Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums [Reprint 2015 ed.] 9783050073330, 9783050030548

Der Titel ist in der Reihe "Studienbücher Geschichte und Kultur der Antike" erschienen und in einen darstellen

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German Pages 394 [400] Year 2002

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Table of contents :
Abkürzungsverzeichnis
I. Darstellung
Augustus’ Stellung in der römischen Geschichte
1. Der Erbe Caesars
1.1. Das Bündnis mit dem Senat
1.2. Der 2. Triumvirat
1.3. Die Rivalität mit M. Antonius
1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg
2. Der Princeps
2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats
2.2. Die materiellen Quellen der Macht
2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand
2.4. Augustus und die Armee
3. Die Leistung
3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens
3.2. Bauten und Selbstdarstellung
3.3. Innere Reformen
3.4. Augustus als Mehrer des Reiches
3.5. Die Administration
3.6. Die Nachfolge: Das Problem und seine Lösung
4. Augustus und die öffentliche Meinung
II. Quellen
1. Der Erbe Caesars
1.1. Das Bündnis mit dem Senat
1.2. Der Zweite Triumvirat
1.3. Die Rivalität mit M. Antonius
1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.)
2. Der Princeps
2.1 Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats
2.2. Die materiellen Quellen der Macht
2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand
2.4. Augustus und die Armee
3. Die Leistung
3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens
3.2. Bauten und Selbstdarstellung
3.3. Innere Reformen
3.4. Augustus als Mehrer des Reiches
3.5. Die Administration
3.6. Die Nachfolge: Probleme und Lösung
4. Augustus und die öffentliche Meinung
III. Anhang
1. Zeittafel
2. Quellenverzeichnis
3. Arbeitsbibliographie
4. Glossar
5. Stammtafel der Familie des Augustus
6. Tabelle der parthischen und armenischen Herrscher
7. Personenverzeichnis
8. Karten
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Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums [Reprint 2015 ed.]
 9783050073330, 9783050030548

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Bringmann/Schäfer Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums

STUDIENBÜCHER Geschichte und Kultur der Alten Welt Herausgegeben von Klaus Bringmann (Verantwortlicher Herausgeber dieses Bandes) Elisabeth Erdmann Klaus M. Girardet Gustav Adolf Lehmann Ulrich Sinn Karl Strobel

Klaus Bringmann/Thomas Schäfer

Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums

Akademie Verlag

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

ISBN 3-05-003054-2 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2002 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN / ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form-durchPhotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von DatenverarbeiwngsmaschinerL, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Günter Schorcht, Schildow Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Vorwort der Herausgeber

Es ist paradox, daß auf dem Wege Deutschlands in ein geeintes Europa den gemeinsamen Wurzeln dieses Europas in seinem Bildungssystem immer weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dem erklärten politischen Willen, ein geeintes Europa zu schaffen, steht ein zielstrebiger Abbau des tragenden Geschichtsbildes und des Wissens um sein kulturelles Werden gegenüber. Damit werden aber gerade jene Bereiche im allgemeinen Bewußtsein abgebaut, die auf dem Weg der Einigung Europas das notwendige mentale, identitätsstiftende Fundament über die wirtschaftlichen Komponenten und ökonomischen Interessen hinaus zu geben vermögen; denn letztere besitzen durchaus ein Konfliktpotential für das gewollte Zusammenwachsen. Es ist bei der Entwicklung der schulischen Lehrpläne in den verschiedenen Bundesländern festzustellen, daß gerade das Wissen um jene Perioden abgebaut wurde, ja noch weiter reduziert werden soll, aus denen Europa konkret als Einheit zu begreifen ist. Gegenüber der Antike, dem Werden des Abendlandes in der Schwellenphase von Spätantike und Frühmittelalter und schließlich dem Mittelalter selbst wird genau jene Epoche in den Vordergrund gestellt, in der sich Europa durch Nationalismus, Imperialismus und wirtschaftliche Konkurrenz zu einem erbitterten Gegeneinander entwickelt hat. Geschichte in der Schule vermittelt keine europäische Perspektive, sondern wird zur nationalen Nabelschau. Dagegen werden die Phänomene zurückgedrängt, in denen sich eine Völker-, sprachen- und kulturübergreifende Symbiose verwirklicht hatte, wie wir dies im Hellenismus, zu dem auch das republikanische Rom und der westliche Mittelmeerraum gehörten, und im Imperium Romanum vor Augen haben. Gerade hier sind Multikulturalität und Kulturationsprozesse, Innovation und Beharren sowie wirtschaftliche, kulturelle und soziale Interferenzen beispielhaft zu verfolgen, also die Sinnhaftigkeit des Phänomens, das wir mit dem Schlagwort Europa meist nur vage ansprechen, nachzuvollziehen. Daß es für diese Vergangenheiten unserer Gegenwart eine breite Nachfrage nach Information gibt, das zeigt nicht nur die umfangreiche Produktion von Sachbüchern, sondern auch das Interesse an Medienproduktionen zu Themen von Archäologie und Antike. Die

6

Vorwort der Herausgeber Folgen der skizzierten Entwicklung auf dem Feld der Schulbildung werden noch dadurch verstärkt, daß sich der Zugang zu den Zeugnissen des Altertums über die Quellensprachen immer mehr verengt. Dabei darf nicht übersehen werden, daß das Griechische für die „römische Welt" als allgemein verbreitete und den Osten des Imperium Romanum prägende Sprache zu diesem Gesamtphänomen gehört, ja den Zugang zu den Quellen für die aktuellsten Fragestellungen nach dem sozialen und wirtschaftlichen Alltag eröffnet, von seiner prägenden Kraft als Kirchensprache ganz abgesehen. Der nur auf die Gegenwart hin funktionalisierte schulische Unterricht kann' die Bedürfnisse nach stabiler Orientierung und Identität nicht befriedigen, er macht gerade anfällig für Ideologien und .einfache Lösungen'. Die Verengung im schulischen Unterricht wirkt in komplexer Weise auf die akademische Ausbildung zurück, in den fehlenden Vorkenntnissen der Studierenden ebenso wie in der Strukturierung des Studiums oder einer .Verschlankung' der Lehrerausbildung. Fördernder schulischer Unterricht sowie qualifizierte, problemorientierte Medientätigkeit setzen aber Kompetenz voraus. Aus der fachlichen und methodischen Qualifikation erwachsen Autorität, eigenes Einsichtsvermögen und damit die Voraussetzungen für kreative Vermittlung von Inhalten. Die Fähigkeit zur Erklärung von komplexen, übergreifenden Phänomenen bedarf des eigenen vertieften Zuganges. Die Reihe „Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt" möchte zu einer Antwort auf die angesprochenen Probleme beitragen. Die einzelnen Bände sollen in der Breite wie in der Konzentration der gebotenen Inhalte ein fundiertes Informationsmedium und ein in die Vertiefung von Fragestellungen wie Methoden führendes Arbeitsinstrument darstellen. Sie sollen nicht nur auf den akademischen Unterricht und das Studium ausgerichtet sein, auch wenn dies eine wesentliche Zielsetzung bildet, sondern ebenso auf die Bereiche von Lehrerfortbildung, Unterrichtsvorbereitung oder Projektunterricht, auf die Nachbarwissenschaften und auf den breiten Kreis interessierter Leser. Die Bände der Reihe werden zum einen in einer chronologischen Gliederung einzelne Abschnitte der geschichtlichen Entwicklungen zum Gegenstand haben, zum anderen thematisch aufgebaut sein. Dabei soll besonders auf die Uberwindung traditioneller Schematismen hingewiesen werden. Das inhaltliche Spektrum und die Vertiefung der Darstellung sind gegenüber bisherigen Quellensammlungen, auch solchen des angelsächsischen Raumes, entscheidend erweitert. Nicht die Vielzahl der vorgelegten Quellen, sondern deren exemplarischer Charakter und beispielhafte Erschließung stehen im Mittelpunkt. Darstellung, Kommentierung, Glossar und Bibliographie sollen die einzelnen Bände zu Arbeitsinstrumenten machen, die den Zugang zu Diskussionsstand und Verständnis der behandelten Phänomene bieten. Dabei sollen literarische wie nichtliterarische Textquellen, antike Bildmedien und archäologische Befunde gleichberechtigt

Vorwort der Herausgeber nebeneinandertreten. Abbildungen dienen nicht der Illustration, sondern stellen Quellen dar, die in Aussage wie Problematik erschlossen werden. Die Herausgeber hoffen, durch die neue Reihe eine Lücke in den Instrumenten zur Vermittlung vertieften Wissens und Verständnisses für das Altertum als Grundlage unserer europäisch geprägten Welt zu schließen und zu einem breiten, nicht auf die Zeitgeschichte verengten Geschichtsbild beizutragen. Daß die Textquellen dabei in einer auf ihre Begrifflichkeit hin geprüften Übersetzung geboten werden, soll nicht als Zugeständnis an den „Zeitgeist" mißverstanden werden; die Kenntnis der Quellensprachen bleibt unverzichtbar. Es ist vielmehr das Ziel, den Zugang zu den Textquellen für die breiten Kreise zu öffnen, die in der universitären, schulischen und gesellschaftlichen Allgemeinheit nicht über Kenntnisse der klassischen europäischen oder gar der altorientalischen Sprachen verfügen, ebenso für jene Studierenden, die sich ihre Kenntnisse erst an der Universität aneignen und nicht mehr über eine breite schulische Textlektüre verfügen. Die antike Begrifflichkeit soll durch die Ubersetzung nicht ausgeklammert, sondern als quellensprachlicher Schlüssel herausgestellt werden. So sind zugleich die begriffsgeschichtlichen Vorgaben der Terminologien zu erhellen, die wir in allen Bereichen benutzen und die sich auch in Neuschöpfungen aus der antiken Sprachlichkeit ableiten. Die Tatsache, daß die lateinische Begrifflichkeit den gesamten romanischen Raum prägt, ist dabei sicher eher im Bewußtsein als ihre Präsenz auch im Englischen. Daß Sprache und Begriffe unser Denken wie die mentalen Strukturen unserer Wahrnehmung formen, ist dabei ins Gedächtnis zu rufen. Die Herausgeber hoffen, daß die Reihe „Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt" durch die Breite der Themen und die Vielfalt der vorgestellten Quellen die antike Welt in dem Reichtum ihrer Aspekte, in der Pluralität ihrer Lebenswelten und in der Modernität vieler Fragestellungen bewußt werden läßt. Die Welt der Antike ist in der Gegenwart stets präsent; sie hat aus der griechischen Welt den Gedanken einer politischen Partizipation des Bürgers, der von einem Gemeinwesen der Bürger getragenen politischen und sozialen Ordnung eingebracht, aus dem Imperium Romanum die Ordnung auf der Grundlage des Bürgerrechts und der in den größeren politischen Verband integrierten kommunalen und regionalen Selbstverwaltungseinheiten. Ohne sie hätte der mehr als .schlanke Staat' des Imperium Romanum nie funktioniert, nie die tragende Akzeptanz gewonnen, ja nie in seiner Multi-Ethnizität und Multikulturalität so dauerhaft existiert. Dabei ist gerade diese Existenz des Imperium Romanum die Voraussetzung für die Ausbreitung des Christentums, für die Ausbildung des Abendlandes und der Moderne, ja für die Formung des Begriffes „Europa" gewesen. Die Herausgeber

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Vorwort

Der Titel des Buches verdeutlicht die Absicht, mit der es geschrieben wurde. Es will zeigen, wie aus der Katastrophe der Republik eine neue Ordnung entstand und die Fundamente des römischen Kaisertums gelegt wurden. Dies alles ist mit der Person und Leistung des Augustus verknüpft, der innerhalb der mehr als tausendjährigen römischen Geschichte eine einzigartige Schlüsselstellung einnimmt. Sein Aufstieg zur Alleinherrschaft, die Etablierung des Kaisertums unter Anknüpfung an die politische und gesellschaftliche Ordnung der späten Republik sowie die Legitimierung seiner Stellung durch eine herausragende Lebensleistung, die ihm die reichsweite Zustimmung einer breiten Öffentlichkeit eintrug, stellen die Hauptaspekte des Themas dar und bestimmen in großen Zügen die Struktur des Buches. Andere große Themen der augusteischen Zeit wie Kunst und Literatur bleiben demgegenüber ausgeschlossen. Eine Ausnahme bildet das augusteische Bauprogramm in Rom. Dessen Realisierung war einerseits Teil der inneren Befriedung der unruhigen Hauptstadt, weil auf diese Weise die stadtrömischen Massen in Brot und Arbeit gesetzt wurden, andererseits sind die Bauten der genuine Ausdruck der Selbstdarstellung und Akzeptanz der von Augustus begründeten neuen Ordnung. Das entsprechende Kapitel "Bauten und Selbstdarstellung" stammt zusammen mit den einschlägigen Quellenpräsentationen aus der Feder von Thomas Schäfer. Das Gleiche gilt für Q 17 (Das Mausoleum Augusti) und Q 19 (Das Siegesdenkmal von Actium). Allein die dem Forum Augustum gewidmete Beschreibung (Q 44) wird Dr. Martin Spannagel verdankt. Die übrigen Kapitel hat Klaus Bringmann geschrieben, der auch die meisten Schriftquellen neu übersetzt und alle mit Erläuterungen versehen hat. Die Münzabbildungen und die Legenden hat Dr. Helmut Schubert vom Seminar für Griechische und Römische Geschichte Abt. II der Universität Frankfurt am Main beigesteuert. Die beiden Karten zeichnete Dr. Peter Scholz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am

10

Vorwort Frankfurter Forschungskolleg "Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel". Schließlich bleibt uns die angenehme Pflicht, allen denen zu danken, die das Zustandkommen dieses Buches unterstützten, neben den bereits erwähnten Dres. Spannagel, Scholz und Schubert vor allem Dr. Jörn Kobes, Martina Lange, Irmgard Staub und last but not least Antonia Nickel.

Frankfurt am Main und Greifswald im Dezember 2000

Klaus Bringmann Thomas Schäfer

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

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I. Darstellung Augustus' Stellung in der römischen Geschichte

23

1. Der Erbe Caesars 1.1. Das Bündnis mit dem Senat 1.2. Der 2. Triumvirat 1.3. Die Rivalität mit M. Antonius 1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg

25 25 30 33 37

2. Der Princeps 2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats 2.2. Die materiellen Quellen der Macht 2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand 2.4. Augustus und die Armee

45 45 54 61 69

3. Die Leistung 3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens 3.2. Bauten und Selbstdarstellung 3.3. Innere Reformen 3.4. Augustus als Mehrer des Reiches 3.5. Die Administration 3.6. Die Nachfolge: Das Problem und seine Lösung

75 75 78 87 92 105 114

4. Augustus und die öffentliche Meinung

119

12

Inhaltsverzeichnis II. Quellen 1. Der Erbe Caesars 1.1. Das Bündnis mit dem Senat Q 1: Testament und Erbschaft Q 2: Octavian als Sohn des Gottes Caesar Q 3: Cicero und Octavian Q 4: Die Auflösung des Bündnisses Q 5: Konsulat und Rache für Caesar 1.2. Der Zweite Triumvirat Q 6: Der Abschluß des 2. Triumvirats (Oktober 43 v. Chr.) Q 7: Die Proskriptionen Q 8: Die Macht- und Kompetenzverteilung nach der Schlacht bei Philippi (November 42 v. Chr.) 1.3. Die Rivalität mit M. Antonius Q 9: Landverteilung und Perusinischer Krieg Q 10: Der Vertrag von Brundisium (Herbst 40 v. Chr.)... Q l l : Der Vertrag von Misenum (Frühjahr 39 v. Chr.).... Q 12: Der Vertrag von Tarent (Frühjahr 37 v. Chr.) Q 13: Die Maßnahmen und Ehrungen nach dem Sieg über Sex. Pompeius (Herbst 36 v. Chr.) 1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.).. Q 14: Antonius' dynastische Herrschaftsordnung im Osten Q 15: Die wechelseitigen Vorwürfe der Rivalen Q 16: Octavians Machtergreifung und propagandistische Kriegsvorbereitung Q 17: Mausoleum Augusti Q 18: Die Kriegserklärung des Jahres 32 v. Chr Q 19: Das Siegesdenkmal von Actium 2. Der Princeps 2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats Q 20: Die Rückkehr zu Recht und Ordnung Q 21: Die Neubestimmung der Amtsgewalt am 16. Januar 27 v. Chr Q 22: Die Modifikation der Amtsgewalt in den Jahren 23 und 19 v. Chr Q 23: Die Ablehnung 'monarchischer' Ausnahmegewalten

131 131 131 133 135 143 147 150 150 153 155 157 157 160 161 163 164 168 168 171 173 175 180 182 187 187 187 193 194 197

Inhaltsverzeichnis Q 24: Der senatorische Beirat des Kaisers (consilium principis) Q 25: Die Destination der Konsuln und Praetoren 2.2. Die materiellen Quellen der Macht Q 26: Augustus' Aufwendungen aus Privatvermögen und Kriegsbeute Q 27: Die Ressourcen des Privatvermögens Q 28: Die Geldgeschenke eines Klientelkönigs: Herodes d. Gr 2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Q 29: 'Säuberungen' und Ergänzungen des Senatorenund Patrizierstandes Q 30: Eine senatorische Karriere: P. Sulpicius Quirinius.. Q 31 : Augustus im Senat Q 32: Augustus und der Ritterstand 2.4. Augustus und die Armee Q 33: Die Disziplinierung der Armee Q 34: Der Umfang des stehenden Heeres Q 35: Dienstzeiten und Veteranenversorgung Q 36: Die Finanzierung der Veteranenversorgung 3. Die Leistung 3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens Q 37: Die Bekämpfung des Bandenunwesens Q 38: Die Organisation der öffentlichen Sicherheit in Rom Q 39: Die kostenlose Getreideversorgung in Rom 3.2. Bauten und Selbstdarstellung Q 40: Die stadtrömischen Bauten Q 41: Die Neugestaltung des Forum Romanum Q 42: Der augusteische Baukomplex auf dem Palatin und die Basis von Sorrent Q 43: Statue des Augustus von Primaporta Q 44: Das Augustusforum und der Tempel des Mars Ultor Q 45: Ara Pacis und Horologium Q 46: Larenaltäre und Kaiserkult 3.3. Innere Reformen Q 47: Das Vorbild der Vergangenheit Q 48: Die religiöse Restauration

198 199 200 200 203 204 205 205 210 211 212 213 213 217 219 219 221 221 221 223 224 224 224 227 234 243 248 254 261 265 265 267

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Inhaltsverzeichnis Q 49: Horaz über die religiösen und moralischen Wurzeln des Niedergangs Q 50: Die Ehegesetzgebung des Augustus Q 51: Die Saecularspiele des Jahres 17 v. Chr 3.4. Augustus als Mehrer des Reiches Q 52: Augustus über seine Reichs- und Außenpolitik Q 53: Augustus und die Parther Q 54: Die Unterwerfung der Alpen und des Alpenvorlandes Q 55: Germanen und Germanien Q 56: Der Pannonische Aufstand (6-9 n. Chr.) Q 57: Die Katastrophe in Germanien (9 n. Chr.) Q 58: Die Ostgrenze bis zum Tod des Augustus 3.5. Die Administration Q 59: Fünf Edikte des Augustus aus Kyrene und ein Senatsbeschluß Q 60: Der Bürgercensus Q 61: Der Provinzialcensus Q 62: Die Regelung des Transportwesens 3.6. Die Nachfolge: Probleme und Lösung Q 63: Die Krise des Jahres 23 v. Chr Q 64: Die Rolle Agrippas Q 65: Die dynastische Politik des Augustus 4. Augustus und die öffentliche Meinung Q 66: Offizielle Ehrungen Q 67: Vergil über Augustus' historische Sendung Q 68: Die Verehrung des Augustus Q 69: Der Kult Q 70: Der Kaisereid Q 71: Das Verdikt der senatorischen Geschichtsschreibung

271 273 276 281 281 285 288 292 299 300 305 309 309 316 317 318 321 321 321 323 327 327 329 330 333 345 347

Inhaltsverzeichnis III. Anhang 1. Zeittafel 2. Quellenverzeichnis a) Literarische Quellen b) Inschriften c) Papyri d) Münzen 3. Arbeitsbibliographie 4. Glossar a) historisch b) archäologisch 5. Stammtafel der Familie des Augustus 6. Tabelle der parthischen und armenischen Herrscher 7. Personenverzeichnis 8. Karten

353 359 359 365 367 367 369 371 371 381 383 385 387 395

15

Abkürzungsverzeichnis

AA AAHung Abh. AE AJA AM AnalRom ANRW AntJ AnzAW ArtB AW BA Ber.RGK BJb BollArch BullCom CAH CIL Class.Quart. EDH Ergh. EtTrav

F Fast. Amit. Fast. Capitol.

Archäologischer Anzeiger Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae Abhandlung(en) L'Année Epigraphique American Journal of Archeology Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Athenische Abteilung Analecta Romana Instituti Danici Aufstieg und Niedergang der römischen Welt The Antiquaries Journal Anzeiger für die Altertumswissenschaft The Art Bulletin Antike Welt Bollettino d'arte del Ministero per i beni culturali e ambientali Berichte der Römisch-Germanischen Kommission Bonner Jahrbücher Bollettino d'Archeologia Bullettino della Commissione archeologica communale di Roma Cambridge Ancient History Corpus Inscriptionum Latinarum Classical Quarterly Epigraphische Datenbank Heidelberg Ergänzungsheft Etudes et travaux. Studia i prace. Travaux du Centre d'archéologie méditerranéenne de l'Académie des sciences polonaise Fragment Fasti Amiterni Fasti Capitolini

18

Abkürzungsverzeichnis Fast. Colot. Fast. Ost. Fast. Praen. Fast. Verul. Fer. Cum. FGrHist HdAW HZ ILS Inscrit Jdl

Fasti Colotiani Fasti Ostienses Fasti Praenestini Fasti Verulani Feriale Cumanum Fragmente der griechischen Historiker Handbuch der Altertumswissenschaft Historische Zeitschrift Inscriptiones Latinae Selectae Inscriptiones Italiae Jahrbuch des Deutschen Archöologischen Instituts JRGZM Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums JRA Journal of Roman Archeology JRS Journal of Roman Studies LTUR Lexicon Topographicum Urbis Romae MEFRA Mélanges d'Archéologie et d'Histoire de l'Ecole Française de Rome. Antiquité NachrAkGöttingen Nachrichten der Akademie der Wissenschaften Göttingen N.F. Neue Folge Num. Chron. Numismatic Chronicle OGIS Orientis Graecae Inscriptiones Selectae OpRom Opuscula Romana RE Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft RendPontAcc Rendiconti Atti della Pontificia Accademia romana di archeologia RGA Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Rhein.Mus. Rheinisches Museum RIC Roman Imperial Coinage RM Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung RSA Rivista storica dell'Antichità SB Sitzungsbericht(e) Suppl. Supplement(band) TransAmPhilSoc Transactions of the American Philosophical Society

Abkürzungsverzeichnis WürzbJbAltWiss ZPE ZRG Rom.

Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung

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I. Darstellung

Augustus' Stellung in der römischen Geschichte

Der Mann, der als Kaiser Augustus in die Geschichte eingegangen ist, wurde als Gaius Octavius am 23. September 63 v. Chr. geboren. Im Kampf um die Macht im Staat gewann er die Oberhand über alle Rivalen. So wurde er zum Uberwinder des Bürgerkriegs: Er beendete die Machtkämpfe, die Angehörige der senatorischen Aristokratie mit den Ressourcen eines Weltreichs ausgetragen hatten, und damit realisierte er die Möglichkeit eines 'Weltfriedens', die aus der Beherrschung der Mittelmeerwelt durch Rom erwuchs. Die pax Romana trat als das Friedensreich des Augustus, als pax Augusta, in Erscheinung. Der Preis, der dafür entrichtet werden mußte, wurde von der Senatsaristokratie gezahlt: Er bestand in der endgültigen Verlagerung des Machtzentrums des römischen Staates vom Senat, dem Organ der kollektiven Herrschaft der Aristokratie, auf Augustus und sein Haus. Dies geschah freilich nicht mittels Übertragung der Ausnahmegewalt der Diktatur, sondern in Anknüpfung an Institutionen des Amtsrechts der späten Republik. Nachdem die Machtfrage entschieden war, wurde jede ostentative Mißachtung der republikanischen Traditionen des römischen Staates vermieden, und unter dem Vorzeichen der neuen Machtverhältnisse erschien das republikanische Zusammenspiel von Magistratur, Senat und Volksversammlung wiederhergestellt. Augustus gelang nicht nur die Verwandlung der im Bürgerkrieg usurpierten Macht in öffentlich-rechtliche Gewalt, also die Legalisierung seiner herausragenden Stellung innerhalb der res publica, sondern auch ihre Legitimierung im öffentlichen Bewußtsein und damit die Perpetuierung der von ihm geschaffenen neuen Ordnung über seinen Tod hinaus. So wurde er zum Begründer des römischen Kaisertums, der Regierungsform, die dem Römischen Reich seine lange Dauer sicherte. Augustus selbst zögerte nicht, die von ihm begründete Ordnung als die beste Verfassung des römischen Staates zu bezeichnen. Diese Verfassung war, wie sein Biograph Sueton bemerkt, neu, und nach

24

Darstellung / Augustus' Stellung in der römischen Geschichte seinem Urteil erreichte es der Kaiser in seiner langen Regierungszeit, daß sie als die beste auch akzeptiert wurde (Suet. Aug. 28,2). Das geschah durch die Anerkennung seiner großen Leistungen für Staat und römisches Volk, und hierzu gehörte unter anderem auch, daß unter den neuen Verhältnissen das einträchtige Zusammenwirken von Magistratur, Senat und Volk, das in der Krise der Republik seit der Gracchenzeit verlorengegangen war, zurückzukehren schien und die neue Ordnung als die Wiederkehr der alten dargestellt werden konnte. Caesar hatte als Diktator unter Mißachtung der republikanischen Ordnung geherrscht und war gescheitert, Augustus ging einen anderen und, wie sich zeigte, den letztlich erfolgreicheren Weg.1 Doch wie immer man die Ergebnisse des Gebrauchs der gesicherten Macht beurteilen mag: sie selbst war mit Skrupellosigkeit, Rechtsbruch und Gewalttätigkeit errungen worden.

1

Über Augustus' Stellung in der Tektonik der römischen Geschichte orientieren A. Heuß, Römische Geschichte, 272 ff. und 582 ff. (mit Literatur) und J. Bleicken, Augustus, 678 ff.

1. Der Erbe Caesars

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Caesars gescheiterte Alleinherrschaft war die Voraussetzung für den Aufstieg des C. Octavius zur Macht. Der junge Mann entstammte einer Bankiersfamilie aus dem 30 km südöstlich von Rom gelegenen Municipium Velitrae. Die Familie gehörte nicht der stadtrömischen Nobilität an. Immerhin hatte sich der Vater als erster der Familie um stadtrömische Ämter beworben und es bis zum Praetor (61 v. Chr.) und Statthalter der Provinz Macedonia gebracht; doch starb er schon 59 v. Chr. So wenig die Octavier in der stadtrömischen Aristokratie bedeuteten, so wichtig wurde der Umstand, daß der junge Mann der Großneffe Caesars war. Dessen Schwester war seine Großmutter mütterlicherseits.1 Caesar hatte keinen Sohn, und so machte er, entsprechend den dynastischen Vorstellungen seines Standes, den Großneffen zu seinem Erben. Sein Testament vom 13. September 45 v. Chr. erklärte ihn mit einem Anteil von drei Vierteln der Erbmasse zum Haupterben und machte ihn zum Träger seines Namens (Q 1). Caesar hatte darüber hinaus schon zu Lebzeiten seinem Großneffen öffentliche Ehrungen zukommen lassen, so den Pontifikat und die Aufnahme in den Patriziat. Auch hat er ihn trotz seiner Jugend zum magister equitum, also zu seinem Stellvertreter für das Jahr 44 v. Chr. oder genauer: für den nach dem vorgesehenen Rücktritt des Amtsinhabers M. Aemilius Lepidus verbleibenden Rest des Jahres, designiert. Davon war nach den Iden des März nicht mehr die Rede: Doch Caesar hatte seinen Großneffen zu seinem Erben gemacht, und 1

Zu den Familienverhältnissen vgl. Suet. Aug. 14. Caesars Schwester hatte den Senator M. Atius Baibus, deren Tochter Atia den Vater Octavians, C. Octavius, geheiratet. Atius Baibus war also mit den Iuliern verschwägert, darüber hinaus war er mütterlicherseits auch mit Cn. Pompeius, dem Triumvirn, verwandt.

26

Darstellung / 1. Der Erbe Caesars dies war, auch wenn Caesar seine amtliche Stellung nicht vererben konnte und der junge Mann noch kein eigenes Profil im öffentlichen Leben besaß, wegen der Bedeutung der Freundschafts- und Klientelbindungen, die sich vom Vater auf den Sohn vererbten, mehr als eine bloß private, familienrechtliche Regelung. Als der Diktator an den Iden des März 44 v. Chr. einer senatorischen Verschwörung zum Opfer fiel, hielt sein Großneffe sich in Apollonia auf, einer an der Adria gelegenen griechischen Stadt, um seine Bildung zu erweitern und um sich hier Caesar beim Aufbruch zu dem geplanten Ostfeldzug anzuschließen. Unmittelbar nach dem Eintreffen der Todesnachricht zeigten sich die Chancen und Risiken der Erbschaft: Die Aufforderung, an der Spitze der caesarianisch gesinnten Soldaten und Veteranen den Tod Caesars zu rächen, lehnte er zwar ab, aber er eignete sich bei seiner Rückkehr nach Italien die Kriegskasse Caesars und den Jahrestribut der Provinz Asia an, 2 und er nahm entgegen dem Rat seines Stiefvaters L. Marcius Philippus das Erbe am 6. Mai in Rom an. Als Erbe Caesars war er verpflichtet, die Auflagen des Testaments zu erfüllen, unter anderem das Legat von 300 Sesterzen pro Kopf an die stadtrömische Plebs zu zahlen. Damit konnte er sich die stadtrömischen Massen verpflichten. Vor allem aber richteten sich die Loyalität und die Erwartungen der Caesarianer, der prominenten Parteigänger ebenso wie die der Veteranen und alten Soldaten Caesars, auf die Person des Erben. Obwohl er keinerlei amtliche Stellung besaß, wurde er somit zum potentiellen Rivalen des Konsuls M. Antonius, der nach der Ermordung des Diktators die politische Führung in Rom übernommen hatte. Antonius hatte im Senat einen Kompromiß mit den Caesarmördern ausgehandelt, der die Gültigkeit aller Regierungsakte des Diktators bestätigte, nicht zuletzt die von ihm herrührende Amterverteilung, und zugleich die Caesarmörder amnestierte.3 Es war ihm ge2 3

Nik. Dam. Vit. Caes. 46; 55 und Cass. Dio 45,3,2. Zum folgenden vgl. die quellengestützten detaillierten Darstellungen von R. Syme, Roman Revolution, 97-175 und J. Bleicken, Augustus, 4 3 - 1 3 7 . Die Ausführlichkeit der Darstellung hängt von den für antike Verhältnisse ungewöhnlich reich fließenden Schriftquellen ab: dem Briefwechsel Ciceros mit seinem Freund Atticus (Cie. Att. 14,1-16,16), mit M. Brutus sowie Teilen der Briefsammlung Ad familiares (= Nr. 3 2 2 - 4 3 5 der kommentierten Ausgabe von D. R. Shackleton Bailey) und von den 14 Philippischen Reden, gehalten zwischen dem 2. 9. 4 4 und dem 2. 4. 43 v. Chr. Hinzu kommt die historiographische und bio-

1.1. Das Bündnis mit dem Senat lungen, diese von der politischen Bühne in Rom zu entfernen, ohne jedoch mit ihnen endgültig zu brechen. In den Augen der Caesarianer spielte er somit eine zwiespältige Rolle, und mit dem Auftreten des jungen Caesar - so nannte sich Octavian nach seiner Rückkehr nach Rom - erwuchs Antonius im caesarianischen Lager ein gefährlicher Rivale. Außerdem konnte Antonius sich keineswegs vor den Republikanern, den Caesarmördern und ihren Sympathisanten, sicher fühlen. Er lavierte: Dem jungen Caesar verweigerte er die Herausgabe des beschlagnahmten Barvermögens Caesars und verhinderte, daß ein spezielles Gesetz, eine lex curiata, dessen Übertritt in die gens Iulia, das Geschlecht Caesars, sanktionierte, und er verhinderte auch, daß Caesar, wie zu dessen Lebzeiten bereits beschlossen worden war, unter die Staatsgötter aufgenommen wurde. Ebenso verhinderte er, daß die Caesar verliehenen Insignien, der Amtssessel des Triumphators und der Goldene Kranz, anläßlich der von Octavian im Juli 44 v. Chr. ausgerichteten Spiele zu Ehren des Sieges Caesars aufgestellt wurden. Auf der anderen Seite versuchte er, sich eine Machtstellung zu verschaffen, die ihn gegenüber den Republikanern sicherte und seine Position bei den Veteranen Caesars in Kampanien stärkte. Alarmierend war, daß Antonius im Juni 4 4 v. Chr. sich durch die lex graphische Überlieferung: App. b.c. 2 , 5 0 3 - 3 , 3 9 1 ; Cass. Dio 4 4 , 2 - 4 6 , 4 9 ; Nik. Dam. Vit. Caes. 16-31; 3 7 - 1 3 9 ; Suet. Aug. 9-12; Plut. Cie. 4 2 - 4 9 ; Ant. 14-18; Brut. 18-27. Diese reiche, wenngleich wegen ihrer starken Abhängigkeit von Ciceros Sicht einseitige Uberlieferungslage hat zahlreiche Spezialuntersuchungen zur Geschichte der Jahre 44/43 v. Chr. angeregt - in neuerer Zeit: U. Ehrenwirth, Kritisch-chronologische Untersuchungen für die Zeit vom 1. Juni bis zum 9. Oktober 4 4 v. Chr., München 1 9 7 1 ; H. Bengtson, Die letzten Monate der Senatsherrschaft, ANRW I 1, Berlin/New York 1972, 9 6 7 - 9 8 1 ; U. Orthmann, Cicero, Brutus, Octavian - Republikaner und Caesarianer. Ihr gegenseitiges Verhältnis im Krisenjahr 44/43 v. Chr., Diss. Bonn 1987 (1988); U. Gotter, Der Diktator ist tot. Politik in Rom zwischen den Iden des März und der Begründung des Zweiten Triumvirats, Historia Einzelschriften 110, Stuttgart 1996; zur Rolle der Soldaten vgl. die vorzügliche Studie von H. Botermann, Die Soldaten und die römische Politik in der Zeit von Caesars Tod bis zur Begründung des Zweiten Triumvirats, Zetemata 4 6 , München 1968. Welche Rolle die alten Vertrauensleute Caesars, Oppius und Baibus, für den politischen Kurs seines Sohnes spielten, ist schwer zu entscheiden. Soviel scheint sicher, daß sie Octavian nicht einfach auf den Weg einer monarchischen Lösung im Sinne Caesars führen konnten: so jedoch A. Alföldi, Oktavians Aufstieg zur Macht, Bonn 1976.

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars de permutatione provinctarum (Gesetz über den Tausch von Provinzen) entgegen den Verfügungen Caesars die Provinzen Gallia Cisalpina und Cornata für 5 Jahre zusammen mit dem in Makedonien zusammengezogenen Heer sicherte. Der Konsul Antonius geriet auf diese Weise zwischen zwei Fronten. Anläßlich der Spiele zu Ehren des Sieges Caesars (20.-30. Juli 44 v. Chr.) erschien ein heller Komet. Diese Himmelserscheinung wurde von den Massen als Zeichen der Aufnahme des Gottes Caesar in den Himmel gedeutet, und es versteht sich von selbst, daß der Sohn der Nutznießer der Verehrung des Vaters wurde (Q 2). Abordnungen der Soldaten erzwangen Versöhnungen zwischen den verfeindeten Führern. Das schlug sich in procaesarischen, die Republikaner provozierenden Maßnahmen des Konsuls nieder, doch änderten die erzwungenen Versöhnungen nichts an der sich verschärfenden Rivalität zwischen Antonius und Octavian. Der Erbe Caesars besaß den Vorteil, daß die caesarianische Seite nicht an seiner 'natürlichen' Rolle als Sachwalter ihrer Interessen zweifelte, und er somit zwar keinen unbegrenzten, aber doch einen größeren Spielraum als sein Rivale besaß. Das erlaubte ihm, seine Politik doppelgleisig anzulegen: einerseits die Veteranen und Soldaten Caesars gegen den Konsul zu mobilisieren und in einem hochverräterischen Akt eine Privatarmee mit privaten Mitteln aufzustellen, andererseits diese Privatarmee dem Senat zur Bekämpfung des Konsuls anzubieten. Schon früh trat Octavian mit Cicero in Verbindung, dem rangältesten Konsular (Q 3). Cicero zögerte, aber im Spätherbst 44 v. Chr. erschien ihm entgegen allen wohlfeilen Bedenken, in denen ihn sein Freund Atticus und Brutus, der führende Kopf der Caesarmörder, bestärkten, der Plan realisierbar, ein Bündnis mit dem jungen Caesar gegen Antonius, und zwar selbst unter Inkaufnahme des Bürgerkriegs, zu schließen. Zwar scheiterte im November Octavians erster Marsch auf Rom. Der Erbe Caesars hatte mit diesem gegen Antonius gerichteten Manöver den Tolerierungsspielraum bei den Veteranen wohl überzogen. Doch als Antonius die vier makedonischen Legionen nach Norditalien führen ließ, um sich in den Besitz seiner ihm gesetzlich zugewiesenen Provinz zu setzen, liefen zwei Legionen, durch die angebotenen hohen Belohnungen veranlaßt, zu seinem Rivalen über. Der amtierende Statthalter von Gallia Cisalpina, der Caesarmörder D. Brutus, weigerte sich, die Provinz Antonius zu übergeben. Dies war ebenso wie Octavians Aufstellung einer Privatarmee und die Anstiftung zur Fahnenflucht ein hochverräterischer Akt. Die Urheber bedurften dringend der nachträglichen

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Legalisierung durch den Senat, und es war Cicero, der sie zu beschaffen unternahm. Tatsächlich gelang es ihm, die notwendigen Beschlüsse des Senats herbeizuführen und das unnatürliche Bündnis zwischen dem Erben Caesars und den Gegnern der caesarianischen Partei zustande zu bringen. Der Neunzehnjährige, der nie ein Amt bekleidet hatte, wurde in die höchste Rangklasse des Senats aufgenommen und erhielt ein militärisches Kommando, ein propraetorisches imperium, mit dem Auftrag, gegen Antonius vorzugehen. Zusammen mit den Truppen der beiden Konsuln des Jahres 43 v. Chr., A. Hirtius und C. Pansa, schlug er Antonius und zwang ihn zur Aufhebung der Belagerung von Mutina (heute Modena), wo D. Brutus sich verschanzt hatte (21. April 43 v. Chr.). Antonius entkam in das Jenseitige Gallien. Damit war für Cicero und die Republikaner der Sieg scheinbar in greifbare Nähe gerückt, zumal es den beiden Caesarmördern M. Brutus und C. Cassius in der Zwischenzeit gelungen war, sich des gesamten Ostens zu bemächtigen, und der Senat diesen Akt der Usurpation nachträglich ebenfalls legalisierte und beide mit umfassenden Sondervollmachten ausstattete.4 Damit war der Erbe Caesars in eine peinliche Situation geraten. Ihm war an einer Schwächung des Antonius gelegen, an seiner Vernichtung konnte ihm um so weniger gelegen sein, als die republikanische Seite, im verfrühten Siegestaumel, mehr als deutlich durchblicken ließ, daß man sich des jungen Mannes, dessen man sich bedient hatte, entledigen werde. Er mußte sich umorientieren (Q4). Er vermied es, sich an der Verfolgung des Antonius zu beteiligen und sein Heer dem aus Mutina befreiten Caesarmörder D. Brutus zu unterstellen. Antonius vermochte so die geretteten Teile seiner Armee mit den Truppen der Statthalter des Westens, des M. Aemilius Lepidus (Gallia Narbonensis und Hispania Citerior), des C. Asinius Pollio (Hispania Ulterior) und des L. Munatius Plancus (Gallia Cornata) zu vereinen. Der Opportunismus der Statthalter und die caesarianische Gesinnung der Soldaten machten Antonius wieder zum mächtigsten Führer der Caesarianer. Der Erbe Caesars mußte sehen, wie er den Anschluß an die Bürgerkriegspartei gewann, zu der er nach Lage der Dinge eigentlich gehörte. Diskreditiert wie er in den Augen des Antonius und vieler Caesarianer war, mußte er, um 4

Vgl. Cie. Phil. 10,26 und 11,30 f. Vgl. dazu K. M. Girardet, Die Rechtsstellung der Caesarattentäter Brutus und Cassius in den Jahren 4 4 - 4 2 v. Chr., Chiron 23, 1993, 2 0 7 ff. mit der Kritik von J. Bleicken, Augustus, 703.

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars bündnisfähig zu werden, erst seine amtliche Position stärken und eine ostentative Wende vollziehen (Q 5). Der Neuzehnjährige erzwang durch seinen zweiten Marsch auf Rom seine Wahl zum Konsul (19. August 43 v. Chr.). Er ließ sofort die Dekrete kassieren, die Antonius und Lepidus zu Staatsfeinden erklärt hatten, und sorgte dafür, daß sein Miterbe und Mitkonsul Q. Pedius durch konsularisches Gesetz einen Sondergerichtshof zur Verurteilung der Caesarmörder schuf. Der Tag der Rache war gekommen. Das Verfahren selbst sprach allen rechtlichen Formen höhn. Alle Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt, auch diejenigen wie Sex. Pompeius, die an der Verschwörung gegen Caesar seinerzeit wegen Abwesenheit von Rom gar nicht hatten teilnehmen können. Sex. Pompeius hatte wie die Caesarmörder M. Brutus und C. Cassius auf Ciceros Veranlassung ein außerordentliches Kommando erhalten. Mit ihrer Achtung waren diese Regelungen automatisch hinfällig. Mit der überfälligen Rache wurde also zugleich das politisch Nützliche erreicht. Als Konsul, d. h. als Vertreter der legalen Staatsgewalt, und als Rächer seines Adoptivvaters konnte Octavian von Antonius und dessen Verbündeten nicht gut übergangen werden. Der junge Caesar war wegen der vollzogenen Wende und angesichts der Bedrohung der caesarischen Partei seitens der den Osten beherrschenden Caesarmörder wieder bündnisfähig geworden. Aber es war in Anbetracht der realen Machtverhältnisse und seiner diskreditierten Vergangenheit klar, daß er fürs erste mit der Rolle des Juniorpartners vorlieb nehmen mußte.

1.2. Der 2. Triumvirat Ende Oktober 43 v. Chr. kam es unter großen Sicherheitsvorkehrungen zwischen den drei prominentesten Caesarianern, M. Antonius, M. Aemilius Lepidus und dem jungen Caesar, auf einer kleinen Insel im Fluß Rhenus nördlich von Bononia (heute Bologna) zu einer privaten Verabredung über ein gemeinsames Notstandsamt. Im Unterschied zu dem informellen Machtkartell des 1. Triumvirats, den Caesar, Pompeius und Crassus 59 v. Chr. vereinbart hatten, war der 2. Triumvirat als kollegiales Amt konzipiert (Q 6). Am 27. November wurde es für die Dauer von 5 Jahren mit dem Endtermin des 31. Dezember 38 v. Chr. durch ein tribunizisches Gesetz, die lex Titia, geschaffen. Der offizielle Amtstitel der drei Machthaber lautete tresviri rei publicae constituendae = Dreimännerkollegium zur Ord-

1.2. Der 2. Triumvirat nung des Staates. Entgegen naheliegender Annahme waren sie nicht mit einer Neugestaltung der verfassungsmäßigen Ordnung, sondern mit der Beseitigung der Caesarmörder und ihrer Verfügungen beauftragt. Denn die Verbündeten betrachteten deren Herrschaft im Osten des Reiches als Usurpation und Rechtsverletzung, und dementsprechend war das Amt ganz auf den Zweck zugeschnitten, sie in die Lage zu versetzen, ihre Feinde, die in ihrer Sicht auch die Feinde des römischen Staates waren, zu vernichten. Um dieses Zweckes willen erstreckte sich ihre Amtsgewalt sowohl auf den Binnenraum der res publica als auch auf das Untertanengebiet des Römischen Reiches. Insofern entsprach das kollegiale Amt der integralen Diktatur, die Caesar zuletzt ausgeübt hatte. Dies gilt auch für das ihnen eingeräumte Recht, die Wahl der Magistrate durch Kandidatenprüfung und -empfehlung in ihrem Sinne zu lenken und die Höchstmagistrate für mehrere Jahre im voraus designieren zu lassen. Auf diese Weise war die Besetzung der wichtigen Amter durch loyale Gefolgsleute gesichert. Der Sicherung gegen einen erneuten Umsturz in Rom diente auch das Recht, tatsächliche und vermeintliche Gegner zu ächten und ihr Vermögen einziehen zu lassen (Q 7). Der letzte Punkt war um so wichtiger, als sich so die ungeheuren Finanzierungskosten der Rüstungen wenigstens teilweise aufbringen ließen. In Anbetracht der bevorstehenden Versorgungsansprüche der zum Krieg gegen die Caesarmörder aufgebotenen Legionen wurde den Triumvirn zusätzlich das Recht zugestanden, Enteignungen zugunsten der Veteranen vorzunehmen. Wahlen und Gesetzgebung blieben formell den Volksversammlungen vorbehalten, und auch der aus Anhängern der Triumvirn gebildete Senat faßte in allen Fragen, die nicht der diskretionären Gewalt der drei Machthaber anheim gegeben waren, weiterhin seine richtungsweisenden Beschlüsse. Nach Lage der Dinge aber war es klar, daß Senat und Volk nur mit Willen oder zumindest nicht gegen den Willen der Mächtigen Beschlüsse fassen konnten. Die Triumvirn vereinbarten untereinander, wozu sie ermächtigt waren: wer auf die Proskriptionsliste gesetzt wurde, daß 18 italische Städte mit großen und fruchtbaren Feldgemarkungen nach siegreichem Feldzug enteignet werden sollten und wie die Geschäftsbereiche unter ihnen aufzuteilen waren. Was die Kontrolle der Provinzen anbelangt, so wurde der junge Caesar mit einem Wechsel auf die Zukunft abgefunden: Er erhielt Africa, Sizilien und Sardinien, die nicht unter der Kontrolle der Triumvirn standen, da Sex. Pompeius mit einer republikanischen Flotte das westliche Mittelmeer be-

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars herrschte, und er mußte überdies den Konsulat an einen Anhänger des Antonius abtreten. Lepidus erhielt die Narbonensis und Spanien, Antonius die strategisch wichtigen Provinzen des Westens: Gallia Cisalpina und Cornata. In der Zeit des Feldzugs gegen die Caesarmörder sollte Lepidus als Platzhalter der Verbündeten in Rom bleiben, den Feldzug selbst sollte Antonius zusammen mit Octavian führen. Dafür waren 28 Legionen vorgesehen. Den Proskriptionen fielen angeblich 300 Senatoren und 2.000 Ritter zum Opfer. Da der finanzielle Ertrag den Bedarf nicht deckte und eine Finanzierungslücke von 200 Mio. Denaren blieb, ordneten die Triumvirn an, daß ein Halbjahreseinkommen aus Haus und Grundbesitz abgeführt werden mußte, und Vermögen von mehr als 100.000 Denaren wurden mit einer Zwangsanleihe in Höhe von 2% belegt. Hinzu kamen eine Sklavensteuer in Höhe von 25 Denaren pro Kopf und die Wiedereinführung der im Jahre 60 v. Chr. abgeschafften italischen Zölle. Der Plan, das Eigengut von 1.400 begüterten Frauen ganz oder teilweise einzuziehen, wurde freilich nach öffentlichem Protest der Betroffenen aufgegeben.5 Im Oktober 42 v. Chr. trafen die Legionen des Antonius und des Octavian in Makedonien bei Philippi auf die Heere der Caesarmörder. 6 Diese hatten ihrerseits den Osten des Reiches rücksichtslos ausgebeutet und 17 Legionen mit zahlreichen Kontingenten lokaler Dynasten sowie eine große Flotte aufgeboten. In der Doppelschlacht von Philippi siegten am Ende die Caesarianer (Oktober/November 42 v. Chr.). Octavian hatte auf dem Schlachtfeld versagt, der eigentliche Sieger war Antonius. Die Sache der Republik hatte ihre Heere und ihre Führer verloren. Die Sieger disponierten über die neue Machtverteilung unmittelbar nach der Entscheidungsschlacht (Q 8). Lepidus hatte sich in Italien nicht bewährt. Er hatte Spanien an Octavian zu übergeben, Antonius behielt im Westen die Gallia Cornata und erhielt die Narbonensis anstelle der Cisalpina, die dem italischen Bürgergebiet zugeschlagen wurde. Octavian wurde die undankbare, konfliktträchtige Aufgabe zugewiesen, in Italien die Enteignungen und die Ansiedlung der demobilisierten Veteranen durchzuführen sowie Sex. Pompeius zu bekämpfen, der sich in den Besitz der Italien vorgelagerten Inseln gesetzt hatte. Antonius erhielt zusätzlich den gesamten Osten mit der Aufgabe, finanzielle Mittel für 5 6

App. b.c. 4,32-34; 5,67; Cass. Dio 47,16 f. Zu den Ereignissen im Osten vgl. J. Bleicken, Augustus, 155 ff. mit Hinweisen zur Doppelschlacht bei Philippi: 708.

1.3. Die Rivalität mit M. Antonius das Siedlungsprogramm in Italien aufzubringen und die lokalen Verhältnisse neu zu ordnen. Er war also der mächtigste Mann, und seinem Juniorpartner überließ er den schwierigsten Teil der verbliebenen Aufgaben des Triumvirats. Die Annahme lag nahe, daß dieser sich in den voraussehbaren Konflikten aufreiben würde.

1.3. Die Rivalität mit M. Antonius Die Aufgabe, die Octavian übernommen hatte, die Ansiedlung der demobilisierten Soldaten in Italien, barg die Gefahr des Scheiterns, aber auch die Chance eines Machtgewinns. Anzusiedeln waren nach neueren Berechnungen ungefähr 50-60.000 Mann (nicht 170.000, wie der antike Historiker Appian aufgrund verkehrter Berechnung angibt).7 Von den ursprünglich für Enteignung und Landverteilung vorgesehenen 18 Städten wurden zwei am Meer gelegene süditalische Gemeinden, Vibo und Rhegium, wieder ausgenommen, da verhindert werden sollte, daß die Bürger sie der Flotte des Sex. Pompeius in die Hände spielten. Da das eingezogene Land der betroffenen Städte nicht ausreichte, wurde ein Teil des Territoriums benachbarter Gemeinden zusätzlich enteignet. So wurden der Gemarkung von Cremona, das zu den 16 zur Landkonfiskation vorgemerkten Städten gehörte, Teile des Territoriums von Mantua und Brixia zugeschlagen. In Umbrien geschah Ähnliches mit dem Territorium von Assisi, als die Militärkolonie von Hispellum angelegt wurde. 8 Die Ansiedlung vollzog sich unter tumultuarischen Umständen, Widerstand der Enteigneten, Gewalt und Vertreibung. Der Konsul L. Antonius, der Bruder des Triumvirn, versuchte, in der Auseinandersetzung über die machtpolitisch bedeutsame Frage, ob Vertrauensleute seines Bruders oder Octavians die Kolonien deduzierten, den Rivalen in noch größere Schwierigkeiten zu bringen: Er machte sich sogar die Interessen der von Enteignung Bedrohten zu eigen und ließ die Ausnahmegewalt der Triumvirn für ungültig sowie Octavian und Lepidus zu Staatsfeinden erklären. In den Komplott war Fulvia, die Frau des M. Antonius, verwickelt. Ob der Triumvir selbst hinter der scheinbar 7

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App. b.c. 5,21; zur Korrektur dieser überhöhten Zahl s. P. Brunt, Italian Manpower, Oxford 1971, 326 ff. und 488 ff. sowie L. Keppie, Colonisation and Veteran Settlement in Italy 47-14 Β. C., London 1983, 58 ff. Vgl. L. Keppie, a.a.O. 190 ff.

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars schlauen, tatsächlich jedoch kurzsichtigen Taktik steckte, läßt sich nicht mehr klären. In dem ausbrechenden Bürgerkrieg, der sich zuletzt auf das etrurische Perusia konzentrierte (daher bellum Perusinum), setzte Octavian noch einmal auf seine Rolle als Sachwalter der Caesarianer und zwang L. Antonius und Fulvia zur Kapitulation (Ende Februar 40 v. Chr.). Mit Rücksicht auf M. Antonius wurden sie verschont, aber der Stadtrat von Perusia und prominente Gegner, angeblich 300 Senatoren und Ritter, wurden getötet. Es wurde behauptet, daß dies in einem Akt kalt inszenierter Grausamkeit an den Iden des März am Altar des Gottes Caesar geschehen sei (Q 9). Die Truppenführer des Antonius verhielten sich abwartend, und als C. Fufius Calenus, den Antonius mit dem Kommando in Gallien betraut hatte, starb, gelang es Octavian, sich in den Besitz der Provinz und des Heeres zu setzen. Obwohl im Osten die Parther eingefallen waren und bis nach Kleinasien vordrangen, mußte M. Antonius der Krise im Westen Priorität einräumen. Er verbündete sich mit Sex. Pompeius und dem Befehlshaber der republikanischen Flotte Cn. Domitius Ahenobarbus. Octavians Freund Q. Salvidienus Rufus, dem er das Kommando in Gallien anvertraut hatte, trat in geheime Verhandlungen mit Antonius ein. Dieser landete in Italien und begann mit der Belagerung von Brundisium. Aber die Soldaten weigerten sich, gegeneinander zu kämpfen. 9 So kamen auf Druck gewählter Heeresvertreter der Friede und ein neues Abkommen der Machthaber zustande: der Vertrag von Brundisium vom Herbst 40 v. Chr. (Q 10). Octavian fielen mit Ausnahme von Africa, das Lepidus vorbehalten wurde, alle Provinzen des Westens zu, Antonius wurde auf den Osten beschränkt, doch erhielt er die gallischen Legionen und die Zusicherung künftiger Rekrutierungsmöglichkeit in Italien. Octavian erkannte die Amnestierung der von Antonius begnadigten Republikaner an, umgekehrt wurde der illoyale Salvidienus als Staatsfeind geächtet. Zur dynastischen Bekräftigung des erneuerten Bündnisses heiratete Antonius Octavia, die Schwester des jungen Caesar, während dieser durch die Eheschließung mit Scribonia, der Schwester des L. Scribonius Libo, mit den politisch wieder ins Spiel gebrachten Resten des pompeianisch-republikanischen Lagers Beziehungen anknüpfte (Libo war zugleich der Schwiegervater des Sex. Pompeius). Octavian ging jedoch nicht so weit, den

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Hauptquellen zur Vorgeschichte des Vertrags von Brundisium: App. b.c. 5,230-271; Cass. Dio 48,27,3-28,2.

1.3. Die Rivalität mit M. Antonius wegen angeblicher Beteiligung an der Ermordung Caesars geächteten Sex. Pompeius in den Frieden mit einzubeziehen. Erst als es aufgrund der von Sex. Pompeius verhängten Seeblockade zu Hungerunruhen in Rom gekommen war, geschah dies im Vertrag von Misenum (Frühsommer 39 v. Chr.): Sex. Pompeius sollte Sizilien, Sardinien und Korsika behalten, zusätzlich wurde ihm die Peloponnes zugesprochen. Dafür sollte er die Blockade Italiens aufheben und die Getreideversorgung Roms garantieren. Zahlreichen geächteten Republikanern wurde die Rückkehr gestattet, und sie sollten bei der Ämterverteilung Berücksichtigung finden: Sex. Pompeius wurde für 35 v. Chr. der Konsulat zugesichert ( Q U ) . Octavian war jedoch nicht gewillt, Sex. Pompeius als eigenständigen Machtfaktor im Westen zu dulden. Von Scribonia ließ er sich nach der Geburt der Tochter Iulia, seinem einzigen leiblichen Kind, wieder scheiden, und heiratete Livia, auf die der Ehemann, der nach Italien zurückgekehrte Republikaner Ti. Claudius Nero, zugunsten Octavians Verzicht leistete. Mit scharfem politischen Verstand und Ehrgeiz ausgestattet wurde Livia zu einer wichtigen Beraterin ihres Mannes. Der Konflikt mit Sex. Pompeius brach offen aus, als einer seiner Flottenführer Korsika und Sardinien Octavian auslieferte. Sex. Pompeius war zur See jedoch eindeutig überlegen, und Antonius war nicht an seinem Untergang interessiert, denn er stellte ein Gegengewicht gegen Octavian dar. Dieser mußte sich erst das Instrument verschaffen, mit dem er Sex. Pompeius ausschalten konnte, eine überlegene Flotte, und er mußte Antonius' Zustimmung zu seinem Konfrontationskurs gewinnen. Eine kampffähige Flotte und die notwendige Infrastruktur - durch Verbindung des Averner- und des Lucrinersees mittels eines Kanals und die Anlage des portus Iulius im Winter 39/38 v. Chr.10 - schuf M. Agrippa, der auch in der folgenden Zeit der wichtigste Helfer Octavians sein sollte. Was Antonius anbelangt, so mußte er die Hand zum Untergang des Sex. Pompeius reichen, als er für den geplanten Rachefeldzug gegen die Parther Truppenverstärkungen aus Italien benötigte. Antonius bot Octavian die Hilfe seiner Flotte an, um im Gegenzug Soldaten für den Partherfeldzug zu erhalten. Nach schwierigen Verhandlungen kam in Tarent durch Vermittlung der Octavia die letzte Einigung der beiden Machthaber zustande (Frühjahr 37 10

Cass. Dio 48,49,1-50,3; 5 1 , 5 ; Veil. Pat. 2,79,1 f.; Suet. Aug. 16,1; Strab. 5,4,5 f. Vgl. jetzt R. F. Paget, The Ancient Ports of Cumae, JRS 5 8 , 1968, 162 ff. (mit Karten und Photographien).

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars v. Chr.): Antonius überließ Octavian eine Flotte von 120 Schiffen und erhielt das Versprechen der Überlassung von 20.000 Soldaten. Sex. Pompeius verlor seine Priesterwürde und die Anwartschaft auf den Konsulat. Außerdem wurde nachträglich die Verlängerung des Triumvirats bis zum 31. Dezember 33 v. Chr. vereinbart. Die erste Amtsdauer war durch die lex Titta auf den 31. Dezember 38 v. Chr. festgelegt worden. Aufgrund der Vereinbarung von Tarent wurde der Rechtsverstoß einer eigenmächtigen Weiterführung des Amtes durch ein Volksgesetz geheilt (Q 12). Während Antonius seinen Partherfeldzug führte, hatte Octavian freie Hand gegen Sex. Pompeius.11 Im Jahre 36 v. Chr. wurde der See und Landkrieg um und auf Sizilien geführt. Nach verschiedenen Rückschlägen siegte Agrippa in den Seeschlachten von Mylai (August) und Naulochos (September). An dem Landkrieg beteiligten sich die Heere des Lepidus und des Octavian. Sex. Pompeius floh mit dem geretteten Teil seiner Flotte nach Osten, wo er 35 v. Chr. noch Antonius erhebliche Schwierigkeiten bereitete, dann geriet er in Gefangenschaft und wurde in Milet hingerichtet. Seine Landarmee ergab sich auf Sizilien teils Octavian, teils Lepidus. Als dieser die Insel für sich forderte, brachte Octavian durch geschickte Agitation Lepidus' Armee zum Übertritt auf seine Seite. Octavian ließ ihn am Leben und im Besitz der Würde des pontifex maximus, des Vorstehers des Staatskultes, aber die triumvirale Amtsgewalt wurde ihm entzogen. Der ganze Westen des Reiches stand nun unter der Kontrolle des Erben Caesars. Vom unterlegenen war er zum gleichrangigen Partner des Antonius aufgestiegen, und er begann sofort, seine Stellung weiter zu verbessern. Octavian mußte sich vom Odium des Gewaltherrschers befreien, um die Zustimmung der öffentlichen Meinung zu gewinnen. In einer programmatischen, als Flugschrift verbreiteten Rede rechtfertigte er sich und erklärte die Bürgerkriege für beendet. Steuern und Forderungen wurden erlassen oder niedergeschlagen, Sklaven, die in der Armee des Pompeius gedient hatten, wurden ihren Herren in Italien zur Bestrafung übergeben (angeblich 30.000), 6.000 weitere, deren Eigentümer nicht festgestellt werden konnten, wurden gekreuzigt. 20.000 Veteranen wurden entlassen und angesiedelt. Dabei wurde 11

Hauptquellen zum Sizilischen Krieg: App. b. c. 5,396-524; Cass. D i o 49,1-12: vgl. Sh. C. Stone III, Sextus Pompey, Octavian and Sicily, AJA 87, 1983, 11 ff. zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Kriegszeit in Sizilien.

1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg das Verfahren entschädigungsloser Enteignungen vermieden. Die Entlassenen wurden teils außerhalb Italiens, vor allem auf Sizilien, teils in Italien auf wieder verfügbarem Staatsland oder hinzugekauftem Land angesiedelt. Das Bandenunwesen in Italien, ein Produkt der Enteignungen und Proskriptionen, ließ Octavian durch den Konsular C. Calvisius Sabinus unterdrücken. Es sollte also Recht und Ordnung wiederhergestellt werden. Dazu gehörte, nach der politischen Seite gewendet, die Beseitigung des Triumvirats und die Wiederherstellung der Konsulatsverfassung. Octavian erklärte, daß er seine Triumviralgewalt vorzeitig niederlegen werde, wenn Antonius nach seiner Rückkehr vom Partherfeldzug das gleiche täte. Damit war diesem die Verantwortung für die etwaige Fortdauer der kompromittierten Amtsgewalt zugeschoben. Der Kampf um die öffentliche Meinung war eröffnet. Octavian schien auf diesem Feld im Vorteil zu sein. Ihm wurde neben anderen Ehren die Unverletzlichkeit des Volkstribunen zuerkannt (Q 13), und im folgenden Jahr wurden, sozusagen in Vorwegnahme der Monarchie, Schwester und Ehefrau in dieses Vorrecht einbezogen. Aber andererseits war die Erinnerung an die kalten Blutes begangene Liquidierung von Gegnern nicht vergessen. Antonius hatte sich eher großzügig gezeigt, er hatte für die Amnestierung von Republikanern und Pompeianern gesorgt, und so hatte er gerade im Senat und in der munizipalen Oberschicht noch erheblichen Rückhalt. Die Machtverhältnisse hatten sich nach Philippi deutlich zugunsten Octavians verschoben, entschieden aber war die Machtfrage noch nicht.

1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg Antonius beherrschte den Osten des Reiches. Hier lagen die Quellen seiner Stärke und seiner Schwäche. Die Schwierigkeiten, die ihm der Parthereinfall (40-37 v. Chr.) verursachte, waren der wesentliche Grund dafür, daß er mit Octavian eine Reihe von Kompromissen schließen mußte, die diesen zum Herrn über den Westen machten. Erst die Vertreibung der Parther und der Vertrag von Tarent erlaubten es Antonius, an eine grundlegende Neugestaltung der römischen Herrschaft im Osten zu gehen. Nach außen hin war er vor die Aufgabe gestellt, die römische Suprematie gegenüber dem Parther-

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars reich wiederherzustellen, nach innen war das Verhältnis von direkter und indirekter Herrschaft neu auszutarieren.12 Östlich der Meerengen sollte sich die direkte römische Herrschaft auf die Provinzen Asia, Bithynia und Syrien beschränken. Kilikien und Pontus wurden entprovinzialisiert, und vier Klientelkönigen die Grenzsicherung nach Osten im Rahmen der römischen Herrschaftsordnung übertragen: dem galatischen Dynasten Amyntas das Gebiet vom Halys bis zur Küste von Pamphylien, dem Archelaos, Sohn des Hohenpriesters von Komana, das im östlichen Kleinasien gelegene Kappadokien; im Nordosten erhielt Polemon, Sohn des Rhetors Zenon aus Laodikeia am Lykos, die Herrschaft über Pontus und Kleinarmenien, und in Palästina, einem Durchgangsland zwischen Syrien, Ägypten und dem Nabatäerreich (im heutigen Jordanien), erfüllte Herodes, der König der Juden, die Aufgabe der Herrschaftssicherung in einem schwierigen Umfeld. Kernstück der neuen Ordnung aber war Ägypten, mit dessen Königin Kleopatra VII. Antonius in einem Liebesverhältnis verbunden war. Persönliche Neigung und sachliche Zwänge brachten ihn in eine angreifbare Position, die seinem Rivalen wirksame propagandistische Argumente liefern sollte. Nach dem Vertrag von Tarent übertrug Antonius Kleopatra Gebiete im Libanon und Kilikien, machte ihr Zugeständnisse auf Kosten des Königs Herodes von Judäa und erhielt dafür die Zusicherung, die von ihm benötige Flotte zu bauen und seine Rüstungen gegen die Parther finanziell zu unterstützen. Aber während Octavian 36 ν. Chr. große Erfolge erzielte und den ganzen Westen gewann, erlitt Antonius auf seinem Partherfeldzug eine empfindliche Niederlage. Er war mehr denn je auf die Unterstützung der Ptole-

12 Hauptquellen sind Plut. Ant. 33-87 und Cass. Dio 49,19-51,19 sowie Veil. Pat. 2,82-88 und Suet. Aug. 17 f. Die wichtigsten allgemeinen Darstellungen sind R. Syme, Roman Revolution, 239 ff. (mit anfechtbarer Tendenz zur Aufwertung des Antonius), D. Kienast, Augustus, 59 ff. und J. Bleicken, Augustus, 237 ff. Mit Konzentration auf Kleopatra hat M. Clauss eine knappe Darstellung der Geschichte der Jahre 36-30 gegeben: Kleopatra, München 1995, 49 ff. Zum Herrschaftssystem des Antonius im Osten und zu seiner Partherpolitik vgl. H. Buchheim, Die Orientpolitik des Triumvirn M. Antonius, Abh. d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften 1960, H. 2, Th. Schrapel, Das Reich der Kleopatra. Quellenkritische Untersuchungen zu den "Landschenkungen" Mark Antons, Trier 1996 und A.S. Schieber, Antony and Parthia, RSA 9, 1979, 105-124.

1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg mäerin angewiesen. Deshalb sandte er seine Ehefrau Octavia, die sein Rivale ihm zusammen mit 2.000 Legionären anstelle der versprochenen 20.000 zuschickte, nach Italien zurück. Nachdem es Antonius jedoch 35 v. Chr. gelungen war, den in den Osten geflohenen Sex. Pompeius niederzuwerfen, errang er auf seinem zweiten Partherfeldzug einen großen Erfolg. Armenien wurde erobert. Alexander Helios, Antonius' und Kleopatras Sohn, wurde dort inthronisiert und mit einer Tochter des Königs von Medien verlobt. Kleopatra erhielt den Titel Königin der Könige, und damit wurde auch äußerlich zu erkennen gegeben, daß sie an der Spitze eines dynastisch untermauerten Klientelstaatensystems stehen sollte. Kleopatra konnte zwar nicht durchsetzen, daß sich ihre Herrschaft über das ganze ehemalige ptolemäische Koilesyrien und Phoinikien ausdehnte, aber es war doch unverkennbar, daß das Reich der Kleopatra in die Dimensionen des Ptolemäerreiches des 3. Jahrhunderts hineinwuchs. Um das Kernland Ägypten gruppierten sich Besitzungen in Kilikien, in Syrien, an der phoinikischen Küste und im Libanon. Hinzu kamen die alten Nebenländer der Dynastie, Zypern und Kyrene. Deutlich wird der dynastische Zug des von Antonius eingeführten Klientelstaatensystems. Er repräsentierte nicht nur die übergeordnete römische Macht, sondern er war auch auf das engste persönlich mit Kleopatra verbunden, und damit war er selbst Teil des Herrschaftssystems, dessen Kern das Reich der Kleopatra war (Q 14). Die Personalunion zwischen römischem Promagistrat und hellenistischem Herrschertum machte Antonius' Position angreifbar, und an diesem Punkt setzte sein Rivale an. Der offene Ausbruch des latent schwelenden Konflikts drohte, das war beiden Seiten deutlich, mit dem Ende der gemeinsamen Amtsgewalt am 31. Dezember 33 v. Chr. Antonius' Position im Osten war in diesem Jahr gefestigt. Er verfügte über Geld, Schiffe und eine zahlreiche Armee. Die seinerzeit in Tarent vereinbarte Besetzung der Konsulate sah vor, daß mit dem Ende des Triumvirats das legale Oberamt mit zwei Anhängern des Antonius besetzt würde. Octavian hatte zwar dafür gesorgt, daß die Ränge des Senats mit seinen Leuten gefüllt waren, doch es gab noch eine große Zahl von Senatoren, die mit Antonius sympathisierten. In seinem Lager standen Überlebende der pompeianischen und republikanischen Partei, viele Angehörige alter aristokratischer Familien. Die Aussichten des Antonius schienen also nicht schlecht zu stehen, aber er hatte nicht mit dem propagandistischen Geschick und der Skrupellosigkeit seines Gegenspielers gerechnet. In der Kette der wechselseitigen Anschuldi-

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars gungen, Forderungen und Provokationen proklamierte Antonius 34 v. Chr. Kleopatras Sohn von Caesar, Ptolemaios XV. Kaisar, als legitimen Erben des Diktators und rührte damit an das Fundament der Legitimation, auf dem Octavians Machtstellung bei den Caesarianern beruhte. Dieser antwortete mit heftiger Polemik gegen seinen Kollegen und apostrophierte ihn als einen aus der Art geschlagenen Römer und Sklaven einer orientalischen Königin, der römische Provinzen verschenke und beabsichtige, die Freiheit des römischen Volkes zu beseitigen sowie Italien und den Westen unter das Joch der ägyptischen Königin zu bringen. Die Wahrheit war in diesem Propagandakrieg, wie R. Syme es formuliert hat, in erotischen Romanen und politischer Mythologie begraben.13 Octavian eröffnete den Propagandakrieg am 1. Januar 33 v. Chr. mit einer Rede zum Antritt seines Konsulats, in der er Antonius' Politik im Osten heftig attackierte. Antonius antwortete mit Angriffen auf Octavians Vertragsbrüche, mit der Forderung nach Ratifizierung seiner Verfügungen im Osten und mit dem Vorschlag einer Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung (Q 15). Zugleich begann er mit der Verlegung seiner Streitkräfte nach Westen. Am 1. Januar 32 v. Chr. waren beide Rivalen eigentlich ohne legale Amtsgewalt. Die Konsulatsverfassung lebte in Rom wieder auf, und die Konsuln Cn. Domitius Ahenobarbus und C. Sosius waren Gefolgsleute des Antonius. Sosius trat sein Amt mit einer gegen Octavian gerichteten programmatischen Rede an. Octavian nahm an der betreffenden Sitzung nicht teil, doch dann holte er zum Gegenschlag aus (Q 16). Er mobilisierte seine private Gefolgschaft, Veteranen und bewaffnete Banden, erschien im Senat und nahm, als sei er noch Triumvir, den Platz zwischen den Konsuln ein. In einer Atmosphäre der Angst und der Einschüchterung flohen die Konsuln und mit ihnen viele Senatoren, angeblich 300, zu Antonius. Dieser konzentrierte eine gewaltige Streitmacht, Heer und Flotte, zuerst im westlichen Kleinasien, dann in Griechenland. Begleitet von Kleopatra schickte er seiner Frau, der Schwester Octavians, von Athen aus den Scheidungsbrief. Die Anwesenheit der Kleopatra und die Scheidung von Octavia lösten in seinem Hauptquartier heftige Diskussionen aus. Die 'nationalrömische' Propaganda Octavians trug ihre Früchte. Mit dem Übertritt des L. Munatius Plancus und seines Neffen M. Titius 13 R. Syme, Roman Revolution, 273 ff.

