Adolf Loos [First ed.]


172 64 2MB

German Pages 58 Year 1922

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Adolf Loos [First ed.]

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

KARL MARI LA UN

ADOLF LOOS

DIE

WIEDERGABE

WIENER GEGENWART UND IHR BESITZ EINE SAMMLUNG KLEINER BÜCHER HERAUSGEGEBEN VON PAUL STEFAN

1.

REIHE

5.

BAND

KARL MARILAUN

ADOLF LOOS

19

WILA

22

WIENER LITERARISCHE ANSTALT WIEN Gesellschaft m. b. H. LEIPZIG

^ \oc ^ 64 U A fl® äTV

.

ich®

KARL MARILAUN .

*

Lj

1

;

ADOLF LOOS

19

WI LA

22

WIENER LITERARISCHE ANSTALT LEIPZIG Gesellschaft m. b. H. WIEN

Alle Rechte, besonders das der Über-

Copyright 1922

setzung, Vorbehalten

by Wiener Literarische Anstalt, Gesellschaft m. b. H. Gedruckt bei Christoph Reisser’s Söhne in Wien I

Verlags-Nr. 125 &



*

THE LIBRARY BRIGHAM YOÜiNG iGTERSITY •.

PSOYG,

LilAii

W

er

Adolf Loos?

ist

Wolf



Hugo

Als

Gustav

Dreißig,

Mahler

Vierzig, Peter Altenberg Fünfzig,

Anton Bruckner Siebzig geworden waren,

hatten sie es glücklich dazu gebracht, daß sich

Wiener Mitbürger mit dem gewer Hugo Wolf, Anton Bruckner, Gustav

ihre

wissen Wiener Achselzucken fragten: ist

das,

Mahler, Altenberg Diese

Frage,

.

.

.

anderswo

gestellt,

könnte

immerhin eine Art vorläufigen Ergebnisses von dreißig, fünfzig, siebzig Lebensjahren sein.

Wien

Solche Frage, hier in nichts

weiter

als

gestellt,

Achselzucken.

ein

ist

Und

Wiener Ergebnis eines Wien. Wer ist, was ist uns Bruckner, Wolf, Mahler, Altenberg! Für Kränze, Ehrengrab und Feuilleton wird es ja vermutlich einst reichen. Überstürzen ist nicht beliebt, Dränsolcherart eben das

Lebens

in

.

.

.

7

gen wird nicht erlaubt.

Und

auf

uns eh keiner

dem

Zentral-

Die Enkel werden schon wissen, was die Väter rennt

friedhof

davon.

einst besaßen.

Inzwischen vertreiben sich die Väter ihre

Wiener Gegenwart und erzählen Geschichten von den Zeitgenossen. Statt des Ruhms stellt sich die Fama ein. Bekränzt mit Anekdoten gingen Bruckner, Wolf, Mahler, Altenberg aus

Unsterblichkeit

der

Kaffeehaus

in

das

Wiener

ein.

*

Hier ist

soll

das Schicksal Adolf Loos’

ein Schicksal





es

nicht mit den wieneri-

schen Erfahrungen dieses oder jenes Großen verglichen

werden.

Die

Parallelen

stellen

sich auch ungesucht ein.

Wer

ist

Adolf Loos,

Mann von

fünfzig

Jahren, bekannter Architekt, Inneneinrichter

Feind der

„Wiener Werk-

reicher

Leute,

stätte“,

Entdecker Kokoschkas und Freund

Peter Altenbergs?

weiß nämlich, das heißt, sagt die Wiener Fama. Loos ist der Mann, der den Michaelerplatz mit einem scheußja lichen Haus verschandelt hat. Ein Narr. Dies

alles



Ein Sonderling. Ein unbequemer ein ... ein

Nämlich

Mensch,

Europäer. in

Wien, und

dies ist das zwi-

schen Tragik und Groteskem seit zwanzig Jahren unermüdlich pendelnde Schicksal des „Architekten“ Adolf Loos. *

Ende

der

seinen

Namen

damals

aus

Amerika

in

Neunzigerjahre hörte das erstemal nennen. Er

man kam

Amerika, und er predigte Wien. Er predigte: Vernunft,

Wahrhaftigkeit, Hygiene, Zeitersparnis, anständige Lebensführung.

Für das Gegenteil von Vernunft, Wahrund Öko-

haftigkeit, Ersparnis, Gesundheit

nomie

in allen

Lebensfragen hatten sich die



„fin de siede“ Wiener damals Kunstgewerbe angeschafft.



ihr

9

kommt vom Handwerk

Adolf Loos

Und

man

fragt

ihn

um

her.

die Eindrücke, die er,

armes Hascherl von einem Österreicher, in Brünn geboren, von Amerika empfangen hat, sagt

so

wundervolles

er:

Straßenpflaster,

Abschaffung der durch die Maschine

Arbeitsteilung,

Sklaverei

!

In

Wien war

sie nie abgeschafft,

Wiedereinführung

in

verstärktem

und eine

Umfang

Die Maschine erfreut sich hier keiner Wertschätzung. Erstens funktioniert allgemeinen

Sympathien.

geheimnisvoll

klimatischen

begegnete ,,

seelenlose“

sie

unter

Ein-

Wiener Luft ohnehin nicht. Und zweitens war das Leben bestimmt gemütlicher, als der Begabung des Wieners, sich sein Leben umständlich, aber individuell zu

flüssen der

gesetzt Schranken keinerlei werden durften. Adolf Loos war ganz offenbar kein Wiener mehr. Er hatte nicht Gemüt, er verschlampte weder Grundsätze noch Zeit, er war un-

verpatzen,

io

angenehm humorlos

in ernsten

Dingen. Er

sagte zu Amerika, zu Europa bedingungslos Ja,

und infolgedessen wurde

er hier in

Wien

der Mann, der zu allem Nein sagt.

