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German Pages 222 [225] Year 2011
Planet Erde Die Reihe „Planet Erde“ bietet eine exemplarische geoökologische Regionalkunde, die besonderen Wert auf die Konsequenzen des „Global Change“ legt. Hierbei werden v. a. die „Krankheitsbilder der Erde“ und deren Folgen im regionalen Kontext betrachtet und anhand von aktuellen Fallbeispielen verdeutlicht. Die Herausgeber stellen mit dieser Gesamtschau geoökologischer Problembereiche grundlegende Daten für Studium und Schule bereit. Die einzelnen Beiträge stammen von renommierten in- und ausländischen Geographen, jeder ein Spezialist auf seinem Gebiet, und werden durch Bilder, Karten und Graphiken veranschaulicht.
Herausgeber: Rüdiger Glaser, Universität Freiburg Klaus Kremb, Gymnasium Winnweiler/ TU Kaiserslautern Axel W. Drescher, Universität Freiburg
Rüdiger Glaser, Klaus Kremb, Axel W. Drescher (Hrsg.)
Afrika 2. Auflage
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim
Für Manuela und Anton Abbildung: Symbolische Darstellung der Durchbrechung des mittelalterlichen Weltbildes, 1888. Aus: Camille Flammarion: L’atmosphère, et la météorologie populaire, Paris 1888. i akg-images.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., unveränderte Auflage 2011 i 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2010 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Katrin Kurten Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Umschlaggestaltung: schreiberVIS, Seeheim Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-24679-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72446-8 eBook (epub): 978-3-534-72447-5
Inhalt Afrika: Aspekte des globalen Wandels Axel W. Drescher, Rüdiger Glaser, Klaus Kremb Syndrome des globalen Wandels . . . . . . Syndromkontinent Afrika . . . . . . . . . . Hungerkontinent Afrika . . . . . . . . . . . Pandemiekontinent Afrika . . . . . . . . . . Urbanisierungskontinent Afrika . . . . . . . Zukunftskontinent Afrika . . . . . . . . . .
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Der Klimawandel in Afrika: Physisch-geographische Befunde und Klimamodellsimulationen Heiko Paeth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Monsun als Lebensspender . . . . . . . . . . . . . . . . . Klimatische Besonderheiten in Afrika . . . . . . . . . . . . . . Die Saheldürre im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . Menschliche Aktivitäten und Klimawandel . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Klimamodellierung . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Folgen des zukünftigen Klimawandels . . . . . . . . Perspektiven im Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika: Eine kontinentale Entwicklungshypothek Steffen Niemann, Olivier Graefe . . . . . Städtische Räume . . . . . . . . . . . . Wasserversorgungspolitik . . . . . . . . Wassertransfer . . . . . . . . . . . . . . Ländliche Räume . . . . . . . . . . . . Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . .
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Desertifikation: Risikoraum Afrika Roland Baumhauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbreitung, Indikatoren, Ursachen und kausale Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschleunigung der Desertifikation durch Klimawandel? . . .
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Afrika: Ein Feuerkontinent Daniel Kraus, Alex Held . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökologische Grundlagen der Feuer in Afrika . . . . . . . . . .
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Inhalt
Feuer und Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Berberzelt in die Moderne: Dynamische Siedlungsentwicklung und geoökologische Disparitäten in Libyen Klaus Braun, Jacqueline Passon . . . . . . . . . . . . . . . . . Bevölkerungswachstum und Strukturpolitik . . . . . . . . . Auswirkungen von Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung auf den Küstenstreifen Tripolitaniens . . . . . . . . . . . . . Libyens Weg zwischen sozioökonomischer Entwicklung und ökologischem Anspruch . . . . . . . . . . Migration von Westafrika nach Europa: Nur ein Ausdruck von Umweltflucht? Thomas Krings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Migrantenströme und Migrationsrouten . . . . . . . . Migration als Folge von Umweltveränderungen und Deagrarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Gründe für die Emigration aus dem westlichen Sahelraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Kapverden: Inseln im Spannungsfeld zwischen geoökologischer Vielfalt und anthropogenem Nutzungsdruck Alexander Siegmund, Simone Naumann . . . . . . . . . . . Geoökologische Vielfalt auf engstem Raum . . . . . . . . Wirtschaftliche Inwertsetzung . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach der Tragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . Malariaübertragung in Westafrika: Die Rolle natürlicher und anthropogener Determinanten Daniel Karthe, Martin Kappas . . . . . . . . . . . . . . . Malariaübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche und anthropogene Einflussfaktoren . . . . . Die sahelo-sudanische Zone Westafrikas als Malaria-Endemiegebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . Malaria-Übertragungsdynamik in der Provinz Kossi . . Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der zentralafrikanische Regenwald: Ein sensitives Ökosystem im Spannungsfeld von forstwirtschaftlicher Nutzung und (sub-)rezenter Klimadynamik Jürgen Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klimatische Ansprüche und rezente Dynamik des Regenwaldes . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Der Regenwald als hoch sensitives Ökosystem . . . . . . . . . Anthropogener Einfluss auf den Regenwald in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) . . . . . . . . . . . . . . Pleistozäne (natürliche) Umweltveränderungen versus Global-Change-Perspektiven in Zentralafrika . . . . . . . . .
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Komplexe Problemlage: Naturgefahren und bewaffnete Konflikte im Ostkongo Martin Doevenspeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kivuregion im ostafrikanischen Riftsystem . . . . . . . . Krieg und Geopolitik im Ostkongo . . . . . . . . . . . . . . Rezenter Vulkanismus am Nordufer des Kivusees . . . . . . Schwierige Katastrophenvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . Gas im Kivusee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiequelle Methan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Ansatzpunkte für Risikomanagement und Kooperation
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Räumliche Muster und Auswirkungen der Urbanisierung: Das Beispiel Dar es Salaam, Tansania Axel W. Drescher, Stefan Dongus . . . . . . . . . . . . . Folgen der Urbanisierung . . . . . . . . . . . . . . . . Disparitäten städtischer Armut . . . . . . . . . . . . . Dimensionen der städtischen Ernährungssicherung . . Städtische Landwirtschaft in Dar es Salaam . . . . . . . Zukunftspotenzial Ressourcennischen? . . . . . . . . .
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Leben mit dem Hochwasser: Risikoanalyse von Überflutungsgefahren in Antananarivo, Madagaskar Rüdiger Glaser, Axel W. Drescher, Helga Dickow, Serge Lala Rakotoson, Johannes Schönbein . . . . . . . . Siedlungsraum Antananarivo . . . . . . . . . . . . . . Landnutzungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klimatrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infrastrukturelle Problemlagen . . . . . . . . . . . . . Vulnerabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingenieurtechnische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Küstenwüste Namib: Eine der ältesten Wüsten im paläoklimatischen Wandel Bernhard Eitel, Bertil Mächtle . . . . . . . . . . . . . Das Alter der Namib . . . . . . . . . . . . . . . . . Monsunale Niederschläge und die Verlagerungen des Wüstenrandes . . . . . . . . Der Einfluss des Menschen auf die Namib . . . . .
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Inhalt
Mobilität als Nachhaltigkeit: Zur Sozialökologie halbnomadischer Kulturweise der Himba am Wüstenrand von Nordwest-Namibia Eberhard Rothfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kulturelle und natürliche Landschaft der Himba . . . . Halbnomadisches Mobilitätsmuster . . . . . . . . . . . . Pragmatische und moralische Strategien der Nachhaltigkeit Landdegradation durch staatliche Interventionen und Sesshaftwerdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park in Namibia: Ausverkauf eines afrikanischen Nationalparks? Rainer Glawion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geoökologische Ausstattung und Naturräume im Namib-Naukluft-Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische und heutige Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kann der Staat die Landnutzungs- und Ressourcenkonflikte im Nationalpark lösen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sach- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Autor(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika: Auswirkungen von Produktionsmaßstab und Produktionssystemen am Beispiel KwaZulu-Natal Raymond Auerbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahrungsmittel-, Energie- und Wasserkrise . . . . . . . . . Effiziente Wassernutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele . . . . . . . . . . Veränderungen im Entwicklungsdenken . . . . . . . . . .
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels AXEL W. DRESCHER RÜDIGER GLASER KLAUS KREMB
Abb. 1.1: Negative Auswirkungen des Klimawandels auf den afrikanischen Kontinent (Grafik: WELTHUNGERHILFE)
Ruft man das Stichwort „Afrika“ in der Google-Suchmaschine auf, so erhält man fast 9.050.000 Ergebnisse, für den Begriff „Africa“ sogar 42.900.000 (Stand Ende 2008). Unter den gesponserten Werbelinks kommt gleich der Spendenaufruf „Überlebenskampf in Afrika – Helfen Sie mit Ihrer Spende!“ der Deutschen Welthungerhilfe. In der Tat ist der Hunger, neben HIV/AIDS, Kriegen, Korruption und Naturkatastrophen, wohl der am meisten assoziierte Begriff im Zusammenhang mit dem Kontinent (BPB 2004). Andere gängige Assoziationen sind „Afrika, der heiße Kontinent“, „Afrika, der überbevölkerte Kontinent“, „Afrika, der rückständige Kontinent“ oder auch „Afrika, der kranke Kontinent“. Scheint Afrika also ein gleich mehrfach verlorener Kontinent zu sein?
Syndrome des globalen Wandels Schlüssige Antworten sind v.a. aus geoökologischer Sicht zu erhoffen, zumal der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) durch die Entwicklung eines integrativen Forschungsansatzes, des Syndromansatzes, die methodische Grundlage zum besseren Verständnis der globalen „Krankheitsbilder“ geschaffen hat. Der Ansatz soll eine Operationalisierung des für den Globalen Wandel erforderlichen vernetzten Denkens ermöglichen. Dieser Ansatz geht über die „klassische“ naturwissenschaftliche Umweltforschung hinaus und bezieht so die ökologi-
Syndromansatz
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
schen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekte des Globalen Wandels mit ein; dies soll eine stärker problemorientierte Forschung ermöglichen (WBGU 1996). Grundsätzlich lassen sich drei große Gruppen von Syndromen unterscheiden: * Syndrome als Folge einer unangepassten Nutzung von Naturressourcen als Produktionsfaktoren: Syndromgruppe „Nutzung“, * Mensch-Umwelt-Probleme, die sich aus nicht nachhaltigen Entwicklungsprozessen ergeben: Syndromgruppe „Entwicklung“, * Umweltdegradation durch unangepasste zivilisatorische Entsorgung: Syndromgruppe „Senken“. Unangepasste Nutzung von natürlichen Ressourcen SahelSyndrom Landwirtschaftliche Übernutzung marginaler Standorte
RaubbauSyndrom Zerstörung natürlicher Ökosysteme
Dust-BowlSyndrom Umweltdegradation durch industrielle Landwirtschaft
KatangaSyndrom Umweltdegradation durch Abbau nicht erneuerbarer Ressourcen
LandfluchtSyndrom Umweltdegradation durch Preisgabe traditioneller Landnutzungsformen
Kleine-TigerSyndrom Vernachlässigung ökologischer Standards in rasch wachsenden Wirtschaftsräumen der Dritten Welt
FavelaSyndrom Umweltdegradation und Verelendung in Städten durch ungeregelte Urbanisierung
HavarieSyndrom Singuläre menschengemachte Umweltkatastrophen mit Langzeitwirkung
Nicht nachhaltige Entwicklungsprozesse Grüne-RevolutionSyndrom Umweltprobleme durch Verbreitung standortfremder landwirtschaftlicher Produktionsverfahren
AralseeSyndrom Umweltprobleme durch großflächige Umgestaltung von Naturräumen
Unangepasste Entsorgung von Stoffen in Umweltmedien Hoher-SchornsteinSyndrom Umweltdegradation durch weiträumige Verteilung oft langlebiger Wirkstoffe
MüllkippenSyndrom Umweltdegradation durch Deponierung von Abfällen
AltlastenSyndrom Umweltdegradation im Einzugsbereich von Altindustriestandorten
Abb. 1.2: Ausgewählte Syndrome des globalen Wandels (GLASER/GEBHARDT 2006)
Syndromkontinent Afrika Syndrommuster
Für die afrikanische Situation sind es vor allem vier Syndrome aus der Syndromgruppe „Nutzung“, die für die Erklärung von Krisen herangezogen werden können: * das Sahel-Syndrom, * das Raubbau-Syndrom, * das Katanga-Syndrom und * das Landflucht-Syndrom.
Syndromkontinent Afrika
Aus den beiden weiteren Syndromgruppen entstehen besonders durch * das Favela-Syndrom und * das Müllkippen-Syndrom relevante Problemkonstellationen. Afrika kann deshalb als Syndromkontinent schlechthin gelten. Wie sehr damit existenzielle Risiken für die Bevölkerung verbunden sind, offenbart z.B. die Bodenerosion in Madagaskar.
Syndromraum Madagaskar Dass Bodenerosion in Madagaskar ein enormes Problem darstellt, lässt sich schon vom Weltraum aus sehen. Wie Astronauten berichten, sieht der afrikanische Inselstaat aus, als verblute er zu Tode – kraterartige rote Flächen erstrecken sich über ganze Landstriche. Vom Flugzeug aus ist es noch deutlicher zu erkennen: Von der Erde blutrot gefärbte Flüsse ziehen sich wie Adern durch das Landesinnere und spülen den fruchtbaren Boden ins Meer. Im Nordwesten der Insel frisst sich zusehends eine beeindruckende Cañon-Landschaft aus rotem Sandstein in die Hänge. Jahr für Jahr geht dabei Land verloren. Besonders dort, wo Bäume gefällt wurden und somit den Boden nicht mehr stabilisieren, ist die Erosionsgefahr groß. Ursprünglich war Madagaskar fast vollständig bewaldet. Inzwischen sind fast 90 % des Landes Steppe und nackte Erde, die Wälder weitgehend gerodet – vor allem, um Ackerland zu gewinnen und Holzkohle herzustellen. Die Folge ist, dass Regen den fruchtbaren Boden auswäscht, der Wasserhaushalt kippt, Bewässerungssysteme und Anbaugebiete versanden, die Bauern immer weniger Reis ernten. Zudem werden besonders in der Regenzeit Straßen unpassierbar. Die infrastrukturellen Auswirkungen sind immens. Bodenerosion stellt somit eine zusätzliche existenzielle Gefahr für die ohnehin arme madagassische Bevölkerung dar. (E+Z 1/2009)
Hinzu kommt in Afrika verbreitet das Favela-Syndrom, welches im Zuge der rapiden Urbanisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt und in extremer Form zur Verelendung afrikanischer Städte führt. Von Bedeutung ist auch das Verbrannte-Erde-Syndrom, das die Umweltzerstörung durch militärische Nutzung beschreibt. Man denke nur an die Bürgerkriege in Sudan, Mosambik, Somalia, Kongo, Tschad, Angola etc., wo zahlreiche Landstriche nicht mehr nutzbar sind, weil sie vermint wurden (vgl. KÜRSCHNER-PELKMANN/KOSA 2005). Ähnlich betrifft das Katanga-Syndrom, welches Landschaftszerstörungen durch den Abbau natürlicher, nicht regenerierbarer Ressourcen erfasst, nicht nur eine spezifische Lokalität, sondern findet sich über den ganzen Kontinent verstreut. Beispiele sind die namensgebende Provinz Katanga (Shaba) in der DR Kongo mit ihren reichen Diamant-, Kobalt- und Kupfervorkommen sowie die sich im Nachbarland Sambia befindenden Kupferabbaugebiete, aber auch Edelsteinvorkommen in Angola, Sierra Leone und Madagaskar. Sehen Geoökologen hierbei stärker die durch Rohstoffgewinnung verursachte Landschaftsdegradation, so Historiker wie der Wiener Afrikanist Walter Schicho besonders die gesellschaftlichen Auswirkungen des Berg-
Kausalmuster
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Kritik des Syndromansatzes
baus bis hin zu seinen machtpolitischen Dimensionen, wie sie im Begriff „Blutdiamanten“ zum Ausdruck kommen (SCHICHO 1998). Damit sind wir zugleich im Überschneidungsfeld von Geoökologie und Politischer Ökologie angelangt. Unter solchen gedanklichen Ansätzen wird vielfach auch das RaubbauSyndrom betrachtet. Es kommt besonders im tropischen Regenwald des Kongobeckens zum Ausdruck. Hier verfügt die DR Kongo mit rund 60 Mio. ha Waldfläche über das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Erde. Bis zum Jahr 2050 werden jedoch 40 % des Waldbestandes verloren gehen, wenn die Abholzung unverändert weitergeht. Die DR Kongo würde dadurch zu einem der größten CO2-Emittenden weltweit. Denn ein Hektar Biomasse des tropischen Regenwaldes kann bis zu 180 t CO2 speichern, von denen bei der Abholzung bis zu 50 % freigesetzt werden (REDAKTION WELTALMANACH 2009, S. 284). Wie stark sich dabei Geoökologie und Politische Ökologie überschneiden, zeigt sich darin, dass regulierende politische Maßnahmen – etwa ein Moratorium für Forst-Neukonzessionen – unterbleiben. Einen weiteren Aspekt im Überschneidungsbereich von Geoökologie und Politischer Ökologie thematisiert der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen in seinem Gutachten 2008 „Sicherheitsrisiko Klimawandel“. Hierbei wird der Situation in Afrika besonders viel Raum zugestanden. Denn: Aufgrund schwacher Staatsführung und geringer wirtschaftlicher Kapazität besteht hier besonders wenig Pufferkapazität für Adaptionen an neue klimatische Gegebenheiten. Trotz seines differenzierten Ansatzes bleibt der Syndromansatz nicht ohne Kritik. Ein Haupteinwand ist die starke Forschungsorientierung, die insbesondere auf Umweltprobleme fixiert ist und wenig auf Entwicklungsproblematiken sowie -fragen eingeht und dabei den Fehler begeht, die Industriestaaten und z.B. globale Wirtschaftsinteressen (Stichwort: Welthandelsorganisation, Subventionen) aus der Diskussion um Entwicklung herauszuhalten. Außerdem stößt der systemare Ansatz an Grenzen, wenn es darum geht, die Handlungen von Menschen zu erklären oder gar zu prognostizieren (GLASER/GEBHARDT 2006). Darüber hinaus fehlt ein klares Konzept zur praktischen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Die Umsetzung wird vor allem dort zum Thema, wo es sich um vorwiegend gesellschaftlich bedingte Syndromkomplexe handelt. Die am Beispiel des FavelaSyndroms beschriebenen Handlungsstrategien erscheinen relativ vage und unpraktikabel. So wirft das dem globalen Süßwasserproblem gewidmete WBGU-Gutachten 1997 die Frage auf: „Wie kann das Favela-Syndrom kuriert werden? Zunächst müssen die allgemeinen Ursachen, etwa die Landflucht, bekämpft werden, welche das Favela-Syndrom erst entstehen lassen und die Wasserprobleme letztlich verursachen“ (WBGU 1997). Weitere Kritikpunkte sind die Vernachlässigung der Akteure auf verschiedensten Ebenen, die mit ihren Entscheidungen Umweltveränderungen bewirken, sowie der fehlende Bezug zu Machstrukturen, die auf Zugangsmöglichkeiten zu Ressourcen einwirken. Eine wenig differenzierte Betrachtung der Mensch-Umwelt-Beziehungen und der sich daraus ableitenden Wirkungsketten, die sich mehr auf technische Informationen als auf das sozio-politische Umfeld berufen, läuft Gefahr, eher das Symptom als die Ursache zu bekämpfen (KRINGS 2002).
Syndromkontinent Afrika
Inzwischen wurde hier durch die Annäherung an den Vulnerabilitätsbegriff und die analytische Betrachtung der Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) weiter gedacht (WBGU 2005).
Vulnerabilität und MillenniumsEntwicklungsziele
Vulnerabilität Der Begriff „Vulnerabilität“ (von spätlat. vulnerabilis = verletzlich, verwundbar) ist seit den 1980er-Jahren in der geographischen Entwicklungsforschung gebräuchlich und bezeichnet über den Mangel an materiellen Ressourcen und ungedeckten Bedürfnissen hinaus einen gesellschaftlichen Zustand, der durch Anfälligkeit, Unsicherheit und Schutzlosigkeit geprägt ist. Dabei gehen ökonomische bzw. materielle Aspekte (Armut) Hand in Hand mit politischen und sozialen.
Millenniums-Entwicklungsziele Die im Jahr 2000 bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) in New York beschlossenen, weltweit gültigen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) sind der Maßstab der UN für notwendige Maßnahmen in Afrika. Dabei handelt es sich um acht internationale Entwicklungsziele, die bis 2015 erreicht werden sollen: MDG 1: Halbierung des Anteils der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet MDG 2: Ermöglichung eine Grundschulausbildung für alle Kinder MDG 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rechte von Frauen MDG 4: Verringerung der Kindersterblichkeit MDG 5: Verbesserung der Gesundheit der Mütter MDG 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderer übertragbarer Krankheiten MDG 7: Verbesserung des Schutzes der Umwelt MDG 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft
Auch das Konzept der Millenniumsziele unterliegt zahlreicher Kritik, vor allem hinsichtlich der unscharfen Formulierung der Unterziele, der Definition der Indikatoren, der Machbarkeit und der schleppenden Umsetzung bzw. mangelnder finanzieller Unterstützung und „Geberkoordination“ (MARTENS 2005). Dem ersten Millenniumsziel, der Bekämpfung von Armut und Hunger, kommt derzeit die größte Bedeutung zu. Angesichts fallender Produktivität der Landwirtschaft in Afrika fordert die UN zu Recht Interventionen im Bereich Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Eine „grüne Revolution“ für Afrika soll hierbei die Ernteerträge verdoppeln. Zuerst sollen Kleinbauern mit befristeten Subventionen für Dünger und besseres Saatgut versorgt werden. Entwicklungshilfe für die afrikanische Landwirtschaft muss von den momentan zur Verfügung gestellten ein bis zwei Milliarden US-Dollar auf acht Milliarden im Jahr 2010 steigen. Die finanzielle Unterstützung von Ernährungsprogrammen sollte um zusätzliche vier Milliarden US-Dollar bis 2010 steigen.
Grüne Revolution
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Entwicklungsfinanzierung Bestehende Zusagen der Europäischen Union (EU) und der G8-Staaten zusammen mit den derzeitigen Hilfsleistungen aus anderen Quellen reichen aus, um die benötigten 72 Mrd. US-$ pro Jahr aufzubringen, um die Empfehlungen der MDG-Lenkungsgruppe in die Tat umzusetzen. Diese Zahl passt zu den Versprechen, die beim EU-Gipfel und dem G8-Gipfel in Gleneagles 2005 gegeben worden sind. Dort wurde beschlossen, die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) für Afrika bis 2010 auf 54 Mrd. US-$ mehr als zu verdoppeln. Aktuell beläuft sich dieses Versprechen auf eine Summe von 62 Mrd. US-$ jährlich. Zusammen mit bereits bestehenden Hilfsleistungen der Geberländer außerhalb der OECD, privaten Stiftungen und Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) könnten die Empfehlungen der Lenkungsgruppe vollständig finanziert werden. Die meisten afrikanischen Länder wissen allerdings nicht, wie viel Entwicklungshilfe sie in den kommenden Jahren erhalten werden, und können deshalb Personal und Infrastruktur wichtiger öffentlicher Dienststellen kaum erweitern. Für beides wären langfristige Hilfszusagen notwendig. Die MDG-Lenkungsgruppe fordert Geber dazu auf, für die Ausweitung ihrer Hilfszusagen länderspezifische Pläne zu erstellen, um ihre Versprechen aus dem Jahr 2005 zu erfüllen. Dies hätte tief greifende Auswirkungen auf die Möglichkeit der afrikanischen Länder, die notwendigen langfristigen Maßnahmen zu ergreifen, um die MDGs zu erreichen (UNRIC 2008).
Hungerkontinent Afrika Befunde
Die Zuständigkeit für die Erreichung des ersten Millenniumszieles – Halbierung des Hungers bis zum Jahr 2015 – liegt hauptsächlich bei der Welternährungsorganisation (FAO). War dabei 1991/92 von insgesamt 842 Mio. Hungernden auszugehen, so lag die Zahl im Jahr 2007 bei weltweit 923 Mio.
Ursachen des Hungers Die UN unterscheiden zwischen konjunkturellen und strukturellen Ursachen des Hungers. Konjunkturelle Ursachen sind z.B. Naturkatastrophen wie Dürren und großflächige Überschwemmungen oder Wirtschaftskatastrophen wie etwa der Zusammenbruch vieler asiatischer Volkswirtschaften in den 1990er-Jahren und der derzeitige Boom der Lebensmittelpreise. In diesen Situationen wird entweder die Nahrungsproduktion durch die Katastrophen unmöglich und/oder der Zugang zu Nahrung wird für die Familien aufgrund zu hoher Lebensmittelpreise unerschwinglich. Letzteres betrifft oft die städtischen Einwohner, wie die Asienkrise am Beispiel Indonesiens gezeigt hat und wie es Anfang des 21. Jahrhunderts in Argentinien und Uruguay deutlich wurde (DRESCHER 2007). Ganz aktuell zeigt sich dieser Zusammenhang in der derzeitigen globalen Finanzkrise und den stark schwankenden Lebensmittelpreisen. Der strukturell bedingte Hunger ist weit schwieriger zu fassen, doch gilt eine verfehlte Politik auf nationaler und internationaler Ebene (engl. bad governance) als Hauptursache.
Hungerkontinent Afrika
Auf nationaler Ebene sind verfehlte Landpolitik, unrentable Anbaupraxis, die Vernachlässigung der ländlichen Räume und der Infrastruktur, Korruption und verfehlte Sozialpolitik die häufigste Ursache für Hunger. Verteilungskonflikte, Umweltzerstörung, Missachtung von Menschenrechten, Staatsversagen und Staatszerfall gelten als weitere häufige strukturelle Gründe (BMZ 2002).
Jahrzehntelang haben die UN die Landwirtschaft vernachlässigt. Kurz vor dem letzten Welternährungsgipfel im Juni 2008 wurde jedoch festgelegt, dass die Landwirtschaft wieder zum Schwerpunkt werden solle, verbunden mit der Freigabe von 17 Mio. US-$ für Saatgut, Dünger und Werkzeuge. Nach Schätzungen der FAO wären für die Pflanzsaison bis 2009 allerdings ca. 1,7 Mrd. US-$ nötig gewesen, damit die lange vernachlässigten landwirtschaftlichen Systeme – insbesondere in Afrika – wieder auf die Beine kommen (E+Z 2008).
Nachholende Entwicklung
Abb. 1.3: Afrika in der Hungerindex-Weltkarte (IFPRI 2008)
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Hungerindex Der Hungerindex der UN setzt sich zusammen aus dem Anteil der unterernährten Menschen in einem Land, der Anzahl der unterernährten Kinder unter fünf Jahren und der Kindersterblichkeit bei Kindern unter fünf Jahren (IFPRI 2008). Abbildung 1.3 zeigt deutlich, wie gravierend die Situation auf dem afrikanischen Kontinent ist. 23 afrikanische Staaten befinden sich in einem alarmierenden Zustand, davon sieben Länder in extremer Mangelsituation.
Strategien
Die FAO unterstützt durch eigene Programme insbesondere in Afrika die Nahrungsproduktion mit der Lieferung von Saatgut und Düngern, um die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern. In der Kooperation mit NEPAD (The New Partnership for Africa’s Development) werden Pläne für 16 afrikanische Länder entwickelt, um der steigenden Nahrungsmittelpreise Herr zu werden. Die FAO fordert zum einen die Verbesserung des Zugangs zu Nahrung für die am stärksten Betroffenen, zum anderen die Unterstützung von Kleinbauern zur Steigerung ihrer Erntemenge und ihres Verdienstes. Denn: Der zunehmende Hunger gefährdet auch viele der anderen Millenniumsziele (FAO 2008). Aus den Ausführungen der FAO wird auch deutlich, dass die Bekämpfung des Hungers mehr vereintes Handeln und eine bessere Finanzierung braucht. Ergänzt wird das Engagement der FAO durch die Tätigkeit weiterer Weltorganisationen. So befassen sich UNEP und UNCTAD mit der Rolle der Biologischen Landwirtschaft (Organic Farming) für die Entwicklungsmöglichkeiten und Ernährungssicherung in Afrika. Dieses Thema wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert und ist stark von Ideologien geprägt. Besonders umstritten ist hier die Auseinandersetzung um die genetisch modifizierten Nutzpflanzen, denen viele afrikanische Staaten kritisch gegenüberstehen. Eine neue Studie der UN kommt zu dem Ergebnis, dass der naturnahe Landbau die landwirtschaftliche Produktivität steigern und Einkommen schaffen kann. Alle Fallstudien in Afrika machen deutlich, dass die Produktivität der naturnahen Anbausysteme gesteigert wurde, welches den gängigen Mythos infrage stellt, nach dem die biologische Landwirtschaft zu keiner Produktionssteigerung beitrage. Die Studie folgert weiter, dass diese Form der Landwirtschaft bestens für kleine, arme und marginalisierte Bauern geeignet sei und es im Hinblick auf die weltweit steigenden Nahrungspreise notwendig würde, Anbausysteme mit geringem externen Energiebedarf zu fördern (UNEP/UNCTAD 2008). Organic Farming unterstützt dabei genau die Gruppe von Menschen, die besonders stark von Nahrungsunsicherheit betroffen ist. Dies unterstreicht auch der Weltagrarbericht 2008 des Weltlandwirtschaftsrates (IAASTD). FAO–UNEP–UNCTAD–IAASTD FAO (United Nations Food and Agriculture Organization, Sitz in Rom), UNEP (United Nations Environment Programme, Sitz in Nairobi) und UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development, Sitz in Genf) sind Organe bzw. Programme der Vereinten Nationen in der Ernährungs-, Umwelt- und Handelspolitik. Das IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Techno-
Pandemiekontinent Afrika
logy for Development, Sitz in Washington, DC) wurde auf Initiative der Weltbank 2002 auf dem Entwicklungsgipfel in Johannesburg gegründet.
Wie wichtig Strategien gegen den Hunger sind, zeigt insbesondere eines der IPCC-Szenarien bis zum Jahr 2080. Dieses weist für die Sahelzone und größere Gebiete Afrikas südlich des Äquators eine bedrohliche Negativentwicklung des Getreideanbaus mit –50 % und darunter aus. Darüber hinaus werden zahlreiche andere negative Auswirkungen prognostiziert, die direkt und indirekt die Nahrungsversorgung beeinflussen (vgl. Abb. 1.3). IPCC Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Sitz in Genf) fungiert als Wissenschafts- und Diplomatieforum und ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen.
Pandemiekontinent Afrika Neben Tuberkulose und Malaria ist HIV/AIDS die dritte „großafrikanische Krankheit“, wobei besonders HIV/AIDS verheerende Ausmaße angenommen hat und in der gesellschaftlichen Folgewirkung kaum unterschätzt werden kann.
Hauptkrankheiten
Abb. 1.4: AIDS-Folgen in Afrika (nach LE MONDE DIPLOMATIQUE 2006, S. 37)
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Die Länder Afrikas südlich der Sahara sind besonders stark von der Pandemie betroffen. Hier leben zwei Drittel (24,7 Mio.) der weltweit mit HIV infizierten Menschen. In einigen Ländern des südlichen und östlichen Afrikas sind heute über 30 % der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren mit dem HI-Virus infiziert. Allein im Jahr 2005 starben in Subsahara-Afrika zwei Millionen Kinder und Erwachsene an AIDS (BMZ 2007). Im südlichen Afrika sind 76 % der Infizierten zwischen 15 und 24 Jahren heute Mädchen und junge Frauen. 1995 lag der weibliche Anteil aller AIDS-Kranken noch bei 12 %, aktuell sind es fast 50 % (BMZ 2007). Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den betroffenen Ländern seit den 1990er-Jahren drastisch gesunken (s. Abb. 1.4). Malariakontinent Afrika Das Risiko, an Malaria zu sterben, ist unvergleichlich hoch in Afrika. Circa 881.000 Menschen sterben weltweit jährlich, 90 % davon in Afrika. Rund 88 % der Todesfälle treffen Kinder unter fünf Jahren (WHO 2008).
Abb. 1.5: Gemeldete Krankheitsfälle von internationaler Bedeutung nach WHO-Regionen (nach WHO 2007)
Urbanisierungskontinent Afrika Verstädterung der Armut
Umweltdegradation und Verelendung in afrikanischen Städten ist ein relativ neues Phänomen, welches mit dem rapiden Urbanisierungsprozess einhergeht. Dies mag einer der Gründe sein, warum das Favela-Syndrom bisher wenig mit dem afrikanischen Kontinent in Verbindung gebracht wurde. Im
Zukunftskontinent Afrika
subsaharischen Afrika leben 72 % der urbanen Bevölkerung unter solchen Bedingungen (UNFPA 2007, S. 16). Eine Folge der Urbanisierung in Afrika ist die Entstehung und Ausbreitung von Armenvierteln, die vielerorts das Stadtbild dominieren. Dieses Phänomen wird auch als „Verstädterung der Armut“ bezeichnet und führt zu allen negativen Begleiterscheinungen, die die Armut mit sich bringt: Fast 30 % der Stadtbewohner im südlichen Afrika haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, 20 % verfügen über keine sanitären Anlagen und die Bewohner der Armenviertel sind deutlich stärker von Unter- und Mangelernährung betroffen als die Bessergestellten (UN-HABITAT 2006). Informelle Siedlungen heben sich durch ihr ungeplantes und wild wucherndes Wachstum deutlich von geplanten Stadtvierteln auf den Satellitenbildern ab und nehmen inzwischen in vielen afrikanischen Städten den größten räumlichen Anteil des Stadtgebiets in Anspruch (BÄHR/JÜRGENS 2005). In einigen Städten leben inzwischen bis zu 80 % der Bevölkerung in Armenvierteln. Das schnelle Wachstum geht einher mit wachsender Armut und Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, Sicherung der Ernährung, Krankheiten und Luftverschmutzung, aber auch mit mangelnder Infrastruktur hinsichtlich Gesundheitsdiensten, Wasserversorgung, Sanitärsystemen und Müllentsorgung (UNFPA 2007, HARDOY et al. 2001, DRESCHER 2000, HARPHAM/TANNER 1995). Ebenso steigt in einigen Städten die Gefahr durch saisonale Überschwemmungen, von welcher insbesondere marginalisierte Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Von mehr oder weniger schnellem Wachstum der Armenviertel sind in Afrika fast sämtliche Staaten betroffen, mit Ausnahme von Südafrika, Libyen und Ägypten (UN-HABITAT 2006). Im subsaharischen Afrika weisen vor allem Malawi, Angola, die Demokratische Republik Kongo, Lesotho und Tansania städtische Wachstumsraten von über vier Prozent auf. Nicht weniger signifikant ist die Situation in den Sahel-Staaten. 1975
2003
2015
Mauretanien
20,3
61,7
73,9
Senegal
34,2
49,6
57,9
Gambia
17,0
26,2
27,8
Mali
16,2
32,3
40,9
6,3
17,8
23,2
10,6
22,2
21,7
Burkina Faso Niger
Abb. 1.6: Verstädterungsgrad in den Sahel-Staaten (in %) (Daten: UNDP 2005; KRINGS 2006, S. 86)
Zukunftskontinent Afrika Bei all dem ist Afrika aber auch ein Hoffnungskontinent. Eines von vielen Beispielen nennt sich „Green Belt Movement“: die Anpflanzung von über 30 Mio. Bäumen durch afrikanische Frauen, die sich so dem Raubbau-Syndrom entgegenstellen. Die Initiatorin, Wangai Maathei aus Kenia, hat dafür 2004 den Friedensnobelpreis erhalten.
Perspektiven für Afrika
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Afrika: Aspekte des globalen Wandels
Denn – um es mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan (Ghana) zu sagen: „Wohlstand, aufgebaut auf der Zerstörung der Umwelt, ist kein wirklicher Wohlstand, bestenfalls eine kurzfristige Milderung der Tragödie. Es wird kaum Frieden, aber noch mehr Armut geben, falls dieser Angriff auf die Natur anhält“ (zitiert in: TÖPFER 2007, S. 25). In diesem Sinne ist nicht nur in Madagaskar der Erosionsschutz eine große Aufgabe. Sie wird von deutscher Seite begleitet. Erosionsschutz in Madagaskar Ein Schwerpunkt des PLAE (Programme de Lutte Anti-Érosive) ist es, Bauerngruppen und Dorfgemeinschaften zu befähigen, Schutzanlagen zu unterhalten und den Boden zu rekultivieren. Wenn die Projekte gut laufen, sollen nicht staatliche Organisationen und Bauernvereinigungen diese übernehmen. Ein wichtiger Teil der Arbeit von PLAE besteht daher darin, beteiligte Gruppen – vom technisch Verantwortlichen bis zum lokal organisierten Landwirt – angemessen auszubilden. Das bedeutet auch, den Menschen bewusst zu machen, was das eigentliche Problem ist, was Gründe dafür sind, dass sie immer weniger Reis ernten. Auf diese Weise wird die soziale Organisation der Bevölkerung gefördert, und sie werden dazu befähigt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Praktisch gesehen gibt es zwei Ansätze, Bodenerosion zu verhindern oder zu beheben: *
*
Biologisch: Die kahlen, zerklüfteten Böden werden neu bepflanzt – vor allem mit Bäumen wie Akazien und Eukalyptus, aber auch mit Sträuchern und Gräsern. Die Wurzeln sichern die Erde und verhindern, dass sie bei Regen abgetragen und davongespült wird. Außerdem dienen die Bäume als Wasserspeicher und liefern Brennholz. Mechanisch: An den erodierten Hängen werden kleine Gräben gezogen beziehungsweise Bodenschwellen oder Dämme errichtet. Bei starken Regengüssen werden die Fluten so ausgebremst, es wird nicht mehr der komplette Boden mitgerissen. Das schützt die meist in den Ebenen gelegenen Reisfelder vor Versandung und die Straßen davor, verschüttet zu werden.
Unfruchtbare, erodierte Flächen und Kraterlandschaften können so innerhalb weniger Jahre bewaldet und gefestigt werden. (E+Z 1/2009)
Punktuelle Programme können allerdings auch nur punktuelle Problemlösungen befördern. Es bedarf der kontinentalen Vernetzung der Maßnahmen aller Entwicklungspartner. Und es gilt, „Fehlentwicklungshilfe“ zu vermeiden. Fehlentwicklungshilfe Traditionelle Entwicklungshilfe hat Afrika nicht vorangebracht. Stattdessen hat sie Volkswirtschaften geschwächt, autoritäre Führer gestärkt, freies Unternehmertum ausgehebelt und Möglichkeiten zu eigenständigen afrikanischen Lösungsansätzen untergraben. Wirtschaftliche Liberalisierung im Verbund mit Rechtsstaatlichkeit und einer stabilen Eigentumsordnung wäre die wesentlich bessere Form der Entwicklungshilfe (James Shikwati, Direktor des Inter Region Economic Network (IREN), Kenia, 2009).
Zukunftskontinent Afrika
Nicht zuletzt gilt der Blick aber auch der Habenseite Afrikas – darunter v.a. das Tourismuspotenzial. Man denke nur an die über 60 Nationalparks auf dem Kontinent, die meisten davon in Tansania, Sambia und Kenia. Oder man bedenke die über 100 Welterbestätten (Stand: Januar 2009), darunter die Viktoria-Fälle in Sambia/Simbabwe, die Königspaläste von Abomey (Benin), die Felsen von Bandiagara (Mali) oder den Bwindi-Regenwald in Uganda, dem letzten Refugium der Berggorillas, um nur einige wenige zu nennen. Es sind aber auch die langen Sandstrände in Kenia, Tansania, Mosambik, Südafrika, Senegal oder Gambia, die die Touristen anziehen. Im Tourismus liegt deshalb ein wesentlicher Faktor wirtschaftlichen Wachstums in Afrika. In der Summe ist die Habenseite des Kontinents also keineswegs unbedeutend. Das sieht auch Bundespräsident Horst Köhler so, der Afrika sein besonderes Augenmerk zugewendet hat: „Insgesamt beobachte ich, dass in den vergangenen fünf bis acht Jahren viele afrikanische Länder ihr wirtschaftliches Wachstum nicht nur deutlich vergrößert, sondern auch verstetigt haben. All dies berechtigt zu einem vorsichtigen Optimismus. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Denn jenseits der unzweifelhaft vorhandenen Krisenerscheinungen wächst etwas heran, was Hoffnung macht“ (KÖHLER 2006, S. 16).
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Der Klimawandel in Afrika: Physisch-geographische Befunde und Klimamodellsimulationen HEIKO PAETH
Abb. 2.1: Schäden durch Viehfraß an einem Mangobaum in Benin; die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und die unkontrollierte Viehhaltung haben im subsaharischen Westafrika bereits großflächige Areale der ursprünglichen Vegetation zerstört (Foto: H. PAETH)
Hungersnöte, Bürgerkriege, Flüchtlingsströme und Infektionskrankheiten prägen in unseren Medien das Bild vom afrikanischen Kontinent. Die im internationalen Vergleich meist unterdurchschnittlichen Lebensbedingungen in Afrika gehen auf ein äußerst komplexes Wirkungsgefüge zurück, welches in sozioökonomischer Hinsicht vom kolonialen Erbe bis zur schlechten Eingliederung in den Weltmarkt reicht. Im Hinblick auf die naturräumlichen Ressourcen sind vor allem die klimatischen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Bodenprozesse zu nennen. Die vordergründige Rolle des Klimas in Afrika bietet Anlass für eine eingehende klimatologische Betrachtung seines Erscheinungsbildes, seiner Besonderheiten und seiner Sensitivität gegenüber den verschiedenen klimarelevanten Aktivitäten des Menschen. Insbesondere während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten mehrjährige Dürren immer wieder katastrophale Auswirkungen auf die Gesellschaftssysteme im subsaharischen Afrika, weshalb dieser Großraum
Der Monsun als Lebensspender
im vorliegenden Beitrag auch im Zentrum der Betrachtung steht. Die dadurch motivierten Migrationsströme aus der Sahelzone in die randtropischen Bereiche Westafrikas sind bis heute irreversibel. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit zeichnet sich die Frage nach den zukünftigen Tendenzen des afrikanischen Klimas als eine fundamentale Stellgröße in der Entwicklungshilfe, Raumplanung sowie Ausarbeitung von Schutz- und Anpassungsmaßnahmen ab. Lassen sich die Folgen der globalen Erwärmung bereits im regionalen Kontext Afrikas abschätzen? Diese Fragestellung ist eine klassische Herausforderung für die Klimamodellierung. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die grundlegenden Prozesse und Besonderheiten des afrikanischen Klimas beleuchtet und die beobachteten Indizien eines mutmaßlich anthropogenen Klimawandels diskutiert. Des Weiteren werden Ergebnisse der regionalen Klimamodellierung über Afrika präsentiert, welche die verschiedenen Formen der menschlichen Einflussnahme veranschaulichen und ein differenziertes Bild einer möglichen zukünftigen Klimaänderung zeichnen. Die zu erwartenden Klimaänderungen werden wohl alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Afrika beeinflussen. Hier werden die Probleme der Ernährungssicherheit und Gesundheit kurz angerissen. Es werden aber auch Handlungsoptionen im Klimaschutz und in der Raumplanung aufgezeigt.
Der Monsun als Lebensspender Der Einfluss des Klimas auf die Gesellschaftssysteme in Afrika ist vielfältig. Der zentrale limitierende Faktor für Landwirtschaft und Ökosysteme ist jedoch die Süßwasserverfügbarkeit, insbesondere in den randtropischen Bereichen wie der Sahelzone. Das Süßwasser wird in erster Linie aus dem Niederschlag gespeist, dessen Auftreten wiederum an die großräumigen Strömungskonfigurationen in der Atmosphäre gekoppelt ist. Ein fundamentales Charakteristikum im afrikanischen Klimasystem ist die Monsunzirkulation, die vor allem in Westafrika idealtypisch ausgeprägt ist (MCGREGOR/NIEUWOLT 1998). Als Monsun bezeichnet man einen Wind, der im jahreszeitlichen Wechsel seine Hauptströmungsrichtung um wenigstens 120° dreht und dabei mit einem klaren Wechsel im Witterungsablauf einhergeht. Die resultierenden Witterungsphasen sind in erster Linie hygrisch zu differenzieren, also in eine Regenzeit und eine Trockenzeit, und zeichnen sich jeweils durch eine relativ große Beständigkeit aus. Der westafrikanische Monsun gliedert sich in eine Phase während des nordhemisphärischen Winters, in der im subsaharischen Afrika ein trockener Nordostwind, der so genannte Harmattan, vorherrscht, und eine in West- bis Südwestströmung in den Monaten Mai bis September, die über dem tropischen Atlantik viel Feuchtigkeit aufnimmt und schließlich über Land zu ergiebigen Niederschlägen führt. Der jahreszeitliche Wechsel der Windrichtungen ergibt sich aus dem Wechselspiel zwischen den dynamischen Hochdruckgebieten über den subtropischen Ozeanen bzw. den kontinentalen Kältehochs und der innertropischen Konvergenzzone (ITCZ), die im Wesentlichen dem saisonalen Verlauf der maximalen solaren Einstrahlung folgt.
Niederschlag als limitierender Faktor
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Der Klimawandel in Afrika
Abb. 2.2: Beobachtete saisonale Niederschlagssummen über dem tropischen und nördlichen Afrika (in mm); die Mittelwertkarten beziehen sich auf den Zeitraum 1901–1998 und sind auf Basis des CRU-Datensatzes (NEW et al. 2000) berechnet worden
Saisonalität der Niederschläge
Die räumliche Verteilung der Niederschlagsgebiete in Afrika ist ebenfalls an den Verlauf der ITCZ gebunden (vgl. Abb. 2.2). Bei den Werten handelt es sich um beobachtete Niederschlagssummen an diversen Wetterstationen weltweit, die im CRU-Datensatz auf ein regelmäßiges Gitter interpoliert sind (NEW et al. 2000). In den Wintermonaten der Nordhemisphäre liegt das Niederschlagsband über den äquatorialen Regionen, wo sich ein immergrüner tropischer Regenwald etabliert hat. In den Monaten März bis Juli verschiebt sich das Niederschlagsmaximum mit der ITCZ nach Norden und erreicht auch die südlichen Bereiche der Sahelzone bei ca. 13–17° N. Danach wandern ITCZ und Niederschlagsband wieder in die äquatorialen Bereiche zurück. In Ostafrika ergeben sich die höchsten Niederschlagssummen in den Übergangsjahreszeiten, was im Zusammenhang mit dem großräumigen Phänomen des südasiatischen Monsuns zu sehen ist (MCGREGOR/ NIEUWOLT 1998). Generell stellt Ostafrika jedoch ein Trockengebiet in den inneren Tropen dar. Dabei wirkt das ostafrikanische Hochland als natürlich Barriere zwischen den westafrikanischen und südasiatischen Monsunluftmassen. Insbesondere im Bereich um 15° N zeigt sich während der Regenzeit im Juni bis August ein ganz markant ausgeprägter Gradient des Süßwassereintrages aus dem Niederschlag. Über wenige 100 km in Süd-Nord-Richtung gehen die Niederschlagssummen von ca. 600 auf unter 50 mm pro Regenzeit zurück. In diesem Übergangsbereich hat sich auch vegetationsgeographisch eine klare Abfolge von angepassten Biomen entwickelt, die man mit zunehmender Trockenheit als Feuchtsavanne, Trockensavanne und Dornsavanne bezeichnet. Wenn in manchen Jahren die sommerlichen Monsunniederschläge in diesem Übergangsbereich geringer ausfallen, hat das gravierende Konsequenzen für die Lebensbedingungen in der Sahelzone. Genauso dramatisch könnte sich auch eine langfristige Verschiebung der Windund Niederschlagssysteme über dem subsaharischen Afrika auswirken.
Klimatische Besonderheiten in Afrika
Neben Niederschlag und Wind sind auch die Temperatur der unteren Atmosphäre und der Wolkenbedeckungsgrad durch einen deutlichen Jahresgang gekennzeichnet. Dabei stimmt die saisonale Verteilung der Wolken weitgehend mit den Niederschlagsmustern in Abbildung 2.2 überein. Die Temperaturmaxima zeigen hingegen einstrahlungsbedingt eine inverse Verbreitung zu den Niederschlägen und Wolken. Die höchsten Temperaturen werden jeweils in den Trockengebieten der Sommerhalbkugel beobachtet. Das Maximum in Afrika beträgt etwas über 34°C im saisonalen Mittel über den Zeitraum Juni bis August in der westlichen Sahara.
Temperatur und Bewölkung
Klimatische Besonderheiten in Afrika Die Niederschläge im subsaharischen Afrika werden nicht nur durch den Feuchtetransport des Sommermonsuns bewirkt. Häufig entstehen in den Monsunluftmassen über Westafrika mesoskalige konvektive Systeme (MCSs) mit einem Durchmesser von 10–100 km, die nicht selten mit Starkniederschlägen von 50–300 mm pro Tag verbunden sind. In manchen Teilen der Sahelzone sind diese konvektiven Ereignisse für mehr als 80 % der jährlichen Niederschlagssumme verantwortlich. Die Entstehung der MCS geht auf eine Besonderheit im Strömungsgeschehen über Afrika zurück: den so genannten African Easterly Waves (AEWs, GRIST 2002). Die AEWs sind dadurch zu erklären, dass in der Sommermonsunzirkulation in den Monaten April bis September warme und feuchte tropische Luftmassen bei ca. 15° N auf noch wärmere trockene Luftmassen aus der Sahara treffen. Durch den meridionalen Temperaturgradienten entsteht ein thermisch bedingter, mit der Höhe zunehmender Ostwind. Da die Luftmassen in der feuchten, tropischen Strömung feuchtadiabatisch geschichtet sind, also mit einem vertikalen Temperaturgradienten von ca. –0,6°C pro 100 m, und sich die trockene Saharaluft trockenadiabatisch verhält (–1,0°C pro 100 m), existiert in ca. 4000 m Höhe ein thermisches Ausgleichsniveau, das mit einem Windmaximum, dem so genannten African Easterly Jet (AEJ), einhergeht. Dieser östliche Jet in der mittleren Troposphäre ist sehr instabil und kann durch Gebirgsmassive oder bodennahe Wärmeinseln, beispielsweise in der östlichen Sahara, zum Mäandrieren angeregt werden. Diese Mäander werden als AEWs bezeichnet. Die Wellen propagieren westwärts über das subsaharische Afrika hinaus auf den Nordatlantik, wo sie die Bildung von tropischen Zyklonen auslösen können, die unter Umständen als Hurrikane große Schäden in Mittel- und Nordamerika verursachen. Die Anregung von MCSs über Westafrika vollzieht sich dadurch, dass auf der Rückseite der AEWs Konvergenzen in der unteren Troposphäre entstehen, die das Aufsteigen von Luftmassen initiieren. In der Folge kommt es zur Durchbrechung der Passatinversion, hoch reichender Bewölkung und ergiebigen kleinräumigen Niederschlägen, auch unabhängig vom eigentlichen Sommermonsun. Eine entscheidende Voraussetzung ist jedoch, dass durch die Verdunstung am Erdboden genug Feuchte bereitgestellt wird, um die MCSs zu speisen. Damit wird ein lokaler Wasserkreislauf geschlossen, der die Feuchte aus dem Sommermonsun mehrfach über die MCSs recycelt und in vielen Teilen
African Easterly Waves
Lokales Wasserrecycling
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Der Klimawandel in Afrika
der Sahelzone sowie in randtropischen Gebieten Westafrikas den Großteil der Niederschläge ausmacht. Die wesentlichen Faktoren für die Verdunstung über dem subsaharischen Afrika sind die Vegetationsdecke und die Bodenfeuchte. Nun schließt sich unmittelbar die Frage an, inwiefern die menschlich verursachte Brandrodung, Landdegradation und Desertifikation Einfluss nimmt auf dieses lokale Wasserrecycling über Afrika. Für eine mutmaßliche menschliche Einflussnahme auf den afrikanischen Wasserkreislauf ergeben sich zwei Möglichkeiten: durch eine Veränderung der großräumigen Monsunzirkulation oder durch eine Unterbindung des lokalen Wasserkreislaufes. Beide Mechanismen werden später anhand von Klimamodellsimulationen erörtert.
Die Saheldürre im 20. Jahrhundert Beobachtete Indizien des Klimawandels
Abb. 2.3: Zeitreihe der beobachteten Jahressummen des Niederschlags in der Sahelzone über das 20. Jahrhundert als Anomalien gegenüber der Referenzperiode 1961–1990; die Zeitreihe bezieht sich auf das Gebiet zwischen 13° N und 23° N von der Westküste Afrikas bis 15° E (Entwurf: H. PAETH)
Zunächst interessiert die Frage, ob sich in den Beobachtungsdaten bereits Indizien für einen Klimawandel in Afrika abzeichnen. Die Zeitreihe des beobachteten Sahelniederschlags offenbart starke Schwankungen von Jahr zu Jahr (vgl. Abb. 2.3, graue Balken), die ein erhebliches Problem für die landwirtschaftliche Planung und Ernährungssicherheit darstellen. Neben diesen interannuellen Variationen sind aber vor allem auch Veränderungen auf der dekadischen Zeitskala beobachtet worden (s. Abb. 2.3, schwarze Linie). So waren die Niederschläge in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts überdurchschnittlich hoch. In der Folge ergab sich ein ganz ausgeprägter negativer Trend, der in den berüchtigten Saheldürren der 70er- und vor allem 80er-Jahre gipfelte (NICHOLSON 2001). Die Auswirkungen dieser ausgesprochen trockenen Klimaphase auf die Lebensbedingungen in der Sahelzone waren zumeist katastrophal: Hungersnöte, Epidemien und Flüchtlingsströme in die südlich angrenzenden Länder, die daraufhin ihrerseits eine
Menschliche Aktivitäten und Klimawandel
Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen erfahren haben. Viele Flüchtlinge sind bis heute nicht in ihre Heimatregionen in der Sahelzone zurückgekehrt. Von den Dürrejahren waren im Prinzip alle Länder im subsaharischen Westafrika betroffen. Trotz einer leichten Erholung im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden bis in die Gegenwart negative Niederschlagsanomalien im gesamten Großraum verzeichnet. Obwohl zahlreiche klimatologische Studien belegen, dass die Saheldürre primär durch Veränderungen in den tropischen Meeresoberflächentemperaturen verursacht wurde (PAETH 2005), ist es wahrscheinlich, dass die landund viehwirtschaftliche Übernutzung der fragilen Lebensräume im Sahel das Ausmaß der Dürre noch verstärkt hat (NICHOLSON 2001). Die zentrale Frage lautet nun, wie sich das Klima Afrikas unter der fortschreitenden Beanspruchung durch den Menschen in Zukunft entwickeln könnte.
Ursachen der Saheldürre
Menschliche Aktivitäten und Klimawandel Nach unserem physikalischen Verständnis des Klimasystems könnten sich verschiedene menschliche Aktivitäten nachhaltig auf das irdische Klima auswirken. Im globalen Maßstab betrifft das vor allem die Emission von Spurengasen, die den natürlichen Treibhauseffekt der Atmosphäre verstärken. Zu diesen Gasen gehören das Kohlendioxid (CO2), das vor allem bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern und der Brandrodung freigesetzt wird, Methan und Stickstoffdioxid aus der Landwirtschaft und Viehhaltung, Ozon sowie Fluorkohlenwasserstoffe aus industriellen Fertigungsprozessen (IPCC 2007b). Um mit Klimamodellen die zukünftigen Änderungen des Klimas durch steigende Treibhausgaskonzentrationen abzuschätzen, sind so genannte Emissionsszenarien entwickelt worden.
Emission von Treibhausgasen
Emissionsszenarien Die zukünftigen Emissionen klimarelevanter Spurengase sind auf der Basis bestimmter Grundannahmen über die demographische, wirtschaftliche und technologische Entwicklung der menschlichen Gesellschaft berechnet worden (NAKICENOVIC et al. 2000). In Abhängigkeit der Grundannahmen sind vier Szenarienfamilien gebildet worden, die mit einem unterschiedlich starken Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen einhergehen. Eine besonders ungünstige Entwicklung wird beispielsweise durch das Szenario A1FI beschrieben: Die Weltbevölkerung wächst bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts weiter an. Das Wirtschaftswachstum schreitet fort und basiert auch in Zukunft überwiegend auf materialintensiven Fertigungsprozessen mit einer Energiegewinnung aus vorwiegend fossilen Energieträgern. Demgegenüber ist das Szenario B2 mit weitaus geringeren Treibhausgasemissionen verbunden, da sich bei vergleichbar hohem Bevölkerungswachstum ein Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft mit geringerem Materialverbrauch und saubereren Technologien vollzieht.
Eine weitere klimarelevante Aktivität des Menschen betrifft die Veränderung der Landoberflächen. Dieser Prozess beinhaltet gegenwärtig die Vernichtung der tropischen Wälder zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung, die Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie den Bau von
Landdegradation
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Der Klimawandel in Afrika
Stauseen und Bewässerungsanlagen. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Landnutzungsänderungen im subsaharischen Afrika und anderen tropischen Regionen einen größeren Beitrag zum Klimawandel leisten könnten als die Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen (PAETH/FEICHTER 2006, PAETH/ THAMM 2007). Aus diesem Grund müssen die spezifischen Einflüsse der Vegetations- und Bodendegradation bei der Modellierung des zukünftigen Klimas ebenfalls berücksichtigt werden (s.u.). Bedeutung der Landnutzungsänderungen Die Veränderung der Landoberflächen ist durch diverse Prozesse gekennzeichnet, die ihrerseits wiederum das atmosphärische Geschehen in vielfältiger Weise beeinflussen (PAETH 2006). Für das subsaharische Afrika sind hier in erster Linie die Brandrodung und die Desertifikation zu nennen. Beim erstgenannten Prozess wird der primäre Regenwald durch offene Ackerflächen, Grassavanne und Buschland ersetzt. Bei der Desertifikation kommt es meist zu einer völligen Zerstörung der Vegetationsdecke und Degradation der Böden, so dass wüstenhafte Bedingungen entstehen. Für das Klima ist zunächst die Verschiebung der Albedo, also des Rückstreuvermögens gegenüber kurzwelliger solarer Einstrahlung, relevant. Im Übergang von der Waldbedeckung zu Grasland oder gar Wüste erhöht sich die Albedo in der Regel, was mit einer generellen Abkühlung einhergehen sollte. Dieser Prozess wird jedoch dadurch überkompensiert, dass sich bei einer Reduzierung der Vegetationsdecke die Verdunstung, genau genommen die Transpiration und Interzeption, stark verringert. Dadurch erhöht sich der Strom fühlbarer Wärme in die bodennahen Luftschichten. Ferner wird durch die Abholzung die Rauigkeit der Erdoberfläche erniedrigt, was wiederum die turbulenten Austauschvorgänge in der atmosphärischen Grenzschicht verringert und die bodennahe Erwärmung fördert. Gleichsam steht der Atmosphäre für das lokale Wasserrecycling weniger Feuchte aus der Verdunstung zur Verfügung. Die Waldrodung wirkt sich sekundär auch auf die Beschaffenheit des Bodens aus. Bei fehlender Durchwurzelung verdichtet sich der Boden, so dass das Niederschlagswasser vermehrt oberflächlich abfließt, anstatt in den Boden zu versickern und die Bodenfeuchte zu speisen. Dieser Prozess der Bodendegradation fördert einerseits die Bodenerosion und wirkt sich andererseits negativ auf die Evaporation aus dem Boden aus. Schließlich werden bei der Brandrodung auch Treibhausgase und Aerosole emittiert. Aerosole sind kleine Festkörper, die in Suspension in der Atmosphäre vorliegen und sowohl den Strahlungshaushalt als auch die Eigenschaften von Wolken beeinflussen. Klimamodellstudien legen nahe, dass die Aerosole aus der Brandrodung zu einer weiteren Abnahme der Sommermonsunniederschläge im subsaharischen Westafrika beitragen könnten (PAETH/FEICHTER 2006).
Ergebnisse der Klimamodellierung Stärken der Klimamodelle
Der menschliche Einfluss auf das Klima lässt sich grundsätzlich nicht anhand von beobachteten Datensätzen bemessen, da im realen Klimasystem immer viele Einflussfaktoren – natürliche und wahrscheinlich auch anthropogene – gleichzeitig wirken. Somit lässt sich eine beobachtete Anomalie wie beispielsweise die Saheldürre nicht zweifelsfrei einem konkreten Einflussfaktor zuschreiben. Hier kommt nun eine der Stärken der Klimamodelle zum Tragen: Es können bestimmte Einflussfaktoren selektiv betrachtet wer-
Ergebnisse der Klimamodellierung
den, indem die Reaktion des Klimasystems auf diesen Faktor am Computer simuliert wird. Dabei wird keine Klimavorhersage im eigentlichen Sinne erstellt. Denn eine Vorhersage, z.B. eine Wettervorhersage, zielt darauf ab, einen möglichst realistischen zukünftigen Klimazustand zu prognostizieren. Stattdessen werden bei der Klimamodellierung ganz bewusst Einflussfaktoren vernachlässigt, die auch in unserer klimatischen Zukunft aktiv sein werden, wie Schwankungen der solaren Einstrahlung oder Vulkanausbrüche. Man spricht von Sensitivitätsstudien, die die Reaktionsweise des simulierten Klimasystems auf einen oder mehrere ausgewählte Einflussfaktoren beschreiben. Klimamodelle Viele der Prozesse im Klimasystem lassen sich durch physikalische Gleichungen beschreiben, welche die zeitlichen Änderungen von Temperatur, Wind, Luftdruck und Feuchte an einem Ort berechnen (VON STORCH et al. 1999). Die Klimavariablen interagieren ferner miteinander im dreidimensionalen Raum durch den windgesteuerten Transport von atmosphärischen Eigenschaften. Somit entsteht ein sehr komplexes dreidimensionales Gleichungssystem für die diversen Klimavariablen. Selbst gegenwärtige Hochleistungsrechner können die Klimavariablen nur für relativ große Gebietseinheiten berechnen. Man spricht von einer raumzeitlichen Diskretisierung der physikalischen Gleichungen. Heutige globale Klimamodelle zergliedern die Atmosphäre und die Ozeane in Gitterboxen mit einer horizontalen Maschenweite von ca. 200 km sowie einer vertikalen Auflösung von 100 m bis 10 km je nach Atmosphärenniveau. Der Zeitschritt beträgt meist drei bis fünf Minuten. Für regionale Fragestellungen wie den Klimawandel im subsaharischen Afrika kommen zunehmend auch regionale Klimamodelle zum Einsatz, die mit einem Gitterboxenabstand zwischen 7 und 100 km arbeiten und nur einen Ausschnitt der Erdoberfläche repräsentieren. Sie werden an den seitlichen Rändern mit den Daten aus globalen Klimamodellen oder Beobachtungsdatensätzen angetrieben. Die Gitterboxendarstellung impliziert, dass manche Prozesse im Klimasystem, die wie die Wolken- und Niederschlagsbildung auf der molekularen Skala ablaufen, nicht explizit berechnet werden können. Solche subskaligen Prozesse können durchaus einen markanten Einfluss auf die großräumigen Gebietseinheiten der Gitterboxen haben. Man denke nur an die Häufung von Gewitterzellen, die zu klein sind, um vom Klimamodell erfasst zu werden, aber durch den starken Niederschlag und die Verringerung der solaren Einstrahlung einen Effekt auf die großräumige Temperatur und Luftfeuchtigkeit besitzen. In den Klimamodellen werden die Effekte der subskaligen Prozesse durch so genannte Parametrisierungen beschrieben (PAETH 2006). Die Parametrisierungen basieren auf empirischen Werten, z.B. aus Messkampagnen, und stellen eine ganz wesentliche Quelle für die Unsicherheit von Klimamodellen dar. Man versucht, diesen Unsicherheiten dadurch Rechnung zu tragen, dass verschiedene Klimamodelle mit unterschiedlichen empirischen Parametern betrachtet werden.
Im Hinblick auf den Klimawandel in Afrika sind mehrere Sensitivitätsstudien mit einem hochauflösenden regionalen Klimamodell durchgeführt worden (PAETH 2005). Das regionale Klimamodell REMO umfasst den größten Teil Afrikas nördlich von 15° S sowie den Mittelmeerraum (vgl. Abb. 2.4) und rechnet mit einer Maschenweite von 0,5°. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass dieses Klimamodell die beobachteten Charakteristika des
Experimente mit einem regionalen Klimamodell
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Der Klimawandel in Afrika
afrikanischen Klimas in zuverlässiger Weise simuliert (PAETH et al. 2005). Die Sensitivitätsstudien mit REMO betreffen die folgenden selektiven Einflussfaktoren: * den Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen bis zum Jahr 2025 gemäß dem Emissionsszenario B2, * die Reduzierung der Vegetationsdecke durch Brandrodung und Ausweitung der Agrar- und Weideflächen, * den Prozess der Bodendegradation mit Verdichtung, verringerter Bodenfeuchte und erhöhtem Oberflächenabfluss, * alle drei Einflussfaktoren zusammen. Simulierte Niederschlagsänderungen
Abb. 2.4: Simulierte Niederschlagsänderungen im Sommerhalbjahr (Mai–Oktober; in mm) durch den Einfluss steigender Treibhausgaskonzentrationen, einer reduzierten Vegetationsdecke, des Prozesses der Bodendegradation bzw. aller drei Einflussfaktoren gemeinsam; die Werte kennzeichnen Differenzen zwischen einem Klimazustand, der um das Jahr 2025–2030 zu erwarten ist, und dem heutigen Klima (Entwurf: H. PAETH)
Die simulierten Veränderungen des Sommermonsunniederschlags sind für die verschiedenen Einflussfaktoren in Abbildung 2.4 dargestellt. Der Einfluss steigender Treibhausgaskonzentrationen geht einher mit einer merklichen Erhöhung der Monsunniederschläge in den meisten Regionen im tropischrandtropischen Afrika. Eine Ausnahme bilden das westliche Kongobecken und einige isolierte Gebiete an der westlichen Guineaküste. Der zugrunde liegende Mechanismus sieht wie folgt aus: Die Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Atlantik erwärmen sich durch den anthropogen verstärkten Treibhauseffekt und begünstigen die Feuchteanreicherung des Sommermonsuns, der in südwestlicher Anströmung auf Afrika den Kontinent mit feuchteren Luftmassen versorgt. Dieses Zukunftsszenario wäre vor dem Hintergrund der rezenten Saheldürren wohl als positiv zu bewerten. Demgegenüber führen sowohl die Reduzierung der Vegetationsdecke als auch die Bodendegradation zu einem deutlich trockeneren Klima fast überall in den niederen Breiten Afrikas. Vor allem die Vegetationsdegradation zeichnet sich durch ein räumlich homogenes Muster mit negativen Niederschlagsanomalien aus, deren Amplitude die positiven Effekte des verstärkten Treibhauseffektes in den meisten Regionen übertrifft. Die Wirkungsweise
Mögliche Folgen des zukünftigen Klimawandels
der Landdegradation betrifft in erster Linie das oben beschriebene lokale Wasserrecycling, welches durch die verringerte Evapotranspiration über den Landflächen teilweise unterbunden wird. Es ist unbestritten, dass beide Prozesse – Vegetations- und Bodendegradation – in Zukunft fortschreiten werden. Denn das Bevölkerungswachstum in Afrika erreicht weltweite Spitzenwerte von teilweise bis zu 4 % pro Jahr. Im Übrigen lässt sich die zunehmende Landdegradation bereits seit Jahrzehnten in Afrika beobachten. Nun stellt sich die Frage, ob im Zusammenspiel der diversen anthropogenen Einflussfaktoren die eher positiven Effekte des Treibhausgasanstiegs oder die negativen Effekte der Landdegradation überwiegen. Die Modellierung des gemeinsamen Einflusses aller Faktoren offenbart eine gewisse Überlagerung der Einzeleinflüsse (s. Abb. 2.4): Im subsaharischen Afrika, wo der Bevölkerungsdruck auf die natürlichen Ressourcen besonders groß ist, dominiert großflächig die Niederschlagsabnahme durch Landdegradation. Am Horn von Afrika, rund um das Mittelmeer und im Nahen Osten könnten in den nächsten Jahrzehnten hingegen höhere Niederschlagsmengen zu verzeichnen sein, die wohl im Wechselspiel mit den wärmeren Meeresoberflächen zu sehen sind. Das Klimamodell simuliert ferner eine deutliche Temperaturerhöhung von 1,5–2,5°C bis zum Jahr 2025 (PAETH/THAMM 2007). Dies ist dadurch zu erklären, dass eine reduzierte Vegetationsdecke und Bodenfeuchte neben einer Abnahme der Verdunstung auch eine Zunahme des fühlbaren Wärmestroms in die bodennahe Atmosphäre impliziert.
Kombiniertes Szenario
Simulierte Temperaturänderungen
Mögliche Folgen des zukünftigen Klimawandels Unter der Vorgabe einer fortschreitenden Landdegradation und Treibhausgaserhöhung verheißen die Klimamodellsimulationen für das zukünftige Klima Afrikas nichts Gutes. Insbesondere im tropischen Afrika und in der Sahelzone scheinen sich die klimatischen Rahmenbedingungen zu verschlechtern. Nach Aussage der Klimamodelle gehen die Niederschläge innerhalb weniger Jahrzehnte um 20–30 % zurück und die unteren Atmosphärenschichten erwärmen sich im Durchschnitt um 2°C. Damit könnte der anthropogene Klimawandel genau dort besonders dramatisch ausfallen, wo der Nutzungsdruck einer rasch wachsenden Bevölkerung in Zukunft stark zunehmen wird. Schon heute stößt die Ausweitung der Agrar- und Weideflächen an die Grenzen der Tragfähigkeit in der Sahelzone und den südlich angrenzenden randtropischen Gebieten. Es ist zu erwarten, dass diverse Stellgrößen in den Gesellschaftssystemen Afrikas durch einen weiteren Rückgang der Süßwasserverfügbarkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Erste Studien belegen beispielsweise die enge Verbindung zwischen dem landwirtschaftlichen Ertrag und den bodennahen Witterungsbedingungen während der sommerlichen Monsunperiode. Da die Landwirtschaft im subsaharischen Afrika kaum auf Technologien wie Bewässerungssysteme zurückgreifen kann und vor allem auf die Nahrungsmittelproduktion in Subsistenzwirtschaft ausgerichtet ist, könnte der simulierte Klimawandel die Grundernährung einer wachsenden Bevölkerung stark beeinträchtigen.
Pessimistische Zukunftsperspektive
Ernährungssicherheit
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Der Klimawandel in Afrika Krankheiten
Eine weitere mögliche Konsequenz aus den zu erwartenden Klimaänderungen betrifft die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria. Trockenere Bedingungen in der Sahelzone könnten das Auftreten der Malaria zwar eindämmen, gleichsam würden aber dicht besiedelte Regionen im afrikanischen Hochland zu Hochrisikogebieten werden, wenn dort die Ausbreitung der Malaria durch höhere Temperaturen begünstigt wird. Darüber hinaus lassen sich im Zuge des erwarteten Klimawandels viele weitere negative Implikationen für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Menschen in Afrika erahnen, die die Entwicklungsperspektiven des gesamten Großraumes nachhaltig verschlechtern.
Perspektiven im Klimaschutz Nationaler Handlungsspielraum
Die dominante Rolle der Landdegradation im Klimageschehen Afrikas birgt natürlich auch einen gewissen politischen Handlungsspielraum für die betroffenen Staaten. Während die wenig industrialisierten Länder im subsaharischen Afrika kaum zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen beitragen und somit auch kaum Einfluss auf die Einhaltung der internationalen Emissionsreduktionsziele des Kyoto-Protokolls besitzen (IPCC 2007), ließen sich durch angepasste regionalplanerische Maßnahmen durchaus auf der nationalstaatlichen Ebene Erfolge in der Eindämmung der Landdegradation erzielen. Solche Maßnahmen müssten den Schutz verbleibender Waldareale, eine kontrollierte Ansiedlung und landwirtschaftliche Inwertsetzung sowie eine Effizienzsteigerung in der Nahrungsmittelproduktion durch Bewässerungssysteme, Düngemitteleinsatz und verbesserte Sorten beinhalten. Gleichzeitig müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden, um das enorme Bevölkerungswachstum einzudämmen.
Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika: Eine kontinentale Entwicklungshypothek STEFFEN NIEMANN OLIVIER GRAEFE
Abb. 3.1: Die für große Teile der Bevölkerung Afrikas, vor allem für Frauen und Kinder, tägliche Arbeit des Wasserholens von gemeinschaftlich genutzten Anschlüssen oder Brunnen bindet enorm viel Zeit (Foto: S. NIEMANN)
„Bei uns im Sahel“, so wird der langjährige Präsident des Senegal, Abdou Diouf, verschiedentlich zitiert, „haben wir drei Probleme: Das erste ist Wasser, das zweite ist Wasser und das dritte ist Wasser.“ – Wenngleich in Afrika die Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit Wasser seit mehreren Jahrzehnten einen Kernbereich nationalen und internationalen Engagements bildet, fehlt südlich der Sahara noch immer rund 300 Mio. Menschen (rd. 43 % der dort lebenden Bevölkerung) eine hinreichende Wasserversor-
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
Problemräume
Räumliche Disparitäten
gung (HUMAN DEVELOPMENT REPORT 2006), haben sich in manchen Staaten die Lebensbedingungen gegenüber 1995 gar verschlechtert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts litten 14 der 53 afrikanischen Staaten an Wassermangel, hierbei definiert als ein rechnerisches Pro-Kopf-Dargebot von weniger als 1700 m3 je Jahr – für die kommenden 25–30 Jahre wird ein Anwachsen dieser Staatengruppe auf 25 erwartet (vgl. UNEP 2002). Dass und inwieweit die Versorgung mit dem in Mitteleuropa oftmals so selbstverständlich erscheinenden Gut auch eine Frage der Politik ist, wird gerade auch in Afrika mit seinem ungleich vorhandenen Dargebot und seinen hiervon oft unabhängigen Standards der Wasserversorgung offensichtlich (NIEMANN/GRAEFE 2006). In den Trockengürteln Afrikas gelegen, sind insbesondere die Staaten des Sahel sowie des südlichen Afrika wachsenden Problemen der Wasserversorgung ausgesetzt. Genährt durch das anhaltende natürliche Bevölkerungswachstum von 2,5 % (für den gesamten Kontinent) und die Meldungen über die globale Klimaerwärmung werden somit vor allem für Nordafrika, die Anrainer des Nils sowie für das südliche Afrika wachsende Konflikte um die kostbare Ressource diskutiert. Die Problematik wird bei einem kurzsichtigen Blick auf die gesamtkontinentale Niederschlagssituation nicht deutlich, erweist sich diese doch mit durchschnittlich etwa 670 mm je Jahr als relativ moderat, auch das durchschnittliche Pro-Kopf-Dargebot liegt mit 5720 m3/ Ew./Jahr in Afrika nur geringfügig unter dem weltweiten Durchschnitt von 7600 m3/Ew./Jahr (vgl. UNEP 2002). Hier zeigt sich die Schwierigkeit einer oftmals vorgenommenen Verallgemeinerung. Legitimerweise ist es nicht möglich, von den Wasserproblemen Afrikas zu sprechen. Die Unterschiede sowohl zwischen den Staaten, die sehr verschiedenen Klimazonen angehören, wie auch innerhalb dieser zwischen städtischen und ländlichen Regionen erfordern eine differenzierte Betrachtung. Niederschläge sind nicht nur räumlich bekanntermaßen höchst ungleich verteilt, sondern weisen auch eine hohe Saisonalität und interannuelle Variabilität auf – ein Charakteristikum, welches im Zuge des globalen Klimawandels eine zusätzliche Verschärfung erwarten lässt. So ist beispielsweise der Tschadsee, die Wasserquelle von immerhin etwa 20 Mio. auf sechs Staaten verteilten Menschen, während der letzten vier Jahrzehnte um 95 % seiner ehemaligen Fläche geschrumpft (vgl. UNEP 2002). Vergleicht man die Bevölkerungsverteilung und -dichte in den einzelnen Teilräumen des afrikanischen Kontinents mit einer Darstellung von Gewässernetz und Niederschlagsmengen, so zeigt sich, dass vor allen Dingen die (hinsichtlich des Wasserdargebots) gemäßigten Zonen eine dichtere Besiedlung aufweisen. Dabei besteht kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Niederschlagssummen und dem hieraus resultierenden natürlichen Wasserdargebot einerseits und der Qualität der Wasserversorgung, also dem Grad der tatsächlichen Wasserverfügbarkeit für den Einzelnen, andererseits. In Nord- wie auch in Westafrika weisen benachbarte (und folglich mit vergleichbaren physisch-geographischen Voraussetzungen ausgestattete) Länder sehr unterschiedliche Werte hinsichtlich des Wasserversorgungsgrades der Bevölkerung auf. In der DR Kongo, mit knapp einem Viertel der internen erneuerbaren Süßwasservorräte des Kontinents der wasserreichste Staat Afrikas (vgl. UNEP 2002), ist die Wasserversorgungssituation wesent-
Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
lich schlechter als in ariden Staaten wie beispielsweise Algerien, Ägypten oder auch Namibia. Wasserarmut ist, so zeigt sich hier, nicht nur eine Frage der Ausstattung eines Raumes mit zur Verfügung stehenden Wasserressourcen. Geodeterministische Ansätze greifen damit zugleich in der Erklärung bestehender Probleme bezüglich der Ressource Wasser zu kurz. Wasserverfügbarkeit erweist sich stattdessen jenseits hydrologischer Ausstattungsmerkmale als ein Ergebnis von Investitionen, unter anderem für den Bau und die Wartung der notwendigen Infrastruktur, der Organisation und des Managements der Anlagen bzw. der damit beauftragten Institutionen, letztlich also als Resultat der machtpolitischen Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft (vgl. GRAEFE 2006). Hierbei zeigt sich auf der Ebene der Haushalte eine enge Beziehung zwischen dem eingeschränkten Zugang zu Wasser und niedrigem Einkommen. In vielen Städten wie auch in ländlichen Räumen südlich der Sahara liegen die Ursachen bestehender Probleme oftmals im fehlenden Kapital begründet, aber auch im fehlenden politischen Willen, notwendige Investitionen zu tätigen und die Verwaltung der Wasserversorgung zu verbessern. Erforderliche Infrastruktur ist entweder nicht vorhanden oder veraltet. Als Folge hiervon muss die Bevölkerung immer mehr Zeit aufwenden, um den täglichen Bedarf an sauberem Trinkwasser decken zu können.
Abb. 3.2: Afrika, Niederschlagsverteilung
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
Abb. 3.3: Afrika, Bevölkerungsdichte
Abb. 3.4: Afrika, Wasserversorgungsgrad
Städtische Räume
Städtische Räume Mehr als andere Großräume der Erde wird Afrika von rezenten Verstädterungsprozessen geprägt. Ein extremes Beispiel, in dem freilich die Dynamik des beschriebenen Prozesses drastisch veranschaulicht wird, ist die nigerianische Küstenstadt Lagos. Seit 1950, also binnen nur zweier bis dreier Generationen, wuchs deren Einwohnerzahl von seinerzeit 300.000 auf mittlerweile über 10 Mio. an. Auf dem gesamten Kontinent, der derzeit mit 3,5 % im Jahr die weltweit höchsten Verstädterungsraten aufweist, leben fast 40 % der Bevölkerung in Städten. Der Anteil der Stadtbevölkerung wird bis 2030 ungefähr 54 % erreichen (GLOBAL REPORT ON HUMAN SETTLEMENTS 2005). Diese schnell voranschreitende Verstädterung wird von einer Polarisierung der urbanen Gesellschaft und einem wachsenden Anteil der Armen an der städtischen Bevölkerung begleitet. Damit stellt sich das Problem der Trinkwasserversorgung dort in ganz eigener Weise, bedeutet die Ausweitung der Wasserversorgung für alle Bewohner sowie ihre Finanzierung eine der größten Herausforderungen für die Kommunal- und Regionalverwaltungen (NIEMANN/GRAEFE 2006). Nur Teile der Stadtbevölkerung Afrikas sind an ein Wasserverteilungsnetz angeschlossen, in Westafrika z.B. liegt die Anschlussrate insgesamt unter 50 %. Doch selbst ein Wasserhahn sichert keineswegs einwandfreies Wasser – die technischen Anlagen der Wasseraufbereitung und die Rohrleitungen sind oft veraltet und ungenügend gewartet. Unterbrechungen der Wasserversorgung sind in den meisten Städten keine Seltenheit, sei es als Reaktion auf Zahlungsrückstände der Verbraucher, als Sparmaßnahme beabsichtigt oder technisch bedingt infolge von ausgefallenen Pumpen bzw. Lecks in der Wasserleitung – letztere werden in den Großstädten Afrikas für den Verlust von durchschnittlich 39 % des Wassers verantwortlich gemacht (vgl. CLARKE/ KING 2004). So variiert der Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu sauberem Trinkwasser sehr stark: in Kapstadt beispielsweise sind dies 95 %, in Luanda hingegen nur 29 % der Bewohner. Quantitative Angaben zum Wasserverbrauch sind für die mehrheitlich ohne Wasseranschluss lebende Bevölkerung selten, sie sind aber auch für den angeschlossenen Teil schwierig zu berechnen. Hohe Disparitäten im Wasserkonsum innerhalb einer Stadt zeigen sich beispielsweise in Namibias Hauptstadt Windhoek: Reiche, mit Swimmingpool und tropischem Garten ausgestattete Haushalte weisen nicht selten einen Verbrauch zwischen 600 und 800 l pro Tag und Person auf, im Gegensatz dazu verbrauchen Personen in den informellen Siedlungen der Stadt im Durchschnitt ca. 20 l pro Tag. Neben den Unterschieden im Zugang zu Wasser und im Wasserverbrauch bestehen hohe Disparitäten auch in den Wasserpreisen. So bezahlen die Armen für das Wasser oft ein Vielfaches dessen, was die über einen privaten Wasseranschluss verfügenden Bewohner aufwenden. In Ouagadougou kostet z.B. das von einem privaten Wasserverkäufer bezogene Wasser das fünf- bis sechsfache des über einen privaten Wasseranschluss verteilten Wassers (NIEMANN/GRAEFE 2006). Diese multiplen Disparitäten in der Wasserversorgung können nicht nur mit der schnellen Verstädterung begründet werden. Die Ausweitung des Leitungssystems über zum Teil sehr weite Strecken aufgrund einer lichten
Verstädterung
Multiple Disparitäten
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
Bebauung und der sich immer weiter in die Fläche ausdehnenden Suche nach billigem Baugrund sowie die Vervielfachung der Anschlüsse in den informellen Siedlungen erhöhen die Kosten in einer Zeit, in der die finanzielle Situation der afrikanischen Staatshaushalte zumeist ohnehin in der Krise ist.
Wasserversorgungspolitik Strukturprogramme
Privatisierung des Wassermarktes
Für die meisten Staaten Afrikas stellte sich das Problem der Versorgung einer wachsenden Anzahl von städtischen Bewohnern seit den 1980er-Jahren im Kontext einer wachsenden Verschuldung. Die folgenden, von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds als Bedingung für neue Kredite auferlegten Strukturanpassungsprogramme mit Maßnahmen wie Liberalisierung der Wirtschaft, Reduzierung staatlicher Subventionen, Privatisierung staatlicher Unternehmen, Reduzierung des Staatsapparates und Rückzug des öffentlichen Dienstes aus dem Bildungs- und dem Gesundheitsbereich wirkten sich auch auf den Wassersektor aus. Die Investitionen für die Infrastruktur sowie die Wartungskosten der bestehenden Anlagen und die Personalkosten wurden reduziert, die direkte und indirekte Subventionierung der Wasserpreise eingeschränkt, in manchen Städten wurde die Wasserversorgung in verschiedenen Formen seit dem Beginn der 1990erJahren privatisiert. In ihrer Logik sollten diese Reformen zuerst Märkte aufbauen. Ziele des Verbraucherschutzes oder gar die Versorgung bisher unterversorgter Bevölkerungsgruppen in den Städten gerieten damit in den Hintergrund. Die von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds verfolgte Politik der vollen Kostendeckung sollte den Wassersektor vielmehr für Investoren attraktiv gestalten, um Privatkapital für den Ausbau und die Instandsetzung der Infrastruktur anzulocken. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive haben diese Maßnahmen zumindest zu Teilerfolgen geführt. Mit relativ geringem Aufwand und nach nur kurzer Zeit konnten die Reformen zu einer Qualitätssteigerung der existierenden Wasserversorgung in den Städten führen. Private Vertragsunternehmen haben gezeigt, wie existierende Infrastruktur besser ausgelastet werden könnte. Die Produktivitätssteigerung bewirkte an vielerlei Orten eine Erhöhung der Einkünfte, und die Tendenz zum Ausgleich der Haushaltslage wurde erkennbar. Doch diese Managementerfolge waren nicht ausschließlich auf die Leistungsstärke der Reformen zurückzuführen, sondern vor allem auf die zum Teil desolate Ausgangssituation in den Städten. Vielfach war die Verwaltung der öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen von Nepotismus, Korruption und Klientelismus geprägt, was oftmals die oberen und mittleren Einkommensschichten begünstigte (NIEMANN/GRAEFE 2006). Die Erfahrungen in Afrika wie in anderen Entwicklungsländern zeigen, dass Versuche der Privatisierung hohe Hürden zu überwinden haben und in der Vergangenheit vielfach gescheitert sind. Zu hoch waren die notwendigen Investitionen sowie die Risiken in den meisten Ländern und zu gering gestalteten sich die kurz- bzw. mittelfristigen Gewinne in einem zahlungsschwachen bzw. -unwilligen gesellschaftlichen Kontext. Nachdem die ländlichen Gebiete seit jeher in keiner Weise das Interesse privater Wasserver-
Wasserversorgungspolitik
sorger zu wecken vermocht haben, gilt dieses mittlerweile verstärkt auch wieder für die städtischen Ballungszentren. Namentlich durch dieses privatwirtschaftliche Engagement aber wurde nun das Modell der allgemeinen und einheitlichen Dienstleistung und somit die Politik des privaten Wasseranschlusses für alle aufgegeben, zugleich das Konzept des Angebotsmanagements durch das Nachfragemanagement ersetzt. Beides bringt eine wachsende Differenzierung und Anpassung der Wasserversorgung an den „Kunden“ mit sich, der somit auch nicht mehr einfacher Nutzer ist. Das größte Problem liegt nun in der Versorgung solcher Stadtteile mit einem hohen Anteil von Armen. Wie sollen die hohen (einmaligen) Anschlusskosten und vor allem die stetigen Verwaltungskosten dieser Kundschaft finanziert werden? Unterschiedliche Anschlusstypen wie ein Wasserhahn im Haus, auf dem bebauten oder unbebauten Grundstück oder der pre-paid Wasserzähler sind technische Lösungsmöglichkeiten mit allerdings zweischneidigen Erfahrungen. Das oft bedauerte Problem der Zahlungsmoral ist damit nicht gelöst und wurde bisher vielfach nur zögernd angegangen. Die Fragen der politischen Legitimität und der oft als „in die eigene Tasche wirtschaftend“ und korrupt angesehenen Verwaltungen behindern die Formierung eines neuen Verhältnisses zwischen Nutzer und Dienstleistungsanbieter, das die Wasserversorgung wirtschaftlicher gestalten könnte. Die Aufgabe des Staatsmonopols in der Wasserversorgung, das Dogma der vollständigen Kostendeckung, die Liberalisierung des Wassermarktes sowie die Anpassung des Angebotes an die unterschiedlichen Verbrauchergruppen brachte eine Vervielfachung der im Wassersektor tätigen Akteure, der Versorgungssysteme und der Versorgungsqualitäten mit sich. Mancher-
Segmentierung des Wassermarktes
Abb. 3.5: Probleme um Trinkwasser stehen heute vielfach im Zusammenhang mit Machtverhältnissen und Zugangsbedingungen und resultieren weniger aus einem unzureichenden Dargebot (Foto: O. GRAEFE)
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orts betreiben in den formellen und von zahlungskräftigen Kunden bewohnten Stadtvierteln und in Industriegebieten multinationale Unternehmen die Wasserversorgung, die bisher aktiven informellen Wasserhändler werden vertraglich gebunden bzw. legalisiert. Lokale Vereinigungen, NGOs oder Teile der städtischen Verwaltung übernehmen die Wasserverteilung in bestimmten Stadtvierteln, Wasserkomitees sind für die Wartung und Bezahlung der nun vermehrten „öffentlichen“ Wasserstellen verantwortlich, gewählte oder ernannte Wasserwärter betreiben Zapfanlagen oder Brunnen und treiben die Rechnungen ein. Trifft diese Vervielfachung der Betreiber auf eine besonders schwache Regulierungsinstanz, so bestehen nebeneinander sehr unterschiedliche Versorgungssysteme mit entsprechend unterschiedlichen, jeweils dazu gehörenden Preisen für das gleiche Wasser. Es besteht dabei nicht nur die Gefahr einer Segmentierung des „Marktes“, auch wird jegliche Möglichkeit der Quersubventionierung und der innerstädtischen Solidarität verhindert – mit allen hieraus folgenden Konsequenzen für das städtische Zusammenleben. Welches Wasser die Bewohner bekommen und wie viel sie dafür zu bezahlen haben, hängt also maßgeblich davon ab, welcher gesellschaftlichen Gruppe bzw. welcher Einkommensschicht sie angehören.
Wassertransfer Wasserumverteilung
„Doppelte“ Kausalkette
Zunehmende Verstädterung bedeutet neben einem flächenmäßigen Anwachsen der Städte auch eine zunehmende Konzentration der Bevölkerung einer Region auf Teilräume, die für sich betrachtet nicht die nötigen Ressourcen bereithalten, um eine solche Anzahl von Nutzern nachhaltig versorgen zu können. Die Verteilung der Bevölkerung und somit der Nachfrage folgt also kaum mehr den Standorten des Rohstoffangebotes. Dies bedingt in immer stärkerem Maße eine anpassende Konzentration in der Versorgung, also ein „Nachliefern“ dieser Ressourcen vom Ort des Angebots zu dem der Nachfrage. Die praktische Umsetzung dessen in Fragen der Wasserversorgung ist der Wassertransfer mittels Kanälen, Pipelines o.Ä., welcher mit zunehmender Nutzerzahl einerseits und verbesserten technischen Möglichkeiten andererseits aus einem immer weiter gefassten Umland geleistet werden muss. Größere Wassertransfers werden, so lässt sich schon heute absehen, zukünftig eines der wichtigsten Mittel sein, um in den wachsenden Ballungsräumen der Erde Versorgungsengpässe zu vermeiden – wir sind dabei, in den natürlichen Wasserkreislauf ein menschengemachtes Netz der Wasserumverteilung einzufügen (PEARCE 2006, S. 219f.; NIEMANN 2005, S. 89). Mit der vielschichtigen Vormachtstellung der Städte gegenüber ihrem jeweiligen Umland wird so die Versorgung der Städte zunehmend zum Konfliktfall. Hierbei wird der ursächliche Trend zur Bevölkerungskonzentration durch eine „doppelte“ Kausalkette gestärkt: So führt die Bevölkerungskonzentration zu einem wachsenden Bedarf für nachliefernde Versorgung. Der hieraus erwachsende Bedarf für die Entwicklung technischer Neuerungen zieht eine Zunahme der potenziellen Reichweite von Wassertransfers nach sich, wodurch dann die technischen Voraussetzungen für die Versorgung noch
Wassertransfer
intensiverer Bevölkerungskonzentrationen gegeben sind. Gleichzeitig bedeutet die nachliefernde Versorgung eine entsprechende Konzentration in der Versorgungsinfrastruktur, mithin also den Rückbau bzw. Verfall der Infrastruktur zur Versorgung einer dispers verteilten Bevölkerung – in der Regel werden durch die (mit hohem Kapitaleinsatz verbundene) Infrastruktur primär solche Teilgebiete erschlossen, in denen die Nachfrage in überdurchschnittlichem Maße gegeben, also die Bevölkerungsdichte entsprechend hoch ist. Der zunehmende Anstrengungsbedarf zur Versorgung einer dispersen „Restbevölkerung“ zieht eine Zunahme räumlicher Disparitäten nach sich, welche ihrerseits einer weiteren Konzentration der Bevölkerung Vorschub leistet. Mit zunehmender (räumlicher) Konzentration in der Bevölkerungsverteilung wächst zugleich der Grad der unterschiedlichen Funktionszuweisung bzw. funktionalen Ausdifferenzierung einzelner Räume in Regionen der Gewinnung bzw. Entnahme einer Ressource einerseits sowie der Nutzung jener Ressource andererseits. In diesem Zusammenhang ist jüngst – in Übertragung aus der Glazialmorphologie – die analytische Unterscheidung von Nährgebiet und Zehrgebiet vorgeschlagen worden (NIEMANN 2008). Die besonderen Beziehungen zwischen Nähr- und Zehrgebiet eines Versorgungsraumes lassen sich am Beispiel des nördlichen Namibia demonstrieren – dies ist die am dichtesten bevölkerte Region im trockensten Staat des subsaharischen Afrika, somit manifestieren sich sozialökologische Problemlagen der Wasserversorgung hier in herausragender Weise.
Wasserversorgung im nördlichen Namibia Die Wasserversorgung der Bevölkerung dieses Raumes wird durch die zwei Flussläufe Kunene und Cuvelai geprägt. Beide entspringen im benachbarten Angola und fließen von dort gen Süden in Richtung Namibia. Der Kunene mündet, nachdem er zuvor auf einer Strecke von etwa 200 km die angolanisch-namibische Grenze bildet, schließlich in den Atlantik. Der weiter östlich gelegene Cuvelai hingegen überquert die Staatengrenze, jenseits derer er als nurmehr episodisch wasserführendes Delta versickert bzw. in die Etosha-Pfanne mündet. Dort, am namibischen Unterlauf des Cuvelai, erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit der lebensnotwendigen Ressource Wasser seit den 1970er-Jahren weitenteils über ein auf angolanischem Territorium entspringendes, vom benachbarten Kunene gespeistes Kanal- und Pipelinesystem. Maßgeblich von deutscher und internationaler Entwicklungszusammenarbeit unterstützt, strebt Namibia gegenwärtig in der bilateralen, wasserbezogenen Zusammenarbeit mit Angola nach einer Verlängerung des Fernleitungsnetzes in benachteiligte Regionen im südlichen Angola. Dies erscheint vordergründig paradox, wird dadurch doch die Nutzerzahl des durch das Fernleitungsnetz gelieferten Wassers zusätzlich erhöht. Tatsächlich jedoch treten die namibischen Akteure damit angolanischen Erwägungen, jahrzehntelang infolge kriegerischer Auseinandersetzungen ungenutzte Bewässerungsanlagen am Oberlauf des Kunene zu reaktivieren, entgegen. Das damit erzielte zusätzliche Einbinden angolanischer Nutzer in das Versorgungssystem verändert zwar nicht unmittelbar die Situation im Nährgebiet; sie bedeutet jedoch eine Verlagerung der räumlichen Grenzen des Zehrgebiets auf bislang hiervon unberührte, auf angolanischem Territorium liegende Räume. Angola erhält somit ergänzend zu der bereits bestehenden, strategisch mächtigen Rolle des Oberliegers auch die strategisch benachteiligte Rolle eines „Unter-Unterliegers“ des Flus-
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ses. Dies mag vordergründig einen empirischen Sonderfall im Kontext spezifischer politischer, topographischer und wasserbautechnischer Voraussetzungen darstellen – zugleich aber kann man dies auch als eine Form des praktischen Auswegs aus dem Dilemma komplex vernetzter Versorgungsteilräume begreifen. Im Widerspruch zu einem ansonsten vielfach bestimmenden Konkurrenz-Dogma lässt sich die Sicherung der eigenen Versorgung mit einer Ressource also auch dadurch erzielen, dass man auf der Grundlage derselben Ressource (sic!) die – bis dato unbefriedigende – Versorgung anderer erreicht.
Abb. 3.6: Karte des Wasserversorgungsnetzes im Norden Namibias
Mit dem namibischen Beispiel ist zugleich eine Reform angesprochen, die unter dem Stichwort „Integriertes Wasserressourcen-Management“ (IWRM) seit den 1990er-Jahren in Afrika wie in anderen Teilen der Welt eine stärkere Vernetzung der Wasserbewirtschaftung mit ökologisch hiermit verbundenen Sektoren anstrebt und dabei dem hydrologischen Einzugsgebiet eines
Ländliche Räume
Gewässers als (ggf. grenzüberschreitende) Bewirtschaftungseinheit eine neue Bedeutung beimisst (vgl. NIEMANN 2005). So folgen neuartige regionale Kooperationen in Form von Flussgebietsorganisationen wie beispielsweise der „Nile Basin Initiative“ dem Ziel, zwischenstaatliches Konfliktpotenzial abzubauen. In Afrika gibt es 50 größere Wasserbecken mit zwei oder mehr Anrainerstaaten.
Ländliche Räume In ländlichen Gebieten ist die Dichte der Wasseranschlüsse geringer, entsprechend länger sind die Wege, die zurückgelegt werden müssen, um sich mit dem kostbaren Nass zu versorgen. Die Last des Wassertragens liegt v.a. auf den Schultern (bzw. Köpfen) der Frauen und Kinder. Etwa 40 Mrd. Stunden werden in Afrika jedes Jahr für diese Tätigkeit aufgewendet und gehen somit für andere Beschäftigungen wie beispielsweise Schulbildung verloren. Ein weiterer Unterschied neben der Versorgungsdichte liegt freilich in der Technik. Angesichts des wesentlich höheren Anteils von (hygienisch teilweise bedenklichen) Brunnen gelten im subsaharischen Afrika zwar 77 % der in Städten lebenden Bevölkerung, aber nur 39 % der in ländlichen Regionen lebenden Menschen als ausreichend mit sauberem Trinkwasser versorgt (die entsprechenden Werte für eine befriedigende Abwasserentsorgung liegen bei 70 bzw. 35 %). Diese besonders problematische Situation der ländlichen Trinkwasserversorgung kann über verschiedene Zusammenhänge erklärt werden. Die ärmeren Bevölkerungsgruppen im ländlichen Raum, wie z.B. Kleinbauern und Nomaden, leben in peripheren und besonders trockenen Gebieten, die starken saisonalen Schwankungen des Grundwasserspiegels ausgesetzt sind. In Gebieten wie dem Norden Kenias, Nigerias, Nigers und Malis trocknen viele Brunnen aus und zwingen die Bewohner, längere Strecken zurückzulegen, um den täglichen Bedarf zu decken. Die Folge ist eine Erhöhung des Zeitaufwands bzw. die Reduzierung der jeweils geholten Mengen. Ein weiterer Grund für die Unterversorgung der ländlichen Bevölkerung liegt in der Organisation des Wassermanagements, vor allem in ariden Gebieten, in denen der technische und finanzielle Aufwand groß und somit ein erhöhter Einsatz der Bevölkerung gefordert ist. In diesen ländlichen Räumen ist oft die lokale Gemeinschaft oder die ländliche Gemeindeverwaltung für den Bau der Brunnen und den Ausbau des Versorgungssystems zuständig. Doch diese oftmals kaum kontrollierten und über nur wenig Erfahrung hinsichtlich ihrer Rechenschaftspflicht verfügenden Instanzen verhindern vielerorts eine Gleichversorgung der gesamten Bevölkerung ungeachtet ihrer sozialen oder ethnischen Hintergründe (HUMAN DEVELOPMENT REPORT 2006). Im Hohen Atlas am Nordrand der Sahara zum Beispiel wurden ärmere Dörfer, deren Bevölkerung aus den Nachkommen von Sklaven besteht, wiederholt von der Gemeindeverwaltung in ihrer Entscheidung über den Bau neuer Brunnen diskriminiert (GRAEFE 2006). Es ist dies auch ein Beispiel dafür, wie sozial schwache Bevölkerungsgruppen – besonders jene, die sich am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie befinden – auf Entscheidungen der Verwaltung bezüglich Ressourcenallokation und entsprechen-
Marginalisierung
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
der Investitionsmaßnahmen in der Regel nur sehr wenig politischen Einfluss nehmen können. Zahlreiche Regierungen und die internationale Gebergemeinschaft haben in den letzten Jahren das Ungleichgewicht zwischen der ländlichen und städtischen Trinkwasserversorgung erkannt und finanzieren Hilfsprogramme in mehreren Ländern Afrikas. So konnte beispielsweise in Marokko über das unter anderem durch KfW und Weltbank finanzierte Programm PAGER (Programme d’Approvisionnement Groupé en Eau Potable des Populations Rurales) die Versorgungsrate der ländlichen Bevölkerung von 14 % im Jahr 1994 auf 77 % Ende 2006 angehoben worden. Derlei statistische Angaben berücksichtigen freilich nur den möglichen Zugang zu Trinkwasser, nicht hingegen die tatsächliche Nutzung der neuen Wasserquellen. Auch hier gilt das Dogma der Kostendeckung, und dies in einem Raum, der bisher nur in Teilen von der Monetarisierung öffentlicher Dienstleistungen betroffen war. Durch die Monetarisierung des Wassers soll die Versorgung der ländlichen Bevölkerung auch in Zukunft autonom bewältigt werden. Bereits die Installation der nun notwendig gewordenen Wasserzähler konfrontiert zahlreiche Haushalte mit finanziellen Problemen. Für die ärmsten Haushalte liegt die monatliche Wasserrechnung oft jenseits ihrer finanziellen Möglichkeiten. Überspitzt formuliert haben in den Dörfern nur noch jene Durst, die sich das Wasser nicht leisten können, während reiche Familien ihre Haustiere mit Brunnenwasser tränken können. Mit dieser Monetarisierung wird der Zugang zu Wasser mit ökonomischem Kapital in Zusammenhang gebracht und bricht die bisherige relative soziale Gleichheit gegenüber der Ressourcenverfügbarkeit (vgl. NIEMANN 2002 und GRAEFE 2006). Die Versorgungsdisparitäten in den Dörfern und lokalen Gemeinschaften birgt hier ein hohes Potenzial an sozialen Spannungen, und die ländlichen Gesellschaften werden nun neue Mechanismen des Ausgleichs und der Solidarität entwickeln müssen, um die aufkommenden lokalen Konflikte zu schlichten. Neben den wie beschrieben immensen Herausforderungen der Trinkwasserversorgung der Bewohner auch des ländlichen Raumes müssen jene Regionen zugleich als Ort des größten Wasserverbrauchs angesehen werden, entfallen in Afrika doch etwa zwei Drittel allen genutzten Wassers auf die Bewässerungslandwirtschaft. Wenngleich diese vielfach erst während oder nach der Kolonialzeit begonnen wurde, hat ihr Flächenausmaß in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts doch einen enormen Zuwachs erfahren (vgl. CLARKE/KING 2004) – mit ca. 12 Mio. ha Bewässerungsfläche entsprach ihr Anteil im Jahr 1995 etwa 10 % der insgesamt in Afrika genutzten Agrarfläche. Die dort angebauten Feldfrüchte wie Erdnüsse, Baumwolle (Westafrika), Zuckerrohr und Getreide (Südafrika) sind dabei vielfach für den Export bestimmt.
Gesundheit Gesundheitsindikatoren
Die beschriebenen ungleichen Zugangsbedingungen zu sauberem Trinkwasser spiegeln sich insbesondere auch in den Gesundheitsindikatoren wider – neben Körperhygiene und Abwasserentsorgung bzw. sanitären Einrichtungen ist die Trinkwasserversorgung eine Grundvoraussetzung für die
Perspektiven
Verbesserung der Gesundheit. Ein anschauliches Beispiel für die Verbindung von sauberem Trinkwasser und Gesundheit ist die nahezu vollkommen erreichte Ausrottung des Guineawurms (Dracunculiasis) im subsaharischen Afrika. Von diesem Parasiten, der über das Trinkwasser in den Körper gelangt, waren in den 1980er-Jahren noch ca. 3,5 Mio. Menschen befallen; mittlerweile ist er in Afrika kaum mehr vorhanden (HUMAN DEVELOPMENT REPORT 2006). Über die Hälfte aller Krankheiten in Afrika sind direkte oder indirekte Folge einer unzureichenden Versorgung mit sauberem Wasser bzw. fehlenden sanitären Einrichtungen. Allein die Malaria fordert jährlich nahezu eine Million Todesopfer unter der afrikanischen Bevölkerung, die Zahl der Infektionen liegt bei 300–500 Mio. (vgl. CLARKE/KING 2004 sowie WHO 2008). Die zunehmende Mobilität, Resistenzbildung und neue Erreger, Klimaänderung, Armut sowie auch die Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft erleichtern die Ausbreitung von Durchfallerkrankungen, Malaria, Bilharziose, Cholera, Flussblindheit und anderer wasservermittelter Infektionskrankheiten. Das Problem liegt dabei nicht nur in der Erkrankung selbst, es schafft daneben über den Ausfall ansonsten produktiver Bevölkerungsgruppen und den gesteigerten Bedarf für medizinische Versorgung enorme volkswirtschaftliche Folgewirkungen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge könnte durch eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung die Zahl der Durchfall-Krankheitsfälle um bis zu 25 % gesenkt werden.
Perspektiven Gemäß den auf dem UN-Gipfel von Johannesburg im Herbst 2002 beschlossenen Millennium Development Goals (MDG) soll bis zum Jahr 2015 in jedem Land der Welt der Anteil der Bevölkerung ohne gesicherte Wasserversorgung wie auch derjenige ohne gesicherte Abwasserentsorgung halbiert werden. Inwieweit solche Vorgaben freilich umsetzbar sind, entscheidet sich weniger auf einer globalen als vielmehr auf der regionalen und lokalen Maßstabsebene: Für das gesamte subsaharische Afrika konnte zwischen 1990 und 2002 der Bevölkerungsanteil mit sicherer Trinkwasserversorgung von 49 auf 58 % gesteigert werden; fokussiert man in der räumlichen Betrachtung jedoch beispielsweise den Staat Tansania, so fällt eine Steigerung von 38 auf 73 % ins Auge. Entsprechend der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen der Staaten Afrikas in hydrologischer wie auch in ökonomischer und politischer Sicht muss die Erreichbarkeit also differenziert beurteilt werden. So hängt die Ausweitung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser nicht nur von den finanziellen Möglichkeiten der Bevölkerung ab, sich an den Kosten dieser Versorgung zu beteiligen. Die Frage ist auch, inwieweit die Gesellschaften bzw. die entsprechenden Institutionen fähig sind, dieses finanzielle Potenzial tatsächlich zu mobilisieren. Nachdem Wasserarmut mittlerweile seit mehr als 20 Jahren als Hindernis für die Entwicklung thematisiert wird, hat aktuell etwa die Hälfte der Staaten Afrikas eine Strukturreform im Wassersektor entweder eingeführt oder arbeitet aktiv an ihr. Diese Reformen betreffen neben der Kommerzialisierung und dem Wandel von der Angebotsorientierung zur Nachfragesteu-
Verbesserungschancen
Ambivalenz der Gesamtentwicklung
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Die ungleiche Wasserversorgung in Afrika
erung insbesondere eine stärkere Verknüpfung mit Fragen der Landnutzung und Regionalentwicklung. Dabei offenbaren sich zum Teil gegenläufige Tendenzen: Während in manchen Städten eine Segmentierung der Marktund Entscheidungsstrukturen (separate Bewirtschaftung der einzelnen Sektoren, Vervielfachung der Akteure, überlappende und konfligierende Entscheidungsinstanzen) zu beobachten sind, multiplizieren sich die Bemühungen zur sektoralen Vernetzung und politischen Zusammenarbeit auf der nationalen und internationalen Ebene. Angesichts hohen Bevölkerungswachstums sowie gleichzeitigen Rückzugs des Staates bzw. anhaltenden politischen Machtdefizits vieler Regierungen ist offen, wie die Gesellschaften in Afrika die vielerorts bestehende Wasserarmut unter Kontrolle halten und Konflikte vor allem auf lokaler Ebene begrenzen können. Somit ist, auch beinahe ein Jahrzehnt nach dem Ende der Amtszeit des eingangs zitierten Abdou Diouf, die Wasserversorgung in Afrika noch immer eine Herausforderung von ungeminderter Aktualität.
Desertifikation: Risikoraum Afrika ROLAND BAUMHAUER
Abb. 4.1: Landschaftsdegradation durch Überweidung im nördlichen Sahel bei Tahoua, Niger (Foto: E. SCHULZ)
Für viele Länder in den ariden, semiariden und trocken-subhumiden Regionen der Erde stellt die Desertifikation (aus dem lat. desertus = die Wüste und facere = machen) ein erhebliches ökologisches, wirtschaftliches und soziales Problem dar. Diese Regionen umfassen etwa 40 % der Landmasse der Erde. Davon sind rund 70 % mit einer Gesamtfläche von 3,6 Mrd. ha und damit etwa ein Viertel der Landfläche von Desertifikationserscheinungen betroffen oder bedroht. Selbst wenn die aufgeführten Zahlen je nach Schätzung und zugrunde gelegter Definition variieren, unterstreichen sie die Bedeutung der Desertifikation als globales Problem und vermitteln einen Eindruck von den Raumdimensionen, in denen die entsprechenden Prozesse wirksam sind. Aktuelle Probleme wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum lassen eine Akzentuierung des Desertifikationsgeschehens für die Zukunft erwarten.
Desertifikation SEUFFERT (2001) und MENSCHING/SEUFFERT (2001) verstehen Desertifikation als Endstufe von „Landschaftsdegradation“, „die durch unangepasste, vor allem landwirtschaftliche Nutzungen (Viehzucht, Ackerbau) lokal (kleinräumig), regional (großräumig) und langfristig möglicherweise sogar zonal wüstenartige Umweltbedingungen in Landschaften entstehen lässt, die vordem keine Wüsten waren“ und die in vollem Umfang ausschließlich in den Trockengebieten mit ihrer naturgegebenen Prädisposition ablaufen kann. Im Gegensatz dazu wird Desertifi-
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Desertifikation: Risikoraum Afrika
kation im Rahmen der Agenda 21 recht allgemein als Landschaftsdegradation in den ariden, semiariden und trocken-subhumiden Gebieten der Erde beschrieben, die durch verschiedenartige Ursachen einschließlich Klimaschwankungen und Einfluss des Menschen hervorgerufen wird. Vor allem im Anwendungsbereich werden als Desertifikation recht allgemein all jene Prozesse bezeichnet, die in den Trockenzonen der Erde aufgrund anthropogener Eingriffe zu Landdegradation und somit zu Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten führen. Bei der Diskussion um eine angemessene Definition des Begriffes darf auch der politische Aspekt nicht übersehen werden. Die Tatsache, dass zunehmend „lediglich“ Degradationsprozesse mit dem Begriff Desertifikation belegt werden, hängt nicht zuletzt mit der Medienpräsenz und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zusammen. Ungeachtet der anhaltenden Diskussion um eine allgemein akzeptierte Definition ist ein wesentliches Kennzeichen der Desertifikation die Degradation der Böden und der Vegetation sowie eine Beeinträchtigung der Wasserressourcen, die im Endstadium zu wüstenhaften Bedingungen in Erdräumen führt, in denen aufgrund ihrer klimazonalen Lage keine Wüste sein dürfte. Betroffen sind Landschaften, die aufgrund ihrer physisch-geographischen Grundausstattung, z.B. in Trockengebieten aus klimatischen Gründen, eine eingeschränkte Trag- und Regenerationsfähigkeit aufweisen. Der Mensch ist am Prozess der Desertifikation durch unangepasste Nutzung ursächlich und direkt beteiligt.
Verbreitung, Indikatoren, Ursachen und kausale Zusammenhänge
Indikatoren der Desertifikation
Aufgrund der uneinheitlichen Definition ist die räumliche Verbreitung schwierig zu erfassen. Die von der UNCOD (United Nations Conference On Desertification) veröffentlichte „World map of desertification“ (s. Abb. 4.2) basiert auf der Definition von 1977, die Desertifikation als Verringerung oder Zerstörung des biologischen Potenzials von Landschaftsteilen beschreibt, so dass sich letzten Endes wüstenähnliche Bedingungen einstellen können. Sie unterscheidet drei Gefährdungsstufen, wobei die hyperariden Naturwüsten per se ausgeschlossen werden. In Afrika sind die Regionen am nördlichen und südlichen Rand der Sahara, in Ost- und Nordost-Afrika insbesondere Kenia, Äthiopien und die Somali-Halbinsel sowie im südlichen Afrika in den Randbereichen von Kalahari und Namib am stärksten betroffen oder zumindest stark bedroht. Diese Landschaften umfassen eine Fläche von rd. 335 Mio. ha und damit 30 % der Fläche Afrikas außerhalb der natürlichen Wüsten. Desertifikationsindikatoren sind Veränderungen im Landschaftsbild, die aus anthropogenen Einflüssen resultieren und anzeigen, wo entsprechende Prozesse beginnen oder bereits stattgefunden haben. Dadurch kann im Gelände der jeweilige Desertifikationsgrad festgestellt werden. Die physischen Indikatoren lassen sich in vier Gruppen untergliedern: * vegetative Indikatoren, z.B. flecken- bis flächenhafte Zerstörung der Pflanzendecke, Veränderungen im Artenspektrum, Veränderungen der Wuchsleistung; * hydrologische Indikatoren, abnehmende Bodenfeuchte, absinkende Grundwasserspiegel, verminderte Grundwasserneubildungsraten;
Verbreitung, Indikatoren, Ursachen und kausale Zusammenhänge *
*
pedologische Indikatoren, physikalische und chemische Bodenveränderungen im Zuge der „Aridisierung“, Verhärtungen und Krustenbildung, strukturelle und texturelle Veränderungen; morphodynamische Indikatoren, z.B. fluvial: Verstärkung der Bodenerosion an Hängen hinterlässt im Bereich der Oberhänge „gekappte“ Profile, so dass die obersten Bereiche des ursprünglichen Profils fehlen – gleichzeitig finden sich im Bereich von Tiefenlinien Materialakkumulationen (MENSCHING 1990).
Der Mensch steht als Auslöser und wesentliche Steuergröße am Ausgangspunkt des Desertifikationsgeschehens. Durch unangepasste Landnutzung (wie landwirtschaftliche Übernutzung der Anbauflächen, Überweidung, Rodungen und Entwaldung, Ausbeutung der Grundwasserreserven oder falsche Bewässerungspraktiken mit Vertrocknung oder Versalzung) werden die Pflanzendecke zerstört, Böden degradiert und die Wasserverfügbarkeit in quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht beeinträchtigt. Bodendegradation führt durch Erosion und Krustenbildung zur Beeinträchtigung des Bodenwasserhaushalts und zu einer verminderten Tragfähigkeit für Vegetation, deren Auflichtung ihrerseits Erosionsprozesse forciert. Die großflächige Zerstörung der Pflanzendecke verursacht eine Aridisierung im Bereich der bodennahen Luftschicht. Dadurch wird eine oberflächige Austrocknung und Verhärtung der Böden begünstigt und als Folge die Infiltrationskapazität der
Abb. 4.2: Weltkarte der Desertifikation (UNCOD 1977)
Steuerfaktor Mensch
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Desertifikation: Risikoraum Afrika
Sozioökonomische Ursachen
Beispielraum Sahel
Böden bei gleichzeitig verstärktem Oberflächenabfluss verringert. Dieses führt zu verstärkter Bodenerosion, wobei insbesondere der humus-, feinerde- und nährstoffreiche Oberboden betroffen ist und sich somit ungünstigere Bedingungen für die Vegetation ergeben. Allgemein gilt, dass es sich bei Desertifikationsprozessen um hochkomplexe Ursache-Wirkungs-Korrelationen handelt, die sich von Fall zu Fall und von Region zu Region im Hinblick auf die jeweils wirksamen Faktoren und Mechanismen unterscheiden und sich daher auch monokausalen Erklärungen entziehen. Obwohl sich Desertifikation in der Landschaft physisch als Degradation und Verminderung der Tragfähigkeit manifestiert, sind die Ursachen sehr häufig im sozioökonomischen Bereich zu suchen. Historische, politische, soziale und/oder wirtschaftliche Zwänge oder Rahmenbedingungen wie beispielsweise rasches Bevölkerungswachstum, ungünstiges Landrecht mit kurzen Pachtperioden, die kein Interesse an einer nachhaltigen Nutzung vermitteln, mangelnde administrative Regulierung der Landnutzung, Marktwirtschaft statt Subsistenzwirtschaft sowie fehlender Zugang zu gutem oder zumindest tragfähigem Land speziell für die ärmere Bevölkerung sind Auslöser bzw. Gründe für nicht angepasste Landnutzungspraktiken, die besonders im Zusammenspiel mit klimatischen Extremsituationen Desertifikationsprozesse initiieren oder forcieren. Sie ergeben sich aus getroffenen und nicht getroffenen Entscheidungen in den unterschiedlichsten politischen Bereichen – angefangen bei Wirtschafts-, Agrar- und Umweltpolitik, über Gesundheits- und Sozialpolitik bis hin zur Außenpolitik – auch der Nationen, die mit den desertifikationsgefährdeten Ländern in Handelsbeziehungen stehen (HAMMER 2001). Der Sahelraum am südlichen Rand der Sahara (arab. as-sahil = das Ufer, die Küste) ist aufgrund der physischen Prozesse – wie ausgeprägter Niederschlagsvariabilitäten (vgl. im Beitrag PAETH, Abb. 2.3) mit verheerenden Dürrekatastrophen, Wind- und Wassererosion und deutlicher Abnahme der Bodenfeuchtigkeit von Süd nach Nord – und dem zunehmenden menschlichen Druck auf die natürlichen Ressourcen zur Überlebenssicherung sicherlich die Region auf der Erde, in welcher die Desertifikationsproblematik nicht zuletzt durch die Medienpräsenz während der immer wiederkehrenden Dürreperioden in den letzten Jahrzehnten von der Öffentlichkeit am intensivsten wahrgenommen wird. Die Armut der stark subsistenzorientierten Gesellschaften des Sahel spielt zwar eine notwendige Rolle, reicht aber als alleiniger Erklärungsansatz für die Auslösung der weiträumigen Degradations- bzw. Desertifikationsprozesse in dieser Region Afrikas nicht aus. In vorkolonialer Zeit wechselten in dieser ursprünglichen Dornsavannenregion relativ kurze Nutzungs- und z.T. Übernutzungsphasen im Wanderfeldbau, in der Landwechselwirtschaft oder in der nomadischen Viehhaltung mit langen Brachezeiten ab. Eine geringe Bevölkerungsdichte und soziale Mechanismen (z.B. war eine Eheschließung vielfach von zusätzlichen Bodenreserven oder zusätzlichen Ernteerträgen abhängig, vgl. u.a. HAMMER 2001) haben eine großräumigere Degradation des natürlichen Potenzials verhindert. Erst die gesellschaftlichen Entwicklungen seit dem Beginn der Kolonialisierung vor etwas mehr als hundert Jahren (mit Entscheidungen und Unterlassungen, die von der lokalen über die nationale bis zur interna-
Verbreitung, Indikatoren, Ursachen und kausale Zusammenhänge
tionalen Ebene reichen), haben zur Landschaftsdegradation und Desertifikation in größerem Ausmaß geführt (KOHOUT 1999, VERNET 1994). Während der Kolonialzeit fand durch die Förderung der markt- und profitorientierten Erzeugung von Exportrohstoffen wie Baumwolle oder Erdnuss eine Veränderung der bis dahin bestehenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Systeme statt, die dazu führte, dass viele ländliche Regionen auf der Grundlage ihrer bisherigen Ressourcennutzung und der für den Sahel typischen Subsistenzwirtschaft nicht mehr überlebensfähig waren. Auch mit dem Übergang von der Kolonial- zur Entwicklungspolitik seit der politischen Unabhängigkeit der betroffenen westafrikanischen Staaten haben sich lediglich Mittel und Instrumente geändert. Die Agrarpolitik ist auch weiterhin prioritär auf Markt-, Export- und Rentenproduktion ausgerichtet. Für den überwiegenden Teil der sahelischen Bevölkerung ist jedoch immer noch die Subsistenzwirtschaft, die im Übrigen bis heute keine Förderung erfahren hat, überlebensnotwendig, so dass sich trotz des starken Bevölkerungswachstums die Landwirtschaftstechniken im Prinzip nicht verbessert haben. Damit verstärkt die landwirtschaftliche Übernutzung der Anbauflächen, die Überweidung, Rodung und Entwaldung sowie die Ausbeutung der Grundwasserreserven auch weiterhin zumindest die Landschaftsdegradation, in vielen Bereichen wird jedoch bereits die Desertifikation forciert. Auch die allgemeine Wirtschaftspolitik ist regelhaft ausschließlich auf die Sahelstädte ausgerichtet, während die ländlichen Räume vernachlässigt werden. Die Landnutzungs-, Ressourcen- und Raumerschließungspolitik hat vielfach dazu geführt, dass Gebiete, die aufgrund ihres natürlichen Potenzials früher nur zeitlich eingeschränkt oder sehr extensiv genutzt wurden, neu erschlossen werden und – verbunden mit dem Bevölkerungswachstum – die nicht angepasste Landnutzung im Zusammenspiel mit klimatischen Extremsituationen Desertifikationsprozesse initiiert oder forciert. Obwohl bereits auf der UNCOD-Konferenz 1977 – im Gefolge einer der folgenschwersten Dürrekatastrophen in der Sahelzone Afrikas (1969–1974) – Ziele wie „Aufhalten oder Eindämmen von Desertifikation“ oder die „Verbreitung ökologisch angepasster produktiver Landnutzungsformen“ propagiert wurden (MIDDLETON 1991), wurde bald deutlich, dass es sich bei den Prozessen, die zur Desertifikation führen, um hoch komplexe Ursache-Wirkungs-Korrelationen handelt, die sich von Fall zu Fall und von Region zu Region im Hinblick auf die jeweils wirksamen Faktoren und Mechanismen unterscheiden. Möglicherweise sind deswegen und trotz der vielfachen großen Anstrengungen bis heute nur geringe Erfolge bei der Desertifikationsbekämpfung erzielt worden. Sichtbare graduelle Fortschritte gibt es im Prinzip nur auf der lokalen (regionalen) Ebene mit jeweils spezifisch abgestimmten und an den jeweiligen klimatischen Trend angepassten Gegenmaßnahmen. Im Gegensatz zu den internationalen und nationalen Strategien zielen diese Maßnahmen nicht auf die Eindämmung der Desertifikationsfolgen, sondern auf die ihrer Ursachen, für deren Detektion im Vorfeld umfassende regionale Monitoringdaten zur genauen Klassifizierung nötig sind. Insgesamt kommt der Politik, nicht nur der unmittelbar betroffenen afrikanischen Staaten, sowohl bei der Verursachung als auch bei einer möglichen Bekämpfung der Desertifikation eine zentrale Rolle zu. Zwar sind direkte politische Handlungsspielräume begrenzt, jedoch inländische Reformen und internationale Verände-
Strategieansätze
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Desertifikation: Risikoraum Afrika
rungen der Wirtschaftsbeziehungen zwingend notwendig, um die Desertifikation einzudämmen. Dennoch ist es – auch vor dem Hintergrund des Klimawandels (s.u.) und trotz der durchaus erkennbaren Bereitschaft und des politischen Willens auf nationaler und supranationaler Ebene, das Problem grundlegend anzugehen – fraglich, ob die Desertifikation dauerhaft bekämpft werden kann.
Beschleunigung der Desertifikation durch Klimawandel? Climate Change
Das IPCC konstatiert in seinem vierten Sachstandsbericht (2007a) einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 0,6°C € 0,2°C für das 20. Jahrhundert, wobei die Intensität der Erwärmung regional variiert. Bis zum Jahr 2100 wird ein weiterer Temperaturanstieg von 1,4–5,8°C prognostiziert. Dabei vollzieht sich die Erwärmung im Bereich der Landmassen schneller als über den Ozeanen und übersteigt somit mit hoher Wahrscheinlichkeit den globalen Durchschnitt. Die subtropischen und tropischen Trockenzonen sind von der Erwärmungstendenz vermutlich stärker betroffen als beispielsweise die tropischen Regenwälder. Veränderungen der atmosphärischen und der ozeanischen Zirkulation, der Meereisverteilung und die Intensivierung des Wasserkreislaufs führen zu Modifikationen der Niederschlagsmuster. Das IPCC (2007a) stellt für die Nordhemisphäre eine generelle Niederschlagszunahme um 5–10 % während des 20. Jahrhunderts fest. Insbesondere in den höheren Breiten wird eine Zunahme der Niederschlagsmengen sowohl im Sommer als auch im Winter für sehr wahrscheinlich gehalten. Dennoch sind einige desertifikationsgefährdete Regionen in ariden bis semiariden Gebieten auch von zurückgehenden Niederschlagsmengen bedroht wie Nord- und Westafrika sowie Teile des Mittelmeerraumes.
IPCC Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde 1988 als zwischenstaatlicher Ausschuss gegründet und für seine Arbeit 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
CUBASCH/KASANG (2001) gehen davon aus, dass sich im Zuge des allgemeinen Temperaturanstiegs auch Hitzewellen und Trockenperioden häufiger einstellen werden. Diese spielen für Desertifikationsprozesse eine wesentliche Rolle, indem sie in den betroffenen Gebieten einerseits die Anfälligkeit der Böden für Degradation erhöhen und andererseits die verfügbaren Wasserressourcen quantitativ und qualitativ beeinträchtigen und somit neben Ernteausfällen zu einer Gefährdung der Wasserversorgung führen. Für desertifikationsgefährdete Gebiete in Afrika wird in der Literatur eine weitere Reduktion der ohnehin geringen Bodenfeuchte bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts genannt (WETHERALD/MANABE 1999).
Beschleunigung der Desertifikation durch Klimawandel?
Als weiterer Aspekt des Klimawandels wird eine Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs für sehr wahrscheinlich gehalten. Im Zuge dessen könnte sich die Evapotranspiration sowie aufgrund des allgemeinen Temperaturanstiegs die Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Wasserdampf erhöhen. Daraus resultiert einerseits die zunehmende Gefahr schwerer Niederschlagsereignisse, andererseits eine Verstärkung des Treibhauseffekts durch den gestiegenen Wasserdampfgehalt. Allerdings wären von Starkregenereignissen mit Ausnahme von Teilen des Mittelmeerraumes vermutlich in erster Linie die mittleren und hohen Breiten betroffen. Es herrscht allgemeine Übereinstimmung, dass die globale Erwärmung großen Einfluss auf die Entwicklung des Wasserhaushalts und dessen Teilkomponenten in globalem und in regionalem Maßstab und infolgedessen auf die Verfügbarkeit der Wasserressourcen mit weitreichenden Folgen haben wird. So kann sich die zeitliche und räumliche Verteilung der Niederschläge aufgrund der generellen Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs mit hoher Wahrscheinlichkeit in Form einer Zunahme in den hohen und mittleren Breiten und einer Abnahme in einigen äquatornäheren Gebieten verändern. Dieses hat auch Konsequenzen für den Oberflächenabfluss. Das IPCC (2007a) hält einen Anstieg in den höheren Breiten und in Südostasien für wahrscheinlich, während für weite Teile der Trockenregionen mit einem Rückgang der Abflussmengen gerechnet wird. Eine durch rückläufige Niederschlagsmengen bei steigender Verdunstung hervorgerufenen Reduktion des Abflusses dürfte die generelle Wasserknappheit und Desertifikationsanfälligkeit noch verschärfen. Dabei können sich zusätzlich qualitative Probleme bei der Wasserversorgung ergeben. HOFF (2001) weist darauf hin, dass sich die Veränderung des Oberflächenabflusses deutlich von der des Niederschlags unterscheiden kann, da sich im Zuge der allgemeinen Erwärmung gleichzeitig die Verdunstung erhöht. So könnte laut POSTEL (1993) eine Erwärmung um 1–2°C in Kombination mit einem Niederschlagsrückgang um 10 % den Oberflächenabfluss um 40–70 % reduzieren. Darüber hinaus wirken sich erhöhte Evapotranspirationsraten auch auf die Infiltration und die Bodenfeuchtigkeit und somit auf die Menge an pflanzenverfügbarem Bodenwasser aus. Betrachtet man die Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Vegetation, so sind mehrere Teilaspekte von Interesse. Neben Konsequenzen für den Stoffwechsel der einzelnen Pflanzen ergeben sich Folgen für die Artenzusammensetzung von Pflanzengesellschaften und deren Verbreitung sowie für die Landwirtschaft.
Photosynthese Bei der Photosynthese werden, vereinfacht ausgedrückt, CO2 und Licht in Glucose und O2 umgewandelt. Dabei wird das CO2 durch die Spaltöffnungen der Blätter, die so genannten Stomata, aufgenommen. Im Zuge einer höheren CO2Konzentration der Atmosphäre brauchen die Stomata nicht mehr so weit geöffnet zu werden, um die gleiche Menge an CO2 aufzunehmen. Als Konsequenz könnte sich eine Reduktion der Pflanzentranspiration einstellen. Dies ist speziell bei Wasserstress von Vorteil und schlägt sich letzten Endes in einer effizienteren Wassernutzung durch die Pflanzen nieder. Nach OSBORNE/WOODWARD (2002) könnte dadurch eine zunehmende Aridisierung zumindest zum Teil ausgeglichen
Globale Erwärmung und Wasserhaushalt
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Desertifikation: Risikoraum Afrika
werden. Allerdings sind die Reaktionen der Stomata in hohem Maße standortspezifisch und nicht allgemein gültig. Die Reaktion der Vegetation auf einen CO2Anstieg variiert saisonal und interannuell stark in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit an Bodenwasser.
Vegetationszonierung
Agrarräumliche Ökologie
Politische Ökologie
Da die globale Verteilung der Vegetation(-szonen) in hohem Maße vom Klima gesteuert wird, liegt der Schluss nahe, dass sich Klimaänderungen auch im Vegetationsmuster niederschlagen. CLAUSSEN/CRAMER (2001) führen einige Beispiele aus dem Holozän an (Vordringen von Tundra und Taiga nach Norden, Besiedelung der Sahara durch Savannen und subtropische Grasländer vor etwa 9000 Jahren) und erläutern in diesem Zusammenhang, wie sich Veränderungen der Vegetation ihrerseits über Rückkopplungen in Klimamodifikationen niederschlagen können. Die Pflanzenwelt kann auf veränderte Klimabedingungen mit Sukzession reagieren. Umgekehrt wird das Klima durch Veränderungen pflanzenphysiologischer Vorgänge, strukturelle Veränderungen und die Koppelung der Vegetation an den Kohlenstoffkreislauf beeinflusst. Insgesamt werden durch Klimawandel hervorgerufene Veränderungen im Vegetationsmuster bei unveränderten Emissionsraten von Treibhausgasen für sehr wahrscheinlich gehalten (CLAUSSEN/CRAMER 2001). Für die Abschätzung der Auswirkungen eines Klimawandels auf die landwirtschaftlichen Erträge sind in erster Linie die räumlich differenzierte Entwicklung der Temperatur und der Wasserverfügbarkeit relevant. HÖRMANN/ CHMIELEWSKI (2001) legen dar, dass sich Temperaturveränderungen bei Kulturpflanzen, die in einem bestimmten Anbaugebiet aktuell ihr optimales Temperaturspektrum vorfinden, in Ertragsrückgängen niederschlagen könnten, sobald der thermische Optimalbereich verlassen wird. Die Frage der Wasserverfügbarkeit ist besonders für die Trockenräume der Erde von außerordentlicher Bedeutung, da in diesen Regionen bei der Pflanzenproduktion zumeist der hygrische Faktor als limitierendes Element in Erscheinung tritt. Darüber hinaus sind weitere Einflussgrößen wie beispielsweise CO2-Düngeeffekte, Pflanzenkrankheiten, Veränderungen der Vegetationsperiode etc. zu berücksichtigen. Das Zusammenspiel der genannten Faktoren und deren individuelles Gewicht werden letztlich über die landwirtschaftliche Produktivität jeder einzelnen Region entscheiden. HÖRMANN/CHMIELEWSKI (2001) rechnen im globalen Maßstab nicht mit wesentlichen Ertragsveränderungen. Während für die höheren Breiten Ertragszuwächse für möglich gehalten werden, gilt für die niederen Breiten – speziell die ariden und semiariden Gebiete – eine negative Entwicklung der landwirtschaftlichen Erträge mit einem erhöhten Risiko von Hungersnöten als wahrscheinlich. Der Zuwachs an ackerbaulich nutzbarem Land in den höheren Breiten wird vermutlich mit Verlusten in den Subtropen und den Tropen in Form einer Ausbreitung der Steppen und Wüsten einhergehen. In diesem Fall könnte sich der Nutzungsdruck in den ohnehin desertifikationsgefährdeten Gebieten noch erhöhen – mit der Konsequenz, dass die oben skizzierten Mechanismen in erhöhtem Maß zum Tragen kämen und eine durch Klimawandel initiierte Beschleunigung der Desertifikation nicht auszuschließen ist. Zu bedenken sind in diesem Zusammenhang aber auch politische Aspekte, auf die PILARDEAUX/SCHULZ-BALDES (2001, S. 233) hinweisen. Wenn also
Beschleunigung der Desertifikation durch Klimawandel?
nachgewiesen würde, dass der Beitrag des Klimawandels zum Desertifikationsgeschehen als ebenso groß angesehen werden muss wie der direkte Eingriff der Menschen vor Ort, dann würde dies eine direkte Verantwortung der Industrienationen als Hauptverursacher der globalen Erwärmung für die Desertifikationsprozesse in den betroffenen Ländern implizieren. Es stellt sich demnach die Frage, ob eine Ausbreitung der Wüste, bedingt durch den anthropogenen Treibhauseffekt, als „Desertifikation“ im klassischen Sinn aufzufassen ist, da der Mensch nicht direkt in den Landschaftshaushalt eingreift, sondern durch den indirekten Eingriff in das Klima eher einen quasinatürlichen Prozess auslöst, oder ob Desertifikation zwangsläufig einen direkten Eingriff des Menschen am Ort des Geschehens selbst erfordert. Derzeit ist die Bedeutung des Klimawandels für die Desertifikationsproblematik schwer abzuschätzen. Dennoch scheint sich bei allen derzeit noch vorhandenen Unklarheiten und Wissensdefiziten als Grundtendenz abzuzeichnen, dass „Desertifikation sich ohne wirksame Gegenmaßnahmen im Zuge des Global Warming einerseits noch verstärken und unter Umständen auch räumlich weiter ausdehnen [wird], andererseits können wir darauf hoffen, dass es im Gefolge von klimaregionalen Veränderungen und Akzentuierungen regional selbst größere Raumeinheiten mit gegenläufiger Entwicklung, d.h. mit einer Verbesserung der ökologischen wie der ökonomischen Nutzungspotenziale geben wird“ (SEUFFERT 2001, S. 92). Allerdings geht das IPCC (2007a) davon aus, dass mit Zunahme der Veränderungen die nachteiligen Folgen in den Vordergrund treten. Es ist also damit zu rechnen, dass es neben Regionen, die vom Klimawandel profitieren können, vermutlich auch Regionen geben wird, denen überwiegend Nachteile, auch in Form einer Beschleunigung der Desertifikation, erwachsen könnten.
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Afrika: Ein Feuerkontinent DANIEL KRAUS ALEX HELD
Abb. 5.1: Feuerforschung – Untersuchung der Auswirkungen verschiedener burn patterns großflächiger Savannenareale während des SavFIRE-Experiments 2006 im KrugerNationalpark, Südafrika (Foto: D. KRAUS)
Afrika ist ein Feuerkontinent (KOMAREK 1971). Feuer werden sowohl von Blitzschlägen als auch von Menschen ausgelöst, jedoch steigt der relative Anteil der anthropogen bedingten Feuer rapide an. Südlich der Sahara ist Feuer ein weitverbreitetes saisonales Phänomen, und keine andere Landmasse wird so oft und regelmäßig von Feuer betroffen. In Afrika brennen jährlich etwa 2,3 Mio. km2, annähernd 7,7 % der gesamten Landfläche und etwa 41,5 % der gesamten weltweiten pflanzlichen Trockenmasse, die jährlich von Flammen konsumiert wird. Feuer in Savannen machen etwa 50 % davon aus, die andere Hälfte nimmt die Verbrennung von Brennholz, ackerbaulichen Rückständen und Schlagabraum aus Rodungen ein. Viehhalter verwenden Feuer, um frischen Grasaustrieb zu stimulieren, während Subsistenzlandwirte Feuer einsetzen, um bei der Rodung von landwirtschaftlichen Parzellen unerwünschte Biomasse zu entfernen und nach der Ernte ungenutzte Pflanzenbestandteile zu beseitigen. Zusätzlich bildet Feuer die Hauptenergiequelle zum Kochen und Heizen. In den meisten Ökosystemen Afrikas ist Feuer ein natürlicher und vorteilhafter Störungsfaktor für die Vegetationsstruktur und ihre Zusammensetzung sowie für den Nährstoffkreislauf und die Nährstoffverteilung. Dennoch werden über den ganzen Kontinent verteilt immer größere Flächen ungerechtfertigt und unkontrolliert gebrannt, mit enormen Auswirkungen auf die Lebensumstände, die Sachressourcen und die feuersensiblen natürlichen Ressourcen der betroffenen Bevölkerung. Darüber hinaus ziehen feuerbedingte
Ökologische Grundlagen der Feuer
Emissionen auf globaler Ebene Konsequenzen nach sich. Gravierende Probleme entstehen an den Übergangsflächen von feuerangepassten zu feuersensiblen Ökosystemen, also von Savannen zu Siedlungsgebieten, landwirtschaftlichen Flächen und nicht an Feuer angepassten Waldformationen. Obwohl es keine Zahlen über den tatsächlichen ökonomischen Schaden gibt, den Feuer in Afrika anrichten, ist es doch offensichtlich, dass ökologisch und ökonomisch wertvolle Ressourcen zunehmend vernichtet werden. Zudem spielt Feuer eine wichtige Rolle in den ausgedehnten Entwaldungsprozessen in vielen Ländern Afrikas.
Ökologische Grundlagen der Feuer in Afrika So vorhersagbar wie die Regen- und die Trockenzeiten zieht Feuer in einer Welle über den Kontinent, die sich von Norden nach Süden mit den Jahreszeiten bewegt. In der Gegenwart ist Feuer ein weitverbreitetes Phänomen in den Tropen und Subtropen des südlichen Afrikas, hauptsächlich während der jährlichen Trockenzeit (zwischen Mai und Oktober im südlichen Afrika und zwischen Januar und April in West- und Ostafrika), wenn sich die krautige Vegetation entweder im Ruhezustand befindet oder im Fall von Grasland abgestorben ist und die Laub abwerfenden Bäume ihre Blätter verloren haben. Feuer findet in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara ideale Bedingungen. Entscheidend dafür ist der saisonale Rhythmus von Trocken- und Regenzeiten. In Regenzeiten wachsen Brennmaterialien heran, in Trockenzeiten werden sie brennbereit. Neben diesem jährlichen Rhythmus kommt es immer wieder zu längeren Wellen von Dürren und Überschwemmungen. Diese Bedingungen führen zur Bildung von trockenem, leicht entflammbarem und feinem Brennmaterial und bieten damit eine ideale Grundvoraussetzung für Feuer, die dann, zu Beginn der Regenzeit, durch trockene Blitzschläge der üblicherweise weit verstreuten Gewitter ausgelöst werden. Im Allgemeinen kommt Feuer in trockeneren Regionen weniger regelmäßig vor, da die geringe Niederschlagsmenge die Bildung von brennbarer Biomasse limitiert. Mehrere Jahre der Akkumulation von brennbarer Biomasse oder eine außerordentlich regenreiche Wuchsperiode müssen in diesen Regionen vorangehen, damit genug Brennmaterial vorhanden ist, um die Ausbreitung eines Feuers zu ermöglichen. Wie Abbildung 5.2 zeigt, beginnt das saisonale Muster der Feuerausbreitung in Afrika im Januar, wenn Feuer über dem Bereich direkt südlich der Sahara weit verbreitet sind. Von Januar bis Anfang März werden die Feuer in den nördlichen Zonen weniger; eine Ausnahme zu diesem schrittweisen Ausklang der Feuer bildet die Küstenregion Westafrikas, vor allem die Region um Guinea und Senegal. Unterdessen nimmt die Zahl an Feuern in den äquatorialen Wäldern im Herzen des Kontinents zu. Anfang Mai geht die Zahl der Feuer im Norden weitgehend zurück und Anfang Juni finden sich Afrikas Feuer in Zentralafrika konzentriert. Anfang Juli sind die Feuer im Sahel und in den nördlichen Savannen fast vollständig verschwunden, während der südliche Teil Afrikas in Flammen steht.
Saisonalität
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Afrika: Ein Feuerkontinent
Abb. 5.2: Die jahreszeitliche Feuerausbreitung in Afrika am Beispiel des Jahres 2007 (MODIS/Terra, NASA)
Savannen
Feuer ist schon seit Hunderten Millionen von Jahren in vielen Ökosystemen Afrikas (SCOTT 2000) ein Faktor und trägt seit dieser Zeit als eine bedeutende evolutionäre Kraft zur Ausformung und Verbreitung von Biomen und zur Erhaltung von feueranfälligen Pflanzengesellschaften bei (BOND/KEELEY 2005). Lange vor dem Erscheinen des modernen Menschen breiteten sich zuerst vor etwa sechs bis acht Millionen Jahren C4-Grasländer aus (BEERLING/OSBORNE 2006, OSBORNE 2008). Der dominierende Status der C4-Gräser wurde während der Periode der rapiden Ausbreitung von C4-Grasland im späten Miozän und frühen Pliozän (vor vier bis acht Millionen Jahren) erreicht (BOND et al. 2003). Dieser Übergang von Waldgesellschaften zu C4-dominierten Graslandgesellschaften während des späten Miozäns wird mittlerweile nicht mehr nur auf Änderungen der atmosphärischen CO2-Konzentrationen oder auf Aridität per se zurückgeführt, sondern vielmehr als das Ergebnis von Klimaänderungen gesehen, die ein neuartiges Feuerklima geschaffen haben (KEELEY/RUNDEL 2005). Eines der Hauptmerkmale war eine ausgeprägte Saisonalität des Klimas mit einer warmen und feuchten Wachstumsperiode, die eine hohe Biomasseproduktion erlaubte, nachdem die vor-
Ökologische Grundlagen der Feuer
hergegangene Trockenzeit intensiv genug war, um die Primärproduktion in hoch entflammbares Material umzuwandeln. Dies entspricht einem Monsunklima, und wie auch heutige Monsunklimate war dies von häufigen Gewittern mit Blitzschlägen gegen Ende der Trockenzeit begleitet.
C4-Gräser und Feuer C4-Photosynthese ist eine Variation des typischen C3-Weges, die zu kompetitiven Vorteilen in einer Umwelt führen, in der Licht und Temperatur kein limitierender Faktor bei der C-Aufnahme sind. Tropische und subtropische Savannen und Grasländer Afrikas werden von C4-Gräsern wie den Panicoideae und den Chloridoideae dominiert. Diese stellen oftmals sogar über 90 % aller Grasarten und machen etwa 20 % der C-Fixierung aus. Die Evolution der Andropogoneae kann als ein Schlüssel zum feuergetriebenen Übergang von Waldgesellschaften zu Grasland in den feuchten Klimaten des südlichen Afrika betrachtet werden. Die Dominanz dieser Gruppe in feuerabhängigen und nährstoffarmen Feuchtsavannen wird durch die obligatorische Abhängigkeit der Andropogoneae wie Themeda triandra von regelmäßiger Entblätterung und durch ihr Verschwinden bei Feuerausschluss deutlich. Häufige Feuerereignisse werden durch das schnelle Wachstum der Andropogoneae während des Sommers, die Konzentration von Tanninen in den Blättern und die niedrige Nahrungsqualität der Blätter während des Winters gefördert. Die beiden letzten Merkmale verzögern den Abbau der Streu, ergeben eine geringe Verwertbarkeit für Grasfresser während der Trockenzeit und führen somit zum Aufbau einer hohen Last von brennbarer Biomasse.