1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg begann die Erosion der Anhängerschaft des Antonius. Munatius Plancus verriet Octavian Inhalt und Aufbewahrungsort des Testaments, das Antonius bei den Vestalinnen in Rom deponiert hatte. Unter Rechtsbruch erzwang Octavian die Herausgabe und las dem Senat vor, worauf es ihm ankam: Antonius hatte unter anderem bestimmt, daß er in Alexandria bestattet werden wollte, daß seine und Kleopatras Kinder zu den Erben gehören sollten, und es fand sich die Feststellung, daß Kaisarion Caesars (leiblicher) Sohn sei. Damit hatte die Propaganda die scheinbar unwiderleglichen Beweise gefunden. Octavian begann mit der Errichtung seines Grabmals auf dem Marsfeld, um zu demonstrieren, daß er sich im Gegensatz zu Antonius bis zum T o d mit Rom verbunden fühle (Q 17). In einer Atmosphäre des Terrors und der hysterischen Propaganda wurde diesem die Anwartschaft auf den Konsulat des Jahres 3 1 v. Chr. und "jegliche sonstige Amtsgewalt" aberkannt, und Kleopatra wurde der Krieg in den altertümlichen Formen des Fetialrechts erklärt, indem Octavian einen Speer auf ein Areal schleuderte, das zum feindlichen Ausland deklariert worden war (Q 18). In der tumultuarischen Situation des Jahres 3 2 v. Chr. konnte sich freilich Octavian seiner Sache noch nicht völlig sicher fühlen. Antonius hatte durch seine Agenten Geld in Italien verteilen lassen, während Octavian durch Drohungen Geld erpressen ließ und der Bevölkerung für den Krieg eine Sonderabgabe in Höhe von einem Viertel eines Jahreseinkommens auferlegte. 14 Italien stand zeitweise, so schien es, am Rand eines Bürgerkrieges. Vor allem aber: Octavian hatte seit dem 1. Januar auf zweifelhafter Rechtsgrundlage agiert. Er mußte den Makel der Illegalität tilgen und sich persönlich des militärischen Potentials des Westens versichern. So kam er auf den ingeniösen Gedanken, die bei militärischem Notstand, tumultus, gebräuchliche Vereidigung der gesamten waffenfähigen Mannschaft für seine Zwecke zu instrumentalisieren, indem er eine Art Volksabstimmung in Gestalt eines militärischen Treueeids inszenieren ließ, der mit der Forderung verbunden war, daß er den Krieg gegen Kleopatra führe. Diesen Eid leisteten auch die Provinzen des Westens. Was ursprünglich ein Eid war, der einem legalen Führer nach Ausrufung des Notstands geleistet wurde, wurde zu einem Treueeid, der einem amtlosen Privatmann mit dem Ziel geleistet wurde, diesen mit allen

14 Plut. Ant. 58,1 f. Freigelassene mußten sogar 1/8 ihres Vermögens abführen.

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Darstellung / 1. Der Erbe Caesars Vollmachten zur Führung eines großen Krieges auszustatten. Mit anderen Worten: Der Militäreid wurde als Mittel plebiszitär legitimierter Machtergreifung eingesetzt. Antonius konzentrierte Armee und Flotte zwischen dem Golf von Ambrakia und Patrai.15 Er plante, von dieser Basis aus in Italien, in Brundisium oder Tarent, zu landen, aber er konnte wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit diesen Plan nicht mehr realisieren. Im folgenden Jahr kam ihm Octavian zuvor, und vor allem dank der geschickten Flottenoperationen des M. Agrippa wurden Antonius' Flotte und Landheer im Golf von Ambrakia bei Actium blockiert. Der langwierige Blockadekrieg schwächte zunehmend Antonius' Position, so daß er sich entschloß, mit der Flotte den Durchbruch zu wagen und das Landheer abrücken zu lassen. Geplant war, mit den geretteten und in Ägypten bzw. in der Kyrenaika stationierten Streitkräften den Krieg im Osten fortzusetzen. Der Ausbruchversuch scheiterte teilweise. Zwar entkamen Antonius und Kleopatra, aber die Seeschlacht bei Actium endete mit dem Sieg Octavians (2. September 31 v. Chr.). Das Landheer ergab sich auf dem Marsch durch Makedonien sieben Tage nach der Schlacht dem Sieger, der für ihre Ansiedlung in Italien zu sorgen versprach. An der Stelle seines Lagers bei Actium ließ Octavian ein Denkmal des den Krieg entscheidenden Sieges und eine "Siegesstadt", Nikopolis, errichten (Q 19). Im Osten brach die Herrschaft des Antonius Stück für Stück zusammen. Als Octavian im Sommer 30 v. Chr. in Ägypten erschien, kam das Ende. Alexandria fiel am 1. August, und Antonius nahm sich

15 Zum Feldzug und zur Schlacht von Actium sind noch immer die älteren Arbeiten von J. Kromayer grundlegend: Die Vorgeschichte des Krieges von Actium, Hermes 33, 1898, 13-70; Der Feldzug von Actium und der sogenannte Verrath der Cleopatra, Hermes 34, 1899, 1-54; Actium. Ein Epilog, Hermes 68, 1933, 361-383. Vgl. J.M. Carter, Die Schlacht bei Actium, Wiesbaden 1972.

1.4. Die Entscheidung: der Actische Krieg das Leben. Wenige Tage später beging auch Kleopatra Selbstmord, um zu vermeiden, daß sie im Triumphzug des Siegers zur Schau gestellt würde. Den Sohn, den Kleopatra von Caesar hatte, ihren Mitregenten, ließ Octavian töten, die Kinder des Antonius wurden verschont und im Triumphzug mitgeführt. Ägypten wurde annektiert, und Octavian trat hier die Nachfolge der Ptolemäer an.

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2. Der Princeps

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats Als Octavian nach der Neuordnung des Ostens Mitte des Jahres 28 v. Chr. nach Rom zurückgekehrt war und vom 13. bis 15. August mit großem Aufwand seinen Triumph gefeiert hatte, stand er vor einer neuen Aufgabe. Die veränderten Umstände machten einen politischen Paradigmenwechsel 1 erforderlich, wenn er auf Dauer den Kern 1

Das Ergebnis dieses Paradigmenwechsels ist die sogenannte Principatsverfassung. Der Begriff des Principats, den Th. Mommsen für die seit 27 v. Chr. begründete neue Ordnung des römischen Staates eingebürgert hat, geht auf die Selbstbezeichnung des Augustus zurück (etwa R.G. 13 me principe). Damit wird nicht nur auf die Würde des princeps senatus, die Augustus bekleidete, angespielt, sondern in Anknüpfung an die verbreitete Bedeutung des Plurals principes civitatis = führende Männer des Staates, vor allem die im Senat einflußreichste Gruppe der ehemaligen Konsuln, zweierlei zum Ausdruck gebracht: durch den Singular die Steigerung, um nicht zu sagen: die Monopolisierung der Führungsqualität sowie ihre Bindung an die überlieferte republikanische Ordnung von Staat und Gesellschaft. Insofern ist der Begriff des Principats ganz unentbehrlich: zu seinen Implikationen s. L. Wickert, s. v. Princeps, RE XXII, 2068 ff. und ANRW II 1,Berlin/New York 1974, 25 ff; 71 ff. Th. Mommsen selbst hat den Begriff einseitig staatsrechtlich fixiert, indem er ihn als Magistratur faßt und im Hinblick auf das Verhältnis von Kaiser und Senat von einer Doppelherrschaft (Dyarchie) spricht: Römisches Staatsrecht II 2, Leipzig 18 873; III 2, Leipzig 18 8 8 3 , 1262 ff. und die Kurzfassung: Abriß des römischen Staatsrechts, in: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft I 3 (1893) = ND der 2. Auflage, Darmstadt 1974, 148 ff. und 270 ff. Diese einseitige Sicht ist längst überwunden, aber es bleibt die Frage nach dem Verhältnis von Neuerung und Rückgriff auf die traditionelle res publica in der augusteischen Ordnung. Sie einfach als Fortsetzung der späten Republik vor 49

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Darstellung / 2. Der Princeps der in Ausnahmesituationen usurpierten Macht bewahren wollte. Alles mußte anders werden, damit alles so bleiben konnte, wie es war. Notwendig war der ostentative Bruch mit einer Vergangenheit, die durch Gewalt und Unrechtsakte im öffentlichen Bewußtsein gebrandmarkt war, also die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. Nur so konnte der Sieger im Bürgerkrieg die Zustimmung der Öffentlichkeit gewinnen. Er mußte Verzicht auf die umfassende Ausnahmegewalt leisten, die bis 33 v. Chr. in Gestalt des Triumvirats, danach in Form einer Ermächtigung, über alle Machtmittel des Staates zur Niederringung Kleopatras (in Wahrheit des Rivalen M. Antonius) zu verfügen, in Erscheinung getreten war. Das hieß, nach der positiven Seite gewendet, Rückkehr zur traditionellen Konsulatsverfassung. Mit entsprechenden Losungen hatten bereits während der Triumviratszeit die Rivalen im Kampf um die Alleinherrschaft die Unterstützung der politischen Klasse Italiens, der Senatoren und Ritter, zu gewinnen versucht: Als erster tat das L. Antonius 41 v. Chr., um Octavian in Schwierigkeiten zu bringen.2 Dann richtete dieser 36 v. Chr. die gleiche Propagandaparole gegen seinen Kollegen M. Antonius,3 und 33 v. Chr. war sie eine der Kernforderungen, mit denen M. Antonius seinen Gegner konfrontierte. 4 Damit war Octavians innenpolitischer Kurs nach Actium festgelegt. Ende 28 v. Chr. erließ er ein Edikt, in dem er alle ungesetzlichen und rechtswidrigen Anordnungen, die er während der Bürgerkriegszeit erlassen hatte, für ungültig erklärte. Vermutlich war die deklaratorische Bedeutung dieses Edikts größer als die praktische. Das Unrecht der Proskriptionen und Enteignungen konnte gewiß nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber bedeutsam war, daß er Unrechtshandlungen zugab (auch wenn sie mit der

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v. Chr. anzusehen ist wohl verfehlt, so jedoch H. Castricius, Der römische Principat als Republik, Historische Studien 439, Husum 1982. Richtiger ist das Verhältnis aufgefaßt von W. Eder, Augustus and the Power of Tradition: The Augustean Pincipate as Binding Link between Republic and Empire, in: Raaflaub/Toher, Between Republic and Empire, 71-122. Am ausgewogensten ist die meisterhafte Skizze von W. Kunkel, Uber das Wesen des augusteischen Prinzipats, Gymnasium 68, 1961, 553-579 = W. Schmitthenner (Hrsg.), Augustus, 311-335 = W. Kunkel, Kleine Schriften, Weimar 1974, 383-404. App. b.c. 5,118 f. App. b.c. 5,548 (s. Q 13). Cass. Dio 49,41,6.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats zu ihrer Entstehungszeit herrschenden Zwangslage entschuldigt wurden) und so einen Trennungsstrich zwischen der Zeit der Ausnahmegewalt und dem wiedergewonnenen Zustand republikanischer Normalität zog. Zu Beginn des folgenden Jahres überließ Octavian dem anderen Konsul die turnusmäßige Geschäftsführung im Senat und verzichtete auf seine Ausnahmegewalt. Dies geschah am 13. Januar 27 v. Chr. und wurde als "Wiederherstellung der Republik" stilisiert. Dafür empfing er den Ehrentitel Augustus (der "Erhabene"), der ihn der Sphäre religiöser Verehrung annäherte, und andere hohe Ehren

(Q 20). Angesichts der faktischen Macht des Siegers im Bürgerkrieg war es undenkbar, daß Augustus sich ins Privatleben zurückzog. Tatsächlich bekleidete er auch weiterhin Jahr für Jahr den Konsulat (bis 23 v. Chr.). Das Iterationsverbot - vorgeschrieben war ein zehnjähriges Intervall zwischen zwei Konsulaten - war außer Kraft gesetzt. Das Problem der Legalisierung einer letztlich auf der Verfügung über die Armee beruhenden Machtstellung des Erben Caesars war mit diesem Verstoß gegen das republikanische Amtsrecht aber noch nicht gelöst. Zwar ist die von Th. Mommsen begründete These, daß der Diktator Sulla dem Konsulat die militärische Befehlsgewalt genommen und es auf die zivile Leitung der Staatsgeschäfte in Rom (und Italien) beschränkt habe, ein modernes, inzwischen widerlegtes gelehrtes Konstrukt: 5 Die Konsuln besaßen auch nach Sulla das ungeteilte militärisch-zivile Imperium des republikanischen Oberamtes, und jeder Konsul konnte mit einem Kommando in einer oder mehreren Provinzen des Reiches betraut werden. Aber die ungeheuere Ausdehnung des römischen Herrschaftsbereichs hatte längst zu einem System pragmatischer Aushilfen dergestalt geführt, daß mit dem Kommando in den Provinzen meist Promagistrate, ehemalige Konsuln und Praetoren mit verlängerter Amtsgewalt, beauftragt wurden, gegebenenfalls mit einem mehrere Provinzsprengel umfassenden Amtsbereich und einer bis zu zehn Jahre dauernden Amtsgewalt. Dies Letztere trifft für die großen außerordentlichen Kommandos zu, die Pompeius und Caesar in den letzten Jahrzehnten der 5

Diesen Nachweis hat A. Giovannini, Consulare Imperium, Basel 1983 geführt und gezeigt, daß erst Augustus den Konsulat auf den Zivilsektor beschränkt hat: s. dazu K. M. Girardet, Die Entmachtung des Konsulats im Übergang von der Republik zur Monarchie und die Rechtsgrundlagen des augusteischen Prinzipats, in: W. Görler/S. Koster (Hrsg.), Pratum Saraviense, Festschr. P. Steinmetz, Stuttgart 1990, 89-126.

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Darstellung / 2. Der Princeps Republik bekleidet hatten. Pompeius hatte in den 50er Jahren nicht nur eine umfassende außerordentliche Amtsgewalt zur Sicherung der Getreideversorgung von Rom, sondern seit 55 v. Chr. auch die Statthalterschaft in beiden spanischen Provinzen inne, zunächst als Konsul, dann seit 54 v. Chr. mit verlängertem Imperium als Prokonsul. Er blieb jedoch in Rom bzw. in Italien und ließ das Regiment in seinen Provinzen durch Beauftragte, die seiner Befehlsgewalt unterstanden, durch sogenannte Legaten, ausüben. So wurde er in die Lage versetzt, 52 v. Chr. noch einmal zusätzlich den Konsulat in Rom zu bekleiden und zugleich seine Provinzen zu behalten. In ähnlicher Weise wurden dem Konsul Augustus am 16. Januar 27 v. Chr. auf zehn Jahre ein umfassendes Kommando übertragen, das sich auf die, wie es hieß, noch nicht befriedeten Provinzen erstreckte und das er bis zum Jahre 23 v. Chr. als Konsul ausübte (Q 21). Es handelte sich, von dem Sonderfall Ägypten abgesehen, das Octavian dem Römischen Reich eingefügt hatte, vor allem um die spanischen und gallischen Provinzen sowie um Syrien. Das waren die drei Amtssprengel, die im Jahre 55 v. Chr. die ersten Triumvirn, Caesar, Pompeius und Crassus, innegehabt hatten. Die übrigen Provinzen sollte der Senat an Prokonsuln vergeben, während der Konsul die ihm übertragenen durch seine Beauftragten, hochrangige Senatoren mit dem Titel legati Augusti pro praetore, verwalten ließ. Was im Falle des Pompeius unter einer besonderen politischen Konstellation eingetreten war, die Verknüpfung von außerordentlichem Provinzkommando mit dem Konsulat, wurde für Augustus als Grundlage seiner legalen, auf Dauer angelegten Machtstellung konzipiert. Was er aufgegeben hatte, war die diktatorische, integrale Allgewalt. Dafür erhielt er Jahr für Jahr den Konsulat sowie, auf die Dauer von zehn Jahren, die militärischen Schlüsselprovinzen des Römischen Reiches. Er war somit zusammen mit wechselnden Kollegen Inhaber der höchsten Magistratur der Republik, aber er verfügte im Unterschied zu diesen über eine Kommandogewalt in den wichtigsten Militärprovinzen des Reiches. Keiner der Konsuln außer ihm selbst besaß seitdem ein militärisches Kommando. Für diese Konstruktion, die die Frage der legalisierten Macht unter Umgehung einer integralen diktatorischen Gewalt löste, gab es, wie bereits gesagt, gewisse Anknüpfungspunkte in der Geschichte der spätrepublikanischen Magistratur (Iteration, d. h. wiederholte Bekleidung der betreffenden Amtsgewalt, und außerordentliches Kommando mit Akkumulierung mehrerer Provinzen). Das Problem war nur, daß dies Ausnahmeregelungen waren und jedenfalls alles andere als

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats Ausdruck republikanischer Normalität. Was das mehrjährige, sich auf die Schlüsselprovinzen des Römischen Reiches erstreckende Kommando anbelangt, versuchte Augustus der naheliegenden Kritik vorzubeugen: Sie wurde auf zehn Jahre begrenzt, und Augustus versicherte, er werde die Provinzen, die er befriedet habe, wieder Senat und Volk zurückgeben. Aber während dies in einzelnen Fällen geschehen ist (ζ. B. im Falle der Narbonensis, des südlichen Teils der spanischen Halbinsel und Zyperns) 6 , wurde sein Kommando über die wichtigen Militär- bzw. die neu hinzukommenden Provinzen faktisch nie beendet, sondern mehrfach und zwar bis zu seinem Lebensende verlängert. 7 Während das Kommando über die Armee und die Kontrolle der militärisch wichtigen Provinzen keine gravierenden Probleme mehr aufwarfen, blieb die Stellung des Augustus im Binnenraum der römischen res publica durchaus umstritten. Die Blockierung eines der beiden Konsulate verkürzte die Chancen der Angehörigen der Aristokratie, das höchste Amt zu erreichen, und erregte neben gewissen autokratischen, das Scheinbild aristokratischer Gleichheit zerstörenden Verhaltensweisen Unzufriedenheit in Kreisen des Senats. Es kam 23 v. Chr. zu einer Verschwörung, über deren Ausmaß und Hintergründe wir nur unzureichend unterrichtet sind. 8 Sie reichte offenbar bis in die Umgebung des Princeps. Sein Mitkonsul, A. Terentius Varrò Murena, war in sie verwickelt. Die Spuren Caesars schreckten. Augustus erkrankte damals ernsthaft, und nach 6

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Die Rückgabe der Narbonensis und Zyperns erfolgte 22 v. Chr.: Cass. Dio 54,4,1. Die senatorische Provinz Baetica im südlichen Spanien wurde durch Teilung von Hispania Citerior 13 ν. Chr. geschaffen: vgl. G. Alföldy, Fasti Hispanienses, Wiesbaden 1969, 207 und 223 ff. 25 v. Chr. wurden die kaiserlichen Provinzen um die neugeschaffene von Galatia (im zentralen Anatolien gelegen) vermehrt, 11 v. Chr. gab der Senat das Illyricum im Zusammenhang mit dem Beginn der Unterwerfung der Balkanhalbinsel an Augustus (Cass. Dio 54,34,4) und 6 η. Chr. auch das von Briganten heimgesuchte Sardinien (Cass. Dio 55,28,1). Die Verlängerung des kaiserlichen Provinzkommandos erfolgte 18 und 13 v. Chr. (Cass. Dio 54,12,4 f.), 8 v. Chr. (Cass. Dio 55,6,1) sowie 3 und 13 n. Chr. (Cass. Dio 56,28,1). Vgl. J. Bleicken, Augustus, 345 f., der sich auf das Wißbare beschränkt (mit den Hinweisen auf S. 728); neuerdings auch M. H. Dettenhofen Herrschaft und Widerstand im augusteischen Prinzipat, Historia Einzelschr. 140, Stuttgart 2000, 96-100.

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Darstellung / 2. Der Princeps seiner Gesundung ging er an eine Reform der neuen Ordnung. Er verzichtete auf den Konsulat und sorgte dafür, daß an seiner und seines Kollegen Stelle zwei prominente Republikaner zu Konsuln gewählt wurden: L. Sestius und Cn. Calpurnius Piso. An die Stelle des Konsulats trat die tribunicia potestas, d. h. die vom Amt gelöste Amtsgewalt eines Volkstribunen. Diese Trennung war schon deshalb notwendig, weil Augustus als Patrizier gar nicht Volkstribun werden konnte. Mit der Abstrahierung der Amtsgewalt vom Amt fiel auch das Problem des Iteration weg. Augustus hatte die Amtsgewalt faktisch auf Lebenszeit inne, und es war ein eher formales Zugeständnis an das republikanische Prinzip der Annuität, wenn er seitdem seine Regierungsjahre nach den Jahren seiner tribunicia potestas zählte. Der Volkstribunat selbst stand in der Hierarchie der Amter nicht hoch, aber es war in der republikanischen Ideologie eng verknüpft mit den Prinzipien der Bürgerfreiheit und des Schutzes vor magistratischer Willkür. Es gab dem Inhaber der Amtsgewalt ein Initiativ- und Vetorecht, er konnte also sowohl Beschlüsse von Senat und Volk herbeiführen als auch verhindern, und dies Letztere gilt auch in Hinblick auf magistratische Akte. Mit der tribunizischen Gewalt hielt somit Augustus eine Schlüsselposition der stadtrömischen Politik in der Hand. Ihr bloßer Besitz machte im Binnenraum der res publica jede legale oppositionelle Initiative unmöglich. Andererseits besaß der Volkstribunat kein imperium, d. h. er ermangelte der militärisch-zivilen Exekutivgewalt. Die negativen Folgen zeigten sich auf zwei Gebieten. Als Konsul hatte Augustus nicht nur über das Kommando in den ihm zugewiesenen Militärprovinzen verfügt, als Konsul hatte er auch die Möglichkeit, nach Bedarf in die Amtsbereiche der senatorischen Prokonsuln einzugreifen, und er hat von dieser Möglichkeit wohl auch Gebrauch gemacht.9 Mit dem Verzicht auf den Konsulat wurde ihm der für zehn Jahre zugewiesene Kommandobereich zwar nicht entzogen, aber er unterstand ihm seitdem aufgrund einer besonderen prokonsularischen Amtsgewalt, und eine jüngst publizierte Inschrift aus Spanien 9

In einer zuerst 1959 publizierten Inschrift aus dem kleinasiatischen Kyme sind eine rechtliche Verfügung der Konsuln des Jahres 2 7 v. Chr. (Augustus und Agrippa) und eine Entscheidung des Prokonsuls von Asia unter Berufung auf die betreffende Anordnung der Konsuln überliefert: s. dazu R. K. Sherk, Roman Documents from the Greek East, Baltimore 1969, Nr. 61 und H. Engelmann, Die Inschriften von Kyme, Bonn 1976, Nr. 17 mit Kommentar.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats hat bestätigt, daß er die betreffende Amtsgewalt in seinen Provinzen nach dem Verzicht auf den Konsulat mit dem Titel eines Prokonsuls ausübte (Q 22). Die einfache prokonsularische Gewalt berechtigte ihn freilich nicht, in den Amtsbereich der senatorischen Prokonsuln einzugreifen. Damit der alte Zustand für das Untertanengebiet aber erhalten blieb, wurde Augustus in Weiterentwicklung entsprechender Regelungen der späten Republik zugunsten des Pompeius und der Caesarmörder M. Brutus und C. Cassius eine übergreifende Kommandogewalt verliehen, die als imperium maius definiert war und ihn berechtigte, gegebenenfalls in die Provinzen seiner Kollegen einzugreifen.10 Von dieser Surrogatlösung blieb die Minderung der Handlungsvollmacht im stadtrömischen Bereich, die der mächtigste Mann durch den Verzicht auf den Konsulat hingenommen hatte, völlig unberührt. Die Folgen zeigten sich bei der Hungersnot des Jahres 22 v. Chr. Die Plebs forderte, daß Augustus die Diktatur übernehme. Dieser Forderung konnte er nicht stattgeben, wenn er nicht den nach Actium eingeschlagenen Kurs einer Wiederherstellung republikanischer Normalität ruinieren wollte. Er verweigerte sich in einer theatralischen Szene, aber er nahm die Aufgabe an, für die Getreideversorgung Roms zu sorgen. Freilich sollte es noch lange dauern, bis für das schwierige Problem eine institutionalisierte Lösung gefunden wurde (s. 3.1). Das Problem der mangelnden Handlungsvollmacht tauchte wieder auf, als es darum ging, das Regierungsprogramm einer Gesetzgebung zur inneren Reform der Gesellschaft zu verwirklichen (s. 3.3). In den Jahren 19, 18 und 11 v. Chr. wurde Augustus die diktatorische Stellung eines Beauftragten für die Sittengesetzgebung angeboten, doch diese Angebote wurden in Übereinstimmung mit der 'republikanischen' Ausrichtung seiner Politik jedesmal abgelehnt. Augustus betont in seinem Tatenbericht, daß er die gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Senat von ihm erwartete, aufgrund seiner tribunizischen Gewalt durchführte (Q 23). Gleichwohl fehlten Augustus im Binnenraum der res publica noch immer wichtige mit dem Konsulat verbundene Kompetenzen wie der Vorsitz im Senat, die Leitung der Wahlen der Obermagistrate 10 Vgl. dazu jetzt Κ. M. Girardet, Imperium 'Maius'. Politische und verfassungsrechtliche Aspekte. Versuch einer Klärung, in: A. Giovannini (Hrsg.), La révolution romaine après Ronald Syme. Bilans et perspectives, Entretiens Hardt X LVI, Vandoeuvres-Genève 2000, 167-236.

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Darstellung / 2. Der Princeps oder die Durchführung des Census. Während seiner Abwesenheit von Rom - Augustus hielt sich von 22 bis 19 v. Chr. im Osten des Reiches auf - drohten in Rom chaotische Verhältnisse bei den Wahlkämpfen. 11 Bei seiner Rückkehr erhielt er deshalb nicht nur die äußeren Zeichen des Konsulats, den Amtsstuhl und die 12 Liktoren, d. h. die Amtsdiener mit den Rutenbündeln, sondern auch konsularische Befugnisse, die ihn zum Eingreifen nach den Umständen ermächtigten. Die Fülle der Kompetenzen, die aus der spätrepublikanischen Magistratur abstrahiert wurden, ist später noch durch den Oberpontifikat ergänzt worden, als dieser durch den Tod des Amtsinhabers, des ehemaligen Triumvirn M. Aemilius Lepidus, 12 v. Chr. zur Disposition stand. Am 6. März dieses Jahres wurde Augustus unter großer Beteiligung der Bevölkerung Italiens von der Volksversammlung zum pontifex maximus gewählt. Er war damit auch Vorsteher der Staatsreligion und der oberste Repräsentant der Gemeinde gegenüber den Göttern geworden. Spätestens mit dem Jahr 19 v. Chr. schien das republikanische Regierungssystem wieder so zu funktionieren, wie es das, im verklärenden Rückblick zumindest, zur Zeit der Vorväter getan hatte: Die Magistrate nahmen ihre traditionellen Aufgaben wahr, der Senat faßte Beschlüsse, die Volksversammlung wählte und verabschiedete Gesetze. In diesem Sinne ist die neue Ordnung als Wiederherstellung der alten gefeiert worden. Neu war sie insofern, als sie nicht mehr der vorgegebene Rahmen war, in dem die Auseinandersetzung um die politische Führung stattfand, sondern die Bühne, auf der die angeblich - wiedergewonnene Eintracht demonstriert wurde. Möglich war das, weil die Machtfrage gelöst war - durch die Vorrangstellung, die Augustus als der Erste Mann im Staate einnahm. Diese Vorrangstellung war keine integrale Diktatur, und in Anlehnung an die informelle Führungsstellung, die in der alten republikanischen Verfassung den ehemaligen Konsuln als den principes civitatis zukam, bezeichnete sich Augustus als Princeps. Nach seinem eigenen Zeugnis beruhte sein Vorrang weniger auf seiner Amtsgewalt als auf seiner auctoritas, d. h. auf seinem Ansehen, das seinem Wort die Chance der Durchsetzung in den Gremien der res publica gab. Damit 11

Zu den Wahlunruhen zwischen 22 und 19 v. Chr. vgl. P. Sattler, Augustus und der Senat, 1960, 72 ff. und R. Frei-Stolba, Untersuchungen zu den Wahlen in der römischen Kaiserzeit, Zürich 1967, 101 ff. und zuletzt M. R. Dettenhofen a.a.O. (s. Anm. 8) 1 2 1 - 1 2 4 mit Literatur.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats ist, wie sich zeigen wird, gewiß etwas Richtiges zum Ausdruck gebracht. Von der überragenden Bedeutung der auctoritas und der sie begründenden Faktoren wird unten ausführlicher die Rede sein (s. 2.2). Was aber Augustus' potestas, seine Amtsgewalt, anbelangt, so liegt auf der Hand, daß er nicht die ganze Wahrheit sagt. Er akkumulierte die drei Schlüsselgewalten der res publica: die tribunizische, den Kern der konsularischen und das imperium proconsulate maius, das ihn praktisch zum Herrn des Reiches machte. Es ist nur die Kehrseite der Medaille, daß das alte Oberamt, der Konsulat, damit der Entmachtung verfiel.12 Ob Augustus den Konsulat bekleidete oder nicht: Von Anfang an war klar, daß er der erste Mann im Staate war, und schon im Jahre 27 v. Chr. wurde diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, daß der Senat ihm offiziell einen Beirat zuordnete, der alle wichtigen Entscheidungen von Senat und Volk vorbereitete und somit eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Willens des Ersten Mannes in den Willen des Gesamtstaates spielte. Mit einer halbjährlich vom Senat ausgelosten Kommission von 15 Mitgliedern, zu denen noch die Konsuln und je einer aus den übrigen Magistratskollegien hinzukamen, beriet er Senatsbeschlüsse und Gesetze und sprach mit ihr auch gelegentlich Recht (Q 24). Als ihm im Alter der Besuch von Senatssitzungen zu beschwerlich wurde, bestellte der Senat 13 n. Chr. eine neue Kommission aus 20 Mitgliedern. Diese für ein Jahr gewählte Kommission sollte unter seinem Vorsitz und unter Mitwirkung der präsumtiven Nachfolger Tiberius, Germanicus und Drusus, der amtierenden und der designierten Konsuln sowie weiterer von Augustus von Fall zu Fall herangezogener Mitglieder Beschlüsse fassen dürfen, die denen des Gesamtsenats gleichwertig waren. Ahnlich wie die Beschlüsse des Senats dem freien Spiel der Kräfte entzogen und vom Princeps und seinem Beirat vorstrukturiert oder zuletzt sogar durch Kommissionsbeschlüsse ersetzt wurden, so wurde auch die Wahl der Obermagistrate, der Konsuln und Praetoren, schließlich nicht mehr dem freien Konkurrenzkampf qualifizierter Kandidaten überlassen. Zwar führte Augustus 27 ν. Chr. das überkommene Wahlverfahren zunächst wieder ein, aber es erwies sich, wie die Wahlunruhen zwischen 22 und 19 v. Chr. zeigten, als unvereinbar mit dem propagierten Bild der wiederhergestellten inneren Eintracht. Augustus griff regelnd ein, wahrscheinlich in der Weise, 12 Vgl. hierzu K.M. Girardet, a.a.O. (s. Anm. 5).

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Darstellung / 2. Der Princeps daß in seinem Beirat, dem consilium principis, eine Bewerberliste aufgestellt wurde. Ein Gesetz des Jahres 5 n. Chr., die lex Valeria Cornelia, legte dann fest, daß die 600 Senatoren und die 2.400 aus dem Ritterstand ausgewählten Richter eine Destinationskörperschaft bildeten und die betreffenden Kandidaten in einem Destinationsverfahren bestätigten (Q 25). Der auf diese Weise autorisierte Wahlvorschlag war dann von der Versammlung der Centuriatscomitien nur noch zu ratifizieren. Senat und Volksversammlung blieben erhalten, aber die Macht hatte sich auf den Princeps verlagert. Er übte sie in einem kleinen offiziellen Beratungsgremium mittels seiner überragenden Autorität aus, und zwar so, daß Senatoren, Ritterstand und Volk in die auf den Ersten Bürger zugeschnittene neue Ordnung eingebunden waren. Dies sind die Grundzüge der Principatsverfassung.

2.2. Die materiellen Quellen der Macht An herausragender Stelle, gegen Ende seines Tatenberichts, hat Augustus den besonderen Charakter seines Principats in der Weise gekennzeichnet, daß er potestas, Amtsgewalt, und auctoritas, Einfluß und informelle Macht, gegeneinander abwägt: Nach seinem Verzicht auf die umfassende integrale Regierungsgewalt sei seine potestas nicht größer gewesen als die seiner jeweiligen Amtskollegen, an auctoritas aber habe er alle übertroffen: 13 Auctoritas bezeichnet den Einfluß, der einem einzelnen die Chance der Durchsetzung des eigenen Willens gegenüber Einzelpersonen, gesellschaftlichen Gruppen und auf der Ebene der staatlichen Entscheidungsfindung sichert. Insofern entspricht die Bedeutung von auctoritas ziemlich genau dem Max Weberschen Begriff der Macht. Quellen dieser Macht waren die Überzeugungskraft des Arguments in der öffentlichen Rede, die den Mitbürgern erwiesenen Wohltaten und Verdienste um den Staat in Wort und Tat. Ohne die Autorität einzelner kam auch das kollektive Regiment der aristokratischen Republik nicht aus, aber es liegt auf der Hand, daß hier ein natürliches Spannungsverhältnis wirksam war, so daß die Autorität einzelner eine Grenze an der Freiheit und den Mitbestimmungsrechten der Standesgenossen finden mußte.

13 Aug. R.G. 34 (s. Q 20).

2.2. Die materiellen Quellen der Macht Cicero besaß in der ersten Jahreshälfte 43 v. Chr. zweifellos Autorität, und Brutus bemerkte brieflich, sie sei, von Senat und Volk nicht nur geduldet, sondern erwünscht, so groß, wie die Autorität eines Einzelnen in einem freien Staat nur sein könne. 14 Cicero wirkte durch die Macht seiner Rede, und er glaubte sich durch große Verdienste zur Führung des Staates legitimiert. Aber seine Verdienste waren umstritten, vor allem aber fehlte ihm der Rückhalt bei den Gruppen, bei denen die Quellen der Macht lagen, in erster Linie bei den Soldaten, in zweiter bei der städtischen Plebs. Er hatte keine militärischen Verdienste aufzuweisen, und ihm fehlten die finanziellen Mittel, die ihn in die Lage versetzt hätten, sich Volk und Armee durch Wohltaten zu verpflichten. Sein Potential an auctoritas war auch im Jahre 43 v. Chr. prekär und fragil, und zum Schluß gestand er sich und Brutus dies auch ein. 15 Im Gegensatz zu Cicero gelang es Augustus, ein Maß an auctoritas zu gewinnen, das einem Machtmonopol gleichkam. Die Mittel, mit denen dies gelang, waren der für antike Gesellschaften kennzeichnende Patronalismus der Reichen, der sich im Fall des Augustus in gleicher Weise auf Armee, Plebs und gesellschaftliche Eliten richtete, sowie die überragenden Verdienste um res publica und Imperium - Leistungen, deren Resonanz die Summe der ihm zuerkannten Ehrungen als Ausdruck der dem Ersten Bürger geschuldeten Dankbarkeit war. Vorgegeben war Augustus die patronale Struktur der Gesellschaft. Unter den Bedingungen der späten Republik bedeutete dies, daß das materielle Interesse von Armee und Plebs die Entstehung einer politisch instrumentalisierbaren Anhängerschaft begünstigte, mit deren Hilfe einzelne Angehörige der Führungsschicht Macht zur Vormachtstellung steigern konnten. Der Aufbau einer dergestalt großen, politisch effektiven Klientel war von dem Einsatz großer Mittel abhängig. Soldaten erwarteten eine Versorgung auf Lebenszeit, die stadtrömische Plebs verbilligte oder kostenlose Versorgung mit Getreide, Arbeit bei der Errichtung von Großbauten sowie Geldgeschenke anläßlich von Wahlen oder militärischen Siegesfeiern. Charakteristisch für die Verhältnisse der späten Republik war, daß die notwendigen Mittel teils von Staats wegen, teils privat aufgebracht wurden. Die Ansiedlung von demobilisierten Soldaten auf 14 Cie. Ad M. Brut. 11,2 Shackleton Bailey. 15 Cie. Brut. 17,3-5 Shackleton Bailey. (Mitte Juni 43 v. Chr.) und 24 Shackleton Bailey (27. Juli 43 v. Chr.).

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Darstellung / 2. Der Princeps Staats- oder enteignetem Privatland und die Getreideversorgung der Stadtbevölkerung waren (heftig umstrittene) öffentliche Aufgaben, und Entsprechendes gilt auch für die Errichtung öffentlicher Bauten. Alle antiken Gesellschaften waren freilich auf den Einsatz privater Mittel für öffentliche Bedürfnisse angewiesen. Dies ist die Quintessenz des sogenannten Euergetismus. Er war ein geläufiges Mittel zur Umwandlung von privatem Reichtum in Ehre und Ansehen, also in politisch-gesellschaftliche Macht, und er konnte es sein, weil in der späten Republik eine gewaltige Konzentration von Land, Sklaven und mobilem Kapital in der Hand weniger eingetreten war. Das war nicht zuletzt durch die Verschränkung von privatem Gewinninteresse mit der Ausübung öffentlicher Funktionen möglich geworden. Die Verfügungsgewalt der Feldherren über Beute und der Mißbrauch der Statthalterschaft in den Provinzen des Reiches sind hier ebenso zu nennen wie die Proskriptionen Sullas und der Triumvirn, die eine Umverteilung und Akkumulierung des Produktiwermögens in der Hand weniger Nutznießer bewirkten. Aus diesen Zusammenhängen erklärt sich das berühmt-berüchtigte Wort des M. Licinius Crassus, des Verbündeten Caesars, daß niemand für reich gelten dürfe, der nicht von den Zinsen seines Vermögens ein Heer unterhalten könne. 16 Hierher gehört auch das Angebot, das L. Domitius Ahenobarbus den neu ausgehobenen 15.000 Soldaten Anfang 4 9 v. Chr. im Bürgerkrieg gegen Caesar machte: daß er jedem einzelnen aus seinem Landbesitz einen Hektar, den Centurionen und wiedereinberufenen Veteranen entsprechend mehr geben werde. 17 Caesars Feldzüge in Gallien waren große Beutezüge, und es war die Beute, das Gold der Heiligtümer und die versklavten Menschen, die ihm ein gewaltiges Vermögen einbrachte und ihn befähigte, sich im großen Stil als Patron und Wohltäter Roms und Italiens, aber auch des griechischen Ostens in Szene zu setzen.18 Octavian aber war der Erbe Caesars, und welche politischen Implikationen dies hatte, ist oben dargestellt worden. Als der junge Mann sich entschloß, das Erbe anzunehmen, kam das auch in materieller Hinsicht der Annahme eines Wechsels auf die Zukunft gleich. Zwar hatte sich der Konsul M. Antonius nach den Iden des März in den Besitz der im Hause Caesars lagernden Barbestände gesetzt, aber 16 17 18

Cie. De off. 1,25. Caes. b. c. 1 , 1 7 , 4 . Belege finden sich in Suet. Caes. 2 5 ; 2 8 ; 2 9 , 1 : vgl. W . Will, Julius Caesar. Eine Bilanz, Stuttgart 1 9 9 2 , 1 0 0 f.; 2 2 0 ff.

2.2. Die materiellen Quellen der Macht Octavian gewann die Aussicht auf ein sich künftig vermehrendes Vermögen und damit auch Kreditwürdigkeit. So wurde er in die Lage versetzt, mit der Auszahlung des Legats zu beginnen, das Caesar der stadtrömischen Plebs hinterlassen hatte, und er konnte durch hohe Geldangebote Caesars Veteranen mobilisieren und dem Konsul reguläre Einheiten abspenstig machen. Die größten Aufwendungen aus dem Privatvermögen wurden indessen erst nach 3 0 v. Chr. gemacht. In einer für die Provinzen bestimmten summarischen Übersicht ist von 6 0 0 Millionen Denaren die Rede, die Augustus für die Plebs und die Soldaten sowie für Zuschüsse an die Staatskasse aufwendete. Hinzu kommen die Aufwendungen für die großen Bauprogramme, speziell in Rom, sowie für Spiele und Beihilfen, mit denen Kolonien, Munizipien und Städte im Falle von Erdbeben und Brandkatastrophen unterstützt wurden, ebenso finanzielle Unterstützung von Freunden und Senatoren. Zahlen werden nicht genannt. Es heißt am Schluß nur summarisch: Die betreffenden Aufwendungen sind nicht zu beziffern (Q 26). Welches waren die Geldquellen, die Augustus in die Lage versetzten, nicht nur als Patron und Wohltäter der Soldaten, der Plebs, der Freunde und Standesgenossen zu fungieren, sondern auch große Zuschüsse zu den staatlichen Ausgaben zu leisten? Entscheidend war auch bei ihm die Verschränkung seines Ranges im öffentlichen Leben mit Umfang und Regenerationsfähigkeit seines Vermögens. Streng genommen ist zu unterscheiden zwischen seinem Privatvermögen, seinem Patrimonium, und der Verfügungsgewalt des Feldherrn über gemachte Beute. Sie fiel in gewaltigem Umfang nach dem Sieg über Kleopatra an. Der Sieger verwandte sie für ein großes Bauprogramm, für ein Geschenk an die stadtrömische Plebs in Höhe von 4 0 0 Sesterzen pro Kopf sowie eine Triumphalgabe an 1 2 0 . 0 0 0 Veteranen in Höhe von 1.000 Sesterzen pro Mann. Augustus setzte die Mindestzahl der begünstigten Getreideempfänger in Rom mit 2 5 0 . 0 0 0 Personen an. Das bedeutete, daß anläßlich des Triumphs über Kleopatra die Summe von 2 2 0 Mio. Sesterzen für beide Empfängergruppen ausgegeben wurde. Weitere 6 0 0 Mio. wandte er für den Ankauf von italischem und 2 6 0 Mio. für den von provinzialem Siedlungsland auf, um die den Soldaten gemachten Versprechungen anläßlich der seit dem Jahr 3 0 v. Chr. stattfindenden Demobilisierung großer Teile der Armee erfüllen zu können. Es wird nicht eigens gesagt, muß aber wohl angenommen werden, daß die ägyptische Beute die gigantische Ankaufaktion möglich machte. Das heißt,

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Darstellung / 2. Der Princeps daß aus dem Beuteerlös über 1 Milliarde, genau: 1.080 Mio. Sesterzen, allein für die genannten Zwecke ausgegeben wurde. Aber noch größere Summen brachte Augustus aus seinem Privatvermögen auf. Allein für Volk und Heer wurden nach der pauschalen Angabe im Zusatz zu seinem Tatenbericht etwa 1,3 Milliarden aufgewendet - ein Betrag, der die Jahreseinnahmen des Römischen Reiches, legt man eine moderne Schätzung zugrunde, fast um das Doppelte überstieg.19 Das Privatvermögen verfügte demnach über gewaltige Bestände an Bargeld. Augustus war gewiß wie alle Angehörigen der Senatsaristokratie ein Großgrundbesitzer, aber ebenso gewiß ist, daß aus dieser Quelle nicht die liquiden Mittel erwirtschaftet werden konnten, die er für Volk, Soldaten, Bauten, Feste und Aufführungen, Beihilfen im Katastrophenfall sowie für die Unterstützung von Freunden und Standesgenossen ausgab. Glücklicherweise gibt Sueton am Ende seiner Augustusbiographie in den Mitteilungen aus seinem Testament den entscheidenden Hinweis. Augustus entschuldigte sich darin bei seinen Erben für die Geringfügigkeit der baren Hinterlassenschaft (die Rede ist von 150 Mio.), obwohl ihm allein in den letzten 20 Jahren aus den Vermächtnissen seiner Freunde 1,4 Milliarden zugeflossen seien (Q 27). Zugrunde lag dieser reich sprudelnden Geldquelle die aus der patronalen Struktur der Gesellschaft resultierende Sitte, im Testament einflußreiche Freunde und Förderer mit stattlichen Legaten zu bedenken. Auf diese Wiese sollte das Wohlwollen des Mächtigen und Einflußreichen den Nachkommen des Erblassers erhalten bleiben. Diese in der aristokratischen Gesellschaft verbreitete Sitte gewann unter den Bedingungen der herausragenden Machtstellung des Ersten Bürgers eine neue Qualität. Von Augustus' Wohlwollen hingen alle Karrieren ab, und so war es für jeden, der etwas werden wollte, wichtig, des Kaisers Freund zu sein. Er partizipierte an jedem Ubergang großer Vermögen auf eine neue Generation. Augustus wurde auf diesem Wege soviel angeboten, daß er den Anstand wahren und auswählen konnte. Er lehnte es generell ab, von Unbekannten etwas anzunehmen, und er sah im allgemeinen darauf, daß den Kindern von Erblassern das Vermögen nicht durch Vermächtnisse und Erbanteile zu Gunsten des 19 Nach einer modernen Schätzung betrug der Jahresetat des Römischen Reiches rd. 7 5 0 Mio. Sesterzen: H. Chantraine, Ausgabenpolitik, Defizite und Sanierung des Staatshaushaltes in den beiden ersten Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit, in: Gesellschaft und Universität, Festschr. z. 75-Jahrfeier der Universität Mannheim, 1982, 2 0 7 - 2 4 2 .

2.2. Die materiellen Quellen der Macht Princeps zu sehr geschmälert wurde. Der beschriebene Verteilungsmechanismus funktionierte nicht nur innerhalb der römischen Gesellschaft Italiens, er scheint auch bei den Dynasten und Magnaten des römischen Reichsverbandes wirksam geworden zu sein und hat Augustus als Patron riesige Summen eingebracht. Im Falle des Herodes, Königs der Juden und Freund des Augustus, sind wir darüber durch den jüdischen Historiker Josephus unterrichtet. Herodes' Verfügungen über seine Nachfolge mußten von Augustus bestätigt werden, auch seine Erben waren von dessem Wohlwollen abhängig, und so vermachte Herodes in seinem Testament Augustus und Livia, seiner Frau, Beträge, die 24 und 12 Mio. Sesterzen entsprachen. Kurz vor seinem Tod änderte Herodes sein Testament und ordnete die Nachfolge neu, ohne noch die Möglichkeit zu haben, sie mit seinem Patron abzusprechen. Also erhöhte er den für das Herrscherpaar ausgesetzten Betrag auf die enorme Summe von 40 und 20 Mio. Sesterzen (Q 28). Augustus entschuldigte den geringen Kassenbestand seines Vermögens damit, daß er beide väterliche Vermögen und die gewaltigen ihm aus Erbschaften und Legaten zugeflossenen Summen für öffentliche Bedürfnisse aufgewendet habe. Diese Bemerkung ist in doppelter Weise zu qualifizieren. Sein Privatvermögen mochte zeitweilig einen geringen Kassenstand aufweisen, aber es regenerierte sich ständig im Generationenwechsel der Reichen, der Dynasten und Magnaten. Und was die Verwendung dieses Vermögens anbelangt, so ist gewiß begrifflich zwischen Patronage und Verwendung privater Mittel zu staatlichen Zwecken zu unterscheiden, und gelegentlich ist diese Unterscheidung auch praktisch möglich. Einerseits übernahm Augustus staatliche Aufgaben, als er im Jahre 22 v. Chr. der Plebs aus seinem Privatvermögen die Summen zur Verfügung stellte, die ein Äquivalent für die kostenlose staatliche Getreideversorgung waren, andererseits übte er eine Form der Familienpatronage, als er anläßlich der Übergabe der toga virilis an seine Enkel und Adoptivsöhne C. und L. Caesar in den Jahren 5 und 2 v. Chr. 320.000 bzw. mindestens 250.000 Angehörigen der plebs urbana bzw. plebs frumentaria je 240 Sesterzen schenkte. In den meisten Fällen jedoch ist evident, daß privater Patronalismus in eine subsidiäre Übernahme staatlicher Aufgaben überging. Daß dies im Rahmen eines Großstaates, ja eines Weltreichs möglich wurde, hängt mit dem Umfang, der Regenerationsfähigkeit und Zusammensetzung dieses Vermögens zusammen. Es war eine Sammelstelle von Liquidität, und zwar in solchem Umfang, daß Augustus

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Darstellung / 2. Der Princeps die Staatskasse wiederholt durch Einzahlung à fonds perdu liquide hielt, Staatsaufgaben wie die Versorgung der Plebs mit Getreide 20 , den Straßenbau oder die Altersversorgung der Veteranen ganz oder teilweise finanzierte. Von erstrangiger politischer Bedeutung war der Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Barmittel zur Lösung des größten Problems, das die untergegangene späte Republik dem entstehenden Kaisertum hinterlassen hatte. Gemeint ist die Veteranenversorgung mit Land. Demobilisierte Massenheere anzusiedeln lief auf Enteignungen, latenten Bürgerkrieg und soziale Revolution in Permanenz hinaus. Der Perusinische Krieg hatte das noch einmal demonstriert. Nach dem Sieg über Sex. Pompeius war deshalb für die Entlassenen Land aufgekauft, daneben vakantes Staatsland verteilt worden. Die Geldschwemme, die die Eroberung des ptolemäischen Ägypten mit sich brachte, erlaubte es, diese Methode der Landverteilung ohne Enteignung noch einmal anzuwenden, freilich nur so, daß auch Land in den Provinzen angekauft wurde. Fortsetzen ließ sich diese Methode aber nicht unbegrenzt. Land war schließlich kein vermehrbares Gut. Ansiedlung konnte nicht auf Dauer die Hauptform der Veteranenversorgung bleiben. Zur Wahrung des sozialen Friedens mußte zu einer Abfindung in Geld übergegangen werden. Doch auch das verfügbare Geldvolumen war begrenzt. Damit die Veteranenversorgung auf eine Geldabfindung umgestellt werden konnte, mußte eine stehende Berufsarmee mit langen Dienstzeiten geschaffen werden. Dies geschah, wie noch im einzelnen darzulegen ist (s. 2.4), nach der großen Demobilisierung der Jahre 3 0 und 29 v. Chr. Diese erfaßte etwa 80.000 Soldaten 21 . Als dann in den Jahren 7, 6, 4, 3 und 2 v. Chr. die ersten Entlassungen aus dem Berufsheer des neuen Typus anstanden, waren insgesamt vielleicht 5 0 . 0 0 0 Mann betroffen, pro Entlassungstermin also im statistischen Durchschnitt 10.000 Soldaten. Insgesamt mußten für die Abfindung in Geld 4 0 0 Mio. Sesterzen aufgewendet werden. Zu einer solchen Zahlung 20

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Zur Getreideversorgung seit dem Krisenjahr 22 v. Chr. vgl. D. van Berchem, Les distributions de blé et d'argent à la plèbe romaine sous l'empire, Genf 1939, 27 ff. und G. E. Rickman, The Corn Supply of Ancient Rome, Oxford 1980, 60 ff. und 179 ff. Erst nach der Hungersnot des Jahres 6 n. Chr. (s. Cass. Dio. 55,26,1-27,3) wurde die Getreidebeschaffung dem neu geschaffenen Amt des praefectus annonae übertragen. Zu den Zahlen vgl. P. A. Brunt, Italien Manpower, Oxford 1971, 3 2 2 ff.; W. Schmitthenner, Politik und Armee in der späten römischen Republik, H Z 190, 1 9 6 0 , 1 6 .

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand war die Staatskasse nicht in der Lage. Augustus sprang mit seinem Privatvermögen ein. Aber er konnte nicht garantieren, immer die notwendige Liquidität vorrätig zu haben. Deshalb wurde im Jahre 6 n. Chr. die Militärpensionskasse auf seinen Vorschlag hin gegründet und auf eine 5%ige Erbschafts- sowie eine l%ige Verkaufssteuer fundiert. Auch diese Kasse bedurfte einer Anschubfinanzierung, und Augustus zahlte 170 Mio. Sesterzen aus seinem Privatvermögen ein. Damit war das schwerwiegendste Problem, das sich aus der Existenz eines Weltreiches ergeben hatte, gelöst. Die Erbschaftssteuer war für die besitzenden Klassen Italiens gewiß das kleinere Übel als das Damoklesschwert von Proskription und Enteignung, das bis in die Triumviratszeit hinein über ihnen geschwebt hatte.

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Das Verhältnis zwischen Princeps und Senat bildete das Schlüsselproblem der neuen Ordnung. 22 Sie war begründet worden durch die Rückgabe einer umfassenden Ausnahmegewalt an Senat und Volk am 13. Januar 27 v. Chr. und hatte sich in dem anschließenden Prozeß einer Neubestimmung der Position des Augustus in der res publica konsolidiert. Seine öffentlich-rechtliche Gewalt, insbesondere das Kommando über die wichtigsten Militärprovinzen, war durch Senatsbeschluß übertragen und durch die Volksversammlung bestätigt worden. Diese Übertragung wurde dann alle zehn bzw. fünf Jahre wiederholt. Auch die Nachfolger haben später um die Übertragung der außerordentlichen kaiserlichen Gewalt durch den Senat nachgesucht. So wurde der Anschein erweckt, der Kaiser sei der Man-

22 D. Kienast, Augustus, 151 ff.; J. Bleicken, Augustus, 473 ff.; W. Eck, Die Umgestaltung der politischen Führungsschicht - Senatorenstand und Ritterstand, in: ders., Die Verwaltung des Römischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge I, Basel 1995, 103-158; CI. Nicolet, Augustus, Government and the Propertied Classes, in: F. Millar/E. Segal (Hrsg.), Caesar Augustus, 89-128; R.J.A. Talbert, Augustus and the Senate, Greece δί Rome 31, 1984, 55-63; P. Α. Brunt, The Role of the Senate in the Augustan Regime, Class. Quart. 34, 1984, 423-444 und neuerdings M. H. Dettenhofen a.a.O. (s. Anm. 8), 126-133.

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Darstellung / 2. Der Princeps datsträger des Senats und dieser verkörpere die Kontinuität der Herrschaft. Augustus selbst hat in seinem Tatenbericht die herausragende Stellung des Senats betont, indem er ihn in den ersten 14 Kapiteln achtzehn Mal nennt und ihn mit Bezugnahme auf die Ehrungen abschließt, die ihm der Senat in den Jahren 27 und 2 v. Chr. verlieh. 23 Es entsprach dieser Sicht, wenn Vellerns Paterculus in seinem Geschichtswerk erklärt, daß im Jahre 27 v. Chr. die überlegene Stellung des Senats wiederhergestellt worden sei.24 Und doch war klar, daß Augustus das neue Machtzentrum der 'wiederhergestellten Republik' war: Senat und Volk mochten ihre Beschlüsse fassen, aber es geschah unter anderen Rahmenbedingungen als zur Zeit der Republik. Senat und Volksversammlung bildeten nicht mehr die Bühne, auf der sich die Auseinandersetzung um die politische Führung vollzog. Die Machtfrage war eindeutig zugunsten des einen Princeps gelöst. Was blieb, war die keineswegs leichte Aufgabe, die alte Machtelite, zu der Augustus nur bedingt gehörte, zur Anerkennung oder zumindest zur Hinnahme der neuen Machtverhältnisse zu bringen. Diesem Ziel diente die Angleichung der faktischen Macht des Princeps an die Formensprache des republikanischen Staatsrechts, und dies wiederum hatte zur Folge, daß der Machtverlust der Aristokratie weniger in der verfassungsmäßigen Ordnung zum Ausdruck kam als in dem Entzug der Möglichkeit, in freier Konkurrenz um die Führung in den Beschlußkörperschaften zu kämpfen. Die alte Aristokratie hatte in einer zwanzigjährigen Bürgerkriegsphase die Möglichkeit der Selbstergänzung und Selbstbestimmung verloren; ja, sie war innerhalb des Senats, der durch die von Caesar und den Triumvirn vorgenommene Aufnahme neuer Mitglieder aufgebläht worden war, zu einer Minderheit geworden. Der Sieger von Actium, dem nach der Entscheidung der Machtfrage viel daran gelegen war, seine überragende Stellung mit der legitimen Ordnung der aristokratischen Republik zu versöhnen, stand vor der Aufgabe, sowohl das Ansehen der altehrwürdigen Körperschaft wiederherzustellen als auch durch Einflußnahme auf ihre Zusammensetzung und durch die Mittel der Patronage und Disziplinierung die Loyalität des Senatorenstandes sicherzustellen.

23 Aug. R.G. 34 f. (s. Q 20 und 66). 24 Veil. Pat. 2,89,3 (s. Q 20).

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Diesem Ziel diente, wie es hieß, die Entfernung unwürdiger Elemente aus dem Senat. Eine erste Verkleinerung des Senats mittels eines Auswahlverfahrens, einer lectio senatus, fand 29/28 v. Chr. statt. Dies führte jedoch nur zu einer unwesentlichen Verminderung der Zahl der Senatoren. Bei der im Jahre 18 v. Chr. stattfindenden lectio senatus verloren dagegen 300 Mitglieder ihren Senatssitz. Da weder das Angebot freiwilligen Verzichts (bei Erhaltung senatorischer Ehrenrechte) noch ein kompliziertes innersenatorisches Auswahlverfahren zum Ziel führte, übernahm Augustus unter Lebensgefahr das Geschäft der lectio senatus. Der Senat war seitdem wieder auf eine Sollstärke von 600 Mitgliedern gebracht. Der Sinn des Unternehmens beschränkte sich keineswegs darauf, den Senat von Gegnern des Princeps zu reinigen: Die Reste der alten Aristokratie, die auf seiten der Republik gekämpft hatten, überstanden die Säuberungen nicht nur, sondern erfuhren sogar Förderung. Betroffen waren eher Elemente, deren Herkunft, persönliche Lebensführung oder Vermögensverhältnisse den herkömmlichen Normen nicht entsprachen. Das Mindestvermögen eines Senators wurde auf 1 Mio., nach einer anderen Quelle auf 1,2 Mio. Sesterzen fixiert, und damit war eine exakte Qualifikation für die Zugehörigkeit zum Senat normiert. 25 Zugleich wurde Augustus, dem reichsten Mann des Römischen Reiches, damit die Möglichkeit der Patronage durch entsprechende Geldzuwendung gegeben, und er hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Spätere Verkleinerungen bzw. Ergänzungen des Senats führten nicht mehr zu krisenhafter Konfrontation (Q 29). Der Eintritt in den Senat erfolgte wie zur Zeit der Republik mit der Wahl zur Quaestur, doch hatte Augustus mannigfache Möglichkeiten, auf die Zusammensetzung des Senats Einfluß zu nehmen. Ende 30 v. Chr. erhielt er durch eine lex Saenia das Recht der Patrizierernennung.26 Er konnte also Personen seiner Wahl in den Stand des alten Adels berufen und sie damit für die Besetzung von Priesterämtern im Zuge seiner religiösen Restaurationspolitik qualifizieren. Von den unter Augustus nachweisbaren Patriziern ist etwa ein 25 Vgl. Cass. Dio 54,17,3 (1 Mio.) auf der einen und Suet. Aug. 41,1 (1,2 Mio.) auf der anderen Seite. Vgl. dazu Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht I, Leipzig 1887 3 , 498 Anm. 2. 26 Tac. ann. 11,25,2; Cass. Dio 52,42,5; vgl. Aug. R.G. 8: "Die Zahl der Patrizier vermehrte ich in meinem fünften Konsulat (= 29 v. Chr.) auf Geheiß von Senat und Volk."

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Darstellung / 2. Der Princeps Drittel von ihm ernannt worden. Diese Neuernannten stellten zusammen mit den Angehörigen der alten Patrizierfamilien die Hälfte aller Konsuln, von den eponymen, nach denen die bürgerlichen Jahre datiert wurden, fast Dreiviertel. Da die bedeutendsten Statthalterposten mit ehemaligen Konsuln besetzt wurden, lag hier der Ansatzpunkt für eine wirksame Karriereförderung. Deren normale Steuerung erfolgte durch Kandidatenprüfung und -empfehlung. Als Konsul oder seit 19 v. Chr. als Inhaber konsularischer Rechte konnte Augustus die formale Qualifikation der Kandidaten überprüfen, sie zur Wahl zulassen oder zurückweisen. Die Empfehlung war aus einer republikanischen Sitte entwickelt. Augustus bediente sich dieses Mittels sparsam, und es war eine große Ehre, als candidatus Caesaris, vermöge kaiserlicher Kommendation, gewählt zu werden. Seit dem Jahre 5 n. Chr. war es einer besonderen, aus Senatoren und Rittern bestehenden Destinationskörperschaft vorbehalten, die Kandidaten zu bestimmen, und im Jahre seines Todes wurden genau so viele Kandidaten nominiert, wie Praetoren zu wählen waren. 2 7 Der Kreis möglicher Kandidaten für die Amter erwies sich als zu klein, und Augustus verwendete große M ü h e darauf, daß Reservoir an Kandidaten zu erweitern: Senatorensöhne erhielten das Recht, bei Erreichen der Volljährigkeit den breiten Purpurstreifen, den latus clavus, an der Toga anzubringen und an den Senatssitzungen teilzunehmen. So sollten sie in ihre künftigen Aufgaben hineinwachsen. Da es für den Volkstribunat oft nicht genügend Kandidaten aus dem Senatorenstand gab, scheint Augustus das Recht erhalten zu haben, den latus clavus an Ritter zu verleihen, damit sie sich wählen lassen konnten. Im Falle ihrer Wahl blieb es ihnen vorbehalten, zu entscheiden, ob sie nach Ablauf ihres Amtsjahres im Senat bleiben wollten oder nicht. 28 Auch machte er von der Möglichkeit Gebrauch, Senatoren oder Kandidaten, die das vorgeschriebene Mindestvermögen nicht besaßen, Geldgeschenke zu machen und so dem Senat Mitglieder zu erhalten oder neue zu gewinnen. Augustus setzte seinen Einfluß unter dem Mantel gesellschaftlich-aristokratischer Selbstbestimmung durch, und zum Schluß konnte er das Routinegeschäft der lectio senatus und der Auswahl der Kandidaten für die höchsten Ämter einer senatorischen Kommission bzw. den aus den senatorisch-

27 Tac. ann. 1,14,4-15,1: vgl. D. Flach, Destinado und nominatio im frühen Prinzipat, Chiron 6, 1976,193-203. 28 Cass. Dio 54,30,2 (12 ν. Chr.); Suet. Aug. 40,1.

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand ritterlichen Richterdekurien gebildeten zehn Zenturien der 6 n. Chr. neueingerichteten Destinationskörperschaften überlassen.29 Der so unter kaiserliche Kontrolle gestellte Senat übte nominell nicht nur seine traditionellen Funktionen aus (sieht man von der Sonderreglung des Jahres 13 n. Chr. ab, als Beschlüsse des reformierten Senatskonsiliums denen des Gesamtsenats gleichgestellt wurden), es gab auch erste Ansätze zur Bildung einer spezifischen Senatsgerichtsbarkeit. 4 v. Chr. räumte ein Senatsbeschluß, das senatus consultum Calvisianum, den Provinzialen das Recht ein, sich in Repetundenfällen - sie betrafen den Straftatbestand der Erpressung von Geldern und Leistungen seitens römischer Statthalter - unter Vermittlung eines Magistrats an den Senat zu wenden (vgl. Q 59). Der Senat entschied dann über die Zulassung der Klage und über die Bildung eines senatorischen Schiedsrichterkollegiums. Im Verfahren selbst ging es um einen Schadensersatzanspruch, der leichter durchzusetzen war als eine Verurteilung in einem Strafverfahren vor dem Geschworenengericht. Der Senat sprach in diesem Fall kein Urteil, sondern er übernahm die Funktion, die in der ordentlichen Rechtspflege der Gerichtsmagistrat mit seinem Beirat ausübte. 30 Als im Jahre 2 v. Chr. der Ehebruchskandal der Tochter des Kaisers aus Gründen politischer Opportunität nicht vor das zuständige Geschworenengericht gebracht wurde, übernahm der Senat sogar die Funktion von Geschworenen: Er fällte den Schuldspruch über die in den Fall Verwickelten, soweit sie nicht wie die Tochter, die Sklaven und Freigelassenen dem Hausgericht des Vaters unterstanden. 31 Im Jahre 12 n. Chr. stellte der Senat fest, daß die Strafbestimmungen der lex Iulia de maiestate auf den Fall des Redners Cassius Severus anwendbar seien - dieser war wegen seiner Schmähschriften gegen Angehörige der Aristokratie angeklagt worden - und verurteilte ihn. 32 Schließlich verschärfte er im Jahre 13 n. Chr. die Strafe gegen den ehemaligen Prokonsul von Asia L. Valerius Messala Volesus, der vom zuständigen Repetundengericht ordnungsgemäß verurteilt worden war. In diesem Fall ist damit zu rechnen, daß der Senat eine

29 S. unten Q 25. 30 Vgl. W. Kunkel, Die Entstehung des Senatsgerichts, SB Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1969, Heft 2 = ders., Kleine Schriften, Weimar 1974, 284 ff. Zur Hauptquelle, dem s.c. Calvisianum, s. unten Q 59. 31 Vgl. W. Kunkel, a.a.O., 294 ff. 32 W. Kunkel, a.a.O. 298 f.

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Darstellung / 2. Der Princeps der klassischen Funktionen des Gerichtsmagistrats ausübte, indem er das Strafmaß festlegte.33 Dies alles geschah mit dem Willen des Kaisers, der den Senat als Organ der Legalität und Legitimität benötigte und zugleich auf den Senatorenstand noch in anderer Weise angewiesen war. D. Timpe hat dies so ausgedrückt: "Der Kaiser konnte zwar die Zusammensetzung des Senats beeinflussen, blieb aber auf den Stand als solchen angewiesen; dieser hatte seine Rolle als kollektive Regierung ausgespielt, jedoch seine Bedeutung als Reservoir der obersten Führungskräfte war größer denn je."34 Dazu zählten nicht nur die unter dem Titel Prokonsul amtierenden Statthalter der senatorischen Provinzen, ehemalige Konsuln und Praetoren, sondern auch die Vertreter des Kaisers in den ihm zugewiesenen Provinzen, die den Titel legati Augusti pro praetore trugen und ebenfalls aus den Rangklassen der Konsulare und Praetorier rekrutiert wurden. Hinzu kamen die Legionskommandeure und senatorische Amtsträger für neugeschaffene Aufgaben.35 Zu nennen sind die senatorischen praefecti urbi, die curatores annonae (bis 7 n. Chr.) und die curatores frumenti dandi (seit 22 ν. Chr.) - die einen sorgten für die Beschaffung und Vorratshaltung, die anderen für die Verteilung von Getreide an die Plebs - sowie seit 20 v. Chr. die curatores viarum, die Beauftragten für die Straßeninstandhaltung. Hinzu kamen die Beauftragten für die Wasserversorgung, die curatores aquarutn, bald auch die für die öffentlichen Bauten und Plätze, die curatores operum locorumque publicorum. Als 6 n. Chr. die Militärpensionskasse gegründet wurde, traten drei Praefecten mit praetorischem Rang an ihre Spitze.36 Es gab noch andere wichtige Positionen: die Mitgliedschaft in dem halbjährlich wechselnden kaiserlichen Beirat zur Vorbereitung der Senatssitzungen oder in den Gremien der Konsulare, denen der Kaiser die Erledigung der an ihn erfolgenden Appellatio-

33 34 35

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W. Kunkel, a.a.O. 328 zu J. Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht, Abh. d. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 3 F. Nr. 5 3 , Göttingen 1962, 35. D. Timpe, Die politische Wirklichkeit und ihre Folgen, in: K. Büchner (Hrsg.), Latein und Europa, Stuttgart 1978, 62. Auflistung der betreffenden Funktionsträger in: K. Bringmann, Zur Gerichtsreform des Kaisers Augustus, Chiron 3, 1973, 2 4 0 f. ( = jetzt in: ders., Ausgewählte Schriften. Hrsg. v. J. Kobes und P. Scholz. [FAB, 6], Frankfurt 2001, 281 ff.). S. unten Q 36.

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand 37

nen aus den Provinzen delegierte. Alle Senatoren waren somit in ein dichtes Netz von amtlichen Pflichten eingebunden. In diesem Kontext wurden sie diszipliniert, und ihre Karrieren differenzierten sich unter Aufsicht des Kaisers. Augustus förderte seit 23 v. Chr. Angehörige der alten Aristokratie, gerade auch wenn sie in der Bürgerkriegszeit nicht auf seiner Seite gestanden hatten, und zwar so, daß sie bis zum Konsulat gelangten. Umgekehrt Schloß er viele aus, die in der Bürgerkriegszeit in den Senat aufgenommen worden waren. Doch heißt das nicht, daß 'neuen Männern', homines novi, keine Chancen gegeben worden wären - im Gegenteil: die wichtigsten Helfer des Augustus stammten aus lokalen Familien Italiens, die bis dahin nicht im Senat vertreten waren. 38 Zu nennen sind in erster Linie M. Vipsanius Agrippa, T. Statilius Taurus oder der aus dem spanischen Gades stammende jüngere L. Cornelius Baibus, der nach dem Zeugnis der Triumphalakten am Augustusbogen des Forums der letzte Prokonsul war, der aus seiner Provinz Africa den Triumph davontrug. 39 Augustus hat mit der Aufnahme von Angehörigen prominenter Familien der romanisierten Teile Spaniens und Südgalliens die Erweiterung der römischen Herrschaftselite eingeleitet und damit einer bedeutenden Entwicklungslinie zum Durchbruch verholfen. Wie sehr dabei auf persönliche Qualifikation und Loyalität gesehen wurde, mag das Beispiel des P. Sulpicius Quirinius, nach dem Lukasevangelium Statthalter der Provinz Syrien zur Zeit der Geburt Jesu, verdeutlichen (Q 30). Aus der kleinen Gemeinde Lanuvium am Südhang der Albanerberge stammend wurde er wegen seiner militärischen Fähigkeiten von Augustus gefördert und durchlief eine senatorische Laufbahn. 16/15 v. Chr. unterwarf er als Prokonsul von Creta et Cyrene in der Kyrenaika die Marmariden und Garamanten, 12 v. Chr. bekleidete er den eponymen Konsulat und war dann, wohl von 5 bis 3 v. Chr., legatus Augusti pro praetore in Galatien, wo er das Bergvolk der Homonadenser besiegte. Als bewährter Militär und Kenner des östlichen Reichsteils war er zwischen 1 v. und 4 n. Chr. in den Stab abgeordnet, der dem Kaiserenkel und Adoptivsohn C. Caesar auf seiner Orientmission beigegeben war. Und als 6/7 n. Chr. in Syrien der Census erhoben und 37 Suet. Aug. 33,3. 38 Vgl. zur augusteischen Aristokratie R. Syme: Roman Revolution, 349 ff. und ders., Augustan Aristocracy, Oxford 1986. 39 Inscrit 13,1,87 (19 ν. Chr.)

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Darstellung / 2. Der Princeps zugleich das unruhige jüdische Kernland, das Reich des Tetrarchen Archelaos, der direkten römischen Verwaltung unterstellt wurde, betraute Augustus den bewährten Quirinius mit der schwierigen Aufgabe. Er genoß die besondere Wertschätzung des Tiberius, des Nachfolgers des Augustus, und er war, wie Tacitus anläßlich seines Staatsbegräbnisses hervorhebt, reich und mächtig geworden. Nachdem Augustus nach zehnjährigem Experimentieren die Form gefunden hatte, in der seine Führerstellung mit dem aristokratisch-republikanischen Zuschnitt der alten res publica am ehesten vereinbar erschien, behandelte er den Senat mit ausgesuchter Höflichkeit (Q31). Er ging so weit, daß er an Sitzungstagen jeden Senator persönlich auf seinem Platz begrüßte und sich von jedem einzelnen in gleicher Weise verabschiedete. Caesar war nicht einmal aufgestanden, als der Senat ihm auf dem Forum die für ihn gefaßten Ehrenbeschlüsse übergeben wollte. Augustus ließ spitze Bemerkungen und heftige Debatten über sich ergehen. Im Bewußtsein der gesicherten Macht war er überzeugt, daß er durch Zurückhaltung und Höflichkeit ebenso gewinnen könne, wie er unter den Bedingungen des Bürgerkrieges durch kaltblütig kalkulierte Vernichtung von Gegnern gewonnen hatte. In diesem Sinne schrieb er an seinen Stiefsohn Tiberius, der sich über Schmähungen erregte, die gegen den Kaiser gerichtet waren: "Gib Deinem jugendlichen Alter, mein Tiberius, in dieser Angelegenheit nicht nach und errege Dich nicht zu sehr darüber, daß es jemanden gibt, der übel über mich spricht; es reicht doch, daß wir uns sicher sind, daß niemand uns Übles tun kann."40 Als der Senat ihn 2 v. Chr. mit dem Titel eines Vaters des Vaterlandes ehrte, schien er am Ziel seiner Wünsche. Er hatte das Kunststück fertiggebracht, seine überragende Macht im öffentlich bekundeten Konsens zu verankern, und er äußerte im Senat: "Nachdem meine Wünsche sich erfüllt haben, Senatoren, was kann ich noch von den Göttern erflehen, als daß es mir vergönnt sein möge, diese eure Einigkeit bis an mein Lebensende zu erhalten." 41 Einbezogen in das Herrschaftssystem des Augustus wurde auch der Ritterstand. In der Zeit der Gracchen war er durch Ausgrenzung der Senatoren aus den Stimmkörperschaften der Ritter als zweiter Stand der politisch-gesellschaftlichen Elite konstituiert worden, und C. Gracchus hatte ihm durch Zuweisung von Richterstellen und

40 Suet. Aug. 51,3 = F VIII Malcovati. 41 Suet. Aug. 58,2 (s. Q 68).

2.4. Augustus und die Armee Überlassung der einträglichen Steuerpacht in der neu geschaffenen Provinz Asia wichtige öffentliche Funktionen gegeben. Augustus setzte diese Linie fort - nicht wie C. Gracchus aus machtpolitischem Kalkül, um die Stellung des Senats zu schwächen, sondern eher aus dem sachlichen Bedürfnis, das Reservoir von Führungskräften zu erweitern. Er reorganisierte zu diesem Zweck aus der größeren Zahl vermögender Bürger (der Mindestcensus betrug 400.000 Sesterzen) in althergebrachten militärischen Formen eine Elite, indem er eine Zahl von 6.000 mit dem Staatspferd ausstattete. (Q 32). Aus diesem Kreis wurden die Befehlshaber der aus unterworfenen Stämmen rekrutierten Hilfstruppen, der sogenannten Auxiliarverbände, der größte Teil der Legionstribunen und der Richter der öffentlichen und privaten Gerichtsbarkeit in Rom sowie eine Reihe von hohen Funktionären der sich allmählich entwickelnden kaiserlichen Administration rekrutiert, an ihrer Spitze der Vertreter des Kaisers in Ägypten, der praefectus Aegypti.

2.4. Augustus und die Armee42 Nach dem Sieg über den Rivalen M. Antonius gelang Augustus in seiner langen Regierungszeit die Lösung des Kardinalproblems, an dem die Republik gescheitert war: die Eliminierung der Armee aus der Politik und ihre Reintegration in die Ordnung des römischen Staates. Die Grundbedingung dieser Leistung war die Ausschaltung rivalisierender Heerführer und die Lösung der Machtfrage: Indem die Armee faktisch dem Oberbefehl des Princeps unterstand, der der Repräsentant des Staates war, fielen Heerespatronat und staatliche 42 Zusammenfassende Darstellung in D. Kienast, Augustus, 320 ff. und J. Bleicken, Augustus, 541 ff. Spezielle Arbeiten zum Militärwesen unter Augustus sind: W. Schmitthenner, The Armies of the Triumviral Period: A Study of the Origins of the Roman Imperial Legions, Phil. Thesis, Oxford 1958; K. Raaflaub, Die Militärreform des Augustus und die politische Problematik des frühen Prinzipats, in: G. Binder, Saeculum Augustum I, 246-307; L. Keppie, The Making of the Roman Army. From Republic to Empire, London 1984, 132 ff. und W. Dahlheim, Die Armee eines Weltreiches: Der römische Soldat und sein Verhältnis zu Staat und Gesellschaft, Klio 74, 1972, 197-220. - Zu den Auxiliarverbänden s. D. B. Saddington, The Development of the Roman Auxiliary Forces from Caesar to Vespasian (49 B.C.-A.D. 79), Harare 1982.