Und die

hier hätten wir übrigens auch schon

Wiener Antwort auf

wer Adolf Loos ist. Der Mann, der Nein

Zu

dieser Etikette

Jahre seines

die

Wiener Frage,

sagt.

kam

Loos, der zwanzig

Lebens damit verbracht

den Insulanern

vom Donaustrand

die

hat,

An-

nehmlichkeiten eines europäischen Daseins zu predigen. *

Er predigte: Los vom Ornament! Am Ornament erkennen sich die Buschmänner, die Fidschi-Insulaner, die Menschenfresser: sie

tätowieren sich. Dürften sie es nicht, müßten sie

G’wand

ihr

Himmel

fahren,

und in den Wiener Leben freute

verkaufen ihr

sie nicht.

Am

ornamentierten

Bizeps

und Brust1

kästen erkennen sich Verbrecher, Zuhälter, Bordellwirte.

Am

Ornament erkennen

sich

die

Fein-

sinnigen unter unseren Mitbürgern, infolge-

dessen schufen sie das Kunsthandwerk.

Dieses Ornament, diese Ästheten, dieses Handwerk, das seinen ehrlichen Namen verloren hat, negiert Loos. Verquickung von Kunst und Handwerk beruht nach ihm



der

sich

paradox auszudrücken

Selbstverständliches

hiesigen

bei

genossen überhaupt an den

liebt,

Mann

um Zeit-

bringen zu

— beruht nicht nur auf einem Denk-,

können sondern

ganz bestimmt einem

Charakter-

fehler.

Ornament

ist

Schlichteste,

terialsparende

Verbrechen. sachliche,

arbeit-

Zweckmäßigkeit

brauchsgegenstandes

erhebt

der

und mades

Ge-

Unwiener

Adolf Loos zur sozusagen sittlichen Forderung.

Nie und nimmer

kann ein Regen-

schirmständer, die Zigarettendose, ein 12

Haus

unserer

„schön“

Zeit

zeugte

Wiener

Ästhet,

dem

Tischler

gewerbler,

wenn der von Morbidezza gegenannt Kunst-

sein,

Literatur und schlampiger

Maurer

die

Händen schwindelt. auf dem ich sitze Loos

sagt

oder

Arbeit aus den

Der

Sessel,

dies heute

Jahre



noch mit unverbrauchter, zwanzig

lang

vergeblich

— dieser

gewesener

Leiden-

Grund jahrhundertelanger Erwägungen und Versuche schaft

zu jener

Form

Sessel ist auf

gelangt, die weder „schön“

|

noch

„häßlich“

ist,

aber

mir

ermöglicht,

j

auf diesem Sessel sitzen zu können. Solche

Formen

findet

und bewahrt der Handwerker.

Schönheit, Stilfragen, Kunstgeschwätz interessiert ihn nicht.

Ästhetik des Sessels: sitzen

muß

ich drin

können. Selbstverständlichkeiten?

Jawohl.

Aber

der Europäer, der solche zwanzig Jahre lang

den

Wiener Eingeborenen um

die

Ohren

schlug, gilt den Kulturschlieferln rund 2

.

Wiedergabe, Bd.

5

um *3

den Stephansturm

Nein

als

Mann, der

der

...

sagt.

*

In diesen selben zwanzig Jahren hat sich

„Wiener Werkstätte“ ihren Boden, ihr nicht einmal völlig Publikum und ihre echten Snobs geschaffen. Die österreichische oder, um ganz genau

die





zu sein, wienerische Freude, Selbstverständ-

anzuhängen und

lichkeiten einen Schnörkel

das „graue Leben“ ohne Ornament unerträglich

zu

liebsten

verbunden

finden,

völlig

am

dem

mit

hemmungslosen Talent zu

phantasierender Formgestaltung, hat es als beleidigende

Zumutung empfunden,

einem bloßen Zweck abfinden zu

Zweckmäßig Gasbügeleisen.

und

das

ist

Wir

sich mit

sollen.

Wasserklosett,

aber

sind

das

bekanntlich

bitte ein altes Kulturvolk, infolgedessen

wissen wir

nicht

genau, was

ein

funktionierender Paternosteraufzug

tadellos ist,

aber

den Heurigen, den Mistbauer, den feschen 14

Fiaker und überhaupt das goldene Wiener

Herz macht uns niemand nach. Der Mensch des francisco-josefinischen, im Makartbukett symbolisierten Zeitalters hatte im Gefühl seiner inneren Unsicherheit eine tödliche

Angst vor der

Realität.

wie die Dinge sind, sondern, wie sehen,

war

die

Hauptsache.

sie

Nicht aus-

Sachlichkeit

Menschen. Das sogenannte wäre beleidigt gewesen, die Schönheit des neuen Lebens in einem nackten

empörte

diese

Stilempfinden

Betonbau, in der

Zweckkonstruktion einer

Maschine, im Pflaster der Großstadtstraße,

Wickelgamasche sehen zu sollen. Mit der Zeit stellte sich heraus, daß man den Betonbau und die Wickelgamasche nicht entbehren könne. Aber der österreichische Mensch trug inwendig den gestickten Kragen in einer

des 16. oder 17. Jahrhunderts dazu. So ein gestickter

Kragen

war

wiederholende Klage, daß

dammt“

sei,

in einer

die

immer

man dazu

sich

„ver-

nüchtern gewordenen, i5

den Zweck anbetenden, die Sachlichkeit zur sozusagen sittlichen Forderung erhebenden Zeit leben zu müssen.

