197 57 29MB
German Pages 332 [336] Year 1977
Andreae, Agrargeographie
Bernd Andreae
Agrargeographie Strukturzonen und Betriebsformen in der Weltlandwirtschaft
W G DE
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1977
Dr. agr. Bernd Andreae o. Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Technischen Universität Berlin
Mit 78 Abbildungen (davon 38 Kartenskizzen), 18 Übersichten und 19 Tabellen
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Andreae, Bernd Agrargeographie: Strukturzonen u. Betriebsformen in d. Weltlandwirtschaft. - 1. Aufl. - Berlin, New York: de Gruyter, 1977. ISBN 3-11-007034-0
© Copyright 1977 by Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz: Composersatz, Verena Boldin, Aachen. - Druck: Karl Gerike, Berlin. - Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe GmbH, Berlin. Printed in Germany.
Vorwort
Die Agrargeographie als Teil der Wirtschaftsgeographie ist die Wissenschaft von der durch die Landwirtschaft gestalteten Erdoberfläche mit ihren natur-, wirtschafts- und sozialräumlichen Beziehungen. Die agrarisch gestaltete Erdoberfläche setzt sich aus Agrarzonen, Agrarregionen und Agrarlandschaften zusammen und diese wiederum aus Agrarbetrieben, welche somit die Bausteine der Agrargeographie ausmachen. Die Agrargeographie ist eine ausgesprochene Grenzwissenschaft. Nicht nur der Wirtschaftsgeograph und der Agrarökonom, sondern auch der Pflanzen- und Tiergeograph, der Klimatologe, der Soziologe, der Ethnologe, der Kulturgeograph und andere haben bei der Erklärung der vielfältigen Kausalbeziehungen im Weltagrargefüge mitzuwirken. So ist es denn bisher noch niemals zu einer einigermaßen erschöpfenden Zusammenschau aller von den genannten Disziplinen erarbeiteten Einzelerkenntnisse gekommen — das ist das Schicksal einer jeden Grenzwissenschaft. Auch das hier vorgelegte Buch kann nicht den Anspruch auf Berücksichtigung aller Aspekte erheben. Soziokulturelle und religiöskultische Einflüsse mußten sogar fast völlig vernachlässigt bleiben. Wissenschaftlich verantwortet wurde die Agrargeographie bislang fast ausschließlich von den Wirtschaftsgeographen, die zu diesem Behuf oft die Verbindung mit Agrarökonomen suchten und besonders bei Th.H. Engelbrecht, J.H. von Thünen, Fr. Aereboe, W. Busch, M. Rolf es u.a. in reichem Maße gefunden haben. In den letzten zwei Dezennien ist das Interesse der Agrarökonomie für die Agrargeographie beträchtlich gewachsen, weil die Agrarökonomen aufgerufen wurden, an allen Ecken und Enden der Welt im Rahmen der Entwicklungshilfe beratend, ordnend, planend und helfend einzugreifen. Die Agrarökonomen wurden mehr denn je veranlaßt, durch eine geographisch möglichst weite Schau ihr Urteil für die agrarischen Probleme ganzer Großregionen in Lateinamerika, Afrika und Asien zu schärfen. So haben sie in hohem Maße auch von sich aus die Verbindung zur Wirtschaftsgeographie gesucht. Der Brückenschlag wurde von beiden Ufern vorangetrieben. Die beiden Disziplinen rückten sich näher. Deshalb glaubte ich, daß nun die Zeit gekommen sei, einem vielfach geäußerten Wunsche folgend auch von Seiten der Agrarökonomie eine erste deutschsprachige Einführung in die Agrargeographie vorzulegen. Sie will ein Kurzlehrbuch für Studenten der Geographie und der Agrar-
6
Vorwort
Wissenschaften sein, welches umfassend, aber doch knapp, genügend kausalmotivierend, aber doch leicht lesbar, Verständnis mehr noch als Kenntnisse zu vermitteln sucht. Den Kern dieses Buches bilden meine Vorlesungen über Agrargeographie an der Technischen Universität Berlin. Der Wirtschaftsgeograph dringt von der Weltlandwirtschaft oder von Agrarzonen ins Detail vor, während ich umgekehrt vom Agrarbetrieb ausgehend zum Verständnis größerer Räume fortschreite. Es ist selbstverständlich, daß diese beiden unterschiedlichen Blickrichtungen zu verschiedenen Akzenten, Ergebnissen und Schlußfolgerungen führen müssen In dieser Feststellung liegt aber kein Werturteil. Nicht ein EntwederOder, sondern ein Sowohl-Als-auch wünsche ich mir als Beurteilungsergebnis des Lesers, damit die von den beiden Ufern der Wirtschaftsgeographie und der Agrarökonomie vorgetriebenen Brückenköpfe endlich zu einer Einheit zusammenwachsen. Dem Verlag danke ich für das aufmunternde Vorschußvertrauen, mit dem er mich in den Kreis seiner Autoren aufgenommen hat, und für alles Verständnis für meine Wünsche. Der Respekt vor meiner in mehr als sechzehnjähriger gemeinsamer Arbeit auf das höchste bewährten Sekretärin, Frau Elsbeth Greiser, geb. Goehle, gebietet mir, hier nur ihren Namen stellvertretend für alle, die auch halfen, mit allerherzlichstem Dank zu nennen. Widmen möchte ich dieses Buch meiner Frau Gisela Andreae, geb. Freiin von Reibnitz; denn es wäre nicht zustande gekommen, wenn sie nicht in ihrem über mehr als drei Jahrzehnte hinweg stets sich gleichbleibendem Verständnis für meine Arbeit alle Opfer und Entbehrungen ebenso in unübertrefflicher Weise mit mir geteilt hätte, wie die Freude am vollbrachten Werk. Berlin-Dahlem, im Januar 1977
Bernd
Andreae
Inhalt
Abkürzungen Glossar Einführung:
Entstehung und Entwicklung Eine Dreistufentheorie
13 15 der Landwirtschaft
— 27
I.
Die Agrargeographie als Wissenschaft 1. Definitionen 2. Aufgaben und Bedeutung der Agrargeographie 3. Arbeitsmethoden der Agrargeographie
31 31 32 32
II.
Die Klimazonen des Weltagrarraumes und ihre für die Agrarwirtschaft bedeutsamen Merkmale 1. Tropische Regenklimate a) Regenwaldklima b) Feuchtsavannenklima c) Tropische Höhenklimate 2. Trockenklimate a) Trockensavannenklima b) Dornsavannenklima c) Steppenklima d) Halbwüstenklima 3. Humide warm-gemäßigte Klimate a) Subtropisch sommertrockenes Klima b) Subtropisch sommerwarmes Klima c) Marin sommerkühles Klima 4. Humide kühl-gemäßigte Klimate a) Kontinental sommerwarmes Klima b) Kontinental sommerkühles Klima c) Subarktisches Klima
34 36 36 36 37 38 38 39 39 41 41 42 43 44 44 44 44 45
Die Abgrenzung des Weltagrarraumes 1. Die Expansion des Weltagrarraumes als Gegenwartsproblem. 2. Ökologische Grenzen der Farmwirtschaft a) Polargrenzen b) Höhengrenzen c) Trockengrenzen d) Feuchtgrenzen und weitere Grenzen
46 46 49 49 52 56 63
III.
Inhalt
8
3. Ökonomische Grenzen der Farmwirtschaft 64 a) Siedlungs- und Industriegrenzen 64 b) Verkehrsgrenzen 64 c) Kommerzialisierungsgrenzen 66 4. Grenzverschiebungen im Wirtschaftswachstum 67 a) Mechanisch-technische Fortschritte als Ursache 67 b) Biologisch-technische Fortschritte als Ursache 68 c) Das Wirtschaftswachstum insgesamt als Ursache . . . . 69 5. Die Kontraktion des Weltagrarraumes als Zukunftsaspekt . . 72 6. Zusammenfassung 75 IV.
V.
Agrarbetriebe als Bausteine der Agrarlandschaft 1. Ursachen der Verbundproduktion von Agrarbetrieben . . . a) Arbeitsausgleich b) Fruchtfolge c) Düngerausgleich d) Futterausgleich e) Selbstversorgung f) Risikoausgleich 2. Ursachen der räumlichen Differenzierung von Agrarbetrieben a) Der natürliche Produktionsstandort b) Bevölkerungsdichte, Bildungsstand und Persönlichkeit des Betriebsleiters c) Die Größe von Betrieb, Farm, Ranch und Plantage . . . d) Die Verkehrslage des Betriebes e) Der mehrseitige Betrieb im Spannungsfeld der Kräftegruppen 3. Ursachen der zeitlichen Wandlung von Agrarbetrieben . . . a) Die Preis-Kostenentwicklung aa) Die Preisrelationen zwischen den Agrarprodukten . . bb) Die Kostenrelationen zwischen den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln cc) Die Preis-Kostenrelationen zwischen Agrarprodukten und Betriebsmitteln b)Die technischen Fortschritte aa) Organisch-technische Fortschritte bb) Mechanisch-technische Fortschritte Die wichtigsten Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft 1. Graslandsysteme a) Weidenomadismus b) Stationäre extensive Weidewirtschaften c) Stationäre intensive Weidewirtschaften
. .
77 78 79 80 81 82 83 84 84 85 86 87 93 96 97 98 98 99 102 102 103 103
.105 106 106 107 108
Inhalt
VI.
VII.
9
2. Ackerbausysteme a) Urwechselwirtschaften b) Feldgraswirtschaften c) Körnerbauwirtschaften d) Hackfruchtbauwirtschaften 3. Dauerkultursysteme a) Sammelwirtschaften b) Pflanzungen c) Plantagen
109 109 111 112 114 116 116 117 119
Die Agrargeographie der feuchten Tropen 1. Regionen des Regenfeldbaues a) Regenfeldbau im tropischen Regenwaldgürtel . . . . b) Regenfeldbau in den Feuchtsavannen c) Regenfeldbau in tropischen Höhenlagen 2. Regionen des Bewässerungsfeldbaues a) Betriebswirtschaftliche Funktionen der Feldbewässerung b) Bewässerungsverfahren im geographischen Vergleich c) Der Reisbau als Repräsentant bäuerlicher Bewässerungskulturen 3. Regionen mit vorherrschenden Baum- und Strauchkulturen a) Betriebswirtschaftliche Charakteristik und geographische Verbreitung b)Die wichtigsten Baum- und Strauchkulturen und ihre Standorte c) Bauernbetriebe oder Plantagen? aa) Typische Bauernkulturen bb) Typische Plantagenkulturen cc) Für Bauernbetriebe wie auch Plantagen geeignete Kulturen
121 126 126 132 135 136
Die Agrargeographie der Trockengebiete 1. Regionen der extensiven Weidewirtschaft a) Zonen des Hirtennomadentums b) Zonen der stationären Weidewirtschaft c) Der jahreszeitliche Futterausgleich als Kernproblem 2. Regionen des Trockenfeldbaues a) Die Weizen-Brache-Wirtschaft b) Die Hirse-Erdnuß-Wirtschaft c) Weitere Formen des Trockenfeldbaues
157 162 163 164 167 173 174 180 183
138 138 140 145 145 148 150 151 152 153
10
Inhalt 3. Kombinierte Naturweide-Trockenfeldbau-Regionen . . . a) Der Risikofaktor als Hemmschuh der verbundenen Produktion b) Südwestafrika als Beispiel c) Modifizierungen durch ökonomische und ökologische Varianten 4. Die Großraumgliederung eines Trockengebietes: Australien als Beispiel a) Naturräumliche Gliederung b)Agrarzone n c) Wasserwirtschaftliche Erschließungsprojekte . . . .
VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten 1.Die Agrargeographie Westeuropas a) Standortcharakteristik b) Methodik der Abgrenzung und statistischen Erfassung von Agrarregionen c) Fruchtfolgeregionen d) Bodennutzungsregionen e) Viehhaltungsregionen f) Komplexe Agrarregionen g) Zusammenfassung 2. Die Agrargeographie Nordamerikas a) Standortcharakteristik der USA b) Die Milchwirtschaftszone c) Die Maisbauzone d) Agrarregionen mit vielseitiger Landwirtschaft . . . . e) Die Baumwollzone f) Die Weizenbauregionen g) Regionen der extensiven Weidewirtschaft h) Regionale Unterschiede in der Faktorenkombination . 3. Die Agrargeographie von Ostblockländern a) Standortcharakteristik b) Sozialistische Großbetriebe als landschaftsprägendes Merkmal c) Probleme einer standortgerechten Agrarproduktion . d) Entwicklungsstufen der Sozialisierung e) Agrarzonen im Ostsee-Adria-Raum f) Agrarzonen der Sowjetunion g) Agrarzonen der Volksrepublik China IX.
Strukturwandlungen des Weltagrarraumes wachstum 1. Triebkräfte der Entwicklung
im
186 186 187 188 190 190 191 194 196 197 197 207 212 215 224 229 233 234 234 240 241 243 243 244 245 247 249 249 251 252 252 256 260 265
Wirtschafts272 272
Inhalt
11 2. Wandlungen der Faktorenkombination a) Faktorkosten und Faktorkombination in dünnbesiedelten Ländern b) Faktorkosten und Faktorkombination in dichtbesiedelten Ländern c) Unterscheidendes in der Gemeinsamkeit des allgemeinen Trends d) Entwicklungstendenzen landwirtschaftlicher Betriebsgrößen 3. Diversifizierung und Spezialisierung des Produktionsprogrammes a) Einseitige Agrarbetriebe in den Anfängen der Entwicklung b) Diversifizierungstendenzen im vorindustriellen Zeitalter c) Spezialisierungstendenzen im industriellen Zeitalter . d) Stufen der Betriebsvielfalt im Zuge der volkswirtschaftlichen Gesamtentwicklung 4. Wandlungen von Agrarlandschaften in ausgewählten Klimazonen a) Tropisches Regenwaldklima b) Feuchtsavannenklima c) Trockensavannen- und Steppenklima d) Marin sommerkühles Klima e) Kontinental sommerkühles Klima
Ausblick: Die landwirtschaftliche
Evolutionstheorie
Aereboes im Lichte dieser Agrargeographie
274 275 279 281 282 286 286 288 290 291 292 293 294 295 298 298
Friedrich 301
Literaturverzeichnis
305
Verzeichnis der Abbildungen
316
Sachregister
319
Abkürzungen
Afl. AK AKh AT dt EG EWG FAO GE GV ha HFF1. kcal K20 kStE LF
LN
LZ MPS MPSh N NGV P205 RGV RiGV S.Getr. % Afl.
Ackerfläche = zumeist alljährlich bestellte Fläche Vollarbeitskraft, die jährlich mindestens 2.400 AKh leistet. In den Tropen zumeist nur 1.500 bis 1.700 AKh/J. Arbeitskraftstunde Arbeitstag. In den Tropen zumeist nur 5,5 bis 7 AKh Dezitonne Europäische Gemeinschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Food and Agricultural Organization of the United Nations Getreideeinheit, entspricht im Nährstoffgehalt 1 dt Getreide Großvieheinheit, entspricht 500 kg Lebendgewicht Hektar = 100 Ar (a) = 10.000 m 2 ; 100 ha = 1 km 2 Hauptfutterfläche, die ausschließlich der Futtererzeugung dient Kilokalorie (1.000 cal) Kalidünger (Reinnährstoff) Kilostärkeeinheit (1.000 StE) = 1,408 skandin. Futtereinheiten Landwirtschaftlich genutzte Fläche = Ackerfl. + Obst- und Gemüsefl. in Gärten + Dauergrünland + Obstfläche + Rebland + Hopfenfl. + Baumschul- und Flurholzflächen Landwirtschaftliche Nutzfläche (LF + nicht mehr bewirtschaftete Acker- und Dauergrünlandflächen + private Parkanlagen, Rasenflächen und Ziergärten) Landwirtschaftszählung (Gesamtzensus) Motor-PS (Pferdestärke) Motor-PS-Stunde Stickstoffdünger (Reinnährstoff) Großvieheinheit Nutzvieh Phosphorsäuredünger (Reinnährstoff) Rauhfutterfressende Großvieheinheit Großvieheinheit Rind Sommergetreide (Frühjahrsbestellung) in % der Ackerfläche
14 % LF W.Getr. xxx ZK
Abkürzungen
in % der landwirtschaftlich genutzten Fläche Wintergetreide (Herbstbestellung) Stalldüngergabe Zugkrafteinheit (Äquivalent eines Pferdes; 5 Schlepper-PS = 1 ZK) ZKh Zugkraftstunde Z.Rüben Zuckerrüben Zwfr. Zwischenfrucht
Glossar
Agrargeographische Grundbegriffe (nach W. Manshard 83, S. 9 ff.) — Agrargeographie Wissenschaft von der durch die Landwirtschaft gestalteten Erdoberfläche. Wissenschaft von der räumlichen Ver— Sozialgeographie breitung geographisch relevanter Sozialstrukturen. — Wirtschaftsformation gemeinsamer Ausdruck von Wirtschaftsund Lebensform. landwirtschaftlich genutzter Teil der — Agrarraum Erdoberfläche. — Agrargebiet Raumeinheit mit deutlicher Dominanz der Landwirtschaft. Agrargebiet, welches sich global den — Agrarzone Klima- und Vegetationsgürteln zuordnen läßt. — Agrarlandschaft Teil der Erdoberfläche mit einer ganz bestimmten Agrarstruktur, also mit einer gewissen Einheitlichkeit, jede Art von Landwirtschaftsbetrieb, — Farm extensive Weidewirtschaft von zumeist — Ranch beträchtlicher Größe. Farm, die im wesentlichen Baum- und — Pflanzung Strauchkulturen pflegt, großbetriebliche Pflanzung, die auch über eigene Aufbereitungsanlagen für — Plantage ihre Ernteprodukte verfügt (Rohrzukker-, Sisal-, Teefabrik usw.). Begriffe der landwirtschaftlichen Bodennutzung (alphabetisch) (vgl. Abb. 1, S. 16) Feld- oder Fruchtfolgesystem = Orga— Ackerbausystem nisationsform des Ackerbaues, alle Flächen, auf denen Fruchtarten Ackerland regelmäßig wechseln (vgl. Abb. 1). Umfangsverhältnis der FruchtartengrupAckerflächenverhältnis pen in % Afl.
16
Glossar
Gliederung der
Landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF)
Sonderkulturen
Dauergrünland
B a u m - u. Strauchkulturen wie Wein, Obst, Hopfen, Baumschulen, Korbweideanlagen
-Getreide
Wiesen, Weiden. Mähweiden
Blattfrüchte
Zwischenfrüchte
Koggen, Weizen, Gerste, Hafer, Spelz, Menggetreide
Mähdruschblattfrüchte Raps, Rübsen, Körnermais, Druschleguminosen. Grassamenbau etc
-Mähdruschfrüchte
Unter-, Stoppelsaaten, Winterzwiscnenfriichte
Hackfrüchte
Feldrauhfutterbau
K a r t o f f e l n , Zuckerrüben, Futterhackfrüchte, Tabak, Feldgemüse u. and. Gartengewächse in feldmäDigem Anbau wie Erbeeren
Klee, Kleegras, Luzerne, Silomais, A c k e r w i e s e n u. - w e i d e n , S ü B l u p i n » etc
Futterbau-
oder unkorrekt „Getreidebau"
Abbildung 1
—
Almwirtschaft
Baujahre
-
Blattfrüchte
— Doppelfruchtwechsel — Dreifelderwirtschaft — Dry Farming
Weidewirtschaft auf Hochgebirgsflächen, die o f t über der Baumgrenze liegen und nur ca. 90 Tage/J. beweidet werden können. in Feldgraswirtschaften die Periode der einjährigen Nutzpflanzen; im Gegensatz zu den Grasjahren als der Periode der mehrjährigen Futterpflanzen, alle Vor-, Stütz- oder Wechselfrüchte in der Fruchtfolge, also Hackfrüchte, Ackerfutter, Hülsenfrüchte, Öl- und Faserpflanzen, Brache; im Gegensatz zu den Halmfrüchten als den Getreidearten. Blattfrucht-Blattfrucht-Getreide-Getreide. Blattfrucht-Getreide-Getreide. Trockenfarmsystem, in welchem durch Einschub von Schwarzbrache in die Fruchtfolge Wasser gespart wird (z.B. 1. Brache - 2. Weizen - 3. Weizen;.
