen und zu begreifen,⁸⁹ scheint bei syrischem, nestorianischem wie monophysitischem Publikum auf wenig fruchtbaren Boden gefallen zu sein, so daß sich Johannes Philoponus einige Dekaden später genötigt sah, sie umso emphatischer wieder einzuschärfen.⁹⁰
4.3 Ps.-Caesarius Der sprachlich, inhaltlich wie formal äußerst merkwürdigen dialogartigen Kompilation von Erotapokriseis, welche wohl um die Mitte des sechsten Jahrhunderts unter dem Pseudonym Caesarius von Nazianz das Licht der Welt erblickte, wurde seit den jahrzehntelangen Bemühungen ihres Herausgebers Rudolf Riedinger keine ernsthafte Forschung mehr angedeihen lassen, was die genauere historische Einordnung betrifft.⁹¹ Nach Riedinger ist der Autor ein Severianer aus dem Akoimetenkloster in Konstantinopel, welcher sich wahrscheinlich nach dem Tod der Theodora (548) in die Pseudonymität flüchtete und daher auch seinen dogmatischen Standpunkt konsequent verbarg.⁹² Dazu paßt, daß die im sechsten Jahrhundert aktuellen, besonders christologischen Tagesprobleme nur sehr indirekt angesprochen werden,⁹³ allerdings mit einer Ausnahme: die Agnoeten, eine in den 530er Jahren in Alexandrien entstandene monophysitische Sekte,⁹⁴ werden in qu. 30 vom Interlokutor ausdrücklich genannt. 88 Vgl. Hexaemeron II, 83 f. (hg. Muraoka, 54). 89 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 44. 90 De opificio III,7 (hg. Reichardt, 124). 91 Vgl. R. Riedinger, Pseudo-Kaisarios. Überlieferungsgeschichte und Verfasserfrage (München 1969). 92 Vgl. Verfasserfrage, 449–59. 93 Nach Riedingers Namensverzeichnis (Pseudo-Kaisarios: Erotapokriseis [Berlin 1989], 249–52) tauchen nur die Häresiarchen des arianischen Streites auf, jedoch niemand aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert. 94 Ihr Häresiarch Themistius war nach Liberatus Diakon des Timotheus, nach dem Autor von De sectis diente er unter dessen 536 nach Konstantinopel exilierten Nachfolger Theodosius (vgl. B. Gleede, „Der Traktat De sectis des Abbas Theodor Eine unvollendete Handreichung zur Widerlegung der διακρινόμενοι“, in Christliches Ägypten in der spätantiken Zeit [hg. D. Bumazhnov; Tübingen 2013], [179–216] 198 f.). E. Amann, „Themistius“, Dictionnaire de théologie catholique 15 (Paris 1946), (219–22) 219 will dies zusammenbringen, indem er Themistius mit Theodosius nach Konstantinopel exiliert werden läßt, eine Konstruktion, welche Grillmeier schlicht als Faktum übernimmt und Themistius von 536–40 in einem Kreis der Eingeweihten Theodoras residieren läßt, zu dem unser Kompilator keinen Zugang gehabt haben und deswegen kein Severianer gewesen sein soll (Jesus der Christus II/2, 380 f.395 f.). Dementsprechend ist es auch relativ irreführend, wenn Riedinger in seiner Rückschau („Zu den Erotapokriseis des Pseudo-Kaisarios“, Byzantinische Zeitschrift 86 [1994], [34–39] 35) Grillmeier eine definitive dogmengeschichtliche Einordnung des Textes in die 540er Jahre zuerkennt.
170 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Folgt man der Theorie Riedingers, müßte man dies entweder als Lapsus erklären, oder annehmen, daß der Begriff ‚Agnoeten‘, welcher ansonsten erst in der Doctrina patrum belegt ist, zu den Zeiten des Kompilators noch nicht (voll) als häresiographisches Epitheton dieser Gruppe etabliert war. Fakt ist jedenfalls, daß die Auseinandersetzungen mit den Agnoeten sowie mit dem 543 von Justinian verurteilten Origenes (vgl. bes. qu. 166–70) anscheinend die einzigen konkreten Bezüge auf zeitgenössische theologische Auseinandersetzungen darstellen, die der Text uns bietet. Somit dürfte die allgemein akzeptierte Datierung um 550 doch das Richtige treffen, auch wenn besonders ein präziserer terminus ante quem nicht angegeben werden kann. Was nun die literarische Gestaltung des Textes betrifft, so hat Riedinger zu Recht darauf hingewiesen, daß der Schlüssel zu deren Verständnis zunächst in der Quellenanalyse zu suchen ist: Bereits die ersten 41 Fragen sind letztlich nichts weiter als eine in dialogische Form gegossene Paraphrase von Epiphanius, Ancoratus 2–43.⁹⁵ Danach folgen zwei das trinitarische Exposé zunächst abrundende Fragen zur Pneumatologie (qu. 42 f.), welche wohl hauptsächlich durch Kyrill von Jerusalem inspiriert sind, auch was die Überleitung zu den fünf anschließenden Fragen zur Angelologie (qu. 44–48) betrifft, welche Riedinger aus einer Monographie des Clemens v. Alexandrien zu den Engeln entnommen sehen will.⁹⁶ Danach folgt ein hauptsächlich aus Severian und Basilius gespeistes ‚Hexaemeron‘ (qu. 49–117), welches jedoch anscheinend mit den Gestirnen am vierten Tage abbricht.⁹⁷ Im Anschluß daran steht völlig unvermittelt eine Frage zur möglichen Subordination Christi (qu. 118), ein Faden, der allerdings erst sechs Fragen später wiederaufgenommen und weitergesponnen wird (qu. 125–34). Dazwischen stehen zwei ebenso unvermittelte Blöcke zu Hiob (qu. 119 f.) und zu Adam im Paradies (qu. 121–24) – allesamt ohne durch Riedinger identifizierte Quellen. Darauf folgt eine von den Handschriften in 24 ‚Fragen‘ unterteilte, u. a. aus Gregor v. Nyssa, Basilius und den Pseudoklementinen gespeiste Anthropologie, welche eigentlich jedoch nur fünf echte Fragen des Interlokutors enthält, welche zu dem lediglich durch Zwischenüberschriften gegliederten Lehrvortrag über den menschlichen Körperbau überleiten. Mit diesen Erörterungen erklärt sich der Interlokutor ausdrücklich zufrieden und fragt nach dem Ort des Paradieses (qu. 159), was die vielleicht auf Epiphanius, vielleicht auch direkt auf den Genesishomilien des Origenes⁹⁸ fußende Auseinandersetzung mit dem origenistischen Paradiesverständnis einleitet (qu. 159–73). Über die Frage der Prä- oder Koexistenz der Seele wird dann relativ organisch zur Behandlung der
95 Vgl. die Tabelle in Verfasserfrage, 285–87. Für die Einzelnachweise im Folgenden vergleiche man Riedingers Apparat. 96 „Eine Paraphrase des Engel-Traktates von Clemens von Alexandreia in den Erotapokriseis des Pseudo-Kaisarios?“, Zeitschrift für Kirchengeschichte 73 (1962), 253–71. 97 Die außermenschlichen Kreaturen des fünften und sechsten Tages, also hauptsächlich die Tiere, erscheinen höchstens indirekt in qu. 86 (Vergleich von Gen 1,11 und 20) und in qu. 101 f., wo das Leitthema allerdings die Beseeltheit der Erde ist. 98 Vgl. Riedinger, Verfasserfrage, 292–94.
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Gottebenbildlichkeit (qu. 174–92) übergeleitet, welche bereits in qu. 138 angekündigt und dort zugunsten des anthropologischen Lehrvortrages aufgeschoben worden war. Diese behandelt auf der Basis wiederum noch nicht identifizierter Quellen zunächst das bei der Schöpfung im Menschen verankerte Bild Gottes (qu. 174–83) und dann das durch die Inkarnation wiederherzustellende, ethisch zu verwirklichende Gleichnis (qu. 184–92). Hier gibt lediglich das Stichwort „Weisheit“ den Anlaß, zu einem Potpourri exegetischer Erklärungen hauptsächlich zu den Evangelien überzuleiten, welche Riedinger aufgrund der Parallelen zum Briefcorpus des Isidor v. Pelusium den Hypotyposen des Clemens v. Alexandrien entnommen sieht (qu. 193–217).⁹⁹ Die hier abschließend anhand von Joh 10,16 erörtere Rolle der Juden im Eschaton (qu. 217) gibt dann schließlich die Gelegenheit, die ganze Sammlung durch die ausführliche Paraphrase zweier Chrysostomushomilien gegen die Juden zum Abschluß zu bringen (qu. 218). Im Großen und Ganzen scheint es der Kompilator also durchaus vermocht zu haben, seine unterschiedlichen Quellen zu einem Ganzen zu verschmelzen, was umso mehr Anlaß zu literarkritischen Rückfragen gibt, zumal anläßlich des merkwürdig querstehenden Blockes qu. 118–34,¹⁰⁰ aber auch bezüglich der in der jetzigen Gestalt extrem erratisch erscheinenden dialogischen Ausgestaltung des Textes,¹⁰¹ ohne daß in diesem Zusammenhang eine umfassende literarkritische Analyse des Gesamten versucht werden kann oder muß. Für unsere Zwecke ist nur wichtig, daß wir von einem solchen Text keinesfalls eine kohärente, theologisch begründete kosmologische Synthese erwarten können, sondern lediglich die mehr oder weniger modifizierte Reproduktion einzelner Traditionsstücke, welche es im Folgenden durch eine genauere Analyse des ‚Hexaemeron‘ zu identifizieren gilt. Dieses scheint zu Beginn wirklich auf Schritt und Tritt Severian zu folgen: Qu. 49–59 basieren fast völlig auf dessen Schöpfungshomilie I,2 und 4, wo Severian mit Ps 113,24 den ersten Himmel vom Firmament absetzt (vgl. qu. 50) und die Schöpfung der Elemente erklärt, nur daß qu. 54 die Deutung des „Geistes über den Wassern“ auf den heiligen Geist mit Basilius als Möglichkeit gelten läßt, und qu. 55 f. meint, zunächst den Hinweis Severians zur Beimengung des Feuers in der Erde aus Hom. I,5 antizipieren und dann das Auftreten der Blitze durch unterschiedliche Dicke der Luft und Feuchtigkeit der Wolken erklärten zu müssen.¹⁰² Bei der Erklärung der Finsternis
99 Vgl. „Neue Hypotyposen-Fragmente bei Pseudo-Caesarius und Isidor von Pelusium“, Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaft 51 (1960), 154–96. 100 In Qu. 121,9 (hg. Riedinger, 101) scheint ein Rückverweis ins Leere zu gehen. 101 Deren Elemente hat Riedinger (Verfasserfrage, 277–82) im Wesentlichen zusammengetragen, ohne sie jedoch in ihrer Bedeutung zu interpretieren. Daß sie lediglich „im Bewußtsein des Lesers den Eindruck erwecken sollen, daß er es bei diesen Erotapokriseis mit einem abgerundeten Gespräch zu tun hat“ (ebd., 278), wird man kaum sagen könnten, da sie im jetzigen Zustand des Textes eigentlich genau das Gegenteil bewirken. 102 Für die genauen Nachweise ist immer der Apparat bei Riedinger zu vergleichen. Lediglich bei der Referenz für qu. 55 ist ihm ein Fehler unterlaufen. Hier wird PG 56, 435,13–18 aufgenommen.
172 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors in qu. 60 haben zwar Basilius und Gregor das quantitative Übergewicht, doch kommt die naturphilosophische Information, die Alternative Schatten des Himmels oder der aus dem Abyss aufsteigenden Wolken, wieder aus Hom. I,5, ebenso wie qu. 61 den Unterschied zwischen Licht und Tag mit Hom. I,6 festhält. In qu. 62 findet sich dann wieder eine ähnliche Synthese zwischen Severian und Basilius wie in qu. 54 und 60: Die bei Severian abgelehnte Auslegung des Basilius,¹⁰³ daß die Erde aufgrund des sie bedeckenden Wassers „unsichtbar und unzubereitet“ sei, wird von Ps.-Caesarius aufgenommen und mit der severianischen, daß die Erde einfach noch nicht ausgeschmückt sei (Hom. in Creationem II,3) zusammengebracht, was anschließend durch einen Hinweis auf den in gängiger Weise auf den Okeanosstrom interpretierten¹⁰⁴ Psalmvers 103,6 ausgeschmückt wird (qu. 63). Qu. 64–71 behandeln dann die Schöpfung des Firmaments in einer Weise, die zwar Severian durchaus als wichtigste Quelle im Hintergrund erkennen läßt, seine Vorgaben aber doch selbständig zu reflektieren scheint: Übernimmt qu. 64 noch die Grundunterscheidung der beiden Himmel direkt aus Hom. II,3 folgt in qu. 65 eine Problematisierung der gleichen Benennung beider Himmel trotz unterschiedlicher Substanz. Wo Severian sich fragte, warum das Firmament diesen Namen trägt, und mit Jes 51,6 auf die Verdichtung des Rauchs bzw. Wasserdampfs zu Wolken hinwies,¹⁰⁵ möchte Ps.-Caesarius Jes 51,6 auf den ersten Himmel beziehen und diesem eine subtilere Substanz zuschreiben als dem in Jes 40,22 beschriebenen festen Firmament.¹⁰⁶ So erscheint ihm anscheinend plausibler, daß letzteres als einfache Eisschicht die oberen Wasser mit Severian einfach „hochliften“ (κουφίζειν) kann.¹⁰⁷ Da Basilius Jes 51,6 al-
103 Vgl. Hexaemeron II,3 (GCS NF 2, 26). 104 Vgl. Chrysostomus (o. Kap. 3 Anm. 33) und Theodoret ad locum (PG 80, 1697B). 105 Hom. in Creationem II,3 (PG 56, 442): Διατί δὲ αὐτὸ καλεῖ στερέωμα; Ἐπειδὴ ἀπὸ ἀραιῶν ὑδάτων καὶ διαλελυμένων αὐτὸ ἐστερέωσε. Διὰ τοῦτο καὶ Δαυῒδ φησιν· Αἰνεῖτε αὐτὸν ἐν στερεώματι δυνάμεως αὐτοῦ. Καὶ ἵνα ἑτέρῳ χρήσωμαι ὑποδείγματι· ὥσπερ καπνὸς, ἐπειδὰν ἀπὸ ξύλων καὶ πυρὸς ἀναδοθῇ, ἠραιωμένος ἐστὶ καὶ κεχαυνωμένος· ἐπειδὰν δὲ δράμῃ εἰς ὕψος, εἰς νεφέλης παχύτητα μεταρρυθμίζεται· οὕτω τῶν ὑδάτων τῶν ἠραιωμένων ὁ Θεὸς τὴν φύσιν ὑψώσας ἔπηξεν ἄνω. Καὶ ὅτι ἀληθὲς τὸ ὑπόδειγμα, μαρτυρεῖ Ἡσαῒας λέγων, ὅτι Ὁ οὐρανὸς ὡς καπνὸς ἐστερεώθη. Παγεὶς τοίνυν ἐν μέσῳ τῶν ὑδάτων ὁ οὐρανὸς, ἐκούφισε τὰ ἡμίσε[ι]α τῶν ὑδάτων ἄνω.. Zur Problematik der Benennung des Firmaments als Himmel vgl. auch Chrysostomus (Kap. 3 Anm. 41) und Theodoret (Kap. 3 Anm. 224). 106 Qu. 65,6–14 (hg. Riedinger, 56): καὶ ἐξ αὐτῆς τοίνυν τῆς κλήσεως παιδευόμεθα στερροτέρας ὑπάρχειν φύσεως τῶν ἀοράτων τὸν ὁρώμενον· Μωσῆς μὲν γάρ φησιν· ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν· ἐνταῦθα δὲ τὸ στερρὸν παριστῶν φησιν· καὶ εἶπεν ὁ θεός· γενηθήτω στερέωμα. καὶ Ἠσαίας δὲ παριστῶν τῶν μὲν τὸ λεπτὸν καὶ κουφότερον τῆς φύσεως, τοῦ δὲ τὸ στεγανώτερον καὶ παχὺ τοῦ σώματος φησίν· ὁ τερεώσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καπνὸν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνήν· περὶ δὲ τοῦ ὁρωμένου φησίν· ὁ πήξας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν. καὶ γὰρ τὸν ἄνδρα καὶ τὴν γυναῖκα ἄνθρωπον προσαγορεύειν εἴωθεν ἡ θεία γραφή. καὶ μιᾶς οὔσης τῆς προσηγορίας ὁ μὲν καρτερικὸς καὶ ἀχθοφόρος ὑπάρχει, ὁ δὲ χαυνότερος ἤτοι κουφότερος διανοίᾳ καὶ λόγῳ. 107 Qu. 65,14–18 (hg. Riedinger, 56): τῶν ὑπερκειμένων τοίνυν τὴν οὐσίαν σιωπῶν, ὡς ἀνέφικτόν μοι, τοῦ ὁρωμένου τὴν φύσιν κρύσταλλον ὑπάρχειν φημί, θείῳ προστάγματι παγὲν καὶ ῥωννύμενον φέρειν τὰ ὑπερκόσμια κουφότερον καὶ ἔξω τῆς ἡμετέρας ὄντα παχύτητος, ἀμφοτέρους δὲ ἀνέχεσθαι ὑπὸ τῆς πάντα διακρατούσης καὶ φερούσης θείας δυνάμεως.
4.3 Ps.-Caesarius | 173
lerdings zusammen mit Jes 40,22 in seinem Hexaemeron¹⁰⁸ auf den ersten Himmel zu beziehen scheint, Severian jedoch letzteren Vers in Hom. III,4 eher mit dem Firmament in Verbindung bringt,¹⁰⁹ könnte man versucht sein, hier einen neuerlichen Syntheseversuch des Kompilators zwischen Basilius und Severian zu vermuten, zumal so auch die Idee das Basilius hereingebracht wird, daß das Firmament zwischen Grobem und Feinem scheide.¹¹⁰ Jedenfalls scheint ihn die severianische Physik des Firmaments und der oberen Wasser so sehr beschäftigt zu haben, daß er sie noch in fünf weiteren Quästionen problematisiert: Zunächst wird, geschickt dialogisch retardierend, die Nachfrage der Interlokutoren durch einen Hinweis auf Gottes unerforschliche Allmacht abgewiesen (qu. 66). Erst als diese sich demütiger zeigen, versucht er zu erklären, warum das kristallene Firmament nicht unter den immensen Massen überirdischen Wassers zusammenbricht (qu. 67). Dazu greift er zunächst auf Severians Beschreibung der Entstehung des Firmaments zurück, wonach sich inmitten der die Erde bedeckenden Wasser eine feste Eisschicht bildet und so die Wasser trennt, und illustriert diese durch das eigene Beispiel des Kelchs mit der Glasscheibe in der Mitte, welche jede eingegossene Flüssigkeit in zwei Hälften trennt,¹¹¹ um anschließend die zugefrorene Donau als noch eindrücklichere Illustration zu bemühen: Nicht nur sei deren Eisdecke fest genug, um ganzen Völkerschaften die Überquerung zu ermöglichen, sondern unter gewissen Wetterbedingungen werde sie auch von neuem Regenwasser bedeckt und trenne so zwischen den Wassermengen genau wie das Firmament. Ganz ähnlich wird in den nächsten drei Fragen die Erklärung Severians, wie das Firmament als Eisschicht gegen die Hitze der an ihm angebrachten Gestirne bestehen kann, nämlich durch die Kühlung und Befeuchtung der oberen Wasser,¹¹² zunächst übernommen (qu. 68) und dann problematisiert. Bezeichnenderweise knüpfen seine eigenen supplementären Erklärungen gar nicht direkt an Severian an: Zunächst weist er auf die im eigentlichsten Sinn des Worts astronomischen Dimensionen des Firmaments hin, wogegen sich die
108 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 41. 109 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 69. 110 Vgl. Hexaemeron III,7 (GCS NF 2, 49): Ἀλλὰ διὰ τὴν φύσιν τῶν ὑπερκειμένων λεπτὴν οὖσαν καὶ ἀραιὰν καὶ οὐδεμιᾷ αἰσθήσει καταληπτὴν, στερέωμα τοῦτο ὠνόμασε, συγκρίσει τῶν λεπτοτάτων καὶ τῇ αἰσθήσει ἀκαταλήπτων. Καὶ νόει μοι τόπον τινὰ διακριτικὸν τοῦ ὑγροῦ· τὸ μὲν λεπτὸν καὶ διηθούμενον ἐπὶ τὰ ἄνω διιέντα, τὸ δὲ παχύτατον καὶ γεῶδες ἐναφιέντα τοῖς κάτω, ἵν’ ἐξ ἀρχῆς μέχρι τέλους ἡ αὐτὴ εὐκρασία συντηρηθῇ, κατὰ μέρος τῆς ὑφαιρέσεως τῶν ὑγρῶν γινομένης. Zur Problematik der Firmamentkonzeption des Basilius, welche schon dessen kleinen Bruder beschäftigte, vgl. Köckert, Christliche Kosmologie, 374–90. 111 Qu. 67,5–10 (hg. Riedinger, 57): δῶμεν δὲ εἰκόνα τῷ λόγῳ ὡς ὑπερφέρεσθαι τῆς γῆς τὸ ὕδωρ ἑκατὸν πήχεις· φῆσαι δὲ τὸν θεόν· γενηθήτω στερέωμα ἀνὰ μέσον τοῦ ὕδατος καὶ ἔστω διαχωρίζον ἀνὰ μέσον ὕδατος καὶ ὕδατος. παγῆναι δὲ αὖθις κρύσταλλον καὶ ἀνέχειν τὸ ἥμισυ τῶν ὑδάτων οἷον ἐπὶ τῆς ὑάλου ἔστιν ἀθρῆσαι ἐξ αὐτῆς ἐκείνης διαπεφραγμένην τὴν κύλικα καὶ ἀποκρίνουσαν διχῶς τὸ ἐνχεόμενον· μείζων δὲ πάντως ἀνθρωπίνης ἐπινοίας ἡ πάνσοφος τοῦ θεοῦ δραστικὴ δύναμις. Vgl. Severian, Hom. in Creationem II,3 (PG 56, 442). 112 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 90.
174 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Sonne ausmachen würde wie eine kleine Kohle auf einer gigantischen Tonscheibe und oder ein Öllämpchen im Wintersturm.¹¹³ Nach einem Hinweis auf die Feuerresistenz der „unbefleckten Pflanze“¹¹⁴ und des Salamanders folgt dann eine fast hymnische Illustration des Sonnenlaufs nach Ps 18,6 f., wodurch nicht nur das sphärische Weltbild als Täuschung entlarvt, sondern vor allem das Wunder der Schöpfung vor Augen geführt werde, das denselben Lauf so furchterregend hitzig und so erfrischend angenehm gestaltet.¹¹⁵ Kompositorisch dient dieser Einschub wohl lediglich zur Vorbereitung der weiteren Rückfrage nach der Vereinbarkeit zwischen der global wirkenden, mittags unerträglichen Hitze der Sonne und deren behaupteter Vernachlässigbarkeit innerhalb der Weiten des Firmaments, was Ps.-Caesarius erneut die Gelegenheit gibt, die Ungreifbarkeit des göttlichen Allmachtshandelns für das menschliche Begriffsvermögen herauszustellen. Das Beispiel der drei Männer im Feuerofen und der Himmelfahrt Elias zeigt ebenso wie der doppelte Ausgang im Eschaton, daß Gott die sengende Kraft des Feuers von der scheinenden trennen und den Verdammten erstere, den Gerechten letztere vorbehalten kann (qu. 70). Dies gibt ihm die Gelegenheit zu einer offensichtlich wiederum durch Severian inspirierten¹¹⁶ kurzen eschatologischen Auslassung: Wenn Severian Jes 13,10 so auslegt, daß die Sterne deswegen vom Himmel fallen, weil sich die oberen Wasser zurückziehen und das Firmament deswegen schmilzt, darf dies nicht so verstanden werden, als würde Gott seine Geschöpfe komplett vernichten. Vielmehr 113 Qu. 69,8–14 (hg. Riedinger, 58): καὶ ὥσπερ ἐν δίσκῳ πανμεγέθει βραχὺν ἄνθρακά τις ἐπιθέμενος ἢ λύχνον ὑποκαίων οὐ μόνον φλέξαι ἢ χωνεῦσαι τὸ ὑπερκείμενον οὐχ οἷός τε εἴη, ἀλλ’ οὐδὲ θερμᾶναι τὸ σκεῦος ἰσχύσειεν, πῶς οὖν λύχνος ἀμυδρὸς δυνήσεται ἄβυσσον πεπηγυῖαν λῦσαι ἢ παραφλέξαι; πότε δὲ κύλιξ ἅπτουσα οἵα τε θραῦσαι χειμῶνος κρυότητα φιλονεικοῦντος σβέσαι τὴν θρυαλλίδα τῷ παγετῷ, εἰς λίθον δὲ μετατυπῶσαι τὸ ἐνυπάρχον ὕδωρ καὶ ἔλαιον τῆς ὑπερβολῆς τοῦ κρύους τὴν λαμπάδα ἀπομαράναντος; Der Begriff κύλιξ kann hier wohl kaum etwas anderes bezeichnen als das Gefäß einer Öllampe. 114 Amiant ist eine andere Bezeichnung für Asbest, eigentlich ein Mineral, das aber auch zur Stoffproduktion verwendet wird (vgl. PGL s. v.). 115 Qu. 69,17–30 (hg. Riedinger, 59): οὐδὲν τοίνυν ἥλιος παραβλάψειεν τὸν οὐρανὸν ὑποθέων· οὗ τὰς ἑωθινὰς ἀνατολὰς διαγράφων ὁ τῶν θείων μελῳδός φησιν· καὶ αὐτὸς ὡς νυμφίος ἐκπορευόμενος ἐκ παστοῦ αὐτοῦ, ἀγαλλιάσεται ὡς γίγας δραμεῖν ὁδὸν αὐτοῦ, ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἡ ἔξοδος αὐτοῦ. ἰδοὺ ἄκρον καὶ ἔξοδος, οὐ σφαῖρα δὲ καὶ ἄνοδος κυλιστική, ὡς δοκεῖ τοῖς εἰκαιολόγοις· καὶ τὸ κατάντημα αὐτοῦ, φησίν, ἕως ἄκρου αὐτοῦ· ἰδοὺ πάλιν κατάντημα καὶ ἄκρον, οὐ κάθοδος καὶ ὑπόδυσις. ἀλλ’ ἐπὶ τὴν νυμφικὴν ὡραιότητα τοῦ φωστῆρος ἴωμεν· φησὶν γὰρ περὶ αὐτοῦ ὁ Δαυίδ· καὶ αὐτὸς ὡς νυμφίος ἐκπορευόμενος ἐκ παστοῦ αὐτοῦ, τὸ φαιδρὸν καὶ σύμμετρον τῆς ἑωθινῆς αὐτοῦ ὄψεως παριστῶν. μεσεμβρινὸν μὲν γὰρ αὐτὸν διιππεύοντα τὸν οὐρανὸν πολλάκις καὶ ἀποδιδράσκειν πειρώμεθα, τὸ φλογῶδες αὐτοῦ μὴ φέροντες, ἅμα δὲ τοῦ ἀνίσχειν τερπνὸς πᾶσιν ὑπάρχει καὶ ἥδιστος, νυμφίου δίκην ὁρώμενος καὶ ἀπὸ τῆς ἑῴας μέχρι τῆς ἑσπέρας ἀφθόνως ἀποστέλλων τὰς ἐκ τῶν μαρμαρυγῶν στροφάλιγγας, διαλύων τῇ δᾳδουχίᾳ τὸ ἀμειδὲς τοῦ ἀέρος καὶ τῇ γῇ πρὸς καρπογονίαν συνομιλῶν, συνθάλπων αὐτὴν καὶ ἐκκαλούμενος τὰ σπέρματα εἰς φυήν. Ein Teil des Psalmverses wird auch von Severian, Hom. in Creationem III, 4 (PG 56, 452) mit demselben Argumentationsziel zitiert. Die Hervorhebung des wundersamen Charakters des Sonnenlaufs könnte jedoch durch Chrysostomus, Hom. in Gen VI,3 (PG 53, 57 f.) inspiriert sein. 116 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 108.
4.3 Ps.-Caesarius | 175
sei Ps 101,26 f. sowie 103,30 zu entnehmen, daß die Geschöpfe – trotz Jes 34,4 und 2Pt 3,10 – nicht zerstört, sondern zum Besseren verwandelt und in Zukunft unzerstörbar sein werden.¹¹⁷ Anschließend folgt ein Gelenkstück, welches in Form zweier Fragen zu den oberen Wassern von der Behandlung des Firmaments zu derjenigen des Wasserkreislaufs (qu. 72–81) überleiten soll, aber auch durch die Textchronologie bei Severian veranlaßt ist. Dieser schiebt nämlich nach besagter eschatologischer Notiz in Hom. II,4 noch eine weitere Erklärung für die oberen Wasser nach: Sie sollen die Strahlen der Gestirne nach unten reflektieren.¹¹⁸ Dies wird vom Kompilator in eine Diskussion der Frage verpackt, ob sich die unteren Wasser, also das irdische Meer, im Eschaton genauso zurückziehen wird wie die oberen, was aufgrund von Jes 44,27 bejaht wird.¹¹⁹ Gott hat „die Natur des Wasser als nur für das Zustandekommen des Alls genügende verfertigt“, so daß die oberen Wasser das Firmament kühlen und die Strahlen der Sonne nach unten senden, welche deshalb über den Himmel schwebt, um Hitze und Kälte gleichmäßig zu verteilen.¹²⁰ Die folgende Behandlung der Werke des dritten Tages, Meere, Flüsse und Pflanzen (qu. 74–86), schöpft kaum aus Severian, sondern aus Basilius und anderen unbekannten Quellen, und ist für unseren Zusammenhang relativ uninteressant. Das ändert sich erst mit qu. 87, wenn er mit dem vierten Tag wieder auf Himmel und Gestirne zu sprechen kommt. Hier kommt er anhand von zwei kurzen, Severians Hom. III,2 117 Qu. 71 (hg. Riedinger, 60 f.): Ἔσται μὲν τῆς κτίσεως διάλυσις, οὐ παντελὴς δὲ ἀφανισμός, ἀλλὰ πρὸς τὸ κρεῖττον μεταποίησις, καθὼς ἐκ τοῦ θεσπεσίου Δαυὶδ παιδευόμεθα μελῳδοῦντος· κατ’ ἀρχὰς σύ, κύριε, τὴν γῆν ἐθεμελίωσας, καὶ ἔργα τῶν χειρῶν σού εἰσιν οἱ οὐρανοί· αὐτοὶ ἀπολοῦνται, σὺ δὲ διαμένεις· καὶ αὖθις ἐπάγων τὴν παλινγενεσίαν φησίν· καὶ πάντες ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται, καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον εἰλίξεις αὐτοὺς καὶ ἀλλαγήσονται. ἀποληγόντων τοίνυν τῶν ὑπερουρανίων ὑδάτων τηνικαῦτα πάντα ἄρδην χωνευθήσεται τῇ ὑπερβολῇ τοῦ πυρός· οἱ γὰρ ἀστέρες πεσοῦνται ὡς φύλλα ἐξ ἀμπέλου, φησὶν ὁ τῶν προφητῶν ὑψηλὸς Ἠσαίας· ἐν δὲ καθολικαῖς φησιν ὁ Πέτρος· στοιχεῖα δὲ καυσούμενα λυθήσονται. ὅτι δὲ πρὸς τὸ κρεῖττον καὶ λοιπὸν ἀδιάλυτον τὰ πάντα μεταρρωσθήσεται, φησὶν ὁ τῶν ἐνεστώτων καὶ μελλόντων θεῖος μελῳδός· ἐξαποστελεῖς τὸ πνεῦμά σου καὶ κτισθήσονται καὶ ἀνακαινιεῖς τὸ πρόσωπον τῆς γῆς. 118 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 74. 119 Der Vers wird auch bei Basilius, Hexaemeron III,6, als Beleg einer eschatologischen Vernichtung der Flüsse zitiert. Die merkwürdige allegorische Deutung der Abyss auf den Teufel und der Flüsse auf die Dämonen stört jedoch nicht nur den Zusammenhang der Argumentation bei Ps.-Caesarius empfindlich, sondern ist auch sonst, soweit ich sehe, nirgends belegt. Prokop referiert mehrere Alternativen, von denen keine auch nur ansatzweise daran erinnert (PG 87/II, 2416A-C). 120 Qu. 72,10–19 (hg. Riedinger, 61): ἀρκοῦσαν δὲ μόνον τῇ τοῦ παντὸς συνστάσει τὴν φύσιν τῶν ὑδάτων ὁ κτίστης ἐμηχανήσατο· οὐ μόνον δὲ τῇ καταψύξει τῶν ὑπερκοσμίων ὑδάτων συντηρεῖται τὸ στερέωμα, ἀλλὰ καὶ τὴν φλόγα τῶν φωστήρων πρὸς τὸ κάτω πέμπει τῷ πεπιλημένῳ ἑαυτοῦ σώματι τὸ ἀνωφερὲς τοῦ πυρὸς πρὸς τὰ κάτω διακλῶν καὶ εἰς ἀκτῖνας διαχέων τῷ πιεσμῷ κατὰ τὴν εἰκόνα τῆς ἐν χερσὶν ἡμῶν λαμπάδος ἄνωθεν πιεζομένης τῆς φλογὸς πίνακί τινι ἢ τηγάνῳ καὶ εἰς ἀκτῖνας καὶ βολὰς διακλωμένης. διὸ καὶ μετάρσιον τὸν ἥλιον ὁ πρὸ αὐτοῦ ἥλιος Χριστὸς ἐμηχανήσατο, ἐντεῦθεν μὲν θέρους, ἐκεῖθεν δὲ χειμῶνος ἀνίσχοντα, ὅπως μὴ ἐπὶ πολὺ τῷ ἑνὶ προσδιατρίβοντα κλίματι λυμήνασθαι τὴν ἁψῖδα τοῦ στερεώματος ἢ παραφλέξαι τι τῆς διακοσμήσεως. Die letzte Bemerkung zur Sonne könnte durch Basilius, Hexaemeron III,7 (GCS NF 2, 51) inspiriert sein.