Das

Makartbukett war

Flucht

die

zum schönen Schein vom grauen Leben zum Pofel.

der Wirklichkeit

aus

oder

*

Josef

Hoffmann und

die

Leute

seiner

Wiener Werkstätte“ schafften das Makartbukett und das scheußliche Tapezierertum ,,

der Achtzigerjahre ab. Sie erkannten ganz richtig,

neuen

daß sich der Stil

erobern

.

neue

müsse.

Mensch einen

Daß

gotische

Speisezimmerkredenzen, altdeutsche Stuben oder

maurische

Rauchzimmer

dem

mit

„lebendigen Tag, in den wir gesetzt sind“

Goethe

— gar

lächerlich, sei,

diesen

nichts zu tun haben.

Daß

— es

brechreizend

und

unintelligent

lebendigen

Tag

mit

(nach-

gelieferten) Vergangenheiten romantisch

und

zimperlich verlogen zu möblieren.

Zwei Wege waren nun möglich. Entweder 16

man

bekannte

und auf-

sich unsentimental

richtig zu dieser Zeit, deren Schönheit nicht

Ornamente

sind,

überhaupt

aus

unserer

Stube, hat.

Entweder

die das zwecklos Schöne unserem Alltag, unserer Kleidung hinausgeworfen

man

entschloß

„schön“ zu finden, was

in

sich,

das

unserem täglichen

Leben kein Verkehrshindernis bildet, sondern es erleichtert: also die Glühlampe, das Ga^bügeleisen,

Mauer

die

aus

Beton,

den

Asphalt, einen Sessel aus gebogenem Holz,

den

hygienischen

Spucknapf,

vernickelte

Wasserleitungshähne, das Auto, einen elek-

Rechaud, die gekachelten

trischen

Wände

des Badezimmers.



Oder die

man

man ja

versuchte,

keinesfalls

diesen

mehr

Dingen,

entbehren

konnte und wollte, abermals den bewußten

Spitzenkragen

mäßiges

Kunst binder,

mit

umzuhängen. „Schönheit“

Ihr

zu

Zweck-

bemänteln.

zum Buchzum Damenschneider, zum Wände-

in die Tischlerwerkstätte,

1

maler,

zum

Metallarbeiter

Professionisten

zum

zu tragen.

Kunstgewerbler

Den um-

zubiegen, und allerdings keine Anleihen bei

mehr zu machen, aber mit der

alten Stilen

Erfindung eines „modernen“

nahe schon freigemachten lichkeit

Stils

Weg

den bei-

zur Sach-

und Aufrichtigkeit neuerdings zu

verschütten.

Anstatt

Gewerbe

und

in

Generationen

Handwerk in ihre Rechte verquickte man es mit Kunst.

hochgebildetes einzusetzen,

Der Schnörkel war wieder da. Und da das Ornament alten wie neuen Stils nicht eben auf

dem Wege von

ersparung

zu

Arbeits- und Material-

stände

zu

kommen

pflegt,

wandte sich die sicherlich aus idealen und beachtenswerten Beweggründen entstandene

„Wiener Werkstätte“ mit ihrer „Edelarbeit“ naturgemäß an die begüterten Kreise, den kaufkräftigen Abnehmer, den Snob, der es sich leisten konnte.

Handwerk, mit Kunst kompliziert und 18

um

Verpflichtung sie verteuert, kann eine soziale nicht gut anerkennen. Möbel, die nicht nur zweckmäßig, sondern vom Architekten „ent-

Menge

worfen“, hernach noch durch eine

— des Tischlers, des Bildhauers, des Ver^ geben Inkrustierers —

von Händen gehen müssen des Tapezierers,

Malers, möglicherweise Zeugnis für den Ideenreichtum oder den Sybaritismus ihres Entwerfers und die Leistungsfähigkeit der verschiedenen golders,

,

Handwerkszweige. Aber lich nicht billig sein.

die einer

können natür-

sie

Und

für jene Kreise,

Hebung und Kultivierung

des Ge-

schmacks angeblich so sehr bedürftig sind, bleiben sie überhaupt unerschwinglich. Die Schöpfer des modernen Kunstgewerbes

Menge sittlicher Postulate auf. dem Schund, Materialechtheit,

stellten eine

fort

mit

Edelarbeit.

Sie predigten eine

Wohnungskultur. Aber großen und ganzen nur

sie .

.

.

neuzeitliche

schufen

im

Luxusware

* 19

Und

hier erinnert

man

sich,

daß Loos, der

und gefährliche Feind der „Wiener Werkstätte“, nicht nur von einem Denk-, sondern einem Charakterfehler des „Kunst“handwerks zu sprechen liebt. Es ist nicht unbedingt nötig, ihm auf seinen Gedankengängen bis zur letzten Konsequenz zu folgen. Nicht jeder kann das Lebenswerk eines Künstlers und Idealisten, wie es Josef Hoffmann ist, mit der Impetuosität und ungeheuren Selbstsicherheit Hoffmanns eines Adolf Loos ablehnen.

wirkliche, große

phantastischer Ideenreichtum befruchtet seit

zwanzig und mehr Jahren eine Menge von österreichischen Formtalenten, deren er

wahrscheinlich zu viele

gewerbeschule hat.