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Darstellung / 2. Der Princeps Verfügungsgewalt über die Armee zusammen und war die Voraussetzung für die Disziplinierung der Truppe gegeben. Es ist bezeichnend, daß der große Verderber dieser Disziplin nach Actium ihr Wiederhersteller geworden ist (Q 33). Diesem Ziel diente auch die Umwandlung der nach Bedarf in Dienst gestellten Milizheere in eine Berufsarmee, die für die Arrondierung und Verteidigung des Reiches groß genug und zugleich bezahlbar war. Die Berufsarmee brachte die Chance der Kontinuität und Kalkulierbarkeit, und sie bot die Möglichkeit, den verheerenden Konsequenzen zu entgehen, in die die Neuaufstellungen und Entlassungen von Massenheeren die Republik gestürzt hatten: Gemeint sind die Instrumentalisierung der auf materielle Versorgung angewiesenen Veteranen durch ihre Feldherren und die Unmöglichkeit, dem Anspruch der demobilisierten Soldaten auf Bauernstellen ohne Enteignungen zu entsprechen. Für die Lösung des schwierigen Problems brauchte Augustus fast seine gesamte Regierungszeit. Zuerst war es notwendig, für die Berufsarmee eine Größenordnung zu kalkulieren, die den Bedarf deckte und zugleich die Ressourcen des Reiches und des römischen Staates nicht überbeanspruchte. Wir kennen nur das Ergebnis, die ihm zugrundeliegenden Berechnungen und Überlegungen sind unbekannt. Von den mehr als 60 Legionen, die auf beiden Seiten für den Actischen Krieg mobilisiert waren, blieben 28 unter Waffen, 24 n. Chr. kam noch eine weiter hinzu, die neugebildete XXII Deiotariana. Nach 16 v. Chr. wurde die in Kämpfen schwer angeschlagene V Gallica aufgelöst, so daß das Heer bis zum Verlust der drei Legionen in Germanien im Jahre 9 n. Chr. 28 Einheiten umfaßte (Q 34). Ergänzt wurde dieser Kern des Heeres durch Auxiliarverbände, deren Sollstärke in der Regel 500-1.000 Mann betrug. Sie wurden aus unterworfenen Stämmen in Spanien, Raetien, auf dem Balkan, in Germanien sowie im Osten des Reiches ausgehoben. Derartige Rekrutierungen erhöhten das römische Militärpotential und nahmen frisch unterworfenen Stämmen die Möglichkeit, sich gegen die römische Herrschaft zu erheben. Daneben spielten in augusteischer Zeit die Aufgebote von sogenannten Verbündeten noch eine erhebliche Rolle, beispielsweise der germanischen Ubier, Bataver oder Cherusker. Ihre Stärke ist unbekannt, und mit großen Schwankungen muß gerechnet werden. Zur Zeit des Pannonischen Aufstandes und des Versuchs, das rechtsrheinische Germanien zu provinzialisieren (2-9 n. Chr.) muß die Zahl der Auxiliarverbände besonders hoch gewesen sein. Allein für den Balkan wird die Zahl von 80 Einheiten

2.4. Augustus und die Armee erwähnt. 43 Eine solche Konzentration einheimischer Verbände erwies sich als erhebliches Sicherheitsrisiko. Der Pannonische Aufstand brach aus, als für den geplanten Angriff auf das Reich des Marbod in Böhmen die wehrfähige Mannschaft Dalmatiens rekrutiert wurde, und die Vernichtung der drei Legionen im Teutoburger Wald ging wahrscheinlich von dem Abfall germanischer Hilfskontigente unter Führung des Cheruskers Arminius aus.44 Abgesehen von den Praetorianerkohorten, die in der Nähe Roms stationiert wurden, den paramilitärischen Verbänden der cohortes urbanae (wohl seit 16 v. Chr.) und der cohortes vigilum (seit 6 n. Chr.) wurden zum Schutz Italiens vor Seeräubern zwei Flotten, eine in der Adria, die andere im Tyrrhenischen Meer, unterhalten. 45 Sie waren in Ravenna und in Misenum (nördlich des Golfs von Neapel) stationiert. In der Narbonensis diente Forum Iulii (Fréjus) als Kriegshafen, und eine weitere Flotte war in Alexandria stationiert. Die Besatzungen dieser Flotten wurden aus peregrinen Reichsangehörigen mit nautischer Erfahrung rekrutiert. Die finanziellen Mittel, die für die Streitkräfte aufgewendet werden mußten, können wir nicht beziffern, da wir die schwankende Mannschaftsstärke nicht kennen, und eine überschlägige Rechnung nur für den Mannschaftsbestand der Legionen - der einfache Legionär erhielt 900 Sesterzen pro Jahr - möglich ist. Aber da die Besoldung extrem differenziert war, ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, daß die 140 Mio. Sesterzen, die für den einfachen Mannschaftsbestand der Legionen aufgewendet werden mußten, nur einen Bruchteil der Gesamtkosten für Heer und Flotte darstellten. Die laufenden Kosten des stehenden Heeres wurden aus der Besteuerung der Reichsangehörigen gedeckt, nicht jedoch die Altersversorgung der Legionäre (die Soldaten der Auxiliareinheiten erhielten keine), da die Steuerkraft der Untertanen hierzu offenbar nicht ausreichte. Für diesen Zweck mußten andere Geldquellen erschlossen werden, und vor allem mußte die Dauer der Dienstzeit so kalkuliert werden, daß die physische Leistungsfähigkeit, die Dienstwilligkeit und die Finanzierbarkeit der Altersversorgung einigermaßen zur Deckung gebracht werden konnten. Nach der Demobilisierung der 43 Veil. Pat. 2,113,1. 44 S. Q 57. 45 Zur Flotte s. Ch. G. Starr, The Roman Imperial Navy, 30 B.C.-A.D. 324, Cambridge I960 2 und D. Kienast, Untersuchungen zu den Kriegsflotten der römischen Kaiserzeit, Bonn 1966, 9 ff.

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Darstellung / 2. Der Princeps Bürgerkriegsarmeen mußte auf pragmatischem Weg nach Lösungen gesucht werden. Als es im Jahre 19 v. Chr. in den Legionen in Spanien wegen der Forderung nach Entlassung zu einer Meuterei kam, mußten viele Soldaten in Unehren, also ohne Versorgung, aus dem Heeresdienst ausscheiden.46 Das gehörte zu den Disziplinierungsmaßnahmen, mit denen Augustus die aufrührerisch gesinnte Armee der Bürgerkriegszeit pazifizierte, war aber keine Lösung der Probleme, die durch den Aufbau der Berufsarmee aufgeworfen worden waren. Im Jahre 14 v. Chr. wurden Massenentlassungen vorgenommen und hierfür noch einmal auf die alte Methode der Ausstattung mit einer Bauernstelle zurückgegriffen, freilich unter Vermeidung von entschädigungslosen Enteignungen. Wiederum mußten riesige Summen für den Ankauf von Land in Italien und in den Provinzen aufgewendet werden. Das überforderte die Staatskasse, und so kam Augustus mit eigenen Mitteln für die Kosten auf.47 Im Jahr 13 v. Chr. erfolgte die Festlegung der Dienstzeiten: 12 Jahre für Praetorianer, 16 Jahre für Legionäre (Q 35), und als daraufhin in den folgenden Jahren weitere Entlassungen anstanden, wurden die Veteranen nicht mehr mit Land, sondern mit Geld abgefunden. Dies geschah in den Jahren 7, 6, 4, 3 und 2 v. Chr., und wieder mußte der Kaiser 400 Mio. aus seinem Privatvermögen hierfür aufwenden.48 Beiträge von Klientelkönigen und Gemeinden kamen hinzu, solche von Privatleuten duldete der Kaiser als Patron der Soldaten nicht. Die schwelende Finanzkrise fand erst im Jahre 6 n. Chr., als die Außenpolitik zugleich einen hohen Mannschaftsbestand des aktiven Heeres erzwang, eine prinzipielle Lösung: Mit Hilfe einer kaiserlichen Anschubfinanzierung von 170 Mio. Sesterzen wurde die Militärpensionskasse gegründet und auf eine von Bürgern erhobene Erbschaftssteuer in Höhe von 5 % sie betraf nur große Vermögen - sowie auf eine Verkaufssteuer in Höhe von 1 % fundiert. Zugleich wurde die Dienstzeit auf 16 (für Praetorianer) bzw. 20 Jahre (für Legionäre) heraufgesetzt (Q 36). Der Pannonische Aufstand und die Niederlage in Germanien haben diese Lösung sofort auf eine schwere Probe gestellt: die Personaldecke der Armee war nach der Vernichtung der drei Legionen des Varus zu gering geworden. Wohlhabenden wurde die Stellung von Sklaven auferlegt, die in Freigelassenenverbänden 46 Vgl. Cass. Dio 54,19,35. 47 Aug. R.G. 16 (s. Q 26) 48 Aug. R.G. 16 (s. Q 26)

2.4. Augustus und die Armee organisiert wurden. Vor allem aber mußten die Soldaten auch nach 20jähriger Dienstzeit noch bei den Fahnen gehalten werden. Deshalb kam es nach dem Tod des Augustus im Jahre 14 n. Chr. zu Meutereien an Rhein und Donau. Ursache waren die Härte, mit der die Disziplin aufrecht erhalten wurde, und die unangemessen lange Dienstzeit. Die Rede war von 30 bis 40 Jahren: Selbst die Veteranen würden noch in Spezialeinheiten zurückgehalten.49 Diese krisenhafte Zuspitzung am Ende der Regierungszeit des Augustus zeigt die Schwierigkeit der Probleme, doch dessen ungeachtet war Augustus auf diesem Feld eine epochale Leistung gelungen: die Umwandlung einer Miliz in eine Berufsarmee, die Disziplinierung einer Bürgerkriegsarmee durch die Mittel der Bestrafung und Belohnung und, wenigstens prinzipiell, die Finanzierung von Armee und Altersversorgung der Soldaten ohne Enteignungen und ohne Raubbau an den begrenzten Ressourcen. Und was den Gesichtspunkt des Machterhalts anbelangt: Augustus blieb unter den veränderten Verhältnissen des inneren Friedens Herr der Armee und Patron der Soldaten.

49 Tac. Ann. 1,17,3 f.

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3. Die Leistung

3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens Proskriptionen, Enteignungen und Bürgerkrieg vermehrten die Übel, die seit der späten Republik auf Italien lasteten: das Bandenunwesen und die extreme Unsicherheit des Lebens auf dem Lande. Voraussetzung dieser Verhältnisse waren die Sklaverei und die Armut der kleinen Leute, aber potenziert wurden die Probleme durch die sozialen Verwüstungen, die die Politik anrichtete. Proskriptionen, Enteignungen und Bürgerkrieg entwurzelten Menschen in großer Zahl, und Massen von entlaufenen Sklaven fanden Zuflucht bei Sex. Pompeius, der sie zur Zeit seiner Seeherrschaft im westlichen Mittelmeer in Heer und Flotte einreihte. Durch die Seeblockade Italiens unterband er zeitweise die Versorgung Roms mit Getreide und machte damit die Stadt mit ihren schwer beherrschbaren Massen unregierbar. Diese Unregierbarkeit hatte 58 v.Chr. der Volkstribun P. Clodius gefördert, indem er einerseits die kostenlosen Getreidezuteilungen einführte und andererseits der Plebs in Gestalt der Nachbarschaftsvereine eine flächendeckende Organisationsstruktur gab.1 Beides erlaubte die Mobilisierung und politische Instrumentalisierung der städtischen Plebs, und dies hatte in den 50er Jahren zu schweren Irritationen geführt. Den ersten Versuch, das Übel an der Wurzel zu packen, hatte der Diktator Caesar unternommen. Er verbot die Nachbarschaftsvereine und ging im Zuge seiner Kolonisation daran, die Zahl der Getreideempfänger in Rom zu vermindern. 2 Caesars Ermordung und die anschließenden Bürgerkriegswirren machten diesen Lösungsansatz jedoch zunichte. 1 2

Vgl. W. Nippel, Aufruhr und "Polizei" in der römischen Republik, Stuttgart 1988,110-114. M. Geizer, Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden I960 6 , 266 mit den Quellenangaben in Anm. 58 und 59.

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Darstellung / 3. Die Leistung Mit den verwickelten Problemen der öffentlichen Sicherheit in Rom und Italien zurechtzukommen war erst nach der Uberwindung der Bürgerkriege und der Lösung der Machtfrage möglich, und auch auf diesem Feld hat Augustus zeitlebens experimentiert, bis er die beste Lösung fand. Der Sieg über Sex. Pompeius im Jahre 36 v. Chr. schuf die Voraussetzung für erste Befriedungsmaßnahmen. Die in Flotte und Heer des Pompeius dienenden Sklaven wurden ihren Herren zurückgegeben, die herrenlosen in den Städten hingerichtet, aus denen sie entlaufen waren. Dann unterdrückte eine ganz Italien erfassende Polizeiaktion das Bandenunwesen. Dies war eine einmalige Aktion, mit der C. Calvisius Sabinus beauftragt war. Aber das Übel war damit schwerlich für immer ausgerottet. Über das flache Land wurden Militärposten verteilt, und nach Actium ging Augustus daran, mit den Folgen der Kriminalität aufzuräumen. Die Sklavenkasernen Italiens steckten offenbar voller Menschen, die widerrechtlich versklavt worden waren. Revisionen dieser Sklavenkasernen fanden im Zuge der Wiederherstellung der Rechtsordnung in den 20er Jahren statt. Mit ihrer Organisation war Tiberius, der junge Stiefsohn und spätere Nachfolger des Augustus, beauftragt (Q 37). Am schwierigsten war die Befriedung der plebs urbana. Die undurchsichtigen Aktivitäten der Nachbarschaftsvereine, unerwünschte Konkurrenz um die Volksgunst sowie die Bandenkriminalität, die sich angesichts der in Rom schwer beherrschbaren Brandgefahr des verheerenden Mittels der Brandstiftung bediente, bildeten den Problemzusammenhang, der im Hintergrund der politischen Krise zwischen 23 und 19 v. Chr. stand. Wahlunruhen, Hungerkrawalle und die ungelöste Frage der öffentlichen Sicherheit erlaubten es M. Egnatius Rufus, sich mit einer privaten, aus Freigelassenen und Sklaven gebildeten Feuer- und Sicherheitspolizei zu profilieren und sich innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Jahren gesetzwidrig um Aedilität, Praetur und Konsulat zu bewerben. 3 Dies alles zwang Augustus zum Handeln: Die Nachbarschaftsvereine wurden verboten, die Stadt Rom in 14 Regionen mit insgesamt 265 vici Häuserblocks - gegliedert (Q 38). Die Aufsicht über die Regionen wurde Magistraten zugewiesen. Die vici, deren Einrichtung sich bis zum Jahre 7 v. Chr. hinzog, wurden Kollegien von jeweils vier vici magistri unterstellt, zu deren Aufgaben die Sorge für das lokale 3

Cass. Dio 53,24,4-6; 54,10,1-4 und Veil. Pat. 2,91,3 bis 92,5. Vgl. Ph. Badot, A propos de la conspiration de M. Egnatius Rufus, Latomus 3 2 , 1 9 7 3 , 600 ff.

3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens Feuerlöschwesen gehörte. Ihnen wurde auch der traditionelle Kult der Lares Compítales übertragen, und zu diesen Gottheiten, den Lares Augusti, wurde eine Statue des Genius Augusti gestellt. Auf diese Weise wurde das Loyalitätsverhältnis der unteren Volksschichten zur Person des Augustus in den Formen einer religiös gefärbten Verehrung organisiert. Augustus war vorsichtig genug, sich nicht allein auf die befriedende Wirkung des Loyalitätskultes zu verlassen. Die Stationierung der neuen Praetorianerkohorten in und um Rom und die 16 v. Chr. zusätzlich aufgestellten drei städtischen Kohorten erlaubten den polizeilichen Einsatz von Militär. Anläßlich eines Großbrandes im Jahr 6 n. Chr. ersetzte Augustus die Truppe von 600 Sklaven, die unter dem Kommando der kurulischen Aedilen für den Brandschutz zu sorgen hatten, durch die militärisch organisierten, aus Freigelassenen bestehenden sieben Kohorten der vigiles. Die mindestens 3.500 Mann umfassende Truppe diente nicht nur dem Brandschutz und der Bekämpfung der Kriminalität. Sie war auch für die Niederwerfung von Unruhen bestimmt, die beim Eintreten von Versorgungsschwierigkeiten jederzeit ausbrechen konnten. Unterstellt wurden die Sicherheitskräfte dem Stadtpräfekten bzw. dem Präfekten für die Brandbekämpfung - von Augustus neu geschaffene Amter, denen die Wahrung von Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt anvertraut war. Bautätigkeit, Spiele und öffentliche Getreideversorgung waren die wohltätigen Mittel der Befriedung. Sie waren nur möglich, weil die Einnahmen eines Weltreiches und die Konzentration flüssiger Mittel in der Hand des Princeps die notwendigen Summen bereitstellten und die Konkurrenz rivalisierender Wohltäter ausgeschlossen wurde. Im übrigen betrachtete Augustus die kostenlose Getreidezuteilung nicht als die Erfüllung des Postulats sozialer Gerechtigkeit, sondern als notwendiges politisches Übel zur Vermeidung eines schlimmeren (Q 39). Immerhin versuchte er der Zuwanderung nach Rom durch Begrenzung der Zahl der Getreideempfänger zu begegnen. Im Jahre 2 v. Chr. wurde ihre Zahl auf 200.000 fixiert und die Empfangsberechtigten nach ihrer Zugehörigkeit zu den 35 Bürgertribus und innerhalb der einzelnen Tribus nach Korporationen, corpora, gegliedert.

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Darstellung / 3. Die Leistung

3.2. Bauten und Selbstdarstellung4 Die Beute, die Octavian nach der Eroberung von Alexandria 30 v. Chr. in die Hände fiel, bildete die finanzielle Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung der folgenden Zeit. Ein wesentliches Element dieses Aufschwungs war das von Augustus initiierte Bauprogramm in Rom, Italien und den Provinzen. Betrachtet man Umfang und Zahl der Baumaßnahmen, so kann man annehmen, daß ein Großteil der plebs urbana in Brot und Arbeit gesetzt wurde. Die intensive Ausbeutung der Steinbrüche von Carrara für den Bedarf an qualitätvollem Marmor zeugt zudem von einer bewußten Nutzung italischer Ressourcen. Eine Erneuerung des Stadtbildes von Rom war dringend geboten. Enge, stickige Gassen, stark brandgefährdete Mietshäuser als Folge einer ungehinderten Grundstücksspekulation, halb verfallene Heiligtümer und schlechte sanitäre Verhältnisse bestimmten das Bild. Augustus schuf grundlegend Abhilfe, indem er nicht nur marmorne Prachtbauten errichtete, sondern auch eine wesentliche Verbesserung der Wohnqualität für die Bevölkerung erreichte. Im Folgenden soll versucht werden, eine nach Epochen gegliederte Vorstellung der Baumaßnahmen zu geben, die in der Regierungszeit des Augustus entstanden sind (Q 40). Schon in der Triumviratszeit war Octavian mit großen Plänen hervorgetreten, die der Ehrung seiner Vorfahren sowie der Förderung seiner politischen Karriere dienten. Als er 42 v. Chr. im Begriff stand, seinen Adoptivvater zu rächen, gelobte er einen Tempel für den Gott Caesar und einen weiteren für den Gott der Rache, Mars Ultor. Aber an eine Realisierung war damals noch nicht zu denken. Gleichsam als politischen Akt ließ Octavian aber das Theater des Pompeius restaurieren; gerade weil Caesar hier ermordet worden war, konnte er damit seine versöhnliche Haltung gegenüber dessen Gegnern zeigen. Ausgeführt wurde weiterhin der Neubau der Porticus Octavia an der Nordwestecke des Circus Flaminius, die ursprünglich von Cn. Octavius nach seinem Triumph über König

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Die unten aufgeführten Bauten und Denkmäler finden sich unter den entsprechenden Lemmata des LTTJR. Außerdem: P. Gros, Aurea Templa, Rom 1976; H. v. Hesberg in: Kaiser Augustus, 93 ff.; D. Kienast, Augustus, 408 ff.; D. Favro, The Urban Image of Augustan Rome, Cambridge 1996.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Perseus 166 ν. Chr. errichtet worden war. Dieser Octavius war für Octavian von besonderer Bedeutung, weil er als erster der gens Octavia, wenn auch aus einer anderen Linie stammend, den Konsulat erreicht hatte. Deshalb stellte Octavian auch hier die im Jahre 33 v. Chr. von den Dalmatern zurückgewonnenen signa aus. Direkt neben der Porticus Octavia lag die Porticus Metelli, die ihrerseits die Tempel der Iuno Regina und des Iuppiter Stator umschloß. Auch diese Porticus wurde von Octavian nach 33 v. Chr. aus der Dalmaterbeute ersetzt und unter dem Namen seiner Schwester Octavia als Porticus Octaviae neu geweiht. Bei dieser Gelegenheit müssen auch die beiden Tempel zumindest durchgreifend restauriert worden sein: ihre Festtage, die vorher am 23. Dezember bzw. am 5. September gefeiert worden waren, wurden auf den 23. September, den Geburtstag Octavians, verlegt. Im Zusammenhang mit den ersten Baumaßnahmen für seine Residenz auf dem Palatin gelobte Octavian 36 ν. Chr. dem Apollo Palatinus einen Tempel mit angeschlossenen Portiken und Bibliotheken. Mit der Realisierung muß schon bald nach dem Gelöbnis begonnen worden sein. Wohl in Konkurrenz dazu gelobte C. Sosius als Anhänger des Antonius 34 v. Chr. den Neubau des Apollotempels beim Circus Flaminius. Ein politisches Konkurrenzmonument war auch das Mausoleum, das Octavian 32 ν. Chr. auf dem Marsfeld zu errichten begann. Dies war die Reaktion auf den bekanntgewordenen Plan des Antonius, in Alexandria neben Kleopatra bestattet zu werden (s. Q 17). In die Zeit der Bürgerkriege fällt auch der Wiederaufbau des Tempels des Iuppiter Feretrius auf dem Capitol, in dem die spolia opima aufbewahrt wurden. Diese durften nur von Feldherren geweiht werden, die einen feindlichen Anführer mit eigener Hand getötet hatten. Die Bedeutung des Tempels für Octavian ergab sich daraus, daß der Tradition zufolge Romulus ihn gegründet und Caesar die Ehre erhalten hatte, dort spolia opima zu weihen. In die Zeit unmittelbar nach dem Sieg bei Actium und der Einnahme von Alexandria fallen die größten Baumaßnahmen. Sie galten zunächst der Erneuerung bestehender Bauten oder der Fertigstellung älterer Projekte. Besonders wichtig war die Wiederherstellung des Circus Maximus, der 31 v. Chr. durch einen Brand in Mitleidenschaft gezögen worden war. Caesar hatte ihm seine endgültige Gestalt gegeben, und 33 v. Chr. hatte Agrippa Ergänzungen vorgenommen. Wahrscheinlich fügte Octavian am Abhang des Palatin das Pulvinar hinzu, auf dem die Statuen der Götter den Spielen beiwohnten. Bei dem Brand des Jahres 31 v. Chr. war auch

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Darstellung / 3. Die Leistung der Tempel der Ceres zerstört worden, auch er mußte damals wieder aufgebaut werden. Anläßlich des dreifachen Triumphes, den Octavian 29 v. Chr. feierte, wurden das von Caesar begonnene Forum Iulium und der Tempel der Venus Genetrix, den Caesar 46 v. Chr. bei seinem Triumph über Gallien, Ägypten und Africa gelobt hatte, eingeweiht. Auf diesem Forum sollten Gerichtsbarkeit und politisches Leben ein neues Zentrum finden. Zugleich dedizierte Octavian den Tempel des Divus Iulius auf dem Forum Romanum, und wahrscheinlich errichtete der Senat dem Sieger von Actium in unmittelbarer Nähe einen Ehrenbogen (Q 41). Im folgenden Jahr wurde der Tempel des Apollo Palatinus fertiggestellt und konnte am 9. Oktober 28 v. Chr. unter großen Festlichkeiten eingeweiht werden (Q 42). Im Zusammenhang mit dem palatinischen Bauprogramm dürfte auch die Errichtung eines Ehrenbogens für C. Octavius, den Vater Octavians, stehen. Auch das Mausoleum scheint damals zu einem vorläufigen Abschluß gebracht worden zu sein. Darüber hinaus waren Restaurierungsmaßnahmen notwendig. Augustus selbst gibt an, daß er 28 v. Chr. insgesamt 82 Heiligtümer wiederherstellen ließ. Zwar wissen wir nicht, welche Tempel von diesem religiösen Erneuerungsprogramm erfaßt wurden, doch dürfte es sich zumeist um kleinere Bauten gehandelt haben. Daneben sorgte Augustus für den Straßenbau. Für die Finanzierung sollten siegreiche Feldherren Beiträge aus ihrem Beutegewinn leisten. Er selbst stellte 27 v. Chr. die meisten Brücken sowie die Via Flaminia wieder her und errichtete in Ariminum (Rimini), wo die Straße endete, einen monumentalen Bogen. Seinem Vorbild folgten C. Calvisius Sabinus mit der Via Latina und M. Valerius Messalla Corvinus mit der Via Tuscolana. Die Restaurierung der übrigen Fernstraßen mußte Augustus selbst vornehmen, und 20 v. Chr. wurde ihm zu diesem Zweck die cura viarum übertragen. Schon Caesar hatte östlich des Circus Flaminius mit dem Bau eines Theaters begonnen. 23 v. Chr. war der Tod des Marcellus wohl der Anlaß für Augustus, dieses Projekt wieder aufzunehmen: Er erweiterte das Areal und ließ das Theater im Namen des Marcellus auf seinem Grund und Boden errichten. Die Einweihung erfolgte allerdings erst zehn Jahre später. Als monumentaler Neubau ist aus dieser Zeit nur der Tempel des Iuppiter Tonans auf dem Capitol überliefert. Augustus hatte ihn während seines Feldzugs gegen die Kantabrer 26 v. Chr. gelobt, als unmittelbar neben ihm ein Blitz eingeschlug. Dieser prächtig ausgestaltete und mit griechischen

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Kunstwerken reich geschmückte Tempel wurde am 1. September 22 v. Chr. eingeweiht. Die Rückgewinnung der von Crassus und Antonius an die Parther verlorenen römischen Feldzeichen im Jahre 20 v. Chr. markierte nach dem Sieg über Antonius und Kleopatra den zweiten Höhepunkt des augusteischen Principats. Hatte dieser das faktische Ende der Bürgerkriege bedeutet, so zog jene Rückgewinnung einen Schlußstrich unter die schmachvolle Vergangenheit römischer Mißerfolge im Osten. Das Ereignis wurden in allen Medien als ein herausragender Sieg gefeiert (Q 43). Schon auf der Rückreise aus dem Osten bot Athen als geistiges und kulturelles Zentrum der griechischen Welt die Bühne für eine glanzvolle Demonstration der Rückgewinnung der Feldzeichen. Damals wurde die Stadt mit einer Reihe von Bauten und Denkmälern geschmückt, die ihre Parallele in Rom selbst fanden. Noch von Syrien aus hatte Augustus den Senat angeregt, einen kleinen Tempel für Mars Ultor zu errichten. Dieser sollte bis zur Fertigstellung des großen Mars Ultor-Tempels auf dem Augustusforum die heimgeholten Feldzeichen vorläufig beherbergen. Diesem aus Münzprägungen bekannten Rundtempel auf dem Capitol entspricht ein im gleichen Jahr errichteter Rundbau auf der Akropolis in Athen, der als Denkmal für die Feldzeichen zu deuten ist. Gleichzeitig wurden in Athen beim Olympieion und in Rom auf dem Palatin Siegesdenkmäler mit Dreifüßen errichtet, die von knieenden Parthern getragen wurden. Dreifüße galten als klassische Siegeszeichen und evozierten den Vergleich mit der entsprechenden Weihung der Griechen nach dem Sieg bei Plataiai über die Perser. Dem damals in Angriff genommenen Bau des Mars Ultor-Tempels auf dem Forum Augustum entsprach in Athen ein Tempel für Ares mitten auf der Agora. Aus Anlaß seiner glücklichen Rückkehr nach Rom gelobte der Senat am 12. Oktober 19 n. Chr. einen Altar der Fortuna Redux an der Porta Capena und beschloß die Errichtung eines Ehrenbogens, der unmittelbar neben dem Tempel des Divus Iulius auf dem Forum Romanum gebaut wurde. Nach seiner Rückkehr begann Augustus auf privatem Grund und Boden auch mit dem Bau des schon 42 v. Chr. gelobten Mars Ultor-Tempels, der das neue Forum Augustum beherrschen sollte. Die Realisierung des Projekts wurde an dem propagandistisch überhöhten Parthererfolg in besonderer Weise ausgerichtet. Die zurückgegebenen Feldzeichen wurden vor dem Kultbild des Mars aufgestellt, der Tag der Einweihung am 12. Mai 2 v. Chr. erinnerte wahrscheinlich an den Tag ihrer Rückgewinnung. An Caesar gemahnte in der

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Darstellung/3. Die Leistung Aula am Ende der linken Seitenhalle des Forums seine kolossale, l i m hohe Panzerstatue, deren Kopf ein Stern als Zeichen seiner Vergöttlichung schmückte. Die gesamte Anlage war von solcher Pracht, daß Plin. Ν. H. 36,102 sie zu den 'Wunderwerken der Stadt' zählte (Q 44). Der Ahnengalerie der um Aeneas versammelten Iulier und Angehörigen des Kaiserhauses sowie der altrömischen Könige in der linken Exedra entsprachen auf der anderen Seite die um Romulus gruppierten 'Großen Männer der Republik'. Es war Platz gelassen, damit diese Statuengruppen bei Bedarf ergänzt werden konnten. Die Portiken und Exedren wurden so zu Ruhmeshallen der Helden und Triumphatoren Roms, die in der Quadriga des Augustus auf der Mitte des Platzes ihren ideellen Bezugspunkt hatten. Der kostbaren und symbolträchtigen Ausstattung entsprachen die ihr zugedachten politischen und religiösen Funktionen. Hier wurden Gesandtschaften auswärtiger Herrscher und Völker empfangen, hier sollte der Senat über Krieg und Triumphe beraten, von hier sollten die Statthalter der Senatsprovinzen verabschiedet werden und hierher sollten die Sieger zurückkehren und die Triumphalinsignien empfangen. Am Aufgang zum Tempel wurden jährlich die Spiele der römischen Ritter veranstaltet, bei deren Einrichtung Gaius und Lucius Caesar, die Adoptivsöhne des Augustus, als 'Führer der Jugend' die entscheidende Rolle spielten. Das Forum Augustum sollte zu einem Zentrum der Rechtssprechung werden, hier fand die Auslosung der Richter für die von Augustus reformierten Kriminalprozesse statt. In die Jahre nach den Saecularspielen (17 v. Chr.) gehören eine Reihe weiterer Neubauten sowie Wiederherstellungen beschädigter Tempel. Augustus begann 15 v. Chr. mit der Errichtung einer großen Porticusanlage und eines Macellum, die von Livia und Tiberius anläßlich seines Germanentriumphes 7 v. Chr. eingeweiht wurden. Für die 20-Jahr-Feier der Eroberung von Alexandria wurden mehrere Obelisken aus Ägypten an verschiedenen Stellen in Rom aufgestellt: Zwei standen vor dem Mausoleum des Augustus, einer im Circus Maximus, und ein weiterer bildete den Zeiger des gigantischen Horologiums auf dem Marsfeld. Zur Feier der Rückkehr des Augustus aus Gallien stiftete der Senat am 4. Juli 13 v. Chr. den Altar der Pax Augusta, der zum Geburtstag der Livia, am 30. Januar 9 v. Chr., eingeweiht wurde (Q 45). Zu Ehren des Nero Claudius Drusus, der 9 v. Chr. in Germanien verstorben war, ließ der Senat an der Via Appia einen Bogen errichten. 16 v. Chr. wurde der Neubau des Quirinustempels auf dem Quirinal eingeweiht. Er galt dem Gott Romulus. Die von diesem

3.2. Bauten und Selbstdarstellung vollzogene Gründungszeremonie, das augustum augurium, war im Giebel des Tempels dargestellt. Die Szene verwies damit auch auf Augustus als den Neugründer der Stadt. Im selben Jahr zerstörte ein Brand den Tempel der Iuventas, der ebenso wie die Tempel der Minerva, der Iuno Regina und des Iuppiters Liber(tas) von Augustus wieder aufgebaut wurde. Gleiches geschah 9 v. Chr. mit dem Tempel des Iuppiter Capitolinus, der wertvolle Pretiosen aus der ägyptischen Beute sowie den Schmuck der Kleopatra beherbergte. Mit der Übernahme des Oberpontifiktats (12 v. Chr.) war die Notwendigkeit entstanden, ein Heiligtum der Vesta in unmittelbarer Nähe des Wohnsitzes des Augustus auf dem Palatin einzurichten. Dies lag umso näher, als das Paladium und die anderen im Vestatempel auf dem Forum aufbewahrten heiligen Gegenstände wegen eines Brandes 14 v. Chr. auf den Palatin gebracht worden waren. Eine enge Bindung der unteren Bevölkerungsschichten an die Person des Augustus erfolgte im Zusammenhang mit dem Kult der Laren und des Genius Augusti. 4 ν. Chr. wurde der Larentempel in summa via sacra sowie der Penatentempel auf der Velia wiederhergestellt (Q 46). Daneben erfolgten umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit der Stadt: Feuerwehrkasernen wurden angelegt, die Aquaedukte erneuert und die Ufer des Tiber befestigt. Am 5. Februar 2 v. Chr. erfolgte die Ehrung des Augustus als pater patriae, die ihn von neuem in die Nachfolge des Stadtgründers Romulus stellte. Dieser Titel war auf dem Sockel der Quadriga auf dem Augustusforum verzeichnet, als am 12. Mai 2 v. Chr. der Tempel des Mars Ultor von Augustus und seinen Adoptivsöhnen Gaius und Lucius eingeweiht wurde. Die Einbeziehung der präsumtiven Thronfolger erfolgte aus dynastischen Gründen, erklärt sich im Fall des Gaius noch zusätzlich durch dessen Beauftragung mit der geplanten Orientmission (s. 3.4). In beider Namen ließ Augustus eigens für die Einweihungsfeier einen Hain auf der gegenüberliegenden Tiberseite anlegen. Hier wurde auf einem künstlichen See, der von der neugebauten Aqua Alsietina gespeist wurde, die Seeschlacht der Griechen gegen die Perser bei Salamis aufgeführt. Ferner wurde im Namen der beiden eine Porticus vor die Basilica Aemilia auf dem Forum Romanum gesetzt und die durch einen Brand zerstörte Basilica Iulia in beider Namen wieder aufgebaut. Ihr früher Tod machte die auf sie bezogenen Nachfolgepläne zunichte. Tiberius wurde adoptiert, und er errichtete die Tempel des Castor und der Concordia neu (Einweihung 6 bzw. 10 n. Chr.). 3 n. Chr. zerstörte ein weiterer Brand auf dem Palatin zumindest den

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Darstellung / 3. Die Leistung Tempel der Magna Mater. Zusammen mit ihm wurden in einer Neugestaltung des Areals wahrscheinlich der Tempel der Victoria sowie das Lupercal neu errichtet. Schließlich wurden im Zusammenhang mit der Behebung einer Versorgungskrise am 10. August 7 n. Chr. Altäre für Ceres Mater und Ops Augusta geweiht, für Gottheiten also, die den Getreidebau und die dem Kaiser verdankte Lebensmittelversorgung symbolisieren. Ein wichtiger Bestandteil des augusteischen Bauprogramms waren auch die Gebäudestiftungen von Angehörigen der Nobilität, die auf ihren Feldzügen große Beute gewonnen hatten. Die meisten Triumphatoren hatten ihre Siege bereits in den 40er oder 30er Jahren errungen. Soweit sie zu den Freunden und Vertrauten Octavians zählten, zeigten sie durchaus Bereitschaft, sich ihrerseits an dem Bauprogramm des Octavian bzw. des Augustus zu beteiligen. So baute Cn. Domitius Calvinus 36 v. Chr. die Regia auf dem Forum Romanum wieder auf. Auch das von C. Asinius Pollio nach seinem Triumph über die Parthiner (39 v. Chr.) neu erbaute Atrium Libertatis muß noch in die 30er Jahr gehören, da die angeschlossene griechische und lateinische Bibliothek als die erste öffentliche Roms erwähnt wird. Vermutlich handelte es sich hierbei um ein Projekt Caesars, das Pollio realisierte. Dem Triumph des T. Statilius Taurus über Africa 34 ν. Chr. folgte die Errichtung eines steinernen Amphitheaters, das 30/29 v. Chr. fertiggestellt war. L. Marcius Philippus hatte 33 v. Chr. über Spanien triumphiert und durfte als Stiefbruder Octavians die Aedes Herculis Musarum wiederherstellen und dieses Heiligtum mit der Porticus Philippi umgeben. L. Cornificius übernahm nach seinem Triumph 32 v. Chr. den Neubau des Tempels der Diana auf dem Aventin. Und Cornelius Baibus, der 19 v. Chr. über die Garamanten triumphierte, stiftete das 13 v. Chr. eingeweihte Theatrum Balbi. Problematischer war die Situation der Anhänger des Antonius. L. Munatius Plancus hatte bereits 43 v. Chr. über Raetien triumphiert und einen Tempel für Saturn gelobt. Vollendet wurde er erst, nachdem Plancus kurz vor der Schlacht von Actium auf die Seite Octavians übergetreten war. C. Sosius hatte 34 v. Chr. über die Juden triumphiert und als entschiedener Gegner Octavians den Neubau des Apollotempels beim Circus Flaminius in Angriff genommen. Die Versöhnung mit Octavian nach der Schlacht von Actium erlaubte ihm, den Tempel zu Ende zu bauen, dessen Ausstattung freilich entsprechend der neuen Situation ganz auf Augustus

3.2. Bauten und Selbstdarstellung und seine Erfolge zugeschnitten war. Die Fertigstellung fällt in die Zeit um 20 v. Chr. Eine Sonderrolle nahm M. Vispanius Agrippa ein, der enge Freund und Feldherr des Augustus. Mit der Übernahme der Aedilität im Jahre 33 v. Chr. ergab sich die Möglichkeit, im großen Stil Straßen zu reparieren sowie das Abwassersystem der Stadt grundlegend zu sanieren. Uberall wurden Zisternen, Wasserkastelle und Springbrunnen angelegt. Zwischen 29 und 19 v. Chr. überzog er das zentrale Marsfeld nach einem großzügigen und einheitlichen Plan mit zahlreichen Bauten. Bei seinem Tod 12 v. Chr. waren sie noch nicht alle vollendet. Die Saepta Iulia, ein großer, von Portiken umgebener Platz für Volksabstimmungen, ging auf einen Plan Caesars zurück und wurde von Agrippa 26 ν. Chr. fertiggestellt. Die Anlage wurde vor allem als Markt sowie für Gladiatorenkämpfe und andere Volksbelustigungen genutzt. Daran schlossen sich im Westen die 25 v. Chr. errichtete erste große Thermenanlage Roms sowie ein riesiges Freiluftbecken (stagnum) mit umgebenden Gartenanlagen an, die mit griechischen Kunstwerken geschmückt waren. Die Thermen selbst wurden von der 19 v. Chr. in Betrieb genommenen Aqua Virgo gespeist, das Schwimmbecken von dem Euripus, einem eigens vom Tiber herangeführten Kanal. Im Zentrum der Anlagen befand sich die 25 v. Chr. vollendete Basilica Neptuni mit der Porticus Argonautarum, die an die maritimen Erfolge Agrippas erinnerte. Daran Schloß sich das Tigarium an, das als Pferderennbahn diente. Dieser riesige Freizeitpark wurde nach Norden hin durch das Pantheon abgeschlossen, das für den Kult des Herrscherhauses und deren Schutzgötter bestimmt war und zu den ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglichen Parkanlagen vor dem Mausoleum des Augustus überleitete. Jenseits der Via Flaminia lag noch die um 7 v. Chr. in unfertigem Zustand eingeweihte Porticus Vipsania, in der die berühmte Weltkarte des Agrippa ausgestellt war. Der eigens errichtete Pons Agrippae führte schließlich auf die andere Tiberseite zu der Villa des Wohltäters der Stadt, der mit dem Bau großer Speicher am Westabhang des Palatin auch für die Getreideversorgung der Bevölkerung mitgesorgt hatte.

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Darstellung / 3. Die Leistung

3.3. Innere Reformen

3.3. Innere Reformen5 Augustus' Prestige beruhte auf seinen Leistungen, und soweit diese mittels innerer Reformmaßnahmen realisiert wurden, gingen sie keineswegs in der pragmatischen Lösung handfester Sachprobleme auf. Vielmehr entsprangen die inneren Reformen zu einem beträchtlichen Teil einer Geschichtsdeutung, die sich auf der Grundlage eines spezifisch politischen Moralismus in der späten Republik gebildet hatte. Die Geschichtsdeutung, an die Augustus anknüpfte, ging davon aus, daß auf den durch vorbildliche Tüchtigkeit der Vorfahren bewirkten Aufstieg Roms zur Weltmacht eine Epoche des moralischpolitischen Niedergangs gefolgt war. Diese hatte nach verbreiteter Überzeugung mit der Vernichtung des letzten, angeblich ebenbürtigen Gegners - wichtigstes Epochendatum war die Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. - begonnen und in die ausweglos erscheinende Katastrophe der selbstzerstörerischen Bürgerkriege geführt. In der Triumviratszeit verdichtete sich das Krisenbewußtsein zu tiefster Depression. Ein Fluch mußte, so der Dichter Horaz, auf Rom lasten, und das Nachdenken über die Ursachen der Katastrophe kreiste immer wieder um zwei Gesichtspunkte: Die Vernachlässigung der traditionellen Frömmigkeit hatte den Götterfrieden, Voraussetzung für Erfolg und Gedeihen, gestört, und Rom war von den alten Tugenden abgefallen, die es groß gemacht hatten. Ehrgeiz und Habgier, ambitus und avaritia, hatten die innere Eintracht zerstört, Konflikte geschürt und den Boden für den Bürgerkrieg bereitet. Schon wurde unter dem Eindruck der Parthereinfälle in der Triumvi-

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Obwohl Augustus in seinem Tatenbericht der religiösen Restauration und seiner Reformgesetzgebung einen besonderen Rang einräumt (s. Q 47 und 49), haben die beiden Themenbereiche, die im Zeitbewußtsein und in der Intention des Reformers selbst aufs engste zusammengehören, keine entsprechende Würdigung erfahren, sondern die einzelnen Aspekte sind auch in den jüngsten modernen Darstellungen unter verschiedenen Sachrubriken abgehandelt: D. Kienast, Augustus, 109 ff. ('Die Konstituierung eines neuen Saeculum'); 2 2 0 ff. ('Religionspolitik') und J. Bleicken, Augustus, 3 2 2 f. ('Die Aufrichtung der Monarchie als Prinzipat'); 3 8 7 ff. ('Der Prinzipat als Idee und Wirklichkeit'); 483 ff. ('Die neue Führungsschicht'). - Zur Gesetzgebung des Augustus s. das Verzeichnis von G. Rotondi, Leges publicae, 4 4 2 ff. Weitere Literatur ist unten zu Q 4 9 aufgeführt.

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Darstellung / 3. Die Leistung ratszeit der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß Rom dem Ansturm der Barbaren erliegen werde6 Dieser Sichtweise entsprach ein Reformdenken, das die Wiederherstellung des idealisierten mos tnaiorutn, d. h. der Sitte der Vorfahren, zum Gegenstand einer normativen Gesetzgebung machte. Aus der Wurzel eines so beschaffenen Reformdenkens stammten die überaus zahlreichen Gesetze der späten Republik, die die differenzierende Wirkung der ungleichen Verteilung von Geld und Macht konterkarieren, den privaten Aufwand, Wahlbestechung sowie Erpressung von Geldern und Leistungen in den Provinzen eindämmen oder verhindern sollten. In die gleiche Richtung ging das Wirken der Zensoren, die durch Rügen und Mahnungen der Bürgerschaft das Vorbild der idealisierten Vergangenheit vorhielten. Wahlbestechung, Gewaltanwendung und Landfriedensbruch sowie Erpressungen römischer Amtsträger in den Provinzen wurden mit Strafen belegt. So sollte die Einhaltung von Normen erzwungen werden, deren Geltung vor Beginn des moralischen Verfalls - so glaubte man durch die verpflichtende Kraft des mos maiorum garantiert war.7 An dieser subjektiven Bewußtseinslage sind auch die inneren Reformen ausgerichtet, die Augustus nach seiner Rückkehr aus dem Osten im Jahre 19 v. Chr. einleitete (Q 47). Schon zehn Jahre vorher hatte er nach seiner Rückkehr aus dem Krieg gegen Antonius und Kleopatra mit einer Politik begonnen, mit der er sich in ein positives Verhältnis zum öffentlichen Bewußtsein zu setzen versuchte. Sie bestand in einer groß angelegten kultischen Restauration (Q 48) und betraf die Wiederherstellung von 82 zerfallenen oder durch Brand beschädigten Tempeln sowie ihre Ausstattung mit reichen Weihgeschenken. Der Erneuerung der Wohnungen der Götter entsprach die der Priestertümer. Zu den vier großen Priesterschaften der pontífices, der augures, der septemviri epulones und der quindecimviri sacris faciundis fügte Augustus die reorganisierten Kollegien der Fetialen, der Arvalbrüder und der sodales Titti hinzu. Er selbst war Mitglied in allen Kollegien und besaß das Recht, Priester über die festgelegte Zahl hinaus zu benennen. Darüber hinaus hat er das Amt des flamen Dialis, des Iuppiterpriesters, der durch die mit dem Amt verbundenen Tabus von einer politischen Laufbahn ausgeschlossen war, wieder neu besetzen lassen. Ebenso wurde für eine ordnungsgemäße 6 7

Horaz, epod. 7; 16,114. Zu dieser Gesetzgebung vgl. J. Bleicken, Lex publica. Gesetz und Recht in der römischen Republik, Berlin/New York 1975, 3 7 1 ff. und 3 8 7 ff.

3.3. Innere Reformen Besetzung der übrigen Sakralämter, auch der Vestalinnen, der Hüterinnen des heiligen Feuers, gesorgt. Diese religiöse Restauration setzte die antiquarischen Forschungen Varros über die Religion der Vorfahren ebenso voraus wie das Konzept Ciceros in De legibus, in dem die Ordnung der römischen res publica in einem ersten Schritt auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Staatsreligion und erst in einem zweiten auf die gesetzliche Fixierung der politischen Institutionen fundiert wurde. 8 Der religiösen Restauration lag die Überzeugung zugrunde, daß die Vernachlässigung der traditionellen Kulte den Götterfrieden gestört und so die Voraussetzung von Erfolg und Gedeihen aufgehoben hatte. Die Politik der Umkehr mußte bei den Göttern ansetzen, wenn eine moralische Erneuerung nach dem Vorbild der großen Vergangenheit gelingen sollte. In der sechsten Römerode, verfaßt im Jahre 28 v. Chr., also unmittelbar vor Beginn der religiösen Restauration und zehn Jahre vor den inneren Reformen des Augustus, hat Horaz diesen Motivzusammenhang breit entfaltet (Q 49). Was die Methode der inneren Reformen anbelangt, so standen sie in der Tradition jener normativen Gesetzgebung, die seit dem zweiten Jahrhundert den mos maiorum verrechtlichen und so auf neue Weise verbindlich machen sollte. Auf eine knappe Formel hat dies Cicero gebracht, als er 46 v. Chr. dem Diktator Caesar eine Wiederherstellung der im Bürgerkrieg untergegangenen res publica nahelegte: Cicero nennt die Neukonstituierung der Gerichte, die Wiederherstellung des Kredits, die Unterdrückung der moralischen Zügellosigkeit, wie sie sich in den zerstörerischen Leidenschaften des Ehrgeizes und der Habsucht niederschlug, sowie die Hebung der

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Cie. De legg, 2,19-22 (Text des Religionsgesetzes) und 24-68 (Kommentar). - Varros Forschungen zur römischen Religion, veröffentlicht 47 v. Chr. in den Büchern 26-41 seines monumentalen Werkes Antiquitates rerum humanarum et divinarum und Caesar als pontifex maximus gewidmet, galten den Grundlagen des Staatskultes, den Priestern, den Kultstätten, dem Festkalender, den Riten und den Gottheiten: vgl. H. Dahlmann, s. v. M. Terentius Varrò, RE Suppl. VI, 1234 ff. Über Verrius Flaccus' sakralrechtliche Kommentierung des römischen Kalenders und die Mitarbeit des Juristen Ateius Capito, des bedeutendsten Kenners des Sakralrechts, bei der Vorbereitung der Säkularfeier des Jahres 17 v. Chr. (s. Zosimos 2,4,1) sind die Zusammenhänge zwischen Varros Forschungen und der religiösen Restauration unter Augustus nachweisbar.

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Darstellung / 3. Die Leistung Geburtenrate. 9 Von dem im Jahre 46 v. Chr. aktuellen Schuldenproblem abgesehen sind hier die Hauptthemen der inneren Reformen angesprochen, die durchzusetzen auch Augustus seit dem Jahre 19 v. Chr. sich bemühte. Ein pragmatischer Anknüpfungspunkt für seine Reformen waren zweifellos die Wahlunruhen, die Rom während seiner Abwesenheit in den Jahren 22-19 v. Chr. erschüttert hatten. Augustus brachte ein Gesetz gegen Mißbräuche bei der Wahlbewerbung ein, die lex Iulia de ambitu, und er fügte zwei weitere Gesetze hinzu, die den Aufwand bei Banketten und den privaten Bauluxus begrenzten. 10 Durch die leges Iuliae iudiciorum publicorum et privatorum ordnete er die ordentliche Gerichtsbarkeit in Rom. Dazu gehörte nicht nur eine genauere Erfassung der einzelnen Straftatbestände und die Fixierung des Verfahrensrechts, sondern auch die Umschreibung des Personenkreises, der die Geschworenenliste bildete. Letztere Frage war seit der Zeit des C. Gracchus zwischen Senatoren und Ritterstand umstritten. Augustus löste das Problem, indem er aus Senatoren und Rittern drei Richterdekurien mit insgesamt 3.000 Mitgliedern bildete und eine vierte hinzufügte, die aus Angehörigen einer minderqualifizierten Vermögensklasse bestand und der Privatrechtsfälle mit geringem Streitwert zugewiesen wurden. Faktisch implizierte diese Regelung, daß für den wichtigen Bereich der öffentlichen Straftatbestände im allgemeinen Geschworene aus dem Ritterstand die einzelnen Gerichte bildeten, ohne daß Senatoren durch formellen Ausschluß diskriminiert worden wären. Senatoren bildeten in den drei Dekurien eine Minderheit, und sie waren wegen ihrer Funktionen in res publica und imperium entweder vom Richterdienst offiziell befreit oder wegen Abwesenheit verhindert. 11 Während auf diese Weise für die innere Befriedung gesorgt wurde - von Wahlunruhen und Bedrohung der öffentlichen Sicherheit ist seitdem in den Quellen keine Rede mehr - , erwies sich der Versuch, eine restriktive Sexualmoral, den Schutz der Ehe und die Hebung der Geburtenrate mit dem Mittel der staatlichen Gesetzgebung durchzusetzen, als ausgesprochen schwierig. Und doch war gerade dieses 9 S. Cie. Pro Marc. 23 (Q 47). 10 Vgl. G. Rotondi, Leges publicae, 443 und 447 mit den Quellenzeugnissen. Zur Kriminalgesetzgebung des Augustus s. W. Kunkel, s. v. Quaestio, RE XXIV, 769 ff. = ders., Kleine Schriften, Weimar 1974, 90 ff. 11 Vgl. K. Bringmann, Zur Gerichtsreform des Kaisers Augustus, Chiron 3, 1973, 235-244 (jetzt in: ders., Ausgewählte Schriften [s.o. S. 66],281 ff).

3.3. Innere Reformen Thema besonders stark mit der ideologischen Ausrichtung am Ideal der Vergangenheit verknüpft. Schon 28 v. Chr. hatte Horaz das Thema des Verfalls der Ehemoral aufgegriffen und das betreffende Gedicht später als den Abschluß des Zyklus der Römeroden, an markanter Stelle also, veröffentlicht. Aber erst 18 v. Chr. brachte Augustus unter Schwierigkeiten zwei in die private Lebenssphäre tief eingreifende Gesetze ein: Das eine machte Ehebruch und Unzucht sowie Kuppelei zu Straftatbeständen, für deren Aburteilung ein eigener Strafgerichtshof, die quaestio de adulteriis, konstituiert wurde; das andere, die lex Iulia de maritandis ordinibus, verpflichtete Männer zwischen dem 25. und 60. und Frauen vom 20. bis zum 50. Lebensjahr zur Ehe bzw. zur Kinderzeugung. Mit Sanktionen und Privilegien sollten die betreffenden Bestimmungen durchgesetzt werden. Zuwiderhandelnde durften keine Erbschaften und Legate außer von den engsten Angehörigen annehmen und wurden vom Besuch der Theater ausgeschlossen. Kinderlose Ehen sollten geschieden werden. Generell wurde gefordert, drei Kinder zu zeugen. Senatoren, die dieser Forderung nicht nachkamen, mußten Nachteile in ihrer Ämterlaufbahn hinnehmen, umgekehrt wurden Kinderreiche entsprechend privilegiert. Wer die Quote von drei Kindern nicht erreichte, hatte ebenfalls Einschränkungen der Erbfähigkeit hinzunehmen. Mit diesem Bündel von Sanktionen und Privilegien ließ sich der Zweck des Gesetzes aber nicht durchsetzen, allenfalls taugte es zur Disziplinierung, um nicht zu sagen: Drangsalierung des überschaubaren Kreises der Senatoren und vielleicht eines Teils des Ritterstandes. Bei diesen stieß das Gesetz, dessen Bestimmungen sein Urheber selbst in keiner Weise genügte, auf heftigen Unwillen und Proteste. Zweimal mußte das Inkrafttreten des Ehegesetzes aufgeschoben werden, und Jahrzehnte nach seiner Verabschiedung, im Jahre 9 n. Chr., wurden die Konsuln M. Papius Mutilus und Q. Poppaeus Secundus, ironischerweise beide unverheiratet, dazu ausersehen, eine Neufassung des Ehegesetzes vorzulegen, die Korrekturen und Milderungen enthielt. So wurde das Verbot, Spiele und Theater zu besuchen, aufgehoben, und kinderlosen Ehepaaren wurde gestattet, immerhin die Hälfte der ihnen von Fernstehenden zugedachten Legate und Erbschaften anzunehmen (Q 50). Aber im wesentlichen blieb Augustus bei seinem Kurs; ja, er hat offenbar in seiner Ehegesetzgebung das Kernstück seiner Bemühungen erblickt, den inneren Zustand der Bürgerschaft am Bild des idealisierten mos maiorum auszurichten. Er scheute sich nicht, im Senat die erhaltene Rede des Zensors Q. Caecilius Metellus Macedo-

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Darstellung / 3. Die Leistung nicus aus dem Jahre 131 v. Chr. vorzulesen, mit der dieser zur Kinderzeugung aufgerufen hatte, und er rechnete es sich als besonderes Verdienst an, durch seine Gesetze viel Vorbildliches aus der Zeit der Vorfahren wiederbelebt und selbst Vorbildliches der Nachwelt zur Nachahmung hinterlassen zu haben. In der grandiosen Inszenierung der Saecularspiele des Jahres 17 v. Chr. demonstrierte Augustus der Öffentlichkeit den ideologischen Sinngehalt seiner Politik der inneren Erneuerung: Ein Schlußstrich wurde gezogen, die Epoche des moralischen Niedergangs war zu Ende, und eine neue nahm ihren Anfang unter Opferhandlungen und Anrufung der Götter und Göttinnen. Kein Geringerer als Horaz hat das von 27 Knaben und 27 Mädchen vorgetragene Kultlied gedichtet, in dem die Rückkehr der alten Tugenden als Unterpfand einer neuen, einer glücklicheren Zeit erscheint (Q 51).

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches 12 Anläßlich der Säkularfeier des Jahres 17 v. Chr. betete Augustus um die Mehrung der Herrschaft und der Überlegenheit des römischen Volkes in Krieg und Frieden, und ausdrücklich Schloß er in die Bitte um göttliche Begünstigung die Legionen mit ein. In dem aus diesem Anlaß gedichteten Kultlied nimmt Horaz die Erfüllung vorweg: Was Augustus erbitte, so heißt es, sei Wirklichkeit geworden, indem Widerstand gewaltsam gebrochen, jedoch milde gegenüber dem überwundenen Feind verfahren worden sei. Die klassische Formulierung, die Horaz damit aufgriff, hatte Vergil in der Aeneis geprägt: Du bist ein Römer, dies sei dein Beruf; Die Welt regiere, denn du bist ihr Herr, Dem Frieden gib Gesittung und Gesetze, Begnad'ge, die sich dir gehorsam fügen, und brich in Kriegen der Rebellen Trutz. 13

12 Zusammenfassende Darstellungen mit Literaturhinweisen geben D. Kienast, Augustus, 332 ff. ('Die Außenpolitik des Augustus') und J. Bleicken, Augustus, 565 ff. mit 754 ff. ('Die militärische Expansion seit 16 v. Chr.'). Für weitere Literaturhinweise s. den Quellenteil (Q 52-58). 13 Verg. Aen. 6,851-853 in der Ubersetzung von E. Norden, P. Vergilius Maro, Aeneis VI, Leipzig 1927 3 , 101.

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches Weltherrschaft und innerer Frieden sind zwei Seiten einer Medaille, und in der idealen Vorstellung der augusteischen Zeit war dem Friedensreich der Römer keine Grenze gesetzt. Wiederum war es Vergil, der in der Aeneis, in der göttlichen Verheißung der künftigen Größe Roms, die Worte fand, die dieser Vorstellung bleibenden Ausdruck verliehen: Diesen (sc. den Römern) setze ich für ihr Reich Weder in Raum noch nach Zeit eine Grenze: Herrschaft ohne Ende habe ich ihnen verliehen.14 Die römische Herrschaft war im wesentlichen das Ergebnis siegreich bestandener Herausforderungen, und dementsprechend wurden die Ursprünge der Stadt bis auf den Kriegsgott selbst zurückgeführt: "Und wenn es einem Volk erlaubt werden muß", sagt Livius in der Vorrede zu seinem Geschichtswerk, "seine Anfänge zu weihen, so darf es gewiß Rom. Sein Kriegsruhm ist so überwältigend, daß die Völker der Erde an Mars als seinen Urahnen und Vater seines Gründers ebenso gerne glauben, wie sie die römische Herrschaft hinnehmen." 15 Die Erringung der Weltherrschaft - in den Grenzen des mediterranen Raumes - war Gegenstand des Stolzes und zugleich eine Quelle der Besorgnis. Denn nach verbreiteter Deutung war mit der Beseitigung der großen rivalisierenden Mächte der Zwang zu innerer Eintracht aufgehoben, und hatten Herrschsucht, ambitio, und Habgier, avaritia, zu inneren Konflikten und Bürgerkriegen geführt. In der Zeit des Zweiten Triumvirats hatte Horaz die Befürchtung geäußert, daß der Bürgerkrieg, sozusagen in einem dialektischen Umschlag, die römische Herrschaft, ja Rom selbst den äußeren Feinden und der Vernichtung preisgeben würde. So ist es nicht verwunderlich, daß dem moralisch-politischen Erneuerungsprogramm ein imperialer Ansatz zur Seite trat. Die Energien, die sich im Bürgerkrieg verzehrt hatten, sollten wieder nach außen gekehrt werden, Rom sollte seine alten Tugenden aufs neue bewähren und endlich die Bestimmung der Stadt erfüllen, die Weltherrschaft zu erringen und so der Welt den ersehnten Frieden zu schenken.16 Die außerordent14 Verg. Aen. 1,278 f. 15 Liv. 1 praef. 7. 16 Vgl. K. Bringmann, Weltherrschaft und innere Krise Roms im Spiegel der Geschichtsschreibung des zweiten und ersten Jahrhunderts v. Chr.,

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Darstellung / 3. Die Leistung liehe Stellung, die Augustus in res publica und imperituri einnahm, ließ sich eindrucksvoll rechtfertigen, wenn er als der Vollstrecker der historischen Bestimmung Roms in Erscheinung trat und als Mehrer des Reiches den Ruhm des Siegers über äußere Feinde und des Begründers des Weltfriedens gewann. So wichtig dieser legitimatorische Aspekt der augusteischen Expansionspolitik auch ist, so wenig ist damit über die pragmatische Seite seiner Politik ausgesagt. Vollends verkehrt ist es, die Differenz zwischen dem dichterischen Ausdruck des römischen Weltherrschaftsanspruchs - im Osten umfaßte er das Partherreich, im Westen Britannien - und der politischen Praxis als Gegensatz zwischen republikanischer Weltherrschaftsideologie und einer prinzipiell defensiven Einstellung des Augustus aufzufassen, wie dies H. D. Meyer getan hat. 1 7 Augustus selbst hat zu erkennen gegeben, daß er sich im großen und ganzen von zwei eng miteinander verbundenen Gesichtspunkten leiten ließ: die römische Suprematie aufrecht zu erhalten und die Sicherheit des Reiches zu gewährleisten. Was dies konkret bedeutete, hing von den Umständen ab. Es machte einen großen Unterschied, ob Stammesverbände und Gefolgschaften römisches Reichsgebiet mit Beutezügen und Wanderbewegungen bedrohten oder ob Rom es mit einer Großmacht mit verhältnismäßig verfestigter politischer Struktur wie dem Partherreich zu tun hatte. Je nach Umständen konnten die Methoden zur Sicherung der römischen Suprematie variieren. Vor allem aber ist zu bedenken, daß militärische Aktionen auf konkrete Herausforderungen antworteten, daß sie sich der Dynamik der Entwicklung anpaßten, daß Expansion und Defensive, militärisches Ausgreifen und Wahrung der Suprematie mit diplomatischen Mitteln sich keineswegs ausschlossen. Und ein letzter Gesichtspunkt: Die Option für die militärische Offensive konnte auch von dem Bedürfnis bestimmt werden, das Prestige zu gewinnen, das in einer militarisierten Gesellschaft wie der römischen nun einmal als das höchste galt: den Ruhm, als Sieger über fremde Völker und als Mehrer des Reiches in die Geschichte einzugehen (Q 52). Noch in der Triumviratszeit hat Octavian zwischen 35 und 33 v. Chr. in der Absicht, seinen Rivalen M . Antonius zu ÜbertrumpAntike und Abendland 23, 1977, 46 ff. (= ders., Ausgewählte Schriften [s.o. S. 66], 135 ff.). Die übrige Literatur zur Weltherrschaftsideologie verzeichnet J. Bleicken, Augustus, 754-756. 17 H. D. Meyer, Die Außenpolitik des Augustus und die augusteische Dichtung. Köln 1961.

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches fen, im dalmatisch-pannonischen Raum einen Krieg gegen die keltisch-illyrischen Stämme geführt, der ihn bis an die Save führte. Die militärische Konfrontation mit Antonius erzwang den Abbruch des Unternehmens. Eine administrative Einbeziehung der betreffenden Gebiete in das Römische Reich erfolgte unter diesen Umständen nicht. 18 Gleiches gilt für die Feldzüge, die M. Licinius Crassus, ein Enkel des mit Caesar verbündeten Triumvirn, 29 und 28 v. Chr. auf dem Balkan führte. Crassus war vor Actium auf die Seite Octavians übergegangen, war mit dem Konsulat des Jahres 3 0 v. Chr. belohnt worden und verwaltete anschließend an der Spitze von vier oder fünf Legionen die Provinz Macedonia. Den Einfall der jenseits der unteren Donau siedelnden germanischen Bastarner in das Vorfeld der Provinz beantwortete er mit einer großangelegten Gegenoffensive bis an die Donau. Zwar wurde ihm der Triumph zuerkannt, aber sein Versuch, die Waffen des von ihm getöteten Anführers der Bastarner nach alter Sitte im Tempel des Iuppiter Feretrius niederzulegen, verhinderte Octavian. 19 Er konnte nicht dulden, daß ihm ein Rivale erwuchs, dessen militärische Erfolge die seinen in den Schatten stellten. Nach der Etablierung der neuen Ordnung des Jahres 27 v. Chr. wählte Augustus das nordwestliche Spanien als ersten Schauplatz seiner Bewährung als Feldherr und Mehrer des Reiches. Die in den schwer zugänglichen Bergregionen siedelnden Stämme der Asturer und Kantabrer hatten nicht nur ihre Unabhängigkeit bewahrt, ihre Einfälle in das kastilische Hochland waren auch eine Quelle ständiger Beunruhigung der spanischen Provinzen. Hinzu kam, daß Gold und andere Bodenschätze die Unterwerfung des Nordwestens finanziell lohnend erscheinen ließen. Die Feldzüge der Jahre 26 und 25 v. Chr. führten jedoch noch nicht zum definitiven Erfolg. Erst M. Agrippa erreichte die Unterwerfung im Jahre 19 v. Chr., nachdem er den Widerstand der Bergvölker brutal gebrochen hatte. Zwischen 16 und 13 v. Chr. organisierte Augustus die spanischen Provinzen neu. Die Wehrkraft der Bevölkerung wurde durch Rekrutierungen abgeschöpft, spanische Hilfstruppen an den Rhein und nach dem Illyricum verlegt. Die Bergstämme selbst hatten ihre Bergfestungen zu verlassen und sich in neuen, in den Ebenen gegründeten 18

Vgl. die Darstellung bei J. Bleicken, Augustus, 250-255 und 7 1 7 f. (Quellen und Literatur). 19 Zum Feldzug des Crassus und zu seinem Konflikt mit Octavian s. J. Bleicken, Augustus, 310-315 und 723 f.

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Darstellung / 3. Die Leistung Städten anzusiedeln: Bracara Augusta (Braga), Lucus Augusti (Lugo), Asturica Augusta (Astorga). Zur Sicherung des Landes blieb eine starke Besatzungsarmee im Lande; anfangs 4-5, später 3 Legionen. Zwei neue Veteranenkolonien wurden gegründet: Emerita (Merida) und Caesaraugusta (Saragossa).20 Auch die Provinzeinteilung wurde schließlich geändert. Den romanisierten Süden gab Augustus dem Senat zurück (dies war seitdem die Provinz Baetica), der Osten einschließlich der neu eroberten Gebiete im Nordwesten wurde dem Kaiser ebenso wie das ehemalige Jenseitige Spanien unterstellt: Es sind dies die Provinzen Tarraconensis und Lusitania. Was Gallien anbelangt, so war seit der Eroberung durch Caesar für die Sicherung und administrative Organisation wenig geschehen. Nicht einmal die Westalpenpässe, die Kommunikationslinien zwischen Norditalien und der alten gallischen Provinz, der Narbonensis, waren in römischer Hand, und der Rhein erwies sich keineswegs als Völkergrenze und sichere Barriere vor der Westwanderung der Elbgermanen, speziell der Sueben, die schon zu Caesars Zeiten Druck auf die Rheingrenze ausgeübt hatten. Nachdem Octavian im Perusinischen Krieg die Kontrolle über Gallien gewonnen hatte, wurde M. Agrippa mit der Ordnung der Verhältnisse des Landes und mit der Grenzsicherung am Niederrhein betraut (39/38 v. Chr.). Ob er schon damals zur Verbesserung der Grenzverteidigung die Ubier in die Kölner Bucht sowie die Nemeter, Triboker und Vangionen auf das linksrheinische Ufer im heutigen Rheinhessen und in der Pfalz übersiedelte, steht dahin. Es sind Gründe für die Annahme vorgebracht worden, daß dies erst im Zusammenhang seiner zweiten gallischen Statthalterschaft 20/19 v. Chr. geschah, als er auch mit dem Ausbau eines Straßennetzes in Gallien begann. Mittelpunkt des Stammes der Ubier wurde Ara Ubiorum, das heutige Köln.21

20 Vgl. D. Kienast, Augustus, 351 ff. mit Literatur und F. Diego Santos, Die Integration Nord und Nordwestspaniens als römische Provinz in der Reichspolitik des Augustus. Von der konsularischen zur hispanischen Ära, ANRW II 3, Berlin/New York 1975, 523-571. - Zu der von Augustus geförderten Urbanisierung s. D. Kienast, a.a.O. 430 ff. mit Literatur und H. Galsterer, Untersuchungen zum Städtewesen auf der iberischen Halbinsel, Berlin 1971,16 ff. 21 Vgl. D. Timpe, Zur Geschichte der Rheingrenze zwischen Caesar und Drusus, in: E. Lefèvre (Hrsg.), Monumentum Chiloniense. Festschr. E. Burck, Amsterdam 1973, 131 f. und H. Schönberger, Die römischen

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches Schon vorher, im Jahre 25 v. Chr., hatte im Westalpengebiet die Unterwerfung der Salasser mit der Gründung der Kolonie Augusta Praetoria (Aosta) ihren Abschluß gefunden. 22 Damit gewann Rom die Kontrolle über die Pässe und Verkehrswege nach Südgallien, und in der Folge überließ Augustus, eingedenk seines Versprechens, daß er die befriedeten Provinzen aus seiner Verfügungsgewalt entlassen werde, die Narbonensis dem Senat (22 v. Chr.). Militärische Unternehmungen blieben nicht auf den Westen beschränkt. In das Jahr 25 v. Chr. gehört der Feldzug, den der praefectus Aegypti M. Aelius Gallus mit kombinierten See und Landstreitkräften nach Südarabien, dem heutigen Jemen, unternahm. Wahrscheinlich waren wirtschaftliche Motive ausschlaggebend. Es ging um die Kontrolle des Indien- und Weihrauchhandels. Gallus schloß Mariba, die Hauptstadt des Sabäerreiches, ein, mußte die Belagerung aber wegen Wassermangels und des Ausbruchs von Krankheiten schon nach sechs Tagen wieder aufgeben und den Rückzug antreten. 23 Während des Arabienfeldzugs fielen die den Nordsudan bewohnenden Aithiopier in Oberägypten ein. P. Petronius, der Nachfolger des Gallus, vertrieb sie und drang tief nach Süden vor. Er legte eine Besatzung in das Land und zwang die Königin im Jahre 20 v. Chr., eine Gesandtschaft zu Augustus nach Samos zu schicken und die Überlegenheit Roms förmlich anzuerkennen. Auf die Etablierung direkter römischer Herrschaft wurde verzichtet.24 In Kleinasien wurde im Jahre 25 v. Chr. anders verfahren. Der Tod des römischen Klientelkönigs Amyntas - er war im Kampf mit dem unbezwungenen, im Taurusgebirge lebenden Bergvolk der Homonadenser umgekommen - gab Veranlassung, die Verhältnisse neu zu ordnen. Sein Reich wurde 24 v. Chr. als Provinz Galatien organisiert. Nur das unkultivierte Rauhe Kilikien wurde 20 v. Chr. dem Klientelkönig Archelaos von Kappadokien überlassen.25 Im

22 23

24 25

Truppenlager der frühen und mittleren Kaiserzeit, Ber.RGK 66, 1985, 324 mit Literatur. Cass. Dio 53,25,3-5 (s. Q 54). Strab. 16,4,22-24 und Cass. Dio 53,29,3-8; Aug. R.G. 26 (s. Q 52). Vgl. H. von Wissmann, Die Geschichte des Sabäerreiches und der Feldzug des Aelius Gallus, ANRW II 9.1, Berlin/New York 1976, 308-544; St. E. Sidebotham, Aelius Gallus and Arabia, Latomus 4 5 , 1 9 8 6 , 590-602. Strab. 17,l,53f.; Cass. Dio 54,5,4 f.; Aug. R.G. 26 (s. Q 52). Vgl. D. Kienast, Augustus, 338 ff. mit Literatur und neuerdings K. Strobel, s. v. Galatia, Der Neue Pauly 4, 744 f.

