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German Pages 1094 [1092] Year 2013
Joachim Telle Alchemie und Poesie Band 1
Eine Mercurius philosophorum-Personifikation als Aufbauteil des Bildgedichts Sol und Luna. – Paris, BN, Ms. lat. 7171, Bl. 16 (16. Jh.).
Joachim Telle
Alchemie und Poesie Deutsche Alchemikerdichtungen des 15. bis 17. Jahrhunderts Untersuchungen und Texte Mit Beiträgen von Didier Kahn und Wilhelm Kühlmann Band 1
De Gruyter
ISBN 978-3-11-029038-7 e-ISBN 978-3-11-029051-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Julian Paulus, Wiesloch Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier ○ Printed in Germany www.degruyter.com
FÜR K. T.
Inhalt Band 1 Wilhelm Kühlmann Wissen als Poesie. Zu Formen und Funktionen der frühneuzeitlichen Lehrdichtung im deutschen Kulturraum des 16. und 17. Jahrhunderts
1
Didier Kahn La poésie alchimique dans l’Europe médiévale et moderne
85
Vorbemerkungen
149
Nr. 1 Turba-Reimpaarsprüche als Bildgedicht
163
Nr. 2 Die Sprüche der »Turba«-Philosophen vom alchemischen Stein
187
Nr. 3 Das Spruchgedicht Von der alchemischen Kunst
207
Nr. 4 Wappen und Wappendichtung in der Vera scientia alchimiae
223
Nr. 5 Aristoteles an Alexander über den philosophischen Stein. Die alchemischen Lehren des pseudo-aristotelischen ›Secretum secretorum‹ in einer deutschen Versübersetzung des 15. Jahrhunderts 259 Nr. 6 Zur Spruchdichtung Der Stein der Weisen von Hans Folz
283
Nr. 7 Neptun unter Alchemikern. Ein deutsches Lehrgedicht »Vom alchemischen Stein« des Görlitzer Juristen Georg Klet (1508)
325
Nr. 8 Ein Rätselgedicht »Vom Stein der Weisen« von Georg Klet
351
Nr. 9 Das Bildgedicht »Sol und Luna« in einer Versbearbeitung
363
VIII
Inhalt
Nr. 10 »Von der Bescheidenheit des Alchemikers«. Ein deutsches Spruchgedicht des 16. Jahrhunderts über die artifizielle Spezieswandlung 369 Nr. 11 Ein Gedicht »Vom Rebis«
399
Nr. 12 »Vom Stein der Weisen«. Eine alchemoparacelsistische Lehrdichtung des 16. Jahrhunderts
407
Nr. 13 Johann Arndt – ein alchemischer Lehrdichter? Bemerkungen zu Alexander von Suchtens De lapide philosophorum (1572)
461
Nr. 14 Der Wegweiser (1577). Eine paracelsistische Weisheitslehre für Graf Wilhelm II. zu Oettingen
487
Band 2 Nr. 15 Zu einer Lehrdichtung von Martin Sturtz
549
Nr. 16 Christoph von Hirschenberg
557
Nr. 17 »De prima materia lapidis philosophici«. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus
647
Nr. 18 Von der Meisterschaft der sieben Planeten. Zu einer astro alchemischen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Corpus
689
Nr. 19 Der »Sermo philosophicus«. Eine deutsche Lehrdichtung des 16. Jahrhunderts über den Mercurius philosophorum
725
Nr. 20 Vom Tinkturwerk. Ein alchemisches Reimpaargedicht des 16. Jahr hunderts und seine Bearbeitungen von Andreas Ortel (1624) und J. R. V. (1705)
761
Inhalt
IX
Nr. 21 Das Bildgedicht Vom Geheimnis der Weisen. Bemerkungen zu einer Pseudo-Tabula smaragdina des 16. Jahrhunderts
801
Nr. 22 »Von der Wahrheit der alchemischen Kunst«. Der pseudoparacelsische Brieftraktat »Vom Wunderstein« in einer frühneuzeitlichen Versfassung
865
Nr. 23 »Wo sind meine Vers’?« – Paracelsus als Poet
889
Nr. 24 Das pseudoparacelsische Adler/Löwe-Sinnbild unter deutschen Lehrdichtern
897
Nr. 25 Die Dichtungen im Dritten Anfang der mineralischen Dinge von Johann Hartprecht unter besonderer Berücksichtigung eines Lehrgedichtes Vom Salz
931
Nr. 26 Fachschriftsteller als »Rhätersschreiber«. Rätselreime aus deutschen Alchemica der frühen Neuzeit
989
Nr. 27 Eine deutsche Alchimia picta des 17. Jahrhunderts. Bemerkungen zu dem Vers/Bild-Traktat »Von der hermetischen Kunst« von Johann Augustin Brunnhofer und zu seinen kommentierten Fassungen im »Buch der Weisheit« und im »Hermaphroditischen Sonn- und Monds-Kind«
1015
Editorische Notiz
1039
Dank
1043
Gedichtanfänge
1045
Index codicum manuscriptorum
1050
Index nominum
1061
Wilhelm Kühlmann Wissen als Poesie. Zu Formen und Funktionen der frühneuzeitlichen Lehrdichtung im deutschen Kulturraum des 16. und 17. Jahrhunderts I. Historische Grundlegung und Gattungsbestimmungen Bis hin zur komplexen Ausdifferenzierung neuer ästhetischer Konzeptionen im späteren 18. Jahrhundert gehörte es über mehr als zweitausend Jahre zu den wesentlichen, ja selbstverständlichen Funktionen des ganz überwiegenden Teils der abendländischen Literatur, etabliertes oder auch neues Wissen bewusst und sichtbar zu vermitteln bzw. zu verarbeiten und deshalb in dieser oder jener Hinsicht ›belehrend‹ zu sein. Die Grenzen zwischen Fiktionalität, Historizität und Faktualität des Geschriebenen waren oft genug fließend. Hybride textuelle Vermittlungsformen signalisieren, dass sich in der Frühen Neuzeit Leser und Autoren mit einer offenkundigen Pluralisierung, Differenzierung und Expansion der epistemischen Diskurse sowie weitläufigen Austauschprozessen zwischen literarischen Texten und Textmodellen in divergenten Kontexten auch über die deutsch-lateinische Sprachgrenze hinaus konfrontiert sahen.1 Sehen wir ab von den Formen lehrhafter, auch fiktional organisierter Prosa (z. B. der Dialogliteratur oder dem Lehrbrief ),2 fassen wir unter dem Begriff ›Lehrdichtung‹3 das versgebundene, mehr oder weniger 1
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Generell zu den deutschen Literaturverhältnissen im 16. Jahrhundert die »Einleitung der Herausgeber« in: Erzählen und Episteme (2011), S. 1–19. Zur Gattungsdiskussion der Lehrdichtung s. vor allem Fabian (1968), Jäger (1970 bzw. 1980) und Siegrist (1976, 2. Kapitel, S. 20–88); zum neulateinischen Sektor erhellend B. Czapla (1999) sowie die großen Monographien zur Romania, in erster Linie Roellenbleck (1975). Auf außerdeutsche Lehrdichtungen gehe ich nur in wenigen Streiflichtern ein, sofern die betreffenden Werke im deutschen Sprachraum rezipiert wurden. Der Begriff ›Lehrdichtung‹ ist ein jüngeres wissenschaftliches Abstraktum für ein traditionsreiches Konzept. Spätestens seit Harsdörffer war (als Lehnübersetzung) der Terminus ›Lehrgedicht‹ möglich, rein funktional verstanden im Sinne fabulöser oder parabolischer Didaxe (Frauenzimmer Gesprächspiele VII, 1647, Nr. CCLVIII; dann im Titel der erbaulichen Sammlung Nathan und Jotham. Das ist Geistliche und Weltliche Lehrgedichte, 1659); dazu Heßelmann (2006) und Stockhorst (2008), S. 384–398. In der Frühaufklärung überschnitt sich der Begriff im Sinne handlungsloser Poesie mit verwandten Bezeichnungen (Lehrlied, Lehrode, Lehrgesang, philosophisches oder moralisches Gedicht); Belege dazu bei Albertsen 1967, bes, S. 10–39; seine von totaler Ignoranz gekennzeichnete Darstellung der »Neolatinisten« (!), d. h. nur zu Rapin und Heinsius (S. 58–63!), und sein Kategoriensystem als ganzes bedürfen der gründlichen Revision; dazu trefflich auch schon Jäger (1970); zum genregeschichtlichen Überblick in Kurzform nützlich, jedoch noch sehr vorläufig, was die Frühe Neuzeit angeht, die Artikel ›Lehrdichtung‹ von Liebermann u. a. (2001) sowie Kühlmann (2001).
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Wilhelm Kühlmann
ästhetisch ambitionierte Schrifttum zur Vermittlung oder poetischen Nobilitierung von Sach-, Verhaltens- und Orientierungswissen. Unter systematischen Gesichtspunkten orientierte sich dieses Textkontinuum nicht an Axiomen des mimetischen, eine zweite Wirklichkeit konstruierenden Literatursystems, sondern setzte das rhetorisch konzipierte Vorverständnis von Literatur voraus: 1. In der funktionalen und rezeptionsorientierten Zuordnung von res (Gegenständen) und verba (Formkalkül und Aussageverhalten). 2. In der Konzeption von Dichtung als oratio ligata (metrisch gebundener Rede) unabhängig von der Gesamtheit aller möglichen Gegenstände; so zum Beispiel definierte Johann Heinrich Alsted in seiner Encyclopaedia (1630):4 Subjectum Poëticae est informationis, tractationis et operationis. Subjectum informationis est ingenium poëticum. Subjectum tractationis est modus bene effingendi orationem ligatam, sive numeris adstrictam. Subjectum operationis est omne ens & non-ens; & ens quidem secundùm omnes facultates.
3. In der Lehrhaftigkeit (docere) und Nutzbarkeit (prodesse) von Literatur, wie sie in Horazens kontinuierlich verbreiteten und bis ins 18. Jahrhundert autoritativen, in Verse gefaßten Lehrbrief (Ars poetica, V. 333) beglaubigt waren. 4. In der spätestens seit Ciceros De Oratore geforderten universalen Bildung und damit auch unbegrenzten Zuständigkeit des perfekten Redners für alles verfügbare, d. h. erlernbare Wissen; dem entsprach die in der Frühen Neuzeit immer wieder am Exempel Homers, auch an dem der Vorsokratikern abgesicherte, meist apologetisch akzentuierte 6. Personalunion des Poeten mit dem Naturkundler und Philosophen, festgeschrieben z. B. auch in Martin Opitz’ wegweisendem Buch von der Deutschen Poeterey (1624, Kap. 3), nicht zuletzt im Verweis auf kanonische Lehrdichter:5 So ist auch ferner nichts närrischer / als wann sie meinen / die Poetrey bestehe bloß in jhr selber; die doch alle andere künste vnd wissenschafften in sich helt. [. . .]. Wann auch die verse nur blosse worte sindt (wiewohl das so wenig möglich ist / als das der Cörper ohne die Seele bestehen könne) was ist es denn das Eratosthenes ein getichte von beschreibung der Welt / so Hermus geheissen / das Parmenides vnnd Empedocles von Natur der Dinge / das Seruilius und Heliodorus / derer Galenus erwehnet / von der ärtzney geschrieben haben? Oder / wer kan leugnen / das nicht Virgilius ein gutter Ackersman / Lucretius ein vornemer naturkündiger / Manilius ein Astronomus / Lucanus ein Historienschreiber / Oppianus ein Jägermeister / vnd einer vnd der andere der Philosophie obristen sein / da sie doch nichts als Poeten sein.
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Johann Heinrich Alsted: Encylopaedia. Ndr. der Ausgabe Herborn 1630 mit einem Vorwort von Wilhelm Schmidt-Biggemann und einer Bibliographie von Jörg Jungmayr. 4 Bde. Stuttgart-Bad Cannstatt 1989, hier Bd. 1, (Liber X, cap. II), S. 510. Zu Alsteds Poetik jetzt Hintzen (2013). Zitiert nach Opitz: Buch von der Deutschen Poetery (1624, ed. 2002), S. 17 (Umlaute hier in der Schreibung ›modernisiert‹).
Wissen als Poesie
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Im 17. Jahrhundert wurde diese funktionale Maxime in Poetiken weiter tradiert, wenn auch, wie etwa bei dem Wittenberger Poetikprofessor Augustus Buchner (1591–1661), mit der deutlich abgrenzenden Empfehlung, dass der »Poet nicht auf eine vollkommene Wissenschaft / wie der Philosophus« ziele, »sondern nur auf eine äusserliche Erkäntnis derer Dinge / davon Er Jhme zu handeln fürgenommen / anderen zu Nutze«.6 Dem geht voran ein längerer Katalog der antiken und rinascimentalen (außerdeutschen) Lehrepik, in dem sich das aktuelle gattungstypologische Bezugsfeld auch in heute so gut wie verschollenen Werken konstituiert (S. 22–25 zur »Materie des Poeten«): [. . .] So nun die Poёterey in Warheit eine Philosophie ist / die Philosophie aber alle Göttliche und Menschliche Sachen in sich begreiffet / so erscheinet hieraus / daß die Poeterey nicht enger / als die Welt und Natur an ihr selbsten / eingeschrencket sey / und der Poet nicht allein bey allerley Menschlichen Händeln / Kriegen / Schlachten / Bündnissen / Friedestifftunge / Hochzeiten / Begräbnissen / und dergleichen unzählichen Verrichtungen / so täglich vorlauffen; Sondern auch von Gött- und natürlichen Sachen / wie die Nahmen haben mögen / mit allem fuge schreiben könne. Wie dann bey den Lateinern (die Griechen wollen wir itzo übergehen) Lucretius von der Natur / Manilius von der Astronomie / Macer von den Artzeneyen wieder den Gift der Schlangen und anderer Thiere / dergleichen Bücher bey den Griechen Nicander uns hinterlassen hat / Serenus Sammonicus von der Artzney ins gemein / Virgilius vom Ackerbau / Columella von Bestellung eines Garten / Palladius von pfropffen und impffen / Gratius und Nemesianus vom Weidewerck geschrieben haben / welches alles theils zu dem Haußwesen / theils in die Physic gehöret. Also hat der gelehrte Italiäner Jovianus Pontanus / welchem / als seinem hochverdieneten Präceptori und treuen Rathe / Alphonsus der jüngere / König in Arragonien / zu unsterblichen Ehren ein Metallines Bildniß in seinem herrlichen und von ihme ganz neu erbauetem Schlosse und Lust-Hause / nahe bey Neapolis / setzen lassen / von den Meteoris / item von dem Gestirn unterschiedene Bücher in Versen verfertiget. Wie denn nach ihm der berühmte Poet Buchananus von der Sphär / der Herr von Nordwick aber von himmlischen Sachen geschrieben haben. Es hat auch der Fracastorius von der abscheulichen Kranckheit der Frantzosen / ein gar schön und herrliches Gedichte uns hinterlassen. So lesen wir ein anders des Vida von Seidenwürmen / so wol des Augurellus Bücher vom Goldmachen / welche er Leoni dem Zehenden / Römischen Pabste / zugeschrieben hat. Und könten wir dergleichen viel andere / als den Thuanus / der von der Falcknerey und beitzen / den Bargelius / der von der Hirschjagt geschrieben / anführen / wann solches die Zeit und unser Fürsatz uns zulassen wolte / denn wir zu eilen haben / und demnach dieses zurücke setzen müssen.
Die Symbiose von poetischem Anspruch und der Verfügung über weitreichende Wissensbestände hielt sich auch noch durch in der emphatischen Charakteristik des Dichters bei dem Mitbegründer der Nürnberger ›Pegnitzschäfer‹, dem
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Augustus Buchner: POET. Aus dessen nachgelassener Bibliothek heraus gegeben von Othone Prätorio P. P. Wittenberg 1665. In: Ders.: Anleitung zur deutschen Poeterey. Poet. Hg. von Marian Syrocki. Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 5), gesonderte Paginierung, S. 27f.
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Großliteraten Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658), auch wenn er hier in erster Linie eine die neue poetische Stilistik begründende Theorie ›Natursprache‹ bedenkt:7 Keine Kunst ist / er hat sie durchsuchet / keine Wissenschafft er hat sie erforschet / und mit hochgestirnten Geist / glücklich und schicklich zu Nutzen gebracht. Die Natur ist sein grosses Buch daraus er die Gleichheit und Ungleichheit aller Sachen suchet und findet / reimet und bindet.
Auch Opitz’ paradigmatische Inanspruchnahme gerade der Lehrdichtung kongruiert in der Grundposition wie in der Praxis des frühneuzeitlichen Schulhumanismus nach wie vor mit den wegweisenden Thesen Ciceros von der engsten ›Nachbarschaft‹ des Poeten, d. h. hier des Lehrdichters, und des Redners (De Oratore I, 69): Etenim si constat inter doctos hominem ignarum astrologiae ornatissimis atque optimis versibus Aratum de caelo stellisque dixisse, si de rebus rusticis hominem ab agro remotisimum Nicandrum Colophonium poetica quadam facultate, non rustica, scripsisse praeclare: quid est cur non orator de rebus iis eloquentissime dicat, quas ad certam causam tempusque cognoverit? Est enim finitimus oratori poeta, numeris astrictior paulo, verborum autem licentia liberior, multi vero ornandi generibus socius ac paene par; in hoc quidem certe prope idem, nullis ut terminis circumscribat aut definiat ius suum, quominus ei liceat eadam illa facultate et copia vagari qua velit.
Solcher Anerkennung thematischer Universalität und didaktischer Literarizität kontrastierte freilich ein Theorie-Komplex, der gerade der Lehrdichtung poetische Dignität verweigerte. Wortführer war hier Aristoteles, der in seiner Poetik nach Maßgabe eines mimetischen Fiktionalitäts- und Handlungskriteriums (Homer versus Empedokles, Kap. 1, 1447b) der Lehrdichtung den Poesiecharakter absprach. Diese Skepsis setzte sich sehr viel später fort in Lessings Laokoon (Handlungspostulat versus Deskription).8 Höchst unschlüssig und ambivalent zeigte sich Goethe in seinem Aufsatz Über das Lehrgedicht von 1827,9 hatte er doch selbst zeitweise Pläne eines großangelegten Lehrgedichts (Die Geheimnisse) gehegt.10 Sehr genau verfolgte Goethe die über dreißig Jahre lang andauernden Lukrez-Studien und die LukrezÜbersetzung (Erstdruck Leipzig zweisprachig 1821, nach der 2. überarbeiteten 7 Poetischer Trichter, 1650, Ndr. 1969, 3. Teil, S. 377f. (unter dem Lemma »Poet/Poeterey«). 8 Unter anderem in der Diskussion der Schildbeschreibung bei Homer konstatierte Lessing,
grundsätzlich gerichtet gegen das Horazische »ut pictura poesis« (Horaz: Ars poetica 361), in Kap. XVI (ed. Vollhardt 2012, dort üppige Literaturhinweise, S. 115): »Gegenstände, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen, heissen überhaupt Handlungen. Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie.« 9 Zit. nach J. W. Goethe: Ästhetische Schriften 1824–1832 (1999), S. 317f., dazu der Kommentar S. 1141–1143; hier auch (S. 1143) der Hinweis auf eine der Anregungen Goethes, das 1819 in London erschienene humoristisch-geognostische Epos von John Scafe (gest. 1843): King Coal’s Levee or Geological Etiquette, das Goethe (so zu Eckermann am 18. 5. 1824) als gelungenes Beispiel der didaktischen Poesie ansah. 10 Aus diesem Projekt entstammte das auch poetologisch relevante berühmte Stanzengedicht »Zueignung«; dazu Regine Otto in: Goethe-Handbuch. Bd. 1 (1996), S. 205–209.
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Auflage ebd. 1831; als Taschenbuch neugedruckt 1960) seines »Ur-Freundes« Karl Ludwig von Knebel (1744–1834) und ehrte sie (als »wohlgelungen«) mit einer Rezension.11 Zwar beharrte Goethe in seinem Lehrgedicht-Aufsatz anfangs sogleich auf dem ästhetischen Diktat, es sei »nicht zulässig, daß man zu den drey Dichtarten, der lyrischen, epischen und dramatischen, noch die didaktische hinzufüge«, doch wird im Folgenden trotz solcher kunstrichterlichen, alle Argumenta tion verweigernden Attitüde dieses Verdikt angesicht der »Popularität« des Genres sichtbar aufgelockert. Goethes Probleme der Bewertung resultierten aus der noch immer letzthin vergeblichen Anstrengung, die Zusammengehörigkeit von Dichtkunst und Rhetorik aufzulösen (Auszug): Die didaktische oder schulmeisterliche Poesie ist und bleibt ein Mittelgeschöpf zwischen Poesie und Rhetorik, deshalb sie sich denn bald der einen bald der andern nähert, auch mehr oder weniger dichterischen Wert haben kann; aber sie ist, so wie die beschreibende, die scheltende Poesie, immer eine Ab- und Nebenart die in einer wahren Aesthetik zwischen Dicht- und Redekunst vorgetragen werden sollte. Der eigene Werth der didaktischen Poesie d. h. eines lehrreichen mit rhythmischem Wohllaut und Schmuck der Einbildungskraft verzierten, lieblich oder energisch vorgetragenen Kunstwerkes wird deshalb keinesfalls verkümmert: Von gereimten Chroniken an, von den Denkversen der älteren Pädagogen bis hin zu dem besten was man dahin zählen mag, möge alles gelten, nur in seiner Stellung und gebührenden Würde. Dem näher und billig Betrachtenden daher fällt sogleich auf, daß die didaktische Poesie um ihrer Popularität willen schätzbar sey; selbst der begabteste Dichter sollte es sich zur Ehre rechnen, auch irgend ein Capitel des Wissenswerthen also behandelt zu haben.
Hegel bemängelte später in seiner Ästhetik (bes. III, 1) beim Lehrgedicht das Fehlen der »individuellen Handlung«, die »poetische Abrundung« und Totalität, was auch immer das heißen mag.12 Bis hin zum Klassizismus des 18. Jahrhunderts, in dem verschiedene Genera der Lehrdichtung noch einmal in spektakulärer Fülle aufblühten, waren diese poetologischen Urteile in der literarischen Empirie allerdings so gut wie wirkungslos, zumal Aristoteles’ Poetik nur sehr allmählich im Laufe des 16. Jahrhunderts kommentiert und rezipiert wurde, jedenfalls eher im Blick auf das Drama als für die Differenzierung der didaktischen und narrativ-epischen Genera der Versdichtung eine ausschlaggebende Geltung gewann.13 Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass die Vorstellung von Poetik als ein gestalterische Freiheit Zu Knebel s. den zusammenfassenden Artikel (sub verbo) von Regine Otto. In: GoetheHandbuch. Bd. 4/1. (1998), S. 613–616. Goethes Rezension ist abgedruckt in: Ästhetische Schriften 1821–1824, ed. Greif/Ruhling (1998), S. 285–287, dazu der Kommentar mit Lite raturhinweisen S. 871–877; zu dem der Rezension von Goethe beigedruckten anonymen lateinischen Gedicht auf Lukrez s. Bernays (2002). Goethe fühlte sich durch Knebels Arbeit an Lukrez (dazu Maltzahn 1929, bes. S. 212–218, ferner Schmidt 1962) auch zu seiner »Metamorphose der Pflanzen« angeregt. 12 Hegel: Vorlesungen über Ästhetik, in der Ausgabe 1971, Dritter Teil, 2. Tl./Bd., S. 114. 13 Zur der hier interessierenden weitläufigen Diskussion der Aristotelischen Poetik in der Renaissance (am Beispiel der Dialogtheorie) hilfreich auch durch das Referat der Kommenare und der Forschungsliteratur Müller (2013) sowie Wels (2009), S. 11–21, hier passim zum 11
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Wilhelm Kühlmann
ermöglichender Teilbereich der Rhetorik im 17. Jahrhundert durchweg mit den platonischen bzw. aristotelischen Kategorien schöpferischer und ›sinnreicher‹ Phantasie bzw. inventio sowie ästhetischer Mimesis (imitatio) kompromisshaft vermittelt wurden.14 Im Gegensatz zu bekannten Theoretikern wie Charles Batteux (Traité sur les beaux arts réduits à un même principe, 1746; deutsch von Karl Wilhelm Ramler, Leipzig 1756–1758), der eine vierte, die didaktische Gattung neben den drei mittlerweile fast kanonisierten »Naturformen« (Goethe) der Dichtung anerkannte, hatte Lessing in seinem Laokoon mit dem vorliegenden Corpus selbst der renommierten Lehrdichtung seine Probleme. Zwar konnte er Lukrez zitieren, um die Unvereinbarkeit von Poesie und Malerei zu untermauern,15 doch wählte er aus Vergils Georgica, dem grandiosen, von Lessing offenbar gar nicht solches wahrgenommenen Weltgedicht, ausgerechnet die Darstellung einer »tüchtigen Kuh« bzw. eines »schönen Füllens« (georg. 3, 51–59 bzw. 79–81), um den Ausschluß »aus der Poesie« zu dekretieren:16 Überall, wo es daher auf das Täuschende nicht ankömmt, wo man nur mit dem Verstande seiner Leser zu thun hat, und nur auf deutliche und so viel möglich vollständige Begriffe gehet: können diese aus der Poesie ausgeschlossene Schilderungen der Körper gar wohl Platz haben, und nicht allein der Prosaist, sondern auch der dogmatische Dichter (denn da wo er dogmatisiret, ist er kein Dichter), können sich ihrer mit vielem Nutzen bedienen. [. . .] Denn wer sieht nicht, daß dem Dichter hier mehr an der Auseinandersetzung der Theile, als an dem Ganzen gelegen gewesen? Er will uns die Kennzeichen eines schönen Füllens, einer tüchtigen Kuh zuzählen, um uns in den Stand zu setzen, nach dem wir deren mehrere oder wenigere antreffen, von der Güte der einen oder des andern urtheilen zu können; ob sich aber alle diese Kennzeichen in ein lebhaftes Bild leicht zusammen fassen lassen, oder nicht, das konnte ihm sehr gleichgültig seyn.
Das von den Zeitgenossen vielgerühmte Frühlingsgedicht des Ewald von Kleist (1715–1759), wie James Thomsons Seasons (1726–1730), von Knebel offenkundig verehrt,17 ein später Spross am weit verzweigten Baum der abendländischen Jahreszeiten-Poesie, an dem Kleist jahrelang gearbeitet hatte und das als Teil einer Landleben-Dichtung konzipiert war, wusste Lessing dadurch höflich zu kritisieren, dass er dem Verfasser nicht das Geschriebene, sondern das angeblich anders Gedachte unterschob:18 Von dem Herrn von Kleist kann ich versichern, daß er sich auf seinen Frühling das wenigste einbildete. Hätte er länger gelebt, so würde er ihm eine ganz andere Gestalt gegeben
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Thema ›Lehrdichtung‹ (s. Sachregister), z. B. auch zu Campanella (S. 40f.), der gegen Aristoteles bestritt, daß die Handlung das Wesen der Dichtung ausmache. Dazu umfassend und materialreich Fischer (1968). Ed. Vollhardt (2012), S. 73. Ebd. S. 127f. Abzulesen in: Hymnus zum Schlusse der Jahreszeiten von Thomson. In: K. L. von Knebel: Literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Hg. von K. A. Varnhagen von Ense und Th. Mundt. Erster Band. Leipzig 1835, S. 12–16. Lessing (wie Anm. 15), S. 128f.
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haben. Er dachte darauf, einen Plan hinein zu legen, und sann auf Mittel, wie er die Menge von Bildern, die er aus dem unendlichen Raume der verjüngten Schöpfung, auf Gerathewohl, bald hier bald da, gerissen zu haben schien, in einer natürlichen Ordnung vor seinen Augen entstehen und auf einander folgen lassen wolle.
Mit der rhetorischen Beschreibung von Textsorten war dagegen sehr gut zu vereinbaren die auf den antiken Vergil-Kommentator Servius und den Grammatiker Diomedes (4. Jahrhundert n. Chr.) zurückgehende, von Isidor von Sevilla aufgenommene,19 letzthin auch von Platon (Resp. III, 394 b) beeinflusste, über das Mittelalter auch die Neuzeit, so auch in der Poetik (1518) des Joachim Vadian (1484–1551),20 erreichende triadische Gattungstheorie. Sie unterschied, anders als die seit dem 18. Jahrhundert postulierten ›Grundformen‹ oder vorgeblichen ›Naturformen‹ der Dichtung (Epik, Lyrik, Dramatik) nach dem sogenannten Rede kriterium, d. h. darnach, ob ein Text (wie im Drama) von fremden (gegebenenfalls erfundenen) Personen, vom Autor (dazu gehörend Vergils Georgica und Lukrez) oder von beiden Sprecherinstanzen (als ›Mischform‹) gestaltet wurde. Auch Julius Cäsar Scaliger (1484–1558) übernahm in seinen berühmten Poetices Libri Septem (posthumer Erstdruck Lyon 1561) dieses Modell (Buch I, Kap. 3)21 und hielt am Verskriterium für den Begriff von Dichtung fest. Zwar findet sich in seinem Katalog von Textsorten (besonders Buch III), wohl in Anlehnung an Aristoteles, keine definitorische Rubrik für das Lehrgedicht (Lehrepos), doch vergleicht Scaliger die griechische Lehrdichtung des älteren bzw. den jüngeren Oppianos (1. bzw. 2. Jhdt. n. Chr.)22 unter anderem mit Passagen aus Vergils Georgica bzw. mit denen des Lukrez (Buch V, Kap. 9) und setzt sich intensiv und selbstverständlich mit der sachlichen Konzeption bzw. Genauigkeit, vor allem aber mit dem stilistischen Habitus berühmter rinascimentaler Lehrdichter auseinander. So eindeutig er zum Beispiel Girolamo Fracastoro (1478–1552), den Dichterarzt und Verfasser des ehrgeizigen
Dazu mit den entsprechenden Nachweisen und Rezeptionszeugnissen Trappen (1998), S. 58f. 20 S. die Neuausgabe von Peter Schäffer, hier in Bd. I (lateinische Edition), Kap. VIII, bes. S. 74f. 21 Zur Diomedes-Rezeption s. die zweisprachige Ausgabe von Deitz/Spira, hier Bd. I (1994), bes. S. 90f.: Lukrez als Beispiel der »narratio simplex«, d. h. des »dihegemnatischen und exegematischen und apodihegematischen« Gedichts. 22 In der Frühen Neuzeit unterschied man noch nicht wie in der späteren Philologie zwischen zwei gleichnamigen Dichterpersönlichkeiten: Oppian aus Korykos in Kilikien mit seinem Lehrgedicht über den Fischfang (Halieutica, 5 Bücher in 3506 Versen) und Oppian aus Apameia in Syrien mit seinem Lehrgedicht über die Jagd (Kynegetica, 2144 Hexameter in vier Büchern); s. dazu Effe (1977), S. 137–157 bzw. 173–184 sowie den Artikel (sub verbo) in NP, Bd. 8 (2000), Sp. 1259f. Für beide Epen ist in der Frühen Neuzeit eine beachtliche, aber, soweit ich sehe, noch kaum erforschte Rezeptionsgeschichte zu verzeichnen. Zur intensiven Arbeit mehrerer Späthumanisten (Konrad Rittershusius, Johannes Posthius) an einer Oppian-Edition in den Jahren 1588 bis 1596 vgl. aber die lehrreichen Ausführungen von Karrer (1993), S. 96–101. 19
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Lehrgedichts über die Syphilis (Syphilidis sive morbi Gallici libri tres, zuerst 1530)23 verehrte und in Gedichten rühmte,24 so akribisch kritisierte er Einzelheiten der Lexik und stilistischen Politur. An der Poetizität des didaktischen Genus wird auch bei dem Aristoteleskenner Scaliger offenkundig nicht gezweifelt.25 Dies gilt auch für Lukrez, gegen dessen Atomismus und moralisch anrüchigen Epikureismus sich Scaliger in einem Hexametergedicht gerade deshalb mit Leidenschaft wendet, weil Lukrez’ gottlose Kosmologie durch exzellente poetische Qualitäten gerade auf die Gebildeten verführerisch wirkte:26 Hoc scripsi, quoniam multos insania versat. Quorum avidos animos, blanda furatur ab aure, Mellea contingens florenti dicta lepore. Vnde sibi placeant alino in crimine turpes, Docti homines alioqui acres, culti atque politi. Quid dicam? an sua cuique Deus fit dira cupido. (Dies habe ich geschrieben, weil viele der Wahnsinn umtreibt. Deren Verstand, gierig vom schmeichelnden Gehör, raubt er, wenn er in Berührung kommt mit honigsüßer Dichtung, die in Anmut erblüht. Daher wohl gefallen sich in fremder Ketzerei schmählich Gelehrte, ansonsten scharfsinnig, kultiviert und gebildet. Was soll ich sagen? Dass zum Gott einem jedem seine böse Begierde wird?)
Die durch Aristoteles offenkundig provozierte gattungstypologische Lücke, so scheint es, wurde bisweilen in lateinischen Poetiken des deutschen Schulhumanismus, einem bisher ungenügend erforschten Sektor, geschlossen. Dafür konnte offenkundig auch Schützenhilfe leisten, dass Melanchthon in seiner Rhetorik neben den klassischen drei Genera der Rede ausdrücklich auch ein genus didaskalicon, also die Lehrrede, konstituierte, wobei er vor allem an die christliche Predigt dachte.27 Die entsprechenden Theoriemodelle behielten auch unter diesen Auspizien ihre Geltung. Darauf deutet exemplarisch eine von drei Gießener Professoren, unter ihnen Conrad Bachmann (Professor für Poetik und Geschichte), publizierte Poetik, die 23 24 25
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S. die Einleitung und zweisprachige Ausgabe von Wöhrle (1993); Roellenbeck (1975), S. 144–162. Fracastoro huldigend der umfangreiche Gedichtzyklus: Arae Fracastoreae. In: J. C. Scaliger: Poemata, Pars prima (1564), S. 256–272. Zum Detail s. die ergiebigen Zusammenstellungen der Urteile Scaligers von Reineke (1988): zu Augurellis alchemischem Lehrgedicht (ohne Spannung und genügende elocutionelle Sorgfalt; S. 336–330), Palingenius (Verwandtschaft mit dem Stilgestus der Satire; Titel nichtssagend, Aufbau undurchsichtig; S. 363–388), zu Vida (mäßig anerkennend zur Ars poetica; Lehrgedicht über das Schachspiel stilistisch nicht so sauber wie das Lehrgedicht über die Seidenraupe; S. 420–433), über Pontano (zu dessen Urania: stellenweise unreflektierte und abundante Imitatio Vergils oder Ovids; Schwächen in Stilkolorit und Konzeption; S. 433–435), zu Fracastoro (S. 496–527). Scaliger (1564), S. 12f.: De Lucretio. Hier zitiert die letzten Verse. Dazu Knape (1993), S. 68–71 mit dem Textabdruck S. 124–127.
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1614 erschien (Erstdruck wohl 1607).28 Unter dem Lemma »De Tertia Poematum Divisione per Modos, & primum De Carmine Exegetico« (S. 332–334) wird hier die Gattungsdreiheit von Platon-Diomedes aufgriffen und, durchaus in Kenntnis der Ablehnung durch Aristoteles (S. 334), die Lehrdichtung neben der historischen Poesie (darunter Lukan) und der Versepistel (nach Ovids Vorbild) unter zwei Kategorien subsumiert, zugleich mit einem Autorenkatalog nicht nach formalen Kriterien, sondern gemäß der Differenz von Gegenständen und Wirkungsabsichten (Wissensvermittlung oder Moraldidaxe) literaturgeschichtlich abgesichert. Dass hier zwar Ovids Kalenderdichtung (Fasti) und Girolamos Vidas Lehrgedicht über das Schachspiel (Scaccia Ludus, Erstdruck Rom 1527),29 auch noch ein spätantikes Werk wie der schon auf Walahfrid Strabo einwirkende Liber Medicinalis des Quintus Serenus (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts; 1107 Hexameter, Editio princeps 1474)30 und die pharmakologisch-pflanzenkundliche, in lateinischen wie deutschen Fassungen weit verbreitete Lehrdichtung des sogenannten Macer Floridus,31 nicht aber Ovids als lasziv geltende erotische Lehrgedichte erwähnt werden, bedurfte bei einem Handbuch, das für die Hand von Studierenden gedacht war, keiner Begründung (S. 334): 2. Didascalicum, qui Philosophiae, Oeconomicae, aliarumque artium doctrinae continentur. Talia sunt: Hesiodi opera &dies. Virgilii Georgica. Aratai phoenomena. Lucretii, Empedoclis, Parmenidis, Varronis, Nicandri, Sereni, Oppiani, Macri, &c. libri Ovidii Fasti secundum nonnullos, Dionysii [griech.:] periêgêsis. Vidae lusus Schachorum. 3. Angelticum, quo traduntur praecepta Moralia, ut: sententiae Theognidis & Phocylidis, Aurea carmina Pythagorae, Disticha Catonis vel Ausonii secundum nonnullos, Palingenii Zodiacus, Horatii Epistolae.
Die hier unter Nr. 3 gewählte Klassifizierung der Texte nach ihrer moraldidaktischen Ausrichtung führt, wie zu sehen ist, dazu, dass formtypologisch Entlegenes zusammengerückt wird: Neben die spruchartige Kleindichtung treten Palingenius’ voluminöses Verspos (dazu siehe unten) und die Episteln des Horaz. Grundsätzlich findet sich die hier zu verfolgende textypologische Triade auch in der jesuitischen Poetik; so jedenfalls in des Jacob Pontanus SJ (1542–1626) Poeticarum Institutionum Libri Tres (zuerst Ingolstadt 1594).32 Auch hier gehört das epische Lehrgedicht (Hesiod, Lukrez, Vergil und andere) samt der lehrhaften Spruchdichtung zum Genus 28
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Poetica Latina 1614. Die Widmungsvorrede (6. 1. 1614) ist unterschrieben: »D. Christophorus Heluicus. D. Casparus Finckius antehac Philosophiae, & M. Conradus Bachmannus etiamnunc Historiarum & Poeticae, Professores«. Rohmer (1998, S. 188f.) dazu mit kurzen Bemerkungen anhand einer Ausgabe von 1607. S. die Einleitung bzw. Übersetzung von Ludwig bzw. Hoffmann (1979); zu Vidas Lehrepik im Überblick Roellenbleck (1975), S. 127–143, zu dem erfolgreichen Versuch, Vidas Angaben auf dem Schachbrett nachzuspielen, s. Glei/Paulsen (1999). Neuausgabe durch den Arzt Georg Pictorius 1559 (Haye 1997, S. 376). Dazu die eine vielfältige hsl. Überlieferung dokumentierende Edition von Schnell (Macer 2003). Hier benutzt ein Nachdruck der zweiten Auflage: Lyon 1690.
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»exegematikon« (Kap. I, 8, S. 27f.), zugleich partizipiert die didaktische Epik eines Hesiod, Arat, Vergil und Manilius ausdrücklich an der »Maiestas«, dem hohen Ansehen der ›heroischen‹ Hexameterdichtung in der Hierarchie der Gattungen (Kap. II, 1, S. 66f.), ein Standpunkt, der auch die auffällige Hinwendung von Martin Opitz gerade zur Lehrdichtung mitbestimmt haben dürfte. Misst man die überkommene Versdichtung nur an ihrer Funktion, die potentiell auch als Teilbereich der ›Gebrauchsliteratur‹ auf die Sammlung einfacher Informationen oder Regeln reduziert werden konnte, reichte, wie im obigen Lehrbuch-Zitat ersichtlich, die formale Bandbreite der didaktischen Poesie auf der einen Seite bis hin zu schlichten Reihen mnemotechnischer Merkverse und Kleinpoeme diverser Sachgebiete, darunter zur Inhaltsangabe literarischer Werke,33 zur autorbezogenen Literaturhistorie34 und allgemeinen Geschichtskunde,35 zum Bibelstudium und zur Theologie,36 zur Topographie und Geographie (Serien zum Beispiel mit Städtepigrammen), sowie zur Medizin37. Am Beispiel einer oft aufgelegten, durch Johannes 33
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Exemplarisch von dem Dichterarzt Johannes Posthius (1537–1597) die mehrfach gedruckten lateinisch-deutschen Tetrasticha (zuerst 1563, rezipiert auch in der Bildenden Kunst) zu Ovids Metamorphosen; dazu Karrer, 1993, S. 371–379; EH 3 (2010), S. 1018–123; ähnlich seine lateinisch-deutschen Gedichte zu Äsops Fabeln (zuerst 1566); s. dazu Karrer (1993), S. 55–60; Elschenbroich (1990), Bd. 1 (Textproben), S. 285–288, Bd. 2, S. 139–141; EH 3 (2010), S. 125–131. Bahnbrechend am Beispiel der Italiener die Studie von Klecker (1994); analoge Dichtungen der deutschen Humanisten (etwa Caspar von Barths Poetae Recentes; ed. in HL, 1997, S. 890–893) liegen im tiefen wissenschaftlichen Dunkel. Exemplarisch Georg Sabinus’ (1508–1560) Caesares (von Karl d. Gr. bis Ferdinand I., erschienen 1532) oder Zacharias Orth (in griechischer Sprache, 1563); zu Typus, Verbreitung und zur anregenden Rolle von Ausonius’ Caesares Amann-Bubenik (2000). Exemplarisch Wilhelm Alard (1572–1645): Epitome Biblica. Qua singulorum utriusque Testamenti capitum summa, singulis inclusa distichis, perspicua brevitate propositus. Rostock 1599, unter dem Titel: Commeatus Sacer. Leipzig 1624, oder Johannes Lauterbach Lusatius mit lateinischen und deutschen Versen: Evangelia Totius Anni Compendiosa Expositione in Usum scholasticae iuventutis. Frankfurt a. M. 1563; Matthias Martini: Memoriale Biblicum. Hoc Est, Versus in Singulos Veteris Et Novi Testamenti. Herborn 1608; ähnlich auch noch Georg Philipp Harsdörffer in seinem Poetischen Trichter (3. Teil, 1653, Ndr. 1969, S. 541–551): Mantissa. Monosticha Typos Veteris Testamenti cum Historiis Evangelicis conferentia. Nicht ungewöhnlich für die postreformatorische Ära zum Beispiel das Werkprofil des Zweibrücker Superintendenten Pantaleon Candidus (1540–1608): mit Versifizierungen der dogmatischen Topik der Melanchthonschen Glaubenslehre in elegischen Distichen (Loci Theologici, Basel 1570) und der Hauptstücke des Katechismus (S. 202–234). Unter den Loci-Gedichten finden sich eine Gruppe von Poemen über das Abendmahl, (S. 71–77), auch poetische Explikationen der Libertas Christiana (S. 93f.) und der Pflichten der Obrigkeit (De Magistratu politico (S. 95–97); zu Candidus s. Kühlmann in VL 16, Bd. 1 (2011), Sp. 449–458, sowie 2013. Exemplarisch die von dem Chirurgen und deutschsprachigen Dichter Wilhelm Fabry (zu ihm s. u.) 1624 herausgegebenen und kommentierten Gesundheitsregeln des Johannes Posthius (1537–1597), dazu im einzelnen Strein (1993) sowie Karrer (1993), S. 549–551.
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Episcopius 1576 auch ins Deutsche übersetzten mehrteiligen Lehrdichtung in Distichen (Bonae valetudinis conservandae rationes aliquot. Nürnberg 1531, Bearbeitung des Erstdrucks von 1524) des namhaften deutschen Dichterhumanisten Eobanus Hessus (1488–1540) lässt sich verfolgen, wie Sammlungen von Merk- und Lernversen, in diesem Fall denen des seit dem Mittelalter verbreiteten deutsch-lateinischen Regimen Sanitatis Salernitanum,38 in eine größer angelegte, oft gedruckte Lehrdichtung integriert werden konnten, die neben einem diätetischen Lernpensum (gemäß dem alten galenistischen Schema der »res non naturales«) eine poetische Transformation des Erasmischen Encomium Medicinae und eine epigrammatische Porträtreihe berühmter Mediziner des Alterums enthielt.39 Kennzeichend für die amplifizierende Gestaltung und Akzentuierung der historisch weit zurückreichenden Gesundheitsregeln ist Hessus’ psychosomatische Affektenlehre, die Hervorhebung von Trauer und Freude samt einer Empfehlung von Musik, Gesang und Dichtung, also der Kunst (S. 84r): Anxia mens non ipsa sibi, non rebus agendis Constat, ab hac vicium corpora saepe trahunt. Hinc variae pestes morborum, hinc mille figurae, Crede animum nostri corporis esse ducem. Saepe graves ista veniunt ex arce labores, Sicut ab aëreis pestilis aura plagis. Quaere igitur, sed honesta, tuis solatio curis, Quae tibi nec somni, nec loca sola dabunt. Vtere conuiuis non tristibus, utere amicis, Quos nugae & risus, & ioca salsa iuvant. Quem non blanda iuuent varij modulamina cantus? Huic iecur, & renes, aegraque corda stupent. Nam nihil humanas tanta dulcedine mentes Afficit, ac melicae nobile vocis opus. Tange lyram digitis, animi dolor omnis abibit, Dulcisonum reficit tristia corda melos. (Ein ängstlicher Geist ist nicht bei sich und bei dem, was zu tun ist, aus ihm leiten die Körper oft ihren Fehler ab. Von hier aus [kommen] mannigfache Krankheitsseuchen, von hier tausend Erscheinungsformen. Glaub’ es: Der Geist ist der Führer unseres Körpers. Oft entstehen schwere Leiden aus dieser Verschanzung wie der Hauch der Pestilenz aus den Gefilden der Luft. Suche also nach dem, was deinen Sorgen, allerdings ehrenhaften, Trost gibt, was dir weder der Schlaf noch allein die Örtlichkeiten gewähren. Verkehre mit Zu den seit der Spätantike und dem Mittelalter weit verbreiteten Gesundheitsregimina s. (dort weitere Erläuterungen) die schöne lateinisch-deutsche Ausgabe von Dietrich Kunze (1980). 39 Abgedruckt in Hessus: Operum farragines duae. Schwäbisch Hall 1539. Tl./Bd. 2, S. 78r– 108r; Edition im Internetportal CAMENA. Zu dem Werk im Einzelnen mit der Druckgeschichte die Studie von Vredeveld (1985). 38
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Wilhelm Kühlmann lustigen Zechbrüdern, mit Freunden, denen Albernheiten, Gelächter und witzige Scherze Freude machen. Wen sollten nicht erfreuen schmeichelnde Melodien eines wechselvollen Gesanges. Vor ihm erstarren staunend die Leber und die Nieren und die leidenden Herzen. Denn nichts bewegt die menschlichen Gemüter mit solcher Süße wie das edle Werk einer wohlklingenden Stimme. Rühre die Leier mit dem Finger, und aller Schmerz im Innern wird verschwinden, eine süßtönende Melodie erfrischt die traurigen Herzen.)
Auch Hippokrates’ Aphorismen wurden von manchen Autoren in Kurzpoeme umgesetzt.40 Konnten sich daran Ärzte und Medizinstudenten delektieren, wurden beispielsweise Basiswissen der Naturkunde wohl für die Hand älterer Schüler von dem Heilbronner Schulrektor Johannes Lauterbach Lusatius (1531–1593) versifiziert. Seine 1585 in Straßburg erschienene Physiosophia sive theatrum scientiae naturalis, ein Abriß des elementaren Weltwissens, orientierte sich an acht classes: »Vierfüßige und Erdentiere; Vögel und Luftbewohner; Fische und Wasserbewohner; Insekten, Würmer und Schlangen; Bäume und Früchte; Kräuter, Öle und Getreide; Edelsteine, Steine und Metalle; schließlich himmlische und irdische Erscheinungen sowie künstliche und mechanische Gegenstände. Die einzelnen classes sind tendenziell hierarchisch geordnet, classis I. beginnt mit einem Distichon auf den Menschen, classis II. mit einem auf den Löwen, classis VI. mit zwei Distichen auf die Rose. Die Natur wird überwiegend als allegorische Offenbarung Gottes dichterisch ausgelegt. Eine monumentale Weiterentwicklung dieses Ansatzes bietet das 1594 erschienene Panareton, in dem die Physiosophia als eines von sieben Büchern integriert ist. In verschiedenen Zugriffen werden die Welt und die Gelehrsamkeit hier in Ordnungen zerlegt, zum Teil alphabetisch gegliedert und in Distichen auf das rechte Leben hin gedeutet. Buch 1 bedichtet zentrale Glaubensinhalte, Buch 2 ethische Kategorien, Buch 3 exempla, Buch 4 Allegorien des Lebens in Fabeln, Gleichnissen und Sprichwörtern, Buch 5 mythologische Geschichten, Buch 6 ist eine Wiederauflage der Physiosophia, Buch 7 enthält Verse auf bedeutungstragende zählbare Gruppen wie die neun Musen, die sieben Planeten oder die zwölf Apostel.«41 Ebenso vor allem im Schulunterricht erfreuten sich, oft im Lehrplan vorgesehen, größter Beliebtheit moralistisch-spruchhafte, lebenskundliche Anweisungen, oft in topologischer Ordnung systematisiert. Schon Jacob Wimpfeling scheute sich nicht, aus den Werken Ovids, sogar aus dessen Ars amandi (auch: Ars amatoria) Distichen oder kurze Verpassagen (»Flores«) zusammenzustellen und neben anderen »Proverbia« unter protreptischen Überschriften (etwa »Contra ludum«) seinem mehrfach nachgedruckten jugendpädagogischen Lehrwerk Adolescentia (Erstdruck Straßburg 1500) zu inserieren.42 Kaum zu überblicken sind auf diesem Feld seit Exemplarisch der Dichterarzt Laurentius Span von Spanau (1529/30–1575): Aphorismorum Hippocratis paraphrasis carmine Elegiaco scripta. Breslau 1570, oder der in Jena lehrende Mediziner Andreas Ellinger (1526–1582); dazu weiteres in dem Artikel (sub verbo) von Siegmar Döpp. In: VL 16, Bd. 2 (2012), S. 199–207, spez. 203. 41 Zitiert nach dem Lauterbach-Artikel von Dirk Werle. In: VL 16, Bd. 4 (Druck in Vorbereitung). 42 Adolescentia, ed. Herding 1965, S. 296–314. 40
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dem Mittelalter die Vielzahl der Handschriften, Drucke, Übersetzungen und Bearbeitungen der sog. Disticha Catonis43 unter Einschluss einer von Martin Opitz veröffentlichten deutschen Übersetzung samt lateinischen »Exerptae et Notae« (zuerst Breslau 1629, zahlreiche Folgedrucke).44 Diesem Corpus traten die Aurea Carmina des Pseudo-Pythagoras45 und nach Mustern von Phokylides’ Gnōmai oder auch Exempeln des zum Beispiel von Melanchthon übersetzten Theognis46 Kurzdichtungen in Form vor allem des »gnomischen« Epigramms47 zur Seite. Versifizierte moralische Sentenzen oder Lebensmaximen wurden – etwa in Sammlungen des Heidelberger Philologen Janus Gruter (1560–1627) – auch zu großen Anthologien gebündelt und beeinflussten Epigrammsammlungen namhafter Autoren.48 Mit ihren jeweils erbaulichen, deskriptiven, protreptisch-moralistischen oder auch panegyrischen Funktionen erfüllten weitere Textsorten zwar durchaus auch didaktische Zwecke, nahmen jedoch bei verschiedener genrespezifischer Herkunft und Gemengelage eine differenzierte eigene Entwicklung: teilweise in Textmustern, Diskursen und Sprecherrollen, die Heterogenes kombinierten. Wir können dabei unterscheiden: a) Die in Kleinepen versifizierte oder auch im lyrischen Zyklus komponierte, gerade im 16. Jahrhundert blühende Species des Städtelobs, meist mit historischen Exkursen und Deskriptionen angereichert,49 und die topographische Poesie, sei es 43 44 45
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Dazu das umfassende Werk von Baldzuhn (2009). Opitz: Gesammelte Werke. Ed. G. Schulz-Behrend, Bd. IV/2 (1990), S. 332–391. Die antiken Texte der lehrhaften moral-und verhaltenskundlichen Kleindichtung oder analoge Neudichtungen erschienen immer wieder für den Schulgebrauch; zusammen mit Texten Hesiods, besorgt wohl von Konrad Heresbach (1496–1576): Scriptores aliquot Gnomici (Basel 1521, Hieronymus 1992, Nr. 35, S. 59), oder von Veit Amerbach (1503–1557): Poe mata Pythagorae Et Phocylidis Graeca. Straßburg 1545 (zahlreiche Auflagen bis 1602); ähnlich Joachim Camerarius d. Ä.: Capita pietatis et religonis Christianae versibus Graecis comprehendens ad institutionem puerilen cum interpretatione Latina. Leipzig 1545, oder: Libellus Scholasticus [. . .] quo continentur Theognidis praecepta, Pythagorae versus aurei, Phocylidis pracepta [. . .] Basel 1550. Diese und andere Bestände gingen ein in Werke wie Erasmus Alberus (ca. 1500–1539): Utilissima pracepta morum, ex optimis autoribus col lecta, et germanicis rithmis reddita. Hagenau 1536 (und weitere Bearbeitungen andernorts). Zu Melanchthons Theognis-Studien, Vorlesung (1551/52, 17 Auflagen bis 1639) und Übersetzungen s. Loehr (2001), S. 212; genauer Kaufmann-Bühler (1956); die Texte in C. R. XIX (1853), S. 57–176. Zu den Epigrammtypen im 17. Jahrhundert (leider der lateinische Bereich ganz ausgeschlossen) s. Weisz (1979), spez. zum gnomischen Epigramm, S. 80–98. Zum lateinischen Sektor am Beispiel Johann Michael Moscheroschs (parallel zu seinen deutschen menippeischen Satiren) Kühlmann/Schäfer (1983), S. 87–129. Dazu umfassend Ludwig (2008 und 2009), zu Gruters Sammlungen (mit kommentiertem Abdruck der Paratexte) s. EH 1/2, Nr. 21, S. 864–876 (zum Florilegium Ethico-Politicum, 1610–1612) und Nr. 27, S. 1041–1054 (zur Bibliotheca Exulum Seu Enchiridion Divinae Humanaeque prudentiae). Zur weitläufigen lateinischen und deutschen Städtedichtung am Beispiel Nürnbergs s. den zweisprachigen Teildruck von Eobanus Hessus’ Urbs Noriberga illustrata carmine
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in der fernen Nachfolge der Periēgēsis (Fahrt- und Küstenbeschreibung, verfasst um 120 n. Chr.) des Dionysios aus Alexandria, von Avienus (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts) unter dem Titel Ora maritima ins Lateinische übersetzt (auch als Schulbuch verwendet), sei es in der Nachbarschaft zur Landesbeschreibung wie bei Konrad Celtis’ Projekt der Germania generalis,50 sei es in der Reihung kulturtopographischer Porträts zum Beispiel von Städten und Flüssen,51 sei es in dem auf Horaz zurückgehenden, meist deskriptiv und narrativ konzipierten Reisegedicht (Hodoeporicum).52 b) Die poetische ›Ekphrasis‹ oder meditativ-sinnreiche Würdigung von Kunstwerken oder Gebäuden,53 die nach Homers oder Vergils Vorbild auch zur erprobten Darstellungstechnik der narrativen Großepik gehörte. c) Die Versfabeln oder versifizierten Prosafabeln (oft mit angehängten moralistischen Kommentaren), teils auf die Antike zurückgehend (z. B. Phaedrus), des öfteren auch in deutschen oder lateinischen Anthologien gesammelt;54 typologisch in der Nachbarschaft zur narrativ entfalteten Tierepik stehend, die sich ihrerseits ganz oder partienweise didaktischen Zwecken unterordnete oder zur Belehrung gelesen wurde: sei es wie die Reineke Fuchs-Epen als Leitfäden politischer Klugheit
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heroico (Erstdruck 1532), in: HL (1997), S. 292–316, sowie dazu den Kommentar samt der gattungsbezogenen Forschungsliteratur, S. 1121–1134. Zum Beispiel einer episierenden Lobdichtung auf Stralsund mit einem Grundriß der Gattungsgeschichte s. Kühlmann (1994/2006); zur Reihe und zu den Darstellungszielen der Straßburg-Dichtungen, im Mittelpunkt das Münster, s. die luzide Studie von Berns (1989). – Eine eigene literarische Reihe bildet das Lob des Buchdrucks; darüber zuletzt Doms (2011). Dazu umfassend G. M. Müller (2001). Exemplarisch der Zyklus des zeitweise in Königsberg wirkenden Felix Fiedler: Fluminum Germaniae Descriptio. Königsberg 1550. Die Textgeschichte und die Nachwirkung von Ausonius’ Mosella bedürften einer gesonderten Untersuchung; heranzuziehen ist B. Czapla (1999). Dazu grundlegend und materialreich Wiegand (1984). Lehrreiche Zugänge dazu bietet die große Monographie von Schlegelmilch (2003); zur Variationsbreite derartiger Dichtung wertvoll die Studie von Czapla (2005) zum Speyerer »Ölberg«; in deskriptiv-epigrammatischen Formen exemplarisch aus dem Umkreis Heinrich von Rantzaus Petrus Lindebergius: Hypotyposis Arcium, Palatiorum, Librorum, Obeliscorum, Cipporum, Molarum, Fontium, Monumentorum [. . .]. Hamburg 1590; hierzu gehört auch das Massiv der letzthin auf Horaz’ Bandusia-Ode zurückgehenden Brunnen- und Quellendichtung; dazu wertvoll Blänsdorf/Janik/Schäfer (1993). Die deutsch-lateinische Grenzscheide wird überwunden in dem wertvollen Kompendium von Elschenbroich (1990), wegweisend nun die neuen kommentierten Ausgaben von Erasmus Alberus (1997) und Burkhard Waldis (2011). Verschiedene didaktische Zwecke verfolgte beispielsweise eine Kollektion von ca. 150 Fabelgedichten (1596, 1604) von Pantaleon Candidus (s. o. Anm. 36): transformiert in verschiedene metrische Formen (jambischer Senar, Hexameter, verschiedene Odenstrophen), angelehnt vor allem an die Editionen Aesopischer und anderer Fabeln (1538, 1539 u. ö.) des Joachim Camerarius d. Ä. Candidus legte Wert darauf, die Stücke pedantisch in naturkundlichen Gruppen der Handlungsträger zu systematisieren (»De Diis, De Hominibus, De Quadrupedibus, De Aquatibus« usw.).