Glossar —
Extensivblattfrüchte
— Felderwirtschaft — Feldgrasbau — Feldgraswirtschaft — Fremdverträglichkeit
— Frucht folge — Fruchtfolgeglied — Fruchtfolgegrundriß
— —
Fruchtwechselwirtschaft Fünffelderwirtschaft
— Grasjahre — Halmfrüchte — Haub ergswir tschaft
—
Hauptfruchtfolge
— Intensivblattfrüchte — Kleegraswirtschaft
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Druschleguminosen, Feldfutterpflanzen, Ölfrüchte, Brache; im Gegensatz zu den In tensivbla ttfrüch ten (Hackfrüchten). Fruchtfolge mit nur einjährigen Kulturpflanzen. Wechsel weiden, Wechselwiesen, Kleegras, Luzerne, Luzernegras. Fruchtfolge, die mehrjährigen Feldgrasbau einschließt. Verträglichkeit zwischen verschiedenen Kulturpflanzen; im Gegensatz zur Selbstverträglichkeit - Verträglichkeit der gleichen Kulturpflanze mit sich selbst. Fruchtumlauf = Rotation = zeitliche Folge der Feldfrüchte. Teilfruchtfolge, bestehend aus einer Blattfrucht und den nachfolgenden Halmfrüchten. Fruchtfolgegrundform, bei der nur die beiden wichtigsten Fruchtartengruppen, nämlich Blatt- und Halmfrüchte unterschieden werden. Blattfrucht-Getreide-Blattfrucht-Getreide. Blattfrucht-Getreide-Getreide-GetreideGetreide. Periode der mehrjährigen Futterpflanzen (vgl. Baujahre). Getreidearten (vgl. Blattfrüchte), kombinierte Forst-/Landwirtschaft. Im Eichenniederwaldbetrieb zur Lohegewinnung wird Getreide zwischen den Eichenstöcken angebaut, solange die Bestandesdichte noch locker ist. hofnähere oder wirtschaftlich bedeutsamere Fruchtfolge; im Gegensatz dazu liegt die Nebenfruchtfolge hofferner oder hat eine geringere wirtschaftliche Bedeutung. Hackfrüchte. Intensivform der Feldgraswirtschaft mit
Glossar
18
nur zwei- bis dreijähriger Nutzungsdauer des Feldfutterbaues, alpenländische Feldgraswirtschaft mit — Kunstegart künstlicher Feldfutteransaat, ständiger Anbau der gleichen Kultur— Monokultur pflanze, z.B. permanenter Getreidebau, alpenländische Feldgraswirtschaft mit — Naturegart Naturberasung. — Nebenfruchtfolge = vgl. Hauptfruchtfolge. Anzahl der Hauptnutzungsjahre des — Nutzungsdauer = Feldgrasbaues. Anpassungsfähigkeit der Betriebsorgani— Produktionselastizität = sation. Höhe von Arbeits- und Sachaufwand — Produktionsintensität = plus Zinsanspruch je Hektar. Produktionsprogramm = Umfangsver— Produktionsrichtung = hältnis der Betriebszweige. Verträglichkeit einer Kulturpflanze mit — Selbstverträglichkeit = sich selbst (vgl. Fremdverträglichkeit). Milchwirtschaft auf Almen. — Sennerei = — Überfruchtwechselglied = Blattfrucht-Blattfrucht-Getreide. — Umtriebsdauer = Umlaufdauer = Länge des Fruchtumlaufes in Jahren. — Vierfelderwirtschaft — Zweitfrüchte
— Zwischenfrüchte
Blattfrucht-Getreide-Getreide-Getreide. Pflanzen, die, nach einer Hauptfrucht angebaut, im gleichen Jahr noch ein marktfähiges Erzeugnis liefern. Pflanzen, die, nach einer Hauptfrucht angebaut, im gleichen Jahr kein marktfähiges Erzeugnis mehr liefern.
Intensitätsbegriffe — Intensität
— Betriebsintensität
= Höhe von Arbeits- und Sachaufwand plus Zinsanspruch je Hektar. Man spricht von vieh-, arbeits- oder düngerintensiven Betrieben. Grundlegend wichtig ist die Unterscheidung zwischen = Organisationsintensität = Anteil der Intensivbetriebszweige wie Hackfruchtbau, Sonderkulturen oder Milchproduktion im Betriebsgefüge und
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Glossar — spezieller Intensität
- Bewirtschaftungsintensität - Aufwand an Arbeit, Dünger etc. je Hektar bei ein und demselben Betriebszweig.
Kostenbegriffe (vgl. Abb. 2) Grundlegend wichtig sind die Begriffspaare: Spezialkosten — Gemeinkosten variable Kosten — fixe Kosten Durchschnittskosten — Grenzkosten. Kostenbegriffe Vollkosten = Durchschnittskosten G e s a m t k o s t e n je
Spezialkosten eindeutig«—
[Zurechenbarkeit zu e i n z e l n e n ! I Betriebszweigen ist j
v a r i a b l e (bewegliche) S p e z i a l k . Vom Produktion s u m fang abhängig
v a r i a b l e (bewegliche)
Produkteinheit
Gemeinkosten » n i c h t eindeutig
f i x e Il«ste) S p e z i a l k o s t e n Vom P r o d u k t i o n s u m f a n g unabhängig
Kosten
f i x e Ifeste)
Kosten
Grenzkosten
Abbildung 2
Kosten, die auf die letzte
Produkteinheit
entfallen
Betriebsgrößenklassen a) Gliederung nach der Marktverflechtung — Subsistenzbetriebe: Verkauf unter 25 % des Rohertrages — Wenig kommerzialisierte Betriebe: Verkauf 25 bis 50 % des Rohertrages — Stark kommerzialisierte Betriebe: Verkauf 50 bis 75 % des Rohertrages — Voll kommerzialisierte Betriebe: Verkauf mehr als 75 % des Rohertrages b) Gliederung nach der Arbeitsverfassung — Großbetriebe sind Lohnarbeiterbetriebe, deren Leiter nicht manuell mitarbeiten, sondern sich ausschließlich dispositiven Aufgaben widmen können — Bäuerliche Lohnarbeiterbetriebe oder Großbauernbetriebe sind solche, die zwar Lohnarbeiter beschäftigen, deren Leiter aber neben ihren dispositiven auch manuelle Arbeiten verrichten
Glossar
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— Bodenreiche Familienbetriebe verfügen über reichlich landwirtschaftlich genutzte Flächen im Verhältnis zum familieneigenen Arbeitspotential — Bodenarme Familienbetriebe bewirtschaften eine im Verhältnis zum familieneigenen Arbeitspotential zu kleine landwirtschaftlich genutzte Fläche Formen der Betriebsvielfalt — — — — —
Monoproduktbetriebe = einseitiges Produktionsprogramm Spezialbetriebe = mehrseitiges Produktionsprogramm Verbundbetriebe = vielseitiges Produktionsprogramm Diversifizierung = Erhöhung der Produktionsvielfalt Spezialisierung (Betriebsvereinfachung) = Einschränkung der Produktionsvielfalt
Erfolgsbegriffe (vgl. Abb. 3) — Rohertrag = landwirtschaftliche Betriebseinnahmen plus Wert der Naturalentnahmen für Privat, Altenteil, Naturalpacht und Naturallöhne plus Wert der Bestandsveränderungen an Vieh und selbsterzeugten Vorräten. — Deckungsbeitrag - Geldrohertrag abzüglich variabler Spezialkosten (Kosten für Saatgut, Tiermaterial, Tierarzt, Kraftfutter, Mineraldünger, Pflanzenschutzmittel, Trocknung, Reinigung u.ä.; z.T. auch Zugkraft-, Maschinen- und Handarbeitskosten; ferner Zinsanspruch des Umlaufkapitals). — Betriebseinkommen = Rohertrag minus Sachaufwand, Kostensteuern und Lasten = Einkommen der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit, Kapital und Unternehmerleistung. — Roheinkommen - Betriebseinkommen minus Fremdlöhne = Einkommen der bäuerlichen Familie aus Boden, Arbeit, Kapital und Unternehmerleistung. — Arbeitseinkommen der bäuerlichen Familie = Roheinkommen minus Zinsanspruch des Aktivkapitals. — Reinertrag = Roheinkommen minus Lohnanspruch der familieneigenen Arbeitskräfte = Verzinsung des Aktivkapitals plus Unternehmergewinn. — Brutto-Bodenproduktivität = Rohertrag je ha LF — Brutto-Arbeitsproduktivität = Rohertrag je AK — Netto-Bodenproduktivität = Betriebseinkommen je ha LF — Netto-Arbeitsproduktivität = Betriebseinkommen je AK
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Glossar
Ableitung von Erfolgsmaßstäben landwirtschaftlicher Betriebe Bare Betriebseinnahmen + Unbare Betriebsleistungen
Wert von Mehrbeständen, Eigenverbrauch u. Naturallohn
= Betriebsertrag je ha= Brutto-Boden-, je AK= Brutto-Arbeitsproduktivität
I
abzügl.
Barer S a c h a u f w a n d + Unbarer S a c h a u f w a n d
Abschreibungen, Wert von Minderbeständen
+ Betriebssteuern u. Lasten
= Sachaufwand u. Betriebssteuern Betriebseinkommen
= Einkommen der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit, Kapital und Betriebseinkommen je ha = Netto- Bodenproduktivität
Unternehmerleistung
Betriebseinkommen je AK = Netto-Arbeitsproduktivität
abzügl.
abzügl.
I Zinsanspruch des Aktivkapitals
Fremdlöhne
einschl. Sozial- u. Unfallversicherung, Naturallohn u. Betriebshaushalt
Roheinkommen
Arbeitseinkommen
Einkommen d. bau er I. Familie aus Arbeit u. Kapital abzügl.
Lohnansatz f.d. bäuerl. F a m i l i e -
Reinertrag Kapitaleinkommen
Abbildung 3
Glossar
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Getreideverarbeitende Veredelungsproduktion kann sein: Schweinemast, Legehennenhaltung und Junggeflügelmast. Abkürzungen und Begriffe aus der Landwirtschaft des Ostblocks - Agrar-Industrie-Komplex
(AIK)
= Gesamtheit der Wirtschaftsbereiche, die zur Agrarproduktion beitragen bzw. an der Herstellung von Nahrungsgütern beteiligt sind (DDR), — Agrochemisches Zentrum (ACZ) = spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen, welches Lagerung, Transport und Ausbringung von Düngern aller Art in den beteiligten Betrieben übernimmt (DDR). Vergütungssystem in der DDR— Arbeitseinheit (AE) Landwirtschaft; Bewertung der Arbeit nach einer Tagesarbeitsnorm. Dabei werden Arbeitserschwernisse und Maß der Verantwortung berücksichtigt. Kollektiv von Bauern, die auf der Grundlage von Planvorgaben in den Genossenschaften bestimmte Produktionsaufgaben lösen, landwirtschaftliche Betriebsform in — Kolchose der Sowjetunion; durch die Kollektivierung ehemaliger Bauernbetriebe entstandene Genossenschaft (UdSSR). - Kombinat für industrielle Mast = industriemäßige landwirtschaftliche (KIM) Großbetriebe in Staatseigentum, die auf die Erzeugung eines bestimmten tierischen Produktes spezialisiert sind, z.B. Rinder, Schweine, Geflügel (DDR). — Kooperative Einrichtung neue landwirtschaftliche Betriebs(KOE) form, entwickelt durch überbetriebliche Zusammenarbeit von LPG und VEG, Dienstleistungsbetrieben sowie Betrieben der Nahrungsgüterwirtschaft und des Handels (DDR).
— Brigade
23
Glossar
Landwirtschaftliche tionsgenossenschaft
Produk( LPG)
Maschinen- Tra ktoren-S tation (MTS) Sowchose
— Volkseigenes Gut (VEG)
Volkskommune
kollektiver, juristisch selbständiger Landwirtschaftsbetrieb; Unterscheidung in Typ I bis III nach Maßgabe der eingebrachten Produktionsfaktoren (DDR). im sowjetischen Agrarsystem konzipierte überbetriebliche Maschinenausleihstation mit Reparaturwerkstatt. landwirtschaftliche Betriebsform der Sowjetunion; Staatsgut, welches durch Enteignung früherer Gutsbetriebe bzw. Neugründung (Neulandgewinnung) entstanden ist (UdSSR). Staatsbetrieb, der durch Enteignung und Zusammenlegung von landwirtschaftlicher Nutzfläche nach 1945 entstanden ist (DDR). landwirtschaftliche Organisationsform in China; Ausdehnung über einen ganzen Bezirk; Untergliederung in Produktionsbrigaden. Die Kommune ist eine Mehrzweckinstitution und umfaßt neben der Agrarproduktion auch politische, administrative und kommunale Funktionen (VR China).
Botanische und englische Bezeichnung von Kulturpflanzen der Tropen und Subtropen Deutsch Kakaobaum Kaffee Tee Tabak
Botanisch
Englisch
Genußmittelliefernde Pflanzen cocoa, cacao Theobroma cacao L. coffee Coffea spec. tea Thea (Camellia) sinensis L. tobacco Nicotiana spec.
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Glossar
Botanisch
Deutsch
Englisch
Kautschuk- und gummiliefernde Parakautschukbaum Guttaperchaliefernde Pflanzen Gummiakazien
Hevea brasiliensis Muell.-Arg. Fam. Sapotaceae
para rubber, caoutchouc tree gutta-percha
Acacia spec.
gum arabic tree
Öl- und fettliefernde Ölpalme Kokospalme Ölbaum Soja Erdnuß Sesam Rizinus
Zitrus Dattelpalme Feigenbaum Mangobaum Zuckerrohr
oil palm coconut palm olive soybean groundnut, peanut sesame castor bean, castor-oil plant
Wurzelfrüchte
Manihot esculenta Crantz cassava yam Dioscorea spec. Ipomoea batatas Poir. sweet potato Obstliefernde
Banane Ananas
Pflanzen
Elaeis guineensis Jacq. Cocos nucifera L. Olea europaea L. Glycine max L. Arachis hypogaea L. Sesamum indicum DC. Ricinus communis L. Knollen- und
Maniok Yam Batate od. Süßkartoffel
Pflanzen
Pflanzen
Musa spec. Ananas comosus Merr. Citrus spec. Phoenix dactylifera L. Ficus carica L. Mangifera indica L.
banana, plantain pineapple citrus plants date palm fig mango
Zuckerliefernde Pflanzen Saccharum officinarum sugar cane L. Getreide
Reis Mais Hirsen, große Hirsen, kleine
Oryza sativa L. Zea mays L. Andropogoneae Paniceae
rice corn, maize, sorghum millet
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Glossar
Deutsch
Botanisch
Englisch
Faserpflanzen Baumwolle Kapok Jute Kenaf Roselle Ramie Sisal Faserbanane
cotton kapok, tree jute Corchorus spec. Hibiscus cannabinus L. deccan Hibiscus sabdariffa L. roselle Boehmeria spec. ramie, rhea Agave sisalana Perrine sisal abaca, Musa textilis Née
Gossypium spec. Ceiba spec.
silk-cotton
hemp, kenaf hemp, sorrel China grass,
Manila hemp
Einführung: Entstehung und Entwicklung der Landwirtschaft Eine Dreistufentheorie Den Entwicklungsverlauf der Landwirtschaft kann man grob in drei Epochen gliedern. Diese drei Stufen, welche sich in den heutigen Industrieländern im zeitlichen Nacheinander ablösten, sind im räumlichen Nebeneinander der Entwicklungsländer noch in unseren Tagen existent. 1. Die rein okkupatorischen Wirtschaftsformen, Sammler, Jäger, Fischer und Hirten, kämpfen gegen den Zwang einer zunehmenden Extension ihres Aktionsradius an. Ganze Völker — wie die Buschleute, Pygmäen, Aborigines oder Feuerländer — verhungerten oder verkümmerten in gleichem Maße wie ihre Nahrungsquellen versiegten. Der Standort gab nicht mehr genug her, das war ihr Problem. Die Wildbeuterstufe und das Stadium der frühen Sammelwirtschaft nehmen den weit überwiegenden Zeitraum (98—99 %) in der Wirtschaftsentwicklung der Menschheit ein (W. Manshard, 83, S. 20). Die Nomadenbevölkerung der sechs Sahel-Länder nahm in den letzten drei Dezennien jährlich um 1,7 % zu. Die Viehbestände stiegen etwa entsprechend. Überweidung war die Folge. Als dann in den letzten Jahren auch noch die große Dürre eintrat, entstand eine Hungerkatastrophe, die die Welt erschaudern ließ. Die Natur korrigierte in grausamer Weise das biologische Gleichgewicht, welches alle okkupatorischen Wirtschaftsformen bei wachsender Bevölkerung kaum erhalten können. Die Standortfrage wurde zur Existenzfrage. 2. Begrenzte natürliche Nahrungsvorräte und begrenzter Aktionsradius von Mensch und Tier, Grenzen der Extension also, zwingen Menschengruppen früher oder später zu exploitierenden Wirtschaftsformen überzugehen. Die Stufe des Hackbaues, später des Pflugbaues, wird erreicht. Zum Ernteaufwand treten Urbarmachungs-, Anbau- und Pflegeaufwand hinzu. Aus bloßem Sammeln von Wildfrüchten wird nun Landbau. Erst jetzt kann man daher von Bauern sprechen, erst seit etwa 10.000 Jahren. Steppenumlagewirtschaft, Moorbrandwirtschaft oder Waldbrandwirtschaft sind solche bodenausbeutenden Wirtschaftsformen. Der Mensch greift tief in den Naturhaushalt ein, ohne schon die Mittel zum Ausgleich zu besitzen. Auf wenige Jahre fruchtbarkeitszehrenden Ackerbau
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Einführung
müssen deshalb viele Jahre fruchtbarkeitsmehrende Gras-, Busch- oder Waldbrache folgen, damit die Natur das ökologische Gleichgewicht wiederherstellt, welches unvollkommene Menschenhand gestört oder zerstört hat. Man sage nicht, daß dies historische Reminiszenzen seien. Shifting Cultivation wird noch heute von über 200 Mio. Menschen auf über 30 Mio. km 2 überwiegend gehandhabt. Man sage auch nicht, daß dieses System seine Ursache in wirtschaftlichem Unverstand einer der Kulturstufe des Neolithikums noch nahestehenden Bevölkerung hätte. Solange die Besiedlung noch locker ist, arbeitet es sogar mit hoher ökonomischer Effizienz. Durch die verschwenderische Nutzung großer, frei verfügbarer Bodenflächen wird ein geringer Arbeitsaufwand, ein Verzicht auf fast jeglichen Kapitaleinsatz und somit bei den hier obwaltenden Faktorkostenrelationen Minimalkostenkombination erreicht. Wachsende Bevölkerung aber führt zu einem verhängnisvollen Circulus vitiosus: Man braucht mehr Acker und verkürzt dazu die Brachperiode. Kürzere Waldbrache führt zu unvollkommener Regeneration der Bodenfruchtbarkeit. Absinkende Felderträge haben eine weitere Ausdehnung des Ackerlandes zu Lasten des Brachlandes zur Folge — und so fort. In einem solchen selbstzerstörerischen System verlagerte sich die Majakultur vom Zentrum der Yukatan-Halbinsel immer weiter an die Peripherie, bis sie, am Ozean angelangt, erlosch (P. Gourou: Les Pays Tropicaux. Paris 1947). 3. Bei wachsender Bevölkerungsdichte reichen also schließlich auch die exploitierenden Wirtschaftsformen in ihrer ernährungswirtschaftlichen Tragfähigkeit nicht mehr aus. Kultivierende Formen der Bodennutzung sind nunmehr erforderlich. Die Standortfrage wird abermals differenzierter. Pflugbau erfordert pflugfähigen und somit gerodeten Boden. Nach dem Prinzip des geringsten Aufwandes haben daher alle ackerbautreibenden Völker der Erde zunächst die baumlosen Steppen und Prärien, das natürliche Grasland, in Kultur genommen. Es folgten Nadelwälder, die flach wurzeln und Brandrodung erlauben. Erst zum Schluß drang der permanente Ackerbau auch in Regionen tiefwurzelnder Laubwälder vor. Als die von Osten kommenden Slawen Mecklenburg besiedelten, haben sie die ihnen näher liegenden Buchen- und Eichenwälder des Ostteils tatenlos durchzogen. Sie besiedelten zunächst den ferner liegenden Westteil des Landes, weil hier in den Nadelwäldern der Urbarmachungsaufwand geringer war. Auch konnten sie ihren hölzernen Hakenpflug auf den leichten Böden besser einsetzen. So führen die verfügbaren Hilfsmittel des Landbaues zur Standortwahl. Malawi ist ein übervölkertes Agrarland und besitzt dennoch weite ungenutzte Bodenflächen. Diese sind nämlich so schwer, daß sie auf der
Einführung
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derzeitigen Stufe des Hackbaues noch nicht bearbeitet werden können. Erst wenn später stärkere Energiequellen in Form von Zugtieren oder Schleppern zur Verfügung stehen, dürften auch diese Flächen Kulturland werden können. Bisher war nur von Selbstversorgungswirtschaften die Rede. Da Städte und Märkte sich früher und stärker entwickeln als Infrastrukturen, erwächst für die marktorientierte Landwirtschaft in der Bezugs- und Absatzlage ein neues Standortproblem. Die alten Kulturzentren der Menschheit lagen nicht nur deshalb am Nil, in Mesopotamien, am Indus und Ganges, im Mekongdelta oder am Jangtsekiang, weil hier fruchtbare Alluvialböden ein natürliches Nährstoffnachlieferungsvermögen besitzen und die Bewässerungswirtschaft möglich ist, sondern auch deshalb, weil die Wasserfracht damals noch weit mehr als heute den billigsten Transport gewährleistete. In gleichem Maße wie die wachsende Bevölkerung ihre Siedlungsgebiete immer weiter in das Landesinnere vortreiben mußte, verschärfte sich das verkehrsgemäße Standortproblem. Als J.H. von Thünens „Der isolierte Staat" 1826 erstmalig erschien, standen das Dampfschiffahrts- (ab 1807) und Eisenbahnwesen (ab 1825) gerade in den allerersten Anfängen, und bis zum ersten Kraftfahrzeug (1886) mußten noch 60 Jahre vergehen. Sonst hätte Thünens Raumbild anders ausgesehen. Die konzentrischen Ringe wären einer mehr radialen Anordnung der Betriebsformen gewichen. In den dem Verkehr wenig erschlossenen Entwicklungsländern sind die Agrarsysteme oft weniger eine Funktion der Marktentfernung als vielmehr durch die Entfernung der Hauptverkehrsadern geprägt. Erst wenn sich mit wachsender volkwirtschafthcher Entwicklung das Verkehrsnetz verdichtet und die Transporttarife sinken, wird der Landwirt gegenüber dem Standortfaktor äußere Verkehrslage wieder freier. Er kann sich dann um so besser den natürlichen Standortbedingungen anpassen. Durch die stark gestiegene Anzahl seiner Produktionsverfahren ist dies nun auch weit mehr nötig und weit besser möglich. Schließlich führen weiteres Wirtschaftswachstum und eine Fülle technischer Fortschritte dazu, daß das Maß der Beherrschung der Naturkräfte mittels Be- und Entwässerung, Düngung, Pflanzenschutz, Adaption des genetischen Potentials von Pflanze und Tier u.a. so weit steigt, daß der Landwirt auch gegenüber den natürlichen Standortfaktoren handlungsfreier wird. In hochentwickelten Industrieländern schlägt dann die Persönlichkeit des Betriebsleiters in einem vorher nie gekannten Maße auf den Betriebserfolg durch. Nicht Standorts-, sondern Persönlichkeitsprobleme stehen nun im Vordergrund. In Abweichung von der Dreistufentheorie Richard Krzymowskis (Geschichte der deutschen Landwirtschaft. Stuttgart 1951) und den drei Entwicklungsverlaufsformen Eduard Hahns (Von der Hacke zum Pflug.