Er

aus



in seiner



Kunst-

dem Boden gestampft

zügelt möglicherweise

die

Zügel-

losigkeiten seiner

hemmungslos Begabten zu

wenig,

einem eminent künstleri-

dies

aus

schen Beweggrund: der junge Mensch nicht „in eine 20

Bahn

soll

gelenkt“, nicht einmal

zu seinem Meister orientiert werden. Son-

dern er

soll

gehemmt Phantasie

ganz,

ausschließlich

sagen,

was

soll

nicht

und unDie

er zu sagen hat. in

eine

Schule

ge-

nommen werden, Persönlichkeit ist alles. Wofür Hoffmann natürlich nichts kann, ist,

daß auch die Persönlichkeit hierzulande

den gestickten Spitzenkragen sozusagen im

Daß sie den Schein für das Sein Daß sie den Schnörkel für das Wesentliche hält. Daß Ornament nicht VerBlute hat.

nimmt.

brechen, sondern Daseinsbedingung des ver-

gangenen und gegenwärtigen österreichischen Menschen ist. Daß Wien wahrscheinlich aus tieferen Gründen, auch in seiner heutigen Verarmung, die Stadt der Luxusware ist. Sollte dieser Stadt der neue Geist, die Er-

kenntnis

des

Wesentlichen je einmal auf-

gehen, wäre Adolf Loos ihr Führer. Bis dahin allerdings predigt er ins Blaue. Bis

dahin



fast hätte ich gesagt:

muß

er sich, in

Wien, 21

darauf beschränken, zu verneinen. Bis dahin

wird er hier bequemer,

als

als

Sonderling gelten, als Un-

Sektengründer, bestenfalls als

geistreicher Essayist.

Bis dahin bleiben seine Wahrheiten Bonmots, seine Selbstverständlichkeiten schwerSchrullen, und die Wiener werden immer bloß wissen, was Adolf Loos

begreifliche

nicht

ist:

kein

also

Schriftsteller, kein

kein

Architekt,

Kunstgewerbler, kein Be-

Stils und nicht einmal Bewahrer unserer teuren Traditionen. Daß er Europäer ist, wahrhafter Mensch Diener, Gläubiger, Enthusiast und nie ermüdender Verkünder des Notwendigen, Selbstverständlichen und darum Sittlichen wer begriffe dies in einer Stadt, die sich begeistert lieber jedem Weltuntergang preis-

gründer eines neuen





gäbe,

bevor

ihre

innere

sie

darauf

und

verzichten

äußere

Galanteriewaren zu möblieren *

22

würde,

Existenz .

.

mit

Die breiten

Wege zum

Erfolg sind Adolf

.oos, bis heute, verschlossen geblieben. Viel-

man hat sie ihm verrammelt, wogegen wenig und nichts besagen will, daß er

nehr, :s

elbst

sich

manchen Stein über den

Weg

geworfen hat. Er hat es in zwanzig Jahren licht

gelernt,

Konjunkturen

zu

erkennen,

freunde für sich werben zu lassen, die geeinflußreichen „Verbindungen“ in Anspruch zu nehmen. Hecht im Karpfen:eich, konnte er die Kreise der anderen höchstens stören. Eingebürgert im Karpfen-

wissen

teich hat er sich nicht.

Dafür als

ist

der Fünfzigjährige heute jünger

die meisten Zwanzigjährigen.

Und

nur,

wer schärfer hinsieht, merkt den Leidenszug, den ein Wiener Leben in sein unheimlich erfahrenes und noch immer nicht resignierendes, beredtes und waches Gesicht gezeichnet hat. Seine Tragik: ein Mensch des zwanzigsten, einundzwanzigsten Jahrhunderts, lebend im neunzehnten unter Kleinbürgern, die fort

23

und

fort

hendeln,

ihre

Zuständigkeit zu den Back-

zum Stephansturm

Praterspatzen,

und der Fiakermilli beteuern.

Er aber ist der Anti-Kleinbürger, der Menschen erziehen will. Wozu erziehen? Zu jeder Art von Ehrenhaftigkeit, Solidität,





Verantwortungsgefühl. Zu sozusagen innerer wie äußerer Materialechtheit. Ein Reformator, der von all dem, was den

meisten unbedeutend erscheint, ausgeht. Das Badezimmer erscheint ihm wichtiger als der Schwindel einer Bildung, die als Ornament erworben, nicht innerstes Bedürfnis einer

Masse

der

ist,

man

die

weigert, sich anständig

Möglichkeit ver-

und menschlich

er-

nähren und kleiden zu können. einzelnen,

in

gesteigerten

ihren

Nicht die Möglichkeiten höchst-

Ausnahmsindividuen

sind

es,

die eine europäische Zivilisation aufzubauen

vermögen. Der Aufbau ist da, wenn die Wiener weniger „Kultur“ und desto mehr Badezimmer besitzen werden. * 24

Ein schmaler tn

Weg zum

Reformator Loos

in

Erfolg konnte für aller jüngster

Zeit

Weg

über

gemacht werden. Ein

isfindig

rachland, das er in Gärten zu verwandeln

ünscht: der

Und

Weg

zu den Siedlern.

hier lasse ich Adolf Loos das

Der Vater sah das

freie,

Wort:

unbebaute Land,

üdgearbeitet hatte,

Tag in der Fabrik nahm die Schaufel zur.

and und begann

die

r,

der sich den ganzen

ckerland :ues

entstand,

und

esmal

Erde umzugraben,

der

Schrebergarten,

selbstgeschaffenes

das

:holle des

wirkliche:

Vaterland, selbstbebaute

Ergebnis einer Revo-

Siedlers.

tion, die der

die

Arbeiter gegen den Kasernen-

vang der Fabriken unternommen hat. Er:bnis

einer

mg und

Menschheitsbeweeinem menschlichen

unblutigen

daher

mit

ssultat.

Man

glaube

nicht,

daß

rtnerei eine augenblickliche ir alle

kommenden

die

Schreber-

Psychose

ist.

