Ankara und Augustus [Reprint 2022 ed.] 9783112634868

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Ankara und Augustus [Reprint 2022 ed.]
 9783112634868

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Archäologisches Institut des Deutschen Reiches Abteilung Istanbul

Ankara und Augustus von

M. Schede und

H. St. Schultz

Druck von Walter de Gruy ter & Go., Berlin W 35

1937

Archäologisches Institut des Deutschen Reiches Abteilung Istanbul

Ankara und Augustus von

M.Schede und

H. St. Schultz

Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35

1937

Alle Rechte besonders das der Übersetzung vorbehalten

Printed in Germany

V orwort Die Schilderung des Tempels und seiner Geschichte (S. i—46) sowie fast alle photo­ graphischen Bilder stammen von M. Schede, die Zeichnungen von D. Krencker und O. Heck; damit werden für weitere Kreise die Ergebnisse der Forschungen wiederholt, die in dem Werke: Krencker und Schede (unter Mit­ arbeit von O. Heck), Der Tempel in Ankara, Berlin, Verlag Walter de Gruyter & Co., 1936, veröffentlicht wurden. Die Übersetzung des Monumentum Ancyranum und das Nachwort dazu (S. 46—68) stammen von H. St. Schultz. Weitere wissenschaftliche Literatur: Perrot, Guillaume, Delbet, Exploration archeologique de la Galatie et de la Bithynie, d’une partie de la Mysie, de la Phrygie, de la Cappadoce et du Pont, executee en 1861, Paris 1862. 1872. Th. Mommsen, Res Gestae Divi Augusti, 2. Auflage, Berlin 1883. J. Gage, Res Gestae Divi Augusti, Paris 1935. W. Weber, Princeps, Bd. I, Stuttgart 1936.

i.

Moschee und Tempel, von der Burg gesehen

I

Der Tempel des Augustus und der Roma und die Moschee des Hacci Bayram Unter den zahllosen Bauten, die uns das klassische Alter­ tum hinterlassen hat, ist der Tempel des Augustus und der Roma in Ankara, der heutigen Hauptstadt des türkischen Reiches, einer der bemerkenswertesten. Er ist nicht nur Träger einer in Steinschrift eingemeißelten Urkunde von einzigartigem geschichtlichen Wert; auch als Denkmal der Kunst ist er von besonderer Bedeutung. Weil unsere heutige Kultur nicht unmittelbar an die der Antike anknüpft, weil dazwischen der gewaltige Umbruch liegt, der sich im Aufkommen der orientalischen Religionen, Christentum und Islam, kundgetan hat, so besitzen wir von den kulturellen Erzeugnissen der Antike nur das, was sich durch blinden Zufall im Schutthaufen erhalten hat: Gutes und Schlechtes, sinnlos Zerstörtes und gnädig Verschontes wahllos durcheinander. Den Tempel in Ankara dürfen wir als ein gut erhaltenes und noch immer schönes Bauwerk in Anspruch nehmen. Die meisten antiken Denkmäler dieser künstlerischen Wert­ stufe sind auf einen erheblich kleineren Bruchteil ihres einstigen Bestandes zusammengeschmolzen, und viele der besser erhaltenen sind von sehr viel geringerer Arbeit. Daher lohnt es sich, alle seine Einzelheiten sorgfältig zu betrachten. Da der Tempel heute in enger Verbindung mit der Mo­ schee Hacci Bayram steht, erkennen wir seine Stelle im Stadtbild von überall her an dem mit zwei Umgängen aus­ gezeichneten Gebetsturm. Noch immer liegt die Ruine ein­ gezwängt in altertümliche Häuser (Bild i), und erst neuer­ dings leitet eine breite Straße, die Bayram Sokagi, zu ihm hin. Den Gebetsturm sehen wir zuerst, dann das Grabmal

6

2.

Moschee und Tempel, von der Straße gesehen

des Heiligen Hacci Bayram, endlich auch den oberen Teil der großen Tempeltür (Bild 2). Bald stehen wir vor der Ruine selbst (Bild 3), die heute als Aufbewahrungsort für Skulpturen dient und durch ein Gitter eingezäunt ist. Der Baugedanke des Tempels ist mit wenigen Blicken zu er­ fassen: die auffallendste Erscheinung der Ruine, die große Tür, vermittelt den Zugang aus einer Vorhalle zu einem höher gelegenen Innenraum, der hinten ursprünglich mit

3-

Tempelruine von vorn

einer Querwand abgeschlossen war; die wieder tiefer ge­ legene hintere Halle erreichte man daher nicht, wie es heute geschieht, durch eine Treppe aus dem Innenraum, sondern nur von außen her. Zum Verständnis verhelfen der Grabungsplan (Bild 4) und der wiederhergestellte Grundriß (Bild 5). Durch ihren regelmäßigen Steinschnitt heben sich die antiken Bestandteile (auf Bild 4 vollschwarz) ohne weiteres von der Moschee Hacci Bayram und von

8

4-

Ausgrabungsplan des Tempels

dem mittelalterlichen Anbau an seinem hinteren (nord­ östlichen) Ende ab. Um festzustellen, ob der Tempel einst Säulen besessen hat, fand 1926 eine Ausgrabung des Deutschen Archäolo­ gischen Institutes statt, deren Ergebnisse aus Bild 4 hervor­ gehen, heute aber nicht mehr sichtbar sind. Es fanden sich die Grundmauern von vier Säulen vor der vorderen Halle und von zwei Säulen in der hinteren Halle; ferner konnten vor der rechten vorderen (südlichen) Ecke Reste der Fun­ damente eines Säulenkranzes festgestellt werden, der un­ zweifelhaft das ganze Tempelhaus umschloß.

5-

Grundriß des Tempels

Außerdem konnte noch einige Meter weiter südlich (auf Bild 4 nicht eingetragen) der äußere Rand des Unterhaus ermittelt werden, der gewiß ringsum durch Stufen zugäng­ lich war. Aus allen diesen Anhaltspunkten ergibt sich der Grundriß (Bild 5) und die Gesamtansicht (Bild 6). Von den einst sichtbaren Teilen der Säulen sowie von dem Gebälk, das sie trugen, ist kein einziges Stück mehr nach­ weisbar. Wir können uns das Verlorene ähnlich vorstellen wie die Säulenstellung des Artemis-Tempels von Magnesia am Mäander (Bild 8 zeigt die Wiederherstellung im Berliner Museum). Wir wenden uns den Einzelheiten der Tempelruine zu; die Feinheit der handwerklichen Ausführung ist trotz der weitgehenden Zerstörung noch überall erkennbar. Beson­ ders gilt dies von den Fugen des Quaderwerkes, die so genau aufeinander zugeschliffen sind, daß man sie oft nur mit Mühe auffindet. Am Aufbau unterscheiden wir drei verschiedene Gestaltungen: die der Anten, d. h. der ver-

10

6.

Wiederhergestellte Gesamtansicht des Tempels

kröpften freien Enden der Wände, die der Außenwände, mit denen die der Vorhalle und der Hinterhalle überein­ stimmen, und die des Innenraumes. Die Anten haben unten ein Fußprofil nach Art der attisch-ionischen Säulen­ basis, glattes Quaderwerk, und zu oberst ein Kapitell, das aus einem zwei Schichten hohen Stein besteht, der in sehr eigenartiger Weise unten ausgehöhlt und über einen Zapfen des darunterliegenden Steines gestülpt ist (Bild 7). Auf

7.

Steinschnitt des Antenkapitells

seinen drei freien Seiten war je eine geflügelte Frau dargestellt, die über einem Akanthusbusch schwebt (Bild 9 und io). Die Wände der Außenseiten und der Hallen setzen sich zusam­ men aus einem 2 m hohen Sockel, dessen unteres Pro­ fil ein edles Palmettenorna­ ment trägt (Bild 11) und der oben mit einem Mä­ anderstreifen (Bild 12) ab­ schließt, aus 19 Schichten von Quadern, deren Rän­ der vertieft sind, so daß ein erhabener Spiegel stehen bleibt, und aus einem in mächtiger Wellenbewegung d ahinrol lenden R ankenfr ies (Bild 13). Dieser entspringt jedesmal neben den Anten­ kapitellen und trägt auf seiner ersten Einrollung die anmutige Gestalt einer Sie­ gesgöttin mit Helm oder Schild in der Hand (deut­ lich erkennbar nur noch an der rechten Innenseite der hinteren Halle, s. Bild 9, 10, 14). Die Wand des Innenraums (Bild 15) be8. Säulenjoch vom Tempel der Artemis in Magnesia am Mäander

12

g.

Antenkapitell und Rankenansatz, wiederhergestellt von Guillaume

io.

Antenkapitell und Rankenansatz

ginnt unten mit einem unauffälligen Ablaufprofil, dann baut sie sich wie außen in Quadern mit Randschlag auf und läßt weiter oben ein zierlich ornamentiertes Gesims vorsprin­ gen; von ihm hingen Kränze mit Früchten herab, jedoch sind davon nur noch die oberen Stümpfe erhalten. Es lohnt sich, dicht an die Wand heranzutreten und hinauf­ zublicken, um festzustellen, daß die jetzt verlorenen unteren Kranzteile aus ein und demselben Stein, wie das Gesims, herausgemeißelt waren und somit in geringem Abstand von der Wand frei herunterhingen. Über dem Gesimse folgen

i i.

Palmetten vom Wandsockel

14

12.

Mäanderstreifen über dem Wandsockel

vier glatte Quaderschichten, deren oberste ein zartes Ab­ schlußprofil zeigt; darüber liegt der Wandarchitrav, der zweifach gestuft und mit Eierstab bekrönt ist. Es ist dies dieselbe Steinschicht, die auf der Außenseite den Ranken­ fries trägt. Daß darüber ursprünglich noch eine weitere Wandschicht folgte, beweisen die höher gelegenen, über der Tür erhaltenen Architravreste. Wie wir schon feststellten, fehlt dem Innenraum (der »Cella«) jetzt die Rückwand, doch schließen die Abbruch­ spuren jeden Zweifel an ihrem einstigen Vorhandensein aus. Aus den schrägen Schnittflächen, die an dem Gesimse in der einstigen Ecke zu sehen sind, ist zu schließen, daß es auch an der Rückwand entlang führte. Die große Tür (Bild 16) ist eine der schönsten, die uns aus dem Altertum erhalten sind. Ursprünglich ruhte sie auf einer Schwelle von 1,14 m Höhe, die aus einem ein­ zigen Marmorblock bestanden haben dürfte und an die sich

IZ.

Rankenfries von der Außenwand

außen eine Treppe von vier bis fünf Stufen angelegt hat, um den Höhenunterschied zwischen Vorhalle und Innenraum zu überwinden. Der Umbau zur byzantinischen Kirche hat diese Schwelle beseitigt bis auf die Stümpfe, die unter den Türpfosten stehen bleiben mußten. Diese Pfosten sind 8,30 m hoch und bestehen aus je zwei Steinen (allerdings wird man die haarfeinen Fugen nur mit Mühe entdecken); über ihnen liegt quer der jetzt zur Hälfte herausgebrochene Türsturz. Pfosten und Sturz sind wie ein Architrav ab­ gestuft und mit Ornamentstreifen überzogen: einer Wellen­ ranke, einem Eierstab und einem Palmettenband. Die Tür­ verdachung besteht aus einem vorgewölbten Fries in Form eines dick geflochtenen Blattkranzes und aus einem vor­ springenden Gesimse, das von zwei schneckenförmig ge­ wundenen Konsolen gestützt wird. Diese riesige Tür­ öffnung war einst durch zwei Türflügel geschlossen, die

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an der Innenseite befestigt waren und sich daher nach innen öffneten. Sie hingen nicht, wie unsere Türen, in Angeln, sondern drehten sich nach antikem Brauch mit senkrechten Zapfen. Diese griffen in Bronzeschuhe ein, von denen die unteren dicht hinter der Schwelle in Löcher des Fußbodens versenkt waren, während die oberen an der Innenseite der Tür verankert waren, wo man die vier Be­ festigungslöcher noch sieht. Beim Offnen der Flügel legten sich die abgerundeten äußeren Kanten der Flügel in die Aushöhlung, die sich an der Rück­ seite des Türge­ wändes von oben bis unten entlang zieht (Bild 18). Die Türflügel müssen demnach die ganze Höhe der erhalte­ nen Türöffnung, d. h. etwa 8,30 m gehabt haben. We­ gen dieses gewal­ tigen Ausmaßes 4. Siegesgöttin, in der Ranke sitzend können sie kaum aus anderem Stoff als aus Holz gewesen sein. Natürlich hat man sie nicht massiv hergestellt, sondern hat sie aus Rahmen und Füllungen zusammengefügt, genau wie wir es gewohnt sind. Die Füllungen waren vermutlich mit Bronzeblech be­ schlagen, das getriebene Reliefverzierungen trug; eine Vor­ stellung solchen Schmuckes vermag uns in der Sophienkirche zu Konstantinopel die südliche Seitentür zu geben, deren innere Teile von einer antiken Tür stammen und gleiche Ornamentmotive (Mäander und Akanthusranke) sowie ähnlichen Stil wie der Tempel in Ankara aufweisen (Bild 19). Das Gesamtbild einer monumentalen Tür vermitteln uns Wandmalereien aus Pompeji; ein Beispiel aus Villa Item

S c h c (1 e - S c h u 1 t z ,

A nkara und Augustus

15. Wand des Innenraumes (die drei Fenster erst byzantinisch)

18

i6.