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Einfuhrung
Leipzig 1914), die alle durch Beispiele belegt werden können, dürfte die Evolution der Landwirtschaft deshalb im Regelfall so verlaufen: Okkupieren *• Exploitieren >- Kultivieren (Aneignung) (Ausbeutung) (Bodenpflege)
I. Die Agrargeographie als Wissenschaft Um den begrenzten Umfang dieses Buches soweit wie möglich spezifisch agrargeographischen Bereichen vorbehalten zu können, wurde dieses Kapitel I sehr knapp und fragmentarisch abgehandelt. Trotz seiner methodischen Bedeutung glaubte der Verfasser das in Kauf nehmen zu können, weil über diesen Gegenstand glänzende Darstellungen vorliegen. Außer auf die angezogenen Quellen sei der Leser auf das Literaturverzeichnis, insbesondere auf die einschlägigen Werke der Wirtschaftsgeographie, verwiesen.
1. Definitionen Die Agrargeographie wird von E. Otremba (95, S. 62) als die Wissenschaft von der durch die Landwirtschaft gestalteten Erdoberfläche sowohl als Ganzes als auch in ihren Teilen, in ihrem äußeren Bild, ihrem inneren Aufbau und in ihrer Verflechtung definiert. Unter Landwirtschaft versteht man die Bewirtschaftung von Bodenflächen zwecks Erzeugung pflanzlicher und tierischer Produkte für die menschliche Bedarfsdeckung. Die Landwirtschaft ist zwar auch eine Lebensform, in erster Linie aber eine Wirtschaftsform. Die Agrargeographie ist daher zwar auch ein Zweig der Kulturgeographie, mehr aber Bestandteil der Wirtschaftsgeographie. Zum Verständnis agrargeographischer Zusammenhänge dienen nach W. Manshard (83, S. 10 f.) folgende agrarräumliche Grundbegriffe: Als Agrarraum wird ein in irgendeiner Form landwirtschaftlich genutzter Teil der Erdoberfläche angesprochen. Dagegen wird ein Agrargebiet als eine durch deutliche Dominanz der Landwirtschaft gekennzeichnete Raumeinheit definiert. Es ist Teil einer größeren, seiner Struktur nach heterogenen räumlichen Einheit wie eines Staates oder Naturraumes. Agrarzonen sind Agrargebiete, die sich global den verschiedenen Klimaund Vegetationsgürteln zuordnen lassen und die agrarstrukturell und agrarphysiognomisch eine gewisse Gleichförmigkeit zeigen. Die Agrarlandschaft ist ein Teil der Erdoberfläche, der auf Grund bestimmter Geofaktoren, sozialer und historischer Gegebenheiten spezifische Flur- und Siedlungsformen, technische Hilfsmittel, Bodennutzungsund Viehhaltungsformen besitzt, dessen agrarische Struktur also gewisse einheitliche Züge trägt. Weitere Definitionen sind dem Glossar, S. 15, zu entnehmen.
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I. Die Agrargeographie als Wissenschaft
2. Aufgaben und Bedeutung der Agrargeographie Eine Hauptaufgabe der Agrargeographie ist die Analyse agrarisch strukturierter Räume und ihrer natur-, wirtschafts- und sozialräumlichen Beziehungen und Ordnungen. Das Hauptziel der Agrargeographie besteht nach W. Manshard (83, S. 9) darin, die räumliche Differenzierung der verschiedenen Erscheinungsformen der Landwirtschaft zu untersuchen. Ergebnisse solcher agrargeographischer Studien sind für jede gestaltende Betätigung des Menschen notwendig, soweit sie raumbezogen ist. Entscheidungshilfen liefert die Agrargeographie für den Bevölkerungspolitiker, der Versorgungseinrichtungen plant, für den Verkehrstechniker, der die Linienführung von Autobahntrassen oder die Lokalisierung neuer Häfen bestimmen soll, für die Raumplaner und Landschaftsgestalter, die den günstigsten Standort von Erholungsgebieten suchen, für den Agrarpolitiker, der die Agrarstruktur verbessern will, für den Wasserbauer, der neue Staudämme plant, für den Ernährungswirtschaftler, der Produktion und Verteilung von Nahrungsgütern optimieren will, um nur einige Beispiele zu nennen. Je kleiner jeweils der Planungsraum, um so eher kann die Agrarwissenschaft helfen, je größer aber der Planungsraum, um so ausschließlicher muß die Agrargeographie die Entscheidungshilfen liefern (z.B. für die UNO, FAO, UNESCO). So ist es denn kein Wunder, daß die Agrargeographie in den beiden großen Staaten USA und UdSSR besonders stark gepflegt wird. Weitere Aufgaben der Agrargeographie und ihre Verbindung mit der Agrarökonomie wurden bereits im Vorwort dieses Bandes skizziert.
3. Arbeitsmethoden der Agrargeographie Als Teildisziplin der Wirtschaftsgeographie verbinden sich in der Agrargeographie Elemente und Arbeitsmethoden der Geographie mit denen der Wirtschafts- und Agrarwissenschaften (Manshard 83, S. 9). So vielfältig wie die Fragestellungen sind auch die Arbeitsmethoden. Im Prinzip geht man bei agrargeographischen Untersuchungen häufig so vor: 1. Präzise Formulierung der Fragestellung. 2. Bestimmung des Untersuchungsablaufes. 3. Materialsammlung a) Sammlung und Ordnung von Primärmaterial (Gebäudeformen, Fruchtfolgesysteme etc.), b) Sammlung und Aufbereitung von Sekundärmaterial (Global-, besonders Regionalstatistiken, z.T. sogar Buchführungsmaterial und Betriebserhebungen).
3. Arbeitsmethoden der Agrargeographie
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4. Flächenhafte Aufbereitung des Materials nach agrarräumlichen Einheiten, wenn möglich durch Kartierung; anderenfalls müssen graphische Darstellungen oder auch Übersichten und Tabellen helfen. 5. Raum spezifische Interpretation der Aufbereitungsergebnisse mit Hilfe geographischer, naturwissenschaftlicher und ökonomischer Methoden, Erkenntnisse und Theorien. 6. Ableitung grundsätzlicher Erkenntnisse durch Eliminierung motivierbarer Ausnahmeerscheinungen. 7. Beantwortung der Fragestellung anhand der grundsätzlichen Untersuchungsergebnisse .
II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes und ihre für die Agrarwirtschaft bedeutsamen Merkmale Wer die räumliche Ordnung der Weltlandwirtschaft studieren und verstehen will, muß sich an die Klimazonen halten. Sie nämlich sind
Abbildung 4
II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes
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II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes
großräumig das wichtigste differenzierende Moment. Ihnen muß daher unser allererstes Interesse gelten. Die Abbildung 4 zeigt die wichtigsten Klimazonen Afrikas und wird durch die Abbildung 5 ergänzt.
1. Tropische Regenklimate Die tropischen Regenklimate sind identisch mit den Sammelbegriffen „feuchte Tropen" oder „innere Tropen". Agrargeographisch muß man zumindest eine dreifache Untergliederung treffen:
a) Regenwaldklima Dieses Klima findet sich im äquatornahen Tiefland. In der Abbildung 4 heben sich das Kongobecken und die Guinea-Küste hervor. Das Amazonasbecken und große Teile Indonesiens besitzen ebenfalls Regenwaldklima. Dieses ist ganzjährig heiß und feucht. Zwei Regenzeiten mit zusammen mindestens 1.500 mm Niederschlägen, kein Monat mit weniger als 60 mm Regen, eine ganzjährig wenig schwankende mittlere Temperatur von 25 bis 28° C und eine im Jahresablauf selten den Wert von 90 % unterschreitende rel. Luftfeuchte (6 Uhr) führen hier zu dem immerfeuchten Klimatyp, der in der Naturvegetation den immergrünen, ombrophilen Regenwald hervorruft. Es ist diejenige sprichwörtlich üppige tropische Vegetation, die der Laie allzuleicht mit der tropischen Vegetation ganz allgemein identifiziert, obwohl sie nur in einem verhältnismäßig kleinen Teil der Tropen, eben im Regenwaldklima, auftritt. Das Regenwaldklima besitzt 8 1/2 bis 12 humide Monate und muß als humid bis perhumid gekennzeichnet werden. Wenn die Naturvegetation dieses Klimas aus Wald besteht, so wundert es nicht, wenn auch in der Kulturvegetation Baum- und Strauchkulturen begünstigt sind: Kakao, Kautschuk, Ölpalme, Kokospalme und Kaffee (coffea robusta). Bis auf die Palmen liefern diese Kulturen keine Grundnahrungsmittel. Daraus erklärt sich teilweise die nur lockere Besiedlung des Amazonas- und des Kongobeckens. Daneben werden Bananen, Zuckerrohr, Maniok, Yam und Mais, u.U. auch Reis angebaut. Die Bedingungen für die Viehhaltung sind in diesem Klima außerordentlich ungünstig, wie auch der Mensch, jedenfalls die weiße Rasse, dieses ständig feucht-heiße Klima schlecht verträgt.
b) Feuchtsavannenklima An den Regenwaldgürtel schließt sich nördlich und südlich die Feuchtsavanne an. Ihr Klima ist bei sechs bis achteinhalb humiden Monaten
1. Tropische Regenklimate
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und 600 bis 1.500 mm Regen subhumid. Der Regenfall konzentriert sich auf eine lange Regenzeit im Sommer, auf die eine kurze Trockenzeit im Winter folgt. Als Grasflur tritt die Hochgrassavanne mit Galeriewäldern, als Gehölzflur der Monsunwald auf. Wiederkäuerhaltung ist nun möglich, da die Seuchengefährdung gegenüber dem Regenwaldklima geringer ist. Von der Nachfrageseite her ist die Viehhaltung allerdings wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung noch gehemmt. Man bezeichnet die Kontaktzone zwischen Feuchtsavannen- und Regenwaldklima als die Feuchtgrenze der Weidewirtschaft. Die wasseranspruchsvollsten Baumkulturen des Regenwaldklimas wie Kakao, Kautschuk und Kaffee werden in dem Feuchtsavannenklima kaum noch angebaut, und auch der Anbau von Ölpalme und Maniok gehen zurück. Selbst Yam wird schon etwas unsicher. Dagegen treten jetzt neue Arten in die Kulturpflanzengemeinschaft ein, die für ihre Reife eine Trockenperiode benötigen: Buschbohne (Phaseolus) und Erdnuß.
c) Tropische Höhenklimate Von einem tropischen Höhenklima im Singular kann man nicht sprechen, da es hier je nach Höhenlage, Hanglage, Exposition, Feuchtigkeits-, Belichtungs- und Wärmeverhältnissen die verschiedensten Varianten gibt. Auch die Zuordnung zu den tropischen Regenklimaten ist problematisch, weil es in den tropischen Höhenlagen auch Trockenklimate gibt und weil schließlich in sehr hohen Regionen des Himalaja oder der Anden gemäßigte oder selbst arktische Klimaelemente zutage treten. Die tropischen Höhenlagen beginnen vereinbarungsgemäß bei 1.000 m über NN. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt in Madras auf Meereshöhe 27,8° C, in dessen 2.280 m hochgelegenen Bergluftkurort Ootocamund im Nilgirigebirge nur noch 13,8° C. Das ist ein Unterschied von ± 0,6° C je 100 m. Infolgedessen beherrschen im tropisch semiariden Tiefland Hirse und Erdnuß das Landschaftsbild, und im feuchten Monsunklima an der Südwestküste Indiens wachsen Kautschuk, Pfeffer, Bananen und Maniok. In den hohen Bergen aber, die noch frostfrei sind, werden Tee, Kaffee (coffea arabica), Kartoffeln und Gemüse angebaut (P. Piekenbrock 97, S. 20). Etwa die gleichen Agrarlandschaften, welche uns auf einer Reise vom Kongo bis zum Mittelmeer oder vom Amazonas bis zum La Plata nacheinander begegnen, kann man also beim Anstieg in äquatornahen Hochgebirgen auf einer Distanz von wenigen hundert Kilometern wiederfinden. Es gibt für unsere Kulturpflanzen spezifische Höhenstufen des Anbaues, die physiologisch bedingt und ökonomisch relevant sind. In der
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II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes
Äquatorzone (10° nördl. Br. bis 10° südl. Br.) besitzen manche Kulturpflanzen ein — Höhenminimum: Wirtschaftlicher Anbau ist z.B. erst möglich bei Kaffee ab 950, bei Teff ab 1.300, bei Kartoffeln und Passionsfrucht ab 1.600 und bei Weizen erst ab 2.000 m über NN. Unterschiedlich ist auch die — Höhenspanne: Kaffee (coffea arabica) 950 bis 2.000 m NN, Mais 0 bis 2.800 m über NN. Alle Kulturpflanzen aber besitzen eine — Höhengrenze: In Costa Rica hört z.B. der Anbau von Reis bei 1.000, von Kaffee bei 1.450, von Zuckerrohr bei 1.500, von Gemüsebananen bei 1.700, von Criollogräsern bei 2.000 m über NN auf, während Importgräser, Rotklee, Mais, Kartoffeln und europäische Gemüsearten bis auf 2.800 m über NN aufsteigen (O. Spielmann 125, S. 4 2 - 5 1 ) .
2. Trockenklimate Die Trockenklimate werden von den tropischen Regenklimaten durch die klimatische Trockengrenze geschieden, denn die Zahl der humiden Monate im Jahr beträgt nun nur noch höchstens sechs. Während die tropischen Regenklimate im allgemeinen landwirtschaftlich durch Wasserüberfluß gekennzeichnet sind, leiden die Trockenklimate samt und sonders unter Wassermangel. Man spricht auch von äußeren Tropen. Trockenklimate gibt es nicht nur in den Tropen, sondern auch in den Subtropen, in gemäßigten und in noch kühleren Klimaten. Gemeinsame landwirtschaftliche Charakteristika lassen es indes geraten erscheinen, sie zu einer Gruppe zusammenzufassen.
a) Trockensavannenklima Dieses ist eindeutig noch den Tropen zugehörig, wie es überhaupt die Vegetationsformationen der Savannen einzig und allein in den Tropen gibt. Die Trockensavannen schieben sich als zumeist recht schmaler Gürtel zwischen die Feuchtsavannen und die Dornsavannen ein. Größere Gebiete dieses Klimatyps finden sich fast im gesamten Sambesi-Bekken, im südlichen Teil der Sahel-Zone, in West-Madagaskar, als Gürtel längs durch Indien, im nördlichsten Australien oder in Teilen Mexikos. Dreieinhalb bis sechs humide Monate erlauben noch Regenfeldbau, d.h. Ackerbau ohne künstliche Bewässerung. Als Grasflur tritt die Kurzgrassavanne, als Gehölzflur regengrüner Trockenwald (z.B. Miombo) auf. Gegenüber der Feuchtsavanne ist die Regenzeit viel kürzer und unergie-
2. Trockenklimate
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biger, die Trockenzeit länger. Das Klima ist semiarid mit nur noch 300 bis 600 mm Regen im Jahr. Es handelt sich um typisch wechselfeuchte Tropen. Der Ackerbau kann sich nun nur noch auf sehr trockenresistente Fruchtarten stützen, im wesentlichen auf Hirse, Erdnuß und Buschbohne. Selbst der Yamanbau ist wegen der langen Trockenzeit nicht mehr möglich. Oft muß die Umlagewirtschaft Wasser sparen helfen. Im Gegensatz zum gemäßigten Klima gewinnt aber die Rindviehhaltung mit zunehmender Klimatrockenheit Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Ackerbau. So stehen in dieser Klimazone der Trockenfeldbau und die extensive Weidewirtschaft sowohl betriebswirtschaftlich als auch regional in Konkurrenz. Ihre verschiedenen Formen sowie ökologischen und ökonomischen Wettbewerbsfaktoren werden in dem Kapitel VII gründlich analysiert und interpretiert werden müssen.
b) Dornsavannenklima Die Dornsavanne ist von der Trockensavanne agrargeographisch durch die sogenannte agronomische Trockengrenze, die Grenze des Regenfeldbaues, geschieden. Es gibt daher in der Dornsavanne fast nur extensive Weidewirtschaft. Der Bewässerungsfeldbau kann ja wegen der Wasserknappheit, dem tiefen Grundwasserstand und der Tatsache, daß auch größere Flüsse wegen der sehr langen Trockenzeit nicht ständig Wasser führen, kaum Boden gewinnen. In diesem semiariden Klima mit nur einem bis vier humiden Monaten und einer sehr kurzen Regenzeit mit 100 bis 300 mm Niederschlägen mußte sich eine recht einseitige Agrarlandschaft herausbilden. Man nutzt die Naturweiden rein okkupatorisch mit anspruchslosen Tieren, in Richtung zum Äquator mehr durch Rinder, mit größerer Entfernung vom Äquator mehr durch Schafe. Diese Weidetierhaltung erfolgt in der Neuen Welt durch Viehfarmen (Ranch), in der Alten Welt häufig noch durch Nomaden. Zum Dornsavannenklima gehört der größte Teil Südwestafrikas und der Kalahari sowie der nördliche Teil der Sahel-Zone. Das südliche Somalia und Südäthiopien, Nordwestindien und eine breite Zone Nordaustraliens sind weitere Beispiele. Die Abbildung 6 möge den Überblick über die tropischen Klimate schematisiert erleichtern (S. 40).
c) Steppenklima Steppen haben agrargeographisch einen ähnlichen Charakter wie Trokken- und Dornsavannen. Auch sie sind oft nicht regenfeldbaufähig.
40
II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes Schema
KLIMAZONEN
TROPEN
Äußere Tropen
Innere Tropen
TROCKEN
REGENKLIMATE Feuchte
DER
Tropen
Trockene
Tropen
Feuchtsavanne UI. J subhumid
Trockensavanne ^ semiarid
Oornbuschsteppe • semiarid
» 1.500mm Niederschi./1.
1.500 -600 mm s
600 - 300 mm
300- 100mm
12-8,5 humidee Monate/J.
Î
Immerfeuchte Tropen
Uber 1 0 0 0 m N N
KLIMATE
Regenwoldzone U humid
2 REGENZEITEN
Trop. Höhenlagen
Halbwüste J and
Wüste J arid
< 100mm
sporadisch
le nach Höhenlage und Exposition sehr wechselnde Wärmeund Feuchtigkeit! verhältnisse. Zumeist ähnliches K'• ">o wie In der Feuchtsavanne,
1 REGENZEIT
11,5-6 m
6-3.5 m
\ /
Wechselfeuchte Tropen
3.6-1 m
-A
»
Trockene Tropen
Abbildung 6
Auch sie sind Weidegebiete par excellence. Auch sie leiden unter Wassermangel für die Versorgung von Mensch, Pflanze und Tier. Die Steppen liegen jedoch außerhalb der Tropen (der Wendekreise) in den Subtropen oder gemäßigten Klimaten. Das führt zu folgender Abwandlung der Wirtschaftsweise gegenüber den Trocken- und Dornsavannen: — Die Niederschläge fallen in den Trocken- und Dornsavannen — wie überall in den Tropen — im Sommer, in den Steppen aber zumeist im Winter. Das hat zur Folge, daß die Tiere in den Steppen im Sommer einem verstärkten Streß ausgesetzt sind, weil gleichzeitig die Vegetation ruht und die Kälber und Lämmer gesäugt werden müssen — das noch bei großer Sommerhitze. — Das Netz der Tränkestellen muß dichter sein, weil die futterarme Jahreszeit mit der Hitzeperiode zusammenfällt. — Unter Umständen ergibt sich ein Zwang zur Futterbevorratung für die Trockenzeit.
3. Humide warm-gemäßigte Klimate
41
— Unter Umständen ergibt sich im kontinentalen winterkalten Klima auch der Zwang, die Tiere durch Primitivställe vor den Unbilden der Witterung zu schützen. — Unter Umständen muß man weniger leistungsfähige Tierrassen oder Tierarten zugunsten größerer Kälteresistenz bevorzugen, wie den Jak in Innerasien oder das Lama in den Anden. — Die Kulturpflanzen sind nun ganz andere als in den trockenen Tropen, weil die Belichtungs- und Wärmeverhältnisse hier und dort unterschiedlich sind. Große Steppengebiete finden sich z.B. in den Intermountain-States der USA, in Nordafrika, in der spanischen Meseta, im Don-Gebiet oder in großen Teilen Innerasiens.
d) Halbwüstenklima Die ariden Halbwüsten mit weniger als 100 mm Niederschlägen pro Jahr bilden den Übergang von den erwähnten Dornsavannen und Steppen zu den trocken-heißen Wüsten mit noch dürftigerem und nur sporadischem Regenfall. Wüsten liegen zumeist jenseits der Trockengrenze der Ökumene, es sei denn, daß sie teilweise durch Wüstennomaden genutzt werden, ab und an Oasen auftreten oder Erdölbohrungen eine gewerbliche Wirtschaft hervorrufen. Fast alle größeren Wüsten der Erde liegen — klimatologisch wohl begründbar — auf den oder in der Nähe der beiden Wendekreise. Das trifft für die Sahara und die arabische Wüste, für die Namib und Inneraustralien vollkommen und für die iranischen, die pakistanischen und die innerasiatischen Wüsten (in Kasachstan, Usbekistan, Ostturkestan usw.) annähernd zu. So liegen also auch die die Wüsten umschließenden Halbwüsten wendekreisnahe und können sich deshalb nicht allzusehr unterscheiden, gleichgültig, ob sie den Tropen oder den Subtropen zugewandt sind. Nur die noch etwas feuchteren Zonen der Halbwüsten können noch der stationären Weidewirtschaft dienen. Die übrigen Teile lassen sich nur noch episodisch von Nomaden, Jägern und Sammlern nutzen. Die Trockengrenze der Viehhaltung zieht sich also mitten durch die Halbwüsten hindurch.