Zeiten wird das Stück 25

Land, das sich der Mensch selbst bebaut, das bleiben,

was

es heute ist:

die Zuflucht

zui;

Mutter Natur, sein wahres Glück und seine einzige Seligkeit. *

Ernährung

Die

eines

wird

Volkes

be-

stimmt durch die Nahrungsmittel, die das bebaute Land seine

eigene

liefert.

Jedes Volk hat daher

Ernährungsart,

seine

eigene

Küche.

Man

sprach sehr viel von der Österreich^

sehen Küche. Aber erst heute werden wir

gewahr, daß diese Küche nur dadurch möglich

wurde, daß ein Staatengebilde, das mar

die

österreichisch-ungarische

Monarchie

nannte, durch Jahrhunderte bestand.

Mähren, Polen und Ungarn lieferten das Südüngarn und Böhmen Pflaumen Böhmen und Mähren Zucker. Die Natui Mehl,

hatte

die

nichtdeutschen

Länder

in

verj

schwenderischer Weise ausgestattet. Weit«

Ebenen, eine schwarze Ackererde, brennend« 26

i

Sonne. Alles, was uns einst ernährte, haben

Und da heißt es umlernen. Die böhmischen Knödel, die mährischen Buchtel, wir verloren.



die italienischen Schnitzel die jahrhundertelang

der Wiener

heimische

zum

Küche gehörten, müssen durch Nahrungsmittel

Der Mehlreichtum der zur

hatte

Küche war.

die

lauter Dinge,

eisernen Bestand

Folge,

daß

werden.

Monarchie

österreichische

die

mehlreichste

Wir waren

ersetzt alten

der

ganzen Welt Mehl-

stolz auf die vielen

wurde Mehl getan. Kein Gemüse kam auf den Tisch, das nicht zur Hälfte mit Mehl versetzt wurde. Die Hausfrau nannte das „strecken“, denn das Gemüse war teuer und das Mehl billig. Der österreichische Spinat war daher ein grauer

speisen. In jede Speise

Kleister, der durch Spinatzusatz eine grün-

Färbung annahm. Diese Mehlverschwendung kostet aber das Volk jährlich

liche

ungezählte

Milliarden



die

Summe, die dem Aus-

der Staat auf das Mehl, das aus

27

land eingeführt werden muß, daraufzuzahlen

Keine industrielle Kraftanwendung wäre im stände, einen Ausgleich zwischen mutwilligem Import und Export herbei-

hat.

zuführen.

Die Rettung? Jener Doktor Daniel GottMoritz Schreber hat sie geahnt, der vor

lieb

siebzig Jahren spielenden Kindern in den von Mietskasernen flankierten Straßen zu-

sah und sich sagte:

Die kinderreichen Familien mögen sich zusammentun, ein kleines Stück Land vor den Toren der Stadt pachten und die Kinder unter freiem Himmel, fern von dem Getümmel und Staub der Großstadt, in Luft und Sonne spielen lassen. Das kleine Grundstück möge von Laubhütten eingefaßt werden, wo Vater und Mutter nach getaner Arbeit

Und

ihren

Feierabend verleben können.

so geschah’s.

Was

aber Daniel Gott-

lieb

Moritz Schreber nicht ahnen, konnte, er-

lebt

man

28

siebzig Jahre nach

dem

Idylliker

der

Volkswirtschaft:

Schrebergarten

der

nur die Menschen, er rettet den

rettet nicht

Staat. *

Aufgabe eine

dieses Staates wird es

Stadtbewohner für

nun

sein,

Arbeitsleistung, der sich ein Teil der

die

unterziehen

freiwillig

Allgemeinheit

am

will,

auszu-

besten

Die Arbeit des Schrebergärtners Nahrung, die ohne diese Arbeit aus dem Ausland bezogen werden müßte. Die Schrebergärtner Wiens haben im Jahre

nützen.

bringt

1920 für eine Milliarde Nahrungsmittel ge-

wonnen.

Die

Summe

Mittel. sich

Das

zu

erste

erhöhen,

der freiwilligen

zeugung macht,

von

Land

Mitarbeit an der Er-

zuweist.

Es

gibt

erbötig

Hundert-

Millionen in Österreich,

deren

drängen,

Wiedergabe, Bd.

zwei

es

jedem, der

sich zur Gärtnerarbeit in ihren

stunden 3

gibt

man

Nahrungsmitteln

:ausende in Wien, iie

daß

ist,

5

Mußeund

Arbeitslust

20

Arbeitskraft

nicht

ausgenützt

Eight

wird.

hours to work, eight hours to play, eight hours

to

lautet

der

and eight Shillings

rest

englische

a

day,

Gewerkschaftsspruch.

Die acht Stunden „Spiel“ wollen von einem Teil

unserer

legt werden.

Arbeiter

nutzbringend

Der Einwand, daß

ange-

diese acht

Stunden der Facharbeit verloren gehen, weil der Arbeiter

gehen,

ist

tonisches

in seinem Garten überdadurch Kräfte verloren

sich

und

anstrengt

falsch.

Die Gartenarbeit

ist

ein

Es braucht

Mittel ersten Ranges.

nicht ausgemalt zu werden, wie diese acht

Stunden

,,to

play“ sonst verwendet würden.

Zweitens: der Schrebergärtner

möge

dort

wohnen, wo sein Garten liegt. Der heutige, der Wohnstätte weit entlegene Schrebergarten ist ein Stundenfresser; mancher verbringt eine Stunde hin, eine Stunde zurück

auf

der

Garten,

Straßenbahn. sondern:

Also

Heim. Und

nicht dies

nur:

weiter

ermöglicht durch ungeteilte Arbeitszeit, Ab30

Schaffung der unökonomisch auf den ganzen

Tag

Acht Stunden,

verteilten Arbeitspausen.

ununterbrochen, der Facharbeit, der Fabrik.