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Darstellung / 3. Die Leistung Jahre 6/5 v. Chr. wurde die Provinz nach dem Tod des Dynasten Deiotarus um das Königreich Paphlagonien vergrößert, und einige Jahre nach dem Tod des Königs Polemon von Pontus kam die Landschaft um Amaseia am Schwarzen Meer hinzu. Durch Straßenbau wurden die Kommunikationslinien vom westlichen Kleinasien zum oberen Euphrat ausgebaut. Zur Sicherung der neuen Provinz legten die Römer Veteranenkolonien in Antiocheia, Cremna, Comana, Olbasa, Parieis, Lystra und Iconium an.26 Damit waren nicht nur die Verbindungslinien zu den Grenzen im Osten unter direkte römische Kontrolle genommen, sondern auch eine breite Schutzzone vor die reiche senatorische Provinz Asia im westlichen Kleinasien gelegt. Das außenpolitische Kernproblem im Osten bildete das Verhältnis zum Partherreich.27 Die Niederlagen, die Crassus bei Carrhae sowie Antonius und einer seiner Legaten hatten hinnehmen müssen, hatten der römischen Suprematie einen schweren Schlag versetzt, und offenbar waren Augustus und die römische Öffentlichkeit wenig geneigt, die Erfolge, die Antonius auf seinem letzten Partherfeldzug errungen hatte, als solche anzuerkennen und als eine Wiederherstellung römischer Überlegenheit zu betrachten. Im Gegenteil: Octavian hatte vor Actium Antonius vorgeworfen, die Schmach von Carrhae nicht gerächt zu haben. Auf diese Weise war die Erwartung gesteigert worden, daß er selbst dies nachholen werde, und die Dichter gaben dieser Erwartung unverhohlen Ausdruck. Octavian war jedoch klug genug, sich nach dem Sieg über seinen Rivalen nicht in einen Partherkrieg verwickeln zu lassen. Die ungelösten Probleme im Inneren verboten ein neues militärisches Abenteuer, und so ließ er es mit einer vorläufigen Vereinbarung auf der Grundlage des status quo bewenden. Das hinderte ihn nicht an einer Unterstützung des Thronprätendenten Tiridates, und erst nach dessen Scheitern handelte Augustus 20 v. Chr. während seines Aufenthalts im Osten mit

26 Vgl. B. Levick, Roman Colonies in Southern Asia Minor, Oxford 1967, 29 ff. 27 D. Kienast, Augustus, 342 ff. und J. Bleicken, Augustus, 356 ff. und 608 f. mit den Literaturhinweisen: 729 f. und 762. Zu verweisen ist auf K.-H. Ziegler, Die Beziehungen zwischen Rom und dem Partherreich, Wiesbaden 1964, 45 ff. und D. Timpe, Zur augusteischen Partherpolitik zwischen 30 und 20 v. Chr., WürzbJbAltWiss NF 1, 1975, 155-169 und ders., Geschichte der politischen Beziehungen zwischen Römer- und Partherreich (ungedruckte Habil.-schrift Freiburg 1963).

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches Phraates IV. die Rückgabe der römischen Feldzeichen und Kriegsgefangenen aus. Dieses Abkommen wurde in Wort und Bild propagandistisch als Wiederherstellung der römischen Überlegenheit gefeiert. Immerhin war der symbolische Erfolg mit einem realpolitischen verknüpft. Tiberius, der Stiefsohn des Kaisers, konnte nach der Ermordung des von den Parthern gestützten Königs Artaxias von Armenien den im römischen Exil lebenden Prinzen Tigranes als Herrscher einsetzen. Damit war die strategische Position gegenüber dem Partherreich erheblich verbessert worden, nur sollte sich im Laufe der Regierungszeit des Augustus herausstellen, daß dies wegen der labilen Machtverhältnisse in Armenien ein prekärer Erfolg war (Q 53). Die Regelung des Jahres 20 v. Chr. erlaubte die Konzentration aller militärischer Unternehmungen auf den Westen, auf die drei Schauplätze, wo die fehlende oder gefährdete römische Kontrolle Probleme aufwarf: Es waren dies das Alpengebiet, der Donauraum sowie die Rheingrenze gegenüber den Germanen des rechtsrheinischen Ufers. Nachdem noch in den 20er Jahren die Landverbindung zwischen Norditalien und der Narbonensis hergestellt worden war, unterwarf der Prokonsul von Illyrien P. Silius Nerva die Alpenstämme zwischen Comum und dem Gardasee. Die folgende Unterwerfung der gesamten Alpen und des nördlichen Voralpengebiets gelang den Stiefsöhnen des Kaisers, Tiberius und Drusus, im Jahre 15 v. Chr. durch den kombinierten Feldzug gegen Raeter und Vindeliker. Damals wurde im Zuge der Operationen das inzwischen ausgegrabene große, mit Soldaten der 19. Legion belegte Truppenlager von Dangstetten am Hochrhein angelegt und das gesamte eroberte Gebiet untere römische Kontrolle gebracht. Zwei Legionen blieben bis auf weiteres im Voralpenland stationiert. Der schnelle und bedeutende Erfolg wurde in allen Medien gefeiert: in der Münzprägung, in zwei Siegesoden des Horaz und in einem pompösen Siegesdenkmal oberhalb von Monaco (Q 54). Die Etablierung der römischen Herrschaft im Alpen- und Voralpengebiet sicherte Norditalien und das südwestliche Gallien vor Beutezügen und Wanderbewegungen, nicht jedoch die Rheingrenze, die dem Druck der germanischen Wanderbewegung ausgesetzt war. Dort begann eine römische Offensive unter Führung des Drusus erst 12/11 v.Chr. Ihre Operationsbasis war zunächst der Niederrhein, dann wurde sie auf den Mittelrhein erweitert, d. h. auf das Untermaingebiet und die Wetterau sowie auf das Lahntal. Oberrhein und Hochrhein waren nicht in das Operationsgebiet eingeschlossen. Die

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Darstellung / 3. Die Leistung von K. Kraft und anderen vertretene Auffassung, daß die (teilweise erfolgte) Besetzung des Voralpenlandes und die Anlage des Truppenlagers Dangstetten in die Planung eines Zangenangriffs gehörten, der von Rhein und Donau aus geführt werden sollte, ist nicht stichhaltig.28 Die Operationen in Germanien erfolgten nicht von der Donaubasis her und konnten es auch gar nicht, denn sie reagierten auf eine Herausforderung am Niederrhein. Ein Zusammenhang mit der Annexion des Alpenvorlandes ist schlechterdings nicht erkennbar (Q 55). Die Grenze am Niederrhein war weder durch den Vorstoß, den M. Vinicius als Vergeltung für die Ermordung römischer Kaufleute im Jahre 25 v. Chr. unternommen hatte, noch durch das zweimalige Eingreifen des M. Agrippa, 39/38 und 20/19 v. Chr., gesichert worden. 29 Im Jahre 16 v. Chr. erlitt sogar ein römisches Heer unter M. Lollius bei einem Beutezug der Stämme der Sugambrer, Usipeter und Tenkterer eine schwere Niederlage. Daraufhin begab sich Augustus selbst zur Ordnung der Verhältnisse nach Gallien und Spanien (16-13 v. Chr.). Schon im Jahre 16 v. Chr. wurde das älteste Militärlager bei Neuss angelegt - für eine kleine Einheit - , aber erst unmittelbar vor der Eröffnung der römischen Offensive im Jahre 12 v. Chr. wurden die großen Operationsbasen am Rhein errichtet: Mogontiacum (Mainz), Vetera (Birten bei Xanten), Numaga (Nimwegen) und der Flottenstützpunkt Fectio (Vechten unweit von Utrecht). Die Offensive selbst wurde erst durch einen erneuten Beutezug der Sugambrer und ihrer Verbündeten ausgelöst und richtete sich zunächst, in den Feldzügen der Jahre 12 und 11 v. Chr., allein gegen diese. Unterstützt wurde der erste Angriff durch eine Flottenexpedition auf der Nordsee, die sich gegen die Flanke des Gegners richtete. Am Ende des zweiten Feldzugs, der bis in das Wesergebiet zu den Cheruskern führte und mit einem von Versorgungsschwierigkeiten erzwungenen Rückzug endete - das Heer entging dabei nur knapp

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K. Kraft, Die Rolle der Colonia Iulia Equestris und die römische Auxiliarrekrutierung, JGRZM 4, 1957, 81-107 = ders., Gesammelte Aufsätze zur Antiken Geschichte und Militärgeschichte I, Darmstadt 1973, 181-208. Zur Kritik vgl. H.-G. Simon, in: Schönberger/Simon, Römerlager Rödgen, Limesforschungen 15, Berlin 1976, 2 5 4 ff. und K. Christ, Zur augusteischen Germanienpolitik, Chiron 7, 1977, 184 ff. = ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte I, Darmstadt 1982, 2 1 8 ff.

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Vgl. D. Timpe, a.a.O. (Anm. 21), 129 ff.

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches der Vernichtung - , wurden am Unterlauf der Lippe das Legionslager Oberaden mit dem Uferkastell Beckinghausen angelegt sowie ein weiteres, bisher nicht entdecktes Lager im Gebiet der Chatten in der Nähe des Rheins. Da die Chatten sich nunmehr gegen die Römer wandten, richteten sich die Feldzüge der Jahre 10 und 9 v. Chr. gegen sie. Ausgangspunkt war Mainz und die Vormarschlinie bildete die Wetterau und die Hessische Senke. Der Aktionsradius des letzten Feldzuges reichte bis zur Weser und zur Elbe, und dementsprechend traten die Cherusker und die suebischen Markomannen neben den Chatten als Gegner in Erscheinung. Auf dem Rückmarsch starb Drusus an den Folgen eines Unfalls. Zu den zahlreichen Ehrungen des Verstorbenen gehörte auch die Errichtung eines monumentalen Kenotaphs bei Mainz. Im folgenden Jahr konzentrierten sich die Operationen unter Führung des Tiberius auf die Stämme am Niederrhein. Ziel war es offenbar, die von ihnen ausgehende Gefahr mit den brutalen Mitteln der Ausrottung und Verpflanzung zu beseitigen. Teile der Sugambrer und Sueben siedelte Tiberius auf dem linken Rheinufer an, und unmittelbar danach wurden die rechtsrheinischen Militärlager, Oberaden an der Lippe und Rödgen bei Bad Nauheim in der Wetterau aufgelassen (das Gleiche geschah mit dem Truppenlager Dangstetten am Hochrhein). Die Sicherung der Rheingrenze mittels der Befriedung des Vorfeldes schien erreicht zu sein. Germanien war während dieser Jahre keineswegs der einzige Schauplatz militärischer Operationen. Auf dem Balkan löste im Jahre 14/13 v. Chr. ein Einfall der keltischen Skordisker eine von Makedonien ausgehende Gegenoffensive aus. Diese Kämpfe erfaßten den gesamten Balkan: Tiberius besiegte die Pannonier an der Donau und die Daker diesseits und jenseits des Stromes und schob die Grenze des Illyricums von der Adria bis zur Donau vor (12-9 v. Chr.). 30 Was Germanien anbelangt, so erfahren wir, daß L. Domitius Ahenobarbus, der von 6 v. Chr. bis 1 n. Chr. die Rheinarmee kommandierte, die Strategie der offensiven Vorfeldkontrolle fortsetzte. 31

30 Vgl. D. Kienast, Augustus, 366 f. und J. Bleicken, Augustus, 575. Im einzelnen ist vieles wegen der unergiebigen Quellenlage - Veil. Pat. 2,96,2 f. und Cass. Dio 54,34,3 f; 36,2 f. und 55,2, 4 - unklar. 31 Die Basis der Operationen des Domitius Ahenobarbus lag, soweit sich das nach den Kriterien sinnvoller Sachkritik beurteilen läßt, nicht an der Donau (so Cass. Dio 55,10a,2 f.), sondern am Rhein: so D. Timpe, Zur

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Darstellung / 3. Die Leistung Er stieß bis zur Elbe vor und überschritt den Fluß. Im Zusammenhang dieser militärischen Demonstration wies er den Hermunduren neue Wohnsitze im heutigen Mittelfranken und im Obermaingebiet zu, die von den in das böhmische Becken abwandernden Markomannen verlassen worden waren. Aber sein Versuch, bei den Cheruskern zu intervenieren und verbannte Adlige zurückzuführen, scheiterte. Im Jahre 1 n. Chr. brach das System der indirekten Vorfeldbeherrschung vollends zusammen, und es begann ein offener Krieg, dessen Führung im Jahre 4 n. Chr. der aus seiner selbstgewählten Verbannung zurückgekehrte Tiberius übernahm. Der Krieg weitete sich vom Weser- und Elbegebiet, wo zahlreiche Stämme unterworfen wurden, nach Süden aus. Im Jahre 6 n. Chr. wurden am Rhein und an der Donau 12 Legionen mit Hilfstruppen zusammengezogen, die in einer Zangenoperation von Mainz und Carnuntum (nordöstlich von Wien) aus das Markomannenreich des Marbod im böhmischen Becken zerschlagen sollten. Der von Mainz ausgehende Vormarschweg sollte dem Main folgen - eines der vorbereiteten, aber nicht mehr intensiv genutzten Lager ist bei Marktbreit vor kurzem entdeckt und erforscht worden. 32 Die geplante Offensive kam jedoch nicht zustande, weil in Pannonien ein großer Aufstand ausbrach, der zu einer vollständigen Umdisponierung der Kräfte zwang. Dieser Aufstand ging von einer Konzentration illyrischer Hilfstruppen in der Gegend des heutigen Sarajewo aus und gehört in den Kontext der Provinzialisierung der neuerworbenen Gebiete, d. h. der Durchsetzung von Aushebungszwang und Tributpflicht. Der Aufstand dauerte vier Jahre und seine Niederschlagung, unter dem Befehl des Tiberius durchgeführt, erforderte die Aufbietung von starken Kräften: 10 Legionen, 10.000 Veteranen und 80 Auxiliarverbänden (Q 56). Fünf Tage nach Beendigung dieses Krieges auf dem Balkan traf im September 9 n. Chr die Nachricht von der Vernichtung des germanischen Heeres im Teutoburger Wald in Rom ein (Q 57). Die Hintergründe dieser Katastrophe glichen denen, die im Jahr 6 n. Chr. zu dem großen Pannonischen Aufstand geführt hatten. Der Zusammenbruch der indirekten Vorfeldbeherrschung im Jahre 1 n. Chr. hatte eine Änderung der römischen Planung nach sich geGeschichte und Uberlieferung der Okkupation Germaniens unter Augustus, Saeculum 18, 1967, 280 ff. 32 Vgl. Q 55, Anm. 100.

3.4. Augustus als Mehrer des Reiches zogen: Germanien sollte provinzialisiert werden. Auf dieses Ziel weisen neu angelegte Militärlager hin, die zumindest teilweise als Kristallisationskern städtischer Siedlungen konzipiert waren. Zu nennen sind Haltern an der Lippe, ein im Quellgebiet des Flusses gelegenes Legionslager und vor allem die vor kurzem entdeckte befestigte Stadtanlage von Waldgirmes bei Wetzlar, die in unmittelbarer Nähe des Lagers bei Dorlar angelegt wurde.33 Beide grenzten an das keltische, auch von Chatten genutzte Oppidum auf dem Dünsberg bei Gießen, das zu einem unbekannten Zeitpunkt von den Römern belagert und eingenommen wurde. Von einer flächendeckenden Kontrolle des waldbedeckten Landes waren die Römer freilich noch weit entfernt, und dieser Umstand sollte zusammen mit der von P. Quinctilius Varus, seit 6/7 n. Chr. Legat des germanischen Heeres, betriebenen Provinzialisierung zur Katastrophe führen. Varus ließ sich von Arminius, einem cheruskischen Adligen, der als Führer germanischer Hilfstruppen das römische Bürgerrecht, ja Ritterrang besessen haben soll, in einen Hinterhalt locken. In der Schlacht im Teutoburger Wald wurde das römische Heer, drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten, während des Marsches von der Weser zum Rhein auf unwegsamem Gelände, das den Kampf in geschlossener Formation unmöglich machte, vollständig aufgerieben. Ein Stück des Weges, auf dem sich der Todeskampf der Legionen vollzog, ist jetzt am Kalkrieser Berg am Nordabhang des Wiehengebirges entdeckt und erforscht worden. 34 Damit hat die Auffassung Th. Mommsens, der im vorigen Jahrhundert aufgrund der zahlreichen Münzfunde den Ort der Varusschlacht hier und nicht im heute so genannten Teutoburger Wald lokalisiert hatte, eine glänzende Bestätigung gefunden. 35 Die Nachricht von der Katastrophe des Varus löste einen schweren Schock aus. Wieder wurde Tiberius mit den Gegenmaßnahmen betraut. Die Rheinarmee wurde auf acht Legionen verstärkt. Die Lager im rechtsrheinischen Germanien wurden aufgelassen, die militärischen Operationen dienten zunächst der Sicherung der Rheingrenze und der Abschreckung. Auf eine Provinzialisierung Germaniens verzichtete Augustus, und daran änderten auch die Feldzüge 33 Vgl. Q 57, Anm. 108. 34 Einzelnachweise in Q 57, Anm. 106. 35 Th. Mommsen, Die Ortlichkeit der Varusschlacht, SB d. Preuß. Akad. d. Wiss. 1885, 63-92 = ders., Gesammelte Schriften IV, Berlin 1906, 200-246.

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Darstellung / 3. Die Leistung nichts, die Germanicus, der Sohn des Drusus, nach Augustus' Tod 14-16 n. Chr. in Germanien mit weiterführenden Absichten führte. 36 Die Wahrung der römischen Suprematie gegenüber dem Partherreich war auch nach der Regelung des Jahres 20 v. Chr. keine leichte Aufgabe. Im Osten trat zwar keine militärische Katastrophe ein, aber es wurde doch deutlich, daß die römische Kontrolle Armeniens nicht wirklich gesichert werden konnte (Q 58). Den Versuchen, römische Überlegenheit mit den Mitteln der Diplomatie oder der drohenden Gesten zu demonstrieren, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Als 10/9 v. Chr. Phraates IV. seine vier Söhne aus ebenbürtigen Ehen nach Rom schickte, wurde dies als ein Akt der Unterordnung gedeutet, in Wahrheit handelte es sich um ein Manöver des Königs, der dem Sohn seiner Favoritin die Thronfolge sichern wollte. Wie wenig die interpretatio Romana der Realität entsprach, zeigen die Spannungen, die zwischen beiden Reichen nach dem Tod des Königs Tigranes II. von Armenien, etwa 6 v. Chr., auftraten. Augustus inthronisierte als Nachfolger Artavasdes, einen Sohn des von M. Antonius abgesetzten Königs gleichen Namens, doch konnte sich dieser nicht halten und wurde 2 v. Chr. vertrieben - "nicht ohne eine Niederlage für uns", wie Tacitus sagt. Schließlich entsandte Augustus seinen Enkel C. Caesar mit prokonsularischer Gewalt in den Osten. Bei einem Treffen mit dem Partherkönig Phraatakes am Euphrat kam es zu einer Kompromißlösung. Beide Seiten einigten sich auf den Meder Ariobarzanes als neuen König von Armenien, und C. Caesar nahm die Einsetzungszeremonie vor (2 n. Chr.). Aber diese Regelung wurde in Armenien nicht einfach hingenommen. Während der Belagerung der Stadt Artagira wurde C. Caesar bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt und starb auf der Heimfahrt in der lykischen Küstenstadt Limyra am 21. Februar 4 n. Chr. Eine für Rom befriedigende Lösung konnte Augustus in Armenien nicht mehr durchsetzen. Ein bloßer Scheinerfolg war auch, daß der parthische Adel sich von Augustus 6/7 η. Chr. den in Rom lebenden Sohn Phraates' IV. namens Vonones als König erbat und erhielt. Vonones unterlag dem Gegenkönig Artabanos III. und mußte 12 n. Chr. nach Armenien 36 Vgl. D. Timpe, Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14-16 n. Chr., Bonn 1968; ders., Der römische Verzicht auf die Okkupation Germaniens, Chiron 1, 1971, 267-284 und G. A. Lehmann, Zum Zeitalter der römischen Okkupation Germaniens: neue Interpretationen und Quellenfunde, Boreas 12, 1989, 227 ff.

3.5. Die Administration fliehen. Dort konnte er sich auch nicht halten. Augustus war gegen Ende seines Lebens weit entfernt davon, die Lage jenseits der Ostgrenze des Reiches zu kontrollieren. Augustus hat übrigens auch noch einmal daran gedacht, die römische Suprematie durch eine militärische Demonstration im arabischen Raum zur Geltung zu bringen. Im Jahre 1 v. Chr. unternahm C. Caesar eine Expedition, doch sie kam wohl nicht über den Golf von Akaba hinaus. Immerhin erschien eine römische Flotte in der Straße von Aden. Wohl mit römischer Hilfe verdrängte der arabische Stamm der Homeriten die Sabäer von der Südküste der arabischen Halbinsel und prägte für den Handelsverkehr in großer Zahl Silbermünzen mit dem belorbeerten Kopf eines Herrschers, der von einem Teil der Forschung als Augustusporträt gedeutet wird.37 Überblickt man die Außen- und Expansionspolitik des Kaisers, so ist die Bilanz durchaus zwiespältig. Ohne Zweifel ist Augustus die großzügige Arrondierung und Sicherung der mediterranen Kernräume des Imperiums gelungen. Faktisch sind die Rhein- und Donaugrenze gesichert bzw. erreicht worden. Die Bedrohung Italiens aus dem Alpenraum war beseitigt, und die territoriale Lücke zwischen dem Westen und dem Osten des Reiches war geschlossen. Aber der Plan, Germanien (in welchen Grenzen auch immer) zu provinzialisieren, scheiterte vollständig, und die Überlegenheit gegenüber dem Partherreich ließ sich nicht in dem Sinne realisieren, daß Armenien als ein gesichertes Klientelkönigtum im Verband des Römischen Reiches gelten konnte.

3.5. Die Administration Zu Recht ist gesagt worden, daß sich die neue politische Ordnung des Jahres 27 v. Chr. nicht in einer schnellen und weitgehenden Veränderung der staatlichen Administration fortsetzte.38 Diese er37 Vgl. D. Kienast, Augustus, 335 f. mit Literatur. 38 W. Eck, Augustus und seine Zeit, 72 f. Eine instruktive Skizze der Administration gibt J. Bleicken, Augustus, 391-438 mit Literaturhinweisen: 734-738. Wichtig sind zwei Beiträge von W. Eck, Augustus' administrative Reformen: Pragmatismus oder systematisches Planen?, Acta Classica 29, 1986, 105-120 und ders., Die Ausformung der ritterlichen Administration als Antisenatspolitik?, in: A. Giovannini/D. van Berchem (Hrsg.), Opposition et résistance à l'empire d'Auguste à Trajan, Entre-

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Darstellung/3. Die Leistung folgte weiterhin innerhalb des Grundrisses, der in der späten Republik gelegt worden war. In Rom nahmen die traditionellen Magistrate ihre Aufgaben wahr, und in den Provinzen herrschte das Regiment der senatorischen Statthalter. Für die Untertanen machte es keinen prinzipiellen Unterschied, ob die Herrschaft Roms von einem Prokonsul (in den senatorischen Provinzen) oder von einem legatus Augusti pro praetore (in den kaiserlichen) ausgeübt wurde. Auch die Finanzverwaltung wurde in den Provinzen nicht grundlegend reformiert. Die Angabe des Historikers Cassius Dio, daß Augustus die Aufsicht über das Finanzwesen, d. h. die Einziehung von Steuern und Abgaben sowie die Verwaltung der Domänen und Bergwerke, generell Prokuratoren aus dem Ritterstand übertragen hätte, 39 spiegelt in anachronistischer Weise die Verhältnisse der Severerzeit um 200 n. Chr. wider und ist für die augusteische Zeit geradezu irreführend. Ebenso ist die oft vertretene Vorstellung unhaltbar, daß Augustus das verbreitete System der Steuer- und Zollpacht zugunsten eines staatlich organisierten Einziehungssystems generell beseitigt hätte. Auch unter Augustus bestand prinzipiell das alte System fort, in dem Steuerpächter und die lokale Selbstverwaltung der Städte bei der Erhebung von Zöllen, Steuern und Abgaben unter Aufsicht der Beauftragten des römischen Staates zusammenwirkten. Dieses System sparte dem Staat einen kostspieligen Verwaltungsapparat, und schon deshalb bestand kein Grund zu einer tiefgreifenden Umgestaltung. Dennoch kam es im Laufe der Zeit zu bedeutenden Veränderungen. Ermöglicht wurden sie durch die monarchische Lösung der Machtfrage. In der ausgehenden Republik hatte der Senat die Fähigkeit zu einem effektiven Regiment verloren, die mörderische Rivalität konkurrierender Führungsaspiranten hatte pragmatische Lösungen anstehender administrativer Probleme verhindert und insbesondere zu einer skandalösen Ausbeutung der Provinzen geführt: Die Untertanen hatten nicht nur Steuern und Dienstleitungen für den römischen Staat zu erbringen, ihnen wurden auch die riesigen Kapitalien abgepreßt, die die römischen Großen für ihre fürstliche Lebenshaltung und vor allem für politische Zwecke benötigten: für Bestechung, Kreditvergabe und Spiele. Mit dem politisch bedingten Mißbrauch der statthalterlichen Gewalt war endlich Schluß. Das tiens de Fondation Hardt 33, 1987, 249-289 = ders., Die Verwaltung des römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit I, Basel 1995, 83-102 und 1-28. 39 Cass. Dio 53,15,2 ff.

3.5. Die Administration heißt freilich nicht, daß es unter Augustus keine rechtswidrigen Erpressungen und Mißbrauch der Amtsgewalt mehr gegeben hätte. Es blieb den Statthaltern als den senatorischen Standesgenossen des Kaisers noch immer ein erheblicher Ermessensspielraum, ja selbst ein Freigelassener des Kaisers namens Licinus, der eine einflußreiche Position in der Finanzverwaltung Galliens innehatte, konnte unrechtmäßig ein gewaltiges Vermögen beiseite schaffen.40 Von Quinctilius Varus, der im Teutoburger Wald Schlacht und Leben verlor, sagt der Historiker Vellerns Paterculus, daß er als armer Mann das reiche Syrien betrat und als reicher Mann das arme Syrien verließ.41 Das ist eine rhetorische Ubertreibung, aber allein schon die Erneuerung bzw. Verbesserung des Repetundenverfahrens zeigt, daß widerrechtliche Erpressung durch Mißbrauch der Amtsgewalt keineswegs verschwunden war. Doch ist nicht zu übersehen, daß zwei Faktoren eine Besserung bewirkten: Es gab weder die Möglichkeit noch die Notwendigkeit, riesige Geldmittel für den politischen Konkurrenzkampf aufzuwenden, und die Kontrolle, die Augustus kraft seines umfassenden Imperiums und seines Einflusses ausübte, konnte sich dahin auswirken, daß im Interesse der Untertanen und im Namen von Gerechtigkeit und Billigkeit gegen die ärgsten Mißbräuche eingeschritten wurde. Nicht ohne Grund gibt Tacitus, ein notorischer Kritiker der augusteischen Ordnung, widerstrebend zu: "Auch die Provinzen waren dem neuen Stand der Dinge nicht abgeneigt, denn die Herrschaft des Senats und des Volkes war ihnen durch die Kämpfe der Großen und die Habsucht der Magistrate verleidet, und die Hilfe der Gesetze, die durch Gewalt, Einflußnahme und schließlich durch Bestechung erschüttert waren, erwiesen sich als schwach."42 Für die Gemeinden der Provinzen, aber auch die Italiens war es möglich, sich mit Beschwerden und Petitionen an Augustus zu wenden, in ihm den Hort des Rechts und den wohlwollenden Schutzherrn des Reiches zu sehen. Ein erheblicher Teil der Regierungstätigkeit der römischen Kaiser hatte hier seinen Ursprung: Der Kaiser reagierte, schuf Recht und stiftete Frieden, und er tat dies nicht im Sinne einseitiger Begünstigung oder Benachteiligung, sondern unter Abwägung der Gesichtspunkte des Staatsinteresses und der individuellen Rechte der Reichsangehörigen. Dieser Aspekt der Rolle des 40 Cass. Dio 54,21,2-8 zum Jahre 15 v. Chr. 41 Veil. Pat. 2,117,2. 42 Tac. Ann. 1,2,2.

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Darstellung / 3. Die Leistung Kaisers ist schon für Augustus gut dokumentiert - die signifikanten Beispiele aus Kyrene sind in die Quellensammlung aufgenommen (Q 59) - , und er ist, wie F. Miliar und J . Bleicken gezeigt haben, für den Regierungsstil des römischen Kaisertums geradezu konstitutiv geworden. 43 Von diesem Regierungsstil zu trennen sind die Aktivitäten, die das Leistungssystem und die Ressourcen des Staates betrafen, also die Erfassung der Bevölkerungszahl, die Besteuerung und die Sicherung der Kommunikation in einem Reich, das vom Atlantik bis an die Grenzen des Zweistromlandes, von der Nordsee bis zum Sudan reichte. Was die beiden ersten Punkte anbelangt, so ist zu unterscheiden zwischen römischen Bürgern und den Untertanen in den Provinzen. Römische Bürger zahlten keine direkten Steuern. Erst seit dem Jahre 6 n. Chr. unterlagen große Vermögen im Wert von über 100.000 Sesterzen einer Erbschaftssteuer in Höhe von 5 % zugunsten der Militärpensionskasse. Dennoch waren die Erfassung der Bürgerzahl und die Zuordnung der einzelnen Bürger zu den verschiedenen Vermögensklassen von großer Bedeutung. Auch wenn das keineswegs aufgegebene Prinzip der Aushebung für die Ergänzung der entstehenden Berufsarmee keine herausragende Bedeutung mehr besaß, schuf doch erst die Volkszählung die Grundlage der Kalkulation des Wehrpotentials, über das der römische Staat verfügte. Und die Feststellung der Vermögensverhältnisse bildete für die Zuordnung der Bürger zu den Vermögens- und Funktionsklassen die Grundlage. Wenn ein Senator ein Vermögen von 1 oder 1,2 Mio. Sesterzen, ein Ritter von 4 0 0 . 0 0 0 , ein Angehöriger der vierten Richterdekurie von 200.000 und ein Ratsherr in einem der Munizipien Italiens beispielsweise von 100.000 Sesterzen nachweisen mußte, ergab sich eine in einfachen Verhältniszahlen ausdrückbare Vermögenshierarchie, die einer ständischen entsprach (10 bzw. 12:4:2:1). In den zerfahrenen Verhältnissen der späten Republik war der Census, also Volkszählung und Vermögenseinschätzung, nicht mehr durchgeführt worden: Der letzte hatte im Jahre 70/69 v. Chr. stattgefunden. Augustus knüpfte mit modifizierter Zählweise an die Tradition wieder an und führte dreimal den Census durch: in den Jahren 28 43

F. Millar, The Emperor in the Roman World, London 1977 mit den Modifikationen von J. Bleicken, Zum Regierungsstil des römischen Kaisers. Eine Antwort auf Fergus Millar, SB Wiss. Gesell, a. d. J. W. Goethe-Universität Frankfurt a. M. XVIII, 2, Wiesbaden 1982.

3.5. Die Administration und 8 v. Chr. sowie 14 η. Chr. In diesem Zusammenhang entstand die Einteilung Italiens in 11 Regionen. Sie bildeten die organisatorische Basis für die Erfassung der römischen Bürger und des staatlichen Grundbesitzes. Im übrigen zeigen die überlieferten Censuszahlen ein beträchtliches Wachstum der Bürgerschaft: Sie stieg von 4.063.000 im Jahre 28 auf 4.233.000 im Jahre 8 v. Chr. und schließlich auf 4.937.000 Köpfe im Jahre 14 n. Chr. (Q 60). Vom Bürgercensus zu trennen ist der sogenannte Provinzialcensus. Er erfaßte in den einzelnen Provinzen die Untertanen und bildete die Grundlage für die Erhebung der Bodenertragssteuer, des tributimi soli, und der Kopfsteuer, des tributum capitis. Die erstgenannte Steuer differenzierte die Höhe der Abgaben nach dem Ertragswert der verschiedenen Arten der Bodennutzung, die zweite wurde ausgehend von einem niedrigen Grundbetrag auf das Vermögen der Steuerpflichtigen erhoben.44 In den Ländern der ehemaligen hellenistischen Monarchien, beispielsweise in Ägypten und Syrien, konnte an eine alte Tradition der Besteuerung angeknüpft werden, aber in den neuen Provinzen im Westen und auf dem Balkan mußte der Steuerstaat erst durchgesetzt werden. In Gallien begann Augustus im Jahre 27 v. Chr. mit der Anlegung von Steuerlisten, und ohne Widerstände ging die Durchsetzung des Steuerzwanges nicht ab. Unserer Uberlieferung zufolge war die ungewohnte Besteuerung Hauptursache für Aufstände in Gallien, für die große Erhebung des Jahres 6 n. Chr. auf dem Balkan und der Germanen im Jahre 9 n. Chr. 4 5 Folgenreich wurde insbesondere der Widerstand, den die jüdischen Zeloten, d. h. die Eiferer für Gott und sein Gesetz, der Einführung des Census anläßlich der Provinzialisierung von Judäa und Samaria im Jahre 6 n. Chr. leisteten. Er war gespeist von einer religiös motivierten Ablehnung der römischen Herrschaft: Das Heilige Land war Gottes Land, und König war allein Gott, nicht der heidnische Herrscher. 46 Uber die Einzelheiten des Provinzialcensus 4 4 Zur Besteuerung vgl. L. Neesen, Untersuchungen zu den direkten Staatsabgaben der römischen Kaiserzeit (27 v. Chr.-284 n. Chr.), Bonn 1980. 45 In Gallien kam es anläßlich der Erhebung des Census 13/12 ν. Chr. zu offener Widersätzlichkeit, vgl. Liv. Perioch. 128/129 mit Cass. Dio 54, 32,1; zu Dalmatien s. Cass. Dio 55,29,1 und zu Germanien 56,18,3 f. 46 Zur zelotischen Bewegung vgl. das Standardwerk von M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit

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Darstellung / 3. Die Leistung ist nicht viel bekannt. Die Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas bezieht sich in der Sache auf den Census in Judäa und Samaria und hält ihn fälschlicherweise für einen Teil des ersten reichsweit erhobenen Census. Einen solchen hat es im eigentlichen Wortsinn nicht gegeben: Der betreffende Census ist in den verschiedenen Provinzen zu verschiedenen Zeiten erhoben worden. Durch die Grabinschrift eines römischen Offiziers wissen wir, daß derselbe P. Sulpicius Quirinius, der im Jahre 6 n. Chr. den von Lukas gemeinten Census in Judäa und Samaria erheben ließ, dies auch in Syrien tat: Der betreffende Offizier erfaßte in der bedeutenden Stadt Apamea 117.000 Menschen (Q 61). Die Besteuerung der Untertanen in den Provinzen bildete die finanzielle Grundlage für die Unterhaltung einer an den Grenzen des Reiches stationierten und operierenden Berufsarmee. Sie war der Preis des inneren Friedens, und diesen Preis zu entrichten fiel bei der geringen Arbeitsproduktivität der Zeit gewiß nicht leicht. Doch ist nicht zu verkennen, daß der Provinzialcensus durch genaue Erfassung der Steuerkraft der Bevölkerung auch ein gewisses Maß an Steuergerechtigkeit implizierte. Eine politisch-militärische Notwendigkeit waren der Ausbau und die Erhaltung von Straßenverbindungen, die die Kommunikation zwischen Rom und dem Imperium sicherten. Anfangs geschah dies nach republikanischer Tradition in Italien durch private Aufwendungen des Augustus und der Senatoren, die aufgefordert wurden, auch ihre Beutegelder in den Straßenbau und die Reparatur zu investieren. Im Jahre 20 v. Chr. übernahm Augustus mit verstärktem finanziellen Engagement die 'Sorge für die Straßen', die cura viarum. Ihm zur Seite gestellt war das senatorische Kollegium der curatores viarum, die die Bauarbeiten an Unternehmer vergaben und für deren Bezahlung durch die Staatskasse oder die Anliegergemeinden Sorge zu tragen hatten. 47 Wichtig waren auch die Errichtung von Relaisstationen und die Organisation der Bereitstellung von Transportkapazität. Dieses System unterstand in Italien einem 'Beauftragten für die von Herodes I. bis 70 n. Chr., Leiden/Köln 1976 2 ; speziell zur Rolle des Census und der Steuererhebung in Judäa: K. Bringmann, Steuern und Fremdherrschaft. Judäa zur Zeit Jesu, in: U. Schultz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an. Kleine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986, 51-63 mit 268-270. 47 S. dazu W. Eck, Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit, Vestigia 28, München 1979, 25 ff.

3.5. Die Administration Wagen', dem praefectus vehiculorum,48 Wagen und Zugtiere hatten die Anliegergemeinden bereitzustellen, nicht kostenlos, sondern gegen Bezahlung nach einem staatlichen Tarif. Dieses System wurde auch auf die Provinzen ausgedehnt, und da wie überall im staatlichen Steuer- und Requirierungssystem sich die Fälle des Mißbrauchs durch Amtsträger, Soldaten und lokale Eliten häuften, versuchte der Kaiser, durch entsprechende Anordnungen vorzubauen. Die Sorge für das Reich schlug sich nicht zuletzt in dem Bemühen nieder, die Exzesse des aus der Republik übernommenen Requirierungssystems zu minimieren und dem Mißbrauch zu steuern - dies freilich nicht immer mit durchschlagendem Erfolg (Q 62). Im übrigen erfolgte die Verwaltung des Reiches prinzipiell im Rahmen der Ordnung des Jahres 27 v. Chr. und der republikanischen Tradition. Die Zahl der Provinzen des Augustus stieg von zunächst fünf auf etwa dreizehn, die des Senats unterlag Schwankungen; schließlich erreichte sie die Zahl neun bzw. elf.49 Einige kaiserliche Verwaltungseinheiten unterstanden ritterlichen Praefecten: so vor allem Ägypten, daneben einige kleinere Amtssprengel im westlichen Alpen und Voralpengebiet, auf Sardinien und Korsika sowie in Judäa, das seit 6 n. Chr. einen Annex der großen kaiserlichen Provinz von Syrien bildete. Die senatorischen Prokonsuln besaßen für ihren Amtssprengel formal die gleiche umfassende zivile und militärische Gewalt wie der Kaiser in seinen Provinzen, doch da außer in Nordafrika keine Legionen in ihren Provinzen stationiert waren, büßte ihr Imperium praktisch seine militärische Funktion ein. Hinzu kam, daß Augustus erst als Konsul, seit 23 v. Chr. aufgrund eines imperiarti maius nach Bedarf auch in den Amtsbereich seiner Kollegen eingreifen konnte. Mit der Differenzierung in kaiserliche und senatorische Provinzen war auch eine Veränderung in der Aufsicht über das Finanz- und Steuerwesen verbunden. Unter den Prokonsuln nahmen diese Aufgabe Quaestoren wahr, unter den legati Augusti pro praetore persönliche Beauftragte des Kaisers, sogenannte Prokuratoren. Der Titel 48 W. Eck, a.a.O. 88 ff. 49 Senatorische Provinzen waren, nachdem Sardinien wegen der Notwendigkeit der Bandenbekämpfung 6 n. Chr. einem kaiserlichen Praefecten aus dem Ritterstand unterstellt worden war (Cass. Dio 55,28,1): Asia und Africa, die Baetica in Südspanien, die Narbonensis in Südgallien, Sicilia, Achaia, Cyprus sowie die Doppelprovinzen Creta et Cyrenae und Bithynia et Pontus.

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Darstellung / 3. Die Leistung stammt aus dem Privatrecht und bezeichnet den Geschäftsführer, der im Auftrag eines Eigentümers in der Vermögensadministration tätig war. Unter Augustus begegnen in dieser Funktion Freigelassene wie der berüchtigte Licinus, der Gallien zugunsten des Kaisers und der eigenen Tasche ausbeutete. Aber da die kaiserlichen Prokuratoren doch auch in öffentlicher Funktion auftraten, wurden die leitenden Positionen eher mit Angehörigen des Ritterstandes als mit Sklaven und Freigelassenen des Augustus besetzt. Aus diesen Anfängen entwickelte sich in der Kaiserzeit eine spezielle Hierarchie ritterlicher Beamter 50 . Der Entstehungsgrund des Amtes war übrigens nicht die politische Absicht, die senatorischen Quaestoren von der Finanzverwaltung in den kaiserlichen Provinzen auszuschließen. Es gab nur 20, und es war wegen der Fixierung des Senats auf 600 Mitglieder gar nicht möglich, ihre Zahl zu vergrößern. Diese 2 0 Magistrate reichten jedoch für den Bedarf der kaiserlichen und senatorischen Provinzen sowie der Stadt Rom nicht im entferntesten aus. Also war es notwendig, ein zusätzliches Personalreservoir zu erschließen. Ohne daß die republikanischen Grundlagen der Administration des Reiches preisgegeben wurden, ergaben sich aus der Veränderung der politischen Rahmenbedingungen Neuerungen, die pragmatischen Gesichtspunkten folgten und der Bekämpfung von Mißständen diensten. Aus ähnlichen Begründungszusammenhängen entwickelte sich auch der Ausbau einer stadtrömischen Administration. Die Unterstellung der neuen Ordnung unter die Losung der wiederhergestellten Republik entzog hier einem Konzept umfassender Veränderung von vornherein den Boden, aber auf einzelne Herausforderungen mußte reagiert werden, und in der Summe bewirkten die betreffenden Maßnahmen am Ende einen bedeutenden Zuwachs an Staatlichkeit unter kaiserlicher Führung. Der Zwang zum Handeln war bedingt durch die überdimensionierte Größe der Stadt - die Zahl der Einwohner wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auf 750.000 bis eine Million geschätzt.51 Die Mißstände lagen im Bereich der Lebensrnittel· und Wasserversorgung sowie der Kriminalität, der Brandgefahr und der periodisch wiederkehrenden Tiberüberschwemmungen. 50

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Vgl. Α. H. M. Jones, Procurators and Prefects in the Early Principate, in: ders., Studies in Roman Government and Law, Oxford 1968, 117 ff. mit Belegen. Zur Schätzung der Bevölkerungszahl Roms zur Zeit des Augustus vgl. jetzt F. Kolb, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 1 9 9 5 , 4 4 8 - 4 5 7 . Dort findet sich auch die ältere Literatur.

3.5. Die Administration Dem vorrangigen Problem der Getreideversorgung der Plebs begegnete Augustus anfangs keineswegs mit einer umfassenden Organisation nach dem Vorbild des Pompeius, sondern mit Aushilfsmaßnahmen. Als er 22 v. Chr. zur Übernahme der cura annonae gezwungen wurde, ließ er aus eigenen Mitteln Getreide ankaufen und durch senatorische curatores frumenti dandi verteilen. Zuteilungen von Getreide bzw. Geld wurden in periodischen Abständen immer wieder vorgenommen, und erst im Jahre 6 n. Chr., als es wegen einer katastrophalen Versorgungskrise zur Ausweisung von Fremden und Sklaven kam, entschloß sich der Kaiser, das Problem an der Wurzel zu fassen und die Beschaffung der notwendigen Zufuhr einem praefectus annonae aus dem Ritterstand anzuvertrauen (die Verteilung in Rom selbst blieb den senatorischen curatores frumenti dandi weiterhin vorbehalten). 52 Auch die Mittel zum Schutz der Großstadt vor Feuersbrünsten, vor Bandenkriminalität und Krawallen wurden, wie oben dargelegt worden ist (s. 3.1), in einer langen, auf Herausforderungen reagierenden Experimentierphase gefunden. Sie kam erst 6 n. Chr. mit der Aufstellung der sieben cohortes vigilum zum Abschluß. - 'Verstaatlicht' wurde im Jahre 12 v. Chr. auch die Fürsorge für die Wasserversorgung der Stadt. Bis dahin war M . Agrippa für sie mit privaten Mitteln aufgekommen. Sein früher Tod gab Anlaß, diese Aufgabe dann auf Staatskosten weiterzuführen und einer Kommission von drei curatores aquarum zu unterstellen (11 v.Chr.). 5 3 In ähnlicher Weise wurde im Zuge eines notwendigen Interventionsbedarfs eine weitere aus fünf Mitgliedern bestehende Senatskommission gebildet, der die Instandsetzung öffentlicher Bauten und Tempel sowie die Feststellung oblag, welcher Grund und Boden in Rom im öffentlichen Eigentum stand. 54

52 Zum Amt des praefectus annonae vgl. H. Pavis d'Escurac, La préfecture de l'annone, Rom 1976 und F. Kolb, a.a.O. 535-539 mit 716, Anm. 12. 53 W. Eck, Organisation und Administration der Wasserversorgung Roms, in: FrontinusGesellschaft (Hrsg.), Sextus Iulius Frontinus. Wasserversorgung im antiken Rom, München 1982, 63-77 = ders., Verwaltung (s. Anm. 38), 161-178; C. Bruun, The Water Supply of Ancient Rome, Helsinki 1991 und F. Kolb, a.a.O. 539-545 mit 716, Anm. 13. 54 Vgl. W. Eck, Cura viarum und cura operum publicorum als kollegiale Ämter im frühen Prinzipat, Klio 74, 1992, 241 und A. Kolb, Die kaiserliche Bauverwaltung der Stadt Rom. Geschichte und Aufbau der cura

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Darstellung / 3. Die Leistung Alles in allem ergibt sich das Bild, daß die bedeutenden Veränderungen in der Administration nicht dem Konzept einer umfassenden und grundlegenden Reform entsprangen. Es ging um pragmatische Lösungen zur Beseitigung von Mißständen, und um diese Lösungen zu finden und durchzusetzen, brauchte Augustus die lange Regierungszeit, die ihm trotz gesundheitlicher Krisen beschieden war.

3.6. Die Nachfolge: Das Problem und seine Lösung55 Augustus' überragende, um nicht zu sagen, monarchische Stellung in der res publica beruhte auf vier Faktoren: auf seinen öffentlich-rechtlichen Ausnahmegewalten, auf seinem riesigen und unerschöpflichen Privatvermögen, auf seiner vielgestaltigen Klientel (nicht zuletzt der sogenannten Heeresklientel) und seinem auf Leistung gegründeten Prestige. Alle der genannten Faktoren wirkten eng zusammen, und gerade deshalb warf die Perpetuierung seiner Stellung, an der der Friede der römischen Welt hing, schwierige Probleme auf. Die Ausnahmegewalten konnten durch Beschlüsse von Volk und Senat übertragen werden. Aber Vermögen, Klientel und informelle Macht waren der Person eigen und vererbten sich entsprechend der eingewurzelten aristokratischen Struktur der politischen Klasse innerhalb der Familie. Somit hatte eine Nachfolgeregelung einen öffentlichrechtlichen und einen privatrechtlichen Aspekt, und außerdem war zu bedenken, daß zur Nachfolge nicht zuletzt Leistung und Prestige prädestinierten. Die Lösung des Problems war um so schwieriger, als Augustus keinen Sohn, sondern nur eine Tochter aus zweiter Ehe hatte. Die Lösung, die am Ende gefunden wurde, war zwar sachgerecht, doch die Person des Nachfolgers war in Augustus' Augen dennoch nur zweite Wahl. Es handelte sich um seinen ältesten Stiefsohn Tiberius, und zum Nachfolger war er erst bestimmt worden, als

operum publicorum unter dem Prinzipat, Heidelberger althist. Beiträge und epigraph. Studien 13, Stuttgart 1993, 13-32. 55 Eine vorzügliche, knappe Skizzierung des Problems und seiner Lösung gibt W. Eck, Augustus und seine Zeit, 105-112; Ausführlich ist J. Bleicken, Augustus, 619-668 mit den Erläuterungen: 763 ff.

3.6. Die Nachfolge: Das Problem und seine Lösung den, als sich alle Pläne, die eigenen Blutsverwandten zu Erben auch seiner politischen Stellung zu machen, zerschlagen hatten. Sowohl diese Pläne als auch die am Ende getroffene Lösung kristallisierten sich erst in der langen Lebens- und Regierungszeit des Augustus heraus. Angesichts seiner stets gefährdeten Gesundheit stellte sich das Nachfolgeproblem verhältnismäßig früh, und im Jahre 23 v. Chr. wäre beinahe eine Katastrophe eingetreten. Augustus hatte zwei Jahre zuvor seine noch nicht vierzehnjährige Tochter Iulia mit seinem nur wenige Jahre älteren Neffen C. Claudius Marcellus verheiratet. Dieser Marcellus wurde in jeder Hinsicht gefördert, und er war als der nächste männliche Verwandte des Kaisers zu Höherem ausersehen.56 Aber als Augustus in der schweren politischen Krise des Jahres 23 v. Chr. ernstlich erkrankte und zu sterben befürchtete, war die neue Ordnung noch viel zu unausgereift, als daß sie ohne Gefahr eines neuen Bürgerkriegs einem jungen Mann ohne eigenes Gewicht hätte anvertraut werden können. Eine monarchische Sukzession durfte es in der wiederhergestellten Republik, als die sich der Principat präsentierte, legitimerweise ohnehin nicht geben. Alles war noch im Fluß, und so entschloß sich Augustus, einerseits den bewährten Freund und Helfer M. Agrippa die Verfügungsgewalt über sein Vermögen und die Führung der Anhängerschaft zu übertragen, indem er ihm seinen Siegelring aushändigte, und andererseits seinem Mitkonsul Cn. Calpurnius Piso die Verzeichnisse über Armee und Staatsfinanzen zu übergeben und so für den Fall seines Todes die Leitung der Staatsgeschäfte anzuvertrauen (Q 63). Die Zeit war noch nicht reif, dynastische und amtliche Stellung in der Hand eines Nachfolgers zu vereinen. Augustus gesundete, doch Marcellus starb zur selben Zeit. Der Kaiser mußte seine langfristigen dynastischen Pläne auf andere Weise verfolgen. Er verheiratete seine Tochter Iulia 21 v. Chr. mit dem viel älteren M. Agrippa (geb. 64 v. Chr.), und diese gebar drei Söhne, von denen der Großvater die beiden ältesten, Gaius und Lucius (geb. 20 und 17 v. Chr.) unmittelbar nach der Geburt des jüngeren 56

Zur Rolle des Neffen und ersten Schwiegersohnes des Augustus vgl. H. Brandt, Marcellus successioni praeparatus? Augustus, Marcellus und die Jahre 29-23 v. Chr., Chiron 25, 1995, 116. Marcellus war gewiß nicht eigentlich zum Nachfolger designiert, aber er wurde doch so stark gefördert, daß M. Agrippa sich zurückgesetzt fühlte, vgl. dazu: Veil. Pat. 2 , 9 3 , 2 ; Suet. Aug. 66,3; Cass. Dio 53,31,1-32,1 und R. Syme, Roman Revolution, 3 4 0 ff.

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Darstellung / 3. Die Leistung adoptierte. Der Vater der Kinder war, wie gesagt, Augustus' wichtigster Helfer und sozusagen der zweite Mann der 'Iulischen Partei'.57 Als solcher hatte er in der Krise des Jahres 23 v. Chr. Anteil an der übergeordneten prokonsularischen Gewalt des Kaisers gewonnen, die ihn für ein mehrere Provinzen umfassendes Kommando qualifizierte, das er im Orient (23-21 v. Chr.) sowie in Spanien und Gallien (20-19 v. Chr.) ausübte. Zusammen mit der Verlängerung der Prärogativen des Kaisers im Jahre 18 v. Chr. wurde auch das Imperium des Agrippa um fünf Jahre verlängert, darüber hinaus erhielt er damals auch Anteil an der tribunicia potestas und wurde so auch offiziell sein Helfer für die inneren Reformen und Maßnahmen des Jahres 18/17 v. Chr. Dann wurde er aufgrund seines prokonsularischen Imperiums mit einer Mission zur Neuordnung des Orients und, nach Verlängerung beider Amtsgewalten, des Balkans betraut (13/12 v. Chr.). Als Teilhaber an den außerordentlichen Gewalten des Augustus und als sein Schwiegersohn fiel ihm zugleich, ohne daß dies eigens ausgesprochen zu werden brauchte, die Rolle eines Platzhalters für seine beiden Kinder für den Fall zu, daß Augustus vorzeitig starb. Diese Stellung war insofern unproblematisch, als es sich bei den präsumtiven Erben um Agrippas leibliche Söhne handelte und ihm Loyalität gegenüber seinem Freund und Schwiegervater zur zweiten Natur geworden war (Q 64). Aber Agrippa starb 12 v. Chr., und daraufhin zwang Augustus seinen ältesten Stiefsohn Tiberius, sich von seiner geliebten Frau Vipsania scheiden zu lassen und die ungeliebte Witwe des Agrippa zu heiraten. Tiberius, als Meister umsichtiger Kriegsführung in Raetien bewährt, erhielt mehrere weitere Kommandos auf dem Balkan und in Germanien, und im Jahre 6 v. Chr. sollte er auch offiziell in die Stellung einrücken, die Agrippa eingenommen hatte: Er erhielt für fünf Jahre die tribunicia potestas und ein übergeordnetes Kommando im Orient, um Armenien dem römischen Einfluß zurückzugewinnen.58 Aber Tiberius war offensichtlich nicht gewillt, sich als Platz57 Zur Person und Rolle des 'Zweiten Mannes' s. die Biographie von J. M. Roddaz, Marcus Agrippa, Rom 1984 und R. Syme, Roman Revolution (Index). Aufschlußreich ist die Charakterisierung bei Veil. Pat. 2,79,1: "Er verstand sich aufs Gehorchen, aber nur einem einzigen gegenüber, allen anderen wollte er befehlen." 58 Cass. Dio 55,9,4 erwähnt die Übertragung eines solchen Kommandos nicht eigens, doch muß man von ihr ausgehen, wenn anders die Nachricht der Zuweisung Armeniens als Provinz einen Sinn macht. Zu Ti-

3.6. Die Nachfolge: Das Problem und seine Lösung halter für die Adoptivsöhne des Augustus gebrauchen zu lassen. Er begab sich in ein selbstgewähltes Exil nach Rhodos. Danach unterließ Augustus schlechterdings nichts, um seine Adoptivsöhne durch Ehrungen, Privilegien und öffentliche Funktionen als seine präsumtiven Nachfolger der Öffentlichkeit vorzustellen. 59 Doch 2 n. Chr., dem Jahr, in dem Tiberius nach Rom zurückkehrte, starb L. Caesar, der jüngere Adoptivsohn, zwei Jahre später folgte der ältere, C. Caesar, den Augustus als Teilhaber seines prokonsularischen Imperiums mit der Wiederherstellung der römischen Suprematie gegenüber den Parthern betraut hatte. N u n führte kein Weg mehr an dem einzigen Familienmitglied vorbei, das nach Alter, militärisch-administrativer Befähigung und Verdiensten am qualifiziertesten war. Trotz aller vorausgegangenen Spannungen und obwohl Augustus ein eher distanziertes Verhältnis zu seinem Stiefsohn hatte, zögerte er nicht mit der einzig verbliebenen sachgerechten Lösung des Nachfolgeproblems: Er adoptierte Tiberius am 26. Juni 4 n. Chr. und ließ ihm das imperium proconsulate und die tribunicia potestas übertragen. Im Testament wurde er als Haupterbe eingesetzt, und damit waren die Weichen gestellt, daß er nach Augustus' Tod auch das politische Erbe antreten konnte (Q 65). Dennoch kann nicht behauptet werden, daß Augustus bei der Regelung der Nachfolgefrage eine glückliche Hand hatte. Zwar war in einer langen Periode des Experimentierens die Methode gefunden worden, wie innerhalb der römischen res publica die monarchische Sukzession ins Werk gesetzt werden konnte, aber Augustus' Fixierung auf eine Nachfolgeregelung, bei der mehrere Kandidaten zugleich ins Auge gefaßt wurden, war eine Hypothek, die noch auf der endlich erreichten Lösung schwer lasten sollte. Es war schon problematisch genug gewesen, mit den unerfahrenen und wahrscheinlich überforderten Enkeln C. und L. Caesar zwei mögliche Nachfolger zugleich ins Auge zu fassen und es der Zeit oder dem Zufall zu überlassen, wem das politische Erbe zufallen würde. Aber gänzlich unsinnig war es, zusammen mit Tiberius auch noch den zur Nachfolge völlig ungeeigneten Agrippa Postumus (den jüngeren Bruder des C. und L. Caesar) zu adoptieren. Die Gefahren, die beim ersten berius' Stellung als Agrippas Nachfolger s. Veil. Pat. 2,99,1; Suet. Tib. 7,2 f.; Aug. 63,2 und Cass. Dio 54,31. 59 Zu den Einzelheiten s. J. Bleicken, Augustus, 637-644 mit den Erläuterungen 764 f. und in konzentrierter Form W. Eck, Augustus und seine Zeit, 109-111.

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Darstellung / 3. Die Leistung Thronwechsel durch diese Fehlentscheidung drohten, hat Augustus vor seinem Tod möglicherweise noch selbst gebannt, wenn anders der Befehl zur Tötung des seit 6 n. Chr. Verbannten noch von ihm ausgegangen ist.60 Aber als schwere Belastung erwies sich für seinen Nachfolger die anläßlich seiner Adoption ihm aufgezwungene Regelung, daß er, der aus erster Ehe einen leiblichen Sohn, den jüngeren Drusus, hatte, seinen Neffen Germanicus adoptieren und ihn so neben Drusus in den Rang eines präsumtiven Nachfolgers in der zweiten Generation erheben mußte. Die daraus entspringenden Konflikte sollten die Familienverhältnisse der iulisch-claudischen Dynastie und damit auch das politische Leben in Rom von Grund auf vergiften.

60 Dies war die Version des Tiberius. Die Affäre ist undurchsichtig und gab schon seinerzeit zu Mutmaßungen und Verdächtigungen Anlaß: vgl. Tac. Ann. 1,6,13. Moderne Historiker können zur Aufklärung nicht wirklich beitragen, doch s. Sh. Jameson, Augustus and Agrippa Postumus, Historia 24, 1975, 289 ff.

4. Augustus und die öffentliche Meinung

Verdienste um Staat und Mitbürger sowie um die im Römischen Reich geeinte Menschheit waren eine wesentliche Quelle von Autorität und Macht, und ihr äußeres Zeichen war die Ehrung, die öffentliche und die private. Augustus' Selbstdarstellung in seinem Tatenbericht ist geradezu nach dem Gesichtspunkt der Entsprechung von Leistung und Ehrung disponiert.1 Ob öffentliche Ehrungen genuiner Ausdruck ehrlicher Anerkennung waren, hing - unnötig zu sagen von den Umständen ab. Die übersteigerten Ehrungen, die Caesar nach seinen Siegen im Bürgerkrieg angeboten wurden, entsprangen mit Sicherheit nicht zuletzt dem Opportunismus des Senats, der durch die Befriedigung der notorischen Ruhm- und Ehrsucht Caesars das Wohlwollen des Siegers zu gewinnen suchte2 Es war Cicero, der sich mit dem Problem eines falsch verstandenen Strebens nach Ruhm und Ehre in seinen beiden letzten Lebensjahren auch theoretisch auseinandersetzte. Ihm ging es darum, Ruhm und Ehre an rechtes Handeln und an das Verdienst um die res publica (dies im optimatischen Sinn verstanden) zu binden und so zu verhindern, daß beides zum Vorwand persönlichen, gegen die res publica gerichteten Machtstrebens gemacht würde 3 Cicero denun1

2 3

Schon die beiden ersten Sätze enthalten die Entsprechung von Leistung und Ehrung, dann antwortet dem "Leistungsblock" der Kapitel 2-8 die Aufzählung der honores in 9-14, und schließlich entspricht die Aufzählung der Verdienste in den Kapiteln 15-33 die an den Schluß des Tatenberichts gestellten höchsten Ehrungen der Jahre 27 und 2 v. Chr. in den Kapiteln 34 f. Vgl. St. Weinstock, Divus Iulius, Oxford 1971 und M. Jehne, Der Staat des Diktators Caesar, Köln-Wien 1987, 191 ff. Vgl. K. Bringmann, Untersuchungen zum späten Cicero, Hypomnemata 29, Göttingen 1971, 196 ff. Zur anticaesarischen Tendenz des philosophischen Spätwerkes s. H. Strasburger, Ciceros philosophisches Spät-

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Darstellung / 4. Augustus und die öffentliche Meinung zierte Caesar und Antonius, aber er verhalf dem jungen Octavian zu jenen ersten außerordentlichen Ehren, die ihm als Sprungbrett zur Macht dienten, und er lieferte dazu die hochtönenden Begründungen - wohl nicht ohne eigene Bedenken und sicher gegen die dezidierte Gegenmeinung des M. Brutus, der mit Recht nichts davon hielt, den Erben Caesars als gottgesandten Retter der republikanischen Freiheit mit Hilfe außerordentlicher Ehren den Weg zu Höherem zu ebnen.4 Offiziell wurden die für Octavian im Januar 43 v. Chr. beschlossenen Privilegien, die ihn in ehrenvoller Weise von dem Odium des Usurpators befreiten, mit der Ideologie des Befreiers der (von Antonius und seinen Anhängern unterdrückten) res publica begründet. 5 Dann aber gaben der Sieg über Sex. Pompeius und die Ausschaltung des Lepidus Anlaß zu Ehrenbeschlüssen, von denen Octavian nur einen Teil annahm, unter anderem eine goldene Statue auf einer von Schiffsschnäbeln umgebenen Säule. Die dort angebrachte Inschrift feierte ihn als den "Wiederhersteller des Friedens zu Wasser und zu Lande". 6 Bedeutungsvoller und weitreichender waren die Octavian offiziell erwiesenen Ehrungen, nachdem er im Januar 27 v. Chr. die Verfügungsgewalt über den Staat, wie es hieß, Senat und Volk zurückerstattet hatte. 7 Für dieses Verdienst wurde ihm vom Senat auf Vorschlag des L. Munatius Plancus der Ehrenname Augustus verliehen, der ihn der göttlichen Sphäre annäherte und seine Person mit dem heiligen, von Romulus vollzogenen Gründungsakt, dem augustum augurium, im Zusammenhang brachte, aber ihn mit dem in römischen Ohren ambivalente Assoziationen auslösenden Namen des Stadtgründers - Romulus, der Gründer Roms, war auch Träger der verhaßten Königsherrschaft - nicht belastete. Die beiden Lorbeerbäume, die nach Senatsbeschluß den Eingang des Palastes auf dem

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werk als Aufruf gegen die Herrschaft Caesars, Spudasmata 45, Hildesheim 1990. Vgl. Cie. Brut. 10,2 f. Shackleton Bailey und 11,2 f. Die Formulierung des von einem Gott gesandten Octavian gebraucht Cicero in dem Brief 5,2 und zitiert sich damit selbst: s. folgende Anm. Cie. Phil. 5,43 ff.: der von einem Gott geschickte junge Mann, der Retter, für den die höchsten Ehrungen zu suchen sind; Phil. 13,25: der Neunzehnjährige als Vater des Vaterlandes; und Phil. 3,14: der Erbe Caesars als Bewahrer des Staates. App. b.c. 5,541 f. (s. Q 13). Aug. R.G. 34 (s. Q 20).

4. Augustus und die öffentliche Meinung Palatin flankierten, verliehen seiner Residenz die gleiche religiöse Weihe, wie sie die Regia, der Sitz des höchsten Opferpriesters, besaß, und der über der Eingangstür des Palastes angebrachte Eichenkranz ehrte Augustus als Retter der Bürger aus Kriegsgefahr. Darüber hinaus erkannten Senat und Volk Augustus einen Ehrenschild zu, der in der Curia Iulia auf dem Forum aufgehängt wurde und den Geehrten als Inbegriff der politischen Tugenden der Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und Pflichttreue gegenüber Göttern und Vaterland feierte. Weitere Ehrungen (Q 66) wurden ihm bei verschiedenen Gelegenheiten angeboten, angenommen wurde aber wiederum nur ein Teil: so (um nur das Wichtigste zu nennen) im Jahre 19 v. Chr. die Weihung eines Altars der Fortuna Redux als öffentlicher Dank für seine Rückkehr aus dem Osten und die Beilegung einer inneren Krise, die durch die Umtriebe des Egnatius Rufus und durch die Unruhen bei den Konsulwahlen entstanden war. 13 v. Chr. wurde bei Augustus' Rückkehr aus Gallien und Spanien die Errichtung der Ara Pacis auf dem Marsfeld beschlossen: Der Friede war Augustus verdankt, und dementsprechend erhielt die Friedensgöttin den Beinamen Augusta. Der letzte Höhepunkt der Ehrungen fand im Jahre 2 v. Chr. statt, als Augustus den ihm wiederholt angetragenen Ehrennamen eines 'Vaters des Vaterlandes' förmlich annahm. Mit diesem Titel wurde zum Ausdruck gebracht, daß sein und seines Hauses Wohl aufs engste mit dem des Staates zusammenhing. Die betreffende Ehreninschrift wurde unter dem Viergespann des Kaisers auf dem Forum Augustum angebracht sowie im Kaiserpalast und in der Kurie. Inschrift und Gestaltung des Forum Augustum stellten den Kaiser neben und über die großen Männer der Republik, mit deren Statuen er sein Forum schmückte. Auf diese Weise fand die teleologische, auf Augustus als den Vollender der göttlichen Bestimmung Roms zugeschnittene Deutung der römischen Geschichte, die Vergil seiner Aeneis zugrunde gelegt hatte (Q 67), eine sinnfällige Darstellung im öffentlichen Raum.8 Augustus selbst gab zu erkennen, daß er die Verleihung des Ehrentitels pater patriae als die authentische Anerkennung seiner Lebensleistung betrachtete: Er hatte den im Bürgerkrieg verlorenen Konsens wiederhergestellt, dem Staat auf der Grundlage seiner Tradition eine neue, wie er es sah, die beste Ordnung gegeben und im 8

Zum Forum Augustum s. Q 44.

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Darstellung / 4. Augustus und die öffentliche Meinung Rahmen der römischen Herrschaft der Welt den Frieden gebracht. Der Staatsakt vom 5. Februar des Jahres 2 v. Chr., in dem er zum Vater des Vaterlandes erhoben wurde, enthielt sozusagen das letzte Wort von Senat und Volk über seine Leistung: Mit dem Hinweis auf diese Ehrung endet der Tatenbericht des Augustus. Diese offiziellen Ehrungen, von denen hier nur die wichtigsten vorgestellt werden, sind im Benehmen und im Einverständnis zwischen den Ehrenden und dem Geehrten konzipiert worden. Augustus nahm Einfluß auf ihre Ausgestaltung und auf ihren Umfang, von ihm erzwungen wurden sie nicht. Auch mit einer von ihm gesteuerten Organisation der öffentlichen Meinung wird man nur sehr bedingt rechnen dürfen. 9 Ein Äquivalent eines modernen Amtes für regierungsamtliche Verlautbarungen hat es nicht gegeben. Augustus besaß sehr wohl einen entwickelten Sinn für literarische und künstlerische Qualität, und er legte Wert darauf, daß seine Person und sein Werk nur von den großen Dichtern und Künstlern seiner Zeit gewürdigt wurden. 10 Aber er gab keine Sprachregelungen vor; er konnte darauf vertrauen, daß die Resonanz seiner Leistungen in der breiten Öffentlichkeit dem Tenor der offiziellen Ehrungen entsprach, daß ihn also insoweit, um einen neuerdings zur Charakterisierung der Verhältnisse unter Hitler gebrauchten Ausdruck zu verwenden, "entgegengearbeitet" wurde. 11 Denn daß Augustus die Welt aus dem Chaos des Bürgerkrieges gerettet, Frieden, Wohlstand und gesetzliche Ordnung auf eine feste und dauerhafte Grundlage gestellt hatte, brauchte einer widerstrebenden Öffentlichkeit nicht mit den Mitteln der Propaganda eingeredet werden - dies um so weniger, als die neuen Verhältnisse sich festigten und Dauer gewannen (Q 68). Genuiner Ausdruck der öffentlichen Resonanz war reichsweit die kultische Verehrung des Augustus.12 Ihre allgemeine Voraussetzung 9

So jedoch R. Syme, Roman Revolution, 459-475 in dem berühmten Kapitel "The Organization of Opinion". 10 Suet. Aug. 89,3. 11 " D e m Führer entgegenarbeiten", aus der Rede eines Staatssekretärs im preußischen Landwirtschaftsministeriums vom 21. 2. 1934, zitiert und als Kapitelüberschrift verwendet von I. Kershaw, Hitler 1889-1936, Stuttgart 1998, 665. 12 Z u m Augustus und Kaiserkult gibt es wegen der überreichen Dokumentation eine fast unübersehbare Literatur. Ich nenne nur das Grundlegende: an erster Stelle Chr. Habicht, Die augusteische Zeit und das erste Jahrhundert nach Christi Geburt, in: W. den Boer (Hrsg.), Le culte de

4. Augustus und die öffentliche Meinung lag in einer spezifischen Ausprägung des antiken Polytheismus: daß jede Manifestation einer überwältigenden Macht, die Menschen in ihren Bann schlägt, als göttlich aufgefaßt werden konnte - Schönheit, Körpergröße oder die helfende, rettende Macht politisch Einflußreicher, der Könige und Dynasten. Die Träger solcher als göttlich empfundenen Überlegenheit waren sterbliche Menschen, und trotzdem waren sie, obwohl sie nicht Anteil an göttlicher Unsterblichkeit hatten, aufgrund ihrer überwältigenden segenstiftenden Macht zum Empfang kultischer Ehren legitimiert. Derartige Vorstellungen lagen an den Wurzeln der hellenistischen Kulte für Wohltäter und Herrscher, und derartige Kulte waren seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. auch römischen Wohltätern und Mächtigen im Osten, insbesondere den Prokonsuln von Asia, gewidmet worden. Rom und die Römer rückten auch kollektiv in die Rolle hellenistischer Könige ein und empfingen als gemeinsame Retter kultische Ehren. Retter waren sie nicht nur für einzelne Gemeinden, sondern unter Umständen, in Hinblick auf die römische "Weltherrschaft", für das gesamte Menschengeschlecht. Mit seinem Sieg im Bürgerkrieg fiel Caesar die Rolle des Repräsentanten Roms zu. Der Landtag der Provinz Asia bezeichnete ihn als "den auf Erden leibhaftig erschienenen Gott und Retter des Menschengeschlechts" 13 , und mit Caesar waren derartige Formen hellenistischer Ehrungen, die es in Rom auf nichtstaatlicher Ebene schon seit der Gracchenzeit gab, offiziell, d. h. von Senat und Volk, aufgegriffen worden. Was Octavian anbelangt, ist mit der Vorstellung der kultischen Verehrung des Retters schon gespielt worden, als er im allgemeinen noch mehr verflucht als verehrt wurde. Der Dichter Vergil war nach der Schlacht von Philippi von den Landenteignungen bedroht, konnte jedoch eine Ausnahmeregelung für seine Person erwirken. In souverains dans l'empire romain, Entretiens Fondation Hardt XIX, Vandoeuvres-Genève 1973, 4 1 - 8 8 ; weiterhin D. Fishwick, The Imperial Cult in the Latin West. Studies in the Ruler Cult in the Roman Empire, 2 Bde. in 4, Leiden et al. 1 9 8 7 - 1 9 9 2 ; S. R. F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984; A. Small (Hrsg.), Subject and Ruler: The Cult of the Ruling Power in Classical Antiquity, Ann Arbor 1996 und schließlich das materialreiche, den Herrscherkult als religiöses Phänomen ernstnehmende Buch von M. Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart-Leipzig 1999. 13

Syll.3 760.

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Darstellung / 4. Augustus und die öffentliche Meinung einem verschlüsselt autobiographischen Gedicht, der ersten Ekloge, heißt es im Hinblick auf den fernen Retter in Rom: "Denn jener wird mir immer ein Gott sein." 14 Von dieser literarischen Bezeugung individueller Dankbarkeit war es ein weiter Weg bis zu der Szene in der Bucht von Puteoli, als die Besatzung und die Passagiere eines alexandrinischen Schiffes dem vorüberfahrenden Augustus in dessen letzten Lebenstagen eine kultische Huldigung darbrachten. Weiß gekleidet, mit Kränzen geschmückt und Weihrauch verbrennend sprachen sie ein Dankgebet: Ihm verdankten sie das Leben, ihm das Befahren des Meeres, ihm den Genuß von Freiheit und Wohlstand. 15 Dies war keine Loyalitätserklärung aus opportunistischer Rücksicht, sondern Ausdruck spontaner Dankbarkeit, die Augustus als dem Begründer des Friedens auf Erden entgegengebracht wurde. Die Friedenssehnsucht, die in der Bürgerkriegszeit die Prophezeiung eines künftigen Retters gebar, faßbar in Vergils 4. Ekloge und im Weihnachtsevangelium des Lukas, schien ihre Erfüllung gefunden zu haben. Das Kind der 4. Ekloge, den künftigen Retter der Welt, mit einer realen Person zu identifizieren ist müßiges Spiel - aber nach Begründung des Principats wußte Vergil, wer das gelobte Goldene Zeitalter begründet hatte: "Ja er, er ist's, der oft schon dir verheißen, Augustus Caesar, der Sohn des Gottes. Die Goldenen Zeiten wird er wiederbringen Latinerauen, wo Saturn einst herrschte." 16 Der kultische Ausdruck verbreiteter Dankbarkeit und Loyalität gegenüber dem "Retter des Menschengeschlechts" blieb nicht auf Individuen beschränkt, sondern fand einen breiten Niederschlag in den Dekreten der Städte, in denen eine Fülle kultischer Formen mit entsprechenden Begründungen die Verehrung des Augustus regulierte (Q 69). Die Städte waren in dieser Hinsicht frei, und mit Recht ist hervorgehoben worden, daß auch die Gemeinden Italiens keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Form der gewählten Verehrung unterlagen. Was ihre Begründung anbelangt, so tritt bei allen Unterschieden doch ein Hauptmotiv immer wieder hervor. In der Formu14 Verg. Ecl. 1,610. 15 Suet. Aug. 98,2. 16 Verg. Aen. 6,791-794: die Übersetzung folgt E. Norden (s. Q 67, Anm. 10), mit Ausnahme der Wiedergabe von divi genus.