3. Humide warm-gemäßigte Klimate Die drei Varianten dieser Klimagruppe unterscheiden sich agrargeographisch beträchtlich, sowohl was die Wärmeverhältnisse als auch was
42
II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes
die Niederschlagshöhe und besonders was die Niederschlagsverteilung anbelangt.
a) Subtropisch sommertrockenes Klima Repräsentanten dieses Klimatyps sind der Mittelmeerraum, die Südküste des Schwarzen Meeres, eine breite Zone vom Kaukasus bis fast zum Persischen Golf, das Hinterland Kapstadts, der größte Teil Kaliforniens, Mittelchile und teilweise die Südküste Australiens. Die Landwirtschaft wird geprägt durch warme, feuchte Winter und heiße, trockene Sommer. Dieses Klima wird um so extremer, je mehr wir uns den Trockenklimaten nähern. In Nordafrika gibt es eine typische Winterregenzeit, die allein Regenfeldbau zuläßt, während im Sommer Trockenheit und Hitze jeglichen Ackerbau ohne künstliche Bewässerung ausschließen. Tabelle 1: Klimadaten für Italien (zehnjährige Durchschnitte)
Quartal
Dez. März Juni Sept.
— Febr. — Mai — Aug. - Nov.
Jahressumme Dez. März Juni Sept.
— Febr. — Mai — Aug. - Nov.
Jahresmittel
Untere Poebene (Bassa Padania)
Tyrrhenische Küste (Kampanien)
I. Niederschlagshöhe 186 440 200 259 . 160 104 230 378 776 II. Mittlere 2,5 12,3 22,4 13,7 12,7
1.181
Nördliches Apulien
in mm 213 161 86 187
324 169 71 231
647
796
Temperaturen in °C 7,9 6,5 13,0 12,4 23,4 22,7 16,9 15,8 15,3
Küste des Ionischen Golfes
14,4
7,9 13,0 23,4 16,9 15,3
Quelle: Annuario di Statistica Agraria 1948, Roma 1948. Zitiert nach M. Rolfes, Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen des Zuckerrübenbaues in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Teil II. Als Manuskript vervielfältigt von der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie e.V., Bonn 1961, S. 47 u. 56.
3. Humide warm-gemäßigte Klimate
43
Von den vier Landschaften der Tabelle 1 gehören alle bis auf die Poebene der subtropisch sommertrockenen Klimazone an. Man sieht, daß die an sich nicht geringe Jahressumme an Niederschlägen so ungünstig verteilt ist, daß in dem Quartal Juni bis August an der Kampanischen Küste nur 104, im nördlichen Apulien 86 und an der Küste des Ionischen Golfes sogar nur 71 mm fallen. Das sind 8,8 bzw. 13,3, bzw. 8,9 % der Jahresmenge, deren Nutzeffekt bei einer mittleren Temperatur um 23° C zudem sehr gering sein muß. Unter solchen extremen ökologischen Bedingungen ist die landwirtschaftliche Bodennutzung eine Kompromißentscheidung zwischen — der Beschränkung des Ackerbaues auf die Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonate, — dem Ausweichen auf Baum- und Strauchkulturen, die die Sommertrockenheit vermöge ihres tiefen Wurzelsystems besser überstehen können (Wein, Oliven, Mandeln) und — Bewässerungsfeldbau. Meistens kommt es im Interesse der Einkommensmaximierung nicht auf die Auswahl von einer dieser drei Bodennutzungsformen, sondern auf die Entscheidung über eine zweckmäßige Kombination zwischen zweien oder allen dreien an.
b) Subtropisch sommerwarmes Klima Für diesen Klimatyp bietet die Tabelle 1 einige Daten aus der unteren Poebene. Man sieht, daß die Temperaturen niedriger sind und die Niederschlagsverteilung ausgeglichener ist. Hier kann man nun die sommerliche Wärme auch ohne künstliche Bewässerung für den Ackerbau ausnutzen. Bedeutende Ackerbaugebiete der Welt sind diesem Klima zuzuordnen: der größte Teil Chinas, das südliche Japan, Teile der australischen Ostküste, große Teile von Nordindien, die südöstlichen USA, Brasilien südlich des Wendekreises und die La Plata-Staaten. Sind die Sommertemperaturen ausreichend, so können wärmeliebende Fruchtarten wie Reis, Erdnuß, Soja oder Baumwolle angebaut werden. Sind die Winter noch genügend milde, so ist eine ganzjährige Pflanzenproduktion mit zwei oder sogar drei Ernten im Jahre möglich. Man baut dann im Winter Pflanzen an, die ein kühleres Klima lieben wie Raps, W.Getreide oder Futterkulturen, und im Sommer solche, die ein warmes Klima benötigen wie Reis, Soja, Bataten oder Gemüse. So entstehen Fruchtfolgen innerhalb eines Kalenderjahres, wie nachfolgende Beispiele zeigen. Fruchtfolgen im südlichen Japan (137, S. 210) Beispiel A: Beispiel B: Winter: Rengegras Winter: W.Getreide Sommer: Reis Frühling: Gemüse Sommer: Reis Sommer: Gemüse
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II. Die Klimazonen des Weltagrarraumes
c) Marin sommerkühles Klima Dieser auch als ozeanisch bezeichnete Klimatyp hat seine stärkste Verbreitung im EG-Raum, der außer Italien fast gänzlich hierher zu rechnen ist. Charakteristisch sind milde Winter und kühle Sommer: ein Klima, welches den Futterwuchs stark fördert und demzufolge auch für die Rindviehhaltung günstig ist. Dies um so mehr, als noch ein langer, zum Teil sogar ganzjähriger Weidegang (Cornwall, Teile der Normandie, Landschaften um die Biskaya-Bucht) möglich ist. Dieser spart nämlich Futterwerbungs- und Gebäudekosten und hebt dadurch die Wirtschaftlichkeit. Auf dem Felde dominieren Hackfrüchte (Zuckerrüben, Kartoffeln) und Getreide. Beim Getreide stehen wiederum die Winteranbauformen oben an, weil der lange Herbst ihre Bestellung noch gut, sogar nach Hackfrüchten, erlaubt. Alle anderen Gebiete mit marin sommerkühlem Klima sind sehr viel kleiner und liegen zumeist auf der südlichen Hemisphäre: die Spitze Südost-Australiens, Neuseeland, die Südspitze Südamerikas und große Teile der Republik Südafrika.
4. Humide kühl-gemäßigte Klimate Bei den unter dieser Bezeichnung subsumierten Klimaten liegt landwirtschaftlich in aller Regel nicht die Niederschlagshöhe, sondern die Temperatur im Minimum.
a) Kontinental sommerwarmes Klima Für das kontinental sommerwarme Klima trifft dies allerdings noch nicht für den Sommer, sondern nur für den Winter zu, dessen Ausdehnung zu einer längeren Vegetationsruhe führt. In diesem Klimabereich finden sich bedeutende Körnermaisanbaugebiete, so der amerikanische Corn-Belt südlich und westlich (bis 100° westl. L.) von Chicago oder der größte Teil des Balkan-Raumes. Auch China nördlich Peking, Korea und große Teile des nördlichen Japan gehören dazu. Außer dem Mais gedeiht hier teilweise auch die Sojabohne gut.
b) Kontinental sommerkühles Klima Nun sind die Winter noch länger und kälter und auch die Sommer kühler geworden. Die Niederschläge fallen überwiegend im Sommer.
4. Humide kühl-gemäßigte Klimate
45
Die Landwirtschaft reagiert durch Betonung des Sommergetreide- und des Futterbaues. Der letztere nimmt zum Teil schon mehrjährige Formen an wie im Milchwirtschaftsgürtel der nordöstlichen USA und des südöstlichen Kanada, in Mittelschweden oder im Baltikum. Größere Gebiete, die diese klimatischen Züge tragen, gibt es nur drei: einmal die Landschaften nördlich des japanischen Meeres, zum anderen ein breiter Gürtel Nordamerikas, der sich von New York und Halifax über die großen Seen bis weit über Winnipeg hinaus erstreckt und drittens der große Block Mittel- und Osteuropas, der etwa durch die Städte Oslo — Stettin — Wien — Magnitogorsk — Leningrad zu begrenzen ist.
c) Subarktisches Klima Polwärts an das kontinental sommerkühle Klima anschließend — und zwar nur auf der nördlichen Hemisphäre — findet sich schließlich der subarktische Klimagürtel, der noch über den nördlichen Polarkreis hinausgeht. Charakteristisch sind mäßig warme Sommer, sehr lange, kalte Winter, betonte Sommerniederschläge und eine natürliche Nadelwaldflora. Hierzu gehört fast ganz Skandinavien nördlich der drei Hauptstädte, die UdSSR etwa nördlich der Linie Leningrad — Tomsk - Irkutsk sowie ein breiter Gürtel des nördlichen Kanada von den Landschaften um die südliche Hudson-Bai westwärts bis zum Bering-Meer. Der nördliche Polarkreis durchzieht alle diese Großräume. In höheren Mittelund Hochgebirgslagen südlicherer Breiten, wie z.B. in den Alpen, Karpaten oder Anden, stellt sich das gleiche Klima ein. Für die Landwirtschaft am bedeutsamsten von allen Klimamerkmalen ist hier die kurze Vegetationszeit. Sie läßt den Futterbau noch mehr als im kontinental sommerkühlen Klima dominieren, und zwar durchweg in mehrjährigen Formen. Der Futterbau ist hier trotz der langen Stallfütterungsperiode überlegen, weil er die Vegetationszeit vom ersten bis zum letzten Tag einer ausreichenden Assimilationstemperatur voll ausschöpft, während bei den alljährlich neu zu bestellenden Kulturen ein Teil der kostbaren, allzu kurzen Vegetationszeit für Bodenbearbeitung, Bestellung und Ernte verloren geht. Hinzu kommt, daß die Kulturpflanzengemeinschaft nun nach Norden zu rasch verarmt, weil die spezifischen Polargrenzen überschritten werden. Der Anbau von Zuckerrüben hört bei 61°, der von Weizen bei 63°, und der von S.Gerste und Kartoffeln bei 70° nördl. Br. endgültig auf. Im hohen Norden können die Fruchtfolgen deshalb nur Feldgraswirtschaften sein, in welchen auf vier- bis sechs- bis mehrjährigen Feldgrasbau ein oder zwei Jahre mit S.Gersten- und Kartoffelbau folgen.
III. Die Abgrenzung des Weltagrarraumes 1. Die Expansion des Weltagrarraumes als Gegenwartsproblem Die Weltbevölkerung überschritt 1976 die 4 Mrd.-Grenze. Die UNO erwartet im Jahre 2.007 7,7 Mrd. Menschen und 2.050 schon 14 bis 15 Mrd. Nach Projektionen der FAO wird der Weltnahrungsbedarf im Jahre 2.050 das Sieben- bis Achtfache des Jahres 1960 betragen. Heute leben schon mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung in Entwicklungsländern. Etwa 400 Mio. Menschen leiden an Hunger. Mittelfristig, d.h. etwa bis zum Jahre 1985, kann sich die Zahl der Hungernden auf 750 Mio. Menschen erhöhen. In diesem Zeitraum ist zwar mit erheblichen Nahrungsüberschüssen in den entwickelten Ländern zu rechnen; aber in den Entwicklungsländern wird einer Nachfragesteigerung von rd. 70 % nur eine Produktionssteigerung von weniger als 50 % gegenüberstehen (86, S. 362). Was kann getan werden, damit der Nahrungsspielraum nicht nur mit der Bevölkerungsentwicklung schritthält, sondern darüber hinaus die so dringend notwendige Erweiterung erfährt? Grundsätzlich kann die Nahrungserzeugung der Landwirtschaft auf drei Wegen gesteigert werden: 1. durch Erhöhung der Bewirtschaftungsintensität mittels verstärktem Einsatz der Bewässerung, der Mineraldüngung, des Pflanzenschutzes, von genetisch höherwertigem Pflanzen- und Tiermaterial usw.; 2. durch Erhöhung der Organisationsintensität, d.h. durch sukzessiven Ersatz von Extensivzweigen durch Intensivzweige, also z.B. von Getreide durch Knollen- und Wurzelfrüchte oder von der Rindermast durch Milchproduktion und 3. durch Erweiterung des Agrarwirtschaftsraumes über seine gegenwärtigen Grenzen hinaus. Wie die Tabelle 2 erkennen läßt, wird zur Zeit nur etwa ein Drittel der festen Erdoberfläche landwirtschaftlich genutzt, und zwar im Verhältnis Dauergrasland- zu Anbauflächen wie 2 : 1. In den Agrarländern liegt die Agrarflächenquote deutlich niedriger als in den Industrieländern. Die Länder mit extrem geringer Agrarflächenquote gehören durchweg den Entwicklungsländern an, während die Länder mit extrem hoher Agrarflächenquote unter den Industrieländern zu finden sind. Dort also, wo die meisten Menschen fehlernährt sind oder sogar hungern, ist die Agrarflächenquote am niedrigsten. Dort hingegen, wo sich
47
1. Die Expansion als Gegenwartsproblem
Agrarüberschüsse anhäufen, wie in Westeuropa, ist die Agrarflächenquote am höchsten. Dies muß seine Ursachen haben. Tabelle 2: Der Anteil der Agrarfläche an der festen Erdoberfläche
Geographische bzw. Dauergraspolitische Einheit land
Ackerland
Baum- und Agrarfläche Strauchinsgesamt kulturen
in % der Gesamtfläche A. Welt insgesamt B. Erdteile Südamerika Afrika Asien 1 Europa 1
22,4
11,0
33,4
21,6 26,3 19,5 18,4
4,9 6,9 17,5 29,3
26,5 33,2 37,0 47,7
C. Ländergruppen nach volkswirtschaftlicher Entwicklungsstufe Agrarländer 10,1 20,6 30,7 Industrieländer 27,6 12,1 39,7 D. Länder mit extrem geringer Bahamas 0,1 Ägypten Oman 4,7 Libyen 4,0 —
E. Länder mit extrem hoher Nigeria 27,1 BR Deutschland 21,7 Australien 59,1 Dänemark 6,7
Agrarflächenquote 0,1 0,9 2,7 0,1 0,1 0,1 1,3
1,1 2,8 4,9 5,3
Agrarflächenquote 23,6 30,5 2,2 5,8 61,6 0,4
50,7 54,4 65,0 68,7
2
1
Ohne UdSSft. - 2 Ohne Länder mit Zentralverwaltungswirtschaft. Quelle: F AO, Production Yearbook, Vol. 27 (1973), Rome 1974, S. 3 ff.
Die Grenzen des Agrarraumes können durch Kälte, Trockenheit, Feuchtigkeit, Bodenversalzung, allzu große Marktentfernung u.a. gezogen sein. Dementsprechend spricht man von Polargrenzen, Höhengrenzen, Trockengrenzen, Feuchtgrenzen, Siedlungsgrenzen, Verkehrsgrenzen usw. Es ist nicht einfach, diese Grenzen des Agrarwirtschaftsraumes zu definieren. Für alle gilt, daß sie keine Linien, sondern Zonen sind und daß man innerhalb dieser Grenzzonen drei verschiedene Grenzlinien zu definieren hat:
48
III. Die Abgrenzung des Weltagrarraumes
1. Die effektive Grenze, bis zu der die landwirtschaftliche Nutzung nach der Bodennutzungsstatistik tatsächlich geht; 2. die Rentabilitätsgrenze, d.h. die Grenze, wo der Gewinn den Nullwert erreicht und 3. die technologische Grenze, d.h. diejenige Grenze, bis zu der die Landbewirtschaftung nach dem jeweiligen Stand der Technik getrieben werden könnte, wenn man auf Wirtschaftlichkeitserwägungen verzichtete. Hier ist nur von der ersten, der effektiven Grenze die Rede. Bei großer Bevölkerungsdichte, geringen Einkommensansprüchen und Nahrungsknappheit schiebt sie sich an die Rentabilitätsgrenze heran oder deckt sich sogar mit ihr, obwohl die Rentabilitätsgrenze sich unter solchen Bedingungen wegen hoher Preise für Agrarprodukte auch hinausschiebt. Unter den definierten Bedingungen liegen die drei Grenzen also nahe beieinander, d.h. die Grenzzone ist schmal. Anders bei niedrigen Preisen für Agrarprodukte und hohen Einkommensansprüchen der ländlichen Bevölkerung. Die effektive Grenze zieht sich dann aus den marginalen Standorten zurück, während die technologische Grenze durch weit hinausgeschobene Vorposten gekennzeichnet ist. Die Grenzzone ist also breit und innerhalb dieser Grenzzone spielt sich z.B. das ab, was wir heute als Höhenflucht in den westeuropäischen Mittelgebirgen oder im Apennin bezeichnen. Hier sinkt die Höhengrenze des Agrarraumes. Eine analoge Erscheinung findet sich heute im Halbwüstengelände rund um die Sahara, wo allzu karge Hutungen nicht mehr genutzt werden. Die Trockengrenze des Agrarraumes zieht sich hier zurück, die effektive Trockengrenze distanziert sich von der technologischen. Es ist naheliegend, daß heutzutage die umgekehrte Bewegung, die Ausweitung der Agrarwirtschaftsgrenzen stärker und häufiger ist. So werden z.B. in den tropischen Regenklimaten bei geringer Besiedlungsdichte die Grenzen der Landwirtschaft durch jede neue Straße, jede neue Eisenbahn hinausgeschoben. Ein breites Band von Siedlerbetrieben entsteht rechts und links dieser Verkehrsadern, weil diese zwar nicht die räumliche, wohl aber die wirtschaftliche Entfernung zum Markt verkürzen, so daß sich die effektive Verkehrsgrenze in exzentrischen Ringen um den Marktort erweitern kann. Die Ketten der Siedlerbetriebe, die sich auf diese Weise im Amazonas- oder im Kongobecken in die Urwaldregion vorschieben, haben dann bald flecken- oder stadtähnliche Siedlungen zur Folge, so daß sich auch die räumliche Marktentfernung verkürzt und weitere Siedlungen an der Peripherie existenzfähig werden. Aus dem Gesagten geht schon hervor, daß die Grenzen des Agrarwirtschaftsraumes nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch bedingt sein können.
2. Ökologische Grenzen der Farmwirtschaft
49
2. Ökologische Grenzen der Farmwirtschaft Im folgenden ist zunächst zu zeigen, welche Charakterzüge die einzelnen ökologisch bedingten Grenzen des Agrarwirtschaftsraumes besitzen und wo sie etwa verlaufen.
a) Polargrenzen Die Polargrenzen der Kulturpflanzen sind für die Industrieländer wichtiger als für die Entwicklungsländer. Nach der Abbildung 7 rücken Kartoffeln und S.Gerste am weitesten in den hohen Norden vor, etwa bis 70° nördl. Br. Der Weizen dagegen findet sich nur etwa bis 63° und kann nur in Westnorwegen durch den Golfstromeinfluß weiter nach Norden vorgeschoben werden. Die nördliche Anbaugrenze von Beta-Rüben deckt sich etwa mit der Nordgrenze der schwedischen Ostgötaebene (61 p n.B.). Der Körnermaisbau bietet ein gutes Beispiel dafür, wie Züchtungsfortschritte die Polargrenzen hinausschieben können: Er hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen wahren Siegeszug durch Mitteleuropa vollbracht. Die Karte zeigt, daß durch Südeuropa die Polargrenze einiger für Entwicklungsländer äußerst wichtiger Nutzpflanzen zieht: des Reises, des Ölbaumes, der Zitrusfrüchte oder der Baumwolle. Richten wir nunmehr unsere Beobachtungen anhand der Abbildung 8 und der Übersicht 1 schrittweise beim Äquator beginnend in die mittleren und höheren Breiten, so läßt sich etwa folgendes sagen: — Besonders äquatornahe Standorte bevorzugen die Kokos- u. Ölpalme (Polargrenzen 15 bzw. 16° n. Br.). — Auch Sisalagave, Kakao, Kaffee, Banane, Maniok und Kautschuk besitzen sehr niedrige Polargrenzen von 19 bis 25° n. Br., weil sie ihr physiologisches Optimum unter feuchttropischen Bedingungen finden. — Weiter nach Norden stoßen Bataten, Baumwolle, Zuckerrohr, Erdnuß, Tee und Zitrus vor, bis 35° bzw. 42° nördl. Br., also bis in die Subtropen. Dies, obwohl einige von ihnen, wie Bataten oder Zuckerrohr, auch unmittelbar am Äquator einen geeigneten Standort finden. — Schließlich gibt es Kulturpflanzen der Tropen, die weit in das gemäßigte Klima hineinragen, wie Soja, Reis oder Körnermais (45° bis 54° n. Br.). Sie sind aufgrund ihrer großen ökologischen Streubreite Weltnahrungsfrüchte par excellence.
