196 14 18MB
German Pages 236 [237] Year 1986
Analyse und Entwurf chemisch-technologischer Verfahren
Analyse und Entwurf chemisch-technologischer Verfahren von Prof. Dr. sc. techn. Dr. h. c. Klaus Hartmann Merseburg und Dozent Dr. sc. techn. Klaus Kaplick Dresden unter Mitarbeit von Dozent Dr. sc. techn. Wolfgang Kauschus Merseburg Dr.-Ing. Irmfried Hacker Leuna Dr.-Ing. Gerd Zeising Zeitz ' Mit 121 Abbildungen und 55 Tabellen
Akademie-Verlag • Berlin 1985
Erschienen im Akademie-Verlag • Berlin, D D R - 1 0 8 6 Berlin, Leipziger Straße 3 — 4 © Akademie-Verlag Berlin 1985 Lizenznummer: 202 • 100/457/85 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg L e k t o r : Fritz Schulz Umschlaggestaltung: Ingo Scheffler LSV 3604, 1204 Bestellnummer: 763 402 7 (6853) 04500
Inhalt
1.
Anliegen und Zielstellung
2.
Einführung — Überblick über die Gesamtproblematik
2.1. 2.2. 2.3.
Hierarchieebenen chemisch-technologischer Objekte Strategie von Systemuntersuchungen Synthese- und Analyseaufgaben Literatur . . . . '
12 • 14 16 20
3.
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
21
3.1.
Ziel u n d Methoden der Analyse und Modellierung
21
3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3.
Prozeßmodelle Grundlagen . . Analytische Modellbildung Experimentelle Modellbildung
28 28 34 57
3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3.
Strukturanalyse und Berechnungsmethoden Grundlagen Methoden zur Strukturanalyse Berechnungsverfahren.
69 69 74 83
3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3.
Modellanpassung und -Überprüfung Vorbereitung des Datenmaterials Parameterbestimmung Überprüfung von Modellen
86 86 88 92
3.5.
Vereinfachung von Modellen
97
3.6. Digitale Simulation 3.6.1. Grundlagen 3.6.2. Anwendung von Programmsystemen zur Simulation 3.7. 3.7.1. 3.7.2. 3.7.3. 3.7.4. 3.7.5. 3.7.6.
Beispiel 1 : Kessel mit dampfbeheiztem Mantel . Beschreibung des Objektes . . Dynamisches Modell Modell f ü r den stationären Zustand Bestimmung der Modellparameter Anwendung des stationären Modells Anwendung des dynamischen Modells
7 .
.
10
98 98 101 102 102 103 105 105 106 107
6
Inhalt
3.8. 3.8.1. 3.8.2. 3.8.3. 3.8.4. 3.8.5. 3.8.6. 3.8.7. 3.8.8.
Beispiel 2: Prozeßanalyse einer Reforminganlage Beschreibung des Verfahrens Ziel- und Einflußgrößen Analytische Modellierung ' Experimentell-statistische Modellierung Vergleich der Ergebnisse mit der Praxis Vergleich der Ergebnisse mit der Theorie Optimierung Nachführung des Modells Literatur
4.
Verfahrensentwurf (Verfahrenssynthese)
4.1. 4.2. 4.2.1. 4.2.2.
Problemstellung Reaktionsweganalyse Methodik der Reaktionsweganalyse Auswahl günstiger Reaktionswege zur Herstellung von tert-Butyl-Oxianisol (BOA) . . . ' . ' ! . 4.2.3. Auswahl günstiger Reaktionswege zur Herstellung von Acetaldehyd . . . 4.3. Entwurf des Reaktors bzw. des Reaktorsystems 4.3.1. Struktursynthese auf der Grundlage von heuristischen Regeln 4.3.2. Struktursynthese von Reaktorsystemen mit der Strukturparametermethode 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3.
108 108 110 111 114 118 119 119 121 124 126 126 141 143 145 147 147 149 158
Entwurf von Stofftrennsystemen 167 Entwurf von Kolonnensystemen mit heuristischen Regeln 168 Beschreibung verbesserter heuristischer Regeln 172 Struktursynthese von Kolonnensystemen zur Trennung von Komponentengemischen 181
188 4.5. Struktursynthese von Wärmeübertragungssystemen 4.5.1. Formulierung der Aufgabenstellung 188 4.5.2. Struktursynthesealgorithmus auf der Grundlage heuristischer Regeln und unscharfer Methoden 196 4.6. Entwurf heterogener verfahrenstechnischer Systeme 4.6.1. Anwendung der Strukturparametermethode zum optimalen Entwurf heterogener verfahrenstechnischer Systeme 4.6.2. Optimale Strukturierung eines Reaktor-Stofftrennsystems zur Durchführung der Reaktion A! A2 A3 (A2 — Zielprodukt) 4.6.3. Optimale Strukturierung eines Methylaminverfahrens 4.6.4. Optimale Strukturierung von gekoppelten Stofftrennungs- und Wärmeübertragungssystemen • Literatur
212
5.
232
Sachwortverzeichnis
212 215 218 222 229
1. A n l i e g e n und Z i e l s t e l l u n g
Die Vielfalt der in chemisch-technologischen Verfahren hergestellten Produktpalette ist fast unüberschaubar groß, sie umfaßt sowohl anorganische und organische Grundchemikalien, chemische und chemisch-technische Spezialerzeugnisse, Plaste und Chemiefasern als auch Brenn- und Treibstoffe, eine Reihe Metalle, Baumaterialien, Kosmetika, Pharmaka, Lebens- und Genußmittel u. v. a. Diese Produktpalette ändert sich sehr dynamisch, neue Produkte werden hergestellt, ihre Eigenschaften verbessert. Die zur Produktion eingesetzten Roh- und Hilfsstoffe, Energien, apparativen Ausrüstungen sind bezüglich ihrer Verfügbarkeit und ihrer Kosten stetigen Veränderungen unterworfen. Alles das führt dazu, daß die Produktionsverfahren sehr schnell moralisch veralten. Sie müssen deshalb entsprechend den sich verändernden Bedingungen der ökonomisch-technischen Umwelt ständig neu angepaßt, modernisiert und rationalisiert werden, die neuesten Ergebnisse von Wissenschaft und Technik sind für eine verbesserte Verfahrensgestaltung zu nutzen. Neben der Modernisierung und Intensivierung bestehender Verfahren sind neuartige effektive Verfahren für die Herstellung sowohl traditioneller als auch neuer Produkte zu entwerfen und in die Praxis zu überführen. An moderne chemisch-technologische Verfahren werden eine Vielzahl von Forderungen gestellt. Die eingesetzten Rohstoffe und Energien sind auf beste Art und Weise auszunutzen, die Ausrüstungen (Apparate, Maschinen, Rohrleitungen, Automatisierungs- und Sicherheitseinrichtungen usw.) sind mit hoher Investökonomie auszuwählen, die Anlage soll eine hohe Zuverlässigkeit besitzen, eine ausreichende Flexibilität aufweisen (d. h. Überlast- bzw. Unterlastfahrweisen im vorgegebenen Maße gestatten), die Umwelt wenig belasten usw. Die intensive Beschäftigung mit der Untersuchung und dem Entwurf unterschiedlicher Verfahren der Stoffwirtschaft (hierzu gehören viele Industriezweige, wie chemische Industrie, Metallurgie, Baustoff- und Baumaterialienindustrie, Leichtindustrie, Textilindustrie, Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmittelindustrie, Wasserwirtschaft, Energie- und Brerinstoffindustrie) hat gezeigt, daß viele der Verfahren mit einer einheitlichen Methodik bearbeitet werden können. Durch die schöpferische Anwendung neuer Erkenntnisse und Methoden der Systemtheorie, der Kybernetik, Mathematik und Rechentechnik, der Naturwissenschaften und technischer Wissenschaften sowie der Ökonomie
8
Anliegen und Zielstellung
kann diese einheitliche Methodik zu einem effektiven Werkzeug des Problembearbeiters werden. Viele der entwickelten Methoden zur Modellierung, Simulation, Optimierung und zur Struktursynthese sind sehr effektiv. Eine Vielzahl benötigt jedoch einen sjehr großen Informationsumfang und eine leistungsfähige Rechentechnik, die bei Beginn der Problemlösung bzw. bei der Suche nach einem neuen Verfahren bzw. der Verbesserung eines Teilsystems eines bestehenden Verfahrens noch nicht bekannt sind bzw. mit einem vertretbaren Aufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht beschafft werden können. Die Entscheidungen über ein neues Verfahren fallen aber oft zu einem Zeitpunkt, nach dem wesentliche Verfahrensänderungen nicht mehr in der Projektierung berücksichtigt werden können. Es muß deshalb zumindest die Struktur des zukünftigen Verfahrens optimal festgelegt sein, die den größten Einfluß auf die Güte des Verfahrens hat. Für die Lösung solcher Aufgaben Rückführungen
Reaktorsystem
Systemeingänge
i i 1 i 1 i 1 L
Separotorsystem
"
•
*
Systemausgänge
t l i i
Energiesystem
_
Automatisierungssystem
und
Sicherheits-
Abb. 1.1. Grundstruktur eines chemisch-technologischen Systems Synthese
Analyse
Eingänge gegeben
und
Systeme
Ein - und gegeben
Ausgänge
Systemgestaltung
Funktionsweise und Ausgänge gesucht
gesucht
Aufgaben:.