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und Regimentslehre,55 sei es wie Johann Fischarts Flöh Hatz (zuerst 1573) in der skeptisch-destruktiven Integration diverser scientifischer Diskurse,56 sei es wie Georg Rollenhagens monumentaler Froschmeuseler (zuerst 1595), der das kurze komische Epos Pseudo-Homers nicht nur narrativ in spektakulärer Manier amplifizierte, sondern auch zu einem Kompendium diverser Wissensbestände ausbaute.57 d) Die episierende Kalenderdichtung in der Nachfolge von Ovids Fasti,58 einem Werk, über das Melanchthon wegen dessen vielfältiger, höchst gewandt poetisierter Wissenbestände eine Vorlesung hielt (1537/38) und das er mit eigenen Scholien und astronomischen Beigaben 1539 in Halle herausgeben ließ.59 Zum Formenrepertoire der Memorialliteratur gehören auch die im höfischen wie auch akademischen Raum verbreitete, hier außer Betracht bleibende, in der Regel panegyrisch gefärbte und narrativ durchsetzte dynastisch-genealogische Dichtung oder die exegetisch deskriptive Wappenpoesie. e) Die seit den Kirchenvätern (unter anderem Basilius’ und Ambrosius’ Predigten über das Sechstagewerk) schöpfungstheologisch angelegte Hexameralliteratur sowie die verbreitete Tag-und Jahreszeitendichtung,60 wie sie im 17. Jahrhundert etwa der deutsche Jesuit Johannes Bisselius in einem komplexen Elegien-Zyklus (Deliciae Veris, München 21640) artistisch abwandelte und synkretistisch mit anderen Texttypen, unter anderem der legendarischen Kalenderdichtung, neu kombinierte.61 f ) Die Übergangsformen der längeren ›satirischen‹ Versdichtung, die, schon in der Antike als Mischform und gattungsspezifisch offenes Genre verstanden,62 in kritisch-moralischer Beleuchtung dialektisch Verhaltensnormen so illustrierte, dass ihre Verbindlichkeit im Widerschein von Verfehlungen und Verzerrungen (etwa in der Figur des Narren) aufleuchtete. Verssatiren konnten wie bei dem ins Lateinische übersetzten, deshalb international zugänglichen Narrenschiff Sebastian Brants63 in einem allegorischen Rahmen exponiert und zusammengehalten werden oder auch wie beispielsweise in Jacob Baldes SJ Satyra contra abusum Tabaci (von Sigmund 55 56 57 58 59 60 61 62 63
Zur poetischen Rezeption innerhalb der Adelserziehung s. Kühlmann (1986/2006). Heranzuziehen mit Gewinn Könnecker (1991), S. 190–204. Dazu zuletzt Schilling (2011). Dazu zuletzt Auteri (2011), hinzuzunehmen aber Kühlmann (1994/2001). Wichtig, aber nicht erforscht Nathan Chytraeus (1543–1598): Fastorum Ecclesiae Christianae Libri Duodecim. Hanau 1594. Vgl. Melanchthon in C. R. XIX (1853), S. 473–495; Hartfelder (1889), S. 389, 595. Zur Traditionsgeschichte s. Adam (1978), Bauer (1989) und Zeman (Hg. 1989). Dazu die Neuausgabe mit Einleitung (zur Frühlingsdichtung), Übersetzung und Kommentaren von Claren/Eickmeyer/Kühlmann/Wiegand (2013). Zum differenzierten Verständnis von ›Satire‹ und ›satyra‹ im deutsch-lateinischen Spannungsverhältnis grundlegend weiterhin Hess (1971). Zu Brant, seinem Narrenschiff und dessen lateinischer Übersetzung durch Jakob Locher samt der reichhaltigen Literatur ist heranzuziehen der Artikel von Joachim Knape. In: VL Deutscher Humanismus. Bd. 1 (2008), Sp. 247–283; zur Satire des 16. Jahrhunderts im Überblick Könneker (1991).
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von Birken in deutsche Prosa übertragen)64 oder in seinen Medizinersatiren,65 die auch neue medizinische Theoreme behandelten, die sachlich-exponierenden Rede in verschiedenster Weise (z. B. in szenischer oder dialogischer Fiktion) abwandeln. Thomas Naogeorg (1508–1563) konnte so zum Beispiel in seinen Satyrarum Libri quinque (Basel 1555), einem einsamen Gipfelpunkt der reformationshumanistischen Verssatire, anhand der ausgefeilten und kommentierten Karikatur eines ungelehrten karrieresüchtigen Streittheologen sein Bild der wahren Theologie aufleuchten lassen.66 Wie die Tierfabel wurden auch die Satiren, ob in Vers oder in Prosa, immer wieder als komplemenäre ästhetische Formen der Moralphilosophie angesehen.67 g) Das erst neuerdings in seinen weiten europäischen Dimensionen glänzend erschlossenene Textfeld der in Ovids Nachfolge entwickelten heroischen Versepistel, bald vor allem bei den Jesuiten beliebt, teils im Rückgriff auf biblische Figuren, teils auch im Blick auf historische und kirchenpolitische Darstellungsziele.68 h) Nicht zuletzt das Meer der mit der exegetischen und homiletischen Literatur engstens zusammenhängenden paraphrastischen Bibeldichtung epischer oder lyrisch-zyklischer Art, sei es in Form der rein mengenmäßig kaum zu überblickenden, oft kommentierten Psalterpoesie (auch als Muster der verbreiteten Gebetslyrik), sei es in diversen Ausfaltungen der Perikopendichtung: von der einfachen Versifikation bis zum demonstrativen Nachweis innovativer Erfindungsgabe, artistischer Kombinatorik und topologischer Erweiterung,69 wobei die affektiv gesteigerte, mit der bildenden Kunst kongruierende Darstellung der ›vier letzten Dinge‹ (Quattuor Novissima: Tod, Letztes Gericht, Himmel und Hölle) manchmal eine zyklische Sonderstellung einnahm.70 Diese Texttraditionen samt den genrespezifischen funktionalen Überschneidungen werden in Standardwerken zur Lehrdichtung beachtet,71 sind jedoch im
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Eine Hinführung zur verzweigten europäischen Tabakpoesie bietet McFarlane (1982); zur Rezeption Baldes bei Birken s. Laufhütte (2006); dazu die zweisprachige kommentierte Ausgabe von Pörnbacher (1967). Dazu wichtig die Studien von Classen (1976) und Wiegand (1992 und 2005). So in Satire I, 5; abgedruckt mit Übersetzung und Kommentar in HL (1997), S. 680–691, 1351–1355; zu Naogeorgs Satiren siehe den Überblick von Roloff (1987). Zur Unterordung der Vers- und Prosasatire unter die Moraldidaktik und -philosophie mit vielen Belegen Schäfer (1992), S. 50–133. Dazu nach ersten funktionsbezogenen Ansätzen von Kühlmann (2006) nun maßgebend im europäischen Horizont die monumentale Gesamtdarstellung von Eickmeyer (2012). Den besten Überblick über die Fülle der Perikopenzyklen bietet nach wie vor Krummacher (1976); zum katholischen Bereich grundlegend Moser (1981); zum Psalmdichtungsphänomen, in lateinischer Form besonders für die Schule gedacht, s. exemplarisch Kühlmann (2006) und Huber-Rebenich (2001), zum Bibelepos nun fundiert Czapla (2013). Dazu im weiten Überblick Krummacher (1987). Vgl. Haye (1997), S. 242–298 (»Das Lehrgedicht im Vergleich – Abgrenzungen und Übergänge«) sowie Siegrist (1974), S. 30–52 (»Die Gliederung der didaktischen Gattung«).
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Folgenden wie auch benachbarte Genres (Rätseldichtung;72 Text-Bild-Kombinationen der Flugblatt-Poesie und der, auch im jesuitischen Bereich florierenden, Emblembücher,73 proto-journalistische Festbeschreibungen, keinesfalls auf den Hof beschränkt,74 auch die weitläufige Produktion der urbanen Meistersinger) auszublenden. Stattdessen ist der Strom jener ›Lehrdichtung‹ ins Auge zu fassen, der im landläufigen Verständnis in erster Linie unter dem Lemma ›Lehrgedicht‹ assoziiert wird: jene artifizielle episch-didaktische Textgattung also, die schon um 700 v. Chr. mit Hesiods Theogonie (darin die Urszene der Dichterweihe, V. 24–36), mehr noch mit seinen Erga Kai Hēmerai (›Werke und Tage‹) Umrisse eines auf Dauer ehrwürdigen generischen Archetypus annahm. Von Hesiods Prestige zehrten zweifellos auch die nur zum größeren Teil nur fragmentarisch erhaltenen naturkundlichen Lehrepen der Vorsokratiker; zu nennen ist hier neben Parmenides und Xenophanes ein kosmologisches, an einen Schüler gerichtetes Epos ›Über die Natur‹ (ca. 2000 Verse) des Empedokles von Akragas (5. Jhdt. v. Chr.). Dass gerade der hexametrische Archetypus Hesiods neben dem Wissensfundus klar umrissener Disziplinen (der Landwirtschaft in ›Werke und Tage‹) verschiedene kommunikative Binnenformen und kognitive Gehalte synkretistisch und nicht ohne konzeptionelle Brüche zur poetischen Textur eines weitgespannten Weltbildes verknüpfte (Biographisches und Episodisches, darunter auch mythologische Erzählungen oder katalogartig verknappte Reihen, Anweisungen, Mahnungen, Sprüche und Erörterungen, Kalenderdichtung, Fabeln und Aitiologisches), wies in Formenvielfalt, feierlichem poetischen Gestus (Musenanruf ) und diskursivem Anspruch voraus auf die nachmals modellbildenden Lehrepen der Römer (vor allem Lukrez und das »askräische« Lehrgedicht Vergils). An deutschen Universitäten stieg Hesiod, worauf auch der Buchmarkt sehr genau reagierte, während des 16. Jahrhunderts in den Rang eines kanonisierten Leitautors auf.75 Die eher kleinepischen Lehrdichtungen des griechischen Hellenismus rückten dagegen die Virtuosität eines individuellen poetischen Könnens in den Vordergrund, das sich sehr bewusst in entlegenen, recht prosaischen und manchmal exotischen Sachgebieten zu bewähren hatte. Ein Teil dieser Dichtungen, entstanden wie bei Eratosthenes nicht selten in der Personalunion des Wissenschaftlers, gelehrten Archivars und Poeten, blieb zwar thematisch ohne größere historische oder diskursive Relevanz, darunter etwa des Nikandros von Kolophon hexametrische Lehrepen über die Heilmittel gegen den Biß giftiger Tiere oder Abhilfe bei Vergiftungen durch Speisen: Theriaka bzw. Alexipharmaka; Mitte des 2. Jhdts n. Chr.; Erstdruck 1499), prägte jedoch den unabhängig vom großen Gegenstand erhobenen Kunstanspruch, Dazu jetzt Bismark (2007) sowie im Folgenden Telle (Nr. 26). Zum Typus, hier in Nachbarschaft von Horaz’ Ars poetica, s. exemplarisch Ludwig (2008). Zum höfischen Bereich s. Rahn (2006), den bürgerlichen Bereich einschließend in deutschlateinischer Synopse Wiegand (1994). 75 Zahlreiche Drucke, meist mit lateinischen Übersetzungen verzeichnet VD 16 (Druckfassung) Nr. H. 2680–2731! 72 73 74
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ohne den auch manche rinascimentale Lehrpoeme nicht zu denken sind, die sich neuartiger Technik zuwandten wie Girolamo Vidas stofflich schwieriges Lehrepos über die Seidenraupe (Bombycum Libri II, 430 bzw. 438 Verse) oder das von dem Franzosen Nicolas Bourbon (geb. 1503) publizierte lateinische Lehr-Epyllion über die Eisenverhüttung (Ferraria, 1517).76 Immer ging es dabei auch, wie schon in der Nachfolge des Lukrez von Vergil formuliert wurde, um den sprachlichen ›Sieg‹ über den ›neuen‹, bisher poetisch nicht bewältigten Stoff (georg. 3,289f.): nec sum animi dubius verbis ea vincere magnum quam sit et angustis hunc addere rebus honorem. (Übersetzung von Gertrud Herzog-Hauser: Nein, ich bezweifle es nicht, wie schwer mit Worten zu zwingen / Dies und solchen Ruhm zu verleihen den dürftigen Dingen.)
Ein anderer Teil der hellenistischen Überlieferung präformierte die Behandlung eines über die Zeiten hinweg attraktiveren, immer auch lebensweltliche Aufmerksamkeit erregenden Gegenstandsbereichs. Dies gilt vor allem für das astronomisch/ astrologische Weltbild, wie es in einem Lehrepos (Phainomena) des Aratos von Soloi (ca. 315–240 v. Chr.) behandelt war, das Cicero und nach ihm Germanicus, der Neffe des Kaisers Tiberius, im 4. Jahrhundert auch Avienus ins Lateinische und in der Frühen Neuzeit – im Kreis der französischen Pléiade – Remy Belleau ins Französische übersetzte.77 Melanchthon arbeitete sich zu Beginn seiner Lehrtätigkeit in die Himmelskunde durch Aratlektüre ein, behandelte ihn in Vorlesungen sowohl in Tübingen wie auch in Wittenberg (1517 bzw. April 1522) und übersetzte Teile ins Lateinische. Die Vorrede zu einer griechischen Textausgabe (Wittenberg 1521, an Hieronymus Baumgartner) betonte, wegweisend für Urteile und Praktiken des gesamten postreformatorischen Schulhumanismus, ein bleibendes Lernziel, hier mit Berufung auf Horaz (Ars poetica 322), die Einheit des Erwerbs von Sachwissen und der Schulung der sprachlichen Eleganz (Auszug):78 Arcebat Horatius theatris »versus rerum inopes nugasque«, ut vocat, »canoras«. Quanto magis in scholis praestandum est, ut eiusmodi scriptores exhibeantur, qui simul linguam et mentem expoliant. Porro mihi praeter sacra a Graecis hominibus [griech.:] physiologia potissimum requirenda videtur, nempe quam illi ita sibi proprie vindicarint, ut quidquid
Zu Vidas Seidenraupengedicht s. Roellenbleck (1975), S. 131–134; zu Bourbon Blänsdorf (1994, mit Edition). 77 Braybrook (1991). Zu Arat s. die Edition von Kidd mit englischer Übersetzung (1997) sowie die speziellen Untersuchungen von Ludwig (1963) und Erren (1967, 1994); außerdem Effe (1977), S. 40–56. Arat erschien im Druck zunächst zusammen mit lateinischen Übersetzungen, auch mit Manilius’ Lehrgedicht sowie Scholien und Kommentaren: so Venedig 1499; zu einer zweisprachigen Edition (Frankfurt/M. 1535; im Textbestand erweiterte Neuauflagen bis 1742), mit den Fragmenten des Germanicus und anderen Texten (Hyginus, Proklos), besorgt von dem Heidelberger Professor Jakob Micyllus, s. EH 3, Nr. 4, S. 23–32. 78 MBW, Bd. T 1. Bearbeitet von Richard Wetzel. Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, Nr. 196, S. 420f. 76
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praetera de ea literis proditum extat cum barbarum tum mancum esse adpareat. Proinde in Arato periculum faciemus, qui plane amoenissimam [griech.:] tēs physiologias partem carmine persecutus est. Neque necesse habeo operis elegantiam multis praedicare.
Dank neuerer Forschungen von Walther Ludwig (2003) wissen wir, dass sich auch Melanchthons wohl bester Freund, der in Nürnberg, Tübingen und Leipzig wirkende Gräzist Joachim Camerarius d. Ä. (1500–1574)79 nicht nur intensiv mit Arat beschäftigte, sondern selber drei in dieser Tradition angesiedelte, Hesiod und Vergil rühmend erwähnende Lehrgedichte in elegischen Distichen schrieb und publizierte (Nürnberg, 1535, Basel 1536): Aeolia (284 Verse über die Winde), Phaenomena (326 Verse) und Prognostica (426 Verse). Arats Werk wirkt wie ein Vorspiel zu dem ehrgeizigen astronomisch-astrologischen Lehrepos (Astronomica) des uns als Person kaum greifbaren Marcus Manilius (1. Jahrhundert n. Chr.; Erstausgabe durch Regiomontanus ca. 1473), das sich stellenweise entschieden gegen den Atomismus des Lukrez richtete (I, bes. V. 483–491), ein sprachlich und sachlich anspruchsvolles Opus, das wie Lukrez’ Lehrepos in sechs Büchern (De rerum natura) erst 1417 von Poggio Bracciolini wiederentdeckt wurde.80 Zum Beispiel ist das durch seine in narrativen Episoden entfaltete mythopoetische Erfindungskraft bemerkenswerte Lehrepos (fünf Bücher) Urania sive de stellis (Erstdruck postum Venedig 1505 in der Ausgabe der Opera) des namhaften italienischen Humanisten Giovanni Gioviano Pontano (Pontanus, 1429–1502)81 wie auch sein Meteorum Liber ebensowenig ohne die Kenntnis des Manilius zu denken wie das gemäß Vergil auf vier Bücher angelegte Lehrepos des schottischen Calvinisten George Buchanan (1506–1582) mit dem Titel Sphera, das mit einer englischen Übersetzung von James R. Naiden (1952) gründlich behandelt ist, der in seiner Einleitung für die Zeit von 1450 bis 1835, die neulateinische Literatur betreffend, mehr als dreißig »didactic poems« zum astronomischen Themenkreis aufführt, dies innerhalb einer Fülle von 230 »didactic poems« von 150 verschiedenen Autoren des Zeitraums von 1540 bis 1853. Es war Pontano, der in einem seiner Dialoge seine eigene Dichtung innerhalb eines hochgestimmten Rückblicks auf die
Zu J. Camerarius d. Ä. zusammenfassend nun der Artikel von Joachim Hamm in: VL 16, Bd. 1 (2011), Sp. 425–438. 80 Zu Poggios Entdeckungen nun, etwas reißerisch, Greenblatt (2012); zur Manilius-Rezeption wertvoll Hübner (1980); ferner Häfner (2003), bes. S. 503–506; s. auch die Hinweise in der nur mit Respekt zu nennenden zweisprachigen Ausgabe von Wolfgang Fels (1990). Für Manilius und die im Folgenden kurz charakterisierten römischen Lehrepen (Lukrez, Vergil) verweise ich auf die einschlägigen (meisterhaften!), in jeder Hinsicht äußerst hilfreichen, mit Inhaltsangaben versehenen Kapitel in der Literaturgeschichte von M. von Albrecht (1994), ferner den großen Überblick von Pöhlmann (1973) sowie das Standardwerk von Effe (1977). 81 Zu den Werken Pontanos im Überblick Roellenbleck (1975), S. 92–113 sowie Kidwell (1991); Teilausgabe mit bio-bibliographischen Angaben in Poeti Latini (1964), zur Auseinandersetzung mit Lukrez Goddard (1991); zur Astralmythologie Hübner (1979). 79
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archegetische Lehrepik und damit auch auf die bis ins 17. Jahrhundert gern berufene, geradezu kulturstiftende Einheit des Wissens, der Lehre und der Dichtung feierte:82 Aperuit rerum naturam generi hominum carmine suo Empedocles, sideralis disciplinae Dorotheus Sidonius, quos Latine imitati Lucretius ac Manilius, Christe optime, quid copiae, quid ornatus, quantus e clarissimis luminibus eius emicat in altero splendor! Rapit quo vult lectorem, probat ad quod intendit, summa cum subtilitate et artificio, hortatur, deterret, incitat, retrahit, demum omnia cum magnitudine, ubi opus est atque decoro, et hac de qua disputatum est admiratione, ut expurgatis rudioribus illis vetustatis numeris, quibus postea Virgilius Romanam illustravit poeticam, nihil omnino defuisse videatur. Alteri vero in astronomicis, si quid ornatus poeticoque defuit decori, additum nuper ac suffectum a nostro est Sene. De cuius Urania, ut arbitror, iudicabunt posteri fortasse liberius, quod, certo scio, de ea sentient minus invidenter. Quibus igitur verbis aut quonam ore gestuque assurgemus Poeticae
Pontanos Urania wurde von Joachim Camerarius d. Ä. in seinen Phaenomena als ›Mitbürger Vergils‹ gerühmt und nachgeahmt,83 und wohl in Ergänzung von Arats Phainomena empfahl Melanchthon, der solche italienischen Publikationen durchaus beobachtete, Pontanos Meteora (im deutschen Sprachraum zuerst gedruckt Wien 1517) und ließ sie 1524 in Wittenberg mit einer Vorrede drucken, weil auch hier geforderte Einheit von Sachwissen und lexikalischer wie stilistischer Virtuosität zu studieren war und weil er ›ranzige‹ ältere Lehrbücher dadurch verdrängen wollte:84
Zitiert nach Giovanni Pontano, Dialoge. Übersetzt von Hermann Kiefer, mit einer Einleitung von Ernesto Grassi. Lateinisch-deutsche Ausgabe, München 1984, S. 510f.; hier die Übersetzung: »Die Natur der Dinge deckte Empedokles dem Menschengeschlecht durch seinen Gesang auf, und Dorotheus Sidonius die Natur der Sternenwissenschaft; diese beiden ahmten Lucretius und Manilius bei den Lateinern nach; und – großer Gott! – was für ein Reichtum, was für ein Schmuck, wieviel Glanz strahlt aus den hellsten Lichtern des einen im anderen wieder! Er reißt den Leser fort, wohin er will, er prüft, worauf er abzielt; mit höchster Feinheit und Kunstfertigkeit ermahnt, erschreckt, erregt und holt er ihn zurück, und dies alles vollbringt er mit Größe und wenn nötig mit Schmuck und mit dieser Bewunderungswürdigkeit, über die wir sprachen, so daß nach der Reinigung jener rauheren Rhythmen des Altertums, mit denen später Vergil die römische Dichtung erleuchtete, überhaupt nichts gemangelt zu haben scheint. Dem anderen aber wurde in der Astronomie, sofern ihm zur dichterischen Anmut noch der Schmuck fehlte, erst kürzlich von unserem Senex etwas hinzugefügt und ergänzt. Über seine »Urania« werden, wie ich meine, die Späteren vielleicht freier urteilen, weil sie darüber, was ich gewiß weiß, weniger neidvoll denken. Mit welchen Worten und welcher Miene und welcher Gebärde wollen wir uns also vor der Dichtung erheben?« 83 Dazu Ludwig (Opuscula aliquot, 2003), S. 110f., sowie zur weiteren Verehrung Pontanos ebenfalls Ludwig (Pontani amatores, 2003). 84 Zitiert nach MBW, Bd. T 2, Nr. 365, S. 223. In einem Brief an Camerarius vom 29. 6. 1532 (MBW, Bd. T 5, Nr. 1261, S. 313f.) berichtet Melanchthon von der Lektüre des Pontano nahestehenden neapolitanischen Lehrdichters Lorenzo Bonincontri/Bonincontrinus (De rebus coelestibus, Venedig 1526); dazu die neue Edition von Heilen (1999). 82
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Prudenter hic constitutum est, ut hi qui physilogian tradunt pro rancidis commentariis qui paulo ante in scholis regnabant interpretentur preter alios bonos scriptores et Pontani [griech.:] Metéōra. Nam antea usque adeo tradebantur omnia insulse, ut nomen etiam ipsum ac titulum [griech.:] Metéōra corruperint ac concerpserint. O incredibilem amentiam! Nemo non metauros pronuntiabat, et erant qui a tauris nomen derivabant. Credo, quod in tauros alii, alii in asinos degenerarant, etymologia illa delectatos esse. Maiores temere finxisse Homerum arbitrati sunt Circes poculis quosdam infectos induisse ferarum formas. At nostra aetas vidit multo verissime in bestias plerosque mutatos esse degustata barbara illa et corrupta doctrina. Proinde optarim in physicas scholas ubique explosa tandem barbarie accersi hos Pontani libellos, quando ea est elegantia carminis, ut facile opponi vetustati possit, et res ipsae prudentissime docentur.
Von Lukrez konnte man lernen, die Proömien der einzelnen Bücher des Lehrepos zu persönlichen Stellungnahmen oder poetologischen Reflexionen zu nutzen. Mehrfach und geradezu emphatisch (Proömien zu III und V) huldigte Lukrez hier seinem Heros Epikur, dem »pater et rerum inventor« (III, 9), nach dessen Vorbild er, zum Entsetzen und Widerspruch aller späteren christlichen Poeten, gegen abergläubische Götterfurcht polemisierte, den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele entkräftete und nach und nach das komplette Bild einer vergänglichen Welt aus Atomen entwarf.85 Immer wieder nachgeahmt wurde in der abendländischen Dichtung (seit Vergil) der das Gesamtwerk eröffnende Hymnus an Venus als lebenspendender universaler Naturmacht. Die angst- und tabulose Suche nach den wahren »causae rerum« beantwortete für Lukrez immer auch überkommene Sinnfragen. So ergänzten sich bei ihm kosmogonische, kosmologische, naturkundliche (z. B. meteorologische, aber auch medizinische) sowie anthropologische Ausführungen (etwa zur menschlichen Sinnesphysiologie- und -psychologie) und mündeten (Buch V und VI) in Theorien zur Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens und zur Entstehung von Kultur, deren Fortschritt durch moralische Depravation (Kriege und Habgier) bedroht ist. Mehrfach verlässt Lukrez den Pfad des sorgfältig und markant gegliederten Lehrvortrags, der manchmal den Gestus einer popularphilosophischen Diatribe annimmt, um zu Exkursen auszuholen, wie in der berühmt gewordenen, das Werk abschließenden Schilderung der Pest im alten Athen samt Überlegungen zur Entstehung von Seuchen (VI, 1090–1286). Die weltanschaulichen Positionen des Lukrez blieben bis ins 18. Jahrhundert im christlichen Europa offiziell verfemt und wurden bekämpft, seine poetischen Mittel in Konzeption und Mikrostilistik lebten weiter und wirkten zunächst ein auf das allgemein approbierte und wirkungsvollste Lehrepos Europas, auf Vergils Georgica. Auch hier ging es um die ästhetische Nobilitierung eines Weltbildes, allerdings nicht im Zeichen einer energischen Befreiung von religiösen Illusionen, sondern in staatstragender Anpassung an das geistige Klima der augusteischen Restauration, trotz aller herausgehobenen Verehrung des großen Vorgängers (z. B. II, 490–492). Die patriotische Achtung vor der mühsamen, immer wiederkehrenden Arbeit und geradezu ›saturnischen‹ Lebensrhythmik des Bauern bot den ideellen Rahmen 85
Zur Forschung und Diskussion s. Sier (1998) sowie Gillespie/Hardie (2007).
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für den Kernbereich der Darlegungen, die sich, auch im sprachlichen Ringen mit einer spröden Materie, den verschiedenen Zweigen der Agrikultur zuwendet: dem Ackerbau samt Bauernkalender und Wetterbuch (Buch I), der Entstehung, Varietät und Pflege der Pflanzen unter Einschluß des Weinbaus (Buch II), der Zucht und Haltung der Haustiere (Buch III) und schließlich der geradezu moralisch zu qualifizierenden Einzigartigkeit der Bienen und ihrer Staatsbildung (Buch IV). Die Schilderung einer Tierseuche (III, 478–566) oder die abschließende Erzählung von Tod und Urzeugung der Bienen im sogenannten Aristaeus-Epyllion mit der Sage von Orpheus und Eurydike (IV, 315–554) gehören zu den das Gesamtwerk prägenden, oft von Lukrez inspirierten Exkursen, die formal und gedanklich den Lehrvortrag auflockern und diskursiv überwölben. Das mythologisch angereicherte Aristaeus-Epyllion wurde in der rinascimentalen Lehrepik zum Vorbild für die oft auch aus Ovids Metamorphosen geschöpfte Anreicherung des Sachvortrags durch mythopoetische Erfindungen, die sich im Bereich der astral-kosmologischen Lehrepik selbstverständlich auch der narrativen Entfaltung einschlägiger Gestirnssagen (zu studieren bei Manilius und und Pontano) bedienten. Dazu ließen sich bei Vergil weitere renommierte strukturelle und diskursive Amplifikationen beobachten und ›nachahmen‹, darunter die Anrufung Oktavians (I, 24–42), die topologisch verallgemeinerten Überlegungen zur Not als Erfinderin (I, 121–154), die fortan in ganz Europa nachklingenden Laudes Italiae (II, 136–176), das Lob des Frühlings (II, 323–345), der berühmte, bald ein eigenes Genus bildende Preis des Landlebens (II, 458–540), die Vergegenwärtigung eines Stierkampfs (III, 219–24) oder die idyllische Episode über den Betrieb des alten Gärtners (IV, 125–148). Kaum zu ermessen ist in ihrer literaturhistorischen Tiefe die Nachwirkung von Vergils Lehrepos:86 Es wurde, von Gesamtausgaben Vergils abgesehen, in den Jahren von 1501 bis 1522 20 Mal, bis 1580 noch 11 Mal einzeln in Deutschland gedruckt,87 im Unterricht behandelt, sowie, abgesehen von vielen heute kaum noch bekannten Literaten, studiert und assimiliert von großen rinascimentalen Lehrepikern wie Pontano, Vida und Fracastoro, bildet auch die Folie von Angelo Polizianos (1454– 1494), des Florentiners, Rusticus (570 Hexameter),88 vorgetragen bei der Erörterung von Hesiod und Vergils Georgica. Die im Mittelalter beginnende Kette der von Verehrung getragenen europäischen Adaptionen und Transformationen, weit über das vorgegebene Thema des Landbaus hinaus, umfasste beispielsweise auch die ca. 5000 Hexameter (Agriculturae sacrae libri quinque, Basel 1550, übertragen auf das Idealbild des Theologen, elektronisch lesbar in CAMENA) des bisher nur als Dramatiker und Satiriker gewürdigten Thomas Naogeorg (ca. 1508–1563) sowie die ihrerzeit vielgelesenen Landbau- und Gartengedichte namhafter französischer Jesuiten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts (René Rapin: Hortorum libri IV, Erstdruck Paris Dazu hilfreich und einlässlich die Studie von Ludwig (1982); ferner Effe (1975). Dies nach dem Befund von Leonhardt (2001), S. 102; zu Melanchthons Enarratio der Georgica s. C. R. XIX (1853), S. 349–454. 88 S. die zweisprachige Edition von Schönberger (1992). 86 87
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1665; Jacques Vanière: Praedium rusticum in 16 Büchern, erschienen zwischen 1707 und 1746, zahlreiche Neuausgaben und Übersetzungen).89 Allerdings enthielt Vergils Verherrlichung des Bauern auch Sprengstoff: Nicodemus Frischlin (1547–1590) hielt über Vergils Georgica eine paraphrastische Vorlesung (1578) und ließ im selben Jahr wie diese Vorlesung (1580) im Druck ausgehen, sichtlich als anspielungsreiche Kontrastfolie gedacht, seine vieldiskutierte, bald geradezu berüchtigte adelskritische Rede De vita rustica, die ihm zahlreiche Anfeindungen einbrachte und letzthin zu seinem Gefängnis und seinem tragischen Tod führte.90 Der weite Wirkungsradius Vergils wird wohl noch übertroffen von einem Lehr epos abseits des naturkundlichen Themensektors, nämlich von Horaz’ Ars poetica, eigentlich einem Lehrbrief (»Ad Pisones«). Obwohl unsystematisch in eher colloquialem Epistelstil gehalten, gehörte dieses Werk vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert zum eisernen Lehrbestand des höheren akademischen Unterrichts, wurde deshalb oft nachgedruckt, paraphrasiert und kommentiert.91 Im 16. Jahrhundert fand parallel dazu Girolamo Vidas De arte poetica (drei Bücher zu je rund 600 Hexametern; Erstdruck 1527) eine auch in der deutschen Druckgeschichte ablesbare Verbreitung.92 Das einst kanonische poetologisch-metrische mittelalterliche Lehrepos (Doctrinale) des Alexander von Villa Dei (12. Jahrhundert),93 war schon von den Frühhumanisten bekämpft und nach und nach ersetzt worden durch metrische und stiltheoretische Lehrbücher, unter denen sich auch Ulrich von Huttens hexametrisches Lehrgedicht (422 Verse) De arte versificatoria befand (gedruckt 1511 und 1521; mehr als 30 Auflagen bis 1560).94 Das Interesse an den Protagonisten des Genres führte dazu, dass das im Mittelalter verschollene, ursprünglich aus drei Einzelpoemen bestehende Lehrgedicht des Terentianus Maurus (2./3. Jahrhundert n. Chr.) unter dem Titel De Literis, Syllabis et Metris von Jacob Micyllus (1503– 1558), zeitweilig Professor in Heidelberg, neu herausgegeben wurde (1532, s. EH 3, S. 11–18). Der Aura der bekannten poetologischen Lehrgedichte (Horaz, Vida), die jedoch über Verstechnisches und Handgriffe der Rhetorik weit hinauswiesen, ist es wohl zuzuschreiben, dass auch im 17. Jahrhundert dichtungstheoretische Programme auch in deutschsprachigen Versdichtungen vorgetragen wurden: So von keinem Geringeren als Justus Georg Schottelius (1612–1676), dem größten 89 90
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Dazu neben Ludwig (1982) das Kapitel »Jesuit Georgic in the Age of Louis XIV« von Haskell (2003), S. 17–68. Dazu Kühlmann (1999); zur Druckgeschichte s. die Beschreibungen bei Wilhelmi/Seck (2004), Nr. 41 und 42, 154, 170, 182, 190, 226; zu Frischlin ist nun auszugehen von dem Artikel (sub verbo) von Robert Seidel. In: VL 16, Bd. 2 (2012), Sp. 460–477. Zur Rezeption schneisenhaft mit dem Hinweis auf Kommentare Richter (2011); zu einer für den Unterricht aufbereiteten Paraphrase (1595) des Heidelberger Poetikprofessors Pitho poeus s. EH 4 (2013), Nr. 2. S. 188–193. Drucke Vidas in Basel, mit den anderen Lehrgedichten: 1531, 1534 und 1537 (VD 16, Nr. V 992–999). Zum Inhalt und textypologischem Kontext s. Leonhardt (1989), S. 128–137. Dazu Haye (1997), S. 377–380; Abdruck in Ed. Böcking, Bd. 3.
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deutschen Sprachtheoretiker der Epoche, in drei sprach- und kulturpatriotisch geprägten, mit allegorischen Figurationen und Sprecherrollen operierenden Lehrgedichten: Lamentatio Germaniae exspirantis. Der nunmehr hinsterbenden Nymphe Germaniae elendeste Totenklage (Braunschweig 1640) und Der Teutschen Sprach Einleitung (Lüneburg 1643), wozu später hinzukam das Horrendum Bellum Grammaticale Teutonum antiquissimorum (Braunschweig 1673).95 Als Endpunkt der poetologisch-normativen Horazrezeption kann die Tatsache gelten, dass, angeregt auch durch Nicolas Boileaus Art Poetique, der einflussreiche Leipziger Professor und Literaturkritiker Johann Christoph Gottsched (1700– 1766) zuletzt in der 4. Auflage seines Versuch[s] einer Critischen Dichtkunst (1751, Ndr. 1982) seine Horazübersetzung mit dem lateinischen Text abdruckte und in seinem Kapitel »Von dogmatischen Gedichten« (Ndr. S. 566–580) im historischen Rückblick, trotz aller Bindungen an Aristoteles, die Summe des bis auf die Vorsokratiker zurückweisenden Genus zu ziehen versuchte.96 II. Das Lehrepos im Alten Reich: Vom postreformatorischen Humanismus bis zum 17. Jahrhundert. Einige Schlaglichter Hesiods Werke und Vergils Georgica, hier und da auch Arat und Manilius gehörten, wie oben gesagt, zum Lehrpensum des deutschen Schulhumanismus. Die Drucker kümmerten sich rege um die benötigten Editionen. Einzelausgaben von Lukrez, dem skandalösen Atheisten, blieben im deutschen Kulturraum vorerst Mangelware (manchmal wurden gegenläufige Dichtungen gleich beigedruckt), und auch die großen italienischen Lehrdichter fand man, von Vida und Palingenius (dazu im Folgenden) abgesehen, offenbar eher auf dem italienischen Buchmarkt als im heimischen Angebot.97 Gelehrte Zirkel bemühten sich allerdings nach und nach auch um die philologische Präsenz der ›kleineren‹ Autoritäten des antiken Lehrepos. Vereinzelt erreichten große didaktische Kompendien des Mittelalters die neue Epoche des Buchdrucks, so etwa Freidanks Bescheidenheit (13. Jahrhundert, maximal ca. 4000 Verse, weit verbreitet) in einer mehrfach nachgedruckten Ausgabe (zuerst Straßburg 1508), die Sebastian Brant besorgte,98 oder auch auszugsweise wie die strophischen Lehrgedichte des Winsbecke in der
Dazu mit Textproben Berns (1984), S. 420–422. Zu kompromisshaften Haltung Gottscheds und zur Diskussion im18. Jahrhundert s. Siegrist (1974), S. 21–30. 97 Zu einer kommentierten, Isaak Vossius gewidmeten Lukrez-Ausgabe durch den gebürtigen Heidelberger Daniel Pareus (1605–ca.1635) samt einem Textanhang, der außer einem Lukrez-Register auch diesbezügliche Lehrgedichte des Scipio Capece (De principiis rerum libri duo, 1546) und des Antonius Palearius (De immortalitate animorum, 1536) umfasste s. EH 2, Nr. 6, S. 909–914. 98 Vgl. den Neudruck dieser Ausgabe mit Fasimilennachdruck von Leupold (2010). 95 96
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reichspatriotischen Sammlung (Paraeneticorum veterum pars I. Lindau 1604) des Melchior Goldast (1578–1635).99 Die Kontaktzonen zwischen der didaktischen deutschen Reimpaardichtung und der antiken wie rinascimentalen Lehrepik lassen sich hier, auch wegen der schütteren Forschung, nicht weiter vermessen, mit einer spektakulären Ausnahme, dem in zwölf hexametrischen Büchern vorgelegten, auch in den Lehrdichtungen Giordano Brunos weiterwirkenden und von Shakespeare verwendeten Großepos Zodiacus Vitae Humanae (Erstdruck Venedig 1536; fast zehntausend Hexameter) des als Person rätselhaften Marcellus Palingenius Stellatus (d. i. Pier Angelo Manzolli, ca. 1500–1551).100 Dieses gewiß erfolgreichste Lehrepos der Renaissance, von Scaliger als »Satyra« bezeichnet,101 wurde, so Roellenbleck, etwa 50 mal in Europa gedruckt (zuletzt wohl 1832 in Leipzig, mir vorliegend eine Ausgabe Frankfurt/ Leipzig 1783); allein 30 Ausgaben erschienen im 16. Jahrhundert, auch für Zwecke der akademischen Lehre. Im protestantischen Raum trug dazu auch ein gewisser Märtyrernimbus bei, da nach dem Tode des Dichters, zeitweilig wohl Leibarzt in Ferrara, auf päpstliche Anordnung seine Gebeine verbrannt wurden und das Epos auf den Index Librorum prohibitorum gesetzt wurde. Palingenius bietet, sachlich und konzeptionell entgegen den nichtssagenden Buchüberschriften (Tierkreiszeichen, so schon von J. C. Scaliger bemängelt) einen moralischen, metaphysisch-theologischen und teilweise auch scientifischen Weltspiegel. Diskutiert, vorgetragen und illustriert werden kontroverse Entwürfe des menschlichen Glücks (Frage nach dem »summum bonum«: Lust, Tugend oder Reichtum?), die Stufen der wahren Weisheit, Formen und moralische Mängel des humanen Zusammenlebens sowie die Regeln vernünftiger Lebensordnung, die Verhältnisse des hierarchisch gestuften Kosmos (Gott und die himmlischen Geister bzw. dämonischen Mächte), die Kräfte der Schicksalslenkung (Gott, fatum und fortuna), immer wieder auch Naturkundliches (Himmelskunde, auch Naturphilosophie, darunter die Alchemie). Eingestreut ist harsche Kritik: Der Unterweltsgott beklagt sich bei Iupiter, dass er nicht nur Juden und Heiden, sondern auch die Mehrheit der Christen, sogar Priester, Mönche und Päpste bei sich aufnehmen müsse (Buch X). Palingenius artikuliert ein neuplatonisch gedachtes Christentum, in dem die auf Christus zentrierte Heilsgeschichte weitgehend ausgeblendet wird. Auch dies wird zu seiner päpstlichen Indizierung beigetragen haben. 99 Dazu Harms (1986). Zur mittelalterlichen Lehrdichtung bieten Zugänge und Überblicke
Sowinski (1971), Boesch (1977) und Haye (1997); ferner Keil 1979 und Löhnemann/Linden (Hg. 2009, hier S. 481–484: Auswahlbibliographie zur Lehrdichtung) sowie das Werk von Bulang (2011). 100 Vgl nun die meisterhafte Neuausgabe von Chomarat (1996 mit Sachgliederung, Kommentar und französischer Übersetzung; im Anhang abgedruckt Testimonia zum Autor und zum Werk, darunter P. Bayle); nützlich Keller (1974), S. 9–60, sowie Roellenbleck (1979), S. 189–203. 101 Poetices Libri VII, hier Buch VI; Bd. V (2003), S. 128: »Palingenii poema totum satyra est est, sed sobria, non insana, non foeda. Eius dictio pura. Versus ac stilus in imo genere dicendi.«
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Formal beherrscht der Autor diverse Techniken der strukurellen Auflockerung des Genres und der Lehrrede: in Proömien (auch Musenanrufe), Gebeten und Hymnen (an die Sonne z. B. zu Anfang von Buch IV; Bitte an Gott um Inspiration: Anfang von Buch XII), vor allem in narrativ dargebotenen Szenen mit teils fiktiven Figuren (ein Zwiegesang von Hirten in Buch IV; Gespräch mit einem Einsiedler auf dem Soracte: Buch X), teils allegorischen Figuren (Buch IV: Arete, die Tugend, und ihr Sohn Timalphes; die Mächte der Laster und des Bösen in Buch IX). Dazu kommen die Ekphrasis allegorischer Orte wie der Hain der voluptas (Buch IV) und, wohl von Vergil und Lukan (auch Dante?) angeregt, die Schau der Unterwelt (Buch X). Vorläufig als einziges der großen (modernen) italienischen Lehrepen fand dieses Opus maximum bald Eingang in den deutschsprachigen Kommunikationskreislauf, und zwar durch den in Augsburg als Notar und Meistersinger wirkenden, literarisch ungemein produktiven Johannes Spreng (1524–1601). Da er sich, nach seinem Studium in Heidelberg, auch als Übersetzer von Ovid, Homer und Vergil bewährte, fiel ihm der sprachliche Zugang zu dem ein luzides Latein schreibenden Italiener nicht schwer. Spreng publizierte in vierhebigen Reimpaarversen die erste deutsche Palingenius-Übersetzung (Frankfurt/M. 1564; Augsburg 1590, Lauingen 1599), erweitert durch Inhaltsangaben zu jedem Buch und fortlaufende Marginalien, und nahm ihn auch bei zwei Meisterliedern zur Vorlage.102 Sprengs Vorrede an den ehemaligen kaiserlichen Rat »Hans Ungnad, Freiherrn von Sunneck« (1496–1564), aus Glaubensgründen nach Württemberg ausgewandert, akzentuiert zwar ein lutherisches Christentum, besteht jedoch auf der vorsichtigen Integration auch des ›heidnischen‹ Wissens, d. h. aber der bei Palingenius zur Rede kommenden philosophischen Diskurse und divergenten moralischen Lebensentwürfe (im Folgenden Auszüge nach dem Erstdruck, zunächst aus der Vorrede): Derwegen so ist nit alles das von den Heiden herfleust / oder sonst nach irer art beschrieben / von stund an als abgöttisch zu verwerffen / sonder alles mit gutem urtheil vnd nachdencken zu erwegen / Und ob schon etwas darinnen nit so gar richtig / oder Christlicher gleichmessig (dann von den groben greifflichen vnd abscheuwlichen jrthummen / damit etliche Secten der Philosophen behafftet / reden wir jetzt gar nit) befunden würde / so wirdt doch ein jeder verstendiger Christ das falsch vnd böß von dem waren vnd guten 102 Zu den Meisterliedern in Anlehnung an Palingenius nur der Hinweis (ohne Belege) bei Ur-
ban (1961), S. 148; nicht zu verifizieren in dem Spreng-Abschnitt in RSM, Bd. 12. Katalog der Texte. Jüngerer Teil. Bearbeitet von Horst Brunner, Eva Klesatschke, Dieter Merzbacher, Johannes Rettelbach. Tübingen 1989, S. 99–190. Spätere deutsche Übersetzungen wurden vorgelegt von Franz Schisling (Frankfurt/M. 31788), Joseph Pracht (München 1804–1812) und zuletzt von Marcellus Aurelius Hug (Freising 1873). Außer knappen Hinweisen hat sich die Sprengforschung mit dem deutschen Palingenius nicht befaßt: Pfeiffer (1919, S. 52) erblickt in ihm wegen metrischer Mängel (Tonbeugungen) ein »tiefstehendes Werk« (Spreng verfährt aber nicht anders als in seinen anderen Übersetzungen); zur Titulatur und zum Widmungsträger Merzbacher (1991), S. 89f., 111f.; zum Autor das neuere literarische Porträt von Simnacher (2010).
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fein underscheiden / alles wol probirn vnd erforschen / auch zu dem lob vnd preiß deß einigen Gottes / vnd zu seiner seelen heil vund seligkeit / was jm fürkompt / richten mögen / dann den reinen ist alles rein / aber den vnreinen Gott losen vnd verruchten menschen / die nur am jrrdischen kleben / wirt auch das so seiner Natur nach zum aller besten ist / in lauter gifft verkeret / wie noch heutigs tags mit heiliger Schrifft vor augen / dass dieselbig zu beschönung viler jrrthumb / auch offtermals zum deckmantel greuwlicher sünd vnd vngerechtigkeit / vom grösten theil der Welt miß brauchet vnd fälschlich angezogen wirt. So wöll nun niemand freffenlich vrtheilen / und was sich mit seinem verstand nit reimen will / darumb zu boden trucken / dann was auch bey den Heiden vnd weisen Philosophis für heimligkeiten Himmlischer und Göttlicher sachen / was für schöne manigfaltige lehr von allen tugenden bey jn befunden werden / was für herrliche ding / von der Seel / jrer natur vnd vnsterblichkeit halber / sie auch an den tag gegeben / das ist den jenigen bewust die jre Bücher oder schrifften mit gutem verstand und wolbedachtem vrtheil ersuchet vnnd durchlesen haben / Ich geschweige jetzt wie jr lehr und leben so fein artlich zusammen stimmet / auch mit der that das jenige so sie erkannt / von jnen geleistet worden / also das eigentlich zu besorgen / es jnen an dem grossen tag deß Herren träglicher ergehn werde / weder vilen die den Christlichen namen tragen / sich vil glaubens und hohes erkanntnuß rümen / darneben im werck kaum das geringste stück eines ehrbarn Politischen lebens / ich geschweig deß waren Christenthumbs / beweisen.
Unter diesen Vorbehalten wird das angeblich von vielen Gelehrten gelobte, aber auch von muttersprachlichen Lesern dringend erwünschte Epos als ein »gewaltig Buch« gerühmt und in seinem Inhalt umrisshaft vorgestellt, nämlich als eine Dichtung, die: von vilen gelehrten vnser zeit / als ein vberauß köstlich und nützlich werck / (deß innhalt wir hernach kürtzlich vermelden wöllen) gelobt wirdt / so hab ich auff viler guthertziger begern und anhalten / bey mir selbs vermeint / ich wende die zeit nicht vergebens an / ließ auch müh vnd arbeit nit vmb sonst darüber gehn / wann ich das herrlich vnd gewaltig Buch / so voller geheimnuß / darinn auch der Welt lauff / als in einem klaren Spiegel / ist dargestelt / durch Teutsche Sprach an dz liecht gebe / auff dass sich menniglich / so deß Lateins vnerfaren und nicht bericht / darinnen wol zu ersehen / und das arbeitselig leben dieser welt ernstlich zu bedencken hett / dann ich zweifel sehr bey mir / ob auch nach der heiligen schrifft / die in allem / wie oben angeregt / den vortritt hat / mög ein Buch befunden werden / darinnen vns diese unter zergenglich vnd schattechtige Welt / hergegen auch das ober / himmlisch / ewig und warhafftig Reich / so klar vnd eigentlich abgemahlet und fürgehalten wirt / wiwol diß und anderß hierinnen angeborner finsternuß halben nicht einem jedwedern zu sehen vergünnet ist. [. . .] Der Innhalt aber ist / dass er den menschen zum höchsten gut vnd zu warer glückseligkeit zu füren begert / vnnd darneben die gantz Philosophi vnderschiedlich hin und wider einmengt / Dann zum ersten disputiert er / was doch das höchste gut sey / ob es in reichthumb wollust / pracht dieser Welt / oder andern zergenglichen dingen steh / darnach jederman jetzt so hefftig strebet / vnd beschleust / dass es dern keins nit in sich / sonder allein in wahrer völliger glückseligkeit / darzu wir hie nit kommen mögen / vnd die erst im künfftigen leben angehn werd / sein bestandt vnd wesen hab. Derwegen er vns ernstlich vermanet / alle jrrdische freud und kurtzweil / die in einem augenblick verschwindet / zu verlassen / und allein die rechte weißheit / so zu dem höchsten gut vnd warer glückseligkeit die erste staffel ist / zu ergründen. Es werden auch vil schöner lehr und gebott wie wir die selben erlangen / auch das end vnsers fürgesteckten zils / nemlich der seelen seligkeit / allein durch Gottes Geist
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Eine Synopse der lateinischen und deutschen Fassung wäre keinesfalls nur unter übersetzungstechnischen Gesichtspunkten dringlich und notwendig, sondern würde zugleich auch die Perspektive freigeben auf mentale Klüfte, divergente geistige Horizonte und komplexe idiomatische Assimilationen einer Anthropologie, die einem frommen, auf die Bibel konzentrierten Stadtbürger und Meistersinger sonst kaum spontan aus der Feder floss. Bei Palingenius, der so zweifellos auch an Lukrez erinnerte, tritt im dritten Buch kein anderer als der sonst vielgeschmähte Epikur auf, nach Spreng »ein alter Herr« (für »venerande senex«) mit einem bunten Blumenkranz (»florea serta«) auf dem Haupt. Das berichtende Ich begegnet ihm bei einem Strandspaziergang. Nach der gegenseitigen Bekanntmachung folgt aus dem Munde des antiken Philosophen ein längerer, durchaus ›heidnischer‹ Lehrvortrag. Ich gebe einen Teil dieser Passage zum weiteren Anreiz als Textprobe (Spreng 1564, S. 31r– 32r, dann S. 32v–33v; entspricht Palingenius III, 9–37 und 55–86, ed. Chomarat S. 72, 73). Auch bei Palingenius wirkt das Treffen mit Epikur ambivalent, verbreitet staunendes Entsetzen und wirkt zugleich wie der, doch wohl erfreuliche, Fund eines Schatzes, einer alten Truhe, im Acker (III, 20f.: »stupui: ceu rusticus, agrum | qui fodiens reperit latitantem obscurius arcam.«). Selbst in der deutschen Fassung wird noch sichtbar, wie Palingenius seinen Epikur (vorgestellt mit den Attributen eines kynischen Philosophen, Stab und Bart, in Kombination mit dem Bild eines altgewordenen ›Blumenkindes‹) auch in der Transparenz bekannter Exempel der antiken Poesie (direkte Bezüge zur Typisierung der verschiedenen Lebensformen bei Horaz, carm. I, 1) sprechen läßt: Als ich am wasser gieng spacieren / Sihe daselbs ein alter greiß / Bekleid mit einer Wad sehr weiß / An einem stecken mir bekam / Ein grauwen bart hett er lobsam / War schön von leib / ich euch bericht / Hett gar ein lieblich angesicht / Ob seinem haubet auch mit fug / Der alt ein grünes krentzlin trug / Und als wir beid zusamen stiessen / Da theten wir einander grüssen / Der alt man fraget wer ich wer / Mein namen auch begeret er / Das zuverstehn gab ich im bald / Vnd fraget in gleicher gstalt / Wie er auch hieß als er hiebey / Sein namen mir bekennet frey /
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(Epicurus was er genannt) Entsetzt ich mich darab zuhandt / Gleich als ein Bauwr der finden thut / Ein Schatz im acker wolgemut. Ich redt in an / sprach alter Herr / Gott sey von dir mit gnad nit ferr / Dieweil in dir vil weißheit ist / (Es sey dann das die Leut mit list / Wie offt geschicht / verführen mich) Von dir bitt ich demütigklich / Theil mir mit vil guter gebott / Dann ich weiß je wenig von Gott / Ir weiser lehr mich underricht / Hastu anderst zu schaffen nicht / Der alt sprach / kein geschefft ich hab / Sonder weil ich die sorg vorab / Deßgleich die arbeit fliehen thu / Vnd mir mag schaffen kein vnrhu / So geh ich offt an dises ort / Ließ auff die schönen blumen fort / Die ich auff meinem häupte trag / Derwegen ich dir nicht versag / Was du begeret hast bequem / Dem alter ist gar angenem / Zureden von verlauffnen dingen / Und lange gschicht herfür zubringen / Damit vns aber niemand eng / Vnd das wir reden in die leng / Wöllen wir vnder den Eichbaum / Den du dort sichst mit gutem raum / Beid sitzen an das wasser still / Als diß war unser beider will / Fieng an zusprechen mich der alt / Und redet sollicher gestalt: [. . .] Aller ding ist ein zil vnd end / Dahin der menschen werck sich lend / Und gentzlich richtet alleweil / Als zu eim zil hinfert der pfeil / Wer wolt pflügen das Erdterich / Wer wolt auff das Meer wogen sich / Wer wolt zum streiten sich begeben / Wer wolt nach ehr vnd tugend streben /
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Wann ein nit zwingen thet hiebey / Freud vnd auch wollust mancherley / Dann das ist mittel vnd anfang / Deßgleichen auch end vnd außgang / Aller mühe vnd arbeit so gut / Darinn der mensch sich üben thut / Damit dir aber besser kund Werde die sach / merck auff zu stund / Ein jedes werck wirt fürgenommen / Daß es sein endtschafft mög bekommen / Wo es anderst weißlich geschicht / Zum endt wird alles thun gericht / In dem gemüt zuvor es steht / Nach dem werck aber herfür geht / Ist nun das endt auffs gut gestelt / Dem menschen es hertzlich gefelt / Sein will gedancken vnd auch sinn / Sucht in dem gantzen werck dahin / Daß er das endt glückseeligklich / Erreich / darab erfreuwt er sich / Kein arbeit jm nicht sauwr last sein / Die vrsach ist der lust allein / Nemlich freud vnd ergetzlichkeit / Damit aber auch die warheit / Der vnverstendig man erfar / So will ich mit Exemplen klar / Was oben erzelt ist beweren / Vnd die recht gründtlich warheit lehren / Warumb pflüget und grebt der Bauwr / Last jm werden sein arbeit sauwr: Im Sommer leidet er groß hitz / Das jm herab lauffet der schwitz / Im Winter geduldt er den frost / Groß beschwernuß sein arbeit kost / Warumb begibt sich der Schiffman / Auffs grimm vnd wütig Meer fortan / Felsen vnd wirbel mit gefahr / Den tod er auch nit fürcht fürwar / Tröst sich deß schiffs vnd seiner kunst / Diß alles geschicht nit vmb sunst / Warumb lauffet der Kriegßman zu streit / Vnd freuwt sich zu sollicher zeit /
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Wann er hört die Trummeten frey / Vnd der pferd mutiges geschrey / Warumb thut auch manicher sich / In künsten üben hefftigklich / Durchlißt alle Bücher darzu / Hat weder tag noch nacht kein rhu / Nemlichen das nach arbeit lang / Ehr / gwin / vnd wollust einher gang / Wann ehr / vnd nutz uns nit beweget / Wird kunst vnd tugend hingeleget. Spreng hebt im Resümee seiner Vorrede an Palingenius’ Epos den Charakter einer letzthin christlichen Lebenslehre hervor. Andere Rezeptionslinien führen, wie Joachim Telle ausführlich darstellt (siehe in diesem Band seinen Beitrag Nr. 14) nicht nur zu bekannten Namen wie dem eines Georg Rollenhagen, sondern auch in das bislang unwegsame Gelände des alchemischen Schrifttums, das sich von Palingenius’ Figur des Mercurius und der Erwähnung des ›Steins der Weisen‹ zur Exegese eines ›sensus alchemicus‹ ermutigt fühlte, der eine eigene, auch poetischdidaktische, zumal in der naturphilosophischen Mythos-Rezeption florierende Tradition ausbildete.103 Daß der italienische Arztdichter nicht nur in Rom, sondern in Deutschland auch bei frommen Lutheranern auf Widerstand stieß, anders als bei Spreng, belegt in monumentaler Manier der mit fast gleichem Titel und ebenfalls in zwölf Büchern publizierte Zodicacus Vitae Christianae. Satyricon. Pleraque Omnia Verae Sapientiae Mysteria Singulari Suavitate enarrans (Frankfurt/M. 1623) des Caspar von Barth (1587–1658), des (neben Paul Fleming) letzten großen protestantischen Neulateiners im deutschen Kulturraum. Das äußerst weitläufige, weitgehend unerforschte Oeuvre Barths, in dem er sich als berühmter Polyhistor und Philologe, zugleich als vielseitiger lateinischer Dichter und eifriger lateinischer Übersetzer profilierte,104 hier nur stichworthaft zu erwähnen, ist durchzogen von lehrhaften Poemen verschiedenster Art (teilweise schon gedruckt in seinen Opuscula varia. Hanau 1612, teilweise auch inseriert in sein spät vollendetes, auch ins Deutsche übersetztes und zum Beispiel von Quirinus Kuhlmann gelesenes Kompendium der quasi-augustinischen Soliloquia, Zwickau 1655). Zu diesem Umkreis zählen lateinische Theognis-Adaptionen, Kollektionen von Fabeln und Verssatiren, Gedicht103 Dazu Kühlmann (2002). 104 Werkbibliographie bei Dünnhaupt. Bd. I (1990), S. 401–421. Die neuere Forschung hat
sich bisher nur mit dem lyrischen Werk (Kühlmann; Textauswahl mit Übersetzungen, BioBibliographie und Kommentar in Hl, 1997, S. 863–903, 1484–1527) und den Übersetzungen namhafter Texte der Romania befasst (Arbeiten von Briesemeister und Ludwig). Den einzigen Gesamtüberblick über Leben und Werk, auch über die Lehrdichtung, bietet, wie auch immer chaotisch und oft fragwürdig, Hoffmeister (1931); vgl. aber den Artikel (sub verbo) von Kühlmann. In: Killy/Kühlmann. Bd. 1 (2008), S. 332f.