176 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors entstammenden Fragen zur Reihenfolge der Schöpfung zunächst wiederum auf ersten Himmel und Firmament zu sprechen. Zunächst relativiert er dieses Schema entscheidend, indem er auf der Basis von 2Kor 12,2 die Möglichkeit einer unendlichen Vielzahl weiterer Himmel einräumt (qu. 89),¹²¹ um danach mit qu. 90 eine verkürzte Dublette von qu. 65 zu präsentieren. Anschließend wird eine Frage aus Basilius (Hexaemeron III,4) aufgenommen, nämlich inwiefern die oberen Wasser bei einem kuppelförmigen Firmament nicht einfach in die abfließen würden, ohne ihre Funktion zu erfüllen.¹²² Die Antwort verweist zunächst mit Basilius auf Bauten, bei denen auf der Kuppel von außen ein Flachdach aufruht, formuliert dann aber einen viel tiefergehenden schöpfungstheologischen Grundsatz, welcher sich allerdings mehr auf die Firmamentproblematik insgesamt als auf das konkrete Problem bezieht: Gottes Schöpferweisheit hat es nicht nötig, auf ein tragfähiges Fundament zu bauen, sondern kann die Erde auf dem Wasser und den Himmel auf der Luft aufrichten, ebenso wie sie das Dach des Himmels schlichtweg vor dessen Basis, der Erde, hochgezogen hat¹²³ – ein Gedanke, der uns bereits bei Theophilus¹²⁴ und Chrysostomus,¹²⁵ einer möglichen Inspirationsquelle des Kompilators, begegnet ist. Das Ganze gipfelt in einem erneut fast hymnisch artikulierten Staunen über die Unergründlichkeit der Urflut, wodurch sich unser Autor erneut recht deutlich von der ‚antiochenischen‘ Tradition absetzt und sich denjenigen anschließt, die die Erde wie Apollinaris auf den Wassern gegründet sehen.¹²⁶ Dennoch kehrt er im Anschluß wieder brav zu seiner Leitautorität Severian zurück und folgt in qu. 92–99 ganz getreulich dessen Ausführungen zur Entstehung der Gestirne (dies sogar inklusive der absurden Behauptung ihrer Schöpfung außerhalb des
121 Nach qu. 160 f. wurde Paulus zuerst in den dritten Himmel entrückt, um dann wieder ins Paradies hinabgeschickt zu werden. Charakteristisch für den populärmonophysitischen Standpunkt des Kompilators ist auch, daß nach qu. 162 die Gottheit mit der Seele des Schächers ins Paradies geht, nicht die menschliche Seele Jesu. Vgl. dagegen o. Kap. 3 Anm. 489. 122 Zu diesem Problem o. Kap. 3 Anm. 16 und 18. 123 Qu. 91,8–22 (hg. Riedinger, 70 f.): οὐ γὰρ παραπλησίως βροτῶν ἐργάζεται θεὸς οὐδὲ ἀναλόγους ἢ καταλλήλους θεμελίους τῇ κτίσει ὑποτίθεται, ἀλλὰ τῷ μαλακῷ τὸ βαρύτατον ἐπεκαμάρωσεν, τῷ δὲ ἀστάτῳ καὶ ῥέοντι τὸ παχὺ καὶ ὑλῶδες περικρατεῖ, τῷ μὲν οὐρανῷ τὸν ἀέρα καὶ τὰς ἐξοχὰς τῆς ἀβύσσου ὑφαπλώσας, τῇ δὲ χέρσῳ τὰ ὕδατα ὑποκρίνας, τοῖς κουφοτέροις τὰ βαρύτερα φέρεσθαι πρυτανεύων· ἑκάτερα δὲ ὑπὸ τοῦ μελῳδοῦ τῶν θείων παιδευόμεθα· ὁ στεγάζων ἐν ὕδασιν τὰ ὑπερῷα αὐτοῦ, ὁ τιθεὶς νέφει τὴν ἐπίβασιν αὐτοῦ, καὶ μεθ’ ἕτερα· ἐξομολογεῖσθε, φησίν, τῷ κυρίῳ τῷ στερεώσαντι τὴν γῆν ἐπὶ τῶν ὑδάτων. καὶ οἰκοδόμοι μὲν μεγέθη οἰκιῶν εἰς ὕψος οἰκοδομοῦντες ἀναλόγους τοῦ ὕψους τοὺς θεμελίους ὑποτίθενται καὶ ναυπηγοὶ μυριοφόρον ὁλκάδα τεκταινόμενοι συμβαίνουσαν τῷ βάρει τῶν ἀγωγίμων τὴν τρόπιν πήγνυνται· ὁ δὲ θεός μου πρῶτον τὴν ὀροφὴν ὑπερέτεινεν καὶ εἶθ’ οὕτως τὸν θεμέλιον ὑπέθηκεν, πρῶτον τὰ ἱστία ὑπερήπλωσεν, εἶθ’ οὕτως τὴν ναῦν τῆς κτίσεως ὑπετεχνάσατο, ποντοποροῦσαν τὴν κλυδώνιον ταύτην καὶ ῥέουσαν ζωήν, τὴν μηδὲ τὰ φαιδρὰ μόνιμα μηδὲ τὰ λυπηρὰ διαρκῆ κεκτημένην, μέχρις ἂν πρὸς τὸν εὔδιον τῆς συντελείας πορθμὸν ὑπεξέλθῃ τῆς ζάλης τὰ νῦν. 124 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 2. 125 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 40. 126 Qu. 91,22–30 (hg. Riedinger, 71) vgl. qu. 66,11 und 77. Was die unteren Wasser betrifft, ist Chrysostomus (Kap. 3 Anm. 34) konzilianter als sein Lehrer Diodor (Kap. 3 Anm. 12).
4.3 Ps.-Caesarius | 177
Himmels; qu. 92), zur Stellung von Sonne und Mond (93), zu den Mondphasen (94), zum Zeichencharakter der Gestirne (95 f.), zur Gestalt von Himmel und Erde (97), zum Wechsel von Tag und Nacht (98) sowie Sommer und Winter (99) aus Hom. III,2–5. An größeren Zusätzen begegnet dabei nur eine Ausschmückung über den königlichen Reigen von Sonne und Mond¹²⁷ und ein Vergleich des unzeitig als Vollmond geschaffenen Mondes mit dem erwachsen geschaffenen Adam.¹²⁸ Auch, daß er dem oben zitierten ‚antiptolemäischen‘ Bekenntnis Severians¹²⁹ eine eigene Quästio widmet (97), obwohl diese thematisch nicht wirklich in den Kontext passt, verdient Hervorhebung. Noch interessanter ist jedoch, wie er mit Severians in der Tat etwas kryptischer Erklärung der nächtlichen Verdunkelung umgeht. Daß die Sonne „zu den Grenzen des Himmels ausgehend in die nördlichen Gefilde läuft wie von einer Art Mauer verborgen, weil die Wasser nicht zulassen, daß ihr Lauf sichtbar wird, und von den nördlichen Gefilden herabläuft und den Osten/Aufgang(spunkt) einnimmt“¹³⁰ ist in der Tat nicht ganz leicht zu verstehen. Wahrscheinlich steht die Vorstellung dahinter, daß die Sonne im oder jenseits des Okeanosstroms entlangläuft und daher in der Ökumene nicht sichtbar ist. Unser Kompilator jedenfalls sucht sein Glück wieder einmal in den explikativen Supplementen. Ihm zufolge „nähert sie sich schnell den Grenzen des Himmels wie unter einer Art Mauer, gelangt ins nördliche Klima, jenseits der kappadokischen Hochebene stehend, und wird, was das Blitzen ihrer Strahlen anbelangt, abgeschattet durch die dichten Wälder und die Wasser, wobei durch den auf ihr liegenden Druck des Firmaments die Funken zur Seite abgelenkt werden und sie durch Erhöhung des Bodens am Scheinen gehindert ist. Indem entsprechend des von uns bereits ausgeführten Bildes von der Lampe¹³¹ der Feuerschein von oben durch irgendein Pfannengefäß bedrängt und von vorne durch irgendetwas beschattet wird, nimmt die Helligkeit ihren Weg auf die noch freie Seite, und so erreicht der Stern den Osten heimlich den Norden durchlaufend“.¹³²
Wenn der Text an dieser Stelle tatsächlich in Ordnung ist,¹³³ blocken die Wasser für Ps.-Caesarius die Verbreitung des Lichtes zusammen mit den dichten Wäldern bzw. 127 Qu. 93,7–13 (hg. Riedinger, 72). 128 Qu. 94,9–14 (hg. Riedinger, 72). Hier hat Riedinger den Bezugstext bei Severian übersehen: Hom. in Creationem III,2 (PG 56, 449,33–38.44 ff.). 129 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 69. 130 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 70. 131 Dieser Rückverweis auf die oben (Anm. 120) aus qu. 72 zitierte Stelle spricht doch relativ deutlich dafür, daß wir es hier mit eigenen Illustrationen des Kompilators zu tun haben. 132 Qu. 98,4–11 (hg. Riedinger, 75): Ὠκυποδήσας τὰ οὐράνια τέρματα καὶ ὡς ὑπό τινα τοῖχον τὸ βόρειον γενόμενος κλίμα, ὑπερανεστῶτα τοῦ Καππαδοκῶν ἐδάφους, ἀποσκιάζεται μὲν τὴν ἀστραπὴν τῶν ἀκτίνων ταῖς λόχμαις καὶ τοῖς ὕδασιν, τῷ ὑπερτεροῦντι πιεσμῷ τοῦ στερεώματος διακλωμένων τῶν μαρμαρυγῶν ἐπὶ τὰ πλάγια καὶ τῇ ὑπεροχῇ τῆς χέρσου τὴν φαῦσιν εἰργόμενος· κατὰ τὴν προεκδοθεῖσαν εἰκόνα τῆς παρ’ ἡμῖν λαμπάδος ἄνωθεν τηγάνων ὀστράκῳ τινὶ τοῦ πυρσοῦ πιεζομένου καὶ ἔμπροσθέν τινι σκιαζομένου ἐπὶ τὸ ἐλεύθερον λοιπὸν τῶν πλαγίων τῆς λαμπρότητος χωρούσης, καταλαμβάνει οὕτως ὁ φωστὴρ τὴν ἑῴαν κρύβδην περιθέων τὸ βόρειον μέρος. Danach folgt wie bei Severian Koh 1,5 f. 133 Das ἀποσκιάζεται μὲν τὴν ἀστραπὴν τῶν ἀκτίνων ταῖς λόχμαις ist nicht nur aufgrund der merkwürdigen Konstruktion, sondern auch wegen des fehlenden korrespondierenden δέ verdächtig.
178 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors dem Gestrüpp (λόχμαι), vielleicht indem sie einen Teil zurückreflektieren. So viel ist jedenfalls klar, daß sie nicht der eigentliche Faktor bei der nächtlichen Absorption des Sonnenlichts sein können. Dies sind vielmehr die Berge Kappadokiens, also „der Taurus, den der Kappadoke vor seinem Fenster sah und wie das Eratosthenische Scheidegebirge mit dem Nordrand am Schwarzen Meer denkt“,¹³⁴ hinter denen die Sonne gleichsam zwischen Meeresoberfläche und Firmament eingequetscht und gezwungen wird, am Nordrand der Welt entlang nach Osten zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren. Ps.-Caesarius ersetzt also letztlich Severians merkwürdige Interpretation von Koh 1,5 f. durch die verbreitetere und eingängigere, welche die nächtliche Verdunkelung durch die Berge des Nordens erklärt.¹³⁵ Danach folgt jedenfalls wieder eine relativ getreuliche Wiedergabe von Severians Erklärung der unterschiedlichen Tageslängen in Sommer und Winter inklusive der anthropologischen Allegorisierung der Mondphasen (qu. 99), bevor das Thema Sonne und Mond relativ unvermittelt suspendiert wird und vier quellenkritisch nicht zuweisbare Fragen zur Beseeltheit der Erde eingeschoben werden (qu. 100–3), um danach wieder für zwei Fragen zum Ausgangsthema zurückzukehren. Diese beiden Fragen schließen die im engeren Sinne kosmologische Erörterung ab und leiten zu der Polemik gegen Astrologie und Schicksalsglauben (qu. 106–13) über, welche gleichsam in einem Korollar aus vier hauptsächlich aus Basilius gespeisten Fragen zu unterschiedlichen Problemen der ersten vier Tage mündet (qu. 114–17). Somit können wir unsere Analyse der Kosmographie des Verfassers und ihrer Quellen getrost mit einem Blick auf seine Erklärung des Laufs der Gestirne in qu. 104 abschließen, wo das seit Diodor diskutierte Problem, wie die Sterne nach Gen 1,17 am Firmament „angeheftet“ sein können, wenn dieses sich nicht bewegt,¹³⁶ im Hintergrund steht: „Sie sind nicht befestigt, sondern hängen unter dem Firmament, indem sie aufgrund der Leichtigkeit ihrer Natur auf dem Äther schweben, jedoch unter dem Firmament entlanglaufen, weil sie durch dessen Abkühlung entsprechend nach unten gestoßen, durch die ihnen unterliegende Dicke der Luft jedoch oben gehalten werden. Die Natur des Feuers ist nämlich leichter als alles Geschaffene. Deshalb wurde auch den Engeln diese zuteil [folgt Ps 103,4; Hbr 1,7]. Die Sterne überfliegen also die Luft kraft der Leichtigkeit des Feuers, sind aber nicht in der Lage, an das Firmament zu stoßen und es anzuschmelzen, aufgrund der darüber blasenden Kälte der oberen Wasser“.¹³⁷
134 Kiessling, „Ῥίπαια ὅρη“, 865. 135 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 70. 136 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 8. 137 Qu. 104,5–12 (hg. Riedinger, 79 f.): Οὐ πεπήγασιν, ἀλλ’ ὑπήρτηνται τοῦ στερεώματος ἐποχούμενοι μὲν τῷ αἰθέρι κουφότητι φύσεως, ὑποθέοντες δὲ τοῦ στερεώματος, τῇ μὲν ἐκείνου καταψύξει ἀναλόγως πρὸς τὸ κάτω συνωθούμενοι, τῇ δὲ ὑποκειμένῃ τοῦ ἀέρος παχύτητι ἀνεχόμενοι· πάντων γὰρ κτιστῶν κουφοτέρα ἡ τοῦ πυρὸς ὑπάρχει φύσις· διὸ καὶ ἄγγελοι ταύτης ἔλαχον. ὁ ποιῶν γὰρ τοὺς ἀγγέλους αὐτοῦ πνεύματα καὶ τοὺς λειτουργοὺς αὐτοῦ πυρὸς φλόγα, φησὶν ἐν μελῳδίαις ὁ Δαυίδ, ἐν ἐπιστολαῖς δὲ ὁ Παῦλος. τὸν ἀέρα οὖν ὑπερίπτανται οἱ φωστῆρες κουφότητι φύσεως, προσβαλεῖν δὲ τῷ στερεώματι ἢ παραχωνεῦσαι αὐτοῦ τι οὐχ οἷοί τε ὑπάρχουσιν τῇ ὑπερπνεούσῃ ψυχρότητι τῶν οὐρανίων ὑδάτων. Die feurige Natur der Engel behauptet auch qu. 44 (aus Clemens?) und qu. 57 (aus Severian).
4.3 Ps.-Caesarius | 179
Zusammen mit der anschließenden Frage, warum der Lauf der Sterne nicht durch Winde behindert wird, wenn sie von der Luft angetrieben werden, haben wir es hier mit einer im Rahmen antiker Elementenphysik doch relativ plausiblen Erklärung des Gestirnslaufs zu tun, welche nach den gerade vorgeführten Beispielen eigener kosmologischer Improvisationskunst des Kompilators wohl kaum diesem selbst zugehört und auch weder aus Severian noch Basilius¹³⁸ entnommen zu sein scheint. Der Kompilator wird hier also einer uns unbekannten Quelle folgen, deren Ermittlung für unsere Zwecke wohl unwesentlich ist, da die hier präsentierte Theorie genauso gut im Kontext einer mit Gen 1 abgestimmten geozentrischen Weltkonzeption formuliert worden sein könnte. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß wir es bei unserem Kompilator sicherlich mit keinem ‚Kosmotheologen‘ höheren Ranges zu tun haben. Seine Ablehnung des ptolemäischen Weltbildes speist sich primär aus seinen Autoritäten, allen voran Severian, sowie aus der gemeinchristlichen Ablehnung der Astrologie, des Schicksalsund Ewigkeitsglaubens. Weitreichendere einschlägige Überlegungen zur Vereinbarkeit mit Christologie oder Eschatologie finden sich bei ihm nicht, die Stiftshütte kommt lediglich im Kontext der aus Chrysostomus geschöpften antijüdischen Polemik einmal kurz vor.¹³⁹ Allem Anschein nach hat er auch keinerlei über die intensive Severianlektüre hinausgehenden Affiliationen zur ‚antiochenischen‘ Theologe, sondern tendiert eher zu einem Populärmonophysitismus, der Christus schlicht für Gott auf Erden hält, ohne dies näher technisch spezifizieren zu wollen oder zu können.¹⁴⁰ Umso interessanter ist, daß er in den Grundfragen der Kosmologie so durchgehend Severian vor Basilius den Vorzug gibt. Der Grund ist wahrscheinlich schlicht in der vergleichsweisen Einfachheit sowie im Abgrenzungs- bzw. Identifikationspotential der severianischen Position zu sehen: Wenn die griechischen Wissenschaftler bereits in ihren basalsten Grundannahmen über die Welt und den Himmel irrten, wie viel weniger wird man ihnen Glauben schenken können, wenn sie christliche Inkarnations- oder Gotteslehre angreifen?
138 Vgl. die o. Kap. 3 Anm. 17 zitierte Stelle, aus der klar wird, daß für Basilius die kühlende Funktion der oberen Wasser keine Rolle spielt. 139 Qu. 218, 838 f. (hg. Riedinger, 229). 140 Riedinger hatte den Autor als Severianer eingestuft hauptsächlich aufgrund seines Rückzugs in die Pseudonymität und seiner Anknüpfung an das ps.-dionysische Schrifttum, besonders in Form der Vorliebe für den Begriff „theandrisch“. Nach Grillmeier unterscheidet sich jedoch die antiagnoetische Argumentation des Kompilators so sehr von derjenigen der Severianer Theodosius und Anthimus, daß man ihn besser als „Spät-Henotiker“ qualifizieren sollte, also jemanden, der in den christologischen Streitigkeiten nicht explizit Partei ergreifen möchte („War der Kompilator der Erotapokriseis des PseudoKaisarios ein Severianer?“, Helikon 8 [1968], 440–43). Damit ist nun recht wenig gesagt, und daß es auch unter den Severianern unterschiedliche Wege gab, mit dem hausgemachten Agnoetenproblem umzugehen, wird man getrost annehmen dürften. Daß er diesem überhaupt einen so prominenten Platz einräumt, spricht auf jeden Fall eher für einen severianischen Hintergrund. Eine Analyse der christologischen Äußerungen selbst müßte jedenfalls bei einer detaillierten Quellenkritik einsetzen, welche in diesem Rahmen nicht geleistet werden kann.
180 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors
4.4 Ps.-Elishe Vardapet Jedenfalls bei derzeitigem Forschungsstand werden sich die in den Handschriften Elishe Vardapet, Autor der Geschichte des persisch-armenischen Krieges von 451, zugeschriebenen exegetischen Quästionen zu Gen 1–3, kaum eindeutig datieren lassen, zumal sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dem selbst in der Datierung umstrittenen authentischen Corpus zugehören.¹⁴¹ Sicher ist nur, daß sie die armenische Übersetzung von Philons Quaestiones in Genesim voraussetzen¹⁴² und somit nicht vor dem Ende des sechsten Jahrhunderts entstanden sein können. Selbst wenn sie also nicht eindeutig dem hier anvisierten Untersuchungszeitraum zuzuordnen sind, sind sie doch allein deswegen von Relevanz, da sie den weiterbestehenden Einfluß antiochenischer Exegese in Armenien selbst nach der wiederholten Verurteilung des Theodorianismus auf den beiden Konzilien von Dvin (506 und 555)¹⁴³ in überraschend deutlicher Weise vor Augen führt, besonders im zweiten, kosmologischen Hauptteil. Im Gegensatz zu den sonst bekannten exegetischen Quästionensammlungen (zur Genesis Philon und Theodoret) wird hier nämlich nicht einfach am Text entlang gegangen und ein problematischer Punkt nach dem anderen aufgeworfen, sondern es lassen sich zunächst drei thematische, von der Textchronologie losgelöste Schwerpunkte erkennen, bevor in den letzten 15 Fragen (62–77) die verbliebenen Probleme zu Ruhe Gottes, Paradies und Versuchung am Text entlanggehend verhandelt werden: Die ersten 23 Quästionen behandeln die Angelologie und Dämonologie (verbunden mit dem Problem der Zauberei), die Fragen 24–36 die Kosmologie (Himmel, Erde, Elemente, Gestirne) und 37–61 die Anthropologie. Dabei ist die Position unseres Autors in der Angelologie klar untheodorianisch: Obgleich er sich nicht entscheiden will, wann die Engel genau geschaffen sind (qu. 1),¹⁴⁴ votiert er doch klar für deren Unkörperlichkeit (qu. 2) und beschränkt sie genau wie Jakob von Sarug¹⁴⁵ weder auf den Raum unter dem Firmament (qu. 4), noch läßt er sie allein um des Menschen willen geschaffen sein (qu. 3). In der Anthropologie scheint er die theodorianischen Argumente für eine Urstandssterblichkeit¹⁴⁶ zu respektieren, spricht dabei jedoch von mindestens potentieller Unsterblichkeit (qu. 43), welche der
141 Vgl. B. L. Zekiyan, „Quelques observations critiques sur le Corpus Elisaeanum“, in The Armenian Christian Tradition (hg. R. Taft; Rom 1997), (71–123) 107. 142 Questions et réponses sur la Genèse, hg. N. Akinian/S. Kogean (Wien 1928), 16.41.65. Zur Datierung der Übersetzung: J. Paramelle, Philon d’ Alexandrie: Questions sur la Genèse II 1–7 (Genf 1984), 66–70 (kurz nach 570). 143 Vgl. dazu N. Garsoian, L’Église arménienne et le grand schisme d’Orient (Louvain 1999), 134–239. 144 Die Wiederaufnahme des Problems in qu. 32 (hg. Akinian, 37) scheint einerseits – mit Theodor – die göttlichen Schöpfungsworte als Rede an die Engel aufzufassen, andererseits aber – mit Hiob 38,7 – zu deren Präexistenz zu tendieren. 145 Vgl. o. Anm. 47 f. 146 Vgl. N. Kavvadas, „Theodore of Mopsuestias Against the Defenders of Original Sin“, in Grace for Grace: The Debates after Augustine & Pelagius (hg. A. Hwang u. a.; Washington 2014), 271–94.
4.4 Ps.-Elishe Vardapet | 181
in vollkommener Weisheit geschaffene Mensch erst durch den Sündenfall verlor (qu. 70, 72 und 76). In der Kosmologie knüpft er dann ganz ähnlich wie Eznik deutlicher an die diodorianische Tradition an, und dies in einer Weise, die entweder die Benutzung von Eznik selbst oder von dessen antiochenischer Quelle nahelegt: Genau wie Theodoret in seiner Qu. 11 stellt unser Autor in Qu. 24 die Frage nach der Anzahl der Himmel und schärft deren Zweiheit ein. Nach Gen 1,7 f. teilt das Firmament das Wasser in zwei Hälften, die obere und die untere, und heißt selbst Himmel, wobei gegen die Antiochener¹⁴⁷ ausdrücklich unausgemacht bleibt, ob es selbst aus Wasser besteht. Dennoch werden dieselben Parallelen bemüht: Ps 18,2 redet ausdrücklich von Himmel und Firmament, Ps 103,2b-3a und 148,4 reden von (unserem) Himmel und den Wassern darüber, unter dem zweiten Himmel, so daß das Firmament „wie die Decke eines Hauses über der Erde ist, zurückzuhalten das Wasser, das darüber ist“.¹⁴⁸ Dem Gegenargument des paulinischen dritten Himmels (2Kor 12,2) wird folgendermaßen begegnet: „Aber was Paulus sagt, (selbst) in den dritten Himmel entrückt worden zu sein, woraus manche, nicht wohlunterwiesen im Wort, die Existenz vieler Himmel folgern: nun, das (sagte er) wegen der höchsten Zelte und Wohnstätten der oberen Himmel, was uns unbegreiflich ist, und nicht wegen des Firmaments, dass eines als ein anderes höher sei, denn er gedachte auch des Gartens: ‚Ich wurde entrückt in den Garten‘ (2Kor 12,4). Siehe, klar ist, dass er von einer anderen, unbegreiflichen der Wohnstätten sprach und nicht den bekannten. Denn ‚den Garten‘ hat er nicht in die Himmel, sondern auf der Erde, sprach das Wort, gepflanzt ‚in Eden, gen Osten‘ (Gen 2,8), wenn er auch zurzeit verborgen ist vor uns. Also ist uns der Schrift offenkundig, daß es nur zwei Himmel gibt“.¹⁴⁹
Im Kern wird hier also das bereits aus Severian und Eznik bekannte Argument präsentiert, daß die Parallelisierung von drittem Himmel und Paradies im Paulustext ersteren eindeutig unterhalb des Firmaments loziere.¹⁵⁰ Wie soll nun allerdings damit vereinbar sein, daß ersterer zunächst auf „der obersten Himmel höchste Zelte und Wohnstätten“ bezogen zu werden scheint? Sollte der Satzteil ganz ähnlich wie bei Ps.-Justin als Glosse auszuscheiden sein?¹⁵¹ Vielleicht liegt schlicht ein Mißverständnis der Quelle vor, welche die oberen Bereiche dieses Himmels vor Augen hatte, keine weitere Himmelskuppel jenseits des Firmaments. In diesem Fall wären die „Wohnstätten“ allerdings nicht als Aufnahme der Habitatkonzeption zu werten, sondern bezögen sich auf spezielle Segmente des irdischen Raumes, den dritten Himmel und das Paradies. Im Rest der kosmologischen Erörterungen sieht man den antiochenischen Tenor nämlich ein wenig schwinden, auch wenn weiterhin Berührungspunkte vorhanden
147 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 167. 148 Qu. 24 (hg. Akinian, 27). 149 Qu. 24 (hg. Akinian, 28; übs. Alexander Markus Schilling). 150 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 81 und Kap. 4 Anm. 35. 151 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 294.
182 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors sind: Ähnlich wie Ephraem und Theodoret (qu. 14) stellt der Autor im Anschluß die Geschaffenheit der Gestirne aus dem Licht des ersten Tages fest (qu. 25), um daraufhin anläßlich der Frage nach den vier Elementen nochmals auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Genesisberichts aus Ps 103 und 148 hinzuweisen (qu. 26).¹⁵² Die folgende Behandlung von Wesen und Lauf der Gestirne erinnert nun sehr stark an Eznik, insofern sich hier auf einmal die Attacken gegen „die Philosophen“ massieren, welche sich allerdings auch sonst gelegentlich finden, interessanterweise hauptsächlich in Form polemischer Spitzen gegen Aristoteles.¹⁵³ Nachdem er in der Nachfolge Ephraems festgestellt hat, daß der Mond als Vollmond geschaffen wurde (qu. 27), geht er zum Angriff auf die Philosophen über, was den Heliophotismus, die Gestirns- und Himmelsbewegung betrifft: Ebenso wie bei Eznik¹⁵⁴ soll aus Gen 1,16 klar hervorgehen, daß der Mond über eigenes Licht verfüge (qu. 28). Der Himmel hingegen bewege sich nach der Schrift nicht, anders als die verschiedenen Himmelskörper, unter welchen man wiederum gegen die Philosophen nach Jos 10,13 (von Eznik hier ebenfalls bemüht!¹⁵⁵) und Ps 18,6 nicht zwischen Planeten und Fixsternen unterscheiden könne.¹⁵⁶ Das dagegen angeführte ἔθετο aus Gen 1,17 wird wiederum mit Eznik durch den seit Diodor bekannten Verweis auf die Verwendung desselben Verbs in 2,15 entschärft,¹⁵⁷ nun allerdings mit der Spezifikation, daß die Himmelskörper sich nahe am Firmament bewegen müssen, so daß ihr Licht – wie bei Severian und Ps.-Caesarius – nicht in den Weiten des Himmels über ihnen verpufft, sondern auf die Erde reflektiert wird.¹⁵⁸ Wenn unser Autor somit seine diodorianischen Theologumena stellenweise präziser, andernorts jedoch entstellter präsentiert als Eznik, legt sich in der Tat die Vermutung nahe, daß er auf dieselbe Quelle zurückgriff, also aller Wahrscheinlichkeit nach eine armenische Übersetzung eines diodorianischen Genesiskommentars. Wir können uns hier also ein weiteres Mal davon überzeugen, daß Philoponus allen Grund hatte, noch in den 560er Jahren und unter Monophysiten gegen den andauernden Einfluß theodorianischer Quellen und Konzepte besonders im Verständnis der Genesis und den damit verbundenen kosmographischen Vorstellungen anzukämpfen. Wenn also das bei Eznik auszumachende theologische Moment die auf ihn folgenden anderthalb Jahrhunderte überdauert hat, stellt sich die Frage, inwiefern auch das andere, ‚populär152 Vgl. o. Anm. 21. 153 Vgl. Qu. 24 (hg. Akinian, 27); 32 (hg. Akinian, 36); 42 (hg. Akinian, 44). 154 Vgl. o. Anm. 31. 155 Vgl. o. bei Anm. 14. Anläßlich der Auslegung besagter Stelle im authentischen Elishe-Corpus hören wir bezeichnenderweise keinerlei Polemik gegen griechische Astronomie, sondern lediglich eine Anspielung auf das aus der Visionstradition bekannte (vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 85 und 95) Motiv vom Sonnen- und Mondwagen (Commento a Giosuè e Giudici, hg. R. Pane [Rom 2009], 164). 156 Hier könnte auch eine antizoroastrische Spitze vorliegen, in deren Mythos der Kampf der Planeten gegen die Fixsterne ja bekanntlich eine zentrale Rolle spielt (Iranischer Bundahishn 5,4 f.; tr. F. Pakzad, Zoroastrische Kosmogonie und Kosmologie, Bd. 2. [Teheran 2021], 41). 157 Vgl. o. Anm. 14. 158 Qu. 31 (hg. Akinian, 33). Vgl. o. Kap. 3 Anm. 74.
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 183
wissenschaftliche‘ weiterhin greifbar ist und auf die kosmographische Debatte Einfluß nimmt. Hier bietet leider nur der syrische Sprachraum einschlägige Quellen, welche im Anschluß zu untersuchen sind.
4.5 Syrische Populärwissenschaft Daß die aus der Visionstradition bekannten kosmographischen Vorstellungen im Volksglauben unter den Syrern des sechsten und sieben Jahrhunderts noch ziemlich lebendig waren, erhellt etwa daraus, daß aus dieser Zeit Umgestaltungen der Alexanderlegende erhalten sind, welche den großen Makedonenkönig ausziehen lassen, um das Ausmaß der Erde und das Fundament der Himmel zu erkunden, also zu erforschen, „worauf der Himmel befestigt ist, ob etwa Wolkendunkel und Winde sie stützen, oder Feuersäulen aus der Mitte der Erde aufsteigen und sie stützen, so daß sie sich in keine Richtung bewegen, oder ob sie auf den Wink Gottes hin hängen und nicht fallen“.¹⁵⁹ Obgleich nicht einmal Alexander den stinkenden Okeanosstrom am Ende der Welt überqueren kann, sieht er doch ganz ähnlich wie Henoch den Ort des Sonnenaufgangs, wo die Sonne durch ein Fenster den Himmel betritt, durch ihre Hitze die Bewohner zur Schutzsuche in Höhlen zwingt, den sichtbaren Himmel durch ein anderes Fenster wieder verläßt, ihrem göttlichen Herrn die Ehre erweist und „durch die (unsichtbaren) Himmel“ wieder zu ihrem Aufgangsfenster zurückkehrt.¹⁶⁰ Anschließend entdeckt er das Nordgebirge (offensichtlich sind Kaukasus und Hindukusch im Blick), das in diesem Kontext jedoch hauptsächlich die (heils-)geschichtliche Funktion hat, die unheilbringenden Völker sowie das Paradies¹⁶¹ von der Ökumene abzuschotten und dessen einziger Paß von 159 Budge, History, 255 f. G. Reinink („Die Entstehung der syrischen Alexanderlegende als politischreligiöser Propagandaschrift für Herakleios’ Kirchenpolitik“, in After Chalcedon. Studies in theology and Church history [hg. C. Laga u. a.; Leuven 1985], 263–81) interpretiert den Text sehr plausibel als Propaganda im Zuge des erfolgreichen Perserkriegs des Heraklius und datiert ihn um 630. In dem der auf der Basis der Alexanderlegende erstellten monophysitischen Gegenkomposition des Alexanderliedes werden die hier besprochenen kosmographischen Hinweise interessanterweise konsequent getilgt (CSCO 454, 26–29.36 f.). Lediglich das traditionelle weltumfassende Paradiesgebirge taucht auf (ebd., 62 f.), welches in der Alexanderlegende wiederum nicht in dieser Form vorkommt. 160 Budge, History, 258. In der breiten Tradition des Alexanderromans (Ps.-Kallisthenes), von der unsere Legende einen Ableger darstellt, ist diese Szene ohne Parallele: Alexander kommt lediglich an den nicht näher kosmographisch beschriebenen Okeanos, wo bereits relativ früh der Palast des Poros situiert worden zu sein scheint, von wo Alexander seine phantastische Indienexpedition beginnt (vgl. R. Stoneman, „Primary sources from the Classical and early Medieval periods“, in A Companion to Alexander Literature in the Middle Ages, [hg. D. Zuwiyya; Leiden/Boston 2011], [1–20] 14 f.). Es scheinen an dieser Stelle also tatsächlich im Umfeld des Verfassers lebendige kosmographische Vorstellungen den Erzählstoff zu transformieren. 161 Als „weder himmlisch noch irdisch“ wird dies anscheinend auf einem Berg im äußersten Norden, jenseits des Okeanos verortet, von wo die vier Ströme auf geheimnisvollem unterirdischen Wege in die Welt kommen, so daß kein Mensch es finden kann (Budge, History, 266).
184 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Alexander daher mit einem Tor verschlossen wird, welches erst vor der apokalyptischen Endschlacht der Feinde des Nordens gegen das auf Alexander zurückgehende römische Reich zerstört werden soll. Dieser Paß im Nordgebirge, spätestens seit Ps.-Methodius mit der Bezeichnung „Brüste des Nordens“¹⁶² versehen, taucht nun bezeichnenderweise auch in einem anderen Dossier auf, das deutlich weiter gehende kosmographische Erklärungsansprüche erhebt und daher im vorliegenden Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit verdient, den beiden textlich eng miteinander zusammenhängenden kosmologischen Traktaten des Ps.-Dionysius und Ps.-Berossos. Bereits 1910 hatte nämlich Giorgio Levi della Vida anläßlich der Publikation von anscheinend Berossos zugeschriebenen archaisierenden kosmologischen Fragmenten von einem „movimento antiellenistico“ gesprochen, das es sich angesichts der Schließung der Perserschule in Edessa (489) auf die Fahnen geschrieben hätte, traditionelle mesopotamische Gelehrsamkeit gegen die neu eindringende griechische Wissenschaft zu verteidigen.¹⁶³ Diese These wurde jüngst von Emilie Villey wieder aufgegriffen und durch die Kämpfe, welche die Protagonisten der Rezeption griechischer Astronomie im syrischsprachigen Raum, Sergius von Reshaina (gest. 536) und Severus von Sebokht (gest. 667) anscheinend auszufechten hatten, zu illustrieren versucht.¹⁶⁴ Im vorliegenden Zusammenhang wäre eine Verifikation dieser These bzw. ihre Spezifikation hinsichtlich der Kosmographie offensichtlich von ganz besonderer Wichtigkeit, da sie den Angriff der antiochenischen Theologen auf den griechischen Konsens und dessen Erfolg gerade im syrischsprachigen Raum in ganz neuem Licht erscheinen ließe. Die Rückbesinnung auf nichtsphärische kosmographische Modelle wäre dann weder primär theologische Wissenschaftsfeindlichkeit noch traditionalistische Trägheit, sondern hätte eine mindestens ebenso starke kulturelle Wurzel, die Besinnung auf angestammte lokale Traditionen angesichts einer immer brüchiger und mißliebiger werdenden kulturellen Hegemonie griechischer Bildung. Im Anschluß werden wir also die Quellen, auf denen diese These basiert, detailliert zu analysieren und auszuwerten haben, inwiefern sie tatsächlich als Beleg für ein solches „movimento antiellenistico“ taugen und, sollten sie dies tatsächlich tun, welche Rolle Fragen der Kosmographie innerhalb dieser Bewegung spielten.