Aufgaben; -
Dekomposition
-
-
Modellierung
-
Struktursynthese
-
Simulotion
-Optimierung
Bewertung
-Steuerung
Abb. 1.2. Schematische Darstellung der Aufgaben „Analyse" und „Synthese"
Anliegen und Zielstellung
9
können mit Vorteil bewährte Heuristiken eingesetzt werden insbesondere in Kombination mit unscharfen Methoden. Dieses, unter dem Begriff „knowledge engineering" bezeichnete Vorgehen, ist eine effektive Kombination des Schöpfertums des Bearbeiters und theoretisch gesicherten Wissens. Das Buch wendet sich an alle naturwissenschaftlich-technischen aber auch wirtschaftswissenschaftlich ausgebildeten Problembearbeiter sowie Studenten, die mit den unterschiedlichsten Aufgaben der Verfahrensgestaltung sowie dem Betrieb beschäftigt sind. Schwerpunktmäßig werden Objekte betrachtet, deren Grundstruktur in Abb. 1.1 dargestellt ist. Die Gestaltungsprobleme lassen sich in der Analyse und Synthese unterteilen (Abb. 1.2). Bei der Auswahl der Methoden und der Beispiele wurde Wert auf technische Überschaubarkeit und leichte Nachvollziehbarkeit gelegt. Das Buch stellt eine Einführung in diese Problematik dar, es gibt einen komprimierten "Überblick über wichtige Teilaufgaben und Lösungsmethoden. Für ein tiefergehendes Studium ist die Spezialliteratur, auf die verwiesen wird, zu verwenden. Die Autoren stellen auch neue Lösungsmethoden vor, die in ihren Forschungskollektiven erarbeitet worden sind. Insbesondere wurden Ergebnisse von Dr. sc. techn. W. Kauschus, Dr.-Ing. I. Hacker, Dr.-Ihg. R. Anders und Dr.-Ing. 0. Zeising verwendet.
2. Einführung — Überblick über die Gesamtproblematik
Kennzeichnend und erschwerend für die Lösung der in der Zielstellung genannten Aufgaben ist insbesondere, daß der Untersuchungsgegenstand durch außerordentliche Komplexität und Kompliziertheit charakterisiert wird. Eine chemisch-technologische, stoffwirtschaftliche Anlage besteht aus. einer Vielzahl unterschiedlicher Teile, Apparaten, Maschinen, Rohrleitungen, Armaturen, Betriebs-, Meß-, Regel- und Steuereinrichtungen, Hilfs- und Nebenanlagen, die auf komplizierte Art und Weise miteinander verknüpft sind, sich wechselseitig beeinflussen, einander bedingen. Die zu verarbeitenden Stoffströme können mehrere tausend Tonnen oder nur wenige Kilogramm am Tage betragen (z. B. bei der Rohöldestillation), die Betriebsbedingungen liegen zwischen extremen Temperatur- und Druckbereichen (Hoch- und Tieftemperaturprozesse, Hochdruck- und Vakuum verfahren), die Medien sind oft extrem korrosiv und toxisch bzw. explosiv. Für den Entwurf und die Untersuchung eines solchen scheinbar unüberschaubaren Objektes ist es offensichtlich in erster Linie notwendig, einen Zugang zu finden, der es gestattet, das Unübersichtliche überschaubar zu machen, das scheinbar unentflechtbare Durcheinander zu einem geordneten Nebeneinander bzw. Übereinander zu trennen, das Wichtigste vom weniger Wichtigen des Verfahrens zu bestimmen. Diese Ordnung kann unter Anwendung von Methoden der Systemanalyse durchgeführt werden, die Arbeitsinstrumente der modernsten Technik sind. Durch die Kombination allgemeiner systemtheoretischer Methoden und konkreter technologischer Prinzipien und Grundlagen kann die Einführung der relativ abstrakten Kategorie des Systembegriffs auf stoffwirtschaftliche Objekte zum ordnenden Prinzip und Zugang zur wissenschaftlichen Untersuchung x
System
Dekomposition —
Analyse
S
Aggregation Synthese
Abb. 2.1. Zum Systembegriff chemisch-technologischer Objekte
S
y
Überblick der Gesamtproblematik
11
gemacht werden. Unter einem System (Abb. 2.1) versteht man eine relativ abgegrenzte Menge von Elementen und der zwischen ihnen bestehenden Kopplungen. Alle nicht vom System erfaßten Elemente werden als Umgebung des Systems bezeichnet, das System stellt deshalb eine besondere Einheit mit der Umgebung dar. Jedes System ist ein Element eines übergeordneten Systems. Jedes Element stellt wiederum ein System, jedoch niederer Hierarchiestufe dar. Elemente sind Bausteine eines Systems, die in dem betrachteten Zusammenhang als unzerlegbar angesehen werden. Die Gesamtheit der zwischen den Elementen eines Systems bestehenden Kopplungen wird als Struktur des Systems bezeichnet. Jedes System wird durch eine spezielle Funktion charakterisiert. Unter der Funktion eines verfahrenstechnischen Systems versteht man dessen spezifische Eigenschaft, zielgerichtet die Eingangsgrößen durch Transformationen unterschiedlicher Art in Ausgangsgrößen umzuwandeln. Die Kompliziertheit eines Systems wird durch die Anzahl der Elemente charakterisiert. Die Komplexität eines Systems wird durch die Anzahl und die Art der Kopplungen zwischen den Elementen sowie durch die Vielfalt unterschiedlicher Elemente bestimmt [1], Auf stoffwirtschaftliche Systeme angewendet, gestattet der Systembegriff die Einführung des Begriffes verfahrenstechnisches System als Mensch-Maschine-System, in dem Stoffwandlungen zum Zwecke der wirtschaftlichen Nutzung durchgeführt werden, wobei die Elemente durch Stoff-, Energie-, Kosten- und Informationsströme miteinander und mit der Umgebung verbunden sind [2], Zur verallgemeinerten Kategorie stoffwirtschaftlicher Systeme zählen auch die verarbeitungstechnischen Systeme, in deren Mittelpunkt verarbeitungstechnische Hauptprozesse wie Formen, Trennen, Fügen, Strukturändern u. a. Im Unterschied zum verfahrenstechnischen System ist in diesen Systemen die Veränderung der Form und des Zusammenhaltens des Arbeitsgegenstandes sowie der damit verbundenen Stoffeigenschaften und des Energiezustandes entscheidend [3/6]. Die konsequente Anwendung des System- und Elementbegriffs auf Verfahrens- und verarbeitungstechnische Objekte gestattet die Einführung hierarchischer zueinander geordneter Ebenen, die jeweils wiederum ein System jedoch geringerer — absolut gesehen — aber noch sehr großer Komplexität darstellen. Zwei grundlegende Begriffe der im weiteren verwendeten Methodik der Systemtechnik sind die Analyse und die Synthese. Unter der Analyse eines Systems versteht man die Untersuchung dessen Struktur und Elemente, deren Beziehung untereinander sowie deren Funktionsweise. Die Analyseergebnisse dienen dazu, für vorgegebene Systemeingänge die unbekannten Systemausgänge zu berechnen. Unter der Synthese eines Systems versteht man die Gestaltung (den Entwurf) eines Komplexes von Elementen und deren Kopplung untereinander, das vorgegebene Eingänge in vorgegebene Ausgänge transformiert, d. h. die Synthese beinhaltet die Gestaltung von Systemen mit gewünschten Eigenschaften, in der Regel die Kombination unterschiedlicher Anforderungen zu einem einheitlichen Ganzen.