50
III. Die Abgrenzung des Weltagrarraumes
Nördliche Anbaugrenzen in
Kartoffeln S.-Gerste
Europa
W.-Weizen
'ein re bé Körnermaii^(1960)
Zitrusfrüchte
Baumwolle Abbildung 7
52 Übersicht
III. Die Abgrenzung des Weltagrarraumes 1: Polargrenzen einiger Nutzpflanzen in Grad nördl. Breite (Annäherungswerte)
Nutzpflanzen tropischer Klimate
Nutzpflanzen tropischer und subtropischer Klimate
Kokospalme Ölpalme Sisalagave Kakao, Arabica-Kaffee Bananen, Maniok Kautschuk
Bataten Baumwolle Zuckerrohr Erdnuß, Tee Zitrus Sojabohne
15° 16° 19° 22° 23° 25°
35° 38° 39° 41° 42° 45°
Nutzpflanzen tropischer, subNutzpflanzen subtropischer und tropischer u. gemäßigter Klimate gemäßigter Klimate Hirse Reis Tabak Körnermais Bohnen (Phaseolus) Quellen:
45° 52° 53° 54°
Ölbaum Weinrebe Beta-Rüben Weizen Gerste, Kartoffeln
45° 51° 61° 63° 70°
Franke, G. et al.: Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen Bd. I (2. Aufl.) und Bd. II. Leipzig 1975 u. 1967. - Schutt, P.: Weltwirt-
schaftspflanzen. Berlin u. Hamburg, 1972.
b) Höhengrenzen „Die Höhengrenze des Anbaues scheidet im Vergleich zur Polargrenze und zur Trockengrenze nur kleine Inseln aus der Gesamtflur der Erde aus. Sie ist ihrem Wesen nach eine Kältegrenze und ist demzufolge der Struktur nach der Polargrenze ähnlich, in die sie auch in hohen Breiten unmerklich übergeht . . . " (95, S. 101). Daneben spielt das Relief eine entscheidende Rolle. Das Verteilungsbild der Nutzpflanzen nach der Differenzierung der Polargrenzen findet sich bezüglich der Gliederung nach Höhenstufen nur sehr verzerrt wieder (vgl. die Übersicht 1 und Tabelle 3): Zum einen gibt es Kulturpflanzen, deren Polar- und Höhengrenzen gleichermaßen eng gesteckt sind, wie bei Kokospalme, Ölpalme, Kakao oder Kapok. Zum anderen bieten S.Gerste, Kartoffeln, auch Weizen, Beispiele von Nutzpflanzen, die polwärts als auch höhenmäßig extrem weit vordringen.
53
2. Ökologische Grenzen der Farmwirtschaft
Schließlich
gibt es Pflanzen, deren Polargrenze eng, deren Höhengrenze aber weit gezogen ist, wie Sisal, Teff, Pyrethrum, Tee oder Passionsfrucht und endlich solche, die zwar weit zum Pol vorstoßen, aber Höhenlagen meiden. Zu letzteren zählen Beta-Rüben, Sojabohnen, auch Erdnüsse.
Tabelle 3: Höhengrenzen einiger Nutzpflanzen in m über NN (Annäherungswerte)
Beobachtungsraum c) Humide a), b) u. c) = gemäßig- Klimazone te Klimate
Kulturart bzw. Nutzpflanze
a) b) TrockenTropische Re- klimate genklimate
Weide
2.800
5.210
4.700
Ackerbau
4.300
4.300
4.600
Kakao 1.300 Banane, Zuckerrohr 1.600 2.000 Zitrus
—
• •
-
•
700
Trockenreis
2.000
800
Maniok, Batate Coffea arabica Tee Hirse Gemüse
2.000 2.280 2.400 2.500 2.800
2.000
Sisal Weizen
3.200 3.300
1.800 3.300
3.600
Körnermais
3.900
2.800
1.300
S.Gerste
4.100
4.100
4.600
Kartoffeln
4.300
4.300
4.400
Quellen:
— —
2.500 •
3.000 •
200 2.300
a) Costa Rica; b) Anden; c) Nepal a), b) Amerika 15° s. Br.; c) Zentralasien a) West-Kolumbien a) Costa Rica a) SO-Asien; c) Kalifornien a) West-Kolumbien; c) Himalaja a), b) Äquatornähe a) West-Kolumbien a) Sri Lanka
•
3.600 —
a) Costa Rica; c) Tibet (Lhasa) a) Küstennähe a) Tansania; c) Tibet (Lhasa) a) Peru, Mexiko; c) Innere Alpen a) Anden; c) Zentralasien 29° n. Br. a) Amerika 15° s. Br.
Franke, G. et al.: Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen. Bd. I (2. Aufl.) und Bd. II. Leipzig 1975 u. 1967. - Otremba, E.: Die Güterproduktion im Weltwirtschaftsraum. Stuttg. 1976, S. 102f. Schutt, P.: Weltwirtschaftspflanzen. Berlin und Hamburg 1972. — Spielmann, O.: Viehwirtschaft in Costa Rica. Diss. Hamburg 1969, S . 4 2 f f .
III. Die Abgrenzung des Weltagrarraumes
54
Den Werten der Tabelle 3 wohnt eine gewisse Zufälligkeit inne, weil die bekannten Höchstgrenzen verzeichnet sind, welche vielleicht durch unbekannte noch überboten werden. Die Tabelle 3 läßt ferner offen, ob die Kulturpflanzen schon ab Normal Null anbauwürdig sind, oder ob es neben der Höhengrenze auch eine Höhenschwelle gibt.
m üb. NN
Effektive
4.000-
Höhenstufen von in der Äquatorzone
Nutzpflanzen
3.500-
3.000
2.500-
2.000-
1.500
1.000
500
*°kao
Busc
hb0hneluckerr0hr
*
t) Bis t9S6/S7: Tariflohne f. Spezialarbeiter durchschnittliche Brutto- Verdienste der jeweils am höchsten entlohnten t ab 1957/58: Arbeitergruppe entsprechend dem Aufbau der Lohntarif vertrage; Betriebe über SO ha LF— 2) 15m Rohrleitung, S Anschlußhähne, Doppelmelkeimer.— 3) System „Stille-Mistral, 3,51"— ¿1 Netzanschluß, 300 m Draht, Isolatoren.— 5i Ein jahreswerte für Landmaschinenpreise, mit Vorjahren nicht voll vergleichbar. 0u*Utn: Sletislitehei
Jahrbuch übtr Ernährung, Landwlrlithafl
u. Fanten itr BPD 19S7- 1975.— Prtisongobtn d Htrslflltr
I. HiMrtschrr
u.
Slattdungitrfuer.
Abbildung 25
lösen (z.B. Dänemark und Holland) als dort, wo sie teuer sind (z.B. Entwicklungsländer). Dort, wo das ländliche Lohnniveau noch niedrig liegt, Landmaschinen aber teuer sind, wird eine handarbeitsintensive Landwirtschaft entstehen (z.B. Südostasien). Dort, wo extrem hohe Löhne und Einkommenserwartungen der bäuerlichen Bevölkerung herrschen, die Maschinen aber billig sind, gibt ein hoher Mechanisierungsgrad der Landwirtschaft einen kapitalintensiven Zuschnitt (z.B. USA, Kanada, England, Schweden). Aus der Abbildung 24 wird deutlich, wie rasch und durchgreifend in einem Lande zügigen wirtschaftlichen Wachstums in nur zwei Jahrzehnten die Kaufkraft von Agrarprodukten für Lohnarbeit sinken kann. Die Abbildung 25 zeigt aber gleichzeitig, daß die Landmaschinen, gemessen am Stundenlohn, billiger werden. Mechanisierung ist dann der vorgezeichnete Weg. Eine besonders deutliche Entwicklung von der arbeitszur kapitalintensiven Wirtschaftsweise hat sich im deutschen Zuckerrübenbau abgespielt, der um 1900 noch 1.400 AKh/ha, 1945 noch mindestens 500 AKh/ha erforderte und der heute im vereinzelungslosen Anbau und mittels vollmechanisierter Ernte mit nur noch 55 bis 60 AKh/ha auskommt.
102
IV. Agrarbetriebe, Bausteine der Agrarlandschaft
cc) Die Preis-Kostenrelationen zwischen Agrarprodukten und Betriebsmitteln Diese bestimmen die Intensität der Landwirtschaft. Dort, wo das Agrarpreisniveau noch niedrig ist, das Kostenniveau aber hoch, muß man bestrebt sein, dem Boden bei sparsamstem Einsatz von Arbeit und Kapital eine Ernte abzuringen. Das kann nur durch extensive Betriebsformen geschehen, wie durch die Getreide-Brachwirtschaft oder die extensive Weidewirtschaft ohne Stallhaltung (z.B. Naturgroßraum Sahel). Dort hingegen, wo eine dichte und kaufkräftige Bevölkerung die Agrarpreise zum Ansteigen brachte und wo gleichzeitig eine hoch entwickelte Industrie der Landwirtschaft billige Betriebsmittel gewerblicher Herkunft zur Verfügung stellt, kann man die Bodenerträge mittels erhöhtem Aufwand pro Hektar Landes ganz gewaltig steigern (z.B. Europa, besonders Deutschland, Belgien, Holland usw.). Auch in jedem einzelnen Betriebszweig bestimmt das Preis-Kosten Verhältnis den Intensitätsgrad. Die holländische Grünlandmarsch wird mit bis zu 300 kg Reinstickstoff je Hektar versorgt, weil die Stickstoffpreise im Vergleich zum Milchpreis niedrig sind. In Neuseeland dagegen, einem der wichtigsten Milchproduktionsgebiete der Welt mit 94 % LF Dauergrünland, ist der Stickstoffaufwand mit 2,4 kg N/ha LF extrem gering, weil die Preisrelation zwischen Stickstoffdünger und Milch viel ungünstiger ist. Die Reiserträge der USA liegen höher als diejenigen Ostasiens, obwohl die USA nur 20 bis 30 AKh/ha, Ostasien aber 600 bis 1.200 AKh/ha aufwenden; ganz einfach deshalb, weil die Preis-Kostenverhältnisse in den USA hohe Düngergaben zulassen, in Ostasien aber nicht. Die Länder mit hohen Milchleistungen pro Kuh sind gleichzeitig diejenigen, in denen die Kraftfutterpreise im Verhältnis zum Milchpreis niedrig liegen. Die Länder mit niedrigen Milcherträgen je Kuh dagegen sind diejenigen, in welchen niedrige Milch- und hohe Kraftfutterpreise einen Einsatz von Konzentraten kaum zulassen. Im Zuge der volkswirtschaftlichen Entwicklung wird in aller Regel die Tauschkraft der Agrarprodukte für Handarbeit ungünstiger, für alle Kapitalgüter aber günstiger. So kosteten z.B. im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland 1 AKh 1950/51 15 kg Zuckerrüben 1974 aber schon 83 kg Zuckerrüben 1 kg N 1913/14 50 kg Zuckerrüben 1974 aber nur noch 17 kg Zuckerrüben.
b) Die technischen Fortschritte Die technischen Fortschritte schließlich sind die stärkste Kraft der Wirtschaftsentwicklung überhaupt. Man kann zwei große Gruppen von technischen Fortschritten unterscheiden:
3. Ursachen der zeitlichen Wandlung
103
aa) Organisch-technische Fortschritte Diese liegen z.B. in der Züchtung leistungsfähigerer Kulturpflanzen und Haustiere, in der Entwicklung wirkungsvollerer Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel und in anderen Fortschritten biologischer Art. Die Eiererzeugung hat sich nur deswegen so entscheidend verbilligen lassen, weil es gelang, Hybriden zu züchten. Die Hybrid-Maiszüchtung hat dem Körnermais in großen Teilen der Welt neue Anbaugebiete erschlossen. Die Züchtung winterharter Weizensorten trug den Weizenbau in Skandinavien, Rußland und Nordamerika weit in die nördlichen Breiten vor. Die Züchtung kurzlebiger Sommergerstensorten hat den Sommergerstenbau einerseits in Regionen langer Winter, wie in Lappland, und andererseits in Regionen kurzer Regenzeit, wie in Nordafrika, ermöglicht. Organisch-technische Fortschritte erhöhen den Intensitätsgrad der Landwirtschaft, erhöhen die Intension des Landbaues und wirken daher landsparend. Sie müssen sich deshalb besonders fördernd auf die Agrarwirtschaft derjenigen Länder auswirken, die auf flächenproduktive Wirtschaftsweise angewiesen sind, weil im Verhältnis zur Bevölkerung nur wenige, aber teure Bodenflächen zur Verfügung stehen. Mitteleuropa und Ostasien sind Beispiele. bb) Mechanisch-technische Fortschritte Die mechanisch-technischen Fortschritte dagegen bewirken eine Extension der Landwirtschaft. Sie sind im Gegensatz zu den landsparenden organisch-technischen Fortschritten landerschließend. Man denke nur an die Auswirkung der Mähdreschererfindung, die die vollmechanisierte Getreidebauwirtschaft in semiariden Klimaten weit in die Gebiete der extensiven Weidewirtschaft hineintrug. Man denke an die großen Landeskulturprojekte in Sibirien, die durch mechanisch-technische Fortschritte möglich wurden. Der Zuckerrübenbau hat trotz steigenden Lohnniveaus im letzten Jahrzehnt in Westdeutschland noch zugenommen, weil die Entwicklung der Rübenvollerntegeräte der Rübenernte ihren Schrecken nahm. Die Verbilligung der Dränage schafft die Voraussetzung dafür, daß auf den schweren Marschen auch im technischen Zeitalter noch Ackerbau möglich ist. Der Elektrowanderzaun hat erst die arbeitssparende Portionsweide an die Stelle der zwar auch flächenproduktiven, aber arbeitsaufwendigeren Sommerstallfütterung treten lassen. Unabsehbar sind die Auswirkungen der Heubrikettierung. Mechanisch-technische Fortschritte sind besonders wichtig für solche Länder und Betriebe, die auf eine hohe Arbeitsproduktivität abstellen müssen; denn die mechanisch-technischen Fortschritte sind arbeitssparend, während die organisch-technischen Fortschritte bodensparend wir-
104
IV. Agrarbetriebe, Bausteine der Agrarlandschaft
ken. Daß aber auch hier die Grenzen nirgends scharf zu ziehen sind, zeigt z.B. die neuere technische Entwicklung in der Zuckerrübenpflege. Um diese empfindliche Arbeitsspitze zu brechen, war man lange bemüht, über mechanische Zerkleinerung des Rübenknäuels und Ausdünnmaschinen, über mechanisch-technische Fortschritte also, Hilfe zu schaffen. Die genannten technischen Fortschritte erwiesen sich aber nur für solche Länder als segensreich, die im Gegensatz zur deutschen Landwirtschaft auf eine hohe Bodenproduktivität verzichten können. Nunmehr wissen wir, daß in dichtbesiedelten Ländern nicht mechanischtechnische Fortschritte, sondern organisch-technische Fortschritte in Form von Züchtungen einkeimigen Rübensamens, Einzelkornsaat und Bandspritzungen gegen Unkraut den vereinzelungslosen Anbau und damit die arbeitssparendsten Lösungen bringen. In diesem Falle also wird Arbeitsersparnis durch organisch-technische Fortschritte erreicht. Um noch weitere Beispiele der arbeitssparenden Wirkung mechanischtechnischer Fortschritte anzuführen: Der Konservengemüsebau hat seinen Charakter als landwirtschaftlicher Betriebszweig in den letzten Jahren grundsätzlich gewandelt, nachdem Vollerntegeräte entwickelt wurden, die den Konservengemüsebau in Großbetriebe im Einzugsbereich der Konservenindustrie abwandern ließen (Grünerbsendreschmaschine, Buschbohnenpflückmaschine, Möhrenernte mit Siebkettenroder, Spinaterntemaschine). Die technischen Fortschritte in der Feldberegnung (geringere Rohrgewichte, bessere Rohrkupplungen, bessere Zerstäubung des Wasserstrahles) haben dem Landbau auf künstlicher Bewässerung ganz neue, und zwar arbeitssparende Möglichkeiten erschlossen. Sie haben auch landerschließend gewirkt, insofern nämlich, als zerklüftetes Gelände im Trockenklima, das nicht berieselt werden kann und deshalb zuvor dem Landbau gar nicht zugänglich war, nun plötzlich grünende und blühende Felder trägt. Doch sei hiermit dieser kurze Überblick über die Betriebsgestaltungskräfte abgeschlossen, zumal letztere bei der Interpretation des agrargeographischen Verbreitungsbildes landwirtschaftlicher Betriebsformen im folgenden immer wieder herangezogen werden müssen.
V. Die wichtigsten Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
Als Kurzform für den Begriff „Landwirtschaftliches Betriebssystem" kann man auch die Wortbildung „Agrarsystem" verwenden. Wesentlich ist in beiden Fällen die Herausstellung des „Systems" als eines zweckvollen Ineinandergreifens verschiedener Kräfte. Es deutet darauf hin, daß es sich bei der Agrarproduktion in der Regel um Verbundproduktion handelt. Für die Charakterisierung von Agrarsystemen muß deshalb die Kennzeichnung des Diversifizierungsgrades von Bedeutung sein. Ferner sollte für jede ökonomische Einheit die Faktorenkombination berücksichtigt werden, wenn man Agrarsysteme abgrenzen will. Schließlich und vor allem aber dient das Produktionsprogramm als bewährtes Ordnungsprinzip für Agrarbetriebe, Farmen, Ranches, Pflanzungen und Plantagen. Will man einen Agrarbetrieb ganz konkret, exakt und detalliert kennzeichnen, so muß man alle die genannten Merkmale heranziehen: Diversifizierungsgrad, Faktorenkombination und Produktionsprogramm. Es ergibt sich dann allerdings eine solche Fülle von Kombinationen, daß die Systematik zu umfangreich wird und in Unübersichtlichkeit ausufert. Ein weltweiter Überblick, wie er hier beabsichtigt ist, kann nur durch eine vereinfachte Grobsystematik erreicht werden, die sich jeweils auf nur eines der drei Merkmale beschränkt. In diesem Kapitel wird das geographische Nebeneinander der Agrarsysteme von heute in einem ersten knappen Überblick behandelt, die Standortsorientierung der landwirtschaftlichen Produktion. Die Ordnung der Erscheinungsformen erfolgt nach dem agrargeographisch wichtigsten Kriterium, nämlich dem Produktionsprogramm, und hier wieder primär nach der Struktur der Bodennutzung. Ebenso wird auch in den Kapiteln VI bis VIII verfahren, die standortsbezogener sind, mehr in örtliche Details eintreten und funktionell mehr in die Tiefe dringen. Die anderen beiden Abgrenzungskriterien, Betriebsvielfalt und Faktorenkombination, eignen sich mehr für eine agrarhistorische Schau. Sie werden daher in dem Schlußkapitel IX, welches die Strukturwandlungen des Weltagrarraumes im Wirtschaftswachstum zum Inhalt hat, zur Anwendung gelangen. Zur Herstellung des räumlichen Bezuges der nachstehenden Betriebssystematik dient eine vereinfachte Weltkarte (Abb. 26, S. 110).
106
V. Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
1. Graslandsysteme Wenn im folgenden nach Maßgabe des Produktionsprogrammes Grasland*, Ackerbau- und Dauerkultursysteme herausgestellt werden, so ist zu berücksichtigen, daß diese durchaus nicht immer in reiner Form vorkommen. Vielmehr sind Übergangs- und Mischsysteme häufig z.B. in der Form, daß ein Grünlandbetrieb der Elbmarsch 30 % LF Ackerland bewirtschaftet, daß eine Getreide-Brachwirtschaft im Staate Kansas oder eine Kaffeeplantage im Staate Säo Paulo nicht unerhebliche Naturweiden besitzen, daß Weinbaubetriebe Kalabriens oder Kakaobetriebe Ghanas über Ackerflächen zur Selbstversorgung und zum Arbeitsausgleich verfügen usw. Will man aber das Wesentliche erkennen und einen Überblick gewinnen, so kann von dem mehr- oder vielseitigen Produktionsprogramm der Agrarsysteme eben immer nur das ökonomisch Gewichtigste herausgestellt werden. Das gilt nicht nur für die drei Hauptkategorien Grasland-, Ackerbau- und Dauerkultursysteme, sondern auch für ihre Untergruppen.
a) Weidenomadismus Die nomadische hauswirtschaftliche Weidewirtschaft findet sich heute nur noch in extremen Trockengebieten ungünstiger Verkehrslagen. Der Nomadismus der Bevölkerung hat seine Ursache im Zwang zum Futterausgleich. Die Viehherden werden nicht aktiv vom Menschen getrieben, sondern der Mensch wandert passiv seinen Viehherden nach, die ihren jahreszeitlichen Futterausgleich durch große Wanderbewegungen suchen. Diese Wirtschaftsform bildet sich deshalb bevorzugt dort aus, wo durch Höhenzüge, Gebirge und Täler der Vegetationsrhythmus innerhalb des Jahres regional unterschiedlich ist. B. Grzimek hat in seinem Buche „Serengeti darf nicht sterben" dargestellt, daß die afrikanischen Wildarten zum Zwecke des Futterausgleiches auf große Wanderbewegungen angewiesen sind und daß deshalb der Serengeti-Wildpark in seiner Fläche nicht beschnitten werden darf. Ebenso wie diese Wildarten müssen auch die Haustiere, wenn keine Fütterung von Menschenhand erfolgt, Wanderbewegungen ausführen, wenn sie einen jahreszeitlichen Futterausgleich erreichen wollen. Der Mensch nun, der auf diese Haustiere angewiesen ist — es handelt sich in jedem Falle um sehr anspruchslose Tierarten —, der Mensch nun wandert seinen Herden nach. Eine abgewandelte Form dieses Weidenomadismus finden wir in unseren Wanderschäfereien. Ein wesentlicher Unterschied aber liegt darin, daß der Mensch hier aktiv in das Geschehen eingreift, während er sich in der nomadischen hauswirtschaftlichen Weidewirtschaft mehr passiv an den Wanderbewegungen beteiligt.