Die große Tempeltür

i y.

Abbild einer Tür, Wandmalerei in Pompeji

20

18.

Innenseite der Tempeltür

gibt Bild 17. Das obere Drittel der Flügel könnte in Ankara offen und nur vergittert gewesen sein. Denn die Cella war, wie stets im antiken Tempel, fensterlos. Lichteinfall war nur durch die Tür möglich, die aber gewiß nur selten, etwa an den Festtagen aufgemacht wurde. Eine vergitterte Off-

19.

Antike Bronzetür in der Sophienkirche

nung in der Tür würde für gewöhnlich wenigstens ein Dämmerlicht, wie in unseren alten Kirchen, hervorgerufen haben. Der alltägliche Zutritt erfolgte wohl durch eine kleine, in die große Tür eingelassene Pforte. Überhaupt fand ja in der Cella keinerlei Gottesdienst statt: die Stätte für die Kulthandlungen, vor allem für das Opfer, war viel­ mehr der Altar, der draußen im Freien vor dem Tempel stand. Das Tempelhaus ist nichts anderes als der Wohnraum der Gottheit, in dem ihr Bild und ihre Schätze Aufnahme finden. In Ankara wird sich das Götterbild wie gewöhnlich auf einer Basis an der Rückwand der Cella befunden haben. Ein besonders anschauliches Beispiel bietet ein kleiner Tem-

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20. Tempel des Zeus und der Tyche in Magnesia a. M.. Durch­ schnitt

pel in Magnesia am Mäander, der im Plan genau dem Tempelhaus in Ankara entspricht (Bild 20). Die Vorhalle mit der etwas aufgehöhten Cella ist hier der Hauptgottheit vorbehalten, während in der Hinterhalle eine andere Statuenbasis mit einem Altar davor auf einen Nebenkult schließen läßt; auf Grund von Inschriften wissen wir, daß der Hauptgott Zeus Sosipolis (Stadtbeschirmer) war, die Nebengottheit aber die Tyche (Glücksgöttin) der Stadt. Eine ähnliche Raumverteilung für eine Haupt- und eine Nebengottheit dürfen wir auch für den Tempel in Ankara annehmen. In welcher architektonischen Umgebung sich der Tem­ pel befand, konnte noch nicht genügend geklärt werden. Fundamentreste, die etwa 6,5 m vor dem Tempelunterbau gefunden wurden, gehören vermutlich dem Opferaltar an (Bild 6); der Vorplatz war säuberlich mit einem Stein­ pflaster bedeckt. Andere, in größerem Umfange erhaltene antike Heiligtümer gestatten den Rückschluß, daß der Tempel inmitten eines mit Säulenhallen umgebenen und durch einen Torbau zugänglichen Hofes stand oder hätte

stehen sollen. Davon ist jedoch in Ankara bisher nichts gefunden worden. Um die Entstehungszeit des Tempels in Ankara zu bestimmen, haben wir kein anderes Mittel als die kunst­ geschichtliche Beurteilung seiner Formen. Die Gesamt­ anlage zeigt ein Tempelhaus mit zwei ungleich ausgestalte­ ten Vorhallen: die vordere hat vier Säulen vor den Anten, die hintere zwei Säulen zwischen den Anten. Diese Tempelform kennen wir an dem bereits erwähnten kleinen Zeus-Tempel in Magnesia, einem kurz nach 200 v. Chr. entstandenen Bauwerk (Bild 21). Die Ringhalle des Tem­ pels von Ankara hat die Eigentümlichkeit, daß sie sich vom Tempelhaus doppelt so weit entfernt hält, wie der Abstand der Säulen unter­ einander beträgt. Eine solche Anlage nannte man im Altertum »Pseudodipteros«; man verstand sie so, als hätte ursprünglich ein »Dipteros«, d. h. ein i. Tempel des Zeus und der Ty ehe mit doppeltem Säulen­ in Magnesia a. M., Grundriß kranz umgebener T empel, entstehen sollen, wobei aber die innere Reihe in Fortfall ge­ kommen sei. Als Erfinder des Pseudodipteros galt der Bau­ meister Hermogenes, der um 130 v. Chr. gewirkt und auf den römischen Architekturschriftsteller Vitruvius großen Ein­ fluß ausgeübt hat. Ein vorbildlicher von Hermogenes ge­ bauter Pseudodipteros ist der Artemis-Tempel in Magnesia (Bild 7, 22); die Anlage seiner Ringhalle stimmt mit der des Tempels in Ankara weitgehend überein, auch in Einzel­ heiten wie dem verbreiterten Säulenabstand in der Mitte der Schmalseiten und in dem über die Säulenstellung nach außen weit hinausragenden Unterbau. Die Grundriß­ formen von Ankara finden sich daher ähnlich in Bauten des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Desgleichen entspricht

24

22.

Artemis-Tempel in Magnesia a. M., Grundriß

der Aufbau der Tempelwände genau den im zweiten Jahr­ hundert v. Chr. gebräuchlichen Wanddekorationen; wir nennen diese Kunstart in Pompeji, wo wir die Entwicklung bis ins einzelne verfolgen können, den »ersten Stil«. End­ lich entspricht auch die Ornamentik des Tempels von Ankara allem dem, was uns von der kleinasiatischen Bau­ kunst der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. erhalten ist. Wir besitzen in ihm daher ein Werk der spät­ hellenistischen1) Zeit, in der die Formen der klassisch­ griechischen Kunst im großen und ganzen noch festgehalten, in vielen Einzelheiten aber bereits abgewandelt werden: durch die pseudodipterale Anlage hat die Ringhalle eine früher unbekannte Weiträumigkeit erhalten; die Wände geben sich noch ganz überwiegend als Quaderwerk, noch nicht als architektonisch gegliederte Fassade; die Orna­ mentik verwendet noch die klassischen Motive, aber die strenge Regelmäßigkeit beginnt sich zu lockern. Welcher Gottheit zu Ehren wurde nun dieser Tempel er­ richtet, und wer waren die Bauherren? Dazu müssen wir an Als hellenistisch bezeichnen wir die Zeitspanne des Griechentums, die zwischen Alexanders und Cäsars Tode liegt, rund das dritte bis erste Jahrhundert v. Chr.

einige geschichtliche Tatsachen erinnern. Bis gegen 1200 v. Chr. herrschten im Innern Kleinasiens die Hethiter; dann brachen vom Balkan her andere indogermanische Stämme herein, die wir als Phryger zu bezeichnen pflegen und die ein mächtiges Reich bildeten; Ankara war einer ihrer Haupt­ orte. Später wurden die Phryger von den Lydern, von den Persern, von Alexander und seinen Nachfolgern abhängig. Vom dritten vorchristlichen Jahrhundert an wurde Klein­ asien wiederum durch ein Nordvolk überflutet, durch die keltischen Galater (Gallier), die nach schweren Kämpfen mit den hellenistischen Fürsten, besonders denen von Per­ gamon1), östlich und westlich von Ankara am Sangarios (Sakaria) und Halys (Kizil Irmak) seßhaft gemacht wur­ den. In ihren neuen Wohnsitzen standen sie eine Zeitlang (183—166 v. Chr.) in unmittelbarer Abhängigkeit von Per­ gamon, aus der sie dann durch Rom befreit wurden; fortan zeigten sie sich daher der römischen Politik günstig gesinnt. Trotzdem begann natürlich die griechische Kultur des westlichen Kleinasien in immer steigendem Maße auf sie einzuwirken. Die kleinasiatischen Galater setzten sich aus drei Stäm­ men zusammen: den Tolistobogiern (Hauptort Pessinus beim heutigen Sivrihisar), den Tektosagen (Hauptort Ankyra, heute Ankara) und den Trokmern (Hauptort Tauion beim heutigen Nefezköy). Jedem Stamm stand ein Herzog (»König« nannten ihn die Griechen) vor. Im ersten Jahrhundert v. Chr. setzte sich dann ein einheitliches Königtum durch, unter dem sich das Herrschaftsgebiet be­ deutend vergrößerte; Hauptstadt des Reiches wurde Ankara. Als dann im Jahre 25 v. Chr. der König Amyntas starb, machte Kaiser Augustus Galatien kurzerhand zur römi­ schen Provinz. Gegenüber der übrigen Bevölkerung bilde1) Die vielbewunderten Skulpturen in Rom, der Gallier, der sein Weib und sich selbst tötet, und der sterbende Gallier, stammen von einem Denkmal zu Pergamon, das einen Sieg über die Gallier verherrlichte; ein solches war auch der berühmte pergamenische Altar.

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ten die Galater eine Art Herrenschicht; indessen verharrten die Unterworfenen bei ihren alten Sitten und insbesondere bei ihren religiösen Vorstellungen; diese waren ihnen zwar z. T. aus der fernen Hethiterzeit überkommen; doch hatten die äußeren Formen der Verehrung wohl durchweg phrygische Art angenommen. So hatten die Phryger z. B. in Pessinus für eine Hauptgottheit Kleinasiens, die Götter­ mutter Kybele, jenen orgiastischen Kult herausgebildet, der sich später in Rom und über das ganze römische Reich ausgebreitet hat. Auch eine andere kleinasiatische Haupt­ gottheit, der Mondgott Men, galt bis in späte Zeit als aus­ gesprochen phrygisch. Innerhalb des galatischen Landes nun war Ankara der Mittelpunkt der Men-Verehrung, sogar noch in römischer Zeit, wie Münzbilder bekunden; daher ist das stattlichste Bauwerk der Stadt, eben unser Tempel, gewiß dem Men heilig gewesen. Wenn uns nun ferner überliefert wird, daß die Könige von Pergamon für die Kybele von Pessinus einen Marmortempel gestiftet haben, so ist der Schluß erlaubt, daß auch der hellenistische Marmortempel der Schwesterstadt Ankyra auf Veranlassung der pergamenischen Könige entstanden ist. Die Priester­ stellen waren an beiden Orten überwiegend in der Hand der galatischen Herren. Men trägt auf den Münzen Ankyras seine bezeichnenden Attribute, die sogenannte phrygische Mütze mit der nach vorn geneigten ausgestopften Kuppe und die Mondsichel hinter den Schultern (Bild 23). So oder ähnlich wird das Kultbild unseres Tempels aus­ gesehen haben. Wir irren wohl auch nicht, wenn wir anneh­ men, daß der Nebenkult in der Hinterhalle der Götter­ mutter Kybele galt, die ihren Hauptsitz in Pessinus hatte (Bild 24). Münzbilder aus der Zeit Trajans nun geben den Men-Tempel als ein Bauwerk, das lediglich vier Säulen vor der Vorhalle hatte, das also so aussah, wie unser Tempel ohne die Ringhalle (Bild 25). Andererseits gibt es auf ankyranischen Münzen Darstellungen einer Achtsäulenfront, also unseres Tempels mit Ringhalle, erst seit der Zeit des

2ß.

Münze von Ankyra, mit dem Abbild des Men

25. Münze von Ankyra, mit dem Standbild des Men in seinem Tempel

24. Münze von Pessinus, mit dem Sitzbild der Göttermutter Kybele

26.