162 Ps.-Dionysius, Computus 3 (M. Kugener, „Un traité astronomique et météorologique syriaque attribué a Denys l’Aréopagite“, in Actes du XIV. Congrès international des Orientalistes, Bd. 2 [Paris 1907], [137–98] 154). Zum Hintergrund vgl. A. Schmidt, „Die Brüste des Nordens und Alexanders Mauer gegen Gog und Magog“, in Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, (hg. W. Brandes; Berlin/New York 2008), (89–99) 93–95, die anstelle von Ps.-Dionysius irrtümlich auf die Schatzhöhle verweist, in der sich jedoch nichts dergleichen findet. 163 „Pseudo-Beroso Siriaco“, Rivista degli studi orientali 3 (1910), (7–43) 42. 164 Vgl. besonders „Syriac astronomical texts: Christian voice defending Ptolemaic astronomy“, in New themes, New Styles in the Eastern Mediterranean: Christian, Jewish, and Islamic Encounters (hg. H. Amirav u. a.; Leuven 2017), 205–31.
4.5 Syrische Populärwissenschaft |
185
4.5.1 Das Stomathalassa-Dossier und sein Verhältnis zu Ps.-Dionysius Levi della Vidas Quellen waren hauptsächlich die erwähnten zwei: ein Dionysius von Athen zugeschriebener Traktat über den Umlauf von Sonne und Mond sowie diejenigen syrischen Fragmente, die im Vaticanus syriacus 217 (XVII) einem Baruzi (della Vida restituiert Bersossus) und im Vaticanus syriacus 555 (1501; anders angeordnet und etwas umfassender) einem Rufinus zugeschrieben werden. Letztere Fassung ist dann wiederum etwas vollständiger durch eine arabische Übersetzung repräsentiert, welche den Text unter dem Titel „Gebote und Unterweisungen des Stomathalassa“ bietet, von Levi della Vida wohl korrekt als Dustumos Thylassos, Schüler des Apollonius v. Tyana, restituiert.¹⁶⁵ Dabei ist allerdings nicht nur das genaue Verhältnis der drei „Stomathalassa“-Zeugen zueinander ungeklärt,¹⁶⁶ sondern auch deren Verhältnis zu Ps.Dionysius, dessen drittes und viertes Kapitel mit teilweise wörtlicher Übereinstimmung ein fast identisches kosmographisches Schema präsentiert wie „Stomathalassa“. Immerhin scheint sich wenigstens Ps.-Dionysius relativ sicher datieren zu lassen: Dem Erstherausgeber Kugener folgend setzt ihn Villey auf der Basis sprachlicher (Partikelverwendung) wie terminologischer Argumente in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts.¹⁶⁷ Daß er trotz seines vergleichsweise frühen Datums kaum als Quelle für Stomathalassa in Frage kommt, wurde schon von Levi della Vida gesehen,¹⁶⁸ muß aber an dieser Stelle noch näher substantiiert werden, bevor eine nähere Zu- und Einordnung des Stomathalassa-Materials versucht werden kann. Beide Texte präsentieren eine Schichtenkosmologie, die zunächst stark an das Modell des Juda bar Pazzi¹⁶⁹ erinnert: Die Erde schwimmt auf dem Wasser, dieses wiederum auf Feuer, dieses wiederum auf Wind, dieser wiederum auf der Finsternis.¹⁷⁰ Anders als bei bar Pazzi entspringt dies jedoch nicht einer bloßen Harmonisierung von Schriftaussagen, sondern ist offensichtlich primär dazu gedacht, den Klimawechsel während der Jahreszeiten zu erklären: Im Kern geht es um eine Balance von Wärme und Kälte, insofern die Sonne im Sommer ihre Hitze primär überirdisch entfaltet, sodaß
165 „La Dottrina e i Dodici Legati di Stomathalassa. Uno scritto di ermetismo popolare in siriaco e in arabo“, Atti della Accademia nazionale dei Lincei. Memorie 3 (1951), (477–542) 479 f. 166 S. Brock, „Stomathalassa, Dandamis and Secundus in a Syriac Monastic Anthology“, in After Bardaisan: Studies on Continuity and Change in Syriac Christianity in Honour of Professor Han J. W. Drijvers (hg. G. Reinink u. a.; Leuven 1999), 35–50 konnte mit dem Sinaiticus Syr. 14 (X) immerhin einen deutlich älteren syrischen Zeugen für die Zuschreibung an Stomathalassa identifizieren. 167 Les textes astronomiques syriaques (VIe et VIIe siècles): établissement d’un corpus et de critères de datation, édition, traduction et lexique (Diss. masch.; Caen 2011/12), 384 f. G. Furlani, „A cosmological tract by Ps.-Dionysius in the Syriac language“, Journal of the Royal Asiatic Society 49 (1917), (245–72) 270 f. wollte den Traktat aus (nicht diskutierten) sprachlichen Gründen sowie besonders der Zuschreibung an Dionysius ins siebte Jahrhundert setzen. 168 „Pseudo-Beroso“, 41. 169 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 102. 170 Levi della Vida, „Stomathalassa“, 521 (Gebot 11); Ps.-Dionysius, Computus 3 (hg. Kugener, 153).
186 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors die Erde von unten, den unterirdischen Winden und Wassern gekühlt werden muß, wenn das Leben auf der Oberfläche möglich bleiben soll, wogegen die unterirdischen Feuer die unterirdischen Wasser im Winter erhitzen und so den Boden wärmen. Bei Stomathalassa ist dafür in beiden Fällen die Bahn der Sonne entscheidend, welche im Sommer höher steht, dort vom Äther entzündet wird und durch ihr längeres überirdisches Verbleiben die volle Hitze entfaltet, im Winter hingegen länger unterirdisch bleibt, dort von den unterirdischen Feuern erhitzt wird und so die unteren Wasser erwärmt.¹⁷¹ Genau diese Konzeption vom unterirdisch dahinfahrenden Sonnenschiff scheint für Ps.-Dionysius wohl aus mehreren Gründen indiskutabel, zunächst vielleicht mit dem Postulat eines unterirdischen Feuers unverträglich gewesen zu sein. Er will die winterliche Erhitzung der unteren Wasser somit schlicht den ihnen benachbarten Feuern zuschreiben, läßt aber damit auch die für das Ganze unverzichtbare Erklärung für die Tatsache fallen, warum diese im Winter anders funktionieren sollten als im Sommer. Wir können also in der Tat davon ausgehen, daß Ps.-Dionysius in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts das Stomathalassa-Dossier in irgendeiner Form vor sich hatte. Leider divergieren dessen syrische Zeugen allerdings mehr oder weniger stark von der Textchronologie der arabischen Übersetzung, so daß sich nicht unmittelbar sagen läßt, ob diese tatsächlich den besten Einblick in die ursprüngliche Gestalt des Textes bietet. Zwar bestätigt der älteste syrische Zeuge, eine kurze Passage zu den zwölf inneren Sinnen bzw. Verstandesfunktionen, mindestens die Zuschreibung an Stomathalassa, doch könnte die dort vorliegende Kombination zweier im Arabischen auf Lehre und neuntes Gebot verteilter, inhaltlich korrespondierender Passagen¹⁷² genauso gegen die Ursprünglichkeit der arabischen Textstruktur sprechen. Der jüngste syrische Zeuge, Vaticanus syriacus 217, bringt zunächst ein Stück aus dem letzten, kosmologischen Teil und anschließend deutlich davon abgegrenzt ein weiteres aus dem vorhergehenden anthropologischen, geht aber bei letzterem in der Nummerierung mit dem Arabischen konform.¹⁷³ Der umfassendste syrische Zeuge bringt anstelle der „Lehre“ Stomathalassas eine Einleitung zum rechten Verhalten des Weisen, welche entfernt an die Gebote zwei und fünf erinnert, und danach die Gebote VI–XII, wiederum konform mit der arabischen Nummerierung. Allerdings wird nicht nur der für die Komposition so wichtige Überleitungsabschnitt vom anthropologischen zum kosmologischen Teil ersetzt durch eine Anzahl astronomischer Bemerkungen,¹⁷⁴ sondern auch der Schluß des Textes, die
171 Levi della Vida, „Stomathalassa“, 521 f. (Gebot 11). Die Theorie ist persischen Ursprungs (vgl. Bundahishn 25.12, tr. Pakzad, 149) und wird auch in der Schatzhöhle angedeutet (vgl. A. Götze, Die Schatzhöhle. Überlieferung und Quellen [Heidelberg 1922], 46–48). 172 Brock, „Stomathalassa“, 37–39. 173 Levi della Vida, „Pseudo-Beroso“, 18.21. 174 Vat. Syr. 555 fol. 54r-56r. Die Rückkehr zum Stomathalassa-Text wird durch die Überschrift „Neuerliche Abhandlung, die klarstellt hinsichtlich der Sonne und ihres Laufs und ihrer Verdunkelung“ markiert.
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 187
im vorliegenden Zusammenhang so wichtige Beschreibung der unterirdischen Passage der Sonne und deren Verhältnis zum Lauf des Mondes unterscheidet sich in beiden syrischen Zeugen deutlich voneinander und vom Arabischen.¹⁷⁵ Jedoch waren es weniger die literarkritischen als die inhaltlichen Spannungen, die Levi della Vida dazu veranlaßt hatten, für den hier relevanten kosmologischen Teil eine „origine del tutto indipendente dalla sezione parenetica, psicologica e teologica del testo“ zu statuieren und das Endprodukt als heterogene Vermischung ägyptischhermetischer Paränese und mesopotamischer Kosmologie anzusehen.¹⁷⁶ Die redaktionelle Zusammenfügung dieser heterogenen Elemente scheint für ihn dennoch ins Syrien des sechsten Jahrhunderts zu gehören, und in der Tat ist die Konstanz in der Nummerierung der Gebote ein sehr starkes Argument dafür, daß das Arabische die ursprüngliche Gestalt doch im Großen und Ganzen korrekt repräsentiert. Dies läßt sich auch durch einen genaueren Blick auf die inhaltliche Struktur untermauern, welche keineswegs ganz so heterogen ist, wie Levi della Vida es darstellt: Die wohl als Einleitung konzipierte „Lehre“ ruft den Weisen in typisch christlich-platonisierender Manier zur Verachtung der weltlichen Dinge und zur Konzentration aufs Geistige und Ewige auf. Dies wird in den ersten fünf Geboten ethisch konkretisiert und in Gebot sieben bis neun anthropologisch untermauert, hauptsächlich hinsichtlich des übernatürlichen Ursprungs, der Geistigkeit und Weltüberlegenheit der Seele. Hier wird die Erörterung bereits zunehmend naturphilosophischer, nicht nur hinsichtlich des Rückgriffs auf eine aristotelisch gefärbte Zeugungslehre in Gebot 6, sondern auch, was die in den folgenden beiden Geboten aufgemachten, relativ losen Analogien zwischen der Struktur des menschlichen Körpers und derjenigen von Geschichte und Welt anbetrifft. Die charakteristische Funktion der Winde, welche sowohl als Schallträger Früchte der Seele als auch als grundlegender klimatischer Faktor Früchte der Bäume produzieren sollen,¹⁷⁷ verklammert die psychologische Erörterung ganz deutlich mit dem kosmologischen Teil, wo die Phasen des Mondes nämliche fruchtbringende Winde hervorrufen sollen.¹⁷⁸ Wer an dieser Stelle nach platonischem Muster einen Aufruf zur Konzentration auf geistige Erkenntnisgegenstände und eine diesbezügliche inhaltliche Bestimmung der Weisheit erwartet, wird vom zehnten Gebot auf ganzer Linie enttäuscht. Dies präsentiert vielmehr zwei skeptische Anekdoten, die zu Bescheidenheit und Selbstbeschränkung hinsichtlich genau dieser Art von Erkenntnis aufrufen: Porphyrios verzweifelt an der Erkennbarkeit des Wesens der Seele und Zosimos an derjenigen der Trinität, so daß der Passus schließlich in dem Aufruf gipfelt, seinen Erkenntnistrieb auf das Augenscheinliche zu beschränken und das Programm für den folgenden kosmologischen Abschnitt formuliert: die Untersuchung des Laufs von Son175 Levi della Vida, „Stomathalassa“, 523 f. 176 „Stomathalassa“, 486. 177 „Stomathalassa“, 517 (Gebot 8). 178 „Stomathalassa“, 520 (Gebot 12). Zur fruchtbringenden Wirkung des Mondes vgl. auch den iranischen Bundahishn 26.23 f. (tr. Pakzad, 155).
188 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors ne und Mond, der Jahreszeiten und des Wasserkreislaufs. Daß hier zwar eine gewisse Spannung zum Aufruf der Lehre, sich auf das Geistige und Ewige zu richten, ja zu der dort geäußerten Perspektive, durch den Intellekt Weisheit und Schau des Göttlichen zu erlangen,¹⁷⁹ aber kein echter Widerspruch besteht, lehrt das erste Gebot: Hier wird die Einsicht in das übernatürliche Ziel der Seele ebenfalls klar der menschlichen Erkenntniskraft enthoben und als Ergebnis innerseelischer göttlicher Offenbarung beschrieben, welche sich durch ethischen Lebenswandel einstellt.¹⁸⁰ Die Ausrichtung auf das Ewige und Geistige ist also für unseren Autoren eine primär oder sogar rein ethische, während sich das menschliche Erkenntnisstreben an demjenigen begnügen soll, was der Wahrnehmung erschwinglich ist, der Lauf von Sonne und Mond sowie der durch diesen sowie die oben skizzierte Elementarschichtung bedingte Lauf der Jahreszeiten, welcher das menschliche Leben prägt. Inwiefern ausgerechnet diese Themen dazu geeignet sein sollen, den Menschen in seinem Erkenntnisbestreben so zu begrenzen und zu orientieren, so daß dieser das Streben nach Weisheit nicht aus den Augen verliert, will dennoch nicht ganz deutlich werden, zumal ein echter Abschluß des Textes, welcher den Sinn der kosmologischen Erörterungen für das Gesamte noch einmal auf den Punkt brächte, in keiner der überlieferten Fassungen vorhanden ist. Daß die popularphilosophische Paränese in derart spezifischer und ausführlicher Weise auf naturkundliche Themen zu sprechen kommt, die mit dem ethischen Verhalten des Menschen in der Welt keinerlei direkte Beziehung aufweisen, ist in der Tat ungewöhnlich und bedarf der Erklärung.¹⁸¹ Zunächst wird man annehmend dürfen, daß sich der Autor des Textes bei dieser Zusammenstellung an der alttestamentlichen Weisheitsliteratur orientiert,¹⁸² vielleicht sogar speziell am Schluß des Hiobbuches (38–41), wo ja die Unerkennbarkeit Gottes ebenfalls durch relativ ausführliche naturkundliche Erörterungen illustriert wird, wenn auch unter dem entgegengesetzten Vorzeichen der Unerschwinglichkeit selbst dieser Schöpfungsgeheimnisse für die menschliche Erkenntnis. Vielleicht läßt sich aber noch ein präziserer Grund für exakt diese thematische Kombination angeben: Die einzige andere Quelle, aus der uns „Stomathalassa“ bekannt ist, das im syrischen Testament Adams verwendete Buch von der Weisheit des Ps.-Apollonius v. Tyana verspricht, eine Darlegung des „Geheimnisses der Weisheit“ hinsichtlich der Jahres-, Tages- und Nachtzeiten, „ihrer Benennungen und Wirkungen“ zu geben und stützt sich dabei auf vier Bücher,
179 „Stomathalassa“, 492. 180 „Stomathalassa“, 498. 181 Zu vergleichbaren Texten im syrischsprachigen Bereich vgl. Y. Arzhanov, Syriac sayings of Greek philosophers. A study in Syriac gnomologia with edition and translation (Leuven 2019), 67–133. 182 Zur Urverwandtschaft von Weisheitsliteratur und hermetischer Popularphilosophie vgl. G. Fowden, The Egyptian Hermes. A historical approach to the late pagan mind (Cambridge 1986), 68–74. In der syrischen Literatur wird „Stomathalassas“ Lehrer Apollonius v. Tyana dementsprechend immer wieder mit Salomon parallelisiert, dem primären Exponenten alttestamentlicher Weisheit (Arzhanov, Sayings, 98).
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 189
von denen das Wertvollste von der „Elementarstruktur der von Gott geschaffenen und sichtbaren Dinge“¹⁸³ handeln soll. Was darauf folgt ist eine relativ knappe Zuordnung der Tierkreiszeichen zu den vier Jahreszeiten (Kap. 3) sowie eine etwas ausführlichere Erörterung der Stunden des Tages und der Nacht hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für magische Praktiken (Kap. 4–6). Sollte unser Autor versucht haben, die Ankündigung der Einleitung seiner Quelle dahingehend einzulösen, daß er nun die dort lediglich vorausgesetzte Erklärung der Jahreszeiten aus der „Elementarstruktur“ der Welt selbst nachträgt? Gemessen an der Form, in der uns der Text greifbar ist, wird man hier über Vermutungen nicht hinauskommen. Wesentlich ist im vorliegenden Zusammenhang ja lediglich so viel, daß wir in der Tat keinen triftigen Grund haben, die Ursprünglichkeit der von der arabischen Übersetzung präsentierten Makrostruktur des Texts zu bezweifeln: Es wird also tatsächlich dieser Stomathalassa-Text gewesen sein, der um die Mitte des sechsten Jahrhunderts dem Ps.-Dionysius vorgelegen hat. Somit werden wir auch die Selbstdatierung des Textes im sechsten Gebot sowohl ernst nehmen dürfen also auch näher spezifizieren können: Wenn der Autor behauptet, daß die Welt bereits 6000 Jahre alt sei,¹⁸⁴ wird er die gängige Datierung der Weltschöpfung auf das Jahr 5500 v. Chr. voraussetzen¹⁸⁵ und somit aller Wahrscheinlichkeit nach um das Jahr 500 schreiben.
4.5.2 Zur Kosmographie des Stomathalassa und Ps.-Dionysius Der in unserem Zusammenhang interessanteste Aspekt der Kosmographie des Stomathalassa ist ihr gänzlich „unantiochenischer“ Charakter. Zunächst geht er von einer Rotation des Himmels aus, wobei weder Gestalt noch Rhythmus und Geschwindigkeit dieser Rotation völlig klar werden will. Die Sternbilder scheinen nämlich keineswegs alle am Himmel befestigt zu sein. Lediglich die Plejaden und Hyaden seien „am Gefäß des Firmaments aufgehängt, welches sich beständig dreht“,¹⁸⁶ wogegen sich der Orion frei bewege: Im Sommer soll sein Nichterscheinen dafür verantwortlich sein, daß die Pforte der unterirdischen (!) Winde geschlossen bleibt, das unterirdische Feuer somit nicht angefacht werden kann und der Boden kühler bleibt. „Im Winter aber, wenn Hitze notwendig ist, welche sich von unten ausbreitet, erhebt sich der Orion aus dieser Tür des Windes und nimmt diesen Lauf der Umkreisung, auch weil dies Gefäß des Himmels keinesfalls umkehrt, sondern rotiert. Damit es aber nicht umkehrt, während es rotiert, und der gesamte Lauf seines Umkreises nicht stoppt und sich eine Verwirrung unter den Gestirnen ergibt, weicht Orion zu seiner rechten Seite aus, damit es nicht, sobald er bei der
183 Patrologia syriaca, Bd. I/2, hg. R. Graffin (Paris 1907), 1372 f. 184 „Stomathalassa“, 515. 185 Vgl. W. Brandes, „Anastasios ὁ δίκορος: Endzeiterwartung und Kaiserkritik in Byzanz um 500 n. Chr.“, Byzantinische Zeitschrift 50 (1997), (24–63) 25–32. 186 „Stomathalassa“, 522.
190 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors Pforte des Durchgangs der Sonne ankommt, behindert wird, zum Stehen kommt und aufhört, ja sogar die Sonne daran gehindert würde, zu passieren. Wenn nämlich seine Statur aufrecht wäre, würde genau dies geschehen“.¹⁸⁷
Unser Autor stellt sich die Statur des Himmelsjägers also gebückt vor, und zwar deshalb, weil er ansonsten bei seinem Erscheinen am östlichen Himmel zum Herbstanfang die Sonne in ihrem Lauf blockieren könnte, wenn sie anscheinend durch ein Tor in diesem rotierenden Firmament den Himmel betritt. Wir hätten somit wohl mit einer Himmelskugel zu rechnen, welche im Wesentlichen von den Fixsternen besetzt im Jahresrhythmus um die Erde rotiert, was mit dem oben beschriebenen Schichtenmodell, welches ja klar auf linear-vertikale Fundierung der Erde angelegt ist,¹⁸⁸ allerdings schwer vereinbar scheint. Auch die genaue Vorstellung von Natur und Funktion der Himmelstüren verursacht einige Probleme. Nach dem zehnten Gebot soll es davon ähnlich wie im astronomischen Henochbuch zwölf geben, welche die Sonne jedoch allem Anschein nach täglich alle durchläuft und dabei unterschiedliche Omina produziert, in dem sie sich zu verschiedenen Tageszeiten (teilweise) in ihnen verbirgt und wieder erleuchtet wird.¹⁸⁹ Daß die Sonne durch diese Tore auf und untergeht, wird hier nicht gesagt, und das zwölfte Gebot stellt eindeutig fest, daß die Sonne „mit einem großen und furchtbaren Klang“¹⁹⁰ im Okeanos verschwindet und unterirdisch wieder an ihren Aufgangspunkt zurückkehrt. Dies wird allerdings nur in dem lediglich im Vaticanus syriacus 217 bezeugten Teil des Schlusses auf folgende Weise mit der Konzeption von Himmelstoren in Einklang gebracht: „Die Sonne ist nämlich wie ein Schiff auf der Oberfläche des Wassers, welches das unterirdische Meer ist, und sobald sie beim Firmament von Osten ankommt, wartet ihre Scheibe in diesen Wassern, bis dieses Gefäß des Himmels rotiert ist. Und sobald es seinen Umkreis vollendet hat, tut sich dieses Tor des Lichts auf. Und sobald die Sonne das Rad ihres Laufs zurückgelegt hat, durchquert ihre Scheibe das Tor des Lichts, und Sonne und Licht laufen nach dem Schritt der Winde“.¹⁹¹
187 „Stomathalassa“, 522. 188 Vgl. o. Anm. 170 f. Zum Hintergrund vgl. o. Kap. 1 Anm. 28–30. 189 Der syrische Text („Stomathalassa“, 519 f.) wäre zu übersetzen: „Höre, mein Sohn Theon, die Sonne, wie wir bezüglich ihrer herausgefunden haben in ihrem kreisförmigen Kurs und durch die Weisheit der Philosophen gefunden haben, befindet sich im Maß der Erde und ist wie die große Trockenfläche, und nach zwölf Rädern/Graden läuft das Rad ihres Umlaufs, und zwölf Tore öffnen sich vor ihr. Und wenn sie sich verfinstert, sobald sie vom Osten aufsteigt, sieh, ob sie das erste Tor durchschritten hat oder nicht. Wenn sie aber ganz zu sehen ist, befindet sich ihr Rad außerhalb dieser ersten Tür. Wenn ihr Rad aber dunkelrot wie Blut ist, werden darin (?) die Winde und Stürme des unteren Meeres aufgewühlt, und bis sie an jenem zweiten Tor angelangt, leuchtet ihre Sphäre nicht. Wenn sich aber, sobald sie aufgeht, die Hälfte ihres Rades verfinstert und (dabei) eine lange Zeit vergeht und sie dann erst aufsteigt, ist ihr Rad zwischen den beiden Toren eingequetscht, und es wird an diesem Tag einen großen Wirbelsturm geben, weil der Sturm, der Kurduliun genannt wird, losgelassen ist.“ 190 In der dritten Baruchapokalypse donnerte es bei Sonnenaufgang, als die Engel die Himmelstore aufstießen. Zu ähnlichen solaren Geräuschen vgl. Kulik, 3 Baruch, 255. 191 „Stomathalassa“, 523.
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 191
Wenn die Sonne im Okeanos untergeht und dann in den unterirdischen Wassern warten muß, bis das Tor in der Himmelskugel zu ihrem Aufgangspunkt rotiert, ergibt sich erstens das Problem, daß wir – wenn wir nicht deutlich mehr Tore voraussetzen wollen, als die zwölf im Text erwähnten – eine tägliche Rotation der Himmelskugel annehmen müßten, und zweitens, daß sich dies in irgendeiner Form zwischen dem die Erdoberfläche abschließenden Okeanos, in den die Sonne versinkt, und den unteren Wassern, aus denen sie wieder in die Himmelskugel eintritt, abspielen müßte. Dieses Problem dürfte so zu lösen sein, daß die Tore nicht wirklich Eingänge in das Himmelsgewölbe sind, sondern vielmehr Stationen, die die Sonne innerhalb des Himmels durchläuft, stehen sie doch der bereits erwähnten Beschreibung von Gebot 10 zufolge schlicht für die zwölf Stunden des Tages. Darüber hinaus müssen diese Stationen jedoch auch, vielleicht im Sinne der „Heizluken“ des astronomischen Henochbuchs, für unterschiedliche Helligkeiten der Sonne sorgen, wie aus folgender Abweisung der Möglichkeit einer Begegnung von Sonne und Mond am Himmel hervorgeht: „Durch ihr häufiges Gegenüberstehen ergibt sich, daß, wenn der Mond voll ist und eben jene Vorratsspeicher des Mondes offen sind, einer am andern und wiederum beide gerade gegenüber der Sonne, und sobald sich aber die Scheibe der Sonne erhebt aus dem Osten, diese Winde der beiden Vorratskammern, die dem Mond dienen, der Sonne entgegen blasen und der Mond voll ist. Und durch das Gegenüberstehen der beiden und das Blasen der Winde wird das Licht der Sonne abgelenkt, bis der Mond untergeht. Wenn aber alle Tore der Sonne offen sind und der Mond voll war am Tag bevor die Sonne den Mond gesehen hat, laufen die Strahlen der Sonne und betreten jene Tore des Mondes, die geöffnet sind und überwältigen den Mond. Dadurch verfinstert sich der Mond völlig für diejenige Zeitspanne, die vergangen war, seit ihn die Sonne überwältigt hatte, und dann geht er unter. So nämlich erhält gewöhnlich einer vom anderen das Licht“.¹⁹²
Bei dieser in den Details nicht ganz deutlichen Beschreibung gewisser Oppositionsphänomene von Sonne und Mond am Morgenhimmel (nach Sonnenauf- und vor Monduntergang) wird – neben der Rolle der Tore für die Helligkeit der Sonne – mindestens noch so viel deutlich, daß der Mond selbständig leuchtet (den Hinweis auf den scheinbaren Lichtaustausch der beiden untereinander ist vielleicht als Spitze gegen den Heliophotismus zu lesen), und daß der Wind für den Lauf dieser Gestirne eine eminente Rolle spielt. Dies wird auch aus der Beschreibung der Mondfinsternisse zu Beginn von Gebot 12 ersichtlich, wo der Mond zunächst als selbstleuchtender Herr über Wind und Tau eingeführt wird, andererseits aber auch (wie die Sonne) von ihnen angetrieben und manipuliert werden soll: „Und zu der Zeit, wenn die Vorratsspeicher der Winde sich öffnen, erheben die Elemente der oberen Mischung, wenn sie seine Scheibe in Fülle vorfinden, den Mond und senken ihn, bis daß er wie Blut wird und allen Menschen so erscheint, als wäre er gänzlich blockiert. So setzten die Winde seiner Scheibe zu, bis daß er in die Tür des Vorratsspeichers hinübergeht, die vor ihm
192 „Stomathalassa“, 523.
192 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors geöffnet wurde. Wenn sich seine perfekte Scheibe nämlich nicht in ihrer Fülle befindet, können die Winde sein Licht nicht verdunkeln“.¹⁹³
Genau an diesem Punkt, der Windsteuerung der Gestirne, setzt Ps.-Dionysius ein und führt ihn unter Rückgriff auf Ephraem und vielleicht auch die jüdisch-apokalyptische Tradition detaillierter aus: Wie im astronomischen Henochbuch kontrolliert der Mond nun zwölf Vorratsspeicher,¹⁹⁴ welche jedoch nicht nur die meteorologischen Phänomene enthalten, sondern als „Geburtsorte“¹⁹⁵ des Mondes fungieren, so daß der Ausgang des Mondes aus dem jeweiligen Magazin das Wetter dementsprechend steuert.¹⁹⁶ Wie bei Ephraem wurde er als Vollmond geschaffen und ursprünglich nicht von der Sonne dominiert.¹⁹⁷ Erst der Wechsel seines Aufgangsortes führte zu wechselseitiger Dominanz, Mondphasen und Varianz in Länge (?) und Klima der Tage, weil der Mond „der Schlüssel für alle Vorratsspeicher des Windes“ ist.¹⁹⁸ Der Sonnenwagen hingegen durchquert täglich seine zwölf Tore, wie in der Henochtradition von Winden getragen,¹⁹⁹ wobei es hier die vier irdischen sein müssen, welche die Geschwindigkeit des Wagens moderieren und vor der Hitze des oberen, ätherischen Windes schützen,²⁰⁰ welcher auch die Sonne erhitzt.²⁰¹ Anläßlich der im Folgenden aus Stomathalassa vorgetragenen Schichtenkosmographie ließe sich allerdings vermuten, daß Ps.-Dionysius sie genau deswegen modifiziert, um die angezeigten Schwierigkeiten beim Postulat einer mit Toren versehenen Himmelskugel in diesem Modell zu vermeiden. Sicherlich läßt er die Sonne nicht mehr im Okeanos untergehen und über das unterirdische Meer fahren, weil sie für ihn durch eine östliche Himmelstür ein- und durch eine westliche wieder austritt.²⁰² Vielleicht hielt er das Firmament, an dem für ihn unmißverständlich alle Fixsterne befestigt sind,²⁰³ nicht für eine rotierende Kugel, sondern eine rotierende Kuppel, welche sich sukzessive hinter dem wiederholt erwähnten Nordgebirge verbirgt, welches unbewohnt sein und direkt am die gesamte Welt undurchdringlich wie eine Mauer umschließenden Okeanos liegen soll.²⁰⁴ An dieser Stelle begegnet die einzige konkretere Konvergenz mit der antiochenischen Tradition, nämlich die Charakterisierung des jenseits des Okeanos
193 „Stomathalassa“, 521. 194 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 76. 195 Ähnlich spricht Jakob von Sarug vom Geborenwerden und Wachsen des Mondes (Anm. 66). 196 Computus 1 (hg. Kugener, 146). 197 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 65. Zur ursprünglichen Gleichwertigkeit von Sonne und Mond vgl. o. Kap. 1 Anm. 79. 198 Computus 1 (hg. Kugener, 147 f.). 199 Vgl. o. bei Kap. 1 Anm. 77 und 95. 200 Eine ähnliche Rolle hatte im 3. Baruch der Vogel Phönix übernommen (vgl. Kulik, 3 Baruch, 248 f.). 201 Computus 2 (hg. Kugener, 149 f.). 202 Computus 1 f. (hg. Kugener, 148 f.). 203 Computus 4 (hg. Kugener, 156). 204 Computus 3 (hg. Kugener, 154).
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 193
lozierten Paradieses als Aufenthaltsort der gerechten Seelen im Zwischenzustand.²⁰⁵ Daß die Wasser aus diesem Okeanos noch in ein „wüstes und wanderndes Meer“ abfließen,²⁰⁶ welches wohl die Ableitungsfunktion einnimmt, welche im dritten Baruch die Schlange eingenommen hatte,²⁰⁷ wird nicht von Stomathalassa übernommen, obwohl sich auch Ps.-Dionysius gegen einen geschlossenen irdischen Wasserkreislauf ausspricht und die Wolken, ähnlich wie manche Rabbinen, ihr (süßes) Regenwasser nicht aus dem Meer schöpfen lassen will.²⁰⁸ Bei Stomathalassa wie bei Ps.-Dionysius stehen also zunächst einer Fülle von Parallelen zur „vorantiochenischen“ nichtsphärischen Kosmographie (Henoch-Tradition, Rabbinen, Ephraem) so gut wie keine echten Berührungspunkte zum spezifisch antiochenischen Modell gegenüber: Die Erde ist nicht im Nichts aufgehängt, sondern ruht auf drei Schichten, der Himmel steht nicht still, sondern rotiert mit tatsächlich an ihm angehefteten Fixsternen, Sonne, Mond und Planeten werden nicht von Engeln, sondern Winden bewegt, der Raum über dem Firmament und die oberen Wasser bleiben gänzlich unthematisiert. Zwar finden sich bei mindestens bei Ps.-Dionysius einige deutliche Anleihen an die Tradition der Genesisexegese und auch Stomathalassa kann gerade in seinen weisheitlichen Ermahnungen seine Abhängigkeit von der Bibel nicht verleugnen, doch frappieren die kosmologischen Konzeptionen beider gerade im Vergleich zu Kosmas durch die Abwesenheit jegliches göttlichen oder englischen Agens. Wir haben es also nicht nur mit dezidiert unantiochenischen, sondern auch untheologischen Konzeptionen von Kosmologie zu tun, welche ihre Entstehung einem deutlich anderen Umfeld, etwa astronomisch-astrologischen Diskursen verdankt.
4.5.3 Die Atalya-Theorie Demselben Umfeld verdankt sich eine Theorie, die ebenfalls erstmals zu Beginn des sechsten Jahrhunderts im syrisch-sprachigen Raum auftaucht und auf den ersten Blick ebenfalls einer archaisch-antisphärischen Kosmographie zu entstammen scheint: Ein fälschlicherweise Severus v. Sebokht zugeschriebenes, fragmentarisch erhaltenes astronomisches Handbuch dieser Periode²⁰⁹ widerlegt die Theorie, daß Sonnen- und Mondfinsternisse nicht etwa durch den Erdschatten, sondern durch Kopf und Schwanz des Himmelsdrachens Atalya entstehen – ein ursprünglich wohl indoiranisches Motiv, welches durch syroarabische Vermittlung auch in die byzantinische Astrologie Einzug 205 Computus 3 (hg. Kugener, 155). Vgl. o. Kap. 3 Anm. 408. 206 „Stomathalassa“, 523. Die abweichende Lesart der arabischen Übersetzung („wüstes Land“) könnte zwar an die Narratio Zosimi erinnern (vgl. o. Kap. 1 Anm. 122), scheint mir aber im Kontext bei Stomathalassa wenig Sinn zu ergeben. 207 Vgl. Kulik, 3 Baruch, 168–71. 208 Computus 4 (hg. Kugener, 156). Zu den jüdischen Parallelen Kulik, 3 Baruch, 299–302. 209 Einleitung, Edition und Übersetzung bei Villey, Textes astronomiques, 151–89.