12
Überblick der Gesamtproblematik
Analyse und Synthese sind eng gekoppelte Problembearbeitungsmethoden. Jeder Syntheseoperation sollte eine analytische Operation folgen, die neben der Untersuchung der Funktionsweise auch eine Bewertung beinhaltet, die Grundlage für weitere Syntheseschritte (Evolution) z . B . in Richtung eines optimalen Systems sind. 2.1. Hierarchieebenen chemisch-technologischer Objekte 1 Hierarchieebene Elementarprozesse/Grundvorgang Dieses Niveau umfaßt die isoliert und unverfälscht durch Überlagerungseffekte ablaufenden Elementarprozesse wie die chemische Reaktion (unter idealisierten Bedingungen), die einzelnen, isoliert auftretenden Mechanismen des Stoff- und Energietransportes (z. B. Leitung, Diffusion, Konvektion), des Impulstransportes, die thermodynamischen Vorgänge, die Zeit- und Raumpunktbilanzen sowie andere Elementarprozesse. Diese sind in der Regel Untersuchungsgegenstand der Naturwissenschaften. Die aus dem Ablaufen der Elementarprozesse resultierenden physikalisch-chemischen Effekte werden Tabelle 2.1 Hierarchieebenen verfahrenstechnischer Prozesse und Systeme Hierarchieebene jg Stoffverbundsystem o00 '3 .g Ve'rfahrenszug/Stoffwirtschaft-2 liches Werk OD ö 1 Ü 1§ Verfahren tH
07
® >1 t» Verfahrensstufe/Prozeßgrtippe G) jS ü 03
*>
'S
Prozeßeinheit/Makroprozeß
S Charakteristischer Teilprozeß © j; g Volumenelement/Mikroprozeß cS ® 'S o Elementarprozeß/Grund& Vorgang 1
Typisches Beispiel Gesamtheit aller erdölverarbeitenden und petrolchemischen Werke der D D R Kopplung aller Stufen der Erdölverarbeitung und Petrolchemie zu einem speziellen Endprodukt, z. B. Polyethylen Erdöldestillation Ammoniaksynthese Reaktor-Abhitzesystem der Ammoniaksynthese/Rührkesselkaskade Destillationskolonne/Reaktor Katalysatorschicht/Boden einer Destillationskolonne Katalysatorkorn/Tropfen/Gasblase Chemische Reaktion/Konduktion/Konvektion von Stoff und Energie
Für verarbeitungstechnische Objekte gilt eine ähnliche Hierarchiestruktur. Ausführlicher s. [3].
Hierarchieebenen chemisch-technologischer Objekte
13
oft als Wirkprinzipien bezeichnet. Die optimale Gestaltung der Bedingungen für das effektivste Ablaufen dieser Wirkprinzipien beeinflußt nachhaltig die übergeordneten Hierarchieebenen. Hierarchieebene der Volumenelemente/Mikroprozeß Erweitert man die räumlichen Grenzen des zu untersuchenden chemischtechnologischen Objektes auf sehr kleine, jedoch endliche Abmessungen, kommt man zum Niveau der Volumenelemente (auch Elementarvolumina genannt). Diese Volumenelemente können natürliche Grenzen besitzen, z. B. in Form eines Tropfens, eines Katalysatorkorns, einer Gasblase u. a. oder gedanklich aus einem größerem Volumen abgetrennt worden sein. In den Volumenelementen wirken die physikalisch-chemischen Prozeßabläufe meist bereits kombiniert ab, z. B . Stoff- und Wärmetransport gekoppelt; innerhalb des Volumenelementes können Gradienten unterschiedlicher intensiver Prozeßgrößen auftreten (Temperatur, Konzentration usw.). Hierarchieebene Teilprozeß Aggregiert man gleiche oder unterschiedliche, jedoch vom Prozeßablauf her zusammenhängende Volumenelemente (z. B. auch Volumenelemente unterschiedlicher Phasen) zu einem, meist durch geometrisch genau festgelegte Grenzen charakterisierten Untersuchungsgegenstand, so ergibt sich das -Niveau Teilprozeß z. B. in Form eines einzelnen Bodens einer Bodenkolonne, eines endlichen Abschnitts einer Füllkörperkolonne oder einer Schüttschicht eines Festbettreaktors oder eines Rohrreaktors usw. Auf diesem Niveau sind neben dem kombinierten Wirken unterschiedlicher Mechanismen die Transportvorgänge an den Grenzen des Teilprozesses von großer Bedeutung. Hierarchieebene Prozeßeinheit/Makroprozeß (Prozeßgruppe) Die Aggregation gleicher oder unterschiedlicher, prozeßtechnisch jedoch gekoppelter Teilprozesse führt zur chemisch-technologischen Prozeßeinheit. Die Grenzen dieser Hierarchieebene fallen meist mit denen der apparativen Hülle, d. h. dem Apparat, in dem der Prozeß stattfindet, zusammen. Das durch die Aggregation mehrerer Böden einer Kolonne oder mehrerer Stufen eines Kompressors usw. entstehende System wird auch als Prozeßgruppe bezeichnet. Eine Prozeßeinheit wird demnach durch eine spezielle Funktion im stoffwirtschaftlichen Verfahren charakterisiert. Sie besitzt eine nach außen durch den Apparat vorgegebene Hülle, sie besteht unter Umständen aus unterschiedlichen Teilprozessen (z. B. Heiz- oder Kühlschlangen oder Heiz- oder Kühlmantel und eigentlichem Reaktionsraum in einem Rührkesselreaktor). Durch diese, die Prozeßeinheit charakterisierenden Bedingungen, ergibt sich ein sehr komplexes Wirken der physikalisch-chemischen Prozeßabläufe.