Münze von Ankyra, mit Vor­ deransicht des Tempels

Marcus Aurelius, also seit 161 n. Chr. (Bild 26). Das führt uns zu der Vermutung, daß die Ringhalle, die zwar im Fundament von vornherein mit angelegt worden ist — denn die Grabung erwies ihre Grundmauern als gleich-

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zeitig mit der heute noch stehenden Ruine — vor Marcus Aurelius nicht zur Ausführung gekommen ist. Eine kurze und leider sehr zerstörte Inschrift, die auf der rechten Anten­ stirne steht (S. 43, Bild 35), könnte, da sie von Bauarbeiten spricht, mit solchem Umbau Zusammenhängen. Bleiben wir uns jedoch dessen bewußt, daß wir mit allen unsern Versuchen, Beziehungen zwischen dem Tempel und den Münzen Ankyras herzustellen, über Vermutungen nicht hinauskommen. Daß der Tempel von Ankara später ein Heiligtum des Augustus und der Roma war, wissen wir aus mehreren Inschriften, die in seine Wände einge­ meißelt sind. Solche Inschriften besagen für die Entste­ hungszeit des Bauwerkes nichts, da es im Altertum all­ gemein üblich war, wichtige Schriftstücke auf den Wänden geheiligter Bauten zu verewigen, die auf diese Weise zu einem durch die Jahrhunderte geführten Archiv wurden. Ein langer Text, der aus der Zeit des Kaisers Tiberius (14—37 n. Chr.) stammt, steht auf der schmalen Stirnfläche der linken Wand der Vorhalle (neben der Türbe des Hacci Bayram); man erkennt ihn gut nur bei seitlichem Sonnen­ licht (Abb. 27). Wir sehen unter dem sehr zerstörten Anten­ kapitell noch eine schmale Schicht, dann nach unten zu Quadersteine normaler Höhe, deren erster eine ganz abge­ witterte Oberfläche zeigt; auf ihr hat vielleicht der Anfang der Inschrift gestanden, von der im übrigen nach unten zu nahezu 100 Zeilen mehr oder weniger gut erhalten sind (Auszug aus diesem Text unten S. 42 f). Es handelt sich hier, wie aus den zu oberst erhaltenen Worten hervorgeht, um eine Liste von Schenkungen, die die Priester des Gottes Augustus und der Göttin Roma gemacht haben. Wie ist dieser merkwürdige Kultus zu verstehen? Im Orient hat von jeher die Vorstellung bestanden, daß der Herrscher von seinen Untertanen wesensverschieden sei, und daß ihm eine ähnliche Verehrung zukomme wie den Göttern. Bei den Griechen andererseits war es seit alters verbreitete Anschauung, daß hervorragende Men-

2*7.

Inschrift auf der linken Antenstirn

sehen göttlichen Blutes seien, indem sich unter ihren Vor­ fahren Götter befanden. Durch Alexander den Großen, der die orientalische mit der griechischen Gedankenwelt verschmelzen wollte, gelangte das Gottkönigtum im öst­ lichen Mittelmeergebiet zu erhöhter staatsrechtlicher Be-

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deutung; er sowohl wie seine Nachfolger genossen schon zu ihren Lebzeiten göttliche Verehrung. Als die Römer ihre Herrschaft im Osten ausbreiteten, haben die Griechen, da Rom keinen König hatte, die Stadt Rom als Göttin verehrt und ihr Tempel errichtet, ganz ähnlich, wie sie der Glücksgöttin Tyche als der Schützerin ihrer eigenen Städte zu huldigen pflegten. Später, im ersten Jahrhundert v. Chr., als sich der monarchische Gedanke in der römischen Republik durchsetzte, wurden aber auch die selbstherrlich tätigen Männer, wie Sulla, Pompejus, Cäsar von den Griechen als Götter angesprochen. Schließlich hat dann Kaiser Au­ gustus im Jahre 29 v. Chr. durch einen Erlaß genehmigt, daß die kleinasiatischen Untertanen ihm bei seinen Leb­ zeiten zusammen mit der Roma Tempel weihten. Sofort entstanden allenthalben Herrscherkulte; daß man bei der damaligen Verarmung Kleinasiens nicht lauter neue Tem­ pel errichten konnte, sondern ältere Heiligtümer benutzte, ist an sich einleuchtend und außerdem in mehreren Fällen erwiesen. In Ankara hat man also das vorhandene Heilig­ tum, das nach unserer Vermutung dem Men und der Kybele gehörte, dem Augustus und der Roma überlassen; ob dies bereits 29 v. Chr. geschah oder erst 25 v. Chr., als Augustus Galatien zur Provinz machte, oder zu einem noch späteren Zeitpunkte, wissen wir nicht. Wir dürfen uns aber den Besitzwechsel nicht so vorstellen, als ob nun die ur­ sprünglichen Tempelgötter von ihrer Stätte vertrieben worden wären. Rom pflegte die religiösen Gefühle seiner Untertanen auf das Schonendste zu behandeln, und man wird sich begnügt haben, neben das Bild des ursprünglichen Hauptgottes (des Men, wie wir annehmen) eine Statue des Augustus zu stellen und die Wesenseinheit beider Götter zu verkünden; wir denken uns das neue Kultbild nicht sitzend im Friedensgewande, sondern in der Haltung des Feld­ herrn, der vor sein Heer tritt, also ähnlich dem Augustus von Primaporta im Vaticanischen Museum (Bild 28), und gleichzeitig wäre aus dem von uns in der Hinterhalle ver-

28.

Augustus als r\*lclh< rr (Rom, Valican)

32

29.

Sitzende Roma auf römischer Münze

muteten Kybelebild eine Roma geworden, die ja ganz ähnlich dargestellt zu werden pflegt (Bild 29). Das We­ sentliche war, daß damit im Interesse der römischen Herr­ schaft ein neuer staatlicher Gottesdienst zu Ehren des Reichsoberhauptes eingeführt und durch den »galatischen Bund«, der eine Art Provinziallandtag darstellte, zur Durch­ führung gebracht wurde. Die Volksreligion wurde davon kaum berührt, und die alten Kulte werden sich in bisheriger Form fortgesetzt haben. Die Priester dieses Kaiserkultes führen, in unserer Inschrift (unten S. 42) noch zur Zeit des Tiberius, größtenteils rein gallische Namen; einige be­ zeichnen sich als Söhne von Königen, d. h. von Stammes­ fürsten. Der galatische Adel hat also auch nach dem Auf­ hören der staatlichen Selbständigkeit seine bevorzugte Stellung und seine Reichtümer behalten können. Denn was diese Priester an den Festen des Kaiserkultes gestiftet haben, stellt ansehnliche finanzielle Leistungen dar. Natürlich begann ein solches Fest mit ernsten gottesdienstlichen Handlungen, wobei zum Heile des Herrschers geopfert wurde, aber der Kern der Veranstaltung war doch die Volksbelustigung: Festessen und Zirkusspiele. Man bot in Ankara genau das Gleiche wie in Rom, »panem et circenses«, als hätten sich die kaisertreuen gallischen Fürsten bemüht, am Ehrentage ihres Herrschers sein Beispiel, wie es dicht daneben im Monumentum Ancyranum verzeichnet ist,

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nachzuahmen, nur natürlich in weit bescheidenerem Um­ fange. Als Monumentum Ancyranum (»das Denkmal von Ankyra«) bezeichnet die Wissenschaft die Kopie des Taten­ berichtes des Kaisers Augustus, die in lateinischer Sprache auf den Innenseiten der Vorhalle, in griechischer Sprache auf der rechten Außenwand des Tempels eingemeißelt ist. Eine Übersetzung und Erläuterung dieses Textes, den Th. Mommsen einmal als die Königin der Inschriften bezeichnet hat, gibt H. St. Schultz unten S. 46s. Hier wollen wir nur feststellen, wie sich das Monumentum Ancyranum zu dem Bauwerk verhält. Es entspricht römischer, nicht hellenisti­ scher Art, oberhalb eines so gestalteten Wandsockels chronisti­ sche Darstellungen, sei es in Worten oder in Bildern, entlang­ laufen zu lassen. Um den Tatenbericht des neuen römischen Gottes anzubringen, ist daher die ursprüngliche hellenisti­ sche Einteilung der Wand gestört worden, indem überall da, wo Buchstaben stehen sollten, die Fläche einheitlich ge­ glättet, d. h. der erhabene Spiegel der Quadern, eine Schmuckform des Bauwerks, beseitigt werden mußte. Dieser Eingriff beweist schon allein, daß zwischen der Ent­ stehung des Tempels und der Aufzeichnung der Inschrift eine weite Zeitspanne liegt. Aus inneren Gründen sowie aus dem Schriftcharakter geht hervor, daß das Monumen­ tum Ancyranum wie die Inschrift der linken Antenstirn (Bild 27, S. 42s.) in der Zeit des Kaisers Tiberius einge­ meißelt wurde. Nach Augustus wurde noch eine ganze Anzahl von Kaisern und deren Anverwandten zu Göttern erhoben, ohne daß jedoch in Ankara eigene Heiligtümer für diese Herrscherkulte nachweisbar sind; vielmehr scheint der Augustustempel sie mit ausgenommen zu haben. Es waren wohl Gründe der Kaiserverehrung, die ihm von 161 n. Chr. an jene erhöhte Bedeutung verliehen, die durch seine überaus häufige Darstellung auf Münzen, nunmehr mit achtsäuliger Front, bekundet wird. Erst zur Zeit des Kaisers Valerianus (253—260 n. Chr.) ist vielleicht noch 3

Schede-Schultz, Ankara und Augustus.

30.

Apsis byzantinischer Zeit, an den Tempel angebaut

3i.

Der Tempel als christliche Kirche, mit Apsis byzantinischer Zeit (wiederhergestellt von D. Krencker)

36

ein anderer Tempel für den Herrscherkult eingerichtet worden. Über die späteren Schicksale des Augustustempels be­ lehrt uns lediglich der Zustand der Ruine. Als man ihn in eine Kirche umwandelte, nahm man rücksichtslose Ein­ griffe vor. Es galt für den christlichen Kult, dessen Hand­ lungen nicht wie der Gottesdienst der Antike draußen, son­ dern drinnen stattfanden, einen einheitlichen großen Raum zu schaffen; daher wurde der Fußboden der Cella auf die Hö­ henlage der Vor- und Hinterhalle gesenkt, die große Tür­ schwelle herausgebrochen und die Treppe vor ihr entfernt, ferner die ganze Cellarückwand abgerissen und endlich an der Hinterhalle noch ein eckiger Chor angebaut (Bild 4 und 30); wie dieser einst ausgesehen hat, zeigt Bild 31. Dem byzantinischen Geschmack entsprechend erschien die Wand durch Verwendung verschiedenfarbiger Steine hell und dunkel gestreift; der etwas erhöhte Raum, der ver­ mutlich den Altar enthielt, war mit Tonnengewölbe über­ deckt. Darunter lag die heute noch mit fünf Stufen zu­ gängliche, ebenfalls überwölbte Krypta. In die rechte Cellawand wurden drei Fenster hineingebrochen, wobei man die Sprossen recht kunstvoll aus den Quadern heraus arbei­ tete (Bild 15). Die Säulen wurden sämtlich entfernt, damit wurde ein neues Dach notwendig, das man auf die Wände aufsetzte, nachdem man die oberste Schicht, außer über der Tür, abgetragen hatte. Begräbnisse fanden außer in der Krypta auch sonst im Kirchenraum statt, wie Grab­ inschriften an den Wänden (unten S. 44 s.) und die Auffin­ dung eines großen rohen Steinsarges beweisen. Mit dem Jahre 1127 geriet Ankara endgültig in türkische Hand. Der Tempel ging in den Besitz der muslimischen Geistlichkeit über. Um die Wende des vierzehnten zum fünfzehnten Jahrhunderts wirkte in Ankara Hacci Bayram, der geistliche Führer eines auf mystische Fröm­ migkeit gerichteten Kreises, der ihn nach seinem Tode (1430) als Heiligen verehrte. Der Tempel mag die Stätte

32.

Straßenbogen bei der Moschee Hacci Bayram

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seiner Tätigkeit gewesen sein; jedenfalls entstand als seine Gründung dicht daneben die stattliche Moschee und sein prächtiges Grabmal, das bis in die jüngste Zeit hinein eine berühmte Wallfahrtsstätte gewesen ist. Die Moschee (Bild 2. 4) ist ein regelmäßiger rechteckiger, mit einem Walmdach überdeckter Bau, der durch seine farbenfreudigen Wände von grünen und roten glasierten Ziegeln ins Auge fällt; er stößt an den Tempel in einem Winkel von 40°, wo­ durch die in der Mitte einer Schmalseite gelegene Gebets­ nische die Richtung nach Mekka erhalten hat. Ein Anbau an der Westseite überbrückt den hier vorbeiführenden Weg; damit ist eine der malerischsten Stellen Alt-Ankaras ent­ standen (Bild 32). Aus diesem Durchgang betritt man heute die Moschee durch eine Seitentür; der Haupteingang liegt aber im Norden, der Gebetsnische gegenüber. Das Innere ist ein stützenloser Raum mit flacher Holzdecke, an der Eingangsseite mit Galerien für die Frauen versehen. Die Wände sind mit blumengeschmückten Kacheln belegt; neben der Gebetsnische steht die holzgeschnitzte Kanzel (Bild 33). Alle jetzt sichtbaren Schmuckformen sind jedoch später als die Moschee selbst, von deren Erneuerung im Jahre 1714 zwei Inschriften in den Zwickeln des Straßen­ bogens berichten (s. u. S. 45 s). Dagegen stammt das acht­ eckige Grabdenkmal (Türbe) des Heiligen noch ganz aus seiner Zeit. Vor allem sind die kunstvoll gemeißelten marmornen Umrahmungen der Tür und des Fensters von bester frühosmanischer Art; die schönen hölzernen Tür­ flügel, die noch auf unserem Bilde 34 zu sehen sind, be­ finden sich jetzt im Ethnographischen Museum. Südlich der Türbe, Moschee und Tempel gleichzeitig beherrschend, steht der Gebetsturm, der mit seinen beiden Umgängen weithin sichtbar und das Wahrzeichen dieser Jahrtausende hindurch geheiligten Stätte geworden ist (Bild 1,2). Im Tem­ pel selbst setzte sich die Theologenschule unter dem Namen Ak Medrese (Weiße Schule) bis in die jüngste Zeit hinein fort; sie war durch eine niedrige spitzbogige Tür zugänglich,