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zyklen über literarische und historische ›Heroen‹ sowie didaktische Großpoeme, darunter, auch als Auseinandersetzung mit dem Neostoizismus gedacht, De fide salvifica et de constantia (Frankfurt 1623). Barths Zodiacus ist, obwohl des öfteren durchsetzt mit zeithistorischen Durchblicken (etwa im zweiten Buch zum beginnenden Dreißigjährigen Krieg und seiner Vorgeschichte), als biblisch fundierte, in jeder Hinsicht aemulative lutherisch-christliche Kontrafaktur von Palingenius’ Epos konzipiert:105 nicht nur, indem das erste Buch beginnt mit einer Nachdichtung des Heils- und Unheilsgeschehens im Paradies, sondern auch dadurch, dass sich Barth am Ende des ersten Buches demonstrativ in einen poetischen Dichterkatalog einreiht, der bis zur Bibelepik der christlichen Spätantike zurückreicht, aber auch schon, neben Vida, Scaliger und (in Umschreibung des Namens) dem Schotten George Buchanan, die Schöpfungsdichtung des französischen Hugenotten Du Bartas umfaßt (zu ihm siehe unten). Ich zitiere die letzten Verse des ersten Buches (S. 30f.): Felices animae, Vario PRVDENTIVS aestu Gesta canens veterum contra tormenta necemque. Seduliusque pater, Marij & Victoris Acumen; Atque alio dignus sed & hoc quoque dignus ARATOR Nomine, Paulinusque & simplicis vmbra Iuvenci. Et generosorum stirpes Alcimus alta parentum, Hisque pares alij, quos inter amabile nomen Exserit, eloquij princeps, quem Gallia adorat Barbariem exsuperans, CHRISTI, Bartassius, augur. Divina antistes Cithara insuperabile carmen Concinit. hunc juxta docto Nazarius ore Mincigenis fidibus melos aequiparabile jactat. Nec minus arguto sublimis SCALIGER oestro, Flamminiusque nitens, Vidaeque volubile Christum Laudat ebur; Scotiaeque ingenti Buccina plausu. Innumeraeque animae, quae postquam corpore functae. Purpureum æternis degunt in floribus aevum, Carmina cantanteis, in vita qualia cuique Indulsit dominus laudi; memorantque nepoteis: Salvete aetherei proceres, purissima flammae Fulgura divinae, & choreis accedite nostris: Olim adeo inter vos florens juvenilibus annis Perpetuum condam dia in praeconia carmen.
105 Dazu wenig informativ Hoffmeister (1931), S. 56–64 mit dem Abdruck (S. 64) eines Barth-
schen, gegen Palingenius gerichteten Epigramms, dessen Text (fehlerhafte Abschrift?) fast unverständlich ist.
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(Übersetzung von Jost Eickmeyer:) Selige Geister: PRVDENTIVS, der mit wechselnder Glut die Taten der Alten wider Folter und Todesgefahr besang. Auch Vater Sedulius und der Scharfsinn des Marius Victorinus; auch ARATOR, der eines anderen, aber auch dieses Ruhmes würdig ist, und Paulinus und der Schatten des schlichten Iuvencus. Ferner Alcimus, der hohe Spross aus edler Familie, und andere, die ihnen gleichen; unter ihnen sticht ein betörender Name hervor, der Fürst der Sprachkunst, den Gallien verehrt und so die Barbarei überwindet: Du Bartas, der Seher CHRISTI. Der Meister singt mit göttlicher Leier ein unübertreffliches Lied. Nach ihm stößt Nazarius mit gelehrtem Mund einen Gesang aus, der den vom Mincio stammenden Leiern durchaus vergleichbar ist. Auch der edle SCALIGER mit scharfsinnig-poetischem Furor, der glänzende Flaminius und die geläufige Flöte des Vida loben Christus in keiner geringeren Weise; so auch die Trompete Schottlands mit gewaltigem Brausen. Zahlreiche Geister, die nach dem Abscheiden von ihren Körpern eine purpurgeschmückte Zeit unter ewigen Blumen zubringen, dabei Lieder singen, wie sie zu Lebzeiten der Herr einem jeden zum Lobe gewährt hat, und ihre Enkel ermahnen. – Seid gegrüßt, ihr himmlischen Ahnen, ihr reinsten Lichter des göttlichen Feuers, und schließt euch unseren Chören an. Längst schon will ich unter euch, in der Blüte meiner Jugendjahre, ein ewigwährendes Lied zum Ruhme Gottes anstimmen.
Indem Barth hier Prudentius (ca. 348–405 n. Chr.) nennt und dabei gewiß neben den Märtyrerhymnen auch dessen moraldidaktisch-agonale Psychomachia assoziiert, wird eine alte allegorisierende Darstellungskonzeption berufen, die bereits im deutschen Frühhumanismus durch den Schwaben Heinrich Bebel (1493–1518) in seinem Triumphus Veneris seu Voluptatis contra Virtutes (ca. 2000 Verse; Erstdruck 1509, mit dem Kommentar von Johannes Altenstaig Straßburg 1511) zur Rahmenhandlung eines Epos (ca. 2000 Verse) ausgebaut wurde, in deren Zentrum sich bald eine satirische Ständerevue entfaltete.106 Mit einem andersartigen allegorisierenden Konstrukt wagte es Barth, den muttersprachlichen Sektor zu betreten. Sein merkwürdiges episches Werk hieß Deutscher Phoenix (Frankfurt/M. 1626), geschrieben in paarweise gereimten, durchaus holprigen Langzeilen, die, oft als solche kaum erkennbar, den sechshebigen epischen Langvers (Alexandriner) nachbilden sollten, sich jedoch in jeder Hinsicht (prosodisch, metrisch und stilistisch) noch ganz unbeeinflußt zeigen von Opitz’ kurz vorher (1624) kodifizierten poetischen Anweisungen. Bereits im Titel signalisiert Barth sein allegorisches Verfahren: eine geistliche, quasi vershomiletische Exegese des Mythos um den sich immer wieder aus seiner Vernichtung erhebenden sagenhaften Vogel Phönix. Grundlage waren sehr verzweigte, bis auf die Antike (besonders Claudian und Laktanz) zurückweisende Überlieferungen, mit denen sich Barth auch als philologischer Kommentator beschäftigte.107 Das deutschsprachige Epos präsentiert eine meditative und appellative
106 Maßgeblich zu allen Aspekten dieses Werkes die Analyse von Hess (1971), S. 271–319. 107 Zu Barths Phoenix-Dichtungen Hoffmeister (1931), S. 78–141; dazu im Anhang ein Fak-
similedruck des Deutschen Phoenix (darauf im Folgenden mit Angabe der Seitenzahl verwiesen). Hoffmeisters Darlegungen bieten, soweit ich sehe, die materialreichste, wenn auch bibliographisch höchst konfuse Zusammenstellung der literarischen Phönix-Rezeption von der Antike bis ins 17. Jahrhundert.
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Auslegung des Vogelemblems in doppelter Hinsicht. Der Wundervogel, immer wieder von neuem beschrieben (Hymnus am Anfang, dann etwa S. 52f.) wird zum Makrozeichen sowohl der dem »frommen Christen« zugesagten Unsterblichkeit wie auch zum Inbild des leidenden und auferstehenden Christus. Eigentliche Heimat des Phönix ist das Paradies (S. 37–40), koloriert im Bild einer Insel mit einem bukolisch anmutenden Wäldchen, in dem aus einer wunderbaren Rose bzw. aus einer Weinrebe ein Nektar fließt, mit dem auch die Poeten nach Homers und Vergils Vorbild Anteil an der Unsterblichkeit gewinnen (S. 39): Das Nectar nennen die Poeten ohne schew / Von welches büchleins safft Homerus hat getruncken Auch Orpheus vnnd Maro, sonst weren lengst versuncken In so vihl hundert Jahr jhr schön gesetzte sachn / Die jetzt jhr lob vnd ruhm mehr als vnsterblich machn. Sie haben in die Vers voll künste vnd weißheit / Gedrucket aus der Blum vntödliche liblichkeit: Nach dern Exempel dann vihl löbliche Nachkomn Auch habn jhrm gedicht Ewige zird gewonnen. In der Beschreibung von Heimatort und »Pallast« des geistlichen Vogels (S. 36–44), der auch im Sinne des Alchemohermetismus bedichtet werden konnte (siehe unten zu Michael Maier), kontaminiert Barth Erinnerungen an das biblische Paradies mit Vorstellungen des himmlischen Jerusalems, verrät in der altepischen Ekphrasis von Türbildern (Kreuz und Phönix) aber auch konzeptionelle Anleihen zum Beispiel an Vergil (vergleichbar Aeneis I, 442–493). Dazu treten andernorts andere ›klassische‹ Reminiszenzen (etwa an die alte allegorische Deutung von Homers Odyssee oder an Claudians Proserpina-Epos, S. 53). In gleitenden Übergängen wechselt Barth immer wieder seine Sprechhaltungen. Längere Passagen, die dem frommen und von Christus erlösten wahren Christen das lasterhafte, von Satan bewirkte Treiben der gottlosen Welt gegenüberstellen, werden mehrfach unterbrochen von Anrufungen und Gebeten (in der Ich-Form), die, metadihegetisch, auch Zwecke und Publikum des Epos beleuchten (S. 20): O eyniger Phoenix. O blutsprengder Pelican, O grossr Engel des bunds / fang in meinr Sehlen an Das Reich der Gnaden dein: weil ich noch leb auff Erd / Daß deine krafft in meinr schwachheit gerühmet werd. Vnd alle Brüder mein / lesend diß mein gedicht / Verlassn die Nacht der Welt / suchen dein theures Licht. Schon vorher hatte Barth seine Wendung zu der neuen Rolle eines mutterprachlichen ebenso christlichen wie vaterländischen Dichters in Erinnerung an seinen lateinischen Zodiacus und seine ausgedehnten philologischen Arbeiten verkündet (S. 8f.):
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Weicht von mir auff ein zeit / Griegischer Musae Rhum / Auch Römischer Sprache Krantz / in welche das Christenthum Zu vbersetzen schön / mit Versen allerhandt / Durch Gottes Gnade ich ins Mittel bin gesant. Ihr Zeichen zwölff / die / durch Figuren wundersan / In meiner Jugent habt mir me[i]n Hertz auffgethan Mit Stralen so / durch Krafft der rechten Seelen Sonnen / Mein Gemüth mir habn / in Lieb Christi / abgewonnen / Daß in so vil an zahl der Bücher ich gepreist Die Tugent / vnd gestrafft alles was vnrecht heist. O tiffe Lust / mit fleiß zu forschen alle Lehr Der weitgegrünten Künst / in alle Scribenten Ehr. Zu welcher nutz vnd fromm / vbr all mein Vorfahren Ich gesucht hab vnd erlangt / in blühenden Jahrn / Ein Lob so weit sich thut Antiquitas außstrecken / Dern Wunden ich verbind / dern ich manche Flecken Geheilet hab bißher / last mich nun meine Handt Auch richten zu einr Frewd meim liben Vatterlandt / In teutscher Sprach ein Lid dem Herren Christo mein Zu spilen / in dem Bild deß edlen Vogels sein. Die polemische Stoßrichtung von Barths Epos richtete sich, auch wenn der Dichtername nicht genannt wird, gegen den von Lukrez poetisch nobilitierten, sich in Barths Optik latent verbreitenden Epikureismus, der sowohl wegen seiner angeblich amoralischen Lebensmaximen als auch wegen seines gottlosen Rationalismus im Namen eines dezidiert theokratischen Weltbildes wortreich und scharf attackiert wird (S. 73f.): Aber was will ich schon den leuten bringen an Die noch ein willn habn zu gehn des lebens Ban / So doch vnzehlich vihl / ja ganzelandt voll seyn / Des Ruchlosen Gesinds / der scheußliche Bacchi Schwein Der Epicurer grob / Cyclopen und Chimaern, Die jhre Sehle nicht bedenckn / den Bauch zunehrn? Die auß aller Gottesfurcht / allr lib und tugent schon / Die sie noch nie erkant / treibn jhrn Spott und Hohn? Sie glauben nicht / das Gott die welt erschaffen hat Sie glauben nicht / das er sie halt in seinem Rath. Sie glauben nicht / das sterbn den Leib allein angeh / Vnd wollen das die Sehl mit jhm zugleich vergeh / Das sie nur nicht zugleich sich fürchten müssen sehr Für straff der Hellen Pein / vbr jhr sünde schwer. Ja sie zweiffeln daran / ob Gott allmächtig sey / Ob er die zusag seyn auch könne halten frey.
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Sie lehren vnverschämpt / wölln mit vernunfft probirn. Das Menschen in dem todt verderben gleich den tihrn / Wenn sie einmahl das Licht verlassen disser zeit / Bleibn sie (nach jhrem wunsch) ewig in nichtigkeit. Aber es geht jhnen wie man im Sprichwort sagt / Was einer sehe gern / zugleuben jhm behagt. Dann weil ohn Buß / vnd lust zu mercken auff das gut / Ihr leib und sehl zur Hell / mit fürsatz / fahren thut / Während die letzthin auf spätmittelalterliche Traditionen zurückweisende Ständedidaxe bei Barth nur partiell in den Vordergrund rückte, dominierte sie in den weitläufigen Lehrdichtungen des in der Neumark wirkenden lutherischen Dichterpfarrers Bartholomäus Ringwaldt (1530/32–1599): sowohl in der Rollenrede der Christlichen Warnung des Trewen Eckarts (zuerst Frankfurt/Oder 1588), einer moralisch instrumentierten Vision von Himmel und Hölle, als auch in seiner standesethischen, mit historischen Exempeln untermauerten, in ihrer Skandierung recht regelmäßigen Knittelversdichung (mehr als 10000 Verse) Die lautere Wahrheit (zuerst Erfurt 1585), beide oft nachgedruckt.108 Letztgenanntes Werk konstituiert sich als Reimpaarrede nicht im epischen Fließtext, nach antikem Muster in Büchern geordnet, sondern in kleineren, jeweils durch Überschriften markierten Texteinheiten, die Lehrreden mit satirisch gefärbten Miniaturen verbreiteter Handlungs- und Verhaltensmodelle kombinieren. Geboten wird so ein schier unendliches Spektrum aller möglichen Laster (wie »Wucher«, »Vollsaufen« oder Kleiderluxus) im Horizont einer die ganze Gesellschaft in Auge fassenden, im farbigen Detailrealismus artikulierten und deshalb kulturgeschichtlich aufschlußreichen Pflichtenlehre. Einer der tragenden Leitbilder ist dabei der ehrwürdige (einst von Erasmus von Rotterdam schon lebensreformerisch applizierte) allegorische Typus des Miles christianus. In seinem Zeichen ist das Werk durchzogen von einer aus Einzelkapiteln bestehenden Textschicht, durch numerierte Überschriften verkettet, die nach und nach eine genaue Tabulatur der Obliegenheiten des christlichen Kriegsmanns und Söldners (von der Anwerbung bis zum christlichen Tod) entwerfen. Gerade dieser Textteil fand eine bedeutende Resonanz, hat ihn doch der oberrheinische Satiriker Johann Michael Moscherosch (1601–1662) in seinem oft aufgelegten satirischen Hauptwerk, den Gesichten Philanders von Sittewald (2 Teile, Straßburg 1640ff., hier erweiterte Neuausgabe des Zweiten Teils, zuerst 1644, dann 1665) ausgeschrieben und als »Lehrbrief« in 80 Strophen zusammengestellt, teils wörtlich, teils offenbar in geringfügiger Umarbeitung. Dies ausgerechnet und bewußt konstrastiv in dem »Gesicht« Soldaten-Leben, das auf weiten Strecken von den Räubereien und Gräueltaten einer marodierenden Soldateska im äußersten Westen des Reiches erzählt,
108 Vorliegend nun in der wichtigen Edition der ausgewählten Werke durch Masiero (2007);
hier auch Kommentare und Nachweise der Druckgeschichte.
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– nicht ohne autobiographischen Bezug.109 Ich zitiere drei der von Moscherosch gedruckten Strophen:110 Der Soldaten Lehr-Brief. Wer sich zum Kriegsmann werben läßt Soll sein fromm, redlich und faustfest. Er soll nichts fürchten als nur Gott Und nach ihm seines Herrn Gebot. Er soll sich üben Tag und Nacht Bis daß er wird zum Mann gemacht Und lerne aus Erfahrung wohl Wie man dem Feind begegnen soll. Du sollst nicht darum ziehn zu Feld Daß du allein viel Gut und Geld Mit spielen, schätzen, fressen, saufen, Mit raufen, morden, beuten, laufen Gewinnen wollst, wie viel’ auf Erden Allein nur darum Krieger werden Und achten es für ungefähr, Wenn schon ihr Herr der Teufel wär’. Wer also kämpft und bleibt im Feld, Der stirbt auch wie ein rechter Held. Behält er dann das Leben sein Und bringt doch nichts als Wunden heim, So ist er dennoch auf der Erd’ Solang er lebet ehrenwert Und soll ihm billig, wann er alt, Ist worden, geben Unterhalt. Bleiben wir im Bereich der protestantischen, muttersprachlichen, moralisch-theologisch abgesicherten, Wissensbestände und Erfahrungsprobleme aufrufenden 109 Ausgabe Straßburg 1665, S. 576–836; abgedruckt in der Auswahlausgabe: Hans Michael
Moscherosch: Gesichte Philanders von Sittewalt. Hg. von Felix Bobertag. Ndr. der Ausgabe Stuttgart 1883, Darmstadt 1964; zu benutzen ist auch die gekürzte und sprachlich modernisierte Neuausgabe: Unter Räubern. Johann Michael Moscheroschs »Soldatenleben«. Hg. und bearbeitet von Walter E. Schäfer. Karlsruhe 1996. Zum biographischen und historischen Kontext s. Walter E. Schäfer: Johann Michael Moscherosch. Staatsmann, Satiriker und Pädagoge im Barockzeitalter. München 1982, bes. S. 89–119. 110 Ich zitiere die Strophen 1,5 und 9, hier nach der sprachlich leicht modernisierten Fassung bei Schäfer, Soldatenleben, ebd. S. 115f., sie entsprechen in der Ausgabe von Masiero Textstücken der S. 19, 26 und 29.
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und zugleich die Alltagswelt postulativ modellierenden Speculum-Literatur, muß als zeitlich letztes Exempel ein bislang kaum beachtes111 versdidaktisches Monumentalwerk aus der Feder des Wilhelm Fabry aus Hilden im Rheinland (deshalb latinisiert Fabricius Hildanus, 1560–1634) erwähnt und weiteren Untersuchungen empfohlen werden. Fabry lebte als hochgeachteter Chirurg zuletzt in Bern (ab 1615), war dort (so Forster) die »überragende literarische Persönlichkeit«. Neben vielen fachmedizinischen Schriften (Balneologie, Militärmedizin, Chirurgie, Anatomie, Krankheitsmonographien) schrieb er Kasualpoeme, geistliche Lieder und sogar Sonette. Zu seinem versdidaktischen Pensum gehörte ein diätisch gemeinter Christlicher Schlaftrunk (Frankfurt/M. 1610), vor allem aber sein in etwa 11000 Knittelversen vorgelegter, auch Brants Narrenschiff benützender Spiegel des Menschlichen Lebens (Bern 1621). Konzeptionell ausgerichtet am Schema der menschlichen Lebensalter, verflicht Fabry hier Medizinisch-Diätetisches, durchaus rationalistisch reflektiert, mit einer moralkritischen Anamnese und einer biblisch gegründeten Protreptik, deren Autoritätenfundus die Kirchenväter ebenso umgreift wie Bernhard von Clairvaux und den jungen, noch im Geiste Johann Arndts wirkenden lutherischen Theologen Johann Gerhard (1582–1637). Daß gerade dessen, von Fabry berufene, lateinisch und deutsch erschienenen Meditationes sacrae (zuerst Jena 1606/07) bald auch in einer versifizierten deutschen Reimpaarversion ( Jena 1608, Neudruck 2001) vorlagen,112 also exemplarisch die poetische Metaphrase eines theologischen Lehrbuchs dokumentieren, mag die Attraktivität der Lektüre erhöht haben. In zahlreichen Marginalien bezieht Fabry einen weiten literarischen Zitaten- und Anspielungsradius in sein Werk ein, dies auch, wenn er in offenkundiger enzyklopädischer Absicht immer wieder Partien zur Darstellung aktueller technologischer und naturkundlicher Wissenskomplexe einarbeitet. Hier dominiert ein am bürgerlichen Arbeitsethos ausgerichtetes Bewertungsverhalten, das zum Beispiel Bergbau und Alchemie vornehmlich unter den Gesichtspunkten eines vom ›Laster‹ des Geizes gesteuerten Missbrauchs thematisiert. Anhand einer Marginalie lässt sich nachweisen, dass Fabry auch aktuelle Erfahrungen und Beobachtungen integriert, wenn er in seiner harschen Abkanzelung der Alchemie das Schicksal und die letzten Selbstverwünschungen des in den Ruin getriebenen, zeitweise in der Pfalz wirkenden Arztalchemikers Bernard Gilles Penot (1519–1617) verarbeitet, mit dem Fabry in persönlichem Kontakt, zumindest im Briefverkehr, stand (»Der dritte Theil«, S. 265f., ohne die Marginalien):113
111 Als einzige (kleine) germanistische Arbeit ist die Studie von Thomke (1987) zu verzeich-
nen, der Aufsatz von Pot (1994) widmet sich ohne genauere Textanamnese vor allem den Paratexten; Forster (1985, bes. S. 60f., 64f.) charakterisiert das Werk sehr knapp in seinem regionalen kulturellen Milieu. Zu Fabrys Leben und Werk insgesamt grundlegend nun der Artikel (sub verbo) von Joachim Telle. In: VL 16, Bd. 2 (2012), Sp. 289–296. 112 Zu den Neueditionen s. das Quellenverzeichnis. 113 Zu Penot, auch zu seinen Kontakten mit Fabry s. CP 3 (2013), bes. Nr. 128.
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Noch fürt der Geitz zum Fewer heiß / Viel daß sie blasen bis zum Schweiß / Ja bis sie haben drann gekehrt Ihr Haab Gut / und solchs verzerrt / So haben viel dann den Gewinn / Daß müssen zu dem Spital hin: Mit Weib und Kind in grund verderben / Und endlich in der Armut sterben. Ein solchen Trug und blinden Tandt / Satan fürwar zu erst erfand: Daß er mit solchem Narrenspiel Der Menschen könnt verblenden viel / Wie er dann meisterlich solchs thut / Daß mancher Leib / Ehr / Gut / und Blut Verzerrt und bringt in grosse Gfahr: Ein Blindheit ists / sag ich fürwar. Dann Gott allein ist Meister gut / Der Gold und Silber schaffen thut / Tieff in der Erden durch sein Macht. Wer hat / sag mir / zuwegen bracht / Auff dieser Erden weit und breit / Durch seine Kunst / Geschicklichkeit / Müh / arbeit groß nach bestem Fleiß: Daß wurd sein Haar schwartz oder weiß? Auch daß ein kleiner wurde groß / Gott solchs allein verrichten muß. Der ist der Schöpffer Hoch geacht / Der solchs thut durch sein Göttlich Macht. Und ist die ganze Alchymey Nur Affenspiel / Betriegerey. Die viel hat in die Armut bracht / Und keinen noch nicht reich gemacht. Gegenüber dieser an normativen Denkfiguren (Dekalog, Tugend- und Lasterschemata) ausgerichteten, jedoch von empirischem Weltwissen gesättigen SpeculumLiteratur lassen sich im 16. Jahrhundert Ausdifferenzierungen der verhaltenskundlichen Lehrdichtung beobachten, die das Genre in die doktrinale Sphäre einer mehr und mehr säkularisierten Konversationskultur einbeziehen. Erkennbar werden markante Verlagerungen der diskursiven Interessen. Es geht dabei nicht primär um die Formierung einer christlichen Gewissens-, Standes- oder Amtsethik, sondern um die von der ›besseren‹ Gesellschaft geforderte Internalisierung eines ästhetisch, in der Beherrschung eines »höflichen« Benimm-Codex (»elegantes mores«) sichtbaren und abgesicherten, sozial disziplinierten und sozial distinguierten geselligen
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Verhaltens. In der Forschung, auch durch Editionen fand unter diesem Aspekt verdiente Aufmerksamkeit die, vielleicht nach Ovids Vorbild, in Distichen geschriebene, in Unterkapitel gegliederte, bald (1551) von dem Wormser Schulrektor Caspar Scheidt (ca. 1523–1565) ins Deutsche übersetzte Lehrdichtung des zuletzt in Lüneburg wirkenden Pfarrers und Kircheninspektors Friedrich Dedekind (ca. 1524/25– 1598): Grobianus. De morum simplicitate libri duo (Frankfurt/M. 1549 u. ö.).114 Die Titelfigur, vorgegeben von S. Brants Narrenschiff, wurde bei manchen Historikern zur Symbolfigur des Jahrhunderts. Dedekind verarbeitete zahlreiche Anregungen, vor allem die der seit dem Mittelalter verbreitete »Tischzuchten«-Literatur. Doch entscheidend für den Erfolg des Werks mit ansehnlicher Nachwirkung auch im Ausland, vor allem in England, war ein genialer konzeptioneller Kunstgriff. Der Autor, sonst durchaus verwurzelt in der reformationshumanistischen Bildungsparänese, ergeht sich nicht in einer Scheltrede gegen einen Lastertypus, sondern schildert, ja empfiehlt eine verkommene Gesellschaft in der totalen Assimilation an deren eigene, absurd-depravierte Regeln des Zusammenlebens (»Handlungsanweisung durch Abschreckung«; B. Könnecker), in dieser Hinsicht angeregt von dem aus der Antike überkommenen sophistisch-rhetorischen Genus des Ironischen Enkomions,115 dessen Fazit der Leser in sinnverkehrter Lektüre zu erschließen hatte. Jan-Dirk Müller hat jüngst Dedekinds Werk, wie folgt, in Kurzform charakterisiert: »Dedekind dehnt das Thema über die Tischzucht hinaus auf andere Alltagsbereiche aus. Der Grobianus hat ein ungepflegtes Äußeres, rüde Umgangsformen, setzt sich rücksichtslos durch, lässt seinen Körperfunktionen freien Lauf, ist grob gegenüber Frauen, ist versoffen, benimmt sich ekelerregend bei Tisch [. . .]. Das erste Buch gilt dem Grobianus als Diener, das zweite dem Grobianus als Gast oder Gastgeber.«116 Nur scheinbar schließt sich an den Typus des Ironischen Enkomions das reizvolle, in drei Büchern mit elegischen Distichen vorgelegte, in Tonfall und Struktur teilweise von Ovids Ars Amatoria inspirierte Lehrepos De arte bibendi an (Nürnberg 1536, erweitert ebd. 1537).117 Sein Verfasser war der nach Studien in Wittenberg 114 Heranzuziehen ist die zweisprachige Neuedition von Könnecker (1979) sowie Könnecker
(1991), S. 118–134; zu Leben, Werk und Forschungsbibliographie nun der Artikel (sub verbo) von Jan-Dirk Müller in VL 16. Bd. 2 (2012), Sp. 119–127. Scheidts Übersetzung (eher Bearbeitung, was noch genauer zu studieren wäre) erreichte bis 1615 vierzehn weitere Ausgaben. 115 Ironische Enkomien sind abgedruckt in dem wertvollen Kompendium von Caspar Dornau (1619, Nachdruck 1995). Zum Typus weiterhin gültig der einsame Überblick von Hauffen (1893). 116 Zitiert Müller (wie Anm. 113), Sp. 121f. 117 Nachdrucke bis mindestens 1690, abgedruckt in Delitiae Poetarum Germanorum (1612), ed. Janus Gruter (Bd. 4,2, S. 1202–1273, Internet-Edition in CAMENA); dazu erschien eine deutsche Übersetzung in Reimpaaren durch Gregor Wickram (Freiburg i. Brg. 1537); s. unten daraus ein Zitat. Das Werk wurde auch zusammengedruckt (Frankfurt/M. 1578) mit dem von Melanchthon zuerst 1555 hg. Lehrepos De arte iocandi des Hamburgers Matthias Delius (1523–1544); zu ihm s. Haye (1997), S. 385f.
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und Leipzig in Ansbach (1528) als Schulrektor wirkende Vincentius Opsopoeus (eigentlich Heidecker; gest. 1539), in regem Kontakt stehend mit Zirkeln oberdeutscher Humanisten und hervortretend mit einem ausgedehnten Oeuvre von Dichtungen, Übersetzungen und Editionen.118 In ausdrücklicher Abwehr moralischer Eiferer und zürnender Prediger würdigt der Verfasser im ersten Buch die Freuden des erholsam-einsamen oder auch mit der Ehefrau traut geselligen häuslichen Trinkers (ein seltenes Thema), widmet sich dann ausführlich den konvivialen Genüssen. Hier geht es um Art und Grenzen der bacchantisch beflügelten Konversation, um wahre und falsche Vertraulichkeit, auch um die interne Prävention gegen ein Fehlverhalten, das die nur scheinbar aufgelöste ständische Hierarchie oder die konfessionellen Klüfte außer Acht lassen möchte. Die anderen Bücher bieten (Näheres wäre weiter zu erkunden) neben ausführlichen diätetischen Regeln des Trinkgenusses und der konvivialen Rituale (»Zutrinken«) auch abschreckende Schilderungen der zum ›viehischen‹ Laster entarteten Trinkerlüste samt allegorisch strukturierten Partien (Garten der Trunkenheit in Buch II mit Proömium an Bacchus), nicht zuletzt polyhistorisch gesättigte Versifikationen aller erreichbaren literarischen Nachrichten über die Trinkkultur des Altertums (Buch III). Gelehrter Enzyklopädismus verschränkt sich so immer wieder mit dem Darstellungsgestus eines kleinen Handbuchs für alltagsweltliche Herausforderungen: wenn Opsopoeus beispielsweise prophylaktische Ratschläge gegen die somatischen Folgen drohender Exzesse zusammenstellt. Ich zitiere auszugsweise aus der sehr reizvollen deutschen Übersetzung, die Gregorius Wickram, Gerichtsschreiber in Colmar (Vetter des bekannten Erzählers) 1537 vorlegte (aus Buch III, fol. Miij; überschriebene Umlaute adskribiert): Der findet andere artznei Das er vor trunckenheyt sei frey Es seind vil ding die wir essen Und jhrer krafft do vergessen Etlich die do den durst pringen Etlich die trunckenheyt zwingen Ein rettig magstu haben wol Der ist auch solcher tugent vol Wann jhnen issest vor dem wein Abtreibt er die trunckenheyt dein Brassica das kraut wolbekandt Das kappiskraut ist es genant Dem wolgemuot zuwider ist Den reben auch zu jeder frist 118 Pionierhaft zur Biographie Jegel (1940); zu Leben und Werk im knappen Überblick (For-
schungen Mangelware) der Artikel (sub verbo) von Kühlmann in: Killy/Kühlmann, Bd. 8 (2010), S. 727.
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Dasselb vertribt auch trunckenheyt So das issest ehe thuost bescheyt Das kraut porrum genant ist lauch Das hat die krafft vnd tugent auch Ein zwybel iss mit nüchterkeyt So magst auch thun guoten bescheidt De mandtlen die do bitter seind Abtreiben auch den wein geschwindt Von schnellen thieren prott die lung Welche schnell seind in jhrem sprung Der selben lung geproten wol Die iss erstlichs so würst nit voll Die haselnussen auch mit krafft Abtreiben auch das rebensafft Die dürren feygen seindt auch guott Die nüechtern halten sie inn huot Ein feig die nit wol zeittig ist Die bringt vil durst zu jeder frist Den Saffran braucht man auch inn wein Das er uns nit mag schädlich sein [.] In seiner Praefatio setzt sich Opsopoeus ab von den Heuchlern, die ihm bacchantische Exzesse vorwerfen, wolle er doch lieber als ein mäßiger Weintrinker mit Gefallen am »lusus inter pocula« angeklagt werden denn als »seditiosus, aut doctor pestilens, aut in Deum blasphemus, aut alienorum scriptorum falsarius, aut sacrae Scripturae perversor, aut disturbator pacis & concordiae, aut pestilentissimae haereses autor & adiutor, aut sacrilegus aut nefarius Sacramentarius, aut furia Anabaptistica, aut denique turpis moechus, aut impostor, aut plagiarius«. Aufzählungen wie diese scheinen zugleich eine Konflikt- und Krisenerfahrung namhaft zu machen, gegen die ein geziemender Trunk tröstend und kompensatorisch wappnen sollte. Die bisher behandelten lehrhaften Werke des 16. Jahrhunderts legen eine vorherrschende Stellung der religiös-moralischen oder zivilisationskritischen Verhaltensdidaktik nahe. Wieweit demgegenüber die poetische Umsetzung von Diskursen der Artes und der scientifischen Disziplinen ganz zurücktrat, bleibt die Frage, weil gerade dieser Sektor nur in Ausschnitten forscherlich aufgearbeitet ist und auch hier nicht aufgearbeitet werden kann. So gut wie nichts wissen wir, soweit ich sehe, beispielsweise über die episch-deskriptive Darstellung (in elegischen Distichen) der berühmten astronomischen Straßburger Münsteruhr durch Nicodemus Frischlin, dem Straßburger Rat gewidmet (Carmen de Astronomico Horologio Argentoratensi. Straßburg 1575, mehr als vierzig Druckseiten in der Ausgabe der Opera Poetica von 1598)119 und die Einordnung dieser Dichtung in die urbane Publizistik, genau so 119 Wilhelmi/Seck (2004), Nr. 18 und 152.
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wenig über die großepische hexametrische Vorstellung der philosophischen Disziplinen (De Philosophia & eius partibus Carmen, im Anhang einer Ausgabe von Schriften des Michael Psellus. Basel 1556, S. 104–152) aus der Feder des namhaften, in Augsburg bzw. Heidelberg wirkenden Philologen Wilhelm Xylander (Holzmann, 1532–1576). Interessant wäre es zu verfolgen, wie ein gewisser Honoratus Draco Lehrbücher der Jurisprudenz versifizierte.120 Das hier greifbare traditionelle Lob der akademischen Fächer lebte auch weiter im Epos de Antiquitate & Praestantia Medicinae des Heidelberger Professors Henricus Smetius (1537–1614).121 Anders als in solchen rhetorisch verfestigten Modellen differenzierte sich in der anschwellenden Kometendichtung122 ein vielgestaltiges Textfeld heraus, das in verschiedenen Graden der ›Popularisierung‹ das Wissen von Astronomie (bzw. Meteorologie) und Theologie in Anspruch nahm und informativen, prognostischen und moralischen Appellwert vereinigte. Die seit Jahrzehnten in Heidelberg vorangetriebene Erschließung der medizinischen, alchemo-hermetischen bzw. paracelsistischen Literatur kam auch Forschungen zur einschlägigen Lehrdichtung in lateinischer Sprache zugute. Dies gilt für die satirisch eingefärbte Lehrepik der Spagirologia (Görlitz 1574) des böhmischen Arztes Laurentius Span von Spanau (1529–1575), hier auch die Schilderung eines alchemischen Laboratoriums,123, gilt auch für die exemplarische Illustration des polemisch-didaktischen Genres, mit dem sich der äußerst produktive Paracelsist Michael Toxites (1514–1581) in aktuellen Kontroversen (Antimonstreit) verteidigte.124 Einen Meilenstein nicht nur in der Erforschung der alchemo-mythischen Poesie aus dem Geist der italienischen Spätrenaisssance, sondern der frühneuzeitlichen Lehrdichtung überhaupt stellt die Dissertation (als Buch erschienen 2011) von Thomas Reiser dar: Edition, Übersetzung, genaue Kommentierung und Untersuchung der Quellen wie auch der poetischen Binnenformen der hexametrischen Großdichtung Chryseidos Libri IV (Straßburg 1631, ca. 1600 Verse, dazu aufschlußreiche Scholien)125 des Straßburger Dichterarztes Johannes Nikolaus Furichius 120 Iustitia Mater Iuris Elementa Iuris Civilis, seu Institutiones Imperiales in carmen contractae.
Köln 1556.
121 Abgedruckt in Smetius’ Miscellanea Medica (Frankfurt/M. 1611); deutsche Übersetzung
122 123 124 125
von Waltz (1889), zweisprachige kommentierte Textproben daraus in: Parnassus Palatinus (1989), S. 138–147. Zu Person und Werk Kühlmann/Telle (1985); Kühlmann (sub verbo) in Killy/Kühlmann, Bd. 11 (2011), S. 38f. Dazu umfassend Martin (2004). Zu Werk und Person mit einem zweisprachigen Textauszug: CP 2 (2004), Nr. 74, S. 570–583. Dazu Kühlmann (1995/2001). Zu ersten Übersicht über das Werk und Reisers Edition benutze man dessen Einleitung samt der genauen Strukturierung des Textes, S. 46–51; hier auch zu den literarischen, oft narrativ entfalteten Darbietungsformen (Visionen, Träume, allegorische Mythographien sowie fiktive Führer- und Lehrfiguren). Reisers großem Werk vorangegangen war eine präliminarische Studie von W. Kühlmann (1984/2001), aus der ich im Folgenden Passagen entnehme.
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(1602–1633), der in Padua (1627) ein Lehrepos ähnlicher Thematik (Aurea Catena sive Hermes Poeticus de Lapide philosophorum) hatte vorangehen lassen. Stilistisch dominieren hier Lukrezanklänge. Der Titel greift, in Anlehnung an eine Stelle bei Homer (Ilias VIII, 18ff.) ein bis ins 18. Jahrhundert verbreitetes kosmologisches Sinnbild auf. In ihm faßte man den neuplatonisch gedachten Zusammenhang der oberen und unteren Welt, die Einheit der von Gott und zu Gott fließenden Naturkräfte. Mit dem Stichwort »Hermes« erinnert Furichius einerseits an den mythischen Gründer der »hermetischen« Kunst, tritt andererseits in das alchemischer Literatur geläufige Vexierspiel von Fachterminologie, mythischer Allegorese und astrologischer Zuordnung ein. Hermes verschmilzt mit Apoll-Merkur, beide symbolisieren die Sonne, das Gold und nicht zuletzt das Quecksilber in seinen verschiedenen Formen. Behandelt werden Varianten der Elementen-Lehre, die Bedeutung des Feuers in seiner gewöhnlichen und sublimierten Form und die metallurgisch-astronomischen Korrespondenzen. Antike Mythen dienen der Illustration: die Geschichte vom Goldenen Vlies, die Äpfel der Hesperiden, der Goldene Zweig des Aeneas. Bewegender für den heutigen Leser ist die innere Haltung, die aus dem Dichter einen Künder »orphischer« Offenbarungen macht. Furichius hält das hermetische Wissen für einen unverzichtbaren Bestandteil der ärztlichen Kunst. Er weiß, daß tiefsinnige Erleuchtung, daß subjektives Eindringen in uralte Menschheitserkenntnisse gefährlich ist. Das Proömium entwickelt sehr gut die Ambivalenz solchen Unterfangens (S. 1/2): Hanc qui non poscit, misera sub nocte iacebit: Haerebit medijs alter Palinurus arenis. Qua sine quum medicus, genuit quem Pergamus olim, Proposuit morbos aegris arcessere membris, Tradidit infirmam sterilemque nepotibus artem. Sed quoque virus habet penitis immane medullis, Quod qui degustant, rabiem vertuntur in atram, Atque Deum truce dente petunt, nec sceptra verentur. Dispereant Grai, quorum deliria mentes Inficiunt hominum, nulla ut primordia Mundi Esse putent, animasque rapi letalibus umbris Permisit nobis summi clementia patris Liberius sentire animis: sed facta patrandi Impia, nulla dedit venerandus semina rector. Icarus in mediis quondam submergitur undis, Audet dum rapidis Solem contingere pinnis, At rediit salvus ceratis Daedalus alis, Dum prudens citimo decrevit in aere ferri. Nos vero ad caelos audacibus ire carinis Non formidamus, summi nec Apollinis auram Adspirare pudet depressae lumine mentis.
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Heu quotus in tanta cupiens errare Charybdi Naufragium patitur? Quotiens mens, luce superba Dum voluit lustrare Deum, de vertice summi Deturbata poli, tenebras remeavit ad imas. Quare Mercurius sibi credita munera promens, Nos vocat ad melius, serisque nepotibus offert Sanctius exemplum: cibat is melioribus escis Esurientem animam, genialem nempe medelam Terrigenis proait, quam per tot secula nostri Quaesivere patres. [. . .] (Wem nach dieser [hermetischen Weisheit] nicht verlangt, der wird liegen in elender Nacht: Er wird, ein zweiter Palinurus, mitten im Sand steckenbleiben. Wenn der Arzt, den einst Pergamon zeugte, vorschlug, ohne diese die Krankheit der elenden Glieder zu untersuchen, so überlieferte er den Enkeln eine schwache und sterile Kunst. Aber sie hat auch tief im Mark ein ungeheures Gift. Wer davon kostet, wendet sich zur schwarzen Raserei, greift Gott an mit bleckendem Zahn und scheut kein Szepter. Vergehen sollen die Griechen, deren Phantastereien die Geister der Menschen so verwirren, daß sie glauben, es gebe keinen Anfang der Welt und daß die Seelen geraubt würden von tödlichen Schatten. Die Gnade des höchsten Vaters erlaubte uns freier zu denken: aber ruchlose Taten zu tun gab uns keine Samen der verehrungswürdige Lenker. Icarus versinkt vor Zeiten inmitten der Wellen, während er wagt, die Sonne mit rasenden Schwingen zu berühren. Aber wohlbehalten kehrte Daedalus zurück mit gewachsten Flügeln, weil er sich klug entschloss, im nächsten Luftraum zu gleiten. Wir aber scheuen uns nicht, mit kühnem Kiel zu Himmel zu fahren und schämen uns nicht, mit dem Licht unseres gedrückten Geistes die Sphäre des höchsten Apoll anzustreben. O wie viele, die wünschten, in solcher Charybdis zu irren, erleiden Schiffbruch? Wie oft kehrte der Geist, weil er mit stolzem Licht Gott schauen wollte, vertrieben von der Spitze des höchsten Himmels, zurück in die tiefste Dunkelheit? Deshalb ruft uns Merkur, wenn er die ihm anvertrauten Gaben hervorholt, zu Besserem und bietet den späteren Enkeln ein heiligeres Beispiel: mit besseren Happen speist er die dürstende Seele, verkündet er doch den Erdgeborenen erfreuliche Heilung, welche durch soviel Jahrhunderte unsere Väter suchten.)
Furichius hat einen Teil dieser Verse in den Eingang auch seiner Chryseis übernommen. Hier wie dort wollte er sich von der »Freigeisterei«, den Atheisten der Antike und ihren Nachfolgern absetzen. Die Icarus-Mythe – man denke an Breughels Gemälde! – warnte vor menschlicher Überhebung. Betont wird der heilkundliche Nutzen des ›philosophischen Steins‹. Er entsteht am Ende eines komplizierten Verfahrens, vom Adepten mit einer Inbrunst ersehnt, die sich auch in den Versen niederschlägt, welche das große Ereignis zu beschreiben versuchen (Aurea Catena, S. 54/55): Tunc roseus prodit sanguis, seu sanguine siquid Purpureum magis est, laniati pectoris humor. Ille tuus lapis est, quem per tot millia rerum Quaesisti: quem per septem signacula monstrant. Est igitur lapis haut aliud, quam purius aurum, Nullis pollutum maculis, speculique nitentis
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Fusum instar: cui non poterunt elementa nocere. Non venti infestent, non proteret aetheris via: Fermentum cunctis: cunctis tutela creatis: Temperie in media positum, similique colorans, Omnia quae tangit, radio: coma denique Solis: Non in marcenti consistens corpore noctis; Tota sed aetherium spirans, divinaque tela. (Dann tritt rosenfarbenes Blut hervor oder, wenn es etwas purpurfarbener als Blut ist, die Feuchtigkeit einer zerfleischten Brust. Jener ist Dein Stein, den Du in soviel tausend Dingen gesucht hast: den man an sieben Zeichen beweist. Der Stein ist nichts anderes als reines Gold, von keinem Makel befleckt, hingegossen wie ein glänzender Spiegel. Ihm konnten die Elemente nicht schaden, die Winde können ihn nicht angreifen, nicht abnützen der Weg des Aethers. Für alles ein Gärungsmittel, ein Schutz für alles Geschaffene, der Mischung nach in der Mitte liegend, mit seinem Strahl alles, was er berührt, ähnlich färbend; schließlich ein Sonnenstrahl, nicht verharrend im trägen Körper der Nacht, sondern im ganzen etwas Lebend-Aetherisches und ein göttliches Gewebe.)
An virtuosen Stellen wie diesen, an denen sich die Begeisterung des Adepten in eine hymnische Aretalogie entlädt, wird klar, daß die Phantasie der alchemischen Einbildungskraft zugleich poetische Imagination freisetzte, kreative Potenzen entfesselte. Mit ordinärer Goldmacherei hat das nichts mehr zu tun. Der Lapis ist das Produkt praktischer Erkenntnis des Welt-»Gewebes«; in ihr gewinnt der Adept den ursprünglichen Stand des adamischen Wissens zurück, Zugang zum verlorenen Paradies, zur Goldenen Zeit. Der Stein, das Elixier, ist ein Arkanum der Perfektion, mehr als sein materiales Substrat; er steht am Ende eines esoterischen Weges als utopische Chiffre in dunkler Zeit, die mit dem Hinweis auf die sündenfällige Verderbtheit des Menschen täglich Hoffnungen und Wünsche zunichte machte. Das Leuchten des Steins kündet von einem Licht, das Helle in der Trübe allgemeiner Verderbnis verhieß. Wie sich zu diesem Sujet episierende Darstellungsstrategien in bedachtsam komponierte lyrische Zyklen oder auch Text-Bild-Kombinationen auffächern konnten, bezeugt der dem Rosenkreuzer-Projekt anhängende Mediziner Michael Maier (1568–1622), einer der epochalen Schlüsselautoren des Alchemohermetismus. Berühmt wurde Maiers mytho-allegorisches Emblembuch Atalanta Fugiens, hoc est Emblemata Nova de Secretis Naturae mit Kupferstichen von Matthaeus Merian d. Ä. (zuerst Oppenheim 1618; Nachdruck 1964), eine kryptisch verrätselte ›multimediale‹, Bild-, Text- und musikalisch-kompositorische Sinnfiguren verschmelzende Darstellung der in der Deszendenz der spätmittelalterlichen »Sol und Luna«-Allegorese angesiedelten, zugleich Interpretamente des ›orphischen‹ Neuplatonismus kritisch aufgreifenden Transmutationsphilosophie. Nicht nur der Titel deutet hin auf das Erbe Ovids, sondern auch manche der bislang im literaturgeschichtlichen Detail noch unerschlossenen Kombinationen aus je einem illustrierenden Bildemblem, einem deutsch-lateinischen Epigramm und der beigefügten, nach den Gesetzen der Fuge komponierten Motette. Sie führen den Leser zum
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Beispiel (S. 172–174) auf die Sage vom Tod des Adonis, erinnern mithin an die bei Ovid (met. X, 710–739) überlieferte Liebestat der Göttin, die hier allerdings mit sinnträchtigen Abweichungen, also in Kontamination verschiedener literarischer Quellen, reproduziert wird. Unter der Überschrift »Adonis ab apro occiditur, cui Venus accurrens tinxit Rosas sanguine« ist das Bildemblem (Nr. XLI) erläutert durch einen lateinischen elegischen Sechszeiler mit paralleler deutscher Übersetzung in Art einer Interlinearversion (S. 172): Von jhrem eygnen Vatter hat die Myrrha Adonim gebohren / Welchen die Venus sehr liebt / ein wild Saw tödt im Zoren / Venus laufft zu / vnd in dem verletzt am Rosenstrauch jhr Bein / Daher von jhrem Blut die weissen Rosen roht seyn. Die Göttin weynt (die Syrer weynen jederman darumb leydt trägt /) Vnd hat jhn bald vnter die weiche Lattich gelegt. Daß Alchemisches gemeint ist, entnimmt der einigermaßen bewanderte Leser bereits der Hervorhebung der Farbbegriffe. Die Prosaerläuterung (»Discursus XLI«) bemüht den Osirismythos und die daraus entsponnenen, synkretistisch angereicherten Deutungsangebote. Adonis stellt den »Sol Philosophicus« dar, also das alchemische, von Maier jedoch nicht nur in seiner kruden Materialität gemeinte Gold, auch wenn die Auslegung vor chymiatrischen Direktheiten (Umgang mit scharfen Säuren) nicht zurückscheut: »Adonis vero ab Apro interimitur, hoc est, ab aceto acerrimo seu aqua solutiva [. . .].« Maier besteht auf dem Anspruch einer vom menschlichen »Intellekt« (Scharfsinn) zu leistenden Differenzierung des »sensus exterior« und des »sensus interior« der überkommenen poetischen Fabeln. Dies gilt letzthin auch für Maiers von Erik Leibenguth (2002) herausgegebene, übersetzte und gründlichst kommentierte Cantilenae Intellectuales In Triadas 9. distinctae, De Phoenice Redivivo (Rostock 1622). Dabei handelt es sich, in Auswertung der platonisierenden Fachliteratur, um einen »Verbund von 27 kleineren, im hymnischen Sprachduktus und teilweise in anakreontischen Versmaßen vorgetragenen Dichungen, die mithilfe einer kunstvoll verschachelten, dreifachen Gliederung – in ordines, in Triaden und innerhalb dieser in drei ›Stimmen‹ nach dem Muster des zeitgenössischen Motettensatzes – zu einer vielschichtigen Aussageeinheit verschmolzen werden«126 – Zeugnisse einer in mancher Hinsicht zu revidierenden Geschichte der frühneuzeitlichen Lyrik in Deutschland. Kompositorisch im Vergleich zu diesem Opus Maiers wirkt eher schlicht das epigrammatisch kommentierte und in 107 Kupferstichen verrätselte, lateinisch und sofort auch deutsch publizierte »chymico-philosophische« Emblem126 Zitiert nach Leibenguth (2002), S. 78. Leibenguths Buch bildet nicht nur in Edition und
Kommentar, sondern auch biographisch, bibliographisch und diskursgeschichtlich die Basis aller künftigen Forschungen Dazu kommt der dichte Überblick (auch zu weiteren Editionen und Übersetzungen) in dem Artikel von Telle (sub verbo). In: Killy/Kühlmann, Bd. 7 (2010), S. 620–623.
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werk (Viridarium Chymicum, Frankfurt/M. 1624, gern als Stammbuch benutzt) des böhmischen Mediziners und Poeta Laureatus Daniel Stoltz von Stoltzenberg (1600–nach 1644).127 Mit einigen der bisher genannten Autoren haben wir schon die Lebens- und Schaffenszeit von Martin Opitz (1597–1637), des vielgerühmen literarischen Reformators und »Vaters« der neueren deutschen Kunstdichtung erreicht. Er favorisierte die epische Lehrdichtung, jedoch in markanter Abkehr von Traditionen: durch die virtuose Benutzung des ›heroischen‹ Alexandriners, also in der Verabschiedung des Knittelverses, auch in einem deutlichen thematischen und mentalen Wechsel, indem er sich nicht auf die Poetisierung fachschriftlich dokumentierter Sachgebiete (etwa der Astronomie oder Landwirtschaft), auch nicht der standesethischen Sozialdidaktik konzentrierte, sondern in Kenntnis der großen antiken Textmodelle und der späthumanistisch-gelehrten Literatur gerade als Lehrepiker zeitgeschichtlich und auch individualpsychologisch herausfordernde Problemfelder in den Mittelpunkt rückte.128 Dies gilt vorab für ein Manuskript, das er weitgehend wohl schon 1620 in Jütland vollendet hatte, jedoch aus politischen Rücksichten erst 1633 in Leipzig zu drucken wagte: die zweifellos bedeutendste politisch-moralische Versdichtung des Jahrhunderts, das Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Krieges.129 »Trost« meinte hier nicht gemütvolle Beschwichtigung, sondern Bewältigung einer kollektiven Erfahrung, nicht eines Leids, das humaner Hinfälligkeit schlechthin zu verdanken war, sondern einer historisch peinvollen Herausforderung; nicht irgendeines Krieges, nicht des Krieges im Sinne eines je und immer über den Menschen hängenden Übels, sondern dieses Krieges, des Dreißigjährigen Krieges, dessen Ende noch nicht absehbar war und dessen Anfänge Opitz in Heidelberg miterlebt hatte: eines Bürgerkrieges also, wie ihn einst Lukan episch verarbeitet hatte, an den neben vielen anderen literarischen Reminiszenzen manche drastische Greuelschilderungen gemahnen. Troststrategien in Leidenssituationen, in Tod und Unglück, waren in Prosa und Vers seit der Antike literarisch aufbereitet. In diesem Fall signalisierte Opitz den Stilcharakter seines Werks gleich zu Beginn durch einen Anruf, der sich als christliche Version des epischen Musenanrufs verstehen ließ und im Hinweis auf die ›Neuheit‹ des 127 Die deutsche Fassung, übersetzt von Daniel Meißner, liegt im Nachdruck vor (1964). Zu-
sammenfassend zu Leben und Werk des Verfassers samt der Forschungsliteratur der Artikel von Telle (sub verbo) in: Killy/Kühlmann, Bd. 11 (2011), S. 302–304. 128 Zum Überblick s. (neben Garber 1984 und 2007) den mit einer üppigen Bibliographie ausgestatteten Artikel von Garber in: Killy/Kühlmann, Bd. 8 (2010), S. 715–722, sowie Grimm (1983), S. 115–222, und die Darstellung von Kühlmann (2001), aus der ich im der Folgenden, gekürzt, einige Passagen übernehme. 129 Zur Verarbeitung der Quellen (bes. Lipsius’ De Constantia und Heinsius’ Lehrepos De contemptu mortis) s. Cunningham (1974) und Becker-Cantarino (1990), fragwürdig und in totaler Abstinenz von der Forschung geschrieben Solbach (2002). Zu Heinsius’ Lehrgedicht, das sich auch von der antilukrezischen Lehrepik der Italiener (darunter Palearius’ De animorum immortalite) inspiriert zeigt, s. Bloemendal (2008).