Der Ursprung der Savannenbiome während des Miozäns fällt mit der Entstehung von neuen Gemeinschaften großer herbivorer Huftiere (einschließlich Pferde, Nashörner, Antilopen und Elefanten) zusammen, die sich dann rapide ausbreiteten, um die nun verfügbare Nahrung und offenen Habitate auszunutzen. Die Ausbreitung von Grasfressern und die Spezialisierung einiger Tiere auf C4-Gräser als Nahrungsquelle gibt eine weitere mögliche Erklärung für eine Selektion auf feuerfördernde – und gleichzeitig beweidungsresistente – Merkmale in nährstoffarmen Savannen durch hohen Beweidungsdruck (BEERLING/OSBORNE 2006). Afrikas Megafauna ist einerseits in der Lage, nicht brennbare Vegetationsformen in brennbereite umzuwandeln, indem beispielsweise Bäume entwurzelt, Kronendächer aufgelockert oder die Bodenvegetation verändert werden. Ein bekanntes Beispiel ist die Auswirkung von hohen Populationsdichten von obligatorischen Laubfressern wie Giraffen auf Vegetationsstruktur und Feuerausbreitung (BOND/LOFFELL 2001). Andererseits reduzieren obligatorische Grasfresser wie Breitmaulnashörner (Ceratotherium simum), Gnus (Connochaetes spec.), Impala (Aepyceros melampus), Warzenschweine (Phacochoerus aethiopicus) und Zebras (Equus spec.) die Entflammbarkeit des Ökosystems, indem sie die Menge der brennbaren Biomasse verringern. Grasfresser können jedoch ebenso eine positive Rückkopplungsschleife erzeugen, da viele Arten auch Baumsämlinge verzehren und niedertrampeln und dadurch die Ausbreitung von Savannenvegetation verstärken (BEERLING/OSBORNE 2006). Im Großen und Ganzen bewirkte das Überleben der afrikanischen
Megafauna und Megaflora
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Kohlenstoffzyklus
Megafauna eher eine Zunahme der von Feuer betroffenen Landschaft. Sehr wahrscheinlich werden die scharfen Ränder zwischen brennbarer Savanne und unbrennbarem Wald gleichermaßen von Fauna und Feuer geschaffen und erhalten. Einen besonderen Einfluss haben Elefanten (Loxodonta africana) in den Miombo-Waldländern, welche mit etwa 2,7 Mio. km2 die am weitesten verbreitete Laub abwerfende Waldformation in Afrika sind (RIBEIRO et al. 2008). Da Elefanten die Waldländer übernutzen, schädigen sie reife Bäume und erhöhen dadurch den Anteil an niedrigeren Größeklassen der Baumvegetation und an Gräsern. Dies ermöglicht es dem Feuer, größtenteils anthropogenen Ursprungs, sehr viel intensiver und häufiger in die Formationen einzudringen, wodurch ein von Gras dominierter Zustand erreicht wird. Die sich gegenseitig verstärkenden Auswirkungen auf Waldökosysteme, die durch Elefanten und Feuer verursacht werden, scheinen unter Bedingungen zuzunehmen, in denen Elefantenbewegungen eingeschränkt werden – besonders in Schutzgebieten und dort, wo sich menschliche Ansiedlungen ausbreiten. Elefanten- und Feuermanagement ist daher entscheidend für die Erhaltung von bestimmten Waldformationen innerhalb von Elefantenhabitaten. Feuer und Herbivoren können jedoch auch als Konkurrenten betrachtet werden, welche die Verbreitung von unterschiedlichen Graslandgesellschaften beeinflussen (BOND/KEELEY 2005). Während intensives Beweiden beweidungstolerante Weidegrasgesellschaften fördern kann, begünstigen häufige Feuer hohe, feuerabhängige Horstgrasgesellschaften. Tatsächlich kann Feuer den Effekt haben, dass Weidegrasgesellschaften verschwinden, indem Herbivoren – vom jungen Grün frisch gebrannter Grasflächen angezogen – zu weit über die Landschaft verstreut werden, um noch die Ausbildung von Weidegrasgesellschaften zu erreichen (ARCHIBALD et al. 2005). Es grenzt schon an Ironie, dass die gängige Praxis, jedes Jahr große Flächen (häufig als Bereitstellung von Nahrung für Grasfresser gerechtfertigt) zu brennen, in Wirklichkeit die Verbreitung von Habitaten, die von Grasfressern bevorzugt werden, beschränken könnte. Tatsächlich wird vermutet, dass das häufige und großflächige Brennen, das in vielen südafrikanischen Savannen-Nationalparks während der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde, die großflächige Ausbreitung von Horstgras-dominierten Landschaften in diesen Gebieten begründet hat. Der afrikanische Kontinent nimmt eine zunehmend wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffzyklus mit potenziell bedeutenden Auswirkungen auf Klimaveränderungen ein. Neben menschlichen Aktivitäten, allen voran die landwirtschaftliche Produktion und urbane Siedlungsaktivitäten, stellt Feuer die am weitesten verbreitete ökologische Störung weltweit dar. In den tropischen Savannen konsumiert Feuer enorme Mengen an pflanzlicher Biomasse. Schätzungsweise werden 2700–6800 Mio. t an pflanzlichem Kohlenstoff durch das Brennen von Savannenvegetation und durch Feuereinsatz bei shifting cultivation freigesetzt. Mit niedrigen Emissionen aus fossilen Brennstoffen und einer pflanzlichen Produktivität, die größtenteils lediglich die eigenen Atmungsverluste kompensiert, sind Landnutzungsänderungen Afrikas primäre Nettokohlenstoff-Quelle; ein Großteil davon stammt aus der Verbrennung von Wäldern. Emissionen aus Savannenfeuern, obwohl groß-
Ökologische Grundlagen der Feuer
flächig, stellen nur eine Kurzzeitquelle dar, die durch erneutes Wachstum ausgeglichen wird. Kohlenmonoxid wird bei unvollständiger Verbrennung von Biomasse produziert und stellt einen guten Indikator für die Verunreinigung durch Rauch dar. In Abbildung 5.3 zeigen die dunklen Töne des Bildes ein allgemein hohes Kohlenmonoxidniveau über der gesamten Region; die höchsten Konzentrationen des Gases befanden sich aber über Zentralafrika, wo die Feuersaison in vollem Gang war.
Abb. 5.3: Kohlenmonoxidkonzentrationen über Afrika im Juni 2008 (MOPITT/Terra, NASA)
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Kohlenstoffdynamik Afrikas Kohlenstoffvorräte, -flüsse und atmosphärische Konzentrationen sind hoch variabel und bisher nicht genügend untersucht, um genauere Aussagen über Afrikas Kohlenstoffzyklus und seine Empfindlichkeit gegenüber natürlichem und anthropogenem Druck und zukünftigem Klima zu ermöglichen. In den kommenden Jahren wird Afrikas Landnutzungsdruck jedoch zweifellos zunehmen. Dabei wird die wirtschaftliche Entwicklung mit einer stärkeren Ausbeutung von Waldressourcen in den Tropen und Investitionen in Infrastruktur zur Holzgewinnung einhergehen. Gleichzeitig werden die prognostizierten Klimaveränderungen den zyklischen Wassermangel verstärken und Afrikas Klima viel wärmer und trockener machen. Diese Veränderungen werden sehr wahrscheinlich Afrikas Emissionen aus brennender Biomasse erhöhen und gleichzeitig die Nettoökosystem-Produktivität des Kontinents reduzieren. Infolgedessen wird die Zunahme der CO2-Emissionen in die Atmosphäre verstärkt, ebenso wie der Umfang der interannuellen Schwankungen von Afrikas C-Flüssen. Diese Tendenzen haben enorm wichtige Implikationen für die globale Kohlenstoffdynamik und Rückkopplungsmechanismen der Biosphäre mit dem Klimasystem.
Feuer und Mensch Entdeckung des Feuers
Feuer ist ein natürlicher Prozess, der seit Jahrtausenden einen funktionalen Teil vieler Ökosysteme im südlichen Afrika darstellt. Obwohl vor dem Erscheinen des Menschen Blitzschlag die häufigste Quelle von flächigen Feuern war, müssen – unter Berücksichtigung der Zeitspanne der menschlichen Existenz in Afrika – anthropogene Feuer hier als Teil dieses natürlichen Prozesses verstanden werden. Die Ursprünge des menschlichen Feuers liegen in diesem Erdteil, und Feuer hat sich nirgendwo über einen längeren Zeitraum erhalten als hier. Die Besitzergreifung des Feuers durch frühe Menschen markiert einen einschneidenden Zeitpunkt in der Geschichte der Erde. Hinweise auf die systematische Verwendung von Feuer durch steinzeitliche Gruppen können bis auf 55.000 Jahre zurückdatiert werden. Neuen Kohlenstoffanalysen zufolge haben Menschen mindestens seit dem Holozän bedeutende Kontrolle über Feuerregime im Afrika südlich der Sahara gewonnen (BIRD/CALI 1998). Es gibt sogar noch frühere Funde, welche die Verwendung von Feuer durch frühe Hominide vor etwa 1,8 Mio. Jahren belegen, lange bevor sich die heutigen Pflanzengesellschaften ausgebildet haben (BRAIN/SILLEN 1988). Lange Zeit wurde angenommen, dass die gegenwärtige Verbreitung der feueranfälligen Vegetation zu großen Teilen durch menschliche Aktivitäten bedingt wurde, besonders durch Rodungstätigkeiten von eisenzeitlichen Siedlern. Inzwischen gibt es jedoch Hinweise, dass Grasländer schon vor Millionen von Jahren erschienen, lange bevor anthropogene Feuer ein bedeutsamer Faktor in Afrika wurden (ELLERY/MENTIS 1992). Datierte Pollenberichte von mehreren Fundorten zeigen, dass Grasland den größten Teil der montanen Gebiete mit Sommerregen während des gesamten Holozäns dominierte (MEADOWS/LINDER 1993). Während des letzten Glazials waren Grasländer sogar noch weiter verbreitet. Vegetation, die den gegenwärtigen Baumsavannen-Waldländern ähnelt, ist weniger als 10.000 Jahre alt. Holzkohlefunde zeigen, dass Feuer seit 160.000 Jahren gebrannt haben (SCOTT
Feuer und Mensch
2002). Das Erscheinen von Bauern während der letzten Jahrtausende hat zu keiner signifikanten Zunahme dieser Feuer geführt. Die Paläo-Aufzeichnung deutet an, dass das südliche Afrika vor der landwirtschaftlichen Ansiedlung sogar baumärmer war. Auch in einer generell feuerförderlichen Umgebung, wie man sie in Afrika größtenteils vorfindet, gab es jedoch bis zum Beginn des Ackerbaus weite Landstriche, die von Feuer jeglicher Art völlig unberührt geblieben sind. Als die Landwirtschaft ihre 6000-jährige Kolonisierung Afrikas begann, wurden viele Ökosysteme von Ackerbauern und Hirten durch Roden und Beweidungsdruck derart umgestaltet, dass sie genügend austrockneten, um brennbar zu sein, während Jäger- und Sammlerkulturen auf immer marginalere Standorte ausweichen mussten. Gleichzeitig brachte die Landwirtschaft das Feuer auch in geschlossene Wälder und damit in Ökosysteme, in die es vorher nicht eindringen konnte. Die eisenzeitliche Wanderungsbewegung der Bantu-Gruppen ist das am besten bekannte und eindrucksvollste Beispiel für diesen Wandel der Feuerregime, zumal diese Wanderbewegung mit der Ausbreitung von eisernen Werkzeugen verbunden war. Der enorme Verbrauch an Holz als Brennmaterial zur Metallverarbeitung kam dabei als zusätzlicher Faktor hinzu. Die afrikanischen Feuer breiteten sich immer mehr aus und änderten ihren Charakter. Sie wurden immer stärker abhängig von der Entwicklung der menschlichen Kulturen. Mittlerweile stellen menschliche Aktivitäten den Hauptgrund für Feuerereignisse in Afrika dar. In eher jüngerer Zeit haben Menschen Feuer großflächig als Teil von slashand-burn cultivation oder chitemene im südlichen Afrika verwendet, um abgestorbene Vegetation zu entfernen, Tierparasiten zu kontrollieren und die Futterqualität der Grasnarbe zu verbessern (HALL 1984). Sowohl im Lowveld Südafrikas als auch in Botsuana, Moçambique und Tansania kommt solches Brennen gewöhnlich während der trockenen Winterperiode von Juli bis August vor, wenn die Feuer leicht zu entzünden sind und auf großen Flächen brennen (CAHOON et al. 1992). Blitzschlagfeuern und anthropogenen Feuern werden traditionell von Landmanagern ähnliche Wirkungen auf die Vegetation zugesprochen. Weil sie aber zu verschiedenen Zeiten des Jahres stattfinden, können sich ihre biologischen Wirkungen stark unterscheiden. Anthropogene Feuer kommen eher in der Mitte der trockenen Jahreszeit vor, wenn sich die meisten Pflanzen im Ruhezustand befinden und die physiologische Aktivität gering ist (EDWARDS 1984). In dieser Jahreszeit können verhältnismäßig heiße Feuer auftreten, besonders dort, wo eine dicke Schicht abgestorbenen Grases die Bodenoberfläche bedeckt. Im Gegensatz dazu kommen Blitzschlagfeuer im südlichen Afrika hauptsächlich am Anfang der feuchten Jahreszeit vor, wenn die Pflanzenentwicklung gerade begonnen hat, neue Blätter austreiben und die physiologische Tätigkeit hoch ist (TROLLOPE 1993). Sporadische Niederschläge im Oktober und November sorgen dafür, dass der Boden relativ feucht ist und das junge, grüne Gras einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hat, der die Feuerintensität reduziert. Anthropogene Feuernutzung Man geht davon aus, dass Menschen den großräumigen Umgang mit dem Feuer im Laufe der Zeit immer wieder geändert haben, besonders im Hinblick auf
Zäsur des Ackerbaus
Beispielraum Südliches Afrika
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wachsenden Bevölkerungsdruck und wechselnde Machtverhältnisse. Trotz der historischen Bedeutung von Feuer als Werkzeug zum Management von Savannenvegetation gibt es eine große Kontroverse über anthropogene Feuernutzung und die Nachhaltigkeit indigener Landnutzungspraktiken in Afrikas Savannen (BAKER 2000, KULL 2002, LARIS 2002). Diese Kontroverse ist hauptsächlich ein Ergebnis der großen Unterschiede zwischen offizieller Feuerpolitik und tatsächlichen indigenen Landnutzungspraktiken. Nur wenig ist über die Bedeutung von Feuer für sozioökonomische oder ökologische Aspekte des Überlebens in Savannenökosystemen bekannt, und es gibt kaum Untersuchungen über die Motive der lokalen Akteure für die Feuernutzung unter bestimmten sozioökonomischen oder politischen Umständen (ERIKSEN 2007).
Feuerpolitik
Während der Kolonialzeit wirkten indigene afrikanische Landnutzungspraktiken fremdartig auf die meisten Europäer (KULL 2002, LARIS 2004). Ihr begrenztes Wissen um die natürliche Dynamik tropischer Ökosysteme führte zu einem Verbot von indigenen Landnutzungstechniken. Die meisten kolonialen Regierungen des 19. Jahrhunderts entwickelten eine Landverteilungsund -umverteilungspolitik, durch welche die indigene Bevölkerung ihrer gewohnten Umgebung entfremdet wurde. Die Feuerregime, die durch die indigene Praxis entstanden sind, wurden untergraben oder komplett verboten, da solche Feuer sowohl Landeigentum als auch die soziale Hierarchie kolonialer Gesellschaften gefährdeten (MISTRY 2000). Koloniales Feuermanagement änderte entweder lokale Feuerregime in Richtung von ausschließlich während der späten Trockenzeit brennenden Feuern oder entwickelte eine Politik der Feuerunterdrückung aufgrund der Überzeugung, dass indigene Feuerregime zu ökologischen Degradierungen führen (LARIS 2002, MISTRY 2002). Zusätzlich wurden politische und administrative Mechanismen, mit denen afrikanische Staaten Menschen und Umwelt regierten, durch koloniale Regierungen fundamental geändert. Postkoloniale Politiker wurden größtenteils in der strikten kolonialen Verwaltungspolitik erzogen. Als die nun unabhängigen Staaten nach wirtschaftlicher Entwicklung strebten, wurden die meisten Praktiken daher einfach beibehalten, darunter auch die kolonialen Ansätze für Feuermanagement (MISTRY 2002). Diese werden bis heute in der Verkleidung von Entwicklungshilfe und Darlehen an die „Dritte Welt“ durch die wachsende Bedeutung von green conditionality aufrechterhalten (BRYANT/BAILEY 1997). In vielen Savannenregionen werden daher von Politikern eher Feuerunterdrückungsmaßnahmen propagiert, die durch die entwickelte Welt unterstützt werden, als dass Feuermanagementstrategien konzipiert und umgesetzt werden, die auf lokale oder regionale Umweltbedingungen zugeschnitten sind. Viele Studien belegen, dass Konflikte zwischen indigener oder ländlicher Bevölkerung bzw. Kommunen auf der einen und offiziellen Vertretern des Staates auf der anderen Seite, in denen es um die Nutzung und das Management von Feuer geht, häufig aus einer eher eurozentrischen Sichtweise von Umwelt und Management von natürlichen Ressourcen herrühren (BAKER 2000, MISTRY 2002, LARIS 2002, KULL 2002, ERIKSEN 2007). In vielen Savannenökosystemen ist großflächiges Brennen und das Vorkommen von katastrophalen Feuerereignissen mit enormen ökologischen und ökonomischen Schäden die Konsequenz.
Feuer und Mensch
Die menschliche Fähigkeit, Feuer auf verschiedene Art und Weise zu manipulieren, bleibt ein stark umstrittenes Thema in Diskussionen um nachhaltige Landnutzung, da indigene Fertigkeiten zur Feuermanipulation in tropischen Trockengebieten in ständigem Konflikt mit westlichen Landnutzungspraktiken stehen, die versuchen, abiotische Faktoren wie Feuer konstant zu halten. Wenn man auf koloniale Landnutzungsmodelle zurückblickt, wurden tropische Trockengebiete im Allgemeinen als ein Gleichgewichtsmodell der Sukzession mit nur einem möglichen Zustand interpretiert. In neueren Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass Feuer, zusammen mit anderen Störungsfaktoren wie Trockenheit und Beweidung, die Koexistenz und auch Kodominanz von krautiger und holziger Savannenvegetation bedingen kann (LARIS/WARDELL 2006, PARR/ANDERSEN 2006). Aus diesem Grund werden Savannen vermehrt als heterogene Ökosysteme in verschiedener zeitlicher und räumlicher Auflösung betrachtet, die durch biotische wie abiotische Faktoren beeinflusst werden und deren Grenzen über kurze sowie längere Zeiträume fluktuieren. Dieses komplexe und heterogene Nonequilibrium-Ökosystem stellt sich selten in einem stabilen Zustand dar. Dies hat in der Vergangenheit zu den genannten Landnutzungskonflikten und Unsicherheiten geführt, besonders wenn man offizielle Landnutzungsund Feuerpolitik mit tatsächlicher indigener Feuernutzung als Werkzeug zum Landschaftsmanagement vergleicht. Bauern und Hirten in den Tropen und Subtropen Afrikas wurden über lange Zeit beschuldigt, durch ihre Feuernutzungsregime weitgehende Umweltdegradationen zu verursachen. Diese Beschuldigungen wurden zumeist durch die nachteiligen ökologischen Auswirkungen von Feuer in afrikanischen Savannen begründet, während gleichzeitig günstige Aspekte von Feuer ignoriert wurden. Diese Überbetonung der negativen Konsequenzen führte in den meisten Fällen zu einer fehlgeleiteten Feuerpolitik, die eine ernste Bedrohung für viele menschliche livelihoods und Savannenökosysteme darstellt (LARIS 2002). Mit der zunehmenden Akzeptanz der Rolle von Nicht-GleichgewichtsTheorien im Ökosystemmanagement werden diese dominanten Sichtweisen auf Degradierung durch indigene Feuernutzung jedoch immer häufiger hinterfragt (KULL 2002, LARIS/WARDELL 2006). Dieser Wechsel in der Sichtweise von Savannen als stabile Ökosysteme führt schrittweise zu einer Anerkennung von Feuer als wertvollem Faktor, z.B. in indigenem Brandwanderfeldbau (shifting cultivation, chitemene) oder in schemes zum Schutz vor Feuer (LARIS 2002, MISTRY 2002, PARR/ANDERSEN 2006). Daraus ergibt sich, dass statt der Unterdrückung von Feuer zunehmend eine Heterogenität von Feuerregimen in Savannenökosystemen propagiert wird, besonders in der Form von patch mosaic burning. Trotzdem spielen dominante westliche Perspektiven der Entwicklung von Landschaftsdegradierung eine entscheidende Rolle bei der anhaltenden Verurteilung indigener Landnutzungspraktiken. Die Dominanz der westlichen Sichtweise wird so lange anhalten, wie es einen vorteilhaften Diskurs über das Management von natürlichen Ressourcen für hauptsächlich drei Hauptakteure gibt: für afrikanische Regierungen, internationale Hilfsorganisationen und ihre Bürokratien sowie einige Wissenschaftler. Lokale Subsistenzlandwirte bleiben dabei auf der Verliererseite, da ihr indigenes Wissen um das Management natürlicher Ressourcen oft weiterhin ignoriert oder als nicht nachhaltig abgestempelt wird und darum
Modifikation der Sichtweisen
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im Rahmen von internationalen Landschaftsmanagement-, Entwicklungshilfe- und Naturschutzframeworks als illegitim gilt.
Projekte Feuermanagement
Erfolgversprechende Programme und Projekte zum Feuermanagement in den meisten Ländern Afrikas müssen daher nicht nur am Nachhaltigkeitspostulat orientiert sein, sondern vor allem auch neuere Sichtweisen und Erkenntnisse der Feuerökologie berücksichtigen und indigene Traditionen und Praktiken mit einbeziehen. Gerade in Afrika ist Feuermanagement eng mit Armutsbekämpfung und dem gesamten livelihoods-Kontext verknüpft und erfordert daher kreative Ansätze im Umgang mit Feuer. Am Rande sei hier auch die Bedeutung von AIDS für den Verfall traditioneller Feueranwendung und -bekämpfung erwähnt, da ganze Generationen nicht mehr vom Wissen ihrer Eltern profitieren können. In den letzten Jahren haben vor allem Projekte, die das Konzept des Community-Based Fire Management (CBFiM) berücksichtigen, Aspekte des Feuermanagements verbessern können. Dies lenkt den Blick vor allem auf die Etablierung von Fire Committees und das südafrikanische Working on Fire (WoF)-Programm.
Community-Based Fire Management (CBFiM) Community-Based Fire Management ist eine Form des Land- und Forstmanagements, in dem eine lokal ortsansässige Gemeinschaft (mit oder ohne die Kollaboration anderer Miteigentümer) wesentliche Beteiligung am Entscheiden der Ziele und Methoden hat, die am Verhindern, Kontrollieren oder Verwenden von Feuer beteiligt sind. Community-Based Fire Management stützt sich auf die Strategie, lokale Gemeinschaften in die richtige Anwendung von Landnutzungsfeuern sowie die Verhinderung und Unterdrückung von verheerenden Feuern einzubinden. CBFiM-Ansätze können eine bedeutende Rolle im Feuermanagement in vielen Teilen der Welt spielen, besonders dort, wo anthropogene Zündquellen die primäre Quelle von Feuern sind, welche den Lebensunterhalt, die Gesundheit und Sicherheit von Menschen bedrohen. Die vorrangigen Tätigkeiten der communities liegen dabei in der Prävention von verheerenden Feuern. Sie beinhalten die Planung und Aufsicht von Landnutzungsfeuern, die gemeinsame Ausführung kontrollierter Feuer und Feuerüberwachungsmaßnahmen sowie die Verhängung von Sanktionen. Communities können eine zentrale Rolle in der Bekämpfung von großflächigen Feuern spielen, sollten dabei aber von staatlicher Seite unterstützt werden.
Fire Committees Da die Bekämpfung von Buschbränden für die afrikanischen Regierungen oft zu teuer oder wegen mangelnder Infrastruktur unmöglich ist, muss die Landbevölkerung diese Aufgabe in kooperativer Selbsthilfe übernehmen. Um die Kooperation zwischen Landbevölkerung und Landmanagern und somit ein besseres Feuermanagement in den jeweiligen Regionen zu ermöglichen, wurden – bisher in Südafrika und Botsuana sowie in einigen Gebieten Namibias und Moçambiques – Fire Committees geschaffen.
Perspektiven
Durch die Arbeit der Fire Committees, die beispielsweise Brandschutzstreifen brennen und andere Vorbeugemaßnahmen treffen, wird die Feuerwahrscheinlichkeit gesenkt und die Ausbreitung der Feuer kontrolliert. Durch die kooperative Nutzung von Ressourcen und die beratende Funktion und Unterstützung durch das Fire Committee und die Regierung ergeben sich gewaltige finanzielle Einsparungen. Daher sollten Fire Committees überall dort etabliert werden, wo das Feuerrisiko die Kosten und den Aufwand, ein solches zu etablieren, rechtfertigt.
Working on Fire (WoF) „Working on Fire“ ist eine von der südafrikanischen Regierung unterstütze MultiPartner-Organisation, die sich auf integriertes Feuermanagement und Feuerbekämpfung spezialisiert. Die südafrikanische Forest Fire Association (FFA) implementiert das WoF-Programm und koordiniert das Feuermanagement am Boden und aus der Luft. Das WoF-Prinzip ist modular aufgebaut und kann im gesamten südlichen Afrika angewendet werden. WoF kombiniert Armutsbekämpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen und die Schaffung von Kapazitäten mit dem Service von Feuermanagement für das gesamte Land. Mit Blick auf die jährlichen Schäden durch unkontrollierte Brände wurde die Notwendigkeit erkannt, eine Fire Management Agency zu schaffen, die von der Ausbildung bis hin zur nationalen Einsatzkoordination von lokalen Feuerteams eigenverantwortlich Feuermanagement nach internationalen Richtlinien implementiert. „Working on Fire“ wird als eines der erfolgreichsten Armutsbekämpfungsprojekte und seit 1994 von der südafrikanischen Regierung als Best Practice Model angesehen. Seit 2003 wurden 2000 Firefighter rekrutiert und ausgebildet und in über 40 Fire Bases stationiert.
Perspektiven Die meisten afrikanischen Länder verfügen über gesetzliche Bestimmungen, die den Einsatz und die Kontrolle von Feuer regeln. Allerdings werden diese selten durchgesetzt, da erhebliche Schwierigkeiten darin bestehen, die Verursacher zur Verantwortung zu ziehen. Die Kontrolle von Feuer wird dadurch kompliziert, dass die Mehrzahl der Feuer in Afrika als Hunderttausende weit verstreute kleine Einzelereignisse auftreten. Unter den Voraussetzungen des kontinuierlich steigenden Bevölkerungszuwachses sowie einer fehlenden wirtschaftlichen Entwicklung und mangelnden Alternativen zur Subsistenzlandwirtschaft wird der Druck auf Landressourcen weiter zunehmen. Der anthropogene Treibhauseffekt und die Intensivierung von Landnutzungen bilden die Hauptdeterminanten der ökologischen Zukunft der afrikanischen Savannenbiome. Dabei führt die fortlaufende Anhäufung von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu erhöhten globalen Temperaturen und einem atmosphärischen Feuchtigkeitsgehalt, wie sie während des Paläozän-Eozän-Temperaturmaximums vor 55 Mio. Jahren vorkamen. Zusammen mit dem Anstieg von CO2 können diese Baumwachstum und eine Zunahme der Waldfläche stimulie-
Bevölkerungsdruck
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Erhöhte Feuerfrequenz durch Rodungen
ren und damit den Einfluss von Feuer auf Savannisierungsprozesse verlangsamen. Wenn sich die globalen Veränderungen im Laufe der kommenden Jahrzehnte auf diese Weise auswirken, werden sie das dynamische Gleichgewicht von Waldland–Grasland–Savannen zugunsten der Ausbreitung von Waldvegetation verschieben. Allerdings führen Abholzungen zur Brennholzgewinnung sowie zur Umwandlung in Kulturflächen und Weiden zu vermehrter Erwärmung und Trockenheit des Klimas mit Auswirkungen, die Feuer fördern und damit den Verlust an Waldvegetation verdoppeln. Außerhalb dicht besiedelter landwirtschaftlicher Gegenden resultieren Rodungen für Holz-, Brennholz- und Holzkohlegewinnung in einer zunehmenden Vergrasung der Landschaft, die wiederum intensive Feuer während der Trockenzeit begünstigt und Baumnachwuchs unterdrückt. Die komplette Abholzung von Bäumen in tropischen Savannen kann durch diesen Mechanismus die Feuerfrequenz um bis zu 50 % erhöhen. In Anbetracht des chronischen Bevölkerungsdrucks auf die afrikanischen Ökosysteme ist es sehr wahrscheinlich, dass Landnutzungsänderungen jeden Einfluss überdecken werden, der in den kommenden Jahrzehnten von CO2- und Klimaveränderungen ausgehen wird. Kurzum, der Trend geht zu mehr Feuer.
Vom Berberzelt in die Moderne: Dynamische Siedlungsentwicklung und geoökologische Disparitäten in Libyen KLAUS BRAUN JACQUELINE PASSON
Abb. 6.1: Tarabulus – Großzügig angelegte Verkehrsachsen und ausgedehnte Siedlungsflächen kennzeichnen die Entwicklung der libyschen Metropole (Foto: K. BRAUN)
Kennzeichnend für die Kulturlandschaften Libyens waren über Jahrhunderte hinweg nomadische Strukturen. Die durch Griechen, Phöniker und Römer geprägte Städtekultur der Antike war durch die Massenwanderung arabischer Nomaden im 11. Jahrhundert ausgelöscht worden. Sieht man von Tarabulus und einigen Dauersiedlungen in den Oasen des Fezzan ab, so kehrten erst mit den ab Mitte des 19. Jahrhunderts von den Sanussi errichteten Klöstern Ansätze von Sesshaftigkeit zurück (GOODCHILD 1971, WEIS 1965). Die Anlage von Verwaltungszentren unter der Osmanischen Herrschaft über Libyen markierte einen ersten Schub für die Siedlungstätigkeit im Land. Das Siedlungsbild nachhaltig zu beeinflussen, gelang aber erst den Italienern, die 1911 das Land erobert hatten und damit begannen, die küstennahen Bereiche Tripolitaniens und der Kyrenaika planmäßig zu kultivieren. Das Landschafts- und Siedlungsbild zeigte damit ganz neue Züge. Neben den großen Konzessionen mit ihren Herrensitzen und Pächterhäusern entstanden vor allem Streusiedlungen mit einem villaggio, das als Zentraler Ort Mittelpunkt und Versorgungszentrum für das Umland und die dort angesiedelten Bauern war. Die italienischen Siedler nahmen das gesamte fruchtbare Ackerland für sich in Anspruch und drängten die libyschen Stämme nach Süden in die dortigen Wüsten- und Halbwüstengebiete ab. Nach der Entlassung in die Unabhängigkeit 1951 gründete die libysche Regierung unter Führung von König Idris I. Siedlungsprojekte, um jene Nomaden und landlose Bauern, die von den Italienern vertrieben worden waren, wieder anzusiedeln und zu sesshaften Bauern zu machen (WEIS 1966). Seit der Septemberrevolution 1969 regiert Muammar al-Gaddafi das Land. Im Zuge des von ihm aufgelegten Programms zum Wohnungs- und Infra-
Zentralörtliche Differenzierung
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Vom Berberzelt in die Moderne: Libyen
strukturausbau entstanden in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche neue Siedlungen mit modernen Neubauvierteln, Straßen, Schulen sowie sozialen Einrichtungen. Bedingt durch terroristische Aktivitäten und ein daraufhin von den UN verhängtes Handelsembargo kam es in den 1990er-Jahren zu drastischen wirtschaftlichen Einbrüchen.
Abb. 6.2: Libyen im Überblick
Bevölkerungswachstum und Strukturpolitik
Nach der mittlerweile erfolgten Aufhebung des Embargos ist in den letzten Jahren ein reger Aufschwung festzustellen, der sich unter anderem an einer starken Zunahme der importierten Waren, einem deutlichen Ausbau der Infrastruktur und einem spürbaren Anstieg des Lebensstandards ablesen lässt. Ausgestattet mit Erdölreserven in Höhe von 41,6 Bio. Barrel – das entspricht Platz neun der Länder mit den größten Reserven an Erdöl weltweit (PENNWELL CORPORATION 2006) – zielt die derzeitige libysche Politik darauf ab, die Einnahmen aus der Vergabe von Förderlizenzen dazu zu nutzen, über Subventionen eine Grundsicherung der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten, überall im Land eine adäquate Infrastruktur aufzubauen und sich ein modernes Gesicht zu geben. Begleiterscheinungen dieser Entwicklung sind ökologische Implikationen wie die Ausweitung der Siedlungsflächen, die Zunahme von Luftschadstoffen innerhalb der größeren Städte, das wachsende Müllaufkommen und der insgesamt steigende Verbrauch von Energie und Wasser. Bei einem durchschnittlichen Bevölkerungswachstum von jährlich 1,8 % und ökologischen Rahmenbedingungen, die für weite Teile des Landes als nahezu lebensfeindlich einzustufen sind, wird offensichtlich, dass Libyen vor der Aufgabe steht, den zukünftigen Umgang mit Energie, mit Nahrungsmitteln und mit Wasser adäquat zu managen.
Zukunftsmanagement
Bevölkerungswachstum und Strukturpolitik Libyen ist zu mehr als 90 % der Landesfläche geprägt durch die nahezu unendlichen Weiten der Wüsten- und Halbwüstengebiete der Sahara. Vorherrschende Landschaftsformen sind die lokal als Hamada bzw. Serir bezeichneten Fels- und Kieswüsten. Sandmeere mit sanften Rippeln und hohen Dünen, die so genannten Erg, machen demgegenüber nur einen kleinen Teil der Wüstenlandschaften Libyens aus. Extreme Temperaturen und fehlender Niederschlag machen das Leben in diesen Gebieten nur in Oasen möglich, in denen der Wasserbedarf durch Grundwasservorkommen gedeckt wird, oder in Camps, die künstlich versorgt werden und ihre Existenz vor allem der Gewinnung von Rohstoffen oder dem Tourismus verdanken. Lediglich ein schmaler Streifen entlang der Mittelmeerküste bietet vergleichsweise gute Bedingungen für Wohnen und Wirtschaften, da hier wie im gesamten Mittelmeerraum mit regelmäßigen Niederschlägen während des Winterhalbjahres gerechnet werden kann. Auch wenn dieser Streifen nur einen Bruchteil des Landes ausmacht, so konzentriert sich hier die Bevölkerung, findet hier das Leben statt. Nahezu drei Viertel der für 2006 geschätzten 5,5 Mio. Libyer leben in diesem Raum, über 1,6 Mio. davon allein im Großraum Tarabulus (GREAT SOCIALIST PEOPLE’S LIBYAN ARAB JAMAHIRIYA/ THE GENERAL AUTHORITY FOR INFORMATION 2005). Daten- und Informationsquellen Zwar gibt es zahlreiche und auch aktuelle Statistiken sowohl im Land selbst als auch bei einschlägigen Organisationen, schwierig ist jedoch die Bewertung der Daten.
Natürliche Umweltfaktoren
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Das zeigt sich unter anderem an den derzeit verfügbaren Kartenmaterialien. Angeboten werden fünf bis sechs Übersichtskarten für Libyen in Maßstäben zwischen 1:600.000 und 1:3.500.000, die einen guten Überblick über die wichtigsten Siedlungen und Straßen liefern. Die Lage kleinerer Ansiedlungen, Brunnen oder Pisten durch die Wüste wird hingegen recht unterschiedlich wiedergegeben. Verlässlicher sind hier die mittlerweile vorhandenen Karten des National Survey Department of Libya in den Maßstäben 1:250.000 und 1:750.000, die auf Fernerkundungsdaten und alten Militärkarten aus den 1930er- bis 1950er-Jahren beruhen. Der Zugang zu diesen Karten ist allerdings immer noch an eine offizielle Genehmigung gebunden, so dass diese nicht ohne weiteres käuflich zu erwerben sind. Offizielle Daten zur Entwicklung des Landes werden von der General Authority for Information der Great Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya in Form eines Statistischen Jahrbuchs herausgegeben. Basis für diese Daten sind die als Shabiyah (Plural: Shabiyat) bezeichneten Verwaltungseinheiten. Bis Anfang der 1960er-Jahre teilte Libyen sich verwaltungstechnisch in die drei Provinzen Tripolitanien, Kyrenaika und Fezzan auf. Seit 1963 gibt es diverse Einteilungen, zunächst ein System mit zehn Distrikten (Muhafazat), später mit 13 Regionen (Manateq). Diese wurden zu Beginn der 1980er-Jahre durch die Einteilung des Landes in zunächst 46 und später 25 Magistrate (Baladiyat) ersetzt. In den 1990erJahren wurde Libyen in 32 Shabiyat eingeteilt, die in neuerer Zeit wiederum zu 22 Shabiyat zusammengefasst wurden. Problematisch hierbei ist, dass die Grenzziehung zwischen den Einheiten auch bei gleichbleibenden Namen häufig verändert wurde, statistische Angaben also nicht unbedingt vergleichbar sind. Um die Bevölkerungsentwicklung einigermaßen verlässlich darstellen zu können, wurden daher Daten der General Authority for Information aus den Jahren 1999, 2000 und 2005 verwendet, die sich entweder auf Regionen oder das Shabiyah-System mit 32 Einheiten beziehen und untereinander vergleichbar sind. Die neuesten verwendeten Angaben entstammen den „Vital 2005 Statistics“, in denen bereits Prognosen für das Zensusjahr 2006 genannt werden. Aktuelle offizielle Angaben sind zwar teilweise über das Internet verfügbar (http://www.gia. gov.ly/), beziehen sich aber auf das seit 2006 geänderte Shabiyah-System mit 22 Einheiten und verhindern somit eine direkte Vergleichbarkeit mit früheren Erhebungen. Recht genaue Angaben über Siedlungsentwicklung, Vegetation usw. lassen sich mithilfe von Fernerkundungsdaten machen. Zahlreiche Landsat-MSS-, -TM- und -ETM+-Datensätze für Libyen sind u.a. über die Internetseite des Global Land Cover Facility (http://glcf.umiacs.umd.edu/index.shtml) frei verfügbar. Zur Analyse des Flächenwachstums der Siedlungen wurden Datensätze aus den Jahren 1972, 1990 und 2002 herangezogen.
Bevölkerungsentwicklung
Die Bevölkerungsentwicklung Libyens im 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch ein enormes Wachstum (vgl. Abb. 5.3). Angaben der UNO zufolge zählte das Land im Jahr 1936 gerade einmal 805.000 Einwohner. Anfang der 1950er-Jahre setzte in Libyen eine starke Bevölkerungszunahme ein. 1954 hatte das Land 1.088.000 Einwohner, zwanzig Jahre später hatte sich die Zahl bereits auf gut zwei Millionen erhöht. Während der elf Jahre zwischen 1973 und 1984 nahm die Bevölkerung um das 1,5-Fache auf 3.236.160 Einwohner zu. Zu dieser Zeit zählte Libyen mit einem Bevölkerungswachstum von 4,2 % pro Jahr zu den Ländern mit den höchsten Wachstumsraten. Dank des Ölbooms und des dadurch steigenden Wohlstands wuchs die Bevölkerung Libyens bis 1995 auf knapp 4,4 Mio. Einwoh-
Bevölkerungswachstum und Strukturpolitik
ner an. Dieser Trend setzt sich bis heute fort: 2006 zählte das Land 5.323.991 Einwohner, ohne die schätzungsweise 1,5 Mio. Nicht-Libyer, die sich ebenfalls im Land aufhalten.
Abb. 6.3: Bevölkerungsentwicklung und räumliche Verteilung des Bevölkerungswachstums in Libyen und im Großraum Tarabulus (Entwurf: K. BRAUN)
Die in den 1950er und 1950er-Jahren erfolgte Abwanderung der libyschen Bevölkerung aus den ländlich geprägten Gebieten Tripolitaniens und der Kyrenaika in die Wirtschafts- und Handelsmetropolen Tarabulus und Binghazi wurde von staatlicher Seite nach der Revolution negativ beurteilt (HASSAN/ ALI 1973). Al-Gaddafi sah in der zentralistisch orientierten Politik der Zeit vor 1969 die Hauptursache für die mangelnde Entwicklung der Städte des Landes außerhalb der drei Zentren Tarabulus, Binghazi und Sabha. Der Kampf gegen die Landflucht und der Anschluss des Landesinneren an die einwohnerstarken Städte in Küstennähe nahmen daher eine zentrale Stellung in der Entwicklungsplanung ein. Das Gleichgewicht der verschiedenen Landesteile sollte hergestellt werden. Es wurde deshalb der Anspruch formuliert, die regionalen Disparitäten innerhalb des Landes abzubauen. Von staatlicher Seite setzte man infolgedessen nach der Revolution auf die Dezentralisierung der Zentren und Einrichtungen sowie auf die Förderung der Peripherie. NAGEH zufolge muss jedoch einschränkend bemerkt werden, dass der regionale Aspekt der Planung erst mit der Einrichtung so genannter „Basis-Volkskomitees“ ab 1977 an Bedeutung gewann (NAGEH 1989). Grundlage für die geplante räumliche Entwicklung war der National Physical Perspective Plan von 1979. Nach diesem Plan sollten die Siedlungen Libyens in einem Netz von Development Axes und Centers miteinander verknüpft werden. Hierzu wurden im Land die Regionalzentren Tarabulus, Binghazi und Sabha ausgewiesen, die bereits wirtschaftliche Schwerpunkte darstellten und ihrer Bedeutung entsprechend durch Entwicklungsachsen miteinander verbunden wurden. Des Weiteren wurden acht Subzentren
Abbau regionaler Disparitäten
Raumplanerische Konzepte
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Verteilung der Bevölkerung
Wasser- und Nahrungsmittelversorgung
Agrarprojekte
und 28 Lokalzentren ausgewiesen. All diese Zentren sind durch ein System von primären, sekundären und tertiären Achsen verbunden. Entlang der Entwicklungsachsen sollten sich anschließend Wirtschaft, Infrastruktur, Wohngebiete etc. ansiedeln, wobei eine Zielsetzung darin bestand, Industriestandorte aus den Ballungszentren ins Umland zu verlagern. Aufgrund der günstigeren naturräumlichen und ökonomischen Bedingungen wurde der Küstenstreifen hierbei besonders gefördert (SCHLIEPHAKE 1999). Stadtplanerische Konzepte konzentrierten sich vor allem darauf, die sozialökonomischen Grundlagen in den strukturschwachen ländlichen Gebieten und in den Oasen zu verbessern. Der National Physical Perspective Plan sah folglich den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur im ganzen Land vor: Es entstanden neue Städte mit modernen Neubauvierteln, Straßen, Schulen, Krankenhäusern und weiteren sozialen Einrichtungen, die zudem an die Wasser- und Energieversorgung angeschlossen wurden. In den 1970er-Jahren führte das staatliche Modernisierungsprogramm dazu, dass die Altstädte des Landes in den Oasen wie Ghadamis oder Ghat von ihren Bewohnern zugunsten moderner und komfortabler Wohnhäuser verlassen wurden. Die traditionsreichen Städte verfielen zunehmend. Man ignorierte diese Altstädte bewusst, da sie mit Rückständigkeit assoziiert wurden (PASSON 2009, KOHL 2003). Wie bereits erwähnt leben nahezu drei Viertel der libyschen Bevölkerung im Küstenstreifen, und dort vorzugsweise in den Ballungsräumen Tarabulus und Binghazi. Trotzdem ist das Innere des Landes nicht entvölkert. So zeigt die Verteilung des Bevölkerungswachstums zwischen 1995 und 2006, dass der größte Anstieg mit 4,15 % zwar im suburbanen Raum von Tarabulus im Shabiyah Tajura erreicht wird, die drei an Sabha grenzenden Shabiyat Wadi al Hayaa, Al Jufrah und Murzuq in der Mitte und im Süden des Landes aber ebenfalls ein deutliches Wachstum von um die 2,89 % aufweisen (s. Abb. 6.3). Es ist daher anzunehmen, dass die geschilderte Dezentralisierungspolitik gerade auch im Süden des Landes dazu beigetragen hat, die Bevölkerung dort nicht nur zu stabilisieren, sondern sogar noch deutlich zu steigern. Mit zu den wichtigsten Aufgaben des Staates gehört zweifellos die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Während es aufgrund der geringen Einwohnerzahl lange Zeit ausreichte, die lokalen Grundwasservorkommen in Tiefen bis zu 80 m mithilfe verschiedener traditioneller Techniken wie Hebel- und Ziehbrunnen oder in neuerer Zeit auch mit Motorpumpen zutage zu fördern, so reicht dies mittlerweile nicht mehr aus. Das Grundwasser in diesen wasserführenden Schichten kann sich in vielen Fällen nicht mehr schnell genug bilden oder ist völlig aufgebraucht. Lösung verspricht hier das Graben von Tiefbrunnen mit bis zu 400 m Tiefe und das gigantische Great Man-Made River Project, das es ermöglicht, fossiles Grundwasser aus dem Innern der Wüste über Hunderte von Kilometern zu den Verbrauchern an der Küste zu transportieren. In Bezug auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln war Libyen lange Zeit bestrebt, autark zu werden. Al-Gaddafis „Grüne Politik“ setzte daher bei der Urbarmachung bisher ungenutzter Flächen für die Landwirtschaft an, so dass im ganzen Land neue Agrarprojekte entstanden. Gelingen sollte dies mithilfe von Tiefbrunnen, die mitten in der Wüste Wasser für die Produktion
Auswirkungen auf den Küstenstreifen Tripolitaniens
von Datteln, Getreide und Vieh liefern sollten. Aufgrund der hohen Verdunstung, Problemen mit der Versalzung der Böden und dem Ausbleiben von Zuwanderern in die neu gegründeten Agrarsiedlungen erwies sich dieses Vorhaben jedoch schwieriger als erwartet. Heute zeichnet sich Libyen mehr denn je dadurch aus, dass ein Großteil der benötigten Lebensmittel in Form von Konserven aus aller Welt importiert und per Flugzeug und Lastwagen bis in die entlegensten Winkel des Landes transportiert wird, subventioniert aus den Erdöleinnahmen des Staates. Great Man-Made River Project Das Great Man-Made River Project (GMMRP) ist ein gigantisches Vorhaben, das zum Ziel hat, die Bevölkerung Libyens dauerhaft mit Wasser zu versorgen. Ausgangspunkt waren die eher zufälligen Funde von fossilem Wasser, die in den 1960er-Jahren während der Suche nach Erdöl in der Libyschen Wüste bei Kufra und Tazirbu gemacht wurden. Ursprüngliche Vorstellungen, nahe der Brunnen riesige Farmen in der Wüste anzulegen, um eine autarke Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln garantieren zu können, konnten nicht verwirklicht werden. Da die Bevölkerung offenbar nicht dazu bereit war, in die geplanten neuen Oasen zu ziehen, arbeitete man an Plänen, das Wasser zu den Verbrauchern an der Küste zu bringen. Im August 1984 wurde der Grundstein für die erste Fabrik zur Produktion der eigens entwickelten, 4 m hohen Röhren gelegt. 1993 konnte die erste Pipeline zwischen Tazirbu und Binghazi in Betrieb genommen werden. Nach der für 2009 geplanten Fertigstellung wird das riesige Netz von Pipelines rund 5000 km umfassen und schätzungsweise 20 Bio. US-$ gekostet haben (WATKINS 2006). Sein Ziel hat das gigantische Vorhaben damit fürs Erste erreicht: die Versorgung der Bevölkerungszentren an der Küste mit ausreichend Wasser zu gewährleisten und die Lebensqualität der Bevölkerung damit deutlich zu verbessern. Ähnlich wie beim Erdöl stellen sich allerdings auch bei einem solchen Projekt Fragen nach den verfügbaren Ressourcen und den Auswirkungen, welche die Förderung von schätzungsweise 6,5 Mio. m3 Wasser pro Tag aus mehr als 1000 Quellen in 300–400 m Tiefe nach sich ziehen. Sicher ist, dass dieses nach neueren Forschungen Millionen Jahre alte fossile Wasser (STURCHIO et al. 2004) unter den heutigen klimatischen Bedingungen nicht neu gebildet wird, ein Ende des großen, von Menschen gemachten Flusses also abzusehen ist. Ob das in 250 Jahren sein wird, wie optimistische Schätzungen annehmen, oder bereits in 30–50 Jahren, wie internationale Experten schätzen, bleibt dabei offen – ebenso wie eine verlässliche Abschätzung der ökologischen Folgen, die die Entnahme solcher Wassermengen nach sich ziehen wird.
Auswirkungen von Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung auf den Küstenstreifen Tripolitaniens Tarabulus und Umgebung bilden die mit Abstand größte Agglomeration Libyens. Verwaltungstechnisch betrachtet besteht dieser Großraum aus den vier Shabiyat Tarabulus, Tajura, Al Jfara und Az Zawiyah. Zwar wird in den
Großraum Tarabulus
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Abb. 6.4: Great ManMade River Project: Bau der Pipeline zur Versorgung der Bevölkerung im westlichen Tripolitanien mit Wasser aus dem Becken von Ghadamis (Foto: K. BRAUN)
Suburbanisierung
offiziellen Statistiken vor 1984 bereits von einer Region Tarabulus gesprochen, diese umfasste allerdings nur die drei erstgenannten Shabiyat. Die stetige Ausdehnung von Tarabulus in Richtung Westen und das starke Wachstum der Stadt Az Zawiyah selbst legen es jedoch nahe, das Shabiyah Az Zawiyah in die weitere Betrachtung zu integrieren und als Teil des Großraumes Tarabulus zu betrachten. Im Zensusjahr 2006 wohnten in den vier Shabiyat zusammen 1,62 Mio. Libyer auf knapp 5300 km2, etwa die Hälfte davon in Tarabulus selbst (vgl. Abb. 6.3). Betrachtet man die Entwicklung der Bevölkerungszahlen, so zeigt sich, dass das aktuelle Wachstum sich in erster Linie auf das Shabiyah Tajura konzentriert, gefolgt von den Shabiyat Al Jfara und Az Zawiyah. Tarabulus selbst hat mit einem Bevölkerungswachstum von 0,56 % hingegen nur noch leichte Zuwächse zu verzeichnen. Eine Betrachtung der Siedlungsflächen auf der Basis von Landsat-Aufnahmen aus den Jahren 1972, 1990 und 2002 zeigt, dass das Wachstum von Tarabulus bis 1972 zunächst in Richtung Süden und Westen erfolgte, sich jedoch bis 1990 und stärker noch bis 2002 nach Osten verlagerte (vgl. Abb. 6.5). Leitlinien dieses typischen Suburbanisierungsprozesses sind zum einen die Küstenstraße zwischen Sabratha und Al Khums, zum anderen die Straßen, die in Richtung Süden nach Al Aziziyah und Tarhunah führen (s. Abb. 6.2). Gut zu erkennen auf den Satellitenaufnahmen ist auch die Entwicklung der Verkehrswege und der kleineren Städte im Umland von Tarabulus. Was sich bei der Ausdehnung der Siedlungsflächen hingegen kaum widerspiegelt, ist das überraschend hohe Bevölkerungswachstum im eher ländlich geprägten Shabiyah Al Jfara. Eine exemplarische Überprüfung mithilfe hochaufgelöster Fernerkundungsaufnahmen lässt den Schluss zu, dass das Wachstum in diesem Shabiyah nicht so sehr mit einer Ausdehnung der Siedlungen als vielmehr mit einer deutlichen Zunahme einzeln stehender Wohngebäude und Gehöfte verbunden ist, die in den verwendeten LandsatAufnahmen nicht zu erkennen sind.
Libyens Weg zwischen Entwicklung und Anspruch
Abb. 6.5: Entwicklung der Siedlungsflächen und des Bevölkerungswachstums im Großraum Tarabulus (Entwurf: K. BRAUN)
Flächenmäßig betrachtet hat sich der Anteil der überbauten Bereiche im Großraum Tarabulus von 109 km2 im Jahr 1972 auf 270 km2 im Jahr 2002 erhöht. Den größten Zuwachs zeigen dabei die westlich und östlich von Tarabulus gelegenen Shabiyat Az Zawiyah und Tajura. Die genannten Analysen belegen die fortschreitende Ausdehnung von Tarabulus auf Kosten des Umlandes. Es wäre allerdings verfehlt, in diesem Zusammenhang gleich von einem ungezügelten Wachstum oder einem übermäßigen Flächenverbrauch zu sprechen. Vergleicht man etwa die Situation im Großraum Tarabulus mit der Entwicklung der ähnlich großen Planungsregion München, so zeigt sich folgendes Bild: Während die überbaute Fläche im Großraum Tarabulus zwischen 1990 und 2002 um knapp 6 km2 pro Jahr zunahm, so wird für die Planungsregion München für den Zeitraum 1996–2000 ein Wert von etwa 8 km2 pro Jahr angegeben. Selbst wenn man eine gewisse Unschärfe bei der Erfassung der genannten Werte mithilfe von Landsat-Aufnahmen mit einer Auflösung von bestenfalls 15 × 15 m2 berücksichtigt und in Rechnung stellt, dass die dynamische Entwicklung in Libyen seit dem Ende des Embargos den Flächenverbrauch zukünftig noch ansteigen lassen wird, so ist die Situation zwar nicht unkritisch, aber dennoch weit entfernt von den Dimensionen in anderen Entwicklungs- und Schwellenländern – und Industrienationen.
Libyens Weg zwischen sozioökonomischer Entwicklung und ökologischem Anspruch Libyen zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass es in vielerlei Hinsicht eine Sonderrolle spielt und eigene Wege geht, um die Probleme des
Nachholende Entwicklung
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Flächenverbrauch
Eingriffe in den Naturhaushalt im Küstenbereich
Landes zu bewältigen. Teilweise entspricht das dem libyschen Leitbild eines starken und autonomen Landes, das mit der „Grünen Revolution“ von 1969 eine Gesellschaftsordnung entwickelt hat, die verspricht, ein gerechtes und solidarisches Miteinander zu gewährleisten. Teilweise entspricht die Sonderrolle aber auch der Notwendigkeit, in Zeiten der Isolation eigene Wege zu finden, um das Land überhaupt funktionsfähig zu erhalten. Aktuell ist Libyen dabei, die Entwicklung des Landes voranzutreiben und das in den 1990er-Jahren Versäumte nachzuholen. Die zunehmende Öffnung des Landes, die Verfügbarkeit von Waren und Luxusgütern aus aller Welt, die beginnende Öffnung in Richtung einer freieren Marktwirtschaft – all dies führt im Land zu einer rasanten Aufbruchstimmung, ohne dass bereits klar wäre, wohin die Reise am Ende geht. Anders als in Europa spielen in der gegenwärtigen Situation Debatten um ökologische Folgen des derzeitigen Handelns keine praktische Rolle. Zwar ist ein Bewusstsein vorhanden bezüglich Themen wie Luftschadstoffe oder nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, aber: Was sollen, so wird gerne argumentiert, knapp sechs Millionen Menschen, die sich auf eine Fläche von 1,76 Mio. km2 verteilen, auch schon groß anrichten können. Nimmt man etwa das Thema Flächenverbrauch, so wird schnell klar, dass bei der Größe des Landes rein statistisch gesehen der Anteil versiegelter Flächen minimal ist im Vergleich zu europäischen Ländern. Und was sollte daran problematisch sein, wenn es darum geht, der Wüste mithilfe gigantischer Bewässerungs- und Infrastrukturmaßnahmen Land abzuringen für Agrarprojekte und menschliche Siedlungen. Nichtsdestotrotz bleiben Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt nicht ohne Folgen, auch in Gebieten, die aus seiner Sicht nahezu kein Leben zulassen. Geht es darum, Wüstenlandschaften oder Teile davon in ihrer Art zu bewahren, so betreibt Libyen mit seiner Politik der Dezentralisierung und der Ausbeutung sämtlicher Ressourcen an Erdöl und Wasser, die tief unter der Wüste gespeichert sind, Raubbau. Ist die Wüste hingegen Niemandsland und ohne besondere ökologische Bedeutung, so spricht letztendlich auch nichts dagegen, die dortigen Bodenschätze zu nutzen und das Land zu kultivieren und urbar zu machen. Ohne Zweifel sind die Ökosysteme der Wüste sehr sensibel. Trotzdem ist ihre Rolle im globalen Zusammenhang nach wie vor nicht ausreichend erforscht, so dass eine fundierte Bewertung des Umgangs mit diesen Ökosystemen offen bleiben muss. Anders stellt sich die Situation im Bereich des mediterran geprägten Küstenstreifens dar. Durch winterliche Regenfälle und sommerliche Trockenheit geprägt, ziehen Eingriffe in den Naturhaushalt beträchtliche und meist irreversible Folgen nach sich. So zeigen Untersuchungen in der Jefara-Ebene westlich von Tarabulus, dass der zunehmende Wasserbedarf in Landwirtschaft und Industrie bereits zu einer Übernutzung der lokalen Grundwasservorkommen geführt hat mit der Folge, dass Salzwasser bis zu 10 km landeinwärts in die wasserführenden Gesteinsschichten eindringt und eine weitere Nutzung unmöglich macht (SADEG/KARAHANOGLU 2001). Andernorts führt die Ausdehnung und Intensivierung von Ackerbau und Viehzucht dazu, dass die Pflanzendecke durch zunehmende Überweidung dezimiert und der Boden durch Starkniederschläge im Winterhalbjahr abgetragen wird.
Libyens Weg zwischen Entwicklung und Anspruch
Gerade dort, wo die Mehrzahl der libyschen Bevölkerung lebt, wäre es demzufolge angebracht, mehr auf ökologische Ausgleichs- und Schutzräume zu achten. Stattdessen wachsen hier die Städte, werden neue, breite Verkehrsachsen angelegt, wird damit begonnen, das Hinterland mehr und mehr zu zersiedeln. Neben einer gewissen Sorglosigkeit im Umgang mit den verfügbaren Ressourcen spielt bei dieser Entwicklung sicher auch das Bedürfnis eine Rolle, in puncto Prestige mit anderen Staaten gleichzuziehen und Tarabulus zu einer bedeutenden Metropole auszubauen. So wird etwa das Great ManMade River Project politisch propagiert als achtes Weltwunder und als Geschenk al-Gaddafis an die Bevölkerung, das bestehende Probleme beseitige und dauerhaft ein grünes Libyen garantiere. Mit der Folge, dass Wasser nicht nur für die Bewässerung von Feldern und die Grundversorgung von Industrie und Bevölkerung genutzt wird, sondern auch gerne und reichlich zum Waschen von Autos oder zum Sprengen staubiger Straßen. Gleiches gilt auch in Bezug auf die Nutzung von Kraftstoffen und Strom. Der durch das Erdöl bedingte Reichtum garantiert der Bevölkerung eine preiswerte Versorgung, so dass keine Notwendigkeit besteht, sparsam mit diesen Ressourcen umzugehen. Mit vorhersehbaren Folgen: Straßenbeleuchtung im 24-Stunden-Betrieb, Klimaanlagen an jeder Ecke, dichter Autoverkehr in den großen Städten. Deutlich geringere Investitionen entfallen auf Bereiche, die bezüglich der Grundversorgung der Bevölkerung weniger dringlich erscheinen: Müll, der am Rande der Siedlungen abgelagert oder in Wadis gekippt wird, um beim nächsten Winterregen in Richtung Mittelmeer verfrachtet zu werden, ist ein solches Thema, ebenso wie die ungeklärte Entsorgung von Abwässern oder die Belastung von Industriestandorten durch Erdöl oder andere Schadstoffe. Dennoch gibt es mittlerweile auch andere Beispiele. So wird nach Aussagen von Verantwortlichen inzwischen darauf geachtet, dass beim Bau von Ferienanlagen die Abwasserentsorgung vernünftig und ökologisch vertretbar geregelt ist oder dass seit einigen Jahren nur noch moderne Autos mit geringerem Schadstoffausstoß in Libyen verkauft werden. Kritische Probleme wie die Überbeanspruchung von Grundwasservorkommen werden von der staatlichen General Water Authority benannt und untersucht (SALEM 2002). Und seit Neuestem wird an der Gestaltung eines „Tripoli Green Belt“ gearbeitet, einer Parklandschaft, die die innerstädtischen Bereiche der Hauptstadt umgibt und sowohl als lufthygienischer Puffer als auch zur Erholung der Bevölkerung dienen soll – was wiederum nur dann funktioniert, wenn die Grünflächen ausreichend mit dem eigentlich raren Wasser versorgt werden. Bedingt durch das anhaltende Bevölkerungswachstum und eine dynamische Aufbruchstimmung dürfte die Situation eher schwieriger als besser werden. Auch wenn anzunehmen ist, dass die Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln und Energie in den nächsten Jahrzehnten gewährleistet sein wird, so wäre es Libyen zu wünschen, an diesem Punkt nicht halt zu machen, sondern die wenigen existierenden Ansätze in Bezug auf einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit der Umwelt weiterzuentwickeln.
Prestige und Ökologie
Zaghafte Ansätze von Nachhaltigkeit
Ambivalente Zukunft
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Migration von Westafrika nach Europa: Nur ein Ausdruck von Umweltflucht? THOMAS KRINGS
Abb. 7.1: An der spanischen Costa del Sol im Dezember 2008 gestrandete boat people aus Westafrika (Foto: REUTERS / FRANCISCO BONILLA)
boat people
Unter allen Kontinenten weist Afrika die höchste Mobilitätsrate der Welt auf. Etwa 35 Mio. Menschen leben im Ausland. Die meisten dieser Migranten sind Opfer von Vertreibungen und Bürgerkriegen und leben in Flüchtlingslagern in meist unzugänglichen peripheren Regionen der Nachbarstaaten. Zu den Binnenvertriebenen (displaced persons), Kriegsflüchtlingen und Wanderarbeitern kommen Hunderttausende von verzweifelten Menschen, meist jüngere Männer – die harragas, wie die Migranten aus den Ländern südlich der Sahara im Maghreb genannt werden – die alle ein Ziel haben: die Emigration nach Europa. Verglichen mit den Millionen von Bürgerkriegsflüchtlingen innerhalb Afrikas ist der Anteil der harragas an der Gesamtzahl der internationalen Migranten mit ca. 150.000 Menschen seit 2004 relativ unbedeutend. Jedoch erfahren die sans papiers, weil ohne gültige Reisepapiere wandernden „illegalen“ oder „irregulären“ Migranten, dauerhafte Aufmerksamkeit in den Medien, weil sie zu Hunderten jede Woche auf seeuntauglichen Fischerbooten vor den Küsten Südeuropas auftauchen, wo sie sodann von den Küstenwachen aufgebracht werden. Von einigen europäischen Innenministern wird das Schreckgespenst einer unkontrollierten Einwanderungswelle verelendeter Afrikaner an die Wand gemalt, was die Notwendigkeit einer hermetischen Abschottung der EU-Außengrenzen plausibel machen soll. Ein vorläufiger Höhepunkt der medialen Aufbereitung der Immigration von Afrikanern nach Europa wurde im Sommer 2006 erreicht, als europäi-
Migrantenströme und Migrationsrouten
sche Zeitungen Bilder von zu Tode erschöpften, halb verdursteten, am Strand von Teneriffa gestrandeten Migranten zeigten, die von „mitfühlenden“ Strandurlaubern mit Trinkwasser und Decken versorgt wurden. Die Ankömmlinge aus Afrika ohne regulären Aufenthaltsstatus besitzen allein durch ihre physische Präsenz vor den Küsten Europas inzwischen eine „räumliche Definitionsmacht“ und sind zu einem Teil der europäischen Gesellschaften geworden – ohne dass sie „offiziell“ angekommen sind (HILLMANN 2007). Über die soziale Herkunft und den Status der boat people gibt es keine verlässlichen Informationen. Der Umstand, dass eine Reise auf dem Seeweg meist nur unter Inanspruchnahme von Schlepperbanden möglich ist und den monetären Gegenwert mehrerer Jahreseinkommen eines Kleinbauern oder ungelernten Gelegenheitsarbeiters kostet, deutet darauf hin, dass es nicht die Allerärmsten sind, die eine gefahrvolle Reise nach Europa wagen. Vermutlich sind es eher solche Personen, die auf dem Weg aus der Armut bereits einige Schritte zurückgelegt haben oder auf die Ersparnisse der Großfamilie zurückgreifen konnten (RAUCH 2007). Aus diesem Grund erscheint es nicht ganz zutreffend zu sein, die boat people mit dem unscharfen Begriff „Armuts- bzw. Elendsflüchtlinge“ zu belegen. Die Zusammensetzung der Migranten ist heterogen: Nicht nur Männer aus der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen, auch Frauen mit Kleinkindern und selbst Schwangere sind unterwegs. Kamen bis 2007 vorwiegend Menschen aus dem subsaharischen Raum, versuchen seit einiger Zeit immer mehr Arbeitsuchende aus Tunesien und dem Nahen Osten (Irak), nach Südeuropa zu gelangen. Über deren Bildungsstand und die berufliche Qualifizierung existieren kaum Informationen. In dem vorliegenden Beitrag wird ein spezielles Augenmerk auf die Hintergründe der Emigration der boat people aus dem westlichen Sahelraum (Senegal, Mali) gelegt, von wo ca. die Hälfte aller Migranten stammt.
Migrationsursachen Die Ursachen der Migration von Afrika nach Europa sind höchst komplex und lassen sich keineswegs nur auf den Aspekt der „Umweltflucht“ reduzieren. Die materielle Armut und die fehlenden Perspektiven für ein menschenwürdiges Leben in den von politischen und ökonomischen Krisen geschüttelten Heimatländern der Migranten sowie die Wahrnehmung der wachsenden sozialen Kluft zwischen Europa und Afrika spielen zusammen mit den sich kontinuierlich verschlechternden geoökologischen Lebensgrundlagen eine wichtige Rolle für die Wanderungsentscheidung.
Migrantenströme und Migrationsrouten Die genaue Zahl der Menschen, die sich seit Mitte der 1990er-Jahre, verstärkt jedoch seit 2001, ohne die nötigen Einreisepapiere auf den Weg von Afrika nach Europa machen, ist unbekannt. Faktum ist, dass die Zahl der Migranten aus Westafrika mit Ziel Europa kontinuierlich steigt.
Ziel Europa
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Migration von Westafrika nach Europa
Migrationsdruck
Abb. 7.2: Wichtige Migrationsrouten (1997–2008) auf dem Land- und Seeweg irregulärer Migranten aus West- und Ostafrika in Richtung Europa (Entwurf: TH. KRINGS)
Nach Angaben der spanischen Regierung sind im Jahr 2006 etwa 31.000 Menschen „illegal“ auf motorisierten (seeuntauglichen) Booten (cayucos) aus Nord- und Westafrika auf die Kanaren gelangt. Dies entspricht etwa der Gesamtzahl der Menschen, die im Zeitraum 2002–2005 auf der kanarischen Inselgruppe im Ostatlantik landete. Im Jahr 2007 wurden dort nur noch 6655 „illegale Migranten“ registriert, deutlich weniger als ein Jahr zuvor, aufgrund der stärkeren Überwachung der Küstengewässer zwischen Nordwestafrika und den Kanarischen Inseln durch europäische und afrikanische Sicherheitsorgane. Im Jahr 2008 reduzierte sich die Zahl der Ankünfte der boat people auf 5500. Die Zahl der Abschiebungen aus Spanien nimmt deutlich zu. So wurden an See- und Flughäfen im Jahr 2008 17.000 „Illegale“ abgewiesen, an den Grenzübergängen zu Frankreich und Portugal mehr als 600 und an den Grenzzäunen der nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla 1200 Personen. Demgegenüber nahm im Jahr 2008 mit knapp 37.000 Personen die Zahl der boat people, die an italienischen Küsten landeten, stark zu. Der Migrationsdruck, d.h. die Zahl der zur Migration bereiten Personen, ist trotz verstärkter Überwachungsmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX) ungebrochen hoch. Gegenwärtig existieren in Subsahara-Afrika zwei große Quellgebiete von illegalen Migranten: Zum einen der Großraum Westafrika, d.h. der westliche Sahel-Sudan (Senegal, Gambia, Mali, Burkina Faso) und die Guineastaaten (Guinea-Bissau, Sierra Leone, Togo, Benin, Ghana, Nigeria), zum anderen die durch Bürgerkriege und von Staatszerfall bedrohten Staaten in Ostafrika (Eritrea, Äthiopien und Somalia). Zusätzlich zieht es aber auch
Migrantenströme und Migrationsrouten
Migranten aus Marokko, Tunesien, Ägypten und Kriegsflüchtlinge aus dem Irak nach Europa. Seit Mitte der 1990er-Jahre haben sich die Migrationsrouten in Anpassung an die ständig veränderte Immigrationspolitik der einzelnen EU-Staaten immer wieder geändert. Grob lassen sich zwei Hauptrouten unterscheiden: Die Mittelmeerroute führte im Zeitraum 2001–2005 aus den Sahelstaaten auf dem Landweg über Algerien und Marokko zu den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Seitdem diese im Oktober 2005 durch hohe Sperrzäune abgeriegelt wurden und für Migranten kaum mehr zu überwinden sind, verlagerte sich die vornehmlich aus dem westlichen Sahelraum gespeiste Migration vom Landauf den weitaus gefährlicheren Seeweg im östlichen Teil des Atlantiks in Richtung Kanarische Inseln. Stachen die Schlepperboote bis August 2006 noch hauptsächlich in kleineren Hafenorten und Buchten an der mauretanischen Küste zwischen Nouakchott und Nouâdhibou sowie am gesamten senegambischen Küstenabschnitt zwischen Banjul und St. Louis in See, wurden von den Migranten seit September 2006 aufgrund verstärkter Kontrollen durch die senegalesische Küstenwache, unterstützt durch spanische Küstenpatrouillen im Rahmen der FRONTEX-Operation „Capo Blanco“, südlichere Abfahrtsorte an den Mangrovenküsten von Gambia und Guinea-Bissau gewählt. Die um bis zu 1000 km längere Überfahrt von Guinea-Bissau zu den Kanarischen Inseln erhöht das Risiko des Kenterns der überfüllten Boote und des Verdurstens der Passagiere aufgrund von Trinkwassermangel dramatisch. Aus Angst vor den Küstenpatrouillen steuern viele Boote immer mehr auf den offenen Atlantik, was zur Folge hat, dass die Westströmung des Ozeans die mit nur schwachen Motoren ausgestatteten Boote erfasst und sie vom Kurs abbringt. Die von der EU unterstützte Überwachung der westafrikanischen Küsten trägt somit direkt zur Umlenkung der Migrantenströme auf das offene Meer bei. Die daraus resultierende größere Zahl an Toten wird von den verantwortlichen Politikern der EU-Mitgliedstaaten als Abschreckungsstrategie zur Eindämmung der Migration stillschweigend in Kauf genommen. Die Migrationsroute der „Zentral- und Ostafrikaner“ führt über den Sudan und Ägypten nach Libyen, ein Land, das in den letzten Jahren ebenso wie Tunesien zu einer wichtigen Zwischenetappe für Zehntausende Migranten geworden ist, die auf eine günstige Gelegenheit warten, um auf eine der italienischen Inseln im Mittelmeer oder auf das Festland zu gelangen. Wenn im Jahr 2008 die Zahl der Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa auf über 31.000 anschwoll, dann lag das daran, dass Spanien den Zugang zu den Kanarischen Inseln erschwert hat. Mit der jüngsten Ankündigung der italienischen Regierung, sämtliche Bootsflüchtlinge nicht mehr auf dem Festland, sondern direkt auf Lampedusa zum Zweck einer schnelleren Abschiebung zu internieren, kam es bei der italienischen Inselbevölkerung zu Protesten, die Lampedusa als „Gefängnis Europas“ missbraucht sehen. Mit 1300 Menschen ist das lediglich für 380 Personen ausgelegte Übergangslager hoffnungslos überfüllt. Immer mehr Boote steuerten deshalb seit 2008 Sardinien als neues Fluchtziel an. Die Migration ist zu einem lukrativen Markt für international agierende Menschenschmuggler aus dem west- und nordafrikanischen Raum gewor-
Zielland Spanien
Zielland Italien
Menschenhandel
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Migration von Westafrika nach Europa
den. Der Menschenhandel lässt sich bis in Zeiten des mittelalterlichen Transsaharahandels mit Salz, Gold und Sklaven zurückverfolgen. Ein Transfer von Mauretanien auf dem Landweg in die spanischen Exklaven kostete 2005 pro Person 600 e; für 700 e konnte man vom Gebiet der früheren Spanischen Sahara (heute unter marokkanischer Verwaltung) auf die Kanarischen Inseln gelangen. Mit 1000 e kam eine Reise von Westafrika über Libyen nach Italien am teuersten. Die Zahl der boat people, die in den letzten zehn Jahren im Meer ihr Leben ließen, ist unbekannt. Nach offiziellen spanischen Schätzungen kam im Jahr 2006 jeder sechste Migrant bei dem Versuch, von Afrika auf die Kanaren zu gelangen, ums Leben. Fischer auf der italienischen Insel Lampedusa berichten, dass sich immer wieder Leichen von Flüchtlingen in ihren Netzen verfangen. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss von einer Dunkelziffer von mehreren Zehntausend Toten in den Gewässern zwischen Afrika und den Kanarischen Inseln sowie in der Straße von Tunis seit 1999 ausgegangen werden. Im Jahr 2007 strandete ein führerloses Fischerboot mit mumifizierten Leichen sogar an der Küste der Insel Barbados in der Karibik!