14
Überblick der Gesamtproblematik
Hierarchieebene Verfahrensstufe/Prozeßgruppe Die Aggregation von Prozeßeinheiten zur Erfüllung einer bestimmten verfahrenstechnischen Teilaufgabe wird als Verfahrensstufe bezeichnet. Die Aggregation identischer und zusammengehöriger Prozeßeinheiten wird auch als Prozeßgruppe bezeichnet. Hierarchieebene Verfahren Die Kopplung von Verfahrensstufen ergibt das Verfahren, das durch die Erzeugung eines Verkaufsproduktes charakterisiert wird. Hierarchieebene Verfahrenszug/Stoffwirtschaftliche Werke Mehrere Verfahren können zu einem Verfahrenszug gekoppelt werden. Ein Verfahrenszug ist charakterisiert durch die Verarbeitung eines komplexen Einsatzproduktes bzw. durch die Weiterveredlung im System erzeugter Produkte. In einem Chemiebetrieb sind meist mehrere Verfahrenszüge vereinigt bzw. er wird durch einen Verfahrenszug charakterisiert. Hierarchieebene Stoffverbundsystem Hierarchieebenen höherer Aggregation wie Verbundsysteme sind z. B. die Gesamtheit der chemischen Betriebe bzw. die gesamte Stoffwirtschaft eines Bezirkes/Landes usw. 2.2. Strategie von Systemuntersuchungen Die Dekomposition (Zerlegung) und Aggregation (Zusammenfassung) von stoffwirtschaftlichen Prozessen, d.h. die Hierarchiestruktur selbst hat nicht nur formale Bedeutung, sondern ist entscheidend für das methodische Konzept der Untersuchung der zur Diskussion stehenden Objekte. Sie gestatten es, die fast unüberschaubare Vielfalt unterschiedlicher Objekte in eine relativ geringe Anzahl gleicher oder ähnlicher Elemente zu zerlegen, die erstens einfacher zu untersuchen sind, da evtl. störende Überlagerungen anderer Effekte eliminiert werden können, zweitens die Untersuchung dieser Elemente mit speziellen (auch vom Standpunkt der experimentellen Untersuchung) Methoden durchgeführt werden kann und drittens die Kombination von Einzeluntersuchungsergebnissen unter - Verwendung geeigneter Verfahren nicht nur zu den bereits bekannten Prozessen, sondern auch zu effektiven Neuentwicklungen führen kann. Außerdem gestattet diese Strategie die arbeitsteilige Untersuchung der Prozesse, sie führt zu einer Reduzierung des Zeit- und Mittelaufwandes für die Prozeßuntersuchung und -gestaltung selbst. Sie liefert auch Hinweise, wie die Informationen, die bei der Untersuchung an Elementen des Systems ermittelt worden sind, auf höheren Ebenen verdichtet werden können (Abb. 2.2). Die Ermittlung der Struktur des konkreten Objektes erfordert außer
15
Strategie von Systemuntersuchungen
den allgemeinen Kenntnissen der Systemtheorie tiefgehende Kenntnisse der konkreten Prozesse. Trotz der oben beschriebenen allgemeinen Systemanalyse stoffwirtschaftlicher Objekte, ist die Klärung der Aufgabe, welche von der Vielzahl der ablaufenden Prozesse auf den jeweiligen Ebenen (Systemen) bestimmend, d. h. dominierend sind — Hauptkettenglieder darstellen — und Tabelle 2.2 Möglichkeiten der Informationsverdichtung bei der Aggregation bezüglich der Zeit
bezüglich des Raumes
bezüglich der Ströme
— Quasistationarität
— Vernachlässigung von Koordinaten
— Mittelung von Stromeigenschaften
— Vernachlässigung von Gradienten des Raumes
— Verwendung von Verteilungsfunktion/Mittelwerten bei dispersen Systemen
— Gleichgewicht — Irreversibilität
— Verwendung effektiver Transportkoeffizienten — Vernachlässigung von Phasen (Quasihomogenität)
— Zusammenfassung von Strömen
— Idealisierung von Abläufen bzw. deren Kombination
damit im Mittelpunkt stehen und alles andere beeinflussen, noch nicht erfolgt. Zur Lösung dieser Aufgabe ist eine hierarchische Ordnung in die qualitativunterschiedlichen Prozesse chemische Umsetzungen, Stofftrennungen, Heizen/ Kühlen, Komprimieren/Entspannen und Transport u. a. zu bringen. Das primäre Ziel in einer stoffwirtschaftlichen Anlage ist die Herstellung einer bestimmten Menge eines Zielproduktes mit vorgegebener Qualität und weiteren vorgeschriebenen Eigenschaften. Bei einem allgemeinen Verfahren, das alle o. g. funktionellen Gruppen enthält, werden die notwendigen Strukturen der Zielprodukte durch chemische Umsetzungen in Reaktoren unterschiedlichen Typs hergestellt. Zur Durchführung der chemischen Reaktionen müssen ganz bestimmte — durch die Thermodynamik und chemische Kinetik festgelegte — Bedingungen bezüglich Temperatur, Druck, Katalysator usw. eingehalten werden, damit die chemischen Umsetzungen in der gewünschten Richtung optimal ablaufen können. Damit sind die Bedingungen am Einund Ausgang des Teilsystems (Stoffwandlung) festgelegt. Vorzugeben sind jedoch auch — zumindest in gewissen Bereichen — die Eigenschaften der eingesetzten Rohstoffe und der gewünschten Zielprodukte, so daß dadurch für die Operationen der Rohstoffvorbereitung und der Reaktionsgemischnachbereitung, ebenfalls die Ein- und Ausgangsbedingungen gegeben sind.
16
Überblick der Gesamtproblematik
Die Reaktionsproduktnachbereitung besteht neben der A bkühlung sehr häufig in der Isolierung der gewünschten Zielprodukte, d. h. in der Abtrennung von Nebenprodukten und nichtumgesetzten Reaktionspartnern, in der Erreichung der festgelegten Qualität und stellt ein Stofftrennproblem dar. Für die Realisierung der Stofftrennung müssen in der Regel ebenfalls — wie für die chemischen Reaktionen — durch thermodynamische Beziehungen wohldefinierte Betriebsbedingungen (z. B. Druck, Temperatur) geschaffen werden, wobei die stoffliche Zusammensetzung vor und nach der Trennung, und die Qualitätsanforderungen an die Zielprodukte festgelegt werden. Eine analoge Funktion hat die Vorbereitung der Rohstoffe auf die Reaktion: Vorbereitung der Rohstoffe vom Systemeingang auf den erforderlichen Zustand zur Durchführung der chemischen Reaktion z. B. Aufheizen, Reinigen, Komprimieren, Zerkleinern, Mischen usw.
2.3. Synthese- und Analyseaufgaben Aus dieser Darstellung wird eine bestimmte Hierarchie innerhalb der unterschiedlichen stoffwirtschaftlichen Operationen deutlich, die folgende Entscheidungs- und Aufgabenebenen umfaßt [4, 5]: — Auswahl der günstigsten Rohstoffe, — Wahl der Reaktionswege und -Bedingungen für die Durchführung chemischer Umsetzungen, — Auswahl eines geeigneten Reaktorsystems, — Auswahl geeigneter Trennsysteme, — Auswahl weiterer relevanter Teilsysteme (z. B. für Komprimierung, Expansion, Transport usw.), — Auswahl zweckmäßiger Wärmeübertragungssysteme, — Festlegung von qualitativen Maßnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit des Systems. Im Ergebnis der Lösungen dieser Teilaufgaben entsteht eine geeignete Grobstruktur des zu entwerfenden Systems. Um von vornherein auf einige Schwierigkeiten bei der Realisierung des Entwurfsprozesses aufmerksam zu machen, soll gezeigt werden, wieviel unterschiedliche Strukturvarianten, die alle funktionserfüllend sind, entstehen können, wenn man nur fünf Varianten auf jeder Ebene (jedes Teilsystems) zuläßt. Bei 7 Ebenen auf denen jeweils fünf Varianten möglich sein sollen (wie später zu sehen ist, ist jedoch die Anzahl der möglichen Varianten je Ebene um Größenordnungen höher), die alle miteinander kombiniert werden können, existieren bereits 5 7 = 78 125 unterschiedliche Strukturen. Dabei i&t zu berücksichtigen, daß stark vereinfachende Annahmen getroffen wurden. Daraus wird die Kompliziertheit des Entwurfsproblems deutlich und auch offensichtlich, daß die üblichen Variantenrechnungen bei Entwurfsproblemen für einen optimalen Strukturentwurf nicht
Synthese- und Analyseaufgaben
17
— oder nur beschränkt — in Frage kommen. In Abb. 2 2 ist schematiscji ein solcher Zielbaum vereinfacht dargestellt. Im Gegensatz zur Zergliederung eines Systems in seine Elemente (Dekomposition) wird die Bildung eines Systems aus den erforderlichen Bausteinen als Synthese bezeichnet (Abb. 2.1, s. S. 10). Zur Präzisierung des Syntheseproblems wird die eben beschriebene Aufgabe als Struktursynthese bezeichnet, d. h. als Aufgabe zur Festlegung der notwendigen Systemelemente und deren zweckmäßigste Kopplung zur Gestaltung eines Systems, das bestimmte Anforderungen erfüllt. Reaktion
Aktivierungsart / Phasenverhält russe
RS1
RS2
RS3
RSx • QA{Ay • ^z) • Af]x
— [wx • QA{Ay • Az) -
At]x+jx
y:
[wv • Qa(AX • Az) • At]v
— [wy • Qa(AX • Az) •
At}v+äy
z:
[wz • Qa{AX • Ay) • At],
— [wz • Qa(AX • Ay) •
At]z+âz
33
Prozeßmodelle
Der Transport durch molekulare Diffusion wird beschrieben durch die Massenströme j in der Dimension Masse/Fläche • Zeit: Eingang
Ausgang
z:
[jxA{Ay • Az) • At]x
-
[jxA(Ay • Az) • At]x+Ax
y.