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Unternehmens direkt, gewiß auch in gattungspoetologischer Absicht, wie schon im Buch von der Deutschen Poeterey (1624), an Vorbilder der altrömischen Lehrepik, nämlich Lukrez und Vergil, anknüpft (I, 1–12):130 DEs schweren Krieges Last / den Deutschland jetzt empfindet / Vnd daß GOTT nicht vmbsonst so hefftig angezündet Den Eyffer seiner Macht / auch wo in solcher Pein Trost her zu holen ist / sol mein Getichte seyn. Diß hab ich mir anjetzt zu schreiben vorgenommen: Ich bitte / wollest mir geneigt zu hülffe kommen / Du höchster Trost der Welt / du Zuversicht in Noth / Du Geist von GOtt gesandt / ja selber wahrer GOtt. Gib meiner Zungen doch mit deiner Glut zu brennen / Regiere meine Faust / laß meine Jugend rennen Durch diese wüste Bahn / durch dieses newe Feld / Darauff noch keiner hat für mir den Fuß gestellt. Das Epos sollte zur Gruppe der »geistlichen« Dichtungen gehören, denn das Verhängnis der Geschichte war ebenso wie die Suche des Individuums nach Sinnkategorien des persönlichen Schicksals vorab nur theologisch zu bedenken. Krieg bedeutet, daran läßt Opitz keinen Zweifel, eine Verkehrung der göttlichen Schöpfungsordnung. Dieser Krieg aber als Komplex unmittelbarer Erfahrungen lief auf den Untergang des alten, des blühenden Deutschlands hinaus (I, V. 53–68): Ich wil den harten Fall / den wir seither empfunden / Vnd männiglich gefühlt (wiewol man frische Wunden Nicht viel betasten sol) durch keinen blawen Dunst Vnd Nebel vberziehn / wie der Beredten Kunst Zwar sonsten mit sich bringt. Wir haben viel erlidten / Mit andern vnd mit vns selbst vnter vns gestritten. Mein Haar das steigt empor / mein Hertze zittert mir / Nehm’ ich mir diese Zeit in meinen Sinnen für. Das edle Deutsche Land / mit vnerschöpfften Gaben Von GOtt / vnd der Natur auff Erden hoch erhaben / Dem niemand vor der Zeit an Krieges-Thaten gleich’ / Vnd das viel Jahre her an Friedens-Künsten reich In voller Blühte stund / ward / vnd ist auch noch heute / Sein Widerpart selbselbst / vnd frembder Völcker Beute. Ist noch ein Ort dahin der Krieg nicht kommen sey / So ist er dennoch nicht gewesen Furchte-frey. 130 Buch von der Deutschen Poeterey. Ed Jaumann (2002), Kap. V, S. 26–28. Die folgenden
Zitate sind mit Angabe der Buch- bzw. Verszahlen entnommen der Edition des Erstdrucks in: M. Opitz: Gesammelte Werke. Hg. von George Schulz-Behrend. Stuttgart 1968. Bd. I. Stuttgart 1968, S. 191–266.
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Die Frage nach der Schuld war zu stellen, denn öffentliches Handeln war auch moralisch zu bewertendes Handeln. Opitz rekapituliert selbstverständlich das gut lutherische Angebot einer theokratischen Geschichtstheorie und religiösen Anthropologie: in der Erinnerung an Gottes Strafe für die Sünden der Menschheit und des seit Adams Schuld verdorbenen Status des menschlichen Wesens. Das waren Argumente, die jeder Gebildete zur Verfügung hatte. Unerhört und aufwühlend aber war die Wirklichkeit, die mit all ihren Schrecken Opitzens Sprache zu äußerster emotionaler Bewegung und drastischer Vergegenwärtigung des Frevels, zur fast szenischen Schilderung des Unrechts und der Gewalt herausforderte (I, 109–148). Kategorien der tröstenden Erbaulichkeit, die Interpretation des göttlichen Willens im irdischen Verhängnis, die Umdeutung der Leidenserfahrung zur Voraussetzung moralischer Umkehr und heilsnotwendiger Buße (»Das Gute wächst durch Noth«), treten gegenüber solchem Einbruch der Realität fast in den Hintergrund. Dies auch deshalb, weil Opitz die Kriegsparteien genau kennzeichnet und weil er bereits im ersten Buch des Gedichts nicht nur zu theologischen, sondern auch zu moralischkulturphilosophischen Überlegungen ausholt, zu Reflexionen über den Niedergang des alten Roms, in dem sich der Kollaps des Reiches spiegeln soll. Nicht der göttliche Strafwille erscheint so am Ende des ersten Buches als unmittelbare Ursache des Schreckens, sondern menschliches Verbrechen, religiöse Intoleranz, die zum Deckmantel von Machtinteressen geworden ist. Opitz’ Polemik gegen die Verketzerung des Andersdenkenden enthüllt die tiefsten Antriebe seines Denkens, auch den in der humanistisch gebildeten Intelligenz erreichten Grad der Desillusion (I, 443–472): Wer hier der Christen Schar / durch Schwerdt vnd Fewer jagt / Wird künfftig durch den Wurm der nimmer stirbt genagt. So sol die Welt auch sehn das keine Noth vnd Leiden / Daß keine Tyranney GOtt vnd sein Volck kan scheiden / Vnd daß ein solcher Mensch / der die Gewissen zwingt / Vergeblich vnd vmbsonst die Müh vnd Zeit verbringt; Daß wir für vnser Maul kein Blat nicht dürffen nehmen / Daß wir für keinem vns nicht schewen oder schämen / Er sey auch wer er will; daß vnsers Hertzen Grund Nicht falsch / nicht anders sey als etwan Red’ vnd Mund. Kein Würgen / keine Schlacht / kein Martern vnd kein Pressen Zwingt vns der Frömmigkeit vnd GOttes zu vergessen. Der Zweck der Christenheit muss GOttes Name seyn / Nicht Eitelkeit der Welt / nicht eusserlicher Schein Vnd gleissend’ Heucheley: Wir müssen kundtbar machen / Daß Christen Noth vnd Todt verhönen vnd verlachen; Wir müssen lassen sehn gantz richtig / klar vnd frey Daß die Religion kein Räubermantel sey / Kein falscher Vmbhang nicht. Was macht doch jhr Tyrannen? Was hilfft / was nutzet euch das Martern / das Verbannen /
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Schwerdt / Fewer / Galgen / Radt? gezwungen Werck zerbricht: Gewalt macht keinen fromm / macht keinen Christen nicht. Es ist ja nichts so frey / nichts also vngedrungen / Als wol der Gottesdienst: so bald er wird erzwungen / So ist er nur ein Schein / ein holer falscher Thon. Gut von sich selber thun das heist Religion / Das ist GOtt angenehm. Laßt Ketzer Ketzer bleiben / Vnd gleubet jhr für euch: Begehrt sie nicht zu treiben. Geheissen willig seyn ist plötzlich vmbgewandt / Trew die aus Furchte kömpt hat mißlichen Bestand. Das zweite Buch greift aus auf ein Gedankensystem, das sich zwar mit dem Christentum gut vermitteln ließ, das aber eigentlich eine weltliche, aus der Antike herüberreichende Alternative zur theokratisch-heilsgeschichtlichen Begründung menschlichen Verhaltens darstellte. Dies Gedankensystem war der sogenannte Neostoizismus, repräsentiert vor allem im Werk des großen niederländischen Gelehrten Justus Lipsius (1547–1660). In einem äußerst wirkungsvollen und vielgelesenen Traktat »Über die Standhaftigkeit« (De constantia, 1584)131 hatte er die Frage gestellt, wie die moralische Integrität des einzelnen in einer Epoche der »öffentlichen Übel« zu bewahren sei, wie der Vernunftentwurf humaner Existenz und einer sittlich geordneten Gesellschaft erhalten werden könne im Ansturm verwirrender Erfahrungen des wechselvollen Glücks ( fortuna) und eines unerforschlichen, letztlich nur mit der verdunkelten Providenz Gottes zu erklärenden Schicksals ( fatum). Lipsius wurde für viele, vor allem für die Gebildeten, zum Gewährsmann moralischer Resistenz und eines heroischen Lebensideals. Wenn unumgänglich, konnte die moralische Identität des Ichs – nach Lipsius – nur im Rückzug aus der Sphäre des öffentlichen Handelns bewahrt werden, im Rückzug in die »Burg« der »Tugend«, in der Entwertung der eigenen Affekte und damit in der abstrakten Vergewisserung einer nur in rationaler Selbstbestimmung aufgehobenen Ordnung der natürlichen und historischen Welt. Opitz kannte sehr genau dieses für die Epoche der Konfessionskriege so wichtige Werk. Der christlichen Argumentation (›Heil durch Leiden‹) stellte er nun das Bild des Weisen entgegen, der sich auf das wahre, unzerstörbare Gut der eigenen moralischen Autonomie konzentriert (II, 325–356): Wil aber jemand Gut das jmmer wäret finden / Das weder durch Gewalt noch Waffen sol verschwinden / Der binde nur sein Schiff der Tugend Ancker an / Die nicht zu boden sinckt / die nicht vergehen kan. 131 Leicht greifbar in der Ausgabe: Justus Lipsius: Von der Bestendigkeit (De Constantia). Fak-
similedruck der deutschen Übersetzung des Andreas Viritius nach der zweiten Auflage von c. 1601 [. . .], hg. von Leonard Forster. Stuttgart 1965. Als stoizistisches Lehrepos ließ sich Opitz’ Vielguet (Breslau 1629, ed. Schulz-Behrend, Bd. IV/2, 1990, S. 393–411; der Titel in Anlehnung an den Terminus des »summum bonum«) lesen.
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Sie thut es nur allein / sie / sie die schöne Tugend / Des Alters Auffenthalt / die Nährerin der Jugend / Der Reichen bester Schatz / des Adels Zier vnd Pracht / Ja die das Armut reich / den Pöfel edel macht. Laß kommen wer da wil / laß schnarchen / brausen / toben / Laß wüten alle Welt / sie schwimmet allzeit oben / Sie wird nicht vnterdruckt: Kein Feind ist so versucht Der nicht durch jhre Krafft gebracht wird in die Flucht. Führt newe Felsen auff / macht Meilen-dicke Wälle / Vmbringt euch mit der See / grabt ein biß in die Hölle; Kein Bollwerck ist so gut / kein Thurm so hoch gebawt / Kein Graben so geführt / für dem der Tugend grawt. Laß einen Edelstein mit Kot vnd Mist vmbschmieren / Er wird doch seinen Glantz vnd Kräfften nicht verlieren: Stoß einen edlen Sinn in Kummer vnd Gefahr / Thu mit jhm was du wilt / er bleibt doch wie er war. Treib einen weisen Mann von allen seinen Sachen / Heiß jhn ins Elend ziehn / er wird dich nur verlachen. Schleuß Ketten vmb jhn her / verbirg jhn in ein Schloß Da niemand zu jhm kan / sein Geist geht allzeit loß. Ein Fels in tieffer See / ob schon die starcken Wellen Mit Stürmen vnd Geräusch’ jhm sich entgegen stellen / Helt vnbeweget aus / wie sehr das Wasser springt / Wie sehr die scharffe Lufft von Norden pfeifft vnd klingt: So wird ein hoher Muth auch nimmermehr gezwungen / Durch keine Dürfftigkeit / durch keine Noth verdrungen: Solt’ alles / was hier ist zu grund’ vnd boden gehn / So bleibt er jmmerzu auff freyem Fusse stehn. Freilich korrigiert Opitz – im gegebenen historischen Zusammenhang – das Idealbild des seine Affekte niederringenden Tugendhelden. Tugend heißt nicht passives Erdulden. Vielmehr erfüllt sich moralische Autarkie in der Freiheit, und diese Freiheit ist nicht Reflex eines abstrakten Bewußtseins, sondern auch historisch aktuelle Parole. Für die Freiheit einzustehen, verlangt die Bereitschaft zum Kampf, zur Verteidigung der Freiheit gegen Unterdrückung (II, 365–384): Die Freyheit wil gedruckt / gepreßt / bestritten werden / Wil werden auffgeweckt; (wie auch die Schoß der Erden Nicht vngepflüget trägt:) sie fodert Widerstand / Ihr Schutz / jhr Leben ist der Degen in der Hand. Sie trinckt nicht Mutter-Milch; Blut / Blut muß sie ernehren; / Nicht Heulen / nicht Geschrey / nicht weiche Kinder-Zähren: Die Faust gehört darzu: GOtt steht demselben bey Der erstlich jhn ersucht / vnd wehrt sich dann auch frey.
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Ist Friede durch das Land / ist niemand zu bestehen / So streicht man müssig hin / aus vielem Müssiggehen Kömpt sicher Leben her / vnd endlich mit der Zeit / Auff gar zu sicher seyn / erfolget Dienstbarkeit. Die Tugend liget nicht in einem zarten Bette: Das harte Feld-Geschrey / die Paucken / die Trompette / Des Feindes Angesicht / der Grimm / das rote Blut / Diß ist jhr rechter Sporn / von dannen nimbt sie Muth. Wann diese Wächter vns sind aus den Augen kommen / Da wird vns auch der Sinn zur Munterkeit genommen: Wird einmal dann das Hertz vmbringet von der Nacht / Gewiß es ist so bald nicht wieder auffgewacht. Vor allem im dritten Buch hat Opitz diese aktive Seite praktischer Sittlichkeit, die elitäre Züge nicht verleugnete und Rangunterschiede des Menschen herausstrich, von neuem mit der Herausforderung des eigenen Erlebens, aber auch mit der Analyse der historischen Lage vermittelt. Hier vor allem schlagen die Erfahrungen der Heidelberger Monate, Anstöße der protestantisch-pfälzischen Polemik durch. Freiheit und Friede, letzterer als umfassende politische Forderung, hängen zusammen. Freiheit aber ist durch Tyrannei bedroht. Dies verkörpert sich in der Unterdrückung des religiösen Gewissens (III, 97–100): Was kan nun besser seyn dann für die Freyheit streiten Und die Religion / wann die von allen Seiten Gepreßt wird vnd verdruckt / wann die kömpt in Gefahr? Wer sol nicht willig stehn für Herdt und für Altar? Die Lage in Deutschland ist bedingt durch den Gang der europäischen Auseinandersetzung; sie spiegelt sich im niederländischen Freiheitskampf und in den französischen Bürgerkriegen, in einem Fanatismus, der sich in der Niedermetzelung der französischen Hugenotten (Bartholomäusnacht 1572) sein grausiges Fanal geschaffen hatte (III, 141–148): O Schande dieser Zeit! Wer hat vor Zeit vnd Jahren Auch in der Heydenschafft dergleichen doch erfahren? Noch ward auch Geld gemüntzt / vnd gar darauff gepregt: Die wahre Gottesfurcht hat Billigkeit erregt. O schöne Gottesfurcht durch Menschen-Blut besprenget! O schöne Billigkeit / da alles wird vermenget / Da nichts nicht als Betrug / als Falschheit wird gehört / Da der Natur Gesetz’ auch selber wird versehrt! Im Lichte dieser zeitgenössischen Erinnerung ist aus dem »Trost-Gedicht« längst ein Kampf-Gedicht geworden, und es wird einsichtig, warum Opitz sein Werk vorläufig unter Verschluß hielt (III, 213–220):
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Jetzt steht die Freyheit selbst wie gleichsam auff der Spitzen / Die schreyt vns sehnlich zu / die müssen wir beschützen: Es mag das Ende nun verlauffen wie es kan / So bleibt die Sache gut vmb die es ist gethan. Wann die Religion wird feindlich angetastet / Da ist es nicht mehr Zeit daß jemand ruht und rastet. Viel lieber mit der Faust wie Christen sich gewehrt / Als daß sie selbst durch List vnd Zwang wird vmbgekehrt. Damit nicht genug: Die Verwandlung des geistlichen Werks in ein Kampfgedicht verknüpft auch das Thema der nationalen Selbstbestimmung mit dem konfessionellen Kräfteringen. Der moralisch gerechtfertigte Einsatz für die protestantische Freiheit ist offensichtlich für Opitz zugleich ein Interpretationsmoment des deutschen Patriotismus. Was Opitz als nationalliterarisches Programm entwarf, findet sein Analogon in der verallgemeinerbaren politischen Maxime (III, 233 f.): »Wer kan sein Vaterland auch wüste sehen stehen / Daß er nicht tausend mal muß einen Tag vergehen?« Kampfbereitschaft und vaterländischer Appell bleiben jedoch nicht das letzte Wort des Dichters, denn der gerechtfertigte Kampf fordert ein Wozu, bedarf des moralischen Zwecks. Dieser Zweck aber ist der Friede, die Heilung der »kranken Welt«, ist die Toleranz und das von Machtgelüsten ungestörte Zusammenleben der Menschen (IV, 413–420): Was vmb vnd vmb wird seyn wird alles Frieden heissen; Da wird sich keiner nicht vmb Land vnd Leute reissen / Da wird kein Ketzer seyn / kein Kampff / kein Zanck / vnd Streitt / Kein Mord / kein Städte-brand / kein Weh vnd Hertzeleid. Dahin / dahin gedenckt in diesen schweren Kriegen / In dieser bösen Zeit / in diesen letzten Zügen Der nunmehr-krancken Welt; Dahin / dahin gedenckt So läßt die Todesfurcht euch frey vnd vngekränckt. Im fernen Siebenbürgen (1622/23) fühlte sich Opitz recht isoliert. Versprechungen wurden nicht eingehalten. Doch es gab einen Lichtblick, einen Freund, nämlich Henricus Lisboa. Er verwaltete die örtlichen Gold- und Silbergruben in einem Flecken namens Zlatna. Mit dem Namen dieses Orts bezeichnete Opitz sein vielleicht persönlichstes Werk (1623), Ausdruck einer »für das Lehrgedicht ganz ungewöhnlichen Subjektivität« (Aurnhammer).132 Formal wieder ein Langgedicht in Alexandrinern, seinem Gehalt nach ein Lob des Landlebens und eine mit der Erfahrung für einen Moment zur Deckung gebrachte Vision des Glücks. Es geht um die »Ruhe deß Gemüthes«, zu finden in der Verwirklichung eines humanistischen Lebensentwurfs: »sich und den Studien zu leben«. Opitz huldigt dem Ort und seinen Bewohnern, bedankt sich für Gastfreundschaft, widmet sich dann aber 132 Aurnhammer (2004), hier S. 269; zu dem Gedicht auch Schulz-Behrend (1962).
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dem gedanklichen Zusammenhang von Freiheit und Selbstbestimmung. Insofern bildet dieses Werk eine komplementäre Ergänzung zu Opitzens großem Kriegsepos und seinem aktivistisch-moralischen Freiheitsbegriff. Wiederum konnte Opitz an Vorbilder der Antike und der humanistischen Dichtung und Redekunst anknüpfen. Poetisches »Landleben« hatte wenig zu tun mit der Vergegenwärtigung der Arbeitsrealität, sondern war Inbegriff einer Alternative zur sittlichen Korruption des sozialen Verhaltens in der Stadt oder bei Hofe.133 Idyllischen Zügen der Landlebendichtung waren kritische, manchmal satirische Aussagedimensionen eingezeichnet. »Ehre, Reichtum, Wollust« sind nicht hedonistischer Selbstverwirklichung entgegengesetzt, sondern moralischer Selbstbestimmung. Genügsamkeit ist dabei nützlich, ja erforderlich, die Rückkehr zu elementaren Lebensformen, zu einer Unabhängigkeit, die bäuerliche Arbeit und ungestörte Natur zu schenken vermögen. Die Erträge des Landguts, die spontane Freigebigkeit der von Gott geschaffenen Natur, dienen nicht nur der Versorgung mit Lebensmitteln, sie demonstrieren vielmehr auch – in farbiger, genrehafter Erzählung dargestellt – einen Zustand des Heils, der im Unheil der erlebten Geschichte seine dunkle Folie besitzt. Der von Macht und Etikette verdorbenen Welt entgegengestellt ist der autarke Lebensrhythmus des Landmanns und seiner Frau. Der Tonfall von Vergils Georgica dringt hier immer wieder durch (391–424):134 Dann geht er ferner auch zu seinen Bienen hin / Schawt wie zwey grimme heer offt an einander ziehn / Vnd vmb des Nachbars klee sich bey den stöcken zancken / Die voller honig sein: Führt nachmals seyne rancken Vnd junge reben auff. Indessen kömpt sein Weib / Die nicht nach bisem reucht / vnd jhren schnöden Leib / Wie falscher wahr geschieht / vollauff an allen enden Hat prächtig außgeputzt; sie trägt in ihren händen / Die grob durch arbeit sein / von grünem Majoran / Vnd Rosen einen Krantz / vnd Krönet jhren Mann. Bald setzt sie sich mit jhm bey einem Walde nieder / An dem ein schönes quell mit rauschen hin vnd wieder / Fleust heller noch als Glaß. Der leichten Vögel schar Springt auff den ästen vmb / der grüne Specht / der Star So offte reden lernt. Die Nachtigal vor allen Singt dem der sie ernehrt vnd jhnen zugefallen: Die Lerche schreyt auch: Dir Dir lieber GOTT allein Danckt alle Welt / Dir Dir Dir sein wir was wir sein. 133 Zu Opitz im Kontext der einschlägigen Literatur maßgeblich Lohmeyer (1981), bes.
S. 191–260.
134 Zitiert nach dem Abdruck in Opitz: Gesammelte Werke. Hg. von George Schulz-Behrend.
Bd. II, 1. Stuttgart 1978, S. 60–104, hier S. 84 f.
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In dessen schleicht der Schlaff / der mitler aller sachen / Durch jhre Glieder ein / vnd wann sie dann erwachen / Das nun die Sonne fast zu Golde gehen soll / So führet sie jhn heim / vnd setzt den Tisch bald voll Mit Speisen die sein Hoff vnd Landgutt selber träget; Ein Eyer oder drey die jetzt erst sein geleget / Die Henne selbst darzu / ein frisches Haselhun / Nach dem die Bürger sonst die Finger lecken thun: Ein Lamb das heute noch lieff neben seiner Mutter / Den feisten Rom [Rahm] der Milch / vnd quittengelbe Butter / Vnd Käse nebenbey wie Holland selbst kaum hat; Auch Obst das sonsten ist so thewer in der Stadt. Diß hat er vnd noch mehr; Ißt was er kann verdewen / Legt fein jhm selber vor / darff sich mit nichten schewen Ob gleich er auff den Tisch die Ellebogen stützt / Vnd nicht mit steiffer Brust wie eine Jun[g]fraw sitzt. Landleben besitzt so die Würde und den Anspruch des archetypischen, schöpfungsnahen Lebensvollzugs. Es bildet den äußersten Gegenpol zu höfischer Abhängigkeit und dem von Servilität, Konkurrenz und Neid bestimmten Daseinskampf in der sozialen Hierarchie der Stadt. Opitz scheute sich nicht, diesen alten Gedanken mit dem frischen Kolorit einer vielen seiner Leser gewiß nicht unbekannten Wirklichkeit auszumalen (333–349): O wol demselben wol / der so kan einsam leben / Vnd seine gantze zeit den feldern hat gegeben / Liebt nicht der Städte lust vnd jhren falschen schein / Da offte zwar mehr Geld / doch auch mehr Sünden seyn. Er darff sein Hüttlein nicht stets in der Hand behalten Wann er nach Hofe kömpt / vnd für der Thür erkalten / Eh’ als er audientz (verhör das ist zu schlecht) Ein mal erlangen kan / vnd vngerechtes Recht. Da pralet einer her mit grossen weitten schritten / Der / wann ein gutter mann jhn hat vmb was zu bitten / Der besser ist als er / vnd vielmehr weiß vnd kan / So sieht er jhn doch kaum halb über Achsel an / Vnd fertigt jhn kahl ab. Bald trifft sich eine Stunde / Wann der Fürst mucken hat / so geht der Held zu grunde Der hoch am Brete war / vnd kriegt ein newer gunst / So bloß vom Glücke kömpt / nicht von verdienst vnd kunst / Die hier dahinten steht. Doch bleibt der Dichter nicht stehen bei exemplarischen Modellen und moralistischer, jedoch in Gemeinplätzen gefaßter Kritik. Es ist, als ob Opitz in diesem
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Gedicht so wie kaum sonst von sich selbst sprechen wollte, gleichsam in einem Augenblick des Aufatmens, der Abstand zu den Schrecknissen der Weltgeschichte gewährte. In diesem Augenblick – fernab des politischen Geschehens – steigen eigene Pläne und Träume auf, wird das Wunschbild der eigenen Existenz greifbar. Es ist eine Existenz, in der das Ich mit sich selbst (seinen »Begierden«) zu Rande kommt; es ist der Traum von einer Vollendung gelehrter Weisheit, die sich im Studium der Antike und im Studium der Natur des erhabenen Zusammenhangs der Dinge vergewissert. Landleben bedeutet nicht Resignation, sondern bezeichnet den archimedischen Punkt, von dem aus Zumutungen der Gesellschaft zurückgewiesen werden und sich der Mensch in seiner Individualität gegen allseits waltende Bedrängnis selbst bestimmt. Literarische Tätigkeit, der geistige Verkehr mit den erlauchten Geistern der alten Welt, die kontemplative Erschließung naturhaftkosmischer Gesetze jenseits historischer Depravation, dies sind Eckpunkte eines gegen die »Barbarei des Zeitalters« gewendeten Projekts gebildeter und moralisch gefestigter Freiheit, die in der Fiktion der Dichtung ungestört zur Sprache gebracht werden konnte (474–490; 497–508): Ich lernte täglich was aus meinem Leben nehmen So nicht darin gehört / vnd die begierde zähmen / Vnd fragte nichts darnach ob der so in die Hand Deß Feindes liefern thut verräterlich sein Land / Vnd mit dem Eyde spielt / mit sechsen prächtig führe / Vnd / wann er lüge schon / bey seinem Adel schwüre. Kein Herr der solte mich sehn bey dem Wagen gehn / Vnd mit der Hoffepursch vor seiner Taffel stehn. Dem allen ab zu sein / wolt’ ich mich gantz verhüllen / Mit Tausend Bücher Schar / vnd meinen Hunger stillen An dem was von Athen bißher noch übrig bleibt. Was Aristonis Sohn / ein Gott der Weisen / schreibt / Was Stagyrites sagt / Pythagoras verschweiget / Homerus vnser Printz gleich mit den fingern zeiget / Vnd was der trefliche Plutarchus hat gewust / Ja mehr / gantz GriechenLand das were meine lust. Dann wolt’ ich auch zu Rom / der Königinn der Erden / Was mein Latein belangt / mit ehren Bürger werden: [. . .] Der Reiche Seneca an witz vnd an vermögen / Der schlauhe Tacitus / vnd was noch ist zugegen Must’ allzeit vmb mich sein. Rom solte zwar vergehn / Doch sieht man sie noch jetzt in vnsern Hertzen stehn. Wir lassen nichts hindan: Die vrsach aller dinge / Worauß / von wem / vnd wie ein jeglich thun entspringe /
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Warumb die Erde steht / der Himmel wird gewandt / Die wolcke Fewer giebt / ist sämbtlich vns bekandt. Mehr was das oben sey aus welchem wir genommen / Vnd wiederumb darein nach diesem leben kommen: Ja Gott den niemand kennt / vnd kein gemeiner sinn Kan fassen / der kömpt selbst in vns vnd wir in jhn. Glücksentwürfe im ›Lob des Landlebens‹ bildeten bis ins 18. Jahrhundert, etwa in den Verssatiren eines Friedrich Rudolf von Canitz (1654–1699)135 oder in Albrecht von Hallers gerühmtem Alpen-Epos (erschienen 1732), einen imaginären sozialkritischen Gegenentwurf zu Defekten erfahrener Realität. Demgegenüber scheint sich Opitz’ großes, von einem polyhistorischen Kommentar (gespeist vornehmlich von antiken Autoren) durchzogenes Lehrepos Vesuvius (1633)136 ganz auf die Demonstration der eigenen Belesenheit zu konzentrieren und sehr bewußt ein modernes Gegenstücke zum Aetna-Epos zu liefern, dem in der Appendix Vergiliana überlieferten prominenten Vulkangedicht aus Neronischer Zeit. Unverkennbar aber reagierte Opitz damit auch auf den in der zeitgenössischen Publizistik sehr lebhaft diskutierten Vesuvausbruch des Jahres 1631. Sein deutsches Vesuvepos, in dem das katastrophale Naturgeschehen immer wieder metaphorisch auch die zeithistorische Katastrophe des andauernden Krieges abbildet, ist kontrastiv mit besonderem Gewinn vergleichbar mit einer in ihrer lateinischen Form mit der damals modernen italienischen Epik rivalisierenden Schöpfung (Campanum, seu Vesuvius flagrans), einem strophischen Epyllion (46 Strophen zu je zehn lateinischen Hendecasyllaben), das Jakob Bidermann (1578–1639), der berühmte deutsche Jesuitendichter (seit 1626 in Rom lebend), in seine Gedichtkollektion Silvulae Hendecasyllaborum Libri tres einreihte, 1634 in Rom erschienen und bald in Luzern (1635 und 1647), in Lyon (1636), später auch in Venedig (1668) und Ingolstadt (1672) nachgedruckt. In der textypologischen Ordnung der frühneuzeitlichen ›Katastrophendichtung‹, poetologisch kaum fassbar wegen ihrer Mischung diverser Textklassen (Ereignisbericht, Deskription, Klage, reflektierende Verarbeitung und narrative Exempel; des öfteren bezogen auf Überschwemmungen, Stadtbrände usw.) nimmt Bidermanns Werk einen hochrangigen Platz ein. Es mündet schließlich in moralische Erzählungen von wunderbarer Rettung und humaner Hilfleleistung (vergleichbar der späteren Publizistik zum Erdbeben von Lissabon, 1755), bietet zuvor aber eine wohl autoptisch gegründete Vergegenwärtigung des Geschehens und seiner Folgen, dies im vertrackten Rekurs auf den horazischen Vergleich von Dichtung und Malerei und 135 Zu Canitz, besonders dessen 4. Satire (im kontroversen Dialog gehalten) s. Lohmeyer (1981),
bes. S. 333–335; zum literarischen Profil und Kontext Wolfram Mauser: Von der Hofkritik zur Fürstenschelte. Kritischer Diskurs als Akt politischer Selbstbefreiung von Canitz bis Pfeffel, in: Ders. (2000), S. 80–102. 136 Abgedruckt in: Weltliche Poemata, ed. Trunz, Teil/Bd. 1, S. 33–84. Dazu umfassend B eckerCantarino (1982), Grimm (1983), S. 209–222, und, weiterführend, Häfner (2003), S. 200– 224 sowie (2009); ferner Zittel (2008).
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mehrmals auch auf das antike Aetna-Epos. Ich zitiere hier einige Strophen des ersten Teils aus meiner deutschen Übersetzung (mit Angabe der Strophennummer):137 I Suchst du ein Bild, das allein dir den ganzen Anblick des Weltuntergangs vor Augen stellt, ein Bild, auf dem dereinst der höchste Richter aus den Öfen der Tiefe feuriges Pech hervorbrechen läßt und im Brand von Erde und Himmelszelt die Weltkugel sich entflammt und zu Asche wird, wie ihr prophezeit ist, so nimm dir nicht die Farben des Parrhasius zu Hand, auch nicht die Zeichenkunst des Koers Apelles: Die Künstlerhand wird unterliegen; der eine Vesuv allein hat diese Flammen besser gemalt. II. Hier, wo die kampanischen Wälle die wilden Stürme brechen und die Sirene sich von keinem Wüten ihres Vaters im Meere schrecken läßt, hier lagen noch eben die üppigen Hänge eines fruchtbaren Berges; vom Gipfel erstreckten sie sich nach allen Seiten und brachten das reinste Gargara vor Augen. Trotz der unzähligen Keltern konnte Bacchus kaum all der Trauben Herr werden, noch ließ das gepflügte Land nach der Ernte all sein Getreide in noch so großen Scheunen Platz finden. III. Jetzt ist diese Gegend verödet: Die Landschaft ist ihres Liebreizes beraubt, von Schmutz und eklem Moder überzogen: Unheilvolle Asche bedeckt die Felder: Losgerissene Marmorblöcke lasten allerorten auf dem nackten Hügel. Kein Waldesschatten fällt mehr von den vertrauten Eichen und Hagapfelbäumen kühlend über die nahen Täler herab. Der Weinberg trauert und hört auf, nach den Ranken zu suchen, an denen die berühmten Trauben nicht mehr hängen, und Ceres schmerzt es, daß die goldenen Saaten zugleich mit ihren verbrannten Ähren erstarben. VII. Als dieser Schrecken sieben Sonnenläufe und ebensoviele Nächte den gekrümmten Lauf der bebenden Küste entlang gewütet hatte, da kam noch ein Krachen aus dem tiefsten Schlund des Vesuvs hinzu: ein Krachen so gewaltig wie das Donnern im obersten Himmel, wenn Juppiters Blitz die aufständischen Giganten schreckt, oder wie der Knall der mit Pulver und Blei gestopften Röhren, wenn man sie zündet und auf hoch ragende Städte schießen oder Türme einschlagen läßt. VIII. Neapel spürte den Aufruhr und glaubte, über die schuldigen Lande käme nun der Tag ihres vorbestimmten Untergangs. Da verfluchte es die vertrauten Palastfluchten, die ihm gerade noch so wert gewesen waren, verhaßt wurden ihm die vergoldeten Balken und das mit babylonischem Purpur verbrämte Schlafgemach: Auf die Felder flohen alle in freiem Lauf, und dort hielten sie weder die Sonnengluten auf ihrem unbedeckten Haupt für lästig noch die Winde für schädlich, mußten sie auch unter freiem Himmel schlafen.
137 Kühlmann (2006) mit kompletter zweisprachiger Edition und genauer kontextueller
Analyse.
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Wilhelm Kühlmann IX. Welch große Kunst lehrt nicht die Angst! Sie, die früher erlesene Kassettendecken und mit warmer Feder gefüllte Bettdecken gewohnt waren, wagen jetzt, da ihnen die Furcht im Nacken sitzt, dem Frost und den stürmischen, kalten Dezemberwinden mit nacktem Körper zu trotzen, und im ungeschützten Wald scheuen sie nicht die dichten Regenwolken unter den winterlichen Sternen. Da müssen Stoa und Peripatos zurückstehen: Größere Kunst lehrt die Angst! X. Das waren die ersten Scherze des Berges, die die Stadt erlebte, die Ouvertüre der Lemnischen Werkstatt: Jetzt fängt der sizilische Schmied erst an, die wüsten Zyklopen zu ernster Arbeit anzufeuern. Hör auf, sie anzustacheln, Schmied, hör auf: Genug und übergenug haben sie schon angerichtet! Allein ihr Spiel hat mehr als Ernstes hervorgebracht. Vergebliche Wünsche! Unter so vielen Hämmern und Ambossen und Öfen hatte der Vesuv für Klagen taube Ohren. XI. Noch hatte die Erde nicht aufgehört zu beben, da zerbarst der Gipfel, und aus dem klaffenden Schlund brodelten wirbelnde Schwaden hervor. Niemals verdunkelte ein abscheulicheres Unwetter aus diesem grausigen Berg die Sterne: Wolken aus dichtem schwarzem Staub verdeckten den ganzen Himmel. Man hätte sagen können, die Berge und alle Bäume in den Wäldern seien zu Asche geworden, und das innerste Mark der Erde sei in den rasenden Flammen zu Funken zerstoben. XII. Dreimal zehn Tage verbrachte die Erde blind ohne den Kynthier, dreimal zehn Nächte blieb auch die Kynthierin müßig, während das Chaos in dem wilden Abgrund ungemindert einen endlosen Sturm aus schwarzem Staub aus seinem fruchtbaren Schlunde spie. Und die Sturmwolken stiegen auf kühnen Schwingen in die Höhe, um bald darauf unvermittelt in die Tiefe zu stürzen, und bedrohten so alle Felder und die Mauern aller Städte unversehens mit Verderben. XIII. Und die Asche begnügt sich nicht mit Furcht und Drohung: Ein wahrhaftiges Zerstörungswerk gegen die Natur bereitet sie vor. Die gesamten Felder überzieht sie unter dem donnernden Gewölk, die Städte ringt sie nieder, begräbt die Burgen, deckt die Hügel, ebnet mit kochendem Staub die Täler ein, füllt die See, bringt die Türme zum Einsturz. Proteus in der Meerestiefe spürt die tödliche Asche, und staunend sieht er seine Herde in den aufgewühlten Wogen vor Hitze kochen. XIX. Doch während sich die erlahmenden Lavabrocken noch abmühen, in ihrem anmaßenden Flug noch höher zu steigen, stürzen sie unter furchtbarem Krachen zurück aus den hohen Wolken, hinab bis in die tiefen Täler, wo sie nicht nur Tamarisken und zähe (aber wenig standfeste) Ginsterbüsche zermalmen, sondern zugleich mit ihrem gewaltigen Gewicht Steineichen und hohe Sommereichen brechen und niederreißen. Nichts lassen sie ungeschoren: Ganze Mauern reißen die stürzenden Brocken ein und machen sie dem Erdboden gleich.
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XX. Das blaue Meer schluckt in seinem entsetzten Schlund wahre Mühlsteine, die aus der Höhe herabfallen, und es fürchtet schon, daß seine Untiefen mit Steinblöcken und sogar sein gewaltiger Abgrund mit ortsfremden Felsen aufgeschüttet werden könnten. Selbst auf entfernte Städte dehnt das dreiste Gestein seinen tödlichen Ansturm aus: Bis nach Nola fliegt es und bis nach Cumae und zu den Kaimauern von Baiae, und weiter über die Flanken des Garganus in Apulien hinweg, allen Wiesen eine einzige Verwüstung, allen Wäldern ein einziger Kahlschlag. XXI. Man hätte glauben können, daß so gewaltige Massen von Asche und Lavastein, wie sie sich aus dem Vesuv ergossen hatten, über dreihundert Bergwerke selbst großer Berge hätten ausleeren können: Und es war noch nicht einmal die ganze Masse dieses einen Berges! Noch immer rumort es im Vesuv, und er weitet seinen prallen Schoß, um noch größeres Unheil zu entladen, und mit Genuß gießt er aus seinem fruchtbaren Krater neues Verderben aus. Selbst in Lerna wächst es kaum üppiger, mögen auch aus der einen Hydra noch so viele Ungeheuer neu entsprießen. XXII. Denn wo sich der Gipfel des Berges zu einem unermeßlichen, unheilsschwangeren Höllenschlund öffnet, dort schleuderte Mulciber beständig flüssiges Feuer aus seinen fast schon geschmolzenen Öfen. Wie ich bei der Erinnerung schaudere! Wir sahen die Schlünde in schwefligen Flammen auflodern, über das hohe Bergesjoch überkochen und alle Wege im Flammenstrom erfassen. Man hätte glauben wollen, das Meer habe sich verwandelt, und das klare Naß sei zu brennendem Pech entflammt. XXIII. Doch gleich teilt sich der See aus schwimmendem Feuer in sieben Ausflüsse, in rascherem Fluß stürzt er nun über den Abhang und verwandelt sich in den gekrümmten Rinnen in Ströme aus Feuer. Nicht anders durchschweift auch der phrygische Maeander die gebogenen Fluren, und er müht er seine irrenden Wasser an den bald hierhin, bald dorthin sich krümmenden Böschungen ab. Doch er ist ungefährlich, und nur mit Wasser benetzt und umspült er seine Ufer: Unserer wütet und braust mit Feuersgluten.
Wie unter anderem aus einem Gedicht an den Heidelberger Gefährten Julius Wilhelm Zincgref hervorgeht,138 war Opitz vertraut mit den Dichtungen der französischen Pléiade (darunter Ronsard und Baif ), in deren Werkradius Genera der lehrhaft-reflektierenden Poesie eine bedeutende Rolle spielten (dazu Pantin 1995; Keller 1974; Wilson 1974; Schmidt 1970; Weber 1956). Auffällige Resonanz im protestantischen Deutschland fanden aus diesem Lesehorizont die geistlichen Lehr epen des Hugenotten Guillaume Salluste Du Bartas (1544–1590), eines Kampf gefährten Heinrichs IV. Caspar von Barth verehrte ihn (dazu siehe oben), und Opitz stellte seine Werke auf eine Ebene mit denen eines Vergil und Lukrez.139 An 138 Opitz: Weltliche Poemata. Ed. Trunz. Zweiter Teil (1975), S. 32–34; dazu Kühlmann, Opitz
(2001), S. 64.
139 Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624), Kap. V: Zitat mit Übersetzung. Ed. Jau-
mann (2002), S. 27f.
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Du Bartas’ Trionfe de la Foi (›Triumph des Glaubens‹) arbeitete sich als Übersetzer der junge Johann Valentin Andreae (1586–1654) ab und ließ zu, daß seine holprigen Verse in Straßburg von einem Opitzianer (Christopherus Colerus/Köhler) bearbeitet wurden, bevor sie dort 1627 mit einem fünfstimmigen Choralsatz des Komponisten Thomas Walliser erschienen. Später legte in Zusammenarbeit mit dem renommierten Nürnberger ›Pegnitzschäfer‹ Sigmund von Birken (1626–1681) die bedeutendste deutsche Barockdichterin, Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694), zu diesem mehrteiligen erbaulichen Poem eine stilistisch ausgefeilte Übertragung vor, gedruckt 1675 in Nürnberg zusammen mit ihrem gegen die türkische Bedrohung gerichteten gläubig-aktivistischen Großepos (Sieges-Seule der Buße und des Glaubens / wider den Erbfeind Christliches Namens).140 Das intensive Bemühen um die deutsche Einbürgerung Du Bartas’ führt mitten hinein in die Frühphase der wichtigsten literarischen Barocksozietät, der »Fruchtbringenden Gesellschaft« (gegründet 1617) unter ihrem ersten Leiter Ludwig von Anhalt-Köthen. Hauptgegenstand dieses Bemühens war Du Bartas’ europaweit rezipierte große Genesisdichtung, die in Deutschland manche weit zurück ins Mittelalter reichende Vorläufer besaß. Du Bartas gliederte sein zweiteiliges Werk in ›Wochen‹: La Sepmaine ou Création du Monde (Paris 1583) und La Seconde Sepmaine ou Enfance du Monde (unvollendet, Paris 1583). »Die erste Woche umfaßt die sieben Tage des Schöpfungsberichtes, die zweite Woche umfaßt die verbliebenen 6000 Jahre von Adams Fall bis zum Jüngsten Gericht. Von dieser zweiten Woche hat Du Bartas nur die ersten vier, Adam, Noah, Abraham und David gewidmeten Bücher vollendet. [. . .] Die einzelnen Gesänge der beiden Wochen sind von unterschiedlicher Länge, von rund 600 bis zu fast 1400 Versen.«141 Forschungen haben nachgewiesen, daß sich Du Bartas in seinem Schöpfungsepos unter anderem auf das Hexaemeron (neun Predigten) des Kirchenvaters Basilios von Caesarea (330–370 n. Chr.) stützte. Es war der anhaltische Kammer- und Justizrat Tobias Hübner (1578–1636), nach Aufenthalten in Frankreich schon 1619 unter dem Beinamen »Der Nutzbare« Mitglied der »Fruchtbringenden Gesellschaft«, der sich etwa zwanzig Jahre lang, wenn auch nicht in der formalen Souveränität eines Martin Opitz, mit der Übersetzung von Du Bartas’ Großepos beschäftigte, greifbar zunächst in Teilübersetzungen (1619), dann in der posthum publizierten Vollfassung (1640), um deren Endreaktion sich Fürst Ludwig und Diederich von dem Werder gekümmert hatten.142 140 Im Nachdruck vorliegend; s. u. das Quellenverzeichnis. 141 Zitiert nach Kemp (2004), S. 453; in diesem Aufsatz auch Weiteres zur europäischen Rezep-
tion; zum Werk und Forschungsstand ergiebig Neuschäfer (2004, hier bes. zu französischen Untersuchungen) und die Bücher von Reichenberger (1962 und 1963), außerdem Keller (1974), S. 107–140. 142 Zu den Werken und Titeln s. hier im Quellenverzeichnis sowie Dünnhaupt, Bd./Tl. III (1991); S. 2175–2183, zu Hübner weiterführend Merzbacher (1997) und die Reflexe in der von Klaus Conermann und Mitarbeitern hg. monumentalen Edition der »Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen. Die Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt-Köthen 1617–1650«. Bd. 1 ff. Tübingen 1992 ff.
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Ganz abseits dieser frommen literarischen Exerzitien im Geist des europäischen Calvinismus erlebten Vergils Georgica eine spektakuläre Wiederauferstehung in der Anleitungsliteratur der agrikulturellen Moderne, nämlich in einem vielbenutzten Grundwerk der (im weiteren Wortsinn) ›ökonomischen‹ Hausväterliteratur, das ihr Verfasser Wolf Helmhard von Hohberg (1612–1688)143 sinnigerweise Georgica Curiosa betitelte und erläuterte: Das ist: Umständlicher Bericht und klarer Unterricht Von dem Adelichen Land- und Feld-Leben / uf alle in Teutschland übliche Land- und Haus-Wirthschafften gerichtet [. . .] (Nürnberg 1682; Neudrucke bis mindestens 1716). In der Nachfolge der antiken Epiker, als Verfasser einer an Claudian angelehnen Unvergnügten Proserpina (14000 Verse, Regensburg 1661) und Autor eines historischen Epos (Der Habspurgische Ottobert, 40000 Verse; Erfurt 1664),144 legte Hohberg als Vergilius Redivivus in sein Riesenkompendium (12 Bücher), das er (so in der Vorrede) »vor mehr als zwanzig Jahren zuerst in Versen begonnen« habe, seine deutsche Georgica-Version ein, die zum Beispiel auch Vergils Aristaeus-Epyllion (Buch IV) assimilierte, grundsätzlich aber die kruden Zweckmäßigkeiten des bäuerlichen oder adeligen Erwerbsbetriebs ohne idealisierende Umschreibungen in Verse transponierte (aus Buch VIII):145 Der Mist sey wol gefault, soll nicht zu sehr eralten, Mehr trocken seyn als naß, so wird er gut gehalten. Es ist dem magern Land und ungeschlachten Grund Des Baumanns stäter Fleiß und Emsigkeit gestund. Im weiteren Umblick zeigt sich, dass solcherart streng klassizistische Adaptionen der normstiftenden antiken Lehrepik im deutschsprachigen Schrifttum des 17. Jahrhunderts eine Ausnahme bildeten. Anders in der internationalen lateinischen Jesuitenliteratur. Hier erfreuten sich variable Möglichkeiten der deskriptiven und didaktischen Poesie, geschrieben in Hexametern oder elegischen Distichen, einer bleibenden Attraktivität, wie sich etwa ablesen lässt an einer ordensbezogenen Anthologie (Poemata Didascalica. 2 Bde., Paris 1749). Die Reihe der religiös-meditativen Großepen führte im katholischen Deutschland inmitten eines weitläufigen Werkzusammenhangs fort der in Köln lehrende Jesuit Jacob Masen (1606–1681). In seiner zu Unterrichtszwecken abgefassten Poetologie (Palaestra Eloquentiae ligatae, 3 Tle./Bde. zuerst Köln 1654–1657) druckte er im zweiten Teil seine Sarcotis ab (spätere Separatausgaben unter anderem London 1753; Paris 1757, im 18. Jahrhundert auch Übersetzungen: Treviso 1769), drei Bücher (2486 Verse) über Sündenfall
143 Zu Werk, Leben und Forschung s. Dünnhaupt, Tl./Bd. III (1991), S. 2151–2159; Michael
Schilling (sub verbo) in Killy/Kühlmann, Bd. 5 (2009), S. 544f. Immer noch grundlegend zu Hohberg Brunner (1969). 144 Dazu Rohmer (1998), S. 259–339, leider die Lehrepik ganz außer Acht lassend. 145 Brunner (1969), S. 196–198, das Zitat hier S. 197; eine Synopse mit Vergils Lehrgedicht fehlt, soweit ich sehe, und muß auch hier ganz außer Betracht bleiben.
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und Erlösung des Menschen, ein literarisches Mittelglied zwischen Du Bartas und John Milton.146 Bei den führenden Jesuiten dominierten thematisch aktualisierte und, wie etwa anhand von Bisselius’ spektakulärer Jahreszeitendichtung (dazu siehe oben) zu studieren, in der textuellen ›Inventio‹ um Abwechslung bemühte Konzepte. Dies gilt auch für den wohl genialsten deutsch-lateinischen Dichter, für den meist in Bayern wirkenden Jacob Balde S. J. (1604–1661).147 Sein Zyklus von zweiundzwanzig Medizinersatiren (Medicinae gloria, 1649)148 oder auch die mancherlei Astronomica einbeziehende Polemik gegen die von der Sonnenfinsternis des Jahres 1654 ausgelösten Ängste (De eclipsi solari [. . .] Nunc vero Tubo Satyrico perlustrata Libri Duo, 1662)149 warfen wie vorher schon viele Oden Schlaglichter auch auf Baldes kultur-, wissenschafts- und ideengeschichtliche Interessen, die fast durchweg von einer zeitkritischen, alle Facetten der Ironie auskostenden Grundhaltung geprägt sind. Indem sich Balde (Satire 12) zum Beispiel Vesalius’ anatomischen Erkenntnissen (De humani corporis fabrica libri septem, 1543) in einer Meditation über das menschliche Skelett zuwendet, holt er zugleich aus zu einem weiten anthropologisch-dogmatischen Exkurs über die psycho-physische Komplexität des Menschen im Kontrast zwischen seiner irdischen Verfassung und gleichzeitig himmlischen Bestimmung wie geistigen Würde. Eingefügt in diesen Zyklus ist auch (Satire 8) ein wissenschaftsgeschichtlich hochinteressanter Illustrium Medicorum Catalogus I. cum encomiis praesertim Magni Fernelii. Bereits in den späten fünfziger Jahren begann Balde mit seiner Arbeit an seinem letzten großen Werk, einem monumentalen, auf drei Teile angelegten Elegienzyklus, von dem – nach Schwierigkeiten mit der Ordenszenur – nur der erste Teil erscheinen konnte (Urania Victrix. München 1663).150 Wie Baldes Isagoge dort erläutert, fungiert Urania als allegorische Sprecherinstanz und weibliche Verkörperung der auf ihre himmlische Bestimmung verwiesenen Seele des Menschen. Sie hat sich letzthin »siegreich« gegen Zudringlichkeiten der um ihre Gunst werbenden fünf Sinne zu wehren. Jeder dieser Sinne (visus, auditus, odoratus, 146 Die Masenforschung hat sich nicht mit dem Epos (elektronisch erreichbar), sondern fast
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ausschließlich mit seinen Dramen und seinen wichtigen Beiträgen zur Emblem- und Argutiatheorie beschäftigt; dazu der Überblick in dem Artikel (sub verbo) von Franz Günter Sieveke in Killy/Kühlmann, Bd. 8 (2010), S. 28–31. Die der Neuausgabe (1998, S. *17–67*) der großen Biographie von Westermayer (1868) beigedruckte so gut wie komplette Bibliographie der Editionen, Übersetzungen und Forschungen bildet derzeit den besten Zugang zum Gesamtoeuvre. OPO 1729, Bd. IV, S. 367–437; Übersetzung von Johann Baptist Neubig. 2 Bde., München 1833; dazu Classen (1976) und Wiegand (1992 und 2005). OPO 1729, Bd. IV, S. 124–298; zu diesem in Prosa mit folgendem Hexameterepos vorgelegten höchst geistreichem Werk existiert bisher nur der Aufsatz von Faller (2005). Vgl. die zweisprachige kommentierte Teilausgabe (Buch I und II) von Claren u. a. (2003). Aus meiner Einleitung dieses Bandes entnehme ich hier einige Passagen, ohne die dort im Detail abgehandelten Einzelheiten zur Entstehung, zu den Quellen, zur spezifischen Geistigkeit und zur Rezeption dieser Dichtung.
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gustus, tactus) wird in drei Liebesbriefen vorgestellt, die jeweils von Urania argumentativ aufgegriffen und ablehnend beantwortet werden. Was die Sinne jeweils in der Alltagswelt, im Zusammenhang sozialen Handelns oder auch in der explorativen Neugier von Wissenschaften und Erkenntnisvorgängen bedeuten und was sie an möglichen Reizen und Erfahrungen allererst ermöglichen, läßt Balde immer wieder nicht nur von einer abstrakten, einer blassen Sprecherstimme artikulieren, sondern auch in der appellativen Selbstdarstellung typologisch charakterisierter Figuren zu Wort kommen. So wenn etwa im Dienste des Visus der Maler Cinna (I, 3) und ein Mathematiker und Astronom (I, 5), im Dienste des Auditus ein Musiker (II, 3) oder für das Anliegen des Gustus sogar Rumpoldus Caracalla, »Coquus Palatinus« (IV, 3), zur Feder greifen. Zu denen, die um ihre Hochzeit mit der christlichen Seele werben, gehört in der Reihe der Berufs- und Ständevertreter auch ein Apotheker (III, 3). Sein Werbebrief, der Vorzüge der Person und Profession des Schreibers, aber auch dessen üppiges Angebot an Spezereien, Zubereitungen und Exotica aller Art, dazu das reichhaltige Laborgerät herausstreicht, gehört zu dem Buch III, das dem Geruchsinn (»odoratus«) gewidmet ist.151 Mit Darstellungselementen einer prosopopoetischen Ständerevue verleiht Balde den verlockenden Stimmen der sinnlichen Versuchung soziale Glaubwürdigkeit und unterstreicht damit ein immer neu ansetzendes Plädoyer für die von christlicher Weltflucht unbeeindruckte Rehabilitation, ja Attraktion der natürlichen, der spontanen und von selbstverständlicher Subjektivität gesteuerten Sinnesvermögen und Sinnesleistungen. Oft nur mit einiger Mühe und im Wechsel der thematischen Schwerpunkte gelingt es Urania, Leitfigur programmatischer Erlösungsbedürftigkeit und Weltflucht, den Primat christlicher Heilssorge zu behaupten und den Blick auf Phänomene der historisch wie anthropologisch bedingten Sündhaftigkeit zu lenken, als deren Reizmittel, als deren Instrument und gleichsam Einfallstor die Sinnesausstattung des Menschen betrachtet werden soll. Dabei geht es Balde offenbar auch um die ›novitas‹ des Themas und die Originalität der poetischen ›inventio‹, hatte er sich doch selbst in seinem Traktat De studio poetico (1658) ausdrücklich gegen die auch im jesuitischen Schulhumanismus um sich greifende Geistlosigkeit einer auf sprachtechnische Handgriffe verengten Nachahmungsdoktrin gewandt. Baldes Urania-Zyklus wirkt in seinen Briefpaaren jeweils wie ein Rededuell ›in utramque partem‹, und der angestrebte Triumph frommer Selbstbewahrung vollzieht sich nicht im Flug über die Wirklichkeit hinweg, sondern mitten in einer dichterischen Welt, die in der Lust der Wahrnehmung und Empfindung, in der Macht des Begehrens und im Fortschritt des Erkennens und der Wissenschaften unweigerlich die psychophysische Ganzheit des Menschen, damit die im Individuum angelegte Konflikthaftigkeit der Willenslenkung und Handlungsmotivation
151 Dazu Kühlmann (2009); ergänzend zur weiteren Erschließung des großen Zyklus nun die
Studie von Christes (2005) zu V, 6.