1. Graslandsysteme
107
b) Stationäre extensive Weidewirtschaften Auch hier handelt es sich um Landwirtschaft im Grenzbereich der Ökumene. In dem amerikanischen Wüstenstaat Arizona geht die extensive Schafweidewirtschaft bis auf 150 mm Jahresniederschläge herab. In der südwestafrikanischen Wüste Namib finden sich sogar noch Schafweidewirtschaften bei 100 mm Niederschlagshöhe im Jahre. Die obere Niederschlagsgrenze der extensiven Weidewirtschaft ist dort gelegen, wo die Getreide-Brachwirtschaft möglich wird. Außer der Niederschlagshöhe beeinflussen eine größere Anzahl weiterer Faktoren die Wettbewerbsbedingungen dieser beiden für die Trockengebiete wichtigen Betriebssysteme, der extensiven Weidewirtschaft einerseits und der Getreide-Brachwirtschaft andererseits, so daß eine feste Niederschlagsgrenze nicht zu ziehen ist. Auch die organisatorischen Abwandlungen der extensiven Weidewirtschaft werden deutlich durch die Niederschlagshöhe geprägt. Daneben ist die äußere Verkehrslage maßgebend für die Formen der extensiven Weidewirtschaft, weil sie bestimmt, ob Milch verkauft oder wenigstens einmal wöchentlich Rahm abgeliefert werden kann oder ob man sich auf die Aufzucht bzw. Mast von Rindvieh beschränken muß. Die extensive Weidewirtschaft bildet in der großen Skala landwirtschaftlicher Betriebssysteme ein ausgesprochenes Extrem. Sie ist zunächst einmal das extensivste Betriebssystem überhaupt. Zugkräfte fehlen weitgehend, und Mineraldünger wird nicht angewendet. Infolgedessen muß die Bodenproduktivität extrem niedrig sein. Die Nettoarbeitsproduktivität dagegen erreicht relativ hohe Werte. An Kapitalanlagen sind im wesentlichen nur die Viehherden und die Bodenflächen vorhanden. Der Bodenwert je Hektar ist zwar extrem niedrig; trotzdem ist das Bodenkapital stark in die Waagschale fallend, weil die extensive Weidewirtschaft nur auf großen Flächen möglich ist. Hinzu kommt, daß für Zaun- und Tränkanlagen erhebliche Investitionen getätigt werden müssen. Die Tatsache, daß die extensive Weidewirtschaft nur auf sehr großen Flächen möglich ist, beruht einmal darauf, daß die Ergiebigkeit pro Hektar nur gering sein kann, und zum anderen auf der Kostenstruktur der extensiven Weidewirtschaft. Diese Kostenstruktur verdeutlicht, daß der überwiegende Teil der Kosten in dem Einkommensanspruch des Farmers, den Aufwendungen für Lohnarbeitskräfte und den Aufwendungen für Fahrzeuge und Motoren besteht. Alle diese Kosten sind aber von der Herdengröße weitgehend unabhängig. Der Besatz an Fahrzeugen, Motoren und Arbeitskräften ändert sich kaum, wenn der Viehbesatz von 300 auf 800 Rinder oder von 800 auf 2.000 Schafe ansteigt. Da aber eine Vergrößerung des Viehbesatzes nicht über eine Steigerung der Bewirtschaftungsintensität, sondern nur über eine Aus-
108
V. Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
weitung der Bodenflächen möglich ist, wird die Festkostenbelastung um so geringer, je größer die Bodenflächen der Farm und damit auch die Viehherden werden.
c) Stationäre intensive Weidewirtschaften Während die extensiven Graslandsysteme das Merkmal tragen, daß der Landwirt sich Futtermangelzeiten durch Produktionsrichtung, Tierund Rassenwahl, Wahl der Gebär-, Schur-, Verkaufszeiten usw. passiv anpaßt, zeichnen sich die intensiven Graslandsysteme durch aktive Überwindung der Futtermangelzeiten mittels Futterwerbung und Futterzukauf aus. Das ist nur bei günstigen Preis-Kostenverhältnissen möglich, die einen hohen Arbeits- und Sachaufwand je Hektar zulassen. Intensive Graslandsysteme sind daher nur in stärker industrialisierten Staaten zu finden. Der ökonomisch und ökologisch bedingten Varianten gibt es viele. Hier seien nur drei Klimatypen herausgestellt: 1. Die polaren Futterbausysteme umspannen als ein Gürtel den gesamten Erdball: Skandinavien, Nordrußland und das nördliche Kanada. Die Ursachen für den polwärts immer mehr in den Vordergrund tretenden Futterbau sind die Verkürzung der Vegetationszeit und die besonderen Belichtungs- und Wärmeverhältnisse im Bereich der Mitternachtssonne. Diese Umstände begünstigen einseitig mehijährige Kulturen, welche allein in der Lage sind, die kurze Vegetationszeit voll auszunutzen. Der Futterbau wird also im Wettbewerb mit dem Marktfruchtbau polwärts immer stärker, bis er letzteren schließlich ganz verdrängt. 2. Zu den maritimen Futterbaubetrieben gehören diejenigen des nordwestdeutschen und niederländischen Küstenraumes, Großbritanniens und der Halbinsel Cherbourg. Hier sind es weniger hohe als vielmehr gut verteilte Niederschläge, oft in Form von Nebel und Nieselregen, und hohe Luftfeuchtigkeit, die den Futterbau begünstigen. Aus verschiedenen Gründen eignet sich das maritime Klima besser für die Weide- als für die Wiesennutzung. Im wintermilden Klima der Normandie, welches fast ganzjährigen Weidegang zuläßt, ist dieser Umstand günstig, während er im winterkälteren deutschen Marschengürtel Winterfutterknappheit verursacht und damit Betriebsformen der Rindviehhaltung nahelegt, die eine saisonmäßige Anpassung der Viehbesatzstärke an den Futteranfall ermöglichen (Aufzucht- und Weidemastbetriebe). 3. In der montanen Futterbauzone summieren sich Kürze der Vegetationszeit und Klimafeuchtigkeit bei Ausprägung des Agrarsystems. So
2. Ackerbausysteme
109
ist es nicht verwunderlich, daß die Futterbauwirtschaften gerade im Hochgebirge extreme Formen annehmen. Das größte geschlossene montane Futterbaugebiet Europas ist der Alpenraum einschließlich der Alpenfußgebiete. Aber auch in fast allen europäischen Mittelgebirgen findet sich bei bestimmter Höhenlage die Futterbauwirtschaft ein. Das Gebirgsklima begünstigt die Mäh- gegenüber der Weidenutzung. Das wirkt sich vorteilhaft auf die Wirtschaftsführung aus, einmal, weil der Winter lang, der Winterfutterbedarf deshalb groß ist, und zum anderen, weil dieser Umstand den jahreszeitlichen Futterausgleich erleichtert. Gegenüber der maritimen Futterbauzone ist der Futterausgleich in der montanen also weniger problematisch, so daß hier die Milchviehhaltung dominieren kann, während dort ein größerer Anteil Jung- und Mastvieh vorhanden sein muß. Das Agrarsystem Futterbau-Rindviehhaltung ist neben bestimmten Dauerkulturen das einzige in der europäischen Landwirtschaft, welches Monoproduktion zuläßt. In Futterbaubetrieben bis etwa 30 ha Größe ist heute eine der wichtigsten Rationalisierungsmaßnahmen der Verzicht auf kleine Restackerflächen und der Übergang zum reinen Grünlandbetrieb als extreme Form der Spezialisierung.
2. Ackerbausysteme Arbeits- und düngerintensiver als die Graslandsysteme sind zumeist, aber nicht immer, die Ackerbausysteme, weil sie eine jährliche Bodenbearbeitung, Saat oder Pflanzung und Ernte von Menschenhand erfordern, während letztere beim Graslandsystem zumindest teilweise vom Weidetier selbst erledigt wird. Auch ist die Nährstoffausfuhr aus dem Betrieb im Falle des Ackerbaues größer und diese Nährstoffe müssen wieder zugeführt werden.
a) Urwechselwirtschaften Für Urwechselwirtschaften trifft alles dieses nur begrenzt zu; denn sie sparen Arbeit und Nährstoffe durch periodische Umlage des Ackerlandes in der Urvegetation. Wo diese in Grasformationen besteht, ist der Ursprung des Ackerbaues die Steppenumlagewirtschaft, welche auch in großen Teilen Europas am Anfang einer zweitausendjährigen Entwicklung stand. C. Tacitus schrieb in seiner „Germania" in bezug auf dieses Ackerbausystem: „Arva per annos mutant et super est ager", was nach Fr. Aereboe so zu deuten ist (3): „Die Saatfelder wechseln alljährlich, und genug Land zur Ackernutzung ist noch übrig". Solange die Besiedlung der Steppen noch sehr locker ist und der für Ackernutzung in Betracht kommende Boden überwiegend aus Natur-
110
V. Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
2. Ackerbausysteme
111
grasland besteht, bricht man mit Grabstock, Hacke, später mit dem Pflug ein kleines Stück Grasland um, baut hier zwei bis vier Jahre lang Kulturpflanzen, zumeist Hirse, an, bis durch den Mangel an gründlicher Bodenbearbeitung und bei Fehlen jeglicher Düngung die Erträge absinken, überläßt das Land dann wieder für viele Jahre der natürlichen Begrasung zwecks Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit und nimmt statt dessen ein anderes Stück Land auf die beschriebene Weise in Kultur. Später kehrt man mit dem Getreidebau in langjährigem Turnus wieder auf die schon einmal genutzten Flächen zurück. In ursprünglichen Waldlandschaften wird u.U. das gleiche Prinzip verfolgt. In den Feuchtsavannen und im tropischen Regenwaldgürtel ist die gesamte Betriebsorganisation und -führung ein einziger Kampf gegen Nässe und Feuchtigkeit bei bis zu 3.000 mm Regen pro Jahr. Erosion und Unkrautwuchs, Humusschwund und Bodenstrukturzerfall führen dazu, daß die Ernten auf dem gerodeten Urwaldboden in wenigen Jahren stark zurückgehen und daß gleichzeitig der Aufwand für Bodenbearbeitung von Jahr zu Jahr steigt. Es gibt bislang kaum ein besseres Mittel, als den zwei bis vier Jahre lang genutzten Boden dem Urwald zurückzugeben und statt dessen ein neues Stück Urwald mittels Brandkultur in Nutzung zu nehmen: Waldbrandwirtschaft als extreme Anpassung an extreme Naturbedingungen. Über 200 Mill. Menschen auf über 30 Mill. km 2 leben heute noch in dieser Wirtschaftsform. Ältere Formen der Urwechselwirtschaft waren die Haubergswirtschaft, die Schiffelwirtschaft oder die Moorbrandwirtschaft. Sie alle verfolgten das Ziel, mittels Einsatz großer Bodenflächen und nur periodischer Ackernutzung die Regeneration der durch den Ackerbau geschädigten Bodenfruchtbarkeit der Natur selbst zu überlassen, um an Arbeit und Dünger zu sparen.
b) Feldgraswirtschaften Auch die Feldgraswirtschaften, welche zwischen einjährigen Nahrungsfrüchten und mehrjährigen Futterkulturen wechseln, verfolgen in beschränktem Umfange noch das gleiche Prinzip; denn die mehrjährige Futterkultur spart Bodenbearbeitung, Saat und Pflege, im Falle der Weidenutzung auch die Ernte, und während der Baujahre verlieren sich die Grasland- und während der Grasjahre die Baujahrunkräuter. Das Feldfutter produziert Wurzelhumus, der den Nahrungsfrüchten anschließend zugute kommt. Aufbau von Bodenfruchtbarkeit durch die Futterkulturen und Abbau derselben durch die Nahrungsfrüchte lösen einander sinnvoll ab.
112
V. Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
Feldgraswirtschaften bilden sich dort aus, wo entweder die Vegetationszeit kurz ist (Nordeuropa) oder die Niederschläge hoch sind (Gebirgslagen, Hochland Ostafrikas) oder die Niederschläge zwar nicht sehr hoch, aber gleichmäßig verteilt und mit einer hohen Luftfeuchtigkeit verbunden sind (nordatlantischer Küstenraum Europas und Amerikas) oder die Niederschläge zwar nicht sehr hoch sind, aber durch künstliche Bewässerung unterstützt werden. In Nordeuropa zeigt sich sehr deutlich, daß die Nutzungsdauer des Feldgrases um so länger wird, die Formen der Feldgras Wirtschaft also um so extensiveren Charakter annehmen, je mehr sich die Vegetationszeit mit Annäherung an den Polarkreis verkürzt. In Jütland und Schonen ist eine nur zweijährige Nutzungsdauer des Feldgrases typisch, in Mittelschweden schon eine dreijährige. Beim Fortschreiten in die nördlichen Breitengrade wird sie auf vier, sechs und mehr Jahre verlängert. In Großbritannien ist nicht nur eine Süd-Nord-, sondern auch eine OstWest-Differenzierung der Feldgraswirtschaften erkennbar. Die Süd-NordDifferenzierung wird wieder durch die Verkürzung der Vegetationszeit in Richtung Schottland hervorgerufen, die Ost-West-Differenzierung dagegen durch das allmähliche Ansteigen des Geländeniveaus von der Ostküste nach Westen zu bis in die Gebirgsbereiche von Cornwall, Wales und Cumberland. Im Alpenraum müssen besonders extreme Formen der Feldgraswirtschaft auftreten, weil hier hohe Niederschläge und kurze Vegetationszeit zusammentreffen. Die Poebene ist ein Repräsentant der auf künstlicher Bewässerung beruhenden Feldgraswirtschaft. Das warme Klima, verbunden mit reichlichen, aus den Alpen zufließenden Wasservorräten, hat hier außerordentlich produktive Feldgraswirtschaften entstehen lassen, die bei großer Schnitthäufigkeit einen hohen Viehbesatz ermöglichen. Diese Landbauzonen sind die wichtigsten Milchproduktionsgebiete Italiens.
c) Körnerbauwirtschaften Urwechsel-, Feldgras- und Körnerbauwirtschaften sind an sich von Haus aus extensive Ackerbausysteme. Und doch besitzen sie eine beträchtliche Intensitätsspanne: - die Urwechselwirtschaften durch die Umtriebszeit und die Wahl der Feldfrüchte; — die Feldgraswirtschaften durch das Gras-Baujahreverhältnis und das Nutzungsverhältnis der Baujahre und
2. Ackerbausysteme
113
— die Körnerbauwirtschaften in weltweitem Rahmen in erster Linie durch die Erntehäufigkeit. Es gibt Trockensteppen, welche nach dem Prinzip des Dry Farming zur Wasserersparnis nur nach der Rotation 1. Brache — 2. Brache — 3. Gerste ackerbaulich nutzbar sind, so daß nur jedes dritte Jahr eine Ernte eingebracht werden kann. Bei etwa 300 mm Niederschlag wie im Columbia-Becken der USA kann man jedes zweite Jahr eine Ernte nehmen. Fallen 350 bis 400 mm Regen, wie in großen Trockengebieten von Kansas, der Kapprovinz, des Irans oder Australiens, so braucht man nur noch jedes dritte Jahr eine Brache in die Fruchtfolge einzuschieben, so daß zwei Drittel der Ackerfläche für Saat und Ernte zur Verfügung stehen. Im Mittelalter war auch in fast ganz Europa und in großen Teilen Asiens die Brachdreifelderwirtschaft gang und gäbe, doch hatte das nicht ökologische, sondern ökonomische Gründe. Heute kann der Acker in Mitteleuropa jedes Jahr eine Getreideernte tragen und ist sogar hoher Erträge mittels hoher spezieller Intensität fähig. Übersicht 3: Fruchtfolgebeispiele westdeutscher Körnerbauwirtschaften Süddeutsche Maisbaulagen
Rhein /MainGebiet
Lüneburger Heide
Insel Fehmarn
1. Grassamenbau 2. Grassamenbau 3. W.Weizen 4. S.Gerste 5. Körnermais 6. S.Gerste-U.S.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Spätmais S.Gerste, Hafer W.Weizen Frühmais W.Weizen S.Gerste
W.Roggen-Zwfr. S.Gerste-Zwfr. S.Gerste W.Roggen-Zwfr. S.Gerste-Zwfr. S.Gerste
W.Raps W.Raps W.Weizen W.Weizen Hafer W.Gerste
Fruchtfolgen wie diejenigen der Übersicht 3 sind in Westdeutschland neuerdings sehr beliebt, weil sie mit hoher ökonomischer Effizienz vollmechanisierbar sind, deshalb mit 2 bis 3 AK/100 ha LF auskommen und eine entsprechend hohe Arbeitsproduktivität erzielen. In warmen Ländern, in denen das Pflanzenwachstum ganzjährig andauert, kann man sogar mehr als eine Körnerernte im gleichen Jahre vom gleichen Feld gewinnen. So findet man im südlichen Japan die Rotation: 1. Jahr, 2. Jahr,
Winter: W.Raps Sommer: Reis Winter: W.Getreide Sommer: Reis.
114
V. Betriebssysteme der Weltlandwirtschaft
Auch in Nordchile, Ägypten und in anderen warmen Ländern können zwei Körnerfrüchte im gleichen Jahr angebaut werden. In der Regel ist dann aber künstliche Bewässerung die Voraussetzung dafür, daß Trokkenzeiten überbrückt und ganzjähriges Pflanzenwachstum möglich werden. In Taiwan und Guyana können Naßreisfelder sogar drei Ernten im gleichen Jahre tragen. Ordnet man die Körnerbauwirtschaften nach dem Ackernutzungsgrad, d.h. nach der Erntequote des Ackerlandes, so reicht die Intensitätsspanne also von 33,3 % bei der Rotation 1. Brache — 2. Brache — 3. Getreide bis zu 300 % bei dreimaliger Reisanbaufolge im gleichen Jahre.
d) Hackfruchtbauwirtschaften Der Körnerfruchtbau gewährleistet die höhere Arbeitsproduktivität, der Hackfruchtbau die höhere Bodenproduktivität. Unter gleichen ökologischen Verhältnissen müssen daher dichtbesiedelte Länder den Hackfruchtbau stärker betonen als dünnbesiedelte. Im gleichen Lande werden kleinere Betriebe hackfruchtstärker wirtschaften als größere. Auch bei den Hackfruchtbauwirtschaften sind Intensitätsstufen zu unterscheiden, die einmal auf den Ackernutzungsgrad und zum anderen auf die bevorzugten Hackfruchtarten zurückzuführen sind. Einige Beispiele zeigt die Übersicht 4. Werden kurzlebige Kulturpflanzen in wintermilden Klimaten bei ausreichenden Wasservorräten angebaut, so steigt die Erntehäufigkeit beträchtlich. In Süditalien ist die Ernte von drei bis vier Gemüsearten im gleichen Jahre ohne weiteres möglich. In den gegen Nord- und Ostwinde geschützten Lagen am Vesuv kann man sogar fünf- bis achtmal jährlich kurzlebiges Gemüse aufeinander folgen lassen, z.B. in dieser Weise: Nov. bis Jan.: Blumenkohl Febr. bis März: Rosen- oder Grünkohl April bis Mai: Karotten Juni bis August: Paprika Sept. bis Okt.: Grünerbsen. Die Hackfrüchte sind botanisch eine ganz heterogene Gruppe. Die Sammelbezeichnung deutet auf eine bestimmte Verfahrenstechnik, die Hackkultur, hin, der auf bestimmten Entwicklungsstufen so gut wie alle Acker- und Dauerkulturen unterworfen werden müssen. In Südostasien ist Arbeit extrem billig, und Boden und Kapital sind extrem teuer. Der Reis wird hier angezogen, verpflanzt, gehackt, gejätet, mit der Sichel geerntet und mit Dreschflegel oder -schütten ausgedroschen.