[jyA(Ax • Az) • At]y
-
[jyÄ(Ax • Az) • At]y+/iy
z:
[jA(Ax-Ay)-At]z
-
[jzA{Ax • Ay) • At]z+äz
Der Quellstrom ergibt sich mit Hilfe der Reaktionsgeschwindigkeit rÄ zu rÄ • Ax • Ay • Az • At Werden diese Komponenten dem Erhaltungssatz entsprechend zusammengestellt, so ergibt sich nach Division durch Ax • Ay • Az • Az • At: [ßJt+JT — [ e J f
[®I • 6A]X+AX — K
_
At
• QA]X
Ax [WZ
• QA]Z+JZ
— [Wj • Az
ÜyA]y+Jy Ay
l?yÄ]y
[wy • QA\V+äy — [Wy ' QA~\y
/
Ay
ftlL
[?/]*+/ix — [jxAlx Ax
\jtA~\z+äi Az
[jzA]
+ ^
(3.2)
Wird der Grenzübergang Ax, Ay, Az, At -s- 0 vollzogen, so gilt entsprechend der Definition der partiellen Ableitungen /
8f(x, y, z, t) 8x
=
f{x + Ax, y, z, t) /ix-+a Ax
f(x, y, z, t)
^ ^
für (3.2) 8Qa _
8(QA • wx)
8t Akkumulation ,
dx
8(Qa •
WY)
8y T r a n s p o r t durch konvektive Ströme
_ 8{Qa • w.) _ dj/_ _ 8j/ 8z 8x 8y
_
8jA 8z
rA
(3.4)
T r a n s p o r t durch Diffusion Erzeugung (molekulare S t r ö m e ) (oder Verbrauch)
Entsprechende Gleichungen lassen sich für die Gesamtmassenbilanz, die Energiebilanz und die Impulsbilanzen in den drei Koordinatenrichtungen ableiten. Die Ermittlung der konkreten Ausdrücke für die einzelnen Ströme ist ein Gegenstand der analytischen Modellbildung. Der Erhaltungssatz muß aber auch durch mehr oder weniger empirisch abgeleitete Modelle erfüllt sein. 3
Hartmann
34
3.2.2. Analytische
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
Modellbildung
Der analytische Weg der Modellierung eines Prozesses ist durch folgende Vorgeheilsweise charakterisiert: 1. Der konkrete Prozeß wird in seine wesentlichen Bestandteile, d. h. in seine Grundprozesse zerlegt. 2. Die abstrakten Beschreibungen der Grundprozesse sind zu beschaffen. 3. Das mathematische Modell des konkreten Prozesses wird aus den Beschreibungen der Grundprozesse unter Anwendung der Erhaltungssätze entwickelt. Um diesen Weg beschreiten zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Die Prozeßkenntnis muß es erlauben, die wesentlichen Grundprozesse identifizieren zu können. 2. Die abstrakten Beschreibungen der Grundprozesse müssen vorliegen. 3. Die Überprüfung der Signifikanz des mathematischen Modells muß gewährleistet sein. Demzufolge gilt: Das analytische Modell eines stoffwirtschaftlichen Prozesses ist dessen mathematische Beschreibung, die durch Zerlegung des Prozesses in Grundprozesse und nachfolgende Synthese der abstrakten Beschreibungen durch Anwendung des Erhaltungssatzes gewonnen wurde. Das analytische Modell basiert auf der Prozeßkenntnis, wird diese erweitert oder korrigiert, muß das analytische Modell unter Umständen dem neuen Stand der Kenntnisse angepaßt werden. Die analytische Modellstruktur enthält im allgemeinen freie Parameter, die durch experimentelle Daten belegt werden müssen. Eine Zustandsfolge des realen Prozesses kann im allgemeinen nicht direkt am analytischen Modell nachgebildet werden, sondern dafür sind die Umformung des Modells und ein Lösungsverfahren erforderlich. Ein stoffwirtschaftlicher Prozeß kann als eine komplizierte Überlagerung simultan verlaufender Transport- und Umwandlungsprozesse aufgefaßt werden. Auch für diesen Prozeß gilt unter den genannten Voraussetzungen ein allgemeines Transportmodell, wie es in allgemeiner Form durch (3.1) oder für die Massenbilanz einer Komponente durch (3.4) dargestellt ist. Dieses allgemeine Transportmodell hat jedoch auf Grund seiner Kompliziertheit nur theoretische Bedeutung. Für die praktische Nutzung sind die konkrete Belegung der einzelnen Stromkomponenten und eine Reihe von Vereinfachungen nötig, die zu lösbaren Modellstrukturen führen. Durch entsprechende Annahmen und Vereinfachungen kann das Modell der mikroskopischen Betrachtungsweise schrittweise in die makroskopische Darstellungsform überführt werden, und aus dem allgemeinen Transportmodell ergeben sich dadurch in der Verfahrenstechnik und Stoffwirtschaft bekannte Gesetze.
35
Prozeßmodelle
Setzt man für die molekularen Ströme
und bezieht man qä und rA auf die Molmasse MÄ r
C a
-
~w
7?
6 A
a T ä
so wird unter Anwendung der Produktenregel 8(v • u) du 8v —- = v— + u — ox ox ox 8v und der Annahme konstanter Dichte, d. h. — = 0 aus (3.4) die Beziehung (3.6) in Tab. 3.3. Auf ähnlichem Wege läßt sich die Energiebilanz (3.7) ableiten. In [4] ist eine umfassende Zusammenstellung aller Bilanzen (Komponenten-, Gesamtmasse-, Impuls-, Energiebilanz) in ¿artesischen und zylindrischen Koordinaten gegeben. Geht man von der mikroskopischen Betrachtungsweise zur Darstellungsform der multiplen Gradienten über, so muß man gewisse makroskopische Bereiche des Mediums, die sogenannten Turbulenzballen, berücksichtigen. Das heißt, daß von den Momentanwerten der Prozeßvariablen auf Mittelwerte, Tabelle 3.3 Bilanzgleichungen für die mikroskopische Darstellung in rechtwinkligen Koordinaten Massenbilanz für die Komponente A
8c ^ . 8cA — w„ v 8x 8y
— —
—
8eÄ /82cÄ 82ca 82ca\ w. — + DA — 2 + —¿H -) + RÄ 8z y 8x 8y2 8z2 J
Transport durch Pfropfenströmung
Transport durch Massen-Diffusion
.