Der Rest aber

um



dem Bureau,

das Heim. Der Tisch,

ist

den sich die Familie versammeln kann.

Weiß man

es in der Welt,

daß es eine Mil-

lionenstadt gibt, in der 80 Prozent der Ein-

wohner ihre einnehmen?

Mahlzeiten

nicht

bei

Tisch

*

dem Wiener

Dieser Tisch, der

gegeben werden abreichen,

die

österreichische

soll,

strecken

sche

brauchen.

wirklich

repräsentieren.

mehr

ihr

Die

Gemüse zu

Die intensive gärtneridie im Jahr drei

Bodenbearbeitung,

Ernten ergibt, zeitigen,

die

lange besitzen,

Völkern, 3 *-

moderne,

neue,

Küche

Siedlerfrau wird nicht

Arbeiter

wird Mahlzeiten ver-

die

wird jene Ernährungsform Kulturvölker schon

andere

zum Unterschied von mit

extensiven

jenen

Jahresernten 31

rechnen.

Das gärtnerisch gezogene Gemüse

Wir werden durch

wird das Mehl ersetzen. Arbeiten

was

ersetzen,

bringendem Boden

uns

an

frucht-

fehlt.

*

Dies sind die Worte,

gramme

des großen

.

.

.

ist

eines der Pro-

Verneiners von Wien.

Nämlich des Verneiners einer

Fidelität,

einer Backhendelbehaglichkeit, einer wiene-

rischen

Tapeziererei

mit

Ornamenten, die

uns den österreichischen Weltuntergang beschert hat.

Was der

dazu noch zu sagen ist, hat einer Freunde von Adolf Loos gesagt: In

mag

Kleinigkeiten

er

mitunter

unrecht

haben. Aber merkwürdig, in der Hauptsache

hat er immer recht.

An Männern,

die mit ihren Kleinigkeiten

Es Der Mann,

recht behalten, hat es uns nie gefehlt. sind die österreichischen Talente.

dem Loos. 32

es

um

Hauptsachen geht,

ist

Adolf

:

j

Eben darum halten sie sich an seine Paraum den Unbequemen ungestört beächeln, mundtot und womöglich arbeitsmlustig machen zu können. ioxe,

*

Der „Architekt“ Loos baut Häuser reiche, für

Er

für

arme, für menschliche Menschen.

Wohnung

richtet die

einer

Kammer-

sängerin ein, er baut Landhäuser für bürgeriche

Menschen,

wenigen

errichtet

er

vernünftigen

eines

Geschäftshäuser

der in

Wien und sein berühmt gewordenes Cafe Museum, in der blühendsten Sezessionszeit entstanden,

hat

heute

wie

vor

zwanzig

fahren keine andere als die Atmosphäre des echten,

alten,

auf anständige Weise gemüt-

ichen Wiener Kaffeehauses.

(Denn sogar

die

wienerische Fähigkeit,

Kaffeehäuser zu bauen, hatten die Kunst-

^ewerbewiener verlernt.) * 33

Über

Häuser,

die

schäftslokale,

Loos

ist

die

die

Villen,

die

Ge-

Wohnungen von Adolf

wenig zu sagen. Glücklicherweise.

Sie entbehren des Ornaments, das heißt, sie sind

unverlogen,

Zweck und

sie

entsprechen

erreichen ihn,

wenn

ihrem

es nötig

mit den sparsamsten Mitteln. Ich kenne ein Haus, das Adolf Loos

ist,



Vergangenheit von vor zwanzig Jahren von der Küche bis unter den Dachboden für bare siebentausend Gulden eingerichtet hat. Und ich habe in diesem Loosschen Haus allerdings in der märchenhaften



eigentlich immer nur glückliche, zufriedene und anständige Menschen gesehen. Es ist kein Paradox von Adolf Loos: seine Häuser bauen sich ihre Menschen. Dies ist alles, was über den Architekten

zu sagen wäre. *

34

Begegnung

dem

mit

Menschen

Adolf

^oos.

In der gemischten Gesellschaft eines Salz-

i

cammergutortes

fällt

ein

Herr von beson-

lerem Schlag auf. Er hat ungefähr das Gefleht

eines

altwienerischen

Patriziers,

das

von Waldmüller gemalt könnte. Eher von Kokoschka, denn die

über trotzdem nicht >ein

Sutrassigkeit dieses

schmalen, in manchen

einem soigniert menschenfeindlichen Lord entliehen scheinenden Gesichtes hat nichts von der bürgerlichen Selbstgefälligkeit der um kein Problem wissenden, schönen, gepflegten älteren Herren des. AltAugenblicken

wiener Malers.

Der Herr im Salzkammergut gehört einem schwerer definierbaren Schlag an. Er kann der Enkel des raimundischen Herrn von Rappelkopf

sein,

gewiß aber kommt seine

leidende und beobachtende Mißvergnügtheit

auch bei Dickens vor. Vor allem aber ist es Mensch mit den witternden Instinkten,

ein

35

den Nerven, den Voreingenommenheiten, den Leidenszügen jenes aus Neuem und Altem zwiespältig gemischten Schlages, der sich in

Girardi primitiver, in Kainz geistreich und launenhaft, genialisch,

in Gustav Mahler jüdisch im Dichter Peter Altenberg gütig

und kindhaft ausgedrückt

hat.