Migration als Folge von Umweltveränderungen und Deagrarisierung Umweltflucht
Es steht außer Frage, dass Umweltveränderungen in den Sahelländern ein wichtiger Grund für Land-Stadt-Wanderung und die enormen Verstädterungsraten von jährlich bis zu 7 % (z.B. im Großraum Dakar) darstellen. Die Landflucht in die Haupt- und Küstenstädte ist eine erste Etappe für weitergehende Migrationsprojekte nach Europa. Die so genannte „Umweltflucht“, ausgelöst durch Naturkatastrophen, wird seit 1985 von den Vereinten Nationen als entwicklungspolitische Herausforderung benannt. Als „Umweltflüchtlinge“ werden Menschen verstanden, die gezwungen sind, ihren angestammten Lebensraum vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen, weil eine gravierende Umweltveränderung (naturbedingt oder vom Menschen ausgelöst) ihre Existenz bedroht und ihre Lebensqualität ernsthaft beeinträchtigt (RICHTER 2000). Umweltflüchtlinge registrierte man im Sahel im Verlauf der Dürrekatastrophen seit 1968 immer wieder, als Hunderttausende von Menschen aus den nomadischen Lebensräumen zunächst in die Siedlungsgebiete der Sesshaften, später auch in die Provinz- und Hauptstädte flohen. In den Jahren mit normalem Niederschlag kehrten zwischenzeitlich viele der Nomaden wieder in ihre Heimatgebiete zurück. Unabhängig von diesen krisenhaften Migrationsschüben nimmt die Landflucht von Menschen der aktivsten Altersjahrgänge, Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, immer größere Ausmaße an. Grund ist die Verschlechterung der Lebensbedingungen auf dem Land durch Bodendegradation, zurückgehende Ernteerträge. Weitere Gründe der Destabilisierung der ländlichen Produktionssysteme sind zum einen die sinkende Rentabilität des einheimischen Getreideanbaus, speziell im Küstenstaat Senegal, und eine hohe Steuer- und Abgabenlast. Billiges Importgetreide wie thailändischer Reis verdrängt die viel teurere einheimische Hirse. Im westlichen Senegal, der einstigen Korn-
Migration als Folge von Umweltveränderungen
kammer des Landes und einem in der Kolonialzeit bedeutenden Gebiet für die Erdnussproduktion, muss sogar von einer Deagrarisierung gesprochen werden. Durch die Nahrungsmittelhilfen während der Dürreperioden und die Übernahme städtischer Ernährungsgewohnheiten – Importreis statt Hirse – als Folge langjähriger Aufenthalte in Dakar nahm z.B. in manchen Dörfern des Serer-Volkes der Reiskonsum zu. Dieser wird überwiegend durch die Geldüberweisungen von in Dakar oder im Ausland lebenden Familienmitgliedern finanziert. Unter den auf dem Land verbliebenen Bauern entwickelte sich durch die Bargeldtransfers im Ausland lebender Migranten eine Empfängermentalität, welche die Eigeninitiative erlahmen lässt (MARTIN 2007). Jüngere oder männliche Mitglieder translokaler Haushalte, deren Angehörige in Dakar oder in südeuropäischen Ländern einen Job gefunden haben, sind die Vorbilder für weitere Migrationswillige nach Europa. Eine noch weitgehend unbekannte Ursache für die Migration von westafrikanischen Kleinfischern ist der dramatische Rückgang der Fischbestände vor den Küsten Gambias, Senegals und Mauretaniens durch Überfischung. Der handwerkliche Fischereisektor liefert im Senegal 80 % des Fisches für den inländischen Verbrauch, deckt 60 % des Proteinbedarfs der Bevölkerung, beschäftigt 250.000 Menschen und stellt zugleich einen wichtigen Devisenbringer dar. Das traditionelle senegalesische Fischgericht thiof, das mit Reis, Gemüse und Filetstücken des Zackenbarsches (Epinephelus aeneus) zubereitet wird, ist aufgrund des Rückgangs der Barschbestände zu einem Luxus geworden, den sich nur noch wohlhabende Leute leisten können. Ursprünglich zählten die Gewässer des Atlantiks vor der westafrikanischen Küste zu den fischreichsten der Erde. Dieser Fischreichtum hat verschiedene Ursachen. Zum einen eine Küstenlinie, die durch zahlreiche Trichtermündungen von Flüssen wie z.B. des Rio Cacheu, Casamance, Gambia-River, Sine-Saloum und des Senegalflusses gegliedert ist, wobei die Brackwasserzonen und Mangrovengebiete in den Ästuaren Fischbrutplätze und Lebensräume für Jungfische darstellen, zum anderen die Existenz von zwei saisonal wechselnden Meeresströmungen. In der Trockenzeit (November–März) gelangt kaltes Auftriebswasser (upwelling) des Kanarenstroms nördlich der Kap-Verde-Halbinsel an die Meeresoberfläche. Diese Gewässer sind planktonreich und liefern Nahrung für zahlreiche Fischarten. Von Juni–September wirkt sich der äquatoriale Gegenstrom im Senegal an der Petite Côte aus, der durch monsunale Luftbewegungen noch verstärkt wird (piling-up). Deshalb wurden im Zeitraum Dezember–Juni an der Grande Côte, d.h. am Küstenabschnitt nordöstlich von Dakar, die kommerziell bedeutsamen Bodenfische (demersale Arten) wie Zackenbarsch, Kabeljau sowie Tintenfische gefangen. Im Zeitraum April–November wanderten früher viele Fischer nach Süden bis an die Mündung des Casamance-Flusses, wo pelagische Fischarten (Schwarmfische) wie z.B. Sardinen auftraten. Dieser Fischreichtum ging seit den 1980er-Jahren zurück. Ursache der Überfischung des Ostatlantiks vor der afrikanischen Westküste ist die zunehmende Konkurrenz zwischen hochmodernen ausländischen Fischfangflotten und der handwerklichen lokalen Küstenfischerei. Ein Teil der unterbeschäftigten Kleinfischer ist gezwungen, ihre Fischerboote zu verkaufen, mit denen westafrikanische Migrationswillige – darunter auch arbeitslos gewordene Kleinfischer – versuchen, auf die Kanarischen Inseln zu gelangen.
Überfischung
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Migration von Westafrika nach Europa EU-Fischereipolitik
Migration, Politische Ökonomie und die Politische Ökologie der Zerstörung mariner Ressourcen stehen in Westafrika in einem engen Zusammenhang. Bereits um 1980 zeichnete sich eine Erschöpfung der Fanggründe im Nordatlantik ab, weshalb südeuropäische Fischtrawler in die Gewässer vor der westafrikanischen Küste auswichen, die sich aufgrund des nahe gelegenen Umschlagplatzes Las Palmas (Kanarische Inseln) anboten. Gleichzeitig wurde der EU-Fischereisektor immer weiter subventioniert und die Fangflotte vergrößert. Über viele Jahre gelang es nicht, den Überhang von ca. 90.000 Fischerbooten in der EU abzubauen, weil die Fischer aus den südeuropäischen Mitgliedstaaten über eine mächtige Lobby in Brüssel verfügen (KOHOUT 2007). Um die hoch subventionierte Fischereiflotte der EU und auch die Arbeitsplätze in diesen wichtigen Wirtschaftssektoren zu sichern, suchen Fischtrawler aus Frankreich, Spanien und Portugal immer weiter von Europa entfernte Fischgründe im Westatlantik, so auch vor den Küsten des Senegal und Mauretaniens auf. Zwar ist die 12-Meilen-Zone vor der westafrikanischen Küste als Fanggrund für die kleinbetrieblichen afrikanischen Fischer vorbehalten, doch hat das industrielle Abfischen mit Grundschleppnetzen die handwerkliche Küstenfischerei stark beeinträchtigt. Der Niedergang der afrikanischen kleinbetrieblichen Küstenfischerei wird zusätzlich dadurch beschleunigt, dass Staaten wie der Senegal und Mauretanien durch Kompensationszahlungen für die Gewährung von Fischereilizenzen an europäische Fangflotten ihren Devisenhunger zu stillen versuchen. So erhält Mauretanien, das über die fischreichsten Meeresgewässer der Welt verfügt, 86 Mio. e aus dem Fischereivertrag mit der EU sowie zusätzlich 16 Mio. e Lizenzgebühren. Der jährliche Gesamtwert des vor der mauretanischen Küste gefangenen Fischs beträgt auf den europäischen Fischmärkten jedoch 1,5 Milliarden e! Ein drastischeres Beispiel für einen unfairen Vertrag zwischen der EU und einem der ärmsten Staaten im westafrikanischen Sahel, der zudem sämtliche Anstrengungen der Entwicklungszusammenarbeit im Fischereisektor konterkariert, lässt sich kaum vorstellen. Hinzuzufügen bleibt, dass von den 86 Mio. e, die Mauretanien aus den Fischereilizenzgebühren erhält, kein Cent zur Förderung der artisanalen Kleinfischerei zurückfließt. Dadurch nehmen Unterbeschäftigung und der Migrationsdruck, gerade auch bei den Fischern in Mauretanien, von denen viele Senegalesen sind, zu.
Weitere Gründe für die Emigration aus dem westlichen Sahelraum Transnationalismus
Mit bekannten Tatsachen wie „Armut“, „Arbeitslosigkeit“ oder „Lohndifferenzialen“ zwischen den Sahelländern und Südeuropa (Italien, Spanien) als Push- und Pullfaktoren kann der Wanderungsdrang vieler junger Menschen aus Westafrika nach Europa nicht erklärt werden. Entsprechend den migrationstheoretischen Ansätzen, die in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem aus der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften kamen, liegt es nahe, auch Migrationsphänomene von Westafrika nach Südeuropa in den Kontext der Entstehung von Strukturen des Transnationalismus im globalen Zeitalter oder der „Migration im transnationalen Raum“ zu stellen.
Weitere Gründe
Transmigration Die Transmigration zeichnet sich dadurch aus, dass der Wechsel zwischen verschiedenen Lebensorten in unterschiedlichen Ländern zu einem Normalzustand wird. Der Lebensraum der Transmigranten spannt sich pluri-lokal über Ländergrenzen hinweg zwischen verschiedenen Orten auf (PRIES 2008). Auch bei der Migration von Afrikanern nach Europa wird den sozialen Netzwerken eine immer stärkere Bedeutung beigemessen, die das Funktionieren der Kettenmigration erklären können. Kettenmigrationen entstehen, wenn Familienmitglieder in den Zielländern oder auch in Etappenländern Brückenköpfe aufbauen, die weiteren Familienmitgliedern Anlaufstellen, Unterkunft, Schutz und Starthilfen bei der Arbeitssuche bieten und damit erhebliche materielle und psycho-soziale Kosten sparen.
Im Fall der Migration von Afrikanern nach Spanien und Italien ist bekannt, dass beispielsweise viele Senegalesen bereits seit den frühen 1990er-Jahren in Andalusien als Erntehelfer bei der Olivenernte in der Provinz Jaén oder bei der Tomatenernte in den Bewässerungsgebieten campo de dalias (Provinz Almería) tätig waren und dort seit Jahren als billige Arbeitskräfte zwischen dem Senegal und Spanien hin und her pendelten. Die wiederholt durchgeführten Legalisierungen von sich unerlaubt im Land aufhaltenden Afrikanern durch die spanischen Behörden entsprang einem ökonomischen Kalkül: Man benötigte billige Arbeitskräfte in der expandierenden Landwirtschaft. Bei vielen Westafrikanern erfolgen Migrationsentscheidungen nicht individuell, sondern sind in übergeordnete Haushaltsstrategien zur Existenzsicherung der in Afrika lebenden Großfamilie eingebunden. Die Rimessen tragen heute mindestens zu 10 % des BIP im Senegal bei. Ähnlich transnational strukturiert sind die communities der fliegenden Händler (vu cumprà) aus dem Senegal, die an den Stränden des Mittelmeeres und in Italiens Großstädten Sonnenbrillen und Lederartikel aus der Produktpiraterie verkaufen. Viele dieser Händler kooperieren mit den Akteuren der Schattenwirtschaft und der organisierten Kriminalität (economia sommersa). So erscheint die Immigration in komplexe Netzwerke eingebunden zu sein, deren Akteure nicht nur individuelle Personen, Familien, sondern auch staatliche Institutionen im Herkunftsland umfassen, die wiederum mit Schleuserorganisationen in Verbindung stehen (BREUER 2008). Zudem sind viele junge, migrationswillige senegalesische Männer in muslimischen Bruderschaften wie z.B. der Mouriden organisiert, deren Mitglieder durch ideell-religiöse solidarische Beziehungen miteinander verbunden sind. Senegalesische Mouriden in Italien oder Spanien fungieren als „Ansprechpartner“ für nachrückende Migranten. Die Ausbildung von transnationalen Migrationsstrukturen wird dadurch erleichtert, dass Migranten und ihre Familienmitglieder in den Heimatländern sich heute schnell über E-Mail und Webservices austauschen können. Das Mobiltelefon ist in Afrika schon längst kein Statussymbol mehr, sondern es ist überlebenswichtig geworden; es funktioniert auch zuverlässiger als das überlastete Festnetz. In Afrika und zwischen Afrika und Europa hat sich eine Kultur der Kurzmitteilungen entwickelt. Wie oft jemand anläuten lässt und wann er dies tut, ist Zeichen eines Codes, mit dem Gebühren eingespart werden können (FÖRSTER 2004). Geldüberweisungen können heute elektronisch durch das transnationale Unternehmen Western Union von je-
Transnationale Migrationsstrukturen und Identitäten
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Migration von Westafrika nach Europa
dem kleineren zentralen Ort in Spanien in Sekundenschnelle in fast jede afrikanische Stadt getätigt werden. Der Senegal ist aufgrund seiner engen historischen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich stärker als anderen westafrikanischen Länder von Europa geprägt und bei Franzosen, Spaniern und Holländern eines der beliebtesten touristischen Reiseziele in Westafrika. Durch den Tourismus kommen Tausende von Senegalesen direkt mit Europäern in Kontakt und werden durch europäische Verhaltensweisen geprägt. Viele senegalesische Familien haben Angehörige in Frankreich oder Spanien, so dass recht realistische Bilder von den Lebensumständen in Europa gezeichnet werden. Nicht wenige Senegalesen mit Frankreicherfahrung bezeichnen sich als „sénégaulois“, was auf die immanenten Wünsche einer transnationalen Identität verweist. Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob eine hermetische Abriegelung der europäischen Außengrenzen zu Wasser und zu Luft im Rahmen der FRONTEX-Initiative langfristig überhaupt möglich ist. Die irreguläre Migration der afrikanischen boat people in die EU wird in dem Maße immer weniger kontrollierbar, in dem die Ungleichheit zwischen Nord und Süd, d.h. der Entwicklungsabstand Afrikas von Europa zunimmt. Nur durch eine grundlegende Verbesserung der politisch-ökonomischen Lage in den afrikanischen Ländern, die der Masse der Menschen eine Teilhabe an den positiven Globalisierungseffekten garantiert, ist ein Rückgang der Migrationsströme vorstellbar. Kaum weniger wichtig ist die Steuerung afroeuropäischer Migration. Ein Pilotprojekt in Mali – das Zentrum für Migrationsinformation und -management – bietet einen vielversprechenden Ansatz. Das Zentrum für Migrationsinformation und -management in Bamako In Bamako, der Hauptstadt der Republik Mali, wurde am 6. Oktober 2008 das Zentrum für Migrationsinformation und -management eröffnet. Es handelt sich um ein von der EU unterstütztes Pilotprojekt, das dem Sahelland Mali direkte Hilfe leistet, um die Schwierigkeiten, die mit irregulärer, aber auch legaler Migration verbunden sind, zu meistern. Die 25 Mitarbeiter des Zentrums sollen Ausreisewilligen Auskünfte über legale Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten im Ausland und in Mali selbst geben. Außerdem sollen Informationen über legale Einreisemöglichkeiten nach Europa erteilt werden. Auch geht es darum, Rückkehrwilligen Hilfe bei der Wiedereingliederung in die malische Gesellschaft zu leisten, etwa durch Angebote zur Beschäftigung und zur Berufsausbildung. Das Zentrum soll dazu beitragen, illegale Migration zu verhindern, wenngleich es über keine polizeilichen Befugnisse verfügt. Insbesondere sind Aufklärungskampagnen gegen die illegale Einreise nach Europa oder in andere Länder geplant. Potenzielle Migranten sollen vor den Gefahren für Leib und Leben gewarnt werden, die mit einer illegalen Migration speziell über das Meer verbunden sind. Schließlich soll das Zentrum Studien über Migration von und nach Mali erstellen, da die Regierung bislang hierzu über keine verlässlichen Informationen verfügt. Die Gründung des Zentrums geht auf eine Vereinbarung zurück, die Mali, Frankreich, Spanien, die Europäische Kommission und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS [Economic Community of West African States, 15 Mitglieder] im Februar 2007 unterzeichneten (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 234 vom 7.10.2008).
Die Kapverden: Inseln im Spannungsfeld zwischen geoökologischer Vielfalt und anthropogenem Nutzungsdruck ALEXANDER SIEGMUND SIMONE NAUMANN
Abb. 8.1: (Massen-)Tourismus auf der Insel Sal (Foto: A. SIEGMUND 2009)
Die Kapverdischen Inseln sind ein 4033 km2 Fläche umfassendes Archipel vulkanischen Ursprungs vor der Westküste Afrikas. Die aus 15 Inseln bestehende Republik Kap Verde liegt 450 km westlich des Senegals und ca. 1500 km südlich der Kanaren im östlichen Mittelatlantik und gehörte bis 1975 zu Portugal. Der Archipel mit insgesamt zehn größeren, davon neun bewohnten, und fünf kleineren Inseln hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von ca. 250 km und eine West-Ost-Erstreckung von ungefähr 300 km. Ihre Entstehung verdankt die Inselgruppe submariner vulkanischer Tätigkeit an der Wende von der Kreide zum Tertiär (65 Mio. Jahre vor heute) als Folge des Auseinanderdriftens von Afrika und Amerika durch die Öffnung des südlichen Atlantiks. Die geoökologische Ausstattung der im Bereich der westlichen Ausläufer der Sahelzone gelegenen Inselgruppe ist äußerst vielfältig. Sie differiert sowohl innerhalb des Archipels von Insel zu Insel als auch zwischen unterschiedlichen Regionen auf den einzelnen Inseln beträchtlich. Die geologischen, morphologischen und klimatischen Gegensätze sowie die unterschiedliche Vegetation und Landnutzung tragen zur Heterogenität ihres Landschaftsbildes und geoökologischen Naturraumpotenzials bei – ein charakteristisches Merkmal der Kapverden. Der geoökologischen Vielfalt auf der einen steht ein wachsender anthropogener Nutzungsdruck auf der anderen Seite gegenüber. Er resultiert v.a. seit Ende der 1980er-Jahre und insbesondere seit der Demokratisierung 1991 durch eine rasante Entwicklung des tertiären Sektors, der hauptsächlich durch den Tourismus, aber auch durch das Transport- sowie Bank- und Versicherungswesen getragen wird. Im Jahr 2002 entfiel auf diesen Sektor
Anthropogener Nutzungsdruck
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Die Kapverden
mit rund 75 % der weitaus größte Teil des Bruttoinlandsprodukts, allein 15 % davon auf den Tourismus. Die Etablierung des Tourismus als eine der wichtigsten ökonomischen Wachstumskomponenten auf den Kapverden zeichnet sich u.a. durch den Anstieg der Gästezahlen ab, die 1991 noch bei ca. 19.000 lagen – bereits 2006 konnten 280.000 Ankünfte gezählt werden (INE 2006).
Abb. 8.2: Übersichtskarte der Kapverdischen Inseln (BERTALAN 2009)
Geoökologische Vielfalt auf engstem Raum
Der Tourismus kann im Hinblick auf die sozioökonomische Entwicklung des Landes als Chance, aber ebenso auch als Risiko für die Diversität an Ökosystemen gewertet werden. So sind die Kapverden seit dem 1. Januar 2008 von den Vereinten Nationen offiziell in die Gruppe der Länder mit niedrigem mittleren Einkommen (LMIC, Lower Middle Income Countries) aufgenommen worden. Durch die wachsenden Einnahmen, u.a. durch die internationale Entwicklungshilfe, investiert die Regierung in den letzten Jahren verstärkt in das Gesundheits- und Bildungswesen, und das mit Erfolg: Die Lebenserwartung liegt auf den Kapverden durchschnittlich bei 71 Jahren, die Analphabetenquote beträgt 24 % (UNDP 2006). Aus ökologischer Sicht stellen das Wachstum des Tourismus und die damit gleichzeitig verbundene Expansion der Siedlungs-, Verkehrs- und sonstigen Infrastrukturen (z.B. Energie- und Wasserversorgung) eine große Herausforderung für nachhaltige Landnutzungs- und Naturschutzkonzepte dar (Massentourismus-Syndrom). Die mit Ausnahme von Sal, Boavista und Maio noch vergleichsweise geringen Übernachtungszahlen und die Beeinflussung der Naturräume durch den Tourismus machen eine Steuerung der Entwicklung unter Kapazitäts- und Vulnerabilitätsaspekten möglich. Verläuft die prognostizierte Entwicklung (jährliche Zuwachsrate von 11 %) ohne eine derartige Planung nur an ökonomischen Zielen orientiert, werden sich die Fehlentwicklungen anderer Inselökosysteme wie z.B. auf den Kanaren und Balearen aber auch hier wiederholen.
Ambivalenz touristischer Inwertsetzung
Geoökologische Vielfalt auf engstem Raum Zusammen mit den Kanaren, Azoren, Selvagens und Madeira zählen die Kapverden zur Gruppe der Mittelatlantischen Vulkaninseln, auch Makaronesen genannt, und werden überwiegend durch magmatische Gesteine geprägt. Neben Vulkaniten und Pyroklastika sind auch Sedimentgesteine am Aufbau der Inseln beteiligt (MITCHELL-THOMÉ 1976). Da Fossilien in den stratigraphisch ältesten Sedimentschichten fehlen, bereitet die zeitliche Datierung der ersten Entstehungsphase des Archipels noch immer Schwierigkeiten. Angenommen wird, dass der submarine Vulkanismus der heutigen Inseln mit der Entstehung eines Ozeanischen Rückens in Zusammenhang steht und demnach während des oberen Jura bzw. der unteren Kreide erstmalig aufgetreten ist. Während einer zweiten Phase entstanden mächtige submarine Schildvulkane (seamounts) die in einer dritten Phase durch subaerischen Vulkanismus überprägt wurden. Der quartäre Vulkanismus der Kapverden ist auf Sal mit einigen kleineren Vulkanbauten und der rezente auf der Insel Fogo mit dem 2829 m hohen Pico de Fogo vertreten. Bei der letzten vulkanischen Aktivität 1995 entstand hier ein Nebenkegel, der Pico Pequenho (FUCHS 2005). Die geologisch älteren Ostinseln Sal, Boa Vista und Maio sind durch die bereits länger andauernde postvulkanische Abtragung von einem eher flachen Relief mit weiten Küstenstreifen gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu weisen die jüngeren Westinseln (Santiago, Fogo, Brava, St. Ant¼o,S¼oVicente und S¼oNicolau) eine gebirgige Reliefstruktur mit markanten Höhenunterschieden auf (WAKONIGG 2003).
Neozoischer Vulkanismus
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Die Kapverden
Abb. 8.3: Geoökologische Raumgliederung der Insel Fogo (nach FISCHER 2008); sie basiert auf einer Landbedeckungs- und Landnutzungskarte sowie weiteren Geodaten wie z.B. einer regionalen Niederschlagskarte, geologisch-pedologischen Faktoren sowie Höhe, Hangneigung und Exposition, die in einem geoökologischen Informationssystem zusammengefasst sind
Geoökologische Vielfalt auf engstem Raum
Die differenzierte Morphologie und Topographie der einzelnen Inseln zeigt sich auch in der klimatischen Vielfalt des Archipels. Im Allgemeinen liegen die Kapverden im Einflussbereich der atlantisch geprägten Randtropen, welche durch den Nordostpassat charakterisiert werden. Die mit den tropischen Zirkulationsmustern verbundene Passatinversion hat eine relative Trockenheit auf den Inseln zur Folge. Diese wird durch die in einer Höhe ab etwa 1000 m vom afrikanischen Festland heranströmenden kontinentalen Luftmassen ebenso verstärkt wie durch die mit dem Kanarenstrom verbundenen relativ kühlen, bodennahen Luftschichten, die zu einer stabilen und konvektionsarmen Schichtung beitragen. Im Winter wird die Trockenheit durch den Einfluss des Harmattans zusätzlich verschärft (vgl. KLUG 1967). Der trockenwarme Wind senkt die Luftfeuchtigkeit und führt meist große Mengen Saharastaub heran, der sich oftmals längere Zeit in der unterhalb der Passatinversion liegenden Schicht hält oder zu Staubfällen führt. Auf den höheren Inseln wie z.B. Fogo führt das Auftreffen der etwas feuchteren bodennahen Passatströmung zu einer charakteristischen Höhenstufung (vgl. Abb. 8.2). Dabei tritt tages- und jahreszeitlich differenziert luvseitige Staubewölkung auf, die sich in mittleren nordostexponierten Höhenlagen durch die adiabatische Abkühlung infolge orographischer Hebungsprozesse, verstärkt durch einen tageszeitlichen Land-See-Windeffekt, bildet. Die Untergrenze der stratiformen Bewölkung schwankt zwischen 500–600 m, die Obergrenze zwischen 1100–1300 m (CUNHA 1964, KLUG 1967). Diese Nebelzone stellt nicht nur eine wesentliche Komponente des regionalen Wasserhaushalts dar. Sie trägt darüber hinaus auch z.T. zu einer erheblichen Steigerung des Feuchtigkeitsinputs in Form von Nebelauskämmung (fog catching) bei. So können beispielsweise mit einer Auffangfläche von ca. 2 m2 bis zu 300 l Wasser pro Tag gewonnen werden (SABINO 2001). Im Spätsommer und Frühherbst macht sich der Einfluss südwestlicher, monsunaler Luftströmungen bemerkbar, die feuchtwarme Luftmassen heranführen. Mit diesen Luftmassen können insbesondere für die südliche Inselgruppe Niederschläge einhergehen, die jedoch aufgrund der randtropischen Lage sowohl ungleichmäßig als auch unbeständig ausfallen (CORREIA 1996). Klimatisch gesehen können die Kapverden hinsichtlich ihrer Lage zum vorherrschenden Nordostpassat in die „Inseln über dem Wind“ (BarlaventoGruppe) und die „Inseln unter dem Wind“ (Sotavento-Gruppe) differenziert werden. Unter Berücksichtigung von landschaftsökologischen und naturräumlichen Gesichtspunkten ergibt sich eine Dreiteilung des kapverdischen Archipels: Die im Nordwesten gelegenen, stark reliefierten Inseln Santo Ant¼o,S¼oVicente und S¼oNicolau, die östlichen ariden und nur Höhen von max. 400 m erreichenden Inseln Sal, Boa Vista und Maio sowie die südlichen und höchsten Inseln Santiago, Fogo und Brava. Santo Ant¼o,S¼oVicente und S¼oNicolau – die gebirgigen Inseln „über dem Wind“ Das Landschaftsbild der nordwestlichen Inselgruppe zeichnet sich durch eine starke Eintiefung der Täler und die Zurückverlegung der Talschlüsse durch rückschreitende Erosion bis weit in die Gipfelregion aus. Die sich abwechselnden
Passatklima
Geoökologische Regionalisierung
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Die Kapverden
Phasen der vulkanischen Eruptionen und der damit verbundenen Ablagerungen sowie Phasen der verstärkten Abtragung in den vergangenen geologischen Zeitaltern führten zu dieser gebirgigen Struktur. Bedingt durch die tief und weit eingeschnittenen Täler sind die klimatischen Höhenstufen in ihrer vertikalen Folge teilweise gestört und horizontal vielfach unterbrochen. Die durch den Nordostpassat geprägten Luv- und Lee-Effekte wiederholen sich teilweise auch an den vielen Taleinschnitten. Bei einer dem Windsystem zugewandten Ausrichtung der Talöffnung gelangt das gesamte Tal in den potenziellen Einfluss der Niederschläge. Eine leeseitige Talöffnung verursacht selbst im humiden Norden der Inseln trockene Verhältnisse. Der Norden und Nordosten Santo Ant¼osist von z.T. über 1000 m tiefen Kesseltälern durchzogen, die im Unter- und Mittellauf noch relativ flach sind, zum Oberlauf hin aber stark an Gefälle gewinnen (z.B. Ribeira do Paffll, Ribeira de Torre). In den nördlichen höheren Lagen der Inseln zeigen sich Waldbestände mit Pinus canariensis, Cupressus sempervirens, Eucalyptus globulus und Grevillea robusta. Die feuchteren klimatischen Bedingungen auf der Nordseite begünstigen zudem das Wachstum einer Krautschicht aus Moosen, Flechten und Farnen. Die Südostabdachungen der Inseln bleiben hingegen fast vegetationslos. Die Hochflächen sowie die Tallagen werden dazu genutzt, Ackerbau zu betreiben. Vor allem Mais, Bohnen, Zuckerrohr und Bananen werden hier angebaut.
Sal, Boa Vista und Maio – Inseln der Dünen, Steinwüsten und Palmen Die geologisch ältesten und damit durch erosive Abtragung am stärksten geprägten Inseln zeichnen sich durch ihre geringe Höhe aus. Denudative Prozesse führen verstärkt seit dem Pleistozän zu einer Einebnung. Geomorphologisch betrachtet dominieren weite, offene Tal- und abgeflachte Hangformen sowie nur wenig über das Meeresniveau gehobene Peneplains. Aufgrund der mit max. 400 m geringen vertikalen Erstreckung liegt die Inselgruppe im Einflussbereich der bodennahen Schichten des Passats. Orographisch bedingte Niederschläge und Nebelauskämmung durch Stau der Passatbewölkung wie auf anderen Inseln fehlen – ein insgesamt arides und heißes Klima ist die Folge. Die Böden der Inselgruppe sind aufgrund dieser ariden bis semiariden Klimaverhältnisse in großen Bereichen durch Kalkkrusten geprägt (vgl. KARTHE/SIEGMUND 2004). Die nicht nur oberflächlich vorhandenen Kalk-Konkretionen verhindern die Infiltration von Niederschlägen in tiefer gelegene Bodenschichten und dezimieren damit auch das Wasserangebot für die Pflanzen. Allein auf Boa Vista sind ca. 15 % der Fläche durch Sanddünen bedeckt. Die bis zu einigen Dezimetern hohen Dünen stellen aufgrund ihrer Wasserspeicherfähigkeit für den Wasserhaushalt eine große Bedeutung dar. Der hohe Grundwasserspiegel ermöglicht teilweise sogar das Anlegen von kleineren Oasen mit Kokos- und Dattelpalmenhainen in der Nähe der Dünen. Durch die größere Entfernung vom Landesinneren zur Küste ist auf den Inseln Boa Vista und Maio die Brunnenförderung von Süßwasser ohne Salzwassereinbruch möglich (MACHADO 1967). Das trockenheiße Klima und die damit verbundene hohe Evaporation bedingt in Lagunen Salzablagerungen, die bis in die 1980er zumindest auf Sal (namensgebend!) in Salinen zur Salzgewinnung genutzt wurden. Die klimatischen und pedologischen Gegebenheiten machen eine nur sporadische und spärliche Vegetationsbedeckung auf der Inselgruppe möglich. Höherwüchsige Pflanzenarten sind fast ausschließlich auf die etwas feuchteren Nordseiten der Inseln Maio und Boa Vista sowie die Ribeiras (portugies. für Tal) beschränkt. Hier finden sich vor allem die Tamariske (Tamarix canariensis) und das strauchförmige Wolfsmilchgewächs Jatropha curcas sowie Launea arborescens. Häufige Ve-
Geoökologische Vielfalt auf engstem Raum
getationsformen sind Gräser wie beispielsweise das Zyperngras Cyperus maritimus und die endemische Art Cyperus cadamostii. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen konzentrieren sich auf die größeren Ribeiras und die kleinen Oasen.
Santiago, Fogo und Brava – die Gebirgsinseln „unter dem Wind“ Die südliche Inselgruppe repräsentiert mit Brava, Fogo und Santiago den gemäßigt feuchten Typ innerhalb des Kapverdischen Archipels und umfasst zugleich mit dem Stratovulkan Pico de Fogo (2829 m) den zweithöchsten Berg des Atlantiks. Im luvseitigen Nordosten ist im Küstenbereich bis ca. 300 m Höhe ein aridsemiarides Klima mit Niederschlägen von etwa 250–500 mm pro Jahr ausgeprägt, dem sich im Stau der Passatwolken ein semihumides Hang- und Höhenklima mit Niederschlagsmengen von teilweise über 1500 mm anschließt. Oberhalb der Passatinversion in etwa 1300 m Höhe stellt sich ein semiarides bis arides Klima mit jährlichen Niederschlagsmengen von unter 500 mm ein. Die Leeseite der Inseln ist im Wesentlichen durch einen mit abnehmender Höhe steigenden Ariditätsgrad gekennzeichnet. Im Mittel fallen z.B. auf Fogo je nach Exposition zwischen 200 und 1200 mm Niederschlag pro Jahr (CORREIA 1996). In Abhängigkeit von Höhe und Bewölkungsgrad werden auch die thermischen Gegebenheiten modifiziert. Im Gegensatz zur Insel Santiago, auf der viele endemische Arten v.a. auf den humiden Standorten wachsen, konzentrieren sich die endemischen Arten auf Fogo eher auf die subhumiden und semiariden Standorte der Höhenlagen um die Caldera. Von den insgesamt 82 endemischen Pflanzenarten der Kapverden entfallen 37 auf Fogo (BROCHMANN et al. 1997). Ihr Verbreitungsschwerpunkt deckt sich mit denen der mehr oder weniger anthropo-zoogen stark veränderten ursprünglichen Federbuschformationen der Bordeira-Hanglagen, dem äußeren Rand der Caldera.
Im Vergleich zu anderen atlantischen Inseln wie beispielsweise den Kanaren weist der kapverdische Archipel mit heute ca. 850 Blütenpflanzen eine eher geringe Artenanzahl auf. Der Anteil an endemischen Pflanzenarten beläuft sich auf 15 % und liegt damit unter dem anderer Inselökosysteme wie den Kanaren (53,3 %), Azoren (36 %) oder Hawaii (94,4 %) (FREY/LÖSCH 2004). Zu den endemischen Pflanzenarten gehören z.B. die KapverdenWolfsmilch (Euphorbia tuckeyana) und die Kapverdische Glockenblume (Campanula jacobaea). Die Vegetationsverbreitung in den Höhenstufen ist hauptsächlich abhängig vom differenzierten Niederschlags- bzw. Feuchtigkeitsangebot, während reliefbezogenen oder pedologischen bzw. geologischen Bedingungen nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Vegetationszonen und -typen auf den Kapverden sind, auch infolge der anthropogenen Eingriffe, in breiten Übergangszonen stark ineinander verzahnt. So führen nutzungsbedingte Eingriffe zu einer Beeinträchtigung und Artenverschiebung innerhalb der Vegetationsgesellschaften bis hin zum Artensterben (CONERT 1987). Die Folge sind äolische und bei Starkregenereignissen fluviative Erosionsprozesse, die zu Degradations- und Desertifikationserscheinungen führen können. Allgemein kann auf den Kapverdischen Inseln zwischen einer Tiefen- und einer Bergstufe differenziert werden. Die Grenze verläuft in ca. 700–800 m
Biodiversität
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Die Kapverden
Höhe, kann aber auf der Luvseite auch bis auf Meereshöhe absinken. Zu den Charakterarten der Tiefenstufe, einer Art Trockensavanne, zählen Faidherbia albida, Zizyphus jujuba sowie viele Gramineenarten, die eine enge Verwandtschaft zu saharo-sindischen Florenelementen aufweisen. Zu den typischen Vertretern der Bergstufe gehören u.a. Euphorbia tuckeyana, Artemisia gorgonum, Sarcostemma daltonii, Periploea laevigata, Lythantus amigdalifulius, Celsia insularis, Aeonium gorgoneum, Ficus capensis (MATZNETTER 1960). In den höheren Lagen Santo Ant¼ossind noch vereinzelt Lorbeerwald-Relikte sowie im Nordwesten der Insel Bestände von Nadelgehölzen zu finden (MAY 1985).
Wirtschaftliche Inwertsetzung Agrarraum
Allgemeine wirtschaftliche Situation
Die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die ca. 15 % des Staatsgebiets der Kapverden ausmachen, differenzieren sich entsprechend der naturräumlichen Gegebenheiten im Wesentlichen in Trocken- und Bewässerungsfeldbau. Charakteristisch für den Trockenfeldbau ist eine extensive Landnutzung, mit der ein geringes Ertragspotenzial und hohe Ernteschwankungen einhergehen. Die große Abhängigkeit von den oft unzureichenden und insgesamt rückläufigen Niederschlagsmengen sowie der zunehmend interannuellen und räumlich variierenden Niederschlagsverteilung begründen diese Risikofaktoren (vgl. OLEHOWSKI et al. 2008). Zu den wichtigsten Kulturpflanzen des Trockenfeldbaus zählen Mais, Straucherbsen und diverse Bohnensorten. Der Bewässerungsfeldbau konzentriert sich größtenteils auf die Täler der Inseln Santiago und Santo Ant¼ound umfasst hauptsächlich Zuckerrohr-, Gemüse- und Obstanbau. Trotz der geringen Anbaufläche von nur 3 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche erreicht der Bewässerungsfeldbau in vielen Jahren wesentlich höhere Erträge, als dies auf den Trockenfeldbauflächen möglich ist. Die wirtschaftliche Situation der Kapverden ist bis heute durch eine hohe Arbeitslosenquote (2006: 24 %) und Arbeitsemigration geprägt. 2007 lag die Einwohnerzahl der Kapverdischen Inseln bei knapp 500.000. Rund 700.000 weitere Kapverdier leben allerdings im Ausland und versorgen bzw. unterstützen die auf den Inseln verbliebenen Familienangehörigen finanziell. Diese strukturelle Schwäche hat die Entwicklung neuer Einnahmequellen und Wirtschaftssektoren notwendig gemacht. Vor allem in den letzten Jahrzehnten ist die Anzahl der Beschäftigten im sekundären und tertiären Sektor dadurch deutlich gestiegen, der primäre Sektor hat dagegen mit nur noch 8,5 % am BIP an Bedeutung verloren. Im Rahmen der zunehmenden Urbanisierung und des Ausbaus des Tourismussektors v.a. seit der Demokratisierung 1991 hat auch auf den Kapverden, ähnlich wie in vielen Entwicklungsländern, die Binnenmigration zugenommen. Die Arbeitsemigration in die USA oder auf das europäische Festland ging indes zurück. Vor allem die östlichen Inseln und S¼oVicente verzeichnen ein Bevölkerungswachstum, das zum überwiegenden Teil durch die Migration von anderen, weniger entwickelten Inseln und peripheren ländlichen Regionen geprägt ist. 2004 lebten rund 55,2 % der Bevölkerung in Städten (MINISTRY OF FINANCE AND PLANNING 2004).
Wirtschaftliche Inwertsetzung
Die touristische Entwicklung der einzelnen Inseln divergiert stark – je nach naturräumlichen Gegebenheiten und touristischem Potenzial. So verzeichnet die Insel Sal, ausgestattet mit kilometerlangen weißen Sandstränden, mit rund 167.000 Touristen (59,6 %) den größten Anteil am Besucheraufkommen (vgl. Abb. 8.1). Der Tourismusintensität auf Sal entsprechend, finden sich dort große Hotelanlagen und Ressorts, die auf die Bedürfnisse von Pauschalurlaubern zugeschnitten sind. Während zu Beginn der Tourismusentwicklung noch das Surfen als vorrangiger Grund für die Kapverden als Destination galt, überwiegt nunmehr der Badetourismus. Fogo, als Beispiel einer eher stark reliefierten, von Steilküsten und schwarzem Sandstrand charakterisierten Insel hingegen (vgl. Abb. 8.3), verzeichnet lediglich 1,4 % der Touristen (INE 2007). Aufgrund ihrer Topographie eignet sich die Insel Fogo damit eher für den Individualtourismus: Eine Besteigung des Pico
Touristische Entwicklung
Abb. 8.4: Touristen auf dem Weg zum Pico de Fogo (Foto: A. SIEGMUND 2009)
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Die Kapverden
de Fogo (2829 m) gilt als Höhepunkt jeden Aufenthalts, z.T. auch von Tagestouristen aus Sal und Boa Vista (s. Abb. 8.4). Positive Effekte des erhöhten Tourismusaufkommens und der damit verbundenen Einnahmen vor allem auf den östlichen Inseln zeigen sich u.a. im erhöhten Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung und in der niedrigen Arbeitslosenquote. So sind auf Sal beispielsweise nur rund 7 % der Bevölkerung arbeitslos. Gleichzeitig liegt das Bevölkerungswachstum mit 6,5 % auf Sal deutlich über dem Schnitt auf den Kapverden und deutet ebenfalls auf ein Wirtschaftswachstum hin. Der Anstieg des Urlauberaufkommens in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten führt auf denjenigen Inseln mit entsprechendem touristischem Potenzial zu erheblichen weiteren Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur. Neben dem Transportwesen, der Telekommunikation, der Abwasser- und Abfallbeseitigung fließen staatliche und private Finanzmittel vornehmlich in die Wasserversorgung, da die momentan mithilfe von Entsalzungsanlagen produzierte Wassermenge nicht ausreicht, um den enormen Wasserbedarf durch den Tourismus zu decken. Die ökonomisch positiven Effekte des zunehmenden Tourismus und die damit verbundenen infrastrukturellen Investitionen konzentrieren sich hauptsächlich auf die beiden östlichsten Inseln Sal und Boa Vista. Diese intra- und interinsulare Polarisierung führt wiederum zu einer verstärkten Migration der Bevölkerung aus den ländlichen, landwirtschaftlich geprägten Regionen hin zu den „Zentren des Tourismus“.
Die Frage nach der Tragfähigkeit Grenze des Wachstums
Mit dem wachsenden Tourismus und dem Bevölkerungsanstieg geht eine Zunahme des anthropogenen Nutzungsdrucks durch den Ausbau der Infrastruktur, der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion etc. einher. Die damit verbundenen direkten und indirekten Folgen für die Ökosysteme hängen in starkem Maße von deren Sensitivität und der differenzierten Tragfähigkeit der Naturräume der Inseln ab. Allerdings war in den 1970er-Jahren bereits die Grenze des Wachstums und der Tragfähigkeit auf einigen der Inseln erreicht (KLUG 1967). Seit der Besiedlung der Kapverden unterliegt die natürliche Vegetation des Archipels einer Vielzahl an anthropogenen Eingriffen, die nicht nur zu einer räumlichen Zurückdrängung verschiedener Vegetationsgesellschaften, sondern auch zu einer Artenselektion und -dezimierung führten. 1975 war der Waldbestand bis auf 3000 ha fast gänzlich abgeholzt. Anthropogene Eingriffe in die natürlichen Geoökosysteme wie Holzeinschlag für Brennund Baumaterial, Gewinnung von Siedlungs- und landwirtschaftlicher Nutzfläche, Überweidung und Verbiss durch Ziegen führ(t)en zu einer erhöhten äolischen und infolge von Starkniederschlägen fluviatilen Erosion. Die Degradation und Zurückdrängung der ursprünglichen Vegetation auf kleine Restbestände, vor allem in kollinen und submontanen Regionen des Archipels, ist die Folge (DELAITE/LINDSKOG 1996). Umfangreiche Aufforstungsmaßnahmen zwischen 1976 und 1995 führten zwar zu einer Ausdehnung der Waldfläche auf insgesamt 45.000 ha. Durch die Verwendung von
Die Frage nach der Tragfähigkeit
z.T. nichtheimischen Pflanzenarten erfolgt jedoch eine verstärkte Verdrängung der natürlichen Vegetation. Die ernährungssichernde Subsistenzwirtschaft (Agrar- und Weidewirtschaft) weist z.B. für die semiariden Hochlagen der Insel Fogo eine weit zurückreichende Bedeutung auf. Vor allem durch die extensive Ziegenhaltung (im Jahr 1995: > 20.000 Tiere) zeigen sich inzwischen vermehrt negative ökologische Auswirkungen in Form von Trittschäden und Kahlfraß der bodenbedeckenden Krautschicht mit nachfolgender Erosion. Das Abschälen der Rinde bei Holzgewächsen mit daraus resultierender Austrocknung sowie Verhinderung der Regeneration und Verjüngung des Pflanzenbestandes sind weitere negative Folgen. Die Überweidung durch extensive Viehhaltung führt darüber hinaus zu einer negativen Auslese des Pflanzenbestandes, gerade im Bereich des Calderarandes (Bordeira) von Fogo, in der Krautund Strauchformationen dominieren (LEYENS 2002, OTZEN 1991, WRI 1993). Die Frage nach der Nachhaltigkeit des Tourismus hängt in besonderem Maße von den unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten der Inseln ab. So ist die Flächenumwidmung („Flächenverbrauch“) auf den flacheren Inseln Sal, Boa Vista und Maio um ein Vielfaches höher, als dies auf den eher von Individualtourismus geprägten Inseln mit gebirgigem Charakter wie Fogo und Santo Ant¼oder Fall ist. Das Fehlen von Flächennutzungsplänen führte auf Sal zu einer extremen Konzentration der Bebauung und zu einer Flächenumwidmung auch innerhalb von Schutzgebieten (SuburbiaSyndrom). Die hohe Attraktivität von Bauplätzen in unmittelbarer Küstennähe sowie das Befahren der Dünen z.B. durch dune buggys führen hier zu einer Gefährdung der Dünenvegetation, die momentan die benachbarten Nutzflächen vor äolischer Akkumulation durch Überwehung schützt (SIEGMUND/HOHMANN 2003). Von der touristischen Expansion ebenso betroffen sind die Ei-Ablageplätze von Meeresschildkröten auf den östlichen Inseln sowie Nistplätze zahlreicher Vogelarten. Die Entnahme von Sand als Baustoff oder zur Aufschüttung von stärker frequentierten Stränden auf Maio und Santo Ant¼ostellen eine weitere Gefährdung der sensitiven Küstenvegetation und -fauna dar. Zusätzlich zum (Aus-)Bau von Siedlungen, Flughäfen und sonstiger Infrastruktur kommen Meerwasserentsalzungsanlagen, die in größerem Umfang Flächenversieglungen mit sich bringen. Bis in die 1980er-Jahre konnten die natürlichen Ressourcen den Wasserbedarf auf den Inseln decken, das Bevölkerungswachstum und v.a. die stark steigende Anzahl an Touristen verursachen inzwischen insbesondere auf den flachen, niederschlagsarmen Inseln ein erhebliches Wasserdefizit. So erfolgt die Wasserversorgung auf Sal, S¼oVincente und Santiago nahezu ausschließlich durch entsalztes Meerwasser. Die mit Diesel betriebenen Anlagen verursachen neben erheblichen Investitionen und Devisenabflüssen zusätzlich in ihrer nächsten Umgebung eine Kontamination des Bodens und führen durch die Einleitung der konzentrierten Sole ins Meer zu einer Schädigung der marinen Ökosysteme. Das Bevölkerungswachstum und die verstärkte Binnenmigration, v.a. hervorgerufen durch den Tourismus und die damit erhofften Arbeitsplätze, führen insbesondere in urbanen Randgebieten zur Errichtung von illegalen, informellen Hüttensiedlungen (Favela-Syndrom). Der Bau von Sozialwohnun-
Nachhaltigkeit des Tourismus
Syndrome
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Die Kapverden
Balance der Landnutzungsstrategien
gen durch die kapverdische Regierung soll dem entgegenwirken, die Mieten sind aber für die einheimische Bevölkerung meist nicht bezahlbar. Eine weitere Umweltdegradation durch unangepasste anthropogene Effekte stellt das zunehmende Aufkommen fester und liquider Abfälle durch die steigende Anzahl von Touristen und Einwohnern dar (Müllkippen-Syndrom). Ein Großteil der Abwasserentsorgung erfolgt in Sickergruben, oder die Abwässer werden direkt ins Meer geleitet. Da bisher keine Abfallverbrennungsanlage existiert, wird der Müll auf offener Fläche verbrannt – eine Kontamination des Bodens, des Grundwassers und der Luft sind die Folge. Die unmittelbaren Auswirkungen durch touristische Aktivitäten wie Baden, Surfen, Segeln und Wandern auf die terrestrischen und marinen Ökosysteme sind Schätzungen zufolge zwar insgesamt noch relativ gering. Das zunehmende Aufkommen von Offroad-Touren und motorisierten Wassersportarten erhöht das potenzielle Risiko einer Gefährdung ebenso wie die geplanten Golfplätze. Die weitere touristische Entwicklung kann nur unter Berücksichtigung der ökologischen Gegebenheiten auf den einzelnen Inseln erfolgen, will man das eigentliche Potenzial des Tourismus – die ungestörten und vielgestaltigen Landschaften – nicht zerstören. Die Nachhaltigkeit darf bei den Planungen nicht unberücksichtigt bleiben, vielmehr müssen Landnutzungsstrategien gefunden werden, die die genuinen Bedürfnisse der Inselbewohner nach Deckung ihrer Lebensbedürfnisse sicherstellen und gleichzeitig eine weitere Übernutzung sensitiver Bereiche verhindern.
Malariaübertragung in Westafrika: Die Rolle natürlicher und anthropogener Determinanten DANIEL KARTHE MARTIN KAPPAS
Abb. 9.1: Potenzielle Anopheles-Brutstätten im Westen Burkina Fasos: der Mouhoun (Schwarzer Volta): Gemüseanbau am Rande Illas, Lehmgruben bei Goni, Bananenanbau im Sourou, Sumpfwiesen am Sourou-Stausee, Mouhoun (Schwarzer Volta), Mare bei Kodougou (Fotos: D. KARTHE, M. KAPPAS)
Malaria zählt bis heute zu den weltweit bedeutendsten Infektionskrankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht im „World Malaria Report 2005“ davon aus, dass derzeit mehr als drei Milliarden Menschen in Malariarisikogebieten leben, von denen sich jährlich zwischen 350 und 500 Millionen mit der Krankheit infizieren. Dabei zeigt sich allerdings ein deutlicher regionaler Schwerpunkt: Etwa 60 % aller klinischen Malariafälle und über 80 % der malariabedingten Sterbefälle ereignen sich in Afrika südlich der Sahara. Malaria fordert dort jährlich über eine Million Todesopfer,
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Malariaübertragung in Westafrika
wobei Kinder unter fünf Jahren die Hauptrisikogruppe darstellen. Damit ist Malaria für etwa 18 % der Kindersterblichkeit verantwortlich (WHO 2005). Infektionskrankheiten Infektionskrankheiten wie Malaria, aber auch viele andere mehr zählen im afrikanischen Raum zu den häufigsten Erkrankungs- und Todesursachen und führen in ihrem Zusammenspiel zu einer nachhaltigen Schwächung der lokalen Ökonomien. Die Weltgesundheitsorganisation sowie eine Reihe großer, weltweiter Forschungs- und Förderinstitutionen haben angekündigt, in den nächsten Jahren ein verstärktes Augenmerk auf die – nicht immer ganz einheitlich definierten – vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs, Neglected Tropical Diseases) zu richten, d.h. Infektionskrankheiten, die in Entwicklungsländern jährlich Tausende von Menschenleben kosten, bislang aber weder in den Medien noch in der Forschung proportional zu ihrer Bedeutung wahrgenommen werden. Als Maß für die Bedeutung einer Erkrankung empfiehlt die WHO, neben der Anzahl der krankheitsbedingten jährlichen Todesfälle auch die kumulative Anzahl der durch die Erkrankung verlorenen krankheitsfreien Lebensjahre zu betrachten (DALYs: disability-adjusted life years). Die nachfolgende Tabelle bietet einen Überblick über einige der weltweit wichtigsten Infektionskrankheiten; alle dieser Erkrankungen treten vor allem in Entwicklungsländern auf, wobei Afrika fast immer den Übertragungsschwerpunkt darstellt. Da sich die Ausbreitungsgebiete der Krankheiten stark überlappen, kommt es häufig zu Koinfektionen, die einerseits zu besonders schwerwiegenden Krankheitsbildern führen können, andererseits eine klare statistische Erfassung erschweren. Krankheit
Todesopfer jährlich
Verlust von Lebensqualität im Sinne von DALYs
Malaria
> 1,2 Mio.
46,5 Mio.
Tuberkulose
> 1,5 Mio.
34,7 Mio.
HIV/AIDS
> 2,9 Mio.
84,9 Mio.
Cholera und weitere Durchfallerkrankungen
> 2,2 Mio.
62 Mio.
Dengue-Fieber
19.000
616.000
Schistosomiase
280.000
4,5 Mio.
Wurminfektionen (Ascariasis, Hakenwurm)
125.000
32,6 Mio.
6.000
200.000
Lepra
Malariaübertragung Entwicklungszyklus der Malariaerreger
Malaria wird durch einzellige Parasiten, so genannte Plasmodien, hervorgerufen. Für Malaria beim Menschen sind vier verschiedene Arten dieser Erreger verantwortlich: Plasmodium vivax, Plasmodium malariae, Plasmodium ovale und Plasmodium falciparum. Die Übertragung der Parasiten von
Malariaübertragung
Mensch zu Mensch erfolgt durch Moskitos der Gattung Anopheles. Weibliche Moskitos müssen – um fruchtbare Eier produzieren können – durch Blutmahle beim Menschen (oder bei Tieren) Proteine zu sich nehmen (SERVICE 1993). Erfolgt ein solches Blutmahl bei einer infizierten Person, so können vom Moskito Gametozyten aufgenommen werden (1) (vgl. Abb. 9.2). Bevor eine weitere Übertragung stattfinden kann, muss nun der gesamte sporogonische Zyklus (A) durchlaufen werden. Dabei erfolgt zunächst die Aufteilung der Gametozyten in Makro- und Mikrogametozyten (d.h. die weibliche bzw. männliche Form des Malariaparasiten), die anschließend miteinander zu hüllenlosen Eizellen verschmelzen (2). Diese Ookineten verkapseln sich nun in der Darmwand des Moskitos zu Oocysten (3), in denen sich Sporozoiten entwickeln. Beim Aufplatzen der Oocysten werden Sporozoiten freigesetzt (4), die von weiblichen Anopheles-Moskitos im Rahmen eines Blutmahls auf einen Menschen übertragen werden können (5). Der sporogonische Zyklus wird auch als sexuelle Phase bezeichnet, weil es in dessen Verlauf kurzfristig Parasitenformen unterschiedlichen Geschlechts auftreten. Mit der Infektion eines Menschen beginnt der asexuelle exo-erythrozytische Zyklus (B), d.h. die Weiterentwicklung des Parasiten, die zunächst au-
Abb. 9.2: Der Lebenszyklus der Malariaparasiten: Die Plasmodien durchlaufen im Vektor (Moskito) und Wirt (z.B. Mensch) in zyklischer Form verschiedene Stadien (PUBLIC HEALTH IMAGE LIBRARY, U.S. CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION)
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Malariaübertragung in Westafrika
ßerhalb der roten Blutkörperchen stattfindet. Nach der Infektion einiger Leberzellen (6) durch Sporozoiten bilden sich dort Schizonten, in denen eine Vielzahl von Merozoiten produziert wird, die in der Lage sind, rote Blutkörperchen zu befallen (7). Der Befall roter Blutkörperchen durch Merozoiten kennzeichnet den Beginn des erythrozytischen Zyklus (C). Die in den roten Blutkörperchen heranwachsenden Parasiten werden als Trophozoiten bezeichnet (8) und bilden ihrerseits wiederum Schizonten, die erneut Merozoiten freisetzen. Dadurch wiederholt sich der erythrozytische Zyklus fortlaufend (9). Gelegentlich werden allerdings anstelle von Merozoiten die geschlechtlichen Gametozyten gebildet (10), welche im Fall eines Blutmahls zur Infektion eines Moskitos führen, in dessen Körper nun der sporogonische Zyklus beginnt (GILLES 1993) Je nach Parasit unterscheidet sich der Lebens- bzw. Reproduktionszyklus geringfügig und damit das klinische Erscheinungsbild der Infektion in Hinblick auf Inkubationszeit, Frequenz bzw. Schwere der Fieberschübe und eventuelle weitergehende Organschädigungen. Infektionen mit Plasmodium vivax und Plasmodium ovale werden auch als Malaria tertiana bezeichnet, da hierbei zwischen den Fieberschüben meist zwei fieberfreie Tage liegen. Die Inkubationszeit beträgt zwischen zwölf Tagen und im Extremfall mehreren Jahren; in der Leber verbleibende Hypnozoiten können gegebenenfalls zu Rezidiven (d.h. einem späteren Wiederausbruch) führen. Als Malaria quartana werden Infektionen mit Plasmodium malariae bezeichnet, wobei typischerweise auf zwei Fiebertage zwei fieberfreie Tage folgen. Besonders schwerwiegend ist die Malaria tropica, d.h. Infektionen mit dem Parasiten Plasmodium falciparum. Zwar ähneln die zeitlichen Auftretensmuster der Fieberschübe denen der Malaria tertiana und Rezidive bleiben aus, doch führt im Fall von Plasmodium falciparum die wesentlich höhere Parasitämie zu schwerwiegenderen Konsequenzen wie neurologischen Komplikationen und Organschäden an Niere, Milz oder Lunge (GILLES 1993). In hoch endemischen Gebieten, in denen mit mehreren infektiven Moskitostichen im Jahr zu rechnen ist, verursacht Malaria meist eine Vielzahl schwerer Krankheits- und Todesfälle bei jüngeren Kindern, während die Krankheit bei Erwachsenen vergleichsweise komplikationslos verläuft, da sie zumindest eine partielle Immunität entwickelt haben. Während der ersten drei bis sechs Monate nach der Geburt sind auch Säuglinge relativ gut vor schweren Infektionen geschützt. In Regionen, in denen Malaria nur für wenige Monate im Jahr oder nur sporadisch auftritt, kann die Bevölkerung keine Immunität entwickeln, da zu deren Aufrechterhaltung eine nahezu kontinuierliche Exposition erforderlich ist (MARSH 1993).
Natürliche und anthropogene Einflussfaktoren Übertragungsmuster
Sowohl der Verlauf des sporogonischen Zyklus als auch die an einem bestimmten Ort auftretende Moskitopopulation sind insbesondere von natürlichen Einflussfaktoren, die Bissfrequenz der Moskitos darüber hinaus auch
Natürliche und anthropogene Einflussfaktoren
in erheblichem Maße von anthropogenen Einflussfaktoren (z.B. Expositionsverhalten), abhängig. Beobachtungen der räumlichen und zeitlichen Variation dieser Parameter können folglich dazu herangezogen werden, die räumlichen und zeitlichen Übertragungsmuster von vektorübertragenen Infektionskrankheiten wie Malaria zu erklären bzw. vorherzusagen. Zur Malariaübertragung in einem bestimmten Gebiet kann es prinzipiell nur kommen, wenn sich in dieser Region einerseits infizierte Personen befinden, andererseits innerhalb des Gebiets zumindest Teilräume existieren, die geeigneten Vektoren als Habitate dienen. Die bedeutendsten Malariavektoren im westlichen Afrika sind Anopheles gambiae, Anopheles arabiensis und Anopheles funestus. Es handelt sich dabei um Moskitos mit hoher Vektorkapazität, die im Fall einer Parasitierung bei einem Blutmahl mit vergleichsweise hoher Wahrscheinlichkeit eine Infektion verursachen können. Nicht nur die Reproduktionsraten und die Langlebigkeit der Moskitos, sondern auch ihre Bissfrequenz werden unter anderem durch die thermischen und hygrischen Verhältnisse gesteuert. So führen intensive Niederschläge zur Bildung oder Ausweitung von Wasserflächen, welche den Moskitos als Brutstätten dienen. Im Wasser findet nach dem Schlüpfen eine Metamorphose über vier Larvenstadien zum Puppenstadium statt; schließlich schlüpfen wieder adulte Moskitos. Während des gesamten Prozesses darf weder das Gewässer austrocknen, noch bestimmte Temperaturgrenzen überschritten werden. Die meisten Moskitospezies sind in ihren aquatischen Stadien sowohl kälte- als auch hitzeempfindlich. Bei Anopheles gambiae beispielsweise beträgt die Überlebensdauer der Larven bei Temperaturen unter 12°C und über 38°C weniger als sieben Tage, und die Metamorphose zu adulten Moskitos wird nicht abgeschlossen. Bei Temperaturen von 14–20°C dauert die Metamorphose über 30 Tage, was dazu führt, dass ein erheblicher Teil der Larven natürlichen Fressfeinden zum Opfer fällt. Die Metamorphose läuft bei Temperaturen von 28–32°C am schnellsten ab, während bei Temperaturen zwischen 22°C und 26°C die meisten adulten Moskitos hervorgehen. Die für das Überleben der Larven optimale Temperatur stimmt also nicht mit der für die Geschwindigkeit der Metamorphose optimalen Temperatur überein (BAYOH/LINDSAY 2004; HAY et al. 2000). Neben dem Klima beeinflussen auch das Relief und die Hydrographie die Auftretensmuster der Malariavektoren. Je nach Region stellen Höhenlagen von über 1500–2500 m keine geeigneten Habitate für Anopheles-Moskitos dar, jedoch wurde in jüngster Zeit – beispielsweise in Kenia – eine Zunahme der Hochlandmalaria verzeichnet. Aber auch in Tieflandsregionen spielt das Relief insofern eine Rolle, als es das Abflussgeschehen maßgeblich beeinflusst und über die Lage bzw. den Verlauf von Oberflächengewässern entscheidet. Da Moskitos überwiegend stagnierendes Wasser zur Eiablage wählen, spielen Fließgewässer nur dann eine größere Rolle als Brutstätten, wenn z.B. während der Regenzeit angrenzende Gebiete überflutet werden, während der Trockenzeit in trockengefallenen Flussabschnitten stagnierendes Wasser verbleibt oder aus sonstigen Gründen fast strömungsfreie Bereiche (beispielsweise am Uferrand) bestehen. Da Anopheles-Moskitos nur selten Strecken von mehreren Kilometern fliegen, können Gebiete, die sich mehr als 2–3 km von den Brutstätten entfernt befinden, als wenig risikoreich eingestuft werden.
Natürliche Faktoren
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Malariaübertragung in Westafrika Anthropogene Faktoren
Auch landwirtschaftliche Nutzungsmuster haben einen erheblichen Einfluss auf die Malariaübertragung. So führt beispielsweise oftmals schon die Errichtung einer Bewässerungsinfrastruktur zur Entstehung neuer Brutstätten (beispielsweise in Form oberirdischer Reservoire). Insbesondere die Ausweitung des Nassreisanbaus hat in einigen Teilen Westafrikas zur Schaffung neuer Moskitohabitate geführt: Die überfluteten Reisfelder sind – vor allem in frühen Wachstumsstadien – ideale Brutstätten für die wichtigsten Malariavektoren Westafrikas. Zudem begünstigt die infolge der Bewässerung erhöhte Luftfeuchtigkeit das Überleben der adulten Moskitos. Dies kann in ariden Gebieten neben einer räumlichen auch eine zeitliche Ausweitung des Malariarisikos mit sich bringen (SISSOKO et al. 2004). Gelegentlich wird in Bewässerungsgebieten aber auch eine Abnahme der tatsächlichen Malariainfektionen beobachtet, die möglicherweise mit steigenden Einkommen und damit einhergehenden Präventionsmaßnahmen zusammenhängt (IJUMBA/LINDSAY 2001). Neben dem Naturraum haben auch anthropogene Faktoren ein erhebliches Gewicht bei der Transmissionsdynamik vektorübertragener Infektionskrankheiten wie der Malaria. So spielt einerseits das Expositionsverhalten im Freiland eine Rolle, d.h. ob von einer Person oder Bevölkerungsgruppe Gebiete aufgesucht werden, die zugleich Moskito-Brutstätten sind (beispielsweise Reisfelder), oder ob sich ihre Wohngebiete in der Nähe solcher Habitate befinden. In diesem Fall beeinflussen Parameter wie die Ausstattung der Wohnungen mit Fliegengittern und die Nutzung von (imprägnierten) Moskitonetzen oder geeigneten Insektiziden das Risiko, mit Malaria infiziert zu werden.
Die sahelo-sudanische Zone Westafrikas als Malaria-Endemiegebiet Regionalklima
Übertragungsperiode und Niederschlagszyklik
Die zwischen der feuchteren Sudanzone im Süden und der trockeneren Sahelzone im Norden eingeschlossene sahelo-sudanische Zone erstreckt sich in westöstlicher Richtung als rund 200 km breiter Streifen von ca. 11,5° N im Süden bis 13,5° N im Norden. Die semiaride Region erhält Jahresniederschläge zwischen 600 mm und 900 mm, wobei die Regenzeit typischerweise auf die Monate Mai/Juni bis September fällt. Allerdings bestehen sowohl in Hinblick auf die jährlichen Niederschlagssummen als auch die zeitliche Niederschlagsverteilung erhebliche interannuelle Schwankungen. Die Niederschlagsjahresmengen variieren zwischen etwa 50 % und 150 % der normalen Summe; an einzelnen Tagen treten Niederschläge von bis zu 150 mm auf. Die MARA-Initiative (Mapping Malaria Risk in Afrika) stuft die sahelosudanische Zone im westlichen Afrika als stabiles Malaria-Endemiegebiet ein, in dem die Übertragungsperiode in den Monaten Juni oder Juli einsetzt und in den Monaten Oktober oder November endet, also knapp ein halbes Jahr andauert. Dabei besteht ein klarer Zusammenhang mit der Niederschlagsverteilung: Mit dem Einsetzen der Niederschläge entstehen Anopheles-Brutstätten, in denen sich unter den lokalen Bedingungen binnen etwa 10–15 Tagen die Metamorphose von Larven zu adulten Moskitos vollzieht. Diese beginnen oft schon innerhalb von ein bis zwei Tagen, Blutmahle zu
Malaria-Übertragungsdynamik in der Provinz Kossi
Abb. 9.3: Malaria-Übertragungsperioden in Westafrika
nehmen; im Fall einer Infektion des Moskitos durch die Aufnahme von Gametozyten schließt sich nun der etwa zehn Tage dauernde Prozess der Sporogonie an, so dass etwa 20–30 Tage nach Einsetzen der Regenfälle mit einer Zunahme der Übertragungsfrequenz zu rechnen ist. In kleinräumlicher Sicht werden die räumlich-zeitlichen Übertragungsmuster allerdings nicht nur über die regionalklimatischen Rahmenbedingungen, sondern – unter anderem – auch durch mikroklimatische Besonderheiten, die Bodenbeschaffenheit und -bedeckung, die Landnutzung, die relative Lage der Siedlungen zu den Brutstätten sowie das Expositionsverhalten der Bevölkerung gesteuert. Dies soll im Folgenden am Beispiel der Provinz Kossi in Burkina Faso dargestellt werden.
Malaria-Übertragungsdynamik in der Provinz Kossi Die Provinz Kossi ist ein Malaria-Endemiegebiet im Westen Burkina Fasos, das in westlicher und nördlicher Richtung an Mali grenzt und im Osten durch den Fluss Sourou, im Süden durch die Flüsse Mouhoun bzw. Vounhou begrenzt wird. Dabei handelt es sich zugleich um die einzigen perennierenden Flüsse der Provinz. Das Trockensavannengebiet weist lediglich in den an ihnen verlaufenden Galeriewäldern einen geschlossenen Baumbestand auf. In vom Menschen ungenutzten Teilräumen dominiert Grasland, das in größeren Abständen durch Bäume und Büsche durchsetzt ist, wobei Akazien die häufigsten Arten sind.
Fallstudie Provinz Kossi, Burkina Faso
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Malariaübertragung in Westafrika
Die Provinz Kossi, Burkina Faso Mit Meereshöhen von 200–300 m dominiert die Gondo-Ebene große Teile der Provinz; lediglich im Grenzgebiet zu Mali werden Höhen von rund 500 m erreicht. Das weitgehend flache Relief weist einige sowohl kleinere als auch größere Mulden auf, die lokal als mares bzw. bas fonds bezeichnet werden und nur selten tiefer als einige Meter sind. Diese füllen sich während der Regenzeit mit Wasser und dienen dann als Moskito-Brutstätten. Daneben sind vielerorts durch menschliche Aktivitäten, v.a. durch die Entnahme von Lehm zur Ziegelproduktion, Gruben entstanden, die sich während der Regenzeit ebenfalls mit Wasser füllen. Insbesondere rund um die Siedlungen wird das Land agrarisch genutzt, wobei der Anbau von Sorghum-Hirse (Sorghum bicolor) und Perlhirse (Pennisetum glaucum) einen großen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmacht. Da die Perlhirse deutlich dürreresistenter als die Sorghum-Hirse ist, wird sie in trockeneren Teilregionen kultiviert. In kleinen Gärten im direkten Umland der Siedlungen wird Gemüse auf Bewässerungsflächen angebaut. Ein größeres Bewässerungsgebiet wurde am Rand des Sourou errichtet, wo durch Bewässerungskanäle Anbauflächen für eine Vielzahl von Agrarprodukten, u.a. Bananen und Baumwolle, versorgt werden. Die Provinz Kossi weist ca. 266.000 Einwohner auf, was bei einer Fläche von 7324 km2 einer Bevölkerungsdichte von ca. 36 Einw./km2 entspricht. Hauptstadt und zugleich einzige größere Stadt der Provinz ist Nouna mit einer Einwohnerzahl von ca. 20.000. Die Bevölkerung ist überwiegend im Agrarsektor tätig, wobei die Subsistenzwirtschaft dominiert. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen wurde von WÜRTHWEIN (2002) auf etwa 50 US-$ geschätzt; somit zählt die Region zu den einkommensschwächsten Gebieten Westafrikas.