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bestätigt. Baldes poetische Verschmelzung von klassizistischer Verskunst und frommer Allegorese entpuppt sich so, wie sich in vielen Einzelzügen bestätigt, auch als ein Kunstgriff des versierten Satirikers, als Medium schonungsloser Zeitkritik, als ästhetische Möglichkeit, jene Welt in ihrer eigenen Logik und im Licht ihres eigenen neuzeitlichen Selbstruhms zur Sprache zu bringen, von der sich der Dichter offensichtlich aber nicht abkehren will, ohne sie dem Leser in farbigsten Schilderungen und in gefährlicher Suggestion vorgestellt zu haben. In der Rede des »Visus« an Urania wird zum Beispiel das Wunder des Auges so vorgestellt (Auszug aus I, 1):152 Wer immer die Wunder meines Baues prüft, wird wohl beschämt eingestehen müssen, daß er sie nicht angemessen zu rühmen vermag. Aristoteles weiß es nicht und Galen ist unschlüssig und scheut davor zurück zu entscheiden, ob mein Nutzen größeren Dank oder meine Schönheit größere Anerkennung verdient. Ich schütze das Haupt als wachsamer Beobachter hoch oben auf der Burg, und immer stehe ich in deinem Auftrag Wache. Sanft krümmen sich die Brauen zu schlanken Bögen: Der dich behütet, steht nicht ohne Waffen bei dir. Ein schützender Stern ist vorne außen angeheftet. So kann jeder, der vorbeigeht, wissen, daß an diesem Ort Urania wohnt. Hier wache ich – du verwehrst es mir ja auch nicht – und lasse als getreuer Gefolgsmann zu dir herein, was immer du zu haben begehrst. Doch um mich nicht täuschen zu lassen, schleudere ich mein Geschoß bald gerade, bald drohe ich mit ihm seitlich aus der Nähe, doch nicht weniger scharf. Ajax prahlte mit den Häuten seines siebenfachen Schildes; auch ich bin durch sieben Hüllen geschützt. Drei sind dir vor den anderen lieb, denen Netz, vom dichten Licht das Horn und die Traube ihren Namen gegeben. Dergleichen kämmen nicht die Chinesen von der weichen Baumwolle; dergleichen brachte nicht die vom Daumen der Phryger geführte Nadel zustande. Doch auch das feine Innerste des Spinnengewebes könnte sich damit nicht messen noch auch die in dichte Kreise geschlungenen Fäden an der Spindel. An unsere Pupille zu stoßen, ist eine schwere Kränkung. Mit dem Finger an die Stirn zu schnippen, wird als Scherz gelten. Außerdem ist nichts schneller als der Strahl des Auges. Ihm kommt nicht der parthische Schleuderer gleich und nicht der arabische. Er eilt dem leuchtenden Blitz voraus, den die Wolke entsendet, und trifft in einem Augenblick auf die Sterne in der höchsten Höhe. Das Weib vor allem rüstet sich mit unseren Waffen, weil ihr unkriegerisches und hilfloses Geschlecht ihr andere Waffen versagt. Sie kämpft mit ihrem Blick, wenn sie sich tapfer zeigen will. Mit ihm schleudert sie wie aus einem Köcher blitzende Geschosse. Einmal geschleudert, dringen sie ins Innerste einer leidenschaftlichen Brust und durchzucken schnell wie der Blitz das Herz. Stell dir ein Gesicht vor, das an jeder Stelle reizend ist. Wenn es keinen Blick hat, ist es häßlich; trifft es kein Blick, ist es nicht vorhanden. Ungestalt ist der neugeborene Welpe, der am allen gemeinsamen Himmelslicht nicht teilhat; hört er jedoch auf, blind zu sein, findet er Gefallen. [50] Ein gering geachtetes Tier ist der Maulwurf, die scharfsichtigen Luchse hingegen werden gerühmt und ziehen den Wagen des Bacchus – ein gar nicht gemeines Los. In trauriger Nacht erquicken von fern die Himmelsfeuer. Die Sterne sind deine Augen, du schönes Firmament. Sieh dir den Pfau an: Was denn ist schöner als er? Kein
152 Zitiert nach der Neuausgabe von 2003, S. 57–63, Absatz 2–7 (V. 13–110) ohne den dort
edierten lateinischen Text; zum Vergleich der Baldeschen Sinnesphysiologie mit dem Frühaufklärer B. H. Brockes s. Kühlmann/Seidel (1999).
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Wunder: Er zeigt, wenn er sich spreizt, meine Augen. In mir haben sich die Geister der Lebensfreude niedergelassen. Hier wohnen die Charitinnen, hier auch der heitere Amor. Von hier fließen die Tränen: wenn du sie kläglich vergießt, verliert der Schmerz seine Macht und wird fortgetragen. Glaub mir, es gibt kein kostbareres Naß als dieses. Ein einziger Tropfen vermag oft Gott umzustimmen. Sooft die Reue diesen Nektar der Himmlischen ausschenkt, fängt ein Engel ihn in der Schale auf und trinkt ihn selbst. Es tränen auch die Weinreben und tun es uns mit Ergötzen nach. Durch diese Tränen lacht süßer die Traube. Warum wird alles, was teuer ist, an meinem Wert gemessen? Und weshalb wird eine vorzügliche Gabe dadurch doppelt wertvoll? Wenn eine Stadt erhaben ist, wird sie des Reiches Augapfel genannt, entsprechend auch ein schönes Rathaus auf weitem Marktplatz Augapfel der Stadt. Euryalus, der von Nisus, oder Pylades, der von Orest geliebt wird, sagt: »Meine Augen gehören meinem Freund.« Mit diesem Teil des Körpers wird niemand auch nur im geringsten Scherz treiben wollen, mag er andererseits den Rücken ständig grausam mit Schlägen traktieren. Wenn der Gladiator unerschrocken die sandgelbe Arena betritt und sich in den bewaffneten Nahkampf mit dem Gegner einläßt, dann schont er seine Hände nicht, er stellt sich ihm mit seinem Leib entgegen, alle Glieder benutzt er zum Kampf: doch seine Augen nimmt er wohl in Acht. Gesetzt er siegt – sind sie verletzt, dann klagt er doch über sein Siegeslos und würde lieber mit gebrochenem Bein unterlegen sein. Bei mir finden sich Freuden und tausend Reize; tausend Genüsse erhascht meine kleine Pupille. Durch meine Fenster schaust du doch gewöhnlich voll Freude hinaus und genießt die angenehme Beschaffenheit der Welt. Um sie genießen zu können, ist dir mein Nerv von nutzen, alle Wonnen verschafft dir der Sehnerv. Welch Schmerz! Eingefügt in die Glieder des menschlichen Körpers bist du geradezu in einem gräßlichen Gefängnis eingeschlossen und verborgen. Du erträgst den bitteren Überdruß am gegenwärtigen Leben und mußt Finsternis dulden an einem unwürdigen Ort. Doch der Gesichtssinn ist zur Stelle, er öffnet die Pforten, vertreibt die traurige Angst und erleichtert zu einem großen Teil deinen Verdruß. Ach, wie oft wünschtest du, in der langwährenden Finsternis der Nacht versunken, daß ich dir die Wiederkehr des Tages erschließen solle! Ach, wie oft, wenn schon der Hahn mit seinem Kamm als Bote der Leukothea krähte, hießest du mich wachen! »Erwache!«, so rufst du; »wie lange Zeit schläfst du schon? Genug Schlaf wurde dem Dunst und der Finsternis gewährt.« Kaum öffne ich dir daraufhin die elfenbeinhellen Tore deines Gesichts, kaum bewegt sich zuckend das Lid, das den Schlaf abgestreift hat, sogleich, während ich noch blinzle, begrüßt du Aurora und freust dich über den weiteren Himmelsraum. Du erkennst das Hin und Her, Strebungen und Gegenstrebungen des Volkes, was hier unsere alte und was die Neue Welt treibt. Es bedeutet schon etwas für dich als Gefangene, dich im Spiegel, dem Abbild der verschiedenen Dinge, über deine Trauer hinwegtäuschen zu können. Wer führt dich hinaus auf die von Ähren gelben Felder und auf die Wiesen, die von Gewässern überflutet und genetzt werden? Wie erkennst du, daß sich blumengeschmückte Gärten zeigen und weiße Lilien sich mit roten Rosen mischen?
Ausblick: Damit ist das hier gebotene Darstellungsziel wenigstens in provisorischen Umrissen und Andeutungen erreicht. Die Geschichte der lehrhaften, im Prinzip handlungslosen Dichtung, auch des ehrwürdigen Lehrepos, geht weiter und führt den Leser nach der Wende zum 18. Jahrhundert zu einer massenhaften Produktion und Ausbreitung der einschlägigen Literatur. Die Faszination der ›new science‹
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(Galilei, Newton u. a.), die vom Bewußtsein des Wissensfortschritts geförderte Abrechnung mit ›abergläubischen‹ Residuen (etwa der Kometenfurcht in Abraham Gotthelf Kästners Philosophischem Gedicht von den Kometen (1744; siehe Grimm 1983; 703–770; Baasner 1991), die Imagination eines offenen Weltraums mit fernen Sternenbewohnern (Christlob Mylius), die von Christian Wolffs Philosophie postulierte Einheit von Vernunft und Tugendhabitus mit innerweltlichen Glücksversprechen, all dies waren zusammen mit der Formation eines neuen Laienpublikums wichtige Faktoren, welche die Ausbreitung der Lehrdichtung während der Frühaufklärung (ca. 300 Titel zwischen 1730 und 1760) als komplexes Phänomen poetischen Wissenstransfers erkennen lassen (siehe Albertsen, Jäger, Siegrist). Brockes’ Sammlung Irdisches Vergnügen in Gott (9 Bde., 1721–1740) zeichnete in der Interferenz von Alltagserfahrungen und pathetischer Vergegenwärtigung einer deistischen Kosmologie das vom Nutzgedanken gestärkte Vertrauen in die gottgewollte Erschließung der sinnlichen Objektwelt. Gegenüber dem metaphysischen Optimismus, wie er etwa in Popes Essay on Man (deutsch von Brockes, 1740) zum Ausdruck kam, erinnerte Albrecht von Haller sowohl an die Theodizeeproblematik (Über den Ursprung des Übels, 1734) als auch an die Gefahren der Freigeisterei und entwarf in Idealbildern des Schweizer Landlebens (Die Alpen, erschienen 1732) Gegenpositionen zur moralischen Depravation der Stadt. Die von Lukrez’ Epos ausgelöste religionskritische Diskussion verstärkte sich und führte zu einem ehrgeizigen, durchaus verbreiteten lateinischen Gegenepos aus der Feder des französischen Kardinals Melchior de Polignac (Anti-Lucretius Sive de Deo Et Natura Libri Novem. Paris 1749 u. ö.). Auch Wieland beteiligte sich in den Lehrgedichten seines Frühwerks (darunter Anti-Ovid, 1752) an den Versuchen, den galanten Epikure ismus mit den Restbeständen eines Offenbarungsglaubens bzw. einer Schöpfungstheologie zu vermitteln. Seine spätere Verserzählung Musarion oder die Philosophie der Grazien (1768) verstand Wieland, kennzeichnend für die Gattungsauflösung, als »eine neue Art von Gedichten zwischen dem Lehrgedicht, der Komödie und der Erzählung« (Brief an Gessner vom 29. 8. 1766). Schiller nahm in Teilen seiner philosophischen Lyrik, Goethe vor allem aber in seinen morphologischen Lehr elegien (darunter Die Metamorphose der Pflanzen, 1799) Anteil an poetischer Didaktik. Moralistische Weisheitslehre, manchmal zum Brevier geordnet oder exotisch drapiert, fand im 19. Jahrhundert Anklang (etwa Rückerts Weisheit des Brahmanen, 6 Bde., 1836–1839). Im literarischen Hintergrund entstanden weiterhin teilweise faszinierende naturkundliche Versdichtungen, darunter, im weiteren Umkreis Schellings, von dem geistreichen Botaniker und Geologen Friedrich Schimper (1803–1867; Auswahlausgabe, ed. Kühlmann/Wiegand 2005) ein Lehrbrief über die Eiszeit (1837), oder Goldlack. Ein poetischer Brief über Zahlen und Dinge (1842) oder als weitläufiges Verskompendium der Blick auf die Naturwissenschaften (1846). Die epische Traditionslinie verlief sich bald in pantheistischen Weltanschauungsliteratur wie Friedrich von Sallets in Jamben verfaßtem Laienevangelium (1842), kulturkritischen Monumentalwerken wie Robert Hamerlings Homunculus, ein modernes Epos in zehn Gesängen (1888), schließlich in Carl Spittelers »symphonischer
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Phantasie« Olympischer Frühling (1900ff.), deren mythologischer Bilderreichtum samt der gedanklichen Konkursmasse romantisch-idealistischer Philosopheme inkommensurablen Entwürfen wie Theodor Däublers Nordlicht-Zyklus (1910 ff.) vorausgeht. Daß Bertolt Brecht das Kommunistische Manifest in ein Lehrepos nach antiker Manier umschreiben wollte (der Versuch blieb Fragment), bestätigte die Wirkungstiefe der klassischen Archegeten.
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Didier Kahn La poésie alchimique dans l’Europe médiévale et moderne La poésie alchimique a été bien peu étudiée. Contrairement à ce qu’on pourrait croire, il est impossible de la considérer de façon monolithique : elle peut prendre en effet bien des formes, se décliner selon toutes les couleurs du spectre, du poème mnémonique le plus bref et le plus sec jusqu’aux grandes tentatives humanistes destinées à rivaliser avec les Géorgiques ou avec d’autres modèles illustres. Dans une première approche, tout ce qu’on peut tenter, c’est l’esquisse d’une typologie et d’une chronologie, avant de proposer un début de synthèse. On envisagera ici la littérature alchimique médiévale et moderne, en puisant autant à la tradition latine qu’aux diverses traditions vernaculaires, sans perdre de vue que la documentation dont on dispose actuellement est encore incomplète, de nombreux manuscrits, souvent riches en surprises, restant encore à explorer. Rappel historique L’alchimie fit son entrée dans l’Occident chrétien vers le milieu du XIIe siècle, en même temps que le gros de la science arabe qui était alors traduite massivement en latin1. Quant à l’alchimie gréco-égyptienne, née dans l’Égypte hellénistique vers le Ier siècle de notre ère, rédigée en grec, puis traduite en arabe dès le VIIIe siècle, elle resta inconnue de l’Occident médiéval et ne fut redécouverte qu’à partir du XVe siècle. Il existait déjà des poèmes dans l’alchimie grecque, nés après le VIe siècle dans le monde byzantin, composés en trimètres iambiques et attribués à Héliodore, Théophraste, Hiérothée et Archélaos2. Il y en eut plus encore dans l’alchimie arabe : l’exemple le plus connu est celui de Muh.ammad ibn Umail al-Tamīmī (c. 900–960), mais il y en a bien d’autres, à commencer par les poèmes attribués à Khālid ibn Yazīd († 704)3. Il faudrait être bon helléniste et bon arabisant pour en rendre compte ici. On en déduira tout au moins que la poésie fut présente dans toutes les cultures où se développa l’alchimie.
* Cet article est la version originale, revue, parfois abrégée (en ce qui concerne l’aire culturelle allemande) et parfois complétée (notamment sur la notion de « théologie poétique »), de Kahn (2010b et 2011). Je remercie Jean Dhombres de sa lecture critique. 1 2 3
Halleux (1997). Voir Goldschmidt (1923) ; Letrouit (1995), p. 82–83, et la tentative de traduction anglaise par Browne (1946–1948). Ullmann (1972), p. 193–194, p. 218 et passim.
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La période médiévale 1. Poésies alchimiques en latin médiéval On ne connaît pas d’exemple de poème alchimique arabe qui ait été traduit en vers latins. Le poème d’Ibn Umail est sans doute le seul poème alchimique arabe à avoir connu une traduction latine, mais ce fut une traduction en prose : Epistola solis ad lunam crescentem4. Les premiers poèmes alchimiques en latin naissent donc ex nihilo, ou, si l’on préfère, par l’imitation formelle de modèles non alchimiques. Les premières traces que nous en ayons datent du XIVe siècle. On notera par contraste que dès le XIIIe siècle, on rencontre en ancien français une section alchimique d’un peu moins de 100 vers dans le Roman de la Rose de Jean de Meun. 1.1. Le contexte au XIVe siècle Il faut bien sûr se demander si l’apparition de poèmes alchimiques latins au XIVe siècle ne coïncide pas avec le changement de statut épistémologique qui s’observe précisément à cette époque dans un certain nombre de traités d’alchimie. Comme l’a bien montré Barbara Obrist, l’alchimie avait connu au cours du XIIIe siècle une grave crise de confiance due à l’absence de résultats probants, les alchimistes ne parvenant à produire qu’un or de qualité inférieure à l’or naturel. Plusieurs d’entre eux cherchèrent alors à asseoir l’alchimie sur des bases théoriques plus solides, tel le pseudo-Geber ou l’auteur du Testamentum pseudo-lullien. D’autres évoluèrent, dans leur conception de l’alchimie, vers une théorie de la connaissance de type platonicien : la transmutation n’étant plus considérée comme compréhensible par l’intellect, elle ne dépendait plus de la connaissance rationnelle, mais de la volonté de Dieu5. L’alchimie elle-même devenait un art en partie naturel et en partie divin, comme l’écrivit en 1330 le théoricien de cette nouvelle conception, Petrus Bonus — qui d’ailleurs s’efforça aussi d’asseoir l’alchimie sur des bases plus philosophiques6. C’est à cette époque que les traités d’alchimie se multiplièrent sous forme de songes et de visions et que se répandit une forme d’écriture allégorique qui ne résultait plus de l’héritage de l’alchimie arabe7. Faut-il voir une corrélation entre cette évolution et l’apparition de poèmes alchimiques ? L’hypothèse est risquée. D’une part, la datation des premiers poèmes alchimiques latins est tout hypothétique (certains pourraient fort bien remonter au XIIIe siècle, avant même cette évolution), et les manuscrits renferment sans doute encore des poésies qui nous sont inconnues. D’autre part, la poésie médiévale, 4 5 6 7
Turāb Alī, Stapleton et Hidāyat H.usain (1933). Obrist (1982), p. 60–63 ; Obrist (1986), p. 47–53 ; Obrist (1993), p. 52–53 ; Obrist (1996), p. 223–224 et 258–259. Crisciani (1973) ; Vasoli (1971). Obrist (1982), p. 64.
La poésie alchimique
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fût-elle alchimique, n’est pas nécessairement liée à une théorie de la connaissance de type platonicien — tout particulièrement lorsqu’il s’agit de poésie purement mnémonique. L’hypothèse reste pourtant séduisante et ne peut être exclue. Petrus Bonus fut aussi le premier à annexer à l’alchimie trois poètes de l’Antiquité classique : Virgile, Ovide, Homère. Dans un long chapitre sur le ferment alchimique, il assimile en effet à l’action de ce ferment la glaise et la cire évoquées dans la huitième Bucolique de Virgile, mais aussi la fable de Protée tirée des Géorgiques, le rameau d’or de l’Énéide, les fables de Phaéton, d’Éson et Médée, de Jason et de la toison d’or, de Pyrame et Thisbé dans les Métamorphoses, et celle du Labyrinthe tirée des Héroïdes8. En effet, précise-t-il, Virgile et Ovide « insérèrent mystiquement cet art avec des ornements de langage dans leurs histoires et dans leurs fables comme matière principale et cachée, pour que leur propos secret ne se révélât qu’à ceux-là seuls qui le comprennent »9. Virgile avait déjà figuré chez Vincent de Beauvais, un siècle plus tôt, dans une liste d’alchimistes empruntée au De anima in arte alchemiae du pseudo-Avicenne, mais ce n’était alors qu’un nom parmi d’autres, apparemment dû au hasard10. La démarche de Petrus Bonus, précise et textuelle, est bien plus significative. Petrus Bonus annexe ainsi Virgile et Ovide (auxquels il ajoutera plus loin Homère) au nombre des alchimistes, « car les poèmes », dit-il (songeant visiblement à ceux qui transmettent les fables des Anciens), « bien qu’ils soient fictifs, possèdent cependant toujours une certaine vérité cachée et propre qui est fondamentale dans l’esprit du poète […]. Autrement on ne les considérerait ni comme des poèmes, ni comme des fictions, mais plutôt comme des sottises »11. Or une telle conception de la poésie ne va pas de soi en 1330 : elle est étroitement liée à la tension entre vérité et mensonge poétique qui s’est développée au cours des siècles autour de la notion de « théologie poétique ». L’idée de la « théologie poétique » est que les premiers théologiens ont été les premiers poètes (Hésiode, Homère, Orphée…), qui ont exprimé leurs idées sur la divinité sous forme de fables concernant les dieux et les héros. Cette idée remonte à 8 Voir Matton (1992), traduisant Petrus Bonus, Pretiosa margarita novella, in Manget (1702),
t. II, p. 42a–43b. Les références sont Buc. VIII, 80–81 ; Georg. IV, 387–452 ; En. VI, 136 sqq. ; Metam. II, 1–366, VII, 159–349 et 121–130, IV, 55–166 ; Her. IX. Sur le détail des mythes tirés d’Ovide, voir aussi Kühlmann (2002), spéc. p. 166–169. 9 Petrus Bonus, Pretiosa margarita novella, in Manget (1702), t. II, p. 43a : « […] isti sapientes Poëtae, scilicet Virgilius & Ovidius, […] in hiis historiis & fabulis hanc artem interseruerunt mystice cum ornatu loquendi, pro principali materia & occulta, ut solis intelligentibus eorum occultum propositum patefiat […]. » 10 Voir Moureau (2010), p. 118, qui juge fort improbable qu’il s’agisse réellement de Virgile (Virgilius) et songe plutôt à un nom mal compris. Quoi qu’il en soit, sa mention chez Vincent de Beauvais a pu inciter Petrus Bonus à lire Virgile de près. 11 Ibid. : « Poëmata quippe, quamvis ficta sint, tamen semper veritatem occultam quandam propriam existentem in mente poëtae fundamentum habent ita, ut ex poëmatibus veritas occulta a sapientibus solis possit discerni. Aliter enim non poëmata nec figmenta, sed fatuitates potius judicarentur […]. »
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la Métaphysique d’Aristote12. Mais elle a chez Aristote un sens constamment négatif : pour lui, la poésie cosmogonique n’est qu’une « science archaïque de la nature » (Curtius), aux antipodes de la philosophie. De plus, la poésie, pour Aristote, est par essence mimésis : elle vise à reproduire la vie, et n’a donc pour objet que les actions humaines13. À cela s’ajoute la tradition qui, chez tant de philosophes grecs, assimile les fables des poètes à des mensonges, car elles poussent à mépriser les dieux plus qu’à les vénérer. La notion de poésie et l’idée même de « théologie poétique » parviennent donc jusqu’au Moyen Age non sans une connotation négative. Celle-ci est pourtant contrebalancée par la tradition de l’interprétation allégorique des fables, qui les fait apparaître dotées d’un sens caché. L’idée qui se transmet alors par le biais du néoplatonisme, parallèlement à la tradition de la poésie comme mensonge, est que la plus ancienne, la plus vénérable expression de la théologie a été la mythologie telle qu’on la rencontre chez les plus anciens des poètes. Avec le christianisme, cette tension autour de la poésie et des fables des poètes se ravive : pour les apologistes chrétiens, la théologie fabuleuse a jeté les païens dans des aberrations qui les ont éloignés du vrai Dieu. Mais ces apologistes, tel saint Augustin, soulignent parfois aussi les germes de vérité que poètes et philosophes ont pu découvrir14 : la notion de « théologie poétique » rejoint alors l’idée de la prisca theologia (les prisci theologi étaient, selon une tradition qui remonte à des auteurs de l’Antiquité tardive comme Diogène Laërce, Jamblique ou Proclus — avec des racines jusque chez Plutarque —, une chaîne de philosophes divinement inspirés, tels Orphée, Pythagore, Platon ou Démocrite, qui, selon certains Pères de l’Église comme saint Augustin, Lactance ou Tertullien, eurent connaissance d’une manière ou d’une autre — notamment en allant s’instruire en Égypte — de la théologie de Moïse)15. Quant à la représentation classique du poète comme menteur, qui n’a jamais cessé de se transmettre, elle est puissamment secondée par le commentaire de Thomas d’Aquin à la Métaphysique d’Aristote, où Thomas souligne avec insistance, fort de l’apport du christianisme, les griefs d’Aristote contre la poésie fabuleuse16. À partir du XIVe siècle, la notion de « théologie poétique » commence pourtant à apparaître dans le cadre d’une réhabilitation de la poésie par le biais de la théologie : si les anciens poètes ont caché dans leurs vers un sens profond déjà en plein accord avec le christianisme, comme le veut une certaine tradition, alors la poésie est d’essence divine, et les fables des poètes recèlent des vérités cachées qu’il importe de saisir. Cette idée commence à se répandre par le biais d’auteurs comme Albertino Mussato (1261–1329), Pétrarque (1304–1374), Boccace (1313–1375), Métaph. 983b, 984b, 1000a, 1071b. Voir par exemple Goldschmidt (1950), p. 20–21. Curtius (1986), XII, 2. Demats (1973), p. 5–8 et 53. Pour le XIIe siècle, voir aussi Garin (1989), 1, II (« Poésie et philosophie du Moyen Age latin »), p. 41–55. 15 Schmitt (1966), ici p. 509. Cet article reste la meilleure introduction à la notion de prisca theologia. 16 Curtius (1986), XII, 2 ; éd. 1986, t. I, p. 347–349. 12 13 14
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puis Coluccio Salutati (1331–1406)17. Au temps de Petrus Bonus, le seul auteur qui se soit exprimé en ce sens est Mussato, qui insiste sur l’importance du sens caché dans les métaphores et allégories des poètes18. Aussi est-on en droit de se demander si Petrus Bonus ne reflète pas son influence. Toujours est-il que jusqu’à la Renaissance, sa lecture alchimique des fables antiques à travers Virgile, Ovide ou Homère reste très isolée : ce n’est qu’à la fin du XVe siècle qu’elle prendra son essor. 1.2. La poésie alchimique latine Le gros des poèmes alchimiques latins représente un ensemble de près de 2000 vers, tous anonymes, ou attribués à des auteurs fictifs19. Ils furent pour la plupart édités en 1625 par un alchimiste qui fut lui-même poète par ailleurs, Johannes Rhenanus (ce Rhenanus avait traduit en 1613 une comédie morale anglaise en pentamètres iambiques allemands)20. Mais à en juger par cette édition, tous ces vers se répètent souvent les uns les autres, si bien que cet ensemble est sans doute moins vaste qu’il n’y paraît21. Il s’agit le plus souvent de vers léonins, regroupés sous des titres vagues comme Laudabile sanctum, Gemma salutaris ou Liber luminum22. Leur genre est majoritairement le genre énigmatique. En voici un exemple, pris parmi les plus répandus de ces vers. Ce poème est dépourvu de titre, et les manuscrits l’attribuent à différents auteurs mythiques, notamment « Rasis Cestrensis » et Merlin23. Sa grande faveur auprès des alchimistes du Moyen Age et de l’époque moderne (il fut imprimé dès 1550) paraît venir de ce que, sous une forme attrayante et aisément mémorisable, il donne à « la pierre » (lapis) — soit la pierre philosophale, soit, au contraire, sa matière première — les noms et attributs les plus divers : aussi peut-il être invoqué commodément chaque fois qu’il faut traiter de l’obscurité des textes,
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Curtius (1986), XII, 2 ; Garin (1989), 1, III, 2 (« La mythologie antique »), p. 61–73 ; Mussato, éd. J.-F. Chevalier (2000) ; Chevrolet (2007). Mussato, éd. J.-F. Chevalier (2000), p. cxii. Voir Singer (1928–1931), p. 509–577 (« Alchemical verse and commentaries thereon »), qui n’indique qu’une partie — sans doute la plus considérable — de ce qui existe. Losch (1895). Voir Condeesyanus [ J. Rhenanus] (1625), p. 62–124, où l’on distingue trois groupes majeurs : 1° Rasis Cestrensis [sic], Liber luminum (inc. « Si cupis alchymicos athleta subire labores… »), p. 62–92 ; 2° Rasis Cestrensis, Lumen luminum (inc. « Cum per naturam mundi noscas genituram… »), p. 93–106 (cet ensemble comporte entre autres les vers regroupés sous le titre de Gemma salutaris) ; 3° Merlin (« Philosopho Anglo famosissimo »), Laudabile sanctum (inc. « Est lapis occultus secrete valle sepultus… »), p. 107–124. La seule pièce liminaire de ce recueil, une épître dédicatoire, ne dit rien du contenu de l’ouvrage. Quelques-uns ont été examinés du point de vue de la métrique par Birkhan (1992), t. I, p. 156–162 ; voir aussi t. II, p. 317–319. Kahn (1995b), p. 239–242.
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qu’on cherche à divulguer le nom de la matière ou qu’on cherche au contraire à l’occulter, comme c’est si souvent le cas dans les textes alchimiques24 : Est lapis occultus, & in imo fonte sepultus, Vilis et ejectus, fimo vel stercore tectus : Unus habet vivus lapis omnia nomina divus, Unde Deo plenus sapiens dixit Morienus Non lapis hic lapis est animal quod gignere fas est, Et lapis hic avis [est], & non lapis aut avis hic est : Hic lapis est moles, stirps, & Saturnia proles, Juppiter hic lapis est, Mars, Sol, Venus, et lapis hic est. Alliger et Luna lucidior omnibus una, [Est] nunc argentum, nunc aurum, nunc elementum, Nunc aqua, nunc vinum, nunc sanguis, nunc crisolinum : Nunc lac virginum, nunc spuma maris, vel acetum, Nunc in sentina fœtenti stillat urina, Nunc quoque gemma salis, Almisadir, sal generalis, Auripigmentum primum statuunt elementum, Nunc mare purgatum cum sulphure purificatum : Siccine transponunt quod stultis pandere nolunt, Sicque figuratur sapiens ne decipiatur, Et quod tractatur stultis ne distribuatur. Omnibus hæc luna vocatur nominibus una. Il est une pierre cachée, enfouie au plus profond d’une fontaine, / Vile et rejetée, couverte de fumier ou d’ordure. / Cette pierre vive et divine, quoique unique, porte tous les noms, / D’où Morien25 dit, rempli par Dieu de sagesse : / Cette pierre non pierre est un être vivant que l’on peut produire, / Cette pierre est oiseau, et ni pierre ni oiseau ; / Cette pierre est la matière, la racine et le fruit de Saturne, / Cette pierre est Jupiter, cette pierre est aussi Mars, le Soleil et Vénus. / Elle est ailée [Mercure] et est la Lune, seule plus brillante que tous, / Tantôt argent, tantôt or, tantôt élément, / Tantôt eau, tantôt vin, tantôt sang, tantôt crisolinum, / Tantôt lait de vierge, tantôt écume de la mer ou vinaigre, / Tantôt elle suinte d’urine dans un bas-fond puant, / Tantôt elle est sel gemme, almisadir26 ou Je donne, avant ma traduction, le texte qui fut publié en 1550 dans le Rosarium philosophorum, un florilège alchimique anonyme du XIVe ou XVe siècle ; les crochets signalent des changements imposés par la versification, conformément aux corrections portées par L. Claren et J. Huber dans Telle (1992), t. II, p. 149–150. Une version très augmentée de ce poème se trouve dans le Theatrum Chemicum, éd. 1659, t. III, p. 740–743. 25 Morien est le principal interlocuteur du Morienus (Liber de compositione alchemiæ), sans doute le plus ancien traité d’alchimie à avoir été traduit de l’arabe, en 1144. Voir Stavenhagen (1970) et (1974), Al-Hassan (2004) et Bachi-Martelli (2009). 26 Le mot almisadir désignait le sal ammoniacus dans l’alchimie arabo-latine, comme l’attestent les synonymies médiévales et le Lexikon Alchemiæ de Martin Ruland (1612). Voir Gerhard Brey, « Salmiak », dans Priesner-Figala (1998), p. 317–318. 24
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sel commun. / On la désigne comme orpiment, le premier élément, / Ou comme la mer nettoyée par du soufre purifié. / Voilà comme la travestissent ceux qui ne veulent pas la dévoiler aux sots, / Et comme on la représente pour que le sage ne soit pas abusé / Et que ce dont on traite ne soit pas distribué aux sots. / Cette lune qui n’est qu’une, on lui donne tous les noms.
Ce texte est un échantillon très représentatif de la poésie alchimique médiévale en latin. On y trouve à la fois des préoccupations d’ordre mnémotechnique et un certain degré d’élaboration littéraire, renforcé par la nature énigmatique du contenu. À côté de ces poèmes souvent groupés ensemble, on trouve quelques poésies alchimiques isolées, plus élaborées, tel le Lumen secretorum de Johannes Ticinensis ( Johannes von Teschen, XIVe siècle), une œuvre de près de 500 vers qui recourt à diverses formes du langage figuré27, ou la mise en vers, sans doute au XVe siècle, d’un célèbre texte allégorique alchimique médiéval, la Visio Arislei (laquelle n’est autre qu’un des discours qui forment la Turba philosophorum, traité traduit de l’arabe vers le XIIIe siècle)28. À cela s’ajoutent quelques poèmes inspirés par la poésie liturgique. Il faut citer ici l’Antiphona de Johannes Ticinensis, conservée dans sa partition musicale en tête d’un recueil alchimique manuscrit exécuté autour de 1400. La musique est « un chant grégorien à une voix en mode phrygien, dont on n’a pas retrouvé de modèle liturgique »29. Le texte, très imagé, chante la pierre des philosophes rayonnant d’un triple éclat sous forme de fleur blanche, jaune et rouge, qui d’abord humecte la terre et lui fait porter des fruits par centaines, puis, devenue racine, s’élève sur les ailes de la lune, rayonne du triple éclat du Père, du Fils et du Saint Esprit, coule ensuite à flots sur la vallée comme de la pluie et se corporifie pour conférer à toutes les régions du monde une joie sans mesure30. Un siècle plus tard apparaît la messe alchimique attribuée à Melchior Cibinensis (milieu du XVe siècle), dont l’Alleluia et la Séquence, quelque peu remaniés dans la version qui nous est parvenue, étaient originellement écrits en vers, des vers qu’il n’est pas difficile de reconstituer approximativement31. C’est un exemple de poésie alchimique très inspirée par la poésie liturgique, transmettant sous forme allégorique une (ou plusieurs ?) pratique(s) sur le thème classique de l’union du soleil, de la lune et du mercure et sur celui, nettement plus rare, du blanchiment de l’Éthiopien, associé au motif du baptême par le biais d’une allusion limpide aux Actes des Apôtres. Comme dans l’Antiphona de Johannes Ticinensis, alchimie et liturgie forment ici Johannes Ticinensis (1670). Voir Telle (1983) et plus loin, p. 103. Limbeck (1999) ; Kahn (2010a), p. 90–92 et passim. Meinel (1986a), p. 210. Le manuscrit, conservé à New Haven (Conn.), Yale Univ., Beinecke Libr., Mellon MS 5, fol. 2r°–3v°, est reproduit sur le site d’Adam McLean : http://www. alchemywebsite.com/alchemical_music.html (consulté le 12 avril 2013). 30 Je résume la paraphrase de Meinel (1986), p. 211. 31 Meinel (1986), p. 211–212, a effectué le rapprochement entre les deux textes, mais sans reconnaître dans la messe alchimique sa forme versifiée originelle. J’achève actuellement l’édition critique et commentée de cette messe.
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un couple harmonieux, mais on ne connaît pas d’autre exemple d’un tel alliage dans la poésie alchimique médiévale et moderne. Retenons de tout cela que la poésie alchimique latine reste au Moyen Age nettement minoritaire, tant quantitativement que qualitativement, par rapport à l’ensemble de la littérature alchimique en latin, ce qui contraste vivement avec l’omniprésence de la poésie didactique dans la littérature latine du Moyen Age32. La poésie alchimique latine médiévale semble privilégier l’expression figurée, le style énigmatique, peut-être en relation directe avec la nouvelle conception, apparue au XIVe siècle, d’une alchimie en partie naturelle et en partie divine. Passons maintenant au cas des langues vernaculaires. 2. Poésies alchimiques médiévales en langue vulgaire 2.1. Extraits de textes de nature encyclopédique Dans le domaine alchimique, c’est au XIVe siècle que se développent les textes en langue vernaculaire, et avec eux apparaissent également les premières poésies alchimiques autonomes en langue vulgaire. Toutefois, les plus anciens vers alchimiques rédigés dans une langue vulgaire sont, dès le XIIIe siècle, ceux qui forment la section alchimique du Roman de la Rose de Jean de Meun (c. 1270–1280)33. Cet exposé, qui compte un peu moins d’une centaine de vers, relève directement de la poésie didactique. En théorie, son insertion dans un cadre encyclopédique devrait en faire un cas à part, puisqu’il s’agit d’une toute petite partie appartenant à un ensemble beaucoup plus vaste. Mais on retrouve le même cas par la suite en Allemagne et en Angleterre : au milieu du XIVe siècle (c. 1355), on trouve en effet une section alchimique d’environ 50 vers dans Der meide kranz de Heinrich von Mügeln, poème allégorique à la louange de l’empereur Charles IV, influencé — comme le Roman de la Rose de Jean de Meun — par l’Anticlaudianus d’Alain de Lille34. En voici la trame : les douze arts libéraux, puis les douze vertus défilent devant l’empereur pour que celui-ci juge qui sera digne de porter la couronne de la Vierge Marie. S’il y a ici douze arts libéraux, et non pas sept comme on le trouve normalement, c’est qu’au trivium et au quadrivium Heinrich von Mügeln a ajouté la philosophie, la physique, l’alchimie, la métaphysique et la théologie. C’est cette dernière qui sera jugée digne de porter la couronne, car contrairement aux autres arts, inféodés à la Nature, seule la théologie peut s’élever jusqu’à Dieu. Voir à ce propos Schuler (1983), p. 21–29, et bien sûr Haye (1997). Rose, éd. Strubel (1992), vers 16069–16152. Voir aussi Rose, éd. Langlois, t. IV (1922) ; Rose, éd. Lecoy, t. II (1979) ; et le commentaire de Newman (2004), p. 77–82 et passim. 34 Sur ce passage (dont on trouvera plus loin le texte en Annexe), voir Obrist (1982), p. 42–43 ; Buntz (1974) ; Volfing (1997), p. 151–162 (avec le texte et une traduction anglaise). 32 33
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Trente ans plus tard (c. 1386–1390), mais cette fois en anglais, c’est dans la Confessio amantis de John Gower que se trouve un passage alchimique d’environ 160 vers. Dans ce vaste poème narratif, l’Amant, réduit au désespoir, est sur le point de mourir d’amour, et Vénus lui envoie son chapelain, Genius, pour le confesser de ses sept péchés capitaux contre l’amour. Le quatrième péché est la paresse ; Genius, qui décrit chacun des sept péchés dans ses diverses formes, entreprend ici l’éloge du travail, dont il présente les nombreux accomplissements ; parmi ceux-ci se trouvent les accomplissements de l’alchimie35. Ces trois passages qui, faisant partie intégrante d’œuvres bien plus vastes, n’auraient guère de titre a priori à retenir plus longtemps notre attention, ont tous un point commun : dès le début du XVe siècle ils ont été isolés de leur contexte, qui n’a rien d’alchimique, et ont été reproduits à part dans des manuscrits d’alchimie, puis dans des imprimés. La section alchimique du Roman de la Rose a connu un grand succès, qui a donné l’essor à toute une production pseudépigraphique en vers comme en prose autour du nom de Jean de Meun (parfois confondu avec le savant Jean de Murs)36. Heinrich von Mügeln est lui aussi devenu une autorité alchimique jusqu’à la fin du XVIe siècle, quoique avec moins d’ampleur que Jean de Meun37. Même John Gower a vu, plus tardivement, ses vers sur l’alchimie insérés dans un recueil de poèmes alchimiques anglais, le Theatrum Chemicum Britannicum d’Elias Ashmole (1652)38. Or il y a eu des sections alchimiques dans bien d’autres textes de nature encyclopédique, à commencer par ceux de Vincent de Beauvais ; mais ni Vincent de Beauvais, ni Barthélemy l’Anglais, ni aucun autre auteur d’encyclopédie médiévale n’ont jamais passé pour des autorités alchimiques, et leur section sur l’alchimie n’a jamais été recopiée isolément. C’est donc bien la forme versifiée qui s’est montrée ici déterminante. Il faut y ajouter l’immense popularité du Roman de la Rose, et donc sa grande autorité, qui a sans doute exercé une certaine influence sur la présence même de l’alchimie chez Heinrich von Mügeln et chez John Gower. Un autre cas qui s’apparente à ce processus sélectif est celui de la section alchimique du Secretum secretorum du pseudo-Aristote (Xe siècle, traduit de l’arabe au XIIe siècle). Ce traité fictivement adressé à Alexandre le Grand, qui relève des « arts de gouverner », comporte en effet — outre des chapitres sur la morale, l’hygiène, la politique et la justice — différentes sections sur l’astrologie, l’alchimie, la physiognomonie et les propriétés cachées des plantes. Sa diffusion extrêmement Gower, éd. Macaulay (1901), livre IV, v. 2363–2700, ici v. 2462–2625. Sur cette section, voir Fox (1931), p. 114–135 ; Nicholson (1989), p. 294–299. 36 Badel (1996), p. 175–180. La pièce majeure de cette production, la Fleur d’alkimie ou Practica magistri Johannis de Muris, en 252 vers, est actuellement étudiée par Antoine Calvet pour un article à paraître dans Chrysopœia. 37 Buntz (1974). 38 Ashmole (1652), p. 368–373 (et p. 484–486 pour les notes d’Ashmole sur Gower). Voir Schuler (1979), p. 40, n° 237. 35
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vaste en Orient et en Occident s’est traduite non seulement par des traductions en prose, mais aussi par des adaptations en vers39. Or la section alchimique elle-même a fait l’objet, au XVe siècle, d’une traduction allemande en vers qui a circulé de façon isolée40. En anglais, en revanche, c’est l’ensemble du texte qui fut, à la même époque, adapté en vers par John Lydgate et Benedict Burgh ; la section alchimique, soit 26 strophes sur 390, n’en fut extraite et publiée isolément qu’en 1652, dans le Theatrum Chemicum Britannicum d’Elias Ashmole41. En français, par contre, il semble que la section alchimique n’ait été traduite qu’en prose42. Après ce cas un peu particulier, celui des sections alchimiques tirées d’œuvres encyclopédiques, voyons quelle place occupe la poésie alchimique et comment elle se présente au Moyen Age dans chacune des langues vernaculaires où ce genre est représenté. 2.2. Vue panoramique Quelle que soit la langue utilisée, on retrouve dans les poésies alchimiques en langue vulgaire trois grandes catégories : la poésie gnomique, la poésie de type énigmatique et les poèmes didactiques, avec beaucoup de modulations possibles, et parfois des spécificités nationales que je signalerai. C’est en Angleterre que la poésie alchimique s’est le mieux développée. En italien, ce qu’on connaît se réduit à peu de chose, à tel point que la poésie alchimique catalane apparaît, proportionnellement, plus importante. Par contre, en français et en allemand, la poésie alchimique médiévale est aussi assez bien représentée. On ne connaît presque pas de texte alchimique en italien au Moyen Age, que ce soit en vers ou en prose43. Plus généralement, la poésie scientifique italienne n’est guère présente au Moyen Age, faute de modèles en langue vulgaire (ce genre étant resté étranger à Dante comme à Pétrarque) : il faut attendre la Renaissance pour qu’une poésie scientifique se développe vraiment en Italie, par imitation de la poésie didactique latine44. Et pourtant, le premier texte alchimique en langue italienne actuellement connu n’est pas en prose, mais précisément en vers : il s’agit d’une canzone du XIVe siècle, de 224 vers, due à un certain Daniel de Capo d’Istria ( Justinopolis), qui consiste en un exposé didactique assez plat, très représentatif des lieux communs de l’alchimie du XIVe siècle45. On connaît aussi depuis la fin du XVe siècle deux sonnets en italien fréquemment reproduits dans les manuscrits, attribués aux auteurs les plus 39 40 41 42 43 44 45
Grignaschi (1976) ; Grignaschi (1980) ; Ryan-Schmitt (1982). Voir plus loin, Nr. 5. Schuler (1979), p. 5–6, n° 17 ; Ashmole (1652), p. 397–403. Gilly (1999). Pereira (1999), p. 340. Voir Gambino Longo (2004) ; Siekiera (à paraître). Canzone di Rigino Danielli Justinopolitano, in Nazari (1572), p. 159–167. Voir Zenatti (1890) ; Zenatti (1891) ; Pausek-Bazdar (2005) (non vidi).
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divers : Dante, Arnaud de Villeneuve, frère Élie de Cortone, Hermès ou Cecco d’Ascoli46. Peu soignés, peu réguliers, ils se situent à mi-chemin de la recette et du style allégorique. D’autres poésies italiennes, dont un sonnet plus soigné que ceux-ci, datent peut-être de la même époque, mais il manque une étude d’ensemble à ce propos. Celui-ci est un sonetto caudato conservé dans un manuscrit du début du XVIe siècle47 : El servo fugitivo o ver di giove Aconcio in vetro alquanto religato quella acqua che dal nubil calor piove E chade in terra et fia precipitato E grida e soffia et fa tutte suo pruove d’uscir di carcer come egli è usato ma quando e vedo che non è scappato rimbomba la prigion col suo mugliore Poi si quieta per el meglio fare perché Vulcam lo vuole presto amazare Et patiente e s’arecha a morire Et lascia al suo morir corpo infiamar Allor Vulchan lo serra co’ suo fiamma da lui cacciando ogni humiditade Perché l’alma quid est in ciel volare Allora si puode in luna trasmutare Ma ti bisogna ancor saperla fare Che se non rendj alluj l’humiditate oncia per libra non potraj cavare Ma se sa fare E ci è ben buono riparla può cibare. En catalan s’est développée au Moyen Age une littérature alchimique certes assez peu fournie, mais qui comporte des œuvres majeures de l’alchimie médiévale. La plupart sont des traductions (c’est en tout cas le plus probable), mais il existe au moins une composition originale : c’est, au XIVe siècle, la Cantilena qui accompagne le Testamentum faussement attribué à Raymond Lulle, un traité apparu dans la première moitié du XIVe siècle48. Ce poème didactique comporte douze quatrains d’octosyllabes dans sa version catalane originelle ; il sera par la suite augmenté jusqu’à vingt quatrains. Il dépend étroitement du Testamentum dont il présente les Singer (1928–1931), p. 538 (édition d’un des sonnets d’après un ms. de Londres) ; Perifano (1988). Pour leur tradition manuscrite, voir aussi Pereira (1999), p. 340, n. 17. 47 Éd. in Gabriele (1980), p. 70, la seule étude pionnière dans ce domaine. Il s’agit d’un ms. de Florence, Bibl. Nazionale, Magl. II, III, 308 (déb. du XVIe s.), fol. 4v°. 48 Pereira (1999), p. 341–345. Sur la Cantilena, voir Pereira-Spaggiari (1999), p. cxxiii-cxxvii et 519–525. 46
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principaux traits théoriques, et la part qu’il a nécessairement prise à la fortune de ce traité interdit de le considérer comme négligeable. Rapidement traduit en latin, il y atteindra la taille de trente quatrains et sera, sous cette forme, largement diffusé, puisqu’il accompagne le Testamentum dans tous les manuscrits49 : Amor nos fa açò rimar : ab corrupció poràs saber, car sens ella no’s pot lunyar generació de son esser.
Amor nos facit hoc rimari : cum corruptione poteris scire, quia sine illa non potest elongari generacio a suo esse.
Essencia fa quinta obrar, si vols unitat d’açò fer, e no’t vull pas mays declarar ; cové’t plurall amor haver.
Essenciam fac quintam operari, si velis unitatem ex hoc facere, et nolo tibi magis declarare ; convenit pluralem amorem habere.
D’açò’t daray esta semblança : conexeràs per l’ens extens del simple per concordança d’altre que hom clama intens. […]
De hoc tibi dabo istam similitudinem : cognosces pro ens extensum de simplici per concordanciam aliud quod homo clamat intensum. […]
Inversement à la poésie alchimique italienne et catalane, le cas de l’Angleterre montre une richesse débordante. Des comparaisons ont pu être effectuées sur l’ensemble de la poésie scientifique en moyen anglais50. C’est l’alchimie qui y est le domaine le plus représenté quantitativement, aussi bien avant qu’après 1500. Il existe plus de cinquante poésies alchimiques en moyen anglais51. Notons que parmi ces poèmes se trouve un extrait du Conte du valet du chanoine de Chaucer. Ce conte des Canterbury Tales est une violente satire de l’alchimie, mais Chaucer y a fait preuve d’une si grande compétence que, par un procédé de récupération dont on connaît de nombreux autres exemples, les adeptes ont recopié le long discours de l’alchimiste qui se trouve dans ce texte et ont accrédité l’idée que Chaucer était luimême alchimiste52. Il ressort aussi des comparaisons effectuées sur l’ensemble de la poésie alchimique anglaise que tous les styles s’y trouvent, depuis les vers de mirliton jusqu’aux réalisations sciemment littéraires, parfois imitant des modèles classiques, Je donne ici les vers 1 à 12, d’après Pereira-Spaggiari (1999), p. 522. De telles comparaisons n’existent pas, à ma connaissance, pour l’Allemagne, l’Italie, la France, les domaines catalan et occitan. 51 Schuler (1979), p. xiv : « By far the most popular subject, both before and after 1500, is alchemy (127 entries) ; medicine in all its forms (about 100 separate entries) ranks second. Poems on these two subjects exploit a variety of modes, from propounding the most abstract of theories to prescribing the most technical of procedures, and they may be considered typical of the English didactic genre in the period before 1700. » Voir aussi Schuler (1995), p. xxvii : « of the surviving scientific poems in Middle English, more were written on alchemy than on all other scientific subjects combined. » Voir aussi un poème étudié par Grund (2006), et le corpus étudié par Timmermann (2006). 52 Le texte a bien sûr été repris par Ashmole (1652), p. 227–256. Voir l’excellent article de Schuler (1984). 49 50
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en passant par des versifications destinées à la mémorisation et de véritables traités en vers de grande ampleur. Une pareille variété se retrouve en Allemagne, mais de façon différente. Les poésies alchimiques en allemand, assez brèves, relèvent surtout, au Moyen Age, de la poésie gnomique : elles visent à rendre mémorisable un contenu doctrinal53 ; quelques-unes relèvent du genre allégorique, mais on ne connaît au Moyen Age qu’un seul grand traité d’alchimie versifié dans une langue germanique : le fameux traité en moyen hollandais de « Gratheus filius philosophi » (4380 vers), un texte mi-didactique, mi-allégorique et très original de la seconde moitié du XIVe siècle, peut-être traduit ou adapté du latin — mais alors la version latine ou les modèles seraient perdus, ce qui paraît douteux —, en tout cas explicitement destiné à ceux qui ne connaissent pas le latin54. C’est l’un des seuls textes alchimiques médiévaux qui intègrent des éléments proprement magiques et astrologiques, et il ne semble guère avoir été connu : il ne subsiste que dans un manuscrit (le facteur linguistique a sans doute été en cela déterminant). C’est un exemple extrêmement consistant, tant par sa taille que par sa date assez ancienne et son contenu, mais c’est en même temps un exemple extrêmement isolé. Pour en revenir à la production alchimique médiévale en allemand, il est instructif de la comparer aux cas de l’anglais et du français. Même si la section alchimique du Secretum secretorum fut, on l’a vu, traduite isolément en vers allemands, on ne connaît à proprement parler aucun grand poème alchimique allemand au Moyen Age — je veux dire un poème d’une certaine ampleur et d’une grande influence, celui de Gratheus formant un cas à part —, tandis qu’en anglais autant qu’en français, on peut citer des œuvres majeures. En anglais, ce sont, dans la seconde moitié du XVe siècle, l’Ordinall of alchemy de Thomas Norton (plus de 3000 vers en rimes plates) et le Compound of alchymy ou Twelve gates de George Ripley (plus de 2000 vers en rhyme royal stanzas), deux traités reconnus très tôt comme des classiques de l’alchimie médiévale, en dépit de leur langue (anglais et non latin)55. Par leur ampleur, ces poèmes embrassent en effet tous les aspects du grand œuvre : la théorie et la pratique, des instructions sur les fours et les vaisseaux ou sur les matières à éviter, et des exposés en style allégorique censés contenir les secrets les plus importants. De plus, le Compound of alchymy s’ordonne autour d’une vaste métaphore filée, celle du château des philosophes, auquel donnent accès douze portes qui ne sont autres que les douze chapitres du poème, et les douze étapes que Ripley assigne au grand œuvre56. Ajoutons que sous le nom de Ripley se développa aussi un important corpus de poèmes alchimiques57. Voir plus loin, Nr. 19 et Nr. 6 ; Telle (1994a) ; Telle (1995), col. 1153–1156. Birkhan (1992) ; Obrist (2005), p. 262–264. Norton, éd. Reidy (1975) ; Ripley (1652). Voir Rampling (2012a). Calcination, dissolution, séparation, conjonction, putréfaction, congélation, cibation, sublimation, fermentation, exaltation, multiplication, projection. Voir Rampling (2008). 57 Rampling (2010). 53 54 55 56
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On rencontre en français des textes comparables, quoique de moindre ampleur : ce sont le Sommaire philosophique, un poème anonyme de 656 octosyllabes composé vers la fin du XVe siècle, qui tirera tout son prestige, au XVIe siècle, de son attribution à Nicolas Flamel58, et La Fontaine des amoureux de science d’un certain Jean de La Fontaine, composé en 141359. On peut y ajouter la Complainte de Nature de Jean Perréal, qui date de 1516, car ces trois poèmes accusent très clairement l’influence du Roman de la Rose60. Si la fortune du Sommaire philosophique ne commence pas avant sa première édition (1561), La Fontaine des amoureux de science connut par contre dès le XVe siècle un vif succès auprès des alchimistes. Avec ces textes, on reste dans la tradition du poème didactique, avec des développements théoriques et pratiques et, là encore, plusieurs passages allégoriques. Il existe également en moyen français divers petits poèmes plus brefs : ballades, chants royaux, conservés dans les manuscrits par exemple à la suite de La Fontaine des amoureux de science, fréquemment attribués à Jean de Meun, qui furent imprimés à plusieurs reprises61. On connaît même, au XVe siècle, une traduction française en 44 vers du plus célèbre et du plus bref des traités d’alchimie du Moyen Age, la Table d’émeraude62. Il faut enfin prendre en compte des extraits substantiels de l’œuvre autobiographique de Pierre Chastellain (milieu du XVe siècle), poète de cour très marqué par l’esthétique des Grands Rhétoriqueurs. Chastellain s’est en effet intéressé à l’alchimie, et cette partie de sa vie, décrite en détail dans ses poèmes, offre à la littérature alchimique des vers en rimes richement équivoquées, souvent passablement obscurs63. De tels poèmes n’ont pas leur équivalent en allemand ; mais au XVe siècle, on voit apparaître dans cette langue un genre qui ne se retrouve ni en français, ni en anglais : celui du Bildgedicht (poème illustré). L’exemple le plus connu est le Sol und Luna (c. 1400), poème allégorique de 78 vers qui condense et transpose en images les doctrines centrales d’un florilège alchimique médiéval, le Rosarium philosophorum, dont il fait partie intégrante tout en possédant aussi une tradition textuelle autonome64. Le Sol und Luna repose en partie sur des citations de la version latine d’un poème alchimique arabe du IXe siècle déjà évoqué ci-dessus, l’Epistola solis ad lunam crescentem. Il en existe des versions françaises et anglaises, mais seulement à partir du XVIIe siècle. Quoique le Sol und Luna ne soit pas un poème très vaste, 58 59 60 61 62 63 64
Halleux (1983) ; ps.-Nicolas Flamel (1993), p. 75–98. Une réédition et une étude philologiques de ce poème par les soins de Claude Thiry paraîtront prochainement dans Chrysopœia. Kahn (1996). Vernet (1981). Badel (1996), p. 176–177. Texte édité dans Kahn (1994b), p. 31–35. Sur la Table d’ émeraude, voir désormais Mandosio (2004) et Caiazzo (2004). Pierre Chastellain, Le Temps perdu (1440 ou 1448), vers 421–462 et Le Temps recouvré (1454), passim, éd. Deschaux (1982). Voir Badel (1996), p. 180 ; Kahn (2003), p. 293–296. Telle (1980), p. 31–33, à compléter par Telle (1994a) ; Telle (1987a), Telle (1987b), Telle (1989). La datation relativement précoce proposée par J. Telle a été critiquée par Pereira (1999), p. 346–347, n. 59, mais ses arguments ne sont pas décisifs.