2. Ackerbausysteme
115
Übersicht 4: Fruchtfolgebeispiele aus Hackfruchtbauwirtschaften mit wechselndem Ackernutzungsgrad 1
Sibirische zone kürzer
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124
VI. Die Agrargeographie der feuchten Tropen
Abgesehen von nur geringem Bewässerungsfeldbau und etwas Dry Farming werden die Dornsavannen fast ausschließlich durch die extensive Weidewirtschaft genutzt, in der Neuen Welt durch Viehfarmen, in der Alten Welt häufig noch durch Nomaden; 4. die Trockensavanne mit vier bis sechs humiden Monaten, zwischen der agronomischen und der klimatischen Trockengrenze gelegen, also regenfeldbaufähig. Als Grasflur tritt die Trockensteppe, als Gehölzflur regengrüner Trockenwald (z.B. Miombo) auf. Auf eine kurze Regen- folgt eine lange Trockenzeit; 5. die subhumide Feuchtsavanne mit sieben bis neun humiden Monaten, zwischen der klimatischen Trockengrenze und der Feuchtgrenze der Weidewirtschaft gelegen. Die Regenzeit ist nun länger, die Trockenzeit kürzer, die Luftfeuchtigkeit höher. Die Jahresniederschläge liegen etwa bei 800 bis 1.500 mm. Als Grasflur tritt die Hochgrassavanne mit Galeriewäldern, als Gehölzflur der Monsunwald auf. Dies ist die erste Klimazone, in der auch kleinere Flüsse ganzjährig Wasser führen, während sie in den Zonen 1 bis 4 bald nach der Regenzeit austrocknen; 6. der tropische Regenwald unmittelbar am Äquator mit dem feuchtesten Klima. Zwei Regenzeiten mit zusammen mindestens 1.500 mm Niederschlägen, eine ganzjährig wenig schwankende mittlere Temperatur von 25 bis 28° C und eine im Jahresablauf selten den Wert von 90 % unterschreitende Luftfeuchte (6 Uhr) führen hier zu dem durchaus humiden, immerfeuchten Klimatyp, der den immergrünen, ombrophilen, d.h. ein regenreiches Klima bevorzugenden Regenwald hervorruft. 7. Hinzu kommen in den tropischen Höhenlagen (mehr als 1.000 m über NN) noch sehr verschiedene weitere Vegetationsformationen, die sich aber z.T. den vorgenannten, besonders den Trocken- und Feuchtsavannen, ganz oder teilweise zuordnen lassen. Ebenso wie bei der Gliederung der Vegetationsformationen wollen wir auch bei der Ordnung der landwirtschaftlichen Betriebsformen in den Tropen — soweit möglich — von den Trockenklimaten zu den Regenklimaten fortschreiten. Man trifft zweckmäßigerweise in Anlehnung an Kapitel V zunächst nur folgende Viergliederung: 1. Weidewirtschaften tragen in den Tropen bisher durchaus extensiven Charakter, weil keinerlei Land bau betrieben wird. Der Mensch begnügt sich mit der rein okkupatorischen Aneignung dessen, was die Natur ohne sein Zutun wachsen läßt, und zwar mittels anspruchsloser Weidetiere. Stallhaltung ist immer, Futterwerbung meistens unbekannt. Man nutzt also die Urvegetation. 2. Regenfeldbau heißt Anbau kurzlebiger Kulturpflanzen auf der Grundlage des natürlichen Regenfalles, d.h. ohne künstliche Bewäs-
VI. Die Agrargeographie der feuchten Tropen
125
serung. Häufig zwingt das Bodenfruchtbarkeitsproblem dazu, den Anbau von Nutzpflanzen durch Schwarz-, Gras-, Busch- oder sogar Waldbrache zu unterbrechen. Im Extremfalle (Waldbrandwirtschaft) können jeweils nur 15 bis 25 % des verfügbaren Landes eine Ernte tragen. 3. Im Bewässerungsfeldbau dagegen führt man den kurzlebigen Kulturpflanzen künstlich Wasser zu, entweder ganzjährig oder zumindest in der Trockenzeit, damit die Nutzpflanzenproduktion auf diese ausgedehnt werden kann. Beim Anbau kurzlebiger Kulturpflanzen sind dann häufig zwei, ja drei Ernten im gleichen Jahre vom gleichen Felde möglich. 4. Betriebs formen mit Baum- und Strauchkulturen haben einen mehrbis langjährigen, oft mehrere Jahrzehnte umfassenden Wachstumszyklus, wie Kokos-, Ölpalmen-, Kautschuk-, Zitrus-, Kaffee-, Kakaooder Teepflanzungen. Dauernde Bodenbedeckung und u.U. erforderliche technische Aufbereitung des Erntegutes sind wichtige betriebswirtschaftliche Eigenschaften. Meistens handelt es sich um Intensivkulturen. Die Tendenz zur Monokultur und zur Plantage ist häufig. Die Abbildung 28 verdeutlicht grob, welche Anbau- und Viehhaltungsformen in den klimabedingten natürlichen Vegetationsgürteln der Tropen beheimatet sind. Für die agrargeographische Orientierung ist an dieser Abbildung besonders beachtenswert, daß — die Trockengrenze der Ökumene durch die Wüste verläuft; — sich die Trockengrenze der Viehhaltung durch die Halbwüste zieht; — die agronomische Trockengrenze (Grenze des Regenfeldbaues) Dornsavanne und Trockensavanne scheidet; — die klimatische Trockengrenze zwischen Trocken- und Feuchtsavanne verläuft und — sich die Feuchtgrenze der Weidewirtschaft mit der Kontaktzone zwischen Feuchtsavanne und Regenwald deckt. In der Abbildung 29 ist versucht worden, die Verbreitungsschwerpunkte der vier genannten Betriebsformen in den herausgearbeiteten Klimazonen übersichtlich zu kennzeichnen. Da dieses Kapitel VI die Agrargeographie der feuchten Tropen zum Inhalt hat, wird es nur die drei Klimazonen a) Regenwaldklima, b) Feuchtsavannenklima und c) Tropische Höhenklimate und nur die drei Agrarregionen a) mit Regenfeldbau, b)mit Bewässerungsfeldbau und c) mit Baum- und Strauchkulturen
VI. Die Agrargeographie der feuchten Tropen
126
behandeln. Es reicht also polwärts nur bis zur klimatischen Trockengrenze. Die äußeren, trockenen Tropen werden erst im Kapitel VII zusammen mit den Trockengebieten der gemäßigten Klimate erörtert, weil sie mit diesen eine hohe agrargeographische Affinität besitzen. Landwirtschaftliche
B e t r i e b s f o r m e n in d e n K l i m a z o n e n der 1 Schema
Humide Monate
Klimaxvegetation
Tropen
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Weidewirt- Regenfeldschaft bau
B e w ä s s e - B a u m - u. rungsfeld- Strauchkulbau turen
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3. Dornbuschsteppen
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Abbildung 48
2. Gemäßigte Sommer und Winter: Hier spricht man vom mitteleuropäischen Übergangsklima. Hackfrucht- und Wintergetreidebau spielen eine bedeutende Rolle.
1. Die Agrargeographie Westeuropas
199
3. Milde Winter, kühle Sommer: Dieses Klima ist für Großbritannien und einen größeren Teil Frankreichs typisch. Der Futterwuchs wird stark gefördert und demzufolge auch die Rindviehhaltung. 4. Sehr milde Winter, warme Sommer beherrschen die Landschaften um die Biscaya-Bucht, d.h. das nördliche Spanien und das südwestliche Frankreich. 5. Heiße, trockene Sommer und warme, feuchte Winter kennzeichnen den mediterranen Raum. Sie werden um so ausgeprägter, je weiter man nach Süden fortschreitet. Schließlich tritt eine ausgeprägte Winterregenzeit ein, die allein eine landwirtschaftliche Nutzung erlaubt, während im Sommer Hitze und Trockenheit jeglichem Fruchtbau abträglich sind. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt hier 14° bis 18° C. Das kälteste Klima weisen die europäischen Hochgebirge auf, insbesondere die norwegischen und der Alpenraum. In diesem Gebirgsklima herrscht eindeutig der Futterbau vor. Weniger kalt ist das osteuropäische Kontinentalklima. Dann kommt das mitteleuropäische Übergangsklima, in dem Hackfrucht* und Wintergetreidebau eine bedeutende Rolle spielen. Es ist die große Zone der Hackfrucht-Getreidebauwirtschaften. Durch sehr viel mildere Winter ist das westeuropäische ozeanische Klima ausgezeichnet, welches wiederum den Futterbau fördert und zum Teil ganzjährigen Weidegang erlaubt. Während in den Höhenlagen beim Futterbau die Wiesennutzung dominiert, stehen hier die Weiden obenan. Das Mittelmeerklima ist durch milde Winter und heiße, trockene Sommer ausgezeichnet, welche den Baum- und Strauchkulturen in starkem Maße Vorschub leisten. Das subtropische Klima Süditaliens schließlich macht den Anbau von Zitrusfrüchten, Oliven, Mandeln, Baumwolle u.a. möglich. Für die Ausprägung landwirtschaftlicher Betriebsformen bedeutsam ist die Andauer einer Temperatur von mindestens + 5° C, weil die meisten Kulturpflanzen von dieser Grenze ab zu assimilieren beginnen (Abb. 49). Auch phänologische Daten sind wichtig, z.B. der Beginn der Winterweizenernte. In der Nähe der nördlichen Anbaugrenzen des Winterweizens kann seine Ernte erst im August erfolgen, während in Italien bereits bis Ende Mai die gesamte Weizenernte eingebracht sein muß. Die Abbildung 7, S. 50, zeigt die nördlichen Anbaugrenzen wichtiger Kulturpflanzen. Am weitesten nach Norden rückt der Kartoffelbau vor, der bis über die nördliche Grenze Schwedens hinaus noch möglich ist. Etwas weiter südlich hört der Anbau der Sommergerste auf, die in ihren vierzeiligen Formen über Sorten verfügt, die in 60 bis 65 Vegeta-
200
VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
Andauer einer Temperatur von mindestens 5°C in Europa (Die Anzahl der Tage berechnet auf Grund der Monatsmitlei)
Bearbeitet
im Reichsamt
für
Wetterdienst
Abbildung 49 tionstagen die Reife erlangen. Für den Fruchtbau sehr wichtig ist auch die Anbaugrenze des Winterweizens. Sie verläuft etwas nördlich der Linie Stockholm - Oslo und kann im warmen Golfstromklima Westnorwegens noch weiter nach Norden vorgeschoben werden, eine Erscheinung, die auch bei den Anbaugrenzen von Sommergerste und Kartof-
1. Die Agrargeographie Westeuropas
201
fein zu beobachten ist. Die nördliche Anbaugrenze der Zuckerrübe deckt sich etwa mit der Nordgrenze der schwedischen Ostgötaebene. Dann kommt ein breiter Gürtel Mitteleuropas, in dem alle wichtigen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen des gemäßigten Klimas mit Ausnahme von Sonderkulturen und ausgesprochen wärmeliebenden Fruchtarten angebaut werden können. Die Anbaugrenze der Weinrebe ist etwa auf der Linie Loiremündung — Mosel zu suchen und fällt in Hessen und Bayern nach Süden ab. Körnermaisbau wurde nach Einführung frühreifender Hybridsorten sehr viel weiter nördlich als früher möglich. Zumindest das Rhein-Main-Gebiet muß heute schon als körnermaisbaufähig gelten. In einzelnen Betrieben findet sich ein nennenswerter Körnermaisbauanteil etwa bis zum Mittellandkanal. Noch weiter südlich verläuft die Anbaugrenze des Reises. In Europa besitzen wir allerdings nur zwei bedeutende Reisanbaugebiete, das eine im Rhone-Delta und das andere in der lombardischen Poebene. Für die südeuropäischen Länder ist die Ölbaumgrenze wichtig, die in Italien etwa mit den Nordgrenzen Liguriens, der Toscana und Umbriens zusammenfällt. Weiter südlich ist dann die Anbaugrenze der Zitrusfrüchte zu finden. Für Zitrusfrüchte sind in Italien nur Sizilien, Apulien, Calabrien und ein Streifen an der Westküste etwa bis zur Höhe Roms anbauwürdig. Stark differenziert ist die mittlere jährliche Niederschlagshöhe in Europa. In der horizontalen Dimension werden die Niederschläge im allgemeinen um so höher, je mehr wir uns dem atlantischen Küstenraum nähern. In der vertikalen Dimension steigen sie normalerweise mit der Seehöhe an. Nun kann aber für den Landwirt die Niederschlagsmenge allein nicht entscheidend sein; vielmehr kommt es auch auf ihre jahreszeitliche Verteilung an. Gleichmäßige Verteilung der Niederschläge über das ganze Jahr hinweg, wie sie besonders den Futterwuchs fördert, finden wir im maritimen Raum. Das kontinentale Klima dagegen ist zum Teil durch Vorsommertrockenheit belastet. Unter solchen Umständen kann der Futterbau keine großen Anbauflächen erobern, und beim Getreidebau muß man auf möglichst frühreifende und die Winterfeuchtigkeit gut ausnutzende Formen Wert legen, wie das für unsere Wintergetreidearten zutrifft. Das mediterrane Klima ist durch trockene Sommer gekennzeichnet. In dem Vierteljahr Juni bis August fallen im nördlichen Apulien nur 86, an der Küste des Ionischen Golfes nur 71 mm Regen. Hier muß man den einjährigen Fruchtbau entweder auf die Wintermonate beschränken oder durch künstliche Bewässerung unterstützen. Die Landwirte der Mittelmeerländer tragen der ausgeprägten Sommertrockenheit aber noch
202
VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
in anderer Weise Rechnung, nämlich durch Baum- und Strauchkulturen, die vermöge ihres tiefen Wurzelsystems besser als einjährige Kulturpflanzen die Winterfeuchtigkeit und das Grundwasser nutzen können und die infolgedessen viele Dürremonate ohne große Schäden zu überstehen vermögen. Höhe und Verteilung der Niederschläge allein besagen nun für die Ausbildung landwirtschaftlicher Betriebsformen noch nicht alles. Man muß sie im Zusammenhang mit den Temperaturverhältnissen sehen. Bei hohen Temperaturen werden auch relativ reichliche Niederschläge durch die starke Verdunstung verhältnismäßig schnell von der Atmosphäre aufgenommen; sie kommen den Nutzpflanzen also nur zu einem geringen Teil zugute. Umgekehrt dringen auch geringere Niederschläge bei niedrigen Temperaturen und somit auch geringer Verdunstung tiefer in den Boden ein und stehen dort den Pflanzen zur Verfügung. Aus diesem Zusammenhang heraus gewinnen die in warmen Gebieten reichlichen Niederschläge einen ganz anderen Aspekt. Hier treten trotz dieser Niederschläge Trockenperioden auf. Wenn nun aber, wie im mittelmeerischen Bereich, die Sommermonate auch noch relativ geringe Niederschläge bei hohen Temperaturen aufweisen, so ergibt sich als Folge eine ausgesprochene mehrmonatige Sommerdürre, die diesem Teil des EG-Raumes ein besonderes klimatisches Gepräge verleiht. Berücksichtigt man den Nutzeffekt der Niederschläge, so ergibt sich also ein ganz anderes Bild, als wenn man die Niederschlagsmenge isoliert betrachtet. Es zeigt sich dann zum Beispiel, daß im atlantischen Küstenraum mit relativ niedrigen Temperaturen, hoher Luftfeuchtigkeit und einer Form der Niederschläge, die sich in viel Nebel und Nieselregen äußert, schon relativ geringe Niederschlagsmengen ausreichen, um dem Futterbau die Oberhand zu verschaffen. Im Allgäu dagegen müssen sehr viel höhere Niederschläge fallen, wenn der Futterbau zur Vorherrschaft gelangen soll, zumal die Niederschläge hier traufartig niedergehen, und wir es mit einer geringeren Luftfeuchtigkeit und stärkeren Sonneneinstrahlung zu tun haben. Im mediterranen Raum schließlich bedeuten 1.000 mm Niederschläge noch nicht viel, wenn man das heiße Klima, die große Lufttrockenheit und die ungünstige Verteilung dieser Niederschläge berücksichtigt. Wie sind nun die Böden Europas beschaffen? Wenn die Gebirgsböden außer Betracht bleiben, so ergibt sich etwa folgendes Bild (Abb. 50): Großbritannien und der Ostseeküstenraum weisen viele Lehmböden auf. Südlich davon ist eine breite Zone mit Sandböden vertreten, die Jütland, die schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Geestlandschaften, die Provinz Brandenburg und große Teile Polens umfaßt. Südlich daran schließt sich das mitteleuropäische Lößband an, das sich zwischen die nördlichen Sandböden und die südlichen Mittelgebirgslagen
1. Die Agrargeographie Westeuropas 20'
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Bodenkarte von Europa (nach W. Laatsch)
Bodenarten 55
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Sandböden flochgründiger Lehm tiefgründiger Lehm LöOböden Tonböden Gebirgsböden
Abbildung 50 schiebt. Es beginnt im Pariser Becken, erstreckt sich über Flandern und die Köln-Aachener Bucht, wird dann auf dem westfälischen Hellweg schmaler, verbreitert sich wieder in der Hildesheim-Braunschweiger und der Magdeburger Börde, verschwindet dann zunächst, um in der Breslauer Platte wieder hervorzutreten, und erweitert sich schließlich in Osteuropa zu einer sehr breiten Zone der ukrainischen Lößland-
204
VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
schaft. Südlich dieser Lößzone herrscht ein starker Bodenartenwechsel vor. Die Mittelmeerländer weisen einen hohen Anteil an Tonböden auf. An wichtigen natürlichen Standortsfaktoren sind weiterhin das Relief, die Exposition, die Hanglage und andere zu nennen, die vor allem für die Höhenlandwirtschaft wichtig sind.
Abbildung 51
1. Die Agrargeographie Westeuropas
205
Ein Ergebnis der natürlichen Standortsfaktoren ist das Acker-Grünlandverhältnis. Die Abbildung 51 zeigt, in welchem Umfang Dauergrünland in Europa verbreitet ist. Der atlantische Küstenraum tritt als besonders grünlandstark hervor, wird allerdings vom Alpenraum noch übertroffen. Das Dauergrünland ist in den meisten Teilen Europas naturbedingt und absolut. Nur in Großbritannien und Frankreich muß ein Teil des Dauergrünlandes auf wirtschaftliche Ursachen zurückgeführt werden. Im großen und ganzen kann man sagen, daß für den modernen Landbau ein geringer Dauergrünlandanteil günstig ist. In den meisten Teilen Europas bedeutet ein größerer Dauergrünlandanteil eine betriebswirtschaftliche Belastung. Der Rauhfutterbau wird sehr viel wirkungsvoller auf dem Acker betrieben; denn dann kann der Futterbau als bodenschonende und düngergenügsame Fruchtart den Marktfruchtbau besser stützen. Die Gebiete mit wenig Dauergrünland, wie Dänemark oder Schweden, auch Teile Italiens, können sich die großen Vorteile des Feldrauhfutterbaues zunutze machen, als da sind: bessere Vorfruchtverhältnisse, reichliche Versorgung mit Wurzelhumus, die es erlaubt, die Stalldüngerwirtschaft in Grenzen zu halten, höhere Produktivität des Futterbaues und anderes mehr. Als nächstes sind die wirtschaftlichen Standortsfaktoren der europäischen Landwirtschaft zu charakterisieren. Wenn Europa nicht ein so stark bewegtes Relief besäße, so müßte man im europäischen Landbau Intensitäts-Ringe erkennen können. Sie würden sich konzentrisch um das große Industrieballungsgebiet lagern, welches etwa durch die vier Städte Manchester, Braunschweig, Karlsruhe und Paris begrenzt wird. Hier liegt der Schwerpunkt der industriellen Produktion und der große Bevölkerungsballungsraum, der als Hauptkonsument für die Landwirtschaft Europas auftritt. In der Nähe dieses Raumes müssen sich, was die wirtschaftlichen Standortsfaktoren anbelangt, sehr intensive Agrarbetriebe entwickeln. Je weiter sich aber die Landbauzonen von diesem Bevölkerungsballungsraum entfernen, um so stärker ist die Landwirtschaft mit Produktions- und Transportkosten belastet, um so extensivere Betriebsformen setzen sich durch. Auch die Dichte des Verkehrsnetzes kennzeichnet wirtschaftliche Voraussetzungen für die Agrarerzeugung in Europa. Wichtig ist ferner die Verbreitung der landwirtschaftlichen Betriebsgrößen. Es zeigt sich, daß die kleinsten Betriebe in Norwegen und in einer breiten Zone vertreten sind, die sich durch Südwestdeutschland bis an die Riviera erstreckt. Die Räume mit den größten Betrieben sind einmal Spanien und ein Teil Italiens, zweitens kleinere Gebiete in Mittelfrankreich und drittens Ostengland. Zwischen diesen beiden großen Zonen liegen die Räume mit mittel- bis großbäuerlicher Betriebsgrößenstruktur (vgl. Abb. 52).