4. Augustus und die öffentliche Meinung lierung eines Dekrets aus dem kleinasiatischen Halikarnassos lautet es: "Land und Meer haben Frieden, die Städte blühen durch gesetzliche Ordnung, Eintracht und Wohlstand, an allem Guten herrscht Überfluß, für die Zukunft besteht gute Hoffnung, in der Gegenwart (herrscht) guter Mut." 17 Der Ausdruck der Dankbarkeit mag hyperbolisch anmuten: Gegen den düsteren Erfahrungshintergrund der Bürgerkriegszeit gehalten bringt er jedoch genau den Stimmungsumschwung zum Ausdruck, der die Verehrung des "Retters der Welt" trug. Augustus selbst griff nur dort regulierend in die Verehrung seiner Person ein, wo die res publica und ihre Herrschaftsorganisation betroffen waren, d. h. in Rom und in den Provinzen. Was letztere betrifft, so waren die Regelungen richtungsweisend, die nach dem Sieg über Antonius und Kleopatra im Winter 30/29 v. Chr. für die Provinzen Asia und Bithynia getroffen wurden. Vorausgegangen waren Beschlüsse der Landttage über die kultische Verehrung des Siegers, die dieser in der beschlossenen Form nicht annahm. Er modifizierte sie in der Weise, daß er die Verehrung seiner Person durch die Provinzialen nur in Verbindung mit Roma in Pergamon und Nikomedeia zuließ und sie für römische Bürger ausschloß. Ihnen war der Kult seines Vaters, des Gottes Caesar, zusammen mit Roma in Ephesos und Nikaia gestattet.18 Nach 25 v. Chr. und noch zu Lebzeiten des Augustus wurde nach diesem Vorbild auch der Herrscherkult in der neuen Provinz Galatien organisiert. Im Westen fehlten zunächst die aus dem Hellenismus stammenden Traditionen des Herrscher- und Wohltäterkultes, und es fehlte auch der organisatorische Unterbau eines solchen Kultes auf Provinzialebene, d. h. die Institution eines Landtages. In den alten, bereits stark romanisierten Provinzen gab es unter Augustus keine Initiativen zur Begründung von Provinzialkulten, weder von seiten der Provinzialen noch von seiten der Regierung. Aber für die unruhigen und noch unbefriedeten Provinzen wurde die Institutionalisierung von Provinzialkult und -landtag als ein Mittel der Herrschaftsstabilisierung eingesetzt. Im Jahre 12 v. Chr. errichtete Drusus in Lugdunum eine Ara Romae et Augusti und bestimmte die Stadt zum Sitz des Landtages der drei gallischen Provinzen (Aquitania, Gallia Lugdunensis und Belgica). Eine gleiche Funktion für Germanien war wohl auch der

17 Ehrenberg/Jones 98a (s. Q 69). 18 Cass. Dio 51,20,6-9 (s. Q 69).

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Darstellung / 4. Augustus und die öffentliche Meinung Ara Ubiorum in Köln zugedacht. In diesen Fällen sollte der gemeinsame Kult die Loyalität erst schaffen und befestigen, deren Ausdruck er in den Städten des Reiches und den Provinzen Kleinasiens bereits 19

war. Mit dem Herrscherkult in Verbindung steht auch das Institut des sogenannten Kaisereides. Er diente der Sicherung der Loyalität der gesamten Reichsbevölkerung. Im Westen war ein Loyalitätseid bereits vor Ausbruch des Krieges gegen Antonius und Kleopatra von römischen Bürgern und Provinzialen in einer Form gefordert und geleistet worden, die dem Diensteid bei Mobilisierung der gesamten wehrfähigen Bevölkerung entsprach. Im Osten bot der in hellenistischer Zeit entwickelte Loyalitätseid, der in prekärer Situation hellenistischen Königen von seiten griechischer Bürgerschaften geleistet wurde, den geeigneten Anknüpfungspunkt. Mit Mischformen ist dort zu rechnen, wo Provinziale und römische Bürger gemeinsam den Treueeid auf den Kaiser und sein Haus leisteten, wie es einige Jahre nach Einbeziehung von Paphlagonien in die Provinz Galatien geschehen ist. Das Formular des betreffenden Eides, in dem Augustus, der Empfänger des Treueeids, zugleich als Schwurgottheit angerufen wird, hat sich inschriftlich erhalten (Q 70). Was Rom anbelangt, so demonstrierte Augustus größere Zurückhaltung als in den Provinzen. Auch dort hatte er betont, daß er Mensch und nicht Gott sei, und er hatte nur zugelassen, daß er von der Gemeinschaft der Provinzialen zusammen mit der Göttin Roma kultische Ehren empfing. In Rom gab es keinen offiziellen Kult seiner Person, wenigstens nicht direkt, aber es gab doch die Verehrung des Numen oder des Genius Augusti oder die enge Verbindung seiner Person mit den Göttern wie Apollo, Vesta, Mars Ultor, Fortuna Redux oder mit abstrakten göttlichen Potenzen wie Pax und Concordia. Viele von diesen religiösen Ehrungen hatten, wie St. Weinstock gezeigt hat,20 ihren Ursprung in denen, die dem Diktator Caesar erwiesen worden waren. Aber bezeichnenderweise ließ Augustus den Kult seiner Person oder eines durch seine Person bestimmten Gottes, wie er für Caesar vor seiner Ermordung beschlossen wurde (Iuppiter Iulius), nicht zu, obwohl er doch im Jahre 44 v. Chr. öffentlich geschworen hatte, so wahr es ihm gestattet sein möge, für sich die Ehrungen seines Adoptivvaters zu erlangen. Chr. 19 Liv. Perioch. 139 und Cass. Dio 54,32,1 sowie Tac. Ann. 1,57,2 (s. Q 69). 20 S. oben Anm. 2.

4. Augustus und die öffentliche Meinung Habicht sieht in der nach Actium vollzogenen Abkehr von diesem Vorsatz, soweit er die kultische Verehrung seiner Person in Rom betrifft, die Konsequenz der durch den Kompromiß des Jahres 27 v. Chr. notwendig gewordenen Umorientierung.Wie immer man aber daüber urteilt: Augustus demonstrierte Mäßigung, indem er betonte, daß er Mensch und nicht Gott sei und indem er in Rom dem Senat den offiziellen Kult seiner Person ersparte. Aber diese Mäßigung muß vor dem Hintergrund der allseitigen Bereitschaft von Bürgern und Peregrinen gesehen werden, Augustus als den Retter des Staates und der zivilisierten Welt wie einen Gott zu ehren. Trotzdem war der blutige Weg des jungen Caesar zur Macht nicht vergessen, und Gleiches gilt auch für die Zeit der Unruhen und Verschwörungen, die als eine gefährliche Herausforderung die Konsolidierung der neuen Ordnung in den 20er Jahren bedroht hatten. Insbesondere in den Kreisen des Senats wurden diese Erinnerungen wach gehalten, und das Medium dieser Erinnerung war die senatorische Geschichtsschreibung. Verwunderlich ist das nicht. Der Senatorenstand hatte während Octavians Aufstieg einen hohen Blutzoll erbringen müssen, und er zahlte als politisches Führungsorgan der Republik den Preis für die Verlagerung der Macht im Staat auf Augustus. Hinzu kommt, daß Geschichtsschreibung für die Angehörigen der Senatsaristokratie seit langem dazu diente, das Urteil der Nachwelt über die Vergangenheit zu formen. Sie war gewissermaßen Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, und obwohl die Werke der senatorischen Geschichtsschreibung, die von Zeitgenossen des Augustus nach dessen Tod verfaßt wurden, verloren sind (mit Ausnahme der Römischen Geschichte des Vellerns Paterculus, die wegen ihres kaiserhörigen Loyalismus für die Gattung kaum repräsentativ ist), erlauben doch das in severischer Zeit entstandene Geschichtswerk des Cassius Dio und vor allem der Eingang der Annalen des Tacitus, die Grundlinien einer im Senatorenstand verbreiteten kritischen Sicht zurückzugewinnen (Q 71). Der Blickwinkel, unter dem Octavian/Augustus gesehen wurde, ist bei Tacitus ganz auf seinen wohlkalkulierten Weg zur Gewinnung und zur Stabilisierung der Alleinherrschaft gerichtet. Von diesem Standpunkt aus betrachtet war es nur konsequent, daß die vorsichtige Mäßigung, mit der er nach Actium die innere Befriedung betrieb und breite Zustimmung gewann, nicht als Bruch mit der vor Actium verfolgten politischen Linie betrachtet wurde, sondern als ihre kluge, um nicht zu sagen: schlaue Fortsetzung mit anderen Mitteln - solchen, die den veränderten Verhältnissen angemessen erschienen. Die Erhebung des in

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Darstellung / 4. Augustus und die öffentliche Meinung den Himmel aufgefahrenen Augustus zum Gott des römischen Staates war deshalb Tacitus allenfalls eine dürre Tatsachenfestellung wert, die den Kontrast zur ausführlichen Kritik an der irdischen Laufbahn des neuen Gottes bildet. Diese Sehweise ist gewiß nicht verkehrt, aber sie ist insofern einseitig, als sie weniger die objektive Seite der Leistung des Augustus als die subjektiv-machtpolitische in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt und zum Maßstab des Urteils macht. Freilich ist auch das nur allzu verständlich: Schließlich handelt es sich um den Standpunkt von Angehörigen eines Standes, der die Überwindung des Bürgerkriegs und die Befriedung der politischen Verhältnisse mit seinem Machtverlust bezahlt hatte. Auf der anderen Seite kann der senatorischen Geschichtsschreibung der frühen Kaiserzeit jedoch eines nicht vorgeworfen werden: daß sie die Verhältnisse der späten Republik idealisierte.21 Sie blieb sich immer bewußt, daß der Aufstieg des Augustus zu einer verdeckten Alleinherrschaft darin ihren Ursprung hatte, daß die Republik der Kette von Gewalt und Bürgerkrieg mit ihren Mitteln nicht mehr Herr werden konnte. Tacitus versteht das Kaisertum als das Endprodukt einer Militarisierung der inneren Auseinandersetzungen in der späten Republik, und er formulierte die Quintessenz des politischen Urteils seines Standes wie folgt: "Es gab kein anderes Heilmittel mehr für das von Zwietracht zerrissene Vaterland, als daß ein einziger herrschte." 22 Mit Augustus - das erkannte auch die ehemals herrschende politische Klasse Roms an kam der Friede, aber es waren nicht der Friede und die Eintracht, die mit der Herrschaft des Senats vereinbar gewesen wären. Mit der Freiheit des Senats, seinen politischen Willen zu formulieren und durchzusetzen, war es vorbei, und in diesem Sinne mag das kritische Urteil des zurückblickenden Historikers das bittere Wort in Lucans Bürgerkriegsepos sich zu eigen machen: "Mit dem Herrn (sc. dem Kaiser) kam dann diese Art von Frieden."23

21 Zu Tacitus' Bild der späten Republik vgl. D. Flach, Tacitus in der Tradition der antiken Geschichtsschreibung, Hypomnemata 39, Göttingen 1973, 187 ff. und ders. Einführung in die römische Geschichtsschreibung, Darmstadt 1993 3 , 247 ff. 22 Tac. Ann. 1,1,1; 9,4 und 4,33,2 mit der Konjektur und Interpretation von K. Bringmann, Tacitus, Ann. 4,33,2 über den Scheinkonstitutionalismus?, Historia 20, 1971, 376-379. 23 Lucan, Phars. 1,670.

II. Quellen

1. Der Erbe Caesars

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Q 1 : Testament und Erbschaft Suet. Caes. 83,2 1 Aber in seinem letzten Testament setzte er als Erben die Enkel seiner Schwester ein, Gaius Octavius zu drei Vierteln, Lucius Pinarius und Quintus Pedius2 für das verbleibende Viertel; ganz zum Schluß des Testaments adoptierte er sogar Gaius Octavius in Familie und Namen.3 Sehr viele seiner Mörder nannte er unter den 1 2

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Parallelüberlieferung zum Testament Caesars: Nik. Dam. Vit. Caes. 30; 48; Liv. Perioch. 116; App. b. c. 2,596 f.; Cass. Dio 44,35,23. Octavians Miterben, L. Pinarius und Q. Pedius, waren nach Suetons Angaben ebenfalls Enkel einer uns unbekannten Schwester Caesars (möglicherweise gab es neben Octavians Großmutter sogar zwei weitere Schwestern). Da Q. Pedius bereits 57 v. Chr. als Legat Caesars in Gallien nachweisbar ist (Caes. B.G. 2,2,1 und 11,3), also erheblich älter als Octavian war, wird auch mit der Möglichkeit gerechnet, daß er ein Neffe und nicht wie Octavian ein Großneffe Caesars war: Zu der verwickelten Frage vgl. F. Münzer, Aus dem Verwandtenkreis Caesars und Octavians, Hermes 71,1936, 226-230. Die Adoptionsklausel hat eine kontroverse wissenschaftliche Diskussion hervorgerufen: W. Schmitthenner, Octavian und das Testament Caesars. Eine Untersuchung zu den politischen Anfängen des Augustus, München 19732, 44 ff. bestreitet, daß es sich um eine Adoption im Rechtssinn gehandelt habe, und spricht von der an das Erbe geknüpften Bedingung einer Namensübernahme: vgl. neuerdings Chr. Kunst, Adoption und Testamentadoption in der Späten Republik, Klio 78, 1996, 87-104. Von einer gefälschten Klausel spricht ohne durchschlagende Beweise H. Rosendorfer, Die angebliche Adoption des Augustus durch Caesar, Abh. d. Akad. d. Wiss. u. Lit. Mainz, geistes- u. sozialwiss. Kl. 1990, Nr. 1. Die größte Wahrscheinlichkeit hat die Auffassung für sich, daß in der späten

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars Vormündern seines Sohnes, falls ihm noch einer geboren würde, Decimus Brutus4 sogar unter den Nacherben. Dem Volk insgesamt hinterließ er seinen Park am Tiber, jedem einzelnen 300 Sesterzen.

Suet. Aug. 8,2J

Als Caesar nach der Unterwerfung Spaniens einen Feldzug gegen die Daker und dann gegen die Parther plante, wurde er (sc. Octavius) nach Apollonia vorausgeschickt und widmete sich dort den

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Republik kein Unterschied zwischen der Adoption unter Lebenden und der Namensübertragung per Testament gemacht wurde: in diesem Sinn D. Kienast, Augustus, 6 ff. und J. Bleicken, Augustus, 692 ff., der auf einen bei Cie. De off. 3,74 erwähnten Parallelfall hinweist. Ein formeller öffentlicher Akt, die Adrogation durch die Curiatcomitien, war demnach für die Aufnahme in das Iulische Geschlecht nicht notwendig. Dennoch bemühte sich Octavian um der Publizität willen darum, doch konnte die Zeremonie erst vollzogen werden, nachdem er im August 43 v. Chr. den Konsulat angetreten hatte: Cass. Dio 46,47,4-7 und App. b. c. 3,389-391. D. Iunius Brutus Albinus war Legat Caesars im Gallischen Krieg, verwaltete in dessen Auftrag 47/46 v. Chr. Gallia Cornata und bekleidete in der zweiten Hälfte des folgenden Jahres die Praetur. Anfang 44 v. Chr. wurde ihm die Schlüsselprovinz Gallia Cisalpina unterstellt, und er sollte während Caesars Abwesenheit 42 v. Chr. den Konsulat erhalten: vgl. F. Münzer, s. v. Iunius Nr. 55a, RE Suppl. V, 373-375. Die Ereignisse bis zur Annahme der Erbschaft werden von Nik. Dam. Vit. Caes. 16-18 unter Benutzung der Autobiographie des Augustus ausführlicher geschildert als von Sueton: Octavian landete Anfang April in Lupiae (heute Lecce), erhielt dort genauere Nachrichten über das Geschehen in Rom und über Caesars Testament, reiste weiter nach Brundisium, wo ihn ein Brief seiner Mutter und ein weiterer seines Stiefvaters mit dem Rat erreichte, die gefährliche Erbschaft abzulehnen. Octavian entschied sich anders und traf am 14. April in Neapel ein (Cie. Att. 14, 10,3). Am 22. besuchte er in Puteoli Cicero, der von dem Einfluß seiner Umgebung nichts Gutes für die Sache der Republik erwartete (Cie. Att. 14,12,2). In Rom angekommen erklärte er Anfang Mai vor dem Stadtpraetor C. Antonius die Annahme der Erbschaft und hielt in einer von dem Volkstribunen L. Antonius (auch er ein Bruder des Konsuls M. Antonius) einberufenen formlosen Versammlung eine Ansprache an das Volk. Am 11. Mai wartete Cicero noch auf nähere Nachrichten (Cie. Att. 14,20,5; 21,4), am 18. Mai hatte er Kenntnis vom Inhalt der Ansprache (Cie. Att. 15,2,3).

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Studien. Und sobald er erfahren hatte, daß jener ermordet und er der Erbe sei, war er sich lange unsicher, ob er nicht die in der Nähe stationierten Legionen um Hilfe anflehen sollte, doch verwarf er diesen Plan als überstürzt und voreilig. Im übrigen trat er nach der Rückkehr nach Rom die Erbschaft an, obwohl seine Mutter Bedenken hatte, sein Stiefvater, der Konsular Marcius Philippus,6 sogar nachdrücklich abriet.

Q 2: Octavian als Sohn des Gottes Caesar Nach Caesars Ermordung weigerte sich die zuständige Priesterschaft, die Spiele auszurichten, die 46 v. Chr. der Venus, der Stammutter des Iulischen Geschlechts, im Namen des Sieges Caesars, Victoria Caesaris, gelobt worden waren. Der Privatmann Octavian trat an ihre Stelle und veranstaltete nach langer Vorbereitung und unter finanzieller und persönlicher Mithilfe alter Freunde des Diktators die Spiele vom 20. bis 30. Juli 44 v. Chr. 7 Dabei kam es zum Zusammenstoß mit dem Konsul M. Antonius, der verhinderte, daß Octavian den goldenen Sessel des Diktators und seinen Kranz, den der Senat ihm zuerkannt hatte, als Zeichen seiner Präsenz aufstellte. In dieser Situation tat das Himmelszeichen des Kometen seine Wirkung. Augustus nahm in seiner vor 22 v. Chr. abgeschlossenen, bis zum Kantabrischen Feldzug 25 v. Chr. reichenden Autobiographie, Commentarti de vita sua (oder De vita sua), auf die Himmelserscheinung in F VI Malcovati wie folgt bezug: Genau an den Tagen meiner Spiele wurde ein Gestirn mit einem Schweif sieben Tage lang am nördlichen Teil des Himmels erblickt. Es ging um die elfte Stunde des Tages auf und war hell und für alle auf Erden sichtbar. Die Menge glaubte, durch dieses Gestirn werde angezeigt, daß Caesars Seele unter die Wirkkräfte der unsterblichen Götter aufgenommen worden sei, weshalb dieses (Him6

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L. Marcius Philippus, Konsul 56 v. Chr., heiratete Atia nach dem Tod des C. Octavius 58 v. Chr. Er hatte anfangs durchaus ein kritisches Urteil über die Aussichten seines Stiefsohnes: vgl. Cie. Att. 14,12,2, unterstützte ihn jedoch, nachdem dieser sich entschlossen hatte, das Erbe anzunehmen. Cie. Att. 15,2,3; Farn. 11,28,6; Nik. Dam. Vit. Caes. 108; Suet. Aug. 10,1 und Cass. Dio 45,6,4-7,2.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars mels)zeichen dem Abbild seines Kopfes, das wir bald darauf auf dem Forum weihten, hinzugefügt wurde. Der ältere Plinius, dem wir dieses Zitat verdanken, fügt in Ν. H. 2, 94 folgenden Kommentar hinzu: "Dies sind seine für das Publikum bestimmten Worte; mit innerer Freude aber interpretierte er den (am Himmel erschienenen) Caesar so: daß er für ihn geboren und er in ihm geboren sei - und wenn wir die Wahrheit bekennen wollen, so war das die Rettung für die ganze Welt." Das war ein Urteil aus der Retrospektive. Was im Juli 44 v. Chr. zählte, war der Glaube des Volkes, der dem Gottessohn Octavian ebenso nutzte wie die Prophezeiung des Haruspex Vulcatius, daß der Komet das Ende des neunten und den Beginn des zehnten Weltalters bezeichne.8

Das Sidus lulium Augustus. Denar 19/18 v. Chr., Münzstätte: Colonia Caesaraugusta (Hispania). RIC2, 37 b. Vs.: Mit Eichenkranz geschmückter Kopf des Augustus nach links gewendet; Legende: CAESAR - AVGVSTVS. Rs.: Achtstrahliger Komet; Legende: links und rechts DIWS - TVLIVS. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1063 (1,5:1).

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Parallelüberlieferung zum sidus lulium: Suet. Caes. 88; Ovid, Metamorph. 15,749;840;850; Cass. Dio 45,6,4-7,2. Literatur: St. Weinstock, Divus Iulius, Oxford 1971, 370 ff. und neuerdings J. Ramsey/A. Lewis Licht, The Comet of 44 B.C. and Caesar's Funeral Games, Atlanta 1997. Zur Prophezeiung des Vulcatius vgl. I. Hahn, AAHung 16,1968, 239 ff.

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Q 3: Cicero und Octavian Ciceros Briefwechsel mit seinem Jugendfreund M. Pomponius Atticus aus dem Jahre 44 v. Chr. gibt einen einzigartigen Einblick in Octavians - schließlich erfolgreiche - Bemühungen, den angesehenen Konsular als Verbündeten für seine hochverräterische Politik zu gewinnen. Zugleich dokumentieren die Briefe, daß sich Cicero wider besseres Wissen auf das Bündnis gegen den mit ihm verfeindeten Konsul M. Antonius eingelassen hat. Näheres zu Ciceros Rolle: M. Geizer, Cicero. Ein biographischer Versuch, Wiesbaden 1969, 346 ff.; Chr. Habicht, Cicero der Politiker, München 1990, 95 ff. und J. Bleicken, Augustus, 101 ff. mit Anmerkungen 697 ff. Cie. Att. 15,12,2 (ca. 10. Juni 44 v. Chr.) In Octavian steckt nach meiner Beobachtung genug Intelligenz, genug Beherztheit, und er macht den Eindruck, daß er gegenüber unseren Heroen9 so, wie wir es wünschten, gesinnt sein werde. Aber welches Zutrauen man in sein Alter setzen darf, welches in seinen Namen, welches in sein Erbe, welches In seine Erziehung das ist die große Frage. Sein Stiefvater10 hält jedenfalls nichts davon - ich sah ihn in Astura.11 Doch muß man ihn ermutigen und, wenn schon nichts anderes, von Antonius trennen. Cie. Att. 16,8,12 (2. November 44) (1) Am Abend des ersten erhielt ich einen Brief von Octavian. Er plant Großes. Die Veteranen in Casilinum und Calatia12 hat er auf seine Seite gebracht. Kein Wunder, er gibt jedem 500 Denare. Er plant, die übrigen Kolonien zu besuchen. Das läuft klar darauf hinaus, daß unter seiner Führung Krieg mit Antonius geführt wird. Also werden wir, sehe ich, in einigen Tagen unter Waffen stehen. Wem aber sollen wir folgen? Sieh auf den Namen, sieh auf das Alter! Und er stellt Forderungen - vor allem an mich, heimlich mich 9 Gemeint sind die Caesarmörder. 10 L. Marcius Philippus: zu seiner Person s. oben Anm. 6. 11 Name einer in der Mündung des gleichnamigen Flusses gelegenen kleinen Insel an der latinischen Küste, auf der Cicero eine Villa besaß. 12 In Kampanien an der Via Appia gelegene Gemeinden, in die Caesar Veteranenkolonien deduziert hatte: Cie. Phil. 2,102; Veil. Pat. 2,61,2 und App. b. c. 3,40. In Calatia hatte M. Antonius im Frühjahr 44 v. Chr. ebenfalls Veteranen angesiedelt.

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Quellen / 1 . Der Erbe Caesars mit ihm in Capua oder nicht weit von Capua zu treffen. Kindisch ist es allerdings, wenn er glaubt, das könnte heimlich geschehen. (2) Ich habe ihn brieflich unterrichtet, das sei weder notwendig noch möglich. Er schickt mir einen gewissen Caecina aus Volaterra,13 einen seiner Vertrauten. Der berichtet, daß Antonius mit der "Haubenlerchen-Legion" 14 nach Rom marschiere, den Munizipien Geldzahlungen auferlege, die Legion in voller Kampfbereitschaft marschieren lasse. Er erwägt, ob er mit 3.000 Veteranen nach Rom aufbrechen oder Capua besetzen und Antonius am Kommen hindern oder zu den makedonischen Legionen15 gehen solle, die am Adriatischen Meer entlang ziehen und die er auf seine Seite zu bringen hofft. Diese haben eine Spende des Antonius zurückgewiesen, wie Caecina jedenfalls erzählt, haben ihm heftige Vorwürfe gemacht und ihn, als er zu ihnen sprechen wollte, einfach stehen gelassen. Langer Rede kurzer Sinn: Er wirft sich zum Führer auf, und er glaubt, wir dürften uns ihm nicht verweigern. Ich für meinen Teil habe ihm geraten, nach Rom zu marschieren.16 Denn ich glaube, er wird das Stadtvolk und, wenn er Vertrauen erweckt, auch die besseren Kreise auf seine Seite ziehen. O Brutus,17 wo bist Du? Welche Chance versäumst Du! Vorausgesagt habe ich das freilich nicht, aber doch geglaubt, daß etwas Ähnliches kommen werde. Jetzt frage ich Dich um Rat. Gehe ich nach Rom oder bleibe ich hier oder soll ich mich nach Arpinum - Sicherheit bietet der Ort ja - flüchten? Nach Rom also, damit wir nicht vermißt werden, wenn erwogen wird, was zu tun sei! Also löse mir das Problem. Niemals war ich in größerer Ratlosigkeit.

13 Mitglied einer in der etrurischen Gemeinde Volaterra einflußreichen Familie, aber offenbar nicht identisch mit dem Bekannten Ciceros, mit dem er am Jahreswechsel 46/45 y. Chr. Briefe ausgetauscht hatte: Fam. 6,7 und 5. 14 Die legio VAlaudae war von Caesar 52 v. Chr. in der Gallia Transalpina aufgestellt worden: Suet. Caes. 24,2. 15 Es handelt sich um vier Legionen, die der Konsul M. Antonius von Makedonien nach seiner Provinz Gallia Cisalpina verlegen wollte. 16 Am 10. November traf Octavian tatsächlich in Rom ein, brach aber das gewagte Unternehmen sofort wieder ab, als deutlich wurde, daß die von ihm mobilisierte Truppe weder willens noch fähig war, gegen den in Eilmärschen herannahenden Konsul M. Antonius zu kämpfen. 17 Gemeint ist der führende Kopf der Verschwörung gegen Caesar, M. Iunius Brutus, der sich damals in Athen aufhielt.

1.1. Das Bündnis mit dem Senat

Cie. Att. 16,9 (4. November 44 v. Chr.) Zwei Briefe von Octavian für mich an einem Tag! Und zwar soll ich jetzt sofort nach Rom kommen. Er wolle die Sache durch den Senat bringen. Ich antwortete ihm, daß der Senat nicht vor dem 1. Januar zusammentreten könne, was ich wirklich glaube. Er aber setzt hinzu "mit Deinem Rat". Kurz und gut, er drängt, ich aber bin skeptisch. Ich habe kein Zutrauen zu seinem Alter, ich weiß nicht, worauf er hinauswill. Ich will nichts ohne Deinen Pansa18 tun. Ich fürchte Antonius' Stärke und möchte nicht die Küste verlassen. Andererseits fürchte ich, daß dann in meiner Abwesenheit ein Glanzstück aufgeführt wird. Varrò19 freilich hält nichts von dem Plan des Knaben, ich schon. Starke Truppen hat er, Brutus20 kann er haben. Er geht ganz offen zu Werke, stellt Einheiten in Capua auf und verteilt Gelder. Krieg steht unmittelbar bevor. Cie. Att. 16,11,6 (5. November 44 v. Chr.) Ich habe mich nicht in meiner Villa in Pompeji versteckt, wie ich doch geschrieben hatte, zuerst wegen des Wetters, das nicht scheußlicher sein kann, dann weil täglich von Octavian Briefe eingehen, daß ich die Sache in die Hand nehmen, nach Capua kommen, erneut den Staat retten, auf jeden Fall nach Rom gehen solle: "Scheuten, es abzuschlagen und fürchteten doch die Bejahung."21 Immerhin zeigte und zeigt er große Energie, nach Rom wird er mit großem Gefolge kommen. Aber er ist noch ein Knabe. Denkt, daß der Senat gleich zusammentritt! Wer wird da kommen? Wenn aber einer kommt, wer wird in unsicherer Lage Antonius vor den Kopf stoßen? Am 1. Januar könnte er vielleicht Schutz bieten 18

C. Vibius Pansa, Caesarianer, der im Auftrag Caesars 47/46 v. Chr. die Provinz Bithynia et Pontus, 4 5 v. Chr. Gallia Cisalpina verwaltete. Er war, zusammen mit A. Hirtius, der damals erkrankt war, designierter Konsul für 43 v. Chr., und somit fiel ihm in der absehbaren Konfliktsituation eine Schlüsselrolle zu. 19 M. Terentius Varrò (116-27 ν. Chr.), Roms bedeutendster Universalgelehrter, der es in der Politik bis zum Praetor gebracht hatte, war mit Cicero befreundet, mit dem er Buchwidmungen austauschte: zu Leben und Werk s. den grundlegenden Artikel von H. Dahlmann, RE Suppl. VI, 172 ff. 20 Gemeint ist D. Brutus, der damals die Statthalterschaft von Gallia Cisalpina innehatte: zu seiner Person s. Anm. 4. 21 Homer, Ilias 7,93, nach der Übersetzung von J. H. Voß.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

oder die Sache wird vorher ausgefochten. In den Landstädten ist er bemerkenswert populär. Auf seinem Weg nach Samnium kam er durch Cales, blieb über Nacht in Teanum.22 Prachtvoller Empfang und Ermutigung. Hättest Du das für möglich gehalten? Deshalb also schneller nach Rom, als ich beabsichtigt hatte. Sobald ich entschieden habe, werde ich schreiben. Cie. Att. 16,14,1 (12. [?] November 44 v. Chr.) Zu dem, was Du schreibst (ich habe am 11. drei Briefe von Dir erhalten): Ich stimme Dir voll und ganz zu, daß, wenn Octavian große Macht gewinnt, die Maßnahmen des Tyrannen weitaus stärkere Bestätigung erfahren würden, als es im Tempel der Tellus geschehen ist,23 und daß dies zu Lasten des Brutus24 gehen würde. Wenn er aber unterliegt, so kannst Du sehen, daß Antonius unerträglich wird. So weiß man nicht, wen man vorziehen soll.25 Cie. Att. 16,15,3 (nach dem 12. November 44 v. Chr.) Ich komme zur Politik. Wahrhaftig, über vieles hast Du in politischen Angelegenheiten klug geurteilt, aber nichts ist klüger als dieser Brief: "Obwohl für den Augenblick dieser Knabe Antonius ganz schön den Wind aus den Segeln nimmt, so müssen wir doch auf das Ende warten." Doch was für eine Rede hat er vor dem Volk gehalten.26 Ich habe eine Kopie. Er schwört: "So wahr ihm erlaubt sein möge, die Ehrungen seines Vaters zu erreichen", und dabei erhob er die Rechte zu der Statue (Caesars). Von so einem möchte ich nicht gerettet werden! Aber wie Du schreibst, als 22 Cales und Teanum Sidicinum liegen an der von Capua nach Rom führenden Via Latina, auf der Octavian sich damals auf dem Marsch nach der Hauptstadt befand. 23 Anspielung auf den unter Ciceros Vermittlung im Tempel der Tellus gefaßten Senatsbeschluß vom 17. März 44 v. Chr., daß die Verfügungen des Diktators Caesar Bestand haben und seine Mörder Amnestie genießen sollten. 24 Gemeint ist der sich in Athen aufhaltende M. Iunius Brutus. 25 In der Fortsetzung des Briefes wird dann der alte Zweifel an den Erfolgsaussichten Octavians erneut zum Ausdruck gebracht: "Aber obwohl er Mut hat, fehlt es dem jungen Mann doch an Gewicht" (auetoritas). 26 Es handelt sich um die Rede, die Octavian nach seinem Eintreffen in Rom am 10. November 44 v. Chr. gehalten hatte: App. b. c. 3,169 und Cass. Dio 45,12,4-6.

1.1. Das Bündnis mit d e m Senat

sicherste Probe sehe ich den Tribunat unseres Casca27 an, genau dazu habe ich Oppius28 gesagt, als er mich aufforderte, den jungen Mann und sein ganzes Anliegen nebst der Veteranenschar zu meiner Sache zu machen, daß ich das keinesfalls tun könne, bevor nicht evident sei, daß er den Tyrannenmördern nicht nur nicht feind, sondern sogar freundlich gesinnt sei. Als er sagte, so werde es sein, sagte ich: "Warum eilen wir also? Er braucht vor dem 1. Januar meine Dienste nicht, wir aber werden seine Gesinnung vor dem 15. Dezember am Fall Casca erkennen". Er stimmte mir voll und ganz zu. Soviel also für heute.

Beschlußantrag Ciceros im Senat vom 20.12.44 v. Chr. Phil. 3,37-39:29

(37) Da nun die Volkstribunen in dem Sinne gesprochen haben, daß der Senat am 1. Januar in Sicherheit tagen und (die Senatoren) frei ihre Meinung über die grundlegenden politischen Fragen äußern können, stelle ich in dieser Angelegenheit den Antrag, daß die designierten Konsuln C. Pansa und A. Hirtius darauf hinwirken, daß der Senat in Sicherheit tagen kann. Was das angeschlagene Edikt des designierten Konsuls D. Brutus anbelangt, so sei der Senat der Meinung, daß D. Brutus, Imperator und designierter Konsul, sich auf das beste um den Staat verdient mache, indem er die Autorität des Senats und die Freiheit und Herrschaft des römischen Volkes verteidige; (38) und was seine Provinz, das 27 P. Servilius Casca Longus, Mitglied der Verschwörung gegen Caesar, trat sein Volkstribunats am 10. Dezember 44 v. Chr. an. 28 C. Oppius wirkte zusammen mit L. Cornelius Baibus ab 54 v. Chr. als Caesars Geschäftsträger in Rom, schlug sich nach dessen Ermordung auf die Seite seines Erben und wirkte im November 44 v. Chr. für den Abschluß des Bündnisses zwischen Octavian und Cicero: vgl. A. Alföldi, Oktavians Aufstieg zur Macht, Bonn 1976, 31-54. 29 Die Sitzung war von den neuen Volkstribunen mit dem Ziel einberufen worden, in der prekären Situation akuter Kriegsgefahr Schutzmaßnahmen für die bevorstehende Senatssitzung am 1. Januar 43 v. Chr. beschließen zu lassen. Cicero stellte mit seinem Beschlußantrag die Weichen für den künftigen politischen Kurs, nachdem ein Edikt des D. Brutus bekannt geworden war, in dem dieser seine Bereitschaft bekanntgab, seine Provinz entgegen der Gesetzeslage nicht an M. Antonius zu übergeben: Zur Sitzung am 20. 12. 44 v. Chr. vgl. M. Geizer, Cicero. Ein biographischer Versuch, Wiesbaden 1969, 368-372 mit präzisen Quellenangaben.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars Diesseitige Gallien - ein Land von gutgesinnten, tapferen und unser Gemeinwesen liebenden Bürgern - und das Heer anbelangt, die er in der Verfügungsgewalt des Senats hält, so hätten er und das Heer, die Landstädte und Kolonien der gallischen Provinz recht, ordnungsgemäß und im Interesse des Staates gehandelt und täten es weiterhin. Der Senat sei der Auffassung, daß es im allerhöchsten Staatsinteresse liege, daß D. Brutus und L. Plancus30, Imperatoren und designierte Konsuln, und ebenso alle übrigen Provinzstatthalter ihre Provinzen gemäß dem lulischen Gesetz 31 behielten, bis einem jedem von ihnen durch Senatsbeschluß ein Nachfolger gegeben werde, und sie darauf hinwirken sollen, daß ihre Provinzen und Heere in der Verfügungsgewalt von Senat und Volk bleiben und dem Staat zum Schutz dienen. Da durch die Tatkraft, den Mut und den Entschluß des C. Caesar sowie durch das Einverständnis der Veteranen, die seiner Autorität folgend dem Staat zum Schutz dienen und dienten, das römische Volk vor schlimmsten Gefahren bewahrt worden ist und gegenwärtig bewahrt wird; (39) da die Marslegion in Alba32, einer zuverlässigen und tapferen Landstadt, Quartier genommen und sich der Autorität des Senats und der Freiheit des römischen Volkes zur

30 L. Munatius Plancus erhielt als Parteigänger Caesars bei der Provinzverteilung des Jahres 44 v. Chr. Gallia Cornata als Provinz. Beide gallische Provinzen, also auch das Diesseitige Gallien, waren durch das Gesetz über den Provinztausch vom Juni 44 v. Chr. dem Konsul M. Antonius für fünf Jahre zugesprochen worden. Ciceros Vorschlag verstieß gegen die Verfassung: ein Senatsbeschluß konnte kein rechtsgültig zustande gekommenes Gesetz aufheben. 31 Das Gesetz Caesars vom Jahre 46 v. Chr. regelte die Modalitäten der Provinzverwaltung und sah wie das Vorgängergesetz, die lex Cornelia Sullas, vor, daß Statthalter so lange im Amt blieben, bis die vom Senat vorgesehenen Nachfolger in den betreffenden Provinzen eingetroffen waren: s. G. Rotondi, Leges publicae, 421 mit Belegen. 32 Die Marslegion gehörte zu den makedonischen Legionen, die der Konsul M. Antonius auf der adriatischen Küstenstraße nach seiner galllischen Provinz marschieren ließ. Sie verließ diese Marschroute und machte, bestochen von den Geldsummen, die Octavian anbot, in Alba Fucentia, 100 km von Rom entfernt, Station. Ebenso lief die vierte Legion sowie kleinere Einheiten zu Octavian über: vgl. H. Botermann, Die Soldaten und die römische Politik in der Zeit von Caesars Tod bis zur Begründung des Zweiten Triumvirats, Zetemata 46, München 1968, 45 ff. Die Summen, die angeboten wurden, nennt App. b. c. 3,197.

1.1. Das Bündnis mit d e m Senat

Verfügung gestellt hat; und da die vierte Legion mit gleichem Entschluß und gleicher Tapferkeit unter Führung des Quaestors L. Egnatuleius33 die Autorität des Senats und die Freiheit des römischen Volkes verteidigt und verteidigt hat: deshalb werde es dem Senat jetzt und zukünftig sehr am Herzen liegen, daß sie für ihre großen Verdienste um den Staat die gebührenden Ehrungen und Beweise des Dankes erhielten. Der Senat möge beschließen, daß die designierten Konsuln C. Pansa und A. Hirtius nach ihrem Amtsantritt, wenn sie es für richtig halten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt darüber diesem Gremium Vorschläge unterbreiten, wie es ihnen im Interesse des Staates und pflichtgemäßer Amtsführung richtig erscheint. Beschlußantrag Ciceros im Senat vom 1.1. 43 v. Chr. Phil. 5,46:34 Zum gegenwärtigen Zeltpunkt aber beantrage ich, Folgendes zu beschließen: Weil C. Caesar, Sohn des Gaius, Pontifex und Propraetor, in einer für den Staat kritischen Zeit die Veteranen zur Befreiung des römischen Volkes aufgefordert und zu den Waffen gerufen hat, weil die Marslegion und die vierte mit höchstem Eifer und im besten Einvernehmen über das Interesse des Staates unter Führung und auf Veranlassung des C. Caesar den Staat und die Freiheit des römischen Volkes verteidigen und verteidigt haben und weil C. Caesar, Propraetor, der gallischen Provinz mit seinem Heer zu Hilfe eilt, Reiter, Bogenschützen und Elefanten in seine und des römischen Volkes Verfügungsgewalt gebracht und in schwierigster Lage des Staates dem Wohl und Ansehen des

33 L. Egnatuleius ist nur durch die Erwähnung oben und aus Ciceros Antrag vom 1.1. 43 v. Chr. bekannt, ihm das Privileg der Ämterbewerbung vor der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit zu gewähren: Phil. 5,52. 34 Der Beschlußantrag, Teil eines Bündels von Anträgen, wurde am 2. Januar 43 v. Chr. in modifizierter Form angenommen. Octavians Stiefvater L. Marcius Philippus sowie zwei weitere Konsulare, Ser. Sulpicius Rufus und P. Servilius Isauricus, überboten Cicero, indem sie zusätzliche Ehrungen und Privilegien durchsetzten: daß sich Octavian zehn Jahre früher als gesetzlich erlaubt um Ämter bewerben und er in der Rangklasse der Konsulare im Senat seine Stimme abgeben durfte. Weiterhin wurde er mit einer vergoldeten Reiterstatue geehrt: s. Aug. R.G. 1 und Cie. Brut. 1,15,7; Phil. 6,6; 7,10 f.; 13,8; App. b. c. 3,206 f. sowie Cass. Dio 46,39,2 f.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars römischen Volkes zu Hilfe gekommen ist, deshalb möge der Senat beschließen, daß C. Caesar, Sohn des Gaius, Pontifex und Propraetor, Senator sein und in der Rangklasse der Praetorier sein Votum abgeben solle und daß er bei der Ämterbewerbung so Berücksichtigung finden möge, wie es erlaubt wäre, wenn er im vergangenen Jahr Quaestor gewesen wäre. Die unten abgebildete Münze stellt auf der Rückseite die Reiterstatue dar, mit der der Senat am 2. Januar 43 v. Chr. Octavian ehrte. Die Münze selbst ist jedoch nach dem Bündniswechsel Octavians geprägt worden, als er zusammen mit M. Antonius und M. Aemilius Lepidus bereits das Ausnahmeamt des Triumvirats bekleidete (s. Q 6). 35

Reiterstatue Octavians Octavian. Aureus 42 v. Chr., mobile Münzstätte. Crawford 497H. Vs.: Barhäuptiger Kopf des Octavian nach rechts gewendet; Legende: CAESAR III -VIR KP. C. Rs.: Reiterstatue des Octavian nach links gewendet, Octavian hält in der Rechten einen Augurenstab (lituus), im Abschnitt Schiffsschnabel zwischen S-C. Fotonachweis: Münzen und Medaillen AG, Basel 17, 1957, 342 (1,5:1).

35

Dementsprechend nennt ihn die Legende der Vs. IIIVIR R(ei) P(ublicae) C(onstituendae) = Mitglied des Dreimännerkollegiums zur Ordnung des Staates.

1.1. Das Bündnis mit d e m Senat

Q 4: Die Auflösung des Bündnisses Cie. Fam. 9,20,1 (24. Mai 43 v. Chr.) D. Brutus an Cicero Was ich für mich nicht tue, das zwingen mich meine Liebe zu Dir und Deine Verdienste um mich zu tun, nämlich daß ich mich fürchte. Obwohl es mir schon oft gesagt und (von mir) nicht auf die leichte Schulter genommen wurde: gerade erzählt es mir (von neuem) Labeo Sigulius,36 ein sich stets gleichbleibender Mann, er sei bei Caesar gewesen und man habe ausführlich über Dich gesprochen. Caesar selbst hatte keine Klagen über Dich - mit Ausnahme des Bonmots, das er Dir zuschrieb: Man müsse den jungen Mann loben, auszeichnen - und in den Himmel befördern; er werde es aber nicht dahin kommen lassen, daß er in den Himmel befördert werden könne. Ich glaube freilich, daß Labeo ihm das Wort hinterbracht oder erfunden hat, und nicht, daß es der junge Mann ins Gespräch brachte. Labeo wollte mich gar glauben machen, daß die Veteranen schlimme Reden führten und Dir von ihnen Gefahr drohe und sie darüber empört seien, daß weder Caesar noch ich zu der Zehnerkommission37 gehörten und alles Eurem Belieben anheimgestellt sei.

36 Labeo Sigulius ist nur aus dem vorliegenden Kontext bekannt. Die Authentizität des von ihm kolportierten Bonmots, auf dessen Verbreitung Cicero in Fam. 11,21 mit Empörung reagierte, wurde von ihm nicht bestritten. Es ging auch in die Historiographie ein: Veil. Pat. 2,62,6 und Suet. Aug. 12. 37 Gemeint ist die Kommission, die nach dem 27. April 43 v. Chr. vom Senat eingesetzt wurde, um die Maßnahmen des Antonius überprüfen und seine Schenkungen zurückfordern zu lassen: vgl. App. b.c. 3,334-336; 349 und den Kommentar von Shackleton Bailey zur Briefstelle.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

Cie. Brut. 1,4a,13 = Nr. 11 Shackleton Bailey (15. Mai 43 v. Chr.)38 Brutus grüßt Cicero (1) ... jetzt, Cicero, jetzt muß man darauf hinarbeiten, daß unsere Freude nicht vergeblich war, Antonius niedergedrückt zu haben, und daß nicht immer die Sorge, das jeweils nächstliegende Übel auszurotten, die Ursache dafür ist, daß ein anderes neu entsteht, das schlimmer ist als das alte.39 Nichts mehr kann uns unerwartet oder mit unserer Duldung zustoßen, woran wir nicht alle schuld sein werden und vor allem Du, dessen Einfluß nicht nur mit Duldung von Senat und Volk, sondern mit deren Wunsch so groß ist, wie der Einfluß eines einzelnen in einem freien Staat überhaupt sein kann. Ihn mußt Du nicht nur durch rechte Gesinnung, sondern auch auf kluge Weise schützen. Klugheit sodann, die Du in reichem Maße besitzest, vermißt man bei Dir nicht - mit Ausnahme bei der Erteilung von Ehren. Alles andere ist so vorhanden, daß Deine Vorzüge mit jedem der (großen) Alten verglichen werden können. Nur das eine, was einer dankbaren, großzügigen Einstellung entspringt, (tadelt man), eine vorsichtigere und maßvollere Großzügigkeit vermißt man. Denn nichts darf der Senat irgendeinem zugestehen, was Schlechtgesinnten Beispiel oder Schutz ist. Und so fürchte ich hinsichtlich des Konsulats, daß Dein Caesar glaubt, durch Deine Beschlüsse bereits höher gestiegen zu sein, ais er von dort absteigen werde, wenn er erst einmal Konsul geworden ist. (3) Wenn aber Antonius die von einem anderen hinterlassenen Mittel zur Alleinherrschaft als Gelegenheit nutzte, sich in ihren Besitz zu setzen: Welche Absicht wird Deiner Mei38

Im Februar erfuhr man in Rom (Cie. Farn. 1 2 , 5 , 1 ) , daß es Brutus gelungen war, sich von Griechenland aus der Provinzen Macedonia und Illyricum zu bemächtigen. Von dem sich daraufhin entspinnenden Briefwechsel zwischen Cicero und Brutus sind 2 4 mit Sicherheit echte Briefe aus der Zeit zwischen April und Juli 4 3 v. Chr. erhalten.

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Anspielung auf die Niederlage, die M. Antonius vor Mutina am 2 1 . April erlitten hatte und ihn zur Aufhebung der Belagerung der Stadt zwang. In der Schlacht war der Konsul A. Hirtius gefallen, und sein Mitkonsul C. Pansa starb bald darauf an seinen am 14. April empfangenen Wunden. Brutus befürchtet in seinem Brief, daß in dieser Situation Octavian mit Ciceros Hilfe Konsul werden könnte, und nimmt diese Befürchtung zum Anlaß einer grundsätzlichen Kritik an Ciceros politischem Kurs gegenüber Caesars Erben.

1.1. Das Bündnis mit dem Senat

nung nach jemand haben, wenn er auf Veranlassung nicht des Tyrannen, sondern des Senats selbst glaubt, alle beliebigen Kommandos begehren zu dürfen? Deshalb werde ich erst dann Deine glückliche Hand und Deine Voraussicht loben, wenn es für mich ausgemacht zu sein beginnt, daß Caesar mit den außerordentlichen Ehren, die er empfangen hat, sich begnügen wird. Du wirst sagen: "Also schiebst Du mich als Angeklagten für eine fremde Schuld vor." Anstandslos für eine fremde, wenn dafür hätte gesorgt werden können, daß sie gar nicht erst entstehen konnte. Wenn Du doch meine Furcht in diesem Punkt sehen könntest!

Denar des M. Iunius Brutus40 M. Iunius Brutus mit Münzmeister L. Plaetorius Cestianus. Denar, 42 v. Chr. Münzstätte: in Griechenland, nicht genauer festlegbar. Crawford 50813. Vs.: Barhäuptiger Kopf des Brutus nach rechts gewendet. Legende: (oben beginnend) BRVT.-IMP; (links) L.PLAET.CEST. Rs.: Freiheitsmütze (pileus) zwischen zwei Dolchen. Legende: EID.MAR. Fotonachweis: Münzen u. Medaillen AG, Basel, 38, 1968,274 (1,5:1) 40 Die abgebildete Münze gehört zu einer 42 v. Chr. in Griechenland geprägten Serie. Die Rückseite propagiert die Freiheit der römischen res publica als das politische Ziel des Brutus. Der Hinweis auf die Iden des März und die Dolche stehen für die Ermordung des Diktators Caesar am 15. März 44 v. Chr., und der pileus, die Mütze der Freigelassenen und der Bürger, symbolisiert das Ideal der Freiheit, um dessentwillen der Diktator fallen mußte. Die Legende der Vs. lautet aufgelöst BRVT(us) IMP(erator); L. PLAET(orius) CEST(ianus), die der Rs.: EID(ibus) MAR(tiis) = an den Iden des März.

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Quellen / 1 . Der Erbe Caesars

Cie. Brut. 1,10,23 = Nr. 17 Shackleton-Bailey (Mitte Juni 43 v.Chr.)41 Cicero grüßt Brutus (2) Oer Krieg bei Mutina wurde so geführt, daß man an Caesar nichts zu kritisieren hatte, an Hirtius einiges. Das Kriegsglück war "schwankend in günstiger, gut in ungünstiger Lage".42 Die Sache des Staates war siegreich, Antonius' Truppen niedergemacht, er selbst vertrieben. Von (D.) Brutus wurden danach so viele Fehler begangen, daß uns irgendwie der Sieg aus den Händen glitt: Die Demoralisierten, Waffenlosen, Verwundeten wurden von unseren Feldherren nicht verfolgt, und Lepidus wurde Gelegenheit gegeben, daß wir seinen oftmals durchschauten Wankelmut in schlimmeren Umständen erfahren mußten. Die Heere des Brutus und Plancus sind gut, aber unerfahren, die gallischen Hilfstruppen zahlreich und zuverlässig. (3) Aber Caesar, der sich bisher durch meine Ratschläge lenken ließ, der selbst vorzügliche Anlagen und bewundernswerte Festigkeit zeigte, haben gewisse Leute durch schändliche Briefe und trügerische Zwischenträger zur selbstgewissen Hoffnung auf den Konsulat verführt. Sobald ich das merkte, habe ich nicht aufgehört, ihn aus der Ferne brieflich zu ermahnen und seine hier anwesenden Mittelsmänner, die seiner Begehrlichkeit offensichtlich Vorschub leisten, anzuklagen, und ich habe nicht gezögert, im Senat die Quellen der verbrecherischen Pläne aufzudecken. Doch ich erinnere mich an keine Gelegenheit, bei der Senat und Magistrate eine bessere Haltung zeigten. Denn wenn es um die außerordentliche Ehrung eines mächtigen Mannes oder besser: des mächtigsten - da Macht gegenwärtig auf der Gewalt der Waffen beruht - geht, ist es nie geschehen, daß nicht ein Volkstribun, ein anderer Magistrat oder ein amtloser Privatmann sich für sie eingesetzt hätte. Aber trotz dieser mannhaften Festigkeit herrscht Unruhe in der Bürgerschaft. Denn wir sind, Brutus, ein Spielball bald der Launen der Soldaten, bald der Zumutungen der Feldherren. Jeder fordert, soviel Macht im Staate zu haben, wie er Stärke besitzt. Nicht Vernunft, nicht Maß, nicht Gesetz, nicht 41

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Der Brief ist geschrieben, nachdem in Rom um den 9. Juni bekannt geworden war, daß Lepidus im Jenseitigen Gallien mit seinem Heer am 29. Mai 43 v. Chr. auf die Seite des M. Antonius übergetreten war: so Shackleton Bailey im Kommentar zum Brief. Zitat aus einer unbekannten Tragödie: O. Ribbeck, Trag. Rom. Fragm. 3 , Incert. 260.

1.1. Das Bündnis mit dem Senat Herkommen, nicht Pflicht bedeutet etwas, nicht gesundes Urteil, nicht Ansehen bei den Mitbürgern, nicht Scheu vor der Nachwelt.43

Q 5: Konsulat und Rache für Caesar Cass. Dio 46,45,2-46,1 (August 43 v. Chr.) (45,2) Als (Octavian) sich nun den Vorstädten (Roms) näherte, geriet man in Angst, und zuerst wechselten nur wenige Senatoren, dann das Volk in dichter Menge auf seine Seite. Daraufhin kamen auch die Praetoren vom laniculum herab und übergaben ihm die Soldaten und sich selbst.44 (3) So nahm Caesar die Stadt kampflos ein, und er wurde vom Volk zum Konsul gemacht, nachdem zwei Männer an der Stelle von Konsuln für den Wahlakt bestimmt worden waren, da es unmöglich war, in so kurzer Frist einen Interrex für diesen Zweck gemäß dem Herkommen wegen der Abwesenheit vieler Inhaber kurulischer Ämter zu bestimmen.45

43 Die im Brief an Brutus geäußerten Befürchtungen Ciceros sollten sich erfüllen. Im Juli forderte Octavian den Konsulat und wollte sich erneut Ciceros bedienen, indem er ihn aufforderte, sein Kollege zu werden. Cicero wandte sich nicht dagegen, als im Senat über das Gesuch verhandelt und es abgelehnt wurde.: App. b. c. 3,336; Cass. Dio 46,43,2-4; Plut. Cie. 46,1 und 53,4. Ende Juli wiederholte eine Deputation von 400 Centurionen und Soldaten Octavians die Forderung ihres Feldherrn, und als der Senat standthaft blieb, marschierte er an der Spitze seines Heeres im August nach Rom, wo bei seinem Erscheinen der letzte von Cicero organisierte Widerstandsversuch sofort zusammenbrach. 44 Die Praetoren hatten mit zwei aus Afrika kommenden Legionen auf dem laniculum, der Anhöhe auf dem rechten Tiberufer, Position zum Schutz der Stadt bezogen. 45 Die verfassungsrechtliche Konstruktion, auf die hier Bezug genommen wird, hat J. Jahn geklärt: Interregnum und Wahldiktatur, Frankfurter Althistorische Studien 3, 1970, 188-190. Ein Interregnum trat ein, wenn alle Amtsträger mit Imperium ausgefallen waren oder wenn es gelang, alle diese Amtsträger zum Rücktritt zu bewegen. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es war auch nicht möglich, den Wahlakt durch einen Wahldiktator und seinen Stellvertreter, den tnagister equitum, gemäß dem Vorbild, das Caesar 49 v. Chr. gegeben hatte, vollziehen zu lassen; denn der Konsul M. Antonius hatte nach Caesars Ermordung das Ausnahmeamt der Diktatur per Gesetz abgeschafft. Deshalb verfiel Octavian auf den Ausweg, unter Vermeidung der mit einem

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars (4) Denn sie zogen es vor, daß die zwei Männer vom Stadtpraetor bestimmt würden, als daß Konsuln unter dessen Leitung gewählt wurden, weil sie ihre Tätigkeit auf den Wahlakt beschränken würden und es folglich so aussehen werde, daß sie keine höhere Amtsgewalt als die Wahlleitung innegehabt hätten. (5) Alles das geschah natürlich unter dem Druck der Waffen; aber damit es nicht den Anschein habe, er habe sie zu etwas gezwungen, erschien Caesar nicht in der Volksversammlung, als ob man seine Gegenwart und nicht seine militärischen Machtmittel gefürchtet hätte. (46,1) So wurde er also zum Konsul gewählt, und zum Mitkonsul, wenn man ihn so nennen darf und nicht seinen Untergebenen, wurde ihm Quintus Pedius46 beigegeben. Cass. Dio, 47,4,5 + 48,14 (47,4) Zum Schluß empfing er die Aufgabe, die Stadt zu schützen, so daß er alles, was er wollte, im Einklang mit den Gesetzen tun konnte,47 und er wurde nach altem Brauch in das Geschlecht Caesars aufgenommen und änderte entsprechend seinen Namen. (5) Er nannte sich allerdings schon vorher, wie manche glauben, Caesar, da ihm der Name mit dem Erbe hinterlassen war, doch gebrauchte er den Namen nicht durchweg und gegenüber allen, bevor er ihm nach dem Herkommen bestätigt war, und so wurde er seitdem Gaius lulius Caesar Octavianus genannt...48 (48,1) Sobald er unter dem Namen Caesar die Soldaten gewonnen und den Staat sich gefügig gemacht hatte, wandte er sich der Aufgabe zu, seinen Vater zu rächen. Aber weil er fürchtete, daß er die Bevölkerung dadurch in Unruhe versetze, machte er seine Pläne nicht publik, bevor er die Verteilung der ihr vermachten Legate vorgenommen hatte. (2) Als er auch sie mit den Geldern, die freilich dem Staat gehörten und unter dem Vorwand der Kriegsführung gesammelt worden waren, auf seine Seite gebracht hatte, da

Tabu belegten Amtstitel dictator und magister equitutn deren Funktionen einem Zweimännerkollegium zu übertragen. 46 Q. Pedius war entweder sein Onkel oder sein Vetter: s. oben Anm. 2. 47 Der Senat ermächtigte die Konsuln, d. h. Octavian, gemäß der einschlägigen Formel, alles zu tun, damit der Staat keinen Schaden nehme. 48 Vgl. oben Anm. 3.

1.1. Das Bündnis mit d e m Senat

begann er mit der Verfolgung der Mörder.49 Und damit er den Eindruck erwecke, nicht gewalttätig, sondern unter gewisser Wahrung des Rechts vorzugehen, ließ er ein Gesetz über ihre Ächtung einbringen und trotz ihrer Abwesenheit Gerichte zusammentreten. (3) Denn die meisten (der Angeklagten) waren nicht im Lande, und einige waren Provinzstatthalter. Und wer im Lande war, erschien nicht aus Furcht und verließ heimlich das Land. Infolgedessen wurden nicht nur die Mörder Caesars und die Mitverschworenen, sondern auch viele andere verurteilt, die nicht nur nicht an der Verschwörung beteiligt waren, sondern sich damals nicht einmal in Rom aufgehalten hatten. (4) Das traf vor allem Sex. Pompeius; denn obwohl dieser keineswegs an dem Komplott beteiligt gewesen war, wurde er doch verurteilt, weil er ein Gegner war.50 Die Betroffenen verfielen der Ächtung, und ihr Vermögen wurde eingezogen. Die Provinzen, nicht nur diejenigen, in denen einige von ihnen die Position des Statthalters bekleideten, sondern auch alle übrigen erhielten Freunde Caesars. Die Version des Siegers Aug. R.G. 12 (1) Im Alter von 19 Jahren stellte ich aus privatem Entschluß und mit privaten Mitteln ein Heer auf, mit dem ich den von der Tyrannei eines Machtkartells unterdrückten Staat in die Freiheit führte.51 Aus diesem Grund hat mich der Senat in ehrenvollen Beschlüssen unter den Konsuln C. Pansa und A. Hirtius in seine Reihen aufgenommen, indem er mir das Recht erteilte, mit den Konsularen mein Votum abzugeben, und mir militärische Befehlsgewalt übertragen. Er ordnete an, daß ich im Range eines Propraetors zusammen mit den Konsuln dafür Sorge trage, daß der Staat keinen Schaden 49 Zu der Farce des Prozesses vgl. K. Bringmann, Der Prozeß gegen die Caesarmörder, in: U. Schultz (Hrsg.), Große Prozesse. Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte, München 1996, 32-40 mit 448. 50 Sex. Pompeius, Sohn des Cn. Pompeius Magnus, leistete zur Zeit der Ermordung Caesars dessen Statthaltern in Spanien erfolgreichen Widerstand. 51 Zu dem von Ciceros Lobpreisungen des Retters und Befreiers inspirierten ersten Satz vgl.: H. Braunert, Der Eingangssatz der res gestae Divi Augusti, Chiron 4, 1974, 343 ff. = ders., Politik, Recht und Gesellschaft in der griechisch-römischen Antike, Stuttgart 1980, 238 ff.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars nehme. Das Volk aber wählte mich in demselben Jahr, nachdem beide Konsuln im Krieg gefallen waren, zum Konsul und zum Mitglied des Dreierkollegiums zur Ordnung des Staates." (2) Die meinen Vater hingemordet hatten, trieb ich in die Verbannung, indem ich ihr Verbrechen in gesetzlichen Verfahren rächte, und als sie dann den Krieg gegen den Staat eröffneten, besiegte ich sie in zwei Schlachten.53

1.2. Der Zweite Triumvirat Q 6: Der Abschluß des 2. Triumvirats (Oktober 43 v. Chr.) App. b. c. 4,4-13 (4) Caesar und Antonius gingen von der Feindschaft zur Freundschaft über bei Mutina (heute Modena) auf einer kleinen und flachen Insel im Fluß Lavinius.54 Jeder brachte 5 Legionen mit. Diese stellten sie in Front zueinander auf, dann rückte jeder mit 300 Mann zu den Flußbrücken vor. (5) Lepidus" selbst ging 52 Anspielung auf den Zweiten Triumvirat (s. 1. 2). Das erste Kapitel der Res Gestae zählt Verdienste und Belohnungen auf, die in Wahrheit das Ergebnis einer unehrlichen Politik und eines doppelten Verrats waren. 53 Anspielung auf die Doppelschlacht von Philippi (Oktober/November 42 v. Chr.). Der siegreiche Feldherr war nicht Octavian, der im entscheidenden Moment versagte bzw. krank war, sondern M. Antonius. 54 Nach Cass. Dio 46,55 fand das Treffen (Ende Oktober 43 v. Chr.) auf einer Insel in einem an Bononia (heute Bologna) vorbeifließenden Fluß statt. Mit ihm kann nur der Rhenus (heute Reno) gemeint sein. Der von Appian angegebene Flußname ist der gesamten sonstigen Überlieferung unbekannt. Deshalb wird in diesem Punkt die Angabe Dios allgemein vorgezogen und das Treffen auf eine Flußinsel im Rhenus bei Bononia verlegt. J. Bleicken, Augustus, 137 kontaminiert beide Überlieferungsvarianten und spricht von einer Insel in dem Fluß Lavinius bei Bononia. Die Begleitumstände, unter denen das Machtkartell vereinbart wurde, sprechen für sich: Die Vertragschließenden mißtrauten einander mit gutem Grund, aber sie waren nach Lage der Dinge zumindest bis auf weiteres zur Kooperation verurteilt. 55 M. Aemilius Lepidus, der unter Caesar bis zum Konsul (46 v. Chr.) und anschließend als magister equitum bis zum Stellvertreter des Diktators aufgestiegen war, hatte durch die vorgenommene Provinzverteilung des Jahres 44 v. Chr. Gallia Narbonensis und Hispania Citerior erhalten.

1 . 2 . Der Zweite Triumvirat

voraus, untersuchte die Insel und gab durch Schwenken des Mantels beiden das Zeichen zu kommen. Diese ließen die Dreihundert zusammen mit ihren Freunden an den Brücken zurück, kamen zur Insel, so daß sie von allen Seiten gesehen werden konnten, und verhandelten zu dritt, Caesar in der Mitte, der als Konsul den Vorsitz führte. (6) Zwei Tage verhandelten sie von morgens bis abends, das Ergebnis war folgendes: Caesar sollte den Konsulat niederlegen und Ventidius es für den Rest des Jahres erhalten, ein neues Amt zur Beilegung des Bürgerkrieges sollte Lepidus, Antonius und Caesar gesetzlich auf fünf Jahr und mit gleicher Amtsgewalt wie die der Konsuln übertragen werden. Sie beschlossen nämlich, sich anstatt Diktator so zu nennen, wohl wegen des von Antonius veranlaßten Senatsbeschlusses, der die Ernennung eines Diktators verboten hatte.56 (7) Diese Drei sollten sogleich die jährlichen Magistrate für 5 Jahre bestimmen und die Statthalterposten In den Provinzen verteilen. Demzufolge erhielt Antonius ganz Gallien mit Ausnahme des den Pyrenäen benachbarten, das man das Alte Gallien nannte, dieses sollte zusammen mit Spanien der Befehlsgewalt des Lepidus unterstehen, für Caesar blieb Africa, Sardinien, Sizilien und die sonst noch dort gelegenen Inseln. (8) So teilten die Drei das römische Untertanengebiet unter sich auf. Nur die Gebiete jenseits des Ionischen Meeres wurden ausgespart, weil sie noch unter der Kontrolle von Cassius und Brutus standen. (9) Lepidus sollte Konsul im kommenden Jahr werden und in der Stadt zur Erledigung der dortigen Geschäfte bleiben, die Statthalterschaft in Spanien durch Vertreter ausüben lassen. Drei seiner Legionen sollte er in der Nähe Roms stationieren, die übrigen sieben zwischen Caesar und Antonius aufteilen, drei an Caesar, vier an Antonius, so daß jeder von ihnen mit zwanzig in den Krieg ziehen könne. (10) Um dem Heer Hoffnung auf Siegesbeute zu machen, versprachen sie den Soldaten neben anderen Geschenken achtzehn der italischen Städte, die sich durch Wohlstand, schöne Feldgemarkungen und Häuser auszeichneten, mitAm 29. Mai 43 v.Chr. vereinigte er in der Nähe von Forum Iulii (heute Fréjus) seine sieben Legionen mit den Truppen des Antonius: zu den näheren Umständen s. H. Botermann, a.a.O. (s. oben Anm. 32) 1 1 4 ff. 56 Der Beschluß wurde unmittelbar nach Caesars Ermordung gefaßt (s. Cie. Phil. 1,3 f.) und anschließend durch Volksgesetz bekräftigt (Cie. Phil. 5,10).

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

samt Grundstücken und Häusern zuzuweisen, als ob sie ihnen von Feindesland als Beute in die Hände gefallen wären. (11) Die ausgezeichnetsten unter ihnen waren Capua, Rhegium, Venusia, Benevent, Ariminum und Vibo.57 (12) So waren die schönsten Teile Italiens für die Armee vorgesehen. Sie beschlossen zusätzlich, sich vorab ihrer persönlichen Feinde zu entledigen, damit sie ihnen bei der Realisierung ihrer Beschlüsse und während der auswärtigen Kriegführung keine Schwierigkeiten bereiten könnten. (13) Dies beschlossen sie und legten es schriftlich nieder. Alles übrige mit Ausnahme der Proskriptionslisten las Caesar in seiner Eigenschaft als Konsul den Heeren vor. Als sie es gehört hatten, brachen sie in Beifall aus und umarmten einander zur Versöhnung. Fast. Colot. zum 27. November 43 v.Chr.: Inscrit XII11 p. 274 M. Aemilius, M. Antonius und Imperator Caesar (wurden) Dreimänner zur Ordnung des Staates vom 27. November (43 v.Chr.) bis zur sechsten Wiederholung des 31. Dezember (= 31. 12. 38 v. Chr.).58 Fast. Capitol, zum Jahr 37 v.Chr.: Inscrit XII11 p. 59 M. Aemilius, Sohn des Marcus, Enkel des Quintus, Lepidus, M. Antonius, Sohn des Marcus, Enkel des Marcus und Imperator Caesar, Sohn des Gottes (Caesar), Enkel des Gaius, sind zum

57 Die genannten Städte waren Zentren in den Landschaften von Kampanien (Capua), Bruttium, dem heutigen Kalabrien (Vibo, Rhegium), Samnium und Apulien (Benevent und Venusia) sowie im ager Gallicus (Ariminum). Näheres zu der 41/40 v. Chr. erfolgten Landverteilung in Q 9 mit Anm. 58 Die Bestellung der Triumvirn geschah durch ein Plebiszit des Volkstribunen P. Titius, in dem die privaten Vereinbarungen der drei Verbündeten sanktioniert wurden: App. b. c. 4,27. - Zum Charakter der triumviralen Amtsgewalt s. J. Bleicken, Zwischen Republik und Prinzipat. Zum Charakter des Zweiten Triumvirats, Abh. Akad. Wiss. Göttingen, philol.hist. Kl., 3. Folge Nr. 185; vgl. auch K. Bringmann, Das Zweite Triumvirat. Bemerkungen zu Mommsens Lehre von der außerordentlichen konstituierenden Gewalt, in: P. Kneissl/V. Losemann (Hrsg.), Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Festschr. K. Christ, Darmstadt 1988, 22-38 (= ders., Ausgewählte Schriften [s.o. S. 66], 249 ff.)

1.2. Der Zweite Triumvirat zweiten Male zu Dreimännern zur Neuordnung des Staates bestellt worden. 59

Q 7: Die Proskriptionen App. b. c. 4,20 Die Gesamtzahl der zu Tod und Vermögensentzug Verurteilten belief sich auf ungefähr 300 Senatoren und rund 2.000 aus dem sogenannten Ritterstand. Und darunter befanden sich auch Brüder und Onkel der die Proskriptionen anordnenden Triumvlrn sowie unter ihnen dienende Offiziere, sofern sie bei ihren Vorgesetzten oder Kameraden Anstoß erregt hatten.60

59 Die Verlängerung der am 31. Dezember 38 v. Chr. abgelaufenen Amtsfrist erfolgte bedingt durch die Umstände erst im September oder Oktober 37 v. Chr. aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Antonius und Octavian (s. Q 13). Die Verlängerung hatte rückwirkende Kraft, so daß die erneuerte Amtsperiode am 31. Dezember 33 v. Chr. endete. 60 Von den Proskriptionen wird ausführlich berichtet in App. b. c. 4,16-26 und 28-224 (die Parallelüberlieferung ist bei J. Bleicken, Augustus, 707 verzeichnet.): zu den Vorgängen vgl. H. Bengtson, Zu den Proskriptionen der Triumvirn, SB Bayer. Akad. d. Wiss., philos.-hist. Kl. 1972, H. 3 sowie für eine Liste der uns namentlich bekannten Proskribierten F. Hinard, Les proscriptions de la Rome républicaine, Rom 1985, 264 ff. Das von App. b. c. 4,24-26 wiedergegebene Proskriptionsedikt ist nicht authentisch.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars Das Schicksal eines Senators in der Zeit der Proskriptionen (43/42 v.Chr.): Laud. Tur. il, 11861 Mit Recht sagte Caesar, es sei Dir zuzurechnen, daß ich, den er dem Vaterland wiedergegeben habe, noch am Leben sei; denn wenn Du keine Vorkehrungen dafür getroffen hättest, daß er mich retten konnte, hätte er, als er sich für meine Rettung verwandte, vergeblich seine Hilfe versprochen. Also schulde ich mein Leben nicht weniger Deiner Liebe als Caesar. Wozu soll ich jetzt unsere vertraulichen und verborgenen Pläne und heimlichen Gespräche ausgraben? Wie ich, durch überraschende Nachrichten von unmittelbarer und drohender Gefährdung aus meinem Versteck gerufen, durch Deine Ratschläge gerettet wurde? Wie Du nicht zuließest, daß ich allzu kühn mich blindlings unsicheren Zufällen aussetzte, und mir, als ich besonnenere Entschlüsse faßte, sichere Schlupfwinkel beschafftest, und zu Mitwissern Deiner Pläne zu meiner Rettung Deine Schwester und ihren Mann C. Cluvius machtest, und die Gefahr uns alle verband? Kein Ende wäre es, wenn ich dies nur (kurz) zu berühren versuchte. Genügen soll es für Dich und für mich, daß ich mich glücklich verstecken konnte. Doch das Bitterste in meinem Leben - ich will es gestehen - ist mir durch das, was Dir geschehen ist, zugestoßen, als ich dem Vaterland dank der wohltätigen Entscheidung des abwesenden Caesar Augustus bereits als Bürger zurückgegeben worden war. Denn als sein in Rom anwesender Kollege M. Lepidus von Dir um die Wiedereinsetzung in meine Rechte angegangen wurde und Du am Boden ihm zu Füßen liegend nicht nur nicht aufgehoben, sondern noch verhöhnt und auf unwürdige Weise fortgezerrt wurdest. Den

61 Die inschriftlich teilweise erhaltene Grabrede, die ein Überlebender der Proskriptionen nach 27 v. Chr. auf seine verstorbene Frau gehalten hat, ist jetzt vorbildlich neu ediert, übersetzt und kommentiert worden von D. Flach, Die sogenannte Laudatio Turiae. Einleitung, Text, Ubersetzung und Kommentar. Darmstadt 1991 mit reichen Literaturangaben. Die Identifizierung des Ehepaares mit Q. Lucretius Vespillo, Konsul 19 v. Chr., und Turia, die aufgrund von App. b. c. 4, 189-192 vorgenommen wurde, ist ungesichert. Aus dem zitierten Text geht hervor, daß die Ehefrau die Begnadigung ihres Mannes bei Octavian bereits erwirkt hatte, als dieser sich noch in Makedonien aufhielt (42 v. Chr.), und der die triumvirale Gewalt in Rom vertretende Lepidus sich damals weigerte, die Begnadigung anzuerkennen.

1 . 2 . Der Zweite Triumvirat

Körper voller blauer Flecken erinnertest Du ihn mit beharrlichstem Mut an das Edikt Caesars und seine Glückwünsche zur Wiederherstellung meiner Rechte und, obwohl Du daraufhin mit Beschimpfungen und grausamen Schlägen traktiert wurdest, erhobst Du öffentlich Klage, damit der Urheber meiner Gefährdung nicht unbekannt bleibe. Ihm hat der Vorfall dann auch bald geschadet."

Q 8: Die Macht- und Kompetenzverteilung nach der Schlacht bei Philippi (November 42 v. Chr.) Cass. Dio, 48,1,3-2,4 (1,3) Sie teilten sogleich ihre Herrschaftsbereiche neu:63 Caesar erhielt Spanien und Numidien, Antonius Gallien und Africa. (2,1) Dies waren die einzigen Gebiete, die sie unter sich verteilten, da Sardinien und Sizilien noch Sextus (Pompeius) besetzt hielt und alles übrige außerhalb des italischen Festlands sich in einem chaotischen Zustand befand. Über Italien brauche ich nichts zu sagen, da es stets von Verteilungen ausgenommen blieb. Denn in ihren Worten kämpften sie niemals um, sondern immer für Italien. (2) So ließen sie Italien unter gemeinsamer Kontrolle, Antonius aber übernahm es, die Verhältnisse im Bereich ihrer Kriegsgegner zu regeln und das Geld aufzubringen, das den Soldaten versprochen worden war; Caesar erhielt die Aufgabe, Lepidus in Schranken zu halten, wenn er sich gegen ihre Interessen wende,64 gegen Sextus Krieg zu führen (3) und das Land, das sie ihren Soldaten versprochen hatten, denen zuzuteilen, deren Dienstzeit abgelaufen war und denen sie sogleich den Abschied gegeben hatten. Caesar überließ zwei Legionen aus seinem Heer dem Antonius, dieser versprach dafür, zwei andere aus seinen in Italien stationierten Verbänden ihm zu geben. (4) Nachdem sie diese Abmachungen unter sich getroffen und die Verträge in Schriftform ausgetauscht hatten, damit etwaige Verstöße anhand der Vertragstexte nachge62 Vgl.Anm. 64. 63 Die im Text beschriebene Einigung der beiden Sieger erfolgte im November 4 2 v. Chr. unmittelbar nach der zweiten Schlacht bei Philippi. 64 Lepidus wurde verdächtigt, Kontakte zu Sex. Pompeius geknüpft zu haben (s. unten App. b. c. 5,12) und seine Amtsführung in Rom hatte Anlaß zu Unzufriedenheit gegeben: s. oben die Bemerkung in Laud. Tur. 11,18.