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il a cependant, par sa popularité, joué un rôle comparable en Allemagne — toutes proportions gardées — aux poèmes de Norton et de Ripley en Angleterre : lui aussi a été le porte-drapeau d’une poésie capable de transmettre sous forme versifiée des enseignements alchimiques considérés comme d’une réelle valeur. Il est vrai que la forte tradition allemande de poésie alchimique à caractère gnomique en apportait déjà la démonstration. La Renaissance et le XVIIe siècle Lorsqu’on en vient à la Renaissance, on est vite confronté à deux phénomènes majeurs : l’irruption massive de la mythologie classique et l’évolution du statut de la poésie, notamment grâce à la notion de « théologie poétique ». La valorisation croissante de Dante (fréquemment qualifié de theologus), qui va de pair avec la promotion de la langue toscane au cours du XVe siècle, puis les écrits de Ficin et de Pic de la Mirandole, transforment alors le statut de la poésie jusqu’à faire de l’expression poétique la parole même de la prisca theologia65, et du poète une sorte de prophète divinement inspiré, du moins dans tous les cercles qui accusent alors l’influence de l’Académie florentine. Cette projection de la « théologie poétique » sur le devant de la scène à la Renaissance a pour nous deux conséquences. D’une part, dans ce contexte, écrire un poème alchimique peut aisément devenir une entreprise chargée de nouvelles résonances, tout au moins quand l’auteur adhère à cette conception du poète et de la poésie. D’autre part, sous diverses influences, notamment celle du Lexicon byzantin de Suidas (Xe s.), publié dès la fin du XVe siècle, qui contenait une lecture alchimique du mythe de la toison d’or66, et dans la droite ligne d’une vaste tradition herméneutique résultant à la fois de la quête du sens anagogique dans l’exégèse biblique et de l’interprétation physique de la mythologie, d’origine surtout stoïcienne67, de nombreux alchimistes de la Renaissance commencent à interpréter alchimiquement les fables antiques, comme l’avait déjà fait Petrus Bonus : Homère, Virgile, Ovide, Orphée deviennent, pour eux, d’illustres ancêtres ; la « théologie poétique » devient l’objet de leurs exégèses68. Virtuellement, toute lecture alchimique des fables antiques est dès lors susceptible de relever du domaine de la poésie : on l’a vu dès la Pretiosa Selon les termes de Chevrolet (2007). Sur le statut de Dante, voir ibid., p. 69, n. 58 (Dante theologus) ; Chastel (1982), p. 106–128. Sur la « théologie poétique » à la Renaissance, voir aussi Wind (1992). 66 Matton (1992) ; Matton (1995b), p. 311–314. Peut-être le traité de Petrus Bonus exerça-t-il aussi une certaine influence en ce sens à partir de la fin du XVe siècle : Ludovico Lazzarelli (1447–1500) en dédia un manuscrit à son maître Giovanni Mercurio da Correggio entre 1481 et 1500. Voir Pietro Bono, éd. Crisciani (1976) , p. xxxvii, n. 77 ; Crisciani (2000), p. 145 ; Arbizzoni (2005). 67 Sur ces deux traditions, voir les ouvrages classiques de Lubac (1959) et Seznec (1980). 68 Outre Matton (1992), voir Telle (1980), spécialement pour l’aire culturelle germanique. 65
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margarita novella de Petrus Bonus, mais le cas de Michael Maier est encore plus parlant : en 1617, dans son portrait de l’alchimiste idéal, Maier précise que l’alchimiste devra maîtriser « les arts de dire et les arts du langage, dans le champ desquels l’art alchimique est renfermé ; et en tout premier lieu la poésie, qui n’a été initialement établie sur nul autre sujet que les allégories et les fictions alchimiques, comme nous l’avons montré dans nos Hiéroglyphiques à travers tous les livres et toutes les fables »69. Poésie, ici, est une fois de plus synonyme de mythologie, conformément à la notion de « théologie poétique ». Il faut avoir cette conception bien présente à l’esprit au moment d’aborder la poésie alchimique de la Renaissance, même si notre propos, ici, est d’étudier les vers, et non les textes en prose. 1. G. A. Augurelli et la poésie alchimique néo-latine Le prototype du poème alchimique de la Renaissance, c’est évidemment la Chrysopœia (« la fabrication de l’or ») de Giovanni Aurelio Augurello (Augurelli) (c. 1456–1524). Ce poème néo-latin en hexamètres paru en 1515, dont le modèle est les Géorgiques, est le premier grand poème alchimique réellement marqué au coin de l’humanisme, par sa facture et par sa langue. C’est lui qui contribua le plus à donner à l’alchimie ses « lettres de noblesse humanistes »70. Augurelli se situe en effet dans la mouvance du cercle de Marsile Ficin. Un de ses élèves a été Pietro Bembo71. Son poème allie le genre didactique à l’élégance de l’expression, fourmille de réminiscences antiques et, tout en s’appuyant sur un des traités d’alchimie les plus solides du Moyen Age, la Summa perfectionis du pseudo-Geber, il contribue à répandre dans la littérature alchimique le goût de la mythologie classique et y introduit la doctrine du spiritus mundi alchimique avancée par Ficin dans son De vita libri tres (1489), laquelle va exercer dans l’alchimie une influence considérable jusqu’au XVIIIe siècle72. On notera qu’Augurelli lui-même, avant de publier sa Chrysopœia, avait, dès 1505, inséré dans un premier recueil de poèmes dépourvu de titre un Sermo (le XIe Maier (1617), p. 15 : « […] ille opus habebit artibus dicendi & linguis, quarum ambitu ars Chymica comprehenditur : ac inprimis Poetica, quae de nullo alio subjecto, quam de Chymicis allegoriis & figmentis primitus introducta est, quemadmodum in nostris Hieroglyphicis per omnes libros & fabulas demonstravimus ». Maier fait ici allusion à ses Arcana arcanissima (1614). 70 Matton (1993), p. 165–169. Augurelli (1515). 71 Weiss (1962). Cf. Martels (1993) (à n’utiliser qu’avec prudence, l’auteur considérant la Chrysopoeia, sur la base d’arguments hélas inconsistants, comme une allégorie morale et non pas comme une œuvre réellement alchimique) ; Martels (2000). 72 Matton (1993) ; Matton (1995a) p. 308–346 ; Matton (1995b), p. 341–345 ; Matton (1996), passim ; Matton (2002), p. 164–167. Voir aussi Hirai (2005), p. 47–50, 53–56, 62–72 et passim. Pour un échantillon du poème, voir les extraits traduits par Matton (1993), et plus loin, p. 132–134. 69
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de sa série) intitulé « Χρυσοποιΐα » et un Carmen (le Ve) intitulé « Vellus aureum », régulièrement réédité plus tard à la suite de sa Chrysopœia. Dès les premières années qui suivent sa parution, la Chrysopœia est reconnue comme un classique. Non seulement le poème est réédité dès 1518 à Bâle chez Johannes Froben73, mais il va l’être vingt fois encore, un peu partout, jusqu’à la fin du XVIIIe siècle74. En outre, plusieurs lettrés français, italiens et allemands l’étudient ou l’imitent dès la première moitié du XVIe siècle : Gilles Du Wès († 1535), maître de français de Henry VIII d’Angleterre (plus connu des alchimistes sous son nom latin, Ægidius de Vadis)75; Giulio Camillo Delminio (c. 1480–1544), le célèbre auteur du Teatro della memoria76; Agrippa von Nettesheim, l’auteur non moins célèbre du De occulta philosophia libri tres (1531–1533), et son propre fils Johannes Agrippa, qui imita l’œuvre alchimique d’Augurelli dans un vaste poème latin demeuré manuscrit77. À ces nombreuses rééditions, imitations et commentaires, ajoutons que le poème d’Augurelli va être traduit par deux fois en français : une fois à Lyon, en 1548, en prose (peut-être par l’imprimeur Guillaume Rouville), et un an plus tard à Paris par le poète François Habert, en décasyllabes de style marotique. Cette traduction en vers sera encore rééditée en 1626 ; la traduction en prose sera vite oubliée78. Les vers d’Augurelli forment aussi le socle poétique sur lequel va s’édifier dans les années 1550, cette fois en italien, le poème en quatre livres d’Antonio Allegretti De la trasmutatione de metalli, qui ne sera pas imprimé79. La Chrysopœia sera aussi traduite en allemand par trois fois : le médecin paracelsien d’Augsbourg Karl Widemann (1555–1637) la traduit à la fin du XVIe siècle, non pas à partir du latin, mais à partir de la version française de François Habert80 ; en 1683, l’alchimiste, kabbaliste et mystique silésien Christian Knorr von Rosenroth insère quelques extraits traduits en vers allemands dans sa traduction de l’Ortus medicinæ de Jean-Baptiste van Helmont81 ; enfin, en 1716, paraît une version allemande intégrale, en prose, due à un pseudo-Valentin Weigel82. En revanche, la seule traduction anglaise de la Chrysopœia, en prose, est restée inédite (voir p. 129). Cette lacune tient peut-être à l’extrême richesse de la poésie alchimique de langue anglaise, qui produisait assez de fruits sur ses propres terres sans avoir besoin d’en importer d’autres outre-Manche. 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82
Secret (1976b), p. 111–112. Martels (2000), p. 183. Sur Ægidius de Vadis, voir Kahn (2007), p. 65, n. 93. Sur Giulio Camillo Delminio, voir Rossi (1993), p. 93–95 ; Yates (1987), notamment p. 144–187 ; Bolzoni (1984), et la bibliographie indiquée dans Secret (1985), p. XXVIII. Pour tout cela, voir Martels (2000), p. 185–194. Augurelli (1548) ; Augurelli (1549) ; Augurelli (1626). Allegretti, éd. Gabriele (1981). Sur ce poème, voir aussi Perifano (2003), p. 234–237. Leiden, Universiteitsbibliotheek, Voss. Chym. Q. 17, fol. 48–58. Voir Boeren (1975), p. 142–143. Van Helmont (1683), p. 1079–1082. Augurelli (1716).
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On mentionnera encore le poète burlesque Teofilo Folengo (1491–1544), qui, en 1521, fait paraître à Venise la deuxième édition très augmentée de son Baldus (1ère éd. 1517), œuvre macaronique en vers dont le livre XIII contient un long passage sur l’alchimie fort bien documenté83. Il s’agit là d’une parodie ; mais il va se produire avec ce passage, toutes proportions gardées, le même genre de phénomène qu’avec le Canon’s yeoman’s tale de Chaucer : vers 1600, un alchimiste anglais copie l’extrait de Folengo au beau milieu d’un manuscrit rempli de traités d’alchimie, comme s’il jugeait ce texte digne d’être étudié dans le cadre de cette discipline84. Il est douteux que cette moisson poétique précoce puisse encore s’enrichir beaucoup : les humanistes n’eurent que peu de goût pour l’alchimie, du moins dans leur immense majorité. Ainsi les poèmes alchimiques grecs, qui ne furent édités pour la première fois qu’au XVIIIe siècle, ne semblent pas avoir été connus d’un auteur aussi averti et influent que Lilio Gregorio Giraldi (1479–1552), même si celui-ci connaissait l’existence d’autres alchimistes grecs85. Avant de poursuivre l’examen de la poésie alchimique néo-latine, ce qui nous mènerait prématurément jusqu’au XVIIe siècle, tournons-nous un moment vers ce qui se fit à la Renaissance en langue vulgaire. 2.1. Poésies alchimiques allemandes de la Renaissance La tradition médiévale règne encore avec beaucoup de vigueur au XVIe siècle en Allemagne comme en France. Bien des poésies alchimiques qui fleurissent alors en Allemagne sont visiblement transmises dans les manuscrits non pour leurs qualités de style (elles sont souvent très prosaïques), mais pour leur contenu doctrinal ; il s’agit de poésies gnomiques, aptes à transmettre en langue allemande, souvent mieux que toute autre forme littéraire, un contenu doctrinal se concentrant sur les points essentiels, dans des formules frappantes86. Joachim Telle fait toutefois observer le caractère parfois paradoxal de ces productions, lorsqu’il s’agit de mises en vers à partir du latin : dans certains cas, la traduction en langue vulgaire et l’abrègement exigé par la forme versifiée transforment et obscurcissent à tel point le texte original que les dictons en viennent à être considérés par plus d’un alchimiste comme des vers de type énigmatique : leur obscurité parvient ainsi à ne pas faire obstacle à leur transmission continue dans la littérature alchimique jusqu’au milieu du
Folengo (2004–2007) ; Folengo (2007–2008). Voir Piccini (1997). Londres, British Libr., MS. Sloane 319, n° 6 : Merlini Cocaji, Mantuani, versus de lapide philosophico. 85 Matton (1995b), p. 318–319 et 325–326. Je remercie Stéphane Rolet de m’avoir évité un contresens sur le cas de Pierio Valeriano. 86 Voir plus loin, Nr. 10. Voir aussi, pour sa transmission jusqu’au XVIIIe siècle, le poème médiéval « Vom Stein der Weisen » : Telle (1994b). Voir de même plus loin, Nr. 6 : ce poème de la fin du XVe siècle est diffusé dans les cercles alchimiques allemands jusqu’à la fin du XVIe siècle. 83 84
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XVIIe siècle87. On reconnaît ici un goût croissant, à partir de la Renaissance, pour l’énigme et l’allégorie, qui se traduit aussi par des poésies isolées, plus élaborées : ainsi le Lumen secretorum de Johannes Ticinensis, évoqué plus haut dans le cadre de la poésie latine médiévale, sera traduit en vers allemands au XVIe siècle88. Plus tard, on trouve encore des productions plus caractéristiques du goût de l’Âge baroque, comme le poème astro-alchimique de Christoph von Hirschenberg (c. 1580, 1ère éd. 1604) ou les poèmes attribués à Basile Valentin, notamment les prosopopées des sept planètes représentant les métaux (1602), poèmes qui s’enrichissent de toutes les ressources de la mythologie pour offrir une poésie didactique, voire technique, sous une forme néanmoins très imagée, voire énigmatique89. Ce goût s’est aussi développé dans la poésie alchimique allemande dès la fin du XVe siècle avec la tradition du Bildgedicht. Outre le Sol und Luna, l’exemple le plus célèbre est un Bildgedicht apparu autour de 1500, dû à un certain Lamspring : Vom Stein der Weisen. Cependant, si ce texte est d’origine allemande, il faut reconnaître qu’il a connu une plus grande diffusion à partir de sa traduction latine, toujours en vers (1599), et c’est à partir du latin, et non de l’allemand, qu’il a été traduit en anglais au XVIIe siècle, et en français au XVIIIe 90. On peut ajouter dès maintenant que ce sont les figures qui accompagnent ce poème de Lamspring qui formèrent le modèle d’un grand poème alchimique français du début du XVIIe siècle, les Visions hermétiques de Clovis Hesteau de Nuysement91. La tradition du Bildgedicht s’est prolongée bien au-delà du XVIe siècle, comme on le voit avec l’Hermaphroditisches Sonn- und Monds-Kind (1752), un des imprimés les plus remarquables de la tradition de l’alchimie emblématique, issu d’un poème de la seconde moitié du XVIIe siècle, comme on le verra plus loin92. À partir de la seconde moitié du XVIe siècle, l’influence de Paracelse (1493/94– 1541) s’exerce en Allemagne et dans le reste de l’Europe sur bien des alchimistes93. Ce phénomène donne lieu à de nombreux poèmes qui vouent aux gémonies ou qui célèbrent, tant en allemand qu’en latin, la figure de Paracelse94. Les querelles scientifiques suscitées par le paracelsisme suscitent également toute une littérature polémique en vers néo-latins (j’y reviens brièvement plus loin). Mais comment le paracelsisme se traduit-il spécifiquement dans le domaine de la poésie alchimique ? Si Paracelse n’avait que mépris pour la recherche de la transmutation des métaux en or, certains de ses disciples, demeurés anonymes, se sont chargés, après sa mort, 87 88 89 90 91 92 93 94
Telle (1995), col. 1156. Telle (1983). Voir d’autres exemples de poèmes de type énigmatique plus loin, Nr. 19 et Nr. 26. Voir plus loin, Nr. 16, Nr. 17, Nr. 18. Telle (1985). Comme l’a montré Schmidt (1938), p. 345–355. Voir aussi les recherches de Kirsop (1960), résumées par Matton dans Hesteau de Nuysement (1974). Voir L’Enfant hermaphrodite (1985), et plus loin, Nr. 27. Sur la vague du paracelsisme, voir Debus (1977) ; Kahn (2007) ; CP 1, 2 et 3. Telle (2008).
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de lui attribuer des traités d’alchimie transmutatoire. Le plus influent de ces traités fut le De tinctura physicorum, rédigé sans doute vers 1560 et fréquemment imprimé à partir de 157095. Le succès de ce bref traité en prose se fit sentir jusque dans la poésie alchimique allemande : on y trouvait en effet la figure du « lion rouge » que le secret consistait à changer en « aigle blanc », et cette imagerie se retrouve dans un certain nombre de poèmes alchimiques allemands entre la fin du XVIe et le début du XVIIIe siècle96. Un autre traité pseudo-paracelsien écrit sous forme de lettre, Vom Wunderstein, a été mis en vers sous le titre Von der Wahrheit der alchemischen Kunst par les soins d’un auteur de la fin du XVIe siècle demeuré anonyme, qui s’est avéré plus soucieux de la forme que la plupart des auteurs de poésies alchimiques97. La tradition du Bildgedicht s’est également illustrée dans le domaine du paracelsisme à travers un poème de la seconde moitié du XVIe siècle lié au mythe de la Table d’émeraude ; mais c’est surtout l’illustration qui lui était associée, ornée de l’acrostiche « vitriol » (« Visita Interiora Terræ, Rectificando Invenies Occultum Lapidem »), qui le rendit célèbre98. Quant à Basile Valentin, cet alchimiste fictif sous le masque duquel se répandirent, à partir de 1599, des traités typiquement paracelsiens développant toute une alchimie fondée sur l’antimoine, le plus célèbre des traités qui lui sont attribués — les Zwölf Schlüsseln (1599) — se clôt sur un poème qui l’accompagnera dans toutes ses éditions et traductions99. Cependant ce poème n’a rien de paracelsien et se fonde en réalité sur une allégorie d’origine médiévale, l’allégorie de la fontaine issue du Livre attribué à Bernard le Trévisan, qui repose elle-même sur la théorie médiévale du « mercure seul »100 — tout comme d’ailleurs le poème déjà évoqué plus haut de Christoph von Hirschenberg. Le succès de ce poème se situe donc dans le sillage de celui de Basile Valentin, mais il illustre surtout l’alliance constante dans l’alchimie de la Renaissance, particulièrement perceptible en Allemagne, entre l’ancien et le nouveau, la permanence de l’héritage médiéval au sein même du paracelsisme. Il faut enfin noter l’existence de plusieurs grands poèmes didactiques qui demandent encore à être mieux étudiés, dus notamment à Leonhard Thurneysser (en particulier ses Archidoxa de 1569; sa Quinta essentia de 1570; son Erklerunge [. . .] der Archidoxen de 1575) et Herbrandt Jamsthaler (Viatorium spagyricum, 1625)101.
Kahn (2007), p. 25–26. Voir plus loin, Nr. 24. Voir plus loin, Nr. 22. Voir plus loin, Nr. 21. L’une des apparitions les plus anciennes de cet acrostiche remonte à 1565, dans un manuscrit autographe de Gerhardt Dorn. Voir Kahn (1994a), p. 75–76. Mme Annelies van Gijsen en connaît des occurrences plus précoces dans le corpus attribué à « Isaac Hollandus ». 99 Voir plus loin, Nr. 17. 100 Voir Kahn (2003). 101 Voir plus loin, Nr. 14. 95 96 97 98
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2.2. Poésies alchimiques françaises de la Renaissance En France, au XVIe siècle, l’emprise de la tradition médiévale ne se traduit pas, comme en Allemagne, par le goût d’une poésie gnomique, mais par l’influence durable du Roman de la Rose, que certains lecteurs n’achètent que pour sa petite section alchimique102. C’est en effet surtout au XVIe siècle que sont connus certains des poèmes didactiques du XVe siècle dont j’ai déjà parlé : le Sommaire philosophique, dont on ne connaît plus aujourd’hui aucun manuscrit antérieur à sa publication, est édité pour la première fois en 1561, attribué à Nicolas Flamel ; il paraît en même temps que La Fontaine des amoureux de science de Jean de La Fontaine et la Complainte de Nature de Jean Perréal (attribuée dans cette édition, comme dans toutes celles qui suivront, à Jean de Meun), accompagnés de la section alchimique du Roman de la Rose du même Jean de Meun. Mais à la date de 1561, La Fontaine des amoureux de science a déjà connu pas moins de quatre éditions : trois à Paris (c. 1506, 1521, 1527) et une à Lyon (1547), ornée de nombreuses illustrations de fours et d’appareillage alchimique103. Toujours dans le cadre de l’influence du Roman de la Rose, Jacques Gohory (1520–1576), en 1572, édite un poème médiéval et le commente alchimiquement104. Le cas est ici assez différent de ce que nous avons déjà pu voir : le poème dont il s’agit, intitulé La Fontaine périlleuse, n’a rien à voir avec l’alchimie : c’est une simple allégorie amoureuse sans doute du XVe siècle, dans la lignée du Roman de la Rose de Guillaume de Lorris. Mais celui qui l’édite, Jacques Gohory, est bien persuadé du contraire. Il y voit non seulement un poème alchimique, mais la source même du roman de Guillaume de Lorris (qui, selon lui, est aussi alchimique)105. On se trouve là dans une configuration bien particulière : l’interprétation alchimique des textes littéraires, un cas particulier de l’interprétation alchimique de la mythologie106. Le même processus s’observe également à la même époque entre France et Angleterre, pour des œuvres poétiques de moindre envergure107. Mais la poésie alchimique française de la Renaissance ne se résume pas à des influences médiévales. J’ai déjà signalé la traduction en vers de la Chrysopœia
102 [Robert Duval], « Aux lecteurs », in : Duval (1561), fol. *3v° : « J’ay aussi extraict & joinct au
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dessusdict livre [i. e. La Complainte de nature de Jean Perréal, ici attribuée à Jean de Meun], un lieu d’iceluy Romant [le Roman de la Rose], auquel ledict de Meung tracte manifestement de l’art susdict, & à cause duquel seul, plusieurs achaptent ledict Romant. » — Ce phénomène se produit encore de nos jours, le Roman de la Rose figurant régulièrement sous la rubrique « Alchimie » dans les catalogues de libraires spécialisés en occultisme. Voir Kahn (2007), p. 72–73 et 128–129, et surtout Fontaine (1988). Gohory (1572). Badel (1996), p. 181–185. Sur cette tradition, voir Kirsop (1978) ; Telle (1980) ; Kahn (2000). Kahn (1993), p. 353.
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d’Augurelli due à François Habert, dans la veine marotique108. Cette publication parisienne de 1549, majestueusement ornée d’un frontispice à deux colonnes d’encadrement109, s’est faite dans un contexte de rivalité éditoriale entre Paris et Lyon en matière d’alchimie. Il s’agissait certainement de concurrencer deux publications lyonnaises des années précédentes : la splendide réédition, parue deux ans plus tôt, de La Fontaine des amoureux de science, et la traduction en prose d’Augurelli, parue en 1548. J’ai déjà mentionné aussi le poème anonyme du Grand Olympe, qui, vers 1530–1540, offre en octosyllabes une lecture alchimique partielle des Métamorphoses d’Ovide, tout en prenant appui sur l’Ovide moralisé médiéval — mais dont la partie la plus riche est toutefois son commentaire en prose, plus tardif 110. Le goût de la Pléiade, en revanche, ne se retrouve dans la poésie alchimique qu’au début du XVIIe siècle. La Pléiade, tout comme les humanistes, a en effet dédaigné l’alchimie, voyant en elle une discipline privée de tout modèle antique, dont les auteurs s’expriment dans une langue obscure et barbare111. C’est en cela que l’entreprise d’Augurelli apparaît malgré tout assez isolée. Il faudra donc attendre Clovis Hesteau de Nuysement pour voir appliquée à l’alchimie la poésie telle que la concevait Ronsard, car si Nuysement a reçu sa formation littéraire sous le règne d’Henri III, ce n’est qu’en 1620 qu’il publiera son Poème philosophic de la verité de la phisique mineralle, réplique tardive à la Palinodie chimique (1588) d’Antoine Du Gault (alchimiste repenti qui, comme Pierre Chastellain un siècle auparavant, avait narré en vers sa passion révolue pour l’art transmutatoire112) et ses Visions Hermetiques qui transposent en images verbales, comme on l’a vu, les illustrations du poème de Lamspring113. Nuysement aura en cela un concurrent, le sieur de Beauvallet, qui à la même époque (1621) publie un poème tout semblable, Les Prodiges chimiques, dédié à Louis XIII, auquel Beauvallet espérait vendre son secret de la pierre philosophale114 : […] Je vois en divers Cieux deux flambeaux eclipsés Par leur Obscurité en Clarté rehaussés D’un glorieux trespas le Signe, & le Presage, Je voy d’un mesme Ciel dans un mesme Cercueil Tomber precipités la Lune, & le Soleil, Et tirer de leur Cheute un puissant Advantage.
108 Voir plus loin, Annexe 2, un extrait de cette traduction en regard du texte latin, suivi de ma 109 110 111 112 113 114
propre traduction du texte latin. Reproduit dans Kahn (2007), p. 87. Sur ce poème, voir Kahn (1995a), ad indicem. Kahn (1993), p. 352–353. Du Gault (1588). Voir Kirsop (1960), t. I, p. 133–136. Cf. n. 91. Beauvallet (1621). Voir Kahn 1 (à paraître).
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Je voy dedans un Temple au Soleil consacré L’Arabesque Phœnix richement diapré S’offrant sur son Autel au Soleil pour victime S’embraser par sept fois, & par sept fois encor’ Ses cendres animant sur son Plumage d’Or Eslever jusqu’au Ciel sa puissance Sublime. Je vois un fort Lion remaschant sous ses dens Trois Dragons empennez, Trois venimeux Serpens, Assouvir de leur chair son ventre insatiable, Et repassant sept fois apres ces Alimens Par les divers degrez de tous les Elemens Surpasser des plus forts la force inestimable. […] On peut citer aussi Le Trésor des trésors de Christofle de Gamon, publié en 1600 dans une première version plutôt médiocre, mais brillamment remanié en 1610 dans un goût proche de la poésie de Philippe Desportes. Cette seconde version est accompagnée d’un commentaire en prose dû à l’astrologue et alchimiste Henri de Linthaut, à la façon dont on commentait au XVIe siècle les grands poètes, Ronsard et Du Bartas, et même Joseph Du Chesne, dont je parlerai plus loin ; ce commentaire vise de toute évidence à dégager de la gangue poétique de Gamon l’enseignement alchimique qui s’y trouve115. On multiplierait encore aisément les exemples de poésie alchimique en France entre la fin du XVIe et le milieu du XVIIe siècle en soulignant, d’un point de vue formel, une prédilection marquée pour les stances et pour les sonnets, et en regroupant d’une part, avec Les Visions hermétiques et Les Prodiges chimiques, des poèmes relevant du genre allégorique ou énigmatique, et d’autre part les poèmes destinés à transmettre un enseignement plus précis et plus ordonné. Au premier de ces deux groupes appartiennent certains des sonnets qui émaillent, en 1590, le Discours d’autheur incertain sur la pierre des philosophes (dont une mise en sonnet de la Table d’émeraude), ainsi que les cent alexandrins allégoriques à rimes plates sur la « beste glatissante » (un thème célèbre des romans médiévaux, par quoi s’achève ce même Discours (conformément à l’habitude bien établie de clore un traité d’alchimie par une parabole censée dévoiler allégoriquement la pratique)116. Se rattachent aussi à cette catégorie le bref poème énigmatique Aelia aux enfants de l’art, datable du début du XVIIe siècle117, et une énigme placardée en 1636 sur un pilier de Notre-Dame de Paris sous forme d’un sonnet alchimique, invitant le lecteur à le déchiffrer — énigme à laquelle répondit, peu après, un sieur de La Borde dont l’écrit nous est parvenu118. 115 Gamon (1600) ; Gamon-Linthaut (1985). Voir Banderier (2003). 116 Husson (1978), p. 70–72. Cette tradition qui remontait au moins à la Turba philosophorum,
dont certaines versions s’achevaient sur la Visio Arislei, avait été consacrée par le Livre attribué à Bernard le Trévisan (fin du XVe siècle). 117 Van Gijsen-Stuip (2003). 118 La Borde (1636). Voir Kahn (1998a), p. 318–319.
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À la seconde catégorie se rattachent des poèmes didactiques comme Le Trésor des trésors de Gamon, les stances médico-alchimiques sur l’or potable de l’imprimeur Pierre Pautonnier (1617)119, ou, dans le Discours d’autheur incertain dont je viens de parler, la très étrange série de six sonnets, parmi ceux qui s’y trouvent, qui — joints à un septième sonnet qui ne surgira qu’en 1612 dans une tout autre publication — transmettent morceau par morceau la traduction française versifiée du Tractatus de cœlo terrestri d’un alchimiste morave, Venceslas Lavinius (c. 1552–1602 ?), présentant ainsi sous une nouvelle forme la doctrine ficinienne du spiritus mundi alchimique qui forme l’ossature doctrinale du Discours d’autheur incertain, sans qu’on comprenne par quel biais, ni par qui, le traité latin en prose de Lavinius, issu d’Europe centrale, s’est trouvé traduit en français et condensé en sept sonnets, lesquels vont se répandre un peu partout dans la littérature alchimique française des années 1600–1630120. On peut dire qu’à cette date, la mode d’une poésie alchimique est lancée en France dans le petit monde des auteurs d’alchimie, comme en témoigne encore un ensemble de poèmes demeuré manuscrit — et médiocre, il est vrai — intitulé Voyage du terrestre Apollon (1ère moitié du XVIIe siècle), où se retrouvent d’ailleurs sous une forme remaniée certains de ces sonnets121. Pour autant, il paraît difficile d’affirmer que ce genre littéraire affectionné par les auteurs rencontre un franc succès auprès des lecteurs122. Autre point à aborder : l’influence du paracelsisme sur la poésie alchimique française. L’œuvre de Paracelse avait été à l’origine de tout un mouvement d’idées sur le plan médico-alchimique, mais aussi plus généralement dans le domaine de la philosophie naturelle, et ce mouvement inspira au médecin alchimiste Joseph Du Chesne (1546–1609) un grand poème encyclopédique, Le Grand miroir du monde (1587, 2e éd. augm. 1593), qui n’était autre qu’une sorte de version paracelsienne de la Sepmaine de Du Bartas123. Ce poème comportait bien sûr une section alchimique, où Joseph Du Chesne présentait une théorie de la matière inspirée de Paracelse. Du Chesne était meilleur prosateur que poète, mais ses lecteurs alchimistes se hâtèrent de le lire. Voici le jugement que porta sur ce poème un des correspondants de Du Chesne, en 1601 : J’ay envoyé cercher vostre Grand miroir à ce dernier voyage de Lyon et l’ay leu fort ententivement. C’est une excellante œuvre pour rendre tesmoignage des choses que vous scavez mais non pour les enseigner [,] les retenant par devers vous comme devant sans qu’il vous eschape rien dont on puisse faire profit. A vray dire les vers ne sont point pour enseigner les sciences, ains pour faire voir la gaillardise de l’esprit124.
119 Pautonnier (1617). 120 Kahn (2005). 121 New Haven (Conn.), Yale Univ., Beinecke Libr., Mellon MS 67, fol. 1r°–42r°. Les deux
premières parties se composent de poèmes, la troisième est en prose.
122 Voir plus loin, p. 120. 123 Kahn (2004), p. 644–646. Voir aussi Pantin (2004). 124 Hambourg, Staats- und Universitätsbibl., ms. Sup. ep. (4°) 30, fol. 147v°.
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L’auteur de cette lettre comptait donc recueillir dans Le Grand miroir du monde quelques secrets de la médecine alchimique dont Joseph Du Chesne, si habile au laboratoire, passait pour être le détenteur125. Sa déception lui dicte un jugement sur la poésie scientifique qui est déjà, en 1601, celui que portera la partie la plus à la mode des poètes du XVIIe siècle français sur ce genre désormais décrié, mais bien loin d’être abandonné126. L’opinion du correspondant de Du Chesne est d’autant plus frappante que ce correspondant n’est autre que Pierre de Mesmes, sieur de Ravignan, premier président au Parlement de Pau en 1584, alors connu comme l’un des membres de l’Académie de Navarre, qu’Henri IV avait établie à Pau vers 1580 à l’imitation de l’Académie du Palais d’Henri III. Or parmi les autres membres de cette Académie, on remarquait notamment Du Plessis-Mornay, Agrippa d’Aubigné et Du Bartas lui-même127. Malgré ce jugement négatif sur la capacité des vers à « enseigner les sciences », la poésie alchimique avait encore en France de beaux jours devant elle : Agrippa d’Aubigné lui-même devait inclure un passage alchimique sur la résurrection des morts, inspiré d’un traité de Du Chesne, dans une addition au dernier Livre des Tragiques (achevé en 1616)128, et il existe des poèmes alchimiques français jusqu’au XVIIIe siècle, le dernier, à ma connaissance, ayant été imprimé en 1750129 ; mais les bibliothèques renferment encore de nombreux manuscrits. 2.3. Poésies alchimiques anglaises, XVIe – XVIIe siècles En Angleterre, la poésie alchimique se développait continuellement depuis le XVe siècle. Anke Timmermann a récemment étudié la façon dont ces auteurs se citent les uns les autres. On estime à près de 70 le nombre de poèmes alchimiques anglais écrits entre 1500 et 1700. Leur nombre s’explique peut-être en partie par l’importance de la forme versifiée dans la recherche de la faveur des Grands130 ; encore faudrait-il expliquer pourquoi cette recherche a porté tant de fruits en Angleterre dans la poésie alchimique, et si peu en France. J’ai déjà évoqué les vastes poèmes didactiques médiévaux de Thomas Norton et de George Ripley, dont le grand succès date du XVIe et du XVIIe siècle. Pour souligner les apports de la Renaissance, je signalerai seulement deux exemples parmi beaucoup d’autres de la vogue du genre allégorique à la Renaissance. Le premier est celui d’un poème appelé Dastin’s Dreame. Il porte le nom d’un alchimiste anglais du début du XIVe siècle, John Dastin, qui laissa sous le titre de Visio un texte allégorique mettant 125 Sur la renommée européenne de Du Chesne, voir Kahn (2001), par exemple p. 241. 126 Garapon (1982) ; Chométy (2006). 127 Voir Kahn (1998b), 2e partie (à paraître sous le titre Cercles alchimiques et mécénat princier
en France au temps des guerres de religion), chap. 7.
128 Kahn (2013). 129 Voir par exemple Matton (1987) ; Kahn (1988) ; Zoroastre (1750). 130 Schuler (1995), p. xxxi, n. 23 et p. xxxvi–xxxvii. Voir Timmermann (2006).
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en scène les métaux planétaires (l’argent/Lune, le fer/Mars, le plomb/Saturne, etc.) déplorant d’être frappés de la lèpre, contrairement à leur roi, l’or/Soleil, qui cherche à les guérir131. À partir de ce texte latin en prose ont été établis, au XVIe ou peut-être même au XVIIe siècle, les quelque 350 vers du Dastin’s Dreame, adaptation poétique fort libre de l’original, répartie en huitains à rimes croisées, où les métaux planétaires sont devenus des dieux de l’Olympe et où le récit central est présenté comme issu d’un livre scellé de sept sceaux apporté à l’auteur en songe par une figure solaire132. Un tout autre exemple de poème alchimique anglais particulièrement intéressant à signaler ici, c’est, sous le titre The Hermet’s Tale, l’allégorisation pure et simple, à l’aide de figures mythologiques et dans un cadre partiellement inspiré d’Augurelli, d’un modus operandi fondé sur l’extraction du régule d’antimoine133. Ce poème de 21 sixains (ababcc), qui n’est pas sans mérite sur le plan littéraire, fut bel et bien étudié d’un point de vue pratique par au moins un alchimiste au XVIIe siècle, le fameux Eirenæus Philalethes (de son vrai nom George Starkey, 1628–1665), comme le montrent ses carnets de laboratoire, car la practica décrite dans ce poème correspond à certains des processus qu’il utilisait couramment134. Or, même si la présence récurrente de poésies dans des manuscrits d’alchimie laisse penser que les vers ont été considérés comme des supports parfaitement valides pour transmettre des doctrines ou des recettes, et même si bien des poésies alchimiques laissent transparaître un ensemble de manipulations au laboratoire, c’est ici l’un des très rares cas dans lesquels on peut pour ainsi dire toucher du doigt l’usage technique qu’un alchimiste a pu en faire, et ce cas est d’autant plus frappant que le poème en question suit avec aisance une véritable trame narrative, et que son utilisateur est l’un des alchimistes les plus célèbres de l’époque moderne, lui-même commentateur de vers de George Ripley et auteur d’un traité d’alchimie en vers, The Marrow of Alchemy (1654)135. Il faudrait mentionner en détail d’autres poèmes qui jouirent en Angleterre d’une vaste renommée : Blomfild’s Blossoms de William Blomfild (1557), par exemple, qui se présente comme un véritable traité d’alchimie, inspiré de Ripley 131 Thiessen (1999). Hélas, non seulement ce travail très succinct ignore le peu de littérature
secondaire paru sur Dastin (Telle 1986 ; Barthélemy-Kahn 1994, p. 510–512), mais il est dépourvu de toute étude poussée des manuscrits, et la lecture du tout début du texte montre déjà une erreur dans son établissement (à la ligne 8 du texte, p. 66, Thiessen a choisi la leçon ante conspectum antiqui deorum alors que d’autres mss. — voir son apparat — donnent la bonne leçon antiqui dierum, c’est-à-dire Dieu [Dan. 7, 9, etc.]), pour ne rien dire de parti-pris éditoriaux un peu étranges ; cf. p. 65 : « I have regarded T [i. e. Cambridge, Trinity Coll. 1122, XIVe s.] as the most accurate text and generally chose it over the other manuscripts, unless the English translation in MS Sloane 693 [XVIIe s., de la main de Th. Turquet de Mayerne !] differed from it while agreeing with another manuscript. » 132 Dastin’s Dreame, in : Ashmole (1652), p. 257–268. 133 The Hermet’s Tale, in : Ashmole (1652), p. 415–419. Voir l’extrait donné en annexe au présent article. 134 Starkey (2004), éd. Newman-Principe, p. 244 (entre le 23 juillet et le 1er août 1656). Je remercie vivement L. M. Principe de m’avoir signalé ce point. 135 Sur Starkey, voir Newman (1994).
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et du pseudo-Lulle et composé d’un songe, d’une theorica et d’une practica136 : si l’on y ajoute d’autres exemples recueillis dans le Theatrum Chemicum Britannicum d’Ashmole ou récemment édités137, on constate qu’en Angleterre, la poésie est devenue depuis le XVe siècle un mode d’écriture parfaitement courant pour rédiger un traité d’alchimie, ce qui n’est nullement le cas dans les autres langues vulgaires, ni en néo-latin : tout se passe comme si la poésie alchimique anglaise avait repris massivement à son compte, à partir de la Renaissance, la tradition latine médiévale de la poésie didactique. Un poème en particulier mérite à cet égard une mention spéciale, bien qu’il soit resté manuscrit et n’ait guère exercé d’influence : le Lithochymicus de Bassett Jones (c. 1650), une œuvre de près de 3000 vers, sans doute « le poème alchimique le plus ambitieux du XVIIe siècle »138. On ne saurait résumer ici les quelque deux cents pages en lesquelles tient sa récente édition annotée, mais on retiendra que Bassett Jones (c. 1616 – ap. 1661) allait encore plus loin qu’Elias Ashmole — on le verra ci-dessous — sur la voie d’une poésie alchimique conçue, à la lettre, comme une « théologie poétique » dans le lignage d’Orphée, un Orphée regardé comme le premier auteur de la poésie alchimique139. 2.4. Poésies alchimiques italiennes, XVIe – XVIIe siècles La langue italienne a fourni à la poésie alchimique, à partir de la Renaissance, plusieurs œuvres dignes d’être étudiées. J’ai déjà signalé celle d’Antonio Allegretti, émule d’Augurelli en volgare, et l’on peut y ajouter bien des poèmes isolés, souvent brefs et restés manuscrits140, ainsi que l’énigme sur la pierre pantheora du médecin vénitien Lorenzo Ventura, qui dédia au comte palatin Ottheinrich en 1557 son traité De ratione conficiendi Lapidis philosophici (publié en 1571 par Guillaume Rascalon), qui s’achevait sur ces 34 vers en italien141. Au XVIIe siècle, l’un des poètes alchimiques italiens les plus intéressants fut un membre de l’entourage de la reine Christine de Suède, Francesco Maria Santinelli (1627–1697), dont l’œuvre la plus connue, Lux obnubilata suapte natura refulgens (« La lumière obscurcie resplendissant de sa propre nature »), parue anonymement, acquit très vite une renommée européenne auprès des alchimistes142. Il s’agit d’une ode en trois chants (attribuée à « Fra Marc-Antonio Crassellame Chinese », Schuler (1978). Schuler (1995). Schuler (1995), p. 203–412. Voir plus loin, p. 129. Voir nombre d’exemples dans Gabriele (1980). Voir l’édition et les commentaires de Van Gijsen (2004), p. 100–103 : la pierre panthera, selon Thomas de Cantimpré, était une pierre de diverses couleurs (presque toutes), venue de l’Inde. Ventura n’est pas le seul alchimiste à l’avoir évoquée. Sur Ventura et Rascalon, voir Kahn (2007), p. 95–96. 142 Santinelli (1666). Cf. Mino Gabriele, « Prefazione », in : Santinelli (1980), p. 7–12. Voir aussi Gabriele (1980) et Gabriele (1990). 136 137 138 139 140 141
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cet anagramme offrant la première allusion à l’alchimie chinoise dans l’alchimie occidentale), suivie d’un commentaire latin de l’auteur, le tout offrant notamment une interprétation alchimique de la Genèse. Parue à Venise en 1666, l’œuvre fut ensuite reprise dans un important recueil de traités latins, le Ginæceum Chimicum (Lyon, 1679), puis traduite en français en 1687 (en prose, mais avec le texte italien en regard), réimprimée sous cette forme en 1766 dans L’Etoile flamboyante du baron de Tschoudy, et enfin retraduite du français en allemand dans un vaste recueil alchimique, l’Hermetisches A.B.C. (1779). Santinelli laissa par ailleurs d’autres poèmes alchimiques, notamment des suites de sonnets143. Et l’on connaît encore, entre le XVIIe et le XVIIIe siècle, bien d’autres séries de sonnets alchimiques italiens qui, encore inédits, ne peuvent guère qu’être signalés ici144. 3. La poésie alchimique néo-latine après Augurelli Comment le domaine de la poésie alchimique néo-latine se présentait-il depuis Augurelli ? Une grande part de cette poésie relevait de la littérature polémique : c’est celle qui naissait tout spontanément des querelles médico-alchimiques suscitées par le paracelsisme un peu partout en Europe, notamment dans les milieux académiques où se pratiquait une poésie savante145. C’était là de la poésie de circonstance, souvent dictée davantage par les modes humanistes et par les mœurs académiques que par le désir de produire un traité d’alchimie en vers néo-latins. C’est un vaste continent qui vaut d’être exploré, mais ici, nous ne pouvons que le signaler, sous peine de n’en jamais finir. Au sein de la littérature alchimique à proprement parler, si le modèle de toute poésie latine était devenu Augurelli, il faut toutefois y ajouter une autre influence de grand poids : le Zodiacus vitæ (1536) de Marcello Palingenio Stellato (Pier Angelo Manzolli, † av. 1551), poème en hexamètres en douze livres, chacun portant le titre d’une constellation zodiacale, qu’un passage alchimique fit considérer comme une réelle autorité par des adeptes comme Gaston Du Clo, Michael Maier, Herbrandt Jamsthaler, Joos Balbian ou Israël Harvet, par exemple146. On pourrait également 143 Simons (1991) ; Gilly-Van Heertum (2002), t. II, p. 210–212. 144 Voir notamment Bologna, B. U., ms. 457, b. III, fasc. 6 (XVIIe s.), fol. 199–200 (4 sonnets) ;
Bologna, B. U., ms. 3935, caps. C, fasc. 1 II : 26 sonnets apparemment écrits en 1725 par Antonio Francesco Afferri (voir Kahn [1994c], p. 67) ; Bologna, Archivio di Stato, fondo Banzi, serie Manoscritti, b. 24, fasc. XI (XVIIIe s.) : Sonetti sopra la Pietra filosofica alli figli della Sapienza ermetica contro l’oppinione di Democrito, che voleva il mondo fosse fatto d’atomi a caso (19 sonnets) ; Glasgow Univ. Libr., Special Coll., MS. Ferguson 337, item 3 (XVIIIe s.), fol. 25–26 ; New Haven (Conn.), Yale Univ., Beinecke Libr., Mellon MS. 101 (c. 1750). 145 Voir par exemple Kühlmann (1995) ; Kühlmann (2000) ; Kahn (2007), p. 184–185 ; Telle (2008) ; Glei (2011) ; Glei (2012). 146 Leibenguth (2002), p. 77 ; Van Gijsen (2004), p. 93–96 ; Secret (1995), p. 437. Sur Palingenio, voir Palumbo (2007) et plus haut les pages de W. Kühlmann, p. 25–31.
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insérer dans ce panorama la seconde moitié du Livre II de la Syphilis de Jérôme Fracastor (1530), qui décrit le mythe d’Ilceus explorant le monde souterrain à la recherche des sources du mercure : ces quelque 200 vers relèvent clairement de la poésie scientifique ; mais on pourrait les classer aussi bien — et mieux, sans doute — en minéralogie qu’en alchimie (comme on le fait pour les œuvres métallurgiques d’Agricola ou de Lazare Ercker), d’autant que Fracastor n’adhérait nullement à l’alchimie147. De plus, ces vers ne semblent guère avoir servi de modèle aux alchimistes, qui, à cette date, disposaient déjà pour cela de l’œuvre d’Augurelli. Ce dernier suscita en effet des imitateurs jusqu’au XVIIe siècle, parmi lesquels Gianfrancesco Pico della Mirandola (1469–1533), qui cita dans son traité De auro libri tres (posthume, 1586) quelques brefs poèmes de sa composition, et même Lilio Gregorio Giraldi, dont G. F. Pico cita également un poème, et qui évoqua sa lecture alchimique de deux poèmes antiques, les Argonautiques d’Apollonios de Rhodes et les Argonautiques pseudo-orphiques à laquelle il s’était livré en compagnie de G. F. Pico à la Mirandole en 1527, mobilisant toutes les ressources de l’érudition humaniste148, à partir de la notice de Suidas sur la toison d’or qui avait propagé cette interprétation depuis la fin du XVe siècle149. Dans la Suisse et l’Allemagne du XVIIe siècle, Augurelli eut aussi des imitateurs, notamment Hadrian a Mynsicht et J. N. Furichius. Le premier est l’auteur d’un Testa mentum Hadrianeum de aureo Philosophorum lapide de quelque 500 vers, publié à la fin de son Thesaurus et Armamentarium medico-chymicum (1631, rééd. 1638). Il y puise à de nombreuses sources, par exemple au texte de la messe alchimique attribuée à Melchior dont j’ai parlé plus haut150. Quant au médecin de Strasbourg Johann Nicolaus Furichius (1602–1633), on lui doit une Aurea catena (1627) et une Chryseis (1631). C’est à Padoue, où il étudie la médecine, qu’il publie l’Aurea catena. Sa Chryseis, en revanche, paraît à Strasbourg, assortie de gloses savantes151. Furichius, quoique familier de l’œuvre de Paracelse et de Valentin Weigel depuis 1624, n’est pas un alchimiste à proprement parler, en ce sens qu’il ne cherche pas la pierre philosophale : il se borne sans doute à préparer des remèdes au laboratoire, et souhaite seulement ériger à l’alchimie un monument en de dignes hexamètres, conformément à une vocation poétique qui s’est affirmée dès le début des années 1620152. Les sources qu’il utilise sont d’une grande variété, conformément à la tradition savante dans laquelle il s’inscrit, mais on y remarque principalement (outre Augurelli) l’Hymne de l’or de Ronsard (qui 147 Syphilis, Lib. II, vers 270–458 ; voir Fracastoro, éd. Eatough (1984), p. 74–84. Sur Fracastor
et l’alchimie, voir Secret (1995), p. 436. Secret (1976a), p. 94–99. Voir Matton (1995b), p. 311–314. Mynsicht (1638), dernière pagination, p. 1–24, ici p. 17. Sur le premier, voir plus haut W. Kühlmann, p. 43–46. Sur le second (Furichius 1631), voir Reiser (2011). 152 Reiser (2001), p. 33, 43 et 29–34. 148 149 150 151
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pourtant ne dit mot de l’alchimie), le De raptu Proserpinæ de Claudien, et le commentaire d’Israël Harvet au Tractatus aureus (ou Septem tractatus) attribué à Hermès Trismégiste — commentaire paru à Leipzig en 1610. Ce sont là des sources rares, plutôt inattendues153. Le poème est dans son ensemble, en qualité, très comparable à celui d’Augurelli. Sa richesse même rend difficile toute présentation succincte, et la récente édition de Reiser (2011) permet d’en prendre connaissance de façon directe et approfondie. On en trouvera ici un extrait en Annexe (accompagné de la traduction de Reiser), qui pourra être comparé à l’extrait que nous donnons du Hermet’s Tale, qui traite du même thème. Quelques années après Furichius, en 1639, c’est Nathan d’Aubigné, fils naturel du poète calviniste Agrippa d’Aubigné, qui publie à la suite de la Chrysopœia et du Vellus aureum d’Augurelli son propre Carmen aureum, un poème d’un peu moins de 200 vers. Il se situe plutôt dans le sillage de la poésie scientifique réformée, car il s’agit d’une description des semences des métaux à partir de la Création154. On pourrait élargir cette liste très aisément jusqu’à la fin du siècle, par exemple en citant la rare publication en édition bilingue (latin-français) des Verba Aristei patris ad filium, ex caractere et idiomate Schitico, Latino rithmo donata, encore traduits en vers anglais au début du XVIIIe siècle155. Face au genre illustré par Augurelli, Mynsicht et Furichius, qui est celui de la grande poésie didactique, on observe dans l’alchimie néo-latine, et souvent aux frontières entre alchimie et médecine, des genres aussi communs que l’élégie didactique, l’épigramme, et toutes les formes que peut prendre l’ode néo-latine156. Il faudrait idéalement étudier un par un les exemples qui nous sont connus, mais compte tenu de leur nombre, ce serait le sujet d’un travail à part. Je me concentrerai donc, pour finir, sur l’un des principaux représentants de ces formes poétiques : l’alchimiste Michael Maier (1569–1622)157. On doit notamment à Maier l’Atalanta fugiens (Atalante fugitive, 1617), « essai d’œuvre totale » dont le fil directeur est la fable d’Atalante, racontée par Ovide dans les Métamorphoses. Associant l’image, le texte et la musique en une suite de cinquante emblèmes mytho-hermétiques superbement gravés, qui servent à la fois de thème à une fugue musicale, à une épigramme et à un exposé didactique, Maier 153 Pour tout cela, voir Reiser (2011). 154 Aubigné (1653). Sur Nathan d’Aubigné, sieur de la Fosse (1600–1669) et sur ses activités
alchimiques, voir Kahn (2007), p. 398 et n. 218.
155 Verba Aristei (1688). Contrairement à ce qu’écrit Schuler dans son édition de la version
anglaise (Schuler 1995, p. 465–466), le texte latin n’a certainement pas été cité par le pseudoFlamel (1612) ni par David Laigneau (1611), et rien ne permet de le dater autrement qu’à sa date de publication. 156 Voir les nombreux exemples donnés par Leibenguth (2002), p. 78, qui se situent tous dans l’aire culturelle allemande. 157 Sur Maier, son œuvre et ses conceptions littéraires, voir Leibenguth (2002), indispensable. Sur sa vie et ses doctrines médico-alchimiques, voir aussi Figala-Neumann (1995), Neumann (1993) et (avec prudence) Tilton (2003).
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se proposait d’atteindre les « secrets de la nature » par une synthèse des « trois sens les plus spirituels » : la vue, l’ouïe, l’intelligence158. Par le jeu des correspondances, l’enquête alchimique s’ouvrait ainsi sur une quête de la connaissance. Mais l’œuvre poétique la plus singulière de Maier, ce sont les Cantilenæ intellectuales […] de Phœnice redivivo (1622). Ce poème ayant récemment fait l’objet d’une excellente étude159, il est possible de le présenter de façon plus détaillée. Il s’agit d’un ensemble de 27 chants (cantilenæ) répartis en neuf triades appelées « triades carrées », car elles forment trois groupes de trois triades, c’est-à-dire leur propre chiffre (trois) élevé au carré ; mais le terme quadratus est, en latin et dans le contexte de l’alchimie de Maier, beaucoup plus riche de significations (ne serait-ce que parce qu’il évoque d’emblée, pour les alchimistes, la conjonction du carré des quatre éléments et du ternaire corps-âme-esprit)160. Le titre complet est le suivant : Chants intellectuels en neuf triades sur le phénix ressuscité, c’est-à-dire sur la plus précieuse de toutes les médecines (qui est un abrégé du monde et un miroir de l’univers), exposés non pas tant à voix haute qu’avec la profondeur de l’ intelligence, et présentés à ceux qui sont aptes à comprendre comme la clé de chacun des trois coffres qu’ il est impossible d’ouvrir en alchimie161.
Voici comment chaque triade se compose : En chantant le Phénix, cet Oiseau rare & merveilleux, voici l’ordre que je me suis prescrit ; Chaque Triade forme alternativement un Concert de trois voix. La Haute-Contre exprime d’abord les doux accents de notre Venus : L’Ecrevisse qui marche toujours à reculons, fait ensuite la Taille ; & la Basse-Taille est enfin réservée au Lion terrible dans sa colere162.
Et voici de quelle façon se répartissent les trois groupes de trois triades : La premiere Triade quarrée traite des noms qu’on donne à chaque chose : la seconde contient les Allégories ; & l’on trouvera dans la troisieme l’application des mysteres de l’Art à ceux de la Religion163.