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
Zur Produktionselastizität der Agrarlandschaften in der EWG
Zunehmende Produktionselastizität
Ackerland in % derLN
I.'.'J unter 5 ha I I 5-10 ha EZ3 10 -20 ha mä 20-50 ha BTO1 über 50 ha
i m bis 35 E3 35-50 E33 50-65 ^ 65-80 nimm über 60 Ackerland
in % derLN:
Für Westdeutschland für
übrige
Länder
Anbaustatistik Anbaustatistik
Vorherrschende Betriebsgrößen A b e l , Riernann Daten zur europäischen Agrarvertassung. 2 Aufl., Göttingen 1954 0°
Abbildung 52
vorherrschende Betriebsgrößen in % derLN
1952kreisweise, 1938
u. Welling als Manuskript
provinzweise gedruckt,
Tyrrhenisches Meer
1. Die Agrargeographie Westeuropas
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Die Verteilung der landwirtschaftlichen Betriebsgrößen in Europa läßt sich nicht allein auf die Erbsitten zurückführen. Immerhin kann festgestellt werden, daß die Gebiete mit vorwiegender Realteilung das nördliche Frankreich, die Riviera und Italien, auch der südwestdeutsche Raum sind, während Südfrankreich, Bayern, Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Dänemark, Skandinavien und Großbritannien überwiegend von der geschlossenen Vererbung Gebrauch machen. Ein Ergebnis der Erbsitten ist auch die durchschnittliche Teilstückgröße pro Betrieb. Im allgemeinen verfügen die Gebiete mit vorherrschender Realteilung nur über kleine Parzellen, während in den Gebieten mit geschlossener Vererbung die Einzelparzellen der Betriebe größer sind. Es ist erwiesen, wie wichtig im Zeitalter der Technik die Parzellengröße ist, und wie sehr die Gebiete mit Realteilung wegen kleiner Teilstücke in der Mechanisierung benachteiligt sind. Der Arbeitskräftebesatz der europäischen Landwirtschaft ist ein Ergebnis aller derjenigen Faktoren der Agrarstruktur, die soeben berührt wurden: in erster Linie der Betriebsgrößenstruktur, aber auch der Teilstückgröße. Als besonders arbeitsintensiv zeichnen sich die Bundesrepublik und Italien ab und ebenfalls die Benelux-Länder. In der Bundesrepublik und in den Benelux-Ländern dürfte die hohe Arbeitsintensität in erster Linie auf einen starken Viehbesatz und in zweiter Linie auf einen umfangreichen Hackfruchtbau zurückzuführen sein. In Italien dagegen ist es mehr der starke Anteil der Baum- und Strauchkulturen, der den hohen Arbeitskräftebesatz bedingt. Hinzu kommt eine ländliche Übervölkerung in Süditalien, die einmal in der noch nicht überwundenen Latifundienverfassung und zum anderen in einem Mangel an Industriepotential begründet liegt. Nun kann man aber den Arbeitskräftebesatz je 100 ha LF nicht in jedem Falle als Ausdruck der landwirtschaftlichen Betriebsformen ansehen. Stärker ist vielleicht die umgekehrte Wirkung, daß dort, wo durch eine kleinbäuerliche Betriebsgrößenstruktur ein hoher ländlicher Arbeitskräftebesatz vorhanden ist, intensive Betriebsformen zum Durchbruch gelangen. Wie überall in der Landwirtschaft sind auch hier die Beziehungen wechselseitig.
b) Methodik der Abgrenzung und statistische Erfassung von Agrarregionen Die Möglichkeit einer Abgrenzung und kartographischen Darstellung von Agrarregionen und dadurch erleichterter Raumforschung durch die Arbeit am Kartenmodell wurde durch die Einführung neuerer Methoden der regionalen Agrarstatistik gegen Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts geschaffen. In Deutschland war Th.H. Engelbrecht (43) der erste, der diese Möglichkeit erkannte, der regionale Verbrei-
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
tung und Anbauschwerpunkte zunächst nur einzelner Kulturpflanzen kartographisch darstellte und der als Hauptbegründer der Agrargeographie den Anstoß zu einer Betrachtungsweise gab, deren methodische und systematische Fundamentierung bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Die Kulturpflanzenatlanten Th.H. Engelbrechts waren allerdings noch eindimensional. Wollte man den Aussagewert von Karten über die Agrarverhältnisse eines Raumes erhöhen, so mußte man zur Erfassung und Darstellung von Komplexerscheinungen, von Systemen gelangen. Dazu bot die Abgrenzung der Bodennutzungssysteme nach dem Anbauverhältnis zunächst besonders gute Möglichkeiten, weil letzteres auch für die kleineren Verwaltungseinheiten offizial-statistisch erfaßt wird und mit einem tragbaren Aufwand für größere Räume systematisch aufbereitet werden kann. So führte die Fortentwicklung zur kartographischen Darstellung von Bodennutzungssystemen, um die sich in Deutschland besonders W. Busch (37), E. Woermann (157) und andere bemühten. In Europa wurden landwirtschaftliche Betriebssysteme also lange Zeit durch Bodennutzungssysteme charakterisiert. Diese wurden durch Benennung der Leit- und der ersten Begleitkultur gekennzeichnet. Zunächst erfolgte die Bestimmung der Leit- und Begleitkulturen nach dem ungewogenen Flächenanteil. Erst eine vielbeachtete Arbeit Th. Brinkmanns (34, S. 559 ff.) regte eine neue und bessere Abgrenzungsmethode an. Th. Brinkmann bestimmte die Leit- und Begleitkulturen nach dem Produkt aus Flächenanteil in % LN und einer fruchtspezifischen Wägezahl. Mit dieser Wägezahl sollte das betriebswirtschaftliche Gewicht der einzelnen Fruchtartengruppen in Rechnung gestellt werden. W. Busch (37) hat diese methodische Anregung aufgegriffen und ein für das damalige Mitteleuropa geeignetes Wägezahlsystem geschaffen. Bei der Abgrenzung von Bodennutzungssystemen ging er so vor (vgl. Übersicht 11): Übersicht 11: Ermittlung von Bodennutzungssystemen mit Hilfe von Wägezahlen (Beispiel)
Anbauflächen in ha Futterbau (F) 20 ha Dauergrünland Hackfruchtbau (H) 6 ha Kartoffeln 4 ha Zuckerrüben Getreidebau (G) 10 ha W.-Roggen 10 ha S.-Getreide Sa. 50 ha LN
% LN
x
Wägezahl
40
0,5
12 8
2,0 2,5
40
1,0
100 %
=
Anbaugewicht 20
40 H-G
1. Die Agrargeographie Westeuropas
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Die wichtigsten Kultur- und Fruchtarten wurden zunächst nach Maßgabe ihrer betriebswirtschaftlichen Verwandtschaft zu wenigen Hauptgruppen — Futterbau, Getreidebau und Hackfruchtbau — zusammengefaßt und die Anbaudaten dieser Hauptgruppen in % LN errechnet. Sodann wurden diese Anbaudaten mit den Wägezahlen multipliziert, die das wechselnde betriebswirtschaftliche Gewicht der einzelnen Anbaugruppen berücksichtigen (vgl. Übersicht 11). Das Produkt aus Anbauumfang mal Wägezahl ergab das Anbaugewicht. Futterbau, Getreidebau und Hackfruchtbau wurden nun nach Maßgabe ihrer Anbaugewichte eingestuft und das Bodennutzungssystem durch Benennung der Leitund der ersten Begleitkultur gekennzeichnet (z.B. H - G = HackfruchtGetreidebauwirtschaft). Auf diese Weise wurden Wirtschaftsformen und Wirtschaftsräume mit verwandter betriebswirtschaftlicher Struktur zu Gruppen zusammengefaßt. Diese Abgrenzungsmethode der Bodennutzungssysteme ist lange beherrschend geblieben. Verschiedene Autoren (M. Rolfes, E. Woermann, G. Blohm u.a.) haben im Prinzip die Methode von W. Busch übernommen, bei der Festsetzung der Wägezahlen jedoch zum Teil verfeinerte Abgrenzungen getroffen. Durch die stärker differenzierte Abstufung der Wägezahlen gelang zwar eine exaktere Abgrenzung der Bodennutzungssysteme. Die Verfeinerung der Methode hatte aber den Nachteil, daß der Arbeitsaufwand für die Bestimmung der Systeme in einem Maße stieg, daß großräumige und zugleich feingegliederte regionalwissenschaftliche Arbeiten mehr und mehr erschwert wurden. Noch aufweniger wurde die statistische Erfassung von Bodennutzungssystemen bei Anwendung einer Methode von E. Hoffmann (62, S. 263 ff.), der die Anbaudaten der Kulturpflanzengruppen nicht mit Aufwands-, sondern mit Ertragswägezahlen multiplizierte. Letzere wurden aus einer mehrjährigen Ertragsstatistik gewonnen und über die Getreideeinheit vergleichbar gemacht. In der Tat haben die genormten Aufwandswägezahlen im Zeitalter der Technik an Wert verloren, weil jeder Betriebszweig heute je nach Technisierungsstufe mit sehr unterschiedlich hohem und zusammengesetztem Aufwand belastet sein kann. Andererseits erfordert die Anwendung der Ertragswägezahlen aber einen so hohen Aufwand, daß sie für großräumige Untersuchungen kaum in Frage kommt. Es muß ja hierfür außer der Bodennutzungsstatistik auch die Erntestatistik für genügend kleine Verwaltungseinheiten bzw. Regionen aufbereitet werden. Für die hier beabsichtigte Regionalanalyse des Agrarraumes der europäischen Neunergemeinschaft reichen alle bisher genannten Methoden nicht aus. Die funktionellen Beziehungen zwischen Bodennutzung und Nutzviehhaltung haben sich in der modernen Landwirtschaft in einem Maße gelockert, daß man aus dem Bodennutzungssystem nur noch sehr unvollkommen auf das Viehhaltungssystem schließen kann. Das Boden-
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
nutzungssystem hat also als Kriterium des Betriebssystems — auf welches alle Aussagen abzielen müssen - in einem Maße eingebüßt, daß es in den meisten Fällen nicht mehr als pars pro toto eine Indikatorrolle zu spielen vermag. Die Notwendigkeit einer Anwendung von Wägezahlen ist zwar unbestritten, doch entbehrten alle bisherigen Wägezahlen mehr oder weniger des allgemein nachprüfbaren Einheitsmaßstabes. Im folgenden werden die Wägezahlen am gesamten Handarbeitsaufwand der Bodennutzungs- und Nutzviehzweige orientiert als dem gravierendsten Aufwandsfaktor in der Landwirtschaft der Industriestaaten. Erstmalig (5) werden außer Bodennutzungs- auch Viehhaltungssysteme abgegrenzt. Dabei sind die Methoden zur Abgrenzung von Bodennutzungs* und Viehhaltungssystemen so gewählt worden, daß sie in vollem Einklang stehen, so daß es nunmehr auch gelingt, Betriebssysteme zu definieren. Man hat es dann mit den folgenden acht wichtigsten Betriebszweigen zu tun: Betriebszweig Futterbau Getreidebau Hackfruchtbau Sonderkulturen Milchkühe Jungrinder Kleinwiederkäuer Schweine
Symbol F G H B M J K S
Wägezahl 1 1 5 20 3 1 0,2 0,3
Im übrigen geht die hier angewandte Methode ohne weiteres aus der Beispielskalkulation in der Übersicht 12 hervor, in welcher nacheinander das Bodennutzungssystem, das Viehhaltungssystem und als Summationserscheinung schließlich das Betriebssystem festgestellt werden. Zunächst wurden die Anbaugewichte der vier Bodennutzungszweige ermittelt, mit dem Ergebnis, daß es sich um ein reines Hackfruchtbausystem handelt. Sodann ist in gleicher Weise das Nutzviehgewicht für die vier Nutzviehzweige errechnet worden mit dem Ergebnis, daß es sich hierbei um ein Schweine-Schafhaltungssystem handelt. Schließlich ergibt sich das Betriebssystem aus der Berücksichtigung der acht Betriebszweige insgesamt. Der Hackfruchtbau erreicht in diesem Betriebe das höchste Gewicht und muß infolgedessen als Leitbetriebszweig benannt werden. Das zweithöchste Gewicht erlangt die Schweinehaltung, die infolgedessen zum Begleitzweig wird. Das dritthöchste Gewicht hat die Schafhaltung, die als Zusatzbetriebszweig ebenfalls noch zu nennen ist. Das Betriebssystem ist also als Hackfruchtbau-Schweine-Schafhaltungsbetrieb zu kennzeichnen (H—S—K).
1. Die Agrargeographie Westeuropas
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Übersicht 12: Die Methode zur Ermittlung des Betriebssystems (Beispielbetrieb)
Bodennutzungszweig Symbol
Futterbau Getreidebau Hackfruchtbau Sonderkulturen
F G H B1
Anbau- Wägefläche in zahl % LN 5,7 53,0 40,0 1,3
1 1 5 20
Bodennutzungssystem
Reines Hackfruchtbausystem
Nutzviehzweig
Symbol
Stück je 100 ha LN
Milchkühe Jungrinder Schafe u. Ziegen Schweine
M J K2 S
9,1 4,0 296,0 287,0
Wägezahl 3 1 0,2 0,3
Sa. Nutzviehgewicht
Betriebsgewicht Betriebssystem
Systembenennung 3
5,7 53,0 200,0 26,0 284,7
Sa. Anbaugewicht
Viehhaltungssystem
Anbaugewicht
H Nutzvieh- Systemgewicht benennung 3 27,3 4,0 59,2 86,1 176,6 S-K
Schweine-Schafhaltungssystem 461,3 Hackfr.-Schweine-Schafhaltungsbetrieb
H-S-K 3
B = Baum- und Strauchkulturen; K = Kleinwiederkäuer; Der erste Buchstabe bezeichnet den Leit-, der zweite den Begleit- und der dritte den Zusatzbetriebszweig. Die Nennung von Begleit- und Zusatzbetriebszweigen unterbleibt, sobald der Leitbetriebszweig mindestens zwei Drittel des Anbaubzw. Nutzvieh- bzw. Betriebsgewichtes erreicht.
Die Koordinierung der einzelnen Methoden ist deshalb vollkommen, weil sowohl bei den Bodennutzungs- als auch bei den Nutzviehzweigen je 4 5 - 5 0 AKh auf 100 ha LN die Wägezahl 1 gewählt worden ist. Auch bei den Betriebssystemen soll die Nennung der Begleit- und Zusatzbetriebszweige dann unterbleiben, wenn der Leitbetriebszweig mindestens zwei Drittel des Betriebsgewichtes erreicht.
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
c) Fruchtfolgeregionen Der Überblick über die Betriebsformen im Agrarraum der europäischen Neunergemeinschaft soll sich zunächst auf den Ackerbau beschränken, um dann später Schritt für Schritt zu komplexeren Erscheinungen fortzuschreiten. Der Rahmen des Ackerbaues wird durch die Fruchtfolge gezogen (vgl. Abbildung 53). Die beiden wichtigsten europäischen Fruchtfolgekategorien sind die Feldgraswirtschaften und die Felderwirtschaften. Der Grenzwert zwischen beiden soll bei 25 % Afl. Feldfutterbau liegen. Fruchtfolgesysteme, die 25 % Afl. Feldfutterbau und mehr beinhalten, machen von mindestens zweijähriger Nutzungsdauer des Feldgrases Gebrauch und haben denjenigen bodenschonenden, düngergenügsamen und arbeitssparenden Charakter, der das Wesen der Feldgraswirtschaften ausmacht und diese von den Felderwirtschaften unterscheidet. Die Regionen der Feldgraswirtschaft stufen sich nach zunehmender Nutzungsdauer des mehrjährigen Feldfutterbaues ab. Die Regionen der Felderwirtschaft, also der Fruchtfolgen mit nur einjährigen Kulturen, sind nach dem Blatt-Halmfruchtverhältnis geordnet. Die Abstufungen besagen abnehmenden Getreidebau, steigenden Blattfruchtbau und damit zunehmende Verwirklichung des Fruchtwechselprinzips. Regionen der Feldgraswirtschaft heben sich auf der Abbildung 53 dort ab, wo entweder die Vegetationszeit kurz ist (Nordeuropa), oder die Niederschläge hoch sind (Gebirgslagen, besonders der Alpenraum und die Gebirge im Westen Großbritanniens), oder die Niederschläge zwar nicht sehr hoch, aber gleichmäßig verteilt und mit einer hohen Luftfeuchtigkeit verbunden sind (Großbritannien und der atlantische Küstenraum Frankreichs), oder die Niederschläge zwar nicht sehr hoch sind, aber durch künstliche Bewässerung unterstützt werden (Poebene). In Nordeuropa zeigt sich sehr deutlich, daß die Nutzungsdauer des Feldgrases um so länger wird, die Regionen der Feldgraswirtschaft also um so extensiveren Charakter annehmen, je mehr sich die Vegetationszeit mit Annäherung an den Polarkreis verkürzt. In Jütland und Schonen ist eine nur zweijährige Nutzungsdauer des Feldgrases typisch, in Mittelschweden schon eine dreijährige. Beim Fortschreiten in die nördlichen Breitengrade wird sie auf vier, fünf, sechs oder mehr Jahre verlängert. In Großbritannien ist nicht nur eine Süd-Nord-, sondern auch eine OstWest-Differenzierung der Feldgraswirtschaften erkennbar. Die Süd-NordDifferenzierung wird wieder durch die Verkürzung der Vegetationszeit in Richtung Schottland hervorgerufen; die Ost-West-Differenzierung da-
1. Die Agrargeographie Westeuropas
213
gegen durch das allmähliche Ansteigen des Geländeniveaus von der Ostküste nach Westen zu bis in die Gebirgsbereiche von Cornwall, Wales und Cumberland. Nicht ohne weiteres zu erwarten ist das starke Hervortreten der Feldgraswirtschaft in Frankreich. Die Ursache dürfte hier neben dem feuch-
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
ten atlantischen Klima und den Höhenlagen des französischen Zentralplateaus auch der relativ extensive Zuschnitt sein, der fast allen französischen Landbauzonen ihr Gepräge gibt. Im Alpenraum müssen besonders extreme Formen der Feldgraswirtschaft auftreten, weil hier hohe Niederschläge und kurze Vegetationszeit zusammentreffen. Da die Standortsfaktoren vielfältig sind (Höhenlage, Hanglage, Exposition etc.) und kleinräumig stark wechseln, ist ein kleingekammertes, buntes Bild unterschiedlichster Agrarregionen typisch. Die Poebene ist ein Repräsentant der auf künstlicher Bewässerung beruhenden Feldgras Wirtschaft. Ein warmes Klima verbunden mit reichlichen, aus den Alpen zufließenden Wasservorräten hat hier außerordentlich produktive Feldgraswirtschaften entstehen lassen, die bei großer Schnitthäufigkeit einen hohen Viehbesatz ermöglichen, der überwiegend ganzjährig im Stall gehalten wird. Diese Agrarregionen sind die wichtigsten Milchproduktionsgebiete Italiens. Im Zeichen der Felderwirtschaft stehen zwei große Regionen: Nördlich der Alpen tritt nach der Abbildung 53 deutlich der Einfluß eines wechselnden Acker-Grünlandverhältnisses hervor. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die Räume mit hohem Dauergrünlandanteil durch blattfruchtärmere Fruchtfolgen ihr Gepräge erhalten. So hebt sich der große Grünlandgürtel des Nordseeküstenraumes ebenso wie der der Voralpenlagen durch eine starke Betonung des Getreidebaues ab. Noch stärker wirkt die Betriebsgrößenstruktur. Die westdeutschen Bundesländer mit relativ großen Betrieben wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Westfalen und Bayern stehen im Zeichen der Vier- und Dreifelderwirtschaft, während in den kleinbäuerlich besiedelten Bundesländern wie in Hessen und Baden-Württemberg teilweise noch die Fruchtwechselwirtschaft oder ihr nahestehende Formen gehandhabt werden. Die südeuropäische Region der Felderwirtschaften zeigt nach der Abbildung 53 im ganzen einen noch höheren Anteil an Blattfrüchten. Zumeist wird wenigstens die Stufe der Fruchtwechsel-, oft sogar die der Überfruchtwechselwirtschaft erreicht. Die Gründe sind unter anderem folgende: — Der Zusammenhang zwischen Grünlandanteil und Fruchtfolge, der in Mitteleuropa offensichtlich ist, kommt in Südeuropa weniger zum Tragen, weil das milde Klima einen langen, zum Teil ganzjährigen Weidegang erlaubt, so daß ein hoher Grünlandanteil und Viehbesatz nicht notwendigerweise aus Gründen der Futter- und Streustrohversorgung einen hohen Getreideanteil nach sich ziehen. - Weiter ist zu berücksichtigen, daß heißes, trockenes Klima den Stalldünger nur zu geringer Wirkung kommen läßt. Aus düngerwirtschaftlichen Aspekten betonter Getreidebau ist nur für gemäßigte Klimalagen typisch.
1. Die Agrargeographie Westeuropas
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— Hinzu kommt, daß in Südeuropa bei nur geringem innerbetrieblichen Bedarf an Getreideflächen gleichzeitig der Blattfruchtbau einen hohen Umfang haben kann. Es liegt dies daran, daß den warmen Klimaräumen im Körnermais eine Blattfrucht zur Verfügung steht, die sich in allen Arbeitsgängen mit hohem Nutzeffekt technisieren läßt, und die deshalb längst nicht einen so arbeitsintensiven Charakter trägt wie die wichtigsten Repräsentanten des mitteleuropäischen Blattfruchtbaues: Zuckerrübe und Kartoffel. Länder und Regionen mit körnermaiswürdigem Klima fallen deshalb bei steigendem Lohnniveau und zunehmendem Mechanisierungszwang nicht so stark auf getreidereichere Fruchtfolgen zurück, wie das für Mitteleuropa zutrifft. Das Klagenfurter Becken und das Krappfeld Kärntens sind hierfür hervorragende Beispiele. Faßt man die Fruchtfolgeregionen Europas als Ganzes ins Auge, so heben sich in stark vereinfachter Darstellung drei große Fruchtfolgeregionen voneinander ab: — Die Region mit stark betontem Feldfutterbau. Ihr gibt die Feldgraswirtschaft das Gepräge, und sie umfaßt neben Skandinavien den gesamten atlantischen Küstenraum und die Gebirgslagen. — Die Region mit stark betontem Getreidebau. Ihr geben die Vier- und Dreifelderwirtschaft das Gepräge, und sie umfaßt den ganzen geschlossenen Block Mittel- und Osteuropas. — Die Region mit stark betontem Blatt fruchtbau. Sie liegt im Mittelmeerraum. Es sind die Länder mit Körnermaisklima, wie Spanien, Süditalien und Jugoslawien.
d) Bodennutzungsregionen Die Abbildung 53 über die Fruchtfolgeregionen kann nur Einblicke in die Organisation des Ackerbaues gewähren. Will man sich einen Überblick über die Organisation der landwirtschaftlich genutzten Fläche insgesamt verschaffen, so muß man auch das Dauergrünland und die Baum- und Strauchkulturen einbeziehen. Man muß Bodennutzungssysteme abgrenzen, wie es auf der Abbildung 54 geschehen ist. Methodisch wurde hierbei entsprechend Kapitel VIII 1 b so vorgegangen, daß zunächst alle Bodennutzungszweige einer der vier Hauptgruppen (Futterbau, Getreidebau, Hackfruchtbau, Sonderkulturen) zugeordnet wurden. Für jede dieser Hauptgruppen wurde sodann nach mittleren Verwaltungseinheiten der Anteil in % LN festgestellt und dieser mit einer am Arbeitsaufwand je Hektar bei gemeinüblichen Arbeitsverfahren orientierten Wägezahl multipliziert. Das Produkt aus Anbauanteil und Wägezahl ergibt das Anbaugewicht. Die Kulturpflanzengruppe
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VIII. Die Agrargeographie der gemäßigten Breiten
mit dem höchsten Anbaugewicht ist die Leitkultur, diejenige mit dem zweithöchsten die Begleitkultur. Leit- und Begleitkultur geben dem Bodennutzungssystem seinen Namen. Sofern eine der vier Kulturpflanzengruppen mindestens zwei Drittel des Gesamtanbaugewichtes erreicht, wird das Bodennutzungssystem allein durch die Leitkultur gekennzeich-
Bodennutzungssysteme Gemeinschaft
s [ T
Futterbau
b = = ! Futter= -
Getreidebau
Futterbau -
oder u m g e k e h r t
Sonderkulturen
lo. u }
ou
p V o
Hackfrucht* — ßetreidebau
DJ.
[i'X^
Sonderkultur= — Hackfruchtbau
d.i.
Sonderkulturen Die zuerst genannte Leitkultur erfordert den höchsten, die an zweiter Stelle genannte Begleitkultur den zweithöchsten Anteil dm Arbeitsbedarf der gesamten landwirtschaftlichen Bodennutzung Hach 8odtnn uliuneinnr bunsrr au i arm Zntraum