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Quellen / 1 . Der Erbe Caesars wiesen werden könnten, brach Antonius nach Asien auf, Caesar nach Italien. App. b. c. 5,12 Wiederum teilten sie wie zuvor die Provinzen auf und nahmen die des Lepidus hinzu. Denn sie beschlossen, das Diesseitige Gallien entsprechend der Absicht des älteren Caesar aus dem Provinzialstatus zu entlassen, und Lepidus war verdächtig, den Staat an Pompeius zu verraten; und es wurde festgesetzt, daß Caesar wenn ihm der Verdacht falsch erscheine, Lepidus andere Provinzen geben solle. 65

Die Triumvim M. Antonius und C. Caesar66 Marcus Antonius mit Münzmeister M. Barbatius Philippus. Denar, 41 v. Chr., Münzstätte: in Kleinasien, nicht genauer festlegbar. Crawford 517/2. Vs.: Barhäuptiger Kopf des Marcus Antonius nach rechts gewendet.

65 40 v. Chr. wurde Lepidus mit der Provinz Africa abgefunden. Daß Antonius auf das Kommando in Gallia Cisalpina verzichtete, kam letztlich Octavian zugute, da Italien auf diese Weise der militärischen Kontrolle seines Kollegen entzogen war. 66 Die in Kleinasien von Antonius' Quaestor pro praetore M. Barbatius 41 v. Chr. besorgte Emission von Denaren des abgebildeten Typs dokumentiert die neue, nach dem Sieg von Philippi getroffene Machtverteilung. Die Vorderseite trägt das Bildnis des M. Antonius, die Rückseite das Bild Octavians als des Juniorpartners: Von Lepidus als dem dritten Kollegen ist keine Rede. Die Legende der Vs. lautet aufgelöst M(arcus) ANT(onius) IMP(erator) AVG(ur) III VIR R(ei) P(ublicae) C(onstituendae) M(arcus) BARBAT(ius) Q(uaestor) P(ro praetore), die der Rs.: CAESAR IMP(erator) PONT(ifex) III VIR R.(ei) P(ublicae) C(onstituendae).

1.3. Die Rivalität mit M. Antonius Legende: M.ANT.IMP.AVG.III.VIKKP.C.M.BARBAT.Q.P. Rs.: Barhäuptiger Kopf des Octavian nach rechts gewendet. Legende: CAESAKIMP.PONT.III.VIILR.P.C. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 984 (1,5:1).

1.3. Die Rivalität mit M. Antonius Q 9: Landverteilung und Perusinischer Krieg Cass. Dio, 48,6,1-5 (6,1) Auf die Landverteilung setzten beide Seiten ihre größte Hoffnung auf Machtgewinn, und deswegen begann auch ihretwegen der Streit. Denn Caesar wollte selbst seinen und den Soldaten des Antonius gemäß dem nach dem Sieg geschlossenen Vertrag Land zuweisen, um die Loyalität aller zu gewinnen.67 (2) Hingegen verlangte die andere Seite, selbst das Land zuzuweisen und Kolonien in den betreffenden Städten zu gründen, damit sie deren Machtpotential für sich gewännen. Erschien es doch beiden Seiten am leichtesten, den Besitz der waffenlosen Bevölkerung ihren Mitkämpfern zukommen zu lassen. (3) Als aber nun wider Erwarten darum große Unruhe entstand und die Dinge auf einen Krieg hinausliefen - denn Caesar hatte anfangs ganz Italien mit Ausnahme von dem, was einer der Soldaten als Geschenk oder auch aus Staatsland zur Nutzung erhalten hatte, zusammen mit Sklaven und Inventar den Eigentümern nehmen und ihnen geben wollen, und dadurch waren die Enteigneten furchtbar gegen ihn aufgebracht - (4), da änderten Fulvia68 und der Konsul (L. Antonius) ihren Kurs in der Hoffnung, auf Seiten 67 Die Zahl der aus 28 Legionen entlassenen Soldaten belief sich nach der nachvollziehbaren Berechnung von P. Brunt, Italian Manpower, 473 ff. sowie I. Hahn, Die Legionsorganisation des Zweiten Triumvirats, AAHung 17, 1969, 201 ff. auf 50-60.000 Mann. Zu den Plätzen der Ansiedlung s. L. Keppie, Colonisation and Veteran Settlement in Italy 47-14 Β. C., London 1983, 58 ff. Folgende Städte wurden von den Enteignungen betroffen: Ancona, Aquinum?, Ariminum, Asculum?, Benevent, Bononia, Capua, Concordia, Cremona, Firmum, Hadria?, Hispellum, Luca, Nuceria, Pisaurum, Teanum, Tergeste? und Venusia. 68 Zur Rolle der Fulvia, der Frau des M. Antonius, s. J. Bleicken, Augustus, 194 mit 711 f.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars der von der Enteignung Betroffenen größere Macht zu gewinnen, vernachlässigten die Sache derer, die Land erhalten sollten, und wandten sich der anderen Seite zu, da diese ja die Mehrheit darstellte und voll gerechten Zorns über die Enteignung war. (5) So nahmen sie sich ihrer im einzelnen an, unterstützten sie und schlossen sie zusammen, so daß auch diejenigen, die vorher Caesar gefürchtet hatten, wieder Mut faßten, da sie Führer gefunden hatten, und nichts von ihrem Eigentum aufgeben wollten; denn sie glaubten, daß dieser Kurs auch von Marcus (Antonius) gebilligt würde.69 App. b. c. 5.52-5370 (52) Ihre fünljährige Amtszeit begann abzulaufen, und notwendigerweise waren beide Seiten für ihre Sicherheit aufeinander angewiesen, die Kommandeure im Interesse ihrer Amtsgewalt auf das Heer, die Soldaten für die Behauptung dessen, was sie bekamen, auf die Dauer der Amtsgewalt der Verteiler des Landes. Denn in der Überzeugung, daß sie ihren Besitz nicht sicher In die Hand bekämen, wenn die Verteiler keine gesicherte Amtsgewalt besäßen, kämpften sie gezwungenermaßen loyal für deren Sache. (53) Caesar aber verteilte auch sonst vieles an die Bedürftigen unter ihnen, indem er Zwangsanleihen bei den Heiligtümern aufnahm. Deshalb wandte sich die Gesinnung des Heeres ihm zu, und noch größere Dankbarkeit wurde Ihm zuteil, da er zugleich der Spender von Ländereien und Städten, von Geld und Häusern und

69 Während Cassius Dio wohl zu Recht den taktischen Sinn des von Fulvia und L. Antonius ausgehenden Manövers betont, unterstellt Appian dem letzteren eine republikanische Orientierung: vgl. besonders die ihm in den Mund gelegte Rede in App. b. c. 5,159-166. Diese Version geht vielleicht auf das Geschichtswerk des Asinius Pollio zurück: s. neuerdings M. Hose, Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio, Stuttgart 1994, 259 ff. Aber ernst zu nehmen ist Antonius' angebliches Republikanertum wohl nicht. Taktische Überlegungen waren auf jeden Fall auch dabei im Spiel (anders jedoch J. M. Roddaz, Lucius Antonius, Historia 37, 1988, 317346). 70 Der zitierte Text zeigt, daß Octavian letztlich auf die stärkeren Bataillone setzte, d. h. auf die Soldaten und die Veteranen, die den Enteigneten und den alten Eliten Italiens in der herrschenden Bürgerkriegssituation letztlich überlegen waren.

1.3. Die Rivalität mit M . Antonius

das Ziel haßerfüllter Angriffe seitens der Enteigneten war, diese Angriffe aber um des Heeres willen zu ertragen hatte.

Cass. Dio, 48,14,1-5

(14,1) Während dieser Ereignisse verließ Lucius (Antonius) wie bereits gesagt Rom und brach nach Gallien auf. Als ihm der Weg verlegt wurde, wandte er sich nach Perusia, einer etrurischen Stadt (heute Perugia): Dort wurde er zuerst von den Unterführern Caesars, dann von diesem selbst gestellt und belagert. (2) Die Belagerung zog sich in die Länge. Der Platz ist von Natur aus stark, und er war mit Lebensmitteln hinreichend versorgt, die Reiterei, die Lucius vor Beginn der Einschließung aus der Stadt geschickt hatte, tat den Belagerern schweren Abbruch, und außerdem kamen ihm von verschiedenen Seiten her zahlreiche andere zu Hilfe. (3) So gab es viele Kämpfe gegen die einzelnen Verstärkungen sowie auch an den Stadtmauern, bis die Truppen des Lucius, obwohl sie meist die Oberhand behalten hatten, wegen Hungers kapitulieren mußten. Er selbst und einige andere wurden begnadigt, die Mehrheit der Senatoren und Ritter aber hingerichtet. (4) Und zwar wird berichtet,71 daß man sie nicht einfach tötete, sondern zu dem Altar führte, der Caesar dem Älteren geweiht war, und wie Opfertiere schlachtete - 300 Ritter und eine Anzahl Senatoren, unter ihnen Tiberius Cannutius, der zuvor als Volkstribun das Volk für Octavian einberufen hatte.72 (5) Von den Bürgern Peruslas und den anderen wurden die meisten getötet und die Stadt selbst, mit Ausnahme des Tempels des Vulcanus und der Statue der Juno, vollständig niedergebrannt.

71 Die Erzählung über den Umfang und die Umstände der Massentötungen (Parallelüberlieferung: Suet. Aug. 15 und App. b. c. 5,201) ist vermutlich, wie ihre Einführung als unverbürgte Erzählung erkennen läßt, aus dem Arsenal der zeitgenössischen Polemik geflossen. Doch ist in dieser Frage keine Sicherheit zu gewinnen. 72 Anspielung auf die in 45,6,3 erwähnte Versammlung, auf der Octavian sich bei seiner Rückkehr aus Apollonia im April 44 v. Chr. dem Volk vorstellte. Zur Rolle des Ti. Cannutius in seinem Tribunatsjahr s. R. Syme, Roman Revolution (Index).

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars Q 10: Der Vertrag von Brundisium (Herbst 40 v. Chr.) A p p . b. c. 5,272-275 (272) Als das Heer Caesars davon erfuhr,73 wählten sie Abgesandte, dieselben für beide Seiten; diese hörten die gegenseitigen Beschuldigungen nicht an, da sie nicht zu Schiedsrichtern, sondern um eine Aussöhnung zu vermitteln, gewählt seien. In diese Abordnung nahmen sie auch Cocceius 74 als gemeinsamen Freund der Streitenden auf, von den Freunden des Antonius den Pollio75 sowie Macenas 76 von denen Caesars. Es wurde festgelegt, daß für Caesar und Antonius Amnestie für das Vergangene und Freundschaft für die Zukunft gelten solle. (273) Da weiterhin Marcellus, 77 73 Im Herbst 40 v. Chr. nach Beendigung des Perusinischen Krieges erschien M. Antonius vor Brundisium und begann mit der Belagerung der Stadt. Die Kampfhandlungen wurden jedoch durch Vermittlungsbemühungen und die Demonstration des Unwillens der Soldaten konterkariert, die nicht gegeneinander kämpfen wollten. Diese Situation wird bei Appian im Vorangehenden geschildert, und darauf wird oben im Text angespielt. 74 L. Cocceius Nerva, Suffektkonsul 39 v. Chr., bereitete als Freund des Antonius und des Octavian die Vereinbarung von Brundisium (App. b. c. 5,253-272) ebenso vor wie 37 v. Chr. den Vertrag von Tarent. Zu seiner Person s. T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate, Oxford 1971, Nr. 126. 75 C. Asinius Pollio hatte sich im Bürgerkrieg 49 v. Chr. auf die Seite Caesars geschlagen, als Statthalter des Jenseitigen Spanien schloß er sich im Sommer 43 v. Chr. M. Antonius an, für den er auch bei den Landverteilungen 41 v. Chr. in Norditalien tätig war. 40 v. Chr. bekleidete er den Konsulat: zur Person und politischen Stellung s. A. B. Bosworth, Asinius Pollio and Augustus, Historia 21, 1972, 441-473. 76 C. Maecenas, aus einer fürstlichen Familie des etrurischen Arretium stammend, vertrat seit 40 v. Chr. seinen Jugendfreund Octavian bei diplomatischen Verhandlungen (40 v. Chr. ebenso wie 37 v. Chr. bei der Vorbereitung des Vertrags von Tarent: s. Hör. Sat. 1,5,50 f.) und diente als dessen Stellvertreter in Rom. Als Förderer der großen Dichter der Zeit spielte er eine wichtige Rolle, auch bei der Vermittlung ihrer Beziehungen zu Octavian bzw. Augustus: Näheres bei: P. L. Schmidt, s. v. Maecenas 2, in: Der Neue Pauly 7, 633-635 mit reichen Literaturangaben. 77 C. Claudius Marcellus war als Konsul 50 v. Chr. ein scharfer Gegner Caesars, wechselte jedoch nach dessen Anfangserfolgen im Bürgerkrieg die Seite und heiratete Caesars Großnichte Octavia.

1.3. Die Rivalität mit M . Antonius der Gatte von Caesars Schwester Octavia, jüngst verstorben war, forderten die Vermittler, daß Caesar Octavia dem Antonius verloben solle. Und der tat es sofort. Sie umarmten sich, und ununterbrochen erschollen die Rufe und Glückwünsche des Heeres den ganzen Tag und die ganze Nacht. (274) Dann teilten Caesar und Antonius erneut das ganze Römische Reich unter sich auf. Die Grenze zwischen ihnen sollte die genau in der Mitte des adriatischen Golfes gelegene illyrische Stadt Skodra78 bilden, östlich davon sollte alle Provinzen und Inseln bis zum Euphrat Antonius haben, die westlichen bis zum Atlantik Caesar. Die Statthalterschaft über Africa war für Lepidus vorgesehen, so wie es ihm Caesar überlassen hatte.79 (275) Den Krieg gegen Pompeius sollte Caesar führen, gegen die Parther Antonius, um Rache für den Vertragsbruch an Crassus zu nehmen.80 Caesar sollte dem Vertrag des Antonius mit Ahenobarbus beitreten.81 Beide Seiten sollten in gleicher Stärke ungehindert in Italien Truppen ausheben dürfen.

Q 11: Der Vertrag v o n Misenum (Frühjahr 39 v. Chr.) App. b. c. 5,303-308 (303) Auf Drängen seiner (d. h. Sex. Pompeius') Mutter Mucia und seiner Frau lulia82 trafen sich die drei Männer wiederum auf der 78 Skodra (heute Skutari) war die in Adrianähe gelegene südliche Grenzstadt der Provinz Illyricum. 79 Möglicherweise erhielt Lepidus erst bei dieser Gelegenheit die definitive Herrschaft über das mit Numidien vereinte Africa. Er verfügte dort über zehn Legionen, die er durch Neuaufstellungen bis 36 v. Chr. auf insgesamt sechzehn brachte. Zu seiner Statthalterschaft in Africa s. R.D. Weigel, Lepidus. The Tarnished Triumvir, London/New York 1992, 81 ff. 80 Anspielung auf die Umstände, unter denen M. Licinius Crassus 53 v. Chr. nach der verlorenen Schlacht von Carrhae anläßlich der Verhandlungen mit der parthischen Seite den Tod fand: Plut. Crass. 31. 81 Cn. Domitius Ahenobarbus war 43/42 v. Chr. Flottenbefehlshaber der Caesarmörder und konnte sich auch nach der Schlacht von Philippi erfolgreich zur See behaupten. Unter Vermittlung des Konsuls Asinius Pollio Schloß er 40 v. Chr. einen Vertrag mit M. Antonius, der ihm die Restitution in Rom zusicherte: Veil. Pat. 2,76,2. Zu seiner Person und seiner Laufbahn s. R. Syme, Roman Revolution (Index). 82 Sex. Pompeius' Mutter war die Tochter des berühmten Juristen Q. Mucius Scaevola, der die Würde des Pontifex maximus bekleidet

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

wellenumspülten Mole von Puteoli, während ringsum die Schiffe zur Bewachung ankerten, und schlossen unter folgenden Bedingungen einen Vertrag: (304) Der Krieg solle zu Wasser und zu Lande beendet und der Handel überall unbehindert sein, Pompeius die Besatzungen aus Italien abziehen, entlaufene Sklaven nicht mehr aufnehmen noch mit seinen Schiffen die Küste Italiens blockieren; (305) weiterhin solle er Statthalterfunktionen in Sardinien, Sizilien und Korsika sowie auf allen Inseln, die seiner Kontrolle unterstanden, ausüben, solange Antonius und Caesar ihre Amtsgewalt innehätten, und den Römern die diesen Inseln seit langem auferlegte Getreideabgabe schicken; ferner solle er noch die Peloponnes erhalten, in Abwesenheit die konsularische Amtsgewalt durch einen Freund seiner Wahl ausüben lassen und als Mitglied des höchsten Priesterkollegiums83 eingeschrieben werden. (306) Das waren die Bestimmungen über Pompeius. Beschlossen wurde auch die Rückkehr der noch in der Verbannung lebenden Prominenten mit Ausnahme der wegen der Ermordung Gaius Caesars Verurteilten. Das Eigentum derjenigen, die aus Furcht geflohen waren und denen ihr Vermögen gewaltsam genommen worden war, sollte vollständig mit Ausnahme der beweglichen Habe zurückgegeben werden, den Proskribierten ein Viertel. (307) Und von den Soldaten des Pompeius sollten die Sklaven frei sein, die Freien die gleichen Belohnungen erhalten wie Caesars' und Antonius' Soldaten. Dies war der Inhalt ihrer Vereinbarung, und dies setzten sie schriftlich auf und schickten das Dokument den Vestalischen Jungfrauen84 nach Rom. Unmittelbar danach bewirteten sie sich einander in ausgeloster Reihenfolge. Das erste Bankett gab Pompeius auf seinem an der Mole vertauten Sechsruderer. An den folgenden Tagen gaben Antonius und Caesar Ban-

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hatte. Sie war die dritte Ehefrau des Cn. Pompeius Magnus. Die Ehefrau des Sex. Pompeius war nicht Iulia, wie Appian schreibt, sondern Scribonia, Tochter L. Scribonius Libo, der als Proskribierter des Jahres 43 v. Chr. Zuflucht bei Sex. Pompeius gefunden hatte. D. h. des Augurenkollegiums: Cass. Dio 48,36,4. Weiterhin war vorgesehen, daß Sex. Pompeius in einem der nächsten Jahre zusammen mit Octavian den Konsulat bekleiden sollte. Zu den Aufgaben der sechs Priesterinnen der Feuergöttin Vesta (s. K. Latte, Römische Religionsgeschichte, HdAW 5.4, München 1960, 108 ff.) gehörte auch die Aufbewahrung von Abmachungen und Testamenten einflußreicher Personen.

1.3. Die Rivalität mit M . Antonius

kette, auch sie auf der Mole, in Zelten, angeblich damit alle an dem festlichen Ereignis teilhaben konnten, vielleicht aber zur Zerstreuung des Verdachts bedrohter Sicherheit. Q 12: Der Vertrag von Tarent (Frühjahr 37 v. Chr.) App. b. c. 5,396-399 (396) Die Expedition gegen Pompeius verschob Caesar auf das folgende Jahr; Antonius aber konnte wegen der Parther nicht so lange warten.85 Doch vereinbarten sie einen gegenseitigen Tausch: Antonius gab Caesar 120 Schiffe, die er sofort nach Tarent schickte, Caesar versprach, Antonius 20.000 Legionäre aus Italien nachzusenden. (397) Auch Octavia beschenkte ihren Bruder, indem sie von Antonius einen Gunsterweis erbat, mit zehn dreirudrigen Phaselen - kombinierte Kriegs- und Lastschiffe -, 8 6 und Caesar seine Schwester mit einer aus 1.000 auserlesenen Männern bestehenden Leibgarde, die Antonius auswählen durfte. (398) Da aber die Amtszeit, die für das Triumvirat beschlossen worden war, ausgelaufen war, setzten sie für sich eine weitere fünfjährige Amtszeit fest, ohne das Volk noch zu fragen.87 (399) Sodann nahmen sie Abschied voneinander, und Antonius brach sogleich

85 Das Interesse an einem neuen Vertragsabschluß ergab sich für beide Partner aus äußeren Herausforderungen: M. Antonius mußte nach dem Ende des Parthereinfalls die Verhältnisse an der Ostgrenze des Reiches neu ordnen und Octavian beabsichtigte, die Auseinandersetzung mit Sex. Pompeius mit militärischen Mitteln zu Ende zu bringen. Der eine brauchte Soldaten aus Italien, der andere Schiffe aus dem Osten. Auf dieser gemeinsamen Interessenbasis wurde der Vertrag von Tarent geschlossen. 86 Zum Schifftyp vgl. H.D.L. Viereck, Die römische Flotte, Herford 1975, 88-90 mit Abbildungen. 87 Zu Recht betont Appian, daß die beiden Machthaber übereinkamen, ohne das Volk zu fragen, sich selbst unter Einschluß ihres Kollegen Lepidus, der ebenfalls nicht gefragt wurde, die Amtszeit zu verlängern (ähnlich Cass. Dio 48,54,6). Das heißt jedoch nicht, daß sie auf eine nachträgliche Ratifizierung durch das Volk verzichtet hätten (so jedoch J. Bleicken, Augustus, 219): App. III. 1,28 erwähnt das entsprechende Ratifikationsgesetz; vgl. auch Fast. Capitol, zum Jahr 37 v. Chr. (oben Q6).

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars nach Syrien auf. Octavia ließ er zusammen mit ihrer gerade geborenen Tochter88 bei ihrem Bruder zurück.

Q 13: Die Maßnahmen und Ehrungen nach dem Sieg über Sex. Pompeius (Herbst 36 v. Chr.) Aug. R.G. 25 Das Meer habe ich von den Seeräubern85 gesäubert. In diesem Krieg habe ich von den Sklaven, die ihren Herren entlaufen waren und die Waffen gegen den Staat erhoben hatten, ungefähr 30.000 gefangen und ihren Eigentümern zur Bestrafung übergeben.90 Cass. Dio 49,14,1-6 (14,1) So gab nun Caesar vor, daß ihre (sc. der Soldaten) Forderungen91 wohlbegründet und ihre Bitten menschlich verständlich seien, und er entließ als erste die Soldaten, die mit ihm bei Mutina gegen Antonius gekämpft hatten, und dann, da auch die anderen ihn bedrängten, alle Soldaten mit einer Dienstzeit von zehn Jahren. Damit er die übrigen festhalten konnte, verkündete er, daß er keinen von ihnen (sc. nach einer Entlassung) mehr einstellen würde, auch wenn dieser das noch so sehr wünschte. (2) Als sie das hörten, wurden sie still und begannen, genau auf seine Worte zu achten: daß er den Entlassenen, nicht allen, abgesehen von den Erstgenannten, sondern nur den Würdigsten alle übrigen Versprechungen erfüllen sowie Land anweisen werde, und er schenkte ihnen allen 500 Denare sowie den Siegern in den Seeschlachten einen Lorbeerkranz.92 (3) Darauf machte er den Mann-

88 Es handelt sich um die 39 v. Chr. geborene Antonia maior, die damals im Alter von zwei Jahren mit L. Domitius Ahenobarbus verlobt wurde. Dessen Vater Cn. hatte sich 40 v. Chr. Antonius angeschlossen. 89 Der Kampf gegen Sex. Pompeius wurde offiziell als Seeräuberkrieg stilisiert: vgl. Veil. Pat. 2,73,3. 90 Nach App. b. c. 5,544 f. und Oros. 6,18,33 wurden weitere Sklaven, angeblich 6.000, deren Herren nicht ermittelt werden konnten, auf Octaviara Befehl gekreuzigt. 91 Die Soldaten forderten ihre Entlassung samt Altersversorgung durch eine Zuweisung von Land. 92 Gemeint sind die von M. Agrippa errungenen Seesiege von Mylai (August) und Naulochos (3. September): Hauptquellen sind App. b. c.

1.3. Die Rivalität mit M . Antonius

Schäften im einzelnen noch viele Hoffnungen (auf Belohnung), und besonders den Centurionen versprach er, sie unter die Ratsherren in ihren Heimatstädten einzureihen. Die Unterfeldherren belohnte er, vor allem Agrippa, der einen goldenen mit Schiffsschnäbeln verzierten Kranz erhielt: diese Auszeichnung ist weder früher noch später einem anderen zuteil geworden.93 (4) Und daß er, wann immer Feldherren beim Triumphzug den Lorbeerkranz trügen, sich dieser durch seinen Seesieg errungenen Auszeichnung erfreue, wurde später durch Senatsbeschluß bekräftigt. Auf diese Weise brachte Caesar damals die Soldaten zur Ruhe. Das Geld gab er ihnen sofort, das Land nicht viel später. (5) Da das damals noch vorhandene Staatsland nicht reichte, ließ er weiteres Land hinzukaufen, insbesondere große Areale von den kampanischen Siedlern in Capua (die Stadt brauchte nämlich viele Neusiedler). Dafür gab er ihnen eine Wasserleitung, die Aqua lulia, auf die sie zu allen Zeiten besonders stolz gewesen sind, sowie das Land in Knossos (sc. auf Kreta), aus dem sie noch heute Ertrag ziehen. (6) Das geschah freilich erst später.94 Damals ordnete er auch die Verhältnisse Siziliens neu, nahm durch Statilius Taurus95 die beiden afrikanischen Provinzen kampflos in Besitz und sandte Antonius ebenso viele Schiffe zurück, wie verlorengegangen waren. Cass. Dio 49,15,5-6 (15,5) Im übrigen beschloß damals das Volk, daß ihm auf Staatskosten ein Haus geschenkt werden solle; er hatte nämlich den Platz auf dem Palatin, den er als Baugrund für sein Haus erworben hatte, zum öffentlichen Eigentum erklärt und dem Apollo geweiht, nachdem die Stelle von einem Blitzstrahl getroffen worden war.96

5,433-449 und 489-503 sowie Cass. Dio 49,2-4 und 9 f. 93 Parallelüberlieferung: Veil. Pat. 2,81,3 und Suet. Aug. 25,3. 94 D. h. nach dem definitiven Sieg über M. Antonius und der Inbesitznahme der östlichen Provinzen, also nach 30 v. Chr. 95 T. Statilius Taurus war neben M. Agrippa der bedeutendste militärische Helfer des Octavian bzw. des Augustus. 37 ν. Chr. war er Suffektkonsul und 26 v. Chr. zusammen mit Augustus consul Ordinarius: zur Person und Laufbahn: R. Syme, Roman Revolution (Index). Für die Inbesitznahme Africas, die nach der Kapitulation des Lepidus auf Sizilien erfolgte, wurde er mit der Ehre des Triumphs ausgezeichnet: Fast. Capitol. zum Jahr 34 v. Chr. 96 Zum augusteischen Baukomplex auf dem Palatin s. 3.2 mit Q 42.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars Sie gewährten ihm nun das Haus und dazu noch besonderen Schutz gegen jeden Angriff in Wort und Tat. (6) Wer sich dagegen verging, sollte den gleichen Strafen verfallen, wie sie zum Schutz eines Volkstribunen festgesetzt waren; erhielt er doch auch das Recht, mit ihnen auf denselben Bänken Platz zu nehmen.97 App. b. c. 5,538-543 (538) Bei seiner Ankunft in Rom beschloß der Senat für ihn maßlose Ehren, und sie überließen es ihm, sie entweder insgesamt oder nur soweit anzunehmen, wie sie ihm gefielen. Sie selbst und das Volk gingen bekränzt ihm sehr weit entgegen und begleiteten ihn zu den Tempeln und von den Tempeln in sein Haus. (539) Am folgenden Tag hielt er Reden vor Senat und Volk, in denen er seine Taten und seine Politik von den Anfängen bis zum damaligen Zeitpunkt rechtfertigte. Und das Gesagte legte er schriftlich nieder und publizierte es als Buch. (540) Frieden und allgemeine Zuversicht kündigte er an, da die Bürgerkriege ein Ende genommen hätten, erließ den Schuldnern noch nicht gezahlte Vermögensabgaben sowie den Steuerpächtern und den Inhabern von Staatskontrakten die Summen, die sie etwa noch schuldeten. (541) Von den beschlossenen Ehren nahm er den kleinen Triumph98 an, eine jährlich wiederkehrende Feier an den Tagen, an denen er gesiegt hatte, und eine goldene Statue auf einer Säule auf dem Forum, in der Aufmachung, in der er die Stadt betreten hatte. Rings um die Säule sollten Schiffsschnäbel angebracht sein. (542) Und die dort stehende Statue sollte die Inschrift tragen: "Den lange gestörten Frieden stellte er zu Lande und zu Wasser wieder her." (543) Als das Volk den Oberponitifkat, den der Inhaber nach dem Brauch bis zum Lebensende bekleidete, von Lepidus auf ihn übertragen

97 Mit der Verleihung der tribunizischen Unverletzlichkeit wurde auf ein Privileg zurückgegriffen, daß zuerst der Diktator Caesar 44 v. Chr. erhalten hatte: vgl. M. Jehne, Der Staat des Diktators Caesar, Köln/Wien 1987, 96 ff. 98 Der kleine Triumph, die sogenannte ovatio, wurde gewährt, wenn ein militärischer Erfolg gewürdigt werden sollte, aber Hinderungsgründe für die Zuerkennung des großen Triumphes vorlagen. Von den bei Gell. 5,6,21 genannten Hindernissen trifft das zweite "unwürdiger Feind wie Seeräuber und Sklaven" entsprechend der offiziellen Stilisierung des Krieges gegen Sex. Pompeius zu.

1 . 3 . Die Rivalität mit M . Antonius

wollte, nahm er das nicht an, und er kam der Forderung nicht nach, Lepidus als einen Staatsfeind zu töten.

Ehrensäule für Octavian99 Octavian. Denar ca. 2927 v. Chr., Münzstätte: in Italien, nicht genau festlegbar (Brundisium oder Rom?). RIC2 271. Vs.: Apollokopf mit Lorbeerkranz nach rechts gewendet, keine Legende. Rs.: Mit Schiffsschnäbeln verzierte Säule, darauf männliche Statue (Octavian) nach rechts gewendet, Speer und Offiziersschwert (parazonium) haltend; Legende: IMP - CAESAR links und rechts der Säule. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1015, (1,5:1). App. b. c. 5,548 Caesar... überließ viele politische Aufgaben den jährlichen Magistraten gemäß der Tradition, und er verbrannte Schriftstücke, soweit sie Zeugnis hinsichtlich des Bürgerkrieges enthielten, und er sagte, daß er die gesamte Ausnahmegewalt zurückgeben wer-de, wenn Antonius aus dem Partherkrieg zurückkehre; denn er sei überzeugt, daß auch dieser das Amt niederlegen wolle, da der Bürgerkrieg beendet sei.

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Die Beischrift Imp(erator) Caesar verwendet den Imperatorentitel als Namensbestandteil, vielleicht nach dem Vorbild einer bereits dem Diktator Caesar zuerkannten Ehrung: vgl. Suet. Caes. 76,1 und Cass. Dio 4 3 , 4 2 , 2 f. Zur Frage der Historizität s. M. Jehne, a.a.O. (s. Anm. 97) 58 ff.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (3230 v. Chr.) Q 14: Antonius' dynastische Herrschaftsordnung im Osten Cass. Dio 49,41,1-6 (41,1) Danach100 gab Antonius den Alexandrinern ein Fest und ließ dabei Kleopatra und ihre Kinder in der Volksversammlung neben sich Platz nehmen. Im Laufe seiner Ansprache an das Volk befahl er, sie Königin der Könige und Ptolemaios, der den Beinamen Kaisarion trug,101 König der Könige zu nennen. (2) Und er gab ihnen, indem er eine gewisse Änderung der Landverteilung vornahm, Ägypten und Zypern; er sagte nämlich, daß sie die Frau, er der wirkliche Sohn des älteren Caesar sei, und er gab vor, dies im Sinne Caesars zu tun, damit er dementsprechend Caesar Octavius verleumden könne, daß er der adoptierte, nicht der echte Sohn Caesars sei. (3) Während er ihnen diese Zuwendungen machte, kündigte er an, daß er seinen Kindern von Kleopatra folgende Zuweisungen zukommen lassen werde: Ptolemaios102 Syrien und das gesamte Land vom Euphrat bis zum Hellespont, Kleopatra103 die Kyrenaika, ihrem Bruder Alexander104 Armenien und die Länder jenseits des Euphrats bis nach Indien; er vergab nämlich auch dies, als sei es schon in seiner Hand. (4) Dies verkündete er nicht 100 D. h. nach dem triumphalen Einzug in Alexandria, den M. Antonius 34 v. Chr. bei seiner Rückkehr von seinem erfolgreichen Armenienfeldzug hielt. 101 Als Ptolemaios XV. war der 47 v. Chr. geborene Sohn Caesars seit 44 v. Chr. Mitregent seiner Mutter. Octavian ließ ihn nach der Einnahme Alexandrias am 1. August 30 v. Chr. töten. 102Ptolemaios Philadelphos, geboren 36 v.Chr. Der Beiname sollte an Ptolemaios II. erinnern, den glanzvollsten Herrscher der Dynastie. 103 Kleopatra Selene, geboren 40/39 v. Chr., wurde bei der Einnahme Alexandrias gefangengenommen und 28 v. Chr. im Triumphzug Octavians mitgeführt. Dessen Schwester Octavia nahm sie anschließend in ihr Haus auf, und Augustus vermählte sie 20 v. Chr. mit König Iuba I. von Mauretanien. 104 Alexander Helios, geboren 40/39 v. Chr. wurde 34 v. Chr. mit der medischen Königstochter Iotape verlobt. Wie seine Zwillingsschwester wurde er 28 v. Chr. im Triumphzug Octavians mitgeführt und dann vermutlich ebenfalls von Octavia aufgenommen.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) nur in Alexandria, sondern er schickte auch nach Rom, damit man es dort ratifiziere. Doch wurde nichts davon öffentlich vorgelesen. Denn Domitius und Sosius, die zu diesem Zeitpunkt Konsuln waren und ganz auf seiner Seite standen,105 wollten nicht, daß dies allen offengelegt wurde, obwohl Caesar sie dazu drängte. (5) Aber wenn sie sich auch in diesem Punkt durchsetzten, errang Caesar seinerseits einen Erfolg, indem er verhinderte, daß eine der den armenischen König betreffenden Siegesbotschaften des Antonius bekannt gemacht wurde.106 Denn er empfand Mitleid mit dem König, weil er heimlich mit ihm gegen Antonius konspiriert hatte, und er neidete diesem den Triumph. (6) Während nun Antonius dies tat, wagte er es, dem Senat zu schreiben, daß er sein Amt aufgeben und die Gesamtheit der öffentlichen Angelegenheit Senat und Volk anheim geben wolle - nicht daß er davon wirklich etwas zu tun gewillt war, sondern damit man wegen der von ihm ausgehenden Erwartungen entweder Caesar als den in Rom Anwesenden zwänge, als erster seiner Militärmacht zu entsagen, oder ihn zu hassen beginne, wenn er sich weigerte. Plut. Ant. 54.3-6107 (3) Er (sc. Antonius) war aber auch verhaßt wegen der Länderverteilung, die er an seine Kinder in Alexandria vornahm und die theatralisch, anmaßend und antirömisch erschien. Er ließ nämlich das Gymnasium mit einer Volksmenge anfüllen und auf einer silbernen Bühne zwei goldene Thronsessel aufstellen, den einen für sich, den anderen für Kleopatra, und andere, niedrigere für die Kinder; (4) zuerst proklamierte er Kleopatra als Königin von Ägypten, Zypern, der Kyrenaika und Koilesyrien, und Kaisarion, der für einen Sohn des älteren Caesar galt - er hatte Kleopatra schwanger zurückgelassen - , sollte Mitregent sein; an zweiter Stelle 105 Es handelt sich um die Konsuln des Jahres 32 v. Chr., Cn. Domitius Ahenobarbus und C. Sosius. 106 Artavasdes II. von Armenien wurde von M. Antonius entgegen den ihm gegebenen Zusagen gefangengesetzt und nach Alexandria gebracht (Liv. Perioch. 131). Nach der Schlacht von Actium wurde er auf Betreiben Kleopatras getötet. 107 Die ausführliche Beschreibung Plutarchs gibt die Szene der Länderverteilung wieder, die Cass. Dio 49,41,1-3 ebenfalls erwähnt (s.o). Zu der Szene und ihren Folgen in der politschen Auseinandersetzung s. M. Clauss, Kleopatra, München 1995, 68 ff.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars proklamierte er seine Söhne von Kleopatra zu Königen der Könige und wies Alexander Armenien und Medien sowie das Partherreich zu, wenn es unterworfen sein würde, Ptolemaios Phoinikien, Syrien und Kilikien. (5) Zugleich ließ er von seinen Kindern Alexander in medischer Tracht mit aufrechter Tiara108 auftreten, Ptolemaios in Stiefeln, kurzem Mantel und diademgeschmückten Petasos.109 Dies war die Tracht der Nachfolgerkönige Alexanders des Großen, jenes die der medischen und armenischen Könige. (6) Während die Kinder ihre Eltern begrüßten, umstand den einen eine armenische Leibwache, den anderen eine makedonische. Kleopatra trug damals wie auch sonst, wenn sie vor der Menge erschien, das heilige Gewand der Isis, und sie nahm den Titel "Neue Isis" an.110

M. Antonius und Kleopatra VII.111 108 Es handelt sich um die aufrechte, zinnenartig gestaltete und mit Sternen geschmückte Tiara, die den iranischen Königen vorbehalten war. 109 Der Petasos war ein breitkrempiger Hut, der mit einem Diadem versehen Teil der makedonischen Königstracht war. 110 Zu Kleopatra als Neuer Isis s. M. Clauss, a.a.O. (oben Anm. 107), 70 ff. mit Abb. 5, die die Königin im Gewand der Göttin darstellt. 111 Die 32/31 v. Chr. im Zuge der Kriegsvorbereitungen gegen Octavian in Kleinasien geprägten Denare nehmen Bezug auf die Eroberung Armeniens und die in den Schriftquellen geschilderte dynastische Herrschaftsordnung des Jahres 34 v. Chr. M. Antonius und Kleopatra sind als Herrscher abgebildet, er mit der armenischen Tiara (links unten), sie als Königin mit dem Diadem geschmückt und mit der Abbildung eines Schiffsschnabels unten, des Symbols für den Flottenbeitrag zu den Kriegsrüstungen des M. Antonius. Wie auf hellenistischen Königsmünzen sind die Namen des Prägeherrn bzw. der Prägeherrin im Genitiv gegeben: ...Antoni(i) Armenia Devicta =(Münze) des Antonius auf die Eroberung Armeniens und Cleopatrae Reginae Regum Filiorum Regutrt = (Münze) der Kleopatra, der Königin der Könige, ihrer Kinder, der Könige.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) Marcus Antonius. Denar, 32 v. Chr., Münzstätte: in Kleinasien, nicht genauer festlegbar. Crawford 543/1. Vs.: Kopf des Marcus Antonius nach rechts gewendet, dahinter Tiara. Legende: [M.AJNTONI.ARMENIA DEVI[CTA]. Rs.: Büste der Kleopatra mit Diadem nach rechts gewendet, davor Schiffsbug. Legende: (rechts oben beginnend) CLEOPAT[RAE. REGINAE. REGVM.]FILIORVM.REGVM. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 992 (1,5:1).

Q 15: Die wechelseitigen Vorwürfe der Rivalen 112 Cass. Dio 50,1,2-2,1 (1,2) Die Gründe für den Krieg und die Vorwände waren folgende: (3) Antonius warf Caesar vor, daß er Lepidus seines Amtes enthoben und dessen Provinz und Streitmacht sowie die des Pompeius, die ihnen gemeinsam zugestanden hätten, für sich genommen habe,113 und er forderte davon die Hälfte sowie auch von den Soldaten, die dieser in Italien, das ihnen beiden zusammen zustand, ausgehoben hatte. (4) Caesar aber warf ihm vor, daß er, der Ägypten, das ihm nicht zugeteilt worden war, in Besitz hatte, Sex. Pompeius getötet habe114 (er selbst habe ihn nämlich, sagte er, absichtlich geschont) und daß er dem römischen Volk einen schlechten Ruf zugezogen habe, indem er den armenischen König (sc. Artavasdes II.) getäuscht, festgenommen und in Fesseln gelegt habe.115 (5) Und er forderte seinerseits die Hälfte der Beute 112 Vgl. K. Scott, The Political Propaganda of 40-30 B.C., Mem. of the American School at Rome 11, 1933, 749; J. R. Johnson, Augustan Propaganda, Univ. of California, Los Angeles 1976 (Mikrofilm), 78 ff. und H. Sonnabend, Fremdenbild und Politik. Vorstellungen der Römer von Ägypten und dem Partherreich in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, Frankfurt a. M. 1986, 49 ff. 113 Antonius bezieht sich auf die Ergebnisse des für Octavian siegreichen Krieges gegen Sex. Pompeius im Jahre 36 v. Chr. 114 Sex. Pompeius war 35 v. Chr. von Antonius' Legaten M. Titius gefangengenommen und in Milet hingerichtet worden. Ob dies auf Befehl des Antonius geschehen war, ist schon damals strittig gewesen: s. App. b. c. 598-600 und Cass. Dio 49,18,4 f. 115 Vgl. oben Q 14 mit Anm. 106.

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Quellen / 1 . Der Erbe Caesars und vor allem warf er ihm Kleopatra und die Kinder vor, die er als die seinen anerkannt hatte, die Geschenke, die sie erhalten hatten, und vor allem daß er Kaisarion so genannt habe und ihn in die Familie Caesars bringe. (2,1) Dies warfen sie einander vor und diente irgendwie zu ihrer gegenseitigen Entlastung, indem sie sich das eine privat mitteilten, das andere öffentlich, von seiten Caesars durch Reden, von seiten des Antonius durch Briefe. Und sie schickten einander ununterbrochen Gesandte unter diesem Vorwand, damit sie mit ihren Vorwürfen möglichst gerechtfertigt erschienen und sie zugleich die gegenseitigen Standpunkte kennenlernten. (2) Unterdessen sammelten sie Gelder, als ob es für einen anderen Zweck wäre, und rüsteten für den Krieg alles übrige, als ob es gegen andere Feinde ginge, bis Gnaeus Domitius und Gaius Sosius, beide Parteigänger des Antonius, Konsuln wurden.116 Plut. Ant. 55,1-2 (1) Diese Dinge117 brachte Caesar vor den Senat, und indem er oft vor dem Volk darüber Klage führte, hetzte er die Menge gegen Antonius auf. Auch Antonius schickte Gesandte, die Gegenklagen gegen Caesar vorbrachten. Die Hauptpunkte der Vonwürfe aber waren, erstens, daß er dem Pompeius Sizilien genommen, aber nicht einen Teil der Insel ihm zugewiesen habe, zweitens, daß er Schiffe von ihm für den Krieg erhalten und sie dann nicht zurückgegeben habe, drittens, daß er seinen Kollegen Lepidus seines Amtes enthoben und seines Ranges beraubt und sich selbst in den Besitz des Heeres, des Landes und der Einkünfte gesetzt habe, die jenem zugewiesen worden waren; (2) zum Schluß, daß er mit den eigenen Soldaten fast ganz Italien besiedelt habe, ohne für seine etwas übrigzulassen. Darauf brachte Caesar zu seiner Rechtfertigung vor: Er habe Lepidus wegen seiner Verfehlungen abgesetzt; was er in Besitz genommen habe, werde er mit Antonius teilen, wenn er das Gleiche mit Armenien mache, Antonius' Soldaten aber hätten keinen Anspruch auf Italien: Sie hätten Medien und das Partherreich, die sie den Römern durch ihren ruhmreichen Feldzug hinzugewonnen hätten.

1 1 6 D. h. bis zum Amtsantritt der Konsuln am 1. Januar 3 2 v. Chr. 1 1 7 Bezug genommen wird auf die in Alexandria 3 4 v . C h r . in Szene gesetzte dynastische Herrschaftsordnung: s. Q 14.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg ( 3 2 - 3 0 v. Chr.)

Q 16: Octavians Machtergreifung und propagandistische Kriegsvorbereitung Cass. Dio, 50,2,3-3,5 (2,3) Domitius118 wagte offen keine Neuerung, da er schon viele Katastrophen erfahren hatte. Aber Sosius 119 sagte, da er noch nichts Schlimmes erfahren hatte, viel zum Lob des Antonius am ersten Tag des Jahres und viel auch gegen Caesar. Und er hätte sogleich einen Antrag gegen ihn eingebracht, wenn nicht der Volkstribun Nonius Baibus120 interzediert hätte. (4) Denn Caesar sah voraus, was von ihm kommen würde, wollte es weder unbeachtet lassen noch durch Gegenmaßnahmen den Anschein erwecken, er beginne mit Krieg, und so betrat er weder die Kurie, noch hielt er sich in der Stadt auf, sondern er blieb unter einem Vorwand außerhalb, nicht nur aus dem angegebenen Grund, sondern auch damit er in Ruhe über die eingehenden Nachrichten beraten und das Notwendige nach reiflicher Überlegung tun könne. (5) Später kam er zurück, berief den Senat ein, umgeben von Soldaten und Freunden, die versteckt Dolche trugen, setzte sich auf einen Amtssessel zwischen die Konsuln und hielt eine lange und maßvolle Rede zu seiner Rechtfertigung, aber ebenso griff er ausführ-

118 Zu Cn. Domitius Ahenobarbus, dem zu Antonius übergetretenen ehemaligen Flottenbefehlshaber der Caesarmörder, s. oben Anm. 81. 119 Zu C. Sosius, Unterfeldherrn des M. Antonius, und seiner Laufbahn s. R. Syme, Roman Revolution (Index). 120 Zu Person und Laufbahn des M. Nonius Baibus vgl. L. Schumacher, Das Ehrendekret für M. Nonius Baibus aus Herculaneum, Chiron 6, 1976, 165-184.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

lieh und heftig Sosius und Antonius an.121 (6) Da nun weder ein anderer noch die beiden Konsuln irgend etwas zu sagen wagten, befahl er ihnen, sich an einem bestimmten Tag wieder einzufinden, damit er aus gewissen Dokumenten den Beweis führen könne, daß Antonius gegen das Recht verstoßen habe. Die Konsuln, die weder wagten, ihm zu widersprechen, noch es ertrugen zu schweigen, verließen heimlich die Stadt, danach gingen sie zu Antonius, und nicht wenige der übrigen Senatoren folgten ihnen. (7) Als Caesar dies erfuhr, sagte er, er habe sie absichtlich ziehen lassen, damit es nicht den Anschein habe, er sei aufgrund irgendwelcher Übergriffe von ihnen verlassen worden, und er fügte hinzu, daß er auch den übrigen, die diese Absicht hätten, garantiere, ohne Furcht zu Antonius aufbrechen zu können. (3,1) Während dies geschah, kamen umgekehrt Flüchtlinge von Antonius und begaben sich zu Caesar, neben anderen auch Titius122 und Plancus,123 obwohl sie doch von jenem herausragende Ehrungen empfangen hatten und in alle seine Geheimnisse eingeweiht worden waren. (2) Nachdem also die Konsuln dies wie beschrieben getan hatten, Caesar den Senat dann in ihrer Abwesenheit einberufen, vorgelesen und gesagt hatte, was er wollte, Antonius davon gehört, einen (Gegen)senat aus den (bei ihm) Anwesenden gebildet, nach ausführlicher Erörterung des Für und Wider den Krieg begonnen und sich von Octavia geschieden hatte, da liefen die soeben Genannten wegen eines Konfliktes mit ihm oder weil sie Anstoß an Kleopatra nahmen, (zu Octavian) über. (3) Und Caesar nahm sie 121 Die Szene spricht für sich: Die triumvirale Amtsgewalt war am 1. Januar de iure erloschen, aber Octavian führte sie ähnlich wie 37 v. Chr. auch in Rom weiter. Er berief den Senat ein und nahm zwischen den Konsuln Platz, doch hielt er es für besser, sicherheitshalber den Senat mit terroristischen Mitteln einzuschüchtern. Von einem Staatsstreich läßt sich also nur sehr bedingt sprechen. Unter dem Triumvirat war die Rechtsordnung des Staates ohnehin nur eine Fassade, und so sehr das öffentliche Recht zum Zweck der Legitimierung der Macht herangezogen wurde, so war doch die Fähigkeit zur Ausübung von Macht, und sei es mit den Mitteln der Gewalt oder Gewaltandrohung, das allein Entscheidende. Zu der unergiebigen Diskussion über den 'Staatsstreich' Octavians s. zuletzt K. M. Girardet, Der Rechtsstatus Octavians im Jahre 32 v. Chr., Rhein. Mus. 133, 1990, 322-350. 122 Zu M. Titius, der 35 v. Chr. Sex. Pompeius gefangen genommen hatte (s. oben Q 15, Anm. 114), vgl. R. Syme, Roman Revolution (Index). 123 Zu L. Munatius Plancus s. Q 3, Anm. 30.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) hocherfreut auf und erfuhr von ihnen alles, was Antonius tat und plante und vor allem was in seinem Testament stand und wer es verwahrte.124 Denn sie hatten es mit ihrem Siegel bezeugt. (4) Darüber geriet er noch mehr in Zorn und zögerte nicht, das Testament aufzuspüren, es in seine Gewalt zu bringen, es in den Senat und dann in die Volksversammlung mitzunehmen und zu verlesen. Sein Inhalt war so, daß sein Handeln, obwohl höchst ungesetzlich, ihm keinen Tadel eintrug. (5) Antonius bezeugte darin dem Kaisarion, dßß er wirklich der leibliche Sohn Caesars sei, setzte seinen Kindern, die er von Kleopatra hatte, gewaltige Legate aus und hatte festgelegt, daß sein Körper in Alexandria neben Kleopatra beigesetzt werden solle.

Q 17: Mausoleum Augusti125 Das Mausoleum des Augustus auf dem nördlichen Marsfeld ist eines der frühesten Bauprojekte Octavians, das noch vor der Schlacht von Actium in Angriff genommen wurde. Im Gegensatz zu anderen früh geplanten Bauvorhaben sind die Arbeiten am Mausoleum sehr zügig durchgeführt worden, so daß der Bau schon im Jahre 28 v. Chr. weitgehend fertiggestellt war (Suet. Aug. 100). Das Mausoleum war in hohem Maße ein Politikum und eine Demonstration Octavians gegen Antonius. Der Bau war eine direkte Reaktion auf das unerhörte Testament des Antonius, in dem dieser Alexandria als seinen Begräbnisort bestimmt hatte. Durch die Errichtung einer Grabanlage in Rom konnte Octavian sich als der Vertreter Roms gegenüber dem Konkurrenten aus dem Osten profilieren. Schon der Standort auf der bis dahin freien Fläche des nördlichen Marsfeldes direkt außerhalb der sakralen Stadtgrenze Roms (pomerium) war bedeutungsvoll: Hier lagen verdiente Staatsmänner wie Sulla, aber auch die Konsuln Hirtius und Pansa, die ein offizielles Staatsbegräbnis erhalten hatten, nachdem sie nur zehn Jahre zuvor im Kampf gegen Antonius den Tod gefunden hatten. Deswegen konnten sie für Octavian als Vorbild 124 Vgl. Plut.Ant. 58,4-8, wo angegeben wird, daß das Testament bei den Vestalischen Jungfrauen deponiert war. 125 Literatur: H. v. Hesberg, in: Kaiser Augustus, 245 ff.; H. v. Hesberg S. Panciera, Das Mausoleum des Augustus. AbhAkadMünchen 108, 1 9 9 4 ; LTUR III, 2 3 4 ff. s. v. Mausoleum Augusti (Η. ν. Hesberg M. Macciocca); E. Buchner, AW 2 7 , 1 9 9 6 , 1 6 1 ff.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars und Exemplum gelten, und dies dürfte ein Argument für die Wahl des Standortes gewesen sein. Nicht minder anspruchsvoll war auch die von Strab. 5,3,8 überlieferte Bezeichnung der Anlage als Mausoleum, die Assoziationen zu dem als Weltwunder geltenden Grabbau des Dynasten Mausolos126 wachrief. Tatsächlich konnte Octavians Grab in seinen Ausmaßen durchaus mit demjenigen des karischen Herrschers konkurrieren. Der Bau besteht aus fünf konzentrischen, zur Mitte hin ansteigenden Mauerringen aus Gußmauerwerk sowie einem Kern aus Travertinblöcken. Der äußerste Ring mit einem Durchmesser von ca. 89 m = 300 Fuß bildet den unteren Zylinder der Anlage, der eine hügelartige Erdanschüttung trägt. Die beiden folgenden Ringmauern dienen lediglich als Substruktionen zur Befestigung und zum Schubausgleich dieses künstlichen Hügels und treten außen nur als Steinkränze in Erscheinung. Der vierte Ring bildet den Sockel für die Außenwand des darüber stehenden, zweiten Zylinders, der einen Durchmesser von ca. 29,5 m = 100 Fuß hat. Der innerste Ring umschließt die Grabkammer, deren Mitte von einem massiven Kern eingenommen wird. Dieser bildet den Sockel für die Kolossalstatue des Augustus auf der Spitze des Grabmals. Auch dafür wird das Mausoleum von Halikarnassos mit der Statue des Mausolos auf der Spitze das direkte Vorbild gewesen sein. Die Gesamthöhe der Anlage dürfte ca. 45 m betragen haben. Von der Stadtseite führt ein tunnelartiger Zugang durch die Mauerringe in die Grabkammer. In ihren drei Nischen standen große, in der Mitte ausgehöhlte und mit Inschriften versehene Marmorblöcke, in denen Urnen aus Edelmetall versenkt waren. Von außen bot sich dem Betrachter ein eindrucksvolles Bild. Inmitten von Gärten war ein rechteckiger Bezirk von ca. 120 m = 400 Fuß durch Steinpfeiler markiert, die untereinander durch Ketten verbunden waren. Derartige Umfriedungen sind für Grabbauten ungewöhnlich, wurden aber häufig für heilige Bezirke und Staatsmonumente verwendet: Die Eingrenzung schließt das Areal in größerem Abstand von dem eigentlichen Denkmal ab und schafft auf diese Weise eine gewisse Distanz. Die sichtbaren Außenwände des äußeren Mauerrings waren zu beiden Seiten des Eingangs über eine Breite 126 Mausolos, persischer Satrap von Karien im südwestlichen Kleinasien (377-353 v. Chr.), ließ oberhalb seiner Residenzstadt Halikarnassos einen monumentalen, typenprägenden Grabbau, das sogenannte Mausoleum, errichten.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) von 45 m mit Marmorblöcken verkleidet, weiter hinten mit dem einfacheren Travertin. Die Marmorverkleidung diente zur Aufnahme der Inschriften von Personen, die künftig hier bestattet werden sollten. Die einzelnen Kolumnen hatten eine Breite von 2,50 bis 3,00 m und bestanden jeweils aus Titulus und zugehörigem Elogium. Auf der riesigen Wandfläche hatten 24 solcher Kolumnen Platz; offensichtlich war von vornherein vorgesehen, den Raum nach und nach zu füllen. Dies unterstreicht den Anspruch und die Bedeutung des Denkmals für die politische und dynastische Etablierung der Herrschaft des Augustus. Gegen 10 v. Chr. wurden seitlich der riesigen Inschriftflächen zwei Oblisken aufgestellt, die heute vor St. Maria Maggiore und dem Quirinal stehen. Der Eingang selbst wurde mit den Ehrenzeichen geschmückt, die Augustus 28/27 ν. Chr. vom Senat erhielt: den zwei Lorbeerbäumchen und dem clupeus virtutis. Unmittelbar neben den Eingangsstufen haben neueste Grabungen die Bettungen für die im Jahre 14 n. Chr. aufgestellten ehernen Pfeiler nachgewiesen, auf denen der Tatenbericht des Augustus verzeichnet war. Der breit gelagerte, untere Zylinder trug zusammen mit den beiden nächsten Mauerringen einen gewaltigen künstlichen Erdhügel, der mit immergrünen Sträuchern bepflanzt und später mit Statuen von Angehörigen des Kaiserhauses bestanden war. Dieser bildete allerdings nur den Unterbau für den oberen Zylinder, der sich über der Grabkammer befand und nach Typus und Ausmaßen als der eigentliche Grabbau zu gelten hat. Wie ist diese Kombination verschiedener Elemente zu erklären? Ein wesentlicher Aspekt aller repräsentativen Grabbauten seit dem Mausoleum von Halikarnassos war die landschaftlich beherrschende Lage. Ein herausragendes Beispiel ist das nur wenige Jahre nach dem Augustusgrab entstandene Mausoleum des L. Munatius Plancus auf der Spitze des Berges einer Landzunge über dem Golf von Gaeta. Das Marsfeld war zwar ein bedeutungsträchtiger Bauplatz, bot aber keine natürliche Erhebung, die das Grab entsprechend der allgemeinen Gepflogenheit der Zeit und dem besonderen Anspruch des Bauherrn herausgehoben hätte. Dieser nach römischer Vorstellung 'mangelhaften' Topographie mußte also durch einen künstlichen Berg nachgeholfen werden, auf den man dann den eigentlichen Grabkörper setzte. So war das Mausoleum nicht nur für jeden von Norden über die Via Flaminia nach Rom kommenden Besucher eine prägnante Landmarke, sondern war auch von allen Ecken und Enden des nur locker bebauten Marsfeldes als mächtiger und imponierender Klotz zu sehen, der die Höhe des

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars benachbarten Monte Pincio erreichte. Der den angeschütteten 'Berg' bekrönende Zylinder ist nicht nur in seiner architektonischen Gestalt, sondern auch in seinem Durchmesser von 29,5 m = 100 Fuß direkt mit dem schon genannten Mausoleum des Munatius Plancus vergleichbar. Die glatte Wand war durch einen Metopen-Triglyphen-Fries bekrönt, in den später als Verweis auf die 'Führer der Jugend' und designierten Nachfolger Gaius und Lucius Caesar Rundschilde eingefügt wurden. Auf der darüberliegenden Brüstung waren Waffenteile und Tropaea angebracht, die auf die militärische virtus des Augustus hinwiesen und damit dem Grabbau zugleich den Aspekt eines Siegesdenkmals verliehen. Darüber wölbte sich ein konischer, mit Zypressen bestandener Hügel, der nicht nur Assoziationen an das Aussehen italisch-etruskischer Gräber wachgerufen, sondern speziell an Heroengräber trojanischer Helden angeknüpft haben dürfte: Schon das in Lavinium gefundene Heroon des Aeneas verwendet diesen Typus. Die qualitativ größte Steigerung gegenüber dem gewohnten Bild spätrepublikanischer Grabbauten stellte jedoch die vierfach überlebensgroße Statue des Augustus aus vergoldeter Bronze auf der Spitze dieses gewaltigen Monumentes dar.

Nördliches Marsfeld mit Mausoleum, Ustrinum, Horologium, Ara Pacts und Via Flaminia, im Vordergrund der Tiber. Nach Buchner, AW 27, 1996, 167.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.)

Mausoleum Augusti, Rekonstruktion Nach Zanker, Augustus Abb. 59

Mausoleum Augusti, Eingangssituation mit Obelisken (10 v. Chr.) und Pfeilern für die res gestae neben der Treppe (14 n. Chr.) Nach Buchner, AW 2 7, 1996, 163

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

Q 18: Die Kriegserklärung des Jahres 32 v. Chr. Cass. Dio 50,4,1-5 (4,1) Deshalb127 regte sich also der Unwille der Römer, und sie glaubten, daß auch die anderen Gerüchte wahr seien, das heißt, daß, wenn Antonius siege, er ihre Stadt der Kleopatra schenken und den Sitz der Macht nach Ägypten verpflanzen werde. (2) Und sie gerieten darüber in solchen Zorn, daß alle, nicht nur seine Gegner oder die Neutralen, sondern auch seine treuesten Freunde ihn heftig kritisierten. Denn aus Entsetzen über das Vorgelesene und um dem Verdacht Caesars gegen sie entgegenzuwirken, redeten sie wie die übrigen: (3) Und sie erkannten ihm den Konsulat ab, für den sie ihn designiert hatten, und jede sonstige Amtsgewalt. Offiziell erklärten sie ihn nicht zum Staatsfeind, weil sie seine Anhänger aus dem Grunde fürchteten, daß auch sie, wenn sie ihn nicht verließen, zu Staatsfeinden erklärt werden müßten, in der Sache aber taten sie nichts mehr als das. (4) Denn sie beschlossen für seine Anhänger Straffreiheit und Belobigung, wenn sie ihn verließen, Kleopatra aber erklärten sie geradezu den Krieg und legten den Kriegsmantel an, als wäre schon Hand anzulegen, (5) gingen zum Tempel der Bellona und ließen alle den Krieg vorbereitenden Riten nach dem Brauch durch Caesar in seiner Eigenschaft als Fetiale vollziehen. Dies zielte dem Wortlaut nach auf Kleopatra, in Wahrheit aber auf Antonius. Aug. R.G. 25 Einen Eid auf die von mir ausgegebene Losung leistete ganz Italien aus eigenem Entschluß und forderte mich zum Führer in dem Kriege, in dem ich bei Actium siegte.128 Auf dieselbe Losung 127 Bezug genommen wird auf das in Q 16 erwähnte Testament des Antonius. 128 Der Eid lehnte sich an die Formel an, die bei einer Generalmobilmachung die waffenfähige Mannschaft auf den militärischen Führer leistete. Octavians Status aber war nach Ablauf der zweiten Amtszeit des Triumvirats im Rechtssinn prekär, und so handelte es sich bei der Eidesleistung um eine Demonstration mit dem Ziel, daß er den bevorstehenden Krieg führe. Im Hinblick auf diese Anomalie spricht Suet. Aug. 17,2 von einem Eid, der "auf seine Sache geschworen wurde" (conturare pro partibus suis). P. Herrmann hat die ingeniöse Instrumentalisierung des Militäreides zugunsten der Legitimierung der Stellung Octavians

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) leisteten den Eid die Provinzen Galliens und Spaniens, Africa, Sizilien und Sardinien. Damais kämpften unter meinen Feldzeichen mehr als 700 Senatoren, unter ihnen 83, die vorher oder später, bis zu dem Tag, an dem dies geschrieben ist, Konsuln waren, sowie rund 170 Inhaber von Priesterstellen.

Legionsdenar des M. Antonius129 Marcus Antonius. Denar, 32/31 v. Chr., Münzstätte: im Osten, nicht genauer festlegbar. Crawford 544/24. Vs.: Galeere nach rechts, Szepter mit Bändern am Bug befestigt. Legende: (oben) ANTAVG; (unten) III.VIR.R.P.C. Rs.: Legionsadler zwischen zwei Feldzeichen. Legende: (links und rechts des Schaftes des Legionsadlers) LEG - X Fotonachweis: Münzen und Medaillen AG, Basel, 52, 1975, 496 (1,5:1).

geklärt: Der römische Kaisereid. Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung, Hypomnemata 20, Göttingen 1968, 78 ff. 129 Im Zuge der Kriegsvorbereitungen ließ M. Antonius 32/31 v. Chr. große Serien von Denaren zur Bezahlung seiner Armee prägen. Das abgebildete Stück zeigt auf der Vorderseite die Feldzeichen einer Legion, in der Mitte den Legionsadler mit der Aufschrift "zehnte Legion", die Rückseite ein Kriegsschiff mit dem Rammsporn am Bug (nach rechts) und eine Umschrift, auf der Antonius im Unterschied zu seinem Gegner neben der Bezeichnung AVG(ur) den Amtstitel eines Triumvirn mangels einer anderen Legitimation weiterführte.

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Quellen / 1 . Der Erbe Caesars Q 19: Das Siegesdenkmal von Actium130 Nikopolis bei Actium nach 31 v. Chr. Der Sieg Octavians über Antonius und Kleopatra in der Seeschlacht von Actium am 2. September 31 v. Chr. galt bereits den Zeitgenossen als epochales Ereignis. Obgleich der Krieg erst mit der Einnahme Alexandrias am 1. August 30 v. Chr. seinen endgültigen Abschluß fand, wurde der "Sieg von Actium zur Geburtslegende in der Mythologie des Principats".131 Tatsächlich ließ der Sieger das mit Abstand wichtigste Siegesdenkmal auch bei Actium und nicht in Alexandria errichten. Das Denkmal liegt an prominenter Stelle auf einer vorspringenden Hügelzunge oberhalb der von Octavian neu gegründeten Stadt Nikopolis. Suet. Aug. 18,2 und Cass. Dio 51,1,3 berichten, daß an dieser Stelle zuvor das Feldlager Octavians gestanden habe, das er dann befestigen und zu einem hypaithralen Heiligtum des Apollo ausbauen ließ. Wenn die Kultstätte des Apollo den Platz einnahm, an dem vorher das Zelt des Octavian gestanden hatte, so ist dies Ausdruck der auch sonst hervorgehobenen engen Beziehung zwischen Apollo und Octavian: Auch auf dem Palatin 'wohnten' Augustus und Apollo eng zusammen in einem als Einheit ausgeführten Komplex (vgl. Q 42). Von der Kultstätte des Apollo läßt sich nur noch eine dreiseitige Porticus erschließen, in der, nach den Einlassungen zu urteilen, Weihgeschenke aufgestellt waren. Sie ruhte auf einer Terrassierung von ca. 62 χ 45 m Ausdehnung, deren Südmauer den eigentlichen Blickfang der gesamten Anlage bildete. An dieser gewaltigen Stützmauer brachte man in der Traditon hellenistischer und römischer Seesiegdenkmäler über dreißig bronzene Rammsporne (rostra) an, die von gegnerischen Kriegsschiffen in der Schlacht erbeutet worden waren. Die charakteristischen Bettungen für immerhin 23 solcher Rostra haben sich erhalten. Ihre unterschiedliche Größe und der differierende Achsabstand lassen auf eine Anordnung schließen, bei der die jeweils größeren Sporne die Flügel einnahmen und die kleineren in der Mitte rahmten. Die Größe der Bettungen reflektiert zwar die Dimensionen der jeweiligen Rostra, erlaubt aber bislang 130 Literatur: W.M. Murray - P.M. Petsas, Octavian's Campside Memorial for the Actian War, TransAmPhilSoc 79.4, 1989 mit ält. Lit.; T. Hölscher, Klio 74, 1992, 502 ff.; H. G. Martin, Gnomon 1992, 162 ff.; Th. Schäfer, AnzAW 1992, 105 ff.; ders., AM 108,1993, 239 ff. 131 R. Syme, Roman Revolution, 297.

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg (32-30 v. Chr.) keine sichere Zuordnung zu den unterschiedlichen Schiffstypen. Ihre zum Teil gewaltigen Ausmaße übertreffen jedoch bei weitem alle bislang bekannten originalen Rostra aus Bronze. Dies stimmt wiederum gut mit der Überlieferung überein, daß die Flotte des Antonius im Durchschnitt über sehr viel größere und schwerere Schiffe verfügte als diejenige des Octavian (Flor. 2,21; Plut. Ant. 64 f.; Cass. Dio 50,32). Uber der imposanten Reihe der Rostra lief eine entsprechend anspruchsvolle, ca. 56 m lange Inschrift, die bei einer Buchstabenhöhe von 0,30 m weithin sichtbar war. Die zahlreichen Fragmente lassen sich zu einem Text ergänzen (s. AE 1992, 1534), dessen Übersetzung so lautet: "Imperator Caesar, Sohn des Gottes Iulius, hat nach dem Sieg in dem Krieg, den er für den römischen Staat in dieser Gegend geführt hat, als er zum fünften Mal Konsul war und die siebte imperatorische Akklamation erhalten hatte und zu Lande und zu Wasser Frieden eingekehrt war, dem Neptun und dem Mars das mit Schiffstrophäen geschmückte Lager geweiht, von dem er aufgebrochen war, um den Feind zu verfolgen." Die Weihinschrift ist, wenn die Ergänzung der Ordnungszahl (fünftes Konsulat) das Richtige trifft, auf das Jahr 29 v. Chr. datiert. Daß Apollo ungenannt bleibt, erklärt sich aus dem militärisch-maritimen Charakter des Monuments: Rostra und Castra sind Neptun und Mars zugeordnet. Auch Sueton hat Apollo in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, weil er sich offenbar - formal durchaus korrekt - an der Dedikationsinschrift der Terrassenmauer orientierte. Dies schließt jedoch keineswegs aus, daß sich - in Übereinstimmung mit Cassius Dio - auf dem freien Platz oberhalb des Weihgeschenkträgers eine Kultstätte für Apollo befunden hat, die dann vielleicht mit einer eigenen Inschrift versehen war. Damit bilden Mars und Neptun, Castra und Rostra in faktischer wie ideeller Hinsicht das Fundament für die Verehrung Apollos, dessen übergeordnete und längerfristige Bedeutung im Zusammenhang mit der augusteischen Actiumpropaganda evident ist.

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Quellen / 1. Der Erbe Caesars

Nikopolis, Siegesdenkmal von Actium mit Rostra und Weihinschrift. Nach Murray, TransAmPhilSoc 79,4,1989, Abb. 55

Auf die Eroberung Ägyptens132 Octavian. Denar 28 v. Chr., italische Münzstätte, nicht genau festlegbar (Brundisium oder Rom?). RIC2 275 b. Vs.; Barhäuptiger Kopf des Octavian nach links gewendet, dahinter lituus; Legende: CAESAR - COS VI. Rs.: Krokodil nach rechts gewendet; Legende: (oben) AEGYPTO (unten) CAPTA. Fotonachweis: Münzen u. Medaillen AG, Basel, 17, 1957, 352 (1,5:1). 132 Die im sechsten Konsulat Octavians (28 v. Chr.) geprägte Münze gehört zu einer Serie, die für die großen Ausgaben nach seiner Rückkehr aus dem Osten bestimmt war. Auf Ägypten, die Quelle des Reichtums, wird auf der Rückseite Bezug genommen. Das Bild zeigt ein Krokodil, das Symbol des Nillandes, mit der Beischrift "Auf die Eroberung Ägyptens".

1.4. Die Entscheidung: Der Actische Krieg ( 3 2 - 3 0 v. Chr.)

Auf die Erringung der Weltherrschaft133 Octavian. Denar, 31/29 v. Chr., Münzstätte: in Italien, nicht genauer festlegbar. RIC2, 255. Vs.: Barhäuptiger Kopf des Octavian nach links gewendet. Keine Legende. Rs: Victoria steht nach rechts gewendet auf einem Globus, sie hält in der rechten einen Kranz, in der Linken einen Palmzweig. Legende: (links und rechts der Victoria) CAESAR - DIVI F. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1008 (1,5:1).

133 Die Siegesgöttin auf der Rückseite der Münze entspricht einer Statue aus Tarent, die Augustus auf einen Globus montieren und zum Zeichen der Erringung der Weltherrschaft in der Curia Iulia, dem Sitzungsgebäude des Senats, aufstellen ließ (s. Q 41).

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2. Der Princeps

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats Q 20: Die Rückkehr zu Recht und Ordnung Cass. Dio, 53,5,5 Da er (sc. Octavian) in den Zeiten von Krieg und Bürgerkrieg, vor allem aber in der Zeit der gemeinsam mit Antonius und Lepidus ausgeübten Herrschaft sehr viele ungesetzliche und ungerechte Anordnungen getroffen hatte,1 hob er sie alle durch ein einziges Edikt auf und bestimmte das Ende seines sechsten Konsulats als Stichtag.2

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Als die Zeit der ungesetzlichen und ungerechten Anordnungen wird vornehmlich die Zeit des Triumvirats bezeichnet, die mit der Absetzung des Lepidus im Herbst 36 v. Chr. zu Ende war. Zu der damals eingeleiteten Neuorientierung der Politik Octavians s. Q 13. Stichtag war der 31. Dezember 28 v. Chr. Auf das von Cassius Dio erwähnte Edikt nimmt auch Tac. Ann. 3,28,1 f. Bezug: Octavian erklärte bestimmte Akte der Triumviratszeit für ungültig. Dies hatte wohl vor allem deklaratorischen Charakter und sollte die Öffentlichkeit auf die 27 v. Chr. vollzogene Neuordnung einstimmen. Die weitgehenden Schlußfolgerungen, die P. Grenade, Essai sur les origines du principat, Paris 1961 über die Bedeutung des Jahres 28 v. Chr. für die Entstehung des Prinzipats aus dem erwähnten Edikt gezogen hat, sind nicht annehmbar: s. die Rezension von P. A. Brunt, JRS 51, 1961, 236-238.