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Gebetsnische und Kanzel der Moschee

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die in die große Tür hineingebaut war. Die große Lücke in der linken Cellawand ist erst im Jahre 1834 durch Stein­ raub entstanden. Die wissenschaftliche Erforschung des Tempels beginnt zur Zeit des Sultans Süleymans d. Gr., als Busbeck, der Gesandte des Deutschen Kaisers Ferdinand I., 1555 auf der Reise nach Amasya die Stadt Ankara besuchte; er ließ durch seine Begleiter eine Abschrift der Augustus-Inschrift herstellen. Außerdem überliefert uns Hans Dernschwam, ein Ange­ stellter des Hauses Fugger, der sich der Gesandtschaft an­ geschlossen hatte, in seinem Tagebuch eine naive, aber immerhin anschauliche Skizze. In den folgenden Jahr­ hunderten wurde der Tempel von europäischen Reisenden öfter besucht und beschrieben; aber ausführlich bearbeitet hat ihn erst 1835 der bekannte französische Archäologe Texier. Allerdings genügte seine Veröffentlichung des schönen Bauwerkes wissenschaftlichen Ansprüchen nicht, und es war dem französischen Architekten E. Guillaume, der 1861 mit G. Perrot den Tempel bearbeitete, vorbehalten, eine mustergiltige Aufnahme des Bestandes vorzulegen. Freilich hatte er in den Friedhöfen keine ausreichenden Grabungen durchführen können, und so blieben viele seiner Ergebnisse fraglich. Das Monumentum Ancyranum wurde 1882 im Auftrage der Preußischen Akademie der Wissenschaften von Carl Hum arm in Gips abgegossen und von Theodor Mommsen grundlegend herausgegeben. Da die türkische Republik mit allen alten Vorurteilen aufge­ räumt hat, war es einem von D. Krencker und M. Schede geleiteten Unternehmen des Deutschen Archäologischen Institutes möglich, an allen wichtigen Punkten Grabungen vorzunehmen und damit zu den im Vorliegenden geschil­ derten Ergebnissen zu gelangen.

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II

Die kleineren Inschriften des Tempels und der Moschee Eingeklammertes ist im Originaltext zerstört oder aus­ gelassen, aber hier dem Sinne nach ergänzt i. Inschrift der linken Antenstirn (Bild 27); Un­ wesentliches oder eintönige Wiederholungen sind hier fort­ gelassen. ,,(Folgendes stifteten für den Bund der) Galater die Priester des Gottes Augustus und der Göttin Roma: Unter Metilius x) gab Pylaimenes, Sohn des Königs Amyntas2) zweimal Volksspeisungen, zweimal Aufführun­ gen, einen gymnischen Wettkampf von Wagen und Rennpfer­ den, desgleichen ein Stiergefecht und eine Tierhetze, Öl für die Stadt3). Außerdem überließ er der Gemeinde Grund­ stücke, wo der Augustustempel steht und wo die Festver­ sammlung stattfindet und die Rennbahn ist. Albiorix, Sohn des Ateporix 4) gab eine Volksspeisung und stiftete Standbilder des Kaisers 5) und der Julia Augu­ sta6). Amyntas, Sohn des Gaizatodiastos gab zweimal Volksspeisung, opferte eine Hekatombe 7), gab Auffüh­ rungen. (Herrn) eias, des Diognetos Sohn, gab eine Getreide­ spende von je fünf Scheffeln8). x) Die mit »unter« erscheinenden Namen sind die der römischen Statthalter oder der Oberpriester. 2) Letzter König von Galatien, 36—25 v. Chr. 3) d. h. Salböl für die städtischen Badeanstalten und Sportplätze. 4) War unter Antonius und Augustus Herrscher eines kleinen Ge­ bietes beim heutigen Sulusaray. 5) Gemeint ist Kaiser Tiberius, 14—37 n. Chr. 6) Livia, die Gattin des Augustus, Mutter des Kaisers Tiberius. 7) Eigentlich hundert Opfertiere, allgemein gebrauchter Ausdruck für ein großes Opfer. 8) Fünf Scheffel sind ungefähr 431/2 Liter.

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Inschrift der rechten Antenstirn

Unter Fronto gab Pylaimenes, Sohn des Königs Amyntas eine Volksspeisung für die drei Völker 1). Für das in Ankyra opferte er eine Hekatombe, gab Aufführungen und einen Festzug, desgleichen ein Stiergefecht und einen Stierfang und 50 Paare Gladiatoren, Öl für die drei Völker das ganze Jahr hindurch. Unter Silvanus gab (ein anderer Priester) eine Volks­ speisung, in Pessinus 25 Paare Gladiatoren, und nochmals in Pessinus 10, Öl für die beiden Völker 2) das ganze Jahr hindurch, ein Götterbild in Pessinus 3).(i 2. Inschrift der rechten Antenstirn (Bild 35). ,,(Die Liste derjenigen), die während ihrer Hohenpriester­ schaft für die Beitragssammlung (Bau-) arbeiten versprochen haben: (Co)cceius Seleucus, Oberpriester des Gottes Augustus (stiftete) einen marmornem? (alles übrige ist wegen schlechter Erhaltung unsicher). T) Die drei galatischen Stämme: Tektosagen bei Ankyra, Tolistobogier bei Pessinus und Trokmer bei Tauion. 2) Von nun an werden immer nur die »beiden Völker«, offensichtlich Tektosagen und Tolistobogier genannt; weshalb, wissen wir nicht, vielleicht hatten sich die Trokmer aus dem Bunde der Galater zurück­ gezogen. 3) Vermutlich ein Bild der Kybele, der großen Muttergöttin von Pessinus.

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3- Auf der linken inneren Cellawand unweit der Tür steht eine Inschrift byzantinischer Zeit; sie überzieht die bei­ den untersten Quaderschichten der griechischen Wand, war aber für den, der auf dem tiefer gelegten mittelalterlichen Pflaster stand, bequem lesbar. Es ist eine Grabschrift des 9. oder 10. Jahrhunderts n. Chr. und bezieht sich wohl auf eine Bestattung, die unter dem Kirchenfußboden statt­ gefunden hatte; wie der Verstorbene hieß, entnehmen wir nicht aus den Worten des Grabgedichtes, sondern aus den Anfangsbuchstaben der Verse, die EucnaOics Touppapyris (Schwadronsführer Eustathios) ergeben; das Gedicht war also ein sogenanntes Akrostichon. Der Text lautet dem Sinne nach, im Anschluß an die nicht durchweg gesicherte Wiederherstellung von H. Gregoire: »Ach, ach ich weiß, daß stets die Menschen, die sich selbst erhöhen, erniedrigt werden, und so rufe ich zu Dir, Schöpfer aller Dinge. Befreie mich von der Last des un­ rechten Tuns, Du Sündenloser, der Du die Macht hast die Gesetze und die Fesseln der Sünden aufzulösen. Mein einstiges irdisches Amt führte mich, der ich mannhaft in Waffen und Schwertern geübt war, heil aus allen Gefahren heraus. Aber schließlich durch Krankheit niedergezwungen und ganz zu den Toten gehörig bin ich zum Herrn geeilt, dem Staube das irdische Fleisch überlassend und mein Heil mit bitteren Tränen erflehend. Mit Wehklagen habe ich Gott gebeten, mich der Vergebung teilhaftig werden zu lassen am Orte des Lebens, wenn ich der ewigen Flut des Feuers durch die Gnade Christi, des alleinig Unsterblichen, entgangen bin. Siehe, auch ich rufe dir aus dem Grabe zu: rette mich Heiland, im jüngsten Gericht.« 4. Eine andere byzantinische Grabinschrift, flüch­ tig eingeritzt, daher schwer zu entziffern, steht an der linken Innenwand der hinteren Halle; sie besagt wahrscheinlich, nach Lesung von P. de Jerphanion: »Entschlafen ist der Knecht des Herrn Abt Hyphatios am 16. Oktober der 13. Indiktion.« Die Indiktion bezeichnet nur das betreffende

Jahr des byzantinischen Steuerzyklus, der 15 Jahre umfaßte; bei dieser Datierungsart erfahren wir daher die wirkliche Jahreszahl nicht. 5. Der von einem Straßendurchgang unterfangene Anbau der Moschee (Bild 32) trägt auf der Wand in Ziegelmosaik den arabischen Spruch: ,,Kein Gott außer Allah, Mo­ hammed ist der Prophet Allah’s. O Freund Allah's." 6. In den Zwickeln über dem Bogen ist je eine Ge­ denktafel mit arabischer Schrift eingelassen. Wir geben den Text nach Übersetzung von P. Wittek. Linke Inschrift (in türkischer Sprache): ,,Ein Führer auf dem Wege der Wahrheit, ein Born freiwilliger Milde, Hat Scheich Mehmed Baba, Nachfahre des Hacci Bayram Veli, Seines Ahnen Moschee mit Hilfe des Herrn wiederher­ gestellt, Auf daß er der vornehmste der Diener des Klosters werde. Als Razi (des Neubaus) Vollendung sah, sprach er den Datumsvers* 2):

O Gnadenhort, du Moschee des Hacci Bayram Veli. Jahr 1126.“ Rechte Inschrift (in arabischer Sprache):

,, Einer der Heiligen Allahs Hacci Bayram Veli, der Dieser glorreichen Moschee Erbauer gewesen ist — Als ihr Verfall sichtbar geworden am Morgen und Abend, Name des Dichters der Inschrift. 2) Die Zahlenwerte der Buchstaben der letzten Zeile ergeben zu­ sammengezählt 1126 (d. i. die Jahreszahl nach der Hidschra), was 1714 n. Chr. entspricht.

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Widmete sich ihrer Wiederherstellung Scheich Megd el-Wera 1). Es sprach, wer ihre Wiederherstellung erblickte, Mit Inbrunst deren Chronogramm: Diese Moschee möge lange bestehen!2) 1126“

III Das Monumentum Ancyranum (Bild 3, 36, 37.) i. Übersetzung des Textes ,, Abschrift der Taten des Gott gewordenen Augustus, durch die er den Erdkreis der Herrschaft des römi­ schen Volkes unterwarf, sowie der Ausgaben, die er für den römischen Staat und das römische Volk machte, wie solches auf zwei ehernen, zu Rom auf­ gestellten Pfeilern ausgeschrieben ist. Im Alter von 19 Jahren3) stellte ich aus eigenem Ent­ schluß und auf eigene Kosten ein Heer auf, mit dessen Hilfe ich dem durch die Gewaltherrschaft einer Partei4) bedrückten Staate die Freiheit wiedergegeben habe. Um derentwillen wählte mich der Senat durch Ehrendekrete unter die Zahl seiner Mitglieder unter dem Konsulat des Gaius Pansa und Aulus Hirtius 5), billigte mir konsularischen Rang in der Stimmklasse zu und übertrug mir ein mili­ tärisches Kommando. Er hieß mich ferner als Propraetor T) Megd el-Wera, »Ruhm des Menschengeschlechtes« = der Prophet Mohammed = Mehmed (so hieß der Wiederhersteller, s. die linke In­ schrift) . 2) Die Zahlenwerte der Buchstaben, die das Chronogramm bilden, ergeben wiederum zusammengezählt 1126 (d. h. 1714 n. Chr.). 3) Augustus ist geb. 23. 9. 63 v. Chr. 4) Des Antonius. 5) i. Jan. 43 v. Chr.