*

Inwiefern diese paar Menschen bestimmt

Menschen von heute neue GefühlsWesenszügen zu geben, vermöchte niemand einseitiger, aber auch schienen,

inhalte zu den alten

geistvoller

zu formulieren

Herr

Salzkammergut,

im

als

der

der in

fremde seiner

irgendwie störenden und fesselnden Andersartigkeit den wienerischen

menschen sogleich Natürlich der

fällt er auf,

englischen

Schuhen

und

Reisekragen

ist

Salzkammergut-

auffällt.

Kappe,

dem

denn der Herr mit den

französischen

energisch

karrierten

Adolf Loos.

Fünf Minuten nach Bekanntwerden 36

dieses

ungewöhnlichen Zuwachses zu einer eingeregneten Sommergesellschaft ist Adolf Loos stürmisch umworben. Nicht von den kleinen

Mädchen, die sich von seinem Foxtrott mit wunderbaren Instinkt ihrer wohl-

dem

situierten achtzehn Jahre nichts besonderes

versprechen. Aber immerhin von jungen Damen, die ihren Wissensdurst frisch vom Lyzeum haben. Von ein paar in jeder Salz-

kammergutgesellschaft herumirrenden Neurasthenikern aus den besseren Ständen, die

von ihm ironische und geistreiche Paradoxe über Liebe, Kahnfahren, Sternheim und

womöglich Karl Kraus beanspruchend Und I

es

fehlen nicht die

Hofrätinnen, die über

Haus auf dem Michaelerplatz heute noch die Hände überm Kopf zusammensein

schlagen; und nicht jene anderen, die das

schon vor zehn Jahren nicht taten, weil sie vermutlich schon damals ungeheuer fortschrittlich gesinnt waren,

ohne seither be-

zaubernder geworden zu sein 4

Wiedergabe, Bd.

5

.

.

.

37

Kurzum, Adolf Loos erfährt in fünf Miwas er seit zwanzig Jahren weiß: daß

nuten, es

schwer

ist,

ein

sozusagen

berühmter

Österreicher zu sein. Aber er besitzt eine immerhin erstaunliche Übung im Umgang

mit Leuten, die ihm mit einer von keinerlei Sachkenntnis getrübten Verehrung die Marotte,

eine

bessern,

österreichische

Welt

merkwürdigerweise

gänzlich ausgetrieben haben.

mist mit

den

dem Gesicht

Umgang

mit

zu vernoch nicht

Er

ist

Opti-

des geborenen, durch

Wienern nicht gerade gewordenen Skepti-

menschenfreundlicher

Und dies enthüllt wenigstens die eine Seite seines Wesens, die von fern an Alexander

kers.

Girardi erinnern könnte. Er betreibt, wie nur irgendein Schauspieler oder Demagog, seit zwanzig Jahren Menschenfang und hat damit richtig ein Publikum zustandegebracht, mit

dem man Vortragssäle

Kaffeehäuser

unwohnlich

machen,

füllen,

Welten

oder doch eine Stadt verbessern, das heißt 38

1



demolieren

könnte wenn ein Wiener Publikum sich nicht regelmäßig damit begnügen würde, die Witze eines Menschen, der ernstgenommen zu werden wünscht, ahnungslos und frenetisch zu belachen. *

Es

das Schicksal von Menschen wie

ist

Adolf Loos, daß

Menschen suchen, Er setzt sich an den nächstbesten Tisch des Salzkammerguthotels und wird sofort mit Ausdrücken wie schön“ und häßlich“ beunruhigt. (Da er ja doch ein Architekt, ein Künst-

immer

ein

,,

die

sie,

Publikum

finden.

,,

ler,

ein „origineller“

Was

aber

Herr schachtel.

ist

Loos

Mensch

ist.)

schön? ergreift

Das Ding

eine

Streichholz-

zweckmäßig, praktisch; es repräsentiert einen gewissen realen Wert, den Herr Loos einer deutschösterist

reichischen Tausendkronennote nicht ;

4

so

ohneweiters

zum

zugestehen

Beispiel

möchte. 39

*

ist

eventuell „schön“ nennen kann.

Er

was

die Schachtel Zündhölzer das,

Also

man

holt sein

Zigarrenetui hervor. Es

von

selbstverständlich

allen

ist

Feinheiten

unseres modernen

dig

Kunstgewerbes vollstänKein Ornament, in die

unberührt.

Westentasche glatte,

zu

praktische

stecken,

sondern

eine

zur

Auf-

Metallhülse

bewahrung von Rauchzeug. ,,Mit Zieraten“, sagt Herr Loos, duldig, als ob er es nicht

zum

so ge-

vierhundert-

tausendstenmal in seinem Leben vergeblich

sagen

würde,

„verunzieren

Fidschi-Insulaner,

eventuell

Kunstgewerbler

ihre

Papuaneger,

noch moderne

Gebrauchsgegen-

stände.“ „Ja“, meint die schöne Regierungsrätin von der Manufakturbranche, „aber irgend eine hübsche Gravierung auf dem Silber da kann man doch nicht geradewegs ver-

abscheuen?“

„Verabscheuen 40

Sie

sie

ruhig“,

belehrt

Adolf Loos mit unerschütterlicher, an Re-

und Lehrer an Schulen für Schwachsinnige erinnernder Geduld. „Denn das, was wir schön zu nennen uns angeligionsstifter

4

,

wöhnt haben,

ist

dies nur auf

Grund höchst

blödsinniger und infolgedessen von unseren

und Kunstschulen gelehrter Denkmethoden. Schön ist der Löffel in einer Gemeinschaftsküche, weil er, wie ich anfnehme, einfach, praktisch und billig ist. Während ich mich entschieden weigern möchte, mit einem von der Wiener WerkUniversitäten

,

4

verbesserten, das heißt verunstalteten

Löffel

zu essen. Es gibt keinen Künstler,

stätte

dem

das Recht zugestehen würde, an Gegenständen unseres täglichen Gebrauches seine Phantasie, seinen sogenannten Geich

schmack und sein Stilempfinden austoben und diese Dinge für den vernünftigen Gebrauch unverwendbar machen zu dürfen.