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Quellen / 2 . Der Princeps

Auf die Wiederherstellung von Recht und Gesetz3 Octavian. Aureus 28 v. Chr., Münzstätte: in Kleinasien oder Rom?, nicht genauer festlegbar. Num. Chronicle 159, 1999, 169. Vs.: Kopf des Octavian mit Lorbeerkranz nach rechts gewendet; Legende: IMP CAESAR - DIVI F COS VI. Rs.: Octavian mit Toga bekleidet, auf einer sella curulis sitzend und eine Schriftrolle in der Rechten, nach links gewendet; zur Linken ein scrinium; Legende: LEGES ET IVRA Ρ R RESTITVIT. Fotonachweis: Gipsabdruck in Besitz von Hans-Markus von Kaenel (1,5:1). Aug. R.G. 34 In meinem sechsten und siebten Konsulat4 habe ich, nachdem ich die Bürgerkriege ausgelöscht und unter Zustimmung aller im Besitz 3

Der abgebildete Aureus, ein Unikat, "a coin of the highest historical and constitutional interest" ist vom Britischen Museum erworben worden. Eine ausführliche Interpretation des Stückes und des historischen Zusammenhangs geben J. W. Rich/J. H. C. Williams, Leges et Iura P. R. Restituit: A New Aureus of Octavian and the Settlement of 28-27 BC, a.a.O. (s. oben) 169 ff. Die Münze nimmt mit der Aufschrift der Rückseite "Die Gesetze und Rechte des römischen Volkes hat er wiederhergestellt" Bezug auf das von Cassius Dio erwähnte Edikt des Jahres 28 v. Chr. Die darin propagierte Umkehr - dort das Unrecht der Triumviratszeit, hier die Rückkehr zu Recht und traditioneller Verfassung - fand ihre abschließende Bestätigung in der Inszenierung des Staatsaktes vom 13. Januar 27 v. Chr. (s. unten).

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D. h. 28 und 27 v. Chr. Zur Bedeutung des Jahres 28 v. Chr. für die Formierung der sogenannten Principatsverfassung vgl. auch Tac. Ann. 3,28,2: "In seinem sechsten Konsulat endlich hat Caesar Augustus, im sicheren Besitz der Macht, die Anordnungen widerrufen, die er in seinem Triumvirat erlassen hatte, und das Recht gegeben, nach dem wir im Frieden und unter einem 'Ersten Bürger* (princeps) leben sollten."

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats einer umfassenden Macht war, 5 den Staat aus meiner Verfügungsgewalt in das Ermessen von Senat und Volk gegeben. Für dieses mein Verdienst wurde ich durch Senatsbeschluß Augustus 6 genannt, die Türpfosten meines Hauses wurden von Staats wegen mit Lorbeer bekleidet, der Bürgerkranz über meiner Haustür befestigt, und ein goldener Schild wurde in der Curia lulia aufgestellt, den mir, wie auf der Inschrift des Schildes bezeugt ist, Senat und römisches Volk wegen Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und frommer Gesinnung widmeten. Seit dieser Zeit habe ich an Autorität 7 alle übertroffen, an Amtsgewalt besaß ich nicht mehr als alle übrigen, die im jeweiligen Amt meine Kollegen waren.

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Ich übernehme die von R. Kassel vorgeschlagene Ergänzung per consensum universorum [potetis rerujtn om[tt]ium und interpretiere den Sinn so: Augustus nimmt Bezug auf die umfassende Verfügungsgewalt über das römische Reich, die er für und durch den Krieg gegen Antonius und {Cleopatra gewonnen hatte, und es war diese Verfügungsgewalt, auf die er in dem Staatsakt vom 13. Januar 27 v. Chr. verzichtete (zum Datum s. Fast. Praen.). Zu den Senatsverhandlungen dieses Monats vgl. W. K. Lacey, Octavian in the Senate, January 27 B.C., JRS 64, 1974, 182 ff. und ders., Augustus, 77-99. Die Verleihung des Augustusnamens geschah am 16. Januar: s. Fer. Cum. Die religiöse, mit den Anfängen Roms verbundene Symbolik des Namens bringt Suet. Aug. 7,2 gut zum Ausdruck: "Später nahm er ... den Namen Augustus ... auf Antrag des Munatius Plancus an; denn gegen den Vorschlag einiger, daß er den Namen Romulus führen solle, sozusagen als zweiter Gründer der Stadt, überwog die Ansicht, ihn eher Augustus zu nennen mit einem Namen, der nicht nur neu sei, sondern auch eine erhabenere Bedeutung habe, weil auch die heiligen Orte, an denen von den Auguren Weihezeremonien vorgenommen worden sind, mit dem Wort augustus belegt werden wegen 'Mehrung' oder wegen des 'Verhaltens und Pickens der Vögel' (avium gestus gustusve), so wie auch der Vers des Ennius lehrt: 'Als durch erhabenen Weiheakt (augustum augurium) das ruhmreiche Rom gegründet war.' " - Zu den im folgenden erwähnten Ehrungen s. die Münzabbildungen unten. Zum Begriff der auctoritas, hier mit Autorität wiedergegeben und im Sinne informeller Macht verstanden, s. oben Darstellung 2.2. Zur komplexen Wortbedeutung vgl. R. Heinze, Auctoritas, Hermes 60, 1925, 348 ff. = ders., Vom Geist des Römertums, Stuttgart I960 2 , 43-58.

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Quellen / 2. Der Princeps

Die Lorbeerbäume8 Augustus. Denar 20/19 v. Chr., spanische Münzstätte, nicht genau festlegbar (Colonia Patricia?). RIC2 51. Vs.: Kopf des Augustus mit Lorbeerkranz nach rechts gewendet; keine Legende. Rs.: Zwei Lorbeerbäume. Legende: (darüber) CAESAR, (darunter) AVGVSTVS. Fotonachweis: Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1062, (1,5:1).

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Der abgebildete Denar nimmt Bezug auf die in Aug. R.G. 34 erwähnte Ehrung vom 13. Januar. Der Lorbeer war der heilige Baum des Apollo, zu dem Octavian ein besonderes Nahverhältnis unterhielt und mit dessen Tempel sein Haus auf dem Palatin verbunden war (s. Darstellung 3.2 mit Q 42). Zur Symbolik der Ehrung vgl. A. Alföldi, Die Lorbeerbäume des Augustus, Bonn 1973 mit zahlreichen Abbildungen. Die neben der Eingangstür des Hauses postierten Lorbeerbäume symbolisierten die Sieghaftigkeit über äußere Feinde: Cass. Dio 53,16,4 f. Generell zur Darstellung der Ehrungen des Januar 27 v. Chr. in der Münzprägung s. K. Kraft, Zur Münzprägung des Augustus, SB d. wiss. Gesellschaft a. d. J. W. Goethe-Univ. Frankfurt am Main 7, 1968, Nr. 5 = ders., Gesammelte Aufsätze zur antiken Geldgeschichte und Numismatik I, Darmstadt 1978, 291-337 und H.-J. Gehrke, Münzen im Rahmen kaiserlicher Selbstdarstellung, Altsprachl. Unterricht 22/4, 1979, 67-86.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principáis

Bürgerkrone9 Augustus mit Münzmeister C. Cassius Celer. Sesterz 16 v. Chr., Münzstätte Rom. BJC2 374. Vs.: In einem von zwei Lorbeerzweigen flankierten Eichenkranz; Legende: OB CMS/SERVATOS. Rs.: SC; Legende: C. CASSIVS CELER C. F. III VIR. A.A.A.F.F. Fotonachweis: Münzen u. Medaillen AG, Basel, 66, 1984, 516, (1:1).

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Die Augustus verliehene Bürgerkrone aus Eichenlaub - die Eiche war der heilige Baum Iuppiters - wurde über der Eingangstür seines Hauses angebracht und symbolisierte die Schonung von Bürgern im Krieg gegen Antonius und Kleopatra: s. Cass. Dio 53,16,4 f. Zu den weiteren symbolischen Bezügen vgl. A. Alföldi, Der Vater des Vaterlandes im römischen Denken, Darmstadt 1971, 40 ff. - Die Legende der Rückseite lautet unter Auflösung der Abkürzungen C. Cassius C(ai) F(ilius) A(ere) A(rgento) A(uro) F(lando) F(eriundo): Gaius Cassius, Sohn des Gaius, (Beauftragter) für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und Gold.

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Quellen / 2. Der Princeps Goldener Schild (clupeus virtutis)10 Augustus. Denar 19/18 v. Chr., spanische Münzstätte, nicht genau festlegbar (Colonia Caesaraugustaf). RIC2 48 var. Vs.: Kopf des Augustus mit Eichenkranz nach rechts gewendet. Legende: CAESAR - AVGVSTVS. Rs.: Eine nach rechts fliegende Victoria hält einen Kranz über den Ehrenschild mit der Inschrift CL.V, im Hintergrund Säule; links und rechts der Flügel der Victoria SP - QR. Fotonachweis: Münzen u. Medaillen AG, Basel, 38,1968,325,

(1,5:1).

Veil. Pat. 2,89,3-4 (3) Beendet wurden im zwanzigsten Jahr 11 die Bürgerkriege, begraben die auswärtigen, zurückgerufen wurde der Friede, eingeschläfert überall das Wüten der Waffen, den Gesetzen ihre bindende Kraft zurückerstattet, den Gerichten ihre Autorität, dem Senat seine Hoheit, die Amtsgewalt der Obermagistrate auf ihr ursprüngliches Maß zurückgeführt; lediglich zu den acht Praetoren wurden zwei hinzugewählt. (4) Indem jene altehrwürdige Form des Staates wieder ins Leben zurückgerufen wurde, kehrte den Feldern die Bebauung zurück, den Heiligtümern die Verehrung, den Menschen die Sicherheit (der Lebensverhältnisse), jedem einzelnen der ungefährdete Besitz seines Eigentums; die Gesetze wurden auf nützliche Weise verbessert, neue auf heilsame Weise eingebracht. Der Senat wurde ohne Härte, aber nicht ohne Strenge 10 Die Legende der Rückseite ist aufzulösen mit Clu(peus) Virtutis) = Tugendschild; SPQR ist die Abkürzung für Senat und römisches Volk. Nach der Marmorreplik von Arelate, die im Musée de l'art antique in Arles aufbewahrt wird, lautete die Aufschrift auf dem goldenen Ehrenschild "Senat und römisches Volk gaben Imperator Caesar, dem Sohn des Gottes, Augustus in seinem achten (richtig: siebten) Konsulat den Schild wegen seiner Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und frommen Gesinnung gegenüber Göttern und Vaterland." In diesem Tugendkanon, der an die Wertvorstellungen der Aristokratie anknüpft, weist dementia = Milde auf die monarchische Überlegenheit des Augustus hin, die im strengen Sinn mit der Vorstellung aristokratischer Gleichheit nicht mehr vereinbar war. Vgl. E. S. Ramage, The Nature and Purpose of Augustus' "Res Gestae" , Stuttgart, 1987, 73 ff. 11 Gerechnet vom Ausbruch des Bürgerkriegs zwischen Caesar und dem Senat im Jahre 49, also 30 v. Chr. - Der folgende Text gibt den besten Eindruck des offiziösen Bildes der neuen Ordnung, deren Grundlage mit der "Wende" der Jahre 28/27 v. Chr. gelegt wurde.

2 . 1 . Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principáis

neu zusammengesetzt. Die führenden Männer, die Triumphe und die höchsten Ehren genossen hatten, wurden durch Ermahnung des 'Ersten Bürgers' zur Ausschmückung der Stadt veranlaßt.

Q 21: Die Neubestimmung der Amtsgewalt am 16. Januar 27 v. Chr. Cass. Dio 53,12,1-7 + 13 (12,1) Seine Führerstellung ließ er auf diese Weise von Senat und Volk bekräftigen,12 aber in der Absicht, als Republikaner zu erscheinen, übernahm er zwar die Sorge und Oberaufsicht über die öffentlichen Angelegenheiten mit der Begründung, daß sie einer gewissen Fürsorge bedürften, doch sagte er, er werde weder alle Provinzen regieren (2) noch werde er dies In den Fällen, in denen er als Statthalter fungiere, für immer tun. Indes gab er die (militärisch) weniger wichtigen mit der Begründung, daß sie befriedet und von keinem Krieg heimgesucht seien, dem Senat zurück, die wichtigeren behielt er mit der Begründung für sich, daß sie ungesichert und gefährdet seien, daß sie entweder Feinde zu Nachbarn hätten oder selbst von sich aus ernsthafte Unruhen erregen könnten, (3) angeblich damit der Senat ohne Furcht Gewinn aus den besten Teilen des Reiches ziehe, er selbst hingegen die Mühen und Gefahren übernehme, in Wahrheit aber damit sie unter diesem Vorwand unbewaffnet und zum Kampf unvorbereitet seien, er selbst hingegen Waffen besitze und Soldaten unterhalte. (4) Deshalb galten Africa und Numidien, Asia und Griechenland mit Epirus, Dalmatien, Makedonien und Sizilien, Kreta und die Kyrenaika, Bithynien mit dem angrenzenden Pontus, Sardinien und die

12 Cassius Dio berichtet vorher, daß der Senat Augustus' Verzicht auf die umfassende Ausnahmegewalt mit der Aufforderung beantwortete, die Alleinherrschaft zu übernehmen, und Augustus daraufhin beschließen ließ, seiner Leibwache doppelten Sold zu geben. Der in severischer Zeit schreibende Historiker sieht darin in anachronistischer Weise den Gründungsakt der Monarchie. Dies hängt mit seinem politischen Standpunkt zusammen, wonach Augustus der Begründer des Kaisertums ist, wie er es aus seiner Zeit kannte: vgl. dazu J. Bleicken, Der politische Standpunkt Dios gegenüber der Monarchie, Hermes 90, 1962, 444-467.

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Quellen / 2. Der Princeps Baetica 13 als Provinzen von Senat und Volk, (5) die Caesars waren das übrige Spanien, die Tarraconensis und Lusitanien, alle gallischen, die Narbonensis, die Lugdunensis, Aquitanien und die Belgica mit den benachbarten Gebieten. 14 Einige Kelten nämlich, die wir Germanen nennen, haben den ganzen am Rhein gelegenen Teil der Belgica besetzt und bewirkt, daß er Germanien genannt wird, dessen oberer Teil sich bis zu den Quellen des Flusses erstreckt, der untere bis zum Britannischen Meer. (7) Diese Provinzen sowie das sogenannte Koilesyrien mit Phoinikien, Kilikien, Zypern und Ägypten fielen damals dem Anteil Caesars zu, später gab er freilich Zypern und die Narbonensis dem Volk zurück und übernahm Dalmatien. (8) Und Gleiches geschah später mit anderen Provinzen ... (13) Die Provinzen wurden also so geteilt, und in der Absicht, sie noch weiter von der Vorstellung eines monarchischen Regiments abzubringen, übernahm er die Statthalterschaft der ihm übertragenen Provinzen (nur) für zehn Jahre. Er versprach nämlich, sie in dieser Zeit zu ordnen, und er setzte prahlerisch hinzu, daß er, wenn er sie schneller befriede, sie ihnen auch früher zurückgeben werde.

Q 22: Die Modifikation der Amtsgewalt in den Jahren 23 und 19 v. Chr. Cass. Dio 53,32,3-6 (32,3) Nachdem Augustus das im einzelnen geordnet hatte,15 zog er zum Albanerberg und legte den Konsulat nieder. Denn seitdem der Staat geordnet war, hatte er selbst sowie die meisten seiner 13 Die Baetica existierte damals noch nicht als eigenständige Provinz. Ebenso sind die Bezeichnungen Tarraconensis und Lusitania anachronistisch. 27 v. Chr. bestand noch die Gliederung der Halbinsel in das Diesseitige und Jenseitige Spanien; die Ausgliederung der Baetica aus dem Jenseitigen Spanien, das in Lusitania umbenannt wurde, erfolgte erst im Zuge der Neuordnung der spanischen Halbinsel 16/13 v. Chr. 14 Auch diese Angaben über die Provinzgliederung sind anachronistisch. Sie gehört in die Zeit der Neuorganisation Galliens 16/13 v. Chr., und soweit die folgenden Angaben die germanischen Heeresbezirke links des Rheins betreffen, gelten sie erst für die nachaugusteische Zeit. 15 Gemeint ist die zuvor berichtete Vermehrung der Zahl der Praetoren auf zehn.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principáis

Kollegen das Amt das ganze Jahr innegehabt,16 doch wollte er jetzt damit aufhören, damit möglichst viele den Konsulat bekleideten; und dies tat er außerhalb der Stadt, um nicht daran gehindert zu werden. (4) Und er wurde dafür gelobt, daß er an seiner Stelle Lucius Sestius17 wählen ließ, der ein eifriger Parteigänger des Brutus gewesen war, in allen seinen Feldzügen mitgekämpft hatte und damals noch immer sein Andenken wachhielt, Bilder von ihm aufgestellt hatte und Lobreden auf ihn hielt. Gegenüber dieser Zuneigung und Loyalität zeigte er nicht nur keine Ablehnung, sondern ehrte sie sogar. (5) Deswegen bestimmte der Senat ihn zum Volkstribunen auf Lebenszeit und gab ihm das Privileg, in jeder Senatssitzung über jeden beliebigen Gegenstand, auch wenn er nicht den Konsulat bekleide, einen Antrag zu stellen, und daß er die prokonsularische Gewalt ein für allemal immer so innehaben solle, daß er sie beim Überschreiten des Pomeriums nicht niederlegen noch beim Verlassen wieder erneuem müsse, und erteilte ihm das Privileg, daß im Untertanengebiet seine Amtsgewalt höher als die der übrigen Prokonsuln sein sollte.18 (6) Von dieser Zeit an waren er und die späteren Kaiser gewissermaßen von Gesetz wegen berechtigt, sich neben ihren übrigen Rechten der tribunizischen Gewalt zu bedienen. Den Titel des Volkstribunen selbst hat weder Augustus noch ein anderer Kaiser angenommen. 19

1 6 Wie Augustus hatten seine Kollegen von 27 bis 24 v. Chr. den Konsulat ganzjährig bekleidet und nicht vorzeitig zugunsten von Suffektkonsuln abgedankt. Erst in der Krise des Jahres 23 v. Chr. trat Augustus zurück, und sein Mitkonsul Varrò Murena verlor wegen seiner Verwicklung in eine Verschwörung sein Amt. 1 7 L. Sestius Quirinalis amtierte 44-42 v. Chr. als Quaestor und Proquaestor des M. Brutus. Seit dieser Zeit war er bekannt mit dem Dichter Horaz, der sich ebenfalls als Student in Athen Brutus angeschlossen hatte. Horaz widmete Sestius anläßlich seiner Erhebung zum Konsul eine seiner Oden (c. 1,4). 18 Augustus wurde von der gesetzlichen Bestimmung befreit, daß die prokonsularische Gewalt innerhalb des von der geheiligten Linie des Pomeriums umschlossenen Stadtgebietes erlosch und jeweils erneuert werden mußte, wenn der Amtsträger die Stadt verließ. Zum imperiutn maius s. oben Darstellung (2.1) mit Anm. 10. 19 Gemeint ist, daß Augustus wie den späteren Kaisern die vom Amt gelöste Amtsgewalt übertragen wurde. In der Titulatur kam dies dadurch zum Ausdruck, daß Augustus sich nicht Volkstribun nannte, aber die einzelnen Jahre der von ihm ausgeübten tribunizischen Gewalt als Regierungsjahre zählte (s. das Beispiel des folgenden Textes).

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Quellen / 2. Der Princeps Zwei Edikte des Augustus aus Narbo Martius (heute Narbonne) J.A. Balbao de Paz, Un edicto del emperador Augusto hallando en El Bierzo, Estudios Bercianos 25, 1999, 45-53 mit Foto (Erstpublikation). Letzte Edition mit Textverbesserungen, Ubersetzung und Kommentar: G. Alföldy, Das neue Edikt des Augustus aus Hispanien, Epigraphische Datenbank Heidelberg (März 2000). 20 Imperator Caesar, Sohn des Gottes (Caesar), Augustus, das achte Mal Inhaber der tribunizischen Amtsgewalt21 und Prokonsul verkündet: (I) Daß die Paemetobrigenser genannten Bewohner einer befestigten Siedlung aus der Volksgruppe der Susarren In pflichtgemäßem Gehorsam verblieben, während die übrigen abfielen, erfuhr ich von allen meinen Legaten, die der jenseits des Duero liegenden Provinz vorstanden. Deshalb beschenke Ich sie insgesamt mit Lastenbefreiung; und Ich befehle, daß sie die Ländereien In den Grenzen, in denen sie sie zu der Zeit besaßen, als mein Legat Lucius Sestius Quirinalls22 die betreffende Provinz Innehatte, unbestritten besitzen sollen. (II) Den Paemetobrigenser genannten Bewohnern einer befestigten Siedlung aus der Volksgruppe der Susarren, denen ich zuvor Lastenbefreiung in jeder Beziehung gegeben hatte, ordne ich an ihrer Statt (d. h. als Träger von Lasten und Leistungen) die Allobrigiaeciner genannten Bewohner einer befestigten Siedlung aus der Volksgruppe der Gigurrer entsprechend dem Willen dieser Gemeinde selbst wieder zu und befehle, daß die Allobrigiaeciner genannten Bewohner einer befestigten Siedlung sämtliche Lasten

20 Die neugefundenen beiden Edikte des Augustus regelten Angelegenheiten eines Teilstammes der Susarren im westlichen Asturien. Die Details sind im vorliegenden Zusammenhang ohne Interesse, für sie ist der publizierte Kommentar von G. Alföldy (s. oben) heranzuziehen. Hier ist von Bedeutung, daß Augustus bei einem Aufenthalt in den Provinzen den Titel Prokonsul führte, wofür es bisher keinen Beleg gab. Der Gebrauch dieser Titulatur setzt die Regelung des Jahres 23 v. Chr. voraus (s. den vorangehenden Text). 21 Dies entspricht der Zeit vom 26. Juni 16 bis 25. Juni 15 v. Chr. 22 Zu L. Sestius Quirinalis, Suffektkonsul 23 v. Chr., s. oben Anm. 17. Als Legat des Augustus war er ca. 22 bis 19 v. Chr. in Nordwestspanien tätig: vgl. G. Alföldy, Fasti Hispanienses, Bonn 1969, 131-133.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats zusammen mit den Susarren tragen. Entschieden in Narbo Martius am 14. und 15. Februar im Konsulatsjahr des M. Drusus Libo und des L. Calpurnius Piso.23 Cass. Dio 54,10,5 Augustus ... empfing die konsularische Gewalt auf Lebenszeit, so daß er jederzeit und überall über zwölf Liktoren verfügte und auf dem kurulischen Amtssessel zwischen den jeweils amtierenden Konsuln Platz nahm.24

Q 23: Die Ablehnung 'monarchischer' Ausnahmegewalten Aug. R.G. 5-6 (5) Die Diktatur, die mir in Anwesenheit und in Abwesenheit unter dem Konsulat des M. Marcellus und L. Arruntius25 von Senat und Volk angeboten wurde, nahm ich nicht an. Nicht verweigert habe ich mich bei größter Getreideknappheit der Aufgabe der Getreidebeschaffung, die ich so regelte, daß ich innerhalb weniger Tage die gesamte Bürgerschaft durch meine Aufwendungen und meine Fürsorge von der herrschenden Furcht und Gefahr befreite. Auch den damals mir angebotenen jährlichen Konsulat auf Lebenszeit habe ich nicht angenommen. 26 (6) Als unter dem Konsulat des M. Vinicius und Q. Lucretius,27 später des P. Lentulus und 23 Dies ist das Jahr 15 v. Chr. 24 Es ist umstritten, wie diese Stelle auszulegen ist. Einerseits wird aus dem Wortsinn abgeleitet, daß Augustus das vom Amt losgelöste imperium consulate empfing (vgl. E. Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke, Zürich/Stuttgart 19754, 360 f. und D. Kienast, Augustus, 113). Auf der anderen Seite wird die entsprechende Angabe Dios für einen Irrtum erklärt: So schon Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht II, Leipzig 1887 3 , 872 Anm. 2 und jetzt J. Bleicken, Augustus, 730. Für die erstgenannte Interpretation spricht, daß Augustus selbst in R.G. 8 angibt, den Census der Jahre 8 v. und 14 n. Chr. consulari cum imperio durchgeführt zu haben. 25 Das Angebot des Jahres 22 v. Chr. wurde von Augstus in einer hochdramatischen Szene zurückgewiesen, die Suet. Aug. 52 beschreibt. 26 Nach Suet. Aug. 26,2 wurde ihm auch später noch mehrfach der Konsulat angeboten, jedoch wies er auch diese Angebote zurück. 27 19 v. Chr. In diesem und im folgenden Jahr wurden wichtige Reformgesetze vorbereitet bzw. promulgiert (s. 3.3).

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Quellen / 2 . Der Princeps

Cn. Lentulus28 und, zum dritten Mal, des Paullus Fabius Maximus und Q. Tubero29 Senat und Volk einhellig verlangten, daß ich zum alleinigen mit höchster Vollmacht ausgestatteten Beauftragten für die Gesetzgebung zur moralischen Erneuerung gewählt würde, habe ich kein Amt, das gegen den Brauch der Vorfahren angeboten wurde, angenommen. Was damals der Senat durch mich ausführen wollte, das habe ich aufgrund meiner tribunizischen Gewalt besorgt, für die ich selbst von mir aus fünf Mal einen Kollegen erbat und erhielt.30 Q 24: Der senatorische Beirat des Kaisers (consilium princiP«)31

Cass. Dio 53,23,4-5 (23,4) Und was das Wichtigste ist, er nahm die Konsuln oder den Mitkonsul, wenn er selbst dieses Amt bekleidete, von den übrigen Magistraten jeweils einen und aus der restlichen Senatorenschaft fünfzehn ausgeloste Mitglieder für sechs Monate zu Ratgebern, so daß angenommen werden konnte, daß durch sie geplante gesetzgeberische Maßnahmen in irgendeiner Weise allen übrigen mitgeteilt wurden. (5) Denn bestimmte Gegenstände brachte er zwar vor den Senat als ganzen, doch hielt er es für besser, im kleinen Kreis in Ruhe das meiste und Wichtigste vorzuberaten, und handelte entsprechend. Gelegentlich saß er mit diesem Gremium auch zu Gericht. Cass. Dio 56,28,2-3 (2) Und er bat um zwanzig Ratgeber für ein Jahr mit Rücksicht auf sein Alter, das ihm nur noch selten in den Senat zu kommen erlaubte. Vorher hatte er für jeweils sechs Monate fünfzehn hinzu28 29 30 31

18 v.Chr. 11 v.Chr. 18 und 13 v. Chr. erhielt M. Agrippa die tribunizische Gewalt, 6 v. und 4 n. Chr. sowie 13 n. Chr. Augustus' Stiefsohn Tiberius (s. 3.6). Zu dem 2 7 v. Chr. gegründeten senatorischen Beirat sowie zu dem reformierten des Jahres 13 n. Chr. (s. den folgenden Text) vgl. W. Kunkel, Die Funktion des Konsiliums in der magistratischen Strafjustiz und im Kaisergericht II, ZRG Rom. 85, 1968, 265-267 = ders., Kleine Schriften, Weimar 1974, 1 9 0 - 1 9 2 sowie die Monographie von J. Crook, Consilium Principis, Cambridge 1955.

2.1. Die öffentlich-rechtliche Begründung des Principats

gezogen. Und es wurde zusätzlich beschlossen, daß alles, was ihm zusammen mit Tiberius und diesem Gremium sowie den amtierenden und designierten Konsuln (3) sowie den Enkeln, und zwar den adoptierten, und anderen, die er von Fall zu Fall zur Beratung mit heranziehe, gut scheine, in der Weise gültig sein solle, wie wenn es die Billigung des Senats gefunden hätte.

Q 25: Die Destination der Konsuln und Praetoren Ehrenberg/Jones 94 a (Tabula Hebana), 51332 Zu den zehn Stimmabteilungen der (beiden) Caesares, die über die Destination der Konsuln und Praetoren abzustimmen pflegen, sollen fünf weitere Stimmabteilungen hinzugefügt werden; und während die ersten zehn nach C. und L. Caesar benannt werden, sollen die folgenden fünf nach Germanicus Caesar benannt sein, und in der Gesamtheit dieser Stimmkörperschaften sollen die Senatoren und Ritter aller Richterabteilungen, die für die staatlichen Gerichtshöfe aufgestellt sind beziehungsweise werden, ihre Stimmen abgeben. Und welcher Magistrat, der zur Durchführung der Destination die Senatoren und diejenigen, denen gestattet sein wird, im Senat zu votieren, und ebenso die Ritter in die Umzäunung (des Versammlungsplatzes) gemäß dem Gesetz, das die Konsuln L. Valerius Messalla Volesus und Cn. Cornelius Cinna Magnus eingebracht haben, 33 zur Stimmabgabe ruft, dieser soll 32

Der Text der in Magliano (dem etrurischen Heba, deshalb Tabula Hebana) gefundenen Inschrift enthält eine Ehrung des 19 n. Chr. im syrischen Antiochia verstorbenen Germanicus, des Adoptivsohns des Tiberius, nach dem Vorbild derjenigen, die 5 n. Chr. für die Adoptivsöhne des Augustus, C. und L. Caesar, per Gesetz in der Weise festgelegt wurde, daß die Kandidaten für Konsulat und Praetur von Destinationskörperschaften bestimmt werden sollten, die die Namen der Geehrten trugen. Die Stimmkörperschaften setzten sich aus den Mitgliedern der ersten drei Dekurien der Geschworenenliste zusammen: 600 Senatoren und 2.400 Angehörige des Ritterstandes: s. K. Bringmann, Zur Gerichtsreform des Kaisers Augustus, Chiron 3, 1973, 235 ff. ( = ders.: Ausgewählte Schriften [s.o. S. 66], 281 ff.). Zum Verfahren s. R. FreiStolba, Untersuchungen zu den Wahlen in der römischen Kaiserzeit, Zürich 1967, 87 ff. und 120 ff. sowie D. Flach, Destinado und nominano im frühen Prinzipat, Chiron 5 , 1 9 7 6 , 193-203. 33 D. h. im Jahre 5 n. Chr.

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Quellen / 2. Der Princeps dafür sorgen, daß die Senatoren und ebenso die Ritter aller Richterabteilungen, die für die staatlichen Gerichtshöfe aufgestellt sind beziehungsweise werden, ihre Stimme in fünfzehn Stimmabteilungen, soweit das möglich ist, abgeben.

2.2. Die materiellen Quellen der Macht Q 26: Augustus' Aufwendungen aus Privatvermögen und Kriegsbeute 1. [Aug.], Anhang zu R.G. 1 + 434

(1) Der Gesamtbetrag des Geldes, das er der Staatskasse, der römischen Plebs beziehungsweise den entlassenen Soldaten gab, belief sich auf 600 Mio. Denare.35 (4) Die Aufwendungen, die er für szenische Aufführungen, Gladiatorenkämpfe, Athleten, Tierhetzen und einen Schaukampf zur See machte, sowie die Gelder, die er Kolonien, Munizipien und Städten gab, die von Erdbeben und Brandkatastrophen schwer in Mitleidenschaft gezogen waren, sowie im einzelnen an Freunde und 34 Der Anhang zum Tatenbericht stammt nicht von Augustus' Hand und ist auch nicht als Bestandteil des vor dem Mausoleum in Rom publizierten Textes anzusehen. Er enthält eine zusammenfassende Ubersicht über die Aufwendungen und Bauten des Augustus. Da auch von Hilfeleistungen die Rede ist, die bei Erdbeben und Brandkatastrophen in den Provinzen geleistet worden sind, handelt es sich um einen Zusatz, der aller Wahrscheinlichkeit nach zur Publikation des Tatenberichts in den (östlichen) Provinzen angefertigt worden ist: Er hebt den Aspekt der monarchischen Wohltätigkeit hervor, der Eigenschaft par excellence also, die hellenistische Könige auszeichnete: vgl. K. Bringmann, The King as Benefactor: Some Remarks on Ideal Kingship in the Age of Hellenism, in: A. Bullock et al. (Hrsg.) Images and Ideologies. Self-definition in the Hellenistic World, Berkeley et al. 1993, 724 (= ders., Ausgewählte Schriften [s. oben S. 66], 85 ff.). Im Gegensatz zum Anhang beschränkt sich Augustus im Tatenbericht selbst auf die Aufwendungen, die er für die römische Plebs, für die Soldaten und Veteranen sowie für die Staatskasse gemacht hat. 35 Der Betrag ist aufgerundet. Die von Augustus selbst genannten Ausgaben betragen nicht 2,4 Milliarden, sondern nach T. Frank, An Economic Survey of Ancient Rome V, Baltimore 1940, 14 f. insgesamt 2.264.800.000 Sesterzen.

2.2. Die materiellen Quellen der Macht

Senatoren, deren Vermögen er auf den vorgeschriebenen Stand brachte, sind nicht zu beziffern. Aug. R.G. 15-18 (15) Der römischen Plebs habe ich pro Kopf 300 Sesterzen gemäß dem Testament meines Vaters ausgezahlt,36 und in meinem Namen in meinem fünften Konsulat 400 aus der Kriegsbeute;37 ein zweites Mal habe ich in meinem zehnten Konsulat aus meinem Privatvermögen eine Spende von 400 Sesterzen ausgezahlt,38 und in meinem elften Konsulat habe ich mit privaten Mitteln Getreide angekauft und in zwölf Getreidezuteilungen zugewiesen;39 im zwölften Jahr meiner tribunizischen Gewalt habe ich zum dritten Mal vierhundert Sesterzen pro Kopf gegeben.40 Diese meine Spenden kamen niemals weniger als 250.000 Personen zugute. Im Jahr, als ich die tribunizische Gewalt zum achtzehnten Mal innehatte und zum zwölften Mal Konsul war, gab ich etwa 320.000 Personen der städtischen Plebs pro Kopf 60 Denare.41 Und meinen angesiedelten (ehemaligen) Soldaten gab ich in meinem fünften Konsulat aus der Kriegsbeute pro Kopf 1.000 Sesterzen. Diese Triumphspende empfingen in den Veteranenkolonien ungefähr 120.000 Personen.42 In meinem dreizehnten Konsulat gab ich der

36 Die Auszahlung des Legats erfolgte in Raten: Nach Augustus' eigener Angabe (s. Cass. Dio 44,35,3) gab er 44 v. Chr. 120 Sesterzen. Die Restzahlung erfolgte später bei Antritt des Konsulats im August 43 v. Chr. 37 Die Spende des Jahres 29 v. Chr. erfolgte aus der ägyptischen Kriegsbeute: Cass. Dio 51,21,3. Der Betrag wurde nicht nur an die erwachsenen Männer, sondern auch an die männlichen Kinder ausgezahlt. 38 Im Jahre 24 v. Chr. bei seiner Rückkehr aus dem Kantabrischen Krieg: Cass. Dio 53, 28,1 f. 39 Dies geschah zur Linderung der Hungersnot des Jahres 23 v. Chr. 40 Die Spende erfolge im Namen des im Jahre 12 v. Chr. verstorbenen M. Agrippa, des Schwiegersohns und wichtigsten Helfers des Augustus: Cass. Dio 54,29,4. 41 Die Spende erfolgte anläßlich der Übergabe der toga viriiis an Augustus' Enkel und Adotivsohn C. Caesar im Jahre 5 v. Chr. Die höhere Zahl der Spendenempfänger erklärt sich aus dem Umstand, daß nicht nur Bürger der plebs frumentaria, sondern die gesamte Stadtbevölkerung bedacht wurde. 4 2 Die Spende erfolgte 29 v. Chr. aus der ägyptischen Beute.

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Quellen / 2. Der Princeps

Plebs, die damals von Staats wegen mit Getreide versorgt wurde, 60 Denare; das waren etwas mehr als 200.000 Personen.43 (16) Den Munizipien habe ich Geld für das Land gegeben, das ich in meinem vierten Konsulat und später im Konsulat des M. Crassus und Cn. Lentulus Augur den Soldaten angewiesen habe. Der Betrag, den ich für Land in Italien bezahlte, belief sich auf ungefähr 600 Mio. und ungefähr auf 260 Mio., die ich für Ländereien in den Provinzen ausgab.44 Dies tat ich als erster von allen, die Kolonien in Italien oder in den Provinzen anlegten, soweit die Erinnerung zurückreicht. Und später, in den Konsulatsjahren des Ti. Nero und Cn. Piso, sodann des C. Antistius und D. Laelius, des C. Calvisius und L. Pasiensus, des L. Lentulus und M. Messalla sowie des L. Caninius und Q. Fabricius zahlte ich den Soldaten, die ich nach Beendigung ihrer Dienstzeit in ihre Munizipien entließ, Geldprämien, wofür ich insgesamt ungefähr 400 Mio. aufwendete.45 (17) Viermal habe ich die Staatskasse mit meinem Geld unterstützt, so daß ich den Vorstehern dieser Kasse 150 Mio. aushändigen ließ.46 Und im Konsulatsjahr des M. Lepidus und L. Arruntius47 habe ich in die Militärpensionskasse, die auf meine Anregung gegründet wurde, damit daraus die Abfindungsprämien an die Soldaten, die zwanzig oder mehr Dienstjahre abgeleistet hatten, gezahlt würden, aus meinem Privatvermögen 170 Mio. Sesterzen eingelegt. (18) Von dem Jahr an, in dem Cn. und P. Lentulus48 Konsuln waren, habe ich, wenn das Steueraufkommen nicht reichte, bald 100.000 Menschen, bald einer größeren Anzahl Getreide und

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Der Empfängerkreis dieser Spende, die anläßlich der Übergabe der toga virilis an Augustus' jüngeren Enkel und Adoptivsohn L. Caesar gemacht wurde, war auf auf die plebs frumentaria beschränkt, d.h. diejenigen, die an der kostenlosen Getreideversorgung teilhatten. Ihre Zahl wurde nach Cass. Dio 5 5 , 1 0 , 1 im Jahre 2 v. Chr. auf 2 0 0 . 0 0 0 fixiert.

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Die Ankaufaktionen geschahen in den Jahren 3 0 und 14 v. Chr. Die genannten Konsulatsjahre entsprechen den Jahren 7, 6, 4, 3 und 2 v. Chr.: vgl. die Konsulliste bei R. Syme, Roman Revolution, 5 2 5 - 5 3 4 .

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Zuschüsse an die Staatskasse sind für die Jahre 2 8 und 16 v. Chr. überliefert: Cass. Dio 5 3 , 2 , 1 . D. h. 6 n. Chr; zur Einrichtung der Militärpensionskasse s. unten Q 3 6 . 18 v. Chr.: Augustus' Privatvermögen trat also subsidiär an die Stelle der staatlichen Finanzierung der kostenlosen Getreideversorgung, wenn die öffentlichen Mittel nicht ausreichten.

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2.2. Die materiellen Quellen der Macht Geldspenden aus meinen Speichern und Privatvermögen gemacht. Q 27: Die Ressourcen des Privatvermögens Suet. Aug. 101,2-3" (2) Als Erben ersten Grades setzte er ein: Tiberius mit der Hälfte und einem Sechstel, Livia mit einem Drittel und bestimmte, daß beide seinen Namen tragen sollten; als Erben zweiten Grades: Drusus, den Sohn des Tiberius, mit einem Drittel, mit den übrigen Teilen Germanicus und seine drei Kinder männlichen Geschlechts,50 als Erben dritten Grades mehrere Verwandte und Freunde. Dem römischen Volk vermachte er 40 Mio., den Tribus 35 Mio. Sesterzen, den Praetorianern 1.000 pro Kopf, den städtischen Kohorten 500, den Legionären 300 Sesterzen. Er ordnete an, diese Summe sofort auszuzahlen, denn er hatte sie immer gesondert aufbewahrt und vorrätig gehalten. (3) Die übrigen Vermächtnisse gab er in verschiedener Form, und einzelne erreichten einen Betrag von 20.000; für deren Auszahlung setzte er eine Frist von einem Jahr. Dabei entschuldigte er den mäßigen Umfang seines Vermögens und daß nicht mehr als 150 Mio. an seine Erben falle, obwohl er allein in den letzten 20 Jahren aufgrund testamentarischer Verfügungen seiner Freunde den Betrag von 1,4 Milliarden erhalten habe, den er jedoch fast vollständig zusammen 4 9 Suetons Wiedergabe der Hauptbestimmungen des Testaments des Augustus, das zusammen mit drei weiteren Schriftstücken - den Verfügungen über sein Begräbnis, seinen Tatenbericht und eine Übersicht über die militärischen und finanziellen Ressourcen des Reiches - bei den Vestalischen Jungfrauen deponiert und nach seinem Tod im Senat verlesen wurde, enthält in § 3 eine aufschlußreiche Bemerkung über eine Hauptquelle der ungeheuren Barbestände seines Vermögens, die ihn in die Lage versetzten, öffentliche Aufgaben zu finanzieren und als großzügiger Patron in Erscheinung zu treten. 5 0 Tiberius hatte 4 n. Chr. seinen Neffen Germanicus auf Geheiß des Augustus adoptieren und ihn damit zum präsumtiven Thronfolger in der nächsten Generation zusammen mit seinem eigenen Sohn, dem jüngeren Drusus, machen müssen. Die drei männlichen Kinder des Germanicus, die als Erben zweiten Grades miteingesetzt wurden, sind Nero Iulius Caesar, Drusus Iulius Caesar und C. Iulius Caesar, der spätere Kaiser Caligula: s. D. Kienast, Römische Kaisertabelle, 81.

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Quellen / 2. Der Princeps mit seinen beiden väterlichen Privatvermögen für den Staat aufgewendet habe. Suet. Aug. 66,4 Er forderte auch seinerseits von den Freunden gegenseitiges Wohlwollen, von den lebenden wie von den verstorbenen. Denn obwohl er keineswegs auf Erbschaften aus war (wie er sich denn niemals dazu herbeiließ, aufgrund der testamentarischen Verfügung eines ihm Unbekannten etwas anzunehmen), so hat er dennoch die Urteile, die sie über ihn in ihren Testamenten abgaben, auf das genaueste abgewogen, und er verhehlte weder seinen Schmerz, wenn einer allzu sparsam und ohne sonderlich ehrende Worte, noch seine Freude, wenn einer dankbar und in anhänglicher Weise seiner gedachte. Vermächtnisse oder Anteile von Erbschaften, die ihm von Eltern, wer sie auch immer waren, hinterlassen waren, pflegte er den Kindern sofort abzutreten oder wenn sie noch unmündig waren, am Tag der Annahme der Männertoga oder (bei Mädchen) der Verheiratung mit den aufgelaufenen Zinsen zurückzugeben. 51

Q 28: Die Geldgeschenke eines Klientelkönigs: Herodes d. Gr. Jos. A.J. 17,147" Caesar vermachte er (in seinem Testament) 1.000 Talente und lulia, der Gemahlin Caesars, den Kindern, Freunden und Freigelassenen Caesars insgesamt 500.53 51

Die generalisierende Aussage Suetons ist in dieser Form sicher nicht zutreffend, aber sie zeigt doch, daß Augustus sich zumindest in Einzelfällen dafür entschied, auf die Annahme von Erbschaftsanteilen zu verzichten, wenn der Erblasser eigene Kinder hatte. 5 2 Josephus, 37/38 n. Chr. bis Anf. 2. Jhdt., entstammte der priesterlichen Aristokratie Jerusalems, ergab sich 67 n. Chr. als Befehlshaber der jüdischen Aufständischen in Jotapata/Galiläa den Römern und schrieb 75-94 n. Chr. zwei bedeutende Geschichtswerke, den "Jüdischen Krieg" (66-70/74 n. Chr. mit einem Abriß der Vorgeschichte seit 175 v. Chr.) und die "Jüdischen Altertümer" (von den Anfängen der Welt bis zum Vorabend des Jüdischen Krieges). Die unten angegebenen Quellenstellen stammen aus dem 6. Testament des Herodes aus dem Jahre 5, und aus dem 7. des Jahres 4 v. Chr. 53

Unter der Voraussetzung, daß 1 Talent ungefähr 6.000 Denaren entsprach, ergibt sich ein Betrag von 2 4 M i o . und 12 Mio. Sesterzen.

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand

Jos. A.J. 17,190

(In seinem letzten Testament) vermachte er Caesar 10 Mio. Stücke geprägten Silbers, daneben Gold und Silbergeschirr sowie sehr wertvolle Kleidung, lulia, der Gemahlin Caesars, und einigen anderen (des kaiserlichen Hauses) 5 Mio. Silberstücke. 54

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Q29: 'Säuberungen' und Ergänzungen des Senatoren- und Patrizierstandes Suet. Aug. 35,1-2

(35,1) Die Zahl der Senatoren, die zu einer unförmigen und ungeordneten Masse angeschwollen war - es gab mehr als 1.000, und darunter ganz Unwürdige, die nach der Ermordung Caesars aus Gunst oder für Geld aufgenommen worden waren und die allge-

54 Wenn Denare gemeint sind, betrug der Wert des Geldbetrages 40 und 20 Mio. Sesterzen. 55 Augustus erwähnt in seinem Tatenbericht (R.G. 8), daß er 29 v. Chr. die Zahl der Patrizier aufgrund eines Beschlusses von Senat und Volk erhöhte und dreimal eine Uberprüfung der Senatsliste vornahm. Diese fanden, wie den unten zitierten Quellenstücken aus Cassius Dio zu entnehmen ist, in den Jahren 29, 18 und 13 v. Chr. statt; 4 v. Chr. wurde die Aufgabe einer erneuten lectio senatus einer aus drei Mitgliedern bestehenden Senatskommission übertragen. Uber Modalitäten und Umstände der lectiones senatus unterrichten Cassius Dio und, bezüglich der beiden ersten, auch Sueton. Die Erhöhung der Zahl der Patrizier erfolgte aufgrund eines konsularischen Gesetzes, der lex Saenia (Tac. ann. 11,25,2), genannt nach dem in den beiden letzten Monaten des Jahres 30 v. Chr. als Konsul amtierenden Antragsteller L. Saenius. - Den Patriziern waren die höchsten Priesterämter vorbehalten: die des Opferkönigs (rex sacrorum), der Opferpriester (flamines) der höchsten Staatsgötter, Iuppiter, Mars und Quirinus, sowie die Mitgliedschaft in dem Priesterkollegium der Salier. Daneben war ihnen der Formalakt der Bestätigung von Volksbeschlüssen (die sogenannte patrum auctoritas) und das Recht vorbehalten, bei der Vakanz der höchsten Staatsämter den sogenannten Zwischenkönig (interrex), d. h. den mit der Nachwahl neuer ordentlicher Amtsträger beauftragten Magistrat, zu stellen.

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Quellen / 2. Der Princeps mein die Leute aus der Unterwelt hießen, brachte er durch zwei Überprüfungen wieder auf den alten Umfang und in den alten Glanz: bei der ersten gemäß eigener Einschätzung, bei der jeder einen anderen wählte, bei der zweiten nach seinem und Agrippas Urteil: Bei dieser Gelegenheit soll er geschützt mit einem Panzer unter der Kleidung und mit einem Schwert gegürtet den Vorsitz geführt haben, und die zehn stärksten seiner Freunde aus dem Senatorenstand hätten seinen Amtssessel umstanden. (2) Cremutius Cordus S6 schreibt, daß damals Senatoren nur einzeln und nach einer Leibesvisitation vorgelassen wurden. Suet. Aug. 38,2 (38,2) Den Senatorensöhnen gestattete er, zugleich mit der Männertoga den breiten roten Streifen zu tragen und an den Senatssitzungen teilzunehmen, damit sie schneller mit den Aufgaben der Politik vertraut würden, und beim Eintritt in den Heeresdienst machte er ihnen nicht nur die Position eines Legionstribunen, sondern auch die eines Befehlshabers von Reiterabteilungen zugänglich. Cass. Dio 52,42,1-8 (29 ν. Chr.) (42,1) Und danach ordnete er zusammen mit Agrippa in zensorischer Funktion andere Dinge und überprüfte die Zusammensetzung des Senats. Denn viele Ritter und viele Soldaten waren ohne Berechtigung infolge der Bürgerkriege Senatoren geworden, so daß das Plenum auf 1.000 Mitglieder angeschwollen war. (2) Obwohl er diese ausmustern wollte, tilgte er doch keinen von ihnen (aus der Senatsliste), sondern überließ es ihnen selbst, ihre eigenen Richter aufgrund ihres Wissens über ihre Herkunft und Lebensverhältnisse zu werden. Auf diese Weise überredete er zunächst fünfzig, den Senat freiwillig zu verlassen, sodann zwang er andere hundertfünfzig, diesem Beispiel zu folgen. (3) Und keinen verstieß er (von sich aus) aus dem Senat, nur die Namen der die zweite Gruppe Bildenden ließ er öffentlich anschlagen; den ersten erließ er die Schmach der Veröffentlichung, weil sie ohne Verzögerung seinem Willen nachgekommen waren. Diese gingen 56 Römischer Senator, verfaßte in der Zeit des Kaisers Tiberius ein Geschichtswerk, das zumindest von Caesars Tod bis tief in die Regierungszeit des Augustus reichte: die wenigen Fragmente in: H. Peter, Historicorum Romanorum Reliquiae II2, 87-90.

2 . 3 . Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand 57

also freiwillig ins Privatleben, nur Quintus Statilius wurde gegen seinen Willen an der Bekleidung des Volkstribunats gehindert, für das er bereits gewählt war. (4) Dafür machte er einige andere zu Senatoren, einen gewissen Gaius Cluvius und Gaius Furnius erhob er in die Rangklasse der Konsulare, weil sie, obwohl zu Konsuln designiert, das Amt nicht hatten antreten können, weil andere es besetzten. (5) Und die Klasse der Patrizier füllte er wieder auf, da der Senat ihn drängte, dies zu tun, weil der größte Teil der Patrizier zugrunde gegangen war (keine Klasse war nämlich in den Bürgerkriegen so dezimiert worden wie der Geburtsadel) und sie für notwendig erachtet wurden zum Vollzug der traditionellen Bräuche. (6) Dies also tat er, und er verbot allen Senatoren, sich außerhalb Italiens aufzuhalten, wenn er nicht selbst es einem befehle oder erlaube. Und bis auf den heutigen Tag wird das beachtet; denn außer nach Sizilien und nach Gallia Narbonensis zu reisen ist keinem Senator erlaubt... (8) und da er sah, daß viele von den Senatoren und den übrigen, die auf seiten des Antonius gestanden hatten, ihm gegenüber mißtrauisch eingestellt waren, und er fürchtete, daß sie einen Umsturz ins Werk setzen könnten, verkündete er, er habe alle Briefe, die in Antonius' Korrespondenzkästen gefunden worden seien, verbrannt. Und tatsächlich hatte er einiges vernichtet. Doch das meiste hatte er sorgfältig aufbewahrt, so daß er später nicht zögerte, davon Gebrauch zu machen.

Cass. Dio 54,13,1 - 14,5 (18 ν. Chr.) (13,1) Nachdem er dies getan hatte,58 nahm er eine Überprüfung der Senatsliste vor. Denn auch so erschien ihm die Mitgliederzahl zu groß (und in einer zu großen Menge sah er nichts Gesundes); er hatte eine Abneigung nicht nur gegen die, welche wegen irgendeiner Schlechtigkeit übel beleumundet waren, sondern auch gegen die, welche sich durch Schmeichelei hervorgetan hatten. 57

Die Identität des Q. Statilius ist unklar. Ob der unten genannte C. Cluvius mit dem in der Laud. Tur. (Q 7) mehrfach genannten Schwager des Redners identisch ist, bleibt unsicher. Gesichert ist, daß es sich bei dem ebenfalls unten erwähnten C. Furnius um einen Anhänger des M. Antonius handelt, der nach Actium von Octavian begnadigt wurde (Sen. ben. 2,25,1).

58

Bezugnahme auf die Verleihung der tribunizischen und prokonsularischen Gewalt an M. Agrippa im Jahre 18 v. Chr.: Cass. Dio 5 4 , 1 2 , 4 f.

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Quellen / 2. Der Princeps (2) Und da niemand freiwillig wie vorher ausscheiden wollte, wählte er selbst die dreißig Besten, wie er unter Eid versicherte, und befahl ihnen, nach Ablegung des gleichen Eides jeweils fünf, unter Ausnahme von Verwandten, auf Täfelchen zu schreiben und so zu wählen. (3) Und danach ließ er die Fünfergruppen das Los ziehen, so daß einer aus jeder Gruppe ausgelost wurde, Senator zu sein und seinerseits fünf unter denselben Bedingungen aufzuschreiben. Die ersten Dreißig mußten natürlich unter denen sein, die von den anderen ausgewählt und ausgelost werden konnten. Und da einige von den Ausgewählten nicht in Rom anwesend waren, wurden andere an ihrer Stelle ausgelost und erfüllten die ihnen obliegenden Aufgaben. (4) Zuerst vollzog sich dieser Vorgang über mehrere Tage, aber nachdem gewisse Manipulationen vorgekommen waren, gab er die Listen nicht mehr den Quaestoren noch ließ er die Fünfergruppen die Auslosung durchführen, sondern übernahm selbst die Auswahl und wählte die Fehlenden hinzu, so daß insgesamt 600 benannt wurden. (14,1) Er hatte ursprünglich geplant, nach altem Vorbild nur 300 zu Senatoren zu machen, und er glaubte, sehr zufrieden sein zu müssen, wenn er so viele fände, die seines Senats würdig wären. Aber da alle damit in gleicher Weise unzufrieden waren (denn es gab viel mehr, die hätten ausgemustert werden, als im Senat bleiben konnten, und so fürchteten sie eher, ins Privatleben gehen zu müssen, als daß sie hofften, Senatoren bleiben zu können), wählte er 600 aus. (2) Dabei blieb er nicht stehen: Noch immer standen einige ungeeignete Personen auf der Senatsliste, ein gewisser Licinius Regulus59 war empört darüber, daß sein Name getilgt war, während sein Sohn und viele andere, denen er überlegen zu sein behauptete, im Senat bleiben durften, und er zerriß seine Kleidung inmitten der Sitzung, (3) entblößte seinen Körper, zählte die Feldzüge auf und zeigte ihnen seine (dabei empfangenen) Wunden, und Articuleius Paetus, der zu den verbleibenden Senatoren gehören sollte, bat darum, daß er für seinen ausgeschiedenen Vater seinen Sitz im Senat aufgeben dürfe, und so nahm er eine erneute Prüfung vor, entfernte einige und nahm dafür andere auf. (4) Und da gleichwohl viele aus der Liste gestrichen waren und manche ihn beschuldigten, was in einer solchen Situation zu geschehen pflegt, daß ihre

59 L. Regulus und der unten genannte Articuleius Paetus werden nur hier genannt.

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Entfernung ungerechtfertigt gewesen sei, da gestand er ihnen zu, daß sie zusammen mit den Senatoren in gleicher Tracht an den Schauspielen und Festen teilnehmen könnten, und er erlaubte ihnen, sich künftig um Ämter zu bewerben. (5) Und die meisten von ihnen gelangten mit der Zeit wieder in den Senat, nur einige wenige blieben in einer mittleren Stellung, in der sie weder zum Senat noch zum Volk gehörig betrachtet wurden. Cass. Dio 54,26,3-4 + 8-9 (13 ν. Chr.) (26,3) Danach wurde eine erneute Überprüfung der Senatsliste vorgenommen. Denn nachdem zuerst das Mindestvermögen auf 100.000 Denare begrenzt war, weil viele im Bürgerkrieg ihre väterlichen Güter verloren hatten, dann aber mit der Zeit, als die Menschen zu Wohlstand gekommen waren, auf 250.000 erhöht worden war, wurde niemand mehr gefunden, der freiwillig Senator sein wollte, (4) ja sogar Kinder und Enkel von Senatoren, die einen tatsächlich arm, die anderen wegen der Unglücksfälle ihrer Vorfahren in ihrem Vermögen gemindert, erhoben nicht nur keinen Anspruch auf die Senatorenwürde, sondern schworen sogar, daß sie, wenn sie aufgenommen würden, die Voraussetzungen nicht erfüllen würden ... (8) Damals also überprüfte Augustus selbst alle Senatoren, und mit den Vermögensangelegenheiten der über 35jährigen gab er sich nicht ab, die Jüngeren aber, die das vorgeschriebene Vermögen besaßen, zwang er, Senatoren zu werden mit Ausnahme der Behinderten. (9) Und ihren körperlichen Zustand nahm er selbst in Augenschein, im Hinblick auf die Vermögen akzeptierte er die Eide der Betreffenden und ihrer Eideshelfer, die Zeugnis über ihre Armut und ihre Lebensführung gaben. Cass. Dio 55,13,3 + 6 (4 η. Chr.) (13,3) Er wollte wiederum die Zusammensetzung des Senats überprüfen, wählte 10 Senatoren, die er am höchsten schätzte, ließ drei von ihnen für die Überprüfung auslosen. Es waren nicht viele, die sich, als ihnen wie vorher die Gelegenheit gegeben wurde, für ungeeignet erklärten, oder gegen ihren Willen gestrichen wurden ... (6) Da viele junge Männer aus dem Senatoren- und dem Ritterstand ohne eigenes Verschulden zu arm waren, füllte er den meisten das Vermögen bis zum vorgeschriebenen Mindestsatz auf, bei ungefähr achtzig erhöhte er es auf 300.000 Denare.

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Quellen / 2. Der Princeps

Q 30: Eine senatorische Karriere: P. Sulpicius Quirinius60 Tac. Ann. 3,48,1-2 (48,1) Um dieselbe Zeit (sc. im Jahre 21 n. Chr.) bat er (sc. Kaiser Tiberius) den Senat, den Tod des Sulpicius Quirinius mit einem Staatsbegräbnis zu ehren. Quirinius gehörte gar nicht zu dem alten patrizischen Geschlecht der Sulpicier, er stammte aus der Gegend der Landstadt Lanuvium, doch er war ein tüchtiger Soldat und erhielt wegen seines großen Diensteifers unter Augustus den Konsulat, dann nach der Eroberung von befestigten Plätzen der Homonadenser im (Rauhen) Kilikien die Triumphalabzeichen; als er dem Gaius Caesar, der Armenien als Provinz erhalten hatte, als Leiter der Geschäfte beigegeben war, machte er auch Tiberius, der sich damals in Rhodos aufhielt, seine Aufwartung. Das brachte Tiberius jetzt im Senat zur Sprache, lobte Quirinius' Rücksichtnahme ihm gegenüber und führte Klage über Marcus Lollius, den er beschuldigte, Gaius Caesar zu seinem schändlichen, zur Entzweiung führenden Verhalten veranlaßt zu haben.

60 Zu Person und Laufbahn des Quirinius s. R. Syme, Roman Revolution (Index) und Der Kleine Pauly VI, s. v. Sulpicius II 8. Kaiser Tiberius hielt ihn besonders seine loyale Haltung im Jahre 1 v. Chr. zugute, als sein persönlicher Feind M. Lollius bei C. Caesar, Augustus' Adoptivsohn, den er als Hauptratgeber in den Orient begleitete, gegen ihn intrigierte. Zum Datum seiner Statthalterschaft in Galatien (5-3 v. Chr.) s. jetzt K. Strobel, in: Y. Le Bohec (Hrsg.), Les légions de Rome sous le Haut-Empire, Lyon 2000, 5 1 9 .

2.3. Augustus und die politische Elite: Senat und Ritterstand Q 31 : Augustus im Senat Suet. Aug. 52,3 + 5 4 " (52,3) An Sitzungstagen des Senats begrüßte er die Senatoren immer nur in der Kurie, und zwar an ihren Sitzen und jeden einzelnen mit Namen, ohne einen Nomenklator zu benötigen; ebenso blieben sie sitzen, wenn er sich von ihnen verabschiedete ... (54) Als er einmal im Senat eine Rede hielt, wurde ihm gesagt: "Ich habe nicht verstanden", und von einem anderen: "Ich würde dagegen reden, wenn es erlaubt wäre." Wenn er gelegentlich voller Zorn wegen der maßlosen Schmähreden der Streitenden aus der Kurie stürzte, riefen ihm einige nach, es müsse Senatoren doch erlaubt sein, über öffentliche Angelegenheiten zu reden. Antistius Labeo 62 wählte bei der Überprüfung der Senatsliste, bei der jeder einen anderen wählte, Marcus Lepidus, einen ehemaligen Feind des Augustus, der damals noch im Exil lebte, und als er von ihm gefragt wurde, ob nicht andere würdiger wären, antwortete er, jeder habe eben sein eigenes Urteil.

61 Der unten zitierte Suetontext illustriert die Spannung zwischen der Fassade des guten Einvernehmens und dem nachwirkenden Groll einer entmachteten Elite. Deren Haltung oszillierte zwischen Opposition, Verweigerung und Anpassung. Diese war es, die letzdich und im ganzen das Bild bestimmte: zum Thema vgl. R. Syme, Roman Revolution, 476 ff. und passim; P. Sattler, Augustus und der Senat. Untersuchungen zur römischen Innenpolitik zwischen 30 und 17 v. Chr., Göttingen 1960; Κ. A. Raaflaub/L. J. Samons, Opposition to Augustus, in: K.A. Raaflaub/M. Toher (Hrsg.), Between Republic and Principate, Berkeley et al. 1990, 417-454; M. H. Dettenhofen Herrschaft und Widerstand im augusteischen Prinzipat, Historia Einzelschr. 140, Stuttgart 2000, 128-144. 62 M. Antistius Labeo, ein bedeutender Jurist, war ein unbeugsamer Gegner der von Augustus begründeten neuen Ordnung (s. Gell. 13,12,2), doch Augustus duldete, klug wie er war, diese Gesinnungsopposition.

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Quellen / 2. Der Princeps Q 32: Augustus und der Ritterstand Suet. Aug. 38,3-40,163 (38,3) Die Ritterabteilungen musterte er häufig, nachdem er den lange unterbrochenen Brauch des Paradeaufzugs (der Ritter) wiederbelebt hatte. Aber er duldete nicht, daß irgendeiner beim Vorbeireiten von einem Ankläger vom Pferd herabgezogen wurde, was (früher) zu geschehen pflegte, und denen, die durch Alter oder ein körperliches Gebrechen gezeichnet waren, erlaubte er, das Pferd im Zuge vorausziehen zu lassen und zu Fuß zu kommen, sooft sie namentlich aufgerufen wurden. Später erteilte er denen, die über 35 Jahre alt waren und ihr Pferd nicht mehr behalten wollten, die Erlaubnis, es abzugeben. (39) Und mit zehn vom Senat bewilligten Helfern zwang er jeden Ritter, Rechenschaft über seine Lebensführung zu geben und von denen, bei denen ein Makel festgestellt wurde, belegte er die einen mit einer Strafe, andere mit Schimpf und Schande, eine große Zahl mit einer Ermahnung, aber in verschiedener Form. Die mildeste Art der Ermahnung war die öffentliche Überreichung eines Schreibtäfelchens, das sie schweigend und zwar sofort auf der Stelle zu lesen hatten; und er belegte einige mit Tadel, weil sie Geld zu niedrigen Zinsen aufgenommen und zu höheren wieder ausgeliehen hatten. (40,1) Und wenn bei der Wahl der Volkstribune senatorische Bewerber fehlten, ließ er sie aus dem Kreis der römischen Ritter wählen mit der Maßgabe, daß sie nach Ablauf ihrer Amtszeit in dem Stand ihrer Wahl bleiben könnten. Da aber sehr viele, deren Vermögen in den Bürgerkriegen zusammengeschmolzen war, aus

63 Die von Sueton aufgezählten Regelungen des Augustus waren dazu bestimmt, den Widerspruch zwischen den wiederbelebten militärischen Formen des erneuerten Ritterstandes und der aktuellen Funktion des Kreises der Staatspferdinhaber zu überbrücken: Sie waren nicht die Reiterei des römischen Heeres, sondern bildeten nach den Senatoren den zweiten Stand der Reichsaristokratie, aus dem Offiziere, Geschworenenrichter und hohe Funktionäre der kaiserlichen Administration rekrutiert wurden. Zusätzlich wurden sie auch zur Besetzung niederer stadtrömischer Amter, zum sogenannten Vigintivirat (s. Cass. Dio 54,26,5 f.) und des Volkstribunats herangezogen und zwar ohne Verpflichtung, daraufhin dem Senat auf Lebenszeit anzugehören.

2.4. Augustus und die Armee Furcht vor der Bestrafung nach dem Theatergesetz 64 nicht wagten, Aufführungen von den vierzehn (vorderen) Reihen aus zuzuschauen, verkündete er, daß von der Strafe nicht betroffen würde, wer selbst oder dessen Eltern einst ein ritterliches Vermögen besessen habe.

2.4. Augustus und die Armee Q 33: Die Disziplinierung der Armee Suet. Aug. 24,1-25,3" (1) Im Militärwesen veränderte und erneuerte er viel und stellte in manchem auch den alten Brauch wieder her. Die Disziplin handhabte er auf das strengste. Nicht einmal einem der Legaten, es sei denn mit Mühe und nur in den Wintermonaten, erlaubte er, seine Frau zu besuchen. Einen römischen Ritter, der seinen beiden Söhnen die Daumen amputiert hatte, um sie dem Kriegsdienst zu entziehen, ließ er zusammen mit seinen Gütern auf einer Auktion verkaufen. Weil er sah, daß die Steuerpächter sich für den Kauf interessierten, sprach er Ihn einem seiner Freigelassenen zu, damit ihn dieser auf das Land verbanne und ihn dort wie einen Freien leben lasse. (2) Die zehnte Legion66 entließ er, weil sie recht widerwillig gehorcht hatte, unehrenhaft Mann für Mann, und ebenso verabschiedete er andere, die in unverschämter Weise ihre

64 Sueton bezieht sich auf des Theatergesetz des Volkstribunen L. Roscius Fabatus aus dem Jahre 67 v. Chr., das die Usurpation der den Rittern reservierten Plätze mit Strafen belegte. 65 In dem Abschnitt über das Militärwesen schöpft Sueton aus einem reichen Fundus an Quellen, der zum größten Teil für uns verloren ist. Auch hier hat er das exzerpierte Material nach Sachgesichtspunkten geordnet: Disziplin (24,1 f.) - Distanzierung von der in der Bürgerkriegszeit geübten Anbiederung an die Soldaten (25,1) - Verwendung von Freigelassenen im Militär (25,2) - militärische Auszeichnungen (25,3). 66 Die 10. Legion mit dem Beinamen Gemina war in Spanien stationiert. Wahrscheinlich gehört die Entlassungsaktion in das Jahr 19 v. Chr., als Agrippa bei der Niederwerfung des Kantabrischen Aufstandes mit Meutereien einzelner Truppenteile fertig werden mußte: Cass. Dio 54,11,3-5

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Quellen / 2. Der Princeps Entlassung forderten, ohne die Vergünstigung einer Abfindung für Veteranen. Kohorten ließ er, wenn sie vor dem Feind zurückgewichen waren, dezimieren und ließ ihnen Gerste als Nahrung liefern. Centurionen, die ihren Posten verlassen hatten, bestrafte er ebenso wie einfache Soldaten mit dem Tod, für Vergehen anderer Art belegte er sie mit verschiedenen ehrenrührigen Strafen, zum Beispiel den ganzen Tag vor dem Feldherrnzelt zu stehen, manchmal nur mit einer Tunica ohne Gürtel bekleidet, bisweilen mit der Meßstange oder gar mit einem Rasenstück in den Händen.67 (25,1) Nach den Bürgerkriegen nannte er keine Soldaten, weder bei einer Ansprache noch in einem Edikt, Kameraden, sondern einfach Soldaten, und er duldete nicht, daß sie von seinen Söhnen oder Stiefsöhnen, wenn ihnen Befehlsgewalt übertragen war, anders genannt wurden, weil er dies für Anbiederung hielt, die mit den Forderungen der militärischen Disziplin, dem inneren Frieden des Zeitalters und dem überlegenen Rang seiner Person und seines Hauses nicht vereinbar sei. (2) Freigelassene68 nahm er, abgesehen für den Feuerwehrdienst in Rom oder wenn Aufruhr bei größeren Engpässen in der Lebensmittelversorgung befürchtet wurde, nur zweimal als Soldaten in Dienst: einmal zum Schutz der lllyrien benachbarten Kolonien, das zweite Mal zum Schutz des Rheinufers; und zwar stellte er diese Leute, die bis dahin Sklaven gewesen waren und von wohlhabenden Männern und Frauen gestellt und ohne Verzug freigelassen wurden, in das erste Aufgebot ein, und sie bildeten von den Freigeborenen abgesonderte und auf andere Weise bewaffnete Abteilungen. (3) Als militärische Auszeichnungen gab er eher Schmuckscheiben und gedrehte Halsreifen mit unterschiedlichem Gold und Silberwert 67 Beim Vermessen des Lagers die Meßstange und beim Bau des Lagerwalles Rasenstücke zu tragen gehörte zum Dienst einfacher Soldaten. Die Strafe bestand also in einer öffentlich zur Schau gestellten zeitweiligen Degradierung. 68 Aus Freigelassenen wurden seit 6 n. Chr. die 7 Feuerwehrkohorten und seit 16 v. Chr. die 3 städtischen Kohorten rekrutiert, die als Bereitschaftspolizei fungierten. Die Mobilisierung von Sklaven, die nach ihrer Freilassung zu Marscheinheiten formiert wurden, war eine Notmaßnahme, mit der den mililtärischen Krisen des Pannonischen Aufstandes (6 n. Chr.) und der Niederlage im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) begegnet werden sollte.

2.4. Augustus und die Armee als Wall- und Mauerkronen, die einen höheren Ehrenrang besaßen.69 Diese verlieh er äußerst sparsam und nur nach wirklichem Verdienst und so auch öfters einfachen Soldaten. M. Agrippa verlieh er in Sizilien nach seinem Seesieg (36 v. Chr.) eine meergrüne Standarte. Allein den Feldherren, denen ein Triumph zuerkannt war, glaubte er, obwohl sie seine Feldzüge mitmachten und an seinen Siegen teilhatten, keine Auszeichnungen geben zu dürfen, weil sie auch selbst das Recht gehabt hätten, dergleichen zu verleihen, wenn sie wollten.

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Grab des Centuno M. Caelius70 69 Zu den militärischen Auszeichnungen, den dona militaría, s. V. A. Maxfield, The Military Decorations of the Roman Army, London 1981. Die Mauer- oder die Wallkrone wurde dem Soldaten verliehen, der bei der Eroberung einer Stadt oder eines Lagers als erster die Mauer bzw. den Wall erstiegen hatte. 70 ILS 2245. Abbildungsnachweis: Germania Romana2 (hrsg. von: Römisch-Germanische Kommission des DAI), Tafelband III, Taf. I. 2.

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Quellen / 2. Der Princeps Das Grabmal, in der Nähe des Legionslagers von Castra Vetera (Xanten) gefunden, zeigt M. Caelius in Rüstung und Ordensschmuck inmitten seiner Freigelassenen. Er trägt einen Halsreifen und Schmuckscheiben (phalerae) und hält als Zeichen seines Ranges in der Rechten den aus Rebenholz geschnitzten Stock (vitis). Aus der Inschrift geht hervor, daß er mit der 18. Legion in der Schlacht im Teutoburger Wald den Tod fand. Der Text lautet in Übersetzung: Für M. Caelius, Sohn des Titus, (Bürger) der Stimmabteilung Lemonia, aus Bononia (Bologna), Centurio der 18. Legion, im Alter von 53 Vz Jahren. Er fiel im Feldzug des (Quinctilius) Varus. Die Gebeine hier zu bestatten soll erlaubt sein. P. Caelius, Sohn des Titus, (Bürger) der Stimmkörperschaft Lemonia, sein Bruder hat (dies) errichten lassen. Unter dem linken Bild steht: M. Caelius, Freigelassener des Marcus, Privatus, unter dem rechten: M. Caelius, Freigelassener des Marcus, Thiaminus.

2.4. Augustus und die Armee Q 34: Der Umfang des stehenden Heeres Cass. Dio 55,23,2-7 + 24,5-8 ' (2) Damals wurden 23 oder, wie manche sagen, 25 Bürgerlegionen unterhalten. Gegenwärtig sind davon nur 19 Einheiten noch vorhanden: die zweite Augusta, die in Oberbritannien ihre Winterquartiere hat, die drei dritten Legionen, die Gallica in Phoenicia, die Cyrenaica in Arabia, die Augusta in Numidia, (3) die vierte Scythica in Syria, die fünfte Macedonica in Dacia, die zwei sechsten, die Victrix in Unterbritannien sowie die Ferrata in Judaea, die siebte in Untermoesien mit Namen Claudia, (4) die achte Augusta in Obergermanien, die beiden zehnten, die Gemina in Oberpannonien und die in Judaea, die elfte Claudia in Untermoesien (zwei Legionen sind nach Claudius benannt worden, weil sie bei der Rebellion des Camillus nicht gegen ihn gekämpft hatten), (5) die zwölfte Fulminata in Cappadocia, die dreizehnte Gemina in Dacia, die vierzehnte Gemina in Oberpannonien, die fünfzehnte Apollinaris in Cappadocia, (6) die zwanzigste Valeria Victrix in Oberbritannien: diese übernahm und behielt Augustus, glaube ich, zusammen mit der zweiundzwanzigsten, die in Obergermanien stationiert ist, wenn sie auch nicht von allen Valeria genannt wurde und auch jetzt nicht so heißt. (7) Das sind also die Legionen, die von den 71 Cassius Dio nimmt die 6 n. Chr. neu festgesetzten Dienstzeiten und Abfindungen von Bürgersoldaten zum Anlaß, einen Überblick über die unter Waffen stehenden Legionen zu geben. Er geht von dem in severischer Zeit erreichten Bestand von 33 Legionen aus und gibt an, daß 19 bis auf augusteische Zeit zurückgehen. Eine genaue Vorstellung über den Umfang des augusteischen Heeres besitzt er offensichtlich nicht. Er gibt die Zahl der Legionen mit 23 an und fügt hinzu, daß manche von 25 ausgehen. Diese Zahl trifft erst für die Zeit nach der Schlacht im Teutoburger Wald zu, in der 3 Legionen vernichtet wurden. Vorher (seit 28 v. Chr.) standen 28 bzw. 29 (von 24 bis ca. 16 v. Chr.) Legionen unter Waffen. Genaueres über die Legionen der augusteischen und der späteren Zeit bei E. Ritterling, s. v. Legio, RE XII. 1, 1186-1829 (grundlegend); kurze Zusammenfassung (mit neuer Literatur) bei J. B. Campbell, s. v. Legio, Der Neue Pauly 7, 7-22 sowie jetzt K. Strobel, a.a.O. (s. oben Anm. 60) 515 ff. Die Standorte der von Cassius Dio genannten, auf augusteische Zeit zurückgehenden Einheiten gelten für die severische Zeit nach 200 n. Chr., gelten also nicht für die des Augustus, in der es entsprechend der expansiven Außenpolitik noch eine große Mobilität beim Einsatz des entstehenden Berufsheeres gab.