194 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors hielt.²¹⁰ In der Form, in der besagtes Handbuch die Konzeption widerlegt, scheint sie ihre archaistischen Eierschalen allerdings bereits komplett abgeworfen zu haben: Sowohl der Heliophotismus des Mondes als auch die Kreisbahn von Sonne und Mond scheinen hier vorausgesetzt, und es geht nur noch um die Tatsache, warum nicht bei jedem Vollmond auch die Erde ihren Schatten auf den Mond wirft und Mondfinsternisse eintreten. Daß sich der volle Mond bei direkter Opposition zur Sonne dennoch relativ plötzlich verfinstert, scheint nur durch das Dazwischentreten eines weiteren Körpers, des „Kopfes und Schwanzes Atalyas“ erklärbar.²¹¹ Auch nach der gegnerischen Konzeption ist die Erde hier also relativ klar sphärisch, da ihr Schatten anscheinend zwar die Mondphasen verursacht, nicht jedoch die Mondfinsternisse. Dasselbe wird auch für eine etwa hundert Jahre jüngere, aus dem Umfeld des Severus von Sebokht stammende Widerlegung der Atalya-Theorie²¹² zutreffen: Hier wird die Lage Atalyas am Himmelsglobus relativ genau beschrieben. Die Figur verbindet die beiden Mondknoten, die Schnittpunkte der Umlaufbahn des Mondes mit der Ekliptik, an welchen sich der Mond in der Tat befinden muß, wenn Mondfinsternisse entstehen sollen, und loziert „Kopf“ und „Schwanz“ Atalyas jeweils am absteigenden und aufsteigenden Knoten.²¹³ In der Form, in der die Astronomen sie widerlegen, eignet sich die Theorie also nicht als Element antisphärischer Kosmographie, sondern bietet lediglich eine alternative Interpretation sphärischer Astronomie mit nichtgriechischer mythologischer Färbung. Daß die Theorie sich dennoch in einem primitiveren Stadium auch mit antisphärischer Kosmographie verbinden konnte, zeigt eine kurze kosmographische Skizze des neunten Jahrhunderts, wohl wiederum nestorianischer Provenienz: „Der Mond wiederum scheint uns zu wachsen und abzunehmen, und dies obwohl es in seiner Natur liegt, daß seine Kugel weder zunimmt noch abnimmt in irgendeiner Hinsicht, weil ihm Gott eine Frist bis zu seiner Vollendung gesetzt hat. Vielmehr ist es der Engel, der ihn lenkt, der seine Scheibe vor unseren Augen verdeckt, so daß er klein erscheint. Und genau dann, wenn sie sehen,
210 Vgl. A. Pirtea, „Is There an Eclipse Dragon in Manichaeism? Some Problems Concerning the Origin and Function of atalya in Manichaean Sources“, in Zur lichten Heimat. Studien zu Manichäismus, Iranistik und Zentralasienkunde im Gedenken an Werner Sundermann (hg. Team Turfanforschung; Wiesbaden 2017), (535–54) 537–43. Pirteas Skepsis, daß der Begriff Atalya bereits bei den Syrern einen Drachen bezeichne, scheint mit nicht haltbar angesichts der Tatsache, daß der früheste Zeuge bereits von „Kopf und Schwanz“ Atalyas spricht. Zur Rezeption in Byzanz vgl. ders., „From Lunar Nodes to Eclipse Dragons: The Fundaments of the Chaldean Art (CCAG V/2, 131–140) and the Reception of Arabo-Persian Astrology in Byzantium“, in Théories de la divination dans l’Antiquité tardive et à Byzance (hg. P. Magdalino/A. Timotin; Genf 2019), 339–65. 211 Villey, Textes astronomiques, 167.170. 212 Zu Text und Datierung Villey, Textes astronomiques, 359–62. Hier wird der Text – unter Vorbehalt – dem Ende des sechsten Jahrhunderts zugeordnet. 213 Text und Übersetzung bei F. Nau, „Cosmographie au VIIe siècle chez les Syriens“, Revue de l’Orient Chrétien 5 (1910), (225–54) 253 f.
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 195
daß Atalya, wie Menschen es nennen, ihn verschlingt, ist es der Engel, der ihn lenkt, der ihn uns so zeigt, damit wir uns vor Gott fürchten und seinen Namen bekennen“.²¹⁴
Hier trifft nestorianische Theologie in der Tradition des Kosmas auf den der astronomischen Alternativtheorie zugrundeliegenden populären Aberglauben: Nicht der Himmelsdrache Atalya verschlingt den Mond, sondern sein Leitengel verdeckt ihn, um uns Gottesfurcht zu lehren!
4.5.4 Zum Antihellenismus der Syrer Damit scheint jedoch mindestens im sechsten Jahrhundert eine populärwissenschaftliche syrische Opposition gegen die Kosmographie der Griechen letztlich nur an einem einzigen Punkt, dem Stomathalassa-Dossier greifbar zu sein, was als Indiz für eine gemeinsyrische oder gar gemeinorientalische antihellenische Bewegung wohl kaum genügt. Auch die im sechsten Jahrhundert einsetzende (west-)syrische Rezeption ptolemäischer Astronomie läßt nicht erkennen, daß sie auf fundamentale Widerstände gestoßen wäre. Belastbare Indizien dafür gibt es erst im siebten Jahrhundert, aus derselben Epoche, in der nachweislich auch die (west-)syrische Reflexion auf die eigene, nichtgriechische Identität und Kultur einsetzt: Sowohl Severus von Sebokht als auch sein berühmtester Student, Jakob v. Edessa, müssen sich mit „Brüdern, die die Griechen beneideten und hassten“ auseinandersetzen,²¹⁵ welche Severus in der Einleitung zu seinem Traktat über die Konstellationen relativ kurz abfertigt, wenn er dazu aufruft, sich um die (griechische) Wissenschaft zu bemühen, „obgleich es so viele gibt, deren Mund aufgesperrt ist, und scharf die Zunge derer ist, die dagegen sind“.²¹⁶ Beide ließen den implizierten Vorwurf, bei dieser wissenschaftlichen Betätigung ihre eigene, syrische Kultur zu verraten, jedoch nicht auf sich sitzen und nahmen Zuflucht zu der kulturhistorischen Konstruktion, wonach die Babylonier, also die Syrer als eigentliche Erfinder der Astronomie und Lehrmeister der Griechen zu gelten hätten. Severus widmet diesem Thema einen eigenen, im Jahr 662 an einen Priester Basilius gerichteten Brief, und verweist auf Ptolemäus zugestandene Abhängigkeit von babylonischen Daten, sowie den von der kompletten christlich-apologetischen Tradition ja immer wieder gern bemühten „Orientalismus“ der Griechen (Tim 22b).²¹⁷ Letztlich 214 F. Nau, „La cosmographie de Jésus fils de Noun (IXe siècle)“, Revue de l’Orient Chrétien 27 (1929/30), (126–39) 131. 215 Michael Syrus, Chronicon XI,15 (hg. J.-B. Chabot, Chronique de Michel le Syrien, Bd. 3 [Paris 1905], 446). 216 Text und Übersetzung bei F. Nau, „Le traité sur les constellations écrit en 661 (660), par Sévère Séhokt, évêque de Qennesrin“, Revue de l’Orient Chrétien 27 (1929/30), (327–410) 330. 217 Text und Übersetzung bei E. Reich, „Ein Brief des Severus Sebokt“, in Sic itur ad astra. Studien zur Geschichte der Mathematik und Naturwissenschaften (hg. M. Folkerts/R. Lorch; Wiesbaden 2000), (478–89) 479 f.
196 | 4 Nichtsphärische Kosmographie außerhalb der Schule Diodors jedoch sei Wissenschaft nicht eine Sache der Sprache, sondern der Sacheinsicht, womit sich zunächst die Überheblichkeit von griechischer Seite, aber, so wird man ergänzen dürfen, auch die Borniertheit von syrischer Seite verbiete.²¹⁸ Die Reflexionen des Jakob von Edessa zur kulturellen Identität der Syrer, wie sie uns in dem „Syrienexkurs“ in der Chronik Michaels des Großen bewahrt sind,²¹⁹ gehen sogar noch tiefer und bieten eine Erklärung für das zeitweilige Untergehen wissenschaftlicher Kultur und Literatur bei den Syrern: Es war lediglich die übersteigerte Frömmigkeit der ersten Syrer, die sie dazu brachte, gleichsam das Kind mit dem Bade auszuschütten und ihre wissenschaftliche, besonders historische literarische Tradition aufgrund der darin enthaltenen Reminiszenzen an den eigenen Paganismus zu vernichten.²²⁰ Dies erinnert nun aber ganz eklatant an das, was wir schon ein gutes Jahrhundert früher bei Kosmas aus dem Munde Mar Abas vernehmen.²²¹ Dort wurden die Syrer ja ebenfalls als Nachfahren der Babylonier und die Griechen als von diesen durchgehend kulturell abhängig angesehen, doch war in den Augen der Ostsyrer die Astronomie offensichtlich so unlöslich mit der irrigen sphärischen Anschauung verbunden, daß die Babylonier zusammen mit der Erfindung der Disziplin irrigerweise auch gleich auf diese verfallen sein sollen (Topographia VIII,19 f.; XII,11). Zurecht gebracht wurden sie dann erst durch den Propheten Jesaja, der dann z. B. vom Perserkönig Kyros intensiv gelesen (VIII,21–23) und auf diese Weise diejenige orientalische Tradition der Kosmographie inauguriert hat, aus der Kosmas noch in seinen Tagen schöpfen kann. Anders als Jakob muß Kosmas bzw. seine ostsyrischen Gewährsleute die Wahrheit ja nicht aus Griechenland reimportieren, sondern lediglich erklären, wie die Griechen trotz Abhängigkeit von den eigenen Vorfahren so in die Irre gegangen sein können. Dies alles läßt sicher auf keine antihellenische Bewegung mit einem auch nur halbwegs fest umrissenen Programm schließen, wohl aber auf eine antihellenische Stimmung, die wohl vom Osten her ins Reichsgebiet eindrang und im sich Kontext der Entstehung der unterschiedlichen Ethniekirchen im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts sowohl in Form von Ablehnung der griechischen Wissenschaft im Namen autochthoner Traditionen, als auch im Gegenzug in Form von Vindikation griechischer Errungenschaften für deren ursprüngliche Heimat, den Orient, äußern konnte. Daß dabei in der erhaltenen Literatur der Ostsyrer ersteres, in der der Westsyrern hingegen letzteres Modell dominant erscheint, bedeutet natürlich, wie an Severus’ und Jakobs Gegnern gesehen, keineswegs eine eindeutige Frontstellung entlang besagter konfes-
218 Reich, „Severus“, 480 f. 219 Chronicon Appendix 2 (hg. Chabot IV, 748–51). Dazu: D. Weltecke, „Michael the Syrian and Syriac Orthodox Identity“, Church History and religious Culture 89 (2009), 115–25. Zur Quellenkritik vgl. L. van Rompay, „Jacob of Edessa and the early history of Edessa“, in After Bardaisan. Studies on Continuity and Change in Syriac Christianity in Honour of Professor Han J. W. Drijvers (hg. G. Reinink; Leuven 1999), 269–85. 220 Hg. Chabot III, 750. 221 Vgl. o. bei Anm. 5.
4.5 Syrische Populärwissenschaft | 197
sioneller Linie. Gegen Villey scheint es mir auch nicht primär auf unterschiedliche exegetische Methoden, also etwa eine postulierte Prävalenz der Allegorese unter den Westsyrern, rückführbar zu sein.²²² Vielmehr scheint mir für die Ostsyrer die Kombination von autochthoner, syropersischer kosmographischer Tradition (Schule von Edessa) mit der Autorität des Interpreten Theodor entscheidend zu sein, wogegen für die Westsyrer im Zweifelsfalls die Verbindung ersterer mit besagter antihellenischer Grundstimmung genügte. Die theologische Kritik am sphärischen Weltbild würde damit nur als Katalysator einer anderweitig bereits vorhandenen gesellschaftlichen Stimmung oder kulturellen Tradition verfangen – ein Ergebnis, dessen Ausweitbarkeit auf den gesamten hier in Rede stehenden Zeitraum, im Wesentlichen das vierte bis sechste Jahrhundert, abschließend noch näher zu untersuchen ist.
222 „Syriac astronomical texts“, 225 f.
5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition Hinsichtlich der theologische Entwicklung im Osten des Reiches konnte bislang festgestellt werden, daß die theologische Kritik an der sphärischen Kosmographie zwar um 400 für einige Jahrzehnte zu einer eigentlich alle theologischen Lager berührenden Mode wurde, jedoch auf lange Sicht nur die Konzeption Theodors in der Lage gewesen zu sein scheint, hauptsächlich durch ihre christologisch wie eschatologisch verankerte Habitatkonzeption diesen theologischen Widerstand am Leben zu erhalten: Eigentlich überall, wo wir nach 450 auf genuin theologisch motivierten Widerstand gegen die sphärische Kosmographie treffen, ist antiochenischer Einfluß nachzuweisen, selbst bei Monophysiten oder Henotikern, wie Jakob v. Sarug, Ps.-Caesarius oder Ps.-Elishe. Daneben gab es aber auch, wie besonders das Stomathalassa-Dossier vor Augen führt, eine nicht theologisch motivierte, primär auf autochthoner Tradition fußende Opposition gegen das sphärische Weltbild, welche, wie besonders Jakobs Kombination von Theodor und Ephraem zeigt, den weitergehenden Einfluß der kosmographischen Konzeption des ersteren überhaupt erst möglich gemacht zu haben scheint. Nur deswegen, weil das altorientalische Weltbild im kulturellen Gedächtnis der Syrer, Perser und Armenier immer noch verankert war, konnten sie darauf verfallen, die einschlägigen biblischen Passagen in ihrer metaphorischen Zweideutigkeit in (mehr oder weniger) demjenigen Licht zu lesen, in dem sie ursprünglich verfaßt waren, und auf Konfrontation zum kulturellen Konsens der griechisch-römischen Welt zu gehen.
5.1 Das Gegenbeispiel des Westens Näher überprüft und gefestigt werden kann eine solche These nun zum Beispiel dadurch, daß man sich die Entwicklung des lateinischen Westens näher betrachtet, wo besagte autochthone Tradition nicht existierte und das kulturelle Gedächtnis kaum hinter das Aufsaugen der griechischen Kultur im republikanischen und kaiserzeitlichen Rom zurückreichte. Daß sich hier die archaische Kosmographie anscheinend, von einigen deutlich östlich beeinflussten Ausnahmen abgesehen, niemals wirklich festsetzen konnte, lassen die umfangreichen Materialsammlungen von Krüger, Schleicher und Inglebert,¹ zwar für sich schon hinreichend deutlich werden, doch dürfte deren kritische Sichtung nicht nur für die eine oder andere Richtigstellung vonnöten 1 Welt ohne Amerika II, 193-III, 100; Cosmographia, 267–381; Interpretatio christiana, 29–91. Die Tabelle ebd., 41 ist allerdings gelinde gesagt unzuverlässig: Wo Inglebert in dem Prosper zugeschriebenen De providentia ein sphärisches Weltbild finden will, ist mir ebenso wenig nachvollziehbar wie die Zuschreibung eines solchen an Prudentius und Salvian lediglich aufgrund der Notiz bei Gennadius, daß beide ein (verlorenes) Hexaemeron nach griechischem Muster verfaßt hätten (ebd., 38 Anm. 51). https://doi.org/10.1515/9783110750027-005
5.1 Das Gegenbeispiel des Westens
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sein, sondern auch, um an ausgewählten Beispielen noch einmal konkret vor Augen zu führen, wie anders sich die Situation im Westen darstellte, eben weil die besagte autochthone Tradition fehlte. Für die „Anlaufzeit“ der Debatte bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts läßt sich zunächst für Irenäus,² Hippolyt,³ Arnobius,⁴ Firmicus Maternus⁵ und Hilarius⁶ sicher ein sphärisches Weltbild belegen, die Gegenanzeige Laktanz ist, wie bereits gesehen, durch Theophilus beeinflußt.⁷ Wenn Marius Victorinus etwa gleichzeitig mit Hilarius in seinem Kommentar zu Ciceros Rhetorik bemerkt, daß „viele behaupten, die Welt sei wie eine Kugel zusammengeballt, viele, sie sei elliptisch geformt, viele, sie sei von flacher Oberfläche, viele, sie sei quadratisch, viele, sie sei nach Art eines Gewölbes, so daß nämlich das Aussehen der Welt unter der Erde nicht genauso ist, wie oberhalb“,⁸ so gibt er sicher keinen repräsentativen Querschnitt zu seiner Zeit tatsächlich vertretener Ansichten, sondern nennt primär rhetorische Argumentationsmöglichkeiten angelehnt an die Tradition der Doxographie. Gerade angesichts dessen muß jedoch auffallen,⁹ daß er zu einer Zeit, als er sich noch nicht offen zum Christentum bekennt,¹⁰ auch noch die allem Anschein nach durch Jes 40,22 inspirierte „Gewölbe“-Option erwähnt, also in irgendeiner Form mit christlichen Antisphärikern bekannt zu sein scheint. Blicken wir dagegen auf die lateinische Theologie der theodosianischen Zeit, setzt sich besagter Trend zum Sphärizismus ganz deutlich fort: Besonders die zwischen 386 und 390 abgefaßten Hexaemeronhomilien des Ambrosius, zunächst ja nichts weiter als eine Bearbeitung der Homilien des Basilius, zeigen ganz deutlich, daß der Bischof von Mailand im Gegensatz zu seinem Kollegen aus Kappadozien¹¹ die Kugelgestalt der Welt als in seinem Umkreis unhinterfragtes Allgemeinwissen voraussetzt:¹² Wo Basilius 2 Epideixis 9 (PO 12, 666). 3 Refutatio IV, 8,6–10,4 (PTS 25, 101–3). 4 Adv. Nationes II, 58 (hg. C. Marchesi, Arnobii adversus nationes libri VII [Turin 1953], 132 f.). 5 De errore 3,5; 24,2 (hg. R. Turcan, L’erreur des religions paiennes [Paris 1982], 83.132). 6 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 31. 7 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 12. 8 In Ciceronis rhetorica I,8 (hg. T. Riesenweber, Commenta in Ciceronis rhetorica, Bd. 1 [Berlin 2015], 31): Multi enim dicunt mundum in modum sphaerae esse collectum, multi oblonga rotunditate esse formatum, multi plana facie, multi quadrata, multi in camerae modum, scilicet ut sub terra non sit similis, ac supra caput est, mundi facies. 9 Vgl. die Pallele bei Grillius, In Ciceronis rhetorica I,8 (hg. R. Jakobi, Commentum in Ciceronis rhetorica [München/Leipzig 2002], 47): Quae sit mundi forma? Hic physicam tangit. Mundum plerique sphaeroiden dicunt, quos Horatius secutus ait: Animo que rotundum percurrisse polum; alii tetragonum, unde aiunt quattuor esse mundi cardines. 10 Zu den christlichen Elementen im Rhetorikkommentar vgl. F. Zacher, „Hidden truth? Philosophy and Rhetoric in the Commenta in Ciceronis rhetorica“, in Marius Victorinus: Pagan Rhetor, Platonist Philosopher (hg. S. Cooper u. a.; Atlanta 2020) (im Druck). 11 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 40–45. 12 Schleicher, Cosmographia, 303.
200 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition seine Hörer anläßlich der Frage nach der Gestalt des Himmels schlicht mit Jes 40,22 abspeist,¹³ folgt bei Ambrosius wie selbstverständlich die Erklärung: „weil im Umkreis des (sphärischen) Himmels alles enthalten ist, was sich im Himmel und auf Erden abspielt“.¹⁴ Damit ist die bei Basilius im Folgenden ja erst hergeleitete Zentralstellung der Erde selbstverständlich vorgegeben und wird niemals ernstlich in Frage gestellt, auch wenn sich Ambrosius nicht auf die von Basilius favorisierte Theorie von der natürlichen Zentralstellung festlegen will, sondern alles der Macht des Schöpfers zuschreibt.¹⁵ Basilius Warnung, von der Kreisförmigkeit der Gestirnsbewegung auf deren Ewigkeit zu schließen, wird bei Ambrosius dementsprechend wieder ganz selbstverständlich auf die kreisförmige Welt übertragen,¹⁶ und der vom großen Kappadozier zu Beginn der Auslegung des sechsten Tage ausgesprochene umfassende Relativismus hinsichtlich aller möglichen naturphilosophischen Theorien zur Form der Erde schrumpft auf die Skepsis hinsichtlich der genauen Bestimmung ihres Umfangs zusammen.¹⁷ Obwohl Ambrosius deutlich weniger naturphilosophisch interessiert und wohl auch gebildet ist als sein griechisches Vorbild, hat er bei seinem Publikum nicht auf dieselben Ressentiments Rücksicht zu nehmen und kann die sphärische Gestalt von Erde
13 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 41. 14 Hexaemeron I, 6,21 (CSEL 32/1, 17): Ad speciem quoque eius abundat quod ipse de caeli firmamento locutus est quia fecit deus caelum sicut cameram, quod intra caeli ambitum uniuersa claudantur, quae uel in mari geruntur et terris. quod similiter significatur, cum legitur, quia caelum deus extendit. Extenditur enim uel quasi pellis ad tabernacula, habitationes sanctorum, uel quasi liber, ut plurimorum scribantur nomina, qui Christi gratiam fide et deuotione meruerunt, quibus dicitur: Gaudete quia nomina uestra scripta sunt in caelo. Dementsprechend hat er auch ebd. I, 3,10 (ebd., 9) und in der breit angelegten Attacke auf die Astrologie in IV, 4,14 (ebd., 120–22) mit der Behauptung der Kugelgestalt des Kosmos selbst keinerlei Probleme und kann mit den oberen Wassern nichts rechtes anfangen (II, 3,9; 47). Vgl. Inglebert, Interpretatio christiana, 215 f. 15 Hexaemeron I, 6,22 (CSEL 32/1, 20) vgl. o. Kap. 2 Anm. 44. Zum Vergleich der beiden Passagen vgl. R. Henke, Basilius und Ambrosius über das Sechstagewerk. Eine vergleichende Studie (Basel 2000), 251–60. 16 Hexaemeron I, 3,10 (CSEL 32/1, 9): Cum ergo tot oracula audias, quibus testificatur deus quod fecerit mundum, noli eum sine principio esse credere, quia quasi sphaera mundus esse dicatur, ut principium eius nullum uideatur extare. Et cum intonat, quasi in circuitu omnia commouentur, ut unde incipiat, ubi desinat non facile conprehendas, quia circuitus principium sensu colligere inpossibile habetur. Neque enim sphaerae potes initium repperire uel unde coeperit globus lunae uel ubi desinat menstrua lunae defectione. Neque uero si ipse non conprehendas, idcirco non coepit aut nequaquam desinet. Über das Verhältnis zum Original Henke, Basilius, 155–59. 17 Hexaemeron VI, 2,7 (CSEL 32/1, 208): Quid mihi quaerere quae sit eius [scil. terrae] mensura circuitus, quam geometrae centum octoginta milibus stadiorum aestimauerunt? Libenter fateor me nescire quod nescio, immo scire quod scire nihil proderit. […] Quod inpossibile esse hominibus scriptura demonstrat dicente deo: Quis mensus est manu aquam et caelum palmo et uniuersam terram clausa manu? Quis statuit montes in libra et rupes in statera et nemora in iugo? Et infra: Qui tenet gyrum terrae et habitantes in ea sicut lucustas, qui statuit caelum ut cameram. […] Certe Moyses eruditus erat in omni sapientia Aegyptiorum […]. At non ille putauit dicendum quantum de spatio aeris occupet umbra terrae, cum sol recedit a nobis diem que abducit inferiora axis inluminans, et quemadmodum in regionem mundi huius incidens lunae globus eclipsis faciat, quoniam quae nihil ad nos quasi nihil profutura praeteriit. Zum Original vgl. o. Kap. 2 Anm. 40.
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und Kosmos schlicht voraussetzen, auch wenn er sich dabei ebenso selbstverständlich „archaisierender“ biblischer Gebäudemetaphorik bedient. Betrachtet man sich dagegen, wie Ambrosius’ geistlicher Zögling Augustin in seinem großen Genesiskommentar mit der Frage nach der Gestalt des Himmels umgeht, fühlt man sich zunächst sehr stark an den defensiven Basilius erinnert. Sofort wird der Leser ermahnt, daß der kluge Theologe sich mit einer solchen Debatte, als für das Seelenheil irrelevant, überhaupt nicht beschäftige: „Denn was geht es mich an, ob der Himmel wie eine Kugel von überallher eine mitten in der Weltmasse ausbalancierte Erde einschließt, oder sie von oben herab wie eine Scheibe bedeckt?“¹⁸ Der Fortgang zeigt jedoch, daß die anvisierte Diskussionslage eine deutlich andere ist, als bei Basilius. Augustin geht es um den Aufweis der Tatsache, daß die Schrift nichts weniger im Sinn hat, als Naturwissenschaft zu unterrichten, dabei jedoch an keiner Stelle den naturwissenschaftlich unumstößlich etablierten Tatsachen widerspricht. Zu diesem Zweck entwickelt er eine argumentative Doppelstrategie, indem er sowohl problematische Schriftaussagen auf die Naturwissenschaft hin uminterpretiert, als auch naturwissenschaftliche Thesen im Lichte zuwiderlaufender Schriftaussagen relativiert oder in Frage stellt. Dementsprechend bleibt er an dieser Stelle hypothetisch: Sollte sich die sphärische Gestalt des Himmels als naturwissenschaftlich unumstößliche Tatsache herausstellen, müßten auch Ps 103,2 und Jes 40,22 in diesem Lichte verstanden werden, was ohne weiteres möglich ist, wenn man die „Zeltplane“ erst einmal als rundes „Gewölbe“ und dieses als überirdische Hemisphäre auffaßt.¹⁹ Bei alledem scheint ihm vor allem Ps 103,2 schwer im Magen zu liegen und „ad litteram“ kaum mit einer sphärischen Exegese vereinbar zu sein. Angesichts dessen räumt er die Möglichkeit ein, die sphärische Konzeption sei ein „humanum commentum“, aufgrund der „lästigen und unmäßigen Forderer einer wörtlichen Auslegung“,²⁰ also wahrscheinlich solcher Leute, wie diejenigen „Brüder“, die nach dem nächsten Abschnitt die Bezeichnung des Himmels als Firmament für unvereinbar halten mit dessen augenscheinlicher Rotation um den Himmelspol. Anders als Basilius hat es Augustin also nicht mit einem ver-
18 Gen. ad litteram II,20 (CSEL 28/1, 45 f.). 19 Gen. ad litteram II,21 f. (CSEL 28/1, 46 f.): quid enim tam diuersum et sibimet aduersum quam plana pellis extensio et camerae curua conuexio? quodsi oportet, sicut oportet, haec duo sic intellegere, ut concordare utrumque nec sibimet repugnare inueniatur, ita oportet etiam utrumlibet horum illis non aduersari disputationibus, si eas forte ueras certa ratio declarauerit, quibus docetur caelum sphaerae figura undique esse conuexum, si tamen probatur. et illa quidem apud nos camerae similitudo etiam secundum litteram accepta non inpedit eos qui sphaeram dicunt. bene quippe creditur secundum eam partem, quae super nos est, de caeli figura scriptura loqui uoluisse. 20 Gen. ad litteram II,22 (CSEL 28/1, 47): sed illud, quod de pelle dictum est, magis urget, ne non sphaerae, quod humanum est forte commentum, sed ipsi nostrae camerae aduersum sit. quid autem hinc allegoriae senserim, confessionum nostrarum liber tertius decimus habet. siue igitur ita, ut ibi posui, siue aliquo alio modo intellegendum sit caelum sicut pellis extentum, propter molestos et nimios exactores expositionis ad litteram hoc dico, quod, sicut arbitror, omnium sensibus patet. utrumque enim fortasse, id est et pellis et camera, figurate intellegi potest, utrumque autem ad litteram quomodo possit, uidendum est.
202 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition breiteten Grundsatzressentiment gegen die sphärische Kosmographie verbunden mit einer umfassenderen Gegenkonzeption zu tun, sondern anscheinend nur mit einigen Biblizisten, die auf der Basis einzelner Bibelstellen Einwände konstruieren wie den zitierten, daß der Himmel entweder steht oder sich dreht, und wenn er sich dreht, dann entweder wie eine Scheibe um den sichtbaren oder wie eine Kugel um den sichtbaren und einen unsichtbaren Himmelspol.²¹ Daß er besagte Einwände gegen die sphärische Kosmographie nur hier, beim Versuch einer wörtlichen Kommentierung der besagten Bibelstellen hören läßt, andernorts jedoch sowohl die problematischen Stellen wie selbstverständlich allegorisch deutet²² als auch ebenso selbstverständlich auf Aspekte der sphärischen Kosmographie, wie die Erklärung des Wechsels von Tag und Nacht²³ oder der Stellung der Erde im Mittelpunkt des Universums,²⁴ zurückgreift, macht in jedem Fall deutlich, daß ihn im Genesiskommentar nur methodische Akribie zur Rücksicht auf besagte Gegner zwingt, nicht deren dominante Rolle in seinem Auditorium oder gar ernsthafte eigene Zweifel an der sphärischen Konzeption.²⁵ Solche hat allerdings Leo Ferrari, seines Zeichens Gründer der Flat Earth Society of Canada, dem Bischof von Hippo zu unterstellen versucht, einerseits aufgrund von Passagen, die ein vertikal geschichtetes Universum vorauszusetzen scheinen, und andererseits aufgrund zweier Beschreibungen einer kreisförmigen, vom Okeanos umgebenen Oikumene.²⁶ Zwar wurde dieser Versuch von C. P. E. Nothaft bereits hinreichend widerlegt,²⁷ doch ist die Debatte im vorliegenden Zusammenhang mindestens in einer Hinsicht lehrreich: Nur weil ein spätantiker oder mittelalterlicher Autor die Oikumene
21 Gen. ad litteram II,23 (CSEL 28/1, 47): de motu etiam caeli nonnulli fratres quaestionem mouent, utrum stet anne moueatur. quia, si mouetur, inquiunt, quomodo firmamentum est? si autem stat, quomodo sidera, quae in illo fixa creduntur, ab oriente usque ad occidentem circumeunt septentrionibus breuiores gyros iuxta cardinem peragentibus, ut caelum, si est alius nobis occultus cardo ex alio uertice, sicut sphaera, si autem nullus alius cardo est, uelut discus rotari uideatur. 22 Angesichts des in der Schrift wiederholt evozierten Vergleichs des Himmels mit einer Plane oder Schriftrolle deutet er die Rede vom Ausbreiten der Himmelsplane oder -rolle gerne auf die Heilige Schrift, die die Kirche beschirmt (vgl. bes. Confessiones XIII,16 [CCL 27, 251]; Enarratio in Ps 93,6 [CCL 39, 1306] und 103,1,8 [CSEL 95/1, 118 f.]). In Enarratio in Ps 103, 1,7 (CSEL 95/1, 117) kennt er aber auch noch eine wörtliche Auslegung, die sich ziemlich genau mit derjenigen Theodorets (und Apollinaris’ [?]; vgl. o. Kap. 2 Anm. 81) trifft, wonach der Vergleich schlicht die Leichtigkeit des Aufstellungsakts verdeutliche (und somit nichts über die Form des Himmels aussage). 23 Gen. ad litteram I,21.25 (CSEL 28, 15.18: Cum enim totam terram adhuc aqua tegeret, nihil impediebat, ut aquosa et globosa moles ex una parte faceret diem lucis praesentia, ex alia noctem Iucis absentia, quae in earn partem succederet a tempore vespcrtino, ex qua lux in aliam declinaret). 24 De civitate XIII,18 (CCL 48, 400 f.). 25 Am Heliophotismus des Mondes scheint er allerdings seine Zweifel zu hegen (vgl. o. Kap. 4 Anm. 32), falls er die Alternativerklärung zu Ps 10,3 nicht nur deswegen in Erwägung zieht, weil sie besser in die ekklesiologische Allegorese passt. 26 „Augustine’s Cosmography“, Augustinian Studies 27 (1996), 131–80. 27 „Augustine and the Shape of the Earth: A Critique of Leo Ferrari“, Augustinian Studies 42 (2001), 33–48.
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gleichsam aus Landkartenperspektive als vom Ozean umgebenen Kreis stilisiert, muß er deswegen die Erde keineswegs für flach halten, ebenso wenig wie dies die Urheber der mittelalterlichen T-O-Karten tun, welche die durch ein T getrennten drei Kontinente mit einem O umrahmen und so eine kreisförmige Ökumene skizzieren.²⁸ Dies hätte man bedenken sollen, als man versuchte, auch Augustins etwas älteren Zeitgenossen Hieronymus als Antiptolemäer abzustempeln.²⁹ Dieser scheint nämlich an einigen Stellen seines Werkes die sphärische Konzeption von Kosmos und Erde anscheinend anderen in den Mund zu legen und sich (mit dem Plädoyer für eine kreisförmige Oikumene) davon zu distanzieren. Nun würde dies der hier vorgetragenen Grundthese ja nicht einmal unbedingt widersprechen, da Hieronymus sicherlich der am meisten durch die östlichen Debatten beeinflusste lateinischsprachige Theologe seiner Zeit ist und im konkreten Fall seine kosmographische Skepsis sogar von Apollinaris persönlich ererbt haben könnte.³⁰ Doch zeigt ein näherer Blick auf besagte Passagen sehr schnell, daß sie zu einer solchen Verdächtigung keinen wirklichen Anlaß geben. Vielmehr statuiert der um 386 entstandene Kommentar zu Eph 3,18, daß man die von den Heiligen zu erfassende Länge, Breite, Höhe und Tiefe deswegen allegorisch deuten und auf die englischen und dämonischen Mächte beziehen müsse, weil „von den Meisten dem Prediger folgend behauptet wird, daß der Himmel rund sei und sich nach Art einer Kugel drehe“, welche natürlich keine (unterscheidbare) Länge, Breite und Höhe besitze, sondern lediglich einen Durchmesser.³¹ Die Passage ist also ganz
28 Nothaft, „Shape“, 42–44; C. Rohr, „Die Welt als Scheibe oder Kugel? Zum Wissen von der Kugelgestalt der Erde im Mittelalter“, in Welterfahrung und Welterschließung in Mittelalter und früher Neuzeit (hg. A. Bleuler; Heidelberg 2016), (9–24) 12–22 und o. zu Euseb (Kap. 2 Anm. 28). Dagegen rechnet eine Paulys Realencyclopäde endemische lexikographische Tradition hauptsächlich aufgrund solcher kreisförmiger Beschreibungen des orbis terrarum mit einer Renaissance altionischer Erdscheibenvorstellungen bereits in der Dichtung der römischen Kaiserzeit, im Anschluß an Kiessling, „Ῥίπαια ὅρη“, 861.872 f. besonders F. Gisinger („Geographie“, PRE Suppl. 4 [Stuttgart 1924], [521–685] 681–83), der das Phänomen erst im lateinischen Frühmittelalter (Cassiodor, Isidor v. Sevilla) voll ausbrechen sieht, für die früheren im Prinzip jedoch bereits einräumt, daß es sich lediglich um eine Frage der Darstellung handelt (682). Kiesslings zentraler Beleg, Vergil, Georgica I, 240 f., stammt klar aus dem Kontext einer sphärischen Zonengeographie (vgl. M. Erren, P. Vergilius Maro: Georgica, Bd. 2: Kommentar [Heidelberg 2003], 143–52). 29 Schleicher, Cosmographia, 316–19; Montagnini, „Forma della terra“, 62. 30 Ep. 84,2 (CSEL 55, 122): apollinarem laodicenum audiui antiochiae frequenter et colui et, cum me in sanctis scripturis erudiret, numquam illius contentiosum super sensu dogma suscepi. 31 In Eph II,3 (PL 26, 491A): Sed quoniam a plerisque juxta Ecclesiasten caelum affirmatur rotundum, et in spherae modum volvi, nulla autem rotunditas, latitudinem et longitudinem habet, altitudinem quoque et profundum, sed ex universis partibus coaequalis est, necessitate compellimur, altitudinem, angelos intelligere superasque virtutes. Profundum vero inferos, et quae infra eos sunt. Longitudinem autem et latitudinem, media quae inter superos inferosque consistunt. Der Vorschlag Krügers, Hieronymus aufgrund seiner bekanntlich auf Euseb von Emesa zurückgehenden (vgl. o. Kap. 2 Anm. 49) Deutung des „Schwebens“ des Geistes aus Gen 1,2 als „brüten“ vermittelt über die Weltenei-Konzeption sphärische Vorstellungen zu attestieren (Welt ohne Amerika II, 193–97), ist hingegen einigermaßen absurd.