Erzeugung
Energiebilanz
8T Ht
/
dT
8T
Transport durch Pfropfenströmung
3*
8T\
l82T
82T
82T\
Transport durch thermische Diffusion
Erzeugung
(3.6)
36
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
die durch Integration der Momentanwerte über ein Zeitintervall berechnet werden, überzugehen ist. Dieses Zeitintervall muß groß gegenüber der turbulenten Schwankungsdauer aber klein gegenüber den Zeitkonstanten des Prozesses sein. Die Prozeßvariablen werden in den Bilanzgleichungen nach folgender allgemeiner Beziehung substituiert: z= 2+
(3.8)
Az
z
— Prozeßvariable
z
— zeitlicher Mittelwert der Prozeßvariablen im Zeitintervall t
Az — m o m e n t a n e Abweichung v o m zeitlichen Mittelwert
Der zeitliche Mittelwert ist definiert als: t+M z =
J
f
t
z
d
oo
(3.22)
39
Prozeßmodelle
• Die Konzentrationsgradienten werden also durch eine unendlich große Intensität der turbulenten Vermischung abgebaut. Die Prozeß variablen werden damit unabhängig vom Ort, diese Prozesse heißen „Prozesse mit konzentrierten Zustandsgrößen". Für die Ableitung ihrer mathematischen Beschreibung muß (3.19) über das ganze Systemvolumen integriert werden: dV
dt
=
—
J ^ d V + f ß ^ d V + f ^ d V
(3.23)
Für die weiteren Betrachtungen werden folgende Annahmen getroffen: — Die über die Systemgrenzen ein- und austretenden Ströme sind konvektive Ströme. Der molekulare Transport und der Einfluß der turbulenten Vermischung unmittelbar an der Systemgrenze seien im Verhältnis zum konvektiven Transport zu vernachlässigen. — Die konvektiven Ströme treten über definierte Flächen ein und aus, die klein im Verhältnis zur Systemoberfläche sind. Die Prozeßvariablen sind über diese Flächen konstant. Die Integrale der Gl. (3.23) lassen sich mit Hilfe des GAUssschen Integralsatzes wie folgt umformen:
f
v
~
J
W
~ Ö x
d
V
f
^
V
V
W C ä
=
8 e W e
'
C ä , e
~~
S a W a C a
'
a
(3.25)
s
s
f EÄ dV = V • Ra
(3.27)
v
Die Fläche S ist die das Systemvolumen begrenzende Oberfläche, SB und SA sind die Teilflächen, über die die konvektiven Ströme ein- und austreten. Findet ein Stoffübergang über S statt, so ist das Integral (3.26) durch die Beziehung für den Stoffübergang Übergangsstrom = Übergangszahl • Fläche • Triebkraft mA = ß-Sä- ACa (3.28) zu setzen. Nimmt man an, daß das Volumen V zeitlich konstant ist und somit SE • vB = SA • vA — v ist, und daß die Konzentration am Ausgang gleich der im
40
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
Volumen V, also cAA — cA ist, so ergibt sich mit (3.24) bis (3.28) aus (3.23) de =
-
v(ca.b
cÄ) +
(3.29)
VmÄ+V-RA
Ist V 4= const, so gilt (3.29a) aus Tab. 3.6. Tabelle 3.6 Bilanzgleichungen für die makroskopische Darstellung Massenbilanz für die Komponente A dmA dt Akkumulation
= VE • cAiE -
VA~- cAA
ein- und austretende Ströme
+
mA
+V-RÄ
Übergangsström
(3.29 a)
Erzeugung
Energiebilanz dE — dt
7 [
= + A
H
+
innere Akkumulation
i
+
i t
\ + H p
+
)
+
kinetische, potent. Energie
ein- und austretende Ströme
+
Qü
+
Q
•—•—'
~
w
(3.30)
Erzeugung Übergangsström
mechanische Arbeit
Die allgemeine Beziehung für die Energiebilanz (3.30) gut durchmischter Systeme in Tab. 3.6 berücksichtigt die innere, die kinetische und die potentielle Energie. Das Symbol A steht für die Differenz Eingangs- minus Ausgangszustand, das Symbol (v) für den zeitlich geglätteten Wert der mittleren Geschwindigkeit über der Fläche S, das ist z. B. für ein Rohr 2ji
R
f f vnr dr dd \
'
In
f
oo
R
jrdrdd
Aus den damit zür Verfügung stehenden Beziehungen lassen sich die bekannten Verweilzeit-Typenmodelle ableiten, wie sie in Abb. 3.11 zusammengefaßt sind. In der Abbildung sind gleichzeitig die Antwortfunktionen dieser idealisierten Typenmodelle auf eine Sprungmarkierung und auf eine Stoßmarkierung angegeben. In der Praxis ist' nicht immer eine hinreichende Übereinstimmung zwischen den realen Objekten und diesen stark idealisierten Typenmodellen zu erreichen.
41
Prozeßmodelle
Typenmodell 1. ¡deoles modell 2. ideales modell
Strömungsschema
mathematisches Modell
h
Verdrängungs-
Form der Antwortfunktion auf eine Sprung- auf eine Stoßmarkierung markierung FM
de dt
r
de "dx
0
dt
V1
b)
zweidimensionales
HÜ-Iâ r
*is_ai£.f0 dz dx dt
e
X
s
r
CK
'
Bx
1
»Ii öx?
r
e
1
3. Diffusionsmodell a) eindimensionales
X
fit
Mischungs-
1 '
CM
r/t
Cfr
dx u>dx1 RdtV
e
t
e
eil )
fk wL
/
t
aJ-vM
U. Zellenmodell i
e
uL
t
y v k \ / y M s e
r
Abb. 3.11. Verweilzeit-Typenmodelle
Dann können jedoch häufig kombinierte oder hybride Modelle aus den Elementen — — — —
ideale Pfropfenströmung (Modell für den maximalen Gradienten), ideale Durchmischung (makroskopisches Modell), einparametrige Verteilung (Modell mit multiplen Gradienten) und Toträume
aufgebaut werden. Eine mögliche Zusammenschaltung dieser einzelnen Elemente zum Modell eines realen Rührkessels zeigt Abb. 3.12.
Abb. 3.12. Hybrides Modell für einen realen Rührkessel
42
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
Im folgenden werden die allgemeinen Bilanzgleichungen auf konkrete Beispiele angewandt, dabei wird von einfachen Objekten zu komplizierteren fortgeschritten. Gleichzeitig werden die erforderlichen Kopplungsbeziehungen mit angegeben. Für einen Behälter, in dem eine Flüssigkeit mit dem Massenstrom ih^ eintritt, und aus dem diese Flüssigkeit mit dem Massenstrom m2 austritt, gilt die Massenbilanz dm —
(3.31)
= Tili — m 2
Wird der Behälter weder beheizt noch gekühlt, so ist die Masse die einzige zu betrachtende Erhaltungsgröße. Wenn die gleiche Flüssigkeit mit gleicher
Hi
fy w2
H2
?
Abb. 3.13. Ausströmen einem Behälter
einer Flüssigkeit
aus
Temperatur ein- und austritt, dann ist die Dichte konstant, und man kann statt mit der Massenbilanz auch die Beziehung für das Volumen V mit den Volumenströmen i) schreiben dV
-df
=
V i
(3.32)
-V°
Ist v2 die gesuchte Ausgangsgröße des Modells, so muß v2 aus v2 — w2 • AR (w2. = Austrittsgeschwindigkeit, AR = Rohrquerschnittsfläche) ermittelt werden. Mit den Bezeichnungen aus Abb. 3.13 gilt nach BEKNOULLI: w22 + P» + e ' 9 ' Hz = J V
+ Pi + ß ' 9 • H,
(3.33)'
Nimmt man auf Grund der stark unterschiedlichen Querschnittsflächen von Behälter und Rohr an, daß w22 w^ und demzufolge w^ = 0, so ist mit H = Hl
—
H2 •WI =
Mit p1 =
folgt w2 =
y - ( P I - F T
+ 9-QH)
•
(3.34)
die Beziehung für den idealisierten Ausfluß Vorgang |/2gr • H
und
v2 = w2 • AR
= AR / 2 g • H
43
Prozeßmodelle
Zur Berücksichtigung des realen Strömungswiderstandes wird eine Ventilkonstante hv eingeführt, in der man zweckmäßigerweise gleich AR mit erfaßt, dann gilt für p 1 = p2 v2
=
(3 35)
]1H
hv
und allgemein v2 = hv
+ g-g-H
- p2
(3.36)
Da q • g • H der Druck der Flüssigkeitssäule ist, ist der am Boden wirkende Druck p ges = + q • g • H. Ist der Querschnitt des Behälters über der Höhe konstant, so ergibt sich mit H = VfA das in Abb. 3.14a dargestellte Modell. Verändert sich der Querschnitt mit der Höhe, so ist dV
_
~dt
~~ dH
m
(A + n • D • H) (Td -
T2
>
für die Berechnung der Temperatur und des Füllstandes im Kessel. Über die Höhe H kann auch der Austrittsstrom i>2 = hv }/H bestimmt werden.
46
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
Wird kein offener, sondern ein geschlossener Kessel durchströmt, Abb. 3.17, so wird der Eingangsstrom, der bisher als unabhängige Variable betrachtet wurde, abhängig von und p2. Nimmt man an, daß für das im Behälter eingeschlossene Gas mit der Masse m das ideale Gasgesetz gilt und der Vorgang isotherm ist, so ergibt sich das in Abb. 3.17 dargestellte Modell. Dabei sind VB das Behältervolumen, Vg das vom Gas und V das von der Flüssigkeit eingenommene Volumen.