On voit d’emblée la complexité de l’ensemble sur le plan symbolique, et l’on ne s’étonnera pas qu’une pareille œuvre ne débouche guère sur des indications pratiques. Les traditions dont s’inspirent ces Cantilenæ sont autant et davantage celles des problématiques inhérentes à la poétique néo-latine depuis Scaliger (mais aussi la tradition des Psaumes et celle des hymnes et des odes de Marulle et de Ronsard) Maier (1964). Maier (1622) ; Maier (1758) ; Leibenguth (2002). Voir les explications de Rebotier (1984), p. 65–66 ; voir aussi Leibenguth (2002), p. 195–200. Je n’ai pas toujours adopté les choix de traduction de la version allemande de Leibenguth, ibid., p. 121. 162 Maier (1984), p. 21. L’allusion aux figures zodiacales de la Vierge, du Cancer et du Lion est évidente, mais la polysémie de ces termes en alchimie rend difficile leur interprétation, à l’exception de Vénus (voir plus loin). Voir Leibenguth (2002), p. 232–247. 163 Maier (1984), p. 5. 158 159 160 161
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que la tradition alchimique proprement dite, à laquelle Maier prête tout l’apparat de l’exégèse alchimique de la mythologie dont il est le grand spécialiste164. De plus Maier, dès l’ouverture de ce poème, fait explicitement référence à Lucrèce par le choix de sa muse, qui n’est autre que Vénus, présentée à la fois comme déesse créatrice et comme celle qui régit le grand œuvre alchimique165. Cependant il faut constater que le modèle poétique suivi par Maier est anacréontique, donc ludique et léger, ce qui ne laisse pas de surprendre, s’agissant d’une matière qui relève à la fois de la philosophie naturelle et du savoir médical, sur un arrière-plan, qui plus est, polémique. C’est qu’en réalité, Maier ne se rattache pas tant à la thématique anacréontique qu’à son atmosphère musicale, aux rapports de cette forme poétique avec le chant, dans la conviction (qu’il partage avec nombre de ses contemporains) que les opérations de l’alchimie entrent en résonance avec les lois harmoniques et musicales du cosmos166. Le titre de Cantilenæ doit être, quant à lui, rapproché bien sûr de la célèbre Cantilena pseudo-lullienne du Moyen Age que j’ai déjà évoquée, mais aussi d’une autre Cantilena qui, sans doute à partir de la fin du XVe siècle, circula sous le nom de George Ripley et dont l’existence, et sans doute le texte, étaient connus de Michael Maier167. Mais il ne faut pas non plus perdre de vue que c’est ce même mot de cantilenæ qui sert à désigner les Psaumes chez saint Augustin comme dans la Vulgate, ce qui confère au texte de Maier une dimension sacrée en plein accord avec sa conception de la supériorité des références chrétiennes sur les références à l’Antiquité : c’est la supériorité de David sur Orphée (lequel n’est plus, pour Maier, le théologien qu’il était à la Renaissance, mais surtout un relais historique dans la tradition alchimique, Orphée ayant, selon Maier, recouru aux Mystères antiques pour transmettre sous ce voile les secrets de l’alchimie)168. Les Cantilenæ intellectuales se situent donc dans une optique pleinement chrétienne, mais elles sont saturées de références antiques. Elles mobilisent toutes les ressources de l’intelligence pour un déchiffrement qui ne peut s’effectuer que par paliers, sur plusieurs strates successives, et qui exige un sens particulièrement aigu de la synthèse.
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Leibenguth (2002), p. 79–80. Ibid., p. 80. Ibid., p. 82–83. Ibid., p. 87–88 et n. 66. Sur la Cantilena de Ripley, voir Rampling (2009), chap. 5. Ibid., p. 88–89 et 280–283.
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Essai de synthèse A. — La période médiévale 1. Présence de la poésie dans la littérature alchimique Des poèmes alchimiques ont existé dans toutes les aires culturelles où s’est développée l’alchimie : en grec, en arabe, en latin et dans toutes les langues vernaculaires à partir du XIIIe et surtout du XIVe siècle. Toutefois, le domaine italien est resté particulièrement pauvre en la matière : il faut attendre le XVIe siècle pour voir la poésie alchimique italienne atteindre, sinon en quantité, du moins en qualité, le niveau des principales langues de l’Occident chrétien. Quant aux langues pratiquées dans la péninsule ibérique, hormis le catalan médiéval, c’est un domaine qui n’a guère pu être exploré ici. On peut se demander si l’apparition de la poésie alchimique — du moins si elle ne date que du XIVe siècle et ne remonte pas plus haut — n’a pas coïncidé avec l’essor d’une littérature alchimique de plus en plus allégorique, essor qui s’est produit dès le début du XIVe siècle sous l’influence d’une nouvelle conception de l’alchimie, en partie naturelle et en partie divine. 2. Fonctions de la poésie alchimique En raison des déformations évidentes dues aux diverses traductions du grec en arabe et d’arabe en latin, les alchimistes ont très tôt pris conscience de l’état de dégradation des traités qui constituaient leur bien commun. L’une des raisons qu’ils eurent d’écrire en vers a-t-elle pu être le désir d’éviter cette corruption des textes, la forme versifiée étant plus stable et plus contraignante que la prose ? C’est du moins l’une des raisons avancées par Robert M. Schuler pour expliquer l’abondance de la poésie alchimique en moyen anglais169. Cependant l’abondance qui caractérise l’Angleterre ne se retrouve pas au même degré dans les autres langues. Des témoignages restent à réunir, s’il se peut, pour corroborer ce point de vue — à commencer par des apparats critiques, dont l’examen serait déjà révélateur. Mais que penser des déclarations de Robert Duval (Robertus Vallensis) sur les fautes des poèmes médiévaux qu’il édite en 1561 ? « Encores sera ce humainement faict de les excuser tous, ou aulcuns d’iceulx, des faultes qu’on leur pourroit attribuer, & en charger ou le temps, ou la perplexité & difficulté de la matiere subjecte, ou bien les vices des exemplaires corrompus170. »
169 Schuler (1995), p. xxxiv. 170 Duval (1561), « Aux lecteurs », fol. *3v°. Sur Duval, voir Kahn (2007), p. 124-127.
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Ces poèmes ne sont donc pas exempts d’erreurs, qu’il ne faut pas, explique Duval, imputer aux auteurs, mais aux vicissitudes de la transmission des textes — fautes de copie dues à diverses raisons : copies défectueuses, langage trop vieux pour être compris par les copistes, ou même complexité du sujet traité (l’alchimie)171. De telles déclarations s’opposent diamétralement à l’hypothèse proposée par Schuler. Une autre raison d’écrire de l’alchimie en vers, soulignée par Schuler à juste titre, c’est le désir de se concilier la faveur d’un Grand. Au Moyen Age, mais plus encore à la Renaissance, ce motif a pu jouer, même dans des cas qui ne nous apparaissent pas comme tels, faute de renseignements sur l’auteur du poème et les circonstances de sa composition172. Mais c’est surtout en Angleterre, et pour des raisons qu’il reste à expliquer (influence dominante de Chaucer ?), que la poésie alchimique a pu obéir à cette motivation. Quoi qu’il en soit, au Moyen Age la poésie alchimique a surtout pour fonction de condenser des points de doctrine, susceptibles d’être ainsi mémorisés. L’exemple des sections alchimiques d’œuvres encyclopédiques comme le Roman de la Rose de Jean de Meun ou Der meide kranz de Heinrich von Mügeln, extraites de leur contexte et recopiées à part, est significatif, car aucune section alchimique en prose d’une encyclopédie médiévale n’a connu un tel sort (excepté celle du Secretum secretorum du pseudo-Aristote, mais elle n’en fut extraite et traduite en allemand que pour être versifiée). Cette fonction mnémonique, très largement représentée en langue allemande, est d’ailleurs solidement attestée dans les textes mêmes, comme on a pu le montrer dans le cas de Thomas Norton173. Toutefois, en latin, c’est plutôt l’expression figurée qui semble privilégiée. L’usage de la forme poétique peut alors servir des objectifs d’ordre esthétique, comme c’est le cas pour le Lumen secretorum de Johannes Ticinensis, les parties versifiées de la messe alchimique attribuée à Melchior Cibinensis ou les 131 hexamètres léonins de la Visio Arislei versifiée174, ce qui implique souvent un surcroît d’obscurité, imposé de façon quasi automatique par le principe selon lequel la partie la plus importante de l’enseignement alchimique doit être transmise sous forme voilée, à l’image des mythes de Platon, des fables des Anciens, des paraboles du Christ. Dans pareil cas, le lecteur moderne est porté à croire que la forme poétique faisait obstacle à l’objectif didactique, mais il est fort probable que le lecteur d’autrefois ne l’entendait pas ainsi, toute obscurité appelant à un nécessaire déchiffrement. Il reste que, du point de vue du succès rencontré, c’est bien la forme mnémonique, c’est-à-dire la plus aisément accessible, qui s’attira le plus de suffrages. 171 De fait, même si le passage à la forme versifiée conduit souvent à simplifier des doctrines,
la poésie alchimique ne manque pas d’exemples où la densité imposée par les vers conduit à obscurcir encore davantage le propos, de façon tout involontaire. 172 J’en donnerai plus loin un exemple manifeste avec la Palinodie chimique de Du Gault. 173 Schuler (1995), p. xxxv. 174 Voir ses caractéristiques dans Limbeck (1999), p. 183 : connaissance de la mythologie antique et de l’œuvre de Virgile, usage de termes rares, hellénismes inhabituellement nombreux, mais peu de recherche dans les rimes et dans l’ornement rhétorique.
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3. Le genre du poème didactique Les grands poèmes alchimiques didactiques, dont le rôle est de dispenser toute une doctrine généralement sous forme théorique, pratique et allégorique, sont rares au Moyen Age : hormis celui de Gratheus en moyen hollandais, qui ne fut pas ou très peu diffusé, on en connaît surtout à partir du XVe siècle, et seulement en France (La Fontaine des amoureux de science, puis Le Sommaire philosophique) et en Angleterre (ceux de Thomas Norton et de George Ripley). En allemand, on peut dire que le seul représentant de ce genre au Moyen Age est le poème de Gratheus — dans la mesure où ce texte relève d’une langue germanique ; mais si l’on considère la langue allemande au sens strict, il faut admettre que la poésie alchimique, si vivace qu’elle fût dans l’aire culturelle allemande, ne s’exprima au Moyen Age que par des poésies assez brèves et des Bildgedichte. 4. Outsiders Dans le corpus qui peut être établi de la poésie alchimique médiévale, on relève quelques auteurs étrangers à la tradition alchimique, mais qui y furent tôt ou tard annexés. Ce sont les poètes encyclopédiques qui ont écrit sur l’alchimie : Jean de Meun, Heinrich von Mügeln, John Gower. Il faut y ajouter Geoffrey Chaucer175. Fait exception le cas de Pierre Chastellain, qui, quoique ayant écrit sur l’alchimie, ne fut connu, semble-t-il, d’aucun alchimiste contemporain ou ultérieur. B. — L’époque moderne 1. Généralités 1.1. Poésie alchimique anglaise À partir du début du XVe siècle, l’Angleterre devient la patrie d’élection de la poésie alchimique. Elle le restera jusqu’à ce qu’elle cesse d’être pratiquée dans les Iles britanniques au début du XVIIIe siècle, à tel point qu’elle seule en Europe ne traduira pas le modèle entre tous à la Renaissance, Augurelli (comme me l’apprend Jennifer Rampling, la seule traduction anglaise d’Augurelli, en prose, est celle du Compendium paraphrasticum, également en prose, paru dans Ripley (1614), p. 85–106 ; elle se trouve à Amsterdam, BPH, ms. 46). L’un des poètes anglais du XVe siècle, George Ripley, acquiert une renommée qui ne connaît pas de frontières, qu’elles soient géographiques, temporelles ou même doctrinales, car les théories dont il se fait le vecteur s’adaptent aisément à de nouvelles doctrines176. 175 Cf. n. 52. 176 Voir Rampling (2010), p. 130–132 et plus loin, p. 124 et n. 188.
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1.2. Poésie alchimique française En langue française, la poésie alchimique est dominée jusqu’à la fin du XVIe siècle par l’influence du Roman de la Rose, comme on le voit non seulement avec le recueil parisien de poèmes alchimiques de 1561, mais encore avec le commentaire donné par Gohory, en 1572, au Livre de la Fontaine périlleuse. Cette influence médiévale n’exclut pas une ouverture aux modes poétiques successives de la Renaissance : Marot (traduction d’Augurelli par François Habert), Ronsard (Clovis Hesteau de Nuysement et le sieur de Beauvallet), Du Bartas ( Joseph Du Chesne), Desportes (Christofle de Gamon). Mais à partir du début du XVIIe siècle, il semble qu’on puisse parler en France d’un véritable échec de la poésie alchimique : on compose volontiers ce type de poésie, mais il n’est pas certain qu’elle soit très lue. Ce n’est pas elle, en tout cas, qui remportera les plus grands succès en France, tant s’en faut, auprès des alchimistes. Le Grand miroir du monde de Du Chesne resta sans lendemain, même si Christofle de Gamon rédigea à son tour une Semaine, ou Creation du monde contre celle de Du Bartas contenant quelques passages sur l’alchimie (1609), œuvre qui sombra rapidement dans l’oubli. Quant au Trésor des trésors de Gamon, en dépit du vaste commentaire alchimique qui lui fut adjoint, il ne fut jamais réellement intégré à la tradition alchimique — tout au moins pas avant 1948177. Les Prodiges chimiques du sieur de Beauvallet demeurèrent inconnus. Quant aux poèmes alchimiques de Nuysement, s’ils eurent quelque succès en France, ce fut surtout dans le sillage de ses Traictez du vray sel secret des philosophes. La poésie alchimique subsista en France, mais sans jamais être prise très au sérieux : seule la poésie alchimique néo-latine acquit assez d’autorité pour être régulièrement citée dans les traités en français du XVIIe siècle. La poésie alchimique française subit manifestement le sort qui fut celui de la poésie française tout au long du XVIIe siècle, celui d’une littérature d’agrément, sans que jamais ce statut ne se hausse jusqu’au goût du sublime178. 1.3. Poésie alchimique allemande À la Renaissance et au XVIIe siècle apparaissent de grands poèmes didactiques en allemand (notamment ceux de Thurneysser et de Jamsthaler), qu’il reste à étudier de façon détaillée. Des poésies plus modestes, de quelques dizaines de vers — parfois jusqu’à 200 — accompagnent d’illustres traités en prose, comme ceux de Basile Valentin (1599) ou de Johann Hartprecht (1656) : elles seront à ce titre traduites en plusieurs langues, mais elles ne résument pas pour autant les traités auxquels elles 177 C’est la date de la 1ère éd. d’Ygé (1976), p. 101–105. Cet ouvrage non dénué d’intérêt est
hélas entaché de nombreuses erreurs, à commencer par celles qui consistent à cataloguer comme alchimiques le pseudo-Baruch, par exemple, ou le poème de Lactance sur le phénix (pour ne rien dire de Cyrano de Bergerac). 178 Voir à nouveau Chométy (2006).
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sont liées179. La poésie alchimique allemande connaît à la Renaissance et à l’époque moderne un goût croissant pour l’énigme et le langage figuré. Le genre du Bildgedicht connaît alors son plein essor, largement favorisé par la vogue de l’emblématique à l’Âge baroque. 1.4. Poésie alchimique italienne La poésie alchimique italienne se caractérise surtout par son élégance à partir de la Renaissance. Mais le seul grand poème italien de la Renaissance, celui d’Allegretti, resté manuscrit, est demeuré dans l’ombre. La Lux obnubilata de F. M. Santinelli est le seul grand succès de la production italienne : un succès certes tardif, mais durable, et d’ampleur internationale. 1.5. Poésie alchimique néo-latine La poésie alchimique néo-latine est assez abondante, mais on y compte d’innombrables pièces liminaires et peu de grands poèmes. Après Augurelli, le seul auteur qui puisse lui être comparé en ampleur, c’est J. N. Furichius ; mais en termes de renommée, ce n’est pas Furichius : c’est Michael Maier. Il faut souligner l’importance centrale du poème d’Augurelli : son succès traverse en effet les frontières et les siècles (du XVIe au XVIIIe) ; il est remarqué au-delà même des cercles alchimiques, faisant notamment l’objet des critiques de J.-C. Scaliger (Poetices libri septem, 1ère éd. 1561), contre lesquelles réagira Michael Maier180 ; il suscite traducteurs, imitateurs et commentateurs en latin, en français, en italien et en allemand ; enfin, contribuant à l’essor de l’interprétation alchimique des mythes antiques, il marque également l’apparition d’une nouvelle doctrine dans l’alchimie : la doctrine ficinienne du spiritus mundi identifié à l’élixir et à la quintessence, doctrine dont l’influence va s’exercer durant plus de deux siècles auprès des alchimistes. Il est le modèle, la référence incontournable, du moins en France, en Allemagne et en Italie, et il vaudrait la peine d’examiner attentivement la question de sa possible influence sur la poésie alchimique anglaise des XVIe et XVIIe siècles.
179 Voir plus loin, Nr. 17 et Nr. 25. Le traité de Basile Valentin fut traduit en latin par Michael
Maier en 1618, en français en 1624 (remis en vente en 1659) et en anglais en 1657. Le poème Vom Salz accompagnait Der verlangete Dritte Anfang der Mineralischen Dinge de « J. F. H. S. » [ Johann Hartprecht], traduit en latin en 1658 sous le titre de Lucerna Salis Philosophorum, et en français en 1669 sous le titre de Traité du sel, troisieme principe des choses minerales, attribué au « Cosmopolite » (i. e. Michael Sendivogius). 180 Leibenguth (2002), p. 77 ; Reiser (2011), p. 52.
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2. La poésie alchimique et le marché du livre Qui édite les poèmes alchimiques médiévaux ? Des poètes parfois ( Johannes Rhenanus ou Nathan d’Aubigné), mais pas toujours : ce sont surtout, ce sont toujours des alchimistes. C’est en effet le contenu, plus que la forme littéraire, qui détermine la publication. Je ne connais qu’un seul contre-exemple à cette règle : les premières éditions — gothiques — de La Fontaine des amoureux de science de Jean de La Fontaine (c. 1506, 1521 et 1527), où l’accent est mis de toute évidence sur la forme littéraire et non sur le contenu, le poème alchimique étant accompagné ici de nombreux poèmes non alchimiques, telle La Fontaine des amoureux mondains, moralité inspirée de la légende de Narcisse et Écho, un Congé d’amour anonyme et des ensembles de rondeaux et de ballades181. Avec l’avènement de l’imprimerie, c’est parfois la perspective de la publication qui motive l’écriture du poème. On voit ce processus à l’œuvre avec Du Gault, dont la Palinodie chimique (1588) est expressément conçue pour l’impression, au nom de l’utilité publique. Si Du Gault la rédige en vers, c’est certainement pour mieux convaincre son lectorat, essentiellement composé de membres de la cour d’Henri III. Ce n’était pas la posture de Pierre Chastellain au siècle précédent, qui contait les mêmes aventures non pas dans le but d’écarter de l’alchimie d’éventuels amateurs, mais obéissant au mouvement même qui faisait alors se répandre de plus en plus le genre autobiographique dans la poésie lyrique (par exemple chez Guillaume de Machaut, Jehan Froissart ou Adam de la Halle)182. Lorsqu’on considère l’émulation éditoriale entre Lyon et Paris qui suscita plusieurs des éditions de La Fontaine des amoureux de science — la belle édition lyonnaise illustrée de Jean de Tournes en 1547, à laquelle répondit l’édition collective des poèmes alchimiques français à Paris en 1561 — ainsi que la traduction en vers d’Augurelli effectuée par un spécialiste de la poésie marotique, François Habert, éditée à Paris et répondant à la traduction en prose parue à Lyon l’année précédente, on ne peut pas nier que l’existence de l’imprimerie ait exercé quelque influence, tout au moins en France, sur l’édition — et même la traduction en vers — de poèmes alchimiques. On constate cependant que l’avènement de l’imprimerie n’a pas été, de façon plus générale, un facteur très déterminant dans la composition ou la publication de poèmes alchimiques : bien des poèmes sont restés en effet manuscrits, au XVIe comme au XVIIe et au XVIIIe siècle. De même, on ne peut pas dire que les possibilités offertes par l’imprimerie aient beaucoup contribué à l’essor du Bildgedicht alchimique : là encore, les copies manuscrites de telles œuvres sont légion à l’Âge baroque. L’imprimerie a par contre offert, là comme ailleurs, une standardisation de l’iconographie qui paraît s’être répercutée ensuite directement sur la production manuscrite183. Mais c’est là un aspect qui réclame de plus amples recherches. 181 Voir Kahn (1996), p. 324–327. 182 Voir Misch (1967), p. 311 ; Vitz (1975) ; Buck (1983) ; Die Autobiographie (1995). 183 Comme on peut le voir en feuilletant, par exemple, Van Lennep (1985).
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3. Questions de langues et de traductions Pourquoi composer des poèmes dans une autre langue que le latin au Moyen-Age ? Question apparemment naïve : les langues vernaculaires ne possédaient-elles pas alors leur propre dignité, et n’offraient-elles pas des modèles illustres ( Jean de Meun ou Geoffrey Chaucer, par exemple) ? Cependant, dans deux cas au moins, des poèmes rédigés en langue vernaculaire s’adressent explicitement à ceux qui ne sont pas clercs : celui de Gratheus en moyen hollandais, et celui de Jean de La Fontaine184. De telles déclarations sont assez rares pour être signalées. Mais rien ne dit que cette intention n’a pas tacitement présidé à l’écriture de plus d’un poème alchimique en langue vulgaire. Les traductions de poèmes alchimiques se font rarement en vers. Mentionnons cependant le cas de l’Epistola solis ad lunam crescentem, attribuée en latin à Senior Zadith, qui est la traduction en prose d’un poème alchimique arabe : ce texte latin va reprendre la forme poétique de son original arabe lorsqu’il sera traduit en vers allemands dans le Bildgedicht du Sol und Luna (XVe siècle). De même, The Ordinall of alchemy de Thomas Norton sera traduit en latin, mais en prose, par Michael Maier (1618), puis retraduit du latin en vers allemands en 1625185. Plus simplement, on voit aussi un poème médiéval latin, le Lumen secretorum de Johannes Ticinensis, être traduit en vers allemands au XVIe siècle. De même, Augurelli est traduit non seulement en prose, mais aussi en vers français (par un poète qui n’est pas alchimiste), puis en vers allemands (par un alchimiste qui est aussi poète). R. M. Schuler a aussi édité une traduction anglaise en vers, effectuée vers 1650, du recueil de 1561 De la transformation metallique, c’est-à-dire du Sommaire philosophique attribué à Flamel, des Remontrances de Nature à l’alchymiste errant de Jean Perréal et de La Fontaine des amoureux de science186. Autre cas valant d’être signalé : les figures du Bildgedicht de Lamspring inspirent un siècle plus tard un poème alchimique, Les Visions hermétiques de Nuysement. En revanche, le Poème philosophic de Nuysement sera certes traduit en anglais au cours du XVIIe siècle, mais en prose187. Une autre question à soulever ici est celle des frontières géographiques. Que l’on considère les cas que je viens d’énumérer, qu’on songe à celui des sonnets du Discours d’autheur incertain (1590) qui traduisent en vers le traité d’alchimie en prose latine d’un alchimiste d’Europe centrale (le Tractatus de cœlo terrestri de Venceslas Lavinius), ou qu’on rapproche ces cas de la grande vogue des poèmes alchimiques anglais de George Ripley au XVIe siècle en France et en Allemagne dès avant leur publication, on ne peut que conclure à la vaste diffusion de la poésie alchimique en Europe envers et contre toute barrière chronologique ou linguistique. Mais ce trait 184 185 186 187
Voir Kahn (1996), p. 330–337. Schuler (1995), p. xxviii. Ibid., p. 71–199. Ibid., p. xxxii, n. 26.
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n’est pas propre à la poésie alchimique : il s’applique à l’ensemble de cette littérature, qui est alors le bien commun de l’Europa chemica. 4. Outsiders Comme dans le cas du Moyen Age, quelques textes étrangers à la tradition alchimique ont été intégrés à ce panorama. Les Argonautiques d’Apollonios de Rhodes et les Argonautiques attribuées à Orphée ont été lues d’un œil alchimique à la Renaissance comme au XVIIe siècle : pour Elias Ashmole (étudié ci-après), elles constituaient un argument de poids dans la thèse qu’il soutenait de la grande ancienneté de la poésie alchimique. Autre texte étranger à la tradition alchimique : la Fontaine périlleuse, poème allégorique du XVe siècle interprété alchimiquement par Gohory. Comme avec les Argonautiques, on se trouve ici devant un cas de figure familier des historiens de l’alchimie : la lecture alchimique de ces poèmes n’est en effet qu’un cas particulier des phénomènes d’exégèse alchimique des textes littéraires, qui se multiplièrent à partir du XVe siècle. 5. Le contenu doctrinal ou pratique Dans l’ensemble, les poèmes alchimiques allemands transmettent continuellement des doctrines médiévales jusqu’au XVIIe siècle, ce qui n’exclut pas la présence dans leurs vers d’éléments plus modernes. Il en est de même dans une certaine mesure en France, avec les poèmes influencés par le Roman de la Rose et avec Les Visions hermétiques de Nuysement, qui suivent aussi un modèle alchimique médiéval. En Angleterre et dans toute l’Europe, l’immense fortune de George Ripley propage également des doctrines médiévales, mais celles-ci seront parfois réinterprétées au XVIIe siècle à la lumière de doctrines plus modernes, notamment par George Starkey (Eirenæus Philalethes), dont l’alchimie pourrait être en partie décrite comme une relecture de Bernard de Trèves (XIVe siècle) à la lumière de Michael Sendivogius (1566–1636) et de J.-B. van Helmont (1579–1644)188. Tout se passe donc comme si la poésie alchimique illustrait surtout la permanence de l’alchimie du Moyen Age jusqu’au cœur de l’époque moderne. Sachant que c’est surtout l’influence de Paracelse (mais aussi celle du spiritus mundi ficinien) qui marque le partage entre « Moyen Age » et « Renaissance » en matière d’alchimie, comment cette influence a-t-elle pu s’exercer dans la poésie alchimique ? On a vu plus haut que, çà et là, un traité d’alchimie paracelsienne (le De 188 Eirenæus Philalethes, Sir George Riplye’s Epistle to King Edward unfolded (1655), édité ainsi
sans l’accord de l’auteur ; la version « officielle » parut après sa mort sous le titre de Ripley reviv’ d (1678). Voir Newman (1994), p. 263 (n° 16), p. 268–269 (n° 22) et p. 272 (MS13).
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tinctura physicorum) avait transmis son imagerie à quelques poèmes alchimiques allemands. Le paracelsisme a cependant eu une certaine influence doctrinale sur la poésie alchimique allemande, par le biais des grandes œuvres poétiques de L. Thurneysser. En France, cette influence s’est surtout traduite par l’expérience du Grand miroir du monde de Joseph Du Chesne, tentative d’imitation paracelsienne de La Sepmaine de Du Bartas. On a longtemps cru que c’était ce poème qui avait transmis la doctrine des cinq éléments et principes (terre, eau, sel, soufre et mercure) qui se répandit dans les cours de chimie durant tout le XVIIe siècle, mais une recherche plus précise a montré que si ce poème exposait en effet cette doctrine, son discours poétique, tissu de périphrases, faisait plutôt obstacle à une telle transmission : le vecteur direct de cette doctrine fut en fait un autre traité, en latin et en prose, légèrement postérieur et dont l’auteur (Helisæus Röslin), partant des mêmes sources, était parvenu aux mêmes conclusions que Du Chesne indépendamment de lui189. Le Grand miroir du monde n’en a pas moins été le lieu d’une innovation doctrinale. Mais il n’a guère été reconnu comme tel, bien que Du Chesne lui-même y ait renvoyé le lecteur quelques années plus tard, dans un de ses traités en latin. La poésie alchimique s’est d’ailleurs révélée plus d’une fois apte à transmettre des doctrines cohérentes : Jennifer Rampling a montré, par exemple, comment George Ripley, dans son Compound of alchymy, adapta l’alchimie pseudo-lullienne à celle, contradictoire, de Guido de Montanor, élaborant ainsi une nouvelle théorie qui se répandit bientôt dans toute l’Europe — même si cette théorie fut ensuite réinterprétée par bien des lecteurs de Ripley190. Et on a déjà vu que la Chrysopœia d’Augurelli fut, grâce à son succès, le point de départ d’une nouvelle doctrine alchimique, même si elle fut relayée peu après dans ce rôle par le De occulta philosophia de H. C. Agrippa. Quant aux sonnets du Discours d’autheur incertain, si leur facture, leurs qualités poétiques contribuèrent certainement à leur succès, on est en droit d’attribuer aussi ce succès, pour une part, au fait qu’ils transmettaient à leur tour, sous une forme plus générale, la doctrine ficinienne du spiritus mundi alchimique. Peu de poèmes parmi ceux évoqués ici touchent de près la question de la pratique alchimique. Le Grand miroir du monde de Du Chesne fut jugé décevant à cet égard par le sieur de Ravignan. En revanche, le poème anonyme The Hermet’s Tale servit clairement ce but, au moins aux yeux de George Starkey — et sans doute aussi aux yeux de son éditeur, Elias Ashmole. Ce fut aussi le cas de plusieurs autres poèmes alchimiques, notamment ceux de Thomas Norton et de George Ripley. Une étude précise manque dans ce domaine. 189 Kahn (2009). Bernard Joly semble réfuter l’idée que cette doctrine se serait transmise grâce
à Röslin, car, dit-il, l’expérience de la distillation du bois qui sert à l’établir ne se trouverait que chez Du Chesne ( Joly 2011, p. 31, n. 33, se référant à la reprise de cette expérience en 1641 dans la Nouvelle lumière philosophique d’Étienne de Clave). Joly ne semble pas se rendre compte que la doctrine des cinq éléments et principes se transmet dès le début des années 1620, sans mention de cette expérience, qui est, au demeurant, directement adaptée de Paracelse (et avant lui, de Jābir ibn H.ayyān) : voir Bianchi (1994), p. 22. 190 Rampling (2008). Voir aussi Rampling (2012a).
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6. Conceptualisations de la poésie alchimique Exista-t-il des alchimistes pour exposer une théorie de la poésie alchimique, ce qu’elle devait être, quelles étaient ou devaient être ses tâches et ses moyens ? On dispose là encore de très peu d’éléments. George Ripley ne s’est pas étendu, semble-t-il, sur l’expression poétique de l’art transmutatoire. Augurelli n’a pas donné de préface à sa Chrysopœia, ni esquissé une théorie de la poésie alchimique néo-latine. Jacques Gohory, commentant le poème de La Fontaine périlleuse, ne s’est pas soucié de la question de la poésie : à ses yeux, poème, roman ou traité théorique, c’est tout un, du moment qu’il s’agit d’œuvres qui renferment, comme il le dit, « la congnoissance sacree des secretz de Nature » ; au reste, Gohory, même s’il a pu écrire incidemment que de tels romans ne faisaient en cela qu’imiter la poésie (renvoyant ainsi à la notion capitale de « théologie poétique »), s’est surtout impliqué dans les questions de la dialectique du roman et de l’histoire et dans la défense des romans de chevalerie, ne prêtant guère d’attention à la poésie en elle-même191. Même Robert Duval (Robertus Vallensis), dans son édition du recueil De la transformation metallique (1561), en présentant les poèmes alchimiques inspirés du Roman de la Rose, est resté assez vague : Or croy-je bien que vous ne depriserez cesdictz autheurs pour leur stile : car encores que leurs vers ne ayent, quant aux motz, la grace de ceulx de Marot, ou de plusieurs aultres poëtes de nostre temps, c’est assés qu’ilz enseignent choses exquises & precieuses, lesqueles sont sovent cachées soubz quelque vil habit192.
Le seul élément de théorisation qui apparaisse ici, c’est le topos alchimique de la pierre de grand prix cachée sous un vil déguisement193. En d’autres termes, Duval s’excuse du peu d’élégance des poèmes qu’il édite, et justifie ce peu d’élégance par le fait qu’en alchimie, ce qui a du prix est fréquemment caché sous une vile apparence. Piètre « défense et illustration », en vérité, de la poésie alchimique. On ne saurait non plus faire fonds sur le sieur de Ravignan, membre de l’Académie de Navarre et ami de Joseph Du Chesne, dont le seul avis sur la poésie scientifique, émis en 1601 à propos du Grand miroir du monde, consiste à dénier à celle-ci tout débouché pratique, toute aptitude à enseigner les sciences, ne lui accordant que la capacité de mettre en relief la « gaillardise de l’esprit ». Quant à Michael Maier, ce qu’on peut appréhender de ses conceptions sur la poésie (outre son adhésion à la notion de « théologie poétique », qui ne différencie pas les vers des textes en prose) n’apparaît guère dans son épître dédicatoire ou dans un texte théorique, mais se déduit, à force d’érudition, d’une connaissance intime de son œuvre, de ses sources et des milieux littéraires et intellectuels qu’il fréquenta194. 191 Kahn 2 (à paraître), p. 21–26. 192 Duval (1561), « Aux lecteurs », fol. *3v°. 193 Voir par exemple les vers latins du XIVe siècle cités au début de cet article (Est lapis occultus,
[…] fimo vel stercore tectus, etc.).
194 Ce n’est là qu’un des aspects du remarquable travail de Leibenguth (2002).
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Il faut attendre l’Angleterre du milieu du XVIIe siècle pour voir enfin surgir de réelles considérations théoriques sur la poésie alchimique en tant que telle, pleinement assimilée à la « théologie poétique ». Ce type de considérations se trouve simultanément dans la préface d’Elias Ashmole au Theatrum Chemicum Britannicum (1652) et, plus encore, dans le Lithochymicus de Bassett Jones (c. 1650). Il est permis de penser — je vais y revenir plus loin — qu’il s’agit là d’une réaction très réfléchie contre l’hostilité déclarée de Francis Bacon à l’interprétation alchimique de la mythologie. S’interrogeant dans sa préface sur la précellence de la prose ou de la poésie, Elias Ashmole tranche résolument en faveur de la poésie, invoquant l’ancienneté d’Orphée et de son poème des Argonautiques — qui est, à ses yeux, un traité d’alchimie. À cette ancienneté s’ajoutent les qualités natives de la poésie : elle est « si naturelle et universelle » qu’Ashmole la regarde comme une forme d’éloquence « héréditaire », propre à l’humanité entière : toute nation n’a-t-elle pas un Homère, un Virgile, un Ovide ? Puis Ashmole considère le cas de l’Angleterre, dont le poète le plus ancien est, selon lui, ce « Rasis Cestrensis » à qui étaient attribués une partie des poèmes alchimiques latins médiévaux publiés par Johannes Rhenanus en 1625195. Ashmole souligne en effet l’existence, parmi ces poèmes médiévaux, d’une Responsio Rasis Cestrensis filio suo Merlino196 qui montre que ce Rasis Cestrensis n’était autre que le contemporain de Merlin lui-même, et son maître dans cet art (de même que Linus, évoqué plus haut par Ashmole, était le maître d’Orphée)197. Ashmole signale en outre le cas d’Hortulanus — un auteur du XIVe siècle, apparemment français, mais Ashmole puise à des sources moins fiables que les nôtres : en l’occurrence, les Symbola aureae mensae duodecim Nationum de Michael Maier (1617). Ce dernier se fondait lui-même sur une publication bâloise de 1560, le Compendium alchimiae faussement attribué au poète et grammairien anglais Jean de Garlande (c. 1190 – c. 1270), où était publié sous le nom de ce dernier le commentaire d’Hortulanus sur la Table d’émeraude198. Pour cette raison, Maier (suivi en cela par Ashmole) considère Jean de Garlande et Hortulanus comme un seul et même auteur, prend pour argent comptant la biographie erronée de Jean de Garlande par quoi s’achevait le Compendium alchimiae (situant son existence vers l’an 1040)199, et, faisant allusion au long séjour de Jean de Garlande en France, il explique que, parce qu’Hortulanus « fut le premier qui porta les Muses chymiques des contrées d’au-delà des mers jusque
195 Cf. n. 21. 196 C’est le titre du chap. 2 du Lumen luminum attribué à Rasis Cestrensis (cf. n. 21), p. 94. 197 Ashmole se fonde ici sur la liste d’alchimistes anglais établie par Ludwig Combach dans
son édition de Ripley (1649), Préface, fol. 3v° (et non 7r°), qui commence par « Rasis Cestrensis », suivi de « Merlinus » (voir Rampling 2012b, p. 496), mais il interprète ces données à sa façon. 198 [Ps.-]Jean de Garlande (1560), p. 1–32. 199 Ibid., p. 174.
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dans cette île », il fut nommé « Garland » (guirlande) en raison de sa « couronne hermétique et poétique »200. Ayant ainsi établi la primauté de la poésie alchimique sur la prose sur la base de son ancienneté, il en vient à ses « effets » : la poésie possède « une vie, un rythme, une secrète énergie » qui laissent dans les esprits une bien plus profonde impression que la prose ; de plus, c’est « dans la partie la plus parabolique et allusive » de la poésie que les Anciens enveloppèrent leurs mystères les plus importants, cette partie étant à leurs yeux « la plus sacrée, la plus vénérable et la plus sûre » dans sa capacité de garder les profanes à distance, si bien que la sagesse et la politique des Anciens consista d’abord à trouver une façon d’enseigner leurs connaissances, puis un art de les dissimuler, et cet art fut la poésie201. Ashmole prolonge ainsi jusqu’au cœur du XVIIe siècle un discours sur l’identité de la poésie ancienne et de la prisca sapientia qui a été celui de toute une part de la Renaissance. Mais si ce discours fut très tôt annexé par les alchimistes au bénéfice de leur art — dès le XIVe siècle —, il faut bien reconnaître que c’est la première fois que ce discours s’applique spécifiquement à la poésie alchimique et non à la mythologie — et à la poésie en tant que genre littéraire distinct de la prose et doté de ses propres particularités. Il se peut fort bien qu’en reconduisant ce discours avec tant d’insistance, Ashmole cherche à contrer de façon éclatante les mots assassins de Francis Bacon contre l’exégèse alchimique de la fable antique, placés en tête de la préface de son De sapientia veterum (1609)202. Et c’est bien sûr cette conception de la poésie alchimique qui
200 Maier (1972), p. 456–458, ici 458 : « primus Chymicas Musas ex transmarinis locis in eam
insulam secum portavit & Coronam (quod garland anglice sonat) tam Hermeticam, quam poeticam ad suos transtulit […]. » Cf. Ashmole (1652), fol. [B3]r° : « And for the Second [i. e. Hortulanus] He was the first Christian Philosopher after Morienus, who (travelling abroad and returning hither in the Raigne of William the Conquerour) because he was the first that Transplanted the Chemicall Muses from remotest Parts into his own Country, is called Garland, ab Coronam Hermeticam & Poeticam [sic]. » 201 Ashmole (1652), fol. [B3]v°. 202 Francis Bacon, De Sapientia Veterum, « Praefatio » ; trad. angl. par Arthur Gorges (1619), in : Bacon (1696), in fine, non paginé : « Neither am I ignorant […] how great the commodity of Wit and Discourse is, that is able to apply things well, yet so as never meant by the first Authors. But I remember that this liberty hath been lately much abused, in that many, to purchase the reverence of Antiquity to their own Inventions and Fancies, have for the same intent laboured to wrest many Poetical Fables : Neither hath this old and common Vanity been used only of late, or now and then : For even Chrysippus long ago did (as an Interpreter of Dreams) ascribe the Opinions of the Stoicks to the Ancient Poets ; and more sottishly do the Chymists appropriate the Fancies and Delights of Poets in the Transformation of Bodies, to the Experiments of their Fornace. » — Bacon reprenait ici, pour l’appliquer aux alchimistes, l’accusation bien connue de Cicéron contre Chrysippe (De natura deorum, I, 15, 41) : « Chrysippe prétend accommoder les récits fabuleux d’Orphée, d’Hésiode, d’Homère, de façon que les anciens poètes, qui n’ont jamais eu le moindre soupçon de leurs théories, soient mués en stoïciens » (cité par Hadot 2008, p. 69).
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explique — en dépit du caractère souvent prosaïque des poèmes alchimiques de son Theatrum — qu’Ashmole ait investi tant d’énergie dans la collecte et l’annotation des pièces de son anthologie203. Des vues très comparables s’observent dans les mêmes années, toujours en Angleterre, dans le Lithochymicus de Bassett Jones. Dans ce vaste poème, Jones « mêle la figure du dieu soleil “harpiste” (Apollon) à celle du roi David, célèbre les pouvoirs réconfortants de la musique et se conçoit lui-même sous la triple apparence de mage, de barde et d’alchimiste dans la lignée de Merlin. De plus, sa figure platonicienne de prédilection est Diotima, celle qui souligna que tandis que les écrivains maniaient le langage afin d’exprimer par des mots les émotions humaines, seul le poète s’exprimait de façon musicale, sa musique étant l’essence même de son art »204. Ainsi les seuls éléments de conceptualisation de la poésie alchimique qui soient au niveau de ses plus hautes ambitions n’apparaissent qu’à la fin de son histoire, après coup, dans l’aire culturelle qui est alors la plus sujette à un enthousiasme généralisé pour le paracelsisme, l’alchimie et le millénarisme205. Autant dire qu’ils n’eurent guère d’influence hors d’Angleterre, et qu’ils étaient voués à un prompt oubli. La poésie alchimique présente donc à l’historien l’aspect d’une vaste région arborescente, d’une grande richesse et d’une grande variété, mais qui ne représenta dans l’alchimie qu’un rameau marginal de sa littérature, sauf en Angleterre, où elle se trouva très tôt en position de rivaliser avec la prose, et avec de rares exceptions dans le reste de l’Europe : en Allemagne (Bildgedichte), en France (poèmes inspirés par le Roman de la Rose), dans la poésie néo-latine (Augurelli, Maier et Furichius), enfin en Italie à la fin du XVIIe siècle (F. M. Santinelli, Lux obnubilata).
203 Schuler (1995), p. xli–xlii. 204 Ibid., p. xxxix. 205 Cette vogue sans précédent est en rapport direct avec la Révolution puritaine. Voir Rattansi
(1964) ; Mendelsohn (1992).
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Abb. 1: Heinrich von Mügeln, Der Meide Kranz. Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 14, Bl. 17v (1407).
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Annexe 1 Heinrich von Mügeln, Der Meide Kranz 206 Hie Alchimia kündet das, wie in naturen grunde was mensch, esel, pfert und ochse glich : des wirt uß kupfer gimme rich. Die zende Alchimia hiß, die ir ein urteil werden liß. sie sprach : « ich bin der künste kunst, wie das mich flüt der toren gunst : ein iglich kunst ist in ir war, ab sie der tore nicht erfar : es ist kein dink, des sache nicht recht elich orden hab geticht : die kunst die ist unschuldik dran, ab Heinrich nicht wol tichten kan. in der naturen grunde nicht schelt kupfer, golt, nature spricht : ein iglich erz geboren wart uß swebels und queksilbers art : des himmels blik und ouch die stat zin unde golt gescheiden hat das laß dir nicht ein wunder sin : kint, wer der sam des vaters din gegoßen in ein ander stat, ein ander form du hettst gehat : die stat gebürt ein anefank ist sam der vater ane wank. die farben ler ich dich von erst, darnach zu den höchsten kerst. uß swebel und queksilber wirt zinober : daran nimant irt, ab ers kan malen in den topf ; lasure flicht den selben zopf mit salze armoniaco : die farben ler ich alle so. du merkest warheit miner kunst, dempft dich nicht unvernünste dunst. 206 Heinrich von Mügeln, éd. Jahr (1908), v. 565–618.
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das silber wandel ich in golt uß miner richen künste solt : alun ich nem und minium, mit salze armoniacum, tutiam und den grünspan, sal nitri muß ich darzu han. ich sag : das ist der ware wek, ab du kanst finden minen stek : (der esel bi dem brunn erdürst, des sin vernunst nicht hat gefürst). sust silber, gold ich machen kan, den alle kunst ist undertan ; der werlde zir und ir gelit sich uß mir wirket unde smit. des mag ich in der kronen stan, sint ich das golt gemachet han der maget, in der herzen touf gots kint von einem worte trouf.
Annexe 2 G. A. Augurelli, Chrysopœia, lib. II 207 Nunc age materiam : tantæ quam præstitit arti Natura expediam […] Est lucus summo secreti in vertice montis : Fons ubi decurrit nitidis argenteus undis : Et specus exesum tendens aperitur in antrum. Intus habet præstans divino numine Virgo : Ruricolæ Glauram prisco quam nomine dicunt. Huc densos inter vepres angustus & asper Acclivisque ægre perducit callis euntem. Vestibulum ante ipsum speluncæ lævis & æqua Planicies : non ampla tamen : horrentibus umbris Cingitur : ac fluvii ripis : & margine tophi : Obducta viridi musco spissisque corymbis. 207 Augurelli (1515), Livre II, fol. [e iii]r°-v° ; Manget (1702), t. II, p. 379a. Augurelli (1626),
p. 63–65. Je donne à la suite ma propre traduction, en remerciant Jean-Marc Mandosio de son concours. On peut également comparer avec la traduction en vers de Knorr von Rosenroth, dans Van Helmont (1683), p. 1079–1080.
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Ingreditur vero siquis feliciter : omnem Continuo labem humanam : mirabile dictu : Exuit : ac pondus subito mortale relinquit : Et purus penitusque levis fit spiritus illi : Quique aditus lustret cunctos : agilisque feratur Per cuneos : quibus in mediis sedet aurea nympha : Aureus & circum thalamus : supraque renidet : Quin auri tabulæ pedibus calcantur euntum : Atque ipsa ex auro splendet conflata supellex. Tarvisiis : ne qua titubes in montibus antrum Hoc pete : qui rebus tantis primordia quæris : Quodque illic visum fuerit preciosius : inde Erue : nec sumptu nimio : nec parce labori. Or sus je veux d’intelligence entiere Vous declarer à present la matiere Qui par nature a esté ordonnée A cet art cy de haute destinée […] Un bois s’y ha dessus la sommité D’un mont secret, auquel une fontaine Court, comme Argent liquide & souveraine. Une caverne ouverte en ce lieu est, Où une vierge habite & fait arrest, Tres-excellente, & a qui l’on assigne Le los & droit de puissance divine, Les Laboureurs la nommerent Glaura, Et ce nom vieil depuis luy demeura, Par un chemin estroit, aspre & moleste D’espais buissons cette vierge celeste [sic] Non à son aise à la caverne vient, Ou en montant aller il luy convient, Tout au devant de l’entrée d’icelle Une Plaine est non ample, mais bien telle, Que circuite elle est d’obscurs umbrages, Semblablement d’aquatiques rivages, Environnée elle est aussi de Trophes Qui pierres sont, & pour autres estofes, De mousse verte elle est environnée, Et de plusieurs Corymbes exornée, Et si aucun entre prosperement En ce lieu là, il laisse promptement Toute macule humaine detestable : Et (ce qui est encor plus admirable)
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Il se despoüille en cette place belle De toute charge, & pesanteur mortelle, Et d’un esprit agile est revestu Pur & leger, ayant cette vertu Qu’il est porté par les pertuis grand erre Et par les creux conduicts de cette Terre Par le milieu desquels est honorée, Et là se sied cette Nymphe dorée. D’Or reluisant son lict est decoré Dessus, dessous, & alentour doré, Dessous les pieds tables d’or sont foulées Par ceux qui vont en ces riches allées. Et ce qui est plus admirable encor De sa vaisselle exquise ce n’est qu’Or. Donc toy qui vas les principes cherchant D’œuvres si grands, pour n’estre trébuchant, Soigneusement il faut que tu t’advises De t’en aller aux montagnes Tarvises Pour rencontrer ce lieu delicieux, Et ce que là verras plus precieux, Prens, & n’espargne aucunement ton bien, Ne ton labeur, & le tout ira bien […]. Traduction moderne : « Allons, je vous déclarerai maintenant la matière qui a été assignée par Nature à un si grand art […]. Il est un bois, au faîte d’un mont secret, où courent les eaux scintillantes d’une fontaine d’argent, et où s’ouvre un creux de roche donnant sur une caverne désolée. Là vit une vierge très excellente, dotée d’une puissance divine. Les laboureurs lui donnent l’antique nom de Glaura. Un âpre sentier, étroit, montant, par des taillis touffus, conduit le voyageur, non sans mal, à cette grotte. Tout au devant de l’entrée de la grotte, un terrain plat, lisse et uni, mais guère large, est environné d’obscurs ombrages et recouvert, sur les berges de la rivière et sur les bords du tuf, d’une mousse verte et d’épaisses grappes de lierre. Qui a la chance d’y pénétrer — c’est merveille de le dire — se dépouille à l’instant de toute souillure humaine, quitte aussitôt sa pesanteur mortelle et se trouve revêtu d’un esprit pur et si léger que, parcourant tous les accès, il se porte prestement sur les gradins au centre desquels siège la nymphe dorée. D’or est aussi l’alcôve qui brille à l’entour et en haut ; bien plus, les dalles que les passants foulent de leurs pieds sont d’or ; et la vaisselle même resplendit de l’or dont elle est faite. Cette grotte, pour ne pas t’égarer, cherche-la dans les monts Trévisans, toi qui recherches les principes de si grandes choses, et ce que tu y auras vu de plus précieux, extrais-le de là, sans compter ni ta dépense, ni ta peine. »
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Annexe 3 The Hermets Tale (1ère moitié du XVIIe siècle ?) 208 […] Vulcan went to his Forge, the Sonne to bed, But both were up betimes to meete againe ; Next morne after the storme a pale soule dead Was found att bottome of this faire Fountaine. Smith (said Apollo) helpe to lade this spring, That I may raise to life yonder dead thing. Then Vulcan held Apollo by the heele, While he lades out the Waters of the Well ; Boweing and straining made Apollo feele Blood from his nose, that in the fountaine fell. Vulcan (quoth he) this Accident of blood Is that or nought must doe this Creature good. He spake the word, and Vulcan sawe itt done, Looke Sol (said he) I see itt changeth hue, Fewe Gods have vertue like to thee ô Sonne, From pale itt is become a ruddy blue ; Vulcan (quoth Phœbus) take itt to thy forge, Warme it, rubb it, lett itt caste the Gorge. Thus Vulcan did, itt spued the Waters out, And then itt spake and cry’de itt was a cold ; Then Vulcan stuft and cloath’d it round about, And made the Stone as hott as ere itt would. Thus fourteene dayes itt sickly did indure, The Sonne came every day to se the cure. As it grewe on the cullers went and came Blewe, black, white, red, as by the warmth and heate, The humors moved were, within the same, Then Phœbus bad him put it in a sweate Which Vulcan plide so well, it grewe all red, Then was it sounde, and calde for drinke and bread. […] 208 Ashmole (1652), p. 417–418.
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Annexe 4 J. N. Furichius, Chryseis, lib. III, vers 53–81209 […] Hæc simul ac dixit, thermas descendere in altas Visus Apollo fuit, seseque immergere lymphis. Interea dum ludit aquis prolutus amœnis, Deliquium invadit mentis, tenerosque per artus Perreptat glacies. Mox prodit concio divûm : Consultant medici divi : suffragia poscit Alipes ille deus. Dic tu, Saturne, deorum Quid sentis, inquit, genitor ? Quæ caussa doloris ? Te penes est etenim secreta scientia rerum. Huic ita Saturnus : Vera inquis : temporis author Sum verusque parens : meus est et Olympus et Orcus, Hujus de latebris per Mundum semino mortem, Illius at latices me fundunt auspice vitam. Ne turbate animos : falce hac percussus Apollo Semianimis cecidit, vitreo dum fonte lavabat. Hæc namque arma fluunt grave olente peruncta veneno : Non tamen extinxi. Namque est carissima proles, Delicium proprio quamvis sit sanguine vesci : Et licet effundat ê corde cruoris, Non animam tamen efflabit. Nam vita deorum Immortalis agit, crudelis nescia fati. Hæc nostri feci caussa, generosus ut humor Exfricet has rugas, et tetri plumbea vultus Terricula, et parili vos omnes mactet honore. Namque cruor Phœbi nostro de corpore sordes Abluit, et vita dat nobiliore potiri. Hujus ego interea vitæ fundamina fovi, Ad se dum redeat, porgatque cuique coronam Ex auro effectam, gemmisque rubentibus auctam. Traduction de Thomas Reiser : Sobald er dies gesagt hatte, sah man, wie Apoll in tiefe warme Quellen hinabstieg und in die Wasser eintauchte. Dieweil er sich von den angenehmen Fluten 209 Furichius (1631), p. 27–28 ; Reiser (2011), p. 122–123. Je suis le texte de 1631, qui porte
quæ au 8e vers (Reiser : quid), au 15e Semianimis (Reiser : Seminianimis) et porgatque à l’avant-dernier (Reiser : pergatque).
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überströmt seine Zeit vertreibt, überkommt [ihn] geistige Umnachtung, und durch die feinen Gliedmaßen kriecht eine Starre. Bald tritt die Götterschar auf. Man zieht die für Heilung zuständigen Götter heran. Eine Beratschlagung fordert jener Gott mit den Flügelschuhen. “Sprich Du, Saturn, Erzeuger der Götter, sagt er, was denkst Du ? Was ist die Ursache des Leidens ? In Deinem Besitz ist das geheime Wissen von den Dingen.” Darauf antwortete folgendermaßen Saturn : “Du sprichst Wahres. Ich bin der Urheber der Zeit und der wahrhaftige Vater. Mein ist der Olymp, wie auch der Orcus, aus dessen verborgenen Winkeln ich den Tod in die Welt aussähe, andererseits verströmen die Wasser von jenem unter meiner Gutheißung Leben. Laßt den Mut nicht sinken. Von dieser Sichel durchbohrt fiel Apollo halbtot, während er sich im gläsernen Quell wusch. Denn wahrlich triefen diese Waffen schwer bestrichenen von übelriechendem Gift. Dennoch habe ich ihn nicht getötet. Denn fürwahr ist er der teuerste Nachkomme, wie sehr es auch eine Wonne sein mag, sich am eigenen Fleisch und Blut zu laben. Und wenn er auch aus dem Herzen einen Schwall von Blut ergießt, wird er dennoch die Seele nicht aushauchen. Denn er lebt das unsterbliche Leben der Götter, welches das grausame Schicksal nicht kennt. Dies tat ich um unsretwillen, damit der edle Saft diese Runzeln glättet und die bleiernen Schrecknisse des häßlichen Antlitzes, und euch alle mit gleicher Pracht beschenkt. Denn fürwahr wäscht das Blut des Phöbus allen Schmutz von unserem Körper und gibt, daß wir eines vornehmeren Lebens teilhaftig werden. Unterdessen hegte ich die Grundlagen von dessen Leben, damit er, sobald er zu sich zurückkehrt, einem jeden eine Krone überreicht, aus Gold gefertigt und mit roten Edelsteinen geziert. “
Bibliographie Al-Hassan (2004) : Ahmad Y. Al-Hassan, « The Arabic original of Liber de compositione alche miæ », Arabic Sciences and Philosophy, 14 (2004), p. 213–232. Allegretti, éd. Gabriele (1981) : Antonio Allegretti, De la trasmutatione de metalli, éd. Mino Gabriele, Roma : Edizioni Mediterranee, 1981. Arbizzoni (2005) : Guido Arbizzoni, « Lazzarelli, Ludovico », DBI, t. 64 (2005), p. 180–184. Ashmole (1652) : Elias Ashmole, Theatrum Chemicum Britannicum. Containing Severall Poeticall Pieces of our Famous English Philosophers, who have written the Hermetique Mysteries in their owne Ancient Language, Londres : J. Grismond pour Nathan Brooke, 1652. Aubigné (1653) : Nathan d’Aubigné, Carmen aureum ad Janum Cusinum, in : Nathan d’Aubigné, Bibliotheca Chemica Contracta Ex delectu & emendatione Nathanis Albinei D. M. In gratiam & commodum artis Chemicæ studiosorum, Genève : aux frais de Jean Antoine et Samuel de Tournes, 1653, p. 73–77 (je n’ai pas pu consulter la version de 1639 de ce recueil). Augurelli (1515) : Giovanni Aurelio Augurelli, Joannis Aurelii Augurelli P. Ariminensis Chrysopœiæ Libri III et Geronticon Liber primus, Venezia : Simone de Luere, 1515. Augurelli (1548) : G. A. Augurelli, Facture de l’Or trois livres, par Jean Aurel Augurel. Traduit de Latin en Françoys [par Guillaume Roville ?], Lyon : [Thibault Payen pour] Pierre de Tours, 1548. Augurelli (1549) et (1626) : G. A. Augurelli, Les trois Livres de la Chrysopee, c’est à dire L’art de faire l’Or, contenants plusieurs choses naturelles, traduicts de Jean Aurelle Augurel poete latin
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Vorbemerkungen Die folgenden Abschnitte gelten deutschsprachigen Alchemikerdichtungen des 15. bis 17. Jahrhunderts. Vereint wurden seit den 1970er Jahren an unterschiedlichen Orten publizierte Einzelstudien, doch handelt es sich um keine antiquarischstumpfe Wiedergabe verblichener Untersuchungen: Der in Alchemie und Poesie in den Blick gerückte Schriftbereich wurde von Literar-, Sprach- oder Wissenschaftshistorikern während der letzten Jahrzehnte wenn schon nicht ausdrücklich ignoriert1, so doch nur selten betreten, so daß manche Studien in forschungsgeschichtlicher Sicht keineswegs »überholt« worden sind. Freilich ermunterten manche Beobachtungen, einige Studien neu zu fassen; andere blieben textlich unangetastet (schiere Druckversehen und Übertragungsfehler ausgenommen), doch wurden alle unverändert wiedergegebenen Aufsätze mittels vertiefender und korrigierender Addenda aktualisiert (siehe dazu S. 1039–1042: Editorische Notiz), und es versteht sich, daß im Anschluß an manchen Erstdruck der vorliegenden Aufsätze entstandene Untersuchungen, eine Publikation ausgenommen2, in den Addenda eingearbeitet worden sind. Maßgeblich für die Abfolge der in Alchemie und Poesie versammelten Studien war die Entstehungszeit der jeweils untersuchten Poemata. Eine Vereinheitlichung der von den Herausgebern der Erstabdrucke jeweils verlangten und oft stark voneinander abweichenden Darbietungsweisen und Zitiertechniken unterblieb. Im Unterschied zu einigen Erstabdrucken fanden jedoch alle textkritischen Apparate nun jeweils unter dem edierten Text ihren Platz.