204 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition im Gegenteil ein interessantes Zeugnis dafür, daß die meisten Christen, ebenso wie Hieronymus selbst, den Himmel wohl aufgrund der Beschreibung des Sonnenkreislaufs in Koh 1,5 f. für rund halten, was in Hieronymus eigenem Kommentar zur Stelle leider nicht weiter ausgeführt wird.³² Im Kommentar zu Eph 5,4 scheint er dann sogar ausfällig gegen die biblizistische Kosmographie zu werden und sie als bestes christliches Beispiel für „dummes Geschwätz“ zu bezeichnen:³³ „Es gibt auch in der Kirche dummes Geschwätz, wenn jemand den Himmel für wie einen Bogen gekrümmt erachtet, betrogen von den Worten Jesajas, die er nicht versteht, oder daß im Himmel ein Thron aufgestellt sei und Gott darauf sitze…“.
Leider werden nun allerdings im 409/10 entstandenen Kommentar zu Jes 40,22 die biblizistischen Dummschwätzer nicht mit ähnlicher Deutlichkeit zurecht gewiesen. Zwar wird auch hier bereits zu v. 12 die geöffnete Hand mit dem ausgespannten Himmel und die geballte Faust mit dem „globus terrae“ verglichen, so daß man sich bereits unzweideutig auf ‚sphärischem‘ Terrain wähnt.³⁴ Allerdings heißt „globus“ nicht nur „Kugel“, sondern auch unspezifischer „Masse, Ansammlung“, und genau in diesem Sinne scheint es wenig später zu v. 22a gebraucht zu werden. Dort wird der Begriff „Kreis der Erde“ mit dem Hinweis auf die Tatsache ausgelegt, daß „einige“ behaupten, die Erde sei ein „punctus et globus“, dies aber gleich anschließend in der ersten Person positiv aufgegriffen und so interpretiert, daß die bewohnte, von weitläufigen Ozeanen umschlossene Ökumene gemeint sein soll.³⁵ Wieder zählt sich also der Kirchenlehrer selbst zu den ‚einigen‘ und will unter „Erdkreis“ die vergleichsweise winzig kleine, 32 Vgl. E. Birnbaum, Der Koheletkommentar des Hieronymus. Einleitung, revidierter Text, Übersetzung und Kommentierung (Berlin/Boston 2014), 56 f. Der Kommentar zeugt lediglich insofern von elementarer astronomischer Bildung, als der den Tagbogen der Sonne vom elliptischen Jahreslauf durch den Tierkreis zu unterscheiden weiß (58). Immerhin ist angesichts dessen sehr unwahrscheinlich, daß die Behauptung, die Sonne würde, „nachdem sie ihr brennendes Rad in den Okeanos getaucht habe, auf uns unbekannten Wegen zu dem Ort, von dem sie ausgegangen war, zurückkehren“ (56) auf einen astronomischen Theorieverzicht hinauslaufen. Vielmehr wird „incognitus“ hier im Sinne von „invisiblis“ gebraucht sein. Eine explizit sphärische Auslegung der Passage findet sich etwa bei Ps.-Georgius (u. Anm. 73), wogegen der Kommentar Olympiodors (PG 93, 481D) lediglich auf den kreisförmigen Sonnenlauf verweist, den gewisse Leute auch aus 1Esr 4,34 erschlössen. 33 In Eph III,5 (PL 26, 519CD): Est et in Ecclesia stultiloquium: Si quis coelum putet fornicis more curvatum, Isaiæ, quem non intelligit, sermone deceptus, solium quoque in coelis positum, et super eo sedere Deum. 34 In Is XI, 40,12 (CCL 73, 460): sin autem contrahamus manum, pugillus efficitur, ut per palmum et pugillum, extentos caelos et globum terrae nouerimus. 35 In Is XI, 40,22 (CCL 73, 463 f.): ab initio, inquit, naturali lege uos docui, et postea per moysen scripta lege testatus sum, quid nihil esset idola, et quod creator mundi ipse esse deus, qui tantam molem terrae fundas et super maria et super flumina collocasset eam, ut elementum grauissimum super tenues aquas dei penderet arbitrio, qui instar regis sedet super gyrum terrae. ex quo nonnulli quasi punctum et globum eam esse contendunt, et habitatores illius quasi locustas. si enim in toto orbe consideremus uarias nationes, et ab oceano usque ad oceanum, id est, ab indico mari usque ad britannicum, et ab atlantico usque
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vom unermeßlichen Himmel überspannte Erdansammlung der Ökumene verstanden wissen. „Globus“ konnotiert also auch bei der ersten Stelle primär die Geballtheit, nicht die Kugelform, was auch durch das dritte Vorkommen der Wendung „globus terrae“ im Jonakommentar bestätigt wird. ³⁶ Wie ist diese Erdansammlung jedoch nun bei Jesaja überspannt? Der LXX-Text redet hier von einem „Gewölbe“ und will damit die Weite der Bedeckung mit der Winzigkeit und Nichtigkeit der bedeckten Bewohner kontrastieren, eine Auslegung, die sich für Hieronymus mit dem Hebräischen nicht so recht verträgt: „Andererseits mißbrauchen auch an dieser Stelle, diejenigen, die behaupten, daß ein halbkreisförmiger Himmel die Länder überragt und der Himmel kugelgestaltig sei, den Begriff des Bogens, freilich in dem Sinne, daß eine Halbkugel die Länder bedecken soll, zumal wir im hebräischen nicht ‚Bogen‘, sondern doc, also allerfeinsten Staub, gelesen haben“.³⁷
Hieronymus hält also weder den Septuagintatext („Bogen“) noch das hebräische Original für eine Bestätigung der sphärischen Kosmographie und kritisiert daher diejenigen Exegeten, die sie dort suchen. Über seine eigenen kosmographischen Überzeugungen sagt dies ebenso wenig aus, wie die noch despektierlichere Stelle aus dem Hesekielkommentar, wo er denjenigen, die mit Philons Interpretation der Cherubim auf der Bundeslade³⁸ auch die einander anblickenden Tiere der Thronwagenvision auf die beiden kosmischen Hemisphären deuten, „die törichte Meinung der Philosophen“ von „abwärts gerichteten und fallenden Menschen“, den Antipoden, zuschreibt.³⁹ Zunächst geht es hier genau wie im Jesajakommentar um die Abweisung einer an den Haaren herbeigezogenen Exegese, nicht einer falschen Kosmographie. Daß er außerdem ebenso wenig wie Augustin⁴⁰ an die Antipoden glauben mag, ändert an der im Epheserkommentar klar geäußerten Grundüberzeugung von einem sphärischen Kosmos an sich nichts, wobei die besagten Passagen durchaus von einer gewissen Reserve dieser gegenüber zeugen könnten.
ad septentrionis rigorem, in quo congelascunt aquae, et succina pulchra concrescunt, omne in medio hominum genus quasi locustas habitare cernimus. 36 In Jon II,7 (CCL 76, 399): quod ionae caput pelagus operuerit, et ad montium extrema descenderit, et uenerit usque ad profunda terrarum, quibus quasi uectibus et columnis dei uoluntate terrae globus sustentatur, nulli dubium est, de qua et alibi dicitur: ego confirmaui columnas eius. Der fremdgestützte „globus terrae“ kann nur die Erdansammlung der Kontinente sein, welche „wie durch Riegel und Säulen“ gestützt werden durch die „profunda terrarum“, also doch wohl ihre eigenen Vertiefungen innerhalb der Erdkugel, auf denen Gottes Wille sie ruhen läßt wie auf selbstverständlich nicht wörtlich zu verstehenden Säulen (vgl. o. Kap. 2 Anm. 43). 37 In Is XI, 40,22 (CCL 73, 464): rursum et in hoc loco qui ἡμικύκλιον terris imminere caelum, et in similitudinem sphaerae caelum esse contendunt, abutuntur nomine fornicis, quod scilicet media pars sphaerae terras operiat. cum in hebraico non fornicem, sed doc, id est: tenuissimum puluerem, legerimus. 38 De cherubim 25 f. (hg. Cohn/Wendland I, 176). 39 In Hes I, 1,6–8 (CCL 75, 11): Alii uero, qui philosophorum stultam sequuntur sapientiam, duo hemisphaeria in duobus templi Cherubim, nos et antipodas quasi supinos et cadentes homines suspicantur. 40 De civitate XVI,9 (CCL 48, 510).
206 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition Daß sich Hieronymus deswegen durch seinen Lehrer Apollinaris voll überzeugen ließ, wird man ebenso wenig behaupten können, wie daß sich der lateinische Westen des fünften Jahrhunderts insgesamt von der graecosyrischen Mode anstecken ließ, gegen den etablierten astronomischen Konsensus anzupolemisieren. Trotz aller militärischen Turbulenzen, die der Westen im Lauf des Jahrhunderts der Völkerwanderung durchzumachen hat, und der damit verbundenen Abnahme literarischer Produktion, finden sich mit Prudentius,⁴¹ Favonius Eulogius,⁴² Chalcidius⁴³ und Claudianus Mamertus⁴⁴ immer noch vier sichere Zeugen für eine sphärische Weltanschauung. Im deutlich quellenärmeren sechsten Jahrhundert müßte man sich hingegen fragen, ob die offensichtlichen Ausnahmeerscheinungen Boethius und Cassiodor, welche ja ganz dezidiert für die weitestmögliche Bewahrung einer im Zerfall befindlichen wissenschaftlichen Kultur angetreten sind, mit ihrem überzeugten Festhalten am ptolemäischen Weltbild tatsächlich als für das kulturelle Klima der aufkommenden germanischen Gentilreiche repräsentativ gelten können. Nun berichtet uns Cassiodor eine im vorliegenden Zusammenhang potentiell sehr interessante Anekdote über einen blinden Gelehrten aus Asien, der ihm nicht nur half, seine Bibliothek zu ordnen, sondern ihn auch darüber unterrichtete, „daß die Stiftshütte und der Tempel des Herrn genau wie der Himmel gestaltet seien, was ich [scil. Cassiodor] mit eigener Linienführung fein abzeichnete und in gehöriger Weise in die umfassendere lateinische Vollbibel eingefügt habe“.⁴⁵ Dies klingt zunächst tatsächlich so, als hätte der verehrte Gelehrte Cassiodor eine
41 In Contra Symmachum I, 309–24 (CCL 126, 196 f.) vergleicht er die durch das Weltall irrende Sonnenkugel mit der Erde, welche nach einigen „brevior circuitu“ sei, also doch wohl (als Kugel) über einen geringeren Umfang verfüge. Außerdem spricht er wiederholt von Himmels- bzw. Erdpolen (Cathemerinon III, 39 f. [CCL 126, 26]) sowie der Erdachse (XI, 107 f. [CCL 126, 63). Zu ähnlichen Anspielungen bei früheren Dichtern (Juvencus, Valeria Proba) vgl. Krüger, Welt ohne Amerika II, 228–33. 42 De somnio Scipionis IX,1; XIV,3 f. (hg. L. Scarpa, Disputatio de somnio Scipionis [Padua 1974], 10 f.24). 43 In Timaeum 59 (hg. J. H. Waszink, Timaeus a Calcidio translatus commenatarioque instructus [Plato latinus 4; London 1962], 106 f.) präsentiert die Argumente für Kugelgestalt der Erde aus Theon v. Smyrna, De utilitate mathematicae, wonach diese bewiesen sei durch ihre Umrundung durch die Gestirne, durch die Tatsache, daß man von jedem beliebigen Punkt auf der Erde immer nur die Hälfte des Himmelsglobus zu sehen bekäme, und schließlich durch ihre diagonale Umrundung durch den Tierkreis. 44 De statu II,12 (CSEL 11, 144 f.), wo die Elementar- und Gestirnssphären interessanterweise als die beiden körperlichen Himmel aus Gen 1 figurieren, der dritte Himmel aus 2Kor 12,2 jedoch als absolut transzendent und den unkörperlichen Seelen vorbehalten. Desweiteren ist bemerkenswert, daß der Autor in III,17 (188) die Kugelgestalt der Erde als Beispiel für eine offensichtlich recht selbstverständliche These heranzieht, die zwar sehr schnell bestritten werden kann, aber nur sehr umständlich positiv zu beweisen ist, um auf diese Weise vor vorschnellem und deplatziertem Skeptizismus zu warnen. 45 Institutiones I, 5,2 (hg. R. Mynors, Cassiodori Senatoris institutiones [Oxford 1937], 23): commonuit etiam tabernaculum templum que Domini ad instar caeli fuisse formatum; quae depicta subtiliter lineamentis propriis in pandecte Latino corporis grandioris competenter aptavi. de veste quoque sacerdotali plurima Domini sacramenta texebat, asserens nihil otiose positum quod non alicuius rei pulcherrimam portaret imaginem; haec etiam Ioseppum, Origenem et Hieronymum commemorasse in suis opusculis asserebat.
5.1 Das Gegenbeispiel des Westens
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Kosmos-Stiftshütten-Skizze nach dem Muster des Kosmas in die Feder beschrieben, welche den gebildeten Staatsmann bei all seiner Verehrung für den blinden Greis dennoch nicht dazu gebracht hätte, vom eigenen, sphärischen Weltbild Abstand zu nehmen.⁴⁶ Allerdings könnten die im Anschluß genannten Autoritäten, Josephus, Origenes und Hieronymus, denen der Greis in der Auslegung des priesterlichen Gewandes folgte, dafür sprechen, daß er in seiner kosmologischen Allegorese der Stiftshütte eher Clemens v. Alexandrien (und eben Josephus)⁴⁷ gefolgt war, als Kosmas und den Antiochenern, obgleich die beiden ersteren mindestens aus Grundriß und Aufbau der Stiftshütte selbst keine direkte Erklärung für die Gestalt des Himmels ableiten. Eine sichere Ergänzung zum Zeugnis der traditionellen Bildungseliten für die bleibende Dominanz des sphärischen Weltbilds bietet jedoch der Gote Jordanes, dessen um 551 auf der Basis Cassiodors verfaßte Gotengeschichte stellenweise fast als Zeugnis eines veritablen Hungers dieses Volksstamms nach klassischer griechisch-römischer Bildung gewertet werden kann. Bereits um die Zeitenwende soll ein legendärer dakischer Priester namens Dicineus die Goten aufgesucht und sie unter anderem über ptolemäische Astronomie, die himmlischen Sphären und den Lauf der Gestirne, unterrichtet haben,⁴⁸ so daß der nachgeborene Gote auch keinerlei Probleme damit hat, die Geographie des großen Astronomen intensiv für sein eigenes Werk auszubeuten.⁴⁹ Anders als die ja etwa zeitgleich bei den Ostsyrern entstehende syrische Konstruktion der eigenen Kulturgeschichte⁵⁰ scheint die gotische also die Abhängigkeit von Griechen und Römern keineswegs zu überspielen, sondern lediglich um ein paar Jahrhunderte zurückzudatieren, um sich kulturell arrivierter zu geben. Was die Kosmographie anbetrifft, sieht Jordanes das ererbte Bildungsgut sogar aus der eigenen Anschauung seines Volkes bestätigt, berichtet er doch genau wie vor ihm Pytheas⁵¹ über die von den Antisphärikern notorisch ignorierten synchronen 46 Vgl. Institutiones II, 6,4–7,3 (hg. Mynors, 152–56). 47 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 246–48. 48 Gethica XI,69 f. (hg. F. Giunta, Iordanis de origine actibusque Getarum [Rom 1991], 32): theoreticen demonstrans signorum duodecem et per ea planetarum cursus omnemque astronomiam contemplari edocuit, et quomodo lunaris urbis augmentum sustinet aut patitur detrimentum, edixit, solisque globum igneum quantum terreno orbe in mensura excedat, ostendit, aut quibus nominibus vel quibus signis in polo caeli vergente et revergente trecentae quadraginta et sex stellae ab ortu in occasu precipites ruant, exposuit. qualis erat, rogo, voluptas, ut viri fortissimi, quando ab armis quantolumcumque vacassent, doctrinis philosophicis inbuebantur? videris unum caeli positionem, alium herbarum fruticumque explorare naturas, istum lunae commoda incommodaque, illum solis labores adtendere et quomodo rotatu caeli raptos retro reduci ad partem occiduam, qui ad orientalem plagam ire festinant, ratione accepta quiescere. 49 Vgl. A. H. Merrills, History and Geography in Late Antiquity (Cambridge 2005), 116 f. Krüger, Welt ohne Amerika III, 34: „Alles hat danach den Anschein, als habe die römische Kosmologie und Geographie den Sturm der Völkerwanderungen und die neuen Staatengründungen nicht nur vergleichsweise unbeschadet überlebt, sondern daß sie […] praktisch sofort Gegenstand der intellektuellen Aneignung der neuen Völker geworden sind“. 50 Vgl. o. bei Kap. 4 Anm. 5. 51 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 12.
208 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition Unterschiede in der Länge von Tagen und Nächten,⁵² insofern man in Skandinavien „an den längeren Tagen die Sonne nach Osten am Rand der Himmelsgegend entlang wieder zurückgehen sieht, diese an den kürzeren bei diesen Leuten aber nicht so gesehen wird, sondern anders, weil sie die südlichen Zeichen durchläuft, und wenn es bei uns heißt, die Sonne würde von unten aufgehen, heißt es bei jenen, sie umlaufe den Rand der Erde “.⁵³ Um im Modell des Kosmas einen vollen Sonnenumlauf beobachten zu können, wie hier vom skandinavischen Sommer berichtet, müßte man Skandinavien auf der Spitze des Nordgebirges lozieren, was Jordanes offensichtlich nicht tut, sondern die Erde ebenso als Kugel mit zwei Hemisphären betrachtet wie den Himmel. Mit Ausnahme von einigen griechisch beeinflußten Querdenkern (Laktanz, Filastrius) und Augustins biblizistischen Querulanten scheint es im Westen also in der Tat mindestens bis ins sechste Jahrhundert so gut wie keine Stimmen gegeben zu haben, die ernsthaft an der Kugelgestalt der Erde zweifelten. Somit kann sich bereits einige Jahrzehnte vor dem Kampf des Severus von Sebokht für die Akzeptanz der ptolemäischen Astronomie unter den Westsyrern der Westgotenbischof Isidor v. Sevilla ans Werk machen, die sphärische Kosmographie in ihren wichtigsten Aspekten, acht Himmelssphären, ‚heliophotistische‘ Erklärung von Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternissen, Kugelgestalt der Erde und Klimazonen,⁵⁴ wenn auch nicht immer in vollständig adäquater und kohärenter Form,⁵⁵ seiner Enzyklopädie anzuvertrauen und dem lateinischen Mittelalter zum Allgemeinwissen zu machen.
52 Vgl. o. bei Kap. 3 Anm. 73. 53 Gethica III,19 (hg. Giunta, 9): in cuius parte arctoa gens Adogit consistit, quae fertur in aestate media quadraginta diebus et noctibus luces habere continuas, itemque brumali tempore eodem dierum noctiumque numero luce clara nescire. ita alternato merore cum gaudio benificio aliis damnoque impar est. et hoc quare? quia prolixioribus diebus solem ad orientem per axis marginem vident redeuntem, brevioribus vero non sic conspicitur apud illos, sed aliter, quia austrinis signis percurrit, et quod nobis videtur sol ab imo surgere, illis per terrae marginem dicitur circuire. 54 Vgl. Krüger, Welt ohne Amerika III, 80–99. 55 Neben der zu Augustin bereits diskutierten kreisförmigen Darstellung des Erdkreises war es vor allem eine Stelle, die dazu Anlaß gab (etwa bei K. Abel, „Zone“, PRE Suppl. 14 [Stuttgart 1974], [989–1188] 1169 f.), an Isidors „sphärischer“ Grundüberzeugung zu zweifeln, nämlich folgende Beschreibung der Erdgestalt in De natura rerum 9,3 (hg. J. Fontaine, Traité de la nature [Bordeaux 1960], 207 f.): Formatio mundi ita demonstratur. Nam quemadmodum erigitur mundus in septentrionalem plagam, ita declinatur in australem. Caput autem et quasi facies orientalis regio, ultima pars septentrionalis. Nam partes eius quattuor sunt. Prima pars mundi est orientis; secunda meridiana; tertia occidentis; ultima uero atque extrema septentrionalis, de qua Virgilius sic ait: Quam circum extremae dextra laeua que trahuntur Caeruleae glacie concretae, et Lucanus: Sic mundi pars ima iacet, quam zona niualis Perpetuae que premunt hiemes. Daß wir hier nicht, wie bei Kosmas, eine Erdscheibe mit Nord-Süd-Neigung vor uns haben, sondern lediglich die durch die bereits durch die zitierten Dichter in die sphärische fünf Zonengeographie integrierten Ripäen, zeigt der Referenztext aus Vergil, Georgica I, 234–44 (vgl. o. Anm. 28).
5.2 Spezifikum und Bedeutung der antiochenischen Kosmographie
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5.2 Spezifikum und Bedeutung der antiochenischen Kosmographie Gerade der Vergleich mit Jordanes ergibt also eine schöne Bestätigung unserer Leithypothese: Die theologische Bestreitung der sphärischen Kosmographie konnte nur deswegen im Osten, besonders im syrisch-antiochenischen Raum, größere Wellen schlagen, da sie an alternative Bildungstraditionen anknüpfen und diese weiterentwickeln konnte. Diese sind sicherlich eine relativ schwer faßbare Größe, und es läßt sich mit gutem Recht fragen, ob Texte wie das Henochbuch und Stomathalassa überhaupt durch mehr verbunden sind als die Anschauung von einer flachen Erde und die Rede von Himmelstüren, welche jedoch, wie gesehen, in beiden Texten deutlich anders verstanden wird.⁵⁶ Für uns eindeutig greifbar sind nur die konkreten Diskurse mit nachweisbarer textlicher Abhängigkeit, also die relativ geschlossene Tradition der Himmelsvisionen, die allerdings auf die christliche Theologie deutlich weniger direkte Auswirkungen gehabt zu haben scheint als auf die rabbinische (lediglich bei Chrysostomus und Jakob v. Sarug läßt sich diskutieren, ob hier Einflüsse der Apokalypsen bzw. diesen entsprechender rabbinischer Konzeptionen vorliegen⁵⁷), oder die syrische Tradition der Genesiskommentierung (Euseb v. Emesa, Ephraem), in welcher analoge Vorstellungen an Diodor, Severian, Eznik oder Jakob von Sarug weitergegeben werden. Dennoch läßt sich m. E. etwa an der Anschauung vom selbstleuchtenden und selbstwachsenden Mond und dessen Einwirkung auf die Fruchtbarkeit der Pflanzen demonstrieren, daß hier bei Ephraem, Jakob und Stomathalassa jeweils unabhängig voneinander auf ein gemeinsames Vorstellungsarsenal zurückgegriffen wird, Hier hilft zunächst ein Seitenblick auf die Koranwissenschaft, welche in den letzten Jahren aus der koranischen Rede vom Himmelsdach (Sure 21,23) mit einer teppichartig ausgebreiteten Erde darunter (2,22; 13,3 u. m.), Säulen und Fenstern des Himmels (13,2; 54,11),⁵⁸ oberem und unterem Ozean (55,19 f.)⁵⁹ und deren Verbindung am Ende der Erde (18,60 f.),⁶⁰ auch für den Koranautor eine Kosmographie rekonstruieren konnte, welche sich deutlich aus der parabiblischen Literatur verwandten Traditionen speist, mit der syrischen Alexanderlegende sogar in irgendeiner Form bekannt ist.⁶¹ Noch deutlicher wird dies im iranischen Bundahishn, der in frühislamischer Zeit kodifizierten natur56 Vgl. o. bei Kap. 4 Anm. 191 f. 57 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 30, 52, 54 und Kap. 4 Anm. 67 f. 58 Vgl. K. van Bladel, „Heavenly cords and prophetic authority in the Quran and its Late Antique context“, Bulletin of SOAS 70 (2007), 223–46. 59 Vgl. A. Neuwirth, „Cosmology“, Encyclopedia of the Quran 1 (Leiden/Boston 2001), (440–57) 445 f. 60 Vgl. T. Tesei, „Some Cosmological Notions from Late Antiquity in Q 18:60–65: The Quran in Light of its Cultural Context“, Journal of the American Oriental Society 135 (2015), 19–32. 61 Vgl. o. Kap. 1 Anm. 82, Kap. 4 Anm. 159–62 und K. van Bladel, „The Alexander Legend in the Qur’an 18:83–102“, in The Qur’an in its historical context (hg. G. Reynolds; London/New York 2008), 175–203. Noch im dreizehnten Jahrhundert behauptet Fakr ad-Din ar-Razi ganz ähnlich wie Prokop (u. Anm. 72), daß die meisten Koranexegeten die koranischen Himmel (und somit auch die Erde) für flach hielten (Janos, „Cosmography“, 216).
210 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition kundlichen „Enzyklopädie“ des Zoroastrismus,⁶² dessen Erklärung der Jahreszeiten wir bereits bei Stomathalassa wiederfanden.⁶³ Obwohl hier auch die sphärische Konzeption eine nicht unbedeutende Rolle spielt,⁶⁴ findet sich ebenfalls die Vorstellung vom Himmel- und Erde verbindenden kreisförmigen Paradiesberg,⁶⁵ von Himmelsfenstern, durch die die Gestirne aus- und eintreten,⁶⁶ von Sonnen- und Mondwagen,⁶⁷ sowie einer anscheinend flachen, unbewachsenen Unterseite der Erde.⁶⁸ Dieses Vorstellungsarsenal scheint in unterschiedlichen Diskursen religiöser, astronomisch-astrologischer oder naturkundlicher Art zu etwas umfassenderen Konzeptionen geronnen und durch Persönlichkeiten wie dem von Ps.-Justin zitierten „Schröpfkopfexperten“ als kosmographische Weisheit verkündet worden zu sein,⁶⁹ welche die theologischen Diskussionen flankierte, befruchtete und popularisierte. Die genaue Rolle, die „antiochenische“ Theologie, also die Schule Diodors, dabei spielte, läßt sich wohl am besten anhand von deren – wenigstens in einschlägiger Hinsicht – einflußreichsten Autoren, Severian und Theodor, illustrieren. Ersterer scheint primär an den antipaganen Diodor anzuknüpfen, dessen kritische kosmographische Impulse mit alternativer syrischer Bildungstradition (Ephraem) zu verbinden und durch die ansprechend rhetorische Form seiner Homilien auf direktem oder indirektem Wege Mitpolemiker in allen konfessionellen Lagern (Eznik, Ps.-Caesarius, Ps.-Elishe) gefunden zu haben. Was bei Severian fehlt, ist die theologische Aufladung der Konzeption besonders in Gestalt der christologisch-soteriologischen und eschatologischen Bedeutung des Firmaments, welche wir spätestens bei Theodor ausgearbeitet fanden, nach dem Zeugnis des Chrysostomus jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach bereits auf Anregungen Diodors hin.⁷⁰ Die hier entwickelte kosmographische Habitat- und Katastasenkonzeption scheint primär gegen theologische Gegenwürfe (Origenes) entwickelt und dominiert ohne nennenswerte antipagane Polemik und damit einhergehende weitere kosmographische Ausgestaltung den griechisch- wie syrischsprachigen Theodorianismus von Gennadius über Narsai bis hin zu den späteren Ostsyrern. Selbst Jakob von Sarug hat er beeinflußt, wenn auch nicht in der letzten christologischen wie eschatologischen Konsequenz. 62 Vgl. o. Kap. 2 Anm. 65, Kap. 4 Anm. 65 f. und 193–201 mit Bundahishn 26,21–24 (tr. Pakzad, 155), wo der Mond wächst wie ein erigierender Penis, um den Kreaturen Glück und Fruchtbarkeit zu schenken. 63 Vgl. o. Kap. 4 Anm. 178. 64 Besonders der einleitende Mythos scheint eine sphärische Erde (Bundahishn 1a8; tr. Pakzad, 17) mit einer darum rotierenden Himmelskugel (Bundahishn 3.7 und 4.10/23; tr. Pakzad, 27.35.37) vorauszusetzen. Dazu: A. Panaino, „A proposito dell’ uranografia mazdaica e del concetto di sfericità del mondo nella cultura astrale iranica preislamica“, in Kosmos. La concezione del mondo nelle civiltà antiche (hg. C. Dognini; Mailand 2002), 27–39. 65 Bundahishn 9,5 (tr. Pakzad, 65) vgl. Minov, „Images of Paradies“, 150–53. 66 Vgl. o. Kap. 4 Anm. 68 und 189. 67 Bundahishn 5a.7 f. (tr. Pakzad, 43). 68 Bundahishn 20g.8 (tr. Pakzad, 121). 69 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 300. 70 Vgl. o. Kap. 3 Anm. 59 und 64.