Regionale Disparitäten der Malariainzidenz
Mit dem Centre de Recherche en Santé de Nouna (CRSN) besteht in der Provinzhauptstadt ein modern ausgestattetes medizinisches Forschungszentrum, das in Kooperation mit dem Tropeninstitut der Universität Heidelberg errichtet wurde. Hier werden nicht nur Malariafälle im umliegenden Gesundheitsdistrikt zentral erfasst, sondern auch durch ein im Jahr 1992 initiiertes demographisches Informationssystem sowohl Wanderungsbewegungen als auch Geburten und Sterbefälle registriert. Das Labor des CRSN ist apparativ und personell unter anderem darauf eingerichtet, die Zusammensetzung der Moskitopopulation (z.B. Untergliederung in Anopheles sowie für die Malariatransmission unerhebliche Culex bzw. Aedes-Arten) und – sofern relevant – deren Parasitierungsgrad zu bestimmen. Eine Studie von YÉ (2006) untersuchte die Malaria-Inzidenzrate sowie die Vektordichte in vier Siedlungen der Provinz im Jahr 2004, die sich in Hinblick auf die sozial- und naturräumlichen Bedingungen unterschieden: * Cissé ist eine im Département Barani liegende Siedlung mit rund 900 Einwohnern. In der direkten Umgebung dominiert der Anbau von Perlhirse. * Das rund 2400 Einwohner zählende Goni im Département Dokui ist eine ländliche Siedlung, in deren Umkreis sich einerseits einige Lehmgruben befinden, andererseits natürliche Mulden (mares) Wasseransammlungen ermöglichen. Im Umland erfolgt Reisanbau. * Das westlich des Mouhoun gelegene Kodougou weist eine Einwohnerzahl von gut 1100 Personen auf. Das Umland der Siedlung wird insbesondere in Richtung des Mouhoun landwirtschaftlich genutzt, wobei sich im Umland neben Hirse- auch Tabak- und Baumwollanbau befindet. Der
Malaria-Übertragungsdynamik in der Provinz Kossi
*
Mouhoun wird durch einen zu beiden Seiten etwa fünf Meter breiten Galeriewald gesäumt. Nouna, die Hauptstadt der Provinz, stellt zugleich ihre einzige urbane Siedlung dar. Innerhalb des Stadtgebiets finden sich überwiegend kleinere, anthropogen bedingte Brutstätten (wie z.B. tiefe Fußabdrücke, Wassertonnen, alte Autoreifen, in denen sich Wasser ansammeln kann).
Abb. 9.4: Saisonale Verteilung der Malariainzidenz, der Vektordichte und der Niederschläge in der Provinz Kossi, Burkina Faso
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Malariaübertragung in Westafrika
Ergebnisse
Ein Vergleich mit dem Niederschlagsgang zeigt, dass kurz nach dem Einsetzen der Niederschläge im Monat Juni sowohl ein Anstieg der Vektorzahlen als auch ein Anstieg der Malariainzidenz zu beobachten ist (s. Abb. 7.4). Die hier verwendeten Indexwerte sollen die Verhältnisse in den einzelnen Orten vergleichbar machen, wobei die für den Beobachtungsraum und -zeitraum festgestellten Obergrenzen als Maximalwert festgelegt wurden. Im Fall der Vektordichte entspricht ein Index von 100 einer Zahl von durchschnittlich etwa 29 gefangenen Moskitos je Wohneinheit und Nacht; bei der Malariainzidenz bedeutet ein Index von 100, dass innerhalb des Monats 30,3 % der Kinder unter fünf Jahren klinische Symptome von Malaria entwickelt haben. Während der trockenen Monate zu Jahresbeginn ist nur eine geringe Vektordichte und Malariainzidenz festzustellen. Diese steigt nach Einsetzen stärkerer Niederschläge im Monat Juni zunehmend an, um zwischen August und Oktober ihren Höhepunkt zu erreichen. Allerdings zeigen sich zwischen den vier untersuchten Siedlungen auch Unterschiede: Im (klein-)städtisch geprägten Nouna zeigt sich eine insgesamt niedrigere Vektordichte und Übertragungsfrequenz als in den ruralen Siedlungen. Dies hängt sicherlich mit der besseren Bausubstanz und der geringeren Anzahl großflächiger Brutstätten zusammen. In Kodougou erfolgt sowohl der Höhepunkt als auch der Zeitpunkt des Rückgangs von Vektordichte und Übertragungsfällen später als denen in Cissé und Goni. Hier kann ein Zusammenhang mit der Wasserführung des Mouhoun für wahrscheinlich gehalten werden: Zum Zeitpunkt der intensivsten Niederschläge führt die höhere Fließgeschwindigkeit zu eher ungünstigen Brutbedingungen, in den darauf folgenden Wochen finden sich jedoch am Rand des Flusses Bereiche stagnierenden Wassers, die geeignete Larvenhabitate darstellen. In Goni könnten die aufgrund der Lehmziegelherstellung entstandenen Gruben einen ähnlichen Effekt haben und im Vergleich zu Cissé zu einer geringfügigen Verzögerung der Hauptübertragungsperiode führen.
Zukunftsperspektiven Klimamodelle
Obwohl kausale Beziehungen zwischen Malariaübertragung und einer Vielzahl von ökologischen und sozioökonomischen Faktoren bekannt sind, ist es schwierig, die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf das Malariarisiko zu beurteilen. Ein besonderes Augenmerk wird derzeit darauf gerichtet, welche Folgen globale Klimaveränderungen für die Ausbreitungsgebiete der Malaria haben werden. Heutige Klimamodelle erwarten eine deutliche Erwärmung der Sahelzone, wobei der Temperaturanstieg im 21. Jahrhundert mit rund 3,3°C die Prognose für die mittlere globale Erwärmung um etwa den Faktor 1,5 übersteigt. Über die für die Malariaverbreitung wichtigen mittleren Niederschläge in der Sahelzone gibt es hingegen keine verlässlichen Aussagen. Zwischen 1950 und 1980 gab es im Sahel einen starken Trend in Richtung Trockenheit, der anschließend zum Teil wieder aufgehoben wurde, ohne dass allerdings die Niederschlagsmengen vor 1950 wieder erreicht wurden. Insbesondere für die Westsahara liefern die Modelle widersprüchliche Ergeb-
Zukunftsperspektiven
nisse, wobei einige ein erhebliches weiteres Austrocknen der Region erwarten, andere eine zunehmende Feuchtigkeit und ein Vordringen der Vegetation in die Sahara. Möglicherweise werden die Temperaturerhöhungen in der Sahara und im Sahel zu einer Absenkung des mittleren Luftdrucks und damit zu einem erhöhten Zustrom feuchter Luftmassen in die Region führen. Einige Studien sehen die vergleichsweise reichlichen Regenfälle der 1990er-Jahre als Indiz für eine durch den Treibhauseffekt bedingte Zunahme der Niederschläge im Sahel. Darüber hinaus zeigen fast alle Klimamodelle für die Sahara und den Sahel eine erhöhte zwischenjährliche Variabilität der Niederschläge, die zu einer Zunahme sowohl von extrem trockenen als auch von extrem feuchten Jahren führen wird (IPCC 2007b). Die extremen Starkniederschlagsereignisse des Jahres 2007 mit ihren verheerenden Überflutungen mögen hierfür ein Beispiel sein. Solche Ereignisse liefern den Nährboden für eine Malariaausbreitung in den Folgewochen. Sollte es hingegen – wie in einigen Modellen angenommen – künftig zu einem Rückgang der Gesamtniederschläge im Sahel kommen, so würde dies zunächst eine Abschwächung der Übertragungsdynamik bewirken. In diesem Fall wäre von entscheidender Bedeutung, wie der Mensch im Sahel seinen Naturraum in Wert setzt und welche Siedlungsformen er bevorzugt. Beispielsweise könnte eine Ausweitung von Bewässerungskulturen trotz (oder gerade wegen) geringerer natürlicher Niederschläge zumindest lokal zur einem erhöhten Malariarisiko beitragen. Unabhängig vom Klima dürfte das Siedlungs- und Wirtschaftsverhalten des Menschen für die Verbreitung geeigneter Larvenhabitate mitverantwortlich sein. Internetadressen zum Thema Malaria in Afrika Weltgesundheitsorganisation (WHO): http://www.who.int/tdr/diseases/default.htm Übersichtsseite der WHO zu Malaria und vernachlässigten Tropenerkrankungen wie z.B. Tuberkulose. Für die einzelnen Erkrankungen werden der Übertragungsweg, ihre weltweite Bedeutung und Gegenmaßnahmen aufgezeigt. Malariainformationen der Centers for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/malaria/ Informationen der US-amerikanischen Gesundheits- und Seuchenschutzbehörde zur Epidemiologie/Übertragung der Malaria, zu Vektoren, Parasiten, Krankheitssymptomen und aktuellen malariabezogenen Forschungsprojekten. Roll Back Malaria: http://www.rollbackmalaria.org/ Im Jahr 1988 von der WHO, UNICEF und UNDP gestartete Kampagne, die sich die Malariabekämpfung zum Ziel gesetzt hat. Mapping Malaria Risk in Africa (MARA): http://www.mara.org.za/ Südafrikanische Initiative, welche eine zentrale Erfassung der Ergebnisse verschiedener lokaler, nationaler und multilateraler Studien zur Malariaverbreitung und Epidemiologie anstrebt. Schwerpunkt bildet die Malariakartierung, wobei für den afrikanischen Raum Risikokarten sowohl auf kontinentaler als auch auf nationaler Ebene vorliegen.
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Malariaübertragung in Westafrika
Studienarbeit Matthias Gigers: http://www.gigers.com/matthias/malaria/index.htm Umfassende private Seite mit Ergebnissen einer Studienarbeit zum Thema Malaria. Neben der Beschreibung des Krankheitsbildes und des Lebenszyklus des Erregers geht der Autor auch auf die Geschichte der Malaria sowie auf die wirtschaftliche Bedeutung der Krankheit ein. Abgerundet wird die Seite durch ein umfangreiches Glossar zentraler Begriffe und ein Archiv mit malariabezogenem Unterrichtsmaterial. Malaria Journal: http://www.malariajournal.com/ Internationale, online erscheinende Fachzeitschrift, die uneingeschränkten Zugriff auf Artikel zur aktuellen Malariaforschung und zahlreiche Fallstudien bietet.
Der zentralafrikanische Regenwald: Ein sensitives Ökosystem im Spannungsfeld von forstwirtschaftlicher Nutzung und (sub-)rezenter Klimadynamik JÜRGEN RUNGE
Abb. 10.1: Tropischer Regenwald bei 1600–1800 mm Jahresniederschlag in der Nähe von Bangassou (Zentralafrikanische Republik) am Nordrand des Kongobeckens mit neuangelegter Lateritpiste (Foto: J. RUNGE, April 1996)
Vor dem Hintergrund des seit 1880 beobachteten globalen Temperaturanstiegs von 0,5–0,6°C steht mit Blick auf die niederen Breiten Afrikas in jüngerer Zeit die Frage im Vordergrund, ob in Zukunft auch dort durch den Treibhauseffekt mit einschneidenden Klima- und Umweltveränderungen zu rechnen ist. Nach Auffassung des IPCC (2007c) wurde der größte Teil des Anstiegs der mittleren globalen Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich durch den Anstieg der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen (v.a. CO2) verursacht. Seit langem ist bekannt, dass die durch ein wechselfeuchtes Klimaregime geprägten Ökosysteme des Sahels und Sudans wegen der hohen Niederschlagsvariabilität episodisch von ausgeprägten Trockenzeiten gekennzeichnet sein können. Die schweren Dürren von 1968–1973 und 1982–1984 wurden daher meist als Ausdruck einer natürlichen sahelischen Witterungsdynamik und weniger als ein Beleg für die fortschreitende Desertifikation im Sinne einer generellen Aridisierung verstanden. Allerdings konnte in den 1990er-Jahren erstmals für West- und Zentralafrika nachgewiesen werden, dass von 1951–1989 tatsächlich eine Verlagerung der Isohyeten nach Süden in Richtung Äquator erfolgt ist. Auch die Intensität und die Häufigkeit der negativen Niederschlagsanomalien nahmen im gesamten Sahel seit 1965 zwischen 20° W und 40° E sowie 10° und 15° N signifikant zu (WIGLEY 1992). Die bislang als klimatische Variabilität aufgefassten „Oszillationen“ dieser Ökosysteme werden unter dem Eindruck des Global Change offensichtlich weiter verstärkt (IPCC 2007c). Eine nachhaltige Veränderung des Landschaftsbildes und der landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten sind die Folge. Besonders deutlich verschoben sich in den vergangenen 40 Jahren die Isohyeten im Sahel und im Su-
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Der zentralafrikanische Regenwald
dan nach Süden. In den Regenwaldgebieten Zentralafrikas mit mehr als 1500 mm jährlichem Niederschlag tritt das Phänomen ebenfalls auf, bislang allerdings mit schwächerer Ausprägung (L’HÔTÉ/MAHÉ 1996). Mit Blick auf den Regenwald stellt sich die Frage, ob die beschriebene Austrocknung in den letzten Jahrzehnten zu einer Veränderung der Regenwald-Savannen-Grenze geführt hat, der Regenwald insgesamt also kleiner geworden ist. Klimamodelle zeigen heute, dass die äquatorialen Gebiete in Afrika durch den Klimawandel tendenziell einen Niederschlagsanstieg zu verzeichnen haben werden, wohingegen für die Savannenregionen eher eine Austrocknung prognostiziert wird. Überlagert werden diese klimatischen Projektionen von anhaltend starkem Bevölkerungswachstum mit landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Nutzung des Naturraumes.
Klimatische Ansprüche und rezente Dynamik des Regenwaldes Ökosystem Regenwald
Der immergrüne, geschlossene, tropische Regenwald wächst in Zentralafrika v.a. beiderseits des Äquators im Kongobecken und auf den Randschwellen ab 1600–1800 mm Jahresniederschlag bei ganzjährig hohen Temperaturen (kein Frost, Monatsmitteltemperatur stets über 18°C, Af Regenwaldklima nach W. Köppen). Diese Wälder existieren in den äquatorialen Tiefländern, da dort das Klima aufgrund der globalen Strahlungs- und Zirkulationsmechanismen der Erde immer warm und feucht ist. Häufig wird diese grundlegende Tatsache im Kontext mit der allgemeinen Klima- und Global Change-Diskussion invers interpretiert, nämlich in dem Sinne, dass sich der „Regenwald sein Klima selbst macht“. Diese unzulässige Vermischung der Skalenebenen von globalem, regionalem und lokalem Klima erzeugt leider oft populistische und nicht zutreffende unwissenschaftliche Gemeinplätze. Sicher führen anthropogene Eingriffe in das Ökosystem Regenwald – wie großflächige Rodungen – zu einem veränderten Mikro- und Lokalklima. Ein durch Vegetationsveränderungen modifizierter Strahlungshaushalt (Albedo) über ausgedehnten Flächen kann sich auch auf die thermischen und hygrischen Eigenschaften und den Wasserkreislauf (Oberflächenabfluss) einer Region auswirken. Die traditionell betriebene Brandrodung beeinflusst den Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre. Ein anderes Problem im Kontext mit der Regenwalddegradation ist ferner der Verlust von Biodiversität, der Verarmung von Ökosystemen an tierischen und pflanzlichen Arten. Dennoch, gültig ist, der Regenwald wächst am Äquator, weil das Klima tropisch-feucht ist – und nicht umgekehrt! Regenwald-Savannen-Grenze Die räumliche Lage der Regenwald-Savannen-Grenze wird unter natürlichen Verhältnissen durch den klimatischen Übergang von ständig feuchten zu wechselfeuchten, semihumiden Bedingungen bestimmt. Mit Blick auf gegenwärtige und auch auf pleistozäne bis holozäne Klimaveränderungen in Zentralafrika kann festgestellt werden, dass diese geoökologischen Übergangszonen stark sensitiv
Klimatische Ansprüche und rezente Dynamik
sind und somit direkt auf klimatisch induzierte Umweltveränderungen mit einer Flächenveränderung reagieren. Multitemporale Luftbild- und Landsat-TM-Auswertungen von 1955–1990 aus dem Nordkongo zeigten sogar eine leicht rückläufige Entwicklung der Savannen bei gleichzeitiger Ausdehnung des Regenwaldes um 3,6 %. Hauptursache für diesen Trend ist im Jahresverlauf ausreichend hoher Niederschlag, ein deutlicher Rückgang bei der Zahl und Häufigkeit von Buschfeuern und negative Migrationsprozesse der Landbevölkerung im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise und kriegerischen Konflikten in Zentralafrika (RUNGE/NEUMER 2000).
Für die Regenwaldregionen Zentralafrikas ist kennzeichnend, dass im Gegensatz zu den durch Buschfeuer, Holzeinschlag und Landwirtschaft stark dezimierten Urwäldern Südamerikas und Südostasiens die Mehrzahl der zentralafrikanischen Wälder durch ihre schwere Zugänglichkeit und die ausgeprägte kontinentale Binnenlage noch weitgehend intakt sind (vgl. Abb. 10.2). Allerdings nimmt auch hier durch kriegerische Konflikte und Flüchtlingsströme, z.B. im Gebiet der Großen Seen (Ruanda, Burundi), sowie durch das Auftreten neuer, sehr viel Holz benötigender Akteure wie China der Druck auf die Ressource Regenwald zu.
Periode
Angola
Burundi
DR Kongo
Gabun
Kamerun
Kongo
Ruanda
ZAR
2000–2005
–8,6
+2,2
–0,7
–0,2
–5,7
+1,2
+7,1
–0,3
1995–2000
+38,2
–8,6
+11,4
+15,4
+9,2
+7,4
+2,3
–11,2
Abb. 10.2: Veränderung der Waldfläche (in %; Zuwachs +, Rückgang –) in ausgewählten Ländern Zentralafrikas von 1995–2000 und 2000–2005 (nach FAO, State of the World’s Forests, www.fao.org; ZAR = Zentralafrikanische Republik); es fällt auf, dass kein einheitlicher Trend beim Rückgang bzw. beim Zuwachs der Regenwaldflächen zu erkennen ist
Abb. 10.3: Holzlagerplatz mit tropischen Rundhölzern beim Sägewerk SCAD (Societé Centrafricaine de Déroulage) bei Ndolobo im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik; forstwirtschaftlich von Interesse sind v.a. hochwertige Hart- bzw. Rothölzer der Handelsarten Sapelli (Entandrophragma cylindricum) und Sipo (Entandrophragma utile) (Foto: J. RUNGE, März 2002)
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Der zentralafrikanische Regenwald
Der Regenwald als hoch sensitives Ökosystem Ökologische Stabilitätsthese
Gegenbefunde
Spätpleistozäne Klimaschwankungen
Bis in die 1960er-Jahre herrschte die Auffassung vor, der äquatoriale Regenwald Afrikas sei eines der stabilsten Ökosysteme der Erde. Große biologische Diversität bei Pflanzen und Tieren und die hohe Biomasseproduktion der tropischen Gebiete legten den Schluss nahe, dass sich diese Lebensformen über geologische Zeiträume hinweg unter gleichbleibenden Umweltbedingungen entwickelt und bis in die Gegenwart überdauert haben mussten. Drastische Klimaeinschnitte wie Eiszeiten galten hauptsächlich als Phänomen der Außertropen und spielten für die Umwelt- und Klimaverhältnisse in den immerfeuchten Äquatorialgebieten scheinbar nur eine untergeordnete Rolle. Vermutet wurden aufgrund von morphologischen Indikatoren glazialzeitlich höhere Niederschläge in den heute ariden Gebieten und eine lokale Einengung der äquatorialen Feuchtwaldgebiete. Zu einer stärkeren Verdrängung oder gar Auflösung der feuchttropischen Wälder kam es demnach aber nie. In den vergangenen 30 Jahren zeigten zahlreiche isotopenchemische Altersdatierungen (14C) und pollenanalytische Untersuchungen aus den feuchten Tropen, dass offensichtlich auch der tropische Regenwald glazialzeitlich von ausgeprägten Klimazäsuren und somit von natürlichen Vegetationsveränderungen betroffen war. Die ungestörte erdgeschichtliche Kontinuität dieser Vegetationsform reduziert sich nun vermutlich auf kürzere Abschnitte des Holozäns (RUNGE 2001). Fossile Uferterrassen ehemals höherer Seespiegel in den ariden Gebieten Afrikas wurden nach der „Pluvialzeiten-Theorie“ als den Eiszeiten entsprechende feuchtere Abschnitte gedeutet. Nach dieser These hatte die glazialzeitlich bedingte Abkühlung auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre höhere Niederschläge in den Subtropen und Tropen zur Folge, die möglicherweise auch eine Ausdehnung der äquatorialen Regenwälder verursacht hat. Jedoch führte der verstärkte Einsatz isotopenchemischer Datierungsmethoden an den morphologischen Indizien dazu, dass die Theorie der Pluviale zunehmend in den Hintergrund trat. Es wurde deutlich, dass die ursprünglich als Zeiten größerer Feuchtigkeit bewerteten Pluviale offensichtlich mit den wärmeren Interglazialen korrelierten. Das Letzte Glaziale Maximum (LGM) um 20.000 yrs BP (Jahre vor heute) erzeugte in den niederen Breiten demnach genau das Gegenteil: eine tief greifende klimatische Aridität (vgl. THOMAS 1994). Die hochglazialzeitlichen Dünengürtel des „Ogolien“ (ca. 18.000 yrs BP) am Südrand der Sahara im Sahel sind eindrucksvolle morphologische Zeugen für diese Aridität und die seinerzeit verstärkte Ausdehnung der Sahara nach Süden. Auch in den Regenwaldgebieten Zentralafrikas wurden Indizien gewonnen, die auf einschneidende vorzeitliche Klimaschwankungen hinwiesen. Im Gebiet der Forschungsstation Yangambi westlich von Kisangani machte DE HEINZELIN (1952) zahlreiche geomorphologisch-bodenkundliche Beobachtungen (Flussterrassen, äolische Sande, Spuren intensiver Materialumlagerungen), die darauf hindeuteten, dass es auch im Kongobecken im Quartär keine dauerhaft stabilen Klimaverhältnisse gegeben hat. Im westlichen Kongobecken, im Malebo-Pool bei Kinshasa, wurde Mitte der 1960er-Jahre eine klimatisch interpretierbare Sedimentstratigraphie für
Ein hoch sensitives Ökosystem
das Spätquartär Zentralafrikas abgeleitet (DE PLOEY 1965). Die zeitlichen Einheiten gliedern sich in das „Maluekien“, das um 42.000 yrs BP mit einer intensiven Abtragungsphase beginnt. Nachfolgend bis etwa 37.000 yrs BP werden in größerer Mächtigkeit Sande abgelagert. Eine größere Saisonalität des Klimas und eine jahreszeitlich stark schwankende Wasserführung des Kongo sind unter einer offeneren und lichteren Vegetationsdecke anzunehmen. Im „Ndjilien“ ab etwa 36.700 yrs BP erfolgt die Podsolierung der abgelagerten Sande (SCHWARTZ 1988). Feuchtwarme (bis kühle?) Klimabedingungen und eine dichte Pflanzendecke bei hohem Wasserstand charakterisieren diese Klimaperiode. Erneute starke Erosion (Flächenzerschneidung) erfolgt im „Léopoldvillien“ zwischen 25.000–20.000 yrs BP mit nachfolgender Aufschüttung von Mittelsanden. Pollenanalysen deuten auf trockenere und deutlich kühlere klimatische Rahmenbedingungen hin. Der Übergang zum „Kibangien“ um 18.000–16.000 yrs BP ist undeutlich und wird durch Feinsedimentation langsam fließender, mäandrierender Flüsse mit der Tendenz zur Lateralerosion geprägt. Die klimatischen Rahmenbedingungen sind wieder wärmer und feuchter. Verstärkte Abtragung an den Hängen verursacht zeitweise kürzere Aufschüttungsphasen in den Flüssen. Sedimentation von feinkörnigen Deckschichten erfolgt bis 16.000 yrs BP und erneut
Abb. 10.4: Holozäne Landschaftsdynamik zwischen Regenwald und Savanne auf dem Mbomou-Plateau (Zentralafrikanische Republik) mit maximaler Waldausdehnung um 3000 yrs BP und um 7000 yrs BP nach d13C-Werten und 14C-Datierungen in Jahren vor heute (10 ka = 10.000 Jahre vor heute bzw. BP; Entwurf: J. RUNGE)
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Der zentralafrikanische Regenwald
Holozäne Landschaftsdynamik
auch kurz vor Beginn des Holozäns. Die präholozäne Deckschichtenakkumulation wird als wiederholte Auflichtung der Vegetationsdecke mit einsetzenden denudativen Abtragungs- und Umlagerungsprozessen interpretiert. Eine jüngste Phase morphodynamischer Aktivität um 1900 yrs BP mit Erosionsvorgängen ist in Verbindung mit dem wachsenden Einfluss menschlicher Kulturen (Rodung) vorstellbar. Aufgrund umfassender geomorphologisch-sedimentologischer Studien im östlichen Kongobecken kann angenommen werden, dass der Regenwald aufgrund einer starken Niederschlagsregression von bis auf nur 1200 mm jährlich im Hochglazial und bis kurz vor das Holozän wegen zu trockener Klimabedingungen großräumig durch Savannen verdrängt war (RUNGE 2001). Untersuchungen an alluvialen Sedimenten und von stabilen Kohlenstoffisotopen (d13C) auf der Nordäquatorialschwelle (Mbomou-Plateau, RUNGE 2002) belegen regelhafte Klima- und Vegetationsschwankungen an der Regenwald-Savannen-Grenze während des Holozäns. Die d13C-Werte und 14 C-Datierungen in fossilen Bodenhorizonten sprechen für eine Vorherrschaft des Waldes um 7000–7500 yrs BP und um 2500–3000 yrs BP. Trockenere Landschaftsmuster mit Savannen wurden für 5000 yrs BP und 1000 yrs BP bis in die Gegenwart nachgewiesen (vgl. Abb. 10.4). Die feuchteren und trockeneren Klimaphasen im Studiengebiet auf der Nordäquatorialschwelle stimmen teilweise mit hohen bzw. tiefen Seespiegeln des Tschadsees überein. Andere palynologische (pollenanalytische) Befunde aus benachbarten Gebieten unterstreichen eine größere Allgemeingültigkeit dieser Befunde, besonders für den Zeitraum seit 3000 yrs BP.
Stabile Kohlenstoffisotope Umweltgeschichte tropischer Ökosysteme. Für die Rekonstruktion der subrezenten Vegetationsverhältnisse konzentrierte man sich auf fossile Humushorizonte und Kohlenstoffspuren in den Alluvionen von Flüssen. Durch den d13C-Wert kann die organische Substanz der initialen photosynthetischen Bindung durch C3-Pflanzen oder durch C4-Pflanzen zugeordnet werden. Diese Methode nutzt die Tatsache, dass bei der Photosynthese der autotrophen Pflanzen verschiedene Wege der CO2-Fixierung existieren. C3-Pflanzen, hierzu gehören die meisten Bäume, bauen CO2 initial über den „CalvinBenson-Zyklus“ in die Zelle ein. C4-Pflanzen, hierzu zählen viele Gräser in den afrikanischen Savannen, unterscheiden sich von den C3-Pflanzen insofern, dass als erstes Fixierungsprodukt aus der Kohlendioxidaufnahme ein Körper mit vier und nicht mit drei Kohlenstoffatomen gebildet wird („Hatch-Slack-KortschakWeg“). Für die Paläoumweltforschung hat die Unterscheidung in C3- und C4-Pflanzen eine große Bedeutung, da diese Pflanzengruppen die natürlich in der Atmosphäre vorkommenden Kohlenstoffisotope 12C und 13C bei der Aufnahme von CO2 ungleich behandeln. Das in geringerer Menge vorhandene 13CO2 (1,11 %) wird bei der Aufnahme zur Photosynthese gegenüber 12CO2 (98,89 %) von C3-Pflanzen diskriminiert. Die differenzierten Formen der CO2-Fixierung von C3- und C4Pflanzen führen in der Biomassebilanz zu einem relativ höheren Anteil des Kohlenstoffs 13C in C4-Pflanzen. Gräser und der durch Gräser gebildete rezente wie auch der fossile Humus des Bodens sind der Masse nach geringfügig „schwerer“ als der Kohlenstoff, der durch C3-Pflanzen fixiert wurde. Die Bestimmung des 13 12 C/ C-Verhältnisses erfolgt massenspektrometrisch und wird als d13C-Wert (negativer Wert in %) angegeben.
Anthropogener Einfluss auf den Regenwald
Aus der organischen Substanz eines Bodens kann somit über den d13C-Wert nachvollzogen werden, aus welcher primären Vegetationsgesellschaft („Savanne“: überwiegend C4 oder „Wald“: mehrheitlich C3) das organische Material durch Photosynthese erzeugt wurde.
Anthropogener Einfluss auf den Regenwald in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) Die Nutzung von Tropenholz war und ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Einnahmequellen für die Zentralafrikanische Republik. Kommerzielle Holzexporteure haben ihre ausgedehnten Konzessionen im Südwesten der Hauptstadt Bangui in den Regionen Lobayé und Sangha (Dreiländereck Kamerun, Kongo und DR Kongo). In den 1980er-Jahren gab es neben zehn privaten Firmen auch noch einige staatliche Forstbetriebe, die mit Unterstützung von Rumänien, Jugoslawien und Libyen die Ausbeutung des Tropenwaldes vorantrieben. Seit den 1990er-Jahren beherrschen private syrische, libanesische und französische Forstunternehmen den Forstsektor (s. Abb. 10.3). Etwa 95 % der eingeschlagenen Baumarten sind Hart- bzw. Rothölzer. Es dominieren die Arten Sapelli (Entandrophragma cylindricum) und Sipo (Entandrophragma utile). Bei den Weißhölzern ist es mit drei Prozent Ayous (Triplochiton scleroxylon) und zwei Prozent entfallen auf alle anderen Baumarten. Über 80 % des gewonnenen Holzes wird als Rundholz (Stämme) per Lkw oder Schiff zu Häfen am Atlantik transportiert. Wegen des Kongo-Konfliktes und der Sicherheitslage sowie der völlig unzureichenden Unterhaltung der Fahrrinne des Ubangui hat der Flusstransport von der Hauptstadt Bangui an Bedeutung verloren. Der Holztransport konzentriert sich jetzt auf den Lastkraftverkehr (3–4 Stämme je Fahrzeug), die den Landweg über Berbérati nach Bertoua zum Seehafen Douala in Kamerun nehmen. Schnittholz (Bretter) von Ayous wird fast ausschließlich für den inländischen, lokalen Gebrauch (Bauholz) nach Bangui und in geringerer Menge auch in die Savannenregionen von Nordkamerun transportiert. 1981 produzierte die ZAR 350.000 m3 Tropenholz; 2002 betrug der Einschlag bereits 623.700 m3. Die wirklichen Einschlagzahlen dürften zeitweise noch höher gelegen haben, da davon ausgegangen werden kann, dass nicht jeder Holzexport ordnungsgemäß gemeldet wurde. Dennoch hat sich der Rückgang der Waldfläche in der ZAR zwischen 2000 und 2005 deutlich verlangsamt (vgl. Abb. 10.2). Aufgrund der momentanen Finanz- und Wirtschaftskrise (2008/2009) sind die Holzproduktion und der Absatz von Tropenholz aufgrund der eingebrochenen internationalen Nachfrage stark zurückgegangen. Die Nutzung von so genannten Nichtholzprodukten aus dem Regenwald, die im Zuge informeller Sammel- und Jagdtätigkeit durch die lokale Bevölkerung erfolgt, ist örtlich ein wachsendes Problem. Die regelmäßige Jagd auf kleine Waldtiere (Bushmeat) wie Affen, Gürteltiere, Warane, Schlangen,
Forstwirtschaftliche Nutzung
Anthropogene Degradation
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Der zentralafrikanische Regenwald
Abb. 10.5: Vergleichsweise unbedeutender anthropogener Einfluss auf den Regenwald in Zentralafrika: das semipermanente Gehöft einer Pygmäen-Familie auf einer Rodungsinsel im östlichen Kongobecken (Foto: J. RUNGE 1992)
Maden, Insekten etc. und das Einsammeln von Lianen (z.B. Koko, Gnetum africanum), die bei den autochthonen Pygmäen (s. Abb. 10.5) und auch bei der Stadtbevölkerung gerne als spinatähnliches Gemüse verzehrt werden, führen langfristig zu einer Degradation des Ökosystems Regenwald (KOKO/ RUNGE 2004). Ein weiteres Problem ist der informelle Gold- und Diamantenbergbau in der Region, der durch Grab- und Schürftätigkeit entlang der Flüsse den Wald beeinträchtigt. Die Anlage ausgedehnter Forstpisten und der regelmäßige Lkw-Verkehr fördern gleichfalls die Fragmentierung und Erschließung vormals wenig vom Menschen berührter Waldgebiete. In der ZAR ist man sich inzwischen über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Tropenwaldbewirtschaftung bewusst. Seitens des mit EU-Mitteln geförderten ECOFAC-Projektes (ECOsystèmes Forestiers d’Afrique Centrale, www.ecofac.org) wird seit 1993 versucht, Wege einer stärker ökologisch und nachhaltig orientierten Waldwirtschaft zu beschreiten. ECOFAC wird ferner als Kontrollinstanz für die kommerziellen Holzexporteure (z.B. IFB, Industries Forestières de Batamilo) eingesetzt, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Auflagen eingehalten werden.
Pleistozäne (natürliche) Umweltveränderungen versus Global-Change-Perspektiven in Zentralafrika Steuerungsfaktor Klima
Nach einer großräumig klimagesteuerten hochglazialzeitlichen Waldregression in Zentralafrika zwischen 20.000–15.000 yrs BP (LGM) kommt es von 12.000–3500 yrs BP (BOULVERT 1996) unter erneut humideren Klimabedingungen zur Wiederbesiedlung Zentralafrikas mit Regenwald. Unterbrochen durch kürzere Klimaschwankungen im Holozän über eine Dauer von rund 2000–3000 Jahren wechselt die vorherrschende Vegetationszusammensetzung zwischen Wald und Savanne von Savanne zu Wald. Im Holozän und bis in die Gegenwart hinein zeigt das Landschaftsbild insbesondere an den Übergängen von Regenwald zu Savanne ein hoch dynamisches Vegetati-
Umweltveränderungen versus Global-Change-Perspektiven
onsmosaik aus C3- und C4-Pflanzen (vgl. Abb. 17.4). Geschlossene Wälder dominierten vermutlich im frühen Holozän und zwischen 2500–3500 yrs BP (letztes Waldmaximum). Trockenere Zeitabschnitte mit Savannen, durchsetzt von kleineren Regenwaldinseln und Galeriewäldern, prägten das Landschaftsbild gegen 5000 yrs BP und von 1000 yrs BP bis heute. In den letzten Jahrzehnten ist stellenweise wieder eine Tendenz zur neuerlichen Waldexpansion festzustellen. Neben den auffälligen Parallelen in der Klima- und Vegetationsentwicklung auf der Nordäquatorialschwelle (Mbomou) mit den Seespiegelschwankungen des Tschadsees bestehen mit Blick auf die gegenwärtige Global Change-Diskussion ggf. auch Zusammenhänge mit dem Gehalt atmosphärischen Kohlendioxids für die Biomasseproduktion durch Photosynthese bei C3-(Wald-) und C4-(Savannen-)Pflanzen. Während des Letzten Glazialen Maximums (LGM) dominierten in ausgedehnten Gebieten Zentralafrikas unter semihumiden bis semiariden Klimabedingungen C4-Grassavannen. Die glazialzeitliche Erdatmosphäre enthielt nur 160–200 ppm CO2 (POLLEY et al. 1993). Im Zuge der spätpleistozänen und holozänen globalen Erwärmung seit 15.000 yrs BP stiegen die Jahresmitteltemperaturen um im Mittel ca. 4,5°C an, in deren Folge die polaren Eismassen abschmolzen. Großräumig setzten durch das wieder wärmere und feuchtere Klima Vegetationsveränderungen ein. Mit nur kurzen Unterbrechungen erhöhte sich zeitgleich – bis heute fortdauernd – der Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre. Seit 1750–1800 stieg der CO2-Gehalt signifikant von dem vorindustriellen Niveau bei etwa 280 ppm auf das heutige Niveau von 350–360 ppm an (vgl. WIGLEY 1992). C3- und C4-Pflanzen reagieren bei der Photosynthese unterschiedlich auf höhere und niedrigere CO2-Konzentrationen. ROBINSON (1994) zeigt, dass bei C4-Gräsern die maximale Netto-Photosynthese bei 180 ppm erreicht wird. Dieser Wert entspricht den Verhältnissen während des LGM. Bei weiter ansteigenden CO2-Konzentrationen bleiben die Netto-Photosyntheseraten der C4-Gräser konstant. Bei C3-Pflanzen, wie den Bäumen, erfolgt bei CO2-Gehalten von unter 200 ppm eine photosynthetische Stressreaktion verbunden mit reduzierter Biomasseproduktion. Liegt die Kohlendioxidkonzentration unter 60 ppm, tendiert die Netto-Photosynthese der C3-Pflanzen gegen Null; C4-Pflanzen hingegen sind noch weiter photosynthetisch aktiv (ROBINSON 1994). Bei höheren und stetig zunehmenden CO2-Konzentrationen reagieren C3-Waldpflanzen proportional mit einer gesteigerten Wasseraufnahme und Biomasseproduktion. POLLEY et al. (1993) zeigen experimentell einen direkten, linearen Zusammenhang zwischen erhöhter Netto-Photosynthese von C3-Pflanzen und erhöhtem CO2-Gehalt der Atmosphäre. Seit etwa 100–150 Jahren profitieren die C3-Pflanzen von diesem anthropogen initiierten „Düngeeffekt“ durch erhöhte CO2-Gehalte. Ab einer CO2Konzentration von 330 ppm nimmt die Effektivität der Photosynthese von C3-Waldpflanzen gegenüber C4-Graspflanzen noch deutlicher zu (ROBINSON 1994). Dieser „Grenzwert“ von 330 ppm CO2 wurde erst in historischer Zeit, seit etwa 1970, überschritten und begünstigt vermutlich seither die Entwicklung von Pflanzen, die nach dem C3-Prinzip assimilieren. Für die untersuchten Regionen am Regenwald-Savannen-Kontakt könnte dies bedeuten, dass die Ursachen für die beobachtete rezente Waldexpansion ne-
Steuerungsfaktor Kohlendioxid
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Der zentralafrikanische Regenwald
Offene Fragen
ben den hygrischen (genügend hohe Jahresniederschläge von über 1500 mm) und den anthropogenen Gründen (Rückgang der Buschfeuer und negative Migrationsprozesse im ländlichen Raum) auch in der erhöhten und weiter zunehmenden CO2-Anreicherung der Atmosphäre und dem erwähnten „Düngeeffekt“ zu suchen sind. Ob sich diese bislang in Übereinstimmung mit POLLEY et al. (1993) erkannte Ausbreitung der randtropischen Wälder kontinuierlich fortsetzt oder künftig in ein deterministisches Chaos mit nichtlinearer Dynamik umschlägt, bleibt eine offene Frage. Ebenso sind die zukünftigen Wechselwirkungen zwischen Global Change-Prozessen und den Effekten des anthropogenen Einflusses auf die Ökosysteme in den niederen Breiten insgesamt noch wenig verstanden.
Komplexe Problemlage: Naturgefahren und bewaffnete Konflikte im Ostkongo MARTIN DOEVENSPECK
Abb. 11.1: Straße in Goma – im Hintergrund der Nyiragongo (Foto: M. DOEVENSPECK)
Der Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und hier insbesondere die Region um den Kivusee standen seit Mitte der 1990er-Jahre im Zentrum des folgenreichsten postkolonialen Krieges Afrikas. Verstärkt in den Blick auch der deutschen Öffentlichkeit rückte der Konflikt in der Phase der u.a. von der Bundeswehr abgesicherten Präsidentenwahl 2006. Der Ausbruch des Vulkans Nyiragongo während des „Zweiten Kongokriegs“ im Januar 2002, der ein Drittel der nahe gelegenen Stadt Goma zerstörte und rund 400.000 Menschen zur Flucht zwang, erinnerte die Weltöffentlichkeit zudem daran, dass die Bevölkerung im Kriegsgebiet auch von einer in Afrika einmaligen Vielzahl an Naturgefahren bedroht ist. Neben dem rezenten Vulkanismus ist die Region als Teil des ostafrikanischen Grabensystems auch immer wieder von Erdbeben betroffen. Gleichzeitig gehört der Kivusee aufgrund seiner großen, im Wasser gelösten Kohlendioxid- und Methangasvorkommen neben zwei weiteren Seen in Kamerun zu den drei so genannten potenziellen „Killerseen“ der Erde. Immer noch kommt es zu Gefechten zwischen den verschiedenen Milizen und zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung. Die Auswirkungen jahrelang andauernder bewaffneter Konflikte sind mit Flüchtlingslagern und hoher Gewaltkriminalität weiterhin sehr präsent. Doch mit einem separaten Friedensabkommen für den Ostkongo und den Anstrengungen zum Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen rücken auch die in den Hintergrund
Konfliktanalyse und Gefahrenmanagement
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Naturgefahren und Konflikte im Ostkongo
getretenen Naturgefahren und deren Management wieder stärker in den Blick der Öffentlichkeit. Der Konflikt samt seiner Auswirkungen und das Naturgefahrenmanagement können aufgrund der vielseitigen Wechselbeziehungen allerdings nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Das Anliegen dieses Beitrages ist es daher, den Umgang mit Naturgefahren unter den schwierigen, von schwacher Staatlichkeit geprägten Bedingungen einer Konfliktsituation zu analysieren. Im Mittelpunkt stehen dabei der Vulkanismus und die mit den Gasvorkommen im Kivusee verbundenen Gefahren.
Die Kivuregion im ostafrikanischen Riftsystem Tektonik
Landwirtschaftliches Potenzial
Im plattentektonischen Kontext stellt die Kivuregion den vulkanisch aktivsten Teil des westlichen Zweiges im Ostafrikanischen Riftsystem dar, das wiederum zum Afrikanisch-Arabischen Riftsystem gehört. Das Ostafrikanische Grabensystem selbst erstreckt sich über rund 3500 km zwischen dem Afardreieck in Äthiopien und dem Sambesifluss in Moçambique. Es entwickelte sich innerhalb proterozoischer Gürtel und umschließt den ostafrikanischen Schild. Sowohl der östliche als auch der westliche Arm sind bis heute seismisch und vulkanisch aktiv. Tektonische Beben treten im westlichen Zweig allerdings häufiger als im östlichen auf. Erst im Februar 2007 starben über 40 Menschen in Bukavu (DR Kongo) und Cyangugu (Ruanda) bei zwei Beben der Stärke 5,4 bzw. 6,1 der Richterskala. Generell zeigt das wahrscheinlich bereits im frühen Miozän entstandene und sich nördlich und östlich des Viktoriasees bis Nordtansania erstreckende Ostrift mehr Vulkane und eine stärkere vulkanische Aktivität. Das im späten Miozän gebildete westliche Rift zieht sich mit Seen, die zu den tiefsten der Erde gehören, in einer durchschnittlichen Breite von 40–50 km von Norduganda bis zur moçambiqueanischen Küste. Am Nordufer des Kivusees (1460 m) bilden die sich seit etwa zwölf Millionen Jahren entwickelnde Gruppe von Stratovulkanen, Schildvulkanen und Aschekegeln der Virungakette, deren basaltische Lavafelder bis an den See reichen, einen Querriegel im Graben, der die nach Norden gerichtete Entwässerung in diesem ehemaligen fluvialen Abtragungsrelief unterbrach und es durch Stau überflutete. Während die Aktivität der zentralen und östlichen Gruppe mit dem 4507 m hohen Karisimbi weitestgehend erloschen ist, kennzeichnet rezente, andauernde Tätigkeit die westliche Gruppe aus dem flachen Schildvulkan Nyamulagira und dem mächtigen Schichtvulkan Nyiragongo. Zusammen bilden sie eine der aktivsten Vulkanlandschaften der Erde und sind für zwei Fünftel aller bekannten Vulkanausbrüche auf dem Kontinent verantwortlich. Die nährstoffreichen Aschen und junge, mineralreiche tropische Braunerden über den vulkanischen Gesteinen waren bedeutende Faktoren für die trotz aller Gefahren traditionell dichte Besiedlung des Gebiets, das auch nie von Verwüstungen und Entvölkerung durch den Sklavenhandel betroffen war. Fruchtbare Böden und die günstigen Bedingungen der Höhen- und Hochgebirgsklimate des feuchttemperierten Berglandes (Höhenstufe der Tierra templada), wo Malaria und Schlafkrankheit viel seltener auftreten als in der Ebene, beförderte auch die Ansiedlung europäischer Pflanzer und Farmer ab den 1920er-Jahren. Da die Tsetsefliege ab 1100–1200 m Höhe
Krieg und Geopolitik im Ostkongo
nicht mehr vorkommt, ist hier auch Großviehhaltung möglich. Diese wird insbesondere im nordwestlich des Kivusees gelegenen Hochland von Masisi betrieben, das die dicht besiedelten Vulkangebiete im ruandisch-kongolesischen Grenzgebiet vom unzugänglichen Kongobecken abgrenzt.
Krieg und Geopolitik im Ostkongo Im Mai 1997 wurde der Diktator Joseph-Désiré Mobutu im „Ersten Kongokrieg“ durch eine breite und von kriegserprobten ruandischen und ugandischen Truppen unterstützte Koalition der zairischen Opposition gestürzt. Nach nur wenigen Monaten nahmen die Rebellen von Kivu ausgehend das
Erster Kongokrieg
Abb. 11.2: Grenzregion Kivusee (DR Kongo – Ruanda)
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Naturgefahren und Konflikte im Ostkongo
Zweiter Kongokrieg
ganze Land ohne nennenswerte Gegenwehr der flüchtenden Regierungsarmee ein. Neuer Präsident des von Zaire in Demokratische Republik Kongo umbenannten Landes wurde Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila, Vater des jetzigen Präsidenten Joseph Kabila. Das Land war nach der über 30 Jahre währenden Alleinherrschaft Mobutus ökonomisch völlig heruntergewirtschaftet und politisch tief gespalten. Die Verkehrsinfrastruktur war verrottet und das Bildungs- und Gesundheitswesen zusammengebrochen. An die Stelle der in den 1960er-Jahren florierenden zairischen Wirtschaft war ein System aus Korruption, persönlicher Bereicherung und informellen Wirtschaftskreisläufen und Handelsstrukturen getreten und vor allem im Osten des Landes wurde Ethnizität in politischen Auseinandersetzungen immer stärker instrumentalisiert. Den „gescheiterten Staat“, von dem später immer wieder die Rede war, gab es also tatsächlich bereits vor den Kriegen (TULL 2005, JOHNSON 2008). 1998 überwarf sich Kabila mit seinen Verbündeten Uganda und Ruanda und verwies deren Armeen des Landes. Für beide Länder war aber die Kontrolle des Ostkongos strategisch entscheidend. Uganda fürchtete die Unterstützung ugandischer Rebellengruppen durch Kabila sowie die Bedrohung durch den befeindeten Sudan. Ruander sowie kongolesische Tutsi wurden durch die von den neuen, tutsidominierten ruandischen Machthabern 1994 in den Ostkongo vertriebenen und durch die für den ruandischen Genozid verantwortliche Hutu-Armee bedroht. Ruanda und Uganda gründeten daraufhin verschiedene Rebellenorganisationen, besetzten weite Teile des Landes und bekämpften sich später auch gegenseitig. Dieser als „Zweiter Kongokrieg“ bezeichnete Konflikt, in dem v.a. Angola, Namibia, Sambia und Simbabwe die Regierung Kabilas unterstützten, wurde Anfang 2003 durch das Friedensabkommen von Sun City in Südafrika nominell beendet.
Mineralische Ressourcen und Krieg Diamanten im Westen, Kupfer im Süden und Gold sowie Zinnerze im Osten: Die DR Kongo ist reich an mineralischen Ressourcen. Zahlreiche Studien zogen daraus den Schluss, dass es sich bei dem Konflikt im Kongo um einen Ressourcenkrieg handelte. Diese Reduzierung auf das Ressourcenfluchargument ignoriert jedoch die politische Dimension des Konfliktes und trägt nur eingeschränkt zu seinem Verständnis bei. Unbestritten ist, dass sich Milizen auch mit Erlösen aus dem Mineralienhandel finanzierten und dies z.T. bis heute tun und dass die Kontrolle über die Minen in der Kivuregion ein wichtiger Bestandteil des Zweiten Kongokrieges war. Bekannt wurde dieser Aspekt des Krieges vor allem durch Boykottkampagnen gegen die Erzmischung Colombit-Tantalit (Coltan), die für die Gewinnung von Tantal zum Einsatz in der Hochtechnologie (insbes. Mobiltelefone) genutzt wird und in den Minen Ostkongos abgebaut wird. Die Kriegswirtschaft der Milizen muss allerdings im historischen Kontext gesehen werden, denn es war nicht so, dass ausländische Armeen oder kongolesische Milizen Bergwerke besetzten und dann ausbeuteten. Vielmehr handelte es sich im Prinzip um persistente, in der Ära Mobutu entstandene informelle Produktions- und Handelsstrukturen, die nach der kompletten Auflösung des zairischen Staates nur weiter bestehen konnten, wenn sie sich entweder selber militärisch organisierten oder sich unter den Schutz einer der zahlreichen Milizen stellten (JOHNSON/TEGERA 2005).
Krieg und Geopolitik im Ostkongo
Wie wenig das Friedensabkommen von Sun City jedoch den Ostkongo befriedete, belegen die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Milizen (u.a. nationalistische Mayi-Mayi, die aus der ehemaligen ruandischen Armee hervorgegangenen Hutu-Milizen, kongolesische Tutsi) – meist ohne klare Front und mit von allen verübten Übergriffen auf die Zivilbevölkerung. Ein Kern des Konfliktes nach 2003 ist die Auseinandersetzung zwischen kongolesischen Tutsi und ruandischen Hutu-Milizen, an dem sich auch zunehmend die neue kongolesische Regierungsarmee auf Seiten der Hutu beteiligte. Die kongolesische Armee wurde 2007 und 2008 von den Rebellen des desertierten Tutsi-Generals Laurent Nkunda vernichtend geschlagen und damit zu separaten Friedensverhandlungen für die Kivuprovinzen gezwungen (SCOTT 2008). Nachdem sich in einer für alle Beobachter überraschenden geopolitischen Wende Kongos Präsident Kabila und Ruandas Präsident Kagame temporär verbündeten und die von Nkunda geführte Rebellion beendeten, stellt sich die heutige Lage um den Kivusee wie folgt dar: Obwohl der kongolesische Zentralstaat formal wieder die Herrschaft in den
Entwicklung nach Friedensabkommen
Abb. 11.3: Stadtregion Goma (DR Kongo) – Gisenyi (Ruanda)
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beiden Kivuprovinzen übernommen hat, werden weite ländliche Gebiete weiterhin von Milizen und Rebellen kontrolliert und verwaltet. In der Provinzhauptstadt Goma, die unter dem Schutz der UNO-Friedensmission steht, ist der kongolesische Staat zumindest formal präsent. Goma selbst hat durch Kriegsflüchtlinge einen massiven Bevölkerungszuwachs und eine völlig unkontrollierte flächenmäßige Ausweitung erfahren. Die Anwesenheit Tausender schlecht oder gar nicht bezahlter und undisziplinierter Soldaten der kongolesischen Armee hat hier zu einem massiven Anstieg der Gewaltkriminalität geführt. In diesem Kontext muss der Umgang mit den Gefahren, die von dem unmittelbar nördlich der Stadt gelegenen Vulkan Nyiragongo ausgehen, analysiert werden.
Rezenter Vulkanismus am Nordufer des Kivusees Der Nyiragongo
Der fast 3500 m hohe Nyiragongo gilt nach dem Vesuv als der gefährlichste Vulkan der Welt. Da die Geschichte des Vulkans, der vor rund 100 Jahren zum ersten Mal beschrieben wurde, nicht bekannt ist, kann das Ausbruchsverhalten schlecht eingeschätzt werden. Meist lassen Erdbeben die Lava steigen. Der Nyiragongo weist im Inneren seines Kraters einen der weltweit seltenen Lavaseen auf. Sowohl beim Ausbruch 1977 als auch 2002 entleerte sich der Lavasee durch Risse in den Bergflanken und Bruchstellen am Stadtrand, die nach starken Erdbeben entstandenen waren (KOMOROWSKI et al. 2004). Aufgrund zahlreicher neu entstandener Risse und Bruchstellen innerhalb des Stadtgebiets besteht die Möglichkeit, dass beim nächsten Ausbruch des Nyiragongo Lava auch direkt in Goma austreten wird.
Der Ausbruch des Nyiragongo 2002 Bereits eine halbe Stunde nach Beginn der Eruption am Morgen des 17. Januar 2002 zerstörte dünnflüssige Lava, von den Flanken mit Geschwindigkeiten von 60 km/h herabschießend, Straßen und Siedlungen im Norden Gomas. Die am Nachmittag am Stadtrand ausgetretene Lava, die den Großteil der Zerstörungen anrichtete, floss dagegen um einiges langsamer und ermöglichte so die Selbstevakuierung der damals rund 400.000 Bewohner Richtung Ruanda und Sake mit „nur“ 110 Toten. Insgesamt setzte die Eruption rund 25 Mio. m3 Lava frei. 120.000 Menschen wurden – und sind zum Teil bis heute – obdachlos, und da das Geschäftszentrum am stärksten betroffen war, wurden über 80 % aller Vermögenswerte zerstört. Das einzig andere bekannte historische Ereignis, bei dem Lavaströme große Teile einer Stadt (Catania) zerstörten, ist die Eruption des Ätna 1669. Drei Faktoren waren dafür verantwortlich, dass eine frühzeitige Evakuierung, die zumindest die ökonomischen Schäden hätte reduzieren können, nicht durchgeführt wurde. 1. Mangelndes Vertrauen der lokalen Behörden und der internationalen Gemeinschaft in die kongolesischen Vulkanologen vor Ort: Obwohl den Wissenschaftlern wegen Plünderungen während des Krieges und fehlender Finanzierung lediglich zwei alte Seismometer zur Verfügung standen, aber keine Fahrzeuge, Büros, Computer oder Geräte für Temperatur- oder Gasmessungen, warnten sie seit Juni 2001 kontinuierlich vor einem bevorste-
Schwierige Katastrophenvorsorge
henden Ausbruch. Sie stützten sich bei ihren Analysen in erster Linie auf die von ihnen registrierte Häufung schwerer Erdbeben und auf die Beobachtungen der am Vulkan arbeitenden Bauern, die z.B. darüber berichteten, dass das im Boden vergrabene lokale Bananenbier zur Gärung lediglich zwei statt sonst fünf Tage brauchte, was auf eine stark erhöhte Temperatur im Boden schließen ließ. Sie klagten darüber hinaus über Schwindel und Ohnmachten während der Feldarbeit, ein sicherer Indikator für stärkere Gasaustritte. Weder die UNOrganisation für humanitäre Angelegenheiten (UN-OCHA), noch die in Goma residierende Rebellenregierung zogen aus den Warnungen der Vulkanologen Konsequenzen. 2. Politisches Kalkül der Rebellenregierung: Die Rebellenregierung, 2002 noch im Kriegszustand mit der Zentralregierung in Kinshasa, sträubte sich lange gegen die Selbstevakuierung, weil sie befürchtete, dass Präsident Kabila die Situation einer weitgehend von der Zivilbevölkerung verlassenen Stadt ausnutzen würde, um erneut militärische Ziele und Verwaltungseinrichtungen der Rebellen zu bombardieren. Zum Teil wurden Geschäftsleute mit Waffengewalt daran gehindert, ihre Waren mit Lkw aus der Stadt zu bringen. 3. Fehlendes Katastrophenmanagement: Selbst bei vorhandenem politischem Willen wäre die Verwaltung Gomas nicht in der Lage gewesen, eine geordnete Evakuierung der Stadt zu gewährleisten. Es existierten weder Evakuierungspläne noch ein für diesen Fall geschulter Katastrophenschutz.
Der aktivste Vulkan Afrikas ist der weiter nordwestlich von Goma gelegene und nahezu jährlich ausbrechende Nyamulagira. Aufgrund weniger steiler Flanken und auch weil der Nyiragongo eine natürliche Barriere bildet, ist er jedoch für die Bevölkerung weniger gefährlich. In der Regel fließen die Lavaströme des Nyamulagira in den Virunga Nationalpark oder stoppen vor der Verbindungsstraße zwischen den beiden Städten Sake und Goma.
Der Nyamulagira
Schwierige Katastrophenvorsorge Wesentliche Hindernisse für eine effektive und nachhaltige Katastrophenvorsorge am Nordufer des Kivusees sind das Fehlen funktionierender Planungsstrukturen, die kriegsbedingte strukturelle Verwundbarkeit der Mehrheit der Bevölkerung und die Überlagerung der Naturgefahren durch die Probleme des alltäglichen Lebens in der Risikowahrnehmung der Menschen. Während der Nyamulagira wegen der Bedrohung durch Hutu-Milizen und bewaffnete Banden im Virunga Nationalpark nur sporadisch und unter aufwändigen Sicherheitsmaßnahmen untersucht werden kann, ist der Nyiragongo trotz immer wieder auftretender Sicherheits- und Finanzierungsprobleme mittlerweile relativ gut überwacht. Zuständig hierfür ist das Observatoire Volcanologique de Goma (OVG), eine Einrichtung innerhalb des staatlichen Forschungsinstitutes Centre de Recherche en Sciences Naturelles (CRSN), die seit dem letzten Ausbruch mit Geldern der internationalen Gemeinschaft technisch und personell unterstützt wird. Das OVG verfügt über neue Seismometer, vermisst die 2002 entstandenen neuen Spalten und
Monitoring des Nyiragongo
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Fehlende Einbindung der Bevölkerung
Stadtentwicklung
Sicherheit
führt regelmäßig Temperatur- und Gasmessungen sowie Aufstiege zum Kraterrand durch, wenn die Sicherheitslage dies erlaubt. Im Gegensatz zur funktionierenden Überwachung der vulkanischen Aktivität gab es nach anfänglichen Bemühungen unter dem Eindruck des letzten Ausbruchs 2008 praktisch keine Initiativen mehr, um die Bevölkerung in die Katastrophenvorsorge einzubinden. Das UN-Programm zu „Volcano Risk Reduction in North-Kivu“ war bislang nicht in der Lage, Treffen der an diesem Programm beteiligten internationalen Organisationen und lokalen Behörden zu organisieren, kontinuierliche Sensibilisierungsmaßnahmen für die rasch anwachsende Bevölkerung durchzuführen und einen aktuellen und kohärenten Evakuierungsplan zu entwickeln. Lediglich einige Informationstafeln informieren die Bevölkerung über die aktuelle Aktivität des Vulkans. Bei Gefahr soll die Bevölkerung durch vier Sirenen gewarnt werden. Diese können aber nicht zentral angeschaltet werden und erreichen nach Aussagen des OVG wegen unzureichender Leistung höchstens ein Viertel der Bewohner. Auch eine erneute Massenselbstevakuierung würde sich mittlerweile schwieriger gestalten, weil viele Straßen noch von Lava bedeckt sind und die ruandische Armee einen in der Nachbarstadt Gisenyi befindlichen Hügel, der 2002 rund 200.000 Menschen als Zuflucht diente, zum militärischen Sperrgebiet erklärt hat. Pläne zur Eröffnung von zwei neuen, breiten Grenzübergängen nach Gisenyi wurden aufgrund der weiterhin schwierigen Beziehungen zwischen beiden Staaten bisher nicht umgesetzt. Diese Versäumnisse erscheinen umso gravierender, wenn man die Stadtentwicklung in Goma betrachtet. Durch anhaltende Zuwanderung hat sich die Bevölkerung innerhalb der letzten zehn Jahre verdreifacht. Neuer Wohnraum kann wegen der Einschränkung durch die Staatsgrenze und den Kivusee lediglich im Norden in Richtung des Vulkans und im Westen entstehen. Die nördliche Ausdehnung der Bebauung wird von Flüchtlingen, Migranten und von durch den Ausbruch 2002 obdachlos gewordenen Stadtbewohnern getragen. In diesen Gebieten, die z.T. erst mit der Zerstörung von Bananenplantagen durch die Lava zu Bauland wurden, sind die Parzellenpreise am niedrigsten. Profitiert haben hier vor allem die Landverkäufer, Inhaber traditioneller Bodenrechte aus den Dörfern um Goma, sowie Geschäftsleute, die Parzellen aufkaufen und vermieten. Aufgrund einer nach fast 15 Jahren Krieg inexistenten staatlichen und kommunalen Verwaltung verläuft diese städtische Landnahme weitgehend ungeplant. Die Grundstücke sind durchweg mit einfachsten Holzhäusern und Hütten bebaut. Die Viertel verfügen über keinerlei Trinkwasser- und Stromversorgung und werden aufgrund ihrer peripheren Lage nachts regelmäßig von bewaffneten Banden überfallen. Im Westen, v.a. in der Nähe des Seeufers, haben sich dagegen die Preise für Grundstücke und Immobilien durch die Nachfrage von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen und Spekulationen von kongolesischen und ausländischen Gewinnern der Kriegsökonomie in den letzten Jahren vervielfacht. Während eine Minderheit auf von privaten Sicherheitsdiensten bewachten Inseln des Wohlstands lebt, sind 93 % der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren arbeitslos. Nur 15 % der Stadtbewohner haben direkten Zugang zu Leitungswasser. Erhebungen in den neuen, nördlich gelegenen
Gas im Kivusee
Vierteln zeigen, dass ein durchschnittlicher Haushalt mit 7,4 Personen mit vier US-Dollar pro Tag auskommen muss. Gleichzeitig ist die Mehrheit der Bevölkerung der zunehmenden Gewaltkriminalität aufgrund der völlig überforderten Polizei schutzlos ausgesetzt. Wo der Alltag bereits eine Katastrophe ist und die Menschen täglich mit Armut, Krankheit und Kriminalität umgehen müssen, kann es nicht verwundern, wenn der Vulkan von weniger als der Hälfte der Bevölkerung überhaupt als Risiko bzw. Gefahr (im Swahili des Ostkongo existiert nur ein Wort für beide Begriffe: Hatari) bezeichnet wird. Vergleichbare Auffassungen gibt es bei der Stadtverwaltung, die mit den begrenzten, ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die elementarsten öffentlichen Aufgaben wieder wahrzunehmen, sowie bei internationalen Organisationen, die weiterhin vorwiegend mit akuter Nothilfe beschäftigt sind. So verständlich dies angesichts der Situation ist, haben die Ereignisse 2002 doch deutlich gezeigt, dass die bescheidenen, bisher erzielten Erfolge im Wiederaufbau durch fehlende Katastrophenvorsorge und schwaches Katastrophenmanagement wieder schnell zunichte gemacht werden können.
Gas im Kivusee Während der Nyiragongo von jeder Stelle in Goma aus sichtbar über der Stadt thront, stellen die enormen Mengen der im Tiefenwasser des Kivusees gelösten Gase eine auf den ersten Blick weitaus abstraktere, gleichzeitig aber sehr reale Naturgefahr dar. Als während des letzten Ausbruchs des Nyiragongo große Mengen Lava bis zu einer Tiefe von 100 m in den Kivusee flossen, verdeutlichte dies die Gefahr einer explosiven Freisetzung des Gases und damit des potenziellen Erstickungstodes der am See lebenden Bevölkerung. Der 450 m tiefe See ist insofern einmalig auf der Welt, als er neben einer Reihe von anderen im Wasser gelösten Gasen rund 250 Mrd. m3 Kohlendioxid und 55 Mrd. m3 Methangas enthält. Das CO2 ist z.T. vulkanischen Ursprungs, z.T. das Produkt der Fermentation von organischem Material durch anaerobe Bakterien im Sediment. Das Methan wird ebenfalls durch Fermentationsprozesse sowie durch die bakterielle Reduktion von vulkanischem CO2 gebildet. Die höchsten Gaskonzentrationen werden in einer Tiefe zwischen 280 und 350 m gemessen. Zwischen 100 und 150 Mio. m3 Methan werden jährlich neu gebildet (SCHMID et al. 2004). Die jährliche Neubildungsrate des CO2 schwankt je nach vulkanischer Aktivität stark (mindestens 500 Mio. m3). In Afrika enthalten noch zwei andere Seen ähnlich große Mengen Gas: der Nyos- und der Monounsee in Kamerun. 1986 starben, als die Gaskonzentration im Wasser die Sättigungsgrenze erreicht hatte, nach einer CO2Explosion im Nyossee 1700 Menschen in den umliegenden Tälern durch abströmendes Gas. Obwohl der Kivusee tausendmal mehr CO2 enthält als die beiden, mittlerweile künstlich entgasten kamerunischen Seen, ist er in seinem Normalzustand aufgrund streng voneinander abgegrenzter Wasserschichten sehr stabil. Die Sättigungsgrenze wird wahrscheinlich erst in etwa 80–100 Jahren erreicht.
Gefahrenquelle CO2
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Mazuku, die bösen Winde Nicht nur im Wasser, sondern auch an Land bedroht Gas die Gesundheit der Bevölkerung. Der permanente Austritt von vulkanischen Gasen aus Spalten und Senken ist typisch für den rezenten Vulkanismus am Nordufer des Kivusees. Auch nördlich des Nyamulagira und des Nyiragongo wurde der Austritt von Gas beschrieben, aber aufgrund der prekären Sicherheitslage in dem von Milizen kontrollierten Gebiet bisher nicht detailliert untersucht. Die Bevölkerung bezeichnet das vor allem aus Kohlendioxid bestehende Gas als Mazuku, was aus dem Swahili mit „böse Winde“ übersetzt werden kann. Das Gas ist farblos und die Austrittstellen, wo bis zu einer Höhe von 80 cm CO2-Konzentrationen von 70 % gemessen werden, sind von der Umgebung praktisch nicht zu unterscheiden. Während die Mazuku für die damit vertraute lokale Bevölkerung lange kein ernsthaftes Problem darstellten, kommt es seit Mitte der 1990er-Jahre zu einer Häufung von Todesfällen unter Flüchtlingen und Zuwanderern, die u.a. die bisher unbewohnten Areale am peripheren westlichen Seeufer besiedeln. Im Zuge der Mittelbereitstellung nach dem Ausbruch des Nyiragongo wurden ab 2003 einige Warnschilder aufgestellt (VASELLI et al. 2004).
Gefahrenquelle Methan
Der entscheidende Gefährdungsfaktor am Kivusee ist aber das in Kamerun nicht vorhandene Methan, das für rund 80 % des Gasdrucks verantwortlich ist und aufgrund seiner niedrigen Lösbarkeit eine Ausgasung bewirken und damit Zünder für das CO2 sein könnte. Neuere Studien zeigen eine während der letzten Jahre beschleunigte Methangasproduktion, weshalb der Sättigungsgrad des Sees schneller als vorhergesagt erreicht werden könnte (SCHMID et al. 2005). Ursachen sind ein erhöhter Sedimenteintrag durch fortschreitende Erosion im Einzugsgebiet des Sees und ein beschleunigtes Algenwachstum durch erhöhten Düngemitteleintrag. Mehr abgestorbene Algen werden am Grund des Sees bakteriell zersetzt. Nach den Erfahrungen von 2002 ist eine Gasexplosion aufgrund einfließender Lava momentan am wahrscheinlichsten. Im schlimmsten simulierten Szenario produziert ein explosiver Ausbruch der gesamten Gasmenge eine 200 m hohe Wolke, die das Leben von rund zwei Millionen Seeanrainern bedroht. Aufgrund der Kessellage könnte das Gas nur durch das Tal des Ruzziflusses am Südufer in den rund 700 m tiefer gelegenen Tanganjikasee abfließen und dort sogar das Leben der Einwohner der burundischen Hauptstadt Bujumbura bedrohen.
Energiequelle Methan Technologisches Risiko
Eine künstliche Ausgasung wie in Kamerun ist am Kivusee aufgrund der Gasmengen nicht praktikabel. Dahingegen sind die Vorbereitungen für eine industrielle Förderung des Methangases zur Stromgewinnung, die – sozusagen als Nebeneffekt – auch die Gefahr einer CO2-Explosion mindern soll, im benachbarten Ruanda sehr weit fortgeschritten. Grundsätzlich ist das Verfahren zur Förderung des Methangases relativ einfach und basiert auf einer Technologie, die seit Anfang der 1960er-Jahre Methangas fördert und in Strom für eine ruandische Brauerei am Kivusee umwandelt. Nach einem anfänglichen Anpumpen von Land oder offshore von einer Plattform auf dem See, strömt das Wasser aufgrund des Druckunterschiedes durch ein
Energiequelle Methan
Rohr von selbst an die Oberfläche, wo das Gasgemisch wegen des plötzlichen Druckabfalls aus dem Wasser heraussprudelt und noch von dem für die Stromproduktion wertlosen Kohlendioxid getrennt werden muss. Obwohl die ruandische Regierung bereits mehrere Förderlizenzen vergeben hat, ist mangels Erfahrung mit dem weltweit einzigartigen Verfahren momentan jedoch noch völlig unklar, wie die Schichtung des Sees sowohl auf die Gasentnahme als auch auf das aus Klimaschutzgründen geplante Wiedereinpumpen des Kohlendioxids reagieren wird. Ebenso unklar sind die mit der Förderung verbundenen Risiken für die Anrainer. Vor allem die auf dem Kivusee häufig auftretenden Stürme können zu einer Gefahr für geplante Offshore-Anlagen werden. Die Methangasförderung bedeutet somit die Transformation einer Naturgefahr in ein technologisches Risiko. Insbesondere die ruandische Regierung, die internationalen Investoren im Gegensatz zum Nachbarstaat inzwischen politische Stabilität bieten kann, treibt die Nutzung der Methangasvorkommen zur Stromerzeugung seit einigen Jahren voran. Bei sinkender Produktion der großen Wasserkraftwerke im Norden des Landes aufgrund des Niederschlagsrückganges und der fortschreitenden Erosion im Einzugsgebiet der genutzten Flüsse ist Ruanda von teuren Dieselimporten abhängig, um wenigstens die für die Minimalversorgung nötigen 45 MW in das nationale Stromnetz einzuspeisen, und hat dadurch die höchsten Strompreise Afrikas. Auch aus Gründen der politischen Legitimation ist die autoritäre Regierung darauf angewiesen, der Wirtschaft günstigen Strom zur Verfügung zu stellen und so das beeindruckende durchschnittliche Wachstum von jährlich 8 % seit 1995 zu halten bzw. weiter auszubauen. Die Lösung für die schwerste Energiekrise Ruandas seit der Unabhängigkeit wird daher in der Inwertsetzung des Methangases gesehen, dessen Potenzial auf 700 MW beziffert wird. Die Nutzung dieser Ressource würde Ruanda nicht nur erlauben, seine Versorgungsprobleme vergleichsweise schnell zu lösen, sondern das Land auch zum Exporteur günstigen Stroms machen und damit seine militärische Vormachtstellung in der Region auch ökonomisch untermauern (DOEVENSPECK 2007). Politisch ist das ruandische Vorhaben einer großangelegten Methangasförderung zur Stromproduktion höchst brisant und umstritten, weil die Grenze zwischen den beiden Staaten in der Mitte des Kivusees verläuft und die Gasvorkommen nach einem bilateralen Abkommen aus dem Jahr 1990 nur gemeinsam genutzt werden sollen bzw. das jeweils andere Land an den Erlösen beteiligt werden muss. Die kongolesische Seite kann aber momentan nicht den nötigen institutionellen Rahmen für ausländische Investitionen bieten. Ruanda dagegen hat bereits mehrere Konzessionen an Investoren vergeben und will die von der 1994 gestürzten Vorgängerregierung mit dem damaligen Zaire getroffenen Vereinbarungen zur Nutzung der Gasvorkommen, deren Wert auf elf Milliarden Euro geschätzt wird, umgehen, um neue, für sie besser zu kontrollierende institutionelle Regelungen zu etablieren. Im Kongo reagiert man auch angesichts der Ausbeutung von Bodenschätzen während der ruandischen Besatzung im letzten Krieg daher höchst sensibel auf die Pläne der ruandischen Regierung. Diese verweist im Gegenzug immer wieder strategisch darauf, dass eine Extraktion die Gefahr eines Gasausbruchs auch für die kongolesischen Anrainer verringern würde.