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Widmete sich ihrer Wiederherstellung Scheich Megd el-Wera 1). Es sprach, wer ihre Wiederherstellung erblickte, Mit Inbrunst deren Chronogramm: Diese Moschee möge lange bestehen!2) 1126“

III Das Monumentum Ancyranum (Bild 3, 36, 37.) i. Übersetzung des Textes ,, Abschrift der Taten des Gott gewordenen Augustus, durch die er den Erdkreis der Herrschaft des römi­ schen Volkes unterwarf, sowie der Ausgaben, die er für den römischen Staat und das römische Volk machte, wie solches auf zwei ehernen, zu Rom auf­ gestellten Pfeilern ausgeschrieben ist. Im Alter von 19 Jahren3) stellte ich aus eigenem Ent­ schluß und auf eigene Kosten ein Heer auf, mit dessen Hilfe ich dem durch die Gewaltherrschaft einer Partei4) bedrückten Staate die Freiheit wiedergegeben habe. Um derentwillen wählte mich der Senat durch Ehrendekrete unter die Zahl seiner Mitglieder unter dem Konsulat des Gaius Pansa und Aulus Hirtius 5), billigte mir konsularischen Rang in der Stimmklasse zu und übertrug mir ein mili­ tärisches Kommando. Er hieß mich ferner als Propraetor T) Megd el-Wera, »Ruhm des Menschengeschlechtes« = der Prophet Mohammed = Mehmed (so hieß der Wiederhersteller, s. die linke In­ schrift) . 2) Die Zahlenwerte der Buchstaben, die das Chronogramm bilden, ergeben wiederum zusammengezählt 1126 (d. h. 1714 n. Chr.). 3) Augustus ist geb. 23. 9. 63 v. Chr. 4) Des Antonius. 5) i. Jan. 43 v. Chr.

z6. Das Monumentum Ancyranum; Anfang des lateinischen Textes

zusammen mit den Konsuln dafür Sorge tragen, daß der Staat keinen Schaden nehme. Das Volk aber wählte mich im selben Jahre, nachdem beide Konsuln im Kriege 1) gefallen waren, zum Konsul2) und zum Triumvir zur Wiederherstellung geordneter Zustände im Staate. Die Mörder meines Vaters 3) ließ ich in die Verbannung jagen, indem ich ihre Untat durch gesetzmäßigen Urteils­ spruch ahndete. Als sie später den Staat mit Krieg über­ zogen, besiegte ich sie zweimal in offener Feldschlacht4). Kriege zu Wasser und zu Lande, gegen innere sowohl wie äußere Feinde, habe ich auf der ganzen Welt oft geführt und habe als Sieger alle Bürger, die Verzeihung heischGegen M. Antonius bei Modena. 2) 19-8.433) G. Julius Cäsar, der den jungen Octavius im Jahre 45 ohne dessen Wissen adoptiert hatte. 4) Zwei Treffen bei Philippi, die etwa einen Monat auseinander liegen. Herbst 42.

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Das Monumentum Ancyranum, Teil des griechischen Textes

ten, geschont. Fremde Völker, denen man ohne Gefahr verzeihen konnte, wollte ich lieber erhalten als vernichten. Gegen 500000 römische Bürger waren mir durch militäri­ schen Diensteid verpflichtet. Von diesen habe ich etwas mehr als 300000 nach Ablauf ihrer Dienstzeit in Kolonien angesiedelt oder in ihre Heimatgemeinden entlassen. Diesen allen wies ich Ackerland zu oder gab ihnen Geld als Be­ lohnung für den Kriegsdienst. Schiffe erbeutete ich 600 an der Zahl, nicht gerechnet die, welche kleiner als Drei­ ruderer waren. Zweimal habe ich den kleinen Triumph gefeiertx) und dreimal den großen Triumph2). Einundzwanzigmal wurde ich als Imperator begrüßt. Als der Senat noch mehr Triumphe für mich beschloß, habe ich sie alle abgelehnt. Zur Erfüllung der Gelübde, die ich in jedem Kriege feier­ lich getan hatte, legte ich den Lorbeer von den Fasces auf dem Kapitol nieder. Fünfundfünfzigmal beschloß der Se­ nat, für die von mir oder meinen Legaten unter meinem Oberbefehl zu Wasser und zu Lande glücklich vollbrachten Taten den unsterblichen Göttern Dankopfer darzubringen. An 890 Tagen aber wurde gemäß Beschluß des Senats ge­ opfert. Könige und Kinder von Königen, neun an der Zahl 3), wurden bei meinen Triumphen vor meinem Wagen hergeführt. Zu der Zeit, als ich dies schrieb, war ich drei­ zehnmal Konsul gewesen und stand im 37. Jahre meiner tribunicischen Gewalt4). Das erste Mal Ende 40 v. Chr. nach der Versöhnung mit Antonius, das zweite Mal am 13. November 36 nach den Siegen über Sextus Pompeius. 2) Am 13., 14. und 15. August 29, wegen der Siege über Pannonier und Dalmater, wegen der Schlacht bei Actium und wegen der Eroberung Ägyptens. 3) U. a. die Kinder der Cleopatra: Alexander-Helios und CleopatraSelene. 4) Das 13. und letzte Konsulat des Augustus fällt in das Jahr 2 v. Chr., das 37. Jahr seiner tribunicischen Amtsgewalt ist das Jahr seines Todes: 14 n. Chr. 4

Schede-Schultz, Ankara und Augustus

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Die Diktatur, die mir in meiner Abwesenheit wie in mei­ ner Gegenwart sowohl vom Volke als auch vom Senat unter dem Konsulat des Marcus Marcellus und Lucius Arruntius angetragen wurde, nahm ich nicht an. Doch lehnte ich es nicht ab, bei einer empfindlichen Getreideknappheit die Sorge für den Getreidemarkt zu übernehmen2). Dieses Amt verwaltete ich so, daß ich innerhalb weniger Tage durch persönliche Aufwendungen und Fürsorge die gesamte Bürgerschaft von Furcht und drohender Gefahr befreite. Das Konsulat, das mir damals als jährliches und auf Lebenszeit angetragen wurde, nahm ich gleichfalls nicht an. Unter dem Konsulat des Marcus Vinicius und Quintus Lucretius3) und danach unter dem des Publius und Gnaeus Lentulus 4) und zum dritten Mal unter dem des Paulius Fabius Maximus und Quintus Tubero5) kamen Senat und Volk der Römer überein, mich zum alleinigen Hüter der Gesetze und Sitten mit höchster Machtvoll­ kommenheit zu erwählen; ich übernahm jedoch kein Amt, das mir entgegen dem Brauche unserer Vorfahren ange­ tragen wurde. Was damals der Senat durch mich ausge­ führt sehen wollte, habe ich lediglich kraft meiner tribunicischen Gewalt vollführt und überdies fünfmal einen Kol­ legen in dieser Amtsgewalt vom Senat erbeten und emp­ fangen. Dem Dreimännerkollegium zur Ordnung des Staates ge­ hörte ich zehn Jahre nacheinander an 6). Bis zu dem Tage, da ich dies schrieb, war ich vierzig Jahre lang der erste Mann im Senat. Ich war Oberpriester, Augur, einer der 15 Männer zur Hütung der heiligen Gebräuche, einer der 22 V. Chr. 22 V. Chr. 19 V. Chr. l8 V. Chr. I I V. Chr. Vo>m 27. November 43 bis 31. Dezember 38 und von einem unbestimmten Zeitpunkt des Jahres 37 bis Ende 32 v. Chr. x) -) 3) 4) 5) °)

7 Männer zur Veranstaltung der öffentlichen Göttermahle, Mitglied der arvalischen Brüderschaft, Mitglied der Priester­ schaft der Titii und Fetiale1). Auf Geheiß des Volkes und des Senates vermehrte ich in meinem fünften Konsulat 2) die Zahl der Patrizier. Drei­ mal nahm ich eine Säuberung des Senates vor3). In meinem sechsten Konsulat führte ich mit Marcus Agrippa als Kollegen eine Schätzung des Volkes durch4). Diese Schätzung beschloß ich durch ein Reinigungs- und Sühne­ opfer, 41 Jahre nach der zuletzt erfolgten 5). Dabei wurden 4063000 römische Bürger geschätzt. Dann veranstaltete ich zum zweiten Mal ein Opfer als Beschluß einer Schätzung allein auf Grund meiner konsularischen Gewalt unter dem Konsulat des Gaius Censorinus und des Gaius Asinius6). Bei dieser Schätzung wurden 4233000 römische Bürger geschätzt. Die dritte, kraft meiner konsularischen Ge­ walt durchgeführte Schätzung beendete ich durch ein Opfer mit meinem Sohne Tiberius Caesar als Kollegen unter dem Konsulate des Sextus Pompeius und Sextus Appuleius 7). Die Auguren befragen die Götter unter Beobachtung genau vor­ geschriebener Formen und holen ihre Zustimmung und Bürgschaft für bestimmte Angelegenheiten des öffentlichen Wohles ein. Auch die fratres Arvales sind uralten Ursprungs, ihr Amt ist die Feier des Flurumgangs im Frühling, der die Saaten vor aller Gefahr schützen soll. Die Brüderschaft der Arvalen war zur Zeit des Augustus völlig ver­ fallen, der Kaiser hat sie erst wieder zu neuem Leben erweckt, genau wie die der sodales Titii, von denen wir jedoch nicht wissen, welche Kulthandlungen sie zu erfüllen hatten, noch welchem Gott sie dienten. Die Fetialen standen unter den genossenschaftlich organisierten Priestertümern an erster Stelle. Ihr Collegium von 20 Mitgliedern ist für die religiöse Sicherung der völkerrechtlichen Beziehungen des römi­ schen Staates verantwortlich. 2) 29 v. Chr. 3) Augustus meint wohl in den Jahren 28 und 8 v. Chr. und 14 n. Chr. 4) 28 v. Chr. 5) Die letzte Schätzung hatte im Jahre 70/69 stattgefunden und die Zahl von 1000000 römischen Bürgern ergeben. 6) 8 v. Chr. 7) 14 n. Chr. Diese drei Volkszählungen beziehen sich nur auf römi­ sche Bürger. Von einer allgemeinen Reichszählung zur Zeit des Augustus 4*

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Dabei zählte man 4937000 römische Bürger. Auf meine Veranlassung wurden neue Gesetze eingebracht, durch die ich manche vorbildliche Sitte wieder einführte, die zwar von den Vorfahren überkommen, doch in unserem Jahrhundert schon in Vergessenheit geraten war, und ich selbst über­ lieferte den Späteren manches nacheiferungswürdige Beispiel. Auf Senatsbeschluß wurden von den Konsuln und Prie­ stern alle vier Jahre Gelübde für mein Wohlergehen abge­ legt. Auf Grund dieser Gelübde veranstalteten bald die vier bedeutendsten Priesterkollegien, bald auch die Konsuln zu meinen Lebzeiten oftmals Spiele. Außerdem brachten einmütig sämtliche Bürger sowohl in ihren Häusern wie auch in den Gemeinden für meine Gesundheit bei allen Götter­ mahlen ständig Gebete und Opfer dar. Mein Name wurde auf Senatsbeschluß in die Hymne der Salierpriester eingefügt* 1), und durch ein Gesetz wurde un­ verbrüchlich festgelegt, daß ich für ewig unantastbar sein und auf Lebenszeit die tribunicische Amtsgewalt besitzen solle. Oberpriester wollte ich an Stelle meines noch lebenden Kollegen2) nicht werden. Als daher das Volk mir dieses Priesteramt, das mein Vater innegehabt hatte, übertragen wollte, schlug ich es aus. Als aber einige Jahre später nach dem Tode jenes Menschen, der sich dieser Würde bei Ge­ legenheit innerer Wirren bemächtigt hatte, zu meiner Wahl soviel Volk aus ganz Italien in Rom zusammenströmte wie niemals vor dieser Zeit dort gewesen sein soll, da habe ich das Oberpriesteramt unter dem Konsulat des Publius Sulpicius und Gaius Valgio angenommen 3). weiß die Geschichte nichts. Daher kann die Angabe im Lukas-Evan­ gelium von dem Erlaß des Cäsar Augustus, daß alle Welt sich schätzen lassen sollte, nur auf einem Irrtum beruhen. Für das wirkliche Geburts­ jahr Jesu Christi können wir aus dem Monumentum Ancyranum nichts entnehmen. 1) D. h. Augustus wurde in dieser Hymne neben den anderen Göttern feierlich angerufen. 2) Des Lepidus. 3) 6. März 12 v. Chr.

Für meine Rückkehr weihte der Senat einen Altar der Fortuna Redux1) vor dem Tempel des Honos und der Virtus beim Capenischen Tor2). Er bestimmte, daß auf ihm die Priester und die Vestalischen Jungfrauen3) ein jährliches Opfer an dem Tage darbringen sollten, an dem ich unter dem Konsulat des Quintus Lucretius und Marcus Vinicius aus Syrien in die Hauptstadt zurückgekehrt war, und er nannte diesen Tag nach meinem Beinamen »Augustalia«. Zur selben Zeit wurde mir auf Grund eines Senats­ beschlusses ein Teil der Praetoren und Volkstribunen mit dem Konsul Quintus Lucretius und den führenden Männern nach Campanien entgegengesandt, eine Ehre, die bis auf den heutigen Tag keinem außer mir zuerkannt worden ist. Als ich unter dem Konsulat des Tiberius Nero und Publius Quintilius nach der günstigen Ordnung der Verhältnisse in Spanien und Gallien aus diesen Provinzen nach Rom zurückkehrte, bestimmte der Senat für meine Heimkehr die Weihung eines Altars des »Augustus-Friedens« beim Mars­ feld4). Dort hieß er die Behörden, die Priester und die Vestalischen Jungfrauen ein jährliches Opfer vollziehen. Der Senat bestimmte dreimal während meines Principats die Schließung der Pforten des Janus Quirinus5). Er sollte nach dem Willen unserer Vorfahren immer dann geschlossen sein, wenn im ganzen Herrschaftsbereiche des römischen Volkes siegreicher Friede zu Wasser und zu Lande herrsche. Vor meiner Geburt war er nach der Überlieferung seit Der Heimkehr gewährenden Göttin. 2) 12. Okt. 19 v. Chr. nach dreijähriger Abwesenheit in Griechenland und im Orient. 3) Die sechs Virgines Vestales hüteten das Heilige Herdfeuer und bereiteten die für den Opferdienst notwendigen Speisen. 4) 4. Juli 13 v. Chr. Von der Ara Pacis sind uns viele Reliefplatten er­ halten, die an der Außenseite angebracht waren: Der Kaiser mit seiner Fa­ milie und die Senatoren in feierlicher Prozession neben Darstellungen aus der römischen Sage und allegorischen Bildern wie der Mutter Erde. 5) Der Janus Quirinus auf dem Forum bestand aus zwei Torbögen, die durch seitliche Wände miteinander verbunden waren, ein eigentlicher Tempel war es nicht.