5.2 Spezifikum und Bedeutung der antiochenischen Kosmographie
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Dabei scheint der erste Typus deutlich weniger profiliert und besonders, was die weitere naturwissenschaftliche Ausgestaltung betrifft, eher unterentwickelt geblieben zu sein: Selbst wissenschaftlich gebildete Nestorianer wie Ps.-Justin lassen sich nicht näher auf die konkrete Kosmographie ein und widerlegen Aristoteles lieber auf abstrakt-konzeptueller Ebene.⁷¹ Genau an dieser Stelle wird Kosmas eine deutliche Lücke empfunden und durch eingehenderes naturwissenschaftliches Dilettieren versucht haben, gleichsam beide Typen miteinander zu verbinden, was gleichzeitig für eine relative Alleinstellung seiner Art von ‚Kosmotheologie‘ sprechen würde. Fragt man nun nach Erfolg dieser diodorianischen Konzeptionen, ist zunächst auf die Tatsache hinzuweisen, daß wir aus dem fünften und sechsten Jahrhundert in der Tat keinen einzigen echt theologischen Versuch kennen, die Kugelgestalt der Erde zu bestreiten, der nicht erkennbar von diesen beeinflußt wäre. Hinsichtlich ihrer generellen Verbreitung und Konsensfähigkeit stoßen wir zunächst auf das Zeugnis Prokops, der zu Beginn des sechsten Jahrhunderts die einschlägige exegetische Debatte überschaut und resümiert, daß aufgrund von Jes 40,22 „einige, vielmehr die meisten behaupten, daß der Himmel eine Halbkugel sei, während andere ihn für eine Kugel nehmen“.⁷² In der Tat kennen wir zwischen Kyrill v. Alexandrien und Johannes Philoponus keine wirklich prominente theologische Stimme für ein sphärisches Weltbild. Natürlich darf man diesen Befund nicht überbewerten: Prokop spricht lediglich von der Genesisexegese, und aus der fraglichen Periode sind einfach kaum Kommentare zu einschlägigen Bibelstellen bekannt, die nicht von ausgesprochenen „Antiochenern“ stammen würden.⁷³ Die griechischsprachige Genesisauslegung setzt für uns nach Gen-
71 Vgl. o. bei Kap. 3 Anm. 303. 72 In Gen 1,1 (GCS NF 22, 12 f.): καὶ τοῦτο ἐμφαίνων Ἡσαΐας ἔλεγεν· ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν ἐπὶ τῆς γῆς. ἐκ τούτου δὲ τοῦ ῥητοῦ τινες, μᾶλλον δὲ οἱ πλείους, ἡμισφαίριον εἶναι τὸν οὐρανὸν ἀπεφήναντο ἄλλων αὐτὸν σφαῖραν ὑποθεμένων. Leider ist Prokops Jesajakommentar in der vorhandenen Edition (PG 87/II, 2341D-44A) an der entscheidenden Stelle durch eine Lücke entstellt. Wenn diese nicht extrem groß war, scheint er die Passage Jes 40,12–26 jedoch sehr knapp, wahrscheinlich ohne weitergehende kosmographische Auslassungen abgehandelt zu haben, was wiederum dafür sprechen würde, daß das ihm vorliegende exegetische Material zur Stelle dies ebenfalls tat, der kosmographische Diskurs sich also primär im Rahmen der Genesisauslegung abspielte. Johannes Drungarios wußte in seiner Katene ad locum jedenfalls kaum einschlägiges Material zusammenzutragen, sondern zitiert lediglich Theodoret und Euseb (Parisinus gr. 155 [X], fol. 88r; Laurentianus Plut. 5.9 [X], fol. 85v). Die ausführlichere, nur das erste Drittel des Jesajabuchs abdeckende Katene des Muzalon (Laurentianus Plut. 5.8 [XII], fol. 309v-11v) zitiert zu dem sicherlich längst nicht so einschlägig profilierten Vers 13,5 ebenfalls nur die bekannten Kommentare (Kyrill, Theodoret, Euseb, Basilius). 73 Als mögliche Ausnahme wäre auf den nicht sicher (nach CCG 56, LVII zwischen 530 und 630) datierbaren Koheletkommentar des Ps.-Gregorius zu verweisen, der zu 1,7 folgendes vermerkt (CCG 56, 332): Πότερον, ὥς τινες ὑπειλήφασι καὶ κατήγγειλαν, ὑπὸ γῆν διάττων οὕτως ἐπάνεισι πρὸς τὸν ἀνατολικὸν ὁρίζοντα καὶ παντὶ τῷ καθ’ ἡμᾶς κόσμῳ τὰς αἴγλας ἀφίησιν, ἢ καθὼς ἄλλοι δοξάζουσιν, ἐγκαρσίως ποιεῖται τὴν παλινδρόμησιν, οὐδὲν τοιοῦτον ἐπεσημήνατο φανερῶς· τὸ γὰρ κυκλοῖ τὴν ἑκατέραν ὑπόληψιν τοῖς βουλομένοις παρίστησι· διαιρεῖται γὰρ καὶ μερίζεται καὶ πρὸς ταύτην καὶ πρὸς ἐκείνην τοῖς βουλομένοις. Κἂν ὁ τῆς ἀληθείας λόγος τὸ ὑπὸ γῆν ἡμισφαίριον διατρέχοντα καὶ πρὸς τὸν
212 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition nadius letztlich erst zu Beginn des siebten Jahrhunderts, mit Georgius Pisides⁷⁴ und Anastasius Sinaita⁷⁵ wieder ein. Interessanterweise sind nun beide erklärte Sphäriker, die weder irgendein Bedürfnis verspüren, ihre Position gegen einen etwaigen gegenteiligen theologischen Konsens zu verteidigen, noch irgendwelche Sympathien für Philosophie und Wissenschaft zu hegen scheinen,⁷⁶ welche sie Anschluß an ein-
ὁρίζοντα πάλιν ἀποκαθιστάμενον διαδείκνυσι, ταῖς τῶν ἄλλων ἀστέρων τῶν ἀπλανῶν καὶ πλανωμένων ἐναργεστέραις κινήσεσι καὶ καταστάσεσιν εἰς βεβαίωσιν κεχρημένος. Damit übereinstimmend wohl auch der anonyme Kommentar des siebten Jahrhunderts (CCG 11, 5 f.): ἀεὶ γὰρ ἀπὸ τῶν βορείων μερῶν ἀνατέλλων, πρὸς τὰ νότια πορευόμενος δύνει, καὶ τὴν ὑπόγειον πορείαν ποιούμενος πρὸς βορρᾶν ἀπὸ τῶν τούτου πάλιν ἀνίσχει μερῶν, τὸν κύκλον τοῦ ἰδίου δρόμου πληρῶν. 74 Hexaemeron 85–108 (hg. R. Hercher, Claudii Aeliani Varia historia. Epistulae fragmenta [Leipzig 1866], 605 f.): Ὦ τὴν ἀεικίνητον οὐρανοῦ σκέπην / τῷ σφαιρομόρφῳ τῶν σοφῶν εἰλημάτων / ὕψει πλατύνας καὶ τοσαύτῃ συστάσει / βάθρον τεθεικὼς μηδαμοῦ πεπηγμένον. Ὦ δέρριν ὥσπερ ἐξαπλώσας τὸν πόλον· / ὁ σὸς γὰρ Ὀρφεὺς τὴν θεόφθογγον λύραν / κρούων ὁ Δαβὶδ δέρριν εἶπε τὸν πόλον, / ὡς ἐκταθείσης πρὸς τὰ μήκη καὶ πλάτη / τῆς ἁπλότητος τῶν ἐν ὕψει σωμάτων. / Εἰ καὶ καπνοῦ δὲ τοῦτον ἐμφάσεις ἔχειν / προβλεπτική τις εἶπεν ὀξυδορκία, / κενεμβατούσης τῆς φορᾶς τῶν ὀμμάτων / πρὸς τὴν ἀμυδρὰν τῆς ῥοπῆς θεωρίαν, / ἢ σφαῖραν ἡμίτμητον ἀψῖδος δίκην / ὑψουμένην ἄνωθεν ἢ κυρτουμένην / ἢ καὶ πρὸς αὐτὴν τὴν κάτω φορουμένην / —ἐκ τῶν ἄνω γὰρ γνωστικῶν κυλισμάτων / κάτωθεν ἄλλη φαίνεται κεκρυμμένη—, / ὅμως ἔχει στήριγμα τὴν ἔν σοι βάσιν, / εἰς βάθρον ἀστήρικτον ἐστηριγμένος. / Ἄνω γὰρ ἦρται καὶ βαθύνεται κάτω, / ἐκτείνεται δὲ πρὸς τὸ χάσμα τοῦ πλάτους, / ἴσας δὲ κύκλῳ τὰς ἀποστάσεις ἔχει, / ἑστὼς δὲ φεύγει καὶ διᾴττων προσμένει. Zur Erde vgl. 148–50 (hg. Hercher, 607): στιγμὴν δὲ τὴν γῆν ὥσπερ ἐν μέσῳ φέρει, / ἐπ’ οὐδενὸς δὲ πήγματος πεπηγμένος / τὸ κοσμαγωγὸν ἀντερείδει κεντρίον. Die poetische Phantasie des Sphärikers geht hier sogar so weit, daß der sphärenschaffende Gott nicht einmal vor dem Vergleich mit dem Kotkugeln formenden Skarabäus sicher ist (1068–73). Dazu: G. Bianchi, „Sulla cultura astronomica di Giorgio di Pisida“, Aevum 40 (1966), (35–52) 39–45. 75 Hexaemeron I, 6,2 (hg. C. Kuehn, Hexaemeron [Rom 2007], 20): Ἐποίησεν ὁ Θεὸς τὸν οὐρανὸν τὴν σφαίραν, εἶτα τὴν γῆν τὸ κέντρον, ἢ γὰρ ἂν ἔδει εἰπεῖν τἀνάπαλιν· ἐποίησεν ὁ Θεὸς τὴν γῆν καὶ τὸν οὐρανόν, εἴτουν τὸ κέντρον καὶ τότε τὴν σφαίραν. Εἰ γὰρ ὡς συμπλεκτικὸν σύνδεσμον τὸν καὶ προσλαμβάνουσι καὶ ἄμφω φασὶν ἐν ταὐτῷ γεγονέναι, ἀλλ’ ἔδει κατ’ ἐκείνους τὴν ἀρχὴν τοῦ κύκλου καὶ αἰτίαν προσημανθῆναι, τὸ κέντρον ἤτοι τὴν γῆν, καὶ μὴ μᾶλλον τἀνάπαλιν. Ὅταν δ’ οὗτοι ὁμολογοῖεν ἅπαν κέντρον ἐφ’ ἑδραίου καὶ στερεοῦ τινος πήγνυσθαι καὶ οὕτω τὸ περιφανὲς περιγράφεσθαι, ἄλλως δ’ οὐκέτι, τὸν δὲ Θεὸν ἐπιγνοῖεν ἐφ’ ὑδάτων οὐκ ἀντεχόντων πρὸς οὐδὲ ἓν στεγανόν, ἀλλ’ εὐθὺς διασχιζομένων καὶ περικλυζόντων τὸ στιβαρόν, οὐ μόνον ἐπιβαλόντα, ἀλλὰ καὶ στερεοῦντα ἐπὶ διύγρων τοιούτων τὸ πιληθέν, πῶς τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν καὶ ἄνευ κέντρου τοῦτον ἐγείρειν οὐ συγχωρήσαιεν; Τὰ γὰρ ἀδύνατα παρὰ ἀνθρώποις δυνατά εἰσι παρὰ τῷ Θεῷ. Der Text steht klar in alexandrinischer Tradition: Neben Kyrill und Basilius beruft er sich auf das Ammonius v. Alexandrien, einen Chalkedonier der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts, der eine Art Katene zum Hexaemeron zusammengestellt haben soll, um aufzuzeigen, „daß die meisten den Sinn der inspirierten Schrift vergewaltigt haben, weil sie ihn nicht als Typos für die Kirche verstanden“ (praef. 4; hg. Kuehn, 10): Jeder, der den Genesisbericht ‚wörtlich‘ versteht und daraus konkrete kosmographische Konsequenzen zieht, vergewaltigt also die heilige Schrift! Interessanterweise deutet er dabei jedoch die beiden Himmel ähnlich wie die Antiochener auf die Vorhänge des Tempels, jedoch unter strikter Abweisung jeder räumlich-kosmographischen Konnotation (Hexaemeron II, 4,3 [hg. Kuehn, 56]). 76 Pisides wird nicht müde, gegen Aristoteles, Galen und andere Philosophen und Wissenschaftler zu polemisieren, deren inadäquate Erklärungsversuche die göttliche Schöpferweisheit grundlegend verkennen (vgl. Gleede, Platon und Aristoteles, 16 f.).
5.2 Spezifikum und Bedeutung der antiochenischen Kosmographie
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schlägige Fachdiskussionen suchen ließe.⁷⁷ Dies spricht dafür, daß wir auch für das fünfte und sechste Jahrhundert letztlich mit einer schweigenden Mehrheit unter den Christen und Theologen rechnen dürfen, welche, bisweilen sicher in der Tradition des apologetischen Indifferentismus, keinen Grund sehen, sich in die eine oder andere Richtung festzulegen bzw. den wissenschaftlichen Konsens anzugreifen. Jedenfalls scheinen Nonnus von Panopolis,⁷⁸ Zacharias v. Mytilene⁷⁹ und wohl auch Johannes Malalas⁸⁰ ebenso wenig Probleme mit dem sphärischen Weltbild gehabt zu haben wie Boethius und Cassiodor. Für Chalkedonier wie Monophysiten⁸¹ noch gewichtiger dürfte gewesen sein, daß Ps.-Dionysius in seinem sogenannten siebten Brief die astronomischen Wunder der Bibel, Josuas Sonnenstillstand und die Sonnenfinsternis während der Kreuzigung relativ klar als außerordentliche göttliche Interventionen in die ptolemäisch geordnete Sphärenbewegung bezeichnet,⁸² was auch seine Scholiasten, Johannes v. Skythopolis⁸³ und vielleicht Maximus Confessor⁸⁴ mit impliziter Zustimmung hervorheben. Somit spricht einiges dafür, daß der einschlägige Erfolg der diodorianischen Schule in der Tat weitgehend auf die exegetische Debatte beschränkt
77 Anastasius stellt einleitend ganz im Sinne des apologetischen Indifferentismus fest (Hexaemeron I, 1,4 [hg. Kuehn, 4]): Διὸ οὐθεὶς ἡμῖν λόγος ἐπὶ τοῦ παρόντος περὶ σχημάτων τε καὶ διαστημάτων καὶ δινήσεων καὶ κινήσεων καὶ ἀποκαταστάσεων καὶ θέσεων καὶ ἀλλοιώσεων καὶ κυκλοφοριῶν καὶ ἀντιπόδων καὶ ψηφηφοριῶν οὐρανοῦ τε καὶ Κρόνου καὶ πόλου καὶ ζῳδιακοῦ λόγου καὶ ἡλίου φορᾶς καὶ μοίρας καὶ σεληνιακῶν γενέσεών τε καὶ κινήσεων καὶ ἐκλείψεως, οὐδ’ αὖ πάλιν πολυάστρων καὶ τῶν ἐν αὐτοῖς μερικῶν ἐπιθεωρουμένων ἀστέρων, οὐ περὶ ὑδάτων γενέσεως καὶ πλημυρῶν, ἐξ ὧν καὶ τοὺς κατὰ τόπον ἐπιτελεῖσθαι σεισμοὺς ἐφαντάσθησαν οἱ τὴν μαθηματικὴν καὶ εἰκαίαν ταύτην ἐξησκημένοι τέχνην, ἐξ ἧς ὥσπερ τινὸς πανωλεθρίου λύμης ἐρρύσατο τὴν ἐκκλησίαν ὁ ἀληθὴς ἐπιδημήσας Λόγος. Τί γὰρ ἀπώνατο κέρδους ἡ ἐκκλησία, εἰ μάθῃ τὴν ἡλίου καὶ σελήνης καὶ οὐρανοῦ καὶ γῆς καὶ ἀνέμων καὶ ἀστέρων κίνησιν πᾶσαν, εἰ μὴ μόνον ἀπολλυμένην τε καὶ ψευδῆ δόξαν; 78 Vgl. etwa Dionysiaca VI, 64–66.86–88 und besonders die Aufnahme der homerischen Schildbeschreibung (vgl. o. Kap. 1 Anm. 37), ἧς ἐνὶ μέσσῳ ἐν μὲν γαῖαν ἔτευξε περίδρομον, ἀμφὶ δὲ γαίῃ οὐρανὸν ἐσφαίρωσε χορῷ κεχαραγμένον ἄστρων (XXV, 387–89; hg. F. Vian u. a., Les Dionysiaques, Bd. 9 [Paris 1990], 59) und des Gewandes der Astynomia in XLI, 296–98 (hg. Vian XV, 42), wo das Verb σφαιροῦν deutlich auf die dreidimensionale Bedeutung des zweidimensionalen Abbildes hinweist. Zu den Dionysiaca als christlichem Text vgl. R. Shorrock, „Christian Themes in the Dionysiaca“, in Brill’s Companion to Nonnus of Panopolis (hg. D. Accorinti; Leiden/Boston 2016), 577–600. 79 Ammonius 896–916 (hg. M. Minniti-Colonna, Ammonio [Neapel 1973], 124 f.) mit Berufung auf Basilius, Hexaemeron I,3, zur Abweisung des Ewigkeitsimplikats der Kugelform. 80 In Chronographia VI,27 (hg. J. Thurn, Ioannis Malalae Chronographia [Berlin/New York 2000], 130) wird jedenfalls der Pythagoräer Hippasios lobend als der erste hervorgehoben, der aus der Rotation des Tierkreises die kreisförmige Gestalt des Himmels erschloß. 81 Sergius von Reshaina muß auch diesen Text ins Syrische übersetzt haben, doch sind nur noch Fragmente erhalten (CSCO 656, 117 f.). 82 Ep. 7,2 (PTS 67, 167–69). 83 Scholion in DN 146,14 (PTS 62, 218): οὐρανίας δὲ ἀρχὰς καὶ ὑποπερατώσεις νοητέον τὴν ὡς ἐκ σημείου ἤτοι κέντρου τοῦ θελήματος τοῦ θεοῦ κυκλικῶς ὑποστᾶσαν τῶν οὐρανῶν σφαιροειδῆ δημιουργίαν. τὸ γὰρ κυκλικὸν σχῆμα ἀρχόμενον ἐξ ἑαυτοῦ εἰς ἑαυτὸ περατοῦται. 84 PG 4, 537C-41B.
214 | 5 Antiochenische Theologie und syromesopotamische Tradition war, die Christenheit jedoch nicht in größerem Umfang dazu bringen konnte, von dem Weltbild ihres Bildungshintergrundes Abstand zu nehmen. Der Theodorianismus konnte sich also für eine begrenzte Zeit eine Mode zunutze machen, die Ende des vierten Jahrhunderts entstanden war, und durch ein ansprechendes theologisches Profil gewisse exegetische Diskurse für etwa anderthalb Jahrhunderte dominieren. In der Folge von Justinians groß angelegter Kampagne gegen die drei Kapitel dürfte er jedoch auch aus der kosmographischen Diskussion in der griechischsprachigen Theologie verschwunden sein. Nach Johannes von Damaskus jedenfalls kann man die Erde nur noch für kugel- oder kegelförmig (an den Polen angespitzt) halten.⁸⁵ Die antiochenische Tabernakelkosmographie scheint somit spätestens im Lauf des siebten Jahrhunderts⁸⁶ komplett aus der griechischsprachigen theologischen Debatte zu verschwinden.
85 Expositio fidei 24 (PTS 12, 69): Σφαιροειδῆ δέ τινές φασι τὴν γῆν, ἕτεροι δὲ κωνοειδῆ. Ἥττων δὲ καὶ πάνυ σμικροτέρα ἐστὶ τοῦ οὐρανοῦ ὥσπερ τις στιγμὴ ἐν μέσῳ τούτου κρεμαμένη. Καὶ αὐτὴ δὲ παρελεύσεται καὶ ἀλλαγήσεται. 86 Vgl. Theophylakt, Historiae VII, 17,32 (hg. C. de Boor, Theophylacti Simocattae historiae [Leipzig 1887; repr. Stuttgart 1972], 280): ἀδύνατον γὰρ εἶναί φαμεν ποταμὸν ἐκ τῆς ἀντικειμένης οἰκουμένης εἰς τὴν ἡμετέραν ἀναφέρεσθαι γῆν, καὶ μάλιστα εἴ τις ὑπόθοιτο σφαιροειδῆ τὴν γῆν πεφυκέναι. πῶς γὰρ μόνος ὁ Νεῖλος ἐξ ἐκείνης φέρεται τῆς οἰκουμένης πρὸς τοὺς τόπους τοὺς καθ’ ἡμᾶς;
6 Appendix 6.1 Diodor zu den Supplementtexten der mosaischen Kosmogonie (Ps 103,1–6; 148,1–7) Testes C Parisinus Coislinianus 275 (XI/XII), fol. 254r–55v; 355v–57r V Vindobonensis theologicus graecus 8 (XI),¹ fol. 171r–73v; 272v–73v
Ps 103 Ἐν τῷ ργʹ ψαλμῷ πάντας τοὺς ἀνθρώπους προτρέπεται δοξολογεῖν τὸν θεὸν ὁ μακάριος Δαυὶδ. Οὐ μόνον γὰρ αὐτὸν ποιητὴν δεικνυς τοῦ παντὸς, ἀλλὰ καὶ ἐνίων τῶν γεγονότων καὶ τὰς χρείας ἐπισημαίνων, προσθήκην παρασκευάζει γένεσθαι τῆς τοῦ δεσπότου θεοῦ εὐφημίας. Ὁ μὲν γὰρ μακάριος Μωυσῆς ὅτι πεποίηκε τὰ ὄντα θεὸς μόνον ἔδειξεν, Δαυὶδ δὲ ὁ μακάριος καὶ τῇ μωσαικῇ τάξει ἀκολουθεῖ καὶ ἐνίων τῶν γεγονότων καὶ τὰς αἰτίας εἶπεν, ὅπερ παρελείφθη Μωυσεῖ. Ἑνὸς δὲ ἐστὶ τοῦτο τὸ ἔργον, τοῦ πνεύματος τοῦ ἐν ἀμφοτέροις λαλήσαντος δῆλον ὅτι. Διὸ καὶ ἐξ ἀμφοτέρων ἡ δοξολογία αὔξεται τοῦ θεοῦ.
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Εὐλόγει, ἡ ψυχή μου, τὸν κύριον (v. 1a) 10 Ὡσανεὶ πολλὰ ἐνθυμηθεὶς περὶ τοῦ θεοῦ καὶ ὅσα ἐδημιούργησε καὶ ὅπως καὶ ἐπὶ ποίαις αἰτίαις ἐγκελεύεται ἑαυτὸν δοξολογεῖν τὸν θεὸν καὶ τοῦτο σημαίνων ἐπάγει· κύριε ὁ θεός μου, ἐμεγαλύνθης σφόδρα (v. 1b) Ὡσανεὶ πολλὰ μὲν λογισάμενος μεγάλα περὶ τοῦ θεοῦ, ἡττηθεὶς δὲ κατὰ τὸ ἀληθὲς, οὕτως ὡμολόγησεν, ὅτι ἐμεγαλύθης σφόδρα. Πᾶσαν γὰρ νοῦ φησι ἔννοιαν περί σου 15 μεγίστην ἐνίκησας μείζονα παράσχων ἔργα καὶ τρόπους ποιήσεως. 3 γὰρ] om. V καὶ] om. V 4 χρείας] αἰτίας C 6 καὶ] om. C 7 ἐστὶ τοῦτο τὸ ἔργον] ὄντος V 8 Διὸ καὶ] om. V
1 Kritische Abweichungen dieser Handschrift wurden von mir an deren Geschwisterkodex (vgl. CCG 6, XXXV) aus Messina (Universitatis sancti Salvatoris graecus 38) rückgeprüft, um Sonderfehler auszuschalten. Nicht zugänglich war mir leider Athos, Megiste Lavra Θ 70, der einzige Repräsentant des dritten Überlieferungszweigs in der relevanten Partie (vgl. CCG 6, XXXIV–VII). https://doi.org/10.1515/9783110750027-006
216 | 6 Appendix ἐξομολόγησιν καὶ εὐπρέπειαν ἐνεδύσω (v. 1c) Ἀντὶ τοῦ πάντα δέ σου τὰ ἔργα εὐχαριστίας πεπλήρωται καὶ μεγέθους, ὥστε εἶναι αὐτῶν τὸ μέγεθος ἐπωφελὲς τοῖς χρωμένοις. Ἐξ εὐχαριστίας οὖν καὶ μεγαλοπρεπείας δείκνυσαι 20 τοῖς πᾶσιν, ὡς ἐξ ἱματίων καθαρῶν πολλάκις ἄνθρωποι τοῖς ὁρῶσι. Τοῦτο γὰρ αἰνίττεται τὸ ἐνεδύσω. Ἄχρι τούτου προοιμιασάμενος καὶ δείξας, ὡς περὶ μεγάλων αὐτῷ ὁ λόγος καὶ ἀναγκαίων, ἄρχεται λοιπὸν καταλέγειν τὰ τῆς κτίσεως τῇ Μωυσέως ἑπόμενος τάξει, καθὼς εἴρηται. Φησὶ γὰρ· ἀναβαλλόμενος φῶς ὡς ἱμάτιον (v. 2a) 25 Καὶ γὰρ Μωυσῆς ὁ μακάριος πρὸ πάντων εἶπεν τὸν θεὸν τῶν ἄλλων τῶν μετὰ τὸν οὐρανὸν τὸν πρότερον καὶ τὴν γῆν φῶς αὐτὸν πεποιηκέναι. Τὸ δὲ ἀναβαλλόμενος ὡς ἱμάτιον τοιοῦτο ἐστίν, ὅτι οὕτως ἑτοίμως τὸ φῶς ἐξήπλωσας ἐπὶ τὴν κτίσιν πᾶσαν, ὡς εἴ τις ἱμάτιον ἁπλῶσας ἐφ᾿ ἑνὶ τόπῳ. Εἰπὼν τὸ φῶς γεγενῆσθαι οἷον τῇ πρώτῃ ἡμέρᾳ ἐπάγει καὶ τὰ τῆς δευτέρας· 30 ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέρριν (v. 2b)
Καὶ γὰρ τῇ δευτέρᾳ ἡμέρᾳ φαίνεται γεγονὸς τὸ στερέωμα. Ἐγένετο δὲ ἐν μέσῳ τοῦ πάντος ὕδατος τοῦ ὑπεράνω τῆς γῆς, ὥστε τὸ πολὺ ὕδωρ φέρειν καὶ στέγην ὑπὲρ αὐτοῦ. Ἐπειδὴ γὰρ ἔμελλε προσομιλεῖν ἡλίῳ θερμοτάτῳ στοιχείῳ καὶ φλέγοντι πλέον ἢ τὸ πῦρ, ἀντεστήκωσε τῇ κάτωθεν φλογώσει τὴν ἄνωθεν ὑγρασίαν κατὰ μίμησιν τοῦ λέβητος 35 τοῦ ἔχοντος ὕδωρ ὑπεράνω καὶ κάτωθεν ὐποκαιομένου ὥστε τῇ κατὰ μέρος δαπάνῃ τοῦ ἐπικειμένου ὕδατος μὴ βλάπτεσθαι τὴν μεσιτείαν τοῦ στερεώματος τῇ ὑποκάτωθεν ἐκφλογώσει.
ὁ στεγάζων ἐν ὔδασι τὰ ὑπερῷα αὐτοῦ (v. 3a) Ἀντὶ τοῦ αὐτοῦ τοῦ στερεώματος λέγει τοῦ ἐπικληθέντος κατὰ δεύτερον λόγον οὑρανοῦ 40 καὶ αὐτοῦ. Τὸ δὲ ὡσεὶ δέρριν ἀντὶ τοῦ ὡς σκήνην τριχίνην λέγει ἢ τί τοιοῦτο. Καὶ γὰρ ἡ τοιαύτη σκηνὴ κυρτουμένη τὰ νῶτα κοιλαίνεται τοῖς ἀκροῖς ἑκατερώθεν καὶ περισφίγγεται. ὁ τιθεὶς νέφη τὴν ἐπίβασιν αὐτοῦ (v. 3b) Ταῦτα τὰ κατὰ μέρος Μωυσῆς ὁ μακάριος οὐκ εἶπεν, τῷ δὲ τὰ περιέχοντα εἰπεῖν ἐν 45 συντόμῳ λόγῳ καὶ ταῦτα συνεσήμανεν, ἀλλὰ Δαυὶδ ὁ μακάριος ἐπεργαστικώτερον τὴν κτίσιν ἀπαγγέλλων πλείονος δοξολογίας παραίτιος γίνεται τῷ δεσπότῃ. Καὶ ἅμα σημαίνει, ὡς οὐκ ἠγνόησε τὰ κατὰ μέρος Μωυσῆς, ἀλλὰ τοῖς καιριωτέροις στοιχείοις καὶ τὰ μικρὰ συνεμήνυσεν. Αὐτὸς οὖν ὁ Δαυὶδ τοῦτο λέγει, ὅτι πεποίηκε δὲ μετὰ τὸ 27 τοιοῦτο] τοιοῦτον C 33 στοιχείῳ] add. θερμοτάτῳ C 36 ἐπικειμένου] ὑποκαιομένου V 39 τοῦ] om. C 40–2 Καὶ … περισφίγγεται] τὴν εὐκολίαν διὰ τοῦτο διδάσκων. ὡς γὰρ ἀνθρώπῳ ῥάδιον δέρριν ἐκτεῖναι καὶ ποιῆσαι σκηνὴν οὕτως ὁ τῶν ὅλων θεὸς τὸ μέγα κῦτος τοῦ οὐρανοῦ (ex Theodoreto, PG 80, 1696; vgl. CCG 6, XXXI f.) C 48 Αὐτὸς … μετὰ] om. C
6.1 Diodor zu den Supplementtexten der mosaischen Kosmogonie (Ps 103,1–6; 148,1–7)
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στερέωμα καὶ νεφῶν ἁθροὰν καταδρομὴν, εἴ ποτε βουληθείη, ὡς δοκεῖν τὴν τῶν νεφῶν ἐπιδρομὴν αὐτοῦ τοῦ θεοῦ μηνύειν ἐπιστασίαν, ὅθεν ἐπιφέρει· 50 ὁ περιπατῶν ἐπὶ πτερύγων ἀνέμων (v. 3c) Tοσαύτην γάρ φησιν ὀξύτητα τῆς παρουσίας αὐτοῦ σημαίνει τῶν νεφῶν ἡ καταδρομή, ὥστε δοκεῖν αὐτὸν τὸν θεὸν ταῖς πτέρυξιν τῶν ἀνέμων ἐπτερώμενον ὡσανεὶ ἐποχούμενον παρεῖναι, οὗπερ ἂν βουληθῆ. Ἐπειδὴ γὰρ καὶ αὐτὰ τὰ νέφη τῇ τῶν ἀνέμων σφοδρότητι συνελαύνεται, εἶπε δὲ ταῦτα μηνύων ἐπιστασίαν θεοῦ, ἀναγκαίως ἔφησεν 55 ὅτι δοκεῖ παραγίνεσθαι θεός, ὅταν βουληθῆ, ὡσανεὶ ποσὶ κεχρημένος τοῖς τῶν ἀνέμων πτέροις. Εἶτα δεικνὺς τοῦ θεοῦ καὶ τὰς ἄλλας δυνάμεις ὀξυτάτας οὔσας καὶ ἰσχυρὰς, αἷς κέχρηται, ἐπειδὰν βουληθῆ, ἐπιφέρει· ὁ ποιῶν τοὺς ἀγγέλους αὐτοῦ πνεύματα καὶ τοὺς λειτουργοὺς αὐτοῦ πῦρ φλέγον (v. 4) Ἐπισημάντεον δὲ, ὅτι οὐδὲ τῶν ἀγγέλων ἐμνημονεύσε Μωυσῆς ὁ μακάριος, Δαυὶδ 60 δὲ καὶ ταύτην ἀναπληροῖ τὴν παράλειψιν. Πνεύματα δὲ ἐκάλεσε τοὺς ἀγγέλους, ἵνα σημαίνῃ δυνάμεις ὀξυτάτας, πῦρ δὲ φλέγον, ἵνα καὶ τὸ τιμωρητικὸν τῶν δυνάμεων αἰνίξηται, ᾦ κέχρηται, εἴ ποτε χρεία γένοιτο, ἄλλως τε ἐπείπερ ἔθος τῇ γραφῇ πάντα τὰ μὴ ὁρώμενα πνεύματα καλεῖν ὡς ἀσώματα ἐν συγκρίσει τῶν ὁρωμένων σωμάτων, ἐπεὶ καὶ αὐτὰ τὰ ἀσώματα πάλιν ἐν συγκρίσει τοῦ πεποιηκότος σώματα εὑρίσκεται, ὥστε 65 κυρίως ἀσώματον εἶναι τὸ θεῖον μόνον ὡς ἀπερίγραφον καὶ αὐτὸ δικαίως καλεῖσθαι πνεῦμα, καθὼς καὶ ὁ κύριος παρέδωκε τῇ Σαμαρείτιδι λέγων πνεῦμα ὁ θεός (Joh 4,24). Ὁμωνύμως δὲ λέγεται καὶ τὰ ἄλλα ἀόρατα πνεύματα ὡς μὲν πρὸς ἡμᾶς ὄντα πνεύματα, ὡς δὲ πρὸς τὸν θεὸν σώματα. ὁ θεμελιῶν τὴν γῆν ἐπὶ τὴν ἀσφάλειαν αὐτῆς (v. 5a) 70 Εἰπὼν τὰ ἐπουράνια καὶ τὰ ὑπουράνια, ἐπουράνια μὲν τοὺς ἀγγέλους, ὑπουράνια δὲ τὰ νέφη καὶ τοὺς ἀνέμους, μετέβη λοιπὸν ἐπὶ τὰ τῆς γῆς μέρη. Καὶ αὕτη δὲ ἡ τάξις μωσαική. Τί δὲ βούλεται εἰπεῖν; Ὅτι κατασκεύασας οὕτως τὸν οὐρανὸν καὶ τὰ περὶ τὸν οὐρανὸν ἐθεμελίωσας καὶ τὴν γῆν οἰκείῳ θεμελίῳ στήριξας αὐτὴν, ὥστε ἀκίνητον εἶναι παντελῶς κατὰ φύσιν. Εἰ δέ τις λέγοι· Καὶ πῶς οὖν κινεῖται ἐν τοῖς σεισμοῖς, ἴστω, 75 ὅτι τοῦτο παρὰ φύσιν γίνεται. Ἴσον γάρ ἐστιν τῷ θεῷ καὶ κατὰ φύσιν τὶ θεμελιοῦν καὶ παρὰ φύσιν κινεῖν. Ἐπειδὴ γὰρ ἐν τῇ χειρὶ τοῦ θεοῦ τὰ πέρατα τῆς γῆς κατ᾿ αὐτὸν τὸν μακάριον Δαυὶδ (Ps 94,4), ὡς βούλεται καὶ θεμελιοῖ τὰ ὄντα καὶ πάλιν κινεῖ δι᾿ ἑκατέρου τὸ ἀνυπέρβλητον τῆς ἰσχύος μηνύων. Ἑπεὶ, ὅτι κατὰ φύσιν ἑστάναι τὴν γῆν καὶ ἀσάλευτον μένειν ἐδημιούργησεν αὐτὴν, ὁ ἑξῆς μηνύει στίχος. Ἐπιφέρει γάρ· 80 49–50 εἴ … ἐπιδρομὴν] om. C 53 ἐπτερώμενον scripsi] ἐπὶ πτέρμων C ἐπτερώμενον ὡσανεὶ] om. V 58 ἐπιφέρει] add. γὰρ C 61 τοὺς ἀγγέλους] om. V 63 γένοιτο] γεν-οι-ται C 71 τὰ ἐπουράνια καὶ τὰ ὑπουράνια] τὰ οὐράνια καὶ τὰ ἐπουράνια V 75 λέγοι· Καὶ] λέγει V 78 ὄντα] πάντα V
218 | 6 Appendix οὐ κλιθήσεται εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος (v. 5b) Οὐ καταστραφήσεται οὐδὲ πεσεῖται. Αὐτὴν γὰρ ἐφ᾿ ἑαυτὴν ἕδρασας δέδωκεν αὐτῇ τὸ ἀκίνητον. Εἰπὼν καὶ περὶ τῆς γῆς μετέβη καὶ ἐπὶ τὸ ὕδωρ καὶ μάλιστα τὴν θάλασσαν, τὸ ἄπειρον στοιχεῖον. Ἑπάγει οὖν οὕτως· 85 ἄβυσσος ὡς ἱμάτιον τὸ περιβόλαιον αὐτοῦ (v. 6a)
Ἀπὸ τοῦ ἰδιώματος τοῦ ἑβραικοῦ ἀρρενικὸν ἀντὶ θηλικοῦ ἐξείληφεν ὄνομα. Παρ‘ ἡμῖν μὲν γὰρ ἡ ἄβυσσος καλεῖται, παρ᾿ Ἑβραίοις δὲ ὁ ἄβυσσος ἀρρενικῶς, ὅθεν καὶ ἐπήγαγε τὸ περιβόλαιον αὐτοῦ καὶ οὐκέτι εἶπε τὸ περιβόλαιον αὐτῆς. Ὃ δὲ βούλεται εἰπεῖν, τοιοῦτο ἐστίν, ὅτι καὶ τὴν ἄβυσσον πᾶσαν οὕτως συνέχεις καὶ περιβάλλεις, ὡς εἴ τις περιβολαίῳ 90 τινὶ ἢ ἱματίῳ περιβάλοι τί πρᾶγμα καὶ συσχῆ αὐτὸ ἐν τῷ μέσῳ. Διὰ ταύτην τὴν αἰτίαν ὡς συνεχομένη πάντοθεν ἡ ἄβυσσος τῇ δυνάμει τῇ σῇ ὑψοῦται μὲν εἰς ὑπερβολὴν, ἁπλωθῆναι δὲ περαιτέρω τῶν οἰκείων ὅρων οὐ δύναται, ἀλλ᾿ ὅταν ὑψωθῇ, φησίν, ἄγαν τρόπον τινὰ τὴν ἐπιτίμησιν δεχόμενα τὰ ὕψη οἷον δειλιᾷ καὶ πάλιν εἰς τὴν οἰκείαν ἀποκαθίσταται τάξιν. Τοῦτο γὰρ οἱ ἑξῆς μηνύουσι στίχοι.