Aktuelle Energieversorgung
Bilaterales Abkommen zum Methanabbau
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Naturgefahren und Konflikte im Ostkongo
Neue Ansatzpunkte für Risikomanagement und Kooperation
Selbstorganisation der Bevölkerung
Technische und finanzielle Unterstützung
Auch wenn sich die politisch-administrativen Bedingungen für ein nachhaltiges Risikomanagement in der momentanen Phase der Konsolidierung des kongolesischen Staates auf den ersten Blick als nicht sehr günstig darstellen, bieten sich doch einige viel versprechende Ansatzpunkte. Das betrifft vor allem die verstärkte Nutzung endogener Potenziale in der kongolesischen Gesellschaft und neue, partnerschaftlichere Formen der Kooperation zwischen der internationalen Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft sowie den neuen kongolesischen Entscheidungsträgern. Wie in anderen Teilen Kongos auch haben die Menschen in der Kivuregion nach über 20 Jahren, in denen der Staat praktisch nicht existent war, in den verschiedensten Bereichen des alltäglichen Überlebens sehr ausgeprägte Fähigkeiten der Selbstorganisation entwickelt. Ein eindrucksvolles Beispiel ist etwa die Formierung nachbarschaftlicher Selbstschutzgruppen in Goma, die sich nachts nahezu unbewaffnet der grassierenden Gewaltkriminalität entgegenstellen, um ihre Stadtviertel vor Raubüberfällen zu schützen. Eine Aufgabe, die eigentlich die kongolesische Polizei oder die Militärpolizei der UNO-Friedenstruppe übernehmen müsste. Diese Strukturen gilt es nun auch für eine dezentrale gemeinschaftsbasierte Katastrophenvorbeugung zu nutzen, wofür es lediglich funktionierender Schnittstellen für die Risikokommunikation zwischen Vulkanologen und Vertreten der Nachbarschaftsgruppen bedarf. Unzweifelhaft braucht die Region auch mittelfristig technische und finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der alltäglichen schleichenden Katastrophen Armut, Krankheit und Gewalt. Externe Hilfe wird sicherlich auch für so dringend anstehende Aufgaben wie die Entwicklung eines nachhaltigen, an die Erfordernisse der Katastrophenvorbeugung angepassten Stadtentwicklungskonzeptes nötig sein. Doch nachdem die Region durch den über zehn Jahre anhaltenden Ausnahmezustand zu einem Eldorado für die hier weitgehend unkontrolliert operierende internationale Hilfsindustrie geworden ist, ohne dass sich die Situation signifikant verbessert hat, gibt es in der Bevölkerung eine tiefe Skepsis gegenüber jeglicher Form externer Intervention. Die UNO ist aufgrund zahlreicher Skandale und oft bestenfalls zögerlichen Eingreifens bei Menschenrechtsverletzungen trotz eines so genannten robusten Mandats davon nicht ausgenommen. „No Congo no job“ lautet etwa die lokale spöttische Bezeichnung für die gut bezahlten UNBlauhelme. Angesichts der weiterhin weit verbreiteten Korruption muss auch die kongolesische Seite neue Akteure für eine partnerschaftlichere Kooperation bieten. In diesem Zusammenhang muss seitens der internationalen Gemeinschaft zukünftig wahrscheinlich auch darüber nachgedacht werden, wie mit den neuen, während des langjährigen staatlichen Vakuums entstandenen territorialen Strukturen umgegangen werden kann. Eine dauerhafte Ausgrenzung von Akteuren wie General Nkunda, der in seinem Herrschaftsgebiet zumindest ein Gewaltmonopol gewährleistet und damit den Alltag der Bevölkerung wieder berechenbar gemacht hatte, ist schwer vorstellbar. Die industrielle Ausbeutung des Methangases bedarf dringend einer diplomatischen Vermittlung zwischen der DR Kongo und Ruanda, die sicher-
Neue Ansatzpunkte
stellt, dass ein für beide Seiten zufrieden stellender Kompromiss bei der Nutzung der Gasvorkommen erzielt wird. Hierfür bieten sich sowohl supranationale ost- und zentralafrikanische Strukturen an als auch, vor allem im Hinblick auf europäische und nordamerikanische Unternehmensbeteiligungen an dem Methanprojekt, außerafrikanische Institutionen. Darüber hinaus ist eine kritische wissenschaftliche Begleitung des hinsichtlich des Energiedefizites in der Region grundsätzlich sinnvollen Vorhabens unumgänglich. Ob der politische Wille ausreicht, dass es eine unabhängige so genannte Lake Kivu Monitoring Group sein wird, die – wie auf einer internationalen Methangaskonferenz 2007 angeregt – die Auswirkungen des Umgangs mit einer weltweit einmaligen Technik auf die Stabilität des Sees kontinuierlich untersucht, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich wird von großer Bedeutung sein, wie sich die Strukturen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit der DR Kongo weiter entwickeln. Die heutige Generation führender kongolesischer Vulkanologen etwa ist grundsätzlich gut ausgebildet, hoch motiviert und kompetent, leistet aber oft nur die Zuarbeit für die die Ergebnisse publizierenden ausländischen Forscher. Denn nach der Suspendierung der internationalen Forschungskooperationen (in diesem Bereich vor allem japanische Geowissenschaftler) durch Mobutu in den frühen 1990er-Jahren und den darauf folgenden Kriegen waren sie für 15 Jahre von einem substanziellen wissenschaftlichen Austausch abgeschnitten. Im Kontrast zu ihrem Alter, ihren Positionen und Verantwortlichkeiten haben daher heute die wenigsten einen Masterabschluss geschweige denn ein Doktordiplom, was z.B. die Einwerbung internationaler Forschungsmittel nicht vereinfacht. Angesichts der noch desolaten Situation des kongolesischen Hochschulwesens werden aber mittelfristig nur wenige jüngere Kräfte nachrücken. Auch die Wissenschaftsförderung und eine Korrektur der Asymmetrie in den wissenschaftlichen Kooperationen werden daher langfristig substanzielle Beiträge für ein eigenverantwortliches und nachhaltiges Risikomanagement leisten.
Internationale Unterstützung bei Konfliktlösung
Inländische Wissenschaftsförderung
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Räumliche Muster und Auswirkungen der Urbanisierung: Das Beispiel Dar es Salaam, Tansania AXEL W. DRESCHER STEFAN DONGUS
Abb. 12.1: Urbanisierung in Afrika – Dar es Salaam 1999 (Foto: S. DONGUS)
Die Weltbevölkerung hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als vervierfacht. Seit 2008 leben zudem mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Denn: Der weltweite Verstädterungstrend, angetrieben durch natürlichen Bevölkerungszuwachs und Zuwanderung aus dem Umland, scheint unaufhaltsam. Derzeit ist vor allem das subsaharische Afrika betroffen, wo der Prozess sehr dynamisch abläuft (UN 2007, UN 2008). Folge dieser Entwicklung ist zunächst die räumliche Ausdehnung der Siedlungsstrukturen, die auch auf Satelliten- und Luftbildern deutlich sichtbar ist und daraus rekonstruiert werden kann. In afrikanischen Städten fallen hier besonders die ausgedehnten, dicht besiedelten Armenviertel oder so genannten „informellen Siedlungen“ ins Auge, die im englischsprachigen Raum auch als compounds, shantytowns, informal settlements, low-income communities, squatter housing oder slums bezeichnet werden. Im subsaharischen Afrika leben 72 % der urbanen Bevölkerung unter solchen Bedingungen (UNFPA 2007, S. 16). Informelle Siedlungen heben sich durch ihr ungeplantes und wild wucherndes Wachstum deutlich von geplanten Stadtvierteln auf den Satellitenbildern ab und nehmen inzwischen in vielen afrikanischen Städten den größten räumlichen Anteil des Stadtgebiets in Anspruch. Dieses schnelle Wachstum geht einher mit wachsender Armut und Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, Sicherung der Ernährung, Krankheiten und Luftverschmutzung, aber auch mangelnder Infrastruktur hinsichtlich Gesundheits-
Folgen der Urbanisierung
diensten, Wasserversorgung, Sanitärsystemen und Müllentsorgung (UNFPA 2007, HARDOY et al. 2001, HARPHAM/TANNER 1995). Die mit 2,9 Mio. Einwohnern größte Stadt Tansanias, Dar es Salaam, ist dafür ein Beispiel von vielen. Es zeigt, welche Auswirkungen der Urbanisierungsprozess hat, wie sich die räumlichen Veränderungen auf die Überlebensstrategien auf Haushaltsebene auswirken und welche Antworten die Gesellschaft auf diesen Prozess hat. Neben den Problemen, die die wachsende Zahl und Dichte von Menschen in Städten zur Folge hat, werden Lösungsmöglichkeiten veranschaulicht, die wiederum der Urbanisierungsprozess erst ermöglicht. Knapp vier von zehn Menschen in Afrika leben in Städten. Dabei bestehen regional deutliche Unterschiede, beispielsweise zwischen dem östlichen und dem südlichen Afrika (mit 24 % bzw. 59 % städtischem Anteil). Dies wird sich bis zum Jahr 2050 jedoch voraussichtlich drastisch ändern und besonders im südlichen Afrika zu einer Urbanisierungsrate führen, die der heutigen in Westeuropa ähnlich sein wird.
Urbanisierungstrends
Abb. 12.2: Urbanisierungstrends in Ostafrika und im südlichen Afrika (UN 2008)
Folgen der Urbanisierung Eine Folge der Urbanisierung in Afrika ist die Entstehung und Ausbreitung von Armenvierteln, die vielerorts das Stadtbild dominieren. Von mehr oder weniger schnellem Wachstum der Armenviertel sind in Afrika fast sämtliche Staaten betroffen, mit Ausnahme von Südafrika, Libyen und Ägypten (UNHABITAT 2006). Im subsaharischen Afrika sind vor allem Malawi, Angola, die Demokratische Republik Kongo, Lesotho und Tansania von städtischen Wachstumsraten von über 4 % betroffen. Ein besonderes Merkmal der Verstädterung in Afrika ist das fehlende Wirtschaftswachstum, welches sonst weltweit mit dem Verstädterungstrend ein-
Informelle Siedlungen
Wirtschaftsentwicklung
137
138
Räumliche Muster der Urbanisierung: Dar es Salaam
Region/Land
Gesamtbevölkerung (in Tausend) im Jahr
Städtische Bevölkerung (%)
Städt. Bevölk.Wachstum (%)
Ländl. Bevölk.Wachstum (%) 2000–2005
1980
2010
2050
1980
2010
2050
2000–2005
Afrika
479.786
1.032.013
1.997.935
27,9
39,9
61,8
3,38
1,58
Ostafrika
145.950
332.107
692.942
14,7
23,7
47,6
3,87
2,21
Westafrika
134.782
307.436
617.033
27,3
44,6
68,0
4,01
1,62
Nordafrika
111.364
206.295
310.239
40,3
52,0
72,0
2,40
0,95
Mittelafrika
54.715
129.583
312.671
29,0
42,9
67,4
4,22
1,92
Südl. Afrika
32.974
56.592
65.049
44,7
58,8
77,6
1,99
0,01
7.834
18.493
44.566
24,3
58,5
80,5
4,82
0,84
996
1.953
2.703
16,5
61,1
81,1
2,70
– 0,65
Kenia
16.282
40.645
84.757
15,7
22,2
48,1
3,60
2,35
DR Kongo
28.071
69.010
186.837
28,7
35,2
63,2
4,41
2,29
Lesotho
1.296
2.044
2.356
11,5
26,9
58,1
4,05
0,14
Malawi
6.215
15.037
31.944
9,1
19,8
48,5
5,24
2,07
993
2.157
3.041
25,1
38,0
65,3
3,04
0,63
Sambia
5.946
12.625
22.868
39,8
35,7
58,4
1,99
1,81
Simbabwe
7.285
13.760
19.112
22,4
38,3
64,3
1,93
0,07
Südafrika
29.074
49.278
55.590
48,4
61,7
79,6
1,91
– 0,05
Tansania
18.681
43.542
85.077
14,6
26,4
54,0
4,19
2,07
Angola Botsuana
Namibia
Abb. 12.3: Bevölkerungsentwicklung und Anteil der städtischen Bevölkerung in den Jahren 1980, 2010 und 2050; Bevölkerungswachstum in ausgewählten ländlichen und städtischen Gebieten in den Jahren 2000–2005; Mittelafrika umfasst Angola, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Republik Kongo, Demokratische Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun, S¼oTomé und Príncipe (UN 2008)
Armut
hergeht. Erklärungen hierfür sind zum einen die starke Entwicklung des informellen Sektors, dessen Wirtschaftskraft kaum je in eine offizielle Statistik eingeht, zum anderen aber auch der starke Migrationsdruck aus Krisengebieten und durch extreme Armut geprägte ländliche Gebiete (UNU 1997). Eine weitere Folge der schnellen Verstädterung ist ein drastischer Anstieg der städtischen Armut, die im subsaharischen Afrika bereits mit einem Anteil von 50 % der städtischen Bevölkerung zu Buche schlägt. Dieses Phänomen wird auch als „Verstädterung der Armut“ bezeichnet und führt zu allen negativen Begleiterscheinungen, die die Armut mit sich bringt: Fast 30 % der Stadtbewohner im südlichen Afrika haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, 20 % verfügen über keine sanitären Anlagen und die Bewohner der Armenviertel sind deutlich stärker von Unter- und Mangelernährung betroffen als die Bessergestellten (UN-HABITAT 2006).
Disparitäten städtischer Armut
Vor diesem Hintergrund scheint es wenig verwunderlich, dass der Urbanisierungsprozess auch Gesundheitsrisiken mit sich bringt. Die Bedeutung von urban health wird seit den 1990er-Jahren in der internationalen Debatte thematisiert (HARPHAM/TANNER 1995). Infektionskrankheiten wie Durchfall oder Wurmerkrankungen im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Boden, Nahrung und vor allem Wasser sind weit verbreitet, obwohl sie eigentlich vermeidbar wären (HARDOY et al. 2001, S. 37). Die ohnehin extrem hohen Prävalenzen von HIV/AIDS in Afrika sind im Allgemeinen in städtischen Regionen noch höher als in ländlichen Gebieten. Malariaerkrankungen sind zwar vor allem im ländlichen Raum, aber auch in Städten sehr häufig. Die WHO schätzt, dass weltweit mehr als eine Million Menschen jährlich an Malaria sterben, größtenteils Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen im subsaharischen Afrika (WHO 2007). Auch chronische Krankheiten wie Diabetes sind auf dem Vormarsch. Neben diesen Problemen bieten städtische Räume allerdings durch die dort vorhandene Infrastruktur auch Vorteile: Arbeitsplätze, bessere Zugangsmöglichkeiten zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, ein vergleichsweise breites Angebot an Dienstleistungen, Handel und Märkte, Kultur und Unterhaltung, öffentliche Transportmittel, Elektrizität, Anbindung an das Verkehrsnetz und sanitäre Infrastruktur (UNFPA 2007).
Gesundheit
Infrastruktur
Disparitäten städtischer Armut Einzelne Bevölkerungsgruppen in Städten sind durch Armut stärker betroffen als andere. Hierzu gehören generell Kinder, Frauen und frauengeführte Haushalte, ältere und behinderte Menschen und Migranten. Frauen haben in vielen Ländern weniger Möglichkeiten, einen formellen Arbeitsplatz zu erhalten. Sie sind in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens benachteiligt, so etwa in der Ausbildung sowie im Zugang zu Krediten, zum Gesundheitssystem und zu Land- und Wasserressourcen. Frauengeführte Haushalte sind in besonderer Weise betroffen, da Frauen verantwortlich sind für die Nahrungsproduktion, -beschaffung und -zubereitung, darüber hinaus aber auch für die Kinder und die Bereitstellung von Feuerholz und Wasser für die Familie. Städtische Armut betrifft darüber hinaus auch Kinder in besonderer Weise. Sie sind häufig dazu gezwungen, für ihre Nahrung oder das Familieneinkommen zu arbeiten, was auf Kosten ihrer Schulbildung geht. Kinder sind in verstärktem Maße von Unter- und Fehlernährung betroffen. So entsteht ein sich permanent selbst erhaltendes soziales Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Diese Thematik ist auch im Zusammenhang mit der Verwundbarkeitsdebatte zu sehen. Infektionskrankheiten wie Malaria oder durch Mangel bzw. schlechte Qualität von Wasser verursachte Krankheiten treffen vor allem Kinder und schwangere Frauen (WHO 2007, HARDOY et al. 2001, S. 39). Dennoch betont das World Resource Institute, dass durch Männer geführte Haushalte (alleinstehende, geschiedene oder verwitwete Männer) bezüglich der Ernährung der Kinder noch schlechter dastehen und dass Frauen größeren Wert auf die Schuldbildung ihrer Kinder legen als Männer (WRI 1997). Hin-
Gruppenspezifische Armut
Städtische Armut
Krankheiten
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140
Räumliche Muster der Urbanisierung: Dar es Salaam
zu kommt die Tatsache, dass arme Haushalte in der Regel einen höheren Prozentsatz ihres Gehalts für Nahrung ausgeben müssen als reiche, so zum Beispiel 75 % ihres Einkommens in Kampala im Jahr 1998. Dies betrifft aber auch den Zugang zu und die Kosten für andere Lebensgrundlagen wie etwa Trinkwasser, Gesundheitsdienste und Land.
Dimensionen der städtischen Ernährungssicherung Eigenproduktion von Nahrung
Städtische Landwirtschaft
Eine Reaktion armer städtischer Familien auf den Mangel an Nahrung und finanziellen Ressourcen ist die Eigenproduktion von Lebensmitteln im städtischen Umfeld. Dies ist im Grunde nichts anderes als die europäische Antwort auf dieselbe Problematik im 18. und 19. Jahrhundert, nämlich die Schaffung von Kleingärten und „Schrebergärten“, oder die Förderung von so genannten Relief Gardens während der großen Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren in den USA. Als sich in den 1970ern die wirtschaftliche Situation und damit auch der Lebensstandard in vielen afrikanischen Ländern verschlechterte, wurde die Landwirtschaft die wichtigste Quelle der Ernährungssicherung und des Einkommens im städtischen Raum. Bereits 1987 forderte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) im berühmten Brundtland-Bericht die Förderung der städtischen Landwirtschaft: „Städtische Landwirtschaft, die öffentliche Zustimmung hat und öffentlich gefördert wird, könnte wichtig sein für die Stadtentwicklung, und die Nahrungsmittelversorgung der Armen in der Stadt verbessern …“ Abgesehen von der Nahrungsversorgung gerät diese Art der Landwirtschaft nun auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Energieeinsparung in die Diskussion. So empfiehlt neuerdings die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) den Ländern, verstärkt in städtische Landwirtschaft zu investieren. Besonders aktuell ist diese Forderung im Zusammenhang mit der gegenwärtig prognostizierten deutlichen Zunahme der weltweit Hungernden, verursacht durch die derzeit schnell steigenden Lebensmittelpreise. Die ärmsten Länder sind hiervon am stärksten betroffen.
Städtische Nahrungsproduktion In Accra (Ghana) betreiben 50 % der Haushalte Nahrungsproduktion für den Eigenbedarf, in Libreville (Gabun) sind es sogar 80 % der Familien, in Lusaka (Sambia) 45 %, in Harare (Simbabwe) 80 % der Haushalte im Sommer und 60 % im Winter, in Dar es Salaam (Tansania) sind 37 % der Familien in die Nahrungsproduktion involviert. 60 % des Gemüsebedarfs der Stadt Dakar (Senegal) werden durch die städtische Produktion gedeckt, in Accra gar 80 %, in Kampala (Uganda) stammen 70 % der Hühnerprodukte aus der städtischen Produktion und in Dar es Salaam fast 30 % des gesamten Nahrungsbedarfs aus dem städtischen Umfeld (MILLSTONE/LANG 2008).
Die städtische Nahrungsproduktion ist eng mit städtischen Umweltfaktoren verknüpft. So sind die Erhaltung offener Grünflächen sowie die Diversifizierung städtischer Habitate für Mensch, Tier und Vegetation sowie von Ressourcennischen Beiträge zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie ermögli-
Dimensionen der städtischen Ernährungssicherung
chen die Erhöhung der Biodiversität, die Reduktion von Lärm und Luftverschmutzung sowie das Recycling von organischem Müll und Abwasser. In diesem Sinne bietet die städtische Landwirtschaft die Möglichkeit, in die Vision einer zukünftigen nachhaltigen Stadtentwicklung einbezogen zu werden. Egal ob der städtische Anbau auf individueller Basis erfolgt oder durch Gruppen städtischer Kleinbauern organisiert ist, er befriedigt nachhaltig und umweltschonend die Grundbedürfnisse der städtischen Bevölkerung (FAOCOAG 1999, IFPRI 1998, DRESCHER 1998).
Abb. 12.4: Gemüseproduktion auf Freiflächen in Dar es Salaam 1992 und 1999; A, B, C: Standorte der drei Fallbeispiele (DONGUS 2001)
141
142
Räumliche Muster der Urbanisierung: Dar es Salaam
Städtische Landwirtschaft in Dar es Salaam Siedlungsräumliche Trends
Agrare Stadttopographie
Die Hafenstadt Dar es Salaam am Indischen Ozean ist eine der am stärksten wachsenden afrikanischen Millionenstädte. Ihr Wachstum ist gekennzeichnet durch gleichzeitig stattfindende geplante und vor allem ungeplante räumliche Expansion und Siedlungsverdichtung. Dies hat einschneidende Folgen für die städtische Ernährungssituation. Städtische Landwirtschaft ist in Dar es Salaam weit verbreitet. Im Jahr 1999 wurden vier Prozent der Stadtfläche allein für den Anbau auf Freiflächen genutzt, die sich typischerweise entlang von Flüssen, Straßen, Bahnlinien, und Hauptsstromleitungen finden, aber auch in Schulen und auf noch unbebauten Industrieflächen. Für die Jahre 1992 und 1999 wurden solche Anbauflächen stadtweit kartiert (vgl. Abb. 12.4). In dieser Kartierung nicht
Abb. 12.5: Fallbeispiel A – Keko Mwanga: geplante Industriegebiete und informelle Siedlungen; schwarz umrandet in 1992 und 2007: landwirtschaftlich genutzte Freiflächen (Kartierung: S. DONGUS; Luftbilder 1967–1992: SLIUZAS 2004, Department of Surveys and Mapping; Luftbild 2007: Google EarthTM)
Städtische Landwirtschaft in Dar es Salaam
berücksichtigt wurden die vergleichsweise kleinen, aber zahlreichen Hausgärten, die zu Abertausenden über das gesamte Stadtgebiet verteilt vorzufinden sind, und Reisfelder, die in der Regenzeit in den Überschwemmungsbereichen der Flüsse, vor allem im Msimbazi-Tal (s. Abb. 12.6), bewirtschaftet werden (DONGUS 2001). Die größten auf der Karte zu findenden Anbauflächen sind das Militärareal bei Kawe im Norden der Stadt und das zum Flughafen gehörende Gebiet im Südwesten, welches mittlerweile jedoch auf Anweisung der Flughafenbetreiber nicht mehr bewirtschaftet werden darf. Ein Blick auf die Mikroebene in Dar es Salaam verdeutlicht, wie sich die räumlichen Veränderungen durch den Siedlungsdruck auf die Verfügbarkeit und Qualität von Anbauflächen auswirken und wo dauerhafte Ressourcennischen bestehen, die zukünftig nachhaltig genutzt werden könnten. Auf der anderen Seite macht dieser Blick ins Detail auch deutlich, wo Gefahren für die Gesundheit und die Notwendigkeit für ein besseres Umweltmanagement bestehen. Beispielhaft ist die Entwicklung im Stadtviertel Keko Mwanga, wo zunächst Industrieanlagen entstanden und schließlich informelle Siedlungen die dazwischen liegenden Gebiete nahezu vollständig „auffüllten“. Die Wohnhäuser wurden dabei teilweise bis direkt an den Fluss gebaut, der diagonal von Nordwest nach Südost im Bildausschnitt verläuft. Die relativ tief gelegene, häufig überflutete Fläche im Flusstal im unteren rechten Bildausschnitt (schwarz umrandet) wurde 1992 komplett landwirtschaftlich genutzt (DONGUS 2001). Im Jahr 2007 war ein Großteil dieser Fläche bereits mit Industrie und informeller Besiedlung versiegelt. Auf zwei kleineren Teilflächen (schwarz umrandet) fand jedoch nach wie vor landwirtschaftlicher Anbau statt. Während andere landwirtschaftlich genutzte Freiflächen verloren gingen, konnten die großen Gemüsegärten entlang des Msimbazi-Flusses in Vin-
Mikroebene
Fallbeispiel A
Fallbeispiel B
Abb. 12.6: Fallbeispiel B – Vingunguti: Städtische Landwirtschaft und Siedlungsverdichtung im Msimbazi-Tal (Foto: S. DONGUS 1999)
143
144
Räumliche Muster der Urbanisierung: Dar es Salaam
Krankheitsrisiken
Malaria
Abb. 12.7: Städtische Landwirtschaft und Malariabekämpfung in Dar es Salaam; 1 – Hausgarten in informeller Siedlung, 2 – Anbau auf Freifläche im Tal des Msimbazi-Flusses, 3 – stehendes Wasser zwischen Anbauhügeln als potenzielle Brutstätte für Malariamücken, 4 – Bekämpfung der Mückenlarven mit biologischem Larvizid im Rahmen des örtlichen Urban Malaria Control Programme (Fotos: S. DONGUS 2005/2006).
gunguti dem informellen Siedlungsdruck standhalten, der dort trotz der riskanten und außerdem illegalen Lage im Überschwemmungsbereich des Flusses mittlerweile zu dichter Bebauung geführt hat. Mit Landwirtschaft im urbanen Raum können jedoch auch Gesundheitsrisiken verbunden sein. So stellen durch Industrie und Haushalte verschmutztes Wasser, Abgase oder verseuchte Böden ein potenzielles Risiko für Konsumenten dar, da es die Pflanzenprodukte mit Schwermetallen und Krankheitserregern verunreinigen kann. Weitere Problemfelder sind nicht sachgemäße Anwendung von Agro-Chemikalien (BIRLEY/LOCK 1999) oder der Anbau auf ehemaligen Mülldeponien. Malariaübertragende Mücken in Afrika bevorzugen als Brutstätten typischerweise relativ flache, saubere und offene Wasserstellen. Auch wenn es ein Irrglaube ist, dass solche Mückenlarven in Maispflanzen brüten (BIRLEY/ LOCK 1999, S. 61), so sind sie doch häufig in diversen Wasserquellen zur Bewässerung städtischer Anbauflächen vorzufinden, beispielsweise in Brunnen. Ein weiterer Zusammenhang besteht mit tiefer gelegenen Lagen, in denen stehendes Wasser über längere Zeiträume hinweg auch in Trockenperioden nicht versickert bzw. austrocknet oder der Grundwasserspiegel sehr nah an der Oberfläche liegt (LINES et al. 1994). In solchen Lagen findet auch in Dar es Salaam häufig landwirtschaftlicher Anbau statt (vgl. Abb. 12.7–2 und 12.7–3). Auf der anderen Seite bietet das städtische Umfeld die Möglichkeit, Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit der Landwirtschaft zu lindern. Potenzielle Mückenbrutstätten etwa können systematisch bekämpft werden, indem man sie beseitigt, entwässert oder mithilfe biologischer Mittel unschädlich macht (s. Abb. 12.7–4). Auch geographische Hilfsmittel wie partizipative Kartierungen der Risikogebiete haben sich als Grundlage für kommunale Malariabekämpfungsprojekte bewährt (FILLINGER et al. 2008).
Zukunftspotenzial Ressourcennischen?
Zukunftspotenzial Ressourcennischen? Städtische Landwirtschaft ist insbesondere dann ein nachhaltiger Ansatz, wenn die damit verbundenen Risiken durch angepasste Anbausysteme minimiert und gleichzeitig die Potenziale voll ausgeschöpft werden. Als Modell hierfür könnten organisierte Kleingartenanlagen im Sinne der europäischen Schrebergärten (allotment gardens) dienen, die sich auch heute beispielsweise auf den Philippinen als Erfolgsmodell integrierter und nachhaltiger Ernährungssicherung erweisen (DRESCHER 2001, HOLMER et al. 2003). Das Beispiel Dar es Salaam zeigt, dass im urbanen Raum noch längst nicht alle Ressourcennischen ausgeschöpft sind. Ein Gedankenspiel im Hinblick auf den Freiflächenstreifen entlang der Hauptstromleitung zwischen Mabibo und Manzese (vgl. Abb. 12.8) mag dies veranschaulichen: Hier befinden sich etwa 15 ha momentan kaum genutzten Landes mitten in zwei der am dichtesten besiedelten informellen Stadtteile Dar es Salaams (Länge insgesamt 4,2 km, Breite 35–40 m). Bei einer durchschnittlichen Gartengröße von 400 m2 pro Familie würde allein diese Fläche zur Sicherung der Ernährung von über 350 Familien ausreichen.
Fallbeispiel C
Abb. 12.8: Fallbeispiel C – Mabibo/Manzese: Freifläche unter Hauptstromleitung, ein Zukunftspotenzial? (Foto: S. DONGUS 1999)
145
Leben mit dem Hochwasser: Risikoanalyse von Überflutungsgefahren in Antananarivo, Madagaskar RÜDIGER GLASER AXEL W. DRESCHER HELGA DICKOW SERGE LALA RAKOTOSON JOHANNES SCHÖNBEIN
Abb. 13.1: Antananarivo ist geprägt vom Gegensatz hochwasserfreier Siedlungsgebiete auf den Hügeln und den Überflutungsgebieten des Ikopa und des Sosaony (Foto: A.W. DRESCHER 2007)
Viele Regionen Afrikas werden regelmäßig von Überschwemmungen heimgesucht. Beispiele sind Moçambique und Madagaskar. Mit dem anhaltenden Urbanisierungstrend nehmen Umweltrisiken vor allem in den Großstädten zu, so auch durch Überflutungen in Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, wo sich die Zahl der Überflutungsopfer in den letzten Jahren deutlich erhöht hat. Das Überflutungsproblem kann – wie in vielen anderen Fällen – nicht nur als Ausdruck natürlicher Faktoren wie Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und Relief erklärt werden, sondern muss mit anthropogenen Faktoren wie Landnutzung, Bevölkerungs- und insbesondere Migrationsdruck, Armut, Bildung und Wissen, Planungsfragen sowie den Wirkungen technischer Einrichtungen und deren Unterhaltung gekoppelt werden. Konzeptionell ergibt sich daraus die Notwendigkeit integrativer Ansätze mit einer gleichwertigen Berücksichtigung von umweltbezogenen und sozialpolitischen Stressoren, wie es beispielsweise von TURNER et al. (2003) treffend dargestellt wurde. Im Vordergrund stehen in der vorliegenden Fallstudie Fragen nach den Risiken und Gefahren, die sich aus den Überschwemmungen ergeben, aber auch nach dem Umgang damit sowie den Handlungsoptionen, den Anpassungsstrategien und Lösungsperspektiven.
Siedlungsraum Antananarivo
Siedlungsraum Antananarivo Weite Teile Antananarivos erstrecken sich auf hochwassersicheren Hügeln. Demgegenüber werden die umgebenden tiefer gelegenen Bereiche durch den Ikopa im Westen und den Sosaony im Osten regelmäßig überflutet. Diese ausgedehnten Überflutungsflächen wurden vor deren Besiedlung traditionell überwiegend landwirtschaftlich genutzt.
Topographie
Antananarivo Antananarivo (ehemals Tananarive) liegt im zentralen Hochland Madagaskars (1200–1400 m Meereshöhe) und ist mit 1,1 Mio. Einwohnern (knapp 7 % der Gesamtbevölkerung des Staates Madagaskar) der Kernraum einer ca. 1,25 Mio. Einwohner umfassenden Agglomeration. Vom historischen Zentrum der Stadt – dem vorkolonialistischen Sitz der Könige der Merina – aus begann im 19. Jahrhundert die Siedlungserweiterung. Sie folgte zunächst zwei Hügelketten, wuchs dann in die dazwischenliegende Talung und anschließend in das dörfliche Umland.
Abb. 13.2: Antananarivo – Ein Foto von 1903 zeigt die an Hochwasser adaptierte Bauweise (Foto: ARCHIV ANTANANARIVO)
Antananarivo hatte schon in historischer Zeit mit Überflutungen zu kämpfen, wie Dammbauten aus dem 17. Jahrhundert belegen. Auch auf frühen Fotografien sind Hinweise auf Hochwasserschutzmaßnahmen wie das Siedeln auf warftähnlichen Erdhügeln in der Ebene zu finden (vgl. Abb. 13.2). Wie kommt es vor diesem Hintergrund zu einer ständig zunehmenden größeren Zahl von Betroffenen und Opfern? Ist es die Zunahme von Niederschlägen im Rahmen des globalen Klimawandels im Zusammenhang mit der zu erwartenden Zunahme von starken Zyklonen oder sind es andere soziokulturelle Aspekte, die im Rahmen der Globalisierung wirksam sind? Um dies zu beantworten, wird im Folgenden den Aspekten Landnutzungs-
Problemstellung
147
148
Leben mit dem Hochwasser: Antananarivo
und Klimawandel ebenso nachgegangen wie den steuernden hydrologischen und ingenieurtechnischen Faktoren. Besonderes Augenmerk kommt jedoch den sozioökonomischen Aspekten zu.
Landnutzungswandel Datengrundlage
Abb. 13.3: Antananarivo – Landnutzungswandel 1990–2007 (1990: Landsat; 2007: Google EarthTM)
Zur Ableitung der Landnutzungsstrukturen wurde auf eine Vielzahl von Satellitenbilddaten zurückgegriffen, wobei die 1960er-Jahre durch CoronaBilddaten, die Zeit ab 1980 über Landsat-Szenen sowie Aster-Daten und eine Ikonos-Szene sehr gut abgedeckt werden konnte, so dass eine zeitliche Entwicklung der wesentlichen Oberflächenstrukturen, insbesondere der Infrastrukturmaßnahmen, der Siedlungsfläche und die Extraktion der Wasserkörper möglich war. Topographische Karten verschiedener Ausgabejahre und neueste Google-Earth-Bilder ergänzten die Information. Von lokalen Partnern konnte ein geographisches Informationssystem zu den aktuellen Nutzungsstrukturen und Planungselementen einbezogen werden. Die Datensätze zeigen: * die deutliche Erweiterung der Siedlungsflächen seit den 1960er-Jahren, * eine starke saisonale Rhythmik der vom Wasser überfluteten Flächen, * die Errichtung umfangreicher Dammbauten.
Klimatrends
Abbildung 13.3 zeigt eine deutliche Zunahme der Siedlungsfläche von 1990 (Landsat) bis 2007 (Google Earth). In den meisten Fällen geht die Siedlungsausdehnung auf Kosten der landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Klimatrends Die Beschäftigung mit Hochwässern impliziert zunächst die Frage nach den klimatischen Gegebenheiten und in diesem Kontext nach Hinweisen auf den Klimawandel.
Klimatische Situation
Klimageographie Madagaskars Madagaskar liegt im Einflussbereich des Südostpassats des südlichen Indischen Ozeans. Der warme Südäquatorialstrom umfließt, aus den östlichen Teilen des Südindik kommend, Madagaskars Küsten. Geomorphologisch ist Madagaskar durch einen im östlichen Landesteil verlaufenden Gebirgskamm mit einer mittleren Höhe von über 1000 m ü. NN geprägt. Der Ostteil des Landes fällt entsprechend steil zum Indischen Ozean hin ab, während Zentralmadagaskar und die westlichen Landesteile eine flach zur Straße von Moçambique hin abfallende Hochebene bilden. Aus dieser Gesamtsituation ergibt sich für das Klima Madagaskars eine deutliche Aufteilung in verschiedene Klimazonen, wobei der Kontrast zwischen humidem Osten und aridem Westen dominierender Faktor ist. Die Niederschläge konzentrieren sich dabei in einer mäßig ausgeprägten Regenzeit während des Südsommers. In dieser Zeit liegen die nördlichen und östlichen Landesteile zudem im Einflussgebiet tropischer Zyklone. Die nordöstlichen Landesteile sind entsprechend von Starkniederschlägen mit Hochwässern sowie von den Auswirkungen starker Stürme bedroht, während Zentral- und Westmadagaskar eher unter Dürreereignissen zu leiden haben.
Langfristige Klimamodelle sehen bis zum Ende des Jahrhunderts Tendenzen zu einem geringen Rückgang der Niederschlagsintensität, wobei es eher zu einer Verstärkung der saisonalen Extreme kommen wird (IPCC 2007b). Die Trockenzeit wird deutlich trockener, während die Regenzeit ein geringfügiges Mehr an Niederschlag bringen wird. Für die Lufttemperatur wird eine Zunahme von etwa 2,5°C über das Gesamtjahr erwartet. Zur Bewertung der klimatischen Situation Antananarivos konnte auf verschiedene regionale Datensätze zurückgegriffen werden, womit es möglich war, die Temperaturentwicklung der letzten 30 Jahre nachzuvollziehen. Die Daten ab Januar 1977 zeigen zwar die zu erwartende starke Saisonalität, aber keinerlei langfristigen Klimatrend im Sinne einer Erwärmung, wie zunächst zu vermuten war. Lediglich in der Differenz der Temperaturminima zu -maxima ergeben sich Hinweise auf eine Zunahme dieser Gegensätze. Hinsichtlich der Niederschlagsentwicklung liegen leider keine homogenen Datensätze vor. Die einzelnen Messnetze sind offensichtlich bei Extremsituationen überfordert bzw. die Datenübermittlung und die Datenverfügbarkeit weisen große Lücken auf. So lassen sich aus den vorhandenen Datensätzen keine langfristigen Aussagen ableiten. Auch ist es nicht möglich, die aus anderen Quellen zur Verfügung gestellten historischen Extremereignisse der Überschwemmungen, aber auch der Dürren und der Schäden durch Zyklone zu verifizieren.
Bewertung
149
150
Leben mit dem Hochwasser: Antananarivo Typ
Datum
Betroffene
Geschätzter finanzieller Schaden in US-$
Sturm
14.02.1972
2.510.056
k.A.
Dürre
1981
1.000.000
k.A.
Sturm
07.03.2004
988.139
250.000.000
Dürre
04.1988
950.000
k.A.
Sturm
17.02.1960
936.937
k.A.
Sturm
24.01.1997
600.000
50.000.000
Dürre
11.2002
600.000
k.A.
Sturm
13.01.1994
540.043
k.A.
Sturm
09.05.2002
526.200
k.A.
Sturm
17.02.2008
524.153
k.A.
Abb. 13.4: Die zehn schwersten Naturkatastrophen in Madagaskar zwischen 1900 und 2008 nach der Anzahl der Betroffenen (Datenquelle: EM-DAT: The OFDA/CRED International Disaster Database – www.emdat.be, Sept. 2008) Grüne Revolution
Die „Top 10“ der Naturkatastrophen in Madagaskar lassen eine gewisse Konzentration während der jüngeren Vergangenheit erkennen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass diese Häufung lediglich aus einer gestiegenen Sensibilität gegenüber Schadensgroßereignissen oder einer verbesserten Datenspeicherung herrührt. Aus klimatischer Sicht kann keine Tendenz hin zu einem häufigeren Auftreten extremer meteorologischer Ereignisse abgeleitet werden. Die höheren Schadenssummen, die infolge der Witterungsextreme zu beklagen sind, sind aller Wahrscheinlichkeit nach anthropogener Ursache. Die Tendenz, dass eine höhere Konzentration von Gütern im Schadensfall die Schadenssummen von Naturereignissen stark ansteigen lassen, ist überall auf der Welt zu beobachten. Datum
Feb. 2007
Region
Auslösendes Ereignis
Antananarivo tropischer Sturm
Opfer
Betroffene Geschätzter Schaden in US-$
7
33.000
k.A.
März 2005
Taolagnaro
Starkregen
4
900
k.A.
März 2005
Mangoro
Starkregen
25
587
k.A.
Jan. 2003
Antananarivo
Starkregen
16
23.370
150.000.000
Feb. 1998
Antananarivo
Starkregen
k.A.
20.000
k.A.
Dez. 1986
Antananarivo
k.A.
k.A.
28.223
k.A.
Abb. 13.5: In EM-DAT erfasste Überschwemmungskatastrophen in Madagaskar (Datenquelle: EM-DAT: The OFDA/CRED International Disaster Database – www.emdat.be, Sept. 2008)
Eine Auflistung der in EM-Dat (Emergency Events Database) geführten Überschwemmungskatastrophen in Madagaskar zeigt, dass Antananarivo vergleichsweise oft von Überschwemmungen getroffen wird. Aus Untersuchungen der klimatischen Situation vor und während Hochwasserereignis-
Infrastrukturelle Problemlagen
sen ist bekannt, dass den Überflutungen Antananarivos in etwa der Hälfte der Fälle Niederschlagsereignisse im Einzugsgebiet des Ikopa oberhalb Antananarivos mit einer Niederschlagssumme von > 174 mm während fünf Tagen Dauer vorausgehen.
Infrastrukturelle Problemlagen Die hydrologische Situation Antananarivos kann sehr gut belegt werden. Zum einen stehen mehrere Pegelstationen und Messdaten zur Verfügung, zum anderen sind bereits zahlreiche Vorarbeiten zur Abgrenzung von Überflutungsgebieten und deren Einschätzung durchgeführt worden. Generell kann eine Unterscheidung in überflutungsgefährdete Gebiete und nicht überflutungsgefährdete Gebiete anhand der Topographie und der Bebauungsdichte vorgenommen werden. In verschiedenen Detailanalysen, die durch Begehungen mit lokalen Partnern und im Zusammenhang mit partizipativen Gruppeninterviews durchgeführt wurden, konnte bestätigt werden, dass die Problemlage vor allen Dingen durch politische und soziokulturelle Aspekte bestimmt sind, die im Zusammenhang mit Globalisierungsprozessen stehen. Es sind vor allen Dingen unkontrollierte bauliche Infrastrukturmaßnahmen, das Errichten von Gebäuden und das Aufschütten in der Überflutungsebene selbst, die Blockaden des Kanalsystems verursachen. Ein wesentlicher Punkt ist auch das Fehlen der Müllentsorgung, wodurch das Verstopfen der Kanalsysteme begünstigt wird, und schließlich der enorme Migrations- und Armutsdruck, der zur zunehmenden Besiedlung von potenziellen Überflutungsflächen führt. Gleichzeitig findet ein Prozess der Marginalisierung und Slumbildung statt. Denn die von Hochwasser betroffenen Stadtteile sind in der Regel während der Regenzeit drei bis vier Monate lang überflutet. In Senken bleibt das Wasser oft das ganze Jahr lang stehen – auch während der Trockenzeit. Dies konfrontiert die Menschen mit neuen Gefahren für die Gesundheit und die gesamte Lebenssituation. Gespräche und eine Analyse von „mental maps“, die die Bewohner dieser Viertel zur Hochwasserproblematik erstellten, zeigen, dass sie die Gründe für die katastrophale Verschlechterung deutlich wahrnehmen: Baumaßnahmen sowie – fast eine Ironie – große Kanäle, die den Abfluss des Hochwassers aus dem Stadtzentrum erleichtern sollen, und Umgehungsstraßen. Dadurch werden Viertel, die zuvor zwar auch kurzzeitig überschwemmt wurden, aus denen das Wasser aber in seit alters her existierende Überschwemmungsgebiete ablaufen konnte, nun geradezu eingekesselt. Das Wasser findet keinen Abfluss mehr und stagniert in den tiefer liegenden Vierteln. Des Weiteren verstärken zunehmende – oft illegale – Baumaßnahmen innerhalb der betroffenen Viertel diesen Trend. Kleinere Abwasserkanäle werden überbaut oder von ihrem Abfluss gekappt. Reisfelder, die noch als Auffangbecken für überflüssiges Wasser dienen könnten, sind damit ebenfalls vom Abfluss abgeschnitten – und werden dadurch für den Reisanbau dauerhaft unbrauchbar. Eine anhaltende Migration aus dem Hochland und von der Küste in die Hauptstadt verstärkt unkontrolliertes und illegales Bauen. Insbesondere stadt- oder industrienahe Gebiete verzeichnen einen hohen Bevölkerungszuwachs.
Hydrologische Situation
Sozioökonomische Aspekte
151
152
Leben mit dem Hochwasser: Antananarivo
Die betroffenen Viertel waren ursprünglich nur spärlich besiedelt. Der größte Teil der Fläche diente dem Reisanbau und als Überflutungsgebiet. Einige tiefer gelegene und dichter besiedelte Bereiche waren zwar immer schon regelmäßig von Hochwasser betroffen, das aber schnell wieder ablaufen konnte. Baumaßnahmen an den Häusern, wie z.B. erhöhte Fundamente oder Zugänge zum zweiten Stock über Außentreppen, legen davon Zeugnis ab und zeigen die erfolgreichen Adaptionsmechanismen der Bevölkerung an das Hochwasser (s. Abb. 13.6).
Abb. 13.6: Antananarivo – Adaptionsmechanismen in einem durch Überflutung betroffenen Stadtviertel (Foto: A. DRESCHER 2007)
Die Kontrolle des Wassers spielte schon zu vorkolonialer Zeit in den Königreichen des Hochlandes aus zwei Gründen eine zentrale Rolle: Schutz vor Hochwasser und Überschwemmung sowie Regulierung und Nutzung des Wassers zum Reisanbau. Immerhin ist der Reis das Hauptnahrungsmittel auf Madagaskar. Daher ließen die Merina-Herrscher des Hochlandes Reisbauern, oft ehemalige Sklaven, in den tiefer gelegenen Ebenen siedeln, die zudem noch die Dämme des Ikopa und somit die Hauptstadt vor Überschwemmungen sichern sollten (MARCHAL 1974). Verstädterung und Zuwanderung, aber auch Intensivierung der Anbaumethoden trugen zum Wachstum der Siedlungen seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts bei und veränderten ihr Sozialprofil. Aber immer noch leben die marginalisierten Bevölkerungsgruppen in den vom Hochwasser bedrohten Vierteln: Kleinbauern, Händler, Betreiber von Kleingewerbe und Tagelöhner sowie Arbeitslose. Sie sind dem regelmäßig wiederkehrenden Hochwasser fast hilflos ausgeliefert. Es prägt ihren Jahresrhythmus und setzt sie und ihre Familien unter
Infrastrukturelle Problemlagen
einen enormen Stress: Die meisten berichten, dass das Wasser drei bis sechs Monate lang bis zu 60 cm hoch steht. Damit ist der Zugang zu vielen Häusern nicht gewährleistet und – insbesondere für Kinder – sehr gefährlich. Durchweichte Aufschüttungen, die als Zugangswege dienen, rutschen leicht ab. Immer wieder ertrinken Menschen. Kinder können wegen dieser Gefahr oft monatelang nicht zur Schule gehen. Zwar stellt die nationale Notfallbehörde Zelte an höher gelegenen Evakuierungspunkten auf, an denen sich Familien häufig bis zu drei Monate aufhalten müssen. Da aber verlassene Häuser oft geplündert werden, harrt meist ein männliches Familienmitglied dort zur Bewachung aus. Frauen hingegen berichten von sexuellen Übergriffen in den Massenzelten. Sobald die größte Gefahr vorbei ist, kehren Familien wieder in ihre Häuser zurück. In Häusern mit zwei Etagen versuchen ganze Familien in vermeintlich sicherer Höhe zu überleben. Oft werden ältere und schwächere Familienmitglieder vorsorglich schon vor der Regenzeit zu sicherer wohnenden Verwandten gebracht.
Abb. 13.7: Antananarivo – Verstopfter Siphon (Foto: A. DRESCHER 2007)
Das stagnierende Wasser ist extrem verunreinigt – nicht nur mit Müll und Fäkalien, vor allem mit Krankheitserregern. Zunahme von Malaria, Durchfallerkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und Hautausschlägen sind damit an der Tagesordnung. In Einzelfällen tritt die Pest auf. Nicht zuletzt kontaminieren die Verunreinigungen die Reisfelder. Pest Die Pest (von lat. pestis = Seuche) ist eine hochgradig ansteckende Krankheit. Erreger ist Yersinia pestis, ein stäbchenförmiges Bakterium, das in Absonderungen eines befallenen Körpers mehrere Monate infektiös bleibt. Die Verbreitung erfolgt über Flöhe von Ratten, die als Zwischenwirt fungieren.
Gesundheitsrisiken
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154
Leben mit dem Hochwasser: Antananarivo Wirtschaftliche Folgen
Die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen sind immens. Oft verlieren sie ihr Einkommen, gleichzeitig steigen jedoch die Lebenshaltungskosten während der Periode der Überschwemmungen. Die Tagelöhner, die lange Wege bis zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen müssen, erreichen ihn aufgrund der Überflutungen nicht mehr und verlieren ihn. Aber auch Kleingewerbetreibende oder Händler am Straßenrand können ihre Arbeit nicht mehr ausüben oder finden keine Kunden. Für Reisbauern wird es immer schwieriger, die Felder zu bebauen, da das Wasser nicht ablaufen kann. Der Transport – nunmehr auf dem Wasser – findet in (Miet-)Booten statt, es fehlt an Medikamenten und die Häuser müssen ggf. repariert werden. Die hohen zusätzlichen Kosten lassen Reserven an Geld und Lebensmitteln schnell schwinden. Kurz: Ungefähr ein Drittel der Bewohner der Hauptstadt steht jedes Jahr vor dem wirtschaftlichen Ruin. Gravierend ist insbesondere in einer Epoche der explodierenden Lebensmittelpreise, dass eine Bevölkerung, die seit Generationen Reisanbau zur Eigenversorgung betreibt, in diesen Gebieten immer weniger dazu in der Lage ist und zusätzlich regelmäßige Ausfälle durch Überflutungen hinnehmen muss. Angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise wiegt die Aufgabe der Selbstversorgung doppelt schwer.
Abb. 13.8: Konzeption zur Hochwasserrisikoanalyse in Antananarivo (nach TURNER et al. 2003)
Ingenieurtechnische Ansätze
Vulnerabilität Eine differenzierte Hochwasserrisikoanalyse bedarf der Berücksichtigung zahlreicher Aspekte. Dabei ist nicht nur allein die lokale Situation relevant. Die Vulnerabilität infolge von Hochwasser ist ein multikausales System. Über die lokale Ebene hinaus hat sie auch eine gesamtstaatliche und globale Dimension. Das von TURNER et al. (2003) entwickelte Model zur Vulnerabilität (vgl. Abb. 13.8) wurde an die lokale Situation in Antananarivo angepasst. Dies diente dazu, gezielt einige der grundlegenden Faktoren der Vulnerabilität zu erfassen und diese in einen größeren analytischen Rahmen zu stellen. Dabei sind lokale Bewältigungsstrategien von entscheidender Bedeutung.
Hochwasserrisikoanalyse
Ingenieurtechnische Ansätze Das traditionelle Kanalsystem wurde bedarfsorientiert über die Jahrhunderte mehr oder weniger intuitiv an die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Stadtgebiets angepasst. Es wurde aber nie systematisch vermessen oder wissenschaftlich profund dokumentiert. Dies geschieht erst seit den 1990er-Jahren mithilfe eines einfachen CAD-Systems. Hinsichtlich der hydrologischen und hydraulischen Situation ist die aktuelle Datenlage jedoch sehr gut. Die technischen Lösungen sehen zunächst einmal den Bau weiterer Rückhaltebecken und die Effizienzsteigerung des Kanalsystems vor. Auch wird eine Verzehnfachung der Pumpleistung an der einzigen Pumpstation als möglicher Lösungsansatz gesehen. Ebenso könnte das Vorfluterniveau durch die Tieferlegung einer Kataraktstelle (Stromschnelle) erreicht werden, was zu einer Verbesserung der Hochwassersituation im Stadtgebiet führen würde. Ein weiterer Aspekt ist die Verstärkung der Dämme und ihre entsprechende Auslegung. Die hydrologische Expertise vor Ort ist überraschend gut, Mitarbeiter von Consultingunternehmen besitzen eine hohe fachliche Kompetenz und wissen genau um die Problemlage vor Ort. Ein deutlicher Mangel ist aber bei der entsprechenden politischen Umsetzung zu sehen. Als besonders dringlich erweist sich auch das Trinkwasserproblem. Der Leitungsverlust liegt bei 40 %, verursacht durch zahlreiche Leckagen und unkontrollierte Entnahmen. Diese werden ebenso wenig zentral erfasst, wie es auch keine effektive Sanierungsplanung gibt. Die Reaktionszeit bei erkannten Leckagen liegt aufgrund mangelnder Zentralisierung bei mehr als drei Monaten. Eine effektive Gebührenermittlung ist ebenfalls nicht eingeführt. Ein weiteres Problem stellt die unzureichende Anschlusssituation dar. Viele Gebäude der Stadt sind nicht an das Kanalsystem angeschlossen, was zu einer Verschmutzung des Grundwassers führt. Des Weiteren sind die Kanäle an vielen Stellen beschädigt, Schächte oft undicht und Deckel fehlen. Das Abwasser wird im Tal gesammelt und über die Kanäle oberflächlich ohne Klärung abgeführt. Hinzu kommt, dass zahlreiche Kanäle immer wieder verfüllt sind und vor allen Dingen an neuralgischen Stellen, wie den Siphons, über die die Durchleitung gewährleistet werden soll, besonders stark verstopft sind. Die Abwässer fließen ungefiltert in den See, der als Trinkwas-
Kanalsystem
Trinkwassersystem
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Leben mit dem Hochwasser: Antananarivo
serreservoir für die Stadt dient. Die einzige Reinigung findet durch Sedimentierung statt. Lösungsansätze Zur Lösung der Hochwasserprobleme in Antananarivo erscheinen folgende Maßnahmen dringend erforderlich: Kurz- und mittelfristige ingenieurtechnische Maßnahmen * * *
*
* * *
*
*
dauerhafte Beseitigung des Mülls aus den Überschwemmungsgebieten Einführung moderner Sanitärsysteme (z.B. Ecosan-Konzepte) Reinigung der vorhandenen Kanäle, vor allem der Siphons, sowie markanter Stellen wie Straßendurchquerungen Vertiefung und Verbreiterung des Vorfluters an dessen Unterlauf zur Erhöhung der Ablaufleistung Fertigstellung der begonnenen Kanäle drastische Erhöhung des Volumenstroms der Pumpen Verbindung der Überschwemmungsgebiete, sodass das Wasser in Richtung Pumpstation abfließen kann Errichtung und dauerhafter Schutz größerer Überschwemmungsgebiete, was allerdings der geplanten Stadtentwicklung auch hinsichtlich Industrieansiedlungen nicht entgegenkommt und deshalb politischen Widerstand erzeugt Verbesserung der Datenlage hinsichtlich hydrologischer und klimatologischer Daten durch die Wartung und den Ausbau bestehender Messsysteme
Kurz- und mittelfristige sozioökonomische Maßnahmen *
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*
politische Stärkung der Stadtteile durch Förderung der partizipativen Strukturen, z.B. durch Erwachsenenbildungsmaßnahmen und gezielte Förderung der Stadtteilvorsteher Dialogförderung zwischen Stadtteilen und Stadtverwaltung, z.B. durch Implementierung des Gedankens der Lokalen Agenda 21 Stärkung der Partizipation der betroffenen Bevölkerungsteile sozial- und siedlungspolitische Maßnahmen zur Schaffung adäquater Siedlungsgebiete in Antananarivo, z.B. durch eine Modifikation des Masterplans und gezielte Ausschreibung von sozialen Wohnungsbaumaßnahmen weitere begleitende Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Forderung der Einkommensschaffung und Lebenssicherung durch Kleinprojekte in den Stadtteilen
Sonstige Maßnahmen *
Einrichtung eines laufenden Niederschlagsmessnetzes
Fazit Verallgemeinerung
Von der Überflutungssituation in Antananarivo sind in den letzten Jahren zunehmend mehr Menschen betroffen. Die bereits historisch angelegte Problemlage kann und muss im Wesentlichen durch soziokulturelle Aspekte und Determinanten erklärt werden. Migrationsdruck, Armut, unzureichende Planung sowie fehlende Ausrichtung und Dimensionierung technischer Einrichtungen sowie deren unzureichende Unterhaltung sind die wesentlichen Faktoren dieser Entwicklungen. Überraschenderweise spielt die klimatische Entwicklung kaum eine Rolle. Wohl wird der Klimawandel im-
Fazit
mer wieder als wesentliche Ursache von lokalen Betroffenen erwähnt, in den Daten lässt sich über die letzten 30 Jahre jedoch ein derartiger Trend nicht nachweisen. Somit sind es die soziokulturell bestimmten Globalisierungsprozesse, die eine Verschärfung der Problemlage in den nächsten Jahren erwarten lassen. Technische Lösungen sind wohl bekannt und möglich, sie scheitern aber an der politischen Durchsetzbarkeit. Mit diesem komplexen Gefüge aus Ursachen und Faktoren, aber auch aus Defiziten kann Antananarivo als typspezifisches Fallbeispiel für die Hochwasserrisikogefährdung in Afrika eingestuft werden.
157
Die Küstenwüste Namib: Eine der ältesten Wüsten im paläoklimatischen Wandel BERNHARD EITEL BERTIL MÄCHTLE Abb. 14.1: Verschiedene Kalkkrustengenerationen am Fuß des DamaraGrundgebirges; die einzelnen Niveaus markieren jeweils eine geomorphologisch aktive Phase der Fußflächenbildung, welcher eine stabilere der Kalkkrustenbildung folgte – sie sind damit Zeugnis hygrischer Schwankungen am Ostrand der Namib; im Vordergrund das Gaub-Rivier (Foto: B. MÄCHTLE)
Die Namib – eines der ältesten Wüstengebiete der Erde – ist in ihrer paläoklimatischen Entwicklung noch weitgehend unentschlüsselt. Zwar liegt ein Netz von Daten vor; diese sind aber nur schwer zu interpretieren und in ihren Folgerungen nicht frei von Widersprüchen. Derlei Diskrepanzen ergeben sich jedoch oftmals bei der Untersuchung komplexer Geoarchive durch die Anwendung unterschiedlicher Methoden. Berücksichtigt man aber, dass verschiedene Teile der Wüste ganz unterschiedlich auf ein und dieselbe Klimafluktuation reagieren können, so kann doch ein differenziertes Bild der Paläoumweltgeschichte der Namib-Wüste skizziert werden. Dies erlaubt, aktuelle Prozesse in ihrem regionalen geohistorischen Kontext zu betrachten und einen tieferen Einblick in diese faszinierende Küstenwüste zu erhalten.
Die Namib Die Namib-Wüste erstreckt sich in einem schmalen Streifen entlang der Küste Südwestafrikas zwischen 30° und 12° südlicher Breite (s. Abb. 11.2). Sie nimmt eine Fläche von ca. 140.000 Quadratkilometern ein. Der Name namib leitet sich aus der Sprache der Nama ab und bedeutet „schimmernde Oberfläche“ (BESLER 1972). Der Küstenstreifen ist hyperarid, nur stellenweise kann hier die Vegetation Fuß fassen. Nach Süden und Osten geht die Namib allmählich in die innerkontinentalen Halbwüstengebiete der Karoo und der Kalahari über, welche zwischen 150 und 300 mm Jahresniederschlag erhalten. Im Übergang zur Karoo-Steppe
Die Küstenwüste Namib
fallen diese Niederschläge vorwiegend im Südwinter, während in der Kalahari Sommerregen dominieren. Nach Norden grenzt die Namib scharf an die wechselfeucht-tropischen Savannenökosysteme, wo im Norden Namibias und in Angola durch monsunale Sommerregen 500–1000 mm Jahresniederschlag gemessen werden.
Die Entstehung der Namib-Wüste ist eine Folge der Benguela-Auftriebszirkulation vor der Küste sowie der fast ganzjährig auflandig wehenden Südund Südostwinde, welche im stabilen Südatlantikhoch ihren Ursprung haben. Das kalte Oberflächenwasser, meist mit einer Temperatur zwischen 11°C und 17°C, sowie die Luftmassendivergenz durch Reibungsunterschiede über Wasser und Land verhindern die Entwicklung von konvektiven Niederschlägen, weshalb der Küstenstreifen trocken bleibt. Lediglich während der seltenen Benguela-Southern-Oscillation-Ereignisse (BSO) fallen Niederschläge, ähnlich der ENSO-Anomalien in der nördlichen Atacama-Wüste in
Ozeanographischklimatische Situation
Abb. 14.2: Landsat-Aufnahme des Namib-Ergs (6.4.2000); links der wolkenlose Atlantik, in der rechten Bildhälfte sind die früheren Flussläufe des Tsondab im Norden sowie des Sossus im Süden vom Dünenfeld verschüttet
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Die Küstenwüste Namib
Südamerika. Am intensivsten ist der Kaltwasserauftrieb vor der Küste Namibias zwischen Lüderitz und Walvis Bay ausgeprägt.
Das Alter der Namib
Mindestalter der Namib
Maximalalter der Namib
Höchstwahrscheinlich geht die Entwicklung der Namib-Wüste auf globale Klimaveränderungen während des Neogens zurück und schließt zeitlich nicht an die mesozoischen Gondwana-Wüsten an. Damit gehört die Namib zu den ältesten Wüsten der Erde. Diskutiert wird aber auch die Möglichkeit, dass die Wüste noch wesentlich älter sein könnte. Es herrscht grundsätzliche Übereinstimmung, dass das Mindestalter der Namib zeitlich mit der Vereisung Antarktikas, der Herausbildung der ozeanischen Thermokline und der thermohalinen Zirkulation im Atlantik zusammenhängt. Mit diesen globalen Veränderungen stellte sich vor mindestens sieben bis zehn Millionen Jahren, im Obermiozän, die Benguela-Auftriebszirkulation vor der südwestafrikanischen Küste ein (SIESSER 1978). In Teilen der zentralen und östlichen Namib zeugen mächtige Konglomerate von einer semiariden Vergangenheit. Sie korrelieren mit den neogenen fluvialen Ablagerungen der „Kalahari-Gruppe“ weiter östlich, welche durch Umlagerung von Lockersedimenten während Starkregenereignissen das Kalahari-Becken verfüllten. Pedogene Kalkkrusten krönen die tertiären Ablagerungen, welche in der Tonfraktion von Palygorskit, einem faserförmigen Tonmineral, dominiert werden. Palygorskit ist ein verlässlicher Paläoklimazeiger, da er unter semihumiden bis humiden Verhältnissen in Smectit umgewandelt wird (ZELAZNY/CALHOUN 1982). Seine Erhaltung in den tertiären Kalkkrusten belegt bis heute die Persistenz trockener, wenngleich nicht durchgängig wüstenartig arider Verhältnisse. Das Mindestalter dieser tertiären Ablagerungen ist anhand der Fossilfunde von Notohipparion namaquense, einem Pferd aus dem unteren Pliozän, bestimmt worden, welches in den Krusten des Namaqualandes gefunden wurde (HAUGHTON 1932, zit. in MABUTT 1957). Die Datierung der kalkverbackenen Sedimente am Karpfenkliff mittels kosmogener Nuklide ergab ein Alter von 2,8 € 0,18 Ma (VAN DER WATEREN/DUNAI 2001). Daraus ergeben sich Mindestalter für die im Liegenden befindlichen Sedimente. Die Karpfenkliff-Formation und deren Sedimente am Ostrand der Namib wurden stratigraphisch ins mittlere Miozän (WARD/CORBETT 1990) bzw. Obermiozän (EITEL 1994) gestellt. Dies fällt mit der Entwicklung des Benguela-Stroms und der Bildung der Küstenwüste zusammen (SIESSER 1978). Das Maximalalter der Namib wird gegenwärtig noch kontrovers diskutiert. Einige Funde von Äolianiten sind Relikte einer ariden alttertiären Proto-Namib im Anschluss an eine mesozoische, intrakontinentale GondwanaWüste (siehe zusammenfassend bei WARD/CORBETT 1990). Das entscheidende Archiv für eine solche Hypothese ist der an der Basis des zentralen Namib-Ergs (südlich des Kuisebtals) zutage tretende Tsondab-Sandstein: Sollte dieser einen älteren Namib-Erg repräsentieren, welcher sich während des Alttertiärs entwickelt hätte, dann könnte die Namib ihren Ursprung im Mesozoikum haben. Alter und Interpretation dieses Sandsteines sind jedoch noch unklar. Stratigraphisch könnte er ins obere Eozän oder untere Miozän
Das Alter der Namib
gestellt werden (SENUT et al. 1995). RUST (1996), der den Tsondab-Sandstein mit dem obertriassischen Etjo-Sandstein korrelierte, weist dessen paläoklimatische Bedeutung für die tertiäre Klimaentwicklung dagegen zurück. Der Sandstein soll vielmehr infolge einer tektonischen Absenkung aus dem Mesozoikum bis heute erhalten geblieben sein. Es ist zusammenfassend aber höchst fraglich, ob die südwestafrikanische Küste nach der Öffnung des Atlantiks während der Kreidezeit bis ins Paläogen trocken gewesen sein kann. Die Meeresoberflächentemperaturen waren dennoch warm, und aus paläoklimatischer Sicht ist zu diesem Zeitpunkt keine Wüstenbildung zu erwarten. Darüber hinaus bestätigen Pollendiagramme aus Tiefseebohrkernen vor der namibischen Küste (VAN ZINDEREN BAKKER 1975) ebenso wie Verwitterungsresiduen an der Skelettküste in der nördlichen Namib (EITEL 1999) warme und semihumide Verhältnisse für den Zeitraum von der Kreide bis zum Miozän. Die Ausgewogenheit der Befunde zeigt also, dass die Namib wohl eher keinen direkten Nachfolger der mesozoischen Wüsten darstellt. Nach dem heutigen Kenntnisstand herrschte zur Zeit des letzten Hochglazials (Last Glacial Maximum, LGM) vor ca. 20.000 Jahren im südwestlichen Afrika eine Periode ausgeprägter Trockenheit (PARTRIDGE et al. 1999). Vermutlich erstreckten sich die wüstenhaften Verhältnisse von der Küste bis ins Zentrum des Kalahari-Beckens. Im Anschluss an die nördlichen Teile der Namib, in Angola und im nordöstlichen Namibia (nördliches Kalahari-Becken) waren semiaride Buschländer und Trockensavannen entwickelt.
Die Namib im Quartär
Klimatopographie der Namib Ein paläoklimatischer Rückblick muss angesichts der großen Nord-Süd-Erstreckung der Namib über fast 2000 km regional differenziert erfolgen. In Anbetracht der Daten aus den Geoarchiven der Namib ist festzuhalten, dass die Wüste dementsprechend keinesfalls eine klimatische Einheit darstellt, sondern regional gegliedert werden kann, in * *
*
*
einen küstennahen, hyperariden Streifen, einen nördlichen Abschnitt, welcher direkt den interannuellen BSO-Ereignissen ausgesetzt ist, verbunden mit episodischen atlantischen Starkniederschlägen, einen südlichen, subtropischen Abschnitt, welcher an die Trockengebiete der südwestlichen Kalahari und der Karoo-Steppe grenzt. Nach Norden ausgreifende Tiefdruckgebiete der Westwindzone bringen hier noch Niederschläge vom Ozean, auslaufende Nordostmonsune liefern periodisch Sommerniederschläge. Das letzte Teilgebiet umfasst den östlichen Rand der Namib. Im Norden ist er aufgrund des scharfen hygrischen Übergangs zum humiden tropischen Hinterland stark von Intensitätsschwankungen der monsunalen Sommerregen betroffen. Verstärkte monsunale Regenfälle drängen den Wüstenrand in Richtung Küste, während ein abnehmender monsunaler Einfluss eine Ausdehnung der Wüste nach Osten bedingt. Nach Süden hin geht der Ostrand fließend in die Südwest-Kalahari bzw. die Karoo-Steppe über.
Hinsichtlich der Klimaveränderungen an der namibischen Küste während des Pliozäns und Altpleistozäns existieren keine zuverlässigen Daten. Benthische Foraminiferen aus dem südöstlichen Atlantik zeigen für die letzen 700.000 Jahre keine dramatischen Veränderungen in der Intensität des Ben-
Paläoklimatischer Wandel
161
162
Die Küstenwüste Namib
BenguelaZirkulation
guela-Auftriebsystems (PETERSON/LOHMANN 1982). Dieser Befund schließt schwächere Fluktuationen der Zirkulationsintensität dabei nicht aus. So konnten beispielsweise SUMMERHAYS et al. (1995) eine persistente BenguelaZirkulation während der letzten 70.000 Jahre bestätigen, doch waren die marinen Isotopenstadien 2 und 4 dabei eher Phasen verminderten Kaltwasserauftriebs (von 12.000–24.000 Jahren vor heute und 59.000–74.000 Jahren vor heute; dies waren Kaltphasen mit verstärkter Ostströmung und Staubtransport in den Atlantik). Während des wärmeren Isotopenstadiums 3 (24.000–59.000 Jahre vor heute) kam es dagegen zu einer verstärkten Auftriebszirkulation, möglicherweise durch südliche Winde. Dies wird vor der Nordküste durch differenzierte Ablagerungen benthischer Foraminiferen, welche die letzten 160.000 Jahre dokumentieren, bestätigt. Im Gegensatz zu weiter südlichen Regionen zeichnen diese Archive hier während der Isotopenstadien 3 und 2 verschiedene kurzfristige Fluktuationen der BenguelaAuftriebszirkulation nach, während derer sich die Angola-Benguela-Warm-/ Kaltwasserfront in eine Position nördlich des Walfischrückens (im Nordwesten vor der namibischen Küste) verlagerte (LITTLE et al. 1997). Diese Südverlagerung der Warm-/Kaltwasserfront ist am besten mit einem abgeschwächten Südatlantikhoch und schwachen Südwestwinden vor der Küste erklärbar. Sollten die nördlichen Abschnitte der Wüste dadurch kurze humidere Phasen erlebt haben, so ist es sehr wahrscheinlich, dass diese vor allem in der nördlichen Namib (in Angola und im nordwestlichen Namibia) auftraten. Im zentralen und südlichen Teil gibt es daher keine Hinweise auf entsprechende Feuchtphasen. Die Persistenz der Benguela-Zirkulation wird zudem durch das Auftreten küstennaher Wüstenböden, welche tiefgründig mit Salz und Gips angereichert sind, sowie durch die Wachstumsraten von Stalagmiten bestätigt. Uran-Thorium-(U/Th-)Isotopenverhältnisse eines Stalagmiten aus der Rössing-Höhle zeigten für die letzten 125.000 Jahre in der zentralen Namib keine humiden Verhältnisse (HEINE 1998). Dennoch können im zentralen und südlichen Teil der Benguela-Auftriebszone kurze BSO-Ereignisse unterschiedlicher Intensität auftreten, welche in der Namib und weiter landeinwärts heftige Konvektionsregen mit sich bringen. Solche kurzen und räumlich begrenzten Ereignisse führen jedoch zu keiner dauerhaften Veränderung des Wüstenökosystems.
Monsunale Niederschläge und die Verlagerungen des Wüstenrandes Hygrische Schwankungen
Hygrische Fluktuationen am Rand der Namib, bedingt durch Schwankungen der monsunalen Niederschläge, lassen sich anhand einer Reihe von Geoarchivdaten belegen. Die meisten sind den letzten 30.000 Jahren zuzuordnen. Aus der Summe aller Hinweise lässt sich dann eine Klima- bzw. Landschaftsgeschichte ableiten: Im Küstenstreifen herrschten während der letzten 20.000 Jahre ständig hyperaride Verhältnisse, d.h. weniger als 50 mm Jahresniederschlag, während sich der Rand der Wüste mehrfach verlagerte (s. Abb. 14.3).