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Gründung der Stadt überhaupt nur zweimal geschlossen worden1). Meine Söhne Gaius und Lucius Caesar2), die mir das Schicksal im Jünglingsalter entriß, bestimmte der Senat und das römische Volk mir zu Ehren im Alter von 15 Jah­ ren zu Konsuln, damit sie dieses Amt nach fünf Jahren anträten. Ferner beschloß der Senat, daß sie von dem Tage ihrer feierlichen Einführung auf dem Forum an den öff ent­ lichen Sitzungen beiwohnen sollten. Die gesamte römische Ritterschaft aber gab beiden den Titel eines »Ersten der Jugend« und verlieh ihnen silberne Schilde und Lanzen. Der römischen Plebs3) habe ich aus dem Vermächtnis meines Vaters pro Mann 300 Sesterzen gegeben4) und in meinem Namen gab ich während meines fünften Konsulats5) je 400 Sesterzen aus der Kriegsbeute. Zum zweiten Mal aber gab ich in meinem zehnten Konsulat6) pro Mann 400 Sesterzen aus meinem väterlichen Vermögen. In meinem elften Konsulat7) verteilte ich 12 Getreidespenden, wobei ich das Getreide auf eigene Kosten kaufte, und im zwölften Jahr meiner tribunicischen Gewalt8) stiftete ich zum dritten Male pro Mann 400 Sesterzen. Diese meine Stiftungen kamen niemals weniger als 250000 Menschen zugute. Im Die erste Schließung unter Augustus im Jahre 29, die zweite 25 v. Chr., das Datum der dritten Schließung ist ungewiß. 2) Eig. des Augustus Enkel, die er im Jahre 17 adoptiert hatte. 3) Die Plebs Romana ist die große Masse der hauptstädtischen Be­ völkerung, rangmäßig geschieden von den Patriziern. Die später ge­ nannten 320000 Mitglieder der Plebs Urbana und die im letzten Satz des Kapitels erwähnten 200000 Mitglieder der »Plebs, die damals Ge­ treide zu empfangen pflegte«, werden in Wahrheit ungefähr den gleichen Kreis von Beteiligten umfassen, wenn auch die veränderte Bezeichnung mit juristischer Genauigkeit auf eine inzwischen erfolgte Neuordnung der hauptstädtischen Bevölkerung hinzuweisen scheint. 4) 44 v. Chr. etwa 52,65 RM. 5) 29 v. Chr. nach den Triumphen im Monat August, hauptsächlich aus der ägyptischen Beute. 6) 24 v. Chr. 7) 23 v. Chr. 8) 12 v. Chr.

18. Jahre meiner tribunicischen Gewalt, als ich zum zwölften Male Konsul war1), gab ich den 320000 Mitgliedern der hauptstädtischen Plebs pro Kopf 60 Denare2). Meinen angesiedelten Soldaten gab ich in meinem fünften Konsulat aus der Kriegsbeute pro Mann 1000 Sesterzen; dieses Triumphalgeschenk empfingen in den Militärkolonien un­ gefähr 120000 Menschen. In meinem dreizehnten Kon­ sulat3) gab ich dem Volke, das damals auf öffentliche Kosten Getreide zu empfangen pflegte, je 60 Denare; es handelte sich um etwas mehr als 200000 Menschen4). Den Gemeinden bezahlte ich Geld für die Ländereien, die ich in meinem vierten Konsulat5) und nachher unter dem Konsulat des Marcus Crassus und des Augurs Gnaeus Lentulus6) den Soldaten angewiesen habe. Es waren im ganzen ungefähr 600 Millionen Sesterzen, die ich für ita­ lische Güter ausgab, und ungefähr 260 Millionen Se­ sterzen, die ich für Ackerland in den Provinzen bezahlte. Dies tat ich bis auf meine Zeit als erster und einziger unter allen, die in Italien oder in den Provinzen Militärkolonien gegründet haben. Später unter dem Konsulat des Tiberius Nero und Gnaeus Piso7) und ebenso unter dem des Gaius Antistius und Decimus Laelius8), ferner unter dem des Gaius Galvisius und Lucius Passienus9), dem des Lucius Lentulus und Marcus Messalla10) und dem des Lucius 1) 5 v. Chr. 2) — 240 Sesterzen. 3) 2 v. Chr. 4) Die in diesem Kapitel aufgezählten Spenden ergeben abgesehen von den Getreideverteilungen die Summe von 619 Millionen Sesterzen, rund 108 Millionen RM. Augustus bezahlte sie teils aus dem von seinem Vater Octavian und seinem Adoptivvater Cäsar ererbten Vermögen, teils aus der großen Beute nach der Eroberung Ägyptens, teils aus Ver­ mächtnissen seiner Freunde, z. B. des Agrippa. 5) 30 v. Chr. 6) 14 v. Chr. 7) 7 v. Chr. 8) 6 v. Chr. 9) 4 v. Chr. 10) 3 v. Chr.

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Caninius und Quintus Fabricius1) entließ ich die Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit in ihre Heimatgemeinden und gab ihnen ihre Belohnung in barem Gelde. Hierfür gab ich ungefähr 400 Millionen Sesterzen aus. Viermal unterstützte ich den Staatsschatz aus meinen Privatmitteln, indem ich seinen Vorstehern 150 Millionen Sesterzen überwies2). Unter dem Konsulat des Marcus Lepidus und Lucius Arruntius3) überwies ich aus meinem väterlichen Vermögen 170 Millionen Sesterzen an die Mili­ tärkasse, die auf meinen Entschluß hin zur Versorgung derjenigen Soldaten gegründet wurde, die 20 oder mehr Dienstjahre abgeleistet hatten. Seit dem Konsulatsjahr des Gnaius und Publius Lentulus4) gab ich, wenn die öffentlichen Einnahmen gering flössen, bald 100000 bald mehr Menschen als Beisteuer Ge­ treide und Geld aus meinen Speichern und aus meinem väterlichen Vermögen. Folgende Bauten wurden von mir errichtet: die Curie und in ihr das Chalcidicum, der Tempel des Apollon auf dem Palatin mit den Säulenhallen, der Tempel des Gott ge­ wordenen Julius, das Lupereal5), die Säulenhalle beim Circus Flaminius, die ich »Octavia« nach dem Namen dessen zu nennen gestattete, der sie früher an derselben Stelle erbaut hatte6), das Pulvinar7) beim Circus Maximus, die Tempel des Jupiter Feretrius und des Jupiter Tonans auf dem Capitol, der Tempel des Quirinus, auf dem Aventin die 1) 2 V. Chr. 2) Zwei Überweisungen kennen wir: die eine im Jahre 28 für die Spiele zur Feier des Sieges von Actium und die zweite etwa im Jahre 16 zur Wiederherstellung der Straßen. 3) 6 n. Chr. 4) 18 v. Chr. 5) Die Grotte der Wölfin. 6) Diese Säulenhalle war gegen Ende der Republik abgebrannt und Augustus baute sie im Jahre 33 zur Erinnerung an die gens Octavia wieder auf. 7) Die kaiserliche Loge.

Tempel der Minerva, der Juno Regina und des Jupiter Liberias, der Tempel der Laren am Anfang der Heiligen Straße1), der Tempel der Penaten in der Velia, der Tempel der Juventas2) und der Tempel der Großen Mutter3) auf dem Palatin. Das Capitol und das Theater des Pompeius ließ ich beide unter großen Kosten wiederherstellen, ohne jedoch meinen Namen in einer Inschrift anbringen zu lassen. Die Wasser­ leitungen, die an mehreren Stellen durch ihr Alter baufällig waren, stellte ich wieder her, und die Leistung derMarcianischen Wasserleitung habe ich auf das Doppelte gesteigert, indem ich eine neue Quelle in ihren Lauf leitete. Das Forum Julium und die zwischen Kastor- und SaturnTempel liegende Basilika, Bauten, die von meinem Vater begonnen und fast zu Ende geführt waren, habe ich vollen­ det. Als eben diese Basilika von einer Feuersbrunst ver­ nichtet wurde, begann ich den Neubau unter Vergrößerung des Grundrisses im Namen meiner Söhne und bestimmte, er solle von meinen Erben vollendet werden, falls ich ihn zu meinen Lebzeiten nicht vollendet hätte. 82 Göttertempel in der Hauptstadt stellte ich während meines sechsten Kon­ sulats4) mit Ermächtigung des Senats wieder her, wobei ich keinen überging, der zu jener Zeit der Wiederherstellung be­ durfte. In meinem siebenten Konsulat5) erneuerte ich die Flaminische Straße von Rom bis Ariminum und sämtliche Brücken mit Ausnahme der Mulvischen6) und der Minucischen. Auf eigenem Grund und Boden erbaute ich aus der Kriegsbeute7) den Tempel des Mars Ultor8) und das Au2) 3) Rom 4) 5) 6) 7) 8)

Wo nachmals der Bogen des Titus stand. Der griechischen Hebe. Die im Jahre 205/04 v. Chr. aus dem phrygischen Pessinus nach überführte Kybele. 28 v. Chr. 27 v. Chr. Heute Ponte Molle in Rom. Von Philippi. Gelobt im Jahre 42 bei Philippi.

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gustus-Forum. Das Theater beim Tempel des Apollon erbaute ich auf Grund und Boden, den ich größtenteils von Privat­ eigentümern gekauft hatte, und ließ es nach dem Namen meines Schwiegersohnes Marcus Marcellus nennen. Ge­ schenke aus der Kriegsbeute weihte ich auf dem Kapitol und im Tempel des Gott gewordenen Julius, in den Tempeln des Apollon, der Vesta und des Mars Ultor. Ihr Wert betrug etwa ioo Millionen Sesterzen. Die goldenen Kränze im Ge­ wicht von 35000 Pfund, die mir die Städte und Militärkolonien Italiens bei meinen Triumphen übergeben hatten, schickte ich in meinem fünften Konsulat1) zurück und auch später nahm ich bei jeder Ausrufung zum Imperator den goldenen Kranz nicht an, den die Gemeinden und Militärkolonien mir bereitwillig und gütig wie früher zuerkannt hatten. Dreimal habe ich in meinem eigenen Namen Gladiatoren­ spiele gegeben und fünfmal im Namen meiner Söhne oder Enkel. Bei diesen Spielen kämpften ungefähr 10000 Men­ schen. Das Schauspiel von Ringkämpfern, die aus aller Welt herbeigerufen waren, bot ich dem Volk zweimal in meinem eigenen Namen und ein drittes Mal im Namen meines Enkels2). Spiele veranstaltete ich in meinem Namen viermal, im Namen anderer Beamten jedoch drei­ undzwanzigmal. Für das Kollegium der 15 Männer ver­ anstaltete ich als Vorsitzender mit Marcus Agrippa als Amtskollegen die Jahrhundertspiele unter dem Konsulat des Gaius Furnius und Gaius Silanus3). In meinem drei­ zehnten Konsulat4) veranstaltete ich zum ersten Male die Spiele des Mars, die von da an die Konsuln in den folgen­ den Jahren gemäß Senatsbeschluß und Gesetz regelmäßig durchführten. Jagden wilder afrikanischer Tiere ließ ich in meinem Namen oder in dem meiner Söhne und Enkel im Zirkus, auf dem Forum oder in Amphitheatern sechs1) 2) 3) 4)

29 v. Chr. Germanicus oder Drusus Cäsar. 17 v. Chr. Horaz schrieb das Festgedicht. 2 v. Chr.