P?
dV
.
dr-"i-
. v
V W
t
V6=VS-
•v2
F '9
9
P3
V
P3v6
Vr=m-RT
Abb. 3.17. Kessel
Geschlossener
Die bisher betrachteten Modelle können relativ leicht zu einem Modell für eine Reaktion mit Wärmezufuhr bzw. Kühlung im geschlossenen Kessel zusammengesetzt werden. Allen bisherigen Modellen ist gemeinsam, daß das System als gut durchmischt, also als ein System mit konzentrierten Zustandsgrößen angesehen Wurde. Alle Modelle sind der Schicht der makroskopischen Beschreibung zuzuordnen. Die nächsthöhere Schicht der Beschreibung läßt die Voraussetzung der idealen Durchmischung fallen und den maximalen Gradienten, d. h. den Gradienten in einer Richtung, zu. Die dafür gültigen Gleichungen der Komponentenmassenbilanz und der Energiebilanz sind in Tab. 3.5 (S. 38) angegeben. Als erstes Beispiel dafür wird die Absorption eines Gases in einer Flüssigkeit betrachtet, Abb. 3.18. Für das zu modellierende ideale Objekt wird in diesem Fall angenommen, daß Gas und Flüssigkeit den Apparat als zwei getrennte Phasen mit gasdurchlässiger Phasengrenzfläche im Gegenstrom passieren. Dabei werden folgende Annahmen getroffen: a) Es wird nur die Veränderung der Konzentration in Längsrichtung (xRichtung) des Apparates betrachtet (d. h. d c / d y = 8c¡dz = 0 im multiplen Gradienten-Modell). b) Die Dispersion wird gegenüber der Pfropfenströmung vernachlässigt (d. h. ideale Pfropfenströmung).
Prozeßmodelle
47
c) Der Vorgang sei isotherm (d. h. keine Wärmebilanz erforderlich). d) Es findet keine Reaktion statt (d. h. RÄ = 0). e) Die Geschwindigkeit ist konstant, wx = const. |
.
|
Flüssigkeit•
Abb. 3.18. Gas-Absorber
I*.
I
Mit diesen Annahmen folgt aus (3.20) für die Komponentenbilanz de A ~dt
=
—Wr.z
uo ÔÇa A
dx
1-
mA
Für den stationären Zustand ist für die Gasphase
8cÄjdt
= 0 und es folgt
de A.g
wx
m
A,
dx dcA,f
für die Flüssigphase
Für das Gegenstromprinzip ist die Richtung des Gasstromes der des Flüssigkeitsstromes entgegengesetzt. Außerdem gilt : ihA,g = —mAif Drückt man den Übergangsstrom durch wA,g
—
—
g
• a(cA_g
— cA
g)
kA g — Übergangskoeffizient a — Interphasen-Übergangsfläche/Volumeneinheit c* g — Gleichgewichtskonzentration
aus, so ist die différentielle Stoffbilanz für die Gasphase dcAlg dx
—
^A,g
' a{pA,g
c
*,(
48
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
Mit yA —
Molfraktion von A in i der Gasphase
CA
Massengeschwindigkeit des Gases
rhg = wXtg • Qg
kommt man zu der in der verfahrenstechnischen Literatur üblichen Darstellung dyA — -j= -kA,g Qg dX dx =
• a{yÄ -
rhg 6g
•
yA*)
dyA
A,g - a
K
(VA — VA *\
VA,A
Qg • KA,g Qo
-a j
VA
—VA*
VA
Ha — Höhe einer Übertragungseinheit Nn — Anzahl der Übertragungseinheiten
Als nächstes Beispiel eines Objektes, dessen Zustandsgrößen in einer Koordinatenrichtung verteilt sind, wird ein Doppelrohr-Wärmeübertrager mit Gegenstromprinzip betrachtet, Abb. 3.19. Die Energiebilanz eines derartigen Systems ist in Tab. 3.5 gegeben als (8T
* • * ("F +
8T\
âj
=
„
•
** + Ä
Es soll die Wärmeübertragung zwischen zwei Flüssigkeiten betrachtet werden. Das Heizmedium durchströmt das innere Rohr mit dem Durchmesser D. Das aufzuheizende Medium durchströmt den Mantel. Es findet keine Reaktion in den Flüssigkeiten statt (d. h. SR = 0), die Wärmeverluste nach außen werden vernachlässigt. Da eine partielle Differentialgleichung in zwei Variablen Schwierigkeiten bei der Lösung mit sich bringen kann, soll zunächst der stationäre Zustand, d. h. 8T[dt = 0, betrachtet werden. Damit ist dT
.
Wendet man- diese allgemeine Beziehung konkret auf die durch ein Volumenelement der Länge Ax fließenden Massenströme mM und riiR der Mantelund Rohrseite an und ersetzt man E durch die für den Wärmestrom q übliche Beziehung, so ergibt sich das in Abb. 3.19 dargestellte Modell für den stationären Zustand. Zu diesem Modell wäre man auch durch folgende Betrachtung gekommen. Für hinreichend kleine Elemente Ax ergibt sich die Ausgangstempe-
49
Prozeßmodelle a)
"'
lt I mM
r e
ix>
'—I
i i
i
i^7" i
CÌ
dl
a —
'M,e
Abb. 3.19. Doppelrohr-Wärmeübertrager mit Gegenstromprinzip
dT
ratur bei gegebener Eingangstemperatur T als T + — • Ax (Abb. 3.19c). Da für den stationären Zustand die zeitliche Veränderung des Wärmeinhalts der Elemente gleich Null ist, ergeben sich die Bilanzen durch die Betrachtung Eingang = Ausgang. Damit gilt für die Wärmebilanz auf der Mantelseite d T W'MC'P.MTM
4
Hartmann
+
1 —
^M
• CP,M
( TM
dx
u
A x )
50
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
und die Wärmebilanz auf der Rohrseite
/ dTR A \ mRcp,RTR = rhRcPiR ITÄ + —j— Ax\ — q Diese beiden Gleichungen ergeben ebenfalls das Modell von Abb. 3.19c, jedoch ist es vor allem bei komplizierten Vorgängen einfacher, die allgemeinen Bilanzgleichungen der Tab. 3.3 bis 3.6 durch die jeweils zutreffenden Annahmen zu konkretisieren und zu vereinfachen, als stets alle Bilanzen neu abzuleiten. Die Gl. (3.21) aus Tab. 3.5 kann auch Ausgangspunkt für ein Modell des instationären Zustandes des Wärmeübertragers sein, Abb. 3.20. Für die Dar-
¿x
0}
n-1 Maniel Rohr
n+1
Tm,p-i .J^-Tm^. I t In I
ÏM,n*i
r - wjIPI
77777777 '
i
r
b)
_J
c)
Mögliche Annohmen •
Abb. 3.20. Dynamisches Modell für den DoppelrohrWärmeübertrager
51
Prozeßmodelle
Stellung des Temperaturverlaufes in Abhängigkeit von der Zeit läßt sich diese Gleichung darstellen als
/
dT dt
8T\
•
q • cp
Mit q • wx = mjA, A = V/Ax und E = qjV ergibt sich dT
dt
-
Q* • V(—AT)
+
dT
9
V • Q • cp AT
wenn man gleichzeitig = einsetzt, um die partielle Differentialgleichung in eine gewöhnliche zu überführen. Dabei ist V das Volumen eines betrachteten Elementes der Länge Ax und Querschnittsfläche A (s. Abb. 3.20a). Als Näherung für den Temperaturverlauf kann angenommen werden, daß die Temperaturen an den Trennflächen der Elemente dem arithmetischen Mittel der Temperaturen der Zentren' der benachbarten Elemente entsprechen. So ist z. B. die Temperatur des in die Mantelsektion n eintretenden Stromes ~2 (Tjtf.n
+ TMiU+1).