Niederschläge und Verlagerungen des Wüstenrandes
Abb. 14.3: Der monsunale Einfluss und der aus Geo-Archiven geschätzte mittlere Niederschlag am Ostrand der Namib; A – während des letzten Hochglazials, B – im Spätpleistozän, C – im mittleren Holozän, D – heute (Entwurf: B. EITEL, B. MÄCHTLE)
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Die Küstenwüste Namib Kalkkrusten
Dünenfelder
Schluffablagerungen in der Namib
Sedimenttransport entlang des Kunene
In der östlichen Namib ist die Bildung von Kalkkrusten der wichtigste Hinweis auf frühere Feuchtphasen. Die ältesten palygorskitreichen Krusten gehören zur Hauptphase der Kalkkrustenbildung, welche während der Aridisierung Südwestafrikas und der Sedimentation der jüngsten Ablagerungen der Kalahari-Gruppe gebildet wurden. Seit dem Pliozän räumten Verkarstung und Erosions-/Deflationsprozesse die älteren Kalkkrusten wieder aus und der remobilisierte Kalk wurde in junge Sedimente eingearbeitet, in welchen sich neue Kalkkrusten entwickelten (s. Abb. 14.1). Diese „Kalkkrustenmultiplikation“ wird von einem wiederholten Wechsel zwischen trockenen und feuchten Phasen gesteuert, wodurch Karbonat freigesetzt, transportiert, gelöst und wieder ausgefällt wird. Deshalb markieren die verschiedenen Kalkkrustengenerationen wiederholte Klimafluktuationen. Calciumcarbonat ist jedoch kein sehr exakter Paläoklimamarker, da seine Lösung und Rekristallisation innerhalb einer breiten Spanne semiarider Verhältnisse stattfinden kann, welche von 50 bis 600 mm Niederschlag pro Jahr reichen. Während das südwestliche Afrika im Hochglazial wüstenhaft trocken war, verstärkte sich der monsunale Einfluss am Ende des Pleistozäns und während des frühen Holozäns von Nordost nach Südwest, und die Sommerregen erreichten zunehmend größere Teile Südwestafrikas. Dies belegen Geoarchive im Umfeld von Dünenfeldern. Im Windhoeker Hochland (Zentral-Namibia) wurden die Dünen vor ca. 14.000 Jahren durch eine Vegetationsdecke fixiert (EITEL et al. 2002), die Aktivität der Längsdünen in der südwestlichen Kalahari kam zwischen 9000 und 8000 Jahren vor heute zum Erliegen. Im mittleren Holozän herrschten humide Verhältnisse in der Kalahari, was zu einer Verengung des Wüstengürtels an der Küste führte. Im Nordwesten Namibias kam es bis vor 8000 oder 9000 Jahren vor heute in Tälern und Becken des Wüstenrandes zur fluvialen Ablagerung feinkörniger, schluffiger Sedimente. Anschließend führten im mittleren Holozän humidere Verhältnisse zur Erosion und Remobilisierung dieser Ablagerungen. Im Nordwesten Namibias finden sich südlich von Khorixas im Einzugsgebiet des Aba-Huab typische Fundorte dieser Sedimente, welche zwischen 29.000 und 8000 Jahre alt sind (EITEL et al. 2002), am Khumib etwa 8100 Jahre (SRIVASTAVA et al. 2004) und im obersten Einzugsgebiet des Hoarusib ebenfalls über 8000 Jahre alte Sedimente (BRUNOTTE/SANDER 2000). Die umfangreichsten Untersuchungen und die meisten Daten stammen aus dem Hoanib-Einzugsgebiet, wo sich die hygrischen Schwankungen am Wüstenrand in vielfachen Sedimentationsrhythmen widerspiegeln. Dies erlaubt eine detaillierte Rekonstruktion der regionalen Klimageschichte (EITEL et al. 2001, EITEL 2007). Maßgeblich für die Sedimentation waren trockenere Umweltverhältnisse, welche im mittleren Holozän von einem humideren Klima abgelöst wurden. Abbildung 14.4 zeigt dies anhand des Hoanibgebiets am Ostrand der nördlichen Namib. Der Wüstenrand (ca. 100 mm Jahresniederschlag) verschob sich im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende mehrfach. Derartige Oszillationen des Wüstenrandes definieren letztlich das Wüstenrandgebiet, das sich durch große landschaftsökologische Sensitivität und wiederkehrende ökosystemare Wechsel zwischen Wüste und Savanne kennzeichnet. Die Feuchtphase des mittleren Holozäns endete vor ca. 4000 Jahren, was am Kunene-Fluss (Namibia/Angola) zu einem verminderten Abfluss und ge-
Niederschläge und Verlagerungen des Wüstenrandes
Abb. 14.4: Hygroklimatische Fluktuationen am Ostrand der nördlichen Namib (Hoanibgebiet, Namibia; EITEL 2007)
ringerem Sedimenttransport führte. Seither hat sich an der Kunene-Mündung das Verhältnis zwischen fluvialem und äolischem Sedimentaustrag in den Atlantik nicht mehr signifikant verändert (GINGELE 1996). Dies ist ein Anzeichen dafür, dass in den letzten 4000 Jahren nur noch schwache hygrische Fluktuationen auftraten. Im Nordwesten Namibias kam es vor 3000–2000 Jahren zur Bildung von Wüstenlöss (EITEL et al. 2002), und am Westrand der Etosha-Pfanne bildeten sich letztmals Lunette-Dünen (BUCH et al. 1992). Spätere erhöhte Windgeschwindigkeiten und trockenere Verhältnisse am Ostrand der Namib belegen eine anschließende Ausdehnung des Wüstenstreifens nach Osten. Die berühmte Konifere Welwitschia mirabilis, ein Endemit, überdauerte im Osten der Namib alle Klimaschwankungen. Ihr Areal reicht vom KuisebFluss in der zentralen Namib bis nach Mossamedes in Angola. Welwitschia ist keine typische Wüstenpflanze, denn sie ist physiologisch an die episodischen Brände in den Savannen angepasst und benötigt wenigstens einige Jahre mit episodischem, aber intensivem Niederschlag, um sich zu reproduzieren und ihre weit reichenden Wurzeln zu entwickeln. Im östlichen Teil der Wüste besiedelt sie vorwiegend die Unterhänge und tieferen Terrassen, welche durch eine Konzentration des Oberflächenabflusses begünstigt sind. Es ist deshalb schwierig abzuschätzen, ob die Pflanze diese Gunststandorte bei „normalen“ Niederschlagsverhältnissen besiedelt oder ob sie ein Relikt früher feuchterer Verhältnisse in der östlichen Namib darstellt. Radiokohlenstoffdatierungen zeigten, dass große Exemplare Jahrhunderte bis Jahrtausende alt sein können. Die Pflanzen und mit ihr vergesellschaftete Bodenkrusten belegen mit großer Sicherheit das Auftreten schwacher monsunaler Schwankungen während der letzten vier Jahrtausende. In den Tälern der Namib finden sich in Form von schluffig-sandigen Flutauslaufsedimenten (river-end deposits) weitere Hinweise auf schwache Klimafluktuationen während der letzten 4000 Jahre. Sie dokumentieren eine
Wüstenlöss und Lunette-Dünen
Welwitschia
Flutauslaufsedimente
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Die Küstenwüste Namib
Archäologische Befunde
Verkürzung der Flussläufe, bedingt durch einen Rückgang der Niederschläge in ihren Einzugsgebieten am Ostrand der Namib. Im Hoanib-Tal im Nordwesten Namibias blieben in solchen Flutauslaufsedimenten fossilierte Bäume einer Flussoase erhalten, welche aus der Kleinen Eiszeit (14.–19. Jh. n. Chr.) stammen. Der Abfluss versiegte ca. 40 km östlich der Hoanib-Mündung (VOGEL/RUST 1990). Im Gegensatz zu den klimatischen Verhältnissen während der Kleinen Eiszeit erhält das Hoanib-Einzugsgebiet heute höhere Niederschläge, so dass der Fluss diese Ablagerungen nun ausräumt, eine tiefe Rinne erodiert und dabei den verschütteten Galeriewald wieder freilegt. Dies belegt, dass die gegenwärtige Erwärmung mit höheren Niederschlägen in den nördlichen Hochländern von Namibia korreliert. In Sommern mit außergewöhnlich starken Niederschlägen durchbricht der Fluss den Dünengürtel an der Küste (Skeleton Coast Erg) und entwässert in den Atlantik. Grundsätzlich ist die Wüste menschenleer, einzelne Gebiete sind jedoch für den Menschen nutzbar. Dazu gehören die Oasen entlang der perennierenden Flüsse wie dem Oranje und dem Kunene, außerdem die ephemeren Flüsse wie der Kuiseb, die die Wüste von den Savannen des Hochlandes bis zum Meer durchqueren. Nutzbar sind zuweilen auch die Vleis der endorhëisch entwässernden Flüsse wie das Sossusvlei und das Tsondabvlei sowie schließlich einige Quellen rund um den Brandberg. Für den Zeitraum der letzten 400.000 Jahre gibt es keine Hinweise für eine generelle Aufgabe der Namib durch den Menschen. Von zahlreichen Fundstellen sind Artefakte aus der Alt- und Mittelsteinzeit bekannt, z.B. aus dem Diamantensperrgebiet um Lüderitz, wo sie an gehobenen Strandterrassen und früheren Küstenlinien zu finden sind. Archäologische Funde sind aus fast der gesamten Namib bekannt, besonders entlang der ephemeren Flüsse (z.B. an der Kuiseb-Mündung). Einer der am besten untersuchten archäologischen Fundplätze in der zentralen Namib ist der Mirabib, ein Inselberg, nördlich des mittleren Kuisebtals ca. 50 km von der Küste entfernt gelegen. Die Ablagerungen am Mirabib belegen feuchtere Verhältnisse zwischen 8000 und 5000 Jahren vor heute (SANDELOWSKY 1977). Dies entspricht den anderen Befunden für ein feuchteres mittleres Holozän in Südwestafrika und einem Rückzug der Wüste auf den unmittelbaren Küstenstreifen Namibias. Die meisten Felszeichnungen und -gravuren sind in den Bergländern der östlichen Namib zu finden. Im Brandberg-Massiv, dem höchsten Gebirgskomplex im südwestlichen Afrika (2573 m ü.M.), wurden mehr als 40.000 Zeichnungen an über 1000 Fundplätzen entdeckt, was ihn zum bedeutendsten Fundplatz in der Namib macht. Die meisten Zeichnungen wurden zwischen ca. 6000 und 2000 Jahren vor heute angefertigt (BLECHSCHMIDT/PÖRTGE 1994).
Der Einfluss des Menschen auf die Namib Wüstengrenzen
Wüstenrandgebiete reagieren sehr empfindlich auf hygroklimatische Veränderungen, sie sind aber bislang nicht genauer definiert worden. Stattdessen hat man – getreu dem alt hergebrachten zonalen Prinzip folgend – die Wüsten (als Klima- oder Ökozone) von den semiariden Trockengebieten (der an-
Der Einfluss des Menschen auf die Namib
grenzenden Zone) mehr oder weniger scharf abgegrenzt. Hierzu dienten Niederschlags- und Temperaturgrenzwerte (z.B. im System von KÖPPEN 1918) oder auch Grenzwerte der Vegetationsbedeckung (> 50 % vs. < 50 %; vgl. SCHULTZ 2002). Dies führte stets dazu, den Wüstenrand zweidimensional als Linie abzubilden. Ein Wüstenrandgebiet als räumliche Größe kann so aber nicht dargestellt werden. Dies ist problematisch, denn es hat sich in den vergangenen 20 Jahren immer stärker gezeigt, dass gerade die Umweltveränderungen im Bereich der Wüstenränder ein sehr spannendes Forschungsfeld darstellen. Wüstenränder sind raum-zeitlich hoch dynamische Gebiete mit Umweltsystemen, die auf Global Changes (mit und ohne anthropogenen Einfluss) sehr sensitiv reagieren. Wüstenrandgebiete wandeln sich in wenigen Jahrhunderten bzw. wenigen Jahrtausenden von einem semiariden Grasland zu einer Wüste oder umgekehrt. Anders ausgedrückt: Wüstenrandgebiete sind Regionen, die nur zeitweise (z.B. einige Jahrhunderte) zur Ökumene gehören, d.h. Bedingungen bieten, die es dem Menschen ermöglichen, hier dauerhaft zu leben und gesellschaftliche Strukturen zu entwickeln. Die wechselnde Zugehörigkeit zur Ökumene und zur Anökumene ist typisch, die hygrische Sensitivität der Wüstenrandgebiete (bei unterschiedlicher Reaktivität der einzelnen Systemkomponenten) ist die Ursache. Wüstenrandgebiete können so mit einem modernen 4D-Ansatz untersucht werden (Raum und Zeit). Wüstenrandgebiete sind also auch nicht statisch festgelegte räumliche Einheiten, sondern sie sind immer wieder durch den Wechsel zwischen Aridisierung und Humidisierung gekennzeichnet. Der „Wüstenrand“ ist daher eine sich ständig verlagernde, hygrischen Fluktuationen folgende Linie (definiert nach Niederschlagswerten oder Vegetationsbedeckung o.Ä.); das „Wüstenrandgebiet“ ist jenes Gebiet, das diese Linie über Jahrhunderte bis wenige Jahrtausende (z.T. mehrfach) überstreicht (EITEL 2007). Deshalb ist es nur schwer abzuschätzen, ob die gegenwärtigen Veränderungen der Ökosysteme in der Namib auf eine natürliche globale Erwärmung zurückzuführen sind oder durch den Einfluss des Menschen ausgelöst wurden. Die landwirtschaftliche Nutzung des Namib-Wüstenrandes setzte in Südwestafrika vor einigen Jahrhunderten mit der Einwanderung der Bantu ein und führte zu einer Degradation der Landschaft. Während der ersten Jahrzehnte der Kolonialzeit verstärkte sich die Degradation der Vegetationsdecke und Riviere schnitten sich rinnenartig ein. Im Übergangsbereich von der Namib zu den Savannen des Hochlandes sind solche Formen typische Anzeichen einer beschleunigten Erosion. Die Riviere verstärkten die Drainage und lösten stellenweise eine Austrocknung des semiariden Buschlandes aus (EITEL et al. 2002). Im Nordwesten Namibias, wo weiße Siedler nur einen geringen Einfluss auf die Landbewirtschaftung haben, führt der Überbestand an Rindern in Verbindung mit politischen und sozialen Umwälzungen gebietsweise zu einer starken Desertifikation, welche die Spuren früherer und gegenwärtiger natürlicher Umweltveränderungen deutlich überprägt (EICHHORN/JÜRGENS 2002). Derartige Prozesse werfen die Frage auf, ob sich die Namib infolge der Desertifikation nach Osten ausdehnt. Aus der Kenntnis zum Verlauf der Landschafts- und Umweltgeschichte der Namib ist zu schließen, dass die
Raum-zeitliche Dynamik
Degradation und Desertifikation
Ausdehnung der Namib?
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Die Küstenwüste Namib
Niederschläge in der östlichen Namib – wie in früheren globalen Warmphasen – aufgrund verstärkter Monsune zunehmen. Dies ist derzeit zwar noch kaum direkt messbar, aber aus geomorphologischen Untersuchungen abzuleiten. Sollte dies zutreffen, so laufen die gegenwärtigen Auswirkungen der globalen Erwärmung einer anthropogenen Ausbreitung der Wüste entgegen – was die anthropogene Ausbreitung der Namib also eher verlangsamt.
Mobilität als Nachhaltigkeit: Zur Sozialökologie halbnomadischer Kulturweise der Himba am Wüstenrand von Nordwest-Namibia EBERHARD ROTHFUSS
Abb. 15.1: Himba-Hirte mit Ziegenherde in der Trockensavanne des nordwestlichen Namibia (Foto: S. NIEMANN)
Die semiariden Regionen der Welt machen zwei Drittel der Landoberfläche aus und sind trotz der geringen Siedlungsdichte wertvolle Lebensräume für den Menschen. In diesen Großregionen der so genannten Subökumene jenseits der agronomischen Trockengrenze lebt die große Mehrheit der Bevölkerung von extensiver, z.T. mobiler Viehhaltung. Prozesse und Mechanismen der Landdegradation durch unangepasste Bestockungsraten und infolge dessen ein Verlust an produktivem Land bedeuten existentielle Probleme und erhöhte Verwundbarkeit für die Bewohner dieser Regionen (vgl. SCOONES 1995). Zu den Prozessen einer schleichenden Degradation durch menschliche Überbeanspruchung marginaler Standorte zählt das so genannte „Sahel-Syndrom“, welches hier im Kontext seminomadischer Viehhaltung der Himba in der Halbwüste und Trockensavanne Nordwestnamibias Gegenstand der Betrachtung ist. Es ist dabei aber vorwegzunehmen, dass aus humanökologischer Perspektive die weiträumige mobile Weidewirtschaft (nach wie vor) das überlegene Landnutzungssystem hinsichtlich nachhaltiger Prinzipien für marginale und schwer inwertsetzbare Trockenräume darstellt. Dies gilt insbesondere für den Untersuchungsraum, da dieser aufgrund des relativ späten Beginns des Pastoralismus im gesamten südlichen Afrika zu einem weit geringeren Maße degradiert ist als z.B. die ostafrikanischen Savannenlandschaften. Vorab sei angemerkt, dass die Himba keine „ökosophischen Naturwesen“ sind, welche in ihrem Handeln quasinatürlich Nachhaltigkeitsprinzi-
Nachhaltige Handlungsmuster
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Zur Sozialökologie der Himba
pien „programmiert“ haben und in der harschen afrikanischen Natur mit schwarzen Nashörnern und Elefanten um eine unterstellte Rangfolge in den Halbwüsten und Savannen im ehemaligen Homeland Kaokoland kämpfen. Sie sind in eine kulturelle Landschaft eingebettet und handeln unter den Bedingungen einer Überlebensökonomie notwendigerweise rational und pragmatisch. Ihr „eingebettetes“ Leben als mobile Viehhalter im Grenzsaum der Ökumene zur Anökumene macht damit grundsätzlich nachhaltige Nutzung kommunaler Ressourcen zur kollektiv geteilten Norm. Der vorliegende Beitrag wählt einen sozialökologischen Zugang, der von den Kollektiven und individuellen Subjekten über den (nachhaltigen) Umgang mit ihrem Raum und den natürlichen Ressourcen her gedacht wird (vgl. BECKER/JAHN 2006).
Die kulturelle und natürliche Landschaft der Himba Herkunft und Überformung
Siedlungsweise
Rund 30.000–40.000 Himba leben in Südwestangola und Nordwestnamibia. Sie sind Nachfahren größerer Bantugemeinschaften, die – so wird angenommen – Anfang des 16. Jahrhunderts aus der angolanischen Provinz Mocamedes in den Nordwesten von Namibia einwanderten. Ihnen genealogisch verwandt sind die Herero, sesshafte Viehzüchter, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts vorwiegend im zentralen Landesteil Namibias beheimatet sind. Dort gerieten die Herero unter den Einfluss der deutschen Kolonialmacht und durchliefen einen Prozess der Akkulturation. Die Himba hingegen entwickelten im unzugänglichen Nordwesten ihre kulturelle Identität wahrscheinlich erst durch Kontakte mit dem portugiesischen Kolonialsystem Ende des 19. Jahrhunderts. Die deutsche Kolonialzeit zwischen 1885 und 1915 hinterließ wenig Spuren im Nordwesten, wohingegen die anschließende südafrikanische Mandatszeit durch die divide et impera-Politik mit der Einrichtung der „Eingeborenenreservate“ im so genannten Odendaal-Plan ab 1962/63 wesentlich zur räumlichen Isolation beitrug. Erst mit der Unabhängigkeit Namibias 1990 begann die überregionale und nationale Integration des bis dahin gänzlich von Handel und Austausch ausgeschlossenen Homelands Kaokoland. Das Leben als extensive Viehhalter im Bereich der subtropischen Trockengrenze macht eine mobile Lebensform notwendig, da die Ressourcen Wasser und Weide nur in räumlich und zeitlich begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Die Siedlungsdichte liegt im nordwestlichen Namibia unter einem Einwohner pro Quadratkilometer (0,61) und ist damit im Vergleich zu anderen Trockenregionen mit mobiler Viehhaltung (z.B. der kenianischen Pokot mit knapp 10 Einw./km2) äußerst niedrig. Darüber hinaus ist die Viehbestockung pro Quadratkilometer bei den Himba um ein Vielfaches niedriger als bei Hirtenvölkern in Ostafrika. Die Siedlungsweise der Himba ist bedingt durch die mobile Wirtschafts- und Lebensweise der Viehhalter. Sie leben dispers in relativ kleinen, unabhängigen Gruppen, wobei die kleinste Siedlungseinheit ein onganda darstellt. Dieses onganda beherbergt eine Großfamilie patrilinearer Verwandtschaft. Durch eine zusätzliche Bewirtschaftung von Gärten sind Himba übergangsweise stationär. Aus diesem Grund sind sie als Halbnomaden anzusehen.
Die Landschaft der Himba
Nomadismus als sozioökologische Kulturweise Nach SCHOLZ (1995) stellt Nomadismus eine sozioökologische Kulturweise und „Seinsweise einer Person“ dar. Sie ist als regionsspezifisch ausgebildete Handlungsweise des Menschen zu betrachten, die nicht nur als reine Nutzungs- oder Wirtschaftsform zu begreifen ist, sondern als Überlebensstrategie praktiziert wird. Damit ist sie in der Tendenz durch einen Nachhaltigkeit wahrenden ökologischen Ressourcenzugang bei freier Beweglichkeit gekennzeichnet und stellt sich als eine eigenständige, dem sesshaften Bauerntum ebenbürtige und von ihm unabhängige Organisationsform dar. Die Ausweitung exogener Einflüsse in den Peripherräumen destabilisiert das auf relative Autonomie ausgerichtete Subsistenzsystem des Nomadismus zunehmend und führt weltweit letztendlich dazu, dass neue, zumeist marktorientierte Formen der Alltagsorganisation und Überlebenssicherung in den Vordergrund rücken, die die sozioökologische Kulturweise des Nomadismus mehr und mehr zurückdrängen.
Im Leben der Himba stellt die Viehzucht die zentrale ökonomische Grundlage dar. Im Mittelpunkt der geistigen und materiellen Kultur steht der so genannte cattle complex, wie er auch für die Hirtenvölker Ostafrikas kennzeichnend ist. Das Sanga-Rind ist bei den Himba Grundlage der Ökonomie, Statussymbol und Träger gesellschaftlicher sowie sakraler Funktionen und besitzt damit eine überragende, identitätsstiftende Sonderstellung. Da das überlieferte kommunale Landrecht Privatbesitz ausschließt, entwickelte sich der Sozialstatus im traditionellen Wertesystem v.a. über die Mehrung der Rinderherden. Die Größe der Herde kann von Haushalt zu Haushalt stark variieren. 500 Tiere sind für einen reichen Viehhirten (ovahona) keine Seltenheit. Daher weist die Hirtengesellschaft eine ökonomisch basierte Stratifizierung bzw. Sozialstruktur auf. Eine politische Hierarchisierung wurde in der südafrikanischen Kolonialepoche etabliert durch die Einsetzung von traditionellen Autoritäten (chiefs und headmen) zur Absicherung und Kontrolle der „Eingeborenengebiete“. Der Konsum von Maisbrei (oruhere) stellt grundsätzlich die ganzjährige Alltagskost dar, der bei Verfügbarkeit mit Sauermilch (omaere) vermischt wird. Die Wirtschaftsweise der pastoralen Himba ist relativ wenig diversifiziert. Diese geht mitunter auf eine koloniale Einschließung bis 1990 zurück, welche die Himba am innerregionalen Viehhandel mit dem östlich angrenzenden, bevölkerungsreichen Gebiet der Ovambo hinderte und zur reinen Subsistenzproduktion zwang (BOLLIG 2006). Ackerbauliche Tätigkeiten verzeichnen gegenwärtig eine stetige Zunahme in der Ökonomie und manifestieren sich im Anlegen von Hausgärten überwiegend zum Anbau von Mais (oviria). Nördliche Kunene-Region Die nördliche Kunene-Region liegt zwischen 17° und 19° südlicher Breite und befindet sich am Übergang der Tropenzone zur warmgemäßigten Subtropenzone. Das Klimageschehen ist von der Luftdruckverteilung über dem Südatlantik und dem Subkontinent Südafrika bestimmt. Über dem Südatlantik existiert ein stabiles Subtropenhoch, während über dem Subkontinent meist niedriger Luft-
Hirtengesellschaft
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Zur Sozialökologie der Himba
druck herrscht. Im Südsommer erreichen Winde aus Nord und Nordost die Region, die entlang des sommerlichen Tiefdrucksystems im Landesinneren Namibias vorbeiziehen und die periodischen und spärlichen Niederschläge in den Nordwesten bringen. Klimatische Bedingungen
Abb. 15.2: Geomorphologische Strukturierung und Niederschlagsvariabilität im nordwestlichen Namibia (ROTHFUSS 2004, verändert und ergänzt)
Sehr hohe Verdunstungsraten, zwischen 2500 und 3000 mm pro Jahr, weisen die nördliche Kunene-Region als hochgradig feuchtigkeitsdefizitäres Gebiet aus (MLRR 1999). Sowohl in der absoluten Menge als auch in der Intensität und Regelmäßigkeit der Regenfälle nimmt der Niederschlag von
Halbnomadisches Mobilitätsmuster
Nordost nach Südwest ab. Fallen im nordöstlichen Bereich der Trockensavanne noch zwischen 300 und 350 mm Niederschlag im Jahr an durchschnittlich 40 Tagen, so sind es in den Bereichen der Halbwüste, westlich der Randstufe, lediglich 50 mm bis höchstens 100 mm, die sich auf wenige Tage verteilen. Die Stationen Opuwo, Sesfontein und Möwe Bay weisen die höchsten Niederschlagsmengen von Januar bis März auf (vgl. Klimadiagramme in Abb. 15.2). Der Beginn der so genannten kleinen Regenzeit erfolgt sehr variabel ab Oktober/November. Die eigentliche Regenzeit beginnt in den Monaten Januar–Februar und ist längstens bis April Regen bringend. Während die maximalen Niederschläge den Durchschnittswert weit übertreffen können, fallen sie in diesem Zeitraum teilweise auch deutlich geringer aus. Darüber hinaus unterliegen die angegebenen mittleren Jahresniederschläge z.T. sehr hohen Abweichungen. Die Variabilität der Niederschläge im Nordwesten Namibias liegt im östlichen Bereich bei 30 %, in zentralen bis westlichen Teilen sogar bei 50 %. Im Hinblick auf vegetationsund weideökologische Fragestellungen ist aber letztlich die zeiträumliche Verteilung der Niederschläge von ausschlaggebender Dimension. Die natürliche Vegetation der nördlichen Kunene-Region, insbesondere im zentralen und östlichen Escarpmentbergland, stellt der Mopanebaum (Colophospermum mopane) dar. Die Mopane-Trockenwaldsavanne wird gegen Westen immer stärker von einer Halbwüstenvegetation der Vornamib und einer Wüstenvegetation der Namib abgelöst. Im Bergland östlich der großen Randstufe kommen neben Mopanebäumen und -sträuchern auch subdominant Baumarten vor, v.a. Commiphora spp., Terminalia prunoides, Boscia spp. und Combretum spp. (MLRR 1999). In den Trockenflussbetten etwa des Hoanib und Huarusib finden sich vornehmlich der Kameldornbaum (Acacia erioloba) und der Ana-Baum (Faidherbia albida). Gräser in der Trockensavannenzone des Escarpmentberglandes sind dominiert von den annuellen Gräsern Entoplocamia aristulata, Stipagrostis hirtugluma sowie dem „Buschmanngras“ (Schmidtia kalahariensis). Entlang des Kunene, insbesondere östlich der Epupa-Wasserfälle, ist die Vegetation dichter und fast tropisch. Es sind dort noch Reste von Galeriewäldern zu finden, durchsetzt von Makalani-Palmen (Hyphenae petersiana), dem Leadwood (Combretum imperbe), kleinwüchsigen Affenbrotbäumen (Adansonia digitata), Feigenbäumen (Ficus sycomorus), Kameldorn und anderen. Die offenen Graslandschaften mit weitständigen Horstgräsern, z.B. des Marienflusstales westlich der Randstufe, weisen vornehmlich perennierende Gräser der Gattung Stipagrostis und Aristidia auf, wobei die Halbwüstenvegetation der nördlichen Vornamib auch kleine Mopanebüsche und größere Euphorbiengewächse hervorbringt. Episodische (annuelle) Gräser blühen nach kurzen, heftigen Regenschauern, bilden einen dichten Überzug über die weiten, rotsandigen Ebenen der Halbwüste und sind bedeutsam als Nahrungsgrundlage für die Rinder der Halbnomaden.
Vegetation
Halbnomadisches Mobilitätsmuster Die ökologischen Restriktionen des regenzeitbedingt begrenzten Weidedargebots machen eine extensive Viehhaltung der Himba notwendig. Diese ba-
Extensive Viehhaltung
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Zur Sozialökologie der Himba
siert grundsätzlich auf saisonaler räumlicher Mobilität und ist durch unabhängige Viehcamps (ozohambo) und deren assoziierte Haushalte (ozonganda) charakterisiert (vgl. Abb. 15.3). Nach den im Januar und Februar einsetzenden Niederschlägen kommen die Mitglieder eines Haushalts zusammen. In einem durchschnittlichen Jahr bleibt der Haushalt je nach Ressourcenverfügbarkeit vor Ort bis zu vier Monate in den bodensteten Behausungen (ondjuwo) vereint, wobei dann meist die Gartenarbeit im Regenfeldbau wahrgenommen wird. Zum Höhepunkt der Trockenzeit (okuni), zwischen August und Oktober, wandert der überwiegende Teil der Haushalte mit der Viehherde zu den jeweiligen Viehposten (ohambo). Je nach Ergiebigkeit der Weiden sowie dem Wasserangebot müssen die mobilen Viehhalter in der Trockenzeit den Standort wechseln, manchmal bis zu zehnmal pro Jahr.
Abb. 15.3: Seminomadisches Mobilitätsmuster eines Haushalts in Ondendu, Regen- und Trockenzeitstandorte im Omuramba-Gebiet sowie Weidemanagement der Himba (zusammengestellt aus ROTHFUSS 2004, BOLLIG 2002, MÜLLER et al. 2007; übersetzt und leicht vereinfacht)
Halbnomadisches Mobilitätsmuster
Mobilitätsrhythmus Der in Abbildung 15.3 beschriebene, relativ unzugängliche Haushalt ist südlich der Baynes- und Otjihipaberge lokalisiert, fern von ökonomischen und soziopolitischen Einflüssen. Der Haupthaushalt, das onganda, liegt rund 60 km nordwestlich der Siedlung Okangwati und wird von dem Haushaltsoberhaupt, seinen zwei Frauen und acht Kindern bewohnt. Die Gärten befinden sich in direkter Umgebung zum Haushalt. Der Anbau von Mais erfolgt zu Beginn der Regenzeit. Die Haushaltsmitglieder halten sich in einem normalen Niederschlagsjahr dort zwischen Januar und Mai geschlossen auf. Anfang Mai, wenn die Trockenzeit beginnt, migriert der Haushalt mit den Tieren zuerst in südlicher Richtung nach Etengwa, um das Vieh der Impfung zu unterziehen. Einige Tage später erfolgt eine nordwestwärts gerichtete Wanderung über eine Distanz von knapp 30 km in die Gegend um Otjipemba, wo kurzzeitig verweilt wird, um dann weitere 30 km nach Otjimborombonga an den Kunene zu migrieren, wo der Viehposten eröffnet wird. Einige Kilometer östlich (Okapupa) beginnen die Frauen mit der Aussaat in den Gärten, die in direkter Ufernähe lokalisiert sind. Während der gesamten Trockenperiode hält sich der Haushalt am Kunene auf. Von September an, wenn der Mais geerntet ist, spätestens aber Mitte Oktober, wandert der Haushalt südostwärts nach Otjipemba zurück, wo sie sich an verschiedenen Viehposten, je nach Verfügbarkeit von Weiden aufhalten, bis die mit Hoffnung erwarteten, ersten Niederschläge variabel Ende des Jahres niedergehen. Lediglich die Ziegenherde verbleibt unter Aufsicht eines Hirten am Kunene zurück. Zur großen Regenzeit (oruteni) vereinen sich die Mitglieder des Haushalts wieder in Ondendu. Der Ondendu-Haushalt zeigt einen halbnomadischen Aktionsraum und weist aufgrund seiner entfernten Lage vom Kunene und naturräumlicher Ungunst (insuffizientes Wasserangebot) ein räumlich ausgreifendes, saisonales Mobilitätsmuster auf. Die Marktferne ist eine Mitursache für den großen Aktionsradius sowie den doppelten Anbaukalender (Regenfeldbau in Ondendu, Bewässerungsfeldbau am Kunene). In einem durchschnittlichen Regenjahr muss der Haushalt trotz eigenem Anbau Tiere gegen mehrere Säcke Mais eintauschen, um eine ausreichende Ernährung der Familie sicherstellen zu können. Dies ‚motiviert‘ die Haushaltsmitglieder zu (zweifacher) gartenbaulicher Tätigkeit. „Wir wandern mit unseren Tieren, da wir ihnen genug Nahrung geben wollen. Wir müssen in der Trockenzeit unseren Haushalt in Ondendu verlassen, um an den Kunene-Fluss zu gelangen. Erst wenn die Regen zu Hause fallen, können wir zurückkehren. Aber es ist nicht so, dass wir es lieben zu wandern: die Trockenzeit zwingt uns dazu. Unsere Väter haben uns beigebracht, mit unseren Rindern unterwegs zu sein.“ „Mit unseren Rindern zu wandern ist eine schwierige Sache! Wenn wir Menschen wären wie die Weißen, wäre alles viel einfacher: Sie bohren Bohrlöcher an Orten, wo kein offenes Wasser ist. Sieh, Opuwo war vor langer Zeit ein Ort ohne Wasser, bis die Weißen kamen. Heute leben dort viele viele Menschen. Selbst an einem Ort wie Ondendu: Wenn die Weißen hier einen Brunnen errichten würden, müssten wir in der Trockenzeit nicht mehr an den Fluss wandern. Wir würden das ganze Jahr hier bleiben können. Wir wandern aufgrund der Probleme, nicht weil es uns Freude bereitet.“ (ROTHFUSS 2004)
Die Aussagen der Himba von Ondendu verweisen auf die handlungsdeterminierenden Zwänge, denen sie ausgesetzt sind. Räumliche Mobilität ist nicht Selbstzweck und als ökologisches Prinzip verinnerlicht, sondern in einem semiariden, zumal äußerst peripheren und wirtschaftlich desinteg-
Handlungsdeterminierende Zwänge
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Zur Sozialökologie der Himba
Weidemanagement
rierten Raum als Grundbedingung anzusehen, in der die Existenz auf der Grundlage von Tieren basiert. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Verlegen des Haupthaushalts an einen Standort mit günstigerer naturräumlicher Ausstattung aufgrund des erb- und gewohnheitsrechtlichen Zugangs zu Land- und Wasserressourcen nicht ohne Weiteres möglich ist. Die sozialen Netzwerke verwandtschaftlicher Beziehungen in ihrem Lebensumfeld binden sie an ihr Herkunftsgebiet. Generell verdeutlichen die Ansichten, dass die Betroffenen ihre Handlungen aufgrund mangelnder Alternativen exklusiv auf die agropastorale Wirtschaftsweise ausrichten (müssen); Veränderungen der konstitutiven Rahmenbedingungen (z.B. durch Bohrlöcher, verbesserten Marktzugang, Tourismus u.a.) würden das Handeln entscheidend beeinflussen, wie die Aussagen verdeutlichen (vgl. ROTHFUSS 2006). Das in Abbildung 15.3 dargestellte Diagramm auf Grundlage eines Modells zum Weidemanagement der Himba wurde von MÜLLER et al. (2007) entwickelt, um die ökologischen und ökonomischen Implikationen des traditionellen Weidemanagements zu analysieren. Insbesondere steht dabei die Frage nach den einzelnen Regimekomponenten des Weidesystems im Vordergrund, welche bei veränderten sozioökonomischen Rahmenbedingungen fortbestehen sollten, um eine Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Das Kausaldiagramm zeigt die Einflussfaktoren auf die Dynamik von Vegetation und Viehbestand. Der Niederschlag wird umgesetzt in grüne Biomasse und wirkt sich direkt auf die Beweidungsstrategie der Viehherde aus. Die Biomasseproduktion hängt von den Parametern Bodentyp, perennierende Bodenbedeckung, Langlebigkeit der Saatbänke sowie Bestockungsgrad und Niederschlag ab. Die ganzjährige Bodenbedeckung ist dabei beeinflusst vom gegenwärtigen Niederschlag sowie von der Beweidung und wird nur indirekt gelenkt über die Photosynthese der grünen Biomasse. Die Interdependenz von Vieh und Viehhalter (Milch und Fleisch) einerseits und die Verbindung von Vieh und erforderlicher sowie nutzbarer grüner Biomasse andererseits zeigen die verschiedenen Verflechtungen auf. Der Wettbewerb zwischen ein- und mehrjährigen Gräsern wirkt sich auf die grüne Biomasse aus; dieser ist dabei beeinflusst von der perennierenden Bodenbedeckung und der im Boden gelagerten Saatbank.
Pragmatische und moralische Strategien der Nachhaltigkeit Viehleihen
In einem Raum mit hochvariablen klimatischen Bedingungen müssen die mobilen Viehhalter ständig neue Strategien zur Risikominimierung und Überlebenssicherung entwickeln. Das so genannte Herdensplitting, die Verteilung der Rinderherden an weniger wohlhabende Verwandte, verringert das Risiko von Seuchenausbreitung, Viehraub und Rinderverlust durch lokal ausbleibende Niederschläge. Die Eigentumsrechte an den verliehenen Tieren und den Nachkommen verbleiben beim Verleiher. Nicht nur reiche Haushalte praktizieren Viehleihen. Diese Strategie bedeutet eine Vorsorge und Versicherung gegen einen unerwarteten Rückgang im eigenen Bestand.
Strategien der Nachhaltigkeit
Die Pflege intensiver sozialer Kontakte zu den matrilinearen Verwandten auch anderer Hirtenvölker im südwestlichen Angola (z.B. den Ovangambwe, Ovahakaona, Ovazemba, Ovatwa u.a.) ist entscheidend, um in Krisenzeiten den Aktionsradius der Weidenutzung vergrößern zu können. Darüber hinaus gewinnt das Sammeln von Feldfrüchten in Dürreperioden an Bedeutung. Insbesondere die Früchte der Makalani-Palmen (omarunga) entwickeln sich in Hungerjahren zu einem Grundnahrungsmittel. Himba nutzen vielfältig die Vegetation: Rund 150 Pflanzenarten finden Verwendung zum Verzehr, als Heilmittel, zur Hygiene/Kosmetik, zu Haushaltszwecken und zu religiös-magischen Zwecken. Die Land- und Ressourcennutzung der Himba erfolgt durch ein kommunales System des Weidezugangs. Es gilt, Absprache mit dem jeweiligen „Haushaltsbesitzer“ – dem omuni wehi – zu halten, wenn es sich um Überschneidungen von Weide- und Wassernutzung handelt (BOLLIG 2006). Dieses System funktioniert dadurch, dass es allgemein akzeptierte Regeln zur Nutzung von Ressourcen gibt und ein Regelverstoß innerhalb der betroffenen Gruppe sanktioniert wird. Grundsätzlich kommt dem informellen grazing committee die Überwachung und Einhaltung der Regeln zum Weideschutz zu (vgl. BEHNKE 1999). Die Viehposten (ohambo) müssen mindestens sechs Kilometer vom Haushalt (onganda) entfernt sein, damit sichergestellt ist, dass die Kühe, die den Haushalt mit Milch versorgen, in der Trockenperiode ausreichend Weide finden (vgl. BOLLIG 2002). Die Viehherden sollten im Verbund migrieren, im Idealfall bewegen sich die hochmobilen Rinderposten in einer Linie in ein noch unbeweidetes Gebiet, um den Viehtritt möglichst minimal halten zu können. Viehposten dürfen nur verlegt werden, wenn das Gras zur Versorgung nicht mehr ausreichend ist. Das Regelwerk des gemeinschaftlichen Weidemanagements verändert sich während einer normalen Trockenperiode kaum, sind die Himba doch auf die zyklische Wiederkehr der Ressourcenverknappung eingestellt (vgl. Abb. 15.3). In Zeiten ausgeprägter Dürre wird das kommunale Landnutzungsregime allerdings zu einem System offenen Zugangs, da die Notsituation viele Regeln und Normen aushebelt und die Haushalte bzw. Viehposten häufige Migrationen durchführen müssen, um die Versorgung von Tier und Mensch sicherzustellen. Zusammenfassend gilt für die kommunale Nutzung der Ressource Weideland: * Jedes Siedlungsgebiet verfügt über spezifische Trockenweiden, die nur nach Absprache von anderen Siedlungsgruppen genutzt werden dürfen. * Trockenzeitweidegebiete werden erst zu Beginn der Trockenzeit und dann nur sukzessive freigegeben. * Weidegebiete sollen exklusiv nur von einer Gruppe von Viehcamps genutzt werden, die idealerweise einen synchronen Nutzungsablauf durchführen. * Viehcamps sollen ihre Zugehörigkeit zu bestimmten ozohambo-Gruppen nicht zu häufig und exzessiv wechseln. * Bei Zuwiderhandlungen dieser Regeln werden Sanktionen und Strafen in Form von Viehzahlungen veranlasst. Die nachhaltige und kollektiv ausgehandelte Regulierung der Beweidungsintensität folgt eher moralischen Prinzipien des gerechten Ressourcenzu-
Geregelte Land- und Ressourcennutzung
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Zur Sozialökologie der Himba Nachhaltige Prinzipien der Landnutzung
gangs für alle, als dass diese einem Schutz der Weidegründe per se gilt (vgl. BOLLIG/SCHULTE 1999). Das „Erfolgsgeheimnis“ nachhaltigen Ressourcenmanagements der Himba verdichtet sich damit in der standardisierten sozialen Praxis von räumlicher und zeitlicher Flexibilität sowie kollektiver Nutzungseinschränkungen von bestimmten Schonweidegebieten mit dem absichernden Ziel der Wiederherstellung einer Reservebiomasse für Dürrezeiten. Dieser „Pull-Faktor“ ist häufig begleitet von einem „Push-Faktor“: Die intensive Kommunikation zwischen den Hirten verbreitet das Wissen über nahe gelegene vegetationsreiche Weidegründe oder ausgebliebene lokale Niederschläge. Das traditionelle, kommunale „Regelwerk“ der Weidebewirtschaftung gehört mit der Akkumulation und Streuung der Herden damit zu den wesentlichen sozialen Sicherungsmechanismen der Hirtengesellschaft und gehorcht indirekt nachhaltigen Prinzipien der Landnutzung.
Landdegradation durch staatliche Interventionen und Sesshaftwerdung Interne und externe Veränderungen
Auswirkungen in Omuhandja
Wie bei vielen transhumanten Landnutzungssystemen (Fernweidewirtschaft) haben sich auch für die Himba die politischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten rasant verändert. So sind es sowohl interne als auch externe Veränderungsmodi, welche wechselseitig interagieren und das Weidemanagementsystem profund beeinflussen: Das Bevölkerungswachstum sowie die Zunahme der Tierpopulationen, eine intensivierte Marktintegration durch den Ausbau der Infrastruktur durch Straßen und Bohrlöcher sowie die Transformationen im politischen System sind dabei als wesentliche Triebkräfte sozialökologischen und ökonomischen Wandels mobiler Lebenswelt in Nordwestnamibia auszumachen. Dies führt unter anderem zu einer zunehmenden Sesshaftigkeit zahlreicher Viehhalterhaushalte an markt- und ressourcengünstigen Standorten. So zeigen sich etwa in Omuhandja, einer intramontanen Hochfläche in der Nähe der touristisch frequentierten Epupa-Wasserfälle am Kunene, bereits nachhaltige negative Auswirkungen für den Naturraum. Die Hochfläche wurde erst in jüngster Zeit, seit Mitte der 1990er Jahre, besiedelt. Zuvor existierten lediglich vereinzelt Viehposten als Trockenzeitstandorte. Während der Kriegshandlungen in den 1970er- und 1980er-Jahren zwischen der südafrikanischen Besatzungsarmee (SADF) und den SWAPO-Guerillaeinheiten war das Siedeln in der Nähe des Kunene verboten. Die SADF vertrieb die ortsansässigen Himba und forcierte dabei eine Sedentarisierung (Sesshaftwerdung) überwiegend im Omuhonga-Becken nördlich von Okangwati zur Sicherung und Kontrolle der Bevölkerung. So sind auf der Omuhandja-Fläche Degradationserscheinungen in einem Initialstadium festzustellen. Holzentnahme, eine gelichtete Grasvegetation, verursacht durch verstärkten Weidegang, und als Konsequenz eine partiell erosive Abspülung des rotsandigen Substratuntergrunds sind ins Auge fallende Degradationserscheinungen. Die dominierenden Mopanebäume (omutati), subdominanten Terminalia prunoides (omihama) und Boscia foetida (omungwindi) verweisen
Landdegradation
Abb. 15.4: Holzeinschlag und Landdegradation in Omuhandja durch verstärkten Beweidungsund Siedlungsdruck (Foto: E. ROTHFUSS)
auf Holzentnahme (Stümpfe, Hackspuren). Vor allem die kontinuierliche Beweidung von Ziegen und Rindern hat bereits dazu geführt, dass die Vegetationsdecke dezimiert wurde und perennierende Gräser durch periodische ersetzt wurden. Das weiträumig verbreitete, sandige Substrat der Omuhandja-Fläche ist nach Ausdünnung der Krautschicht besonders anfällig für Bodenerosion. Die direkte Nähe zu Epupa kann als die Hauptursache dieser Degradationen erkannt werden. Die Sogwirkung von Epupa als junger Siedlungs- und Versorgungsstandort für das nördlichste Kaokogebiet und das südwestliche Angola führte zu einer deutlichen Zunahme der Bevölkerung. Dabei kann konstatiert werden, dass die ersten Campinganlagen Anfang der 1990er-Jahre als Entwicklungspol für die daran anschließende Ansiedlung von Bewohnern angesehen werden müssen. Im Gefolge der Campingplätze am Fluss entstand aus den einzelnen Hütten der Campangestellten die location. Im Jahr 2000 waren bereits rund 60 permanente Wohngebäude zu verzeichnen. Mittlerweile leben schätzungsweise 120 Menschen temporär sowie dauerhaft dort. Im Epupa-Becken und der näheren Umgebung hat die Vernichtung des Baumbestandes (für Brennholz, Baumaterial) bereits ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Welche ökologischen Folgeerscheinungen auftreten, wenn mobile Gruppen in einem semiariden Raum stärker sesshaft werden, zeigt eine exemplarische Beschreibung des Omuhonga-Beckens, einem relativ stark degradierten Gebiet (vgl. Abb. 15.2): Ende der 1960er-Jahre wurde der kleine Ort Okangwati gegründet und kurz darauf ein erster Laden eröffnet. In den 1970er-Jahren wurde ein Militärstützpunkt der SADF etabliert. Dieser Umstand und die Gunstlage für gartenbauliche Aktivitäten im Trockenflussbett des Omuhonga führten zu einem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung. Es sei darauf hingewiesen, dass das Omuhonga-Becken aufgrund seiner günstigen Naturraumeigenschaften bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts kontinuierlich, wenngleich saisonal besiedelt war (SANDER et al. 1998). Vier Jahrzehnte intensiver Ressourcennutzung (Zaun- und Häuserbau, Brennholzentnahme, Viehbeweidung) hinterließen eminente Spuren, sodass die
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Baumbestockung auf rund die Hälfte – im Vergleich zu nicht degradierten Gebieten – abgenommen hat. Die starke Ausdünnung der Krautschicht durch fortdauernde Beweidung führte sukzessive zu einer Bodenabtragung zwischen 10–50 cm, meist hervorgerufen durch Starkregenereignisse. Als Indizien einer zunehmenden Degradierung wird die Transformation der Grasschicht von perennierenden in annuelle Gräser gewertet. Die Folge ist eine Verringerung der Produktivität und eine erhöhte Anfälligkeit für Bodendegradation.
Wahrnehmung der Landdegradation durch die Himba Obgleich der Wechsel von perennierenden zu annuellen Gräsern und der schleichende Verlust von Biodiversität zweifellos dem Beweidungs- und Siedlungsdruck zuzuschreiben sind, liegt der Vegetationswandel der jüngeren Vergangenheit vornehmlich in der Niederschlagsvariabilität und dem -rückgang begründet und nicht in der erhöhten Bestockungsrate. Grundsätzlich zeigen die ethnologischen Untersuchungen von BOLLIG (2006) zum indigenen Wissen der Himba, dass die Rinderhirten nicht an Gräsern als solchen interessiert sind, sondern nur in der produktiven Relation von Grasbewuchs und Viehherde. Die Himba nehmen Ihre Umwelt als „Weidewelt“ wahr und nicht als natürliche Savanne. Ihr indigenes Wissen und ihre traditionellen Institutionen des Weidemanagements stehen im Zusammenhang zu ihrer kulturellen Landschaft und nicht zu einer Klimaxvegetation (BOLLIG/SCHULTE 1999). Daher sind sie in erster Linie an der Sicherung der fortwährenden Produktivität ihrer Weidegebiete interessiert. Der Biodiversitätsverlust und der Wandel der Vegetationszusammensetzung von perennierenden zu einjährigen Gräsern stellen sich in ihrer Perzeption nicht als Problem dar, solange die Produktivität der Biomasse an sich nicht in Mitleidenschaft gezogen ist. Der Schutzgedanke der Ressourcen speist seine Motivation nicht aus dem Schutz als solchem, sondern aus dem Ziel eines gerechten Zugangs zu den Weidegründen. Der Landschaftswandel im Bereich der stationären Siedlungen wird von Seiten der Himba als eine unvermeidliche Konsequenz der Viehhaltung sowie der verstärkten Holzentnahme zu Konstruktionszwecken gewertet. Folgende zusammengefasste Aussagen eines Stammesältesten belegen dies: „In der Vergangenheit beheimatete die Omungunda-Fläche zahlreiche Wildtiere. Dort grasten Elefanten, Kudus, Zebras und Springböcke. Der Ort war bekannt für seinen Reichtum an Wildtieren. Dieses Gebiet war vornehmlich von mobilen Viehposten genutzt; kein Haushalt hielt sich hier permanent auf. In diesen früheren Tagen war die Omungunda-Fläche von orueyo (Eragrostis porosa), eriangwari (Brachiaria malacodes), ehomba (Setaria verticillata), okatjira konduno (Stipagrostis hirtigluma), ongumba (Stipagrostis uniplumis) und okarieamenye (Microchloa caffra) bewachsen. Omihama-Bäume (Terminalia prunoides) waren weit verbreitet und Omutati-Bäume (Colophospermum mopane) waren nur in der Nähe der Berge zu finden. Seit 1959 begannen dann Haushalte in Omungunda zu siedeln, da die Regierung dort ein Bohrloch gebaut hat. Seit dieser Zeit wurde das Tal dann von zumindest vier Haushalten permanent besiedelt. Die Vegetation der Omungunda-Fläche sieht heute ganz anders aus. Omihama-Bäume sind nur noch im tieferen Bereich der Ebene zu finden. Viele Gräser sind gar nicht mehr vorhanden. Nur okarieamenye ist noch reichlich vorhanden, und ongumba ist wenigstens noch an manchen Stellen zu finden. Dies kommt von der gegenwärtigen Dürre. Wenn der Regen wieder reichlich fällt, werden die Gräser wieder zurückkehren“ (übersetzt aus BOLLIG/SCHULTE 1999).
Perspektiven
Perspektiven Seit den 1990er-Jahren stellt sich insbesondere in den vergleichsweise dichter und vor allem permanent besiedelten intramontanen Beckenlandschaften ein Wandel der vormals praktizierten nachhaltigen Nutzungsstrategien der Rinderhirten heraus. Einerseits unterliegen die Weidegründe in der Nähe stationärer Besiedlung einem fortwährend hohen Weidedruck, während sich die Trockenzeitweiden während der Regenzeit erholen können. Andererseits garantieren die Biomasse-Reservestandorte im Fall von Dürren und Weideverknappung eine Ausweichmöglichkeit und Pufferung und stellen somit eine Schlüsselressource dar (vgl. SCOONES 1995). Diese beiden Faktoren traditioneller Landnutzung können nach MÜLLER et al. (2007) als entscheidend für die insgesamt hohe Biomasseproduktion angesehen werden. Insofern ist festzuhalten, dass das noch weitgehend auf räumlicher und zeitlicher Mobilität und auf einem kommunalen Regel- und Sanktionierungswerk des nutzungsbeschränkten Weidezugangs basierende pastorale Managementsystem in langfristiger Sicht als nachhaltig bezeichnet werden kann. Werden hingegen die institutionellen Regeln des Ressourcenschutzes unterwandert, die Viehhirten sesshafter und wandeln sich die klimatischen Bedingungen weiter, so kann das derzeitige System nachhaltig bedroht sein. Wichtig ist dabei, dass die Netzwerke und Mechanismen einer Risikominimierung (bisher) noch weitgehend funktionieren, aufgrund der noch relativ geringen staatlichen Interventionen und dem Stadium einer eher marginalen Marktintegration. Eine schnelle Integration von pastoralnomadischen Ökonomien in einen intensiven Warenhandel wird zu einer profunden Destabilisierung von risikominimierenden Netzwerken führen. In dieser grundlegenden Voraussetzung für eine nachhaltige Existenz im Trockenraum Namibias liegt in Zukunft die Schlüsselfrage, ob und wie lange diese notwendigen strukturellen und kulturkonstituierenden Bedingungen noch Bestand haben werden, oder ob dieses auf Ressourcennachhaltigkeit basierende und weitgehend egalitäre System des Weidezugangs durch staatliche Eingriffe, wie z.B. den jüngeren Tendenzen der Privatisierung kommunalen Landes, gründlich unterhöhlt werden wird.
Bedrohung der nachhaltigen Landwirtschaft
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park in Namibia: Ausverkauf eines afrikanischen Nationalparks? RAINER GLAWION Abb. 16.1: Ein indigener Touristenführer schildert ausländischen Besuchern die Naturgeschichte der vom Menschen unbeeinflussten Wüste in der Region des Sossusvlei (Zentral-Namibia); vor mehreren hundert Jahren sind hier Akazienbäume abgestorben – sie wurden in der trockenen Luft konserviert und sind Beleg dafür, dass hier einmal Wasser vorhanden war, das die Salztonpfanne im „Toten Vlei“ regelmäßig flutete, bis eine wandernde Sanddüne den Wasserzustrom unterbrach (Foto: R. GLAWION)
Gefährdungsfaktoren
Das weltweit einzigartige Naturerbe Afrikas wird in zahlreichen Nationalparks und Wildschutzreservaten für zukünftige Generationen bewahrt. Bereits vor über einem Jahrhundert wurden während der Kolonialzeit die ersten Großschutzgebiete eingerichtet, darunter der bekannte Etosha-Nationalpark in Namibia. Die Bedeutung der Natur- und Wildreservate für den Erhalt der Biodiversität ist in heutiger Zeit stark gestiegen, weil die Fläche der übrigen Wildnisgebiete als Refugien der natürlichen Flora und Fauna Afrikas in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen hat (GLAWION 2003). Allerdings sind die bestehenden Großschutzgebiete in Afrika in mehrfacher Hinsicht gefährdet: Schutzgebiete wie Nationalparks und Wildreservate können nur so lange ihre Funktion erfüllen, wie der Staat als oberste Aufsichtsbehörde politisch stabil ist und über eine funktionierende Umwelt- und Naturschutzverwaltung verfügt. Die aktuelle politische Entwicklung bietet in einigen Ländern Afrikas (z.B. Simbabwe, DR Kongo) von daher keine günstigen Voraussetzungen für den Wildtierschutz. Die Durchsetzung der Naturschutzziele in einem Reservat hängt zudem von der politisch bestimmten finanziellen Unterstützung ab. Manche Regierungen in Afrika haben sich finanziell und durch eine nachteilige Reorga-
Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
nisation der Naturschutzadministration weitgehend aus der staatlichen Wildaufsicht zurückgezogen, so dass dort die Wilderei wieder stark zugenommen hat. Nichtstaatliche Organisationen (NGOs), die bisher zu einem großen Teil die Finanzierung der Nationalparks durch gezielte Förderung von Projekten der Naturschutzarbeit übernommen haben, ziehen sich zurück, da der zweckgebundene Einsatz der Subventionen nicht mehr gewährleistet ist. Im touristischen Sektor haben sich Nationalparks, Wildschutzgebiete und private Game Parks zu entscheidenden Einnahmequellen entwickelt, die vor allem zahlungskräftige internationale Besucher anlocken. Für die Ausbeutung der touristischen Ressourcen der Schutzgebiete und die Verteilung der Einnahmen aus Jagdlizenzen und Nutzungskonzessionen gibt es verschiedene Modelle (z.B. das Modell der Communal Conservancies in Namibia). Wird die lokal ansässige Bevölkerung nicht beteiligt, besteht die Gefahr, dass durch diese ein Raubbau an den lebenden Ressourcen des Reservats (Großtierfauna, Holzressourcen) betrieben wird. Großwildreservate werden nur so lange gegen den Landhunger einer wachsenden Bevölkerung erhalten bleiben, wie sie über den internationalen Safaritourismus größeren volkswirtschaftlichen Gewinn bringen als Ackerbau und Viehzucht auf derselben Fläche. Der zunehmende Safaritourismus bereitet jedoch zahlreiche ökologische Probleme. Um die steigende Besucherzahl bewältigen zu können, müssen infrastrukturelle Einrichtungen wie Straßen, Übernachtungsplätze mit Serviceeinrichtungen (Lodges, Camps) und Parkplätze zur Wildtierbeobachtung ausgebaut werden. Durch das steigende Fahrzeugaufkommen und die Verdichtung des biotopzerschneidenden Wegenetzes werden Wanderungsbewegungen der Wildtierherden zunehmend gestört. Hinzu kommt, dass natürliche Migrationen der Großtierpopulationen in Ausweichgebiete außerhalb der Nationalparks unterbunden werden, da Veterinärzäune die Wildreservate von den angrenzenden, agrarisch genutzten Räumen abgrenzen. Bei Totalschutz wird die natürliche Tragfähigkeit der Weideflächen innerhalb der Reservate rasch überschritten, so dass die Tiere ihre eigene Lebensgrundlage zerstören. Als höchst gefährdet ist die Zukunft eines Nationalparks dann einzustufen, wenn zusätzlich zu den vorgenannten politischen, ökonomischen und ökologischen Gefährdungen noch die staatlich gewollte und gelenkte Ressourcenausbeutung unter Missachtung der internationalen Nationalparkstatuten hinzukommt, wie dies zurzeit im Namib-Naukluft-Park in Namibia zu beobachten ist. Vom Umweltministerium genehmigte Prospektionsbohrungen für den Uran- und Kupferabbau sind überall im Nationalpark anhand ihrer Bohrtürme weithin sichtbar (vgl. Abb. 16.2). Fahrspuren der Schwerlasttransporte, Ölverschmutzungen und Planierarbeiten schädigen bereits die empfindlichen Wüstenökosysteme im Nationalpark, bevor die Umweltprüfung für den eigentlichen Rohstoffabbau durchgeführt wird. Impressionen der Umweltzerstörung wie die hier gezeigte sehen Touristen heute sogar in der Nähe berühmter Naturattraktionen wie dem Welwitschia Drive bei Swakopmund. Akut gefährdet ist unter anderem die endemische und unter strengem Naturschutz stehende Pflanze Welwitschia mirabilis (s. Abb. 16.2 kleines Bild oben rechts), deren Verbreitungsgebiete vom Umweltministerium bedenkenlos für die Prospektion freigegeben wurden.
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
Abb. 16.2: Prospektionsbohrungen für den Uranund Kupferabbau im Namib-Naukluft-Park; gefährdete Pflanze Welwitschia mirabilis (Fotos: R. GLAWION)
Nationalparks im südlichen Afrika
Namib-NaukluftPark
Während die Republik Südafrika nur einen großen Nationalpark, nämlich den Krüger-Park mit 19.000 km2 Fläche, aufweist, umfassen die Nationalparks und Wildschutzgebiete Botsuanas 25 % der Landesfläche, Namibias 13,5 % und Sambias 30 % (JÜRGENS/BÄHR 2002). Dagegen sind die Nationalparks in Angola nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg weitgehend zerstört. Privates Farmland mit Rinder-, Schaf- und Wildhaltung nimmt den größten Flächenanteil Südafrikas und Namibias sowie bedeutende Anteile der Landesfläche Botsuanas und Simbabwes ein. In diesen Räumen ist der freilebende Großwildbestand aufgrund des dichten Netzes von Weidezäunen und einer intensiven Bejagung nahezu vollständig ausgerottet. In Namibia gibt es lediglich noch im Norden und entlang der Küste in Nationalparks und Communal Conservancies größere Flächen auf Staatsland und Stammesterritorien, auf denen sich Wildtierherden in gewissen Grenzen frei bewegen können. Der Namib-Naukluft-Park ist Teil eines küstennahen Schutzgebietssystems (vgl. Abb. 16.3), das die Namib-Wüste zwischen den einzigen perennierenden Flüssen in der Region, dem Kunene-Fluss im Norden und dem Oranje-Fluss im Süden, umfasst: Von Nord nach Süd schließt sich an den Skeleton Coast National Park (17.164 km2) die National West Coast Tourist Recreation Area (7446 km2), der Namib-Naukluft-Park (49.770 km2) und das Diamantensperrgebiet Nr. 1 (heute Sperrgebiet National Park, 21.750 km2) an. Der Namib-Naukluft-Park reicht in seiner Anlage als Wildschutzgebiet bis in die deutsche Kolonialzeit zurück. Bereits 1907 wies der Gouverneur Friedrich von Lindequist drei Wildreservate in der Kolonie aus, die in Bereichen mit marginalen Produktionsbedingungen für die weißen Siedler lagen und eine rentable Bewirtschaftung nicht ermöglichten (LESER 1982). Aus einem der Wildreservate, später erweitert um die Naukluftberge
Geoökologische Ausstattung und Naturräume
Abb. 16.3: Die Lage des Namib-Naukluft-Parks im Nationalparksystem Namibias. Mit knapp 50.000 km2 ist er der größte Nationalpark Namibias und einer der größten der Welt. Der Rahmen zeigt den Kartenausschnitt von Abb. 8.4 (Entwurf: R. GLAWION, nach Digital Atlas of Namibia, http://www. uni-koeln.de/sfb389/e/ e1/download/atlas_ namibia/index.htm)
und aufgegebene Diamantenabbaugebiete, ging 1979 der Namib-NaukluftPark hervor. Mit einer Fläche von rund 50.000 km2 ist er heute der größte Park des Landes. Es gibt Pläne, den Park nach Süden um das Diamantensperrgebiet bis zum Oranje-Fluss zu erweitern, wenn die Diamantenvorkommen auf dem Festland ausgebeutet sind und sich der Abbau auf die Offshore-Bereiche verlagert hat.
Geoökologische Ausstattung und Naturräume im Namib-Naukluft-Park Die Küstengebiete der Namib sind im Allgemeinen ganzjährig kühl und feucht, mit einer Durchschnittstemperatur von 16–19°C und einer relativen Feuchte von 80–100 %. Die Winde in der Namib wehen ganzjährig küstenparallel aus südlichen bis südwestlichen Richtungen. Der Jahresniederschlag tritt in Form von seltenen Starkniederschlagsereignissen auf und liegt zwischen 15 mm an der Küste und 100 mm am Ostrand der Wüste. Die für Flora und Fauna bedeutendste und beständigste Niederschlagsart am Westrand der Namib ist der bodennahe Küstennebel. Zusätzlich sorgt eine weitere Nebelschicht in höheren Lagen von ca. 300–600 m ü. NN für Niederschlag, der bis zu 60–100 km landeinwärts reichen kann. Zahlreiche Fremdlingsflüsse mit episodischer Wasserführung durchziehen von der Großen Randstufe die
Namib-Wüste
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
Abb. 16.4: Bestehende und geplante Ressourcen- und Landnutzungen mit ausgewählten Konfliktbrennpunkten im nördlichen Teil des Namib-Naukluft-Parks (Entwurf: R. GLAWION)
Geoökologische Ausstattung und Naturräume
Namib in ostwestlicher Richtung, wobei jedoch nur wenige die Atlantikküste erreichen (z.B. Kuiseb und Swakop River in Abb. 16.4). Im Namib-Naukluft-Park sind die Ökosysteme der vier wichtigsten Naturräume der Namib repräsentiert: das Dünenmeer der Sandnamib, die Kiesund Felswüste der Flächennamib, die Trockenflüsse (Riviere) und Salztonebenen (Vleis) sowie die Küstenzone mit ihren Buchten (s. Abb. 16.4). Das Dünenmeer der Sandnamib erstreckt sich von der Lüderitzbucht im Süden bis Walvis Bay und dem Kuiseb-Rivier im Norden. Je nach Lage und Windrichtung entstanden hier unterschiedliche Dünenformen wie Barchane, Sterndünen, Quer- und Längsdünen. Sie bieten durch ihre Mobilität und ihre edaphische Trockenheit extrem lebensfeindliche Bedingungen, unter denen nur hoch spezialisierte Tier- und Pflanzenarten überleben können. Eine typische Pflanze der Dünennamib ist die !Nara-Pflanze, die zu den Kürbisgewächsen gehört. Die !Nara ist ein dorniger Strauch, der sein Wasser über die bis zu 10 m langen, durch den Sand hindurchgewachsenen Wurzeln aus dem Grundwasser bezieht. Das Fruchtfleisch und die ölhaltigen Samen der !Nara-Frucht werden von Mensch und Tier genutzt. Die Oryxantilope bezieht 70 % ihres Flüssigkeitsbedarfes aus ihr. Am unteren Kuiseb diente sie dem indigenen Volksstamm der Topnaar als Lebensgrundlage (HENSCHEL et al. 2004). Zu den vielen typischen Insekten in der Dünennamib gehört die BaboonSpinne, die bis zu 120 cm tief im Sand vergraben lebt. Eine andere charakteristische Art ist der Schwarzkäfer (Onymacris unguicularis), der sich auf den Kopf stellt und sein Hinterteil als Kondensationspunkt benutzt, um damit den Nebel der frühen Morgenstunden einzufangen. Dadurch gelingt es ihm, einige Wassertropfen zu trinken, die insgesamt bis zu 40 % seines Eigengewichts ausmachen. Nördlich des Kuiseb-Riviers beginnt die Flächennamib, die aus Kies- und Geröllfeldern auf einer Rumpffläche besteht und die Form einer schiefen Ebene hat, die mit einem Neigungsgrad von einem Prozent zur Großen Randstufe nach Osten ansteigt. Ein typisches Element in der Flächennamib sind die Krustenböden. In einem schmalen Streifen von wenigen zehn Kilometern vom Atlantik entfernt, findet man im Einflussbereich des Küstennebels Gipskrustenböden, auf denen sich ein besonderer Artenreichtum an Flechten entwickelt hat. Die weiter landeinwärts liegenden Kalkkrusten, die von Pflanzenwurzeln kaum zu durchdringen sind, werden durch das Aufsteigen kalkhaltigen Wassers in die oberen Bodenschichten gebildet. Die wohl bekannteste Pflanze der Flächennamib ist das lebende Fossil Welwitschia mirabilis. Diese archaische Art wird als Übergangsform zwischen Nackt- und Bedecktsamern angesehen, da sie von beiden taxonomischen Gruppen Merkmale besitzt. Welwitschia verfügt über einen unterirdischen rübenartigen Stamm, der in eine lange Pfahlwurzel übergeht und somit an tiefes Grundwasser heranreicht. Eine Sonderstellung im Pflanzenreich nehmen ihre beiden einzigen, bis zu acht Meter langen, lederartigen Blätter ein, die an der Basis ständig weiterwachsen und an ihren Enden absterben. Welwitschia ist ein Endemit der Namib und kommt nördlich des Kuiseb in sandigen, kiesigen Flusstälern vor. Besonders bekannt sind ihre Vorkommen östlich von Swakopmund, wo auch das mit geschätzten 1500 Jahren älteste und größte Exemplar steht („Giant Welwitschia“, s. Abb. 16.2).
Sandnamib
Flächennamib
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
Riviere Riviere werden die zeitweilig austrocknenden Flussläufe in Namibia und Südafrika genannt. In der arabischen Welt bezeichnet man solche Trockenflussbetten meist als Wadis, in Australien als Creeks. Der Ausdruck Rivier stammt aus dem Niederländischen (Afrikaans) und bedeutet Fluss. Die Riviere führen nur wenige Tage im Jahr Wasser, manche sogar nur alle fünf bis zehn Jahre. Das Wasser stürzt meistens in einer hohen Flutwelle durch das Trockenflussbett („Das Rivier kommt ab“), von der Mensch und Tier überrascht werden. Selbst in der Zeit, in der die Riviere trocken fallen, können sich dort Pflanzen mit tief reichenden Wurzeln halten, weshalb die Riviere mit ihren immergrünen Galeriegehölzen (z.B. Akazien) oft wie grüne Bänder die Wüste durchziehen. Das Grundwasser liegt in den Schotterkörpern der Riviere oft nur wenige Meter unter der Oberfläche. Sowohl für die Tier- und Pflanzenwelt als auch für die indigene Bevölkerung in der Wüste sind diese Wasserreserven überlebenswichtig. Seit diese Grundwasservorkommen für die städtische Trinkwasserversorgung, für Industrien und den Bergbau immer stärker genutzt werden, drohen sie zu versiegen – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Wüstenökosysteme.
Trockenflüsse und Salztonebenen
Küstenzone
Biodiversität
Die Trockenflüsse (Riviere) und Salztonebenen (Vleis) bilden episodisch feuchte Oasen in der vollariden Wüste. Unterirdisch verfügen die meisten Riviere über ein Grundwasserreservoir, so dass ihre Täler Standorte immergrüner Vegetation sind. Ein charakteristischer Baum der Riviere und Vleis, der sich hervorragend an die Wüstenbedingungen angepasst hat, ist der Kameldornbaum (Acacia erioloba). Er kann mehrere Hundert Jahre alt werden. Seine proteinhaltigen Früchte bieten vielen Tieren Nahrung. Daher werden die Früchte auch von Farmern gesammelt und in Dürrezeiten als Viehfutter verwendet. Flüsse, die ihr Wassereinzugsgebiet außerhalb der Namib in feuchten Gebieten haben, verfügen oft über ein cañonartiges Relief, das in die Rumpffläche eingeschnitten ist (z.B. der Kuiseb Canyon). Der Kuiseb, der die Dünennamib von der nördlich anschließenden Flächennamib trennt, stellt eine wichtige naturräumliche Grenze innerhalb der Namib dar. Das von Süd nach Nord wandernde Dünenmeer kann das episodisch wasserführende Tal des Kuiseb nicht überschreiten. Das Tsondab-Rivier führt episodisch Wasser aus den Naukluftbergen in die Tsondabebene. Hier verdunstet das zu einem flachen See aufgestaute Wasser zwischen den Dünen und hinterlässt eine Salztonebene (Tsondabvlei, vgl. Abb. 16.4). Als vierter Naturraum wird die Küstenzone entlang der Atlantikküste vom küstenparallel verlaufenden Benguela-Strom geprägt, der Wasser und Sand nach Norden transportiert und eine Ausgleichsküste geschaffen hat. Einige Buchten, geformt durch Küstenversatz ehemaliger Mündungsdeltas von Trockenflüssen (Walvis Bay, Sandwich Bay und Conception Bay in Abb. 16.4), stellen wertvolle Biotope für die wasserlebende Tierwelt dar (z.B. Ohrenrobbe, Flamingo, Pelikan, Austernfischer). Charakteristisch für die Flora und Fauna der Namib ist eine besondere Anpassung der Arten an die extremen Klimabedingungen wie Trockenheit, starke Temperaturschwankungen und Wind sowie den Küstennebel. Mit 400 Arten höherer Pflanzen besitzt die Namib für einen vollariden Lebensraum eine vergleichsweise hohe Phytodiversität. Rund 30 % der Pflanzenarten sind en-
Historische und heutige Landnutzungskonflikte
demisch, d.h. nur dort zu finden, und daher besonders schützenswert (BURKE 2004). Auch in ihrer Fauna verfügt die Namib über zahlreiche endemische Arten. Insgesamt sind 29 endemische Wirbeltierarten bekannt, davon 23 Reptilien-, drei Säugetier- und drei Straußenarten. Hinzu kommen weitere, an den Lebensraum adaptierte Säugetierarten, die zwar nicht endemisch sind, aber in der Namib eine weite Verbreitung gefunden haben. Dazu zählen die Oryxantilope, der Springbock und das Bergzebra (LOVEGROVE 1999).