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undzwanzigmal für das Volk geben, wobei ungefähr 3500 wilde Tiere getötet wurden. Jenseits des Tiber, dort, wo jetzt der Hain der Cäsaren liegt, gab ich dem Volke das Schauspiel einer Seeschlacht. Hierzu ließ ich den Boden in einer Länge von 1800 und in einer Breite von 1200 Fuß ausheben. Bei dieser Seeschlacht kämpften dreißig Schiffe mit Schnäbeln bewehrt — Drei­ ruderer oder Zweiruderer — miteinander, außerdem noch viele kleinere. Bei diesen Flotten kämpften außer den Ruderern etwa 3000 Mann. In den Tempeln aller Städte der Provinz Asien stellte ich nach meinem Siege die Kostbarkeiten wieder auf, die jener Mensch, mit dem ich Krieg geführt habe1), sich durch Tempelraub persönlich angeeignet hatte. In der Stadt Rom standen ungefähr 80 silberne Statuen von mir — stehend, zu Pferd oder auf Viergespannen. Diese ließ ich selbst einschmelzen und aus ihrem Erlös goldene Weihgeschenke im Tempel des Apollon in meinem Namen und im Namen derer aufstellen, die mir die Ehre der Errichtung dieser Statuen erwiesen hatten. Das Meer habe ich von Seeräubern gesäubert und be­ friedet2). In diesem Kriege nahm ich fast 30000 Sklaven gefangen, die ihren Herren entflohen waren und die Waffen gegen den Staat erhoben hatten, und übergab sie ihren Herren zur Bestrafung. Ganz Italien schwor mir aus freiem Willen den Treueid und forderte mich zum Führer in dem Kriege, in dem ich bei Actium gesiegt habe. Denselben Treueid schworen mir die gallischen und die spanischen Provinzen und die Provinzen Afrika, Sizilien und Sardinien. Damals kämpften unter meinem Feldzeichen mehr als 700 Senatoren, darunter 83, die entweder vorher oder nach­ her bis zu dem Tage, da dies geschrieben wurde, Konsuln geworden waren, und ungefähr 170 Inhaber von Priester­ ämtern. x) Antonius. 2) Im Kriege gegen Sextus Pompeius 39—36 v. Chr.

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Ich erweiterte das Gebiet aller Provinzen des römischen Volkes, das an Völkerschaften grenzte, die unserer Herr­ schaft nicht gehorchten. In den gallischen und spanischen Provinzen ebenso wie in Germanien — in dem ganzen Land, das der Ozean von Gades1) bis zur Eibmündung umschließt — habe ich Frieden geschaffen. Die Alpen habe ich von der dem Adriatischen Meere zunächst liegenden Gegend bis zum Toskanischen Meere befrieden lassen. Dabei habe ich kein Volk ungerecht bekriegt. Meine Flotte segelte durch den Ozean von der Mündung des Rheines gegen Sonnen­ aufgang bis zum Lande der Kimbern, wohin vordem kein Römer weder zu Land noch zur See gekommen war. Die Kimbern, Haruden, Semnonen und andere germanische Völker in derselben Gegend2) baten durch Abgesandte um meine Freundschaft und um die des römischen Volkes. Auf mein Geheiß und unter meinen Auspizien wurden un­ gefähr gleichzeitig zwei Heere nach Äthiopien und nach Arabien geführt, das das Glückliche heißt, und sehr große Truppenmassen beider feindlicher Heere wurden in offener Feldschlacht geschlagen und mehrere Städte eingenommen. In Äthiopien kam man bis zur Stadt Nabata, die nahe bei Meroe liegt3). In Arabien stieß das Heer bis ins Gebiet der Sabäer bei der Stadt Mariba vor4). Ägypten fügte ich zum Reiche des römischen Volkes. Großarmenien hätte ich nach der Ermordung seines Königs Artaxes zu einer Provinz machen können. Ich zog es jedoch vor, dieses Königreich dem Tigranes, dem Sohn des Königs Artavasdes und Enkel des Königs Tigranes, durch Tiberius Nero5), der damals mein Stiefsohn war, übergeben zu lassen6). Als dasselbe Volk später abtrünnig wurde und x) Das heutige Cadiz. 2) Jütland, Schleswig-Holstein und das Gebiet der unteren Elbe. 3) Am oberen Nil. 4) Vielleicht Merib im heutigen Yemen, vielleicht ein Platz etwas südöstlich davon, mit Namen Maryama. 5) Der nachmalige Kaiser Tiberius, des Augustus Nachfolger. 6) 20 v. Chr.

sich auflehnte, ließ ich es durch meinen Sohn Gaius nieder­ zwingen und gab es dem König Ariobarzanes, dem Sohn des Mederkönigs Artabazus, zur Herrschaft und nach seinem Tode dessen Sohn Artavasdes. Nach dessen Er­ mordung schickte ich Tigranes, der aus dem Königshause der Armenier stammte, in dieses Königreich. Sämtliche Provinzen, die sich jenseits des Adriatischen Meeres nach Osten erstrecken, auch die Kyrenaika, die zum großen Teil schon im Besitze fremder Könige war, gewann ich wieder, wie bereits früher Sizilien und Sardinien, die im Sklaven­ kriege vom Feinde besetzt worden waren. Militärkolonien gründete ich in Afrika, Sizilien, Maze­ donien, in beiden Spanien, in Achaia, Asien, Syrien, dem Narbonensischen Gallien und in Pisidien. Italien aber be­ sitzt 28 Militärkolonien, die auf meine Veranlassung gegrün­ det wurden und die zu meinen Lebzeiten volkreich und belebt waren. Mehrere Feldzeichen, die unter anderen Feldherren ver­ loren gegangen waren, habe ich nach dem Sieg über die Feinde aus Spanien, Gallien und von den Dalmatern wieder­ gewonnen. Die Parther zwang ich, Beute und Feldzeichen dreier römischer Heere mir zurückzugeben und kniefällig um die Freundschaft des römischen Volkes zu bitten. Jene Feldzeichen aber legte ich im Innersten des Tempels des Mars Ultor nieder1). Durch Tiberius Nero, der damals mein Stiefsohn und mein Legat war, besiegte ich die Völker der Pannonier, zu denen vor meinem Prinzipat niemals ein römisches Heer gelangt war, und unterwarf sie der Herrschaft des römischen Volkes2). Damit erweiterte ich das Gebiet Illyriens bis zum Ufer der Donau. Als ein Heer der Daker den Fluß über­ schritt, wurde es unter meinem Zeichen besiegt und ver­ nichtet. Später überschritt mein Heer die Donau und zwang 1) So wird der »Rächende Mars«, bis dahin Rächer Cäsars, nun auch zum Rächer der früheren Niederlagen Roms gegen die Parther. 2) In den Jahren 12—9 v. Chr.

62 die dakischen Stämme, die Herrschaft des römischen Volkes zu ertragen. Aus Indien schickte man oft Gesandtschaften von Königen zu mir, die man vor dieser Zeit niemals bei einem römischen Feldherrn gesehen hatte. Die Bastarner, die Skythen und die Könige der Sarmaten, die diesseits des Don wohnen, baten durch Gesandtschaften um unsere Freundschaft, und ebenso Könige aus noch ferneren Ländern: der König der Albaner1)» der der Iberer2) und der der Meder. Hilfesuchend flüchteten zu mir die Könige der Parther Tixidates und später Phrates, der Sohn des Königs Phrates, der König der Meder Artavasdes, der König der Adiabener, Artaxares, die Könige der Britannier, Dumnobellaunus und Tincommius, der König der Sugambrer, Maelo, und der König der suebischen Markomannen.......... rus. Der König der Parther, Phrates, Sohn des Orodes, schickte alle seine Söhne und Enkel zu mir nach Italien, nicht weil er im Kriege überwunden worden wäre, sondern weil er durch das Unterpfand seiner Kinder unsere Freundschaft suchte. Unter meinem Prinzipat haben sehr viele Völker die Treue des römischen Volkes erfahren, obwohl zwischen ihnen und dem römischen Volke früher kein Austausch von Gesandtschaften und keine Freundschaft bestanden hatte. Aus meiner Hand empfingen die Stämme der Parther und Meder ihre Könige, um die sie durch Gesandtschaften ihrer vornehmsten Männer gebeten hatten. Die Parther empfingen Vonon, Sohn des Phrates und Enkel des Königs Orodes, die Meder Ariobarzanes, Sohn des Königs Artavas­ des und Enkel des Königs Ariobarzanes. Als ich in meinem sechsten und siebenten Konsulat3) den Brand des Bürgerkrieges gelöscht hatte und mit Zu­ stimmung der ganzen Welt alle Macht in Händen hielt» In der Gegend des Kaspischen Meeres. 2) Im heutigen Georgien. 3) 28 und 27 v. Chr.

habe ich den Staat aus meiner Gewalt wieder in die Hände des Senats und des römischen Volkes gelegt. Für dieses mein Verdienst wurde ich auf Beschluß des Senates Augu­ stus1) genannt, die Tür meines Hauses wurde öffentlich mit Lorbeer bekränzt, die Bürgerkrone wurde über meiner Tür angebracht und ein goldener Schild in der Curia Julia aufgestellt, den mir, wie seine Inschrift bezeugt, Senat und römisches Volk um meiner Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und Frommheit willen verliehen haben. Seit dieser Zeit stand ich an persönlichem Ansehen über allen, an Amtsgewalt aber besaß ich nicht mehr als auch meine Kollegen in denselben Ämtern besaßen. In meinem dreizehnten Konsulat2) begrüßten mich der Se­ nat, die Ritterschaft und das gesamte römische Volk als Vater des Vaterlandes und sie beschlossen, dies in der Vorhalle meines Hauses, in der Curia Julia und auf dem Forum Augustum unter der Quadriga, die mir auf Senatsbeschluß errichtet worden war, durch eine Inschrift zu bezeugen. Als ich dies schrieb, war ich 75 Jahre alt3)“. 2. Nachwort

Am 19. August des Jahres 14 n. Chr. war Augustus zu Nola in Campanien nach fast Gojährigem Wirken für den römischen Staat gestorben. Sechzehn Monate vor seinem Tode hatte er den Vestalischen Jungfrauen vier Schrift­ stücke zur Aufbewahrung übergeben. Das erste war sein privates Testament, das zweite enthielt die Bestimmungen über sein Leichenbegängnis, das dritte eine Aufzählung seiner Taten, die nach seinem Willen auf zwei eherne Tafeln eingegraben und vor seinem Mausoleum aufgestellt werden sollten, das vierte schließlich einen Abriß des mili­ tärischen und finanziellen Zustandes des Reiches. Von 1) Der Erhabene. 2) 5. Februar 2 v. Chr. 3) Am 23. September 13 n. Chr. war Augustus 75 Jahre alt geworden.

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diesen vier Aufzeichnungen des Kaisers ist uns nur die dritte, und zwar inschriftlich, erhalten, eben der »Index rerum gestarum«. In Rom zwar ist bisher noch keine Spur der beiden mit Bronzeplatten bekleideten Pfeiler zutage gekommen, die vor dem Grabmal des Augustus gestanden haben. Das Mausoleum August!, dessen Aus­ grabung und Wiederherstellung seit dem Jahre 1926 be­ trieben wird, lag auf dem Marsfeld zwischen der Flami­ nischen Straße und dem Tiber. Es wurde von Augustus im Jahre 28 v. Chr., als er erst 35 Jahre alt war, für sich und sein Geschlecht errichtet. Das Grabmal bewahrt die alt­ italische Form des Tumulus: auf einem gewaltigen kreis­ runden Unterbau von 88 m Durchmesser, der außen mit Travertinblöcken verkleidet war, erhob sich ein Erdhügel, von immergrünen Bäumen bestanden und von einer kolos­ salen Bronzestatue des Kaisers gekrönt. Im Innern be­ fanden sich die Grabkammern für die Gens Julia, zu der Augustus nach seiner Adoption durch Cäsar gehörte. Da ihm aber leibliche Söhne versagt blieben, wurde der »Tumu­ lus Juliorum« schon zu seinen Lebzeiten zum »Tumulus Caesarum«, zum Monument der Dynastie. Alle Kaiser bis auf Nerva wurden dort beigesetzt. Schon frühzeitig hat man Kopien des denkwürdigen Monumentes anfertigen lassen und in die Provinzen des Reiches geschickt, zum mindesten nach Galatien in Klein­ asien, das Augustus im Jahre 25 v. Chr. zur römischen Provinz gemacht und mit einigen Militärkolonien belegt hatte. In Ankara, der Hauptstadt Galatiens, in Antiochia in Pisidien (heute Yalva$) und in Apollonia in Phrygien (heute Oluburlu) befanden sich Abschriften des Monu­ mentes. Das Exemplar in Ankara scheint als einziges neben dem lateinischen Urtext eine griechische Übersetzung zu geben, während die Ausgrabungen in Antiochia nur Splitter der lateinischen Fassung ans Licht brachten, die jetzt entsprechend ihrer ursprünglichen Zusammengehörig­ keit auf Zementplatten vereinigt und am Tempel in Ankara

ausgestellt sind. In Apollonia hat man bisher nur Bruch­ stücke der griechischen Übersetzung gefunden. Es mag ein bloßer Zufall sein, daß sich drei Kopien im östlichen Winkel des Reiches gefunden haben, aber es wäre ebenso denkbar, daß das Andenken und Ansehen des Augustus in der Provinz Galatia — der einzigen, die er neben Ägypten dem Reiche hinzufügte — besonders lebhaft war, zumal die in Kleinasien seit Urzeiten geübte Form der Herrscher­ verehrung es den Galatern leicht machen mußte, Augustus als Gott zu sehen und so auch Roms Herrschaft anzuer­ kennen, deren leiblicher Ausdruck eben Augustus war. Man hat immer wieder gefragt, was dies einzigartige Denkmal eigentlich sei, in dem Augustus heute noch ebenso überzeugend zu uns spricht wie seine Worte den römischen Bürgern geklungen haben mögen, die sich in den Gärten um sein Grabmal ergingen und durch viele Geschlechter hindurch den Tatenbericht des zum Gott erhobenen Herr­ schers gelesen haben. Eine Grabschrift ist es nicht. Wie römische Grabschriften gelautet haben — sparsam in Worten und darum um so eindringlicher — mag die des Kaisers Tiberius, den Augustus selbst zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, zeigen: »Hier liegen die Gebeine des Tiberius Cäsar, Sohn des Gott gewordenen Augustus und selbst Augustus, der Oberpriester war, Zßmal die tribunicische Gewalt inne hatte, 8mal als Imperator begrüßt wurde und 5mal Konsul gewesen ist«. Im Lateinischen ist das mit sechzehn Worten gesagt. Auch als politisches Testament darf man das Monumentum Ancyranum nicht bezeichnen. Das war viel eher jener Abriß über den militärischen Zustand des Reiches, in dem sich noch die Mahnung fand, man solle das Reich nicht über seine jetzigen Grenzen ausdehnen. Man hat die Res Gestae einen Rechenschaftsbericht ge­ nannt und Bilanz einer Regierung, in der Empfangenes und Gegebenes gegen einander aufgerechnet werden. Staats­ rechtlich ist eine solche Bezeichnung nicht richtig, aber im politischen Sinne darf man wohl von einem RechenSchede-Schultz, Ankara und Augustus