95 Ps 148
Ἐν τούτῳ τῷ ψαλμῷ τῷ ὀγδόῳ καὶ τεσσερακοστῷ καὶ ἑκατοστῷ διδάσκει πάντας τοὺς ἀνθρώπους ὁ μακάριος Δαυὶδ, ὅτι πᾶσα ἡ κτίσις ἓν σῶμα ὑπάρχει καὶ τὰ μικρὰ καὶ τὰ μεγάλα, ὅτι πάντα ὑμνεῖν ὀφείλεται τὸν δεσπότην. Ἀπὸ δὲ τοῦ ὑμνεῖν δείκνυσιν, ὅτι ποιητὴς αὐτῶν ὑπάρχει. Ἀκολουθεῖ δὲ τῇ τάξει τῇ μωσαικῇ. Ὥσπερ γὰρ ἐκεῖνος εἶπε 100 γεγενῆσθαι πρῶτον οὐρανὸν καὶ τὰ ἐν οὐρανῷ καὶ γῆν καὶ τὰ ἐν τῇ γῇ, οὕτως καὶ αὐτὸς τῇ μωσαικῇ τάξει κεχρημένος ἑκάστῳ ἐγκελεύεται ὑμνεῖν τὸν δεσπότην σημαίνων διὰ τούτου, ὡς αὐτὸς εἴη ποιητὴς τῶν ἁπάντων. Αἰνεῖτε τὸν κύριον ἐκ τῶν οὐρανῶν, αἰνεῖτε αὐτὸν ἐν τοῖς ὑψίστοις. αἰνεῖτε αὐτόν, πάντες οἱ ἄγγελοι αὐτοῦ· αἰνεῖτε αὐτόν, πᾶσαι αἱ δυνάμεις αὐτοῦ (vv. 1–2) 105 Μωυσῆς ὁ μακάριος τῶν ἀοράτων δυνάμεων οὐκ ἐμνημόνευσεν. Οὐδὲ γὰρ ἠβουλήθη τότε παιδεῦσαι τοὺς ἀνθρώπους εἶναι δύναμιν ἄλλην ἀόρατον παρὰ τὴν μίαν τὴν τοῦ θεοῦ διὰ τὸ τῶν ἀκουόντων πρὸς εἰδωλολατρίαν ἐπιρρεπὲς καὶ εὔκολον, ἀλλ᾿ εἰπὼν, ὅτι ἐγένετο ὁ οὐρανὸς συνεσήμανε δηλονότι καὶ τὰ ἐν τοῖς οὐρανοῖς. Ὁ δὲ μακάριος Δαυὶδ ὡς ἤδη τελειοτέροις παραδιδοὺς καὶ μεμαθηκόσιν ἐξ ἄλλων εἶναι δυνάμεις ἀοράτους 110 ἐγκελεύεται καὶ ταύταις ὑμνεῖν τὸν δεσπότην δεικνὺς ὡς, εἰ καὶ ἀόρατοι δυνάμεις ὑπάρχουσιν, ἀλλὰ χρεωστοῦσιν ὑμνεῖν τὸν δεσπότην. Ὡς γὰρ ἄνω ὤσι θαυμασταὶ, 82–3 Οὐ … ἀκίνητον] om. V 84 οὖν] γὰρ V 88 τοιοῦτο] τοιοῦτον C 98 μεγάλα] add. καὶ V 105 Μωυσῆς] ὁ Μωυσῆς C 106–7 τὴν τοῦ θεοῦ] om. V 107 ὅτι] om. V 108 ὁ] om. V καὶ] om. V 109 μεμαθηκόσιν] μεμάθηκεν C 110–11 δεικνὺς… δεσπότην] om. C
6.1 Diodor zu den Supplementtexten der mosaischen Kosmogonie (Ps 103,1–6; 148,1–7)
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γεγόνασι ὅμως παρὰ τοῦ πάντων κυρίου. Ἐνταῦθα δὲ κἀκεῖνο ἐπισημάντεον, ὅτι πασῶν τῶν ἀοράτων δυνάμεων μνημονεύσας καὶ παρακελευσάμενος δεῖν ὑμνεῖν τὸν δεσπότην οὐδὲ πνεύματος ἁγίου ἐμνημόνευσε οὐδὲ υἱοῦ, καίτοι γε, εἰ κτίσματα ὑπῆρχον, καὶ οὗτοι οὐκ ἠλευθέρου αὐτοὺς τοῦ ὑμνεῖν τὸν πεποιηκότα. Ἀλλ᾿ εὔδηλον, ὅτι τῶν ὑμνουμένων 115 εἰσὶ καὶ υἱὸς καὶ πνεῦμα ὡς καὶ πατὴρ καὶ οὐχὶ τῶν ὑμνούντων. Εἰς δύο γὰρ διειρημένων τῶν ὄντων, εἴς τε τὴν ἄκτιστον φύσιν καὶ εἰς τὴν κτιστὴν, ὁ μὴ μετὰ τῆς κτιστῆς φύσεως μνημόνευσας υἱοῦ καὶ πνεύματος δηλονότι τῇ ἀκτίστῳ οὐσίᾳ συντάττει τούτους ὡς ἀκτίστους καὶ αὐτοὺς καὶ εἰς τὸ τῆς θεότητος ἀξίωμα νοουμένους. Ἐκ δὲ τοῦ εἰπεῖν αἰνεῖτε ἐκ τῶν οὐρανῶν, αἰνεῖτε ἐν τοῖς ὑψίστοις τοὺς ὑπὸ τοῦ θεοῦ δύο γενομένους 120 οὐρανοὺς, ὡς ὁ μακάριος Μωυσῆς ἔφη (Gen 1,1.7 f.), ἠνίξατο, τόν τε σὺν τῇ γῇ γενόμενον καὶ τὸ στερέωμα. Αἰνεῖτε δὲ παρακελεύεται τοὺς ἐν τούτῳ καὶ τοὺς ἐν ἐκείνῳ † πᾶσιν ἀσωμάτων † διάγοντας. αἰνεῖτε αὐτόν, ἥλιος καὶ σελήνη· αἰνεῖτε αὐτόν, πάντα τὰ ἄστρα καὶ τὸ φῶς (v. 3) Εἰπὼν τὰς ἀοράτους δυνάμεις μετέβη καὶ ἐπὶ τὰ ὁρώμενα κατ’ ἀκολουθίαν· ἥλιος γὰρ 125 καὶ σελήνη καὶ τὰ ἄστρα πάντα, εἰ καὶ λαμπρά ἐστι τῇ φύσει, ἀλλὰ τῆς ὁρωμένης ἐστι οὐσίας. Εἶτα μέμνηται καὶ σώματος φύσει μὲν ὁρατοῦ, κατὰ συμβεβηκὸς δὲ μὴ ὁρωμένου. Ἐπιφέρει γὰρ οὕτως· αἰνεῖτε αὐτόν, οἱ οὐρανοὶ τῶν οὐρανῶν καὶ τὸ ὕδωρ τὸ ὑπεράνω τῶν οὐρανῶν (v. 4) Ὥσπερ Μωσῆς μετὰ τὸν πρότερον οὐρανὸν καὶ δεύτερον οὐρανὸν λέγει γεγενῆσθαι 130 τὸ στερέωμα, καὶ ὅτι μοῖρα τοῦ ὕδατος ἀπολειφθεῖσα ἀπεκρύβη ἔχουσα βάσιν μὲν τὸ στερέωμα, στεγὴν δὲ τὸν ἀνώτερον οὐρανόν, οὕτως καὶ Δαυὶδ ὁ μακάριος τὸ ἑνικὸν πληθυντικῶς ὀνομάζει οὐρανοὺς οὐρανῶν ἐκάλεσε τὸν οὐρανὸν τοῦ οὐρανοῦ, καὶ τὸ ἐν μέσῳ κρυπτόμενον τὸ ὕδωρ ἔφη τὸ ὑπεράνω τῶν οὐρανῶν. Εἶτα κοινῶς· αἰνεσάτωσαν τὸ ὄνομα κυρίου (v. 5a) 135 Ἀντὶ τοῦ· Καὶ αἱ ἀσώματοι φύσεις καὶ τὰ σώματα πάντα τά τε ὁρώμενα τά τε μὴ ὁρώμενα αἰνεσάτωσαν τὸ ὄνομα κυρίου. Εἰπὲ λοιπὸν καὶ τὴν αἰτίαν, ὦ μακάριε Δαυὶδ· ὅτι αὐτὸς εἶπεν, καὶ ἐγενήθησαν, αὐτὸς ἐνετείλατο, καὶ ἐκτίσθησαν (v. 5b) Τὸ εἶπεν καὶ τὸ ἐνετείλατο τὸ αὐτὸ λέγει, καθάπερ καὶ τὸ ἐγενήθησαν καὶ τὸ ἐκτίσθησαν. 112 γεγόνασι] om. C κυρίου] add. γεγόνασι C 113 δυνάμεων] om. C 114 καίτοι] καὶ τό C κτίσματα] κτίσμα C 119–123 Ἐκ … διάγοντας] om. V 125 μετέβη] κατέβη C 130 λέγει] om. C 133 τοῦ οὐρανοῦ] om. C 136 πάντα τά τε ὁρώμενα τά τε μὴ] τὰ μὴ τά τε C 138 ἐνετείλατο, καὶ ἐκτίσθησαν] om. C
220 | 6 Appendix 140 ἔστησεν αὐτὰ εἰς τὸν αἰῶνα καὶ εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος (v. 6a)
Ἐνταῦθα καὶ τὴν πρόνοιαν αἰνίττεται ἐν μὲν γὰρ τοῖς ἀνωτέροις στίχοις τὴν ἐκ τοῦ μὴ ὄντος εἰς τὸ εἶναι παραγωγὴν τῶν ὄντων διδάσκει, ἐν δὲ τῷ λέγειν ἔστησεν αὐτὰ εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰώνος τὴν πρόνοιαν λέγει. Οὐ γὰρ ἂν διέμενε τὰ γεγονότα μὴ παρ᾿ αὐτοῦ κρατούμενα εἰς τὸ εἶναι τοῦ πεποιηκότος, ὃθεν ἐπιφέρει·
145 πρόσταγμα ἔθετο, καὶ οὐ παρελεύσεται (v. 6b)
Δέδωκε γὰρ, φησί, τῇ κτίσει πρόσταγμα ἀπαράβατον, ὥστε εἶναι διηνεγκῆ τὰ ὄντα ἕως ἂν αὐτῷ δοκεῖ τῷ πεποιηκότι. Εἰπὼν ἄχρι τούτου τὰ ἐν τοῖς ὑψηλοτέροις τόποις μεταβαίνει καὶ ἐπὶ τὴν γῆν καὶ φησίν· αἰνεῖτε τὸν κύριον ἐκ τῆς γῆς (v. 7a)
150 Διὸ καὶ ἐπιφέρει·
δράκοντες καὶ πᾶσαι ἄβυσσοι (v. 7b) Δράκοντας εὔδηλον ὅτι τὰ κήτη τὰ μέγαλα λέγει, ὡς καὶ ἐν τῷ ργ᾿ ψαλμῷ δράκων οὗτος ὃν ἔπλασας ἐμπαίζειν αὐτῷ (Ps 103,26), καὶ ἅμα ὅτι καὶ τὴν τῶν ὑδάτων ποίησιν Μωυσῆς ἠνίξατο μὲν γεγονέναι, οὐ μὴν σαφῶς εἶπεν. Oὗτος οὖν πάλιν ὡς παραλελειμένον 155 Μωυσεῖ τὸ πρᾶγμα ἢ καὶ μὴ φανερῶς εἰρημένον οὕτως ἐπήγαγεν, ὅτι καὶ τὰς ἀβύσσους αὐτὸς ἐποίησειν καὶ πάντα τὰ ἐν τοῖς ὕδασι, ὅτι καὶ ταῦτα ὀφείλει τὸν πρέποντα ὕμνον ἀποδιδόναι τῷ δεσπότῃ. 140 τοῦ αἰῶνος] om. C 143 τοῦ αἰώνος] καὶ εἰς τὸν αἰῶνα V 150 Διὸ] om. V 152 τὰ μέγαλα λέγει, ὡς καὶ] λέγει τὰ μέγαλα, καὶ ὡς V 153 Μωυσῆς] add. μὲν V 154 μὲν] om. V οὖν πάλιν] καὶ πάλιν εἶπεν V 156 αὐτὸς] οὕτος C
6.2 Eine patristische Doxographie zur Kosmographie: Niketas v. Herakleia zu Ps 103,2 f.
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6.2 Eine patristische Doxographie zur Kosmographie: Niketas v. Herakleia zu Ps 103,2 f. Niketas, seit etwa 1085 Lehrer der biblischen Fächer an der Patriarchatsschule der Hagia Sophia und ab 1117 Bischof von Herakleia, spielt in der Katenenüberlieferung des mittelalterlichen Byzanz eine relativ zentrale Rolle, nicht nur aufgrund seiner Sammlungen zu den Evangelien und Paulusbriefen, sondern auch aufgrund der Zusammenstellung zum Psalter und evtl. zu Hiob.² Wurde das im vorliegenden Zusammenhang besonders relevante Werk zum Psalter traditionell als sehr idiosynkratisch und unzuverlässig eingestuft, hat jüngst G. Dorival in seiner umfassenden Neuevaluation aufzeigen können, daß Niketas weder in so großem Umfange eigenwillig adaptiert, wie bislang angenommen, noch durchgängig von älterem und zuverlässigerem Katenenmaterial abhängig ist, sondern in der Tat auch einzelne heute verlorene Originalkommentare, etwa denjenigen Eusebs, direkt konsultiert und so den Katenenstoff ergänzt.³ Obgleich sich die angesichts dessen begründet erscheinende Hoffnung, in den ihm zugeschriebenen Sammlungen zu Psalter und Hiob⁴ bislang unbekannte exegetische Auslassungen zur Gestalt von Himmel und Erde zu finden, leider nicht erfüllt hat, scheint das zu Ps 103,2 f. gesammelte Material doch einer editorischen Präsentation im vorliegenden Zusammenhange würdig. Niketas präsentiert sich hier als stupender Kenner der patristischen Literatur, der deutlich über die exegetischen Debatten im engeren Sinne hinausblickend die inhaltliche Bedeutung der Textstelle klar wahrnimmt und basierend auf ihren wichtigsten Parallelen, Jes 40,22 und Gen 1,6 f., besonders die klassischen patristischen Autoren mit relevanten Äußerungen zu zitieren weiß, welche den Vers selbst gar nicht direkt betreffen. Kurioserweise wählt er sich dafür zunächst das eventuell Apollinaris zuzuschreibende antisphärische Katenenfragment (daß er dessen in der Katene durch καὶ μετ’ ὀλίγα voneinander abgesetzte Stücke schlicht fusioniert, spricht wohl dafür, daß er den Text nicht im Original konsultiert) als Leittext und verknüpft diesen mit fünf anderen Texten, meist vermittelt über Stichworte, Elemente des Bibeltextes oder Zitate von Parallelstellen. Zunächst geht es um den Akt des schöpferischen Zeltaufspannens in seiner Leichtigkeit, Vorläufigkeit und Dauer, wobei über das Stichwort εὐκολία Theodoret und über das Präsens des Bibeltextes (ἐκτείνων) Origenes eingeschaltet wird. Anschließend kommt er auf die Form von Himmel und Erde zu sprechen: Hier wird eine komplexere antisphärische Fusion aus zweifelhaftem und unzweifelhaftem Apollinaris,
2 Zu Leben und Werk vgl. B. Roosen, „The works of Nicetas Heracleensis (ὁ) τoῦ Σερρῶν“, Byzantion 69 (1999), 119–144. 3 Chaines III, 492–566. 4 Catena graecorum patrum in beatum Iob collectore Niceta Heracleae Metropolita, hg. P. Junius (London 1637), 554 zitiert immerhin das Apollinarisfragment 123a zu Hi 38,38 und zeigt damit ein bleibendes Bewußtsein davon, daß dieser im Apollinaristext nicht zitierte Vers einst als wichtiger Beleg gegen die Kugelgestalt der Erde galt. Die Zuschreibung der Katene an Niketas ist allerdings nicht gesichert (Roosen, „Nicetas“, 135).
222 | 6 Appendix Basilius und Chrysostomus zwei klaren Bekenntnissen zur sphärischen Gestalt von Himmel und Erde gegenübergestellt, von denen allerdings nur das zweite aus Georgios Pisides tatsächlich auf die zu exegesierende Bibelstelle bezugnimmt, und zwar in einer Form, welche mögliche Bedenken gegen eine sphärische Interpretation der Zeltdecke⁵ relativ geschickt auffängt: Der Himmel erscheint dort als die Welt umschließendes Netz, Gewandbausch oder eben Zeltplane, welche die Gesamtheit der Elemente in sich umschlingt, mit der Erde im Zentrum. Die pointierte Grundlagenklärung des Gregor von Nyssa hingegen scheint in exegetischer Hinsicht ein wenig deplatziert und nur deswegen eingefügt, um die sphärische Weltkonzeption durch einen der klangvolleren Namen autorisiert zu sehen. Im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist natürlich das antisphärische Stück, welches den dubiosen Apollinaris zu Ps 103,2 mit zweifellos authentischem Apollinaris zu Ps 76,19,⁶ Basilius und Chrysostomus anreichert, und zwar jeweils verknüpft über Bibelzitate, namentlich Jes 40,22 und 51,6. Fast hat man den Eindruck, als würde Niketas über eine Art Parallelstellenkartei verfügen, die es ihm ermöglicht, die exegetische Debatte einer Stelle vermittelt über deren wichtigste Parallelen durch Sachdiskussionen aus ganz anderen literarischen Kontexten zu unterfüttern. Natürlich wüßten wir angesichts dessen gerne, ob er das Zitat aus Ps 18,7 aus eigener Regie hinzufügt oder einen weiteren, einem Stück aus der Genesiskatene verwandten Text vor Augen hat, welcher einen von Ps 18,7 ausgehenden Severianpassus abwandelt und durch Jes 13,5 anreichert.⁷ Leider wird sich diese Frage jedoch ebenso wenig beantworten lassen, wie die ohnehin notorisch unzuverlässigen Zuschreibungen irgendwelche näheren Auskünfte über die Herkunft gerade des zweifelhaft Apollinarischen Stückes zulassen. Auch die Tatsache, daß Niketas dieses Stück so intim mit einem authentischen Apollinaristext verknüpft, läßt keine sicheren Rückschlüsse darauf zu, unter 5 Vgl. bes. Augustin o. Kap. 5 Anm. 20. 6 Daß er das Frg. 123a ursprünglich an dessen angestammtem Orte in der Katene vorfand, den wesentlichen Teil dann aber aus sachlichen Gründen von dort an vorliegende Stelle verpflanzte, ist dadurch ersichtlich, daß er zu Ps 76,19 den ersten Satz des Fragments (PTS 15, 48,1 f.) mit Frg. 122a verknüpft (Palatinus gr. 247 fol. 385r). 7 TEG 1, 15: Ὅτι οὐκ ἀίδιος ὁ οὐρανός (τὸ γὰρ ἀίδιον ἀσώματόν τε καὶ ἀσχημάτιστον καὶ ἀσύνθετον καὶ ἀπερίγραφον), ὅτι δὲ ἀρχὴν ἔχει καὶ τέλος, καὶ οἱ προφῆται σημαίνουσι λεγούσης τῆς γραφῆς· ὁ ἥλιος ἐξῆλθεν ἐπὶ τὴν γῆν, ἀλλ’ οὐκ ,ἀνῆλθε’· καὶ πάλιν· ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἡ ἔξοδος αὐτοῦ, οὐχ ἡ ,ἄνοδος’· εἰ γὰρ σφαῖρά ἐστιν, ἄκρον οὐκ ἔχει. καὶ ὁ σωτὴρ δέ φησιν· ὅταν ἔλθῃ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐν τῇ δόξῃ αὐτοῦ, ἀποστελεῖ τοὺς ἀγγέλους αὐτοῦ μετὰ σάλπιγγος καὶ φωνῆς μεγάλης, καὶ συνάξουσι τοὺς ἐκλεκτούς μου ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἕως ἄκρου αὐτοῦ. καὶ Μωϋσῆς δέ φησιν· ἀπὸ τῆς ἡμέρας, ἧς ἔκτισεν ὁ θεὸς ἄνθρωπον ἐπὶ τῆς γῆς, καὶ ἕως ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ καὶ Ἡσαΐας· κύριος Σαβαὼθ ἐντέταλται ἔθνει ὁπλομάχῳ ἔρχεσθαι ἐπὶ σὲ ἀπ’ ἄκρου θεμελίου οὐρανοῦ. Severian (o. Kap. 3 Anm. 69) präsentierte das Bibelcento nicht nur ohne die beiden letzten Stellen, Dtn 4,32 und Jes 13,5, sondern wollte daraus ein Argument gegen die Kugelgestalt, nicht die Endlosigkeit des Himmels erheben. Die Abwandlung des Textes könnte sich gut aus dessen Aufnahme bei Prokop, Eclogai in Gen 1,1 (GCS NF 22, 13) erklären, wo die Kugelgestalt und Rotation des Himmels bereits vorher mit Chrysostomus zurückgewiesen worden war.
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welcher Autorenbezeichnung er dieses in seiner Quelle vorfand. Historisch liefert die Passage also lediglich die recht magere Auskunft, daß das byzantinische elfte Jahrhundert wohl auch nicht wesentlich besser über die patristische Opposition gegen das sphärische Weltbild informiert war, als wir es heute sind. Das nachfolgende Stück zum Firmament, stellt zunächst mit Chrysostomus die Brücke zu Gen 1,6 f. her, um anschließend mit Basilius und Diodor die kühlende Funktion und mit Basilius und Chysostomus die sphärische bzw. kuppelförmige Form des Firmaments zu erörtern, und abschließend mit Ps.-Athanasius und wiederum Basilius noch zwei alternative Deutungen des Phänomens in den Raum zu stellen, eine ‚alltagsmeteorologische‘ und eine allegorische. Im vorliegenden Zusammenhang bedeutend ist hier vor allem der unabhängige Rückgriff auf Diodors Kommentar, vorausgesetzt, daß die Aufstellung Oliviers über die bekannten Katenenfragmente des Textes erschöpfend ist.⁸ Bedenkt man die Tatsache, daß die direkte Überlieferung für das letzte Drittel dieses Kommentars zunehmend ausdünnt, könnte die Ursprünglichkeit des abschließenden, bei Niketas überschüssigen Satzes durchaus erwogen werden, auch wenn es sich natürlich ebenso gut um ein kurzes Summarium von Niketas eigener Hand handeln kann. In jedem Fall wird erneut deutlich, daß man für eine fundierte textkritische Aufarbeitung der Tradition griechischer Psalmenkommentare dringend einer kritischen Edition der kompletten Niketaskatene bedürfte, um in solchen Fragen endlich sicheren Boden unter die Füße zu bekommen und das genaue Ausmaß des unabhängigen Rückgriffs auf Originalkommentare seitens des Bischofs von Heraklea genauer bestimmen zu können. Die vorliegende Präliminaredition konnte angesichts einer beträchtlichen Anzahl von Zeugen nur eklektisch vorgehen. Marginalien stehen zwischen Doppelschrägstrichen, größere Sprünge des Niketas bei der Aufnahme seiner Quelle werden durch eckige Auslassungsklammern markiert, Kursivierungen markieren soweit möglich die Übereinstimmung mit den (natürlich nicht immer zuverlässigen) Editionen der aufgenommenen Texte. Bei der auf der Basis dieses kurzen Textstücks natürlich nur sehr tentativ möglichen Gewichtung der Zeugen ergab sich immerhin, daß der mit Abstand jüngste H nicht nur einen deutlich besseren Text bietet als der sehr eigenwillige P, sondern – nach Ausweis des „Originals“ – an drei Stellen sogar gegen L und P das Richtige bewahrt zu haben scheint. Hervorzuheben ist ebenfalls die nahezu durchgehende Übereinstimmung in den Zuschreibungen, mindestens zwischen H und L, wobei sich die meisten Fehlzuschreibungen pars pro toto erklären, das jeweilige Textstück also wenigstens zu einem kleinen Teil tatsächlich vom angegebenen Autor stammt.
8 Vgl. CCG 6, LVI.
224 | 6 Appendix Testes L Laurentianus Plut. 5.14 (s. XII), fol. 257v–261v H Harleianus 5971 (s. XVII), fol. 456v–458r P Coislinianus 190 (s. XIV), fol. 67v–68v
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ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέρριν· (v. 2b) // Θεοδωρήτου// Δεύτερον τοῦτο προνοίας ἔργον τίθεται τὸ ἐκτείνεσθαι τὸν οὐρανὸν οὕτως εὐχερῶς, ὥσπερ τι ἔκταμα καὶ δέρμα ἢτοι σκηνὴν ἐν χερσὶ τεχνίτου. Ὁμοῦ δὲ καὶ τὸ σχῆμα καὶ τὴν εὐκολίαν τοῦ δημιουργήσαντος διὰ τούτου παρέστησε. Ὡς γὰρ ἀνθρώπῳ ῥᾴδιον δέῤῥιν ἐκτεῖναι καὶ ποιῆσαι σκηνὴν, οὕτως ὁ τῶν ὅλων θεὸς τὰ μεγάλα κύτη τῶν οὐρανῶν διεπέτασε λόγῳ μόνῳ χρησάμενος. //Χρυστοστόμου// Ἅμα δὲ καί τι ἕτερον ᾐνίξατο νόημα ὑψηλὸν, ὅτι πρὸς ἕτερον βίον ὁδεύομεν, καὶ τὰ παρόντα σκιὰ τῶν μελλόντων, καὶ οὐδέπω πρὸς τὰ ἄδυτα ἀφικνούμεθα, ἀλλ’ ἔτι ἐν σκηνῇ ἐσμεν τῷ παρόντι βίῳ. Ἡ γὰρ σκηνὴ τῶν λυομένων. […] Οὕτω καὶ τοῦ οὐρανοῦ τούτου ἀλλασσομένου ἕτερος ἔσται τρόπος ζωῆς τῆς παρούσης ἀμείνων. Ἔσται γὰρ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή. //Γρηγορίου θεολόγου// Οὐκ εἶπε δὲ ὁ ἐκτείνας, ἀλλ’ ὁ ἐκτείνων ἢτοι ἀδιαφόρως ἢ μᾶλλον, ὅτι ἅπαξ μὲν αὐτὸν κατ’ οὐσίαν ἐξέτεινεν, ἀεὶ δὲ αὐτὸν κατὰ πρόνοιανἐκτείνει, καθὸ εἴρηται καὶ τὸ ‚ὁ πατήρ μου ἕως ἄρτι ἐργάζεται (Joh 5,17).‘ Τοιοῦτόν καὶ τὸ παρὰ τῷ Ἰὼβ (9,9)· ὁ ποιῶν πλειάδα καὶ ἕσπερον. Ἅπαξ γὰρ ταῦτα ποίησας οἰκονομεῖ αὐτῶν τὴν συντήρησιν. //Χρυστοστόμου// Ἀλλ’ ἀκουσώμεθα ὅσα περὶ οὐρανοῦ οἱ προφῆται λέγουσιν, ἵνα τὰ στόματα τῶν ἐπὶ τῷ πώγωνι μέγα φρονούντων ἐμφράξωμεν, οἳ τὰ ἐπελθόντα φθεγξάμενοι καὶ ὑπὸ γῆν οὐρανὸν εἶναι λέγουσι, πρὸς οὓς ἱστάμενος ὁ προφήτης ἔλεγε· ‚ὁ ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέρριν‘. Ἡ δέρρις οὐ σφαῖρά τίς ἐστι κατὰ τὴν ἐκείνων ληρωδίαν, ἀλλ’ ἡμικυκλίῳ τινὶ καὶ ἡμισφαιρίῳ προσέοικεν. Ὅπερ οὖν ἕτερος προφήτης (Jes 40,22) δηλῶν ἔλεγεν· ‚Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν (οὐχ ὡς περιαγαγὼν κύκλῳ) καὶ διατείνας 2–4 Δεύτερον … παρέστησε] Apollinaris (?), Frg. in Ps 103,2 (PG 27, 436B7–10). Vgl. o. Kap. 2 Anm. 81–83 4–6 Ὡς … χρησάμενος] Theodoret, In Ps 103,2 (PG 80, 1696A12–15) 7–11 Ἅμα … καινή] Apollinaris (?), Frg. in Ps 103,2 (PG 27, 436B12-C5) 12–16 Οὐκ … συντήρησιν] Origenes, Scholion in Ps 103,2 (PG 12, 1560D6–10) 17–28 Ἀλλ’ … παρέστησεν] Apollinaris (?), Frg. in Ps 103,2 (PG 27, 436C5–14) 22–27 οὐχ ὡς … εὑρεῖν] Apollinaris, Frg. 123a zu Ps 76,19 (PTS 15, 48,9–12.2 f.). Vgl. o. Kap. 2 Anm. 68 2 Θεοδωρήτου] om. P 3 εὐχερῶς] οὐχουρῶς H 4 εὐκολίαν] add. παρίστησι P παρέστησε] om. P 5 τῶν ὅλων] om. P 6 κύτη] om. H διεπέτασε] add. κύτη H 7 Χρυστοστόμου] om. P καί τι] καίτοι L καὶ P ἕτερον] add. τι P 8 οὐδέπω] οὐδέποτε P 9 ἔτι] ὅτι LP 10 τρόπος] add. τῆς P ἀμείνων] add. in marg. Γρηγορίου θεολόγου H 12 Γρηγορίου θεολόγου] om. H 14 καθὸ] καὶ P ἕως ἄρτι ἐργάζεται] ἐργάζεται ἕως ἄρτι κἀγὼ ἐργάζομαι P 18 οἳ] add. γὰρ P 21 οὖν] add. καὶ P 22 ὡς περιαγαγὼν] ὥσπερ ἀγαγὼν H Ὁ στήσας… κύκλῳ] ὅτι L
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ὡς σκηνὴν (οὐχ ὡς κύκλον περιελίξας)‘, καὶ πάλιν, ὅτι οὐ περιδονεῖται, ἀλλ’ ἕστηκε πεπηγώς (Jes 42,5)· ‚Ὁ πήξας τὸν οὐρανόν‘. Καὶ ὁ Ἡσαΐας (13,5)· ‚ἀπ᾿ ἄκρου θεμελίου τοῦ οὐρανοῦ‘, ὥστε τεθεμελιωμένου ἑστῶτος, οὐχὶ κύκλῳ περιθέοντος. Καὶ ὁ Δαυὶδ (Ps 18,7)· ‚Ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἡ ἔξοδος αὐτοῦ‘. Καὶ ἁπλῶς σφαιροειδῆ τὸν οὐρανὸν ἐν τοῖς θείοις λογίοις οὐκ ἔστιν εὑρεῖν. Καὶ τὴν εἰς ἄκρον δὲ αὐτοῦ λεπτότητα ὁ Ἠσαίας (51,6) ἡμῖν παρέστησεν εἰπὼν· ‚Ὁ στερεώσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καπνόν‘, τουτέστι λεπτὴν φύσιν καὶ οὐ στερεὰν οὐδὲ παχεῖαν εἰς τὴν τοῦ οὐρανοῦ σύστασιν οὐσιώσας. Καὶ περὶ τοῦ σχήματος δὲ ἱκανὰ ἡμῖν τὰ παρ’ αὐτοῦ, εἰπόντος ἐν δοξολογίᾳ θεοῦ· ‚Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν‘. Τοῦτον γὰρ τὸν καλόν, τὸν μέγαν, τὸν διαρκῆ, ὡς ἂν εἰ παίζων τις καλύβην ποιήσειεν, οὕτω μετ’ εὐκολίας ὁ θεὸς εἰργάσατο. Καὶ ταῦτα μὲν ὁ χρυσοὺς τὴν γλώτταν πατήρ. //Γρηγορίου Νύσσης// Ὁ δε Νυσσεὺς θεῖος Γρηγόριος φησίν, ὅτι περιέσχεν ἐν κύκλῳ τὰ πάντα τὸ οὐράνιον σῶμα, τὴν δὲ μέσην τοῦ παντὸς ἀπέλαβε χώραν τὰ βαρέα καὶ κατωφερῆ τῶν σωμάτων, γῆ τε καὶ ὕδωρ, ἐν ἀλλήλοις διακρατούμενα. […] Kαὶ ἡ μὲν κυκλοφορουμένη οὐσία διὰ τῆς ὀξείας κινήσεως τὸ ναστὸν τῆς γῆς ἐν κύκλῳ περισφίγγει, τὸ δὲ στερρὸν καὶ ἀνενδότον τῆς γῆς διὰ τῆς ἀμεταθέτου ποιότητος ἀδιαλείπτως ἐπιτείνει τῶν περὶ αὐτὴν κυκλουμένων τὴν δίνησιν. […] Καὶ οὔτε ἡ γῆ τῆς ἰδίας βάσεως μετατίθεται, οὔτε ὁ οὐρανός ποτε τὸ σφοδρὸν ἐνδίδωσι καὶ ὑποχαλᾷ τῆς κινήσεως. //Πισίδου// Εἰ καὶ καπνοῦ δὲ τοῦτον ἐμφάσεις ἔχειν / προβλεπτική τις εἶπεν ὀξυδορκία, / κενεμβατούσης τῆς φορᾶς τῶν ὀμμάτων / πρὸς τὴν ἀμυδρὰν τῆς ῥοπῆς θεωρίαν, / ἢ σφαῖραν ἡμίτμητον ἀψῖδος δίκην / ὑψουμένην ἄνωθεν ἢ κυρτουμένην / ἢ καὶ πρὸς αὐτὴν τὴν κάτω φορουμένην / – ἐκ τῶν ἄνω γὰρ γνωστικῶν κυλισμάτων / κάτωθεν ἄλλη φαίνεται κεκρυμμένη –, / ὅμως ἔχει στήριγμα τὴν ἔν σοι βάσιν, / εἰς βάθρον ἀστήρικτον ἐστηριγμένος. / Ὦ δέρριν ὥσπερ ἐξαπλώσας τὸν πόλον. / Ἄνω γὰρ ἦρται καὶ βαθύνεται κάτω, / ἴσας δὲ κύκλῳ τὰς ἀποστάσεις ἔχει, / ἑστὼς δὲ φεύγει καὶ διᾴττων προσμένει. / βάσει τρεχούσῃ καὶ φορᾷ πεπηγμένῃ / τρέχει δὲ τῷ σύμπαντι τὴν ἐναντίαν. / Ἔστι δὲ πασῶν ἀκροτήτων ἀκρότης. / Μέγας γάρ ἐστιν ὡς θεοῦ μικρὸς θρόνος, / ἡβᾷ δὲ γηρῶν καὶ παρακμὴν οὐκ ἔχει, / ἕως ὁ πήξας αὐτὸν εἱλίξει λόγος. / Φρουρεῖ δὲ πᾶσαν ὡς ἐν εἱρκτῇ τὴν φύσιν, / τηρεῖ δὲ τὰ στοιχεῖα φραγμώσας ὅλα, / κόλπος δὲ παντὸς γίνεται κινουμένου, / φθάνει δὲ πᾶν κίνημα συγκινῶν ὅλα, / στιγμὴν δὲ τὴν γῆν ὥσπερ ἐν μέσῳ φέρει, / ἐπ’ 24–6 Καὶ … αὐτοῦ] Vgl. o. Anm. 57. 28–31 Ὁ … καμάραν] Basilius, Hexaemeron I,8 (GCS NF 2, 14 f.). Vgl. o. Kap. 2 Anm. 41 31–2 Τοῦτον … εἰργάσατο] De incomprehensibilitate Dei 2 (SC 28, 132): Ἀλλὰ τοῦτον τὸν καλόν, τὸν μέγαν, τὸν φαιδρόν, τὸν κατηστερωμένον, τὸν διαρκῆ, τὸν ἐπὶ τοσοῦτον ἑστηκότα χρόνον, ὁ Θεὸς οὗτος, ὃν σὺ περιεργάζῃ καὶ τῇ τῶν οἰκείων λογισμῶν ὑποβάλλεις περιγραφῇ, ὡς ἂν εἰ παίζων τις καλύβην ποιήσειεν, οὕτω μετ’ εὐκολίας εἰργάσατο. Καὶ τοῦτο ἐμφαίνων ὁ Ἡσαΐας ἔλεγεν· Ὁ στήσας τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ καμάραν καὶ διατείνας αὐτὸν ὡς σκηνὴν ἐπὶ τῆς γῆς. 34–40 Ὁ … κινήσεως] De opificio hominis 1,1 (hg. G. Forbes, Sancti patris nostri Gregorii Nysseni Basilii Magni fratris quae supersunt omnia, Bd. 1 [Bruntisland 1855], 114) 41–60 Εἰ … κτίσει] Georgius Pisides, Hexaemeron 94–104.89.105.107 f.121.110.121.131–33.144–58.81 f.590 f.599 (hg. Hercher, 605–8.621 f) 29 οὐδὲ] οὔτε P 33 πατήρ] om. H 40 σφοδρὸν] σφαλερὸν ante correctionem P 41 Πισίδου] om. P
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226 | 6 Appendix οὐδενὸς δὲ πήγματος πεπηγμένος / τὸ κοσμαγωγὸν ἀντερείδει κεντρίον. / Συνδεῖ δὲ τὴν ἄβυσσον ὡς ἐν σπαργάνῳ, / κυκλοῖ δὲ τὴν σύμπασαν ὡς ἐν δικτύῳ, / σφίγγει δὲ 55 πάντα σοι κρατούμενος μόνῳ / καὶ τὸν τοσοῦτον κόσμον ἐγκλείσας ἔσω / ἔξωθεν αὐτὸς τῷ πλάτει συσφίγγεται. / Μετρουμένη γὰρ οὐρανῶν ἀμετρία / ὡς πρός σε νυγμὴ γίνεται στενουμένη. / Ὦ μηχανουργὲ τῆς πολυστρόφου στέγης, / ὦ τὴν ἀνεξεύρητον ἣν ἔχεις φύσιν / κρύψας ὁμίχλῃ καὶ περιστείλας γνόφῳ, / καὶ φῶς μὲν οἰκῶν, τοῖς δὲ τὴν σὴν οὐσίαν / ζητοῦσι πολλὴν ἀντιπέμπων ἑσπέραν, / δεικνὺς δὲ σαυτὸν ἐν κατόπτρῳ τῇ 60 κτίσει.