Darum kenne das

uns

ich

kein

4

,Kunst handwerk,

Reißbrettgeburten

von

Häusern, 4i

Möbeln, Kleidern, Schmuck beschert lauter

um



von Dingen, die nur geschaffen werden,

das Verlangen der Papuas nach Pflanz

zu befriedigen.“ *

„Wer

nicht“,

sagt Loos,

„Senegalneger,

sondern ein zivilisierter europäischer Mensch sein will, ich

den

hat vor allem das zu sein, was ,

Menschen

mit

den

modernen

Nerven* genannt habe. Der Mensch mit den

modernen Nerven perhorresziert schon instinktiv alles Unzweckmäßige, allen Humbug, jeden unnötigen, mit unserer Lebens-

weise und unserem Lebenstempo unvereinSchwindel. Der Mensch mit den modernen Nerven ist darum auch sparsam. Er wird es nicht ertragen, an irgend eine Sache mehr oder kostbareres Material, mehr Arbeitskraft, mehr Zeit gewendet zu sehen, als es dieser Sache entspricht. Der Mensch mit den modernen Nerven

baren

ist

42

wahrscheinlich

das

anspruchsloseste

Wesen, das dies,

was

man er

sich denken kann.

vom

tut,

Geist

Zweckmäßigkeit beherrscht jedes

ir

)hne nit :

unnötige

Zuviel.

Er

Auffälligkeit.

verabscheut

ist,

Er

ist

Denn da

unbedingter

kleidet

sich

imstande,

sich

den einfachsten Dingen, die ihm

in ein-

achster Zubereitung vorgesetzt werden, zu

lähren.

dnen

Er

setzt

Sessel,

sich

prinzipiell

Kunstgewerbe

der

nicht

in

ist,

statt

kein

täg-

Sitzgelegenheit zu sein.

Zusammengefaßt:

er

benützt

iches Gebrauchsstück, an das auch nur

um

dnen Heller mehr Mühe, Menschenkraft, Arbeitszeit, Material gewendet ist, als mit seinem Zweck vereinbar wäre.

An

Krankhafte gesteigerten

der bis ins

Scheu, kein Gut zu verschwenden, erkenne ich

Menschen

den

mit

den

modernen

Nerven.

Dem

sparsamen

Menschen,

der

einer

Fiktion wie der unseres Geldes nicht den

geringsten

Wert

beizulegen

vermag,

dem 43

es aber unerträglich wäre, tatsächliches

— und wäre

Gut

es ein halbes Blatt Papier oder

eine

Schachtel Streichhölzer

dert

zu sehen:



verschleu-

dem Sparsamkeitsfanatiker

gehört die Zukunft.

Der Mann mit den modernen Nerven muß wieder aufbauen, was die Papuas, die Pflanz-

macher,

die

.

.

.

Österreicher

zugrunde-

gerichtet, verschwendet, verschleudert, ver-

schlampt haben

!“

*

So Adolf Loos, und eine sein,

er braucht nicht in

Salzkammergutgesellschaft geraten zu

um

reizend,

mißverstanden, nämlich amüsant, geistreich

und natürlich verrückt

gefunden zu werden. Notabene:

kammergut als

daß

geriet,

unsparsame

er

überhaupt

ins

Salz-

war durchaus nicht etwa Ornamentierung

seiner

Ferienzeit aufzufassen. Sondern der Architekt

Loos kam hierher,

reparierende 44

um

sich einige zu

Rauchfänge und Holzbalkons

!

nzusehen, und reiste nach fachmännischer

Schäden mit dem nächsten

Feststellung der

^ug nach Hause

.

.

.

*

Entzückend, sagen seine Hinterbliebenen.

Jnd dies

ist

die

Tragik des österreichischen

Schicksals Adolf Loos.

Folgende Bändchen der

WIEDERGABE sind bisher erschienen Band I Joseph Gregor / Das Wiener Barocktheater Band II Max Mell / Alfred Roller Band III

Erhard Buschbeck

/

Die Medelsky

Band IV

Richard Specht

/

Wilhelm Furtwängler Band

Karl Marilaun

Paul Stefan

/

V

Adolf Loos Band VI Anna Bahr-Mildenburg /

Band VII

Artur Rundt / Maria Mayer - Karl Etlinger Band VIII

Ludwig Ullmann

Die Roland

/

Band IX Die gute alte Zeit der

Erwin Rieger / Wiener Operette Band x Wilhelm Wymetal Marie /

Die

Sammlung

zv

ir d

Jeritza

fortgesetzt

:

THEATER UND KULTUR Eine Folge von Monographien unter Mitwirkung von HERMANN BAHR und Hugo von Hofmannsthal Herausgegeben von

MAX PIRK ER Bisher erschienen Band I / DAS

BURGTHEATER von Her-

mann Bahr II / FERDINAND RAIMUNDS LEBENSDOKUMENTE, eingeleitet

Band

von Hugo von Hofmannsthal

Band

III /

FLÖTE

RUND UM

von

Max

DIE ZAUBER-

Pirker (Doppelbänd-

chen mit vier Kunstbeilagen)

OFFENBACH UND SEINE WIENER SCHULE von Erwin Rieger

Band IV/

Die Sammlung wir d fortgesetzt

MEMOIRENWERKE DER WILA Anna Bahr -Mildenburg

ERINNERUNGEN Ein Denkmal für Gustav Mahler Mit drei Porträts der Verfasserin «