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schaftsbericht reden, insofern Augustus in einer kurzen Übersicht seine Taten in Krieg und Frieden darlegt, alles was er in einem langen Leben für Rom und seine Bür­ ger getan hat. Denn der Zweck der Veröffentlichung war ein politischer und kann nur aus der Situation der Zeit heraus verstanden werden. Als Augustus mit 19 Jahren auf eigene Kosten ein Heer aufstellte und gegen Antonius zu Felde zog, war dies für die Römer nichts Anderes als einer der vielen Gewalt­ akte, denen der Staat nun schon seit den Zeiten des Marius und Sulla ausgesetzt war. Und bis zum Ende des zweiten Triumvirats konnte Augustus in den Augen der alten An­ hänger der Republik nur ein Usurpator sein, so schonend er auch die alten Formen staatlichen Lebens bewahrt haben mochte. Im Laufe eines an Enttäuschungen und persön­ lichem Unglück reichen Lebens hat sich Augustus gewandelt: aus dem stets etwas kränklichen Jüngling Octavius, der kalt und mit unbeirrbarer Sicherheit sein Ziel verfolgte, mehr Politiker als Feldherr, ganz das Gegenteil des raschen und offenen Antonius, des Kameraden und Abgotts seiner Sol­ daten, wurde Augustus, der »Erhabene«. »Er begrub den Kampf der Bürger, beendete die auswärtigen Kriege, rief den Frieden zurück, verschaffte dem Gesetz wieder Macht, den Richtersprüchen Anerkennung, gab dem Senat seine Majestät zurück, beschränkte die Amtsgewalt der Beamten auf das frühere Maß und stellte die alte Form des Staates unserer Vorfahren wieder her«. Er wurde schließlich der »Vater des Vaterlandes«, ein zweiter Romulus und Gründer der Stadt. Es ist ein langer Weg von der unerbittlichen Aus­ schreibung von Ächtungen, durch die 300 Senatoren und 2000 Ritter ihr Leben und noch mehr Menschen Hab und Gut verloren, bis zu jenem Ausspruch alexandrinischer Schiffer bei Puteoli, die in weißen Gewändern, bekränzt und Weihrauch spendend zu dem alten Kaiser kamen und sagten, ihm dankten sie ihr Leben, ihm die Sicherheit der Schiffahrt, ihm ihre Freiheit und ihr Glück, worüber sich Augustus »unbändig freute«.

Jede Zeile des Monumentum Ancyranum sollte die große Wandlung des Staates offenbaren: statt Bürgerkrieg und Terror herrschte der »Friede Roms«, aus einem Zustand von Auflösung und Verfall hatte man zurückgefunden zu den alten Römertugenden, zu Mannhaftigkeit, Milde, Gerech­ tigkeit und Ehrfurcht gegen Götter und Menschen. Die Be­ sten der Zeit hatten gewußt, daß der Staat faul war, daß Rom »an seiner eigenen Größe krankte« und »die Kräfte eines einst mächtigen Volkes sich selbst verzehrten«. Die ganze Welt war erfüllt von Sehnsucht nach dem Retter und Heiland, und er kam in dem Jüngling, »der viel versprach und würdig war eines Cäsar«. Der Dichter Vergil, der in den Wirren des Bürgerkrieges selbst »die Süße der Heimat und der Väter Gefild« hatte verlassen müssen, konnte später in den Hirtengedichten sagen: »Ein Gott hat uns die Muße bereitet. Immer wird er ein Gott mir heißen«. Augustus hat die »unermeßliche Majestät des römischen Friedens« über die Welt gebreitet, »sein Geist allein war einer solchen Auf­ gabe fähig«. Sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, den er in die Worte faßte: »Möge es mir vergönnt sein, daß der Staat gesund und heil an seinem Platz stehe und daß ich noch die Früchte einer solchen Ordnung sehe, wie ich sie mir wünsche, daß ich Begründer des besten Zustandes genannt werde und daß ich noch im Tode die Hoffnung mit mir nehme, daß die Grundlagen des Staates, die ich gelegt habe, auch für die Zukunft Dauer haben werden«. In dem Tatenbericht, der die nüchterne Form eines amtlichen Berichtes an den Senat bewahrt, ist doch immer etwas spürbar von jenem Be­ wußtsein einer neuen Weltordnung, das der Herrscher selbst erweckt hatte. Es muß ganz lebendig gewesen sein für die, die in Rom die Worte des Verstorbenen lasen, die Ehren, die ihm zu Teil geworden waren, die Spenden und Spiele, die sie selbst noch genossen hatten, und schließlich die Taten, die in großartiger Steigerung in der Verleihung des Namens Augustus, in der Nennung seiner Tugenden und in der Bezeichnung als Vater des Vaterlandes gipfeln.

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Wer dem Kaiser Heuchelei vorwirft, weil wichtige Er­ eignisse wie die Niederlage des Varus gegen die Germanen nicht erwähnt werden oder von dem offenkundigen Miß­ erfolg der Bemühungen um eine Besserung der Sitten nicht die Rede ist, der verkennt den politischen Zweck des Doku­ mentes. Es sollte den damaligen Römern ein ganz bestimm­ tes Bild der Herrschaft eines einzelnen Mannes, der sich selbst nie als Monarchen aufgefaßt wissen wollte, vermittelt werden, so wie nicht nur er sein Leben und das Erreichte sah, sondern auch die Besten der Zeit mit ihm. Vergil und Horaz sind Zeugen hierfür, ebenso wie Livius oder be­ deutende Mitarbeiter wie Mäcenas und Agrippa. Aber nicht nur die Freunde zeugen für den Mann und sein Wesen, sondern auch die Geschichte hat über Augustus und seine Zeit kein anderes Urteil gesprochen, als das was er selbst für wesentlich und gerechtfertigt hielt. Er hat die damalige Welt in eine Form gebracht, die viele Jahrhunderte dauern sollte. Und wenn wir heute vom Römertum sprechen, so steht uns der Staat des Augustus vor Augen, die Dichtung des Vergil und Horaz, die Reliefs der Ara Pacis, und wir denken an jene viel zitierten Worte der Aenaeis1): Du bist ein Römer, dies sei Dein Beruf: Die Welt regiere, denn Du bist ihr Herr. Dem Frieden gib Gesittung und Gesetze, Begnadige, die sich Dir gehorsam fügen, Und brich in Kriegen der Rebellen Trutz. b Zitiert nach der Übersetzung E. Nordens.

VERÖFFENTLICHUNGEN DER ABTEILUNG ISTANBUL DES ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES DES DEUTSCHEN REICHES Istanbul, Taksim

Sira Seivi Nr. 123

ISTANBULER FORSCHUNGEN Band I: STOCKWERKBAU DER GRIECHEN UND RÖMER. Von Arif Müfid. Quart. IX, 133 Seiten, 38 Textabbildungen. Verlag Walter de Gruyter u. Co., Berlin 1932. RM 14.40 Band II: DER FRIES DES HEKATEIONS VON LAGINA. Von Arnold Schober. Quart. 112 Seiten, 35 Lichtdrucktafeln, 1 Falt­ tafel und 45 Textabbildungen. Verlag Rudolf M. Rohrer, Baden bei Wien. 1933. RM 26.—

* Band III: DER VALENS-AQUÄDUKT IN KONSTANTINOPEL. Von Knut Olof Dalman. Mit Beiträgen von Paul Wittek. Quart. VIII, 87 Seiten. 22 Tafeln, 3 Textabb. 1933. RM 20.—

* Band IV: DIE ARMENISCHE BUCHMALEREI DES 10. UND BEGINNENDEN 11. JAHRHUNDERTS. Von Kurt Weid­ mann. Quart. 20 Seiten, 63 Abbildungen auf 3 Beilagen und 14 Lichtdrucktafeln. 1933. RM 11.— * Band V: DIE FELSBILDER VON YAZILIKAYA. Neue Auf­ nahmen der Deutschen Bogazköy-Expedition 1931. Mit Einleitung von Kurt Bittel. Quart. 12 Seiten, 29 Tafeln, 2 Karten. 1934. RM 10.—

* Band VI: PRÄHISTORISCHE FORSCHUNG IN KLEINASIEN. Von Kurt Bittel. Quart, 147 Seiten, 21 Tafeln, 2 Karten im Text und 1 Fundkarte. 1934. RM 13.50 * Band VII: DER OBELISK UND SEINE BASIS AUF DEM HIPPODROM ZU KONSTANTINOPEL. Von Gerda Bruns. Mit einem Beitrag von Friedrich Krauss. Quart. 92 Seiten, 41 Lichtdrucktafeln, 13 Textabbildungen. 1935. RM 15.— * Band VIII: BYZANZ. Vorarbeiten zur Topographie und Archäo­ logie der Stadt. Von Alfons Maria Schneider. Mit einer topo­ graphischen Karte. RM 13.50, Karte allein RM 1.—

ISTANBULER MITTEILUNGEN * Heft I: ORIENTALIN 68 Seiten. 1933.

Von Hellmut Ritter.

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* Heft II: DAS FÜRSTENTUM MENTESCHE. Studie zur Ge­ schichte Westkleinasiens im 13.—14. Jahrh. Von Paul Wittek. Groß-Oktav, XVI, 192 Seiten und 1 Übersichtskarte. 1934. RM 10.— * Zu beziehen durch: Deutsches Archäologisches Institut, Istanbul, Taksim, Sira Selvi 123.

* Heft III: ORIENTALISCHE STEINBÜCHER UND PERSISCHE FAYENCETECHNIK. Von H. Ritter, J. Ruska, F. Sarre und A. Winderlich. Groß-Oktav. 70 Seiten, 4 Tafeln. 1935. RM 6.— * Heft IV: ZWEI STIFTUNGSURKUNDEN DES SULTANS MEHEMET II. FATIH. Von Tahsin Öz. Groß-Oktav, XIV, 15*, 149 Seiten. 1935. RM 10.—

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PALMYRA, Ergebnisse der Expeditionen von 1902 u. 1917. Heraus­ gegeben von Theodor Wiegand. Bearbeitet von D. Krencker, O. Puchstein, B. Schulz, C. Watzinger, Th. Wiegand, K- Wulzinger. Mit Beiträgen von A. Fick, H. Lehner, E. Weigand. Zwei Bände, Folio. 171 Seiten, 183 Abbildungen, 100 Tafeln in Lichtdruck und eine farbige Karte. Verlag Heinrich Keller, Berlin 1932. Geh. RM 140.—. In Ganzleinenbänden RM 150.—

DIE KAISERPALÄSTE von Konstantinopel zwischen Hippodrom und Marmara-Meer. Von Ernest Mamboury und Theodor Wiegand. Groß-Quart. VIII, 72 Seiten, 31 Textabbildungen, 128 Lichtdrucktafeln, Verlag Walter de Gruyter u. Co., Berlin 1934. Ganzleinen RM 80.— DIE BYZANTINISCHE BUCHMALEREI DES 9. UND 10. JAHR­ HUNDERTS. Von Kurt Weitzmann. Groß-Quart. 94 Abbil­ dungen im Text und 93 Tafeln. Verlag Gebr. Mann, Berlin 1935. Ganzleinen RM 60.—

* Zu beziehen durch: Deutsches Archäologisches Institut, Istanbul, Taksim, Sira Selvi 123.