Damit ergeben sich die Temperaturdifferenzen
ATM
1
Ausgang
Eingang
— — L(TMTJT + 7V,„-i) — (?V,n + TM,n+l)~\
— ATM = — (?V.B+1 — ^V,n-l) —ATR
= — {TRN^ J —
TNN+1)
Hieraus folgt für das Element n das in Abb. 3.20b dargestellte mathematische Modell. Mit Hilfe dieses Modells für einen Abschnitt kann der gesamte Temperaturverlauf für einen Rohrwärmeübertrager entsprechend dem Informationsflußgraphen (Abb. 3.20c) berechnet werden. Für die Austrittstemperatur der in Strömungsrichtung letzten Sektion kann je nach gewünschter Genauigkeit angenommen werden oder
TM,a ^ TM.O
4*
^
TM1 2 ^Ma
—
TMl).
relative
Lange
Abb. 3.21. Übertragungsverhalten eines Doppelrohr-Wärmeübertrager
Prozeßmodelle
53
Abbidung 3.21 zeigt das dynamische Verhalten eines Wärmeübertragers von 3,00 m Länge mit einer Einteilung in zehn Abschnitte von Ax = 0,3 m. Das stationäre Temperaturprofil wurde bei t = t0 dadurch gestört, daß TR e von 75 °C auf 80 °C erhöht wurde. Nach einer Stunde ist der neue stationäre Zustand erreicht. Dieses Stufenprinzip, das hier in der Anwendung ein und desselben Modells auf gedanklich getrennte Abschnitte eines Systems mit verteilten Zustandsgrößen bestand, kann auch bei apparativ getrennten Elementen genutzt werden. Typische Beispiele dafür sind Rührkesselkaskaden und Destillationskolonnen mit Böden. Abbildung 3.22 zeigt einen Informationsflußgraphen für eine iV-stufige Destillationskolonne. Der Berechnung des Verhaltens der Kolonne liegt mit Ausnahme der Rechnung für den Sumpf, den Einlaufboden und den Kondensator immer wieder das Modell eines Bodens zugrunde, wie es in der Literatur mehrfach für die Zweistoff- und die Mehrstoffdestillation zu finden ist. Das Modell ist ein kompliziertes Differentialgleichungssystem,
54
Analyse und Modellierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
seine Anwendung in diesem Informationsfluß erfordert großen Berechnungsaufwand. Nach der Ableitung der allgemeinen Bilanzgleichungen für die unterschiedlichen Schichten der Betrachtung und den Beispielen für konkrete Modelle werden einige Aussagen zu den Anwendungen der Schichten und den Übergängen von einer Schicht zur anderen zusammengefaßt und die Konsequenzen für die Randbedingungen dargestellt. Hierbei sei nochmals auf Tab. 3.2 verwiesen. Die molekulare Beschreibung geht von der Tatsache aus, daß jedes System, auch jedes Stoffsystem in einem Elementarprozeß, aus individuellen Teilchen besteht, von denen jedes bestimmte Gesetze befolgt. Auf dieser Grundlage können z. B. in der Quantenmechanik alle Eigenschaften und Antworten eines Systems theoretisch berechnet werden. Diese Schicht führt aber zu unvertretbaren bzw. unlösbaren mathematischen Problemen für Ingenieuraufgaben. Sie wurde deswegen nicht weiter betrachtet. Im Unterschied hierzu gehen alle folgenden Schichten von der Betrachtung individueller Teilchen zur Betrachtung des Stoffsystems als ein Kontinuum über. Die Gleichungen dieser Schichten sind Beziehungen zwischen den abhängigen und den unabhängigen Variablen. Für ihre Anwendung muß der Ingenieur die Werte der unabhängigen Variablen kennen, also messen oder aus anderen Messungen berechnen können. In der mikroskopischen Betrachtungsweise (Tab. 3.3) stehen z. B. die Geschwindigkeiten wx , wy und wz , für die bei der Betrachtung eines bestimmten Volumenelementes die konkreten Werte einzusetzen sind, die an einem bestimmten Ort des Systems zu einer bestimmten Zeit vorhanden sind. Gleiches gilt z. B. für Konzentrationen und Temperaturen. Aus diesem Grunde hat diese Schicht der Beschreibung für Ingenieuraufgaben nur eingeschränkte Bedeutung. Sie wird — wie in Tab. 3.2 angegeben — z. B. zur Beschreibung laminarer Transportphäonomene in Grundlagenuntersuchungen benutzt. Beim Übergang zur Schicht der multiplen Gradienten geht man von den Momentanwerten der Prozeßvariablen auf zeitliche Mittelwerte über, und eine wesentliche Konsequenz daraus ist, daß man von molaren Koeffizienten zu den effektiven Koeffizienten (z. B. von dem molaren Diffusionskoeffizienten zum effektiven) übergeht. Diese Koeffizienten sind eindeutig empirisch, sie hängen vom Strömungszustand und damit vom Ort ab und müssen für jeden Typ des Objektes experimentell bestimmt werden. Diese Form der Beschreibung muß angewandt werden, wenn einerseits die Voraussetzungen für die mikroskopische Beschreibung nicht erfüllbar sind und andererseits die Gradienten der Zustandsgrößen so groß sind, daß mehr als eine Koordinatenrichtung berücksichtigt werden muß. In der nächsten Schicht wird nur noch der maximale Gradient berücksichtigt, d. h., die Veränderung der Prozeßgrößen wird nur noch in einer Raumkoordinate betrachtet. Diese Größen werden als Mittelwerte über dem Querschnitt angesehen. Durch diesen Schichtübergang werden die Modellgleichungen und ihre Lösung einfacher, allerdings zu Lasten der detaillierteren Infor-
Prozeßmodelle
55
mationen, die die Modelle der vorhergehenden Schichten liefern könnten, wenn ihre Voraussetzungen erfüllbar sind. Dadurch, daß die makroskopische Betrachtung alle inneren Details des betrachteten Systems ignoriert, wird eine noch größere Vereinfachung der mathematischen Beschreibung erreicht. Wenn das System als gut durchmischt angesehen wird, so ist die Folge, daß das mathematische Modell keine räumlichen Gradienten und dementsprechend keine Ableitungen der Prozeßgrößen nach dem Ort enthält. Es verbleiben für dynamische Betrachtungen gewöhnliche Differentialgleichungen mit der Zeit als unabhängige Variable. Abstrahiert man dann auch noch von den zeitlichen Veränderungen, so ergeben sich algebraische Gleichungen. Für die Anwendung der Modelle müssen die in ihnen enthaltenen Differentialgleichungen über Raum und Zeit integriert werden, d. h. ihre allgemeine Gültigkeit ist durch entsprechende Rand- und bzw. oder Anfangsbedingungen auf ein bestimmtes Volumen und einen bestimmten Zeitpunkt zu konkretisieren. Die Ableitung dieser Bedingungen muß unmittelbarer Bestandteil der Modellbildung sein. Die Anzahl dieser Bedingungen muß für jede Differentialgleichung der Ordnung dieser Gleichung entsprechen. Für alle Schichten, die das Medium als ein Kontinuum betrachten, lassen sich die in Tab. 3.7 zusammengefaßten Randbedingungen aufstellen. Dabei wird angenommen, daß die Bilanzraumgrenze an der Stelle x = x0 liegt und die beiden Seiten dieser Grenze durch . + x 0 und —x0 dargestellt werden. Der Unterschied zu den Beschreibungsformen der multiplen und des maxiTabelle 3.7 Randbedingungen Massen-Bilanzen 1. Die Konzentration an einer Grenze ist angegeben; c = c0, 2. Der Massenstrom an einer Grenze ist stetig, [m]a,+ = ["¡•lar» die Konzentration an beiden Seiten einer Grenze steht in funktionellem Zusammenhang, [Cj]z+ = /[cjj.3. Der empirisch bestimmte Massenstrom an einer Grenze ist gegeben durch, M.r=o = k'(c — c*) 4. Die Reaktionsgeschwindigkeit an einer Grenzfläche ist gegeben durch [_NÄ]x=ü = RÄ Energie-Bilanzen 1. Die Temperatur an einer Grenze ist gegeben, T = T0, 2. Der Energiestrom an einer Grenze ist stetig, [g].^ = [?].r-, die Temperatur ist an beiden Seiten einer Grenze gleich [T]x+ = [T]x3. Der empirisch bestimmte Energiestrom an einer Grenze ist gegeben durch
[q]x=0 = k(T - T*) 4. Der Wärmestrom an einer Grenze ist angegeben q = q0.
56
Analyse und Modèflierung stoffwirtschaftlicher Verfahren
malen Gradienten soll in Zusammenhang mit den Randbedingungen noch am Beispiel der Rohrströmung betrachtet werden. In einem Rohr strömt eine Flüssigkeit, die wärmer ist als die Umgebung des Rohres, Abb. 3.23. Wird als reale Geschwindigkeitsprofil, also auch der Gradient in radialer Richtung
Abb. 3.23. Wärmeübergang in einem Rohr a) unter Annahme eines radialen Temperaturprofils b) unter-Annahme gleicher Temperatur über den Radius
betrachtet, so ergibt sich die Wärmebilanz für die Volumeneinheit in zylindrischen Koordinaten als
18T
8T w„ 8T
8T\ 1 8 /,- 8T\
r 2 8