1
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An einer ausdrücklichen Mißachtung deutschen Sachschrifttums alchemischen Inhalts unter Universitätslehrern mangelt es indes nicht. Gestützt auf ein sprach- und wissenschaftshistorisch krauses Argument erklärte die Linguistin Mechthild Habermann (Die Ausbildung von Fachsprachlichkeit im Frühneuhochdeutschen, in: Frühneuhochdeutsch – Aufgaben und Probleme seiner linguistischen Beschreibung, hrsg. von Anja Lobenstein-Reichmann und Oskar Reichmann, Hildesheim 2011 [Germanistische Linguistik, Bd. 213–215], S. 611– 630, hier S. 622): »Auf die im Bereich der Alchimie entwickelten Symbole, wie sie sich etwa bei Paracelsus oder bei Leonhard Thurneisser zum Thurn finden, soll [. . .] nicht eingegangen werden, bewegen sich doch die Anfänge der Chemie zwischen Magie und Wissenschaft«. Man findet die in den Abschnitten Nr. 1–6 und 8–9 untersuchten Dichtungen in folgender Publikation berücksichtigt: Michael Horchler, Die Alchemie in der deutschen Literatur des Mittelalters. Ein Forschungsbericht über die deutsche alchemistische Fachliteratur des ausgehenden Mittelalters, Baden-Baden 2005 (DWV-Schriften zur Medizingeschichte, Bd. 2). Horchlers Darlegungen gelten den Erstdrucken der Abschnitte Nr. 1 (Horchler, 2005, S. 221–224), Nr. 2 (S. 224–234), Nr. 3 (S. 209–211), Nr. 4 (S. 212f.), Nr. 5 (S. 213–221), Nr. 6 (S. 190–198), Nr. 8 (S. 206–209), Nr. 9 (S. 187–190). Es bieten sich freilich fast ausnahmslos in oft äußerst enger Anlehnung an die Erstdrucke formulierte und mittels ausgiebiger Textwiedergaben geschwellte Referate; sie wurden aufgrund ihres weitgehend uneigenständigen Charakters in den vorliegenden Addenda nicht vermerkt.
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Vorbemerkungen
Desiderata Die in Alchemie und Poesie untersuchten Alchemikerdichtungen stammen überwiegend aus der Feder von Verfassern, deren Lebensgeschichte sich oft einer näheren Kenntnis entzieht, ein durchaus mißlicher Umstand, kann man sich doch bei der Beurteilung gewisser literar- und wissenschaftshistorisch belangvoller Aspekte auf keine vielleicht aufschlußreichen Anhaltspunkte stützen. Zum anderen stellte sich immer wieder heraus, daß sich Ergebnisse zu Zustand und Bestand, wie sie sich bei einer ersten Bekanntschaft mit bestimmten Dichtungen zunächst ergaben, bei weiterem Zusehen oft als äußerst unzuverlässig erwiesen. Nur allzu oft nötigte dieser Befund zu einer jeweils möglichst gründlichen Heuristik in der oft noch unzureichend erschlossenen Alchemicaüberlieferung in Handschrift und Druck, ja erwiesen sich Textkritik und Edition oft als dringlichere Aufgaben als die Suche nach Antworten auf literar-, wissenschafts- und kulturhistorisch weitgreifendere Fragen. Gleichsam wider Willen liegen mit Alchemie und Poesie Studien vor, die, um mit einer Wendung Gotthold Ephraim Lessings zu reden, jeweils »nach der Quelle schmecken«3, aber diese Quellen oft nicht ausschöpfen. So werden Leser, die vielleicht erwarten, nun möglichst alle frühneuzeitlichen Verfasser deutschsprachiger Alchemikerdichtungen versammelt zu finden, den Band enttäuscht beiseite legen. Autoren wie Lamspring, Urheber eines in lateinischer Übersetzung (1599) und deutscher Fassung (1625) gedruckten Vers/Bild-Traktats Vom Stein der Weisen (um 1500)4, oder Thomas von Rappolt ( Jäger-Lust Oder Philosophischer Nymphen-Fang, 1635)5, die bereits Einzug in die Historiographie hielten, aber auch manche unzureichend oder gar nicht untersuchte Lehrdichtungen, etwa Werke der Paracelsisten Leonhard Thurneisser (Archidoxa, 1569; Quinta essentia, 1570; Erklerunge [. . .] der Archidoxen, 1575)6 und Sebastian Greiff (Apologia [. . .] Wider das Famos Libell [. . .] von den Alchimistischen Artzten, 1589), eine Versepistel von Konrad Greutter (16. Jh.)7, Georg Fügers Gesang von der Materia Prima (1603)8, Georg Neidharts Paradisus 3
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Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766), Tl. 1, Vorrede, zitiert nach der Laokoon-Ausgabe Leipzig 1944 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 271/271a), S. 6 bzw. Tl. 1, Berlin 1766, S. *4v. Zu Lamspring resümierend: Killy Literaturlexikon, Bd. 7 (2010), S. 184–186 ( J. Telle). Rosmarie Zeller: Hermetisches Sprechen in alchemischen Texten. Die »Jäger-Lust« von Thomas Rappolt, in: Konzepte des Hermetismus in der Literatur der frühen Neuzeit, hrsg. von Peter-André Alt und Volkhard Wels, Göttingen 2010 (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Bd. 8), S. 195–212; dazu siehe Killy Literaturlexikon, Bd. 9 (2010), S. 425 ( J. Telle). Zu Thurneisser bilanzierend: Killy Literaturlexikon, Bd. 11 (2011), S. 520–522 ( J. Telle). Konrad Greutter: Versepistel an Tobias Kneulin (Augsburg), in: Halle, UB, Ms. 25 G 22, Bl. 191r–192v. Georg Füger: Gesang von der Materia Prima, in: Hortulus olympicus aureolus, Das ist: Ein himmlisches / güldenes / hermetisches Lustgärtlein, hrsg. von Benedictus Figulus, Frankfurt/M. 1608, S. 213–216 (Erstdruck). – Siehe dazu Christoph Meinel: Alchemie und
Vorbemerkungen
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mineralis9, die angeblich von Mardochaeus de Delle verfaßten Alchemikerporträts (um 1610/20)10, Johann Bernhard Hildebrandts De lapide philosophico: Das ist von dem [. . .] Stein der Weysen oder Chemia (1618), Peter Colbovs Chymisch Carmen. Von [. . .] Universal-Alkahest-Menstruis (1667)11 und Christian Hoffmanns BergProbe: Oder Reichsteinischer Göldner Esel [. . .] samt Beschreibung Deß Ursprungs der Metallen (1674)12 wurden zurückgestellt. Einen beachtlichen Anteil am Gesamtbestand deutschsprachiger Lehrdichtung alchemischen Inhalts haben Poemata in Anonymität versunkener Verfasser. Die Überlieferung dieser von Literar- und Wissenschaftshistorikern nur unbefriedigend oder gar nicht untersuchten Anonyma setzt noch im 15. Jahrhundert ein13 und nimmt dann im Windschatten einer merklich anschwellenden Sachschriftproduktion im Bereich der ›hermetischen Philosophia‹ während des 16. und 17. Jahrhunderts einen quantitativen Aufschwung14. In Alchemie und Poesie fanden sie keinen Platz.
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Musik, in: Die Alchemie in der europäischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, hrsg. von Ch. Meinel, Wiesbaden 1986 (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 32), S. 201–227, hier S. 217–221 (mit Textwiedergabe). Georg Neidhart: Paradisus mineralis, in: Kassel, LB, 2° Ms. chem. 3, Bl. 112r–v (um 1600). Siehe dazu Paracelsus im Gedicht. Theophrastus von Hohenheim in der Poesie des 16. bis 21. Jahrhunderts. Eine vielsprachige Anthologie unter Mitwirkung von Sven Limbeck hrsg. von Joachim Telle, Hürtgenwald 2008, S. 77 (Textprobe), 267f. (Erläuterungen). Über den Comenius- und Glauber-Anhänger Colbov unterrichtet summarisch: Killy Literaturlexikon, Bd. 2 (2008), S. 461f. ( J. Telle). Zu Hoffmann siehe: Killy Literaturlexikon, Bd. 5 (2009), S. 517 ( J. Telle). Anonymus: Der künste steyn, in: Fulda, LB, Ms. C 14a, Bl. 197r–198r; Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 80.4 Aug. 8°, Bl. 101v–102r. Diese Anonyma besitzen oft nur einen geringen Umfang und treten als uneigenständige Aufbauteile prosaischer Alchemica auf. Aus ihrer Vielzahl seien beispielsweise genannt: Die höchste Kunst der Welt, in: Johann Sternhals: Ritter Krieg / das ist Ein Philosophisch gedicht / in Form eines Gerichtlichen Process, hrsg. von Johann Schaubert, Erfurt 1595, S. G 5r–8v (Erstdruck u. d. T. Summa explicatio solis et lunae; greifbar in etwa zehn Zeugnissen). – Ein Frühwerk theoalchemischer Poesie, transkribiert in einer ungedruckten Magisterarbeit von Ulrike Kummer: »Von der himmlischen und natürlichen Philosophie«. Studien zu einer alchemischen Lehrdichtung des 16. Jahrhunderts, Freiburg/Breisgau 2003). – Eine Historia philosophica, in: Kassel, LB, 4° Ms. chem. 60/5,2, Bl. 168r–172v (Ende 16. Jh.). – Ein [. . .] ParadißTraum wie man [. . .] allein durch blosse hoffnung Reich [. . .] wird, in: Alchymia vera, hrsg. von I. P. S. H. M. S., o. O. o. J. (ca. 1610), S. 31–37. – Ein paracelsistisches Berglied Worinnen daß Subiectum Catholicum Saturninum mit nahmen genennet würd (hrsg. von Guido Manacorda: Di un codicetto tedesco posseduto dalla R. Biblioteca Ventimiliana in Catania, in: Rivista di letteratura tedesca 1, 1907, S. 222–246, hier S. 237–245), das nach Vorlage von Franz Ernst Bruckmanns Magnalia Dei in locis subterraneis, Oder Unterirdischer SchatzCammer [. . .] IIter Theil (Wolfenbüttel 1730, S. 831–836: Chymischer Berg-Reihen) seinen Weg in Ludwig Achim von Arnims und Clemens Brentanos Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn (Heidelberg 1806) fand; siehe Clemens Brentano: Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 6: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. Gesammelt von L. A. v. Arnim und Clemens Brentano, Tl. 1, hrsg. von Heinz Rölleke, Stuttgart 1975, I 262, S. 247–255:
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Vorbemerkungen
Von der internationalen Lehrdichtung der Lateiner, wie sie Giovanni Aurelio Augurellos Chrysopoeiae libri III (1515) repräsentieren, blieb das deutsche Kulturgebiet nicht unberührt15, ebenso gilt dies für landessprachige Texte benachbarter Länder: Zuweilen begünstigt von lateinischen Übersetzungen, gelangten manche dieser landessprachigen Poemata ins Frühneuhochdeutsche, unter ihnen beispielsweise Werke der englischen Dichteralchemiker George Ripley (15. Jh.)16 und Thomas Norton (15. Jh.)17, die Fontaine des amoureux de science von Jean de La Fontaine (15. Jh.)18, die Complainte de Nature à l’Alchimiste errant von Jean Perréal (16. Jh.)19, Le Sommaire philosophique von Ps.-Nicolas
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Der unterirdische Pilger; dazu ebd., Bd. 9/1: Lesarten und Erläuterungen, Stuttgart 1975, S. 451–454. – Eine paracelsistische Lehrdichtung, in: Giovan Battista Della Porta: Magia naturalis, oder Haus- Kunst- und Wunder-Buch, hrsg. von Christian Peganius/Rautner (Ch. Knorr von Rosenroth), Tl. 1, Nürnberg 1680, S. Xxx 6r–Zzz 5v: Von den Mercurien / Pulvern / und Tincturen der sieben Metallen. – Ein »Hymnus« Vom wahren Subject der Weisen, in: Wien, NB, Cod. 11307, Bl. 314r–315v. Die Chrysopoeia gelangte in zahlreichen Abdrucken, darunter in einer vom Paracelsisten Michael Toxites besorgten Ausgabe (1565), auf den Markt. Übergänge ins Deutsche erfolgten seit dem 16. Jahrhundert: Leiden, UB, Cod. Voss. Chym. F. 12, Bl. 95–97, 114–122 (16. Jh.); Johann Baptist van Helmont, Aufgang der Artzney-Kunst / Das ist: [. . .] Grund-lehren von der Natur, übersetzt von Christian Knorr von Rosenroth, Sulzbach 1683, S. 1079–1082 (zugesetzt von Knorr); Johannes Augurellus: Vellus Aureum, et Chrysopoeia, Seu Chrysopoeia Major et Minor, Das ist / Gülden-Vließ / Und Gold-erzielungs-Kunst, aus dem Lateinischen übersetzt von (Ps.-)Valentin Weigel, Hamburg 1716 (Prosaübersetzung). George Ripley: Cantilena de lapide philosophico, in: Magnalia medico-chymica continuata, Oder / Fortsetzung der hohen Artzney- und Feuerkunstigen Geheimnüssen, hrsg. von Johann Hiskia Cardilucius, Nürnberg 1680, S. 484–493: Georgii Riplaei in lateinischen Reimen gestelltes Lied / übersetzt in teutsche Reimens-Art; weitere Abdrucke erfolgten unter anderem in Georg von Welling: Opus mago-cabbalisticum et theosophicum, darinnen der Ursprung, Natur, Eigenschaften und Gebrauch des Salzes, Schwefels und Mercurii [. . .] beschrieben [. . .] wird, Frankfurt/M. (dritte Auflage) 1784, S. 578–582: Lied von dem neugebohrnen Chymischen König. – Ripleys lehrdichterisches Hauptwerk, der Liber duodecim portarum (auch: Twelve gates bzw. Compound of alchemy), gelangte ebenfalls ins Deutsche: siehe G. R.: Chymische Schrifften, Erfurt 1624, S. 16 ff. bzw. Cardilucius, 1680, S. 383–472: Von den zwölff Porten des Philosophischen Wercks, ebenso seine Versepistel an König Edward IV., ebd., S. 472–484: Epistel an König Eduard den vierdten. Thomas Norton: Chymischer Tractat [. . .] Crede mihi seu Ordinale [nach Vorlage der lateinischen Übersetzung Michael Maiers] in gewönliche Teutsche Rhythmos gebracht / vnd mit [. . .] in Kupffer gestochen Figuren gezieret / Durch Danielem Maisnerum [Meißner], Frankfurt/M. 1625. Überliefert in Hamburg, SUB, Cod. alch. 582, Bl. 72r–99v (Versübersetzung von Lukas Osiander, 1595). – Vier nützliche Chymische Tractat Vom Stein der Weisen, Halle 1612, S. A2r–C1v (Prosaübersetzung eines anonymen »Philochemicus«). Fälschlich Jean de Meun zugeschrieben; überliefert in: Vier [. . .] Tractat, 1612 (Anm. 18), S. C5r–F6r, und im Anhang zum oft gedruckten Wasserstein der Weysen, Frankfurt/M. 1661, S. 128–164 (Prosaübersetzung eines Anonymus).
Vorbemerkungen
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Flamel (16. Jh.)20 oder die Philosophia hermetica von Federico Gualdi (17. Jh.)21. Auch mit diesen Dichtungen macht Alchemie und Poesie nicht näher bekannt. Zwar erfreuten sich die lateinischen Dichtungen eines Michael Toxites22, Lorenz Span (Spagirologia, 1574)23, Daniel Stoltz von Stoltzenberg (Viridarium chymicum, 1624; Hortulus hermeticus, 1627)24 einer gewissen Aufmerksamkeit und wurden lateinische Werke der Dichteralchemiker Michael Maier25 und Johannes Nicolaus Furichius26 in gediegenen Monographien gewürdigt. Dies sollte jedoch nicht über die Existenz noch untersuchungsbedürftiger Lehrdichtungen täuschen, bei denen es sich keineswegs nur um spätmittelalterliches Erbe handelt27, sondern durchaus auch um Neuschöpfungen aus der Feder von Lucas Rodargirus, eines vom Alchemoparacelsisten Joachim Tancke herausgegebenen Autors28, aber etwa auch vom Paracelsisten Alexander von Suchten29, von 20 21 22
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Überliefert in: Hamburg, SUB, Cod. alch. 582, Bl. 53r–69v (übersetzt von Lukas Osiander, 1595). Dazu resümierend Laura Balbiani: (Sammelrezension zu Gualdi-Studien), in: Scientia Poetica 14 (2010), S. 349–357. Wilhelm Kühlmann: Humanistische Verskunst im Dienste des Paracelsismus. Zu einem programmatischen Lehrgedicht des Michael Toxites (1514–1581), in: Études Germaniques 50 (1995), S. 509–526. Dazu siehe Corpus Paracelsisticum, Bd. 2: Der Frühparacelsismus. Zweiter Teil, hrsg. und erläutert von Wilhelm Kühlmann und Joachim Telle, Tübingen 2004 (Frühe Neuzeit, Bd. 89), Nr. 74 (mit Textproben). Über Stoltz zusammenfassend: Killy Literaturlexikon, Bd. 11 (2011), S. 302–304 ( J. Telle). Siehe Erik Leibenguth: Hermetische Poesie des Frühbarock. Die »Cantilenae intellectuales« Michael Maiers. Edition mit Übersetzung, Kommentar und Bio-Bibliographie, Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, Bd. 66); dazu nun auch Volkhard Wels: Poetischer Hermetismus. Michael Maiers »Atalanta fugiens« (1617/18), in: Konzepte des Hermetismus, ed. Alt/ Wels, 2010 (wie Anm. 5), S. 149–194; summierend: Killy Literaturlexikon, Bd. 7 (2010), S. 620–623 ( J. Telle). Siehe Thomas Reiser: Mythologie und Alchemie in der Lehrepik des frühen 17. Jahrhunderts. Die »Chryseidos Libri IIII« des Straßburger Dichterarztes Johannes Nicolaus Furichius (1602–1633), Berlin 2011 (Frühe Neuzeit, Bd. 148). Siehe die Abdrucke in: Harmonia inperscrutabilis chymico-philosophicae, sive philosophorum antiquorum consentientium [. . .] decas I, hrsg. von H[ermannus]. C[ondeesyanus]. D[octor]./Johannes Rhenanus, Frankfurt/M. 1625. – Zu diesem Erbe gehört etwa auch das ins Frühneuhochdeutsche gelangte Lumen secretorum (14. Jh.), eine Lehrdichtung Johanns von Teschen (Ticinensis); dazu siehe s. v. in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 4 (1983), Sp. 774–776. ( J. Telle). Lucas Rodargirus: Chymia compendiaria (1563), in: Ders.: Pisces zodiaci inferioris: vel de solutione philosophica. Cum aenigmatica totius Lapidis epitome, Lyon 1564, S. 67–70; ed. Joachim Tancke, Leipzig 1609, S. 105–108. Alexander von Suchten: De vera medicina, in: Paracelsus: Medici libelli, hrsg. von Balthasar Flöter, Köln 1567, S. 3v–4v; Elegia [prima–] quarta, in: Ders: Liber vnus De secretis Antimonij. Das ist / Von der grossen heymligkeit / des Antimonij die Artzney belangent, Straßburg 1570, S. 104–116.
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Vorbemerkungen
Georg Necker30, Nicolas Barnaud31, Adrian von Mynsicht32 und weiteren Autoren33. In Alchemie und Poesie wird an diese spätestens wohl seit dem 14. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum aktuellen Dichtungen deutscher Lateiner allenfalls nur äußerst beiläufig erinnert. Manche grellen Streiflichter auf ihr Denken und Handeln, aber auch ihre gesellschaftliche Stellung wirft eine sehr verstreute Vielzahl deutscher und lateinischer Goldmacherschelten, mit denen frühneuzeitliche Alchemiker mitunter recht rauh attackiert worden sind34: Alchemist wiltu werden reich So thu dein ding klugleich Isch dreck vnd scheiß golt So werden dir alle leut holt. Vorab der alchemischen Theorie und Praxis fachlich fernstehende Moral- und Sittenkritiker, Sebastian Brant, Hans Sachs, Johannes Claius, dessen Reimpaarsatire wider Alchemoparacelsisten (Altkumistica, 1586) drei Alchemikerdichtungen provozierte35, oder Georg Rollenhagen36, überzogen Alchemiker mit harscher Kritik; ihnen zur Seite stand ein deutsch-lateinisches Heer kurzbündiger Epigrammschmiede37, das »den« Alchemiker immer wieder zum »Narren« entstellte38: 30 31
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Georg Necker: Poema chymicum (1571), in: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 18. 13 Aug. 4°, Bl. 83r–103r. Anonymus: Arcanum philosophorum, in: Nicolas Barnaud: Commentariolum in aenigmaticum quoddam epitaphium, Leiden 1597, S. 46f. (Inc.: »Terra mihi corpus, vires mihi praestitit ignis«); auch in: Ders.: Triga chemica: De Lapide Philosophico Tractatus Tres, Leiden 1599, nicht paginiert (mit einer Elucidatio Barnauds), dann beispielsweise wieder publiziert von Ludovicus de Comitibus (Luigi de’ Conti): Metallorum ac metallicorum naturae operum, Köln 1665, S. 275–284. Adrian von Mynsicht: Testamentum Hadrianeum, De Aureo philosophorum Lapide, in: Ders.: Thesaurus medico-chymicus, Hamburg 1631, S. 378–395. Anonymus: Centuria chymica, hoc est Tractatus Aureus de lapide Philosophorum Carmine conscriptus, o. O. (Leipzig) 1652. Anonymus: Spottvers, in: München, SB, Clm. 455 (15. Jh.), Bl. 135v; zitiert nach Herwig Buntz: Die europäische Alchimie vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, in: Emil Ernst Ploss/ Heinz Rossen-Runge/Heinrich Schipperges/Herwig Buntz: Alchimia. Ideologie und Technologie, München 1970, S. 119–209, hier S. 198. Antworten erteilten Alexander Lauterwald (Widerlegung Der Altkuhmisterey, Köln 1590) und zwei anonyme Dichter (Corrector fatuorum, Straffe der Thoren, o. O. 1589; Colloquium Philosophicum, Von der waren Chimia, Sapientia, vnd Natura rerum, Köln 1594). Siehe Joachim Telle: Zu Georg Rollenhagens »Froschmeuseler« (I/2, Kap. 15–17), in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 3 (1976), S. 256–259. Zu diesem Heer waren im 16. und 17. Jahrhundert beispielsweise Johann Fischart, Valens Acidalius, Julius Caesar Scaliger, Caspar Peucer, Johannes Sambucus, Franciscus Modius, Carolus Utenhovius, Justus Lipsius, Johann Ludwig Weidner, Johann Michael Moscherosch, Erasmus Francisci, John Owen, Jacob Bidermann, Georg Philipp Harsdörffer, Quirinus
Vorbemerkungen
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Was thut der Alchymist? Er sucht der Weisen-Stein / Was findt der arme Tropff ? Nichts / als die Asch’ allein. Unbekümmert um die naturkundlichen Grundlagen seines Tuns, unbekümmert auch um seine ökonomisch-gewerblichen und medizinischen Verdienste, orientiert eben nur an fachlichen Stümpern oder Betrügern und durchaus uneingedenk seiner wandlungstreibenden Teilhabe an der sogenannten ›Wissenschaftlichen Revolution‹, haben diese zeitgenössischen Kritiker sowohl mit lapidar-bissigen Spottversen als auch mit Scheltreden, die sie in längere Reimwerke einlagerten, vornehmlich Transmutationsalchemiker geächtet, aber auch vor chemiatrischen Praktikern und alchemoreligiösen Dissidenten gewarnt39: Mörder in der Artzeney Betrieger in der Alchimey Ketzer in der Theologey Führer zu der Zauberey Tieff in der Erden begraben Sonst wurdens gfressn von den Raben. − dieses Versepitaph Adam von Lebenwaldts macht ihre auf aufklärerische Positionen weisende Stellung gegenüber Alchemikern überscharf kenntlich. Solche überaus verstreut überlieferten und von Historiographen nur unzureichend erfaßten Versdichtungen fanden in Alchemie und Poesie keinen Platz, ja selbst nach Reimdichtungen, die ihre stoffliche Eigenart einer Assimilation von Elementen des alchemischen Wort- und Wissensschatzes verdanken, aber auf keinen fachlichen Unterricht zielten40, wird man vergeblich fahnden, gar nicht zu reden von lehrdichterischen Prosaalchemica (Allegorien) oder der alchemisch tingierten Wissenschaftspoesie etwa eines Jakob Böhme.
Kuhlmann, Balthasar Friedrich von Logau, Christian Hölmann, Hans Aßmann von Abschatz und Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen gestoßen. 38 Anonymus, Spottverse, in: Eberhard Werner Happel: Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt oder so genandte Relationes Curiosae, Tl. 2, Hamburg 1685, S. 310. 39 Adam von Lebenwaldt: Von deß Teuffels List vnd Betrug In der Falschen Alchymisterey Und Goldmacher-Kunst, Salzburg 1680, S. 129: »Epitaphium« für »falsche Alchymisten«. 40 Aus ihrer Reihe genannt sei nur Christian Knorrs von Rosenroth Conjugium Phoebi & Palladis oder Die / durch Phoebi und Palladis Vermählung erfundene Fortpflantzung des Goldes (Sulzbach 1677); zu diesem »Chymischen Pracht-Spiel« siehe die einschlägigen Studien in: Morgenglantz 17 (2007).
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Vorbemerkungen
Alchemikerdichtung und hermetische Lyrik Im literaturwissenschaftlichen Diskurs hat sich der Terminus ›hermetische Dichtung‹ für gewisse Zeugnisse der modernen Lyrik eingebürgert, die aufgrund einer ›dunklen‹, nämlich von verrätselnden Chiffren und Metaphern charakterisierten Schreibart aus den Massen lyrischer Texte hervorstechen, und als deren Hauptmerkmal gemeinhin ihre »Dunkelheit« bzw. »Unverständlichkeit« gilt41. Wohl verführt von der Tatsache, daß ›tecte Rede‹ den allegorischen Flügel des alchemischen Sachschrifttums kennzeichnet und eben Alchemica die Kernzone der frühneuzeitlichen ›Hermetik‹ bildeten, hat man lyrische Texte, deren Wörter und Wortfolgen ihrer normsprachlichen Semantik beraubt worden sind, in Bausch und Bogen mit der »alchemistischen Hermetik« »identifiziert«42, aber auch mit dem von Marsilio Ficino übersetzten Corpus Hermeticum (15. Jh.), einer dem alchemischen Sachschrifttum der frühen Neuzeit fernstehenden Traktatsammlung spätantik-religiösen Inhalts, und weiteren umstandslos der »hermetischen Tradition« zugeordneten Werken durchaus verschiedenartigsten Gepräges43. Dagegen erhob man energisch Einspruch: Die »literarische Hermetik« habe »weder das Erbe hermetischer Traditionen im neuzeitlichen Gewand« angetreten, noch verhelfe »sie etwa der Alchemie zu einem neuen Scheinleben«; »von solchen tradierten Inhalten« sei die »literarische Hermetik« »radikal geschieden«44. Mit »Hermetismus« als einer »Bezeichnung für dunkles Dichten« bzw. als eines »festen Begriffs der Kritik«, sowie mit »Dunkelheit«, verstanden als »ästhetisches Prinzip«, machte anfänglich vielleicht am nachdrücklichsten und wirkmächtigsten Hugo Friedrich bekannt (Die Struktur der modernen Lyrik. Von Baudelaire bis zur Gegenwart, Hamburg 1960 [erstmals 1956], S. 130–133, Zitate S. 130, 131). Unter dichtungsgeschichtlichen Gesichtspunkten widmete sich dann etwa auch Thomas Sparr (Celans Poetik des hermetischen Gedichts, Heidelberg 1989 [Probleme der Dichtung, Bd. 21], S. 11–20) dem Hermetikbegriff und sprach von »Hermetik« als einer »eigenen ästhetischen Kategorie« bzw. einer »Kategorie ästhetischer Reflexion«. 42 Christine Waldschmidt: »Dunkles zu sagen«: Deutschsprachige hermetische Lyrik im 20. Jahrhundert, Heidelberg 2011 (Studien zur historischen Poetik, Bd. 9), S. 19. 43 Dazu siehe Sparr (Anm. 41, S. 11), der sich zu Recht von der »gründlichen Verworrenheit, mit der der Hermetikbegriff einhergeht«, alarmiert zeigte, fand er doch Werke historisch unterschiedlichster Stellung und Beschaffenheit (das Corpus Hermeticum, Schriften von Paracelsus, J. Böhme und G. Della Porta !) in grob umstandsloser Manier der »Hermetik« zugeschlagen; die Hauptursache für diese wahrhaft »gründliche Verworrenheit«, nämlich wissenschaftshistorische Defizienzen in der literaturwissenschaftlichen Forschung zur »hermetischen« Lyrik, ließ Sparr unerwähnt. 44 Sparr (Anm. 41), S. 11. – In der Tat sind Sachtexte der traditionellen Hermetik von »hermetischen Gedichten«, mit Theodor W. Adorno (Ästhetische Theorie [Gesammelte Schriften, Bd. 7, hrsg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann], Frankfurt/M. 1970, S. 475f.; siehe auch Sparr, S. 40–47: »Hermetik in Adornos ›Ästhetischer Theorie‹«) verstanden als Gebilde, abgeschottet von der »empirischen Realität«, »Kommunikation« verweigernd, abgehoben von »Stoffgehalt« und »Intention«, sternenweit entfernt. 41
Vorbemerkungen
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Allerdings ist dieses Urteil geringfügig einzuschränken, kann doch kein Zweifel sein, daß genuin alchemische Sinnbilder in Dichtungen französischer Symbolisten eindrangen, hier eine »Alchimie du Verbe« (A. Rimbaud) um sich griff 45, surrealistische Dichtungskonzepte namentlich André Bretons inspirierten und in Dichtungen etwa eines Yvan Goll oder Paul Celan anzutreffen sind. Anhand mancher Gedichte läßt sich zeigen, daß das »bildhafte Codierungssystem der Alchemie«, seit dem 18. Jahrhundert seines naturkundlichen Gewichts verlustig, nun »freigesetzt« wurde »für genuin innerliterarische Zeichenfunktionen oder allusive Evokationen, nicht zuletzt aber für die projektive Phantasie eines ästhetischen Historismus, in denen der Typus des Alchemikers [. . .] eine besondere Attraktivität gewann«, manche »alchemischen Bildfiguren, Praktiken und Wissensresiduen« in der neuzeitlichen Lyrik verarbeitet worden sind46. Zwar dokumentieren einige Zeugnisse eine partielle Teilhabe am alchemischen Wort- und Wissensschatz. Eingedenk auch ihres quantitativ äußerst geringen Anteils am Gesamtbestand deutscher Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts, ändern diese Gedichte aber nichts an der Tatsache, daß bei dem Gebrauch des Adjektivs ›hermetisch‹ für ›dunkle‹, weil Sinnkohärenzen zersetzende Dichtungen des 20. Jahrhunderts »nicht an das substantielle Verständnis des Hermetischen« angeknüpft worden ist47. »Hermetisch« weist heute schwerlich noch auf kodierte, in ›tecter‹ Schreibart gefaßte Lehren alchemischer Experten, noch auf die von Alchemicaautoren einst durchaus auch zu Unterrichtszwecken gebrauchten Sinnbilder selbst, von denen im unüberbrückbaren Unterschied zur schroff kommunikationsverweigernden »hermetischen« Dichtung der Moderne als einer »im Zeichen des dedizierten Abbruchs von Verständigung« entstandenen Kunst48 grundsätzlich galt, daß sie eine allegoresekundige, alchemisch-naturkundlich versierte und nach fachlicher Unterrichtung heischende Leserschaft zu dekodieren vermochte. Das Adjektiv »hermetisch« ist heute weitgehend entalchemisiert respektive entgegenständlicht,
Siehe Alain Mercier: Les Sources Ésotériques et Occultes de la Poésie Symboliste (1870– 1914). I. Le Symbolisme Français, Paris 1969. – Unter Aufgriff der Rede Stephane Mallarmés »von den Alchimisten, unseren Vorfahren«, und unter Vermerk, daß das Wort ›hermétisme‹ in Frankreich »vorwiegend Okkultismus, Alchimie usw.« bedeutete und bedeutet, wurde auch von Friedrich (Anm. 41, S. 102), wenn auch nur stichwortartig, auf durchaus enger gespannte Zusammenhänge zwischen alchemischen Sachschriften und dem Dichten moderner Lyriker erinnert. 46 Darauf aufmerksam machte Wilhelm Kühlmann: Paul Celan und andere: Alchemie als Modell poetischer Imagination im 19. und 20. Jahrhundert, in: Freiburger Universitätsblätter, Heft 182 (Dezember 2008), S. 75–101 (mit weiterführenden Hinweisen und Textwiedergaben). 47 Sparr (Anm. 41), S. 13; im Anschluß an Sparr meinte nun auch Waldschmidt (Anm. 42, S. 14f.): Der Gebrauch des Adjektivs »hermetisch« für bestimmte Dichtungen habe »mit den hermetischen Traditionen des okkulten Wissens nicht mehr viel gemein«. 48 Sparr (Anm. 41), S. 53. 45
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Vorbemerkungen
verlor seine empirischen Bezüge, steht umgangssprachlich wohl nur noch für »abgeschlossen« oder »unzugänglich«49. Metaphern als kognitive Kraft ? Alchemica wurden überwiegend in lateinischer Sprache tradiert. Im Zuge der Emanzipation der Landesprachen als Medien der Wissenschaften und Künste entstanden seit dem 14. Jahrhundert Übersetzungen ins Deutsche, denen sich zunehmend deutsch konzipierte Werke zur Seite stellten. Die sprachliche Fassung alchemischer Kenntnisse schwankte zwischen einer sachlich-nüchtern, »aperte« gehaltenen, dem fachlichen Verständnishorizont einer zeitgenössischen Leserschaft gemäßen Darstellungsweise und einer »tecten« Schreibart, die die gemeinte Sache verhüllte, einem Verständnis secundum literam wehrte. Eben die ›tecte‹ Rede machte Alchemikern durch die Zeiten zu schaffen; ihre Urheber, also Autoren, die ihre Lehren mittels »fremdester vnd weitgesuchtester Wörter vnd Gleichnusse« nur »auffs aller [. . .] vnverständlichst / [. . .] gleichsam Sphyngis oder Rähtersweiß« darlegten, stießen zunehmend auf Gegner, die den »Rhätersschreibern« nach Beispiel des sprachgewaltigen Alchemicaherausgebers, Publizisten und Satirikers Johann Fischart zuriefen: »Entweder schreib / daß man versteh / Oder des Schreibens müssig geh«!50. Man schalt sie abschätzig »alchimistische Poeten«51; und gerade auch alchemomedizinische Experten übten mit ihrer Forderung nach einer »ausdrücklichen«, in »verständigen gemeinen Worten« gehaltenen Schreibart52 insbesondere am Gebrauch »figürlicher Namen«, wie sie etwa Paracelsus in der Sicht eines Andreas Libavius nach Art eines »Poeten vnd Kräutlers« von »mineralischen / himlischen vnd andern dingen« erbettelt habe53, schärfste Kritik: Der Faltenwurf eines Poeten, so erklärte Libavius, stehe Alchemikern schlecht, denn die »figürliche« und »mystische« Rede sei eine Provinz der Poeten, − die »alchemia« aber sei keine »rhetorica« und »poetica tropologia«, sondern Naturforschung, deren Aufgabe Waldschmidt (Anm. 42), S. 15. Johann Fischart: Vorwarnung [. . .] von Achtung der Alchimei, in: Richardus Anglicus: Correctorium alchymiae [. . .]. Das ist Reformierte Alchimy / oder Alchimeibesserung / vnd Straffung der Alchimistischen Mißpräuch, Straßburg 1581, S. A 2r – )( 8r, hier S. )( 6v, 7r. 51 Samuel Zimmermann: Probierbůch, Augsburg 1573, S. 101. 52 (Andreas Libavius:) Die Alchemie des Andreas Libavius. Ein Lehrbuch der Chemie aus dem Jahre 1597. Zum ersten Mal in deutscher Übersetzung hrsg. vom Gmelin-Institut für anorganische Chemie [. . .] Frankfurt am Main, Gesamtbearbeitung: Friedemann Rex, Weinheim 1964, Vorrede. 53 Andreas Libavius: Alchymistische Practic: Das ist: Von künstlicher Zubereytung der vornembsten Chymischen Medicinen, Frankfurt/M. 1603, S. 153. – Nicht zuletzt aus Kenntnis der ›tecten‹ Diktion pseudopararacelsischer Alchemica bezichtigte man Paracelsus, er habe seine naturkundlichen Lehren »mit terminis poeticis« verschleiert bzw. in »Poetischen Mehrlein« gefaßt; so beispielsweise Zacharias Theobald: Arcana Naturae Das ist: Sonderliche geheimnus der Natur, Nürnberg 1628, S. 17f. 49 50
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es sei, sich aus der Bildwelt eines in similitudines verstrickten Denkens zu befreien54; und auch Daniel Sennert forderte vom Sachbuchautor eine möglichst sinnbildfreie, von »perspicuitas« und »claritas« geprägte Schreibart55. Sofern man möglichst präzise, exakt-eindeutige Mitteilungen erstrebte, zeigen sich in schriftsprachlichen Teilbereichen engere Verwandtschaften mit der medizinisch-pharmazeutischen, metallurgisch-technischen oder naturphilosophisch-scholastischen Fachsprache. Ihre Eigenart aber verdanken zahlreiche Alchemica, seien es nun naturphilosophisch-spekulativ-theoriebetonte Darlegungen, Beschreibungen chemischer Prozesse oder Handlungsanweisungen zur Durchführung praktischer Verrichtungen empirisch-technischen Charakters, der ›verdeckten Rede‹. Die Grenzen zwischen der verdunkelnden Schreibart allegorisierender Alchemiker und einem Funktionalstil, der fachsprachlicher Konvention gemäß dazu dient, Sachwissen unverhüllt wiederzugeben (claritas-Gebot), waren oft unscharf gezogen. Gefestigt wurde der aus arabischer Erbschaft stammende Gebrauch arkansprachlicher Mittel von der Vorstellung, tiefste von Gott offenbarte und allein von Gott auserwählten »Philosophen« (Alchemikern) vorbehaltene Naturgeheimnisse könnten nur in verblümter Rede, unter Sinnbildern, einen angemessenen Ausdruck finden. Die Metaphorizität sowohl gewisser Handlungsanweisungen zur laborantischen Praxis als auch naturphilosophischer Lehren speiste sich hauptsächlich aus Alchemisierungen theologisch-religiöser Überlieferung und mythologischen Erzählguts der griechisch-römischen Antike; allegorisierende Exegeten, die verba metaphorica mittels verba metaphorica zu ›erhellen‹ suchten, haben poetische Züge integumentaler Darstellung naturkundlicher Lehren gesteigert. Flankiert wurde die vom Renaissanceplatonismus vitalisierte Überzeugung, naturkundliches Kernwissen habe man nur in beredtem Verschweigen zu tradieren, vom Schweigegebot für Alchemiker, eine durchaus auch zu den Geheimhaltungsbräuchen anderer artes gehörige und erst seit dem 17. Jahrhundert zugunsten eines etwa in Robert Boyles Invitation to a free and generous Communication of Secrets and Receits in Physick (London 1655) geforderten freimütigen Wissensaustauschs unterminierte Praktik: Sie legitimierte, bestimmtes Wissen vor Konkurrenten zu verheimlichen; sozialethisch gesinnte Alchemiker meinten mittels Wissensarkanisierung zu verhindern, daß gewisse Kenntnisse die sozialökonomische Ordnung gefährden, insbesondere im Münz-, Arznei- und Kriegswesen mißbraucht werden könnten. Maßgeblichen Anteil an der obscuritas alchemischer Texte hat der polysemantische Charakter zahlreicher Wörter. Neben der Polysemie fällt die schon in der Turba philosophorum thematisierte Synonymenfülle ins Gewicht; hinzu kommen Bedeutungsverdunkelungen, die auf externen Faktoren (Sprachwechsel, Überlieferung) beruhen, auf allgemeinen semantischen Wandlungsvorgängen Siehe Owen Hannaway: The chemists and the word. The didactic origins of chemistry, Baltimore 1975, Kap. 5. 55 Daniel Sennert: De Chymicorum Cum Aristotelicis et Galenicis Consensu ac Dissensu Liber I, Wittenberg 1619, Kap. V. 54
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einschließlich des Gebrauchs neu semiotisierter Begriffe (Begriffsvarianz) sowie durchaus schwächliche (etwa auch in der pflanzenkundlichen Nomenklatur beobachtbare) Standardierungstendenzen. Eine Vielzahl knapp formulierter Stellungnahmen zur ›verdeckten‹ Rede in alchemischen Sachschriften des 16. und 17. Jahrhunderts dokumentiert das einstige Gewicht eines der Analogie verhafteten Sinnbilddenkens, mit dem Bildern wenn nicht eine eigene Rationalität, so doch der Status eines Komplements rationaler Diskursivität, jedenfalls ein auf Vorgänge und Zustände der Stoffeswelt verweisender Charakter zuerkannt worden ist. In einer stattlichen Autorenschar, die trotz aller zeitgenössischen Einsprüche wider eine »poetica tropologia« im Dienste einer Erkundung der Stoffeswelt an der kognitiven Dignität und Leistungskraft von Tropen und Metaphern keine Zweifel trug, besaßen also Gelehrte, die sich im 18. Jahrhunderts an einer »kognitiven Aufwertung« der Metapher beteiligten56, eine in der einschlägigen Historiographie wohl unbeachtete Vorhut. ›Der Vorhang zu und alle Fragen offen‹?57 Alchemie und Poesie dokumentiert einen frühneuzeitlichen Teilbereich weitläufiger und vielgestaltiger Interferenzen zwischen Naturkunde und deutschsprachiger Dichtung. In ungefähr dreißig Seitenstücken zur frühneuzeitlichen Poetisierung naturkundlichen Wissens gewinnen manche wissenschaftshistorisch bedeutsamen Konzepte frühneuzeitlicher Alchemien unterschiedlich scharfes Profil; gelegentlich fällt Licht auf inszenatorische Dimensionen und rhetorische Eigenarten naturkundlicher Wissensvermittlung, aber auch auf den performativen und epistemischen Status poetisch-metaphorischer Rede58 sowohl in Darstellungen naturphilosophischer Siehe dazu beispielsweise den Sammelband Tropen und Metaphern im Gelehrtendiskurs des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Elena Agazzi in Zusammenarbeit mit Ulrike Zeuch unter Mitwirkung von Guglielmo Gabbiadini, Hamburg 2011 (Archiv für Begriffsgeschichte, Sonderheft 10). – Zu verwandten Aspekten im weiteren Umfeld der wissenschaftlichen Begriffsbildung siehe etwa auch: Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften. Zur historischen und kulturellen Dimension naturwissenschaftlicher Konzept, hrsg. von Ernst Müller und Falko Schmieder, Berlin 2008. 57 Angelehnt an eine Wendung von Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan, Epilog: »Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen«. 58 Zu diesem weitläufigen Bereich siehe etwa: Begriffe, Metaphern und Imaginationen in Philosophie und Wissenschaftsgeschichte, hrsg. von Lutz Danneberg, Carlos Spoerhase und Dirk Werle, Wiesbaden 2009 (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 120); zum Problemfeld »Fiktionalität und Wissen in Literatur«, formuliert auch unter Blick auf ›Lehrdichtung‹ bzw. metrische Formen und auf den Topos ›Der Dichter lügt‹ siehe beispielsweise Lutz Danneberg und Carlos Spoerhase: »Wissen in Literatur« als Herausforderung einer Pragmatik von Wissenszuschreibungen: sechs Problemfelder, sechs Fragen und zwölf Thesen, in: Literatur und Wissen. Theoretisch-methodische Zugänge, hrsg. von Tilmann Köppe, Berlin 2011 (Linguae et litterae, Bd. 4), S. 29–76. 56
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Lehren als auch ›direkter‹ Beobachtung entzogener Wandlungsgeschehnisse in der Stoffeswelt, ja auch Beispiele für die Metaphorizität sachlicher Unterweisungen zur laborantischen Praxis ließen sich ermitteln. Manche quellenkundlichen Beobachtungen ergaben den Befund, daß von deutschsprachigen Alchemikerdichtungen oftmals bereits vorformulierte, nicht selten in lateinischen Prosatexten nachweisbare Lehren vermittelt worden sind. Wirkten sich aber die spezifisch lehrdichterischen Darbietungsweisen auf die Lehrgegenstände aus? Kann man die spezifisch »poetischen« Elemente der Alchemikerdichtungen, die Sinnbildreden, als Exempel für Weisen in Anspruch nehmen, wie menschliches Erkennen funktioniert? Besaßen sie wissensgenerierende Kräfte? Oder stützen sie die von Goethe tentativ geäußerte Ansicht, »daß es der Dichtkunst vielleicht allein gelingen könnte, solche [von Goethe in Eins und alles berührten pantheistischen] Geheimnisse gewissermaßen auszudrücken, die in Prosa gewöhnlich absurd erscheinen, weil sie sich nur in Widersprüchen ausdrücken lassen, welche dem Menschenverstand nicht einwollen«59? Diese und manche weiteren Fragen blieben unbeantwortet. Falls sich Alchemie und Poesie als eine Grundlage für weitere Forschungen bewähren sollte, − wer da sähe sich nicht belohnt? Den Band trotz mancher Desiderata nun abzuschließen ermutigte eine von Goethe mit Blick auf seine Iphigenie formulierte Einsicht, die man aber durchaus auch für eine Vielzahl andersartiger Unternehmen zähneknirschend in Anspruch nehmen kann: »So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muß sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das möglichste getan hat«60. Joachim Telle
Heidelberg, im April 2013
Johann Wolfgang von Goethe: Brief an Friedrich Wilhelm Riemer ( Jena, 28. Oktober 1821), in: Ders.: Briefe, hrsg. von Karl Robert Mandelkow, Bd. 4: Briefe der Jahre 1821–1832, Hamburg 1967, Nr. 1194, S. 18. 60 Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, in: Ders.: Werke, Bd. 10: Autobiographische Schriften, hrsg. von Herbert v. Einem, textkritisch durchgesehen von Erich Trunz, Hamburg 1950, S. 208 (Caserta, 16. März 1787). 59
Nr. 1 Turba-Reimpaarsprüche als Bildgedicht Die Turba philosophorum, ein arabisches Werk aus der Frühzeit der Rezeption griechischer Alchemie im Islam, gibt sich als ein von Arisleus (griechisch: Archelaos) verfaßtes Protokoll von Debatten, die auf der ›Dritten pythagoreisches Synode‹ (»tertia synodus Pitagorica«), einer von Pythagoras einberufenen und unter seinem Vorsitz abgehaltenen Alchemikerversammlung, geführt worden sind und auf der namentlich genannte ›Philosophen‹ (Alchemiker) vorab Streitfragen zu lösen versuchten, die sich aus dem Decknamengebrauch und der mit dieser fachsprachlichen Eigenart verbundenen Verschleierung alchemischen Wissens ergeben hatten. Sie scheint auf einen um 900 tätigen Autor zurückzugehen (al-Ih.mīmī?), der sich nach Ausweis der Turba-Reden kosmologischen Inhalts (Sermones 1–9) großteils auf die Refutatio omnium haeresium des Kirchenvaters Hippolytos stützte, ausweislich dieser Sermones gute Kenntnisse der griechisch-vorsokratischen Naturphilosophie besaß und die kosmologischen Elemente der vorsokratisch geprägten Doxographie mit alchemischem Lehrgut (Sermones 9–72) zu verknüpfen verstand1. Im Zuge der im 12. Jahrhundert einsetzenden Übernahme arabischer Alchemica durch den lateinischen Westen fand das ›Buch der Versammlung‹ (›Mus.h.af al-gˇ amā a‹) spätestens im 13. Jahrhundert den Weg ins Lateinische und behauptete sich fortan bis in die Neuzeit als ein Hauptwerk europäischer Alchemiker2, das nach Erscheinen der Editio princeps in der Ars aurifera (Basel 1572) mehrmals gedruckt worden ist. Es genoß als »Codex veritatis« hohes Ansehen, wurde keineswegs nur von Isaak Newton zu den »best authors« gezählt3. Daß die Turba latina neben Kommentatoren auch manchen Übersetzer fand, unter ihnen der französische Mathematicus Oronce Finé (Finaeus, 1494/1555), unterstreicht ihre beträchtliche Geltungskraft nur einmal mehr. Der Übergang der Turba in die deutsche Landessprache setzte nach üblicher Auffassung4 erst mit einer 1596 vollendeten Übersetzung des Magisters Lorenz Joha ein (1597)5, der dann Philipp Morgensterns Übersetzung 1 2 3 4 5
Plessner (1975); Rudolph (1990). Ruska (1931): Grundlegend; weiterführend Kahn (2010). Auf Newtons Urteil aufmerksam machte Westfall (1984), S. 320. So etwa Ruska (1931), S. 6; Ullmann (1972), S. 216. Turba, übersetzt von Joha, in: Auriferae artis [. . .] Authores, ed. Hildenbrandt (1597). Diese Übersetzung auch in: Promptuarium alchimiae (1614), S. 435–545. – Textprobe: Ruska (1931), S. 98–100. – Ruska (S. 6, 97) nannte den Übersetzer »Joh. Laurentius«; siehe jedoch Turba, ed. Hildenbrandt (1597), S. 108: »[. . .] per me M[agister] Lawrentivm Joha. Anno Salutis 1596«. – Die Angabe von Ullmann (1972, S. 216), die erste Turba-Übersetzung ins Deutsche habe Paul Hildenbrandt verfaßt, ist unzutreffend: Die von Hildenbrandt 1597 in Druck gegebene Übersetzung ist kein Erstling und stammt von L. Joha, der für seine
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Nr. 1: Turba-Reimpaarsprüche als Bildgedicht
folgte (1613)6. Diesen beiden Übersetzungen gingen jedoch turbahaltige Schriften7 und im 16. Jahrhundert handschriftlich verbreitete Übersetzungen8 voraus. Die naheliegende Annahme, daß sich unter den im 16. Jahrhundert zu Papier gebrachten Turba-Zeugnissen bereits im 15. Jahrhundert verfaßte Übersetzungen befinden, bedarf einer Sicherung. Gleichwohl kann an einem Beginn der deutschsprachigen Turba-Rezeption im 15. Jahrhundert kein Zweifel sein. Darauf weisen turbahaltige Werke, so etwa ein anonymer Traktat9 oder Hans Folzens Der Stein der Weisen10, – besonders nachdrücklich aber im Anschluß an die Turba entstandene Reimpaarsprüche und ein Spruchgedicht11. In der von aufklärerischen Positionen geprägten Geschichtsschreibung fanden sich Alchemiker als ›Narren‹, ›Scharlatane‹ und ›Betrüger‹ geächtet. Heute hingegen werden sie gelegentlich zu Partisanen der ›Wissenschaftlichen Revolution‹ stilisiert, hätten sie doch aufgrund ihrer von Beobachtung und Erfahrung geprägten Laborpraxis den empirischen Experimentalwissenschaften im Schulterschluß mit anderen wandlungstreibenden Kräften Bahn gebrochen, jedenfalls textfixiertem Gelehrtentum abgesagt zugunsten eines Studiums im ›Buch der Natur‹. Nun kann zwar an empirischen Grundzügen alchemischen Denkens und Handelns kein Zweifel sein, – grundsätzlich aber behaupteten mit bestimmten Personalautoritäten verknüpfte Lehren durchaus ihre wirkende Macht. Selbst bei flüchtigsten Blicken auf Bücherbretter frühneuzeitlicher Alchemiker kann einem Betrachter die Fülle von Texten antik-mittelalterlicher Autoritäten nicht entgehen: Immer auch haben sich Alchemiker an autoritativen Texten orientiert, sich an ihnen gerieben, sie kommentiert, gelegentlich kritisiert, fortgeschrieben oder zu harmonisieren versucht; unüberschaubare Alchemicamassen bekunden enge Bindungen an personalautoritativ verbürgtes Wissen. Vor diesem Hintergrund sollte nicht überraschen, daß gerade Autoritätendichtungen mit am Anfang der deutschsprachigen Lehrpoesie alchemischen Inhalts stehen. Zu den ältesten Zeugnissen der deutschsprachigen Autoritätendichtung aus Alchemikerfeder zählt eine titellos überlieferte Diktasammlung eines Anonymus des 15. Jahrhunderts. Sie besteht aus 28 einem ›Balgus‹, ›Athamus‹, ›Pandolfus‹ sowie weiteren Autoritäten in den Mund gelegten Sprüche, verfaßt in Reimpaaren (Nr. 1–3, 5–10, 12–16, 21, 22, 24), aber auch in Prosa (Nr. 4, 11, 17–20, 23, 25–28). Obwohl nun viele Autoritätennamen auf ihrem Weg vom Griechischen über das Arabische und Lateinische in die deutsche Landessprache geradezu abenteuerliche
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Übersetzung von Hildenbrandt bezahlt worden ist; siehe Auriferae artis [. . .] Authores, ed. Hildenbrandt (1597), Vorrede und S. 108. Turba, übersetzt von Morgenstern, in: Turba philosophorum, ed. Morgenstern (1613). – Textprobe: Ruska (1931), S. 100–104. Siehe Telle (1995), Sp. 1153 (Überlieferungshinweise). Ebd., Sp. 1152f. (Überlieferungshinweise). München, SB, Cgm. 309 (15. Jh.), ab Bl. 126r (verstreute Turba-Texte). Siehe dazu Nr. 6. Siehe Nr. 2.
Nr. 1: Turba-Reimpaarsprüche als Bildgedicht
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Formen angenommen haben, verraten sie sofort den ursprünglichen Ort der mit ihnen verknüpften Dikta: die griechischen Philosophen beigelegten Reden der Turba philosophorum. 1. Untersuchungen Die Diktasammlung gehört zur Großgruppe literarisch abgeleiteter Alchemikerdichtungen und bietet lateinische Sachtexte in einer Übersetzung, deren äußere Gestalt als auch innere Beschaffenheit uneinheitlich ausgefallen sind: Die äußere Gestalt kennzeichnen ungeregelte Wechsel zwischen Prosa und Vers. Und aus einem Vergleich mit der Turba latina ergibt sich, daß zwar aus der Turba übernommene Lehrsätze den größten Anteil am Textbestand besitzen, jedoch einige turbafremde Dikta hinzutraten, die sich mit bekannten Autoritäten spätmittelalterlicher Alchemiker, Zosimos (Nr. 20), Ibn Umail (Senior, Nr. 16), Morienus (Nr. 15), Albertus Magnus (Nr. 6), Thomas von Aquin (Nr. 4) und einem ›Meister der Figur‹ (Nr. 11) verbinden. Wer nun die Dikta der Turbaphilosophen auswählte und mit Dikta weiterer Autoritäten kombinierte, ist ungeklärt. Die Kompilation könnte auf redaktorischen Überlegungen des Dichters beruhen, doch läßt sich keinesfalls ausschließen, daß vom Dichter eine mit Fremdtexten angereicherte Turba-Redaktion bzw. eine jener vielen turbahaltigen Diktasammlungen, die in der spätmittelalterlichen Alchemieliteratur einen bevorzugt gepflegten Schrifttypus bildeten (›Rosarien‹), als Vorlage benutzt worden ist. Der Dichter hatte sich keine systematische Wiedergabe oder verkürzte Zusammenfassung bestimmten Turba-Lehrgutes vorgesetzt, sondern schuf aus sentenzhaft-einprägsamen, formelhaft-lakonischen Merksprüchen eine Vers/Prosa-Kette, die eines zwingende innere Zusammenhänge stiftenden Gefüges entbehrt. Gemäß einem Hauptprinzip aller Autoritätendichtung findet man nur ausgewählte Sätze und Wendungen der Turba-Reden in deutsche Sprüche umgeformt, wobei sich manche vorgeprägten Anreden (»wist«