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ὁ στεγάζων ἐν ὕδασι τὰ ὑπερῶα αὐτοῦ (v. 3a) //Χρυσοστόμου// Ὑπερῶα τίνος; εἰπέ μοι . Toῦ οὐρανοῦ. Ὑπὲρ γὰρ τῶν νώτων τοῦ στερεώματος πολλὴ περικέχυται φύσις ὑδάτων. Οὕτω καὶ εἴρηται (Gen 1,6)· Γενηθήτω στερεώμα ἐν μέσῳ τοῦ ὕδατος καὶ ἔστω διαχωρίζον ἀνὰ μέσον ὕδατος καὶ ὕδατος, τοῦ ἐπάνω τοῦ στερεώματος καὶ τοῦ ὑποκάτω τοῦ στερεώματος. Ἄπλετος ἡ τοῦ ὕδατος χύσις τῇ γῇ περιεκέχυτο, οὐχὶ συμμέτρως ἔχουσα πρὸς αὐτὴν, ἀλλ’ εἰς τὸ πολλαπλάσιον ὑπερβάλλουσα, οὕτως ἐξ ἀρχῆς τοῦ μεγάλου τεχνίτου προβλεψαμένου τὸ μέλλον, καὶ διὰ τὴν ἐφεξῆς χρείαν τὰ πρῶτα διαθεμένου. Ἡ δὲ αἰτία καὶ χρεία τοῦ ἀμύθητον ὅσον ὑπερβάλλειν τὸ ὕδωρ αὕτη ἐστίν· Ἐπειδὴ ἀναγκαία τῷ παντὶ τοῦ πυρὸς ἡ οὐσία, […] ἀντικείμενα δὲ ταῦτα ἀλλήλοις, καὶ φθαρτικὸν ἕτερον ἑτέρου, πῦρ μὲν τοῦ ὕδατος, ὅταν ἐπικρατῇ τῇ δυνάμει, ὕδωρ δὲ πυρὸς, ὅταν ὑπερβάλλῃ τῷ πλήθει, ἔδει δὲ μήτε στάσιν εἶναι πρὸς ἄλληλα, μήτε ἐν τῇ παντελεῖ τοῦ ἑτέρου ἐκλείψει ἀφορμὴν παρασχεθῆναι τῷ παντὶ πρὸς διάλυσιν, τοσαύτην τοῦ ὑγροῦ τὴν φύσιν ὁ οἰκονομῶν τὸ πᾶν προαπέθετο, ὥστε μέχρι τῶν τεταγμένων ὅρων τῆς τοῦ κόσμου συστάσεως κατὰ μικρὸν τῇ δυνάμει τοῦ πυρὸς ἐξαναλισκόμενον ἀντισχεῖν. Ὁ τοίνυν ἅπαντα σταθμῷ καὶ μέτρῳ διαταξάμενος (ἀριθμηταὶ γὰρ αὐτῷ, κατὰ τὸν Ἰὼβ [36,27], καὶ σταγόνες εἰσὶν ὑετοῦ) ᾔδει πόσον τῷ κόσμῳ χρόνον ἀφώρισεν εἰς διαμονὴν, καὶ πόσην χρὴ τῷ πυρὶ δαπάνην προαποθέσθαι. Οὗτος ὁ λόγος τῆς τοῦ ὕδατος περιουσίας κατὰ τὴν κτίσιν. Τὸ μέντοι στερέωμα μέσον τοῦ πάντος γέγονε ὕδατος, ὥστε στέγειν τὸ πολὺ ὕδωρ ὑπὲρ αὐτοῦ. Ἐπεὶ γὰρ ἔμελλε προσομιλεῖν ἡλίῳ θερμοτάτῳ στοιχείῳ, ἀντεστήκωσε τῇ κάτωθεν φλογώσει τὴν ἄνωθεν ὑγρασίαν κατὰ μίμησιν τοῦ ὑποκαιομένου λέβητος, ὥστε τῇ κατὰ μέρος δαπάνῃ τοῦ ἐπικειμένου ὕδατος μὴ βλάπτεσθαι τὴν μεσιτείαν τοῦ 62–5 Ὑπερῶα … ὑποκάτω] Chrysostomus, Frg. in Ps 103,2 (Malingrey, „Fragments“, 353) 66–78 Ἄπλετος … κτίσιν] Basilius, Hexaemeron III,5 (GCS NF 2, 46,15–21.23–47,8) 79–84 Τὸ … στερέωμα] Diodor v. Tarsus, In Ps 103,3 (s. o. Appendix 1) 54 σπαργάνῳ] σπαργάνοις L 63 περικέχυται] περικεῖται L Οὕτω] add. γὰρ P 65 ὑποκάτω] κάτω P 66 Ἄπλετος] add. μὲν οὖν P 74 τεταγμένων ὅρων] ὅρων τῶν τεταγμένων P 76–7 εἰσὶν ὑετοῦ] ὑετοῦ P ὑετοῦ εἰσὶν H 81 ὑποκαιομένου] ὑπερκαιομένου L ὑπερκειμένου P 82 ἐπικειμένου] ὑπερκειμένου P ὐποκαιομένου H
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στερεώματος τῇ ὑποκάτωθεν φλογώσει. Εἰ γὰρ μὴ ἐπέκειτο τὸ ὕδωρ, ἐφλέχθη ἂν ὑπὸ τῆς θερμῆς τὸ στερέωμα. Πρὸς δὲ τὸν ἐρωτῶντα, εἰ σφαιρικὸν μὲν τὸ σῶμα τοῦ στερεώματος, ῥυτὸν δὲ τὸ 85 ὕδωρ καὶ περιολισθαῖνον τοῖς ὑψηλοῖς, πῶς ἂν ἐδυνήθη ἐπὶ τῆς κυρτῆς περιφερείας τοῦ στερεώματος ἱδρυνθῆναι, εἴποιμεν ἂν, ὅτι μάλιστα μὲν οὐκ εἴ τι πρὸς ἡμᾶς κυκλοτερὲς ὁρᾶται κατὰ τὴν ἔνδον κοιλότητα, τοῦτο ἀνάγκαιον καὶ τὴν ἔξωθεν ἐπιφάνειαν σφαιρικῶς ἀπηρτίσθαι καὶ ὅλον ἀκριβῶς ἔντορνον εἶναι καὶ λείως περιηγμένον. Kαὶ δηλοῦσιν οἱ τῶν λουτρῶν λιθίνοι ὀρόφοι καὶ αἱ τῶν ἀντρωδῶν οἰκοδομημάτων κατασκευαί, κατὰ μὲν τὴν 90 ἔνδον ὄψιν εἰς ἡμικύκλιον σχῆμα περιηγμέναι, ἐν τοῖς ἄνω τοῦ τέγους ὁμαλὴν ἔχουσαι πολλάκις τὴν ἐπιφάνειαν. //Χρυσοστόμου// Ἒπειτα ὅτι διὰ τὸ θεῖον πρόσταγμα ἵδρυται τὸ ὕδωρ ὑπεράνω τοῦ στερεώματος καὶ οὐ καταρρεῖ οὐδὲ ἐξίσταται, καίτοι γε οὐκ ἔστι τοιαύτη τῶν ὑδάτων ἡ φύσις, ἀλλ’ εἰς μὲν τὰ κοῖλα συντρέχει ῥᾳδίως. Ἐπειδὰν δὲ κεκυρτωμένον ᾖ τὸ σῶμα, 95 διολισθαίνει πάντοθεν, καὶ οὐκ ἂν οὐδὲ μικρὸν αὐτοῦ σταίη μέρος ἐπὶ τοῦ τοιούτου σχήματος. Ἀλλ’ ἰδοὺ τὸ παράδοξον τοῦτο γέγονεν ἐπὶ τῶν οὐρανῶν […]. Καὶ οὔτε τὸ ὕδωρ τὸν ἥλιον ἔσβεσεν, οὔτε ὁ ἥλιος ἐπὶ τοσοῦτον χρόνον βαδίζων κάτωθεν τὸ ἐπικείμενον ἀνεξήρανεν ὕδωρ, ὥστε θαρρῶν ἂν εἴποιμι οὐχὶ φύσεως ταῦτα εἶναι ἔργα, ἀλλὰ τῆς ὑπὲρ φύσιν προνοίας. […] Καὶ ἐφ’ ἑτέρου δὲ στοιχείου τὴν θαυματουργίαν ταύτην ἔστιν εὑρεῖν. 100 Τοῦ γὰρ πυρὸς ἡ φύσις ἀνωφερής τίς ἐστι καὶ πρὸς τὸ ὕψος ἀεὶ ἅλλεσθαι πέφυκε, κἂν μυρία βιάσῃ, οὐκ ἂν ἀνάσχοιτο τῆς κάτω φορᾶς. Πολλάκις γοῦν δᾷδα ἡμμένην λαβόντες καὶ κατὰ κεφαλῆς κλίναντες τοῦ πυρὸς τὴν ὁρμὴν οὐκ ἠναγκάσαμεν κάτω νεῦσαι, ἀλλὰ καὶ οὕτως ἄνω τρέχει καὶ πρὸς τὸ ὕψος ἐπείγεται κάτωθεν. Ἐπὶ δὲ τοῦ ἡλίου τοὐναντίον ἅπαν ἐποίησεν ὁ θεός. Τὰς γὰρ ἀκτῖνας αὐτοῦ πρὸς τὴν γῆν ἔτρεψε καὶ τὸ φῶς κάτω 105 νεύειν ἐποίησε, μονονουχὶ λέγων αὐτῷ διὰ τοῦ σχήματος· Κάτω βλέπε καὶ τοῖς ἀνθρώποις φαῖνε. Διὰ γὰρ ἐκείνους ἐγένου. Καὶ λύχνου μὲν φλὸξ οὐκ ἂν ἀνάσχοιτο τοῦτο παθεῖν, ἄστρον δὲ οὕτω μέγα καὶ θαυμαστὸν κάτω νεύει καὶ πρὸς τὴν γῆν βλέπει ἀπεναντίας τῷ πυρὶ διὰ τὴν τοῦ κελεύσαντος δύναμιν. Tάχα δὲ ἐνταῦθα δείκνυσιν ὁ Δαυίδ, ὡς οὐκ εἰκῆ καὶ ὡς ἔτυχε τὸ τῶν ὑδάτων ἐν 110 ἀέρι περιφέρεται συστήμα, ὃ καὶ ὑπερῷα ἴσως θεοῦ καλεῖ, ἀλλ᾿ αὐτὸς ὁ δημιουργὸς εἰς τοῦτο εὐαρμοστίας τῇ ἰδίᾳ προνοίᾳ ἄγει τὸ πρᾶγμα, ὠς καὶ δοκεῖν ἐστεγάσθαι τῇ τῶν νεφελῶν συνδρομῇ καὶ ἁρμονίᾳ τὰ περὶ τὸν οὐρανὸν μέρη. 85–92 Πρὸς … ἐπιφάνειαν] Basilius, Hexaemeron III,4 (GCS NF 2, 43,13–23) 93–9 Ἒπειτα … ὕδωρ] Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 9,4 (PG 49, 108b-9a). Vgl. o. Kap. 3 Anm. 34. 99–109 ὥστε … δύναμιν] Chrysostomus, Ad populum Antiochenum 9,4 (PG 49, 108b) 110–13 Tάχα … οὐρανὸν] Ps.Athanasius, Scholion in Ps 103,3a (PG 27, 436D5–8) 85 δὲ] om. P 86 περιολισθαῖνον τοῖς ὑψηλοῖς] περικεχύμενον τοῖς ὑψηλοῖς καὶ περιολισθαῖνον P ἐπὶ] ὑπὲρ P 88 τὴν ἔξωθεν ἐπιφάνειαν] τῇ ἔξωθεν ἐπιφανείᾳ P 91 ἐν] add. δὲ P 93 ὑπεράνω] ἐπάνω P 95 ῥᾳδίως] δικαίως P τὸ] om. P 96 σταίη μέρος] σῶμα καὶ μέρος σταίη P 98 τοσοῦτον χρόνον] τοσούτων χρόνων L 101 ἀεὶ] om. P 102 ἡμμένην] ἡμμέλην H 105 ἅπαν] om. P 107 Διὰ … ἐγένου] om. H φλὸξ] φῶς LP τοῦτο] ταῦτα P 110 ἐνταῦθα δείκνυσιν] δείκνυσιν ἐνταῦθα P 113 τὸν οὐρανὸν] τῶν οὐρανῶν L
228 | 6 Appendix Τινὲς δὲ καὶ ὕδατα θεῖα νοοῦσιν οἷς ὑπερῷα στεγάζεται, δι᾿ ὧν ὑμνεῖται θεὸς, τουτέ-
115 στι ἀγαθὰς δυνάμεις ἀξίας οὔσας διὰ καθαρότητος τοῦ ἡγεμονικοῦ τὸν πρέποντα ὕμνον
ἀποδιδόναι τῷ κτίσαντι.
114–16 Τινὲς… κτίσαντι] Basilius, Hexaemeron III,9 (GCS NF 2, 54,2–4). Vgl. o. Kap. 1 Anm. 65
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Register Bibelstellenverzeichnis Gen 1,1 49 f., 59 f., 79, 127, 162, 219 1,2 203 1,2–3 69 1,6 23, 29, 84, 226 1,6–7 15, 101, 127, 221, 223 1,7 20 1,7–8 181, 219 1,8 60, 162 1,11 170 1,14 71, 165 1,14–17 158 1,16 18, 161 f., 182 1,17 51, 59, 76, 112, 159, 178, 182 1,20 170 1,22 113 1,26 104 2,7 69 2,7–8 159 2,8 181 2,8–9 29 2,13 30 2,23 69 3,8 158 3,24 123 7,11 15, 17, 45 8,2 15, 17 19,23 66 49,25 15 Ex 9,23 52 20,4 15 25,8–9 90 25,11 121 25,25 139 26,35 121 Lev 24,6 121 Dtn 4,32 15 f., 49, 222 https://doi.org/10.1515/9783110750027-008
13,8 16, 49 28,64 16 30,4 15 f. Jos 10,12 159 10,13 182 2Sam 22,8 15 22,16 15 1Reg 2,10 16 3,21 16 14,27 104 14,29 104 2Reg 7,2 17 7,11 17 Neh 1,9 15 9,6 24 Tob 13,13 16 1Esr 4,34 204 1Makk 14,10 16 Hi 4,10–11 68 9,6 15, 39 26,7 41, 45, 49, 58, 109, 130, 159, 165 26,7–8 49 26,11 15 26,27 109 37,9 18 38,4 15 38,4–39,30 16
Register |
38,22 18 38,37–38 49, 130 38,38 49, 221 Ps 2,8 36 10,2 79 10,3 202 17,16 15 18,2 181 18,5–7 15 18,6 37, 182 18,6–7 174 18,7 16, 18, 40, 44, 49, 66, 222, 225 23,2 15, 34, 40, 52, 57, 159 32,7 18 44,8 91 47,3 35 64,4 16 65,10–12 15 74,4 15, 39 74,7 132 74,7–8 54 76,16 45 76,19 33, 44, 222, 224 81,5 15 94,4 217 94,5 35 101,26–27 112, 175 101,27 57 102,11 57 102,11–12 21, 57 102,12 57 103,2 46, 49, 57, 201, 222 103,2–3 44, 49, 100, 130, 221 103,3 15, 33, 45, 57, 75 103,4 93, 164, 178 103,5 15, 49 f., 57 103,6 24, 58 103,13 45 103,26 220 103,30 175 113,24 69, 98, 101, 171 134,7 18 135,5 61, 65 135,5–6 36 135,6 15, 24, 39, 41, 44, 159 148,1 159 148,2 164
241
148,4 15 148,6 65, 94, 113, 115, 152 148,9 24 Prov 8,29 15 30,4 16 Koh 1,4 94 1,5–6 66, 131, 138, 159, 177 f., 204 1,6 80 Jes 13,4–5 16, 40 13,5 15, 222 13,10 174 14,12 142 24,18 15, 17 f. 25,17 112 30,26 18, 73 31,4 68 34,4 72, 111, 175 38,8 159 40,12 161 40,21 15 40,22 29, 33, 38–40, 44, 49, 53, 55, 66, 98, 130, 172 f., 199–201, 204, 211, 221 f., 224 42,5 49 f., 225 44,27 175 51,6 49, 172 65,17 73 Jer 10,11 10,13 25,16 31,37 51,16
113 18 15 f., 49 15 18
Bar 3,31 43 3,34 43 Hos 4,12 76 Am 4,13 24
242 | Register Mi 6,2 15 Hag 2,7 112 Sach 12,10 71 Mal 3,10 17 Mt 5,45 43 16,2 68 22,30 126 24,29 65, 73, 82 24,31 40, 66 24,35 65, 152 25,10 153 25,34 50, 74, 89, 142 f., 147 f., 153 26,29 89 26,64 71 Mk 13,24–25 125, 167 Lk 10,18 142 12,54–55 158 20,36 88 f. 22,16 122 24,39–43 122 Joh 3,13 150 4,24 217 5,17 224 10,16 171 19,37 71 20,19 113 20,20 71 20,27 71, 122 Act 1,11 94, 122, 124 7,55–56 143 Rm 1,20 107
3,25 139 8,19 75, 81 f. 8,20 106 8,21 106 11,5 140 13,1 106 14,17 116 1Kor 1,29 157 2,12 82 4,9 82, 97, 133 7,31 113, 115 14,7–11 68 15,39–41 68 2Kor 3,18 144 5,1–2 72 5,17 152 12,2 15, 26, 60, 109, 150, 162, 176, 181, 206 12,4 26, 181 Gal 3,28 126 4,26 91 Eph 1,10 81 f., 152 1,21 151 2,2 81, 161 3,18 203 4,10 103 5,4 204 Kol 1,16 81 f. 1Thess 1,9 95 4,16–17 71 4,17 88, 100 Hbr 1,7 178 1,14 106 4,14 71 6,19 72 6,19–20 62, 89 f., 122 6,20 88, 90, 105, 141 7,3 91
Register
8,1–2 50 8,2 49 8,5 55 8,10 107 9,1 100 9,6–7 151 9,24 62, 71 10,19–20 91 10,20 72 12,22–23 91
2Pt 3,10 175 Jud 2,9 16 11,21 16 Apk 12,9 142
| 243
Register
| 245
Personenverzeichnis Acacius von Caesarea 40, 44 Achilles Tatius 159 f. Ahob von Qatar 130 Ambrosius 199–201 Anastasius Sinaites 212 f. Anaxagoras 3 f., 8, 11, 13 Anaximander 3, 11, 13, 42
Cyrus von Edessa 123, 125 Demokrit 3–5, 7, 13 f., 35 Didymus von Alexandrien 47, 58, 114 Diodor von Tarsus 1 f., 10, 29, 33, 40, 43, 45, 47, 49–51, 53–58, 60 f., 64 f., 69–71, 76–78, 85, 91, 93, 95, 97, 99, 101, 103 f., 107, 110 f., 113, 117, 119, 155–159, 162 f., 165, 176, 178, 182, 209 f., 215, 223 Dionysius Areopagita 184–186, 189, 192 f., 213
Anaximenes 3 f., 11, 13, 39 Aphrahat 120
Elia 25, 142, 174
Apollinaris von Laodizea 39, 43–47, 50, 52, 57, 176, 202 f., 206, 221 f.
Ephraem 40–42, 50, 67, 69, 73, 83, 92, 97, 122, 131, 156 f., 162 f., 166, 168, 182, 192 f., 198, 209 f.
Aristoteles 3–5, 8, 12, 80, 92, 114, 129, 182, 211 f.
Epikur 5–8, 11 f., 32, 42
Arnobius 199
Epiphanius von Salamis 15, 97, 135, 160 f., 170
Asterius 37, 47
Eratosthenes 4–6, 8, 10
Augustin 36, 53, 161, 201, 203, 205, 208, 222
Euseb von Caesarea 12, 14 f., 31, 33, 35–37, 40, 47, 135, 155, 211, 221
Avitus von Vienne 27
Bardaisan 41, 46, 118 Basilius von Caesarea 38–40, 43, 45, 47, 53, 84, 86, 110, 169–173, 175 f., 178 f., 195, 199–201, 211–213, 222 f. Boethius 206, 213
Cassiodor 203, 206, 213 Chalcidius 206 Clemens von Alexandrien 30, 55, 103, 139, 170 f., 178, 207
Euseb von Emesa 1, 40–42, 46, 50–52, 69, 156, 163, 203, 209 Eznik von Kołb 74, 81, 132 f., 157 Filastrius von Brescia 43, 51, 208 Firmicus Maternus 199 Gennadius von Konstantinopel 74, 85–87, 89, 92, 104–107, 111, 118–120, 127 f., 198, 210, 212 Henoch 16 f., 19–25, 72, 116, 122, 124 f., 131, 140 f., 166, 183, 190–193, 209
246 | Register Herodot 3, 5, 54
Leukipp 3, 7, 13 f.
Hieronymus 14, 40 f., 203–207
Lukrez 6–8, 32
Hilarius von Poitiers 33, 36, 199 Hippolyt von Rom 10, 12–14, 85, 199 Homer 10, 14, 30, 41, 213
Irenäus von Lyon 199 Isaak von Ninive 83, 87, 89, 95, 105, 119
Mar Aba 50, 134, 155, 196 Marius Victorinus 199 Narsai von Nisibis 74, 79, 81, 83, 90, 116–128, 131, 138 f., 142, 150, 153, 158, 163, 167 f., 210 Nestorius 117 f., 163 Nonnus von Panopolis 213
Ishodad von Merv 74, 79–81, 83, 85–87, 105, 119 Isidor von Pelusium 38, 171
Oecumenius 143, 153
Isidor von Sevilla 203, 208
Origenes 15, 21, 23, 33, 36, 39 f., 44 f., 47, 55, 93 f., 100, 154, 170, 207, 210, 221
Jakob von Edessa 195
Paulus 25 f., 60, 62, 68, 84, 88, 90, 106, 142 f., 145, 150, 152, 162, 166, 176, 181, 221
Jakob von Sarug 74, 163, 198, 209 f. Johannes Chrysostomus 1, 56–61, 63–66, 68 f., 71 f., 79, 89–91, 96 f., 100 f., 108 f., 115, 151, 155, 157, 164, 171 f., 174, 176, 179, 209 f., 222 f. Johannes Philoponus 74, 154, 169, 211 Jordanes 207–209 Joseph Hazzaya 141 Josephus Flavius 55, 102 f., 207
Kosmas der Indienfahrer 2 f., 5 f., 10 f., 13, 27, 31, 48–50, 55, 63 f., 66 f., 72–74, 78, 80–83, 89 f., 92–95, 99, 106, 115 f., 120–122, 124 f., 128–134, 136–138, 142, 145–151, 153–156, 159, 162, 169, 193, 195 f., 207 f., 211 Kyrill von Alexandrien 47, 55, 87, 114, 117 f., 158, 170, 211 f.
Philon von Alexandrien 30, 55, 68, 102, 114, 180, 205 Platon 3, 12 Plutarch 32 Prokop von Gaza 45 f., 53, 74, 78, 83–91, 105, 118–120, 128, 135, 175, 209, 211, 222 Prudentius 25, 198, 206 Ps.-Athanasius von Alexandrien 47, 223 Ps.-Caesarius von Nazianz 39, 67, 110, 169, 172, 174 f., 177 f., 182, 198, 210 Ps.-Elishe Vardapet 180 Ps.-Eustathius von Antiochien 39 Ps.-Justin der Märtyrer 73, 80, 93 f., 105, 107, 114, 116, 126 f., 130, 153, 181, 210 f. Ptolemäus 2, 8, 48, 150, 195
Register |
Seneca 35 Sergius von Reshaina 184, 213 Severian von Gabala 2, 39 f., 53, 66–72, 80, 89, 92, 94, 96–98, 106, 108, 111 f., 131 f., 153, 155, 157, 162 f., 170–179, 181 f., 209 f., 222 Severus von Sebokht 184, 194 f., 208 Stomathalassa 185–193, 195, 198, 209 f. Strabo 8, 10
116–125, 127–130, 132–134, 139–141, 145, 148, 153, 155, 157–159, 161–167, 169, 180, 197 f., 210, 214 Theodoret von Kyros 12 f., 39, 43, 46 f., 60, 68, 74, 88, 93, 95 f., 98 f., 101–104, 106, 108, 131, 139, 158 f., 163, 172, 180–182, 202, 211, 221 Theophilus von Antiochien 1, 29–32, 37, 40, 53, 55, 59, 69, 176, 199 Timaios Lokros 133, 156
Thales von Milet 4, 10, 35, 39 Theodor bar Koni 74, 80, 85, 105 Theodor von Mopsuestia 1, 47, 49–55, 65, 69, 71, 73–87, 89–97, 99, 101–107, 109–111, 113,
247
Vergil 203, 208
Xenophanes 3, 42, 155
Register
| 249
Stichwortverzeichnis Allegorese 1 f., 15, 36, 69 f., 100 f., 121, 175, 178, 197, 202 f., 207, 223.
Habitat 32, 37, 50 f., 54 f., 65, 72, 84, 101, 132, 141, 162, 166–168, 181, 198, 200, 210
Antipoden/Antökumene 31, 35, 58, 129, 132, 205
Hemisphäre 15, 33, 36, 55, 201, 205, 208
Äternalismus (Ewigkeit der Welt) 4, 50, 55, 77–79, 111 f., 114, 129, 142, 147, 151, 179, 200, 213 Arche Noahs 131, 141 Astrologie 7, 54, 65, 71, 77, 157 f., 178 f., 193 f., 200 Auferstehungsleib 47, 50, 53, 56, 64, 68, 71 f., 88 f., 93, 107, 112 f., 115, 122, 126, 142–154, 167 f. Biblizismus 39, 47, 50, 58, 78, 202, 204, 208 Elemente 4, 12, 16 f., 34, 35, 41, 45, 52, 57, 61 f., 73, 81, 92, 94, 96, 102, 108, 113, 115, 125 f., 129, 132, 139, 152, 159–161, 167, 171, 179, 182, 188 f., 191, 206, 222 Enden des Himmels/der Erde 15–17, 19, 21, 25–27, 36, 41, 44, 49, 52, 66, 111, 131, 183, 209 Engel 16, 20–22, 25, 27, 43, 51, 55, 66, 78, 80–83, 85 f., 90–93, 97, 99, 104–107, 115–117, 119, 122–125, 129 f., 132 f., 144, 150, 152, 162, 164, 167, 170, 178, 180, 193–195 Fatalismus 53, 55, 78, 132, 178 f. Firmament 15, 21–27, 36 f., 41 f., 46 f., 49–55, 59–63, 67, 70–74, 83–94, 96, 100 f., 105, 108–113, 118–120, 123 f., 127, 130, 143 f., 152 f., 164–167, 171–182, 189 f., 223 Gestirne (Bewegung, Wagen) 5 f., 10 f., 17 f., 20, 24, 32, 41, 43 f., 50–52, 59, 67, 70, 72 f., 75–79, 81, 105, 109, 111–113, 119, 125 f., 131–133, 155, 157 f., 160–162, 165–167, 175–179, 182, 189, 191 f., 200, 206 f.
Himmel Plurale tantum 60, 98, 109, 130, 151, 162 Erster 20, 23, 29, 49 f., 54, 62 f., 79, 84 f., 92–94, 110, 116, 130, 152 f., 165, 171–173, 176 Dritter 15, 20, 22, 25 f., 60, 68, 98, 109, 162, 176, 181, 206 Sieben 19–25, 64, 151 Himmelfahrt 53, 56, 71, 75, 93 f., 100, 103, 115, 122–124, 137, 143, 149 f., 168, 174 Himmelsfenster/türen 17–20, 22, 24–26, 30, 33, 43, 67, 166, 183, 189 f., 192, 209 f. Himmelsrichtungen 15, 17 f., 28, 33, 54, 161, 165, 167 Himmelszelt 29, 33, 37 f., 44, 46 f., 52–55, 63, 66, 101, 130, 167, 181, 201, 221 f. Hölle 16 f., 20 f., 26, 64, 127, 143, 153, 165 Indifferentismus 12 f., 29, 38, 213 Inkohärenz (der Philosophen, Wissenschaft) 10, 12 f., 31, 39, 111, 129 f. Jahreszeiten 80, 90, 98, 121, 138, 185, 188 f., 210 Judentum/Rabbinen 15 f., 19, 21–26, 40, 42, 55, 57, 62, 90, 116, 133 f., 139, 142, 152, 166, 171, 185, 192 f., 209 Katenen 34, 41, 45–47, 61, 68, 74, 80, 87, 90, 94, 163, 211 f., 221–223 Klima(-zonen) 13, 35, 54, 132 f., 165, 185, 192, 208 Meteorologie (Regen, Hagel, Schnee) 8, 14, 16–20, 23 f., 29, 31, 33, 39, 42, 129, 132, 173, 192 f., 223
250 | Register Mond (-phasen, -licht) 4, 6, 8 f., 11, 13, 18–24, 39, 41 f., 62, 67, 73, 150, 154 f., 160–162, 166, 177 f., 182, 187 f., 191–195, 202, 208–210 Nordgebirge 5, 8, 80, 109, 121, 131, 133, 155, 159, 162, 166, 178, 183 f., 192, 208 Ökumene 5, 15, 22, 34 f., 42, 122, 131, 177, 183, 203–205 Okeanos 10, 17, 19, 21, 25–27, 41 f., 58, 66 f., 111, 121 f., 131, 139, 150, 156, 172, 177, 183, 190–193, 202, 204 Paradies 15, 20 f., 26 f., 29 f., 41 f., 68, 74, 104, 116, 120 f., 124, 131, 150, 156, 162, 168, 170, 176, 180 f., 183, 193 Paradiesberg 41 f., 131, 183, 210 Paradiesflüsse 20, 26, 30, 41 f., 68, 122, 131 Planeten 3, 19, 41, 53, 79, 90, 102, 106 f., 121, 129, 138, 146, 150, 160 f., 182, 193 Räumlichkeit 42 f., 50, 71 f., 91–94, 147 f. Rotation/Stabilität (von Himmel und Erde) 4, 22, 44 f., 51, 59, 76 f., 79, 81, 129, 157–161, 189–193, 201, 210, 222 Säulen (von Himmel, Erde) 15, 35, 39, 183, 205, 209 Schächer am Kreuz 68 f., 150, 168, 176 Stiftshütte 50, 55, 62–64, 72, 90 f., 100–103, 106, 120–124, 131, 133, 138–141, 144–147, 168, 179, 206 f. Vorhang 55, 62–64, 72, 88, 90 f., 100–103, 121, 138 f., 212 Schaubrottisch 63, 90, 102, 107, 121, 130 f., 138, 146, 168 Leuchter 63, 90, 102, 107, 121, 131, 138, 146 Sonne 3–9, 11, 13, 15, 17–20, 22– 24, 27, 30, 41, 52–54, 61, 66 f., 73, 79–81, 98, 109, 129,
131–33, 159–161, 174 f., 177 f., 183, 185–188, 190–194, 204, 208, 213 Sonnenfinsternis 6, 8–11, 13, 41, 62, 144, 154, 161 f., 193 f., 208, 213 Sphären (Planeten-, Elementar-) 6, 20 f., 24, 36, 50, 59, 81, 121, 132, 150, 159–161, 206 f., 212 f. Tag und Nacht 6 f., 9, 18, 22, 39, 54, 58, 67, 78, 80, 98, 109, 115, 131, 155, 160, 166, 177 f., 190–192, 202, 204, 208 Tempel 55, 62, 90, 122, 151 f., 206, 212 Teufel 27, 69 f., 81 f., 91, 104, 142, 175 Theodorianismus 48, 73, 81, 89, 92, 106, 112, 116, 128–130, 133 f., 139, 141, 146, 153, 155, 163, 165, 180, 182, 210, 214 (Un-)vergänglichkeit (von Himmel und Erde) 20, 47, 65, 96 f., 105, 113–115, 122, 126, 147 f., 152 f., 167 Vorratskammern (himmlische) 17, 20 f., 24, 43, 191 f. Wagen (Sonnen-, Mond-) 18, 20, 22, 30, 166, 182, 192, 210 Wasser unterirdische 4, 10, 15, 17, 24 f., 34–36, 39–41, 44 f., 57 f., 61 f., 99, 159, 165, 176, 185 f., 190 f. überirdische 15, 20, 23 f., 29, 33, 36, 39, 42, 44–46, 49, 52 f., 57, 60–62, 67, 70, 72, 78, 83–89, 98, 105, 109, 112, 118 f., 127, 131 f., 153, 165 f., 172–176, 178 f., 181, 193, 200 Weltgebäude (Boden, Decke) 17, 19, 23, 29, 32, 37, 51–53, 69, 83, 119, 130, 162, 165, 181, 201 Wissenschaft(sfeindlichkeit) 8, 10, 14, 29, 32, 39 f., 43, 48, 56, 68, 77–79, 96, 129, 133, 154–157, 179, 184, 195–197, 201, 206, 211–213