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Quellen / 2. Der Princeps

augusteischen noch gegenwärtig bestehen. Die restlichen sind entweder ganz aufgelöst oder von ihm selbst bzw. anderen Kaisern zusammengelegt worden, woraufhin es üblich geworden ist, ihnen den Beinamen Gemina (= die Doppelte) zu geben ... (5) Dies also ist gegenwärtig die Zahl der regulär aufgestellten Einheiten, außer den städtischen und den Praetorianerkohorten, aber damals zur Zeit des Augustus wurden entweder drei oder fünfundzwanzig unterhalten,72 daneben auch Einheiten der Verbündeten, Fußtruppen und Reiterei sowie Seeleute, welches immer ihre Zahl war; denn ich kann es nicht genau sagen. (6) Die Praetorianer waren 10.000 Mann stark, gegliedert in 10 Einheiten,73 die städtischen Truppen, gegliedert in 4 Verbände, 6.000 Mann;74 (7) hinzu kamen fremde Gardereiter, die den Namen Bataver nach Batavia, einer Insel im (Nieder)rhein, tragen, denn diese sind die besten Reiter.75 (8) Ihre genaue Zahl kann ich ebensowenig wie die der wiedereinberufenen Veteranen angeben. Und auch damit, nämlich mit ihrer Reaktivierung, begann Augustus, seitdem er die Soldaten seines Vaters gegen Antonius wieder zu den Waffen gerufen hatte, und diesen Brauch behielt er bei; und auch heute noch bilden sie (s.c. die Veteranen) ein besonderes Korps und tragen Stöcke wie die Centurionen.

72 Neben den oben genannten 19 Traditionseinheiten sind zu nennen: Legio I, IV Macedonica, V Alaudae, IX Hispana, XVI-XIX (die Legionen XVII-XIX wurden in der Schlacht im Teutoburger Wald vernichtet und sind nicht wieder aufgestellt worden), XXI Rapax und XXII Deiotariana. Zum Schicksal der vor 200 n. Chr. untergegangenen Einheiten s. die oben genannten Artikel von Ritterling und Campbell. 73 Die Praetorianergarde des Augustus war in 9, nicht in 10 Einheiten gegliedert (dies trifft für die severische Zeit zu): Die einzelne Kohorte umfaßte mindestens 500, vielleicht auch schon in augusteischer Zeit 1.000 Mann: vgl. M. Durry, s. v. praetoriae cohortes, RE XXII, 1954, 1607-1634 und A. Passerini, Le coorti pretorie, Rom 1939 (ND 1969). 74 Auch diese Angabe ist anachronistisch. Augustus stellte nur drei Einheiten auf, die insgesamt 1.500, allenfalls vielleicht 3.000 Mann stark waren. 75 Gemeint sind offenbar die aus Germanen, speziell Batavern, rekrutierten Gardereiter zur Disposition des Kaisers, die sog. équités singulares: s. dazu M. Speidel, Die équités singulares Augusti, Bonn 1965 und ANRW II 3, Berlin/New York 1975, 202 ff. sowie Germania 53, 1975, 165 f.

2.4. Augustus und die Armee

Q 35: Dienstzeiten und Veteranenversorgung Cass. Dio 54,5-6 (13 ν. Chr.)76 (5) Danach berief er den Senat ein, sprach selbst wegen Heiserkeit nicht, sondern gab die Schriftrolle dem Quaestor zum Lesen, ließ so seine Taten aufzählen und die Jahre für die Dienstzeit der Bürger festlegen sowie die Geldsumme, die sie bei Beendigung des Dienstes anstelle des bisher geforderten Landes erhalten sollten, damit die Soldaten, wenn sie künftig zu festen Bedingungen rekrutiert würden, deswegen nicht mehr rebellieren könnten. (6) Die Dienstzeit betrug für Praetorianer zwölf Jahre, für Legionäre sechzehn, und der Geldbetrag variierte für die verschiedenen Gruppen. Diese Regelungen gaben den Soldaten damals keinen Grund zu Freude oder Zorn, weil weder ihre Forderungen vollständig erfüllt noch zurückgewiesen waren, den Bürgern aber brachten sie gute Hoffnungen, daß sie nicht mehr enteignet würden. Cass. Dio 55,23,1 (6 η. Chr.) (1) Die Soldaten waren nicht zuletzt wegen der damals anstehenden Kriege empört über die geringe Höhe der Belohnungen, und keiner war bereit, über die festgesetzte Zeit hinaus zu dienen, und so wurde für die Praetorianer eine Abfindung von 5.000 Denaren nach fünfzehnjähriger, für die Legionäre von 3.000 Denaren und zwanzigjähriger Dienstzeit beschlossen.

Q 36: Die Finanzierung der Veteranenversorgung Cass. Dio 55,25,1-6 (6 η. Chr.) (1) Danach, im Konsulatsjahr des Aemilius Lepidus und Lucius Arruntius, als keine Einnahmequelle, die von irgend jemand Zu76

13 v. Chr. erfolgte, um der Unzufriedenheit der Soldaten entgegenzuwirken, die Fixierung der Dienstzeiten, und zugleich wurde die Altersversorgung von der Landzuweisung auf die Geldabfindung umgestellt. 6 n. Chr. machte die Personalknappheit des Heeres längere Dienstzeiten notwendig, doch die Soldaten wollten sich, auch wegen der hinter den Erwartungen zurückbleibenden Höhe der in Aussicht gestellten Belohnung, nicht für längere Zeit verpflichten. Daraufhin wurde die Heraufsetzung der Dienstzeiten und eine Verbesserung der Altersversorgung verfügt, die freilich neue Finanzierungprobleme aufwarf: s. dazu Q 36.

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Quellen / 2. Der Princeps Stimmung erhielt, gefunden werden konnte, sondern schon jeder völlig über die Sache verärgert war, (2) zahlte Augustus in seinem und Tiberius' Namen Geld in die Kasse ein, der er die Bezeichnung Militärkasse gab, und übertrug ihre Verwaltung drei Praetoriern, die für drei Jahre ausgelost wurden und über zwei Liktoren sowie über weiteres Personal verfügten, soweit es für den Zweck angemessen war. (3) Und dies geschieht seit vielen Jahren ununterbrochen, nur daß sie jetzt vom jeweiligen Kaiser ausgewählt werden und ohne Liktoren auftreten. Er selbst zahlte also einen bestimmten Betrag ein und versprach, dies jedes Jahr zu tun, und er erhielt von einzelnen Königen und Gemeinden das Versprechen, daß sie ihrerseits Einzahlungen leisteten; von Privatleuten, die etwas freiwillig, wie sie wenigstens sagten, geben wollten, nahm er, obwohl sie zahlreich waren, nichts an. (4) Da diese Summen verglichen mit der Höhe der Ausgaben sehr gering waren und eine nicht versiegende Einnahmequelle benötigt wurde, trug er den Senatoren auf, daß jeder privat und für sich Einnahmequellen ausfindig machen, sie schriftlich in einer Buchrolle festhalten und ihm zur Prüfung vorlegen solle - nicht weil er sich keinen eigenen Plan ausgedacht hätte, sondern damit er sie am besten zu dem überreden könnte, den er verwirklichen wollte. (5) Als nun jeder von ihnen etwas anderes vorschlug, billigte er natürlich nichts davon, sondern setzte 5% von Erbschaften und Legaten als Abgabe fest, die Verstorbene irgend jemandem außer ganz nahen Verwandten und ganz Armen hinterlassen würden, wie er denn auch diese Steuer angeblich in den schriftlichen Planungen Caesars gefunden haben wollte. (6) Tatsächlich war sie schon einmal eingeführt, dann aber wieder abgeschafft worden. Jetzt aber wurde sie wieder eingeführt. Die Einnahmen vermehrte er also auf diese Weise, die Ausgaben ließ er durch drei durch das Los bestimmte Konsulare teils kürzen, teils gänzlich beseitigen.

3. Die Leistung

3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens Q 37: Die Bekämpfung des Bandenunwesens1 App. b. c. 5,547 (36 v. Chr.) Da Rom selbst und Italien ganz offen von Räuberbanden heimgesucht wurden und die Vorfälle eher dreisten Plünderungen als heimlichen Diebeszügen glichen, wurde Sabinus 2 von Caesar mit der Ordnung der Verhältnisse betraut. Er ließ viele aufgreifen und hinrichten und innerhalb eines Jahres versetzte er alles in einen befriedeten, sorgenfreien Zustand. Und aus dieser Zeit stammen, so sagt man, Brauch und Form der Polizeiposten des Militärs.3

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Das wichtige Thema der öffentlichen Sicherheit ist Gegenstand des Buches von W. Nippel, Aufruhr und "Polizei" in der römischen Republik, Stuttgart 1988. Die augusteische Zeit wird auf den Seiten 153-171 mit den Anmerkungen auf den Seiten 263-274 abgehandelt. Nippel konzentriert sich auf Rom, läßt Italien also beiseite und unterschätzt m. E. die Bedeutung der Maßnahmen, die Augustus zur Bekämpfung von Kriminalität, Aufruhr und Großbränden traf. Anders urteilte schon B. G. Niebuhr, Vorträge über römische Geschichte III, Berlin 1848, 121 f. Gemeint ist C. Calvisius Sabinus, ein prominenter Caesarianer und Konsul im Jahre 39 v. Chr. Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht II, Leipzig 18 8 7 3 , 1075 Anm. 1, vermutet, daß die Ehrung des Praefecten Sabinus durch eine Einheit spanischer Hilfstruppen (CIL IX 4503 = ILS 2488, gefunden in den Abruzzen) sich auf Calvisius und die Aktion des Jahres 36/35 v. Chr. bezieht. Die Militärposten werden auch von Suet. Aug. 32,1 (s. unten) erwähnt. Augustus' Nachfolger sah sich veranlaßt, das Netz dieser Posten enger zu knüpfen: Suet. Tib. 37,1.

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Quellen / 3. Die Leistung

Suet. Aug. 32,1 Viele Übelstände schlimmster Art hatten sich zum Verderben der öffentlichen Ordnung infolge der langdauernden Willkür der Bürgerkriegszeit eingenistet oder waren sogar schon in der Friedenszeit aufgetreten. Zahlreiche Banditen durchstreiften mit dem Schwert gegürtet offen das Land, angeblich zu ihrem eigenen Schutz, und dann wurden in ländlichen Gegenden die Reisenden, ohne Unterschied Freie und Sklaven, aufgegriffen und in die Sklavenkasernen der großen Grundbesitzer gesteckt, und sehr viele kriminelle Vereinigungen bildeten sich unter dem Namen neuer Vereine zur gemeinschaftlichen Begehung aller möglichen Verbrechen. Also unterdrückte er das Bandenunwesen durch Errichtung von Militärposten an geeigneten Plätzen, die Sklavenkasernen ließ er inspizieren, die Vereine löste er außer den alten und gesetzeskonformen auf. Suet. Tib. 8 Dazwischen nahm er (sc. Tiberius) zwei Sonderaufgaben wahr, die Beschaffung von Getreide, das sich verknappt hatte, und die Revision der Sklavenkasernen in ganz Italien, deren Eigentümer in den schlimmen Verdacht gekommen waren, daß sie aufgegriffene Reisende gefangenhielten, aber auch Leute, die Furcht vor Aushebung in ein derartiges Versteck getrieben hatte.4

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Die Getreidebeschaffung fällt in das Jahr seiner Quaestur 23 v. Chr., ebenso die Revision der Sklavenkasernen: s. M. Geizer, s. v. Iulius 154 (Tiberius), RE X. 1 , 4 8 1 .

3.1. Die Befriedung der Stadt Rom und Italiens

Q 38: Die Organisation der öffentlichen Sicherheit in Rom5 Suet. Aug. 30,1 Das Areal der Stadt teilte er in Regionen und Häuserblocks, und ordnete an, daß über jene durch Los bestimmte Magistrate Aufsicht führen sollten, über diese vom Volk der jeweiligen Nachbarschaft gewählte Vorsteher. Gegen die Brandgefahr richtete er Nachtwachen und Feuerwehren ein. Dig. 1,12,12 (über das Amt des Stadtpraefecten) Auch die Ruhe in der Stadtbevölkerung und die Ordnung bei öffentlichen Spielen fällt offensichtlich in die Zuständigkeit des Stadtpraefecten: natürlich muß er über Militärposten verfügen, um die Ruhe in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten und um sich melden zu lassen, was verschiedenenorts vor sich geht. Dig. 1,15,3 pr. (über das Amt des Praefecten der Feuerpolizei) (Augustus) stationierte daher sieben Kohorten an geeigneten Plätzen, so daß jeweils eine Kohorte zwei Regionen (der Stadt) überwachte, und er setzte Tribunen an ihre Spitze und über alle jemanden aus der Rangklasse der "Hochansehnlichen"6 mit dem Amtstitel eines Praefecten der Feuerpolizei. Dieser führt die 5

Zur Organisation der städtischen Plebs und zur Rolle der Compitalvereine vgl. D. Kienast, Augustus, 195 ff. mit Literatur. Die unten zitierten Quellenstellen aus den Digesten, dem von Kaiser Iustinian veranlaßten und 533 n. Chr. publizierten Auszug aus den Schriften römischer Juristen, stammen aus Spezialschriften des Ulpian und des Paulus (1. Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr.). Der Stadtpraefect fungierte bei Abwesenheit des Augustus als sein Stellvertreter in der Stadt Rom und kommandierte in diesem Fall die drei städtischen Kohorten. Ständiges Amt ist die Stadtpraefectur aber wohl erst unter Augustus' Nachfolger geworden: vgl. H. Freis, s. v. Urbanae Cohortes, RE Suppl. X, 1125 ff. und ders., Die cohortes urbanae, Epigraphische Studien 2, 1967. Zum Amt des praefectus vigilum vgl. P.K.B. Reynolds, The vigiles of Imperial Rome, Oxford/London 1926, 122 ff. sowie neuerdings das Buch von R. Sablayrolles, Libertinus Miles. Les cohortes de vigiles, Rom 1996.

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Der Titel (lat. spectabiles viri) stammt aus severischer Zeit, in der Paulus seine Monographie über das Amt verfaßte. In augusteischer Zeit gab es keine entsprechende Titulaturen. Zur Errichtung der Feuerpolizei im Jahre 6 n. Chr. vgl. Cass. Dio 55,26,4 f.

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Quellen / 3. D i e Leistung

Untersuchungen gegen Brandstifter, Einbrecher, Diebe, Räuber und die Hehler, es sei denn die betreffende Person ist so gefährlich und berüchtigt, daß sie dem Stadtpraefecten überlassen werden muß.

Q 39: Die kostenlose Getreideversorgung in Rom Suet. Aug. 42,37 Aber als er einmal bei großer Mißernte und ernsten Schwierigkeiten, der Getreideknappheit abzuhelfen, die zum Verkauf bestimmten Sklaven, die Gladiatorentrupps, alle Ausländer mit Ausnahme der Ärzte und Lehrer, teilweise auch die Sklaven aus Rom hatte ausweisen lassen, da schrieb er, sobald die Versorgungslage sich gebessert hatte: Er habe einen Anlauf genommen, die öffentlichen Getreidezuweisungen für immer abzuschaffen, weil im Vertrauen auf sie mit der Bebauung des Landes aufgehört werde; doch habe er nicht darauf bestanden, weil er es für gewiß halte, daß sie zur Gewinnung der Gunst der Massen auch wieder eingeführt werden könnten.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Q 40: Die stadtrömischen Bauten8 Aug. R.G. 19-21 (19) Errichten ließ ich die Curia und das an sie angrenzende Chalcidium sowie den Tempel des Apollo auf dem Palatin mit den Säulenhallen, den Tempel des Gottes lulius, das Lupercal, die Säulenhalle beim Circus Flaminius, die ich die Octavische zu nennen erlaubte nach dem Namen dessen, der die frühere an 7

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Die von Sueton zitierte Äußerung des Augustus über die soziale und ökonomische Schädlichkeit der kostenlosen Getreidezuteilungen gehört, wie die Anspielung auf die Ausweisungen zeigt, in das Jahr 6 n. Chr.: Cass. Dio 55,26. Zur Lokalisierung der unten erwähnten Bauten vgl. die beigegebenen Karten; zur Chronologie s. die Darstellung 3.2. Einzelne Bauten und Baukomplexe werden in Q 4 1 und 42 sowie in 44 und 45 näher beschrieben.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung derselben Stelle hatte erbauen lassen, das Pulvinar beim Circus Maximus, die Tempel des luppiter Feretrius und des luppiter Tonans auf dem Capitol, den Tempel des Quirinus, die Tempel der Minerva, der luno Regina und des luppiter Libertas auf dem Aventin, den Tempel der Laren an der höchsten Stelle der Via Sacra, den Tempel der Penaten auf der Velia, den Tempel der luventas sowie den Tempel der Magna Mater auf dem Palatin. (20) Das Capitol und das Theater des Pompeius habe ich beide mit großem Aufwand restauriert, ohne daß irgendeine Inschrift mit meinem Namen angebracht wurde. Die Wasserleitungen, die an vielen Stellen Altersschäden aufwiesen, habe ich reparieren und die Kapazität durch Zuleitung einer neuen Quelle verdoppeln lassen. Das Forum lulium und die zwischen den Tempeln des Castor und des Saturn gelegene Basilika, deren Bau von meinem Vater begonnen und weit vorangetrieben worden war, habe ich vollendet, und als dieselbe Basilika durch Brand zerstört worden war, habe ich sie auf vergrößerter Grundfläche unter dem Namen meiner Söhne neu zu bauen begonnen und angeordnet, daß sie von meinen Erben fertiggestellt werden sollte, wenn ich sie zu meinen Lebzeiten nicht mehr vollenden könnte. Zweiundachtzig Heiligtümer ließ ich in meinem sechsten Konsulat auf Geheiß des Senats wiederherstellen, ohne eines auszulassen, das zu dieser Zeit reparaturbedürftig war. In meinem siebten Konsulat ließ ich die Via Flaminia von Rom bis nach Ariminum (Rimini) sowie die Brücken mit Ausnahme der Mulvischen und der Minucischen erneuern. (21) Auf privatem Grund ließ ich den Tempel des Mars Ultor und das Forum Augustum aus Mitteln der Kriegsbeute errichten. In der Nähe des Apollotempels ließ ich auf Grund und Boden, der zu einem großen Teil privaten Eigentümern abgekauft wurde, ein Theater erbauen, das den Namen meines Schwiegersohnes M. Marcellus erhielt.

Suet. Aug. 28,3-29,5

(28,3) Die Stadt Rom, die nicht der Würde des Reiches entsprechend geschmückt sowie Überschwemmungen und Feuersbrünsten ausgesetzt war, verschönerte er in dem Maße, daß er sich mit Recht rühmen konnte, anstelle der Stadt aus Ziegeln, die er übernommen hatte, eine aus Marmor zu hinterlassen ... (29,1) öffentliche Bauten ließ er in großer Zahl errichten; die bedeutendsten sind: das Forum mit dem Tempel des Mars Ultor,

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Quellen / 3. Die Leistung der Apollotempel auf dem Palatin und der Tempel des luppiter Tonans. Der Grund für die Erbauung des Forums war die große Zahl von Menschen und Prozessen: Da die beiden alten Foren nicht ausreichten, war offensichtlich ein drittes erforderlich. Also wurde es in großer Eile, noch bevor der Marstempel vollendet war, der Öffentlichkeit übergeben, damit auf ihm die Strafprozesse und die Auslosung der Richter stattfinden konnten. (2) Den Tempel des Mars hatte er im Krieg von Philippi, den er unternahm, um seinen Vater zu rächen, zu errichten gelobt, und so setzte er fest, daß der Senat dort über Kriege und Triumphe Beschlüsse fasse, daß von dort aus die mit eigener Befehlsgewalt ausgestatteten Provinzgouverneure zum Antritt ihres Kommendos feierlich geleitet würden und daß dorthin die siegreichen Feldherren die Triumphalinsignien bringen sollten. (3) Den Tempel des Apollo ließ er in dem Teil seines Palastes auf dem Palatin errichten, der, weil er von einem Blitz getroffen worden war, nach Auslegung der Vorzeichendeuter von dem Gott selbst gewünscht wurde. Er fügte Säulenhallen mit einer lateinischen und einer griechischen Bibliothek hinzu, und dort hielt er bei fortschreitendem Alter sogar die Senatssitzungen ab und nahm die Prüfung der Richter vor. Dem luppiter Tonans weihte er den Tempel aufgrund der Befreiung aus Lebensgefahr: Im Kantabrischen Feldzug hatte bei nächtlichem Marsch ein Blitz unmittelbar vor seiner Sänfte eingeschlagen und den mit einem Licht vorangehenden Sklaven getötet. (4) Einige Bauten ließ er in anderer Namen, nämlich seiner Enkel, seiner Frau und seiner Schwester, erbauen, zum Beispiel die Säulenhallen und die Basilika des Gaius und des Lucius, ebenso die Säulenhallen der Livia und der Octavia sowie das Theater des Marcellus. Aber er ermahnte auch die übrigen führenden Männer des Staates, daß jeder nach Maßgabe seiner Mittel die Stadt durch die Errichtung bzw. die Ausbesserung oder Verschönerung von monumentalen Bauwerken schmücke. (5) Und so wurden viele Bauten von vielen errichtet, zum Beispiel der Tempel des Herkules und der Musen von Marcius Philippus, der Dianatempel von L. Cornificius, die Vorhalle zum Heiligtum der Libertas von Asinius Pollio, der Saturntempel von Munatius Plancus, ein Theater von Cornelius Baibus, von Agrippa aber viele und prächtige Bauten.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Q 41 : Die Neugestaltung des Forum Romanum9 Wichtige bauliche Veränderungen auf dem Forum Romanum waren bereits von Caesar mit dem Ziel eingeleitet worden, das öffentliche Leben von dem alten Comitium nach dem neu konzipierten Forum Romanum zu verlegen. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Versetzung der Rednerbühne (rostra) vom Comitium in die Achse des Forums. Daneben wurde 43 v. Chr. die Reiterstatue des Octavian (s. Q 3) sowie 36 ν. Chr. eine columna rostrata gesetzt, die den Sieg Octavians bei Naulochos feierte (s. Q 13). Auch die beiden Basiliken, die Iulia und die Aemilia, die dem Platz eine architektonische Rahmung geben, gehören noch zum caesarischen Bauprogramm. Der Neubau des Saturntempels, den L. Munatius Plancus nach seinem Sieg über die Alpenvölker bereits 42 v. Chr. gelobt hatte, wurde wahrscheinlich erst nach 31 v. Chr. realisiert, nachdem Plancus vor der Schlacht von Actium zu Octavian übergewechselt war. Der enge Bezug zu Actium zeigt sich in der von Octavian veranlaßten Überführung der Gebeine des Orest in diesen Tempel. Als Rächer Agamemnons und Widersacher der Klytaimnestra sowie ihres Geliebten Aigisthos ließ sich Orest als ein mythisches Modell für Octavian verstehen, der sich als Rächer seines Vaters Caesar und Gegenspieler der Kleopatra und des M. Antonius stilisiert hatte.

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Literatur: P. Zanker, Forum Romanum, Tübingen 1972; M. Spannagel, Exemplaria Principis, Heidelberg 1999. - Rostra: LTUR IV, 214 ff. s. v. Rostra Augusti (P. Verduchi). - Columna Rostrata: LTUR I, 308 s. v. Columnae rostratae Augusti (D. Palombi). - Reisterstatue Octavians: LTUR II, 230 f. s. v. Equus: Octavianus (E. Papi). - Saturntempel: T. Hölscher, EtTrav 15, 1991, 164 ff.; LTUR IV, 234 ff. s. v. Saturnus, Aedes (F. Coarelli). - Curia: LTUR I, 332 ff. s. v. Curia Iulia (E. Tortorici). - Bögen: Kaiser Augustus 224 ff. (E. Nedergaard); LTUR I, 80 ff. s. v. Arcus Augusti (E. Nedergaard); dies., BullCom 96, 1994/5, 33 ff.; L. Chioffi, Gli Elogia Augustei del Foro Romano: Aspetti epigrafici e topografici, Rom 1996. - Caesartempel: LTUR III, 116 ff. s. v. Iulius, Divus, Aedes (P. Gros). - Lacus Curtius: LTUR III, 166 f. s. v. (C. F. Giuliani). - Lapis Niger: LTUR IV, 295 f. s. v. Sepulcrum Romuli (F. Coarelli). - Miliarium Aureum: LTUR III, 250 f. s. v. (Z. Mari). - Dioskurentempel: LTUR I, 242 ff. s. v. Castor, Aedes (I. Nielsen). - Concordiatempel: B. A Kellum in: K. A. Raaflaub/M. Toher (Hrsg.), Between Republic and Empire, Berkeley 1990, 276 ff.; LTUR I, 316 ff. s. v. Concordia, Aedes (A M. Ferroni).

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Quellen / 3. Die Leistung Beide, Orest und Octavian, hatten ihren Kampf unter dem Schutz Apolls geführt. Auch die folgenden Bauten, die Curia Iulia, der Divus IuliusTempel und der Ehrenbogen waren in ihrer Programmatik eindeutig auf die Erfolge und den von Octavian erhobenen politischen Anspruch in den Jahren nach Actium ausgerichtet. Alle drei erscheinen auch in der Serie der sogenannten Actiumprägungen. Der Neubau der Curia des Senats wurde von Octavian vollendet und 29 v. Chr. anläßlich seines Triumphes eingeweiht. Der heutige Bau stammt aus dem frühen 4. Jahrhundert n. Chr., entspricht aber weitgehend dem frühkaiserzeitlichen Vorbild. Auf den Münzen ist die Curia Iulia mit stark vergrößertem Giebel und vorgelegter Säulenhalle wiedergegeben, auf dem First erscheint als Mittelakroter die schwebende Victoria, den Kranz in der Rechten und den großen Palmwedel über der linken Schulter. Auf einer anderen Prägung der gleichen Serie bildet diese Victoria das Hauptmotiv (s. Q. 19). Dabei handelt es sich um eine Statue, die Octavian nach dem Sieg von Actium aus Tarent nach Rom überführen, auf einen Globus montieren und mit einem ägyptischen Tropaeum ausstatten ließ. Sie wurde in der neuen Curia aufgestellt. Damit wurde Victoria zu seiner persönlichen Siegesgöttin, vor der seit 12 v. Chr. die Senatoren bei jeder Sitzung ein Opfer darbrachten, und der gesamte Bau zu einem Siegesmonument des Princeps. Die auf den Münzen als Mittelakroter dargestellte Victoria stand also in dem Gebäude selbst: Das Münzbild sollte für den Betrachter nur die Identifikation des Baus sichern, nicht aber dessen genaues Aussehen wiedergeben. Schon im Jahre 42 v. Chr. hatten die Triumvirn einen Tempel für den Gott Caesar an der Stelle der Verbrennung seines Leichnams beschlossen. Erst Octavian weihte ihn 29 v. Chr. ein und ließ ihn mit Asylrecht ausstatten. Der Tempel des Divus Iulius erhebt sich am Ostende des Forums und bildet so dessen Abschluß. Erhalten ist nur noch das Podium aus Gußmauerwerk. Die ausgeraubten Vertiefungen erlauben jedoch in Zusammenhang mit dem Münzbild, den Typus des Gebäudes zu bestimmen. Es handelt sich um einen sechssäuligen Bau korinthischer Ordnung mit einer kurzen Cella. Den Giebel schmückte ein Stern, das nach Caesars Tod erschiene sidus Iuliutn (s. Q 2). Die erhaltenen Friesplatten zeigen geflügelte weibliche Wesen in archaistischem Gewand, die aus Arkanthuskelchen wachsen und in Rankenspiralen greifen. Sie sind zwar Siegesgöttinen, verweisen durch ihren vegetabilen Charakter aber auch auf Venus. Damit entsprechen sie der caesarischen Gleichsetzung seiner Sieges-

3.2. Bauten und Selbstdarstellung göttin, der Venus Victrix, mit seiner göttlichen Stammutter Venus Genetrix. Im Inneren der Cella standen neben dem Kultbild des Divus Iulius verschiedene Weihgeschenke aus der ägyptischen Beute sowie zu Ehren der Stammutter der Iulier das berühmte Bild der Venus Anadyomene des Apelles. Das Tempelpodium war nach vorne hin zu einer Plattform verlängert, die von den Langseiten des Tempels über zwei Porticusanlagen zugänglich war. Die halbkreisförmige Aussparung in der Mitte nimmt Rücksicht auf den Altar des Divus Iulius, der die Stelle seiner Einäscherung bezeichnet. Hier waren ebenso wie an der Terrassenanlage des Apolloheiligtums in Nikopolis Schiffsschnäbel aus der Siegesbeute von Actium angebracht (Q 19). Dieses zum Forum hin vertiefte und mit Schiffsschnäbeln geschmückte Tempelpodium stellte die zweite Rednerbühne des Forum Romanum dar, die Rostra aedis Divi Iuli. Der Sieg Octavians wurde damit dem über die Latiner in der Schlacht von Antium (338 v. Chr.) gegenübergestellt, an den die Schiffsschnäbel an der Rednertribüne am westlichen Abschluß des Forums erinnerten. Zusätzlich scheinen auf dem Forum noch drei weitere columnae rostratae aufgestellt worden zu sein, die den Sieger von Actium feierten. Für den Sieg von Actium wurde Octavian vom Senat ein Ehrenbogen auf dem Forum beschlossen (Cass. Dio 51,19,1), der bislang nicht sicher zu lokalisieren ist. Eine Münze der Actiumserie zeigt den auf die wesentlichen Elemente reduzierten Ehrenbogen als eintoriges Monument. Ein weiterer Bogen, der sich ebenfalls auf dem Forum befand (Schol. Aen. 7,606), wurde für Augustus nach Wiedererlangung der parthischen Feldzeichen errichtet (Cass. Dio 54,8,3). Mit diesem Partherbogen sind eine Reihe von Münzen zu verbinden, die nach 20 v. Chr. geprägt wurden und ein dreitoriges Denkmal zeigen, auf dessen Attika zwei Parther dem auf der Quadriga stehenden Princeps die Feldzeichen entgegenstrecken. Neuere Grabungen haben den Partherbogen unmittelbar südlich des Caesartempels lokalisiert. Wie zahlreiche Architekturfragmente zeigen, war er in dorisch-korinthischem Stil erbaut, seine Pfeiler trugen die Konsularund Triumphalfasten. Auch in der Folgezeit erfreute sich das Forum Romanum der besonderen Aufmerksamkeit des Augustus. So wurde die Basilica Iulia im Namen der Adoptivsöhne Gaius und Lucius vollendet. Deren Name war auch mit einer der Basilica Aemilia vorgelagerten Porticus sowie einem monumentalen Eingangstor zum Forum verbunden. Gegen 10 v. Chr. erhielt das Forum eine neue, einheitliche Pflaste-

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Quellen / 3. Die Leistung rung durch den Praetor L. Naevius Surdinus, der sich hier mit einer aus 30 cm hohen Bronzebuchstaben bestehenden Inschrift verewigt hat. Dabei wurde besonderer Wert auf die Erneuerung der uralten auf dem Forum gelegenen Kultmale gelegt. Am Lacus Curtius wurde alljährlich eine Geldspende der Vertreter aller Stände des römischen Volkes zur Erhaltung der Gesundheit des Princeps dargebracht: Suet. Aug. 57 (s. Q 68). Das Gedenken an den Opfertod des legendären Retters des Staates, M. Curtius, wurde so verbunden mit der Fürbitte für den neuen Retter Augustus. Der Lapis Niger galt als Grab des Romulus, mit dem Augustus als 'zweiter Gründer' der Stadt parallelisiert wurde. Das Miliarium Aureum, der mit Bronze verkleidete, säulenartige Meilenstein, den Augustus selbst zur Erinnerung an seine 20 v. Chr. übernommene cura viarum aufstellte, symbolisierte das Zentrum des Reiches. In den Jahren 14 oder 9 v. Chr. waren die noch aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. stammenden Tempel der Dioskuren (= Castor und Pollux) und der Concordia durch Brand zerstört worden. Der Dioskurentempel sollte vermutlich von Gaius und Lucius Caesar wiederaufgebaut werden, während Tiberius den Neubau des Concordiatempels aus seiner im Feldzug gegen die Germanen gewonnenen Siegesbeute 7 v. Chr. gelobte. Nach dem frühen Tod der Adoptivsöhne übernahm Tiberius auch die Errichtung des Castortempels und weihte den auf einem hohen Podium stehenden, mit 8 χ 11 Säulen geschmückten Bau zwei Jahre nach seiner Adoption durch Augustus 6 η. Chr. ein. Dies geschah in seinem und im Namen seines verstorbenen Bruders Drusus. Das claudische Brüderpaar erweckte die Assoziation mit dem göttlichen Brüderpaar Castor und Pollux, das den Römern in der Schlacht am See Regillus (499 v. Chr.) den Sieg gebracht hatte: Brüder aus dem Geschlecht der Götter haben Götterbrüdern an der Quelle der Iuturna dieses Heiligtum errichtet (Ovid, Fast. 1,705). Der Concordiatempel am Rande des Kapitols wurde von Tiberius 10 η. Chr. geweiht. Seine auf Münzbildern und literarisch überlieferte reiche Ausstattung mit erlesenen Kunstwerken spiegelt die Ideologie der Concordia Augusta, die den Bürgerkrieg überwunden hatte. Sie symbolisiert nicht nur die Verbundenheit und Treue der römischen Bürger zum Kaiserhaus, sondern ist darüber hinaus die Garantin einer auf Frieden angelegten, kosmisch verankerten Weltordnung. Insgesamt zeigte das Forum Romanum am Ende der augusteischen Zeit nicht nur eine vollständige neue Platzgestaltung, sondern vermittelte auch inhaltlich eine gänzlich veränderte Konzeption. Zu

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Beginn seiner Laufbahn hatte Octavian als neuer Machthaber gewissermaßen Besitz vom Zentrum der Republik ergriffen und auf seine göttliche Herkunft verwiesen. Der Partherbogen mit den Fasten sowie die alten, aber umgestaltenen Denkmäler sollten dann die ruhmreiche Geschichte eben dieser Republik verkörpern, die in Augustus ihren Höhepunkt gefunden hatte. Die späteren Bauten propagierten die vorgesehenen Nachfolger seiner politischen Stellung unter dem Zeichen der allgemeinen Eintracht. Das politische Zentrum der Republik war damit zu einem Repräsentationsplatz des Princeps und seiner Familie geworden. Dementsprechend sollten die römischen Bürger auf dem Forum nur noch in der feierlichen Toga erscheinen (Suet. Aug. 40).

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Quellen / 3. Die Leistung

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Forum Romanum um 10 n. Chr. Nach Bleichen, Augustus3 537

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3.2. Bauten und Selbstdarstellung

Denar mit Curia Iulia Sammlung Walter Niggeler 2. Teil, 1014 (1,5:1)

Aureus mit Tempel des Divus Iulius Sammlung Walter Niggeler 2. Teil, 1001 (1,5:1)

Denar mit dem Parther-Bogen Münzen u. Medaillen AG 43, 1970, 274 (1,5:1)

Denar mit Victoria auf dem Globus Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1008 (1,5:1)

Denar mit dem

Actium-Bogen

Sammlung Walter Niggeler, 2. Teil, 1012 (1,5:1)

Sesterz mit Tempel der Concordia Münzen u. Medaillen AG 38, 1968, 345 (1:1)

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Quellen / 3. Die Leistung Q 42: Der augusteische Baukomplex auf dem Palatin und die Basis von Sorrent 10 Bereits 3 6 v. Chr. hatte Octavian nach der Schlacht von Naulochos auf dem Palatin ein Bauprogramm initiiert, das zwar nicht das größte, aber doch in seiner Programmatik eines der bedeutungsvollsten werden sollte. Die Wahl des Platzes war wohlüberlegt, der Palatin bildete den ältesten Besiedlungsplatz dieser Zone. In ihrer Mitte lag als religiöses Zentrum ein Altar, die Roma Quadrata (Κ). Hier standen die Mauer sowie die Fundamente der Hütten des Romulus (Ρ) und des Hirten Faustulus. Unterhalb davon lag die Grotte des Lupercal, in der die Wiege mit Romulus und Remus abgelegt worden war. In der Curia Saliorum wurde der Augurenstab (lituus) des Romulus aufbewahrt (D). Da Octavian/Augustus sich als zweiter Romulus und Neugründer der Stadt ansah, lag es für ihn nahe, die ideele N ä h e zu Romulus durch eine räumliche zu unterstreichen. Weitere alte Kulte ergänzten die Bedeutung des Palatin: Um 2 9 4 v. Chr. waren hier die Tempel für Victoria (L) und Iuppiter

10 Literatur: Haus des Augustus und Apollotempel: G. Carettoni, Das Haus des Augustus auf dem Palatin, Mainz 1983; ders. in: L'Urbs. Espace urbain et histoire, Rom 1987, 771 ff.; B. Kellum in: R. Winkes (Hrsg.), The Age of Augustus 1982, Providence 1985, 169 ff.; P. Zanker in: Città e Architettura nella Roma imperiale. AnalRom Suppl. 10, 1983, 21 ff.; Schneider, Bunte Barbaren, Worms 1986, 68 f., 78 ff.; H. Gabelmann, RM 93, 1986, 281 ff.; E. Lefèvre, Das Bildprogramm des Apollotempels auf dem Palatin, Xenia 24, 1989; M.J. Strazzulla, II principato di Apollo, Rom 1990; LTXJR I, 54 ff. s. v. Apollo Palatinus (P. Gros); M. A. Tornei, BollArch 5/6, 1990, 35 ff.; L. Baiensiefen, RM 102, 1995, 189 ff.; P. Gros in: Basileia, Die Paläste der hellenistischen Könige. Intern. Symposion Berlin 1992 (1996) 234 ff.; P. Pansabene, RM 104, 1997, 149 ff. Vestatempel, Basis von Sorrent: G. E. Rizzo, BullCom 60, 1932, 7 ff.; M. Guarducci, RM 71, 1964, 158 ff.; RM 78, 1971, 89 ff.; H.G. Kolbe, RM 73/4, 1966/7, 94 ff.; N. Degrassi, RendPontAcc 39, 1966/7, 97 ff.; Hölscher, in: Kaiser Augustus 375 ff.; C. Cecamore, BullCom 96, 1994/5, 9 ff. Heiligtümer vor dem Haus des Augustus, MagnaMaterTempel, Victoriatempel: P. Pensabene/T.P. Wiseman, AntJ 61, 1981, 35 ff. = diess., Roman Studies, Liverpool 1987, 187 ff.; P. Rehak, JRA 3, 1990, 172 ff.; P. Pensabene, BA 1112,1996,1 ff.; ders. in: LTUR III, 206 ff.; ders., in: II Palatino. Area sacra sudovest e Domus Tiberiana, Rom 1998, 5 ff.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Stator gegründet worden; 204 v. Chr. folgte der Tempel der Magna Mater (Q). Zudem war der Palatin in spätrepublikanischer Zeit eine bevorzugte Wohngegend der aristokratischen Familien geworden. M. Tullius Cicero und M. Antonius besaßen hier ebenso Häuser wie M. Vipsanius Agrippa. Bereits 44 v. Chr. kaufte Octavian das Haus des Redners Q. Hortensius, in dem er fast sein ganzes Leben verbrachte (Suet. Aug. 72). Den Einschlag eines Blitzes in einen Flügel dieses Hauses nahm Octavian 36 ν. Chr. zum Anlaß, dies als Prodigi um für den Standort eines Apollotempels zu erklären. Da der vorhandene Platz nicht ausreichte, kaufte er weitere Grundstücke hinzu; vom Senat erhielt er zusätzlich ein Nachbargrundstück als Geschenk (Cass. Dio 49,15,5). Octavian versprach, das gesamte Gelände der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neuere Grabungen haben ergeben, daß die Bauten eine Fläche von mindestens 80 χ 150m am südwestlichen Hang des Palatin einnahmen. Der gesamte Komplex gliedert sich in drei Teile: Die Mitte bildet der Tempel des Apoll (A). Südlich davon liegen zwei Peristylanlagen (G und H). Bei (G) befanden sich Bibliotheken, darüber vermutlich das Heiligtum der Vesta (V). Dieser Teil ist noch nicht ausgegraben bzw. in der Kaiserzeit überbaut worden. Westlich des Apollotempels liegen die Privatgemächer, das Wohnhaus des Augustus (Β), das sich am Abhang oberhalb des Circus Maximus über zwei Ebenen erstreckte. Die heute zerstörten Räume der oberen Terrasse umgaben ein kleines Atrium (C), möglicherweise handelt es sich hier um denjenigen Teil des Hauses, den Octavian von Hortensius gekauft hatte und der 3 v. Chr. abbrannte. Der untere Teil des Hauses (B) war vom Velabrum über die Scalae Caci (O) zugänglich und gruppiert sich um das Peristyl H. Zum Eingang hin liegen kleinere Räume privaten Charakters mit guterhaltenen Malereien. Das sogenannte Maskenzimmer (1) zeigt auf drei Seiten vor und zurückspringende Scherwände, die in ihrer Mitte Ausblicke auf sakrale Landschaften bieten. Die südliche Hauptwand gibt den Blick frei in ein hypaithrales Heiligtum des Apollo, das durch den charakteristischen Baitylos (Kultstein) als das des Apollo Agyieus gekennzeichnet ist. Eine zweite Wand zeigt eine Kultstätte mit einem Pfeiler und den Attributen der Diana. Die Ausmalung dieses Zimmers entspricht dem sogenannten zweiten pompeianischen Stil und gehört in die Zeit um 30 v. Chr. Die Motive stehen in direktem Bezug zum Hausherren: Der Baitylos gemahnt an das Heiligtum des Apoll auf der oberen Terrasse des

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Quellen / 3. Die Leistung Siegesdenkmals von Nikopolis; und der Diana fühlte sich Octavian verpflichtet als der Helferin in der Schlacht von Naulochos. Während sich die Ausgestaltung der anschließenden Räume im Rahmen privater Häuser spätrepublikanischer Zeit hält, verdient der Raum vor der Mittelachse des Peristyls als das Herzstück der Anlage besondere Beachtung (2). An den Seiten läuft ein 80 cm hohes, aber nur 1,20 m tiefes, reich mit Marmorintarsien geschmücktes Podium um. Es bildet jedoch nicht das hier zu erwartende Triclinium, sondern eine Plattform, die der Princeps bei zeremoniellen Empfängen und Audienzen nutzen konnte. Für eine solche Interpretation spricht die Schlußszene der Schildbeschreibung des Aeneas (Verg. 8,720-724): Er selbst sitzt auf schneeweißer Schwelle des strahlenden Phoebus, prüft die Geschenke der Völker und läßt sie heften an hohe Pfosten; Völker schreiten in langen Reihn als Besiegte, wie an Sprachen bunt, so bunt an Gewandung und Waffen. (Übersetzt von J. Götte, Vergil, Aeneis und die Virgilviten, München 1958)

Die Ostwand des Peristyls (H) bildete die Terrassierung zum Tempel und dessen Vorplatz. Im Zentrum des Untergeschosses liegt ein weiterer repräsentativer Raum (3), dessen Ausmalung mit komplizierten Architekturformen des hellenistischen Ostens (gesprengte Giebel und Scheinarchitekturen) geschmückt ist. Die eigentliche Brisanz der gesamten Konzeption lag in einer Rampe (4), die vom Wohnbereich auf dem Niveau des Peristyls zu der darüberliegenden Terrasse des Apollotempels führt und diesen gewissermaßen durch einen Privatzugang erschließt: Nach dem Vorbild hellenistischer Residenzen erscheint hier der Herrschersitz in einer sakralen Aura. Hier, auf der Höhe der Tempelterrasse befindet sich auch der von Suet. Aug. 72,5 erwähnte Arbeitsraum des Augustus (5): "Wollte er einmal etwas für sich und ungestört arbeiten, so hatte er dazu einen Raum in erhöhter und abseitiger Lage, den er sein Syrakus und sein kleines Kunstwerk nannte." Auch die Dekoration dieses Raumes fällt aus dem Rahmen, nicht nur durch die komplizierte Scheinarchitektur, sondern vor allem auch in der Farbigkeit und der Thematik, die stark vom Repertoire ägyptischer Elemente geprägt ist. Phantastische Flügelwesen, filigrane Kandelaber, Victorien mit Ranken sowie Satyrköpfe, die aus Lotuskelchen wachsen, Uräusschlangen und ägypti-

3.2. Bauten und Selbstdarstellung sehe Kronen sind hier zu einer Art Hymne auf das fruchtbare Land am Nil vereinigt. Der von hier aus zugängliche Tempel (A) ist bis auf das Fundament zerstört und läßt nichts mehr von seiner ursprünglichen Pracht erahnen. Es handelte sich um einen aus lunensischem Marmor gebauten sechssäuligen Pseudodipteros korinthischer Ordnung auf hohem Podium mit einer nach S/W vorgelagerten Freitreppe. Schon den Zeitgenossen galt der Tempel des Apollo auf dem Palatin als das reichste und am luxuriösesten ausgestattete von allen Heiligtümern, die Augustus gebaut hatte. Horaz (c. 1,31) und Properz (2,31) schrieben Gedichte zu seiner Einweihung. Ovid und Vergil (Aen. 8,704) erwähnen ihn ebenso wie Augustus selbst in seinem Tatenbericht (R.G. 24 und 35). Die Reste der architektonischen Ausstattung vermitteln noch einen Eindruck von der hervorragenden Ausschmükkung, die Properz ausführlich beschreibt. Demzufolge gelangte der Besucher zunächst in eine prächtige, vermutlich zweigeschossige Porticusanlage, deren Säulen aus gelbem numidischen Marmor bestanden. Sie bildeten einen Farbkontrast zu den in den Interkolumnien als Hermen aufgestellten Töchter des Dañaos, die aus schwarzem und rotem Marmor bestanden. Entsprechend dem Geschmack der frühaugusteischen Zeit zitieren sie Stilformen der archaischen, frühklassischen und hochklassischen Epochen. Die Danaiden stehen als Sinnbilder schuldig gewordener Verwandtenmörder für die Greuel der Bürgerkriege, die im neuen Zeitalter durch Apollo entsühnt werden. Auf den elfenbeinernen Türflügeln des Tempels waren die Tötung der Niobiden durch Apollo und Artemis sowie die Vertreibung der Gallier durch Apollo aus dem Heiligtum von Delphi wiedergegeben. Sowohl im mythischen als auch im historischen Beispiel erscheint Apollo als der Rächer der Hybris. Die Darstellungen sollten Assoziationen an das Eingreifen des Gottes gegen Antonius bei Actium wecken. Im Tempel selbst standen die Statuen der apollinischen Trias (Apollo und die Göttinen Latona und Artemis/Diana), vermutlich griechische Originale der Spätklassik. Der archäologisch nachweisbaren Einheit von Wohnhaus (B, C, H) und Apollotempel (A) entspricht das Zeugnis des Ovid (Fast. 4,949 ff. für den 28. April), der im Einklang mit den Caeretaner und Praenestiner Fasten noch ein Heiligtum der Vesta überliefert. Dessen Errichtung im Bereich des Hauses des Augustus war eine Konsequenz aus seiner Übernahme des Oberpontifikats des Jahres 12 v. Chr. Das Amtslokal des pontifex maximus mußte aus kultischen Gründen in unmittelbarer Nähe des Vestaheiligtums liegen. So wurde auf dem

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Quellen / 3. Die Leistung Palatin ein zusätzliches Vestaheiligtum eingerichtet (V), das auch das Palladium beherbergte. Die Basis von Sorretti Ein wichtiges Zeugnis für den augusteischen Baukomplex auf dem Palatin stellt eine in Sorrent gefundene Reliefbasis dar, die vermutlich aus einem Heiligtum des Kaiserkults stammt und ein Kultbild des Augustus trug. Die linke Schmalseite (a) zeigt die Front des kaiserlichen Hauses auf dem Palatin. Zwei Eroten halten über der Tür die corona civica, die dort 27 v. Chr. als Ehrung für die Schonung von Bürgern angebracht worden war (s. Q 20). Davor sitzt Romulus mit einem Füllhorn. Augustus hatte schon durch die Wahl seines Wohnsitzes neben der Hütte des Romulus (Ρ) die ideelle Nähe zum Gründer der Stadt betont. Dazu passen die zu beiden Seiten erscheinenden göttlichen Ahnen Roms und des iulischen Hauses: rechts steht Mars und links ist Venus zu ergänzen. Vom Eingangsbereich des kaiserlichen Wohnhauses biegt eine ionische Porticus zu der rechten Langseite (b) um, die eine Prozession der Vestalinnen zeigt. Dies führt zu dem Schluß, daß zwischen dem Haus des Augustus (Β, H, G) und dem Ort des Vestakultes (V) eine topographische Einheit bestand. Die Langseite zeigt eine Gruppe von fünf Vestalinnen, am rechten Ende thront Vesta vor ihrem Rundtempel. In dem nicht erhaltenen Mittelstück stand Augustus, der Vesta das Palladium übergibt. Auf der folgenden Schmalseite der Basis (c) begegnet die apollinische Trias aus dem Apollotempel (A). Die am Boden kauernde Gestalt zu Füßen der Leto ist die Sibylle von Cumae, die zwar nicht zur Kultbildgruppe gehörte, hier aber aus allegorischen Gründen eingefügt ist. Sie stützt sich auf eine Urne mit den Weissagungen, die Augustus später im Sockel der Kultbilder deponierte: Ihre Orakel hatte auf Augustus als künftigen Herrscher hingewiesen. Von der zweiten Langseite (d) ist nur das linke Drittel erhalten. Als Pendant zu Vesta sitzt die kleinasiatische Magna Mater auf ihrem von zwei Löwen flankierten Thron, begehet von einem tanzenden Korybant. Aus der realen Topographie, den literarischen Quellen sowie den Reliefs der Basis von Sorrent wird deutlich, daß das Bauprogramm des Augustus auf der SW-Ecke des Palatin topographisch und ideologisch weit mehr umfaßte als das Wohnhaus des Augustus und den Apollotempel mit Porticus und Bibliotheken. Der Palast sollte eingebettet sein in eine Vielzahl von sakralen und geschichtsträchtigen Gebäuden. Unmittelbar vor der Palasttür

3.2. Bauten und Selbstdarstellung lag die Hütte des Romulus (Ρ). Der mythische Gründer Roms und der Neugründer standen Haustür an Haustür einander gegenüber. Auf dem Platz davor standen die 3 v. Chr. errichteten Tempel der Magna Mater (Q) und der Victoria (L). Die kleinasiatische Göttin repräsentiert in augusteischer Interpretation die Ursprünge der Römer aus Troja und galt als Beschützerin des Aeneas, des Ahnherrn der Kaiserfamilie. Die Gründung des benachbarten Victoriatempels (L) wurde dem sagenhaften Euander nach seinen Siegen über die Latiner zugeschrieben. Das Staatsheiligtum der Vesta (V) war in den Palast des pontifex maximus integriert, und mit ihm kam auch das die Herrschaft Roms garantierende Palladium. Im Apollotempel (A) symbolisiert die apollinische Trias die glückliche Überwindung von Verwandtenmord, Hybris und Bürgerkrieg, dem Augustus in seiner Zeit ein Ende bereitet hat. Die Bibliotheken (G) sind Zeugnis der aufblühenden Kultur, die die gesamte Oekumene der Pax Augusta verdankte. Das Haus des Augustus ist Angelpunkt und Zentrum des gesamten Baukomplexes, in ihm empfing Augustus als Weltenherrscher die gabenbringenden Völker der Erde (B 2). Damit wird ein vielfältige Bereiche umfassendes politisch-ideologisches Programm erkennbar, das die universalen Ansprüche des neuen Weltherrschers zur Anschauung bringt.

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3.2. Bauten und Selbstdarstellung Der augusteische Baukomplex auf dem SW-Abhang des Palatin. A: Tempel des Apollo B: Haus des Augustus, untere Terrasse 1. Maskenzimmer 2. 3. 4. 5.

Empfangsraum Repräsentativer Raum Rampe Studierzimmer

C: Haus des Augustus, obere Terrasse D: Curia Saliorum (?), sog. Haus der Livia G: östlicher Peristylhof (mit Bibliotheken?) H: westlicher Peristylhof K: Tempelfundament, Roma quadrata (?) L: Tempel der Victoria O: Scalae Caci Ρ: Haus des Romulus Q: Tempel der Magna Mater V: Heiligtum der Vesta (?) Nach Pensabene, Palatino,

1998

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Quellen / 3. Die Leistung Basis von Sorrent, spätaugusteisch. Nach Katalog Kaiser Augustus, 208 a - d

a.

Schmalseite: Eingang zum Haus des Augustus mit corona civica, Romulus, Mars (und Venus)

b. Langseite: Vestalinnen und Augustus vor Vesta und ihrem Heiligtum

3.2. Bauten und Selbstdarstellung

c. Schmalseite: Apollinische Trias mit im Apollotempel

Sibylle

d. Rest der Langseite: Magna Mater

Q 43: Statue des Augustus von Primaporta11 Die berühmteste Statue des Augustus wurde 1863 in der Villa der Livia bei Prima Porta an der Via Flaminia vor den Toren Roms gefunden, die mit der in der Literatur erwähnten villa ad gallinas albas zu identifizieren ist. Nach Plin. N. H. 1 5 , 1 3 6 soll hier noch vor der Eheschließung zwischen Augustus und Livia ein Adler ein weißes

11 Rom, Musei Vaticani, Braccio Nuovo Inv. 2290. Parischer Marmor. H: 2,06 m. Um 17 ν. Chr. Literatur: J. Pollini, BullCom 92, 1987/8, 103 ff. (Fundort); J. Pollini, JRA 5, 1992, 203 ff.; ders. u.a., JRA 11, 1998, 275 ff. (Marmor). - Bibl.: H. Jucker, HefteABem 3, 1977, 16 ff. mit der älteren Lit.; E. Simon, WürzbJbAltWiss N. F. 5, 1979, 263 ff.; dies., in: G. Binder (Hrsg.), Saeculum Augustum III, 204 ff.; P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, 192 ff.; T. Hölscher in: Kaiser Augustus, 386 f. Nr. 215; D. Böschung, Die Bildnisse des Augustus, Berlin 1993, 179 ff. Taf. 6970. 213; Th. Schäfer, NachrAkGöttingen 1998, H 2, 84 ff. mit neuerer Literatur.

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Quellen / 3. Die Leistung Huhn mit Lorbeerblatt im Schnabel fallengelassen haben. Weiterhin berichtet die Legende, daß aus diesem Zweig ein Lorbeerhain entstanden sei, aus dem die Triumphatoren Roms ihre Lorbeerzweige schneiden ließen. In dieser Villa stand die Statue des Augustus auf einer Gartenterrasse mit Ausblick auf den Lorbeerhain und das Tibertal. Die Statue ist fast vollständig erhalten und wies bei ihrer Auffindung noch starke Farbspuren auf. Ihr reicher, programmatischer Schmuck spiegelt schon wegen des Fundorts sicher die offizielle Sichtweise wider, und so sind die Voraussetzungen für eine eingehende Interpretation trotz des Fehlens einer Inschrift günstig. An der Statue sind lediglich einige Finger abgebrochen, so daß die Attribute in den Händen nicht sicher zu bestimmen sind. Am wahrscheinlichsten hielt Augustus in der Rechten als Zeichen seiner Befehlsgewalt eine Lanze und in der Linken einen Lorbeerzweig als Hinweis auf die sakrale Sphäre des Triumphes. Das nicht vollständig ausgearbeitete Relief auf der Rückenschale des Panzers deutet darauf hin, daß die Statue von Primaporta die Kopie eines für einen anderen Zweck und einen anderen Ort geschaffenen Werkes ist, das seinerseits wohl aus Bronze oder Edelmetall bestand. Das Original dürfte ursprünglich von allen Seiten sichtbar einen zentralen Platz geschmückt haben. Der Aufbau der Statue folgt einem Standschema, das in der griechischen Hochklassik des 5. Jahrhunderts geprägt wurde. Vergleichbar ist der Doryphoros des Polyklet, der in römischer Zeit als klassisches Vorbild schlechthin galt. Diesem formalen Vorbild ist auch ein inhaltlicher Aspekt zugeordnet: die ruhige, souveräne und erhabene Darstellung des Augustus. Er trägt eine kurze Tunika, die an den Schultern und über den Knieen sichtbar wird. Sie dient als Untergewand für den Brustpanzer mit kurzen Lederlaschen an den Schultern und langen über den Oberschenkeln. Um die Hüfte liegt ein Paludamentum, dessen beide Ende vom linken Arm gehalten werden. Beine und Füße sind nackt. Die Statuenstütze hinter dem Standbein zeigt einen Delphin, auf dessen Rücken ein kleiner Eros reitet. Der Panzer mit seinem reichen Schmuck ist Gegenstand zahlreicher Deutungsversuche, doch ist seine Interpretation bis heute nicht in allen Details gesichert. In der zentralen Szene erscheint in Vorderansicht ein bärtiger Mann mit struppig-lockigem Haar, der mit beiden Händen ein römisches Feldzeichen diagonal nach oben hält. Haartracht und Kleidung des Mannes sind nicht römisch: er trägt ein kurzes gegürtetes Obergewand mit weiten Armausschnitten, darunter

3.2. Bauten und Selbstdarstellung ein Untergewand mit langen Armein; die Beine sind mit langen Hosen bekleidet. Diese Ausstattung bezeichnet einen Barbaren aus dem Osten. Sein Gegenüber trägt Götterstiefel (mullei: s. Glossar), Tunica, Panzer sowie ein über der Schulter liegendes Paludamentum und hält in der Linken in Paradestellung ein Schwert. Seine bartlosen, ideal gerundeten Gesichtszüge sowie die unter dem Helm hervortretenden Locken erweisen ihn als eine göttliche Gestalt. Es handelt sich um den Kriegsgott Mars, der hier mit einem Hund als Begleittier erscheint. Er hat die Rechte ausgestreckt, um das bereits gesenkte Feldzeichen von dem Barbaren entgegenzunehmen. Die Bedeutung der Mittelszene ist klar: Ein Parther überreicht dem Gott, als dem Repräsentanten Roms, ein römisches Feldzeichen. Angespielt ist auf die Rückgabe der Feldzeichen im Jahre 20 v. Chr. (s. Q 53). Die Darstellung der Mittelszene ordnet sich in ein umfassendes Konzept augusteischer Siegesideologie ein. Die beiden seitlich sitzenden weiblichen Gestalten mit trauend gesenktem Blick sind Personifikationen unterworfener Völker. Die rechte Figur mit leerer Schwertscheide und einer Eberstandarte ist mit Gallien bzw. einem keltischen Land zu identifizieren, gemeint ist wohl die Unterwerfung der Kantabrer im nördlichen Spanien. Ihr Pendant auf der linken Seite hält ein Adlerkopfschwert, dessen Griff wie zur Übergabe der Waffe von ihr abgekehrt ist. Eine Identifikation mit Dalmatia liegt nahe; denn dort errang Octavian unter starkem persönlichen Einsatz seine ersten bedeutenden militärischen Erfolge (35/34 v. Chr.). Die auf diplomatischem Weg erreichte Rückgabe der Feldzeichen aus der Hand der Parther sowie die Siege in Spanien und Dalmatien schließen sich zu der übergreifenden Thematik zusammen, die Augustus in seinem Tatenbericht benennt (R.G. 29: s. Q52). Die Parthersigna wurden über verschiedene Stationen im Osten wie in einem Triumphzug nach Rom gebracht und dort am 15. Oktober 19 v. Chr. in dem eigens errichteten Rundtempel des Mars auf dem Kapitol geweiht. Nach Fertigstellung des Mars UltorTempels auf dem Augustusforum wurden sie dorthin überführt und am 12. Mai 2 v. Chr. dediziert. Die von den Dalmatern zurückgewonnenen Feldzeichen wurden in der Porticus Octavia ausgestellt, die Octavian zur Erinnerung an Cn. Octavius wiederaufgebaut hatte. Auch die Siege über Sex. Pompeius sowie über Antonius und Kleopatra sind auf dem Panzerrelief durch die Helfergottheiten präsent: Diana mit dem Hirsch verweist auf Naulochos, der auf dem Greif reitende Apollo auf Actium. Uber der gesamten Szene wacht Saturn mit ausgebreitetem

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Quellen / 3. Die Leistung Mantel als Garant für die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters, der Saturnia Regna. Die neue Aera wird auf dem Panzer in Anlehnung an literarische Topoi als Anbruch eines neuen Tages dargestellt. Die Sonne geht auf, repräsentiert durch Sol in seiner Quadriga. Ihm voran fliegt Aurora, die Göttin der Morgenröte, mit einem Gefäß in der Hand, aus der sie den Morgentau auf die Erde gießt. Auf ihrem Rücken trägt sie die Nacht davon, die als Personifikation mit einer Fackel wiedergegeben ist. Von diesem Segen profitiert die ganze Welt: am unteren Rand des Panzers sitzt deshalb auch die Erde, Tellus. Mit dem Füllhorn, dem Ährenkranz und dem Kindersegen symbolisiert sie Fruchtbarkeit und Glück des Erdkreises. Das Panzerrelief vermittelt also nicht nur den politisch-militärischen Herrschaftsanspruch Roms. Darüber hinaus hatte Augustus mit der Beendigung der Bürgerkriege sowie der Restituierung der Feldzeichen an Iuppiter eine für den Fortbestand und das Wohlergehen des Staates entscheidende Pflicht erfüllt: die Frömmigkeit gegenüber den Göttern. Und so kann die bildliche Darstellung auch die frohe Botschaft eines Weltfriedens und einer Rückkehr des Goldenen Zeitalters verkünden. Die Statue und ihr Bildprogramm gehören in den Vorstellungskreis, der seinen feierlichen Ausdruck in den Saecularspielen des Jahres 17 v. Chr. fand (s. Q 51).

3.2. Bauten und Selbstdarstellung

Vatikan, Braccio Nuovo, Statue des Augustus von Primaporta Nach Alinari,1201

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Quellen / 3. Die Leistung

Augustus von Primaporta, Umzeichnung des Panzerreliefs Nach Schäfer, NachrAkGöttingen 1998,2 Abb. 18

Q 44: Das Augustusforum und der Tempel des Mars Ultor12 Die Überreste des Forums, dessen maximale Ausdehnung etwa 1 2 7 m x l l 8 m betrug, wurden um 1925 von späteren Überbauun12 Literatur: P. Zanker, Forum Augustum. Das Bildprogramm, Tübingen 1968; J. Ganzert, V. Kockel, H. Bauer, M. Hofter, S. Storz, in: Kaiser Augustus, 149-200; LTUR II, 289-295 s. v. Forum Augustum (V. Kokkel); J. Ganzert, Der Mars-Ultor-Tempel auf dem Augustusforum in Rom, Mainz 1996; M. Spannagel, Exemplaria Principis, Untersuchungen zu Entstehung und Ausstattung des Augustusforums, Heidelberg 1999.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung gen befreit und teilweise ausgegraben. Gut erhalten ist zumal ein Teil der über 30 m hohen Umfassungsmauer, die als Brandschutz, zum Teil auch als Stützmauer gegen das nach Norden hin ansteigende Gelände diente. Vor der unregelmäßig geführten Rückwand erhob sich, weit in den Platz hineinragend, auf hohem Podium der Tempel, ein weißer Marmorbau korinthischer Ordnung mit acht Frontsäulen. Davor muß, wohl in der Mitte des mit weißem Marmor gepflasterten Platzes, die vom Senat gestiftete Quadriga des Augustus (R.G. 35) gestanden haben. Seitlich war das Forum von einstöckigen Portiken flankiert, deren Rückwände sich in Höhe der Tempelfront zu großen, nahezu halbkreisförmigen Erweiterungen mit zweigeschossiger Wandgliederung öffneten. An die linke Porticus Schloß sich zudem am nordöstlichen Ende ein annähernd quadratischer hoher Saal an, der von einer an der Rückwand befestigten Kolossalstatue beherrscht wurde. Die Passagen zwischen Tempel und Portiken mündeten über Treppen in Ausgänge nach einer hinter dem Forum vorbeiführenden Straße. Wie die Haupteingangsseite mit dem Übergang zum Forum Iulium ausgesehen hat, ist bisher nicht bekannt; neueste Grabungen haben jedoch Hinweise auf zwei weitere, die Portiken flankierende Exedren gegeben, deren Deutung noch aussteht. Vielfältiger Bauschmuck prägte die gesamte Architektur. Schon der Materialreichtum war beträchtlich: Fußböden, Wandverkleidungen sowie die Säulenschäfte im Tempelinnern und in den Hallen bestanden jeweils aus verschiedenen Buntmarmorarten, deren Herkunft aus diversen Teilen des Reichs zugleich dessen Größe veranschaulichte. Der ornamentale Baudekor griff - bei einer eher klassizistischen, keineswegs überladenen Formgebung - auf Vorbilder der verschiedensten Epochen der griechischen und italischen Kunst zurück; besonders reich ausgestaltet waren die Säulen und Pilaster in der Tempelcella, bei deren Kapitellen die Eckvoluten durch die Vorderleiber geflügelter Pferde ersetzt waren. Die ursprünglich überdies von Statuen bekrönten Attikafronten der Portiken waren durch Kopien der Stützfiguren von der Korenhalle des Erechtheion in Athen gegliedert; dazwischen sah man jeweils große Clipei, die als Mittelemblem verschiedene sich wiederholende Köpfe, darunter solche des Ammon (ägyptische, mit Zeus gleichgesetzte Gottheit), trugen. Die Giebelskulpturen des Tempels sind uns in einer Reliefwiedergabe claudischer Zeit greifbar; sie zeigten hiernach keine in sich geschlossene Szene, sondern eine parataktische Reihung nur gedanklich miteinander zu verbindender Gestalten. Aus zahlreichen Nachbildungen bekannt ist uns auch der Typus

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Quellen / 3. Die Leistung der Kultstatue des Mars Ultor, die als Einzelfigur in der Apsis des Tempels gestanden hat; der Gott war als bärtige Vatergestalt wiedergegeben, er war gerüstet mit Panzer, Helm und Beinschienen und hielt eine nach unten gerichtet Lanze sowie einen auf den Boden gestellten Rundschild. Wesentlich für den Gesamteindruck war die Statuenausstattung der Portiken. In die mit der Umfassungsmauer identischen Rückwände der Hallen und beider Hemizyklienstockwerke waren Nischen eingelassen, die zur Aufstellung von Marmorstatuen dienten. Für die Rekonstruktion dieser Galerien können wir uns auf literarische Nachrichten (Ovid, Fast. 5,563-566; Suet. Aug. 31,5; SHA Alex. Sev. 28,6; Plin. N. H. 23,13; Gell. 9,11,10), Fragmente der originalen Statuen und der zugehörigen Inschriften, die Anordnung der Statuennischen sowie auf andernorts gefundene Wiederholungen einzelner Elemente stützen. Den Ausgangspunkt bildeten monumentale Skulpturen in den deutlich größeren Mittelnischen im Untergeschoß der beiden Hemizyklien. Hier sah man links den mit Vater und Sohn aus Troja fliehenden Aeneas, rechts Romulus, der ein Tropaeum schulterte: dabei handelt es sich um die als spolia opima bezeichnete Rüstung des mit eigener Hand erschlagenen gegnerischen Führers. Aeneas und Romulus bildeten die Knotenpunkte eines vielfältigen Bedeutungsgeflechts. Die jeweiligen Darstellungsmotive ließen sich als Ausdruck von pietas und virtus verstehen, darüber hinaus auch auf die beiden Aitia des Mars-Ultor-Kultes beziehen. Die aus Wiederholungen bekannten Inschriften hoben neben einzelnen Taten zudem die Rolle der beiden Heroen als Söhne von Venus bzw. Mars und ihre jeweilige postume Vergöttlichung hervor. Schließlich war an jede der beiden Skulpturen eine Galerie von jeweils etwa 50 überlebensgroßen Porträtstatuen angeschlossen: auf der Seite des Aeneas, entsprechend dessen Rolle als Ahnherr der Iulier, eine Ahnengalerie der gens Iulia, auf der des Stadtgründers Romulus eine Galerie der bedeutendsten römischen Politiker aus sonstigen gentes. Die Ahnengalerie war freilich nicht auf Mitglieder der gens Iulia beschränkt. So befand sich im Obergeschoß des Halbrunds, wo die Statuennischen ohne Unterbrechung durchliefen, eine vollständige Reihe der auch in Chroniken als geschlossene Gruppe auftretenden Latinerkönige; doch in dieser Reihe folgten auf Aeneas und dessen trojanischen Sohn Iulus-Ascanius, den eigentlichen Stammvater der gens Iulia, Aeneas' in Italien von Lavinia geborener Sohn Silvius Postumus und dessen Nachkommen; sie bildeten einen eigene, über Rea

3.2. Bauten und Selbstdarstellung Silvia zu Romulus führende Dynastie, die der Silvier. So handelte es sich bei den meisten Mitgliedern dieser Königsgalerie zwar um Nachkommen des Aeneas, doch nicht mehr um Iulier. Die Sonderstellung der Königsgalerie innerhalb der Ahnen zeigte sich auch darin, daß auf den Basen jeweils die Anzahl der Regierungsjahre verzeichnet war; die Königstatuen erfüllten somit zugleich eine chronologische Funktion. Die eigentliche Ahnengalerie war auf das Untergeschoß von Porticus und Hemizyklium beschränkt; doch auch sie zeigte nicht nur Statuen von Iuliern, sondern auch solche von verstorbenen nichtiulischen Verwandten des Augustus. Hier trat neben die gentilizische Tradition die Propagierung des Kaiserhauses als einer neuen Größe. Auch die rund 10 m hohe Kolossalstatue, auf die die Halle zulief, gehörte zu der Galerie: bei ihr kann es sich nur um Divus Iulius gehandelt haben, den vergöttlichten Caesar. Die an Romulus angeschlossene Galerie bedeutender Römer unterschied sich schon äußerlich insofern von der Ahnengalerie, als sich die erläuternden Inschriften, die sogenannten elogia, hier über die Statuenbasen mit der Nennung von Namen und cursus honorum hinaus auf große Tafeln erstreckten, in denen die wichtigsten Leistungen und Ehrungen der Dargestellten verzeichnet waren. An diese Galerie muß Sueton primär gedacht haben, wenn er als Beispiel für Augustus' Wertschätzung der militärischen Führer Roms auf die Statuen des Augustusforums verwies (Suet. Aug. 31,5). Entsprechendes gilt auch für ein von Sueton hierzu zitiertes Edikt des Bauherrn, wonach die Dargestellten als Muster zur Beurteilung seiner selbst wie künftiger principes dienen sollten; im Hinblick darauf lassen sich auch die vorgeführten Repräsentanten der römischen Geschichte unter den Begriff principes subsumieren. Soweit sich einzelne Individuen nachweisen lassen, handelt es sich vorwiegend um Triumphatoren; daß der Triumph jedoch nicht als einziges Auswahlkriterium diente, zeigt die Einbeziehung von Ap. Claudius Caecus und C. Claudius Nero, bezeichnenderweise beide Vorfahren von Augustus' Stiefsöhnen Tiberius und Drusus, was darauf deutet, daß auch hier die Auswahl durch dynastische Absichten mitbestimmt war. Als Abschluß ist eine Statue des Pompeius vorauszusetzen, die - als Gegenstück zur Kolossalfigur des Divus Iulius - in der vergrößerten Mittelnische der Stirnwand gestanden haben dürfte. Neben der nach einem einheitlichen Programm gestalteten Statuenausstattung der Außenwände sind auch diverse Einzelwerke bezeugt, die im Forum Augustum zu sehen waren. Besonders wichtig waren das von Augustus in Tegea konfiszierte, von Endoios im

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Quellen / 3. Die Leistung 6. Jahrhundert v. Chr. geschaffene elfenbeinerne Kultbild der Athena Alea, zwei Alexander den Großen verherrlichende Gemälde des Apelles und zwei bronzene Stützfiguren von Alexanders Zelt. So wurde in der Ausstattung des Augustusforums nicht nur die gesamte römische Geschichte von ihren mythischen Anfängen an vorgeführt; auch die Gestalt des makedonischen Weltherrschers war als Bezugspunkt der augusteischen Weltreichskonzeption präsent. Auch nach seiner Fertigstellung wurde die Ausstattung des Augustusforums weiter ergänzt, zum Teil schon aufgrund der mit den Stiftungsstatuten erlassenen Anordnung zur Aufstellung von Triumphalstatuen. Darüber hinaus zog man den Baukomplex und seine Ausstattung bei den verschiedensten Gelegenheiten als Muster heran. So wurden bei der Leichenfeier des Augustus in offenkundiger Anlehnung an die Bildnisgalerien der Portiken neben den Masken iulischer Ahnen auch solche von römischen principes mitgeführt (Cass. Dio 56,34,2-3). Diese Aktualisierung hängt wohl damit zusammen, daß die beiden Galerien von vornherein zwei Konzepte das dynastisch-monarchische Prinzip und die Principatsideologie repräsentierten, die auch bei der Nachfolgeregelung bedeutsam waren. Die Aeneasgruppe und der spolientragende Romulus dienten - entsprechend der Rolle der beiden Grunderheroen als exempla postumer Vergöttlichung - als Vorbilder für die Eckakrotere des Divus-Augustus-Tempels; weitere Nachklänge von Teilen der Portiken fanden sich in den verschiedensten Teilen des Reichs. Und schließlich nahmen auch die späteren Kaiserfora sichtlich bezug auf die Stiftung des Augustus, vor allem das unmittelbar benachbarte Trajansforum. (M. Spannagel)

Denar mit Tempel des Mars Ultor auf dem Capitol. Nach Zanker, Augustus Abb. 89b.

3.2. Bauten und Selbstdarstellung

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