Historische und heutige Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park Obwohl die Namib agrarwirtschaftlich nicht nutzbar ist und daher weitgehend unbesiedelt geblieben ist, hat es schon seit mehreren Hundert Jahren wirtschaftliche Interessenskonflikte in diesem Naturraum gegeben. Die indigenen Volksgruppen der San, der Nama (zu denen die Topnaar gehören), der Damara und später auch der Herero nutzten Teile der Wüste für Jagd- und Sammelwirtschaft bzw. für die Viehzucht. Hierbei kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die knappen Ressourcen der Region mit Vertreibungen aus den Stammesgebieten. Archäologische Funde mit einem Alter von maximal einem Jahrtausend sind Belege früher saisonaler Fischersiedlungen vor allem entlang der Küste der zentralen Namib (SEELY 2004). Andere Funde wie steinerne Überreste von Schutzhütten, Grabstätten, Höhlenmalereien, Keramiken und Werkzeugen weisen auf Jagdaktivitäten in zentralen Wüstengebieten hin. Mit der Kolonisierung Deutsch-Südwestafrikas lag das Hauptinteresse der Kolonialmacht zunächst in der infrastrukturellen Anbindung des Hinterlandes an die Häfen Swakopmund und Lüderitz. Hierzu wurden zwei Eisenbahnlinien durch die Namib gebaut. Nachdem im Jahr 1908 Diamanten bei Lüderitz entdeckt wurden, folgte ein großtechnischer Diamantenabbau in der südlichen und zentralen Namib, der im Süden bis heute andauert. Alle Gebiete südlich von Walvis Bay bis zum Oranje-Fluss wurden zu Sperrgebieten erklärt, die nicht betreten werden durften. Bedingt durch die Abbautechnik sind die Wüstenökosysteme dort inzwischen großflächig zerstört. In den ersten Jahren der Unabhängigkeit Namibias entwickelte sich an wenigen Stellen des Namib-Naukluft-Parks ein staatlich gelenkter Tourismus. Insbesondere die Salztonebenen und Dünenformationen des Sossusvlei am Ostrand des Parks sowie die Gebiete um die Hafenstädte Swakopmund, Walvis Bay und Lüderitz erhielten vom Ministry of Environment and Tourism (MET) eine touristische Infrastruktur in Form von gebührenpflichtigen Erschließungspisten, Restcamps und Zeltplätzen. Private Investoren wurden weitgehend ferngehalten. Der private Tourismussektor gewann erst in den 1990er-Jahren an Bedeutung und bietet seitdem schwerpunktmäßig in den Küstenorten sowie am Ostrand der zentralen und südlichen Namib Lodges, Gästefarmen und Safaritouren an (s. Abb. 16.4). Weitergehende Pläne des MET sehen bis zu einem Drittel des Parkgebiets als touristische Entwicklungszonen vor, die sich aber zum großen Teil mit den ökologisch empfindlichsten Schutzzonen überlappen (MINISTRY OF ENVIRONMENT AND TOURISM 2004).
Indigene Volksgruppen
Kolonialzeit
Tourismus
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
Ressourcengewinnung
Der staatliche und der private Tourismussektor sind nicht die einzigen wirtschaftlichen Interessensgruppen im Namib-Naukluft-Park. Weitere bedeutende Stakeholder mit unterschiedlichen Zielen sind der Bergbau, die Wasserwirtschaft und die indigenen Volksgruppen (s. Abb. 16.5 u. 16.6). Die Brennpunkte der heutigen Landnutzungs- und Ressourcenkonflikte zwischen Rohstoffgewinnung, Naturschutz, Tourismus, Wasserwirtschaft und indigener Bevölkerung sind in der Karte des nördlichen Teils des Nationalparks verortet (s. Abb. 16.4). Während der Diamantenabbau sich weitgehend auf die Schelfgebiete vor der Küste des Nationalparks zurückgezogen hat, drängen weitere Bergbauindustrien und Erdölgesellschaften auf Abbaulizenzen in der rohstoffreichen Namib und den vorgelagerten Schelfgebieten. Vor allem Uran- und Kupfererze, Erdöl und Erdgas sind in abbauwürdigen Mengen und Konzentrationen vorhanden. Zwei große Urantagebaubetriebe, Rössing Uranium Ltd. nordöstlich von Swakopmund, knapp außerhalb der Nationalparkgrenze gelegen, und Langer Heinrich Uranium Ltd., innerhalb des Nationalparks tätig (vgl. Abb. 16.4), haben bereits in großem Umfang das Relief, den Wasser-
Stakeholdergruppe Einzelne Stakeholder als Nutzer von Land (Auswahl) und Ressourcen
Ziele/Interessen im Namib-Naukluft-Park
Aktivitäten/Maßnahmen im Namib-Naukluft-Park
Naturschutz
Staat, vertreten durch Ministry of Environment and Tourism (MET)
Arten- und Ökosystemschutz, Umweltbildung
Besucherinformation und Besucherlenkung, Schutzgebietsüberwachung
Wissenschaft und Forschung
Staat und NGOs, vertreten durch Forschungsstation (Gobabeb) und Forschungsinstitute
Bewahrung einer ungestörten Umwelt für Ökosystemanalysen und Umweltmonitoring, Umweltbildung
Kooperation mit Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit, Umweltbildungskurse für Universitäten und Schulen
Privater Tourismus
Lodgekonzessionäre, Safari-Unternehmen, lokale Farmer
Touristische Vermarktung von Natur und Landschaft, Aufbau touristischer Infrastruktureinrichtungen
Konzessionsanträge für Lodges, Camps, Durchführung von Guided Tours
Staatlicher Tourismus
Staat, vertreten durch Ministry of Environment and Tourism (MET)
Einkommensgenerierung für Gebührenerhebung für den Staat (durch Namibia Parkeintritt und Betrieb der Wildlife Resorts NWR) staatlichen Rest Camps und Resorts
Bergbau
Minengesellschaften (insbesondere Uran-, Kupfer-, Diamantenbergbau), Erdölwirtschaft
Konzessionserteilung vom Staat für Abbaurechte im Nationalpark und in Offshore-Bereichen
Wasserwirtschaft
Städte, Gemeinden, Minen- Nutzung der Grundwasser- Prospektion, Förderung und gesellschaften, Lodges, Top- reserven im Nationalpark Verteilung (z.T. fossiler) naar, lokale Farmer Grundwasservorkommen
Indigene Bevölkerung
Topnaar Community, vertre- Bleiberecht, Erhalt der Subten duch Community Coun- sistenzwirtschaft, Beschäfticil gung und Gewinnbeteiligung in Tourismus und Bergbau
Prospektionen für mineralische und fossile Rohstoffe im Nationalpark und Offshore
Weidewirtschaft, Nutzung der !Nara-Frucht, Brunnenbau, Ausbildung zu Tour Guides
Abb. 16.5: Stakeholder – ihre Nutzungsinteressen und Aktivitäten im Namib-Naukluft-Park (Entwurf: R. GLAWION)
Kann der Staat die Konflikte lösen?
haushalt und die Tier- und Pflanzenwelt verändert. Von Bohrinseln der Erdölwirtschaft (Shell, Norsk Hydro etc.) geht mit potenziellen Ölunfällen eine permanente Gefahr für die empfindlichen marinen und litoralen Ökosysteme der Küstenzone des Nationalparks mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna aus. Bedroht sind einige der größten Flamingo- und Ohrenrobbenkolonien der Welt. In den letzten Jahren hat das Ministry of Mines and Energy Bergbau-Prospektionslizenzen für den gesamten nördlichen Teil des NamibNaukluft-Parks vergeben, die die gesamte Kies- und Felsnamib sowie große Teile der Dünennamib einschließlich der ökologisch einzigartigen episodischen Feuchtbiotope der Swakop- und Kuiseb-Riviere und des Tsondabvlei umfassen (vgl. Abb. 16.4). Der Bergbau ist, abgesehen von den Städten Walvis Bay und Swakopmund, der Hauptverbraucher der fossilen Grundwasserreserven in der Namib. Als bedeutender Stakeholder ist daher die Wasserwirtschaft an einer umfassenden Nutzung der erneuerbaren und fossilen Grundwasservorkommen zur Versorgung der Minen, Städte und Gemeinden interessiert. Kleinere Wassernutzer sind die Lodges sowie die Siedlungen der Topnaar im unteren Tal des Kuiseb. Die Topnaar als weitere Stakeholdergruppe nutzen die immergrünen Gehölze der Trockenflusstäler für die Subsistenzwirtschaft. Rund 300 Stammesangehörige der Topnaar leben in zwölf Siedlungen im unteren Kuisebtal (s. Abb. 16.4). Ihre hauptsächliche Lebensgrundlage bilden die Ziegen- und Rinderherden. Eine herausragende Rolle in der Kultur, Tradition, Ernährung und Wirtschaft der Topnaar spielt die Nara-Pflanze. Sie verdeutlicht die Angepasstheit des Lebens der Wüstenbewohner an die Natur. Heutige soziale Probleme für die Kuiseb-Topnaar entstehen durch die Abwanderung in die Städte, v.a. Walvis Bay, und die Abnahme der Tragfähigkeit der Trockenflussweiden durch vermehrte Grundwasserentnahme der Bergbauindustrie und der urbanen Zentren. Seit 1997 engagieren sich NGOs in gemeinsamen Workshops und Arbeitsgruppen mit den Topnaar, die Nutzung der !NaraPflanze weiter auszubauen, um den Topnaar eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Dabei werden neben den biologischen Aspekten der !Nara vor allem auch sozioökonomische Faktoren der gemeinschaftlichen Entwicklung beachtet (HENSCHEL 2004).
Wasserwirtschaft
Topnaar
Kann der Staat die Landnutzungs- und Ressourcenkonflikte im Nationalpark lösen? Angesichts der genannten ökonomischen Stakeholder, die ihre Interessen im Schutzgebiet teilweise schon erfolgreich durchgesetzt haben (insbesondere Bergbau und Tourismus), hat der Einfluss der ursprünglichen Interessensgruppen i.S. der Nationalparkstatuten, nämlich des Naturschutzes und der Wissenschaft und Forschung, im Nationalpark mittlerweile stark an Bedeutung verloren (vgl. Abb. 16.6). Die Ursachen dafür liegen: * in der Schwäche des namibischen Umweltministeriums (MET), Naturschutzinteressen gegenüber starken ökonomischen und politischen Interessen durchzusetzen; * in der konfliktträchtigen Mehrfachrolle namibischer Ministerien und Insti-
Environmental Governance
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
*
*
*
tutionen, die gezwungen sind, unterschiedliche Interessensgruppen zu bedienen; in der Zielsetzung des Staates, die Schutzgebiete als einkommengenerierende Ressourcen zu betrachten; in den Mängeln der namibischen Umweltgesetzgebung mit teilweise sich widersprechenden Gesetzen (Bergbaurecht vs. Naturschutzrecht); in den Interessensgegensätzen politischer Entscheidungsgremien, durch die dringend benötigte Umweltgesetze blockiert werden (so ist es bis heute nicht gelungen, den dringend benötigten Entwicklungsplan für den Namib-Naukluft-Park durch die gesetzgeberischen Institutionen zu bringen und zu verabschieden).
Konfliktmatrix: Bewertung von Zielen und Interessen durch Nutzer bzw. Stakeholder im Namib-Naukluft-Park Nutzer/Stakeholdergruppen Natur- Wissenschaft Tourismus Bergbau WasserIndigene schutz und Forschung privat staatlich wirtschaft Bevölkerung Ziele/Interessen Arten- und Ökosystemschutz Umweltbildung Bewahrung einer ungestörten Umwelt für wissenschaftliche Zwecke Konzessionsvergabe für Bau von Lodges etc. Saatliche Einkommensgenerierung durch MET/NWR Konzessionsvergabe für Bergbaulizenzen Nutzung der Grundwasserreserven Subsistenzwirtschaft Ökonomische Beteiligung der indigenen Bevölkerung an Tourismus und Bergbau Anzahl Ziele
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+
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++
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o
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2
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4
3
3
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3
1
4
Erläuterungen: ++ = stark positive Bewertung bzw. starke Vertretung der Ziele/Interessen durch Nutzer/Stakeholder + = überwiegend positive Bewertung der Ziele/Interessen durch Nutzer/Stakeholder o = Vor- und Nachteile der Ziele/Interessen gleichen sich für Nutzer/Stakeholder ungefähr aus – = überwiegend negative Bewertung der Ziele/Interessen durch Nutzer/Stakeholder –– = stark negative Bewertung der Ziele/Interessen durch Nutzer/Stakeholder Anzahl Nutzer = Anzahl der Stakeholder-/Nutzergruppen, die ein bestimmtes Ziel/Interesse positiv bewerten (maximal 7 Nutzergruppen) Anzahl Ziele = Anzahl der Ziele/Interessen, die durch eine bestimmte Stakeholder-/Nutzergruppe positiv bewertet werden (maximal 9 Einzelziele) Abkürzungen: MET = Ministry of Environment and Tourism, oberste Aufsichts- und Verwaltungsbehörde für die staatlichen Schutzgebiete NWR = Namibia Wildlife Resorts als halbstaatliches Unternehmen unter Aufsicht des MET, verantwortlich für die Bewirtschaftung der staatlichen Rest Camps, Campingplätze und Resorts sowie für die Erhebung der Eintrittsgebühren in die Schutzgebiete
Abb. 16.6: Konfliktmatrix: Bewertung von Zielen und Interessen durch Nutzer bzw. Stakeholder im Namib-Naukluft-Park (Entwurf: R. GLAWION)
Kann der Staat die Konflikte lösen?
Die Konfliktmatrix zeigt die Bewertung von Zielen und Interessen durch Nutzer bzw. Stakeholder im Namib-Naukluft-Park. Negative Bewertungen sind Folge von (potenziellen) Ressourcen- und Nutzungskonflikten zwischen den Stakeholdern. Positiv bewertet werden Interessen, die im Einklang mit den eigenen Zielen stehen. Beispielsweise werden der Arten- und Ökosystemschutz, die Umweltbildung und die Bewahrung einer ungestörten Umwelt für wissenschaftliche Zwecke sowohl von den Interessensvertretern des Naturschutzes als auch der Wissenschaft und Forschung stark positiv gewertet. Dagegen beurteilen die genannten Interessensvertreter die Konzessionsvergabe für Bergbau und Tourismuseinrichtungen, die Nutzung der Grundwasserreserven und die Subsistenzwirtschaft (wegen der Überweidungsproblematik durch Viehzucht) negativ. Der Tourismus bewertet den Arten- und Ökosystemschutz als Vermarktungsgegenstand überwiegend positiv, solange er die infrastrukturelle Erschließung des Parks und die Einkommensgenerierung nicht behindert. Während der staatlich betriebene Tourismus die Einkommensgenerierung durch die Naturschutzbehörde als Hauptziel betreibt, verfolgen die privaten Tourismusbetreiber das Interesse einer möglichst großzügigen Konzessionsvergabe des Staates für private Lodges, Safariunternehmungen etc. Die indigene Bevölkerung (hier die Volksgruppe der Topnaar im unteren Kuisebgebiet) kann von der in Aussicht gestellten ökonomischen Beteiligung an den geplanten Tourismus- und Bergbauvorhaben profitieren. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die von der Rössing Foundation, einer Stiftung des Uranbergbaus, finanzierte Ausbildung der Topnaar für den späteren Einsatz als Tour Guides und in den Lodges. Nur drei der insgesamt neun im Park verfolgten Ziele und Interessen sind mit den Zielen des Naturschutzes vereinbar, sechs bzw. fünf Interessen sind mit den Zielen des privaten bzw. staatlich gelenkten Tourismus vereinbar, drei Interessen sind mit dem Bergbau verträglich und vier Interessen mit den Zielen der indigenen Bevölkerung vereinbar (siehe Zeile Anzahl Ziele).
Das namibische Ministerium für Umwelt und Tourismus (MET) ist zuständig sowohl für den Naturschutz, für Wissenschaft und Forschung, für Aufsicht und Besucherlenkung, für den Tourismus und für die Prüfung von Bergbaukonzessionen in allen namibischen Natur- und Wildschutzreservaten. Mit diesen vielfältigen Aufgaben ist das Ministerium nicht nur personell und finanziell überfordert, sondern es muss sich auf Wunsch der Regierung in der Prioritätensetzung den ökonomischen Interessen des Staates beugen. Prospektionslizenzen werden vom Ministry of Mines and Energy ohne ausreichende Umweltprüfung (EIA) vergeben, der Tourismus wird auch in ökologisch hoch sensiblen Gebieten zugelassen. So ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die oberste Natur- und Umweltschutzbehörde des namibischen Staates die ökologische Zerstörung des Namib-Naukluft-Parks widerstandslos akzeptiert. Gobabeb Training and Research Centre Ein Beispiel für die Mehrfachrolle einer von einer NGO und dem Staat gemeinschaftlich betriebenen Institution, die zu Nutzungskonflikten führen kann, ist die renommierte Wüstenforschungsstation Gobabeb (Gobabeb Training and Research Centre) am mittleren Kuiseb in der zentralen Namib (s. Abb. 16.4). Das Gobabeb Training and Research Centre arbeitet seit 1998 als Joint Venture zwischen der nichtstaatlichen Desert Research Foundation of Namibia (DRFN) und dem namibischen Umweltministerium (MET). Die ursprüngliche Aufgabe dieser 1962 gegründeten traditionsreichen Station bestand darin, als Basisstation vom Menschen unbeeinflusste Wüstenökosysteme langfristig zu beobachten und zu erforschen. Seit 1998 hat Gobabeb sein Tätigkeitsfeld auf die Umweltausbildung verschiedenster Gruppen wie Schulklassen, Universitätsseminare, Praktikanten und Doktoranden ausgeweitet. Da inzwischen Fördermittel unterstützender ausländischer Institutionen (u.a. GTZ, BMZ) weggefallen sind und der nami-
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Landnutzungskonflikte im Namib-Naukluft-Park
bische Staat nicht bereit ist, das entstehende finanzielle Defizit aufzufangen, versucht Gobabeb durch die Vergabe von Lodgekonzessionen über das MET in unmittelbarer Nachbarschaft der Station eine nachhaltige Einkommensquelle zu generieren (GOBABEB TRAINING AND RESEARCH CENTRE 2007, TARR 2006). Außerdem unterstützt Gobabeb die Ausbildung von Bergbauangehörigen im Umweltbereich und von Topnaar im Tourismusbereich mit finanzieller Förderung der Rössing Foundation, einer Stiftung der Rössing Uranium Ltd. (FREDERIK/TRENKLE 2007). Somit gerät die auf Unabhängigkeit bedachte Station Gobabeb gezwungenermaßen in eine Zweckallianz mit den drei ökonomischen Stakeholdergruppen Tourismus, Bergbau und den Topnaar. Ob diese Rolle auch für die Wüstenforschung einen Vorteil bringen wird, ist noch nicht abzusehen. Mittlerweile hat das Ministry of Mines and Energy die Eigenfinanzierungs- und Tourismuspläne von Gobabeb durch die aktuelle Vergabe von Bergbau-Prospektionslizenzen bis an die Tore der Forschungsstation faktisch zunichte gemacht – und dies, obwohl das MET im Jahr 2009 die Konzession für den Bau der Touristenlodges und ihrer exklusiven Nutzungszonen auf dem Gebiet der heutigen Bergbaukonzessionen erteilt hat (http://www.gobabebtrc.org). Dies zeigt wiederum, dass die Ministerien so stark in den Nutzungskonflikten verstrickt sind, dass sie – unwissentlich oder wissentlich – widersprüchliche Entscheidungen treffen. Eine Interessenskollision zwischen den Stakeholdern Bergbau und Tourismus im Nationalpark ist somit für die nahe Zukunft vorprogrammiert (vgl. Abb. 16.4).
Zusammenfassung und Ausblick Interessen und Machtstrukturen
Der Namib-Naukluft-Park als einer der ökologisch bedeutendsten Wüstenökosystem-Schutzgebiete der Erde ist heute akut in seinem Bestand gefährdet. Ursachen dieser Gefährdung sind nicht, wie in anderen afrikanischen Nationalparks, die mangelnde staatliche Kontrolle und Aufsicht zur Verhinderung illegalen Raubbaus an den Ressourcen, sondern mangelnde Koordination, Planung und Gesetzgebung im Umweltbereich seitens des namibischen Staates. Da die Verabschiedung eines Parkentwicklungsplans, der die Nutzungen im Sinne des Naturschutzes regelt, bisher in den politischen Institutionen blockiert wird, haben einflussreiche ökonomisch orientierte Stakeholder ein beinahe ungehindertes legales Zugriffsrecht auf die Ausbeutung der Ressourcen des Nationalparks. Das für Naturschutz zuständige Ministerium erweist sich als unfähig, die Interessen des Naturschutzes gegenüber dem ökonomischen Druck der Bergbaugesellschaften durchzusetzen, da es selber in Interessenskonflikte verwickelt ist. Einerseits soll es die Belange des Arten- und Ökosystemschutzes vertreten, andererseits hat es den staatlichen Auftrag, aus den ihm unterstellten Schutzgebieten maximale Einkommen zu erwirtschaften. Dies geschah bisher in den meisten Nationalparks des Landes durch den staatlich gelenkten Tourismus, der von den Namibia Wildlife Resorts (NWR) als halbstaatlichem Unternehmen des MET betrieben wird. Die Grenze vom naturverträglichen Tourismus zur umweltzerstörenden Ausbeutung des Schutzgebiets wurde mit der flächendeckenden Vergabe von Bergbau-Prospektionslizenzen im nördlichen Teil des Nationalparks deutlich überschritten (vgl. Abb. 16.4). Damit ist die Frage im Titel dieses Beitrags („Ausverkauf eines afrikanischen Nationalparks?“) zu bejahen.
Zusammenfassung und Ausblick
Die einzige Möglichkeit, eine dauerhafte Schädigung der Wüstenökosysteme in großem Umfang noch zu verhindern, besteht darin, internationalen Druck auf den namibischen Staat auszuüben, damit die Umwandlung der erteilten Prospektionslizenzen in Abbaulizenzen durch Einschaltung bereits jetzt gesetzlich vorgeschriebener Umweltprüfgutachten (EIAs) verhindert wird. Es muss jedoch gewährleistet werden, dass die EIAs von unabhängigen Organisationen oder Büros in gründlicher Weise durchgeführt werden und nicht, wie bisher oft geschehen, von den Bergbaubetreibern an „kompromissbereite“ Auftragnehmer vergeben werden. Ein Druckmittel, diese Forderung durchzusetzen, wäre der Hinweis auf die negativen Folgen für den internationalen Tourismus, von dem Namibia bereits heute ökonomisch stark profitiert (vgl. Abb. 16.1 u. 16.2). Ein erster Hoffnungsschimmer ist die vom MET soeben erteilte Konzession für die touristische Entwicklung großer, bisher für Bergbau vorgesehener Flächen im Norden des Nationalparks (s. Abb. 16.4), sofern der Staat damit tatsächlich eine erste Weichenstellung für nachhaltigen Tourismus und gegen den Rohstoffabbau vorgenommen hat. Allerdings bleiben die Prospektionslizenzen in diesen Gebieten weiter bestehen. Offensichtlich schätzt der Staat das langfristige Entwicklungspotenzial für den Tourismus im Namib-Naukluft-Park bisher nicht hoch genug ein. Die kurzfristigen Einnahmen aus Bergbaulizenzen können jedoch die langfristigen ökonomischen Nachteile einer Zerstörung des Landschaftsbildes und der Ökosysteme im Park für den zukünftigen Tourismus in Namibia nicht ausgleichen.
Lösungsperspektiven
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika: Auswirkungen von Produktionsmaßstab und Produktionssystemen am Beispiel KwaZulu-Natal RAYMOND AUERBACH
Abb. 17.1: Der dänische Landwirtschaftsminister erhält vom Chair der Umthombongashi Organic Co-operative organisches Gemüse als Dank für die Unterstützung durch die dänische Entwicklungsorganisation DANIDA beim Training von Bauern als Biobauern; mitanwesend auch der dänische Botschafter (Foto: RAINMAN LANDCARE FOUNDATION)
Landwirtschaft in kleinem Maßstab ist weltweit durch vier Haupthemmnisse geprägt: Zugang zu Land, Zugang zu Märkten, Zugang zu Kapital und Zugang zu Fachkenntnissen. Darüber hinaus haben afrikanische Kleinbauern zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Standorte mit genügend Bodenfeuchtigkeit und -nährstoffen zu finden, um verlässliche Ernten zu erzeugen. Fortschreitende Verödung und abnehmende Biodiversität bedrohen in immer größerem Maße eine nachhaltige Entwicklung. Ein Eingreifen durch Maßnahmen auf breiter Basis ist von Natur aus schwierig, da die ländliche Bevölkerung zumeist nur auf lokaler Ebene organisiert ist und ländliche Einrichtungen in Afrika gewöhnlich schwach sind. Dagegen sind die Weltbank sowie Regierungsinitiativen eher auf groß angelegte Systeme ausgerichtet. Viel versprechende Unterstützungsinitiativen im südlichen und östlichen Afrika arbeiten auf lokaler Basis mit dem Ziel, Einrichtungen vor Ort zu schaffen und gleichzeitig die Agrarproduktion mit risikomindernden Technologien zu unterstützen. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass Gruppen von Kleinbauern Absatzmärkte finden sowie Schulung und Praxisanleitung er-
Nahrungsmittel-, Energie- und Wasserkrise
halten. Umfassende Landreforminitiativen haben dagegen fast überall zu katastrophalen Auswirkungen geführt.
Nahrungsmittel-, Energie- und Wasserkrise Heute leben ungefähr 6,5 Mrd. Menschen auf der Erde und fast die Hälfte von ihnen ist aktiv im landwirtschaftlichen Bereich tätig. Wasser ist der maßgebende Faktor für ihr Überleben. Bis spätestens 2025 wird mit großer internationaler Wasserknappheit gerechnet. China und Indien haben zusammen eine Bevölkerungszahl von über einem Drittel der Weltbevölkerung (2,2 Mrd.), und beinahe zwei Drittel davon sind in der Landwirtschaft tätig. Die Bevölkerungsdichte liegt zwischen 300 und 700 Menschen pro km2 in verschiedenen Gebieten dieser Länder. Zusammen verfügen beide Länder über ungefähr 5000 km3 Süßwasser. In den USA zeigt sich eine völlig andere Situation: Wasser ist reichlich vorhanden (etwa 2500 km3 Süßwasser für 280 Mio. Menschen), und die Bevölkerungsdichte liegt bei drei Einwohnern pro Quadratkilometer. Ca. 21 Mio. ha Land werden bewässert (IWMI 2000). Die demographische Situation in Südafrika liegt zwischen der in China und Indien einerseits und jener in den Industrieländern wie den USA andererseits. Die Bevölkerungsdichte beträgt 35 Menschen pro km2, und ungefähr 15 % der Bevölkerung sind aktiv in der Landwirtschaft tätig. Doch die in Südafrika verfügbaren Wasserressourcen stellen ein großes Problem dar: Während in den USA jährlich ca. 7000 m3 Süßwasser pro Person und in China und Indien ca. 2000 m3 zur Verfügung stehen, sind in Südafrika jährlich nur 1200 m3 Süßwasser pro Person vorhanden. Nur 1,3 Mio. ha – ungefähr ein Prozent – des Landes wird bewässert.
Bevölkerung Bevölkerungsdichte In der Landwirtschaft Tätige Wasser pro Person pro Jahr
China und Indien
Südafrika
USA
zusammen 2,2 Milliarden
40 Millionen
280 Millionen
500 pro km2
35 pro km2
3 pro km2
65 %
15 %
2%
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1200 m3
7000 m3
Überlebensfaktor Wasser
Abb. 17.2: Bevölkerung, Urbanisierung und verfügbares Süßwasser (Entwurf: R. AUERBACH)
Obwohl in Südafrika die Urbanisierung rapide voranschreitet, werden Wassermangel und ungleichmäßige Verteilung der Niederschläge weiterhin jene Menschen betreffen, die in der von Regenfällen abhängigen Landwirtschaft involviert sind. Klimatische Veränderungen werden wahrscheinlich dazu führen, dass die zentralen und westlichen Gebiete Südafrikas trockener sein werden, während die östlichen Gebiete eher feuchter, aber äußerst
Landwirtschaft und Ernährungssicherung
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198
Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
Klimawandel und Landwirtschaft
unberechenbaren, heftigen Regengüssen ausgesetzt sein werden. Abbildung 17.2 zeigt auch, dass trotz rapider Urbanisierung die Bevölkerungsdichte in Südafrika keineswegs so hoch ist wie in China und Indien. Im Gegensatz zu den USA ist jedoch noch eine erhebliche Anzahl von Menschen in der Landwirtschaft tätig. Doch die Zahl der in ländlichen Gegenden lebenden Menschen ist viel größer als die der in der Landwirtschaft tätigen. Mehr als 20 Mio. Menschen (wenigstens drei Millionen Familien) leben in ländlichen Gebieten und am Stadtrand; nicht einmal ein Drittel jedoch ist in der Landwirtschaft oder im privaten Gemüseanbau aktiv. In den USA ist während der letzten 60 Jahre die Zahl der mit Landwirtschaft (direkt oder indirekt) befassten Bevölkerung von 50 auf 2 % gesunken! Moderne landwirtschaftliche Methoden haben die für die Produktion von einem Hektar Mais benötigte Zeit von 1000 Stunden manueller Arbeit auf zwölf Stunden mechanisiertem Großanbau reduziert. Moderner Anbau ist in Bezug auf Produktion pro Hektar und Arbeitsertrag pro Person sehr effizient, aber hinsichtlich Energie- und Wasserverbrauch sehr ineffizient (PIMENTEL/PIMENTEL 1979). Häufig wird mehr nonsolare Energie in einer mechanisierten, von Chemikalien abhängigen landwirtschaftlichen Produktion verbraucht, als der tatsächliche Energiewert der erzeugten Nahrungsmittel darstellt. Nach Schätzung des südafrikanischen Landwirtschaftsministeriums (NDA 2001) gibt es für 14 Mio. Menschen in Südafrika keine Nahrungssicherheit. Das stellt wenigstens zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung dar, d.h. über zwei Millionen Haushalte. Bei zunehmenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen und abnehmendem Wasservorrat steigen diese Zahlen zurzeit deutlich. Südafrika muss Wege finden, den zwei Millionen Haushalten zu einer gesicherten Nahrungsmittelversorgung zu verhelfen. Einigen kann dabei geholfen werden, sich zu semikommerziellen landwirtschaftlichen Betrieben zu entwickeln. Aber mindestens eine Million Haushalte bedürfen der Schaffung von Unterhaltsystemen, die ihnen wenigstens die nötigsten Lebensgrundlagen und eine gesicherte Basis für die Wahl ihrer zukünftigen Entwicklung ermöglichen. Die so genannten „Schrebergärten“, seit 200 Jahren zum Bild deutscher Städte gehörend, könnten ein Modell darstellen zur Aufnahme in ein nationales Programm städtischer Ernährungssicherheit in Südafrika (DRESCHER 2001). Angesichts der Energiekrise in Südafrika und der weltweiten Nahrungsmittel- und Wasserkrise stellt sich die Frage, welche praktischen Strategien eingesetzt werden können, um Kleinbauern und Haushalten in ländlichen Gebieten und am Stadtrand, die keine Ernährungssicherheit haben, zu helfen, sich selbst zu ernähren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass mit einer Kombination von effizienten Wassernutzungsmaßnahmen und nachhaltigen landwirtschaftlichen Verfahrensweisen mit geringem externem Input zureichend Nahrungsmittel für Afrika erzeugt werden können. Jedoch muss dies zusammen mit institutioneller Unterstützung durch einen Aktionsplan der beteiligten Bauern erfolgen. Dieser Plan muss direkte Schulungsprogramme von Bauer zu Bauer mit der Schulung von Vermittlern in ländlichen Verbänden und der Entwicklung von Marktverbindungen auf lokaler, regionaler und Exportebene verbinden. Untersuchungen in Südafrika haben ergeben, dass Regenwassernutzung und ökologischer Anbau zu wirtschaftlich ent-
Effiziente Wassernutzung
wicklungsfähigen Erträgen führen können, während Erfahrungen in Ostafrika zeigen, dass mit entsprechender Unterstützung von National Organic Agricultural Movements (NOAMs) die Bauern deutlich höhere Erträge aufweisen. Für beides gilt, dass es jeweils nur örtlich gebunden funktioniert.
Effiziente Wassernutzung Um die Effizienz der Wassernutzung zu erhöhen, sind sowohl eine verbesserte Nutzung des Wasservorrats als auch ein reduzierter Wasserbedarf notwendig; vorhandene Feuchtigkeit sollte optimal genutzt werden. In ariden wie auch semiariden Gebieten Afrikas tragen drei Faktoren erheblich zu Missernten bei: * hochgradiger Evaporationsverlust (potenzielle Evapotranspiration), * schlechte Wasserinfiltration und * geringes Vermögen des Bodens, Wasser zu binden.
Anpassungsstrategien
In vielen heißen Gebieten Afrikas ist die potenzielle Evapotranspiration (der atmosphärische Wasserbedarf) größer als der gesamte jährliche Niederschlag. Im südlichen Afrika wird hauptsächlich Landwirtschaft in Gebieten betrieben, in denen das Jahresmittel potenzieller Evaporation das Jahresmittel des Niederschlags übersteigt (z.B. 1540 mm gegenüber 850 mm Niederschlag bei der Rainman Landcare Foundation). Wenn man den Niederschlag durch die potenzielle Evapotranspiration teilt, erhält man einen Ariditätsindex – z.B. 0,55 bei der Rainman Landcare Foundation (LORENTZ/AUERBACH 2005) und 0,24 in der trockeneren Provinz des Freistaats KwaZulu-Natal (BOTHA et al. 2005). Ein hohes Maß an Aridität trägt zu Südafrikas Wasserknappheit bei. Effiziente Wassernutzung (oder fachlich korrekter: effiziente Niederschlagsnutzung) kann als Ernteertrag pro Einheit Wasser von Regenfällen berechnet werden. Als Kofi Annan, der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, zu einer Steigerung der Nahrungsmittelerzeugung bei existierenden Wasserressourcen aufrief, sagte er, dass wir „mehr Nahrungsmittel pro Tropfen Wasser“ erzeugen müssen. Was er meinte, war eine verbesserte Effizienz unserer Wassernutzung.
Das Rainman-Rainwater-Harvesting-System Gezielte Regen-Wassergewinnung führt zur Effizienzsteigerung des ökologischen Anbaus. Untersuchungen an der Rainman Landcare Foundation haben ergeben, dass bei Schaffung von völlig ebenen Erdwällen (längs der Höhenlinien) und der Verwendung von Kompost die Infiltration beinahe verdoppelt und die Grundwasseranreicherung von 6 % auf 26 % erhöht wurde. Eine weitere Strategie zur Erhöhung der Wassernutzungseffizienz ist, die Bodenevaporation zu reduzieren und damit auch den Ariditätsindex zu senken. Evaporation kann sehr wirksam reduziert werden, während gleichzeitig durch die Verwendung von Laubdecken der Boden gegen Erosion geschützt wird. Untersuchungen zeigten eine 40 %ige Abnahme der Evaporation (AUERBACH 1997 und 1999, LORENTZ/AUERBACH 2005).
Integrierte Wassernutzungssysteme
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
Die Nutzung von Erdwällen und die Verwendung von Kompost sowie Laubdecken sind integrierte Bestandteile des Rainman-Rainwater-Harvesting-Systems. Dieses System wird umfangreich in KwaZulu-Natal genutzt. Dabei wird gleichzeitig die Bodenbeschaffenheit verbessert, die Oxidation organischer Stoffe durch Reduzierung der Bodentemperaturen vermindert, die Auswirkung von Regentropfen und damit die Bodenerosion reduziert, die Fähigkeit des Bodens, Nährstoffe und Feuchtigkeit zu speichern, erhöht und zusammen mit guten Schutztechniken (völlig ebene Erdwälle entlang der Höhenlinien oder kleine Auffangmulden) die Wasserinfiltration erheblich verbessert (AUERBACH 2005). In den trockeneren, flacheren Gebieten im Westen funktionieren Regenwassergewinnungssysteme auf dem Feld (Mikro-Auffangmulden) am besten (BOTHA et al. 2005), während in den steileren Gebieten an der östlichen Küste mit Starkniederschlägen der Abfluss von oberen Mulden (aus den Feldern) gewonnen und auf ein tieferes Produktionsgebiet geleitet wird (LORENTZ/AUERBACH 2005).
Verhinderung der Ressourcendegradation
Aride Gebiete mit hohem Evaporationsbedarf weisen charakteristischerweise auch hochgradige Bodenerosion und Zersetzung der organischen Stoffe auf. Das Ergebnis ist eine Folge von Degradation der natürlichen Ressourcenbasis. In Kombination der Strategien zur Erhöhung der Wassernutzungseffizienz mit Strategien zum Schutz der organischen Stoffe im Boden und der Biodiversität verbessert das Rainman-System die Wassernutzungseffizienz bei gleichzeitiger Reduzierung der Verschmutzung von Wasserwegen und der Gefahr chemischer Belastung. Dabei wird außerdem durch den Zugang zu Nischenmärkten der Lebensunterhalt vieler Menschen verbessert. Bei der Rainman Landcare Foundation entspricht die jährliche Erhöhung der Wasserinfiltration aufgrund von Erdwällen ungefähr zehn Auffüllungen durch Regenfälle von 200 mm (LORENTZ/AUERBACH 2005). Die Mitwirkung von Kompost an der Fähigkeit des Bodens, Wasser und Nährstoffe zu speichern, ist noch nicht quantifiziert worden, aber zertifizierte ökologische Produkte erzielen einen Preiszuschlag von ca. 20 %. Bei diesem System kann ein Feuchtigkeitsgebiet von einem Hektar genügend Wasser von einem elf Hektar großen Abflussgebiet auffangen und speichern, um ein Hektar Handelsgärtnerei vollständig zu bewässern und ein Hektar Kaffee mit drei oder vier Bewässerungen zu versorgen. Im trockneren Freistaat erbrachten Regenwassergewinnungssysteme auf dem Feld einen Anstieg der Erträge bei Mais und Trockenbohnen von 55–2967 % (BOTHA et al. 2005). Lokale Regenwassergewinnung auf kleiner Basis ist also äußerst wirksam bei der Reduzierung des Risikos von Missernten. Das System ist einfach und wenig kostspielig in der Anlage und steigert die landwirtschaftliche Produktivität sowie den Lebensunterhalt der Bauern beträchtlich.
Fallstudie – „Low-cost“-Lösungsansätze Die folgende fotografische Fallstudie zeigt, wie eine mit geringem Kostenaufwand verbundene lokale Intervention mit Schulung, Beratung und praktischer Hilfe eine katastrophale Situation in Produktivität verwandeln kann:
Effiziente Wassernutzung
Abb. 17.3: Kleinbauern von Cliffbux bestellen steiles Land ohne Plan für Boden- oder Wasserschutz (Foto: RAINMAN LANDCARE FOUNDATION)
Abb. 17.4: Kleinbauern mit Schulung in Bodenund Wasserschutz benutzen das Rainman-System (Foto: RAINMAN LANDCARE FOUNDATION)
Abb. 17.5: Kleinbauern erhalten Hilfe beim Vermessen und Bau der ersten Erdwälle (völlig ebene Wälle längs der Höhenlinien) (Foto: RAINMAN LANDCARE FOUNDATION)
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
Abb. 17.6: Drei Monate später haben Bauern 22 Erdwälle und einen Staudamm gebaut (Foto: RAINMAN LANDCARE FOUNDATION) Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, wie lokale Eingriffe den Bauern ermöglichen, nützliche Neuerungen weiterzuführen. Leider hat die Tatenlosigkeit der Regierung und des Landwirtschaftsministeriums in der Unterstützung dieses Entwicklungsprojekts zur Verhinderung einer Weiterentwicklung von nachhaltigen Bewässerungssystemen geführt. Durch kleinere Eingriffe zur Regenwassernutzung, wie oben beschrieben, werden keine Menschen vertrieben, sondern Kleinbauern dabei unterstützt, ihren Lebensunterhalt aufzubessern, indem das Risiko einer Missernte reduziert wird. Dagegen werden durch groß angelegte Eingriffe wie regionale Staudämme Menschen verdrängt. Darüber hinaus haben solche Eingriffe in der Regel negative Auswirkungen auf die Umwelt.
Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit
Agrarwissenschaften und Entwicklungszusammenarbeit
Wie können technische Neuerungen in erfolgreiche Programme zur sozialen Besserstellung umgewandelt werden? Was haben wir von den letzten 50 Jahren internationaler Entwicklungshilfe, afrikanischer Hungersnöte, der Grünen Revolution und der gegenwärtigen weltweiten Nahrungsmittelkrise gelernt? Der Agrarwissenschaftler Niels RÖLING umreißt, wie sich Agrarerweiterung von einem „es den Bauern antun“ zu einem „es für die Bauern tun“ und nun in Richtung eines „es zusammen mit den Bauern tun“ weiterentwickelt hat (RÖLING 1988). So wie partizipative Ansätze in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts populärer wurden, kam es zum allgemeinen Konsens, dass es effizienter ist, mit den Bauern zusammenzuarbeiten, bei der Entdeckung von Neuerungen zu helfen und auch bei der Schaffung von Bedingungen mitzuwirken, damit die Bauern Neuerungen durchführen und ihren Lebensunterhalt aufbessern können. Vor kurzem schrieb RÖLING (2009), dass „es für Bauern sehr wenige Anbauverbesserungen gibt, zu denen sie durch bessere Technik Zugang erhalten. Geeignete Techniken sind nur innerhalb der kleinen Gelegenheitsspan-
Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele
ne, die Kleinbauern gegeben ist, wirksam. Die Herausforderung ist also, diese Gelegenheiten auszudehnen. […] Wenn die Herausforderung in größeren Innovationen liegt, auf welchem Weg kann dann die Agrarwissenschaft Einfluss nehmen? Diese Frage bildet den Kern der beruflichen Kompetenz des Agrarwissenschaftlers. Es ist nicht denkbar, dass Wissenschaftler sich damit beschäftigen, Techniken zu entwickeln, ohne sich Gedanken über die Verfahrensweisen zu machen, durch die ihre Arbeit zum Erreichen der Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele beiträgt. Schaut man jedoch, wie Wissenschaftler Wege der Wissenschaft praktisch konzeptualisieren, kann man sich häufig nicht des Eindrucks erwehren, dass sie und ihre Berufsorganisationen nicht viel Zeit und Mühe darauf verwenden, diese zu verstehen.“ RÖLING folgert, dass „die Dringlichkeit fortdauernder ländlicher Armut in Afrika, Klimawandel und weltweite Ernährungsunsicherheit es unumgänglich machen, dass wir in die Entwicklung geeigneter wissenschaftlicher Möglichkeiten und den Kapazitätsausbau der Agrarwissenschaft investieren, so dass sie angesichts neuer globaler Herausforderungen zweckgerichtet eingesetzt werden können“. Die Unterstützung von Innovationen erfolgt auf lokaler Ebene; und wenn dies erfolgreich ist, findet mit langsamer, aber nicht nachlassender Effizienz eine Verbreitung von Landwirt zu Landwirt statt. Funktionierende Innovationen bedürfen jedoch auch der Unterstützung von gut funktionierenden Einrichtungen. RÖLINGS Kommentar: „Nach neuer Denkweise liegt die Hauptherausforderung nicht so sehr in der Übergabe von Techniken an den Nutzer, sondern im Erhöhen der Innovationskapazität der wesentlichen Stakeholder. […] Innovationen entstehen aus dem Synergieeffekt bei der Zusammenarbeit dieser Stakeholder. Während meiner gesamten beruflichen Entwicklung habe ich mich mit dem reizvollen Konzept der Innovation abgemüht. […] Es wird nicht leichter, besonders jetzt, da anthropogene Veränderungen der fragilen Troposphäre nach Innovationen verlangen, wie wir sie fordern. Meine Mitarbeit am Weltagrarbericht ‚International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development‘ (IAASTD), der von 59 Ländern in einer zwischenstaatlichen Plenarsitzung in Johannesburg, Südafrika, im April 2008 angenommen wurde, hat mir diesen neuen Kontext deutlich gezeigt.“
Innovationen
International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD) „Die IAASTD ist eine Konsequenz des Internationalen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) und der Bewertung von Ökosystemen (EA) und folgt ähnlichen Verfahrensweisen. Die IAASTD wurde als Multi-Stakeholder-Prozess unter der Schirmherrschaft eines Präsidiums, das Regierungen, private Organisationen und bürgerliche Gesellschaften umfasst, geschaffen. Etwa 400 Personen waren an der Abfassung des Berichts beteiligt.“ (RÖLING 2009)
In der Zusammenfassung des Syntheseberichts der IAASTD heißt es: „Die IAASTD ist eine Reaktion auf die weltweite Feststellung, dass wir trotz bedeutender wissenschaftlicher und technischer Leistungen bei der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität den unbeabsichtigten so-
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
zialen und Umweltfolgen unserer Leistungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Wir sind jetzt in der guten Lage, über diese Folgen zu reflektieren und verschiedene Optionen zu formulieren, so dass wir den auf uns zukommenden Herausforderungen begegnen können, die wahrscheinlich am besten gekennzeichnet werden können als Bedarf an Lebensmitteln und gesichertem Lebensunterhalt bei zunehmend begrenzten Umweltbedingungen innerhalb und außerhalb des Landwirtschaftsbereichs und der globalisierten Wirtschaftssysteme.“ „Diese weltweite Feststellung ist direkt mit den Zielen der IAASTD verbunden, wie Agrarwissen, Wissenschaft und Technologie (AKST) genutzt werden können, um Hunger und Armut zu reduzieren, den ländlichen Lebensunterhalt zu verbessern und für eine ausgewogene Umwelt, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung zu sorgen. Im Kontext der IAASTD sind wir uns der Wichtigkeit von AKST für die Multifunktionalität der Landwirtschaft und als Angelpunkt zu anderen lokalen und globalen Anliegen bewusst. Dazu gehören Verlust von Biodiversität und von Dienstleistungen, von Ökosystemen, Klimawandel und Verfügbarkeit von Wasser. Die IAASTD ist einzigartig in der Geschichte von Agrarwissenschaftsbewertungen, da sowohl formale Wissenschaft und Technologie als auch lokales und traditionelles Wissen bewertet werden. Des Weiteren werden nicht nur Produktion und Produktivität, sondern auch die Multifunktionalität der Landwirtschaft berücksichtigt, und erkannt, dass vielfältige Perspektiven bzgl. Funktion und Eigenart von AKST existieren. Über viele Jahre konzentrierte sich die Agrarwissenschaft darauf, Teiltechniken zu liefern, um die Produktivität in landwirtschaftlichen Betrieben zu erhöhen, bei denen vom Staat geschaffene Märkte und Organisationen die Hauptantriebskraft für die Annahme neuer Techniken bildeten. Das allgemeine Denkmodell war, fortwährend zu innovieren, Hof-Preise zu reduzieren und Kosten auszulagern. Nach diesem Modell wurden nach dem Zweiten Weltkrieg außergewöhnlichen Leistungen von AKST in den Industrieländern erreicht sowie die Ausbreitung der Grünen Revolution zu Beginn der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Doch bei den neuen Herausforderungen, denen wir uns heute gegenübergestellt sehen, sind sich die formalen Wissenschafts- und Technologie-Organisationen in zunehmendem Maße bewusst, dass das gegenwärtige AKST-Modell der Revision bedarf. Weitermachen wie bisher ist keine Lösung. Die Rolle von AKST zur Erreichung von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen muss neu konzipiert werden. Die Zielsetzung muss ein intensiveres Engagement über verschiedenartige Weltanschauungen und möglicherweise widersprüchliche Ansätze hinweg in einer Art und Weise sein, die informativ ist und Handlungsstrategien anregt, mit denen die vielfältigen Funktionen der Landwirtschaft ermöglicht werden.“ (IAASTD 2008)
Veränderungen im Entwicklungsdenken Das Stigma des Ökolandbaus
Der Auftrag der IAASTD, der aus dem Gipfeltreffen über nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 in Johannesburg erwuchs, war festzustellen, auf welche Weise Agrarwissen, Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut auf der Welt reduzieren könnten. Die Aufgabe war nicht zu prüfen, wie die
Veränderungen im Entwicklungsdenken
Erträge pro Hektar durch technische Mittel gesteigert werden könnten. Die Kritik an Verfahrensweise und Ergebnissen der IAASTD deuten darauf hin, dass die Arbeit für unwissenschaftlich gehalten wurde, weil praktische Möglichkeiten erwogen wurden, ressourcearmen Bauern zu helfen, ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Wissenschaftliche Paradigmenwechsel sind bekanntlich schwer herbeizuführen, und bis eine beträchtliche Anzahl von Wissenschaftlern zwingende Untersuchungsergebnisse für einen Wechsel von technikzentrierten Strategien zur Produktionssteigerung pro Hektar zu systemzentrierten Strategien für eine nachhaltige Produktion vorlegen können, wird die Polemik wohl weitergehen. Der Syngenta-Vertreter bei der IAASTD verließ den Raum während der Gespräche am Ende der vierjährigen Untersuchung, da sie angeblich gegen Gentechnik voreingenommen sei. Er schrieb im New Scientist: „Ökologische Landwirtschaft wurde nicht in gleichem Maße einer genauen Prüfung unterzogen. Die Grenzen einer nachhaltigen Produktion von Nahrungsmitteln, Futter, Fasern und Brennstoffen sind im Bericht nicht aufgeführt, obwohl sie von Gremien wie der UN-Welternährungsorganisation (FAO) anerkannt werden. Dreimal so viel Land ist dafür notwendig im Vergleich zu konventionellem Anbau. Bei Umstellung auf Bio-Anbau könnten alle Naturgebiete verloren gehen, Biodiversität gefährdet werden, und für viele könnte dies Hunger bedeuten“ (KEITH 2008). Wie im folgenden Teil klar dargelegt wird, erfordert ökologische Landwirtschaft nicht dreimal so viel Land, um die gleichen Erträge zu erzielen, aber „wissenschaftliche Vorurteile“ sind schwer aus der Welt zu schaffen. Die Reaktion von Professor JIGGINS (2008) in der gleichen Ausgabe des New Scientist war beachtenswert: „Die Konzepte sind zwei unabhängigen Überprüfungen durch Experten aus Industrie, Regierung, bürgerlicher Gesellschaft und spezialisierten Forschungsinstituten unterzogen worden. Ein einziger Abschnitt könnte sich auf Beweise von über 3000 Artikeln in Fachzeitschriften, Buchkapiteln und Berichten über Erfahrungen in der Feldarbeit sowie Diskussionen mit Beratern berufen. Leider entzog sich einer der Hauptakteure der Herausforderung, den Dialog fortzuführen. In den abschließenden Wochen unterließen es Teilnehmer des multinationalen biotechnischen Syngenta-Konzerns wiederholt, den wesentlichen Text vorzulegen, obwohl ihnen die Termine verlängert wurden. Schließlich verließ die Gesellschaft das Präsidium.“ Statt Beweise vorzulegen, dass Gentechnik Kleinbauern nutzen kann, traten sie zurück. Das Entwicklungsdenken ändert sich jedoch in dem Maße, als der Beweis für den Erfolg von wassereffizienter nachhaltiger Landwirtschaft mit geringem externem Input auf der Welt wächst. WILLER/KILCHER (2009) fassen in „Die Welt der ökologischen Landwirtschaft: Statistiken und sich abzeichnende Trends“ kurz zusammen, wie der Bereich gewachsen ist, mit statistischen Informationen, die mittlerweile aus 144 Ländern vorliegen. Ihr Überblick zeigt, dass 2007 32,2 Mio. ha Anbaufläche von über 1,2 Mio. Bauern ökologisch genutzt wurden. Der globale Markt wächst um fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr und stellte 2007 einen Wert von 46,1 Mrd. US-$ dar. Im Vorwort des Berichts (UNCTAD 2008) „Ökologische Landwirtschaft und Ernährungssicherheit in Afrika“ stellen Supachai Panitchpakdi (Generalsekretär der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung – UNCTAD) und Achim Steiner (Leitender Direktor des UN-Umweltprogramms – UNEP)
Gentechnik versus Ökoanbau
Eine Bresche für den Ökolandbau
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
fest, dass wir 2050 etwa neun Milliarden Menschen ernähren werden müssen und dass dies eine große Anzahl von Systemen von nachhaltiger Landwirtschaft erforderlich machen wird. Nach Angaben in der vorgenommenen Untersuchung sei die Behauptung gerechtfertigt, dass eine ökologische Landwirtschaft für die Ernährungssicherheit in Afrika zuträglicher ist als die meisten konventionellen Produktionssysteme und dass diese langfristig eher nachträglich sein wird. Im Fazit der Untersuchung liest man unter anderem: „Alle Fallstudien, die sich in dieser Untersuchung mit vorliegenden Daten auf Nahrungsmittelproduktion konzentrierten, wiesen Steigerungen pro Hektar in der Produktivität von Nahrungsmittelanbau auf. Damit wird der weit verbreitete Mythos, dass Bio-Anbau die landwirtschaftliche Produktivität nicht steigern kann, in Frage gestellt. Bio-Anbau gibt Zugang zu den Märkten und sichert den Bauern Ernährung. Er ermöglicht ihnen, hohe Preise für ihre Produkte zu erzielen (im Inland wie auch im Export), und das zusätzliche Einkommen können sie für den Kauf von weiteren Lebensmitteln, für Ausbildung und/oder Krankenvorsorge verwenden. Der Übergang zu ökologischem Landbau, mit dem größere Gewinne auf einer in diesen Projekten festgestellten Basis erzielt werden, hat gezeigt, dass Lebensmittel in verschiedener Weise erhältlich gemacht werden: durch höhere Erträge, gesteigerte Gesamtproduktion des landwirtschaftlichen Betriebs wird den Landwirten ermöglicht, mit ihrem größeren Einkommen aus dem Export Lebensmittel zu kaufen, und aufgrund der höheren Erträge im landwirtschaftlichen Betrieb können die Menschen in der weiteren Umgebung Bio-Produkte auf den lokalen Märkten kaufen.“ (UNCTAD 2008, S. 39) Trotz dieser und vieler ähnlicher Schlussfolgerungen sind die Hilfsorganisationen in Europa, auch in Deutschland, und die Richtlinien bestimmenden afrikanischen Regierungsvertreter, insbesondere in Südafrika, beinahe fanatisch abgeneigt, ökologischen Landbau als wesentliche Maßnahme einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung zu unterstützen. Dies kann ich, wie auch andere, die versucht haben, in verschiedenen Bereichen über einen Zeitraum von 20 Jahren deutsche Gelder für die Förderung des Biolandbaus zu erhalten, bestätigen (persönliche Korrespondenz, Sabine Rick, 1. 2. 2009). Im Gegensatz zur Schlussfolgerung der Syngenta-Vertreterin, die FAO akzeptiere, dass ökologischer Landbau nicht zu einer effektiven Steigerung der Produktion von Nahrungsmitteln, Futter, Brennstoff und Fasern führen kann (KEITH 2008), veröffentlicht die FAO selbst ganz andere Daten. Diese zeigen, dass zwar bei höchstem Produktionsniveau der Übergang zu Bioanbau negative Auswirkungen auf die Erträge haben kann, jedoch bei Subsistenzanbau die Erträge verdoppelt oder verdreifacht werden, und dass der weltweite Durchschnitt der Bioerträge ca. 132 % höher ist als die gegenwärtige Nahrungsmittelproduktion, wobei 33–56 % weniger Solarenergie gebraucht werden als bei konventionellen Systemen (SCIALABBA 2007). So schreibt sie: „Landwirtschaftlicher Input: Das Hauptmerkmal der ökologischen Landwirtschaft ist, dass sie auf örtlich vorhandenen Produktionsmitteln basiert und somit von der Verfügbarkeit von Rohöl und zunehmenden Input-Preisen relativ unabhängig ist. Eine Produktion auf der Basis von Naturprozessen ist kostengünstiger und flexibler für die Nahrungsmittelproduktion. Indem sie Biodiversität zeitgerecht (Fruchtwechsel) und platzge-
Veränderungen im Entwicklungsdenken
recht (Mischsaat) managen, nutzen Öko-Bauern ihre Arbeitskräfte (ihr verfügbarstes Kapital) und die Dienste der Umwelt (z.B. Predation, Pollination, Boden-Nährstoffflüsse), um die Produktionsnachhaltigkeit zu intensivieren. Diese mit geringen Kosten verbundenen Anbaumethoden reduzieren den Bedarf an Bargeldmitteln und damit die Abhängigkeit von Krediten. Obwohl Öko-Betriebe den Ertrag aus Arbeitseinsatz erhöhen und Arbeitsmöglichkeiten auf dem Land bieten, bleibt die Führung von Öko-Betrieben (wie in der konventionellen Landwirtschaft) begrenzt, wenn Arbeitskräfte knapp sind (z.B. In HIV/AIDS-Gebieten) oder wenn Frauen bereits umfangreiche Arbeiten bewältigen müssen“ (SCIALABBA 2007, § 25). In Übereinstimmung mit den Untersuchungsergebnissen von Rainman stellte die FAO fest: „Effiziente Wassernutzung: die Schaffung aktiver Böden mit einem hohen Maß an organischer Substanz wirkt sich positiv auf Entwässerungs- und Wasserspeicherungsfähigkeit des Bodens aus (20–40 % höher bei schweren Lössböden in gemäßigten Klimazonen), einschließlich Grundwasseranreicherung und reduziertes Abfließen (Auffangen von Wasser auf Bio-Plots in den USA war 100 % bei heftigen Regengüssen). In Pennsylvania waren in Dürrejahren die ökologischen Mais-Erträge 28 bis 34 % höher als die konventionellen. Von Indiana wurde berichtet, dass biodynamische Böden den Bedarf an Bewässerung um 30 bis 50 % reduzieren“ (SCIALABBA 2007, § 33). Die Studie zeigt auch, dass Agro-Biodiversität größer und der Energieverbrauch geringer sind, während effiziente Kohlenstoffbindung fast doppelt so hoch ist. Die Paragraphen 59, 60 und 68 bekräftigen ausdrücklich die Behauptung, dass ökologische Landbau-Systeme sich vorteilhaft auf die lokale Wirtschaft auswirken: § 59. In Entwicklungsländern sind 60 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, während es in den entwickelten Ländern 1–2 % der Bevölkerung sind. Nichtsdestoweniger werden Arbeitsplätze in der Landwirtschaft weiterhin eine Quelle sozialen und ökologischen Wohlergehens von globaler Bedeutung sein. In allen Ländern erregt das Ersetzen der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte durch Chemikalien und Maschinen Besorgnis hinsichtlich sozialer Stabilität (z.B. Auflösung der sozialen Strukturen, Massenmigration, Verstädterung im großen Maß) sowie der verheerenden Auswirkung auf die natürliche Umwelt. Das System der industriellen Lebensmittelproduktion, das in den entwickelten Ländern vorherrscht, in Entwicklungsländern nachzuahmen, in denen 2,5 Mrd. Menschen ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft finden, wird zu einer wachsenden Zahl von Vertriebenen, Enteigneten und Hungernden führen, wenn keine Alternativen geschaffen werden. § 60. Die Landwirtschaft ist der Hauptarbeitgeber in ländlichen Gebieten, und Lohnarbeit stellt eine wichtige Einkommensquelle für die Armen dar. Da ökologischer Landbau arbeitsintensiv ist, werden hier nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch der Arbeitsertrag wird verbessert, was ebenfalls faire Löhne und die Abwesenheit ausbeutender Arbeitsbedingungen bedeutet. Neue Quellen des Lebensunterhalts, besonders wenn erst einmal Marktgelegenheiten einbezogen werden, werden ländliche Wirtschaftsstrukturen wiederbeleben und ihre Integration in die nationale Wirtschaft ermöglichen. In mehreren Situationen ist festgestellt worden, dass eine
Effiziente Wassernutzung durch Ökoanbau steigert die Agrarproduktion
Argument A: Alternative Produktionssysteme sind notwendig
Argument B: Ökolandbau überwindet Marginalisierung von Kleinbauern
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Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wassernutzung in Südafrika
Argument C: Ökolandbau ist ein Weg aus der Nahrungskrise
Fazit
größere Kontrolle der Ressourcen (Arbeitskräfte, Produktionssystem) Selbstbewusstsein und kollektive Selbsthilfe entwickelt, was zur Überwindung von Marginalisierung führt. § 68. Da arme Bauern oft in Gegenden leben, in denen es wenige Arbeitsalternativen gibt und keine landwirtschaftlichen Produktionsmittel bereitgestellt werden, stellt ökologischer Landbau eine einzigartige Alternative für die lokale Nahrungsmittelversorgung dar, vorausgesetzt, dass agro-ökologisches Wissen vorhanden ist. […] Ökologischer Landbau bietet Vorteile hinsichtlich verbesserter Nahrungsmittelproduktion dort, wo der Bedarf am größten ist, durch Verringerung der Abhängigkeit von externem Input sowie erhöhte Leistung des Agro-Ökosystems. Ein Plan zu einer groß angelegten ökologischen Umwandlung in Ländern südlich der Sahara deutet darauf hin, dass die landwirtschaftlichen Erträge um 50 % steigen würden. Das hieße erhöhter lokaler Zugang zu Nahrungsmitteln und reduzierte Nahrungsmittelimporte. Regenwassernutzung in Kombination mit ökologischen Produktionssystemen, Schulung von lokalen ökologischen Vermittlern, Schaffung von Marktverbindungen und kontinuierliches Mentoring stellen einen effizienten Plan für landwirtschaftliche Entwicklung dar. Hierdurch werden Nahrungsmittelproduktion, Ernährungssicherheit pro Haushalt, Biodiversität und effiziente Wassernutzung viel eher erhöht werden als durch den gegenwärtigen Nachdruck auf Landwirtschaftssysteme mit hohem externen Input, Chemikalien und großem Energieverbrauch. (Übersetzung: Gerlind Lyttle)
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Sach- und Ortsregister Adaptionsmechanismen 152 African Easterly Jet 25 African Easterly Waves 25 Agenda 21 48 AIDS vgl. HIV/AIDS Altlasten-Syndrom 10 Anökumene 170 Antananarivo 146ff. Aralsee-Syndrom 10 Ariditätsindex 199 Armut 131, 138–139, 156 Benguela-Southern-Oscillation 159 Benguela-Zirkulation 162 Bevölkerungsdruck 67 Bevölkerungswachstum 71, 73 Bevölkerungszunahme 72 Bewässerungsfeldbau 96 Bewässerungslandwirtschaft 44 Beweidungsintensität 177 Biodiversität 95, 196 Bodendegradation 28, 30 Bodenerosion 200 Brandrodung 26, 28, 30 Burkina Faso 107–109 Dar es Salaam 136, 142ff. Deagrarisierung 84–85 Degradation 50, 52, 119–120, 167, 178–180, 200 Desertifikation 26, 28, 47–53, 55, 167 Disparität 34, 37, 69, 73,139 Dornsavanne 24 Dürrekatastrophe 51, 84 Dust-Bowl-Syndrom 10 Entwicklung, nachholende 77 Entwicklungsdenken 204–205, 207 Entwicklungshypothek 33 Entwicklungszusammenarbeit 202 Erdbeben 128 Ernährungssicherheit 31 Ernährungssicherung 140–141, 197 Erosion 20 FAO 14–16, 206–207 Favela-Syndrom 10–12, 99
Feuchtsavanne 24 Feuermanagement 60, 66 Feuerpolitik 64 Feuerregime 62 Flächenverbrauch 99 Flächenversieglung 99 Gefahrenmanagement 123 Gentechnik 205 Gesundheit 132 Global Change 114, 122 Global Warming 55 Green Belt Movement 19 Grenze des Wachstums 98 Grundwasserreserve 191 Grüne Revolution 13, 78 Grüne-Revolution-Syndrom 10 Havarie-Syndrom 10 Hirtengesellschaft 171 HIV/AIDS 9, 17, 102, 139, 207 Hochwasser 146, 151–152 Hochwasserrisikoanalyse 154, 155 Hochwasserrisikogefährdung 157 Hoher-Schornstein-Syndrom 10 Hunger 9, 14 Hungerindex 16 IAASTD 16, 203–205 Infektionskrankheiten 102 Informelle Siedlungen 137 Internationaler Währungsfonds 38 Inwertsetzung 96–97, 133 IPCC 17, 52–53, 111, 149 ITCZ 24 Kapverden 89ff. Katanga-Syndrom 10–11 Katastrophenvorbeugung 134 Katastrophenvorsorge 129 Kleine-Tiger-Syndrom 10 Klimadynamik 113 Klimaerwärmung 34 Klimafluktuation 164 Klimamodelle 29, 110, 149 Klimamodellierung 23, 28–29 Klimamodellsimulationen 22
Sach- und Ortsregister Klimaphase 118 Klimaschwankung 48, 116, 165 Klimatrends 149 Klimawandel 22, 27–28, 31, 52–53, 55, 147, 198, 203 Kohlendioxid 121 Kohlenstoffdynamik 62 Kohlenstoffisotope 118 Kongo 123ff. Kyoto-Protokoll 32 Landdegradation 26–27, 48, 180 Landflucht-Syndrom 10 Landnutzungskonflikt 182, 189 Landnutzungsmodell 65 Landnutzungswandel 148 Landschaftsdynamik 118 Landschaftswandel 180 Landwechselwirtschaft 50 Landwirtschaft, ökologische 205 Libyen 69ff. Madagaskar 11, 20, 146ff. Malaria 18, 32, 101–107, 109–110, 124, 139, 144 Managementsystem 181 Marginalisierung 43, 151 Massentourismus-Syndrom 91 Migrantenströme 81, 83 Migration 80, 84, 86–87 Migrationsdruck 82, 156 Migrationsrouten 81, 83 Migrationsursachen 81 Millenniums-Entwicklungsziele 13 Mobilität 169, 174 Mobilitätsmuster 173, 175 Mobilitätsrhythmus 175 Monsun 23–24, 59, 162 Müllkippen-Syndrom 10–11 Nachhaltigkeit 79, 169, 176 Nachhaltigkeitsziele 202–203 Nachholende Entwicklung 15 Nahrungskrise 208 Namib 158, 160ff., 185ff. Namibia 169ff., 182ff. Naturgefahrenmanagement 124 Naturkatastrophe 84, 150 NGO 183, 191 Niederschlagsvariabilität 180 Niederschlagsverteilung 35 Niederschlagszyklik 106 Nomadismus 171 Nutzungsdruck 89 Ökolandbau 204–205, 207–208
Ökosystemmanagement 65 Ökosystemschutz 193–194 Ökumene 170 Passat 93 Pest 153 Raubbau 78 Raubbau-Syndrom 10, 12 Regenfeldbau 174 Regenwald 28, 113–116, 119–120 Regenwald-Savannen-Grenze 114 Ressourcenallokation 43 Ressourcenkonflikt 191 Ressourcennischen 145 Ressourcennutzung 177 Risikofaktor 96 Risikomanagement 134 Ruanda 124 Sahel 33, 50, 111 Sahel-Staaten 19 Sahel-Syndrom 10, 169 Saheldürre 26–27 Sahelraum 86 Sahelzone 23, 25, 31 Saisonalität 57 Salztonebene 188 Savanne 58–59, 120 Segmentierung 39 Slumbildung 151 Sozialökologie 169 Steppen 54 Subsistenzlandwirtschaft 67 Subsistenzwirtschaft 31, 51, 99, 191 Subtropen 54 Suburbanisierung 76 Suburbia-Syndrom 99 Südafrika 196ff. Syndrome 99 Tansania 136 Tektonik 124 Tragfähigkeit 31, 98–99 Transmigration 87 Transnationalismus 86 Treibhauseffekt 30 Treibhausgas 27–28, 54 Treibhausgaskonzentration 30 Trinkwasserversorgung 44 Trockenfeldbau 96 Trockenflüsse 188 Trockengrenze 169 Trockenperiode 177 Trockenräume 54
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Sach- und Ortsregister Trockensavanne 24 Tropen 54 Tropenwaldbewirtschaftung 120 Übernutzung 50 Überfischung 85 Überschwemmung 154 Umweltflucht 80, 84 Umweltflüchtlinge 84 Umweltrisiken 146 Umweltveränderung 84 UNCOD 48 UNCTAD 16, 205–206 UNEP 16, 205 Urbanisierung 18–19, 136–137, 197 Verbrannte-Erde-Syndrom 11 Verschuldung 38 Verstädterung 37 Verwundbarkeit 169 Vulkanismus 91, 128 Vulnerabilität 13, 91, 155
Wanderfeldbau 50 Wasserbewirtschaftung 42 Wasserhaushalt 53 Wasserknappheit 197 Wasserkreislauf 114 Wasserkrise 197 Wassermanagements 43 Wassermangel 34 Wassernutzung 196 Wasserressourcen 197 Wasserverfügbarkeit 34 Wasserversorgung 33–35, 37, 41, 46 Wasserversorgungsgrad 36 WBGU 9–10, 12–13 Weidemanagement 176, 178 Weideverknappung 181 Weltbank 38 WHO 101–102, 111, 139 WMO 140 Wüsten 54 Wüstengrenzen 166 Zentralafrikanische Republik 113, 119–120
Verzeichnis der Autor(inn)en Auerbach, Raymond, Dr., Direktor der Rainman Landcare Foundation, Hillcrest/Südafrika Baumhauer, Roland, Dr., Professor am Institut für Geographie der Universität Würzburg Braun, Klaus, Dr., Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Dickow, Helga, Dr., Mitarbeiterin am Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung an der Universität Freiburg Doevenspeck, Martin, Dr., Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie der Universität Bayreuth Dongus, Stefan, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Drescher, Axel W., Dr., Professor am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Eitel, Bernhard, Dr., Professor am Geographischen Institut der Universität Heidelberg Glaser, Rüdiger, Dr., Professor am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Glawion, Rainer, Dr., Professor am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Graefe, Olivier, Dr., Professor am Department of Geoscience in Fribourg/Schweiz Held, Alex, Feuerökologe und -manager bei Working on Fire in Nelspruit/Südafrika Kappas, Martin, Dr., Professor am Geographischen Institut der Universität Göttingen Karthe, Daniel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Universität Göttingen Kraus, Daniel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Feuerökologie des Max-PlanckInstituts für Chemie, Freiburg
Kremb, Klaus, Dr., Oberstudiendirektor am Gymnasium Winnweiler/Pfalz und Lehrbeauftragter an der TU Kaiserslautern Krings, Thomas, Dr., Professor am Institut für Kulturgeographie der Universität Freiburg Mächtle, Bertil, Dr., Wissenschaftlicher Angestellter am Geographischen Institut der Universität Heidelberg Naumann, Simone, Dr., Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Geographie des Instituts für Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Niemann, Steffen, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Magdeburg Paeth, Heiko, Dr., Professor am Institut für Geographie der Universität Würzburg Passon, Jacqueline, Dr., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Rakotoson, Serge Lala, Dr.-Ing., Hydrologe im Beratungsunternehmen SOMEAH in Antananarivo/ Madagaskar Rothfuß, Eberhard, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Universität Passau Runge, Jürgen, Dr., Professor am Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) und am Institut für Physische Geographie der Universität Frankfurt am Main Schönbein, Johannes, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physische Geographie der Universität Freiburg Siegmund, Alexander, Dr., Profesor in der Abteilung Geographie des Instituts für Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Heidelberg
Planet Erde Die WBG-Reihe zum Global Change Herausgeber: Rüdiger Glaser und Klaus Kremb Nord- und Südamerika 253 Seiten, zahlreiche Fotos, Karten, Diagramme und Tabellen, 2006 ISBN 978-3-534-18410-1
Asien 270 Seiten, zahlreiche Fotos, Karten, Diagramme und Tabellen, 2007 ISBN 978-3-534-19050-8
Zusammen mit dem Band Afrika liegen damit für alle großen Kontinente der Erde geoökologische Bestandsaufnahmen unter besonderer Berücksichtigung des